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Full text of "Christliche Kirchengeschichte"

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Kirchengeſchichte 


von 


Johann Matthias Schroͤckh, 


ordentlichem Lehrer der Geſchichte auf der Univerſitaͤt 
Wittenberg. 


Fünfter Theil. 


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Leipzig, 
bey Engelhart Benjamin Schwickert. 
1778. 


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Vorrede. 


S ch fange hiemit an, das Verſprechen zu erfuͤl⸗ 

len, welches ich in der Vorrede zum vierten 
Theile dieſer Geſchichte gethan hatte, jaͤhrlich einen 
neuen Theil derſelben herauszugeben: und ich hoffe 
damit, fo weit es in meiner Gewalt ſteht, ununter; 
brochen fortzufahren. 


Zwar erweitert ſich der Umfang des Werks wi⸗ 
der meine erſte Abſicht; aber doch nicht nach bloß 
willkuͤhrlichen Grundſaͤtzen, und am wenigſten durch 
die Begierde, ein Baͤndereiches Buch zu ſchreiben. 
Wie leicht es ſey, ſolche Buͤcher uͤber ein ſo fruchtbares 
Feld als die chriſtliche Kirchengeſchichte iſt, zu verfer⸗ 
tigen, und wie ſehr fie den meiſten Leſern zur Laſt 
fallen, das beweiſen mehrere Beiſpiele. Der Ent⸗ 
wurf allein, den ich mir bey dieſer Geſchichte vorge⸗ 
ſchrieben habe, beſtimmt die ausfuͤhrlichere oder kuͤr⸗ 
zere Vorſtellung der Begebenheiten. Daß alſo in 
dem gegenwaͤrtigen Theile bloß das Zeitalter Con⸗ 
ET 2 ſtan⸗ 


Vorrede. 


ſtantins des Groſſen vorkommt, wird niemand 
wundern, der ſowohl die Wichtigkeit deſſelben uͤber⸗ 
haupt im Verhaͤltniß auf alle folgende Zeitalter der 
chriſtlichen Kirche kennt; als zu beurtheilen weiß, 
wo ſich zweckmaͤßige Vollſtaͤndigkeit und Weit⸗ 
ſchweifigkeit von einander ſcheiden. Alles was zur 
letztern Art gehören ſollte, bin ich bereit, ſelbſt zu⸗ 
erſt auszuſtreichen. 


Da mich freundſchaftlicher Rath und eigene Er⸗ 
fahrung belehret haben, daß es zum Gebrauche des 
Werks am dienlichſten ſey, wenn jedem Theile 
ein beſonderes Regiſter beigefuͤgt wird: ſo habe ich 
den Anfang damit bey dieſem Theile gemacht. Ich 
werde auch ſelbſt das allgemeine Regiſter, das ich 
dem vierten Theile angehaͤngt habe, etwas reichhal⸗ 
tiger einzurichten ſuchen, wenn derſelbe eine neue Auf⸗ 
lage erleben ſollte. Wittenberg, am 20. Novem⸗ 
ber des Jahrs 1778. 


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Kitchengeſchichte. 


Fuͤnfter Theil. 


v. Theil. A 


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Zweyter Zeitraum 


der 
chriſtlichen Kirchengeſchichte 
von 
Conſtantin dem Großen 
bis auf 


Carln den Großen. 


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Jahrbuch 
des 
Zweyten Zeitraums. 


RU Pc einer Dauer von dreyhundert Jahren, be⸗ Nn. 
f kam endlich die chriſtliche Religion, die ſchon C. G. 
fo viele tauſend Anhänger in dem maͤchtigſten 

Reiche der Welt hatte, auch die voͤllige Herrſchaft in 
demſelben. Conſtantinus, der ihr dieſen Vorzug 
ſchenkte, folgte feinem Vater, dem Kayſer Conſtan- zo. 
tius Chlorus, zuerſt nur in dem Beſitze der abend⸗ 
laͤndiſchen Provinzen des Roͤmiſchen Reichs in Euro⸗ 

pa; da indeſſen Galerius und andere Fuͤrſten in dem 
übrigen weit groͤßern Theile deſſelben regierten. Aber 

bald erweiterte er ſein Gebiet, und erklaͤrte zugleich 
ſeine Neigung gegen das Chriſtenthum. Er glaubte, 
durch eine wunderbare Erſcheinung am Himmel zur 
Annehmung deſſelben küche ere zu werden. Gleich 317T. 

5 2 dar⸗ 


4 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


er darauf ertheilte er gemeinſchaftlich mit dem Kayſer 
% 5, Licinius den Chriſten eine völlige Religionsfrey⸗ 
312. heit im Reiche; nach und nach aber that er alles, was 


313. 


