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Full text of "Christian Weise: Ein sächsischer Gymnasialrektor aus der Reformzeit des 17. Jahrhunderts"

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HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 



GIFT OF THE 

GRADUATE SCHOOL 
OF EDUCATION 









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CHRISTIAN WEISE 

EIN SÄCHSISCHER GYMNASIALREKTOR 

AUS DER 

REFORMZEIT DES 1 7. JAHRHUNDERTS 

VON 

OTTO KAEMMEL. 



DER XLIV. VERSAMMLUNG 



DEUTSCHER 



PHILOLOGEN und SCHULMÄNNER 



zu DRESDEN 



GEWIDMET 



VON DEN HÖHEREN SCHULEN SACHSENS. 





LEIPZIG, 

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 

1897. 



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CHRISTIAN WEISE 



EIN SÄCHSISCHER GYMNASIALREKTOR 



AUS DER 



REFORMZEIT DES 17. JAHRHUNDERTS 



VON 



OTTO KAEMMEL. 



Integrum hominem requirit haec functio 
rectoris. Chr. Weise. 




LEIPZIG, 

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 

1897. 



^iuo \o^r.i.3'2.r 



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ALLE RECHTE, 
EINSCHLIESSUCH DES ÜBERSETZÜNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 



Vorwort 



Als ich den ehrenvollen Auftrag übernahm, die Fest- 
schrift zu schreiben, mit der die höheren Schulen Sachsens, 
die Gymnasien, Realgymnasien und Realschulen, die 
44. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner 
begrüfsen, war ich mir über die Wahl des Themas sehr 
bald klar. Christian Weise steht als ein Hauptträger der 
grofsen pädagogischen Reformbewegung des 17. Jahr- 
hunderts den Anstalten aller drei Gattungen innerlich fast 
gleich nahe. Gleichwohl ist die Würdigung des ver- 
dienten Mannes, so oft er auch als Dichter beurteilt 
und wohl auch verurteilt worden ist, vom schulgeschicht- 
lichen Standpunkte aus in den Ansätzen stecken geblieben. 
Eine solche versuchte zuerst, wenngleich wesentlich aus 
litterar-historischem Interesse, Hermann Palm (Christian 
Weise, Breslau 1854). Mein lieber Vater ist über An- 
fange zu CoUectaneen und eine Skizze in den „Rück- 
blicken auf die Geschichte des Gymnasiums in Zittau" 
(in der Festschrift von 1871) nicht hinaus gekommen, und 
erst Max Wünschmann hat in seiner fleifsigen und um- 
sichtigen Dissertation „Beiträge und Vorarbeiten für eine 
Würdigung der Stellung Christian Weise's zu den päda- 
gogischen Theoretikern und innerhalb der Schule und Bil- 
dungsgeschichte des 17. Jahrhunderts** (Leipzig 1895) zu 
einer umfassenden Beurteilung die Bahn gebrochen. Die 



IV Vorwort. 

hier begonnene Arbeit abzuschliefsen, kann nicht die Auf- 
gabe der folgenden Blätter sein, da dazu weder Zeit noch 
Raum, noch auch die bisherigen Vorarbeiten ausreichen 
würden. Hier soll nur der Versuch gemacht werden, 
Weise als praktischen Schulmann im vollen Leben seiner 
Schule zu zeichnen. Aber auch in diesen bescheidenen 
Schranken wäre die Arbeit nicht möglich gewesen ohne 
die zuvorkommende Liberalität, mit der die Verwaltung 
der Zittauer Stadtbibliothek ihre fast noch unberührten 
Schätze zur Verfügung stellte. 

Wenn dabei zuweilen eine stärkere Betonung des 
Örtlichen zu Tage treten sollte, als durch die Sache viel- 
leicht gerechtfertigt sein mag, so möge man das persön- 
lichen Beziehungen des Verfassers dieser Festschrift zu- 
gute halten. Weise's Heimat ist auch die meinige, mein 
Vater war einer seiner Nachfolger und zwar derjenige, 
der den Realismus seines Vorgängers in einer besonderen 
Anstalt neben dem Gymnasium verkörpern half; er hat 
den gröfsten Teil seines Rektorats in Weise's Amts- 
wohnung verlebt, er hat auf demselben Doppelkatheder 
vor seiner Prima gestanden, und der schattige Garten 
unter ihren Fenstern, in dem sich Weise so gern erging, 
ist auch seine Freude gewesen. 

Nicolaigymnasium in Leipzig, August 1897. 

Dr. Otto Kaemmel. 



Wandlungen des deutschen Bildungsideals. 



Jede Zeit hat ihr Bildungsideal, das den politischen 
und socialen Wandlungen entspricht. In Deutschland hat 
dies seit der Reformation viermal gewechselt. Im 1 6. Jahr- 
hundert, als das kirchliche Interesse in der Form des ge- 
schlossenen Konfessionalismus überwog und ein kraftvolles 
Nationalbewufstsein nirgends vorhanden war, da war es 
der theologisch -humanistische Gelehrte, der sich dem 
Dienste der Kirche, der Schule, einer Stadtgemeinde, 
eines Fürsten widmete und auf seine ungelehrten Lands- 
leute geringschätzig herabsah. Im Mittelpunkte des Unter- 
richts aber stand das Lateinische, das Ziel war die Imita- 
tion in Vers und Prosa, die lateinischen Schriftsteller 
wurden also lediglich als Stilmuster gelesen, denn das Latei- 
nische war überall die „Muttersprache" der Gelehrten, die 
internationale Verkehrssprache überhaupt, sie allein öffnete 
den Zugang zu jeder höheren Bildung und jeder höheren 
Stellung. Das Griechische galt wie das Hebräische ledig- 
lich als Mittel zum Verständnis des Urtextes der heiligen 
Schrift, das wenigstens die Protestanten nicht entbehren 
mochten. Nachdem der dreifsigjährige Krieg die Zustände, 
auf denen dies Bildungsideal beruhte, gründlich zerstört 
hatte, trat an seine Stelle ein ganz weltliches, der galant- 
homme, der politicus (eigentlich homo politus), der mög- 
lichst vielseitig gebildete Weltmann. Denn über dem alt- 

Kaemmel, Festschrift. I 



2 Wandlungen des deutsclien Bildungsideals. 

Ständischen, kirchlich geschlossenen Staate erhob sich nach 
dem Muster Frankreichs der absolute, fürstliche Staat, der 
die einzelnen Stände und ihre Interessen dem Willen des 
Fürsten und den Interessen des Ganzen beugte, mit einer 
Masse veralteter Rechte und Überlieferungen kraft des 
„Vemunftrechts** kurzer Hand aufräumte und die kon- 
fessionellen Gegensätze vornehm zu ignorieren begann. 
Indem nun der Adel, um seine frühere Selbständigkeit 
gebracht, in den Dienst dieses Staates trat und damit 
seine alte Macht in neuen, viel wirksameren Formen zu- 
rückgewann, stellte er in Anlehnung an die höfische Kul- 
tur der Franzosen ein neues Bildungsideal auf, schuf sich 
für seine Verwirklichung neue Anstalten in den Ritter- 
akademien und wirkte so sehr auf deii hohem Bürger- 
stand hinüber, dafs auch die alten lateinischen Stadtschulen 
vielfach ihren Unterricht nach jenem Vorbilde umwandel- 
ten, imi nicht alle Fühlung mit der herrschenden Zeit- 
strömung zu verlieren. Daher trat neben die lateinische 
Imitation die deutsche „Oration", der deutsche Aufsatz 
und die deutsche Versifikation, und während im 1 6. Jahr- 
hundert von einem selbständigen Unterricht in den Rea- 
lien noch kaum die Rede gewesen war, drangen diese seit 
der Mitte des 17. aus praktischen Gründen in breitem 
Strome in die Schulen ein , wenn auch nur in die wahl- 
freien „Privatlektionen", denn sie waren jetzt die unent- 
behrlichen Rüststücke für den politicus, die Mittel, rhe- 
torisch imd poetisch verwendbare Themen und Beispiele 
zu liefern. 

Aber da dieser fürstliche Staat, je schärfer er sich 
ausbildete, um so ausschliefslicher sich auf Heer und Be- 
amtentum gründete und die g/etreuen Unterthanen ledig- 
lich als Regierungsobjekte und Steuerzahler behandelte, 
ohne ihnen irgendwelchen thätigen Anteil am Staate zu- 
zugestehen, so entfremdete er sich auch die Msisse der Ge- 
bildeten vollständig, und sie verloren allmählich jedes 



V, 



Wandlungen des deutsclien Bildungsideals. 2 

innere Verständnis für den Staat, der sie umschlofs. Und da 
es weiter auch nach Lessing's berufenem Urteil eine deutsche 
Nation in unserem Sinne noch gar nicht gab, da femer 
um die Mitte des 18. Jahrhunderts, nicht zum wenigsten 
durch die Arbeit deutscher Forscher, das Hellenentum zum 
erstenmale ohne römische Einkleidung sich vor den ent- 
zückten Augen erhob, so stieg auch ein neues Bildungsideal 
empor, der philosophisch-ästhetisch gebildete Weltbürger, 
der, hoch erhaben über das alltägliche Treiben ringsum, 
in sich die „reine Menschlichkeit" zu verwirklichen strebte, 
deren Urbild er im antiken Griechentum sah, und der sich 
als Glied nicht seines Volkes, sondern einer stillen, grofsen, 
über die ganze gebildete Welt verbreiteten Gemeinde fühlte. 
Aus dieser Geistesrichtung ergab sich die wunderbare 
Blüte unserer klassischen Litteratur mitten im hoffnungs- 
losen Niedergange des alten Reichs und in einer furcht- 
baren europäischen Krisis, aber auch die innere Wehrlosig- 
keit unserer gebildeten Kreise gegenüber der Unterwer- 
fung unter das französische Weltreich. Erst als in Preufsen 
die alten stolzen Traditionen und der Zorn über die Unter- 
drückung die Vaterlandsliebe auch unter den Gebildeten 
wieder entfesselte, da gelang die Befreiung. Aber die 
nachfolgende matte Zeit vermochte das alte hohe Bildungs- 
ideal nicht zu verdrängen, es eroberte vielmehr jetzt im 
Zeichen des Neuhumanismus unter der Ägide des Staates 
auch unsere höheren Schulen. Da nun das Hellenentum 
als die Verwirklichung des reinen Menschentums galt, der 
gebildete Deutsche also ein Grieche werden sollte, um ein 
Mensch zu sein, so mufste das Griechische fast ebenbürtig 
neben das Lateinische treten, und die alten Schriftsteller 
wurden nicht mehr als Stilmuster gelesen, am wenigsten 
die griechischen, sondern sie sollten in den Geist des 
klassischen Altertums einführen, sie waren also nicht mehr 
Gegenstände der Nachahmung, sondern des historischen 

und ästhetischen Studiums. Wenn auch diese Zeit im 

I* 



,^ 



4 Wandlungen des deutsclien Bildungsideals. 

Lateinischen noch an der Imitation festhielt, obwohl dies 
mehr und mehr aufhörte, die gelehrte Weltsprache oder 
auch nur die Unterrichtssprache zu sein, so geschah dies 
nicht mehr aus praktischen Gründen, sondern lediglich 
um der geistigen Gymnastik willen. Zugleich wurden die 
Realien, ihrer wissenschaftlichen Durchbildung und prak- 
tischen Bedeutung entsprechend, aus wahlfreien Neben- 
fächern zu selbständig entwickelten Pflichtfächern und auch 
die neueren Sprachen verlangten ihre Rechte, je reger 
der Verkehr die Völker miteinander verknüpfte. 

Je mehr sich aber nun mit der Bewundenmg des klassi- 
schen Altertums das innige Versenken in die Tiefen des 
eigenen Volkstums verband, desto mehr erhob sich aus der 
gelehrten Begeisterung für unsere Vorzeit und aus der 
Erkenntnis der praktischen Bedürfnisse das Ideal unserer 
nationalen Einheit. Gelehrte standen lange an der Spitze 
dieser rasch anschwellenden, halb idealistischen, halb von 
sehr realen Gründen ausgehenden Bewegung, und wenn- 
gleich diese nicht durch sie, sondern durch Helden und 
Staatsmänner zum Ziele geführt wurde, sie wäre doch ohne 
den Idealismus deutscher Wissenschaft niemals zum Ziele 
gelangt. Mit der endlichen Begründung einer zugleich 
nationalen und monarchisch-konstitutionellen Staatsordnung 
aber ändert sich wiederum das Bildungsideal, imd heute 
ist es der wissenschaftlich gebildete und wehrhafte Staats- 
bürger, denn unser Staat beruht jetzt auf der thätigen 
Teilnahme seiner Glieder, zumal der gebildeten Stände. 
Da vollzog sich nun in den Mitteln zur Verwirklichung 
jenes Bildungsideals ein doppelter Wechsel. Einmal ent- 
standen neben den Gymnasien besondere Anstalten, die 
es wesentlich oder allein mit ganz modernen Mitteln zu 
verwirklichen suchten, anderseits erlangten auch in den 
Gymnasien die Realien mehr Geltung, imd die „Sach- 
philologie" siegte hier endgiltig über die „Wortphilologie". 
Damit verschwand die lateinische „Imitation", da sie weder 



V 



Wandlungen des deutsclien Bildnngsideals. e 

einen praktischen Zweck mehr hatte, noch, dank dem mit 
der exakteren Erforschung des antiken Sprachgebrauchs 
immer peinlicher werdenden Purismus, irgendwelche Frei- 
heit und Unbefangenheit in der lebendigen Anwendung 
der Sprache mehr gestattete; in den Vordergrund trat 
die Lektüre als das Mittel, das antike Leben aus den 
Quellen, also auf wissenschaftlichem Wege, kennen zu 
lernen, und die alten Sprachen werden heute getrieben, 
teils um dies Mittel in die Hand zu geben, teils wegen 
ihrer zwar oft bestrittenen, aber doch nicht wegzuleug- 
nenden und durch nichts zu ersetzenden formalen Bildungs- 
kraft. Denn für den gebildeten Deutschen der Gegen- 
wart ist die Hauptsache in der That die Orientierung in 
der ihn imigebenden Menschenwelt und Natur; ist doch 
der Zusammenhang des Einzelnen mit dem Ganzen jetzt 
stärker als je, und um sich hier nur überhaupt zurecht zu 
finden, um sich ein richtiges Urteil als Grundlage eines 
richtigen Handelns zu bilden, bedarf er eines Mafses von 
sachlichem Wissen, wie in keiner früheren Zeit. Die for- 
male Gewandtheit darf nicht fehlen, aber sie genügt allein 
nicht mehr, und sie kann nicht mehr als das wichtigste 
Ziel des Unterrichts erscheinen, sondern nur noch als Mittel 
zu einer klaren Darstellung der Sache. Wesentlich Philo- 
logen zu bilden sind unsere Gymnasien nicht mehr be- 
rufen, sie sollen eine Vorschule für deutsche Männer sein. ^ 
Offenbar steht von den vier Wandlungen des deutschen 
Bildungsideals in der Anwendung der Mittel die erste der 
zweiten, die dritte der vierten nahe, in den Zielen da- 
gegen die zweite der vierten. Der vielseitig gebildete, 
zu praktischen Zwecken erzogene Weltmann des 17. Jahr- 
hunderts ist mit dem deutschen Staatsbürger der zweiten 
Hälfte des 19. näher verwandt als mit dem konfessionellen 
Theologen und Humanisten des 16. und dem philosophisch- 
ästhetischen Weltbürger des 18. Jahrhunderts, und wir 
Menschen der Gegenwart stehen den Anschauungen und 



U'' 



5 Wandlungen des deutschen Bildungsideals. 

Bestrebungen des fürstlich absoluten Staates mit inner- 
licherem Verständnis gegenüber als dem Kosmopolitismus 
des i6. und des i8. Jahrhunderts. Daher mag es von 
Interesse sein, hier an einem einzelnen, örtlich beschränk- 
ten, aber sehr lehrreichen Beispiele zu zeigen, wie an 
einer sächsischen Lateinschule aus eigener Anregung, ohne 
irgendwelches Eingreifen der städtischen Patronatsbehörde 
oder gar des Staates, ein energischer und in seiner Weise 
bedeutender Rektor das neue weltmännische Bildungs- 
ideal Jahrzehnte hindurch in einer für weite Kreise sehr 
wirksamen Weise vertreten hat. 



Chr. Weise's Bildungsgang. 

1642 — 1670. 



Die schöne, reichgesegnete deutsche Kolonialland- 
schaft von der malerischen Bergkette im Süden bis zu 
den sandigen, nadelwaldbedeckten Niederungen an der 
Neifse und der schwarzen Elster im Norden, die Christian 
Weise's Heimat und die vornehmste Stätte seines Wirkens 
wurde, die Oberlausitz, war mit der Niederlausitz erst durch 
den Prager Frieden 1635 ^.Is ein „Pertinenzstück*' der 
böhmischen Krone und böhmisches Lehen an das Kurhaus 
Sachsen gekommen. Allein sie hatte schon vorher ihre 
eignen Wege eingeschlagen und stand mit dem Meifsner- 
lande auf der einen, mit Schlesien auf der andern Seite 
in mindestens ebenso engen Beziehungen wie mit Böhmen, 
namentlich seitdem dort die Gegenreformation den Pro- 
testantismus ausgerottet hatte. Denn niemals hatte der 
Landesherr dort dauernd residiert, nur ein Landvogt safs 
in der alten Landesfeste Bautzen; niemals auch gab es 
einen Bischof im Lande, vielmehr teilten sich zwei aus- 
wärtige Bistümer, Meifsen und Prag, in die geistliche Ober- 
gewalt, und nur in Bautzen bestand eine KoUegiatkirche 
(das heutige Domstift); aufserdem gab es eine mäfsige 
Anzahl von Klöstern (10) und eine Johanniterkommende (in 
Zittau). So hatte sich neben dem nur in einzelnen Teilen 
des Landes reicher begüterten Adel ein starkes Bürgertum 



8 Chr. Weise's Bildungsgang. 

entwickelt, das vornehmlich in den Orten längs der ur- 
alten „hohen Strafse" von der Elbe nach Schlesien und 
an der von dieser südwärts abzweigenden Prager Strafse 
aufgekommen war und seit 1346 in dem Sechsstädtebund 
eine so kräftige Organisation gefunden hatte, dafs es auf 
den Landtagen als zweiter Stand die volle Gleichbe- 
rechtigimg neben dem ersten, dem Adel, errang und in 
vier von den sechs Städten, Görlitz, Zittau, Lauban und 
Löbau, bis zum Pönfall von 1547 die Gerichtsbarkeit auch 
aufserhalb der ausgedehnten Stadtgüter über den ganzen 
Kreis im Namen des Königs von Böhmen behauptete. 
Es waren Zustände, die mehr an west- und süddeutsche 
oder hansische Verhältnisse, als an die der Nachbar- 
landschaften erinnern. Sie bestimmten auch die Stellung 
der Landschaft zur Reformation. Das Bürgertum und der 
Adel gingen trotz der katholischen Landesherrschaft 
zum Luthertum über und begründeten eine eigenartige 
Kirchenverfassung ausschliefslich unter städtischem und 
gutsherrlichem Patronat, ohne landesherrliches Kirchen- 
regiment und also ohne Superintendenturen; sie zogen die 
Kirchengüter ein und ordneten das Schulwesen in pro- 
testantischem Sinne. Nur in kleinen Enclaven um die 
beiden reichen Cisterciensernonnenklöster Marienthal im 
engen Waldthale der Neifse und Marienstern bei Kamenz 
behaupteten sich geschlossene katholische Bevölkerungs- 
gruppen. Diese ganze blühende deutsch -protestantische 
Kultur, von der auch das rein bäuerliche Wendentum um 
Bautzen ganz abhängig war, rettete der Anfall der Land- 
schaft an Kursachsen vor der Zerstörung. In der politischen 
und kirchlichen Verfassung änderte sich dadurch nichts 
als die Spitze, im übrigen stand die Landschaft selbständig, 
kaum enger als durch Personalunion verbunden, neben 
den älteren. Gebieten der Wettiner. Der dreifsigjährige 
Krieg, der jene Umgestaltung herbeiführte, traf die Lausitz 
oft schwer genug, doch füllten sich die Lücken der 



Chr. Weise*s Bildungsgang. g 

Bevölkerung rasch wieder durch die Einwanderung der 
protestantischen „Exulanten" aus Böhmen, die überall 
ihre „böhmischen Gassen" und „böhmischen Kirchen" 
gründeten. ^ 

Von den Sechsstädten war Zittau nicht die gröfste, 
wohl aber neben Görlitz die reichste Gemeinde. Ursprüng- 
lich böhmisch wie der ganze Gau Zagost („hinter dem 
Walde") und erst durch den Anschlufs an den ober-, 
lausitzischen Städtebund von Böhmen allmählich sich 
trennend, auf drei Seiten von böhmischem Gebiet um- 
geben, unterhielt sie nach wie vor enge Beziehungen zu 
Böhmen, dessen Löwen und rotweifse Farben sie im 
Wappen führt. Ein geschlossenes, grundbesitzendes \md 
handeltreibendes Patriziat, selbstbewufst und wissenschaft- 
lich gebildet, hielt das Regiment der Stadt fest in der 
Hand, wählte alljährlich zu St. Bartholomäi (24. August) 
den regierenden Bürgermeister und den Rat aufs neue, 
übte durch den Stadtrichter die volle Gerichtsbarkeit über 
die Stadt und alle ihre Besitzungen, hatte das Patronat 
über die Kirchen und die lateinische Stadtschule, die seit 
1586 in ein Gymnasium verwandelt worden war und in 
der ehemaligen Johanniterkomturei bei der Hauptkirche 
zu St. Johannis eine neue Heimstätte gefunden hatte, und 
verwaltete die reichen Stadtgüter, die fast sämtliche Dörfer 
in der Umgebung und das ganze Waldgebirge längs der 
Grenze umfafsten. Das blühende Gewerbe der Stadt be-' 
herrschte auch die Umgebung, denn deren Dörfer trieben 
eine schwunghafte Leinweberei für städtische Geschäfts- 
häuser. Mit hochgetürmten Kirchen und stattlichen Patri- 
zierhäusem noch immer hinter festen Mauern und Thoren, 
staricen Basteien und tiefen Gräben inmitten langge- 
streckter deutscher Reihedörfer in der reichen Landschaft 
angesichts der blauen Gebirgskette gelagert und von der 
Landesherrschaft fast unabhängig, so hatte die Stadt etwas 
von reichsstädtischer Freiheit und reichsstädtischem Stolze,^ 



lO Chr. Weise's Bildungsgang. 

Weise's Familie gehörte zunächst weder dem städti- 
schen Patriziat noch einer alten Gelehrtenfamilie an. 
Sein Grofsvater Georg Weise war vielmehr ein einfacher 
Gartenbesitzer in dem Dorfe Lichtenberg am Hochwalde, 
östlich von Zittau. Hier wurde Elias Weise am i8. Juli 
1609 geboren. Der begabte Knabe erhielt von einem 
Bruder seiner Mutter, Christian Johann Schicht, der in 
Wittenberg Theologie studiert hatte und aus Gesundheits- 
rücksichten einige Zeit im Hause seines Schwagers zu- 
brachte, den ersten Unterricht. Aber dessen Anregung, 
Elias auf eine höhere Schule zu schicken, hatte wegen 
der beginnenden Kriegsunruhen, die 162 1 zur Besetzung 
des Landes durch kursächsische Truppen führten, erst 
1622 Erfolg. Damals trat der junge Weise unter dem 
Rektor Preil (16 16 — 1634) 1^ ^^^ vierte Klasse des Gymna- 
siums ein, und zeichnete sich durch Wifsbegierde imd 
Eifer so aus, dafs er bald in die Prima, die wichtigste 
Klasse der ganzen Schule, aufrückte, wo er indes sieben 
Jahre blieb, da die wieder steigenden Kriegsnöte be- 
sonders seit 1631 einen Abgang zur Universität unmöglich 
machten. Erst um Ostern 1633 verliefs er daher die 
Schule, um in Begleitung von Kaufleuten über Leipzig 
nach Strafsburg zu gehen. Doch hielten ihn die kriegeri- 
schen Ereignisse, die damals Süddeutschland erschütterten, 
in Jena fest. Hier trieb er philologische, philosophische 
und theologische Studien, mufste aber abbrechen, ohne zu 
einem äufserlichen Abschlufs durch die Promotion ge- 
kommen zu sein, da der Vater wegen der Kriegsnot ihn 
nicht genügend unterstützen konnte, und kehrte 1636 nach 
Zittau zurück. Nachdem er hier längere Zeit als ge- 
suchter Privatlehrer, besonders in vornehmen Häusern, 
gearbeitet hatte — er hiefs daher in der Stadt schlecht- 
weg der praeceptor — trat er zugleich .mit dem Rektor 
Christian Keimann (1639— 1662) im März 1639 in das 
Gymnasialkollegium ein, und zwar zunächst als CoUega 



Chr. Weise*s Bildungsgang. 1 1 

quintus, bis er 1660 in die Stellung des Tertius (der 
Quartus war der Kantor) einrückte, in der er bis zu seiner 
Emeritierung verblieb. Schon am 8. April 1641 gründete 
er sich einen eigenen Hausstand durch die Vermählung 
mit Anna Profeit, der Tochter des protestantischen Pre- 
digers Georg Profeit zu Kamnitz in Böhmen (geb. 16 14), 
die nach dem baldigen Tode des Vaters, 1617, im Hause 
ihres mütterlichen Grofsvaters Martin Bergmann, Bürgers 
und Kirchenvorstehers der lutherischen Gemeinde in Böh- 
misch -Leipa, sorgfältig erzogen worden und mit diesem 
1628 vor der erbarmungslosen kirchlichen Reaktion nach 
Zittau geflüchtet war. Aus dieser Ehe gingen neben drei 
Töchtern drei Söhne hervor, Christian, der spätere Rektor, 
Johann Georg, beim Tode des Vaters, 1679, Pfarrer in 
Waltersdorf unterhalb des schönen Kegelberges der 
Lausche, und Elias, Goldarbeiter in Marklissa. 