323. 


337. 


man von dem eifrigſten Mitgliede ihrer Parthey er— 
warten konnte. Er gab ihnen und ihren Lehrern in⸗ 
ſonderheit viele Rechte, Ehrenbezeigungen, Geſchenke 
und Einkuͤnfte, verwandte einen Theil feiner Schaͤtze 
auf die aͤußerliche Pracht ihres Gottesdienſtes, nahm 
den eifrigſten Antheil an ihren kirchlichen Angelegen⸗ 
heiten und Religionsſtreitigkeiten, fuͤhrte zuerſt unter 
ihnen allgemeine Kirchenverſammlungen ein; 
und ſtuͤrzte dagegen die Macht und den Wohlſtand 
der heidniſchen Religion, anfaͤnglich mit Behut⸗ 
ſamkeit, in der Folge auch gewaltſam um. Alles die— 
ſes that er am nachdruͤcklichſten und freyeſten, nach⸗ 
dem er durch die Geſangennehmung des Licinius, 
der einzige Herr des Roͤmiſchen Reichs geworden war. 
Auf der andern Seite gruͤndete er das po Anſehen 
und ſelbſt die richterliche Gewalt der Biſchoͤfe in 
Glaubens: auch ſogar in bürgerlichen Sachen; die un= 
ermeßlichen Reichthuͤmer der Kirche und der Geift- 
lichkeit; ingleichen die Gewaltthaͤtigkeiten des Ver⸗ 
folgungsgeiſtes gegen Irrende in der Religion. Der 
Aberglaube breitete ſich zu feiner Zeit zuerſt unauf- 
haltſam und in vielerley Geſtalten unter den Chriſten 
aus: und die Moͤnche, deren vornehmſtes Ober⸗ 
haupt Antonius war, bekamen eine feſtere Verfaf 
fung in den Morgenlaͤndern. Beyde beguͤnſtigte 
Conſtantinus ausnehmend, erhielt durch eine Men⸗ 
ge aͤußerlicher Merkmale ſeiner Liebe zur Religion, 
und Froͤmmigkeit, von den Chriſten den Ehrennahmen 
des Großen, und vollendete ſein Bekenntniß des 
Chriſtenthums durch die Taufe, die er kurz vor ſei⸗ 
nem Tode empfieng. | | 


Wah⸗ 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 5 


Waͤhrend ſeiner R tegier ung alfo ſtieg der blühende we, 
Zuſtand der Chriſten in vielen Stuͤcken ſehr hoch. 
Auch die Wiſſenſchaften und Kuͤnſte giengen mehr 
als jemals von den Heyden zu ihnen uͤber, und dienten 
ihnen, um ihre Religion zu ftärfen, und die heydni⸗ 
ſche zu beſtreiten. So nuͤtzte der gelehrteſte Mann 
unter den chriſtlichen Lehrern dieſer Zeit, Euſebius, 314. 
Biſchof von Caͤſarea in Palaͤſtina, ſeine Wiſſenſchaft 
zur Vertheidigung der Wahrheit des Chriſtenthums 
gegen Juden und Heyden; er erwarb ſich auch den 
Ruhm, der Vater der chriſtlichen Geſchichtbeſchreibung 
zu heiſſen. Gleichergeſtalt wandte Lactantius, ein 320. 
Lehrer der roͤmiſchen Beredſamkeit zu Nicomedien, 
dieſe Kunſt und ſeinen Scharfſinn dazu an, in Schrif— 
ten zu zeigen, wie weit die chriſtliche Religion der ab» 
goͤttiſchen vorzuziehen ſey. Athanaſius, Biſchof von 326. 
Alexandrien, that ſich beſonders durch ſeinen Eifer in 
der Widerlegung und Unterdruͤckung der ſogenannten 
Ketzereyen hervor. Andere chriſtliche Lehrer breiteten 
ihre Religion unter den Heyden, in und außerhalb 
den Graͤnzen des Roͤmiſchen Reichs aus, wie Ulphi⸗ 
las unter den Gothen, und verſchiedene bey den Ar—⸗ 
meniern, Iberiern und Aethiopiern. Zwar ver 
folgte Sapor, König von Perſien, die Chriſten in 330. 


ſeinem Reiche viele Jahre nach einander; ohne jedoch 


ihre Gemeine gänzlich auszurotten. 