Christian Weise wurde am 30. April 1642 in Zittau 
geboren und wuchs in einem kinderreichen Haushalt heran, 
dessen steigende Bedürfnisse bei den knappen Schulein- 
nahmen des Vaters nur durch dessen angestrengtesten 
Fleifs in Privatlektionen und durch die Aufnahme von 
Pensionären mit strengster Sparsamkeit gedeckt werden 
konnten. Straff geregelt und von religiösem Geiste ge- 
tragen verlief das Leben des Hauses zwischen der Mor- 
gen- und Abendandacht in unermüdlicher Arbeit von früh 
bis in die Nacht hinein; selbst bei Tisch wufste der 
Hausherr seine Pensionäre geistig zu beschäftigen, und 
Feigen gab es für ihn nicht. „Freudig wie zu Hochzeit 
und Tanz" pflegte der Vater zur Schule zu gehen; häufig 
Überschritt er in der Klasse die ihm zugemessene Zeit. 
Obwohl klein und schwächlich, hielt er doch strenge 
Zucht und bedurfte niemals der Hilfe des Rektors oder 
des Rats, während er mit seinen teilweise recht zank- 
süchtigen Kollegen im besten Verhältnis stand. Dabei 
fand er noch Zeit und Lust, die bedeutende Ratsbibliothek, 



I 2 Chr. Weise's Bildungsgang. 

noch jetzt einen Stolz der Stadt, zu verwalten, ansehnlich 
zu vermehren und neu zu ordnen.* 

Sein ältester Sohn Christian hatte von dem Vater nicht 
nur die kleine zierliche Gestalt und die schwachen Augen, 
sondern auch die wissenschaftliche Begabung- und Streb- 
samkeit geerbt. Mit sieben Jahren begann er schon im 
Hause des Vaters andere, selbst ältere Schüler zu unter- 
richten, mit neun machte er Verse. Von dem unter seinen 
Altersgenossen eifrig gepflegten Ball-, Kegel- und Würfel- 
spiel hielt er sich fem, um so gröfsem Eindruck machten 
die Schulkomödien auf ihn. Am liebsten aber verkehrte 
er mit älteren Leuten, vor allem mit seinem Vater, dem 
er kaum von der Seite wich. Eifrig lernte und übte er 
Lateinisch, Griechisch und, auf besondem Antrieb des 
Vaters, aber gegen die allgemeine Sitte der Zeit, auch 
Deutsch; er excerpierte, übersetzte, paraphrasierte, übte 
sich vor allem in der extemporierten schriftlichen und 
mündlichen Wiedergabe des Gelesenen und Gehörten, 
namentlich auch der Sonntagspredigt, lieferte jeden Tag 
eine kleine schriftliche Arbeit und prägte sich alltäglich 
ein Stück der heiligen Schrift, eine Sentenz u. dgl. ein. 
Kurz, er verfolgte schon als Schüler das Ziel, das ihm 
immer am höchsten gestanden hat: die gröfstmögliche 
Gewandtheit im mündlichen und schriftlichen Ausdruck, 
in lateinischer wie in deutscher Sprache zu erwerben und 
ein aufrichtig religiöser Mensch zu sein. Der Rektor 
Keimann gewann auf ihn besonders durch seinen Unter- 
richt in der Philosophie Einflufs. Griechisch und Hebräisch 
lernte er beim Konrektor Mag. Anton Günther.^ 

So im unermüdlichen Lernen und Lehren von Stufe zu 
Stufe vorrückend und seines künftigen Berufes von Anfang 
an sicher, verliefs Christian Weise im Alter von 1 7 Jahren 
mit seineifi Jugendfreunde Christoph Keys er zugleich die 
Schule, wobei er de pietate valedicierte und bezog im Juli 
1659 die Universität Leipzig, die Hochburg der lutherischen 



Chr. Weise's Bildungsgang. Iß 

Orthodoxie und Scholastik und zugleich mit ihren 3 — 4000 
Studenten die erste Hochschule Deutschlands, aber auch 
eine der Pflanzstätten des Pennalismus. ^ Als Weise nach 
der Inscription als Mitglied der meifsnischen Nation sich 
auch, wie Brauch, bei dem Senior seiner „Nation" (d. h. der 
Landsmannschaft, nicht der amtlichen Körperschaft dieses 
Namens) meldete und diesem den Handschlag darauf gab, 
dafs er ein Jahr lang den „alten Häusern" in allem, was 
diese von ihm verlangen würden, treulich zu willen sein 
werde, da befreite der einsichtige Vorsteher der Lands- 
mannschaft den kleinen, schwächlichen Menschen wohl- 
wollend von dieser höchst lästigen und oft geradezu 
quälenden Verpflichtung gegen das Versprechen, jedem 
Angehörigen der Nation, so oft, wie er es verlange, so- 
gleich und unweigerlich ein Gedicht zu liefern, eine in 
dieser Zeit der redseligsten Gelegenheitspoesie allerdings 
nicht geringe Aufgabe, die Weise nötigte, des Tags zu- 
w^eilen zehn verschiedene Poeme iiber jeden möglichen 
Gegenstand anzufertigen und nicht wenig dazu beigetragen 
hat, neben seiner formellen Gewandtheit auch seine 
Schreibseligkeit zu entwickeln, die ihm später den un- 
schönen Beinamen des „Wasserdichters" eingetragen hat. 
So wurde er besonders „aller Liebhaber Handlanger" und 
begleitete zarte Sendungen von Blumensträufschen aus 
dem Vergifsmeinnicht des Rosenthaies, wie andere Aus- 
drücke der herkömmlichen Empfindungen an Dorinde, 
Marilis und Regilis, an Lisilis und Rosilis oder wie 
sonst die hübschen Leipzigerinnen von ihren Verehrern 
zärtlich benannt wurden, unermüdlich mit seinen Versen, 
das Gedicht zu Yg fl. oder y^ Thlr. Übrigens - scheint 
er an diesem fröhlichen Treiben des Tanzens, der Land- 
partien, der Gesellschaftsspiele u. dgl. doch nicht nur 
im fremden Auftrage und theoretisch teilgenommen zu 
haben, sagt er doch einmal ganz ehrlich von sich 
selbst: 



lA Chr. Weise's Bildungsgang. 

yjch hab' ein bischen lieb gehabt 
Und habe meinen Sinn gelabt;" 

• er spricht den auch von andern nicht selten geäufserten 
Grundsatz aus: 

„Ach, wohl dem, der in der Jugend lustig ist, 
Eh' er in dem Alter allen Spafs vergifst;" 

und verwahrt sich gegen grämliche Tadler mit den Wor- 
ten: „Wer dergleichen Konversation in diesem Alter nicht 
geliebt hat, der werfe den ersten Stein auf mich!*' Noch 
in Leipzig hat er 1668 eine Sammlung dieser Gelegenheits- 
gedichte unter dem Titel „Überflüssige Gedanken in 
Versen" herausgegeben. ' 

Doch über solchem teils vergnüglichen, teils geld- 
erwerbenden Zeitvertreib, der seinem schmalen Wechsel 
wohl zu statten kam, und ihn vor der Notwendigkeit, die, 
wie es scheint, damals ziemlich lästige Bürde einer Famu- 
latur auf sich zu nehmen,® bewahrte, vergafs er doch 
niemals sein Studium. Fesselte ihn anfangs mächtig die 
scholastische Philosophie, die auch auf den Leipziger 
Kathedern der Jesuit Suarez als „der. Papst der Meta- 
physiker" beherrschte, so dafs Weise sich zwei Jahre lang 
wesentlich mit diesen Autoren beschäftigte und sich sogar 
seinen Stil an ihnen verdarb,^ so ergriff ihn bald weit 
stärker Jakob Thomasius, der Vater des bekannteren 
Christian, der 1653 Professor der aristotelischen Ethik und 
Dialektik geworden war, seit 1659 ^i® Eloquenz vertrat, 
imd 1661 — 1663 auch G. Leibniz zu seinen Schülern zählte. 
Daneben fesselten ihn Friedrich Rappolt, seit 1656 Pro- 
fessor der Poesie, und Valentin Alberti, seit 1663 Professor 
der Logik und Metaphysik, später (1672) auch der Theo- 
logie, ein eifriger Verfechter des orthodoxen Luthertums, 
der später in erster Linie die Entfernung des Christian 
Thomasius durchsetzte. Theologische Kollegien hörte 
Weise bei dem Moralisten und Polemiker Johann Benedikt 
Carpzov (II), einem aus der bekannten Gelehrtendynastie 



CBr. Weise's Bildungsgang. je 

(1639 — 1699), und dem Exegeten Hieronymus Kromayer 
(1610 — 1670), juristische bei Johann Born {f 1660) und 
Amadeus Eckoltz (1623 — 1668). Vor allem aber zog ihn 
Christ. Friedrich Franckenstein, seit 1652 Professor des 
Lateinischen und Griechischen (f 1679), durch seine Vor- 
lesungen über Politik (civilis prudentia), Geschichte und 
römische Altertümer an. Da er daneben gelegentlich auch 
sogar medizinische und naturwissenschaftliche Kollegien 
besuchte, so erwarb er sich etwas von jener Polyhistorie, 
die diesem Zeitalter eigen war. Mit manchem dieser 
seiner Lehrer, wie mit J. Thomasius, Alberti, Carpzov ist 
er auch später noch in persönlicher Verbindung ge- 
blieben; andere dauernde Beziehungen knüpfte er damals 
mit einer Reihe von Altersgenossen an, so vor allem mit 
Otto Mencke aus Oldenburg, der 1662 Baccalaureus, 1664 
Magister wurde und nur zwei Jahre jünger als Weise war 
(geb. 22. März 1644). 

So erlangte er am 30. April 1661, seinem 19. Ge- 
burtstage, das philosophische Baccalaureat, 1663 wurde 
er durch eine Disputation am 25. Mai Magister und 
gewann damit die venia legendi. Disputationen und Vor- 
lesungen gingen nun nebeneinander her. Die erste Dispu- 
tation hatte er schon 1662 als Baccalaureus unter dem 
Vorsitze von Friedrich Rappolt de sapientia comparanda 
ad Gellii Noctes att. 13, 8 gehalten; seine Magister- 
disputation (1663 als Dissertation veröffentlicht) handelte 
de causa productiva substantiae. Später disputierte er 
noch de Romulo (1666) und de catarrhactis seu fragminibus 
nubium; Vorlesungen auf seinem Zimmer, die gut besucht 
wurden, hielt er über Politik, Geschichte, Genealogie, 
Rhetorik und Poesie. Sein Ziel war zimächst die aka- 
demische Laufbahn; er disputierte deshalb i. J. 1668 
zweimal um die Aufnahme in die philosophische Fakultät 
(de idea boni historici und de iudicio historici). ^^ Trotzdem 
kam es zu der erhofften „Reception'' in die Fakultät 



l5 Chr. Weise's. Bildungsgang. 

nicht. Einmal bildeten die Leipziger Ordinarien eine so 
streng geschlossene Gelehrtenoligarchie, dafs es einem 
nicht durch Geburt oder Verschwägerung dazu Gehörigen 
sehr schwer gemacht wurde, sich den Zugang zu öffnen; 
sodann scheint Weise, dem es an einer satirischen 
Ader und scharfer Beobachtung menschlicher Schwächen 
keineswegs fehlte, einen der gewaltigsten dieser Aristo- 
kratie, den streitbaren scholastischen Theologen Johann 
Adam Schertzer (1628 — 1683), „den Leipziger Calov'*, per- 
sönlich verletzt zu haben, als er ihm in einer Disputation 
scharf opponierte und dabei seine breite dialektische 
Aussprache in einer zurückweisenden Bemerkung (est 

« 

blasphö^^mia) spöttisch nachahmte (non est blasphö:<?mia).^^ 
Da diese Hoffnung also fehlschlug und auch in 
Wittenberg und Jena sich keine Aussichten eröffneten, so 
entschlofs sich Weise, seine wissenschaftliche Laufbahn 
vorläufig aufzugeben und im Herbst 1668 als Sekretär des 
Grafen Simon Philipp von Leiningen nach Halle zu gehen, 
des ersten Ministers im Dienste des Administrators August 
von Sachsen, dem der Prager Friede 1635 ^^s Erzstift 
Magdeburg zugesprochen und der westfälische Friede 
1648 auf Lebenszeit belassen hatte imd der zugleich seit 
1657 Herzog von Sachsen -Weifsenf eis war. Ein pracht- 
liebender, namentlich baulustiger Herr hatte August auch 
deutsch -litterarische Interessen, war kurz zuvor (1667) 
sogar das Oberhaupt der „fruchtbringenden Gesellschaft" 
oder des „Palmenordens" geworden (er hiefs als MitgUed 
„der Wohlgeratene") und hatte den Sitz dieses Vereins 
daher nach Halle verlegt. ^^ Die amtliche Stellung Weise's 
an diesem Hofe war bescheiden, aber sie führte ihn tief 
in die praktischen Staatsgeschäfte ein. Denn er hatte im 
Bureau des Ministers die laufenden Geschäfte zu erledigen 
und dessen Briefwechsel zu führen, bei den Sitzungen des 
Kabinettsrats die Verhandlungen zu protokollieren. Ganz 
besonders nahe trat er dabei dem Präsidenten des Ge- 



Chr. Weise's Bildungsgang. • ij 

heimen Rats, dem Freiherrn Georg Dietrich von Rondeck, 
einem durch Geschäftskenntnis, allgemeine Bildung und 
Pflichttreue ausgezeichneten Manne, der sich häufig mit 
ihm über politische Dinge unterhielt und ihn nachdrück- 
lich auf das gründliche Studium der Staatswissenschaften 
hinwies. ^^ 

Der Einführung in die Staatsgeschäfte und in das 
Hof leben, die ihm Halle vermittelte,, folgte eine in man- 
cher Beziehung ebenso wichtige Bildungsstufe, die Stellung 
eines Hofmeisters in einem adligen Hause. Denn als 
Graf Leiningen i. J. i66g in militärische Dienste übertrat, 
lehnte Weise seinen Antrag, ihn auch jetzt zu begleiten, 
auf den Rat seiner Gönner ab und nahm seine Entlassung. 
Die freie Zeit, die ihm dadurch zu teil wurde, benutzte 
er zu einem längeren Besuche in Helmstädt, jener Uni- 
versität, die zuerst einer freieren Geistesrichtung in Nord- 
deutschland Bahn brach und in dieser Beziehung eine 
Vorläuferin von Halle wurde. ^* Hier lernte er vor allem 
den geistvollen Polyhistor Hermann Conring kennen, und 
neben ihm den verdienten Leiter des gesamten braun- 
schweigischen Schulwesens, den liebenswürdigen, treff- 
lichen Christoph Schrader (i 601 — 1680), einen der ent- 
schiedensten Anhänger des Georg Calixtus und eines 
weitherzigen Humanismus. ^^ Der Vermittlung dieser beiden 
Männer verdankte er auch die Berufung als Hofmeister 
der zwei jungen Freiherren von Asseburg, der Mündel 
des Grafen Gustav Adolf von der Schulenburg zu Am- 
furt im Magdeburgischen (Anfang 1670). Hier in länd- 
licher Einsamkeit, von allen litterarischen Hilfsmitteln 
entblöfst, trug er seinen Zöglingen aus dem Gedächtnis 
unter anderm auch Geschichte vor und gewann damit, ohne 
es zunächst zu wollen, die Grundlagen zu seinem „klugen 
Hofmeister". Anderseits lernte er selbst viel von seinem 
Patron, einem welterfahrenen Manne. Doch blieben ihm 
Konflikte mit einigen Geistlichen der Umgegend, die 

Kaemmel, Festschrift. 2 



l8 Chr. Weise*s Bildungsgang. 

seine Methode unberufener Weise meistern wollten, nicht 
erspart, und sie trugen wohl zu dem Wunsche bei, diese 
Stellung mit einer andern zu vertauschen. Jedenfalls er- 
hielt er, ohne Zweifel auf Veranlassung seiner hallischen 
Gönner, schon Ende Juli einen ehrenvollen Ruf an das 
Gymnasium Augnsteiim in Weifsenfeis und trat dies Amt 
bereits am 9. August 1670 an.^^ 



Die Professur in Weifsenfeis. 

1670 — 1678. 



Das Gymnasium illustre Augusteum war erst wenige 
Jahre zuvor vom Herzog August von Sachsen- Weifsenfeis, 
dem Administrator von Magdeburg, durch den Stiftungsbrief 
vom 26. Oktober 1664 im aufgehobenen St. Clarenkloster 
(dem jetzigen königlichen Seminar) in der Saalgasse begrün- 
det, in der Dotationsurkunde vom 28. desselben Monats mit 
einem Kapital von etwa 20000 Thalem ausgestattet und am 
I. November 1664 in Beisein des ganzen Hofes feierlich 
eröffnet worden. " Die Anstalt war kein Gymnasium in 
unserem Sinne, sondern im wesentlichen eine Ritterakade- 
mie, die junge Leute von Adel immittelbar für den Staats- 
und Heeresdienst, andere für die Universitätsstudien vor- 
bereiten sollte. Sie hatte deshalb rechtlich eine ganz 
akademische Stellung erhalten, liefs ihren Zöglingen eine 
nahezu studentische Freiheit und besafs ihre eigene 
Druckerei (von Johann Brühl). Mit dem Fürstenhause stand 
sie in besonders engen Beziehungen; sie feierte auf aus- 
drückliche Verordnung hin stets den Hochzeitstag des Her- 
zogs August mit Anna Sophia von Dänemark (23. Novem- 
ber 1647) durch einen solennen Aktus, der zugleich den 
Anfang des Studienjahres bildete und liefs keine Ge- 
legenheit unbenutzt, irgendwelches Ereignis im Fürsten- 
hause durch eine poetische Gabe zu feiern. ^^ Der Unter- 



2* 



20 I^ie Professur in Weifsenfels. 

rieht erstreckte sich auf die alten Sprachen, Theologie, 
Philosophie (Metaphysik, Logik, sog. Moralphilosophie), 
Mathematik, Geschichte und Politik, sogar auf die An- 
fange der eigentlichen Fakultätswissenschaften (Jurispru- 
denz und Medizin), bot also ungefähr, was die artistische 
(philosophische) Fakultät einer Universität damals ge- 
währte. Dem entsprechend hielt man auch gelegentlich 
Disputationen in ganz akademischen Formen ab, die 
Schüler bezeichneten sich als Studenten bestimmter Fächer, 
und die Lehrer führten den Professorentitel, wurden auch 
für die einzelnen Wissenschaften berufen. ^^ Zu den ersten 
Lehrern gehörte (1667 — 1673) Christoph Cellarius als Pro- 
fessor des Hebräischen und der Ethik; Weise vertrat die 
Politik, Rhetorik und Poesie und hielt auch de coniun- 
ctione politices, eloquentiae et poeseos seine Antritts- 
vorlesung.*^ Kraft seiner Lehrfächer fiel ihm auch stets 
die Aufgabe zu, bei jenem Aktus die Vorlesungen zu 
„intimieren** und die poetischen Spenden unter seiner 
Aufsicht anfertigen zu lassen oder selbst zu liefern. ^^ Er 
war unstreitig durchaus an seinem Platze, und für ihn 
wiederum wurden diese Weifsenfelser Jahre von entschei- 
dender Bedeutung, denn hier zuerst ist ihm die päda- 
gogische Aufgabe seines Lebens, politische, d. h. welt- 
gewandte, für alle Aufgaben geschickte Redner zu bilden, 
mit voller Klarheit aufgegangen und mit ganzer Energie 
angefafst worden. ^^ • Unermüdlich übte er seine „Unter- 
gebenen" in den verschiedensten Gattungen der zeit- 
gemäfsen Beredsamkeit und in Gelegenheitsgedichten; er 
liefs die besten von ihnen Disputationen abhalten, und 
gab selbst Beispiele von solchen in einer Reihe von über- 
wiegend staatswissenschaftlichen Dissertationen;^^ er las 
unter grofsem Zulauf von jungen Edelleuten auch privatim 
über politische und geschichtliche Werke, unter anderm 
auch über das Naturrecht nach Hugo Grotius' epoche- 
machender Schrift de jure belli ac pacis;^ er entfaltete 



J 



Die Professur in Weifsenfels. 21 

daneben eine ausgebreitete litterarische Thätigkeit, die 
zum Teil aus seinem Unterricht hervorging und auf seine 
Förderung berechnet war, aber sich nicht auf diese Zwecke 
beschränkte. In Weifsenfels entstanden Der kluge Hof- 
meister, ein kurz gefafstes Lehrbuch der mittelalterlichen 
und neueren Geschichte, nach den einzelnen Staaten ge- 
ordnet (1675), die Schrift de lectione novellarum (1676, in 
zweiter deutscher Bearbeitung Curieuse Gedanken von 
den Nouvellen oder Zeitungen 1696, ein Geschichtskalender 
der Jahre 1660 — 75), Der grünenden Jugend notwendige 
Gedanken (1675), eine Mustersammlung von Gelegenheits- 
gedichten mit theoretischen Anweisungen, und eines seiner 
Hauptwerke: Der politische Redner (1676), eine ausführ- 
liche, auf die praktischen Aufgaben vornehmer Herren 
berechnete Rhetorik. ^^ In diese Zeiten fallen aber auch 
seine satirischen Romane: Die drei Hauptverderber in 
Deutschland (Gottlosigkeit, Ehrsucht, Luxus), 167 1, Die 
drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt (1672), und 
Die drei klügsten Leute von der Welt (1673), die er meist 
unter einem Pseudonym (Siegmund Gleichviel, Catharinus 
Civilis) erscheinen liefs. Einen polemisch -didaktischen 
Charakter trägt auch „Der politische Näscher" (1676), eine 
Warnung vor den Irrwegen des Weltmanns, und die in 
demselben Jahre erschienene Apologie dieser Schrift in 
dem „Bericht vom politischen Näscher". ^^ Auch seine 
Korrespondenz hielt ihn fortwährend mit bedeutenden 
Fachgenossen in Verbindung.^'' 

An Anerkennung fehlte es ihm dabei so wenig wie 
an Anfeindung. Nicht nur scheint manches gegen seine 
ganze Unterricht^weise eingewendet worden zu sein, son- 
dern man beschuldigte ihn auch wohl einer laxen Dis- 
ciplin, und er selbst hat gelegentlich über Mangel an 
strenger Zucht bei den „Studierenden" zu klagen gehabt. ^^ 

Wie er in Weifsenfels sein Unterrichtsideal zu voller 
Klarheit ausbildete, so hat er dort auch seinen Hausstand 



2 2 I^ie Professur in Weifsenfeis. 

gegründet. Am 9. Oktober 167 1 vermählte er sich mit 
Regina Arnold, der Tochter des Pfarrers Thomas Arnold 
in Burgwerben. Doch verfolgte ihn schweres häusliches 
Leid. Sein erster Sohn, Christian, geboren 1.3. Oktober 
1672, starb nach wenigen Tagen; den zweiten, Christian 
Elias, geboren 11. Januar 1674, rafften in zartem Alter am 
20. März 1677 die Pocken hinweg; die Geburt des dritten, 
Johannes Elias, am 4. Mai 1678, kostete der Mutter das 
Leben (16. Mai). Um so zärtlicher hing der Vater an dem 
Knaben, der seine ganze Freude wurde. ^^ Aber Weifsen- 
fels mochte ihm durch dies alles verleidet sein. Als ihn 
aus seiner Vaterstadt Zittau der Ruf erreichte, der Nach- 
folger des Rektors Christoph Vogel, seines Schwagers, zu 
werden, der am 9. Mai 1678 gestorben war, da nahm er 
ohne Zögern an, und verabschiedete sich am 22. Juni vom 
Gymnasium Augusteum in einem feierlichen Aktus durch 
eine Rede de statista scholastico (d. i. etwa der prak- 
tische Schulmann), die ein stark ausgeprägtes pädago- 
gisches Programm entwickelte.*® An ehrenden Nachrufen 
fehlte es ihm nicht. Sein Kollege Johann Riemer sang 
ihm nach: 

„Du warst mein Pytliias, ein Dämon unsers Standes, 
Der Jugend Sokrates " 

Sein Jugendfreund Christoph Keyser, damals Diakonus 
in Meiningen, widmete ihm ein langes Abschiedsgedicht, 
und selbst die „schwarze Tochter", die Buchdruckerei des 
Augusteums, betrauerte ihren „Weisen Vater", der ihr so- 
viel zu thun gegeben habe xmd sie nun verlasse. ^^ 



Das Rektorat in Zittau. 

1678 — 1708. 



Am 13. Juli 1678 hielt Weise als Rektor seirieh Ein- 
zug in der Vaterstadt, die er als Student von i'g Jahren 
verlassen hatte. „Erster Ordnung sämtliche Discipuli" 
begrüfsten ihn dabei in einem deutschen Gedicht, das nicht 
durchweg passend seine Heimkehr mit der triumphierenden 
Rückkehr des Alkibiades nach Athen verglich; ein im- 
genannter sincerus servus wartete ihm mit einer latei- 
nischen Zuschrift auf, und consul et senatus reipublicae 
Zittaviensis luden in einem schwungvollen lateinischen 
Programm in Doppelfolioformat die Gönner und Freunde 
der Schule zum feierlichen Einweihxmgsaktus auf Sonntag 
den 19. Juli nach dem Frühgottesdienste ein, wozu ihn 
auch omnes primi auditorii discipuli nochmals begrüfsten. 
Die Einweisungsrede hielt der regierende Bürgermeister 
David Jentsch, einer der früheren Schüler des Vaters 
Elias Weise. Der neue Rektor selbst sprach de gymnasii 
rectore, indem er an das dem tapfern Rektor Christian 
Gueinz in Halle (1627 — 1650) gewidmete Distichon an- 
knüpfte: 

Gymnasii rector sit pnidens, fortis ut Hector, 
Sicut Hiob patiens, utque Sibylla sciens, 

imd diese Eigenschaften näher erörterte. ^^ 

Das Schulgebäude und das Rektorhaus, in denen 
Weise nun über 30 Jahre lang schaltete, waren mit Recht, 



24 



Das Rektorat in Zittau. 



wenn man sie mit den jämmerlichen Räumen sogar der 
alten Lateinschulen von Dresden und Leipzig verglich, 
ein Stolz der Stadt. Jenes bestand im wesentlichen aus 
dem von der Stadt 1579 käuflich erworbenen und um- 
gestalteten Gebäude der alten Johanniterkomturei; dieses 
war seit 1580 neu aufgeführt und mit dem Schulhause 
1602 durch einen „Schwibbogen" mit darüber liegenden 
Zimmern verbunden worden, damit der Rektor von seiner 
Wohnung unmittelbar in seine Prima gelangen konnte, 
und hatte zugleich wie das eigentliche Schulhaus Giebel 
in Renaissanceform erhalten, so dafs das Ganze nunmehr 
eine einheitliche Front darstellte. Ausbesserungen er- 
folgten 1668 — 1669. Inschriften schmückten wie noch 
heute den Eingang im Ostflügel, den Schwibbogen und 
die langgestreckte Front unter dem Dache. So liegt es 
noch heute wenig verändert, obwolil seit dem Dezember 
1871 bescheideneren Zwecken dienend, an der Nordseite 
des alten Johannisfriedhofes, hinter der mächtigen Johannis- 
kirche, die damals, bis zu der Zerstörung durch die öster- 
reichischen Brandkugeln am 2^. Juli 1757, ein prächtiger, 
reich geschmückter gotischer Bau in drei hohen Schiffen 
mit zwei Türmen war und durch die Erneuerung leider 
eine ziemlich stillose, halbklassizistische Hallenkirche mit 
flacher Balkendecke geworden ist. Auf der Nordseite 
breiteten sich Gärten bis an den Platz aus, an dessen 
Nordseite die Klosterkirche zu St. Petri und Pauli mit 
ihrem schlanken Turme sich erhebt. Mitten zwischen den 
beiden Hauptkirchen der Stadt, mit dem Blick auf ihre 
Türme unter grünen Kuppelhauben und auf den spitzen 
Turm des spätgotischen Rathauses, der im Süden über 
den Dächern emporragte, auf der einen Seite den stillen 
denkmalsreichen Friedhof, und auf der andern seinen eignen 
schattigen Garten: so fühlte sich Weise, wenn er auf dem 
grofsen Doppelkatheder seiner Prima, des Auditorium 
majus stand, das den gröfsten Teil des ersten Stockwerks 



Das Rektorat in Zittau. 



25 



einnahm und mit seinen Fenstern nach beiden Seiten 
schaute, geborgen imter dem Schutze der weltlichen und 
geistlichen Macht und in sinnigen Beziehungen zu beiden. ^^ 
Der Rat, damals im ganzen aus drei Bürgermeistern 
(consules), drei Stadtrichtern (praetores), einem Syndicus, 
vier Schöffen (scabini), sieben Ratsherren (senatores) und 
„Ratsfreunden" aus den Zünften, zwei Notaren und einem 
Aktuar bestehend, von denen aber, abgesehen von den 
Notaren und dem Aktuar, immer nur ein Teil die Geschäfte 
führte, die andern „ratsfrei'* waren und bei der nächsten 
Ratskür wieder an die Reihe kamen, übte seine Patronats- 
rechte über die Schule durch das Scholarchat, das aus 
dem regierenden Bürgermeister als Oberscholarchen, einem 
oder zwei andern Ratsherren und dem Pastor Primarius zu 
St. Johannis gebildet war. ^ Er bestimmte die äufsern Ord- 
nungen der Schule unter Beirat des Rektors (so zuletzt 
1594 und 1602), führte die Aufsicht, berief den Rektor 
und die Lehrer, sorgte aber für ihre Besoldung nur teil- 
weise durch Zahlungen aus der Stadtkasse und Natural- 
lieferungen („Deputate") an Holz, Korn u. dgl. Diese 
flofs vielmehr der Hauptsache nach aus dem Schulgelde 
und den Einnahmen aus den kirchlichen Verrichtungen, 
namentlich aus der Teilnahme an Leichenbegängnissen, 
aus den Gedächtnisreden (sog. Orationen) und den theatra- 
lischen Aufführungen der Schüler, wozu noch der oft nicht 
unansehnliche Verdienst aus den Privatstunden und den 
Schülerpensionaten kam.** Dafs es bei der Verteilxmg 
solcher Einnahmen zwischen den Kollegen häufig zu ärger- 
lichen Zänkereien kam, ist leider ebenso sicher, wie das 
die äufsere Lage der Lehrer im ganzen herzlich dürftig, 
und die allgemeine Achtung, in der sie standen, gering 
war. Weise selbst spricht sich darüber gelegentlich mit 
grofser Bitterkeit aus und fafst sein Urteil einmal kurz 
zusammen in den Worten: praeceptores egeni et contempti 
sunt. Auf Versorgung im dienstxmfahigen Alter hatten 



26 ^^s Rektorat in Zittau. 

sie noch lange keinen Rechtsanspruch. Als Weise's eigener 
Vater Elias nach vierzigjähriger Amtszeit zu Anfang 1679 
emeritiert wurde, erhielt er vom Rate wöchentlich 2 Thaler 
Pension. Für die Witwe geschah gar nichts.*^ Weise 
selbst war natürlich schon kraft seines Rufes seiner Stel- 
lung" zur Patronatsbehörde sicher, und auch keineswegs 
geneigt, sich etwas zu vergeben; in Unterrichtsfragen 
namentlich wollte er sich nicht hineinreden lassen.*^ 

Das Lehrerkollegium bestand bei Weise's Amtsantritt, 
den Rektor eingeschlossen, aus acht Männern, nämlich 
dem Konrektor Mag. Anton Günther, dem Tertius Elias 
Weise, der somit für die nächste Zeit unter die Leitung 
seines eigenen Sohnes trat, dem Kantor (Quartus) Christoph 
Kratzer, dem Quintus Georg Krantz, dem Sextus Gottfried 
Junge, dem Septimus Christian Döring und dem Octavus 
Henning Johne. Akademische Bildung hatten sie wohl alle 
genossen, vielleicht mit Ausnahme des letzten Kollegen, 
der nur Lesen und Schreiben vertrat, einen akademischen 
Grad besafs neben dem Rektor nur der Konrektor Günther.^ 
Aufserordentlich gering war der Wechsel und das Auf- 
rücken innerhalb des Kollegiums; die beiden obersten 
Stellen wurden fast regelmäfsig und mit gutem Grunde 
durch auswärtige Berufungen besetzt, wobei übrigens die 
Landesangehörigkeit gar nicht entschied. Der erste, der 
in den Ruhestand trat, war Weise's eigener greiser Vater 
Elias; ihm hielt der Sohn am 17. Januar 1679 in festlicher 
Versammlung die Entlassungsrede de felicitate emeritorum; 
ein Enkel, der Sohn des Rektors Vogel, sprach im Namen 
der Schüler. Doch starb er bereits am 13. April. ^^ Seinen 
Nachfolger Mag. Joachim Kurtze (Curtius), einen Schwieger- 
sohn des Rektors Keimann, wies Weise am 14. März 1679 
mit der Rede de officio tertii in sein Amt ein.*^ Der 
Kantor Erhard Titius, zugleich „Direktor bei dem Choro 
Musico'S ein tüchtiger Musiker xmd selbst Komponist, 
starb im Mai 1681 und wurde 1682 durch Michael Zieger 



Das Rektorat in Zittau* 



27 



ersetzt, der nun über fünfzig Jahre in dieser Stellung 
blieb.*^ Wenige Jahre später, 1684, trat an die Stelle 
des eben verstorbenen Konrektors Günther der noch 
jugendliche Mag. Adapi Erdmann Mirus aus Adorf (geb. 
26. November 1656), ein Urenkel des streitbaren kur- 
sächsischen Oberhofpredigers Martin Mirus (unter Kurfürst 
August), der in Wittenberg bereits Magister legens ge- 
wesen war und sich als ein überaus fruchtbarer, päda- 
gogischer und populärwissenschaftlicher Schriftsteller 
einen geachteten Namen erwarb. Am 20. Juni 1684 
führte ihn Weise durch die Rede de conscientia praece- 
ptorum in sein Amt ein. Seinem Konrektorate blieb Mirus 
bis an seinen Tod, am 3. Juni 1727, treu, neben Weise 
weitaus das bedeutendste Mitglied des Kollegiums. ^^ Georg 
Krantz wurde am 19. März 1703 pensoniert, Gottfried 
Junge starb am 13. Oktober 1689, Michael Ehrentraut, der 
ihn ersetzte, 18. März 1696, Christan Döring, ein unermüd- 
lich fleifsiger Sammler zur Kirchen-, Schul- und Familien- 
geschichte der Stadt, der während der Hundstagsferien 
seine kärgliche Mufse besonders auf das Studium der 
Leichensteininschriften der Friedhöfe Zittaus verwandte, 
rückte erst 1696 zum Sextus auf und starb als solcher 
am 15. September 1699. Sein nächster Nachfolger, Mag. 
Joh. Gottfried Häntzschel, ging schon 1701 ins geistliche 
Amt über; den ihm folgenden Henning Johne hatte Weise 
noch zu begraben (gest. 20. Januar 1704). Sextus wurde 
damals Andreas Knebel, Septimus Joh. Georg Hennig, 
Octavus der berühmte Rechenmeister Mag. Christian 
Pescheck (alle eingeführt am 9. Februar 1708). Weise 
hat also in den 30 Jahren seines Rektorats im ganzen 
nur 16 Kollegen unter sich gehabt.*^ 

Die Zahl der Klassen, in denen diese Lehrer zu 
arbeiten hatten, betrug nach der Schulordnung des Rek- 
tors Gerlach vom 29. Mai 1602 wie gewöhnlich sechs, 
doch erhielten sie sämtlich erst 1679 (durch Teilung des 



28 ^äs Rektorat in Zittau. 

grofsen Erdgeschofsraumes im Ostflügel) getrennte, selbst- 
ständige Lehrzimmer, nach damaligen Begriffen durchaus 
genügende, hohe und helle Räume.** Von diesen sechs 
Klassen bildeten indessen die drei unteren, in mancher 
Beziehung sogar noch die Tertia, eine Bürgerschule mit 
den Anfangsgründen des Lateinischen in V. Wer nicht 
studieren wollte, ging gewöhnlich nur bis Tertia, höch- 
stens bis Secunda. Nur die Anfangsgründe des Lesens 
blieben privatem Unterricht oder den „Winkelschulen" 
überlassen; die VI war eine Elementarklasse vor allem 
für Lesen und Schreiben.** So fiel der Schwerpunkt des 
eigentlichen gelehrten Unterrichts durchaus auf die beiden 
oberen Klassen Prima und Secunda; in sie traten unmittel- 
bar viele durch Privatunterricht oder auch durch Haus- 
lehrer vorbereitete Zöglinge ein, und der eigentliche Kern 
des Gymnasiums war die Prima. Hier blieben die Schüler 
gewöhnlich drei Jahre. Im übrigen war die Zeit des 
Aufenthalts in den einzelnen Klassen sehr verschieden, 
jedenfalls aber safsen in jeder mehrere Jahrgänge zu- 
sammen.*^ Die Versetzung in eine höhere Klasse hing 
teils von dem Urteil der Lehrer, teils von dem oft nicht 
recht begründeten Wunsche der Eltern ab. In die Secunda 
kam der Rektor wöchentlich einmal zu dem besonderen 
Zwecke, die primae classis candidatos kennen zu lernen, 
ebenso der Konrektor und der Tertius in die Tertia; aber 
Weise klagt gelegentlich, dafs unverständige Forderungen 
der Eltern bei der Versetzung gebieterisch Berücksich- 
tigung verlangten.*'^ 

Die Frequenz der Anstalt läfst sich nicht mit voller 
Bestimmtheit ermitteln, aber sie war, namentlich in den 
beiden oberen Klassen, unter Weise (wie früher unter 
Gerlach und später unter Gottfried HofFmann) sehr be- 
deutend, wozu der weitverbreitete und wohlbegründete 
Ruf ihres „politischen" Rektors in dieser Zeit unbeschränk- 
ter Freizügigkeit der Schüler und die Seltenheit guter 



Das Rektorat in Zittau. 



29 



Schulen das Seinige beitrug. Die Secunda hatte 1679 
nur 31 Schüler, die Prima dagegen zu Michaelis 1686 so- 
gar 99^ Schüler, obwohl damals eine ansteckende Seuche 
viele abhielt, und im ganzen hat Weise während seines 
dreifsigjährigen Rektorats nicht weniger als 1 2 808 „Unter- 
gebene" „aufzunehmen das Glück gehabt", also jährlich 
durchschnittlich 400, während heute die Aufnahme an 
einem grofsstädtischen Doppelgymnasiimi alljährlich nur 
um 100 zu betragen pflegt. Von jener schwer erklärlichen 
und doch gar nicht anfechtbaren Zahl waren ein Graf, 
5 Barone, 92 Adelige, 1709 Söhne „auswärtiger und 
gTÖfstenteils ausländischer vornehmer Eltern", von jenen 
99 Primanern des Jahres 1686 aber 9 von Adel, oder nach 
ihrer Orts- und Landesangehörigkeit 30 aus Zittau, 17 aus 
der übrigen Oberlausitz, 12 aus der Niederlausitz, 13 
aus Meifsen, 4 aus Kursachsen (im engem Sinne), 13 
aus Schlesien, 2 aus Pommern, je i aus Mecklenburg, 
Brandenburg, Thüringen, Franken, 4 aus Ungarn. Auch 
sonst werden adlige Scholaren aus diesen Landschaften, 
andere aus Kurland und Livland nicht selten erwähnt; 
sie bildeten offenbar einen besonderen Stolz und einen 
Gegenstand eingehender Fürsorge für Weise, der viele 
von ihnen auch als Pensionäre in seinem Hause hatte. 
Sehr bezeichnend ist es, dafs Schüler aus dem nahen 
Böhmen, die früher in grofser Zahl nach Zittau ge- 
kommen waren, in jenem Primanerverzeichnis völlig fehlen, 
denn offenbar verhinderte man in dem gewaltsam rekatholi- 
sierten Lande damals den alten Zug nach protestantischen 
Bildungsstätten. ^ 

Unter einer so zahlreichen, aus so verschiedenartigen 
Bestandteilen zusammengesetzten Schülerschaft die strenge 
Schulzucht aufrecht zu erhalten, war vermutlich oft schwer 
genug. Weise selbst, unendlich vielbeschäftigt wie er 
war, klagte 1680 gelegentlich darüber, dafs er seinen 
Schülern leider nicht auf verbotenen Wegen folgen könne 



30 



Das Rektorat in Zittau. 



und oft nicht einmal erfahre, wovon die ganze Stadt rede. 
Der Besuch von Bierhäusem wurde 1687 einmal streng- 
stens verboten/^ aber hoch sein Nachfolger und Schüler 
Gottfried Hoffmann bezeichnet es 1709 als einen Haupt- 
zweck des CoUegium biblicum am Sonntagnachmittag, 
„die liebe Jugend von unnützen Excursionibus, die sonst 
gemeiniglich des Sonntags nach denen Predigten auf das 
Land in die Wirtshäuser oder auf das Feld und in die 
Gärten zimi Spielen imd anderen wollüstigen Zeitvertreib 
gemacht werden, zurücke zu halten".^ Zum äufsersten 
Mittel, zur Relegation (Dimission), griff Weise nur sehr 
selten; eine solche über einen Schüler verhängte, der sich 
allerdings an dem Tertius Mag. Joachim Curtius vergriffen 
hatte, kündigte er nach akademischer Weise am 19. Februar 
1682 durch einen öffentlichen Anschlag an.^^ In seiner 
milden imd verständigen Weise sagte er sich, da nun ein- 
mal die Menschen zimi Verbotenen neigten, so müsse man 
leichtere Fehltritte nachsehen, xmd er bekennt als sein 
Geheimmittel, durch das er persönlich stets den vollen 
Gehorsam erreicht habe, dafs er niemals etwas verlangt 
habe, was offenbar nicht zu erzwingen sei. „Politische" 
Leute ertrügen was sich nicht ändern lasse. Er mifs- 
billigte daher auch alles Schimpfen und Schlagen in der 
Klasse, das mache aus rohen Stämmen nur rohere Klötze. ^^ 
Das Schuljahr begann, wie überall in diesen Gegen- 
den, mit Ostern und war, abgesehen von den Feiertagen 
zu den hohen Kirchenfesten und anderen, nur durch die 
vierwöchigen Ferien während der Hundstage (dies cani- 
culares) imd die einwöchigen zu Michaelis unterbrochen, 
doch so, dafs der Unterricht auch während dieser Zeit 
nur während der Nachmittage ausgesetzt wurde, und auch 
für diese bot Weise Gelegenheit zu Privatlektionen. ^^ Zu 
Ostern und Michaelis fanden eine Woche lang Prüfungen 
vor den Patronen statt und darauf die Versetzung, wobei 
die Hefte der Schüler ausgelegt wurden ; doch hospitierten 



Das Rektorat in Zittau. 



31 



dabei die pfoceres und viri honoratissimi in den einzelnen 
Klassen während des regelmäfsigen Unterrichts.^ Nach 
der Schulordnung von 1594, die im wesentlichen noch 
fortbestand, waren der Donnerstag- und Sonnabendnach- 
mittag schulfrei, der erstere nach dem allgemeinen Schul- 
gebrauch des Mittelalters,^^ der zweite, weil er zur Vor- 
bereitung für den Sonntag diente. Nur wenn ein halber 
Feiertag in die Woche fiel, fand auch am Donnerstagnach- 
mittag Unterricht statt. Nach derselben Schulordnung 
fielen die Vormittagsstunden im Sonmier von 6 — 9, im 
Winter von 7 — 10, die Nachmittagsstunden von 12 — 3, und 
noch der Stundenplan Weise's vom Winterhalbjahr 1678/79 
zeigt dieselbe Einrichtung mit geringen Abweichungen, es 
blieb also sehr viel Zeit für die lectiones privatae, die in 
dieser Aufstellung natürlich nicht mit berücksichtigt sind. 
Auch die Pflichtstimdenzahl der Lehrer hatte damals der 
Rat vorgeschrieben, dem Rektor täglich 3, den collegae 
superiores 4. Im Winterhalbjahr 1678/79 betrug sie that- 
sächlich beim Rektor 16, beim Konrektor und Tertius 19, 
beim Kantor 20, beimQuintus 22 (bei jedem dieser beiden ein- 
schliefslich 6 Singstunden) ; bei den drei letzten Lehrern läfst 
sie sich nicht bestimmen. Die Pflichtstimdenzahl der drei 
oberen Klassen, des eigentlichen Gymnasiums, war damals 
wöchentlich bei I xmd 11 je 27, bei III 26, also erheblich 
weniger als jetzt, damit Raum zu Privatlektionen blieb. *^ 
Wie Weise an diesen äufseren Ordnungen wenig oder 
nichts änderte, so hielt er auch den Rahmen des ganzen 
obligatorischen Unterrichts fest; seine reformierende Thätig- 
keit lag nicht in Veränderungen dieser Art, sondern in 
der Methode und in den Privatlektionen. Also blieb der 
Doppelzweck seines Gymnasiums äufserlich der alte: 
christliche Lehre, gute Künste und Sprachen, wie ihn 
nach gut lutherischer Art die Schulordnung von 1594 be- 
stimmte. In VI begann der CoUega octavus mit Lesen 
und Schreiben, in V lehrte der Septimus die Anfangs- 



32 



Das Rektorat in Zittau. 



gründe der Religion und des Lateinischen, in IV waren 
schon zwei Lehrer beschäftigt, der Sextus und Quintus, 
und die Unterrichtsgegenstande lateinische Grammatik 
(nach Comenius' Vestibulimi linguae latinae und El. Weise's 
Enchiridion) und Schreibübungen, deutsche und lateinische 
Versifikation , Katechismus und Lektüre des Psalters. 
Die Tertia, die erste eigentliche Klasse des Gymnasiums, 
war das Reich des Kantors und des Quintus; der Kon- 
rektor und der Tertius gaben darin nur einzelne Stunden. 
Hier herrschte das Latein mit 21 Wochenstunden (6 Janua 
Comenii, d. h. Lesebuch, an deren Stelle 1686 leichte Briefe 
Cicero's getreten sind, 4 Catonis Disticha, 6 Grammatik 
nach dem Enchiridion, 4 schriftliche Übungen, i Versi- 
fikation), und das Griechische begann mit 2 Stunden; 
die übrigen Stunden fielen auf Religionslehre (Katechis- 
mus und Sprüche nach Caspar Finck's Vademecum, i. e. 
geistliches Hand- und Reifsebüchlein, darinnen die Articul 
des christlichen Glaubens einig und alleine aus H. Schrift 
kürtzlich beantwortet und bestettiget werden) und Rech- 
nen (je I St.). In den Unterricht der Secunda teilten sich 
im wesentlichen der Konrektor, der Tertius und der 
Kantor, und zwar fiel dem Tertius die verantwortungsvolle 
Aufgabe zu, das, was die aus Tertia versetzten oder die un- 
mittelbar in die Secunda eintretenden Schüler versäumt 
oder vergessen hatten, zu ergänzen und zu befestigen, also 
einen guten Grund für die Prima zu legen. Das Latein 
nahm hier 1678/79 nicht weniger als 21 Stunden in An- 
spruch (8 Grammatik, 3 Repetition der Janua Comenii, 
für die 1 686 der Cornelius Nepos eingetreten ist, 2 Ovid und 
Rhetorik, 2 Terenz, dafür 1690 Weise's Bellaria Juventutis, 
leichte Briefe Cicero's und lateinische exerciti, 5 stili- 
stische Übungen, i Versifikation); das Griechische bean- 
spruchte hier 4 Stunden. Die Religion lehrte in 2 Stun- 
den der Konrektor nach dem weitverbreiteten Compendium 
locorum theologicorum von Leonhard Hutter (zuerst Wit- 



Das Rektorat in Zittau. 



33 



tenberg 1610). Von Mathematik war hier überhaupt keine 
Rede. Gröfsere Mannigfaltigkeit gewann der Unterricht 
in Prima. Das Lateinische nahm hier (1678/79) nur 12 Stun- 
den in Anspruch, nämlich 3 Cicero, 2 Comel, 3 Virgil, 
3 Martial (i 684 stehen an der Stelle dieser Schriftsteller meist 
Chrestomathien, für Comel Justin), i Versifikation, das 
Griechische 2 Stunden (Neues Testament), das Hebräische 
I Stunde. In breiter Ausdehnung entfaltete sich die 
Oratorie (4 Stunden), die zunächst an Muret, später an 
Weise's „Erläuterten politischen Redner" und Cicero's 
Epp. ad Fam. XIII. anknüpfte und unter Weise sicher auch 
zu deutschen Schreib- und Sprachübungen anleitete, die 
Logik, die 4 Stunden beanspruchte und der Religions- 
unterricht, der ebenfalls in 4 Wochenstunden während 
des dreijährigen Kursus der Prima Hutter's Compendium 
zweimal durcharbeitete. Den Unterricht erteilten hier 
die drei obersten Lehrer, der Rektor selbst in 15 Stim- 
den, also mehr als der Hälfte. Die Musik (Gesang) 
wurde in zwei Abteilungen mit je 6 Stunden vom Kantor 
und vom Quintus gepflegt. Alles andere, namentlich auch 
die eigentlichen Realien und schwierigem Redeübungen 
blieben den Privatlektionen überlassen.^'' 

Waren die Schüler durch die Stundenzahl also keines- 
wegs „überbürdet", so wurden sie doch in anderer Be- 
ziehung wieder sehr stark in Anspruch genommen, vor 
allem durch die Beziehungen zur Kirche. Die Schul- 
ordnung von 1594 hatte vorgeschrieben, dafs Rektor und 
Kollegen mit den Schülern alle Sonn- und Pesttage zum 
Gottesdienst in der nahen Hauptkirche, Sonnabends und 
zuweilen auch in der Woche zur Kirche ziehen sollten; 
auch die Katechismuspredigten während der Fastenzeit 
hatten sie zu besuchen. Der regelmäfsige Kirchenbesuch 
der Schüler bestand auch unter Weise fort, doch hatten 
bei der wachsenden Frequenz die drei unteren Klassen 
seit 1689 ihre Plätze in der Klosterkirche.-'^® Das Abend- 

Kaemmel, Festschrift. 3 



34 



Das Rektorat in Zittan. 



mahl wurde vierteljährlich von der Schule gefeiert, auch 
am Semesterschlufe. ^® Eine aus alter Zeit überkommene, 
1594 wieder eingeführte, sehr zeitraubende Verpflichtung, 
die bis tief in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als 
ein anachronistischer Rest alter Zustände fortgedauert 
hat, waren die Leichenbegleitungen durch Lehrer und 
Schüler, bei den „grolsen Figuralen" durch die gesamte 
Schule. So fanden z. B. L J. 1679 nicht weniger als 473 
Leichenbegängnisse statt, die wenigstens zimi grofsen Teil 
auch die Mitwirkung der Schule beanspruchten.®* End- 
lich beschäftigte der Singechor nicht wenige namentlich 
ärmere Schüler, erzog aber auch manchen tüchtigen 
Musiker, wie Johann Kuhnau (1680 — 1682 in Zittau), den 
Vorgänger Johaim Sebastian Bach's als Thomaskantor in 
Leipzig (1701 — 1722).*^ 

Wenn Weise alle diese kirchlichen Pflichten zugleich 
als sittlich-religiöse Erziehungsmittel betrachtete und ver- 
wertete (darüber s. unten S. 46), so waren ihm die zahl- 
reichen oratorischen und theatraUschen DarsteUungen, 
die er teils vorfand, teils umgestaltete, teils neu einführte, 
wertvoll als Mittel zur Förderung seines unterrichtlichen 
Hauptzwecks, der praktischen „Oratorie". Von den Ge- 
dächtnisreden (sog. „Orationen") auf verstorbene Wohl- 
thäter des Gymnasiums, die noch bis in die letzten Jahr- 
zehnte die Kjafte des Rektors, Konrektors und Tertius 
(Subrektors) ungebührlich in Anspruch nähmen, fand 
Weise erst zwei vor, auf den hervorragenden Juristen 
Michael Mascus (f 1616) und den Rechtsgelehrten 
Melchior Caspar Winckler auf Ullersdorf und Sonmierau. 
Neu gestiftet wurde zu seiner Zeit, 1688, die Rede auf 
seinen Vorgänger Christian Keimann von seiner Tochter. 
Dabei hatte er meist irgend ein allgemeines, wissen- 
schaftliches Thema zu behandeln und durch ein bald 
kurz gefafstes, bald längeres Programm die Patrone und 
Freunde der Anstalt einzuladen, die danii auch meist 



Das Rektorat in Zittau. 