Aber in dem Roͤmiſchen Reiche, wo ihr Hauptſitz 
war, artete gleichwohl zu Conſtantins Zeiten, ihre 
Religion und kirchliche Einrichtung, mitten unter al⸗ 
len aͤußerlichen Vortheilen, theils durch die ſchon ges 
nannten Veraͤnderungen, theils inſonderheit durch ihre 
theologiſchen Streitigkeiten, ſichtbar aus. Dieſe 
wurden mit einer immer groͤßern Hitze und Erbitte⸗ 
rung, zum Ungluͤck der bürgerlichen Geſellſchaft, ge: 

A 3 trieben; 


— 
E 


6 Zwehyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


trieben; geringfügige Uneinigkeiten brachen in ſtarke 


d.. 


und langdauernde Partheyen aus; man verwirrte den 
Glauben durch Spitzfindigkeiten und Gezaͤnke; bey dem 
allen aber wurden öfters die Ausſpruͤche und Kunſtwoͤr—⸗ 
ter angeſehener Lehrer den übrigen Chriſten als goͤttli— 
che Vorſchriften aufgedrungen. In den Haͤndeln, 
welche Meletius, Biſchof zu Hycopolis in Aegypten, 
veranlaßte, weil er von dem Biſchof zu Alexandrien, 
wegen gewiſſer Vergehungen, ſeines Amtes entſetzt 
worden war, ſah man ihn ſelbſt, eine Menge Biſchoͤfe 
und andere Chriſten ſich von den uͤbrigen abſondern, 

mit denen dieſe Parthey der Meletianer erſt nach 
hundert Jahren wieder vereinigt werden konnte. Weit 
laͤnger noch erhielt ſich die Spaltung der Donatiſten 


in der Kirche. Sie entſtand uͤber die Wahl des Caͤci⸗ 


lianus zum Biſchof von Carthago. Donatus und 
ſeine Anhaͤnger erklaͤrten dieſelbe vor unguͤltig, und 
ſtifteten eine beſondere Gemeine, deren Oberhaupt 
Majorinus, nachmals Donatus, wurde. Von 
perſoͤnlichen Vorwuͤrfen, auf welchen anfaͤnglich ihr 
Unterſcheid von den Catholiſchen beruhte, kam der 
Streit gar bald hauptſaͤchlich auf die Lehre der Dona⸗ 
tiſten an, daß eine wahre chriſtliche Gemeine mit gar 
keinen Verbrechen ihrer Mitglieder befleckt ſeyn duͤrfe, 
und daß daher ſelbſt die Taufe der Catholiſchen unguͤl⸗ 
tig ſey. Vergebens gab ſich Conſtantinus einige Zeit 
alle Muͤhe, dieſen Unruhen ein Ende zu machen. Die 
gefaͤhrlichſten aber, und die er eben ſo wenig ſtillen 
konnte, waren die Arianiſchen. Ein Aelteſter zu 


Alexandrien, Artus, leugnete es, daß Jeſus Chriz 


ſtus gleiches Weſens und gleich ewig mit ſeinem Va⸗ 
ter ſey; ob er ihm gleich in gewiſſem Verſtande den 
Nahmen Gott, und Gottes Sohn, zugeſtand. Da es 
ihm nicht an gelehrten Vertheidigern ſeiner Meinung 
fehlte, und darüber die heſtigſten Bewegungen d 

Be vorka⸗ 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 7 
vorkamen: berief Conſtantinus die erſte allgemeine CG. 
Kir chen verſammlung nach Nicaͤa, auf welcher 325. 
der Streit unterſucht und entſchieden werden ſollte. 

Es wurde alſo auf derſelben der Schluß gemacht, daß 
diejenigen Ketzer waͤren, welche nicht glaubten, daß 

der Sohn Gottes gleiches Weſens mit ſeinem Vater 

ſey: und es wurde ein beſonderes Glaubensbekennt⸗ 

niß vorgeſchrieben, worinne die allgemeine Lehre der 
Kirche begriffen war. Arius und ſeine Anhaͤnger 
wurden daher auch aus der Gemeinſchaft der Kirche 
geſtoſſen. Aber in den letzten Jahren Conſtantins 
aͤnderte ſich vieles zu ihrem Vortheil: und dadurch 
wurden die oͤffentlichen Zwiſtigkeiten der Kirche von 
neuem rege. 