35 



zahlreich im Auditorium majus, der Prima, erschienen. ^^ 
Ein eigentlicher Actus oratorius mit Schülerreden und 
Gesängen des Chors fand regelmäfsig zur Feier der Rats- 
kür statt, nicht an demselben Tage (St. Bartholomäi, 
24. August), sondern an einem der folgenden Sonntage 
nach dem Festgottesdienst in der Johanniskirche. Denn 
das Gymnasium erschien als „die Pflanzschule der Nach- 
welt und vor allem des Rats" und erwartete daher bei 
dieser Gelegenheit auch den gesamten Rat unter den 
Zuhörern. Ebenso fand am Sonntag vor Weihnachten 
eine Art scenischer und musikalischer Aufführung in der 
Prima statt. Dagegen waren feierliche Valediktionen von 
Abiturienten, gewöhnlich um Ostern oder Michaelis, ge- 
legentlich auch zu andern Zeiten, nur dann üblich, wenn 
sich die jungen Leute dazu eigneten und die Schule mit 
ihnen Ehre einzulegen hoffte. Auch zu solchen Veran- 
staltungen veröffentlichte der Rektor ein gedrucktes Pro- 
gramm mit Angabe der auftretenden Personen und Er- 
läuterung der zu erwartenden Aufführung. ^^ 

Eine uralte Veranstaltung ganz anderer Art war das 
allgemeine deutsche Gregoriusfest, das Fest des Schul- 
patrons Papst Gregorys des Grofsen am Anfange des neuen 
Schuljahrs, das in Zittau zuerst 1310 erwähnt wird. Unter 
Anführung eines erwählten „Knabenbischofs" zogen da die 
Schüler „in weifsen Kitteln'* durch die Stadt, sammelten 
Lebensmittel und Geld als Spenden der Bürgerschaft für 
die Lehrer, die dann einen Teil zu einer fröhlichen Mahl- 
zeit für die Schüler verwandten, das übrige unter sich 
teilten, und begleiteten die neuen Schüler, die vornehmen 
zu Pferde, die andern auf ihren Schultern tragend, zur 
Schule. Dies „Einreiten" war schon 1662 abgestellt 
worden, der übrige Brauch dauerte fort; nur verlegte 
Weise den Umzug auf das spätere Frühjahr in die Woche 
nach Quasimodogeniti oder Misericordiasdomini und ver- 
band damit die Durchführung einer bestimmten Idee. 

3* 



36 I^as Rektorat in Zittau. 

Trotzdem wurde 1737 das ganze Fest aufgehoben, und 
zwar auf Antrag der Lehrer, die offenbar das Einsammeln 
von Gaben jetzt als Entwürdigung empfanden und für 
den Ausfall durch eine Summe von 100 Thalem aus der 
Kasse der milden Stiftungen entschädigt wurden.^ Die- 
sem alten Frühlingsfest stand ein Herbstfest zur Seite, 
der Auszug in den „Schülerbusch" (silva scholastica). 
In der Michaeliswoche zogen Lehrer und Schüler jeden 
Nachmittag nach dem anmutigen Gehölz, das etwa eine 
Stunde westlich von der Stadt bei Herwigsdorf auf einem 
steil nach einem grünen Wiesenthaie und der Mandau 
hin abfallenden Phonolithplateau liegt, und trieben dort 
allerlei fröhliche Kurzweil. Obwohl Weise auch diese 
Veranstaltung durch Gesänge und scenische Auftritte zu 
veredeln suchte, so mufste er sie doch schon 1682 ab- 
stellen, weil sich mancherlei Ungebühr damit verbunden 
hatte. 65 

Doch die gröfste Sorgfalt wandte Weise dem Schul- 
theater zu. In Zittau blühte schon seit dem Anfange 
des 16. Jahrhunderts, besonders aber seit dem ersten 
Rektor des Gymnasiums Caspar Janitius das Drama, das 
die höheren Schulen im ganzen evangelischen Deutsch- 
land nicht minder eifrig pflegten, als auf der andern Seite 
die Jesuiten, ein volkstümliches Gegengewicht zu den 
immer mehr überwuchernden fremden Gattungen, dem 
französischen Drama und der italienischen Oper der Höfe ; 
unter Weise erreichte das Schultheater seinen Höhepunkt, 
nachdem es schon unter Melchior Gerlach eine Blütezeit 
erlebt hatte. Bis 1685 wurden die Aufführungen zu Fast- 
nacht veranstaltet, seitdem zu Michaelis und zwar im 
grofsen Saale des Rathauses. In unermüdlicher Arbeit 
und mit bewundernswerter Gewandtheit schrieb Weise 
jedesmal drei neue Stücke, die an drei Tagen hinter- 
einander zur Aufführung kamen, am ersten ein biblisches 
Drama, am zweiten ein „politisches" (d. h. weltliches, 



Das Rektorat in Zittau. 



37 



historisches) Stück, dessen Gegenstand er mit Vorliebe 
aus der neueren Geschichte wählte, am dritten ein Lust- 
spiel; antike Stücke hat er niemals aufgeführt, und die 
Sprache, in der seine Schüler auftraten, war stets das 
Deutsche. Ausführliche, gedruckte Programme . gaben 
den Zuschauern die Namen der meist überaus zahlreichen 
Personen und Rollen (1682 z. B. in allen drei Stücken 
154, i. J. 1683 sogar 255) und eine Übersicht über den 
Inhalt. 66 

Zu solchen mehr oder weniger regelmäfsigen Veran- 
staltungen gesellten sich nun zahlreiche besondere Feier- 
lichkeiten, die ebenso die Thätigkeit wenigstens der obern 
Schüler stark in Anspruch nahmen. Zunächst am 28. Fe- 
bruar 1686 das hundertjährige Jubiläum des Gymnasiums, 
das der Rat anordnete. Das Hauptstück war der feier- 
liche Aktus mit der Rede des Rektors de ortu et pro- 
gressu scholarum per Lusatiam superiorem, die von Chor- 
gesängen und Arien eingerahmt war. Den Schlufs bil- 
dete das Tedeum. Zu Tisch vereinigte Weise die Patrone 
und Freunde in seiner Wohnung; der Rat überreichte 
ihm einen schönen Pokal von 16 Speziesthalern Wert mit 
15 Speziesthalern; am Abend veranstalteten seine Prima- 
ner einen Fackelzug mit allerhand Musik und Saitenspiel 
und widmeten ihm einen Pokal von 12 Speziesthalern an 
Wert, imd ein deutsches Gedicht im Namen „der ge- 
samten Studierenden", Der Rektor aber stiftete ihnen 
„ein Viertel Bier auszutrinken*', was jedenfalls zu einem 
fröhlichen Kommers Veranlassung gegeben hat. ^'^ Das Gre- 
goriusfest in der Woche nach Quasimodogeniti (21. April) 
bildete diesmal eine Nachfeier des Jubiläums und stellte 
daher den „sechsfachen Wechsel des Zittauischen Schul- 
vorstandes" in sechs „Suiten" (vorreformatorische Zeit, 
Reformationszeit, Zeit der Gründung 1586, Zeit M. Ger- 
lach's, Zeit des dreifsigjährigen Krieges, Blütezeit) mit 
figurenreichen, meist allegorischen Aufzügen dar.^® 



^3 ^^s Rektorat in Zittau. 

Allein die Schule fühlte sich keineswegs nur als etwas 
für sich Stehendes und auch nicht nur als einen Teil der 
Stadt, sondern sie nahm auch an den grofsen Ereignissen 
der Zeit einen überraschend \yarmen und regen Anteil, 
wie es dem Sinne ihres welterfahrenen „politischen" Rek- 
tors entsprach. Dafs sich Stadt und Landschaft, obwohl 
erst seit kaum 30 Jahren kursächsisch und stolz auf ihre 
Eigenart, doch aufrichtig und innerlich an das neue 
Herrscherhaus angeschlossen hatten, das sie vor dem 
Zwange des Glaubensdruckes gerettet und nur an längst 
vorhandene, enge Beziehungen hatte anknüpfen dürfen, 
das tritt gerade aus diesen Schulakten Weise's sehr ent- 
schieden hervor, und ist um so bemerkenswerter, als diese 
meist ganz freiwilliger Art waren. So beging die Schule 
am 28. Oktober 1679 den zwölQährigen Geburtstag des 
Prinzen Johann Georg als des künftigen vierten Kur- 
fürsten seines Namens, am 29. Januar 1680 das (angeb- 
liche) fünftiundertjährige Jubiläum der Verleihung der 
Raute in das sächsische Wappen. Mehr offiziellen Cha- 
rakter trugen natürlich die Trauerakte beim Tode der 
drei Kurfürsten Johann Georg's IL (22. Oktober 1680), 
Johann Georges IIL (18. Dezember 1691) und Johann 
Georg's IV. (12. Juli 1694) mit ausgebreiteter Heran- 
ziehung der Schüler. Dabei tritt zugleich ein lebhaftes 
Bewufstsein von der Zugehörigkeit zum Reiche hervor. 
Abfer es entsprach ganz dem regen Anteil Kursachsens 
an der Reichspolitik und den Reichskriegen, wenn das 
Gymnasium auch diesen fernen Ereignissen teilnehmend 
folgte, obwohl man das Glück des langen Friedens, den 
Sachsen seit dem dreifsigjährigen Kriege genofs, dankbar 
pries. Die Franzosenkriege lagen allerdings schon räum- 
lich ferner, aber auch sie blieben keineswegs imbemerkt. 
So klagt Weise 1680 über „die Gewalt grausamer Nach- 
barn am Rheinstrome" und über „die Greuel der Ver- 
wüstung", „nachdem ganze Provinzen aus ihren Stein- 



Das Rektorat in Zittau. 2 g 

häufen kümmerlich hervorblicken und auch die köstlichen 
Paläste unbewohnt gelassen werden". In der Weihnachts- 
andacht 1699 liefs er in Gesprächen das ganze zu Ende 
gehende Jahrhundert in vier Abschnitten darstellen und 
rühmte im Programm dazu Wilhelm III., „der die Religion 
und die Freiheit bei der englischen Nation wider alles 
Vermuten und Verhoffen der ganzen Welt in guten Stand 
gesetzt und in der Wage von Europa das Gewichte 
ziemlich verwechselt hat*', und das Gregoriusfest desselben 
Jahres galt dem Preise des errungenen Friedens. Freilich 
mufste er wenige Jahre später, 1704, fast Bedenken tra- 
gen, „unter dem allgemeinen Brande von Europa" es zu 
veranstalten. Aber näher lagen diesem Winkel des öst- 
lichen Deutschland dicht an der böhmischen Grenze doch 
die Türkenkriege. Der Aktus zur Ratskür am 24. August 
1683, in einem Augenblicke, wo die ganze Christenheit 
den Kampf um Wien mit banger Spannung verfolgte und 
der Landesherr der Oberlausitz, Kurfürst Johann Georg III., 
sein neu gebildetes Heer selbst nach der Donau führte, 
erflehte in einem deutschen Schlufsliede die göttliche 
Hilfe gegen die Türken und den Sieg für den Kurfürsten. 
In demselben Jahre war am 2. Juni ein Schüler des Gym- 
nasiums, Hans Ulrich Freiherr von Schaffgotsch aus 
Schlesien, in die kaiserliche Armee eingetreten, und am 
2^, September valedicierte Christian Friedrich Behrens 
aus Zittau in einer Rede de firmitate et debilitate imperii 
turcici, noch ehe die Siegesnachricht eingetroffen war. 
Am 31. Januar 1686 wurde dann auf kurfürstliche Anord- 
nung, die für ganz Sachsen galt, in einem ausgedehnten 
actus eucharisticus der glückliche Fortgang der christ- 
lichen Waffen gefeiert, wobei neun Redner de successu et 
lapsu Turcanun sprachen. Weise's Programm ging von 
dem glänzenden Siege bei Wien aus und hob namentlich 
den sehr bald verdunkelten Anteil der Sachsen hervor. 
Auch die nicht gerade hervorragenden Thaten des jungen 



40 



Das Rektorat in Zittau. 



Kurfürsten Friedrich August I. in einer späteren Zeit 
des Türkenkrieges pries das Schlufsgedicht des Küraktus 
am 2. Oktober 1696, das auch auf den Kampf der Russen 
um Asow Bezug nahm. ^^ Ganz unmittelbar berührte 
nach mehr als 50 Friedensjahren der nordische Krieg und 
der schwedische Einfall 1706 Stadt und Landschaft; hatte 
doch Zittau Jahre lang schwedische Besatzung.''^ 

So stand die Schule n^itten inne im Leben der Zeit, 
und bildete anderseits den geistigen Mittelpunkt für 
einen gar nicht engen Kreis in einer Weise, wie das 
wohl nur damals möglich war und heute nicht mehr im 
entferntesten der Fall ist, auch gar nicht sein kann. Sie 
allein oder wenigstens hauptsächlich beschäftigte und er- 
hielt eine ansehnliche Druckerei, die der treffliche Michael 
Hartmann 1678 begründete und bis 1733 mit Umsicht und 
Unternehmungsgeist leitete. Sein Neujahrswunsch 1685 
an die Patrone weist 25 verschiedene Schriftgattungen 
für Deutsch, Lateinisch und Griechisch mit prachtvollen 
Initialen auf; er druckte auch tschechisch imd wendisch 
imd besafs einen guten deutlichen Notensatz. Es ist eine 
Freude, in Weise's zahllosen Programmen, Gedichten 
u. s. f. diese schönen, grofsen, scharfen Typen (namentlich 
der prächtigen Antiqua) auf dem lederartig festen, zähen, 
gelblichen Papier zu sehen. An Büchern allein hat Hart- 
mann im ganzen 170 gedruckt, darunter 45 in Folio, 55 
in Quart. Auch die erste stehende Buchhandlung wurde 
zu Weise's Zeit, 1705, von Johann Jakob Schöps aus 
Eilenburg gegründet und hat lange ehrenvoll bestanden. ^^ 

Den Ruhm der Schule und ihres Rektors trugen nun 
wieder ihre Zöglinge, namentlich ihre Abiturienten, über 
ganz Norddeutschland. Bereits 1686 studierten über 50 
Zittauer Schüler Weise's allein in Leipzig.''^ Von 57, die 
1679— 1702 feierlich valedicierten oder von ihren „Tisch- 
genossen" in Weise's Hause mit Abschiedsgedichten be- 
grüfst wurden, was ja immer nur besonders befähigten 



Das Rektorat in Zittau. 



41 



und hervorragenden widerfuhr, um dann, von den alten 
Kameraden begleitet, meist durch die dunkle Wölbung 
des Bautzener Thors unter dem wappengeschmückten 
Turm hindurch in die Welt hinauszuziehen, waren 34 junge 
Leute von Adel, und von den 39, bei denen die Wahl 
der Hochschule angegeben ist, gingen die Mehrzahl, 20, 
nach Leipzig, 12 nach Frankfurt a. O., nur 5 nach Wit- 
tenberg, je einer nach dem fernen Kiel und nach der 
neugegründeten, aber von Weise schon als „weltberühmt** 
bezeichneten Universität Halle (im März 1696). 



Pädagogische Reformgedanken und Reformea 



Christian Weise steht mitten in der grofsen päda- 
gogischen Reformbewegung des 17. Jahrhunderts und ist 
einer ihrer wirksamsten Träger geworden. Wolfgang 
Ratke, Amos Comenius, Balthasar Schupp, Johannes Case- 
lius, V. L. V. Seckendorff u. a. m., sie traten alle ein für 
eine engere Verbindung zwischen Schule und Leben, da- 
her für eine natürlichere und mehr auf das Praktische, 
Realistische gerichtete Bildung, für Verbesserung der 
Lehrmethode, Pflege der Muttersprache, lebendige An- 
schauung der Sachen, stärkere Berücksichtigung der 
„Realien*'. Es ist im Grunde schon der Geist der Auf- 
klärung, der Geist des Christian Thomasius und Samuel 
Pufendorf, der Geist, aus dem im 18. Jahrhundert die 
Realschule geboren wurde. Schon von seinem Vater war 
Christian Weise auf die Pflege des Deutschen hingewiesen 
worden; seine ganze Laufbahn, ehe er nach Zittau kam, 
hatte seinen Sinn von der dürren scholastischen Gelehr- 
samkeit hinweg auf das im praktischen Leben Verwert- 
bare gerichtet. Er ist durchaus ein moderner, praktischer 
Mensch, in seinem Sinn ein „politischer" Rektor. Wie ihn 
sein Bildnis zeigt, über dem klugen, lächelnden, schmalen 
Gesicht die hoch aufgebaute Allongeperücke, und im 
modischen Hof kleide gleich seinem Geistesverwandten und 
Altersgenossen Christian Thomasius, der in dieser Tracht, 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. ax 

den Degen des Edelmanns an der Seite, das Katheder 
betrat, so wollte er seine „Untergebenen" für das Leben 
ausrüsten. Non scholae sed vitae discendum est, ist sein 
Wahlspruch, nicht Römer imd Athener will er erziehen, 
sondern Menschen der Gegenwart. "^^ Aber er ist kein 
Revolutionär, sondern ein Reformator. Nicht eine neue 
Schule will er gründen, sondern die alte Lateinschule 
zeitgemäfs umbilden; ohne ihren Rahmen zu sprengen, 
ohne ihre antike Grundlage aufzugeben, will er die neuen 
Unterrichtsmittel in sie hinüberleiten und zunächst wenig- 
stens für eine Auswahl seiner Schüler das Ideal des 
galant-homme, des politicus, verwirklichen. Daher sind 
seine beiden Ziele: christliche Frömmigkeit und Wissen- 
schaft fürs Leben. Was der Mensch zur ewigen Seligkeit 
und zum glücklichen irdischen Dasein braucht, das soll 
ihm die Schule bieten. '^^ 

Dazu bedarf es freilich auch der Lehrer von sehr 
bestimmten Eigenschaften. Als die Hauptsache gilt ihm 
die Lehrbegabung, also die Persönlichkeit des Lehrers. 
Die Gelehrsamkeit allein thut's nicht, obwohl sie nicht 
fehlen darf; im Gegenteil, der Lehrer soll „gute Korre- 
spondenz" mit den Universitäten haben, also sich im Zu- 
sammenhange mit den Fortschritten der Wissenschaft 
halten. Er soll sich bewufst bleiben, dafs er Gott dient 
und nicht den Menschen; niemals soll er ein Mietling 
sein. Im Leben und in der Religion mufs er „rich- 
tig" sein (also ein korrektes Mitglied seiner Kirche), 
mit seinen Kollegen verträglich leben und gegen ab- 
weichende Ansichten Duldsamkeit üben, und da er poli- 
ticos erziehen soll, so kann er auch nicht mehr ,;wie 
ein Mönch" leben, sondern mufs als ein Weltmann auf- 
treten. Beim Rektor steigern sich alle diese Forde- 
rungen, wie das Weise schon 1678 in seiner Antritts- 
rede ausgeführt hatte (s. oben S. 2^); insbesondere soll 
er ein anerkannter Gelehrter sein , obwohl kein AUeswisser, 



AA Pädagogische Reformgedanken und Reformen. 

und er mufs seinen Kollegen gegenüber eine selbständige 
Stellung behaupten.'^ 

„Ein Lehrer, der seine Schüler nicht mit väterlicher 
Liebe umfafst, ist kein Lehrer.""^® Mit diesem schönen 
Worte bezeichnet Weise bei der Einführung des Konrektors 
Mirus das Verhältnis zu den Schülern, Die Disziplin be- 
ruht auf der Persönlichkeit der Lehrers, sie soll Erholungs- 
pausen gern gestatten, überhaupt Überanstrengung ver- 
meiden, auch den Humor nicht aus dem Unterricht ver- 
bannen. '"^ Die Behandlung der Schüler aber hat mög- 
lichst zu individualisieren, da man in jeder Klasse drei 
Grade der Befähigung vor sich hat, stupidos, mediocres, 
ingeniosos, von denen die mediocres die grofse Masse 
bilden und daher besondere Berücksichtigung erfordern.''^ 
Quot ingenia, tot ingeniorum provehendorum consilia, 
diesen Kemsatz führt Weise in seiner Antrittsrede 1678 
auf Grund reicher Erfahrung ausführlich und geistvoll 
durch, und zwar soll sich die Individualisierung ebenso- 
wohl nach der Befähigung wie nach dem künftigen Be- 
rufe und nach dem Stand des Schülers, * von dem jener ja 
zum Teil abhängig war, richten.'^ So liefs Weise zu den 
Disputationen immer nur die wirklich befähigten Leute 
zu, während er manche, quod nee lingua menti, nee mens 
linguae vellet succurrere, niemals das Katheder besteigen 
liefs. ^ Ein künftiger Mediziner darf seine beste Zeit nicht 
damit vergeuden, dafs er den Cornelius Nepos in latei- 
nische Verse umschreibt, und auch wer nicht besondere 
Neigung zu Versübungen, zu Griechisch und Hebräisch 
und zu ausgedehnter Lektüre verrät, ist deshalb noch kein 
verlorener Mensch, sondern kann ein „Eckstein" werden. 
So hat er selbst ältere Schüler rasch in die „Erudition" einge- 
führt, den einen von poetischen Versuchen, den andern von 
oratorischen Übungen oder von Disputationen abgehalten. 
„Die werden genügend ernährt, die ihr Mafs empfangen." ^^ 
Daher zieht Weise zum öffentlichen Auftreten, besonders 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. ^c: 

in den actus oratoiii, mit Vorliebe die Söhne adliger oder 
überhaupt vornehmer Familien heran, am liebsten so, dafs 
der jugendliche Sprecher in einer gewissen personlichen 
Beziehung zu dem Gegenstande steht, den er behandelt. 
Beim ersten Küraktus z. B., den er am 27^. August 1678 
abhielt, und in dem das Z im Zittauer Wappen in aller- 
hand symbolischen Auslegungen besprochen wurde, traten 
ausschliefslich Zittauer als Redner auf (8), darunter die 
Söhne der 'ersten Familien; bei derselben Gelegenheit 1682 
deuteten 7 Schüler von Adel das Wappen ihres Hauses; 
1683, als demselben Aktus das Thema requisita felicitatis 
politicae zu Grunde gelegt wurde, priesen 3 Schüler aus 
Reval als solche apparatum bellicum, terrae foecunditatem, 
mercaturam et navigia, ein Leipziger eruditionem, ein 
Wittenberger religionem, ein Annaberger rem metallicam, 
und wieder 1698 sprach von 8 Rednern, die alle meliorum 
parentum filii waren, ein junger Pole auf den Kurfürsten- 
König Friedrich August.®^ Es ist ein aristokratisches 
Prinzip, das von der Neigung der Gegenwart zu demo- 
kratischer Nivellierung, die solche persönliche Beziehun- 
gen auch in der Schule möglichst unterdrückt, sehr stark 
abweicht, aber an das Horazische Fortes creantur forti- 
bus et bonis anklingt. 

Aller Unterricht mufs „leicht und lustig" sein, daher 
nicht zu weitläufig und in guter Ordnung sich vollziehen, 
in festem Fortschritt von Leichterem zum Schwereren, 
nach übersichtlichen Lehrbüchern, mit beständigem In- 
einandergreifen der Fächer und der Klassenpensa, in fort- 
währender Verbindung des iudicium mit dem Gedächtnis, 
wobei alles mechanische und übermäfsige Memorieren zu 
vermeiden ist, in regelmäfsiger Abwechslung zwischen 
dem Vortrag des Lehrers, dialogischer Form und Vor- 
trägen oder lautem, sinngemäfsem Lesen der Schüler.®^ 

Zur Förderung christlichen Lebens nahm der Religions- 
unterricht einen breiten Raum ein. Er sollte ebensowohl 



a6 Pädagogische Reformgedanken nnd Reformen. 

den Verstand als das Herz beschäftigen, verfuhr daher 
einerseits auf allen Stufen erbaulich, beruhte anderseits 
auf gedächtnis- und verstandesmäfsiger Aneignung eines 
als unerschütterlich gegeben gedachten Stoffes imd hatte 
daher in den beiden oberen Klassen die Lehrsätze nach 
Hutter's Compendium dialektisch durchzuarbeiten, zu be- 
gründen und zu verteidigen, die gehörten Predigten logisch 
zu analysieren. Hier stand also Weise auf dem Stand- 
punkte der lutherischen Scholastik. Doch versäumte er 
nichts, um auch die erbauliche Seite gerade bei den obern 
Schülern entschieden zu betonen. Zur Sonntagspredigt 
bereitete er seine zahlreichen „Tischgenossen" stets in 
einer besonderen Andacht am Sonnabendnachmittag vor; 
vor jeder Abendmahlsfeier forderte er von seinen Primanern 
eine Bufsode und teilte ihnen dann seine eigene Arbeit 
mit; die Leichenbegängnisse von Lehrern und Schülern 
benutzte er gern, nicht nur zu eigenen erbaulichen Be- 
trachtungen in Vers und Prosa, sondern er hielt auch 
einzelne Schüler zu solchen an, und selbst die zeitrauben- 
den, den Unterricht oft empfindlich störenden Leichen- 
begleitungen betrachtete er als Mittel zur Erbauung.^ 

Ein Kind seiner Zeit ist er in der Art, wie er die 
fremden Sprachen behandelt. An der herkömmlichen, 
völlig untergeordneten Stellung des Griechischen und 
Hebräischen hat er gar nichts geändert, moderne Sprachen 
liefs er nur in den Privatlektionen zu.®^ Schon der Stunden- 
zahl nach stand das Lateinische im Vordergrunde (s. oben 
S. 33), denn auch für Weise war die völlige Beherrschimg 
des Lateinischen als der „Muttersprache der Gelehrten" 
(doctorum lingua vemacula), die Aneignung dieser erudita 
latinitas, ein Hauptziel des Unterrichts.®^ Daher wirkte 
er zunächst auf Verbesserung der Methode. Hatten wohl 
schon vor ihm oder unmittelbar nach seinem Amtsantritt 
die praktischen Comenianischen Lehrbücher (Vestibulum 
und Janua) Eingang in den unteren Klassen gefunden, so 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. ai 

veranstaltete er selbst eine neue Bearbeitung der latei- 
nischen Grammatik seines Vaters (Enchiridion), indem er 
dessen handschriftlichen Nachlafs benutzte und vor allem 
auf scharfe Fassung der Regeln Bedacht nahm. Er hielt 
die Sache für so wichtig, dafs er in der Wincklerischen 
Oration vom 29. Mai 1681 die Einführung der neuen 
Grammatik förmlich feierte, der Rat aber trug die Druck- 
kosten und schenkte den Schülern die Exemplare.®'' 
Die Grammatik ging von der Muttersprache aus, fafste 
die Regeln also deutsch, ohne sie mit Einzelheiten zu 
überladen, die gelegentlich nachzuholen waren, und sollte 
durch alle Klassen gebraucht werden; die Paradigmata 
hatte der Lehrer auf der Wandtafel vorzuschreiben. Die 
Lektüre der lateinischen Schriftsteller war auch für Weise 
lediglich ein Mittel zur eigenen „Imitation** und „Kompo- 
sition'* anzuleiten; der moderne Gedanke, sie als Erzeug- 
nisse ihrer Zeit historisch aufzufassen, hat ihm eben so 
fem gelegen, wie seiner ganzen Zeit. Daher lehnt er die 
schwierigeren Autoren, wie Tacitus, Sallust, Livius als 
Ganzes grundsätzlich ab, weil sie sachlich viel zu schwierig 
seien und ein allzu reifes Urteil voraussetzten; selbst von 
Plautus und Terenz will er wenig wissen. Er beschränkt 
sich vielmehr durchweg auf leichtere Autoren, Cornel, 
Justin, einzelnes von Cicero, Ovid, Terenz, und zieht im 
ganzen der Behandlung grofser Schriftwerke eine Aus- 
wahl aus Autoren verschiedenen Charakters vor, wobei 
er auch Neulateiner keineswegs ausschliefst, denn es gilt, 
jedem Schüler zur stilistischen „Imitation" den Schrift- 
steller nahe zu bringen, der seiner Anlage gemäfs ist, da- 
mit sich sein Stil nach diesem bilde. Vom Ciceronianis- 
mus und jedem andern Purismus ist er also weit entfernt, 
und er hält deshalb auch auf die beliebten Sammlungen 
von Redensarten, Synonymen, Epitheten u. dgl. nichts, 
denn jeder müsse seinen Stil nach seiner Eigenart ent- 
wickeln, wie es die bewunderten Alten gethan hätten, ^^ 



4.8 Pädagogische Reformgedanken und Reformen. 

Daher ist denn auch seine Interpretation eine wesent- 
lich andere als heute, immer bestimmt von der alles 
beherrschenden Rücksicht, durch „Imitation" zu eigener 
„Komposition*' zu kommen. Es wurde also von IQ an das 
präparierte Stück et3nniologisch und syntaktisch analysiert, 
die Phrases herausgezogen und diktiert, endlich eine 
schriftliche Übersetzung geliefert. In II wurde der An- 
fang mit der Imitation damit gemacht, dafs alle Vokabeln 
und Phrasen des Stückes in anderen Konstruktionen ver- 
wandt und andere Themen in den Perioden des Pensums 
behandelt wurden; in I kam die Aufstellung der Syno- 
nymen und der Figuren imd des numerus oratorius hinzu. 
Das Ganze wurde dann logisch und rhetorisch disponiert 
und einesteils möglichst wörtlich, andemteils umschreibend 
übersetzt, dann die Disposition auf andere Themen über- 
tragen. Die sachliche Interpretation (cura rerum) be- 
schränkte sich auf den Nachweis der Quellen für die Argu- 
mente des Autors. Die eigentliche „Komposition" begann 
in III mit leichten Briefen und kurzen Chrien, die II ging 
zu schwierigeren oratorischen Aufgaben über, die I setzte 
dies fort. Die Elaborationes wurden korrigiert und in der 
Klasse teils vom Lehrer besprochen, teils von den Mit- 
schülern nach bestimmten Gesichtspunkten (ob pure, per- 
spicue, digne) kritisiert. Grundsätzlich hielt dabei Weise 
daran fest, dafs der lateinischen Komposition eine deutsche 
Ausarbeitung zu Grunde gelegt wurde. Die Themata be- 
handelten nicht antike Gegenstände und Situationen, son- 
dern moderne (idea boni militis nach Claudian's Gedicht 
de laudibus Stilichonis, boni sacerdotis, consiliarii u. dgl.). 
Zu demselben Zwecke und in derselben Weise wurden die 
lateinischen Dichter getrieben; sie wurden nach sensus 
und artificium untersucht, bis man „zu einer bequemen Imi- 
tation schreiten" konnte. Das Lateinsprechen ergab sich 
dabei von selbst, doch wechselte es mit Deutsch und war 
keineswegs die alleinige Unterrichtssprache.®^ 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. ^g 

Es ist nun wohl Weise's gröfstes Verdienst, dafs er über 
diese älteren Übungen hinaus planmäfsig zur „deutschen 
Oratorie" gelangte, und für diese durch Lehrbücher, 
die aus seinem Unterricht hervorwuchsen, auch in weiteren 
Kreisen mit Erfolg gewirkt hat.^ Sein Grundgedanke ist, 
die Beredsamkeit nach den Bedürfnissen der lebendigen 
Gegenwart zu lehren, so wie sie Aristoteles und Cicero 
lehren würden, wenn sie in dieser Zeit lebten, also seine 
Zöglinge sowohl für geistliche, wie für weltliche Reden 
an Höfen wie in bürgerlichen Verhältnissen so zu schulen, 
dafs sie, im Besitz einer rhetorica universalis, jeder Ge- 
legenheit gewachsen seien, ^^ Direkte Vorbilder waren 
ihm dabei V. L. von Seckendorff's Teutsche Reden aus 
dem praktischen Geschäftsleben (1660 — 1685). Seine „In- 
stitutiones oratoriae" 1687 und sein „Politischer Redner'* 
(1676, 2. Auflage 1691) sind allerdings zunächst nicht für 
Schüler, sondern für ältere Studenten bestimmt, so gut 
wie die Ergänzung dieses Buches, der „neu erleuterte 
politische Redner" (1688), und das „Oratorische System" 
(1707); aber die dort ausführlich entwickelte und durch 
eine Fülle von praktischen Beispielen erläuterte Methode 
wandte er natürlich auch in der Schule an. Zunächst 
wurde ein einfacher Behauptungssatz durch Umschreibung 
und Nebensätze erweitert, in manchen Figuren (Frage, 
Ausruf u. dgl.) variiert, mit andern Sätzen verknüpft, zu- 
gleich durch (möglichst freie) Übersetzung angemessener 
lateinischer Stücke, namentlich von Reden, für einen 
reicheren Vorrat an Gedanken und Worten gesorgt. So- 
dann ging man zur Chrie , der damals bevorzugten Form 
jeder Abhandlung, über (etwa über den Satz: parsimonia 
est laudanda) imd wandte dabei die einfachsten Schlufs- 
formen an ; endlich verschritt man zur Ausarbeitung ganzer 
Reden, wobei vielleicht die Disposition lateinisch fest- 
gestellt wurde, die Ausführung dagegen deutsch war. Ein 
grofses Gewicht legte Weise dabei auf argutiae („spielende 

Kaemmel, Festschrift. 4 



CQ Pädagogische Reformgedanken und Reformen. 

Worte, scharfsinnige Sachen", etwa „Gustav Adolf gab 
sein Leben dahin, damit der Gottesdienst leben möchte") 
und kurze, scharfe Fassung (wozu er gern inschriftenartige 
Aufsätze anfertigen liefs, z. B, auf die Teutschen, die vor 
Frankreich fechten), und knüpfte gern an Sinnsprüche, 
Wappenbilder u. dgl. an, wobei er eine oft höchst künst- 
liche und gesuchte allegorische Deutung liebte. Eine be- 
sonders wichtige Übung sieht er in den „Komplimenten", 
den höflichen Anreden (einschliefslich der Titel), einer 
in diesem Zeitalter des höfischen Absolutismus und der 
Perücke unendlich wichtigen Angelegenheit, die er in 
Zittau praktisch jede Woche einmal besonders übte. Er 
rechnete darunter auch den Briefstil und liefs seine 
„Untergebenen" jeden Tag einen Brief schreiben, gab auch 
regelmäfsig seine eigene Ausarbeitung hinzu, woraus sich 
gelegentlich eine zusammenhängende Korrespondenz in 
erfundenen Situationen entwickelte (z, B. über eine Ver- 
walterstelle und eine sich daran schliefsende Heirat). ^^ Die 
Abschnitte des „Politischen Redners" über die „bürger- 
lichen Reden" {Leichabdankungen, Hochzeitsreden, Fest- 
reden bei öffentlichen Gelegenheiten, Studentenreden) und 
die „politischen Hofreden", die teils die „Affekte" erregen, 
teils völkerrechtliche Streitfragen und Fragen der ratio 
Status (Staatsräson, höhere Politik) erörtern sollen, sind 
natürlich im ganzen nicht für die Schule bestimmt, aber 
sie atmen völlig den modernen, auf das praktisch Ver- 
wertbare gerichteten Geist des Verfassers, wenn er seine 
Beispiele stets aus der neuen und neuesten Geschichte 
nimmt, niemals aus dem Altertum, also etwa, um die 
Scham zu erregen, über die französischen Verwüstungen 
im Elsafs reden, nach Camden die Frage nach der völker- 
rechtlichen Befugnis zur Absetzung der Maria Stuart in 
Schottland und ihrer Gefangenschaft in England erörtern, 
oder die Frage, ob 1648 das (obere) Elsafs mit voller Sou- 
veränität an Frankreich hätte abgetreten werden sollen, für 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. rj 

und wider erwägen läfst. Eifrig empfiehlt er „allerhand 
oratorische CoUectanea*', namentlich wirklich gehaltener 
Reden, deren er selbst im „Politischen Redner" eine ganze 
Anzahl aus der neuesten Zeit mitteilt, dann merkwürdiger 
Geschichten, Aussprüche, Inschriften, Sinnsprüche u. dgl. m., 
namentlich aus dem Theatrum Europaeum, die man immer 
zur Hand hat, häufig liest, aber niemandem, auch nicht 
seinem besten Freunde zeigt, damit man immer etwas 
Neues, Überraschendes zu sagen wisse. ^^ Die deutsche 
Versifikation war ihm nur ein Zweig der Oratorie, ebenso 
g-ut lehrbar und lembar wie diese, ein Mittel, „sich der 
politen Welt zu recommandieren"; aber er vermied dabei 
den beliebten mythologischen Apparat, und hatte ein feines 
Ohr für den Rhythmus und den Reim. ^ Reden und Ge- 
dichte liefs er auswendig lernen und in der Klasse vor- 
tragen, wobei der Redner mit Hut und Degen oder Stab 
erschien, und nicht auf dem Katheder stand, sondern auf 
einem einfachen Tritt, damit er sich angemessen bewegen 
lerne. ^^ Besondere geistliche Redeübungen für künftige 
Theologen (progymnasmata concionatoria) veranstaltete er 
im Sommer am Sonntag nach der Messe und noch in einer 
anderen Stimde der Woche. ^ 

Von Weise's Gesichtspunkten aus waren nun Valedik- 
tionen, Gratulationen und Todesfalle, vor allem aber die 
actus oratorii, und die dramatischen Aufführungen der 
verschiedenen Art ebensoviele erwünschte Gelegenheiten, 
seine Schüler, namentlich die Primaner, in der Oratorie 
praktisch zu üben, also geradezu Mittel zum Unterricht. 
In Formen und Themen ist er dabei unerschöpflich. So 
sprachen im Küraktus 1681 sieben Redner zum Preise der 
Musik (nach Ablauf der einjährigen Landestrauer) und 
zwar heroico carmine, carmine choriambico, oda sapphica, 
carmine elegiaco, die andern drei in Prosa. Am 28. Okto- 
ber 1679 zu Ehren des 1 2 jährigen Prinzen Johann Georg (IV.) 
legten vier Redner ebensoviele Wahlsprüche aus, der erste 

4* 



52 Pädagogische Reformgedanken und Reformen. 

den bei der Geburt des Herzogs Jakob von York auf eine 
englische Denkmünze geprägten Non sie mille cohortes, 
die folgenden die Devisen der drei Johann George (scopus 
vitae meae Christus, sursum deorsum, Jehova vexillum 
meum), indem sie bei allen dreien nachwiesen, wie sie die 
Sprüche im Leben bewährt hätten. Alle vier Reden liefs 
Weise drucken und widmete sie dem Prinzen. Am 29. Januar 
1680 deuteten zwei Redner allegorisch das kursächsische 
Wappen, die schwarzgoldenen Streifen mit der grünen 
Raute darüber, der eine jene als Symbole des traurigen 
Krieges und des goldenen Friedens, der andere als Sinn- 
bilder des Ackerbaus, Bergbaus und Handels, die Raute 
als Zeichen des Garten- und Weinbaus, der Forstwirtschaft 
und der Wissenschaft, Ein höchst wunderliches Beispiel 
von argutiae bot der Küraktus von 1679 über den Buch- 
staben Z im Wappen der Stadt (Z prudentia, weil am 
Ende des Alphabets, denn es heifst respice finem; per- 
fectio, constantia in utraque fortuna, weil es hart und 
weich gesprochen wird; pietas, weil A — Z=^— ü). Der 
Dankaktus von 1686 knüpfte dagegen an die nächstliegen- 
den, zeitgeschichtlichen Ereignisse an (s. oben S. 39).^^ 

Gröfsere Mannigfaltigkeit noch boten die halbdrama- 
tischen, aus Gesängen und Deklamationen sich aufbauen- 
den Weihnachtsakte (s. oben S. 39), den Höhepunkt aber 
bildeten die theatralischen Aufführungen, und von diesem 
Gesichtspunkte aus, nicht eigentlich vom litterarisch-ästhe- 
tischen, wollen und müssen sie beurteilt werden. Diese 
pflegte er teils als „Rekreation" für die Schüler, teils als 
Übungen im Reden und Auftreten. Daher die Mannigfaltig- 
keit der Gegenstände, die grofse Zahl der auftretenden 
Personen, denen die Hauptrollen so zu sagen auf den Leib 
geschrieben wurden, die Verbindung mit Gesang und In- 
strumentalbegleitung (s. oben S. 36). Ganz unmittelbar 
zu besonderen oratorischen Zwecken schrieb er die „Kompli- 
mentierkomödie", die aus lauter Komplimenten besteht und 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. e^ 

scenenweise gelegentlich in der Klasse vorgetragen wurde, 
und als „Probe von anständigen Gesprächen" das an- 
mutige Lustspiel „von den betrübten und wiederum ver- 
gnügten Nachbarskindern" (aufgeführt ii. August 1699). 
Eine verbindende Idee legte er auch den Gregoriusumzügen 
zu Grunde und zu den beiden von altersher üblichen Chören, 
dem eröffnenden der Studenten, dem schliefsenden der 
Bergleute und Handwerker, fügte er „Suiten" von allego- 
rischen und anderen Figuren (so 1699 beim „Abschied von 
dem verflossenen Seculo" und der „vergnügten Hoffnung zu 
dem künftig angehenden Seculo" Mars, Irene, Abundantia, 
Justitia, Ungarn, Deutsche, Türken, Kavaliere und so fort, 
dann Spes, Invidia, Curiositas, Divinatio und maskierte 
Personen verschiedenen Standes). Selbst den Auszug in 
den Schülerbusch benutzte er in ähnlicher Weise. Da 
brachte 1678 nach einem Prolog ein Schüler aus dem 
Walde drei Tannzapfen als sinnbildliche Gabe für Rat, 
Geistlichkeit und Bürgerschaft, ein zweiter drei Wacholder- 
zweige für Bürgerschaft, Kirche und Schule und Obrigkeit, 
ein dritter drei Kiesel aus der nahen Mandau mit den 
Inschriften durat, intus lucet, ignem fovet.^® 

Mit der Oratorie setzte Weise die Logik in die alier- 
engste Verbindung. Er befreite sie von den üblichen ab- 
geschmackten, spitzfindigen Subtilitäten, die er in den 
„Drei Erznarren" durch Aufstellung von achtzig spitz- 
findig läppischen Themen wirksam verspottete, gab fafs- 
liche Erklärungen und reiche Beispiele, schrieb selbst 
anerkannte Lehrbücher, zum erstenmale nach langer 
Zeit in deutscher Sprache, ^^ und übte seine begabteren 
Schüler eifrig in Disputationen, und zwar zuweilen in 
ganz akademischen Formen mit öffentlicher Einladung, 
namentlich beim Abgange zur Universität. So wurde 1679 
über die consideratio pacis politica, logica, theologica 
disputiert, 1685 de elegantiis realibus (von Gottfried Hoff- 
mann, später seinem Nachfolger), 1687 de logica nobilium 



Ca Pädagogische Reformgedanken und Reformen. 

et politiconim (von Martin Qlrünwald), 1707 de affectibus 
in se bonis vel malis) u. a, m.^^ 

Schliefslich waren ihm auch die Realien nur Mittel 
zur Oratorie. Den Pflichtfachern wies er nur die Arithmetik 
zu, aber er beschränkte sie auf die Tertia und wollte von 
einem eingehenderen Betriebe der Mathematik und Physik 
niemals etwas wissen, weil sie für den künftigen Stand seiner 
Theologen und Politiker ohne Bedeutung seien, wenn- 
gleich er gelegentlich auf die Nützlichkeit der Geometrie 
hinwies. ^^^ Alles andere überliefs er den Privatlektionen. 
Dafür war ein geordneter Kursus von drei Jahren ein- 
gerichtet, dessen Benutzung den Zöglingen es ermöglichte, 
das darauf folgende Universitätsstudium abzukürzen. ^^^ Da 
stand ihm natürlich die Geschichte oben an, vor allem 
aus praktischen Gründen die „neue Historie", die „vierte 
Monarchie", nach Conring und Pufendorf ; die ältere könne 
später bei Gelegenheit nachgeholt werden, etwa im An- 
schlufs an Justin. Er hielt dabei auf frühe Einprägung 
der Hauptthatsachen, synchronistische Tabellen, Lektüre 
guter neuerer Historiker. Als Hilfsmittel empfahl er ein 
gut geleitetes Zeitungslesen, und durch praktische Lehr- 
bücher vertrat er seine Methode. Nur historische Hilfs- 
wissenschaften waren ihm die Litterärgeschichte und die 
Geographie (nach J. Fr. Becmann's Historia orbis terra- 
rum geographica et civilis 1673), bei der er stets von der 
Landkarte ausging. Dazu gesellte sich die Politik (Staats- 
wissenschaft). Auch die Ethik als doctrina juris naturalis 
und philosophiae naturalis versuchte er in Wort und 
Schrift seinen Schülern nahe zu bringen. ^^^ Gern sah er es 
auch, wenn sie sich selbst im Unterrichten in Privathäusem 
übten, wie er denn auch gelegentlich pädagogische Themen 
bearbeiten liefs. Aber das alles sollten doch nur »An- 
fangsgründe und Anregungen bleiben; das tiefere Studium 
der „Realien" war auch für Weise Sache der Universität. 
Endlich hielt er grofse Stücke auf die Einübung eines ge- 



Pädagogische Reformgedanken und Reformen. cc 

wandten Benehmens und die Ausbildung körperlicher 
Fertigkeiten, wie sie dem Weltmann unentbehrlich waren. ^^ 
Wie einseitig nun auch sein Bildungsideal gewesen 
sein mag, es war ein in sich völlig geschlossenes und 
folgerichtig durchgeführtes System. Streng griffen die 
Aufgaben der einzelnen Klassen ineinander, imd fest hielt 
er als das oberste Ziel: seine Schüler zur Universität vor- 
zubereiten. Alles ist der praktischen Oratorie, der latei- 
nischen wie der deutschen, untergeordnet, zu ihr führt die 
Lektüre, ihr dient die Logik, ihr die Realien. Es besteht 
wirklich eine innere Verwandtschaft des Bildungsideals 
dieser Zeit des Absolutismus und der höfischen Etikette mit 
dem der ciceronischen Zeit, denn in beiden Fällen ist es 
der weit- und sachkundige, formell gewandte Redner, 
der in jeder Situation das Treffende und Wirksame zu 
sagen weifs. 



Häusliches und Persönliches. 



Der deutsche Mann ist niemals ganz zu verstehen 
ohne einen Blick in seine Umgebung und sein Haus. So 
sehr Weise seiner Schule lebte, der ganze Mann tritt uns 
doch erst entgegen, wenn wir ihn in seinem stattlichen 
Rektoratshause, inmitten seiner Familie und Pensionäre, 
im Kreise seiner Freunde belauschen. 

Als er sein Amt in Zittau antrat, war er Witwer und 
Vater eines erst einjährigen Knaben. Sein eigener Vater 
Elias verschied wenige Monate nach seiner Emeritierung 
an den Folgen eines Schlagflusses am 13. April 1679, von 
den Seinigen umgeben, nachdem er am 28. März zum 
letztenmale die Schule betreten hatte, um der Gedächtnis- 
rede auf seinen Schwiegersohn, den verstorbenen Rektor 
Vogel beizuwohnen, und noch in den Osterfeiertagen die 
Kirche besucht hatte. Seine Witwe zog in das Haus 
ihres jüngeren Sohnes Johann Georg, des Pfarrers im 
nahen Waltersdorf, folgte aber dem Gatten schon am 
14. Dezember 1679 im Tode.^®^ Schon vorher hatte der 
vereinsamte älteste Sohn am 1 9. Juni eine zweite Ehe ge- 
schlossen mit Anna Regina Nesen, der Tochter des da- 
maligen Stadtrichters Gottfried Nesen, und war damit in 
eine der angesehensten Familien der Stadt eingetreten, 
die, ursprünglich aus dem Rheinlande stammend, erst 1533 
mit Konrad Nesen nach Zittau gekommen war und mit 



Häusliches und Persönliches. 



57 



besonderem Stolze sich erinnerte, dafs beide Brüder Nesen, 
Konrad und der früh verstorbene Wilhelm, zu den Freunden 
Luther's und Melanchthon's gehört hatten. Zur Hochzeits- 
feier gewährte Weise seiner Schule drei Tage Ferien und 
mufste selbstverständlich eine Flut von Gratulations- 
gedichten über sich ergehen lassen. ^^® Mit den Ver- 
wandten seiner Frau stand er stets im besten Verhältnis, 
und er gelangte zu behaglichem Wohlstande, als ihr aus 
der Erbschaft ihres Vaters 1694 das stattliche Haus der 
Familie, ganz in der Nähe des Gymnasiums, zufiel. ^^"^ In 
der zweiten Ehe fand er das zerstörte Glück, das er suchte, 
wieder. Zwar der Knabe, der ihm am 23. April 1680 ge- 
boren wurde, Christian Gottfried, starb schon am 2^. Juli, 
und von vier Kindern blieb ihm nur der letzte Sohn erster 
Ehe, Johann Elias,^^® aber herzliche Liebe verband ihn mit 
seiner Frau, und alle Fürsorge beider Eltern wandte sich 
dem einzigen überlebenden Kinde zu. Der Namenstag 
der Gattin (7. September) war stets ein Fest, und wenn 
er an einen Freund schrieb, dann glauben wir sie zu sehen, 
wie sie ihm über die Schulter blickt und ihm Grüfse an 
die befreundete Familie aufträgt. Auf der einzigen etwas 
weiteren Reise, die Weise unternahm (im Mai 1688 nach 
Leipzig) begleiteten ihn Frau und Sohn.^^^ Ihr Bild hat 
er gezeichnet, als er seinem Lieblingsschüler Gottfried 
Hoffmann, damals schon Rektor in Lauban, die Hochzeit 
in seinem eigenen Hause ausrichtete (i8. Februar 1698) 
und der „neuen Rektorin" mit seinen Glückwünschen die 
Mahnung mit auf den Weg gab, wie sie heiter und ge- 
lassen bleiben müsse, wenn der Gemahl einmal verdriefs- 
lich sei und „sich sauer stelle", wie sie für den Tisch 
pünktlich und reichlich zu sorgen habe, ohne ihre Mittel 
zu überschreiten, wie sie endlich zwischen dem Hausherrn 
und seinen Pensionären klug vermitteln und manches „ge- 
mächlich" schlichten möge, ohne dafs es vor ihn komme. 
Der Sohn war von zarter Konstitution und Gesundheit 



e8 Häusliches und Persönliclies. 

wie der Vater und mufste von anstrengenden körperlichen 
Übungen femgehalten werden; aber schon mit 7 Jahren 
schickten ihn die Eltern zu einem Tanzlehrer, damit er 
sich gut benehmen lerne, und zeitig begann der Vater 
ihn in deutscher und lateinischer Oratorie zu üben. Schon 
1686 gratulierte der Knabe dem Grofsvater zum aber- 
maligen Antritt des Stadtrichteramtes in deutschen Versen, 
und zu Ehren der Promotion Johann Hübner's aus Zittau, 
eines früheren Tischgenossen, 1691, verfertigte er eine latei- 
nische Elegie; doch meinte der Vater selbst, dafs er zu 
diesen Dingen keine besondere Begabung mitbringe. Als 
er im März 1697 die Universität Leipzig bezog, empfahl 
ihn der Vater mit zurückhaltender Freude an Adam 
Rechenberg und L. Ittig, seinen Paten, und er hatte die 
Genugthuung, dafs der Sohn schon am 25. Jimi 1698 unter 
Rechenberg's Vorsitz öffentlich disputierte. ^^^ 

Aber so klein die Familie, so grofs war der Haus- 
halt, den Frau Regina zu leiten hatte. Denn eine ganze 
Schar von „Haus- und Tischgenossen" und „Amanuenses" 
erfüllte die Wohnung des vielbeschäftigten und viel- 
gesuchten Rektors. Diese, wohl ärmere Schüler, unter- 
stützten ihn bei seinen schriftstellerischen Arbeiten und 
seinem ausgebreiteten Briefwechsel, bei dem er oft nur 
das Konzept schrieb, zuweilen auch diktierte. ^^^ Die 
„Tischgenossen" aber, zu denen auch der kleine Johann 
Elias schon 1687 gerechnet wurde (1681 z. B. 15, i. J. 1682 
21 und 24, 1683 19, von 1678 — 89 im ganzen 70), ge- 
hörten weit überwiegend adligen oder sonst vornehmen 
Familien an imd versäumten nicht, wenn einer aus ihrer 
Mitte Haus und Schule verliefs, als „bei Herrn Rektor 
Chr. Weise bisher treugewesene Tischgenossen" ihren 
Wünschen in Poesie oder Prosa, jedenfalls in einem statt- 
lichen Druckwerke Michael Hartmann's, Ausdruck zu geben. 
So unendlich viel Weise in Anspruch genommen war, er 
behielt doch jeden einzelnen im Auge, kannte jeden ge- 



Häusliches und Persönliches. 