Unter der Regierung ſeiner Soͤhne, des juͤngern 337. 
Conſtantinus, des Conſtantius, und Conſtans, 
die ihm an Klugheit ſo unaͤhnlich, und ſelbſt mit ein— 
ander uneins waren, litten die Chriſten eben deswegen 
viel durch jene Händel. Häufige Kirchenverſammlun⸗ 
gen, unter welchen die zu Sardica gehaltene die be- 344. 
ruͤhmteſte iſt, vergroͤßerten, wie ehemals, dieſelben, 
durch ihren gebieteriſchen Widerſpruch gegen einander. 
Die Arianer ſelbſt theilten ſich zwar in verſchiedene 
Partheyen: in die Anomoeer, welche auch von ihren 
Anfuͤhrern, dem Aetius und Eunomius, den Nah⸗ 
men führten; und in die halben Artaner. Allein, 
ob fie gleich unter einander, wie mit den Rechtglaͤubi⸗ 
gen, unaufhoͤrlich ſtritten; fo behielten doch die Aria⸗ 
ner uͤberhaupt die Oberhand: beſonders, nachdem 
ſich Conſtantius, der allein von den drey Brüdern 350. 
übrig blieb, völlig für dieſelben erklaͤrt, und ihren 359. 
Lehrbegriff im Reiche herrſchend gemacht hatte. Kunſt⸗ 
griffe aller Art, und ſogar blutige Gewaltthaͤtigkeiten, 
wurden viele Jahre ausgeübt, waͤhrend daß man ſich 
14 ſtet 


Sr 


8 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


Er, ſtets das Anſehen gab, die Sache der Religion zu verthei⸗ 


J. n. 
C. G. 


340. 


342. 


355. 


digen. Mit dieſem großen Streite waren einige andere 
verwandt, die eben dieſelbe Lehre von dem Sohne 
Gottes und dem göttlichen Geiſte betrafen. Photi⸗ 
nus, Biſchof zu Sirmium, behauptetete, Chriſtus 
ey ein bloßer Menſch geweſen; den man aber, weil 
ſch das goͤttliche Wort oder der Verſtand Gottes mit 
ihm vereinigt haͤtte, auch Gott nennen koͤnne. Er 
wurde darum von Kirchenverſammlungen als ein Ke 
tzer verurtheilt und zuletzt abgeſetzt; aber auch ſeine 
Parthey erhielt ſich eine Zeitlang. Noch zahlreicher 
waren die Macedonianer, deren Urheber Wace⸗ 
donius, Biſchof von Conſtantinopel war, ein hal⸗ 
ber Arianer, und der zugleich den Geiſt Gottes vor 
eine bloße goͤttliche Kraft ausgab. So verurſachten 
auch der jüngere Apollinaris, und Marcellus, 
Biſchof von Ancyra, durch aͤhnliche neue Vorſtellungs⸗ 
arten nicht geringe Bewegungen. Eine neue Mele⸗ 
tianiſche Spaltung zu Antiochien, Händel mit den 
ſchwaͤrmeriſchen Audianern oder Anthropomorphi⸗ 


ten, und dergleichen mehrere, kamen noch hinzu. Un⸗ 


ter einem ſolchen Zuſtande verlor das aͤchte Kraftvolle 
Chriſtenthum am meiſten. Dagegen fuͤllten die Moͤn⸗ 


che, darunter in den Morgenlaͤndern Pachomius 


beruͤhmt war, nunmehro auch die abendlaͤndiſchen Ge: 
genden an. Abweichungen von aberglaͤubiſchen oder 
andern durchgaͤngig eingefuͤhrten Meinungen und An⸗ 
ſtalten, wurden ſchon als Ketzereyen betrachtet. Da⸗ 
ber ſah man es als ſchlimme Irrthuͤmer des Aerius 
an, da dieſer keinen urſpruͤnglichen Unterſcheid zwi⸗ 
ſchen Biſchoͤfen und Aelteſten zugab, das Gebet fuͤr 
die Verſtorbenen verwarf, und das gottesdienſtliche 
Faſten durch keine Geſetze beſtimmt wiſſen wollte. Doch 
hatte die Kirche manchen gelehrten und eifrigen Lehrer, 
wie den Luſtathius, Biſchof von Antiochien; den 
888 1 2 vorzuͤg⸗ 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 52 


vorzuͤglichen Schriftausleger, Euſebius, Biſchof F. 
von Emiſa; und den Hilarius, Biſchof von Picta— 55 
vium, der die Arianer ſo muthig beſtritt, und aus 
Gallien zuruͤckhielt. 