59 



nau und arbeitete ebensowohl an ihrer wissenschaftlichen 
wie religiösen Förderung, bereitete sie daher allsonnabend- 
lich für die Sonntagspredigt vor und stand mit herzlicher 
Trauer an dem Sterbelager eines seiner Pflegebefohlenen, 
des jungen Hans von Kalckreut aus dem Schwiebuser 
Ländchen, der nach einer Krankheit von nur wenigen 
Tagen am 9. November 1689 in seinem Hause starb. ^^^ 

• 

Seine Verbindung mit einer der angesehensten Patri- 
zierfamilien Zittaus legte ihm nicht nur die Verpflichtung 
zu zahlreichen Gelegenheitsgedichten auf, sondern brachte 
ihm auch reiche gesellige Beziehungen, und so sehr er 
seinem Berufe lebte, er wollte sich ihnen keineswegs ganz 
versagen und war vermutlich mit der Vielseitigkeit seines 
Wissens, seiner Gewandtheit, seinem Witz und seiner 
ganzen Liebenswürdigkeit ein guter Gesellschafter. Erst 
in den letzten Jahren, als seine Gesundheit schwankte, zog 
er sich mehr zurück. Aber am liebsten war er immer 
doch zu Hause, inmitten der Seinen. ^^* Er pries sich 
glücklich, in dem „anmutigen Grün" seines Gartens unter 
den Fenstern seiner Prima mit seinen bald schattigen, bald 
offenen Gängen und seinen schönen Lilien im heifsesten 
Sommer Kühlung und ein rechtes Curifugium zu haben, 
wie es innerhalb der Stadt selten jemandem vergönnt sei, 
und er dachte, wenn er das Wachstum der Pflanzen dort 
beobachtete, an die ihm anvertraute „grünende Jugend", 
während ihn der Blick auf die nahe Kirche und ihre 
Grabmäler an seine dort beigesetzten Vorgänger und Ver- 
wandten erbaulich erinnerte. ^^* 

Nur sehr selten hat er Zittau verlassen, und stets war 
das ein grofses Unternehmen. Den „freundlichen und 
gelehrten Jesuiten" Bohuslaw Balbinus in Prag, mit dem 
er seit 1678 in besonders regem schriftlichen Verkehr 
stand, gedachte er schon im Frühjahr 1683, von seinem 
Schüler (und späteren Biographen) Samuel Grofser be- 
gleitet, in dem stattlichen Schlosse des Ordens Liebeschitz 



6o Häusliches und Persönliches. 

bei Auscha nordostlich von Leitmeritz an der grofsen 
Strafse Zittau-Leipa-Prag zu besuchen; aber an dem Tage 
vor der Abreise aus Zittau traf die Nachricht ein, dafs 
Balbinus vom Schlage getroffen und an der rechten Seite 
gelähmt worden sei, so dafs er reiseunfahig wurde und 
seine Briefe fortan diktieren mufste. Daher reiste Weise 
im Herbst 1684 mit seinem Jugendfreunde Gottlieb Fried- 
rich Seligmann nach Prag und überraschte unangemeldet 
den höchst erfreuten Balbinus im CoUegium Clementinum. ^^^ 
Eine besonders erfreuliche Reise war die nach Leipzig, 
die er auf Seligmann's dringende Einladung 1688 mit 
seinem „Schweife" (cauda), nämlich seiner „ganzen Fami- 
lie, Famulus und Dienstmädchen" mit eingeschlossen, 
unternahm. Nachdem das Gregoriusfest glücklich vorüber 
war, fuhr er am 3. Mai nach Dresden, wo er sich einige 
Tage aufhielt und traf am Ende der Woche in Leipzig 
ein. Von dort machte er einen kurzen Ausflug nach 
Weifsenfeis, war aber zur Hauptzeit der Messe wieder in 
Leipzig und freute sich mit seiner Frau sowohl der „Ge- 
nüsse" und des „Glanzes" der Handelsstadt, wie der herz- 
lichen Gastfreundschaft des Hauses Seligmann, dessen „aus 
vollen Gefafsen" ausgegossene Wohlthaten sie „unver- 
schämt" genug waren, „mit ruhiger Miene" zu ertragen, 
obwohl sie sich aufser stände fühlten, sie zu erwidern. 
Auch seine früheren Schüler liefsen es nicht an sich 
fehlen und brachten ihrem verehrten Lehrer eine Abend- 
musik mit einem Festgedicht, das wohl Gottfried Hoff- 
mann verfafst hatte. Am 2. Juni konnte Weise dem 
Freunde melden, dafs er mit den Seinen wohlbehalten 
wieder in Zittau eingetroffen sei.^^® Einen kürzeren Aus- 
flug unternahm er unter andern einmal 1695 nach Görlitz 
zu seinem Kollegen Funck, dem Rektor des dortigen Gym- 
nasiums. ^" Gelegentlich empfing er auch auswärtige 
Freunde in Zittau, so 1688 den Rektor Jachesius aus 
Stockholm, der vier vornehme junge Schweden durch 



Häusliches und Persönliches. 6l 

Deutschland nach Prag geleitete und dort Balbinus be- 
suchen wollte, 1695 den Rektor Johann Hübner aus Merse- 
burg, 1705 den Rektor Samuel Schmid aus Quedlinburg, 
zu dessen Ehren er die Patrone der Schule mit einem 
Frühstück in der Prima bewirtete. ^^^ Zuweilen klagt er 
wohl über die Abgelegenheit Zittaus, da es an „der Grenze 
Böhmens, also der Religion und der Wissenschaften" 
liege, von wo wenig oder nichts zu berichten sei (in hoc 
Bohemiae h. e. in religionis et bonarum litterarum ter- 
mino), weifs nicht, was in angulo nostro überhaupt vor- 
kommen könne, und fühlt gegenüber den Akademikern 
seine umbratilis condicio. ^^^ Aber das war gar nicht so 
ernst gemeint, und fort hat er von Zittau nie gewollt, 
obwohl er zu Ende 1687 oder Anfang 1688 einen Ruf 
nach auswärts (wohl nach Leipzig) erhielt, nicht nur, weil 
er auf seine Frau Rücksicht genommen haben wird, son- 
dem auch, weil er fühlte, dafs sein Ansehen in Zittau fest 
gegründet sei und er nicht wo anders von vom anfangen 
wollte, 120 

Vor allem: er stand von seinem „Winkel" aus doch 
mit aller Welt beständig in Verbindung. Da ging gewifs 
kein Zittauer Kaufmann nach Prag oder Leipzig oder 
wohin es sonst sein mochte, ohne Briefe Weise's mitzu- 
nehmen und Briefe anderer an ihn zurückzubringen; auch 
die neue landesherrliche Post wurde schon benutzt, wenn- 
gleich nicht ohne ein gewisses Mifstrauen, und regelmäfsig 
kamen die Büchersendungen aus Leipzig, die dann Weise 
etwa an Balbinus weiter besorgte. Mochte er zuweilen 
klagen, dafs diese tabellarii, wie er sie in ciceronischem 
Latein nennt, nicht immer pünktlich seien, im ganzen war 
doch der Verkehr zwar schwerfallig, aber sehr rege,^^^ 
und die uns in seltener Fülle erhaltene Korrespondenz 
Weise's gestattet dabei einen vollständigen Einblick. 
Denn wie er alle ihm beachtenswert erscheinenden Briefe 
anderer sorgfaltig sammelte, so trug er seine eigenen meist 



52 Häusliches und Persönliches. 

selbst mit seiner klaren, festen Schrift stets in sein Kon- 
zeptbuch ein. ^^^ Umfänglich genug mufste schon sein 
amtlicher und geschäftlicher Verkehr sein, nicht zum 
wenigsten der mit den Eltern seiner zahlreichen vor- 
nehmen Pensionäre. Nicht wenigen seiner zur Universität 
abgehenden Schüler stellte er eine Art von Zeugnis aus, 
das zugleich eine Empfehlung an hochgeneigte Gönner 
und Patrone und bei ärmeren Leuten wohl auch eine 
Bitte um Unterstützung enthielt. ^^^ Anderseits werden ihm 
auswärtige Schüler, die nach Zittau kommen wollen, em- 
pfohlen. Da kündigt ihm Jakob Gröfsner, damals Rektor 
der Schule in Alten -Dresden (der jetzigen Dreikönigs- 
schule) an, dafs einer seiner Schüler nach Zittau kommen 
wolle, um ad pedes superiorum magistrorum niederzu- 
sitzen (1680);^^ ein kurfürstlicher Hofbeamter in Dresden 
meldet zwei seiner kurländischen Landsleute an und bittet 
ihn, sie mit „guten hospitiis zu versehen" (1701);^^^ ein 
Kollege in Wismar empfiehlt den Sohn eines dortigen 
Ratsherrn (1699);^^® Adam Placotomus, Schulinspektor in 
Stolp, verwendet sich für einen jimgen Menschen auf 
Bitten seiner Vormünder (1689)^^'' u. dgl. m. Unange- 
nehmer ist es, wenn ein polnischer Edelmann Weise's Ver- 
mittelung anruft, um seinen Sohn, Weise's „Tischgenossen", 
aus der Schuldhaft zu befreien, in die er imverdienter- 
weise geraten sei (1702), oder wenn Weise, in solchen 
Fällen ebenso taktvoll als fest, einen vornehmen Herrn 
auffordern mufs, seinen Sohn von der Anstalt wegzuneh- 
men, da er sich ungebührlich betrage und nicht ge- 
horchen wolle, ^2® erfreulich, wenn ihm Valentin Alberti 
in Leipzig herzlich für alles dankt, was er für seine Söhne 
als Lehrer und Erzieher gethan habe (1692).^^^ Aber auch 
zu anderen Anliegen giebt der weitverbreitete Ruf des 
Zittauer Rektors und seiner Schule Veranlassung. Da 
bittet ihn Christian von Schwartzern, kgl. schwedischer 
Hof rat im Herzogtum Pommern zu Greifswald 1685, ihm 



Häusliches und Persönliches. 63 

auf mindestens vier Jahre ein capabel subjectum als 
Hauslehrer zu schicken, der seinen ältesten Sohn zur Uni- 
versität vorbereiten könne ;^^ oder ein französischer Sprach- 
meister, der in Görlitz nicht ausreichende Beschäftigung 
gefunden hat, bietet sich 1697 für das c616bre coUfege de 
Citau als Sprach- und Fechtlehrer an und wünscht 10 — 12 
Schüler durch ihn zu erhalten. Ein andermal (1703) mel- 
det sich zu gleichem Zwecke ein Student der Rechte aus 
Mömpelgard, der sich schon seit 1695, wie es scheint, 
weniger seines Studiums, als um des lieben Brotes willen 
der Information in Leipzig, Wittenberg und Jena be- 
flissen hat. ^^^ 

Aber mehr als solche geschäftliche Dinge nahm Weise 
der wissenschaftliche Briefwechsel mit Gelehrten in An- 
spruch, eine Folge seiner ausgebreiteten schriftstellerischen 
Thätigkeit. Obenan steht da der verdiente thüringische 
Historiker Kaspar Sagittarius in Jena (f 1694), von dem 
aus den Jahren 1675 — 1693 im ganzen 53 Briefe vorliegen; 
dann folgt der gelehrte Jesuit Bohuslaw Balbinus in Prag 
mit 49 Briefen aus einem einzigen Jahrzehnt, bis an seinen 
Tod (1678 — 1688). Auch mit seinen Altersgenossen, dem 
Theologen Johann Gottfried Neumann in Wittenberg und 
mit seinem alten Lehrer Rechenberg in Leipzig stand 
Weise in sehr regem Verkehr, wie dieser überhaupt am 
regsten ohne Zweifel mit Leipziger Gelehrten, F. B. Carp- 
zow, Burkard und Otto Mencke u. a. war, schon weil er sich 
eifrig an dessen Acta eruditorum, der ersten wissenschaft- 
lichen Zeitschrift Deutschlands seit 1682, beteiligte, deren 
Monatshefte er regelmäfsig an Balbinus nach Prag be- 
sorgte. ^^^ So kam es, dafs er an der reichen geistigen 
Bewegung der Zeit ebenso sehr teilnahm, wie er den poli- 
tischen Vorgängen das allerlebhafteste Interesse widmete, 
und in seiner Weise ein guter Patriot, ein Feind des 
französischen Übergewichts in Sitte und Sprache war.^^^ 
Wie er von jeher sich für Hugo Grotius, den Vater des 



64 Häusliches und Persönliches. 

Naturrechts interessierte und dessen Briefe über den armi- 
nianischen Streit (allerdings mehr als Musterbeispiele) 
1687 eifrig las, so verfolgte er auch aufmerksam den 
Kampf des grofsen Publicisten und Naturrechtslehrers 
Samuel Pufendorf mit den Theologen von Jena. Schon 
1676 schreibt ihm sein Freund Gottfried Klinger aus Jena 
mit Ausdrücken der Sympathie über Pufendorf 's Epistola 
ad amicos per Germaniam, dann wieder 1677 über die 
Wirkung des Kampfes in Jena und seine eigne Stellung 
dazu/^ und Weise selbst spricht 1687 gegenüber Mencke 
die Hoffnung aus, dafs Pufendorf, nunmehr (durch die Be- 
rufung nach Berlin) „dem Vaterlande zurückgegeben", seine 
frühere Schärfe den Deutschen gegenüber mildern werde. ^^^ 
Tiefer berührten ihn aber doch wohl die religiösen 
Fragen, die interkonfessionellen Unionsversuche und das 
Aufsteigen dcis Pietismus. Zwar lehnte er eine thätige 
Teilnahme an kirchlichen Streitigkeiten immer ab, wollte 
nur spectatorem fabulae agere und hielt sich an das Wort 
Christi: Selig sind die Friedfertigen.^*® Aber er war 
nichts weniger als gleichgiltig, sondern nahm einen ganz 
bestimmten Standpunkt ein. Gegen den Jesuiten Friedrich 
Pable in Prag spricht er einmal den Grundsatz aus, der 
an Lessing's Nathan erinnert: quicunque habet effectum 
verae ecclesiae, is pertinet ad veram ecclesiam. Die Ge- 
sinnung, das innere religiöse Leben also ist ihm das Ent- 
scheidende, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten 
Konfession.^*'' Über kirchliche Streitigkeiten hat nicht 
der einzelne zu entscheiden, sondern die zuständige Kir- 
chengewalt.. Die „Streittheologie" ist ihm widerwärtig 
und nicht im Sinne Luther's. So verkehrt er unbefangen 
und freundschaftlich mit Katholiken, sogar mit Jesuiten, 
und er meint, die gegenseitige Verketzerung beruhe nur 
auf Unkenntnis der andern Kirche. Wie Spanier und 
Italiener wohl bezweifelten, dafs die Lutheraner Menschen 
seien, so hätten sich bei ihm einige Livländer, die aus 



Häusliches und Persönliches. 65 

Prag zurückgekehrt seien, darüber gewundert, dafs die 
Katholiken Ähnlichkeit mit Menschen hätten. Gleich- 
wohl hält er eine Vereinigung der Kirchen für unmöglich, 
für notwendig aber mutua tolerantia (1703),^^® und er 
bleibt in seiner eignen Überzeugung ein „strammer Luthe- 
raner (strenuus lutheranus)", (1699), beschäftigt sich daher 
1687 auch eingehend mit V. L. von Seckendorffs bahn- 
brechendem Commentarius de Lutheranismo^^*^ Freilich ist 
er Lutheraner keineswegs in dem Sinne, dafs er auf jedes 
'Wort Luther's schwört. „Selbst wetin wir Luther als 
einen gröfseren Lehrer anerkennten, als Augustinus", 
schreibt er 1699 an Pable, „so sind wir doch nicht ge- 
w^öhnt, an seinen Worten zu hängen oder uns von An- 
führungen solcher, die irgendwie zusammengebracht sind, 
bestimmen zu lassen, denn wir nehmen nichts bei Luther 
an, als was mit der heiligen Schrift übereinstimmt".^*^ 
Daher erklärt es sich auch, dafs er dem Pietismus gegen- 
über sich ablehnend verhält, er ist ihm teils imgesunde 
Mystik, teils hochmütiger Pharisäismus. In dem „Erz- 
pietisten", der gern ein neuer Luther oder Elias sein wolle, 
sieht er in allen Stücken das gerade Gegenteil Luther's, 
was er in einer sehr scharfen Vergleichung ausführt; so- 
weit die Mystik berechtigt sei, habe sie Luther in seinen 
Liedern und Predigten vertreten, und nur den will er als 
wahren Mystiker anerkennen, „der im Geist und in der 
Wahrheit zu Gott beten kann".**^ 

Wenn er nun aber theologischen Streitigkeiten fem 
bleiben wollte, so fühlte er doch beständig, dafs er in 
einem grofsen Kampfe mitteninne stand, in dem Kampfe 
um die Ausbreitung seiner Methode. Er wufste sehr wohl, 
dafs er ein Neuerer sei, ein Feind der „Scholastik", und 
er war stolz darauf, es zu sein. Denn die „Methodus 
Weisiana", wie sie seine Gegner „spöttisch" nannten, 
war ihm die „natürliche" (naturalis), und seine Anhänger 
nannten sich gern mit Selbstgefühl „Weisianer", obwohl 

Kaemmel, Festschrift. 5 



66 Häusliches und Persönliches. 

er das eigentlich nicht gern sah.^*^ Weithin durch ganz 
Norddeutschland trugen seine Anhänger und Schüler seine 
Methode, noch weiter seine Schriften. Im nahen Görlitz 
vertraten sie nacheinander Christian- Funck (f 1695) und 
Samuel Grofser, später Weise's Biograph, in Lauban Gott- 
fried HofFmann, sein Lieblingsschüler und Nachfolger in 
Zittau, in Cottbus Martin Busse, in Merseburg Johannes 
Hübner, in Quedlinburg Samuel Schmid, der im Hause 
des Vaters Elias erzogen worden war und auf der Rück- 
reise von Zittau 1*705 starb, in Schleusingen Gottfried 
Ludovici, den Weise als einen Rektor nach seinem Herzen 
rühmt. ^*^ Wie anregend gelegentlich seine Lehrbücher 
wirkten, zeigt sich, wenn etwa Gottlob Lindner, der Kon- 
rektor in Kamenz, sich besonders wegen der Tabulae 
chronologicae als seinen Schüler in der neueren Geschichte 
bekennt (1696), oder wenn Gabriel Woltersdorf, der in 
Kyritz mit seinem Konrektor allein eine dürftige Trivial- 
schule schlecht und recht regierte, und schon bisher seine 
märkischen Jungen nach Weise's Politischem Redner unter- 
richtet hat, ihn um die Übersendung derjenigen Schriften 
bittet, die er noch nicht besitzt (1685).^** Seine Institu- 
tiones oratoriae waren z. B. in Annaberg schon 1683, 
seine Logica ebendort seit 1700 im Gebrauch, ^*^ das erst- 
genannte Lehrbuch seit 1704 auch in Tilsit u. dgl. m. ^*® 
Selbst auf Universitäten fand die Methodus Weisiana 
schon 1686 Eingang.^*'' Nicht minder machten seine Schul- 
komödien ihren Weg. In Görlitz wurde 1690 (unter Funck) 
der keusche Joseph, 1692 Jephtha's Tochtermord, 1693 
Isaak's Opferung, Biron's Fall und Naboth's Weinberg, 1694 
der von Saul verfolgte David und die doppelte Heirat 
Jakob's aufgeführt, also nicht in der Verbindung, in der 
Weise seine Stücke darzubieten pflegte, ^^^ in Cottbus 
1686 einmal der „bäuerliche Macchiavellus". ^^^ In Schleu- 
singen war Ludovici besonders eifrig; er veranstaltete fast 
alljährlich Vorstellungen und bat noch 1702 um eine Ab- 



Häusliches und Persönliches. 67 

Schrift des Nebukadnezar, den Weise schon 1684 gebracht 
hatte ;^^ im Chemnitzer Lyceum gingen Weise'sche Stücke 
noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts über die Bühne. ^^^ 
An heftigem Widerspruch fehlte es dabei ebenso- 
wenig, wie an stumpfer Trägheit, die von dem alten 
Schlendrian nicht loskam. Beweglich klagt jener Wol- 
tersdorf in seinem kleinen Kyritz über die Rektoren in 
der Nachbarschaft, ^^^ und nicht allein stand jener Rek- 
tor Vockerodt in Gotha (der fanaticus Gothanus), der 
Weise als Verderber der Jugend anklagte. ^^* Martin 
Busse, der in Cottbus seit sechs Jahren Weise's Interpreta- 
tions- und Imitationsmethode befolgte, hatte 1686 über hef- 
tige Angriffe und sogar das Einschreiten seines Inspektors 
zu klagen, ja schliefslich wurde sogar sein Glaube ver- 
dächtigt. ^^ Dergleichen berührte freilich Weise gar nicht ; 
solchen „kindischen Urteilen" halte seine Methode stand, und 
wer „Sudeleien" derart (maculatas huius generis Chartas) 
wie die Gothaischen lese, der wisse sie entweder richtig 
zu beurteilen oder wolle nichts Besseres lernen. ^^^ Mehr 
Angriffspunkte boten unstreitig Weise's Schulkomödien, 
nicht sowohl ästhetischer, als moralischer Art. Viel aus- 
zustehen hatte deshalb Ludovici in Schleusingen. Die 
dortigen Zionswächter eiferten, dafs dergleichen wider die 
heilige Schrift sei und die Jugend zu vertraulichem Ver- 
kehr mit Mädchen verleite, und obwohl das Henneber- 
gische Konsistorium es verständigerweise ablehnte, die 
Aufführungen zu verbieten, so mufste er es doch erleben, 
dafs zu Pfingsten von der Kanzel herab die „Doktorfrage" 
(magistralis quaestio) erörtert wurde:, „Ob einer mit gutem 
Gewissen könne einen Pickelhering (Hanswurst) agieren", 
was der Prediger selbstverständlich verneinte, „weil er 
also nicht ein Exempel des heiligen Geistes" sei. ^^^ Weise's 
Geistesfreiheit ging auch über solche Comoediarum osores 
mit Seelenruhe hinweg, denn wozu diene die Anlage der 
Menschen zum Scherz (ad iocandum), wenn nicht etwas 

5* 



68 Häusliches und Persönliches. 

ZU Grunde läge, was man auch bei einem Christen loben 
könne, und er fühlt sich im schärfsten Gegensatz zu den 
„Marktläufem und Erznarren", die irni Geld spielen und 
deren Excesse allerdings ehrbaren Ohren und Augen 
nicht gefallen können. Spöttisch fügt er hinzu, vielleicht 
fürchteten jene „Misanthropen", dafs sie nach Verdienst 
das freiere Urteil der Bühne zu befahren hätten. ^^^ 

Im glücklichen Gefühl einer erfolgreichen und viel- 
seitig anerkannten Wirksamkeit, umgeben von einem 
weiten Familienkreise, dem der Sohn im Januar 1706 auch 
eine Schwiegertochter (Johanna Dorothee Thum) zuführte, 
fühlte Weise doch zeitig das Nahen des Alters. Schon 
zu Anfang d. J. 1700 war er einmal schwer erkrankt und 
erholte sich nur langsam, klagte namentlich über unbe- 
zwingliche Schlafsucht mitten am Tage und über Augen- 
schwäche, blieb aber geistig frisch wie sonst. Die Voll- 
endung des 60. Lebensjahres erschien ihm als Eintritt in 
das Greisenalter, und mit dem Gefühl, einen entscheiden- 
den Wendepunkt zu überschreiten, verlebte er das „Stufen- 
jahr" (annus climactericus), das 63. (1705). Damals 
schrieb er wenige Wochen vor seinem 63. Geburtstage, 
am 14. März, an seinen treuen Ludovici in Schleusingen 
einen langen Brief voll ruhiger, gottergebener Resignation 
eines mit dem Leben innerlich abschliefsenden Mannes 
(satis vixi) und gab darin sein pädagogisches Testament, 
das noch einmal das Streben eines ganzen langen Lehrer- 
lebens in schönen Worten zusammenfafste. Gesellig zog 
er sich seitdem immer mehr zurück. ^^® Trotzdem verfiel 
er sichtlich. Augen und Hand begannen zu versagen, er 
mufste seine Briefe diktieren, und obwohl sich die Augen 
durch den Gebrauch eines Augenwassers wieder kräftig- 
ten, so war das doch vorübergehend. Allmählich stellten 
sich Schwäche der Füfse, Atemnot und schlaflose Nächte, 
die Symptome der Wassersucht, ein.^^^ Trotzdem erfüllte 
er seine Pflicht wie immer. Noch am 7. Juni 1708 feierte 



Häusliches und Persönliches. 5q 

er das Dankfest zur Erinnerung an den furchtbaren Brand 
von 1608 und schrieb dazu einen „Grufs des Gymnasiums 
an das Rathaus". Am i. Juli liefs er seine 120. Bufsode 
erscheinen, am 2^. August veranstaltete er seinen letzten 
Küraktus. Doch zu gewissenhaft, um länger ein Amt 
beibehalten zu wollen, das er nicht mehr ausfüllen konnte, 
bat er im Herbst 1708 um seine Emeritierung und schlug 
seinen Schüler Gottfried Hoffmann in Lauban als Nach- 
folger vor. Voll Schmerz über diesen Entschlufs und 
den zunehmenden Kjäfteverfall schrieb ihm Neumann aus 
Wittenberg noch am 5. Oktober einen Abschiedsbrief, 
und an diesen treuen Freund richtete Weise am 12. Okto- 
ber seinen letzten Brief, mit dem klaren Bewufstsein, dafs 
es mit ihm zu Ende gehe. Seitdem beschäftigte er sich 
viel mit seinem Tode. Er sah im Traume seine beiden 
Eltern, die ihn zu sich riefen, und diktierte noch wenige 
Tage vor dem Tode eine korrekte sapphische Ode voll 
glaubensvoller Zuversicht auf seinen Heiland. So ist er 
am 21. Oktober 1708, im Amte, noch ehe Hoffmann ein- 
getroffen war, umgeben von den Seinigen, verschieden, 
nachdem er mehr als dreifsig Jahre seines Rektorats ge- 
waltet hatte. ^^ In der Johanniskirche, die er täglich vor 
Augen gehabt, wurde er mit grofsem Gepränge unter 
einem stattlichen Epitaphium beigesetzt. Das beste Glück 
des Schulmanns, die dankbare Verehrung seiner Schüler 
zu geniefsen und in ihnen fortzuleben, war ihm im reich- 
sten Mafse zuteil geworden. 