Eine neue Geſtalt der Angelegenheiten des Chris 
ſtenthums erhob ſich unter der Regierung des Kayſers 
Julianus. Kaum hatte er ſie angetreten: ſo ſuchte 361. 
er ſeiner bisher geheim gehaltenen Ergebenheit gegen 
die heydniſche Religion eine Genuͤge zu thun. Sie 
wurde von ihm, ſo weit es ohne die aͤußerſte Gewalt⸗ 
thaͤtigkeit geſchehen konnte, und bey der feftgegründes 
ten Macht des herrſchenden Glaubens moͤglich war, 
wieder in ihr altes Anſehen eingeſetzt. Ueber 
die Chriſten ergieng zwar keine allgemeine grauſame 
Verfolgung; aber er bediente ſich mancherley Bedruͤ⸗ 
ckungen, Einſchraͤnkungen, Spoͤttereyen, und 
anderer öffentlichen Angriffe auf ihre Religien, um ih⸗ 
ren freywilligen Fall zu verurſachen. Sie lernten da— 
durch die Vortrefflichkeit der Duldung wieder, die ſie 
unter den vorhergehenden Regierungen nicht einmal 
gegen einander ausgeuͤbt hatten: und ſie kamen deſto 
mehr in die Nothwendigkeit, das Chriſtenthum, an 
welchem ſie bisher ſo viel gekuͤnſtelt, und woruͤber ſie 
fo ärgerlich geſtritten hatten, wenn es ferner ehrwuͤr⸗ 
dig bleiben ſollte, ganz auf ſeinen wahren Werth zu⸗ 
ruͤckzufuͤhren. Allein fein fruͤhzeitiger Todt, der 363. 
ſie von Drangſalen und Furcht befreyete, machte auch, 
daß ſie dieſe Lehren bald wieder vergaſſen: zumal da 
ſie um dieſe Zeit den Heyden viele Gelehrſamkeit, Witz 
und Beredſamkeit, eine uͤberall tief eingewurzelte Liebe 
für ihre Religion, und viele andere Vortheile, entge⸗ 
gen fegen konnten. 


Als daher, vom Jenin an, wieder eifrig⸗ 
eg Kayſer den rn zn y batten auch die 
alten 


— 


10 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


8 alten Religionsſtreitigkeiten der Chriſten, mit buͤrger⸗ 


SG. lichen Unruhen verknuͤpft, von neuem ihren Fortgang. 
364. Von den beyden Bruͤdern, Valentinianus dem er⸗ 


378. 


381. 


ſten und Valens, welche das Roͤmiſche Reich unter 
ſich theilten, warf ſich dieſer in den Morgenlaͤndern 
zum Freunde und Beſchuͤtzer der Arianer auf, und 
verfolgte die ſogenannten Rechtglaͤubigen mit ſolcher 
Hitze, daß es das Anſehen hatte, fie würden in ſei⸗ 
nem Reichsantheil völlig vertilgt werden. Nach ſei⸗ 
nem Tode aber, da Gratianus gemeinſchaftlich mit 
dem Theodoſius, und bald dieſer letztere allein, das 
Reich beherrſchte, wurde die Arianiſche Parthey 
durch Zwangsmittel und Strafen groͤßtentheils unter⸗ 
druͤckt: nur unter den Gothen erhielt fie ſich noch fer⸗ 
ner. Theodoſtus war es auch, der durch gleiche 
Mittel, der Ausuͤbung des Heydenthums im Roͤmiſchen 
Reiche den letzten Stoß' gab. Die allgemeinen Kirchen⸗ 
verſammlungen wurden nun weiter gebraucht, Kirchen— 
geſetze und Verdammungsurtheile zu entwerfen. Eine 
ſolche die zu Conſtantinopel gehalten ward, erklaͤrte 
die Macedonianer vor Ketzer, und ſetzte zu dem 
Nicaͤniſchen Glaubensbekenntniſſe noch einige 
Beſtimmungen hinzu, damit die Lehre der Rechtglaͤu— 
bigen vom heiligen Geiſte nicht leicht verändert werden 
koͤnnte. Eben dieſe Kirchenverſammlung wies dem 
Biſchof von Conſtantinopel die zweyte Stelle in 
der Kirche nach dem Roͤmiſchen, und voͤllig gleichen 
Rang und Ehre mit demſelben an; reitzte aber dadurch 
die Eiferſucht zwiſchen beyden, und beſonders die 
Herrſchbegierde des Roͤmiſchen Biſchofs, der ſeit 
einiger Zeit in aller Betrachtung der groͤßeſte zu ſeyn 
verſuchte. Bald darauf fieng man zuerſt an, ſich 


Lebensſtrafen gegen die Ketzer zu bedienen, in⸗ 


dem Priſcillianus, ein Spanier, der Manichaͤiſche 
und andere verworfene Lehrſaͤtze vorgetragen hatte, auf 
' Befehl 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 11 


Befehl des Kayſers Maximus, mit einigen ſeiner Sn 
Anhänger hingerichtet wurde. FG. 