-«»■ 



Anmerkungen. 



1 Ich habe diese Gedanken vor kurzem schon einmal behandelt in 
meiner Begrüfsungsrede zum Nicolaitanerfest am 22. Mai d. J. (abgedruckt 
in den Gedenkblättem zur Erinnerung an das Nicolaitanerfest, Leipzig, 
Grunow 1897). Vgl. im übrigen Paulsen, Geschichte des gelehrten Unter- 
richts I*, 481 ff. 

2 Die grundlegende Arbeit über die Verfassungsgeschichte der Ober- 
lausitz ist H. Knothe, Urkundliche Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte 
der Oberlausitz, im Lausitzischen Magazin, Bd. 53 (1877). Vgl. dazu meinen 
Johannes Hafs, in derselben Zeitschrift, Bd. 50 (1874). 

3 Chr. A. Pescheck, Handbuch der Geschichte von Zittau, I, 449 ff. 
Über das Gewerbe s. H. Knothe, Geschichte des Tuchmacherhandwerks in 
der Oberlausitz, Lausitz. Magazin, Bd. 58 (1882), und G. Korscheit, Bei- 
träge zur Geschichte der Oberlausitzer Leinenindustrie zur Zeit ihrer Blüte, 
a. a. O., Bd. 62 (1888). Vgl. Pescheck, Die böhmischen Exulanten in 
Sachsen, 72. 

4 Vgl. Chr. Weise, Vita EHae Weisii, Zittau 1679, und seinen aus- 
führlichen Brief an seinen Jugendfreund Christoph Keyser (Caesar) in Mei- 
ningen, vom 18. April 1679, dem Begräbnistage des Vaters, in seinen Epi- 
stolae selectiores 26 ff. (Bautzen 17 15). Einzelne Bemerkungen giebt der 
Sohn auch in kleineren Schriften: Oratio de felicitate emeritorum 1679 — de 
gymnasii rectore 1678, de ortu et progressu scholarum per Lusatiam supe- 
riorem 1686. — Chr. Weise an Christoph Keyser Epp. sei. 35: Ad tuam — 
conscientiam provoco qui mihi studiorum datus socius memineris adhuc, 
quanto conatu nos subinde vellet cemere doctiores. Ipsum prandium, ipsa 
coena, ipsa feriarum otia nostris patebant usibus. — lam repetendis con- 
cionibus, narrandis historiis, proferendis complimentorum — formulis, tentandis 
declamationibus , eliciendis carminibus, uno verbo, exercitis ad vitam potius, 
quam ad obscuram scholam factis, ab otio vocabat animos. — Vita 7: Sae- 
pius confessus est, neminem ad nuptias et choreas laetiorem animum posse 
afferre quam iucundus tunc fuisset in scholam ingressus; inde primam suae 
functionis horam a sexta ad septimam docendo iussus consumere, horae tan- 
dem nonae sonitu percepit, citius sibi quartam diel partem efHuxisse, quam 



Anmerkungen. n I 

e taedio laboris unius horae defectum sentire potnisset. 1 1 : A summo mane 
usque ad mediam noctem concatenata deprehendit negotia. — Über seine 
Verwaltung der Ratsbibliothek (in den noch jetzt benutzten Räumen an der 
Klosterkirche zu St. Peter und Paul) Vita 12 und Kneschke, Geschichte 
der Ratsbibliothek i8 fiF. 

5 Eine zusammenhängende, wenn auch keineswegs vollständige Lebens- 
beschreibung lieferten bald nach seinem Tode seine Schüler Gottfried 
Hoffmann in einem Programm von 1709 und Samuel Grofser, Rektor 
des Gymnasiums zu Görlitz: Vita Christiani Weisii, Leipzig 17 10. Über die 
Erziehungsweise des Vaters besonders S. 8 flf. und Erleuterter politischer 
Redner 700. Vgl. aufserdem Chr. Weise's Curieuse Gedanken von Versen, 
Einleitung und Teil II, S. 54. 

6 Über diese Zustände siehe <fie schöne Schilderung H. v. Treitschke's 
in seinem Samuel Pufendorf (Historische und politische Aufsätze IV), 207 fF. 
Über die studentischen Sitten, namentlich die Depositio und den Pennalis- 
mus, der in Leipzig erst 1661 wenigstens in seinen gröbsten Ausschreitungen 
durch kurfürstliches Mandat unterdrückt wurde, K. v. Raum er, Geschichte 
der Pädagogik IV *, 33 ff. 

7 Vorrede zu seinen Curieusen Gedanken von Versen und Teil H, 
S. 52. Grofser, Vita 157. 

8 Dafs er niemals Famulus war, betont er nachdrücklich in einem 
Briefe vom 22. November 1687: praesentibus nonnullis, qui scirent, semper 
a me abfuisse famulandi necessitatem. Epist. sei. S. 12 ff. 

9 Brief an den Jesuiten Bohuslaw Balbinus in Prag, 20. September 1681, 
Epist. selectiores S. 58: Hinc totos dies totas saepe noctes mihi abstulerunt 
Vestrates, Suaresius, Oviedo, Ariago et — Compton Anglo-Leodiensis — ut 
in speculativa quaestionum subtilitate sermonis aliquam scabritiem sectari 
inciperem. 

10 Über diese Professoren siehe die Artikel in der Allg. Deutschen 
Biographie. — Grofser, Vita 22 ff. Franckenstein heifst dort vir omnium 
iudicio noXixi%a>xatog. — Die zitierten Dissertationen sind in Leipzig ge- 
druckt. Auch Grofser, Vita 180 f. fuhrt sie an. Das ini^STQOv zur ersten 
(de sapientia) de diphthongis ae und oe recte coniunctim scriptis trug ihm in 
diesem zanksüchtigen Zeitalter einen heftigen Angriff des damaligen Rektors 
des Gymnasiums in Gera, Joh. Sebastian Mittemacht, ein, gegen den ihn so- 
gar seine Fakultät in Schutz nehmen mufste und der trotzdem noch 1672 
wieder aufgenommen wurde, als Mitternacht Oberhofprediger in Zeitz (seit 
1667) geworden war. Vgl. Grofser, a. a. O., Weise an Alberti in den Epp. 
sei. 14 f. A. D. B. 22, 34. 

11 Die Anekdote bei Zedier, Universallexikon, Bd. 54, S. 1060. 
Von Schertzer sagt Weise in einem Briefe an Balbinus vom 20. September 
1681 : Regnabat tum Scherzerus, philosophiae scholasticae fautor egregius, 
Epp. sei. S. 58. Vgl. A. D. B. 31, S. 13 ff. 

12 A. D. B. I, S. 687. Der Beiname bei Gödeke, Geschichte der 
deutschen Dichtung HI', S. 15. 



y 2 Anmerkungen. 

13 Grofser, Vita S. 29 fF. Weise, Vorrede zur Inslitutio oratoria. 
Eine poetische Huldigung legte Weise schon am 26. Juni 1667 der Herzogin 
Anna Sophia, „seiner gnädigsten Fürstin und Frauen", zu ihrem Namens- 
tage „in tiefster Demut und Unterthänigkeit" zu Füfsen. Siehe der grünen- 
den Jugend notwendige Gedanken S. 4 ff. 

14 S. besonders Henke, Georg Calixtus und seine Zeit (1833) S. 68 ff. 

15 Grofser, Vita S. 33. Dankschreiben Weise's an Conring, Amfurt, 
22. Juli 1670 und Coming' s Antwort in den Epp. sei. S. i f. und 339 f. Ein 
anderer Brief an ihn von Weifsenfeis 1671, a. a. O. S. 8. Über Schrader 
siehe G. Koldewey, Braunschweig, Schulordnungen II, S. LXXIf. und 
LXXXrV f. und A. D. B. 32, S. 422 ff. 

16 Grofser, Vita S. 33 ff. Brief Weise*s an Dubravius, Zittau 22. No- 
vember 1687, Epp. sei. S. 123: libris et omni eruditorum suppelectili 
destitutus e memoria quaedam de historia rerum proponebam generosis 
auditoribus. Ein Brief Weise*s an den Grafen Schulenburg, Weifsenfeis 
12. April 1671, s. a. a. O. S. 12 f. — Seinem alten Lehrer Jakob Thomasius 
meldete Weise die Berufung nach Weifsenfeis schon von dort aus 3. August 
1670, a. a. O. S. 2. Am 22. Juli erwähnt er gegenüber Conring die Sache 
nicht, aber seinen Abschiedsaktus hielt er nach der Einladung am 22. Juni 
1678, quo ipso die ante hos octo annos in Augusteum vocatus est. 

17 Sturm, Chronik der Stadt Weifsenfeis (1846) S. 313. Heyden- 
reich, Kirchen- und Schulchronik der Stadt und Ephorie Weifsenfeis (1840), 
S. 75. R. Rosalsky, Geschichte des akademischen Gymnasiums zu 
Weifsenfeis (Programm 1873) S. 14 ff. Paulsen a. a. O. I*, 566. Die Schule 
bestand bis 1784, s. Rosalsky 13. 

18 Sie hatte ihre eigene Gerichtsbarkeit erster Instanz bei Scholarchen und 
Rektor, ihr Karzer, ihren Pedell, eigene Finanzverwaltung und für sich als 
Korporation wie für ihre Mitglieder Freiheit von Steuern, Lasten und Diensten. 
Diploma priveligiorum vom 28. Oktober 1664 bei Rosalsky 20 f. Johann 
Brühl nennt sich stets „des Augustei Buchdrucker". Über die Geschichte 
dieser Buchdruckerei Rosalsky 15, A. 22. Die Schulgesetze bei Rosalsky 
21 ff. Beispiele von Gedichten zu Ehren des Fürstenhauses, die oft eine 
„Abendmusik" ankündigten oder begleiteten, geben die Notwendigen Ge- 
danken S. 4, 10, 12, 15, 22. Vgl. Erleuterter polit. Redner S. 648 ff., 646 f. 

19 Grofser, Vita S. 181 : alumnos suae fidei commissos tredecim disser- 
tationibus pubhce discussis exercuit. Die Ankündigung einer derselben 
lautet: De moralitate complimentorum in illustri ad Salam Augusteo praeside 
M. Christiano Weisio prof. publ. ad diem XVI. Julii MDLXXV solenniter 
disputabit Fridericus Katzsch, Halensis Saxo, philos. et 11. stud., gewidmet 
dem Landesherm, musarum Augustarum autori et nutritori, und gedruckt in 
Weifsenfeis literis Johannis Bruhlaei, illustr. August, typogr. — In jenen 
Huldigungsgedichten ist stets von „Studierenden" des Gymnasium Augusteum 
die Rede. Vgl. Rosalsky 23 ff. Die Schulordnung führt 13 Professuren 
auf, die aber zum Teil kombiniert waren: Theologie, Rechtswissenschaft, 
Medizin, Metaphysik, Mathematik (mit Geographie), Moralphilosophie (mit 



Anmerkungen. 72 

Politik), Logik, Rhetorik, Poesie, Geschichte, Hebräisch, Griechisch, Latei- 
nisch. — Rosalsky 23 fF. 

20 A. D. B. I, 80 fF. Grofser, Vita S. 39 f. Nach den Schulgesetzen 
behandelte der Professor der Rhetorik (Oratorie) die Institutiones Vossianae, 
las auserwählte Reden und die rhetorischen Schriften Cicero's, lehrte die 
Imitation Livianischer Reden und bereitete idoneos auditores ad exercitia 
oratoria publica vor; der Professor der Poesie erklärte im Anschlufs an die 
Giessensium poetica Abschnitte aus Virgil, Ovid und Martial, veranstaltete 
exercitia poetica . publica und leitete privatim ad feliciores in studio poetico 
progressus an. Rosalsky 24. 

21 Erleuterter polit." Redner, S. 648 f. 

22 Darüber später im Zusammenhange. 

23 Aus solchen sind die Beispiele in seinem Politischen Redner und 
die Notwendigen Gedanken gröfstenteils hervorgegangen. — Themen zu Dis- 
putationen waren z. B. de juribus principum Germaniae ( 2 Dissertationen 
1670 und 1671), de Macchiavello 1670, de fortuna politica 1674, de existi- 
matione principum 1675. Vgl. Grofser, Vita S. 41, 181 fF. 

24 Grofser, Vita S. 42. 

25 Vgl. dazu auch Grofser S. 45, 141, 158. Die Titel und meist 
vielfachen Auflagen dieser Schriften siehe bei Gödeke, Geschichte der 
deutschen Dichtung HI ^ § 194. •• 

26 S. Gödeke, a. a. O. S. 279, 280. Sie gaben, ebenfalls vielfach 
aufgelegt, den Anstofs zu einer ganzen Litteratur dieser Art. Vgl. H. Palm, 
Christian Weise (Breslau 1854) 19 ff. 

27 Mit H. Conring, Jacob Thomasius, Valentin Alberti, Friedrich 
Rappolt, Graf von der Schulenburg u. a. m., s. Epp. sei. Nr. i — 9. 

28 So hielt er 1674 die Eröffnungsrede de libertate studiosorum wegen 
neuer Schulgesetze, die das Mifsfallen der jungen Leute erregt hatten, 1675 
sogar de causis cur male audiat gymnasium, und in der Rede vom Jahre 1673 
klagt er beweglich über die studiosi noctivagi. Siehe Erleuterter politischer 
Redner S. 648 f. In der Abschiedsrede weist er den Vorwurf zurück : esse 
me adolescentibus mitiorem, inveniri apud me cuiusvis licentia,e patronum, 
ac si quis proficiat in literis, periculum esse, ne deficiat in moribus. An- 
griffe auf seine Methode: dolebamus quorundam iudicia praecipitari, antequam 
constaret actionum occultus scopus, magnumque vero solatium praestabit recte 
factorum conscientia, quam fortasse aliqui depraedicabunt, quibus per me 
innotuit Augustei nomen. Konflikte mit der Geistlichkeit deutet die Er- 
klärung an: magnis mihi sumptibus immeritam constitisse invidiam, quos 
decebat suo exemplo profiteri sin non sanctitatem, certe externum 
sanctitatis cultum. — De statista scholastico S. 19, 2, 3. 

29 Grofser, Vita 46 f. Lateinische Ode auf den Tod des zweiten 
Sohnes S, 49 ff. Deutsches Gedicht auf den Tod der Frau gedruckt bei 
Joh. Brühl in Weifsenfeis. Zitt. Stadt-Bibl. 

30 Mit seiner Zittauer Antrittsrede zusammen gedruckt Zittau 1678. 
Zitt. Stadt-Bibl. 



7 A Anmerkungen. 

31 Zitt. Stadt-Bibl. 

32 Zitt. Stadt-Bibl. — Über Gueinz, der während des dreifsigj ährigen 
Krieges seine Schule tapfer zusammenhielt, siehe A. D. B. 10, 89 fF. 

33 Über die Schulgebäude Pescheck I, 152 f. und Th. Gärtner, 
Die Zittauer Schule bis zur Gründung des Gymnasiums (in der Festschrift 
von 1886) 17 ff. Im Programm des Aktus zur Ratskür 1692 (Zitt. Stadt- 
Bibl.) rühmt Weise, primarium gymnasii auditorum fenestris utrimque dispo- 
sitis ita situm, ut quatuor principales turres (St. Johannis, Klosterkirche, 
Rathaus, Bautznerthor) inde spectare liceat. Über seinen Garten siehe Pro- 
gramm zur Keimann'schen Gedächtnisrede von 1695, ^^^^* Stadt-Bibl. 

34 Pescheck I, 449. — Das Verzeichnis der „Patrone" der Schule 
bei Weise, de ortu et progressu scholarum per Lusatiam superiorem 1686 
führt 3 consules (davon einen regierenden und einen als Syndicus), 4 praetores 
(davon einen regierenden und einen emeritierten), i iudicii assessor, 2 scabini, 
7 senatores, 2 notarii, i actuarius auf und nennt die „Ratsfreunde" gar 
nicht, wohl weil diese Handwerker nicht als Patrone einer Gelehrten schule 
gelten konnten. 

35 Instruction und Articul, wie es ein erbar Rat der Stadt Zittau in 
ihrer Stadtschulen hinfüro will gehalten haben, 20. Juni 1694, abgedruckt 
bei Th. Gärtner, Die Zittauer Schule bis zur Gründung des Gymnasiums, 
S. 21 flf. — Ta nocQuantvccOTiTid. Praeparatoria doctrinae et disciplinae 
scholasticae de schola in urbe regia Zittavia — amplissimi senatus subsidio 
restauranda, autore M. Mel. Gerlachio — rectore designato, Budissinae 1602, 
vgl. dazu H. Kaemmel, M.Melchior Gerlach 11 (Zittau 1874). — Dem ersten 
Rektor des Gymnasiums, Mag. Caspar Janitius, sichert der Rat 1586 zu: 
100 Thaler, 6 Scheffel Korn, i Scheffel Salz, freie Wohnung, freies Holz 
und einen Anteil am Schulgelde, dem Konrektor 50 Thaler, „Salz und 
andere Verehrungen wie beim Rektor", Wohnung im Schulhause und Anteil 
am Schulgelde. Eine Lehrerbesoldungskasse bestand seit 1604. Die Ein- 
heimischen bezahlten seit 1606 überhaupt kein Schulgeld, wofür die Lehrer 
eine Pauschalsumme von 80 Schock Groschen aus jener Kasse erhielten. 
Die Auswärtigen zahlten vierteljährlich 6 Gr. pretiura (= Schulgeld) , unter 
Weise jährlich 2 Thaler. Siehe Pescheck I, 548, A. 2, 566 f. Gärtner 
a. a. O. S. 21, A. 3. Die „Deputate" haben bis in den Anfang der zweiten 
Hälfte unseres Jahrhunderts fortgedauert, die freie Wohnung auch für den 
Konrektor bis 1879. 

36 de felicitate emeritorum 1679: Habent scholae magistri inter alios 
osores Rhadamantos, quibus publice docentes in summa paupertate adhuc 
saginari videntur, quia non sunt pauperiores diumis operariis. — In der 
Rede de conscientia praeceptorum 1684 tadelt er die patroni, qui hominem 
nee templo nee foro idoneum scholae natum existimant. — Manchem Lehrer 
fehlt seculi remuneratio et praedicatio, qua deficiente praeceptores egeni et 
contempti sunt. Über Elias Weise's Pension Pescheck II, 533. Zänkereien 
zwischen den Lehrern: Vita Eliae Weisii 10: si de lucro esset certamen, de 
suo potius jure non pauca remittebat, quo minus morosas aliorum audiret 



Anmerkungen. n c 

querelas. Überhaupt wird seine kollegialische Gesinnung, die sich uns heute 
von selbst versteht, ihm ganz besonders zum Ruhme angerechnet. 

37 Weise, de statista scholastico 1678 findet es richtig: scholarum 
patronos vigilare quidem cura externa pro docentium ac discentium industria, 
non autem interna doctrinae consilia habere debere. 

38 H. Kaemmel, Rückblicke, S. 24 f. 

39 Grofser, Vita 72 fF. Die Rede und die Einladungsprogramme auf 
der Zitt. Stadt-Bibl. 

40 Zitt. Stadt-Bibl. 

41 Kaemmel, a. a. O. 

42 Über Mirus s. m. Artikel in der A. D. B. 21, 780 fiF. 

43 B. Carpzov, Analecta fastorum Zittaviensium (Zittau 1716) III, 
ii2fF. Von den 16 Kollegen stammte fast die Hälfte, 7, aus Zittau, 3 aus 
der Umgegend, je 2 aus Meifsen und Brandenburg, je i aus dem Vogtlande 
und aus Böhmen. 

44 Pescheck I, 153. Weise in der Dedicatio vor der Rede de gym- 
nasii rectore: Schola auditoriis multo nunc utitur splendidioribus detersusque 
dudum est squalor, per infelicem belli tumultus invectus. 

45 Darüber am ausführlichsten Weise's Schüler und Nachfolger Gott- 
fried Hoffmann (1708 — 171 2) im „Zittauischen Die cur hie und hoc age" 
(Zittau 1709) lOi ff. 

46 Weise im Anhange zur Rede de conscientia praeceptorum. In den 
einzelnen Klassen unterscheidet Hoffmann, a. a. O., fortwährend ältere und 
jüngere Schüler, und zweijährig blieb der Kursus in I, H und HI bis in die 
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. 

47 Weise a. a. O. und de ofticio tertii: Non deerunt pueri, quorum 
interesset, si vel quartae classi vel quintae adhuc adscriberentur, nisi vel de- 
formis statura, vel festinantissima parentum vota, vel consuetudo nescio in 
quam legem deducta suaderent, immo imperarent contraria. Proinde quum 
tolerari debeat quod omnino mutari non potest cet. 

48 Testimonium gratae mentis, quod Eliae Weisio exhibuerunt Classis 
secundae discipuli, Zitt. Stadt-Bibl. — Die 99 Primaner werden namentlich 
aufgeführt in einem Glückwunsch für die drei Scholarchen vom 27. Sep- 
tember 1696, Zitt. Stadt-Bibl., vgl. Didascophilus (Altraann), G. Hoffmann's 
Lebemsbeschreibung S. 792, vgl. auch Weise de ortu et progressu scholarum 
1686: dissimulari — non potest felix hie successus, ut multi et exten gym- 
nasium nostrum sedulo quaesiverint, ut quum aliquos timores sparsisset con- 
tagionis metus, centesimus adhuc constaret in mea classe auditorum numerus, 
ut nunc in sola Lipsiensium academia versari dicantur ultra quinquaginta 
Studiosi, paucis abhinc annis ex hac mea corte dimissi. Als 1700 ein grofser 
Brand Sorau verheert hatte, kamen viele Schüler von dort auch ijach Zittau, 
siehe Kühn, Nachrichten der Sorauischen Schule, S. 25. Im Todesjahre 
HofFmann*s (17 12) zählte die Prima sogar 126 Schüler. 

49 H. Kaemmel, Rückblicke S. 25, 28. Pescheck I, 576. 

50 Im Die cur hie S. 44. 



•7 5 Anmerkungen. 

51 Pescheck, a. a. O. 

52 De statista scholastico (1678) : Politicorum haec est natura ut tole- 
rent, quod mutari nequit. In vetitum natura nititur, et vitia erunt, donec 
erunt homines. Connivendum ergo ad errores leviores. — Nihil jussi aut 
monui unquam, de cujus impletione per evidentissima argumenta despe- 
rarera. — De conscientia praeceptomm (1684): quos a parentibus ac- 
ceperunt rüdes stipites, multo rudiores caudices reddunt (sc. clamoribus, jur- 
giis, verberibus). 

53 Programm zur Ankündigung der Ferien 1679, Zitt. Stadt-Bibl. 

54 Nach der Schulordnung von 1594, s. Anm. 35. Die Einladung 
zum Examen publicum, Michaelis 1678, enthält einen vollständigen Stunden- 
plan für die drei oberen Klassen, um die Zuhörer zu orientieren; für die 
drei unteren giebt sie nur allgemeine Bemerkungen. 

55 ^S^- Schmid, Geschichte der Erziehung II, i, 429. 

56 S. den Stundenplan, A. 54. Aus persönlicher Erfahrung sei hier 
gestattet zu bemerken, dafs noch während meiner ganzen Schulzeit in Zittau 
(1854 — 1862) und darüber hinaus, der Unterricht im Sommer um 6, im 
Winter um 7 Uhr begann. 

57 Das ergiebt sich aus dem Stundenplan 1678/79, der hier zu Grunde 
gelegt ist, verglichen mit den Bemerkungen "Weise's in dem Anhange zur 
Rede de conscientia praeceptorum 1684, die eigentlich nur Veränderungen 
in der Wahl der Lektüre und der Lehrbücher zeigen. Auch der „Wol- 
meinende Vorschlag wegen der gesamten Schularbeit im Zittauischen Gym- 
nasio zu schuldigter Folge aufgesetzet von Christian Weisen Rect." 1690, 
6. Febr. (mscr. der Zitt. Stadt-Bibl.) weicht wenig ab. Die Schulordnung 
von 1602 (s. Anm. 35) ordnet den Religionsunterricht folgendermafsen : 
VI Katechismus (deutsch und lateinisch), V Bibellesen und Betstunden, 
IV latein. Katechismus, Sprüche aus den Evangelien, Sonntagsepisteln, 
III Evangelien und Psalmen, 11 Quaestiones aus Luther's Katechismus, die 
ältesten Glaubensbekenntnisse, Prudentius und Sedulius, I Wiederholung des 
Katechismus, Examen Philippi (Melanchthonis), Augsburgische Konfession, 
Disposition der gehörten Predigten. Das Lateinische begann mit Melanch- 
thonis Grammatik; in II wurden Eclogen VirgiPs, Elegien Ovid*s und Sprüche 
Salomonis gelesen, damit stilistische und poetische Übungen, auch zur Vor- 
bereitung für die Schulkomödie, getrieben, in I behandelte man ciceromische 
Reden und Terenz. Das Griechische knüpfte zuerst an die Abschrift der 
Sonntagsevangelien, dann auch an Crusius' Quaestiones etymologicae an und ging 
zur Lektüre der Evangelien, der Sprüche der 7 Weisen, äsopischer Fabeln, 
der aurea carmina des Pythagoras, von Stücken des Theognis und Phoky- 
lides, Homer's und Hesiod*s weiter und gelangte bis zu kürzeren Reden des 
Isokrates. Logik, Rechnen und Gesang gingen daneben her. Der Unterschied 
zwischen diesem Plane von 1602 und dem von 1678/79 ist also im einzelnen 
ziemlich erheblich. 