Ueberhaupt kaͤmpfte zu dieſer Zeit der Aberglau⸗ 
ben gewiſſermaaßen zum letztenmale mit der reinen 
chriſtlichen Religion und Froͤmmigkeit, und bes 
hielt von nun an vollkommen den Sieg. Die Ver⸗— 
vielfaͤltigung von Kirchen und Feſttagen, die vermeinte 
wunderthaͤtige Heiligkeit des Kreutzzeichens, die Ver— 
ehrung der verſtorbenen Heiligen, die Einfuͤhrung der 
Bilder in die Kirchen, die Wallfahrten an die gehei= 
ligten Oerter, viele andere Caͤrimonien, und die ge— 
ſammte Moͤnchsfroͤmmigkeit, hatten ſchon ſeit geraus 
mer Zeit der wahren Gottſeeligkeit merklichen Abbruch 
gethan; aber alles dieſes zeigte jetzt immer ſchaͤdlichere 
Folgen. Einige Lehrer der Chriſten widerſetzten ſich 
noch dieſem Uebel; die meiſten aber bezeigten entweder 
Nachſicht dagegen, weil fie auf die gutgemeinten Ab- 
ſichten bey dieſer neuen chriſtlichen Andacht ſahen; oder 
vertheidigten dieſelbe gar mit Heftigkeit. Als daher Jo⸗ 
vinianus behauptete, der eheloſe Stand habe keinen 388. 
Vorzug vor dem Eheſtande, noch das Faſten vor dem 
Genuß der Speiſen: wurde ihm dieſes zur Kegeren 
angerechnet. Und da einige Zeit darauf Vigilantius 
ſich wider die gottesdienſtliche Verehrung der Maͤrty⸗ 
rer und ihrer Ueberbleibſale erhob, die Fuͤrbitte der 
Heiligen für die Lebenden, die geglaubte Verdienſtlich— 
keit des eheloſen und die Heiligkeit des Moͤnchsſtandes 
nicht einraͤumen wollte, auch manche andere Mißbraͤu⸗ 
che tadelte: erfuhr er eine Verfolgung, die ihm bey— 
nahe das Leben gekoſtet haͤtte. Solchergeſtalt zogen 
die Chriſten aus dem ſtaͤrkſten Eifer für ihre Religion, 
und aus den vortrefflichſten Gaben vieler ihrer Lehrer, 
die fie noch beſaßen, einen geringern Nutzen, als un« 
ter andern Geſinnungen. In der morgenlaͤndiſchen 


Kirche 


2 
J. n 


12 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


C. G. 1 
ee Kirche waren Baſilius der Große, Biſchof zu Neu- 


caſaͤrea in Cappadocien, und Gregorius von Na⸗ 


378. zianzus, Biſchof zu Saſima in eben dieſer Landſchaft, 


378. 


395. 


auch eine kurze Zeit zu Conſtantinopel, an Gelehrſam⸗ 
keit, Scharfjinn, Beredſamkeit und Verdienſten, die 
beyden vornehmſten. Noch lebte auch Athanaſius: 
und außer denſelben hatten Cyrillus, Biſchof zu Jes 
ruſalem, Gregorius, Biſchof von Nyſſa, Amphi⸗ 
lochius, Biſchof zu Iconium, Didymus, Lehrer 
zu Alexandrien, Epiphanius, Biſchof zu Conſtan⸗ 
tia auf der Inſel Cypern, Ephraem, ein Aelteſter 
in Syrien, und andere mehr, ſich vielen Ruhm er⸗ 
worben. Die lateiniſche Kirche kannte keinen groͤßern 
Gelehrten und Ausleger ber heiligen Schrift, als den 
Hieronymus, der als Aelteſter und Moͤnch zuletzt zu 
Bethlehem gelebt hat. Aber auch Ambroſius, Bi⸗ 
ſchof zu Meyland, Rufinus, ein Aelteſter zu Aqui⸗ 
leja, und mit ihnen mehrere, machten ſich um die Kir⸗ 
che verdient. Gleichwohl haben die meiſten dieſer Leh⸗ 
rer mehr zur Ehre der theologiſchen Gelehrſamkeit, 
zum Wachsthum der Kirche und ihres Standes, als 
zur Wiederherſtellung des erſten Chriſtenthums, bey⸗ 


getragen. 


Der Todt des Theodoſius, und die Theilung 
des Roͤmiſchen Reichs, welche er kurz vorher angeſtellt 
hatte, brachten ſowohl in demſelben, als in dem Zur 
ſtande der chriſtlichen Religion und Kirche, ſehr große 
Veraͤnderungen hervor. Seine Soͤhne, Arcadius, 
der über das Morgenlaͤndiſche Reich regierte, und Ho⸗ 
norius, dem die Abendlaͤnder gehorchten, waren beyde 
zu ſchwach und ungeſchickt, um ſo viele feindſeelige 
Voͤlker die an ihren Grenzen ſtanden, und ſchon ſehr 
oft über dieſelben eingebrochen waren, noch ferner zu⸗ 
ruͤckzuhalten. Sie drangen alſo von allen Seiten 4 das 

oͤmi⸗ 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 13 F.. 