58 Pescheck I, 97. 

59 Wünschmann, 39. 



Anmerkungen. 7 n 

60 Gedanken bei dem Leichenbegängnis seines jüngsten Söhnchens, 
1680, Zitt. Stadt-Bibl. 

61 Gärtner, a. a. O., 19 f. A. D. B. 17, 343 ff. Die Leitung in 
der Kirche hatte seit 1681 ein besonderer Dirigent, Johann Krieger aus 
Nürnberg (geb. 1652), der frühere Kapellmeister des Herzogs Christian von 
Sachsen-Gotha in Eisenberg, der zu den besten Musikern seiner Zeit gehörte 
und eine ganze Reihe von Kompositionen hinterlassen hat (Zitt. Stadt-Bibl.), 
meist zu Texten Weise's. A. D. B. 17, 459 ff. 

62 S. im allg. Pescheck I, 575 ff. Die Programme auf der Zitt. 
Stadt-Bibl. 

63 Consuetudo multis abhinc annis recepta, denn das Gymnasium ist velut 
posteritatis et imprimis curiae plantarium, Programm zum Aktus 1683. — 
Die Programme zu allen diesen Aktus besitzt die Zitt. Stadt-Bibl. 

64 Darüber H. Eckstein im Zittau er Programm 1888, der auch das 
Programm von 1679 abdruckt, Th. Gärtner a. a. O. lO, Carpzov Fasti 
III, 106 und Pescheck I, 569. Im übrigen Zitt. Stadt-Bibl. 

65 Zitt. Stadt-Bibl. 

66 Über die Ursprünge des Zittauer Schultheaters Gärtner a. a. O. 20. — 
Ein Verzeichnis der Stücke Weise's, die teilweise nicht gedruckt oder auch 
ganz verloren sind, bei Gödeke III*, S. 278 ff. und Palm a. a. O., 33 f. 
Die jüngste Würdigung vom litteratur- geschichtlichen Standpunkte aus, die 
nicht Aufgabe dieser Darstellung ist, hat Erich Schmidt in der A. D. B. 
41, 525 ff. gegeben. Die Programme, Drucke und Handschriften auf der Zitt. 
Stadt-Bibl. Beispiele: 1679: Jephtha, der Fall des französischen Markgrafen 
.d'Ancre, der bäurische Macchiavellus. 1682: Jakob's Heirat (als „Schäferei"), 
der neapolitanische Hauptrebell Masaniello, die beschützte Unschuld. 1685: 
König Salomon, Prinzessin Ulvilda aus Dennemark, der träumende Bauer in 
Niederland. 1702: das fröhliche Wiedersehen Jakob's und Joseph's, der ver- 
folgte König Carolus [H. von England] auf dem Eichbaume, der curieuse 
Körbelmacher. 1704: Kain's Brudermord, das Exempel einer fatalischen 
Heirat zwischen Kaiser Theodosio II. und Fräulein Athenais, der geplagte 
und verfolgte, doch belohnte und getröstete politische Lückenbüfser. 

67 Carpzov III, 104. Pescheck i, 552, 573. — Chronicon Elger 
(mscr.). — Zitt. Stadt-Bibl. 

68 Zitt. Stadt-Bibl. 

69 Alle diese Programme auf der Zitt. Stadt-Bibl. 

70 Pescheck 11, 602 ff. 

71 Pescheck II, 619 f. 616. Schon zu Neujahr 1680 richtete das 
Kollegium einen Glückwunsch an den Rat, um die neuen Typen einzu- 
weihen, ein prachtvoll gedrucktes Doppelfolioblatt. 

72 S. Anm. 48. 

73 S. Bild auf der Zitt. Ratsbibliothek. Nachbildungen z. B. vor 
S. Grofser's Vita und der Epp. selectiores — Polit. Redner (2. Aufl.) S. 231. 
Einleitung zum Klugen Hofmeister, Abschnitt VI. — De conscientia prae- 
ceptorum 1679. — Epp. sei. S. 71 (1685): Quid in rebus scholasticis pro- 



n 3 Anmerkungen. 

fnerit vitae, si iuvenes futuri scilicet Romae vel in Graecia eloquentes in 
patriae negotiis obmutescant? S. 107 f. (1686): In omnibus agatur ut discens 
non tarn fiat eruditus, quam utilis, ac ea persequatur, quibus hoc seculo 
suum constet pretium. 

74 Wünschmann S. 37. 

75 Wünschmann 19 fF. Omnis praeceptor, omnis hypodidascalus 
[etwa Elementarlehrer] non hominibus servit sed deo, de conscientia 1684. 

76 Praeceptor non est praeceptor, qui parentis amore suos auditores non 
complectitur, a. a. O. 

77 Wünschmann 16 f. 

78 Disputatio politica de lingua latina 1689. 

79 I^e gymnasii rectore 107. 

80 De statista scholastico 15. 

81 De gymnasii rectore II. Andere Stellen bei Wünschmann 17 f. 

82 Programme der Zitt. Stadt-Bibl. 

83 Wünsch mann 4fF. Dies Ineinandergreifen der Fächer und Klassen- 
pensen betont Weise besonders auch im „Wolmeinenden Vorschlag". 

84 Seine Lehrbücher: Der grünenden Jugend selige Gedanken 1685; 
Eines treuen und christlichen Vaters selige Haus- und Schularbeit 1691 ; 
Ordentliche Fragen über die christliche Tugendlehre 1697; Gottergebene Ge- 
danken über die Tugendlehre 1703; Ordentliche Todes- 'und Sterbegedanken 
das ganze Jahr hindurch 1708 (aus den Sonnabendbetrachtungen entstanden); 
Gründlicher und ordentlicher Inhalt der Theologie 1709, ein Handbuch für 
Schüler, erst nach dem Tode des Verfassers erschienen. 

85 Vgl. den Stundenplan von 1678/79 und 1684. Weise selbst ver- 
stand Französisch und Italienisch. Bewerbungschreiben eines französischen 
Sprachmeisters, s. unten Anm. 131, Brief J. G. Neumann's an W. , Epp. 
sei. 419. Zuweilen ist Anrede und Unterschrifl seiner Briefe französisch. 
Unter andern gab der Chorpräfekt Joh. Kuhnau (s. A. D. B. 17, 344) jungen 
Edelleuten französische Stunde. 

86 HauptsteUe in der Disputatio politica de lingua lat. i68q. 

87 Das Vestibulum und die Janua sind Verbindungen von Grammatik, 
Übungsbuch und Vocabular nach den praktischen Gesichtspunkten des Orbis 
pictus, so dafs ein Weltbild entsteht. Siehe J. A. Comenii Didactica omnia 
(Amsterdam 1657), S. 142 fF., 213 fF. Programm zur Winckleriana, 29. Mai 
1681. Brief an Balbinus bei der Übersendung des Enchir. Epp. sei. 57. 
Einen ähnlichen Vorschlag, die Kosten zu tragen, macht W. dem Rat für 
eine Chrestomathie aus Cicero*s Briefen in dem Wolmeinenden Vorschlag, 1690. 

88 Darüber vor allem Disputatio politica und Wolmeinender Vorschlag. 
Vgl. auch Epp. sei. 185. Sein Lehrbuch darüber: Curieuse Gedanken von 
der Imitation, 1698, worin als Beispiel die Imitation von Plin. Epp. I, 3 
vorgeführt wird (Spec. III, § 34). 

89 Dazu Wünschmann 44 fF. Der Fortgang des Unterrichts nach 
G. HofFmann, Die cur hie 60 fF., der hier sicherlich im wesentlichen Weise's 
Methode folgt. . Über die Versifikation, „den galantesten Teil der Beredsam- 



Anmerkungen. *7q 

keit", Wünschmann 58 fF. — Von neueren lateinischen Dichtern empfiehlt er 
Lotichius, Melissus, Barclaius (Argennis), Grotius, Heinsius etc., Wolm einender 
Vorschlag. — Seine poetischen Chrestomathien: Bellaria juventutis, 1683 (eine 
Sammlung von versus memoriales aus alten und neueren Dichtern zur 
Einübung der Metrik und Prosodie ) , und der ehrbare und nützliche 
Ovidius, 1698. 

90 Dies im einzelnen nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst 
Wünschmann's. 

91 Sein Programm entwickelt er übersichtlich in dem Programm zur 
Ratskür, 1683 (Zitt. Stadt-BibL). Vgl. Weise in den Epp. sei. 91. 

92 Polit. Redner 219 fF. — Dazu s. Curieuse Gedanken von deutschen 
Briefen, 1691, und die Fortsetzung: Politische Nachricht von sorgfaltigen 
Briefen, 1693. 

93 Polit. Redner 888 fF., 910 f., 934 f., 944 fF. Oratorische CoUectaneen 
a. a. O. 955 fF. und Erleuterter polit. Redner 401 fF. 

94 Wünschmann 61 f. 

95 Vorrede zum Polit. Redner. 

96 Wolmeinender Vorschlag, 1690. — Wünschmann 37. 

97 Die Programme auf der Zitt. Stadt-Bibl. 

98 Schon Comenius setzte sein „Weltbild" stufenweise in theatralische 
Aufführungen um, im ganzen 7, s. Didactica 830 fF. Die Komplimentierkomödie 
siehe im Polit. Redner 294 fF. Programme der Zitt. Stadt-Bibl. Über die 
Aufführungen i. A. Weise im Programm zur Masciana 1685. Andere Äufse- 
rungen bei Palm a. a. O. 34 f. Eine Disputation über die Berechtigung der 
Schulkomödie in Form einer solchen schliefst mit dem Satze: Comoediae non 
sunt improbandae. Gegen die osores coraoediarura an J. G. Neumann, 27. April 
1704: Epp. sei. 264. 

99 De officio tertii 1679. Winckler'sches Programm von 1684 und 
1687: multa desunt grammatico vel critico, si nesciat logicam, multa logico, 
si expers sit oratoriae, multa oratori, si principalem disciplinam non excoluerit. 
Schriften: Doctrina logica 1680, Nucleus logicae 1691, ein Auszug aus 
jenem, auf den Wunsch eines Abiturienten herausgegeben, Curieuse Fragen 
über die Logica 1700. Die Themen in den Drey Ertznarren, S. 225 fF. 

100 Programme auf der Zitt. Stadt-Bibl. 

10 1 Winckler*sches Programm, 1687. Wolmeinender Vorschlag, Bl. 21. 
Ebenso G. HofFmann im Die cur hie S. 4. Vgl. O. Friedrich, Über die 
erste Einführung und allmähliche Erweiterung des mathematischen und natur- 
wissenschaftlichen Unterrichts am Gymnasium zu Zittau (Festschrift von 
1886), 28 f. 

102 Schulbericht von 1684. 

103 Darüber vor allem die Vorrede zum Klugen Hofmeister. Vgl. 
Wünschmann 74 fF. Schriften Weise's: Der kluge Hofmeister, 1675. De 
lectione novellarum 1676. Chronologische Tabellen (von Christi Geburt bis 
zur Reichsteilung), 1691. — Curieuse Gedanken von den Nouvellen oder 
Zeitungen, 1703. — Teutsche Staatsgeographie, 1686. Kurze Fragen aus der 



8o Anmerkungen. 

alten und neuen Geographie, 1693. — Compendium politicum, 1682. Nucleus 
politicae, 1691. Politische Fragen, 1698. 

104 Epp. sei. 107 f. Vgl. Wünschmann 83 ff. 

105 S. den ausführlichen Bericht Chr. Weise's an Christoph Keyser in 
Meiningen, geschrieben am Begräbnistage, 18. April. Epp. sei. 43 ff. 

106 Über beide Nesen s. m. Artikel in der A. D. B. 23, 437 ff. Die 
Familie starb 1793 mit dem Steuereinnehmer Christian Friedrich Nesen aus. Der 
schöne Glaspokal, den Luther s. Z. Konrad Nesen geschenkt hatte, befindet 
sich im Grünen Gewölbe zu Dresden. Die Gedichte auf der Zitt. Stadt-Bibl. 

107 Das Haus grenzte an den Ostflügel des Gymnasiums und wurde 
unmittelbar mit diesem verbunden, Weise schmückte den Vorsaal im ersten 
Stockwerk mit den Familienbildem der Nesen und denen seiner eignen 
Familie, indem er sich dabei der römischen Ahnenbilder erinnerte. Vgl. seine 
Briefe vom 24, Novbr. 1694 und 8. April 1695, mscr. I, Nr. 214, 233 
(vgl. Anm. 122). Dazu gratuliert ihm Johann Georg Neumann, Professor 
der Theologie in Wittenberg im März 1695; Cum — Chr. Weisius — anno 
MDCXIV mense Martio aedes Nesenianäs ipsi gymnasio contiguas ex nobi- 
lissimae coniugis haereditate possidendas sumeret — gratulatur J. G. Neu- 
mannus. — W. mufs es damals bezogen haben, denn: Die mihi, tam gran- 
des cur nunc concedis in aedes Amplaque tam patulo limine tecta subis? 

108 Trauergedicht „der gesambten und in der Ersten Ordnung befind- 
lichen Studierenden", ein zweites von der Tischgesellschaft. 

109 Brief an Balbinus, 7. Septbr. 1686, quem ob uxoris onomasma 
festum habeo, Epp. sei. 95. Grüfse a. a. O. 229, 238. Pscr. zu einem 
Briefe vom 28. Febr. 1693: Uxor mihi assistens dum epistola clauditur salu- 
tem adscribi iubet, mscr. I, Nr. 194 (s. Anm. 122). 

HO Epp. sei. S. 107 — 207 ff. Die Gedichte Zitt. Stadt-Bibl. Er 
disputierte de studio antiquitatis et novitatis ad Barclaji Argenid. III, c. 12. 

111 Weise in der Nachschrift zu den Theses rhet. de numero ora- 
torio, 1707. 

112 Zitt. Stadt-Bibl. Die Zahl 70 giebt Weise in einem Briefe vom 
12. Novbr. 1689 an einen Herrn von Burgsdorff, mscr. i, Nr. 156. Der 
jährliche Preis für einen vornehmen Pensionär, der seinen eignen Diener 
mitbrachte, stellte sich i. J. 1700 auf 103 Thlr. (wöchentliches „Kostgeld" 
I Thlr, 6 Gr., also 65 Thlr., häusliche Information 25 Thlr., Wäsche 5 Thlr., 
Holzgeld 6 Thlr., Schulgeld 2 Thlr., hatte er ein eignes Zimmer, etwas 
höher: Stube 10 Thlr., Holzgeld 10 Thlr.). Nicht mit berechnet waren dabei 
Bett, Licht und „Schlaftrunk", sowie der Unterhalt des Dieners, den Weise 
auf mindestens I Thlr. wöchentlich veranschlagte, s. Briefe, mscr. I, Nr. 335, 
348. Man sieht, er war ein guter Hauswirt. 

113 Epp. sei. 107: Ipse — concatenatis meis laboribus non sufficerem, 
nisi studiis academicis ac nobilissimo illi noviennio varias indulsissem recrea- 
tiones (1686) S. 258: Quin etiam ubi sensim abstrahor a conviviorum 
aliorumque congressuum ludicris, inter meos tarnen velut in convivio deli- 
ciari videor. 



f Anmerkungen. 8 1 

114 Parent. Keimanniana, 1695. 

115 Grofser, Vita 5 2 fF. Ganz falsch ist es, wenn Grofser als Ort der 
ersten geplanten Zusammenkunft Aussig a. d. Elbe ansetzt. Balbinus nennt 
den Ort Auscha und bestimmt die Lage aufserdem durch die Nennung des 
Ortes Libessicium, d. h. Liebeschitz, 2 Stunden von Leitmeritz, Epp. XIII 
und XV in der Ausgabe von A. Patera. Der Zeitpunkt der Zusammenkunft 
in Prag ergiebt sich aus der Bemerkung "Weise's in einem Briefe an Balbinus 
vom 17 Novbr. 1684: Saepe mihi gratulor vidisse Pragam et in ea Balbinum 
meum (mscr. i, Nr. 2). 

116 Epp. sei. 130 (Ankündigung des Besuchs und des Reiseplanes, 
17. April 1688). 132 (Mitteilung an J. G. Neumann in "Wittenberg, 21. April). 
Erfreuter Brief Seligmann's vom 29. April (mscr. 3, Nr. 138), ein zweiter 
nach der Abreise "Weise's, 31. Mai (mscr. 3, Nr, 139), dessen Meldung von 
der glücklichen Rückkehr, 2. Juni (mscr. i, Nr. 116). Dazu zwei Briefe von 
Balbinus vom li. April und 23. Juni 1688 (mscr. 3, Nr. 48 und 49). Von 
einer Reise nach Breslau spricht einmal Johann Georg Neumann, 8. Januar 
1682, Epp. sei. 399. 

117 Epp. sei. 259. 

118 Epp. sei. 131, 259, 253. 

119 Epp. sei. 132, 223, 195. Vgl. 186. 

120 An Balbinus, 30. Januar 1688: Nuper honesta conditione parum 
aberat, quin avellerer a mea Zittavia. Pensatis tamen argumentis mori in 
patria constitui — Qui autoritatem meam hie sentio stabilitam, novis et vere 
geminis laboribus novam alibi telam experirer inchoandam. Epp. sei. 126. 
Vgl. den Brief vom 5. Juli 1686, a. a. O. 92 f. 

121 Vgl. Epp. sei. 370, 198, 214, 221. 

122 Die Zittauer Ratsbibliothek bewahrt sie in 3 Bänden oder Fascikeln, 
nämlich i. in einem starken Quartband (mscr. bibl. Zitt. B. 44), die Briefe 
"Weise's aus den Jahren 1670 — 1674 (im ganzen 72) und 1682 — 1708 (457); 

2. in einem Fascikel die Epistolae quas varii variarum scholarum praeceptores 
ad "Weisium dederunt, von 1670 an, 87 Stücke (mscr. bibl. sen. Zitt. 71); 

3. Volumen epistolarum autographarum quas viri eruditissimi ac celeberrimi ad 
"Weisium exararunt, 447 Briefe, nach den 46 Korrespondenten geordnet 
(mscr. bibl. sen. Zitt. 70 fol.). Von diesen 1063 Briefen (529 von Weise, 
534 an "Weise), die noch keineswegs die ganze Korrespondenz darstellen, 
enthalten die Epistolae selectiores (Bautzen 171 5) nur eine kleine Auswahl 
(115 von Weise, loi an ihn); die 52 von Bohuslaw Balbinus hat Adolf 
Patera in den Sitzungsberichten der kgl. böhm. Ges. der Wiss. (1887) ver- 
öffentlicht (Dopisy Bohuslava Balbina ke Kristianu Weisovi z 1. 1678 — 1688). 
Ich citiere die nur handschriftlich erhaltenen Briefe nach den drei Samm- 
lungen mscr. I, 2, 3. 

123 Ein Beispiel für viele, bei dem man manches zwischen den Zeilen 
lesen mufs: Gottlob Christianus Scultetus, patre quondam ecclesiae in hac 
vicinia nostra ministro prognatus, octo abhinc annis nostro sese addixit 
gymnasio; nunc autem ad sublimiora progressurus studia tanto certius credidit 

Kaemmel, Festschrift. 6 



32 Anmerkungen. 

usui sibi fore publicum vitae ac industriae testimonium, quo minoribus ipse 
subsidiis defuncto parente videtur instructus. Neque denegare pium hoc 
officium potui, quippe nunquam aperto se delicto prostituit, nunquam inter 
ignaviores numerari meruit. Ingenium vero hie mihi cognitum est, ut, nisi 
studiis denegata fuerit occasio, non defutura sit proficiendi sive voluntas sive 
facultas. Quam ob rem si talem se praestiterit imposterum, qualem fore 
multis argumentis persuadeor^ omnes literarum patronos et fautores ut hunc 
clientem benignioribus respiciant oculis decenter rogo. Faxit deus, ne qua in 
parte tam bona spes decepta videatur. Scribebam e gymnasio Zitt. ipsis 
Calendis Febr. 1687 (mscr. i, Nr. 67). 

124 Mscr. 2, Nr. 4. Jakob Gröfsner (KröfsnerJ war Rektor der 
.Annenschule seit .1665, der jetzigen Dreikönigsschule, seit 1676, s. C. Z. 
Schramm, Geschichte der Annenschule in Dresden bis zu Ostern 1850 (Dres- 
den 1860), 13. 

125 Hermann Braunschweig, Oberinspektor des königl. und kurfiirstl. 
Ballhauses. Mscr. 2, Nr. 43. 

126 Der Konrektor Michael Frendius. Mscr. 2, Nr. 19, 20. 

127 Mscr. 2, Nr. 80. 

128 Bojanowski in Polnisch-Ellguth. Mscr. 2, Nr. 86. — Mscr. i, 
Nr. 131 (15. Oktober 1688). 

129 Epp. sei. 281 f. 

130 Mscr. 2, Nr. 84. 

131 Marc Etienne de Champagne. Mscr. 2, Nr. 49. J. N. Scharfen- 
stein, J. U. St. Mscr. 2, Nr. 86. 

132 Vgl. Epp. sei. 94 und bei Patera Nr. 13, 25, 34, 35, 37, 50. 

133 S. z. B. die Disposition zu einer Schulrede im Polit. Redner 14 f. 

134 Epp. sei. III f. — 133, 138, 390f. Über diese Dinge s. Treitschke, 
Aufsätze IV, 262 ff. 

135 An Menke, 22. November 1687: An Pufendorfius, Germaniae red- 
ditus, Germanis futurus sit benignior, multi forsan expectabunt» Mscr. i, Nr. 99. 

136 Epp. sei. 195, 215, 233, a. a. O. 217 (21. April 1699). 

137 a. a. O. 216. 

138 An Neumann, 27. April 1705, a. a. O. 263. 

139 So nennen ihn seine Schüler in Prag, 1699, a. a. O. 222. — An 
Otto Mencke, 9. Oktober 1687: Seckendorfii Commentarium avide lego, 
qualem adomare non potuit , nisi tantus esset. O. Mencke liefs fragen , si 
Lutheranismum Illustr. Seckendorfii ego vellem, «ive. commendare sive.excer- 
pere, an Mencke, 22. November 1687, s. Anm. 135. 

140 Epp. sei. 216 f. an Neumann: 184 f. 

141 a. a. O. Er fügt dem Briefe ein libellum für seinen Sohn bei 
scriptum cum ad S. S3maxin primum esset deducendus, ut cognoscas, ad 
inculcandam pietatem non opus esse consiliis pietistarum, vgl. 198 f. (1686) 
und 212; pietismum pharisaicum repudiamus (1698); 237 f. (1703). 

142 An G. Ludovici in Schleusingen, 1705. Epp. sei. 260, vgl. 268. 

143 S. die zahlreichen Briefe in den Epp. sei. Von Funck sind hand- 



Anmerkungen. fli 

schriftlich vorhanden 7 Briefe (1678 — 1691), von S. Grofser 18 (1692 — 170S), 
S. Schmid 26 (1673 — 1703), G. Ludovici 5 (1702 — 1706). Üb/ßr Göriitz, 
vgl. Schutt, Zur Geschichte der Schule (in der Ftstschrift von 1865), 11. tttid 
12. Abschnitt. 

144 Mscr. 2, Nr. 10. — Nr. 22, 23. 

145 Spiefs, Unterrichtsweise des Lyceums tu Annaberg 1533 — 1835, 
S. 12 f. 

146 Schneider, Geschichte der Provinzial- oder Fürstenschule in 
Tilsit (1853), 16. 

147 Weise an Balbinus, 23. Mai 1686: qui gymnasii sum rector, id iam 
obtinui, ut in academiis passim methodus, ut voc&nt, Weisiana nonnüllius 
pretii habeatur, Epp. sei. 87. 

148 Die Programme bei Frenzel, Rerum Lusat. Tom. ü. Schutt, 
a. a. O. 80. 

149 Mscr. 2, Nr. 69. 

150 S. die Briefe mscr. 3, Nr. 153, 155. 

151 Heeren, Biographische und litterarische Denkschriften 24. 

152 9. Juli 1685. Mscr. 2, Nr. 23. 

153 Brief Ludovici's. Mscr. 3, Nr. 156. 

154 Mscr. 2, Nr. 68 — 70. 

155 Epp. sei. 267 fF. (an Ludovici 1705). 

156 s. Anm. 150. 

157 Epp. sei. 266 (an Ludovici 1705). 

158 Epp. sei. 226 f., 229, 249 fF. 

159 Epp. sei. 269, 273, 276. 

160 Die beiden Briefe Epp. sei. 277 fF. Vgl. S. Grofser's Vita 84 ff. 



84 



Verteilung des Unterrichts im Winter iSjS/jg, 



Verteilung des Unterrichts 



1 


I 

1 


11 


111 


I. Weise, Chr. 


4 Religion 
4 Logik 
4 Oratorie 
3 Martial 


I Chrien 


1 

1 


2. Günther. 


3 Cicero 
2 Comel. Nep, 
2 Nov. Testam. 
I Hebräisch 


2 Religion 

2 lat. Grammatik 

I Chrien, 2 exercit. stili 

I Griechisch 


1 Versifik. 

2 Stil i 


3. Weise, Elias 

• 


I lat. Versifik. 
3 Virgü 


6 lat. Grammatik 

2 Terenz u. lat. Kxerc. 
I Versifik., i Repet. 

3 Griechisch 


3 gramm. Repet. 


4. Kratzer. 




3 Janua Comenii repet. 


6 Janua Comenii 
4 Caton. Dist. 
I Vorbereitung auf 
den Sonntag 


5. Krantz. 




2 Ovid u. Rhetorik 

* 


3 Usus grammat. 

1 Vademecum 
Finckii (Religion) 

2 griech. Elem. 
2 lat. Exerc. 

I Arithmetik 


6. Junge. 









7. Döring. 






8. Johne. 










27 


27 


26 


' 


ausschliefslich Musik. 


1 



Verteilung des Unterrichts im Winter i6']^l'j^, 

im Winter 1678/79. 



85 



IV 



2 Syntax. Enchir. 
2 Exercit. lat. 
I Versifik. lat. und 
deutsch 



Enchir., Vestib. 

Comenii. 
Katechism., Psalter, 
Finckii Vademecum 



VI 



Stundenzahl der 
Lehrer 



16 



19 



19 



+ 6 St. Musik 
Summa 20 



+ 6 St. Musik 
Summa 22. 



Relig. 

Lat. Elemente 



Lesen und 
Schreiben 



/ 



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K 



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