Roͤmiſche Gebiet ein, und errichteten nach und nach in SS 
dem abendlaͤndiſchen Theil deſſelben viele Reiche. 
Durch die Verwuͤſtungen und Eroberungen dieſer 
heydniſchen Voͤlker geſchah es, daß das Chriſten⸗ 
thum auf eine Zeitlang das meiſte von feinem 
aͤußerlichen Glanze verlor. Der Goͤtzendienſt er⸗ 
holte ſich dagegen von neuem: und von dieſer Zeit an 
gerieth auch die Gelehrſamkeit in einen ſolchen Ver⸗ 
fall, beſonders in den Abendlaͤndern, daß die chriſt⸗ 
liche Religionswiſſenſchaft ſeicht, die Faͤßigkeit dieſelbe 
zu unterſuchen ſelten, und die ſchon laͤngſt leichtglaͤubi⸗ 
gen, nunmehro ſtets unwiſſendern Chriſten deſto mehr 
in die Gewalt ihrer Lehrer uͤbergeben wurden. Zeitig 
traten zwar die Burgunder, Alanen, Speven 
und Vandalen zum chriſtlichen Glauben, wie⸗ 
wohl mit den Arianiſchen Lehren vermiſcht: aber dieſe 
deutſchen Ueberwinder der Roͤmer konnten das von ih⸗ 
nen und vorher ſchon von dem Aberglauben geſtiftete 
Uebel nicht wieder aufheben. Unterdeſſen war noch in 
beyden Hauptkirchen der Chriſten, bis gegen die Mitte 
des fünften Jahrhunderts, Licht und Wiſſenſchaft ges 
nug übrig. Johannes Chryſoſtomus, Biſchof zu 398. 
Conſtantinopel, verdunkelte die meiſten vorhergehen⸗ 
den Lehrer der Chriſten durch ausnehmende Gelehrſam⸗ 
keit, ungemeine Beredſamkeit, gemaͤſſigten Eifer, und 
andere ehrwuͤrdige Sitten. Ihm war Theodoretus, 423. 
Biſchof zu Cyrus in Syrien, der naͤchſte, vorzuͤglich 
auch, wie er, in der bibliſchen Schriftauslegung ge⸗ 
uͤbt, und in einem ſtreitbaren theologiſchen Zeitalter 
von ſanfterer Denkungsart. Zu Alexandrien lebte der 
Biſchof Cyrillus, freylich noch mehr durch ſeinen ver⸗ 
ketzernden Ungeſtuͤm, als durch ſeine Wiſſenſchaft be⸗ 
kannt: und die Schriften des Iſidorus von Pelu⸗ 
ſium, des Nonnus, des Spneſius, des Socra⸗ 
tes und Sozomenus, waren auch Fruͤchte von man⸗ 
cherlen 


& m 
G6. 
396. 


14 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


cherley Nutzbarkeit. Unter den Lehrern der lateiniſchen 
Kirche behauptete Auguſtinus, Biſchof von Hippo 
in Africa, die erſte Stelle an gelehrten Kenntniſſen, 
Scharfſinn, und eifriger Geſchaͤftigkeit zum Dienſte 


der Religion und Kirche; ob er gleich auch das vor— 


445. 


41. 


nehmſte Muſter einer zu ſpitzfindigen Lehrart in der 
Theologie abgab. Mit ihm lebte noch viele Jahre 
Hieronymus: und neben ihnen beyden erregten auch 
Sulpicius Severus, Johannes Caßianus, 
Vincentius von Lerina, die Dichter Prudentius 
und Sedulius, einige Aufmerkſamkeit. Der letzte 
Lehrer der abendlaͤndiſchen Kirche von verdientem An⸗ 
ſehen war Leo der erſte, oder der große, Biſchof 
von Rom. Aber eben derſelbe bediente ſich der ſtuͤr⸗ 
miſchen Zeiten des Reichs, in welchem er lebte, und 
dem er nothwendig geworden war, um den Roͤmiſchen 
Biſchoͤfen eine gewiſſe Herrſchaft uͤber die Chriſten zu 
verſchaffen. Ohnedieß hatte der Roͤmiſche Biſchof, 
der erſte unter den vier Hauptbifchöfen oder Patri⸗ 
archen, deren Nahmen und Rechte um dieſe Zeit 
völlig aufgekommen waren, lange ſchon weit mehr 
guͤnſtigere Gelegenheiten als alle uͤbrige, vor ſich, um 
taͤglich maͤchtiger zu werden. 


Mittlerweile wurden die Streitigkeiten der 
Chriſten uͤber ihren Glauben haͤuffiger und man⸗ 
nichfaltiger, als ſie jemals geweſen waren; veranlaß⸗ 
ten immer mehr Ausſchweifungen, und erzeugten auch 
neue Partheyen unter ihnen. Zu den uͤbrigen alten 
Haͤndeln, unter welchen die Arianiſchen von neuem 
wegen des Schutzes, den dieſer Lehrbegriff bey den Go⸗ 
then und andern deutſchen Voͤlkern fand, wichtig wur⸗ 
den, kamen zuerſt die Pelagianiſchen. Der Moͤnch 
Pelagius leitete das ſuͤndliche Verderben der Men⸗ 
ſchen nicht nach der damals herrſchenden Lehre, von 

der 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 15 


der Suͤnde Adams, ſondern von aͤußerlichen Urſa- <> 
chen und Reitzungen her, und hielt die menſchlichen LG. 
Kräfte vor hinlaͤnglich, Gutes nach dem Willen Got- 

tes zu verrichten. Man erklaͤrte ihn, den Caeleſtius, 

und andere ſeiner Anhaͤnger, auf Kirchenverſammlun⸗ 

gen vor Ketzer; aber ſeine Meinungen wurden dennoch 
fortgepflanzt. Einige, wie Caßtanus, nahmen nur 
einen Theil davon an, indem ſie lehrten, daß der 
Menſch wenigſtens den Anfang ſeiner Beſſerung ſelbſt 
machen, das uͤbrige aber der goͤttlichen Gnade uͤber⸗ 
laſſen muͤſſe: und fie wurden deswegen halbe Delar 
gianer genannt. Andere, unter denen Auguſtimnus 
ſelbſt und manche feiner Schuͤler waren, fochten fo hi⸗ 

tzig wider den Pelagius, daß fie, um ihn Irrthuͤmer 

zu uͤberzeugen, auf den entgegengeſetzten fielen, nem⸗ 

lich dieſen, daß Gott denen welche er zur Seeligleit 
vorher beſtimmt habe, eine ihnen dazu unentbehrliche, 
aber auch unwiderſtehliche Gnade ertheile. Dieſen 
gaben jene den Nahmen der Praͤdeſtinatianer. 


Ueberhaupt entſtanden zu dieſer Zeit mehrmals die 
ſchlimmſten Zwiſtigkeiten und Trennungen unter den 
Chriſten aus Folgerungen und Wortgezaͤnke. So 
wurde Neſtorius, Patriarch zu Conſtantinopel, weil 429. 
er den Nahmen Gottesgebaͤhrerinn vor unſchicklich 
für die Jungfrau Marta hielt, beſchuldigt, daß er 
eine doppelte Perſon in Chriſto glaube. Oßhngeachtet 
ſeiner ertraͤglichen Erklaͤrungen, ſprach doch die all⸗ 
gemeine Kirchenverſammlung zu Epheſus das 431. 
Urtheil uͤber ihn, daß er als ein Ketzer ſein Amt ver— 
lieren ſollte: und er ſtarb in einer traurigen Verwei— 
ſung. Seine Vertheidiger, denen man nicht minder 
übereilt und hart begegnete, wurden eben dadurch ges 
zwungen, in eine beſondere Parthey zuſammen zu tre⸗ 
ten, die ſich weit ausbreitete, und nicht wieder unter⸗ 

5 gegan⸗ 


* * 


+ * 


16 Zweyter Zeitraum der gef, Kircheng. 


Ti gegangen iſt. Sie Theo orus, Biſchof 


von Mopsveſte in Cilicien „einen ſehr gelehrten Aus. 
leger der heiligen Schrift; Indem Eutyches, ein 


448. Abt bey Conſtantinopel 6 dieſe Parthey beſtritte, ge⸗ 
e 


451. 


rieth er wiederum auf den entgegenſtehenden Abweg; 
wenigſtens folgerte man aus ſeinen Worten, daß er 
nach der Vereinigung der beyden Naturen in Chriſto 


nur Eine Natur annehme. Eine Kirchenverſamm⸗ 


lung zu Epheſus, auf welcher ſeine Freunde ſelbſt Ge⸗ 
waltthaͤtigkeiten anbrachten, ſprach ihn anfaͤnglich von 
dem Vorwurfe der Ketzerey loß. Aber ſeine Gegner 
hatten auf der allgemeinen Rirchenverfammlung 
zu Chalcedon die Oberhand, verdammten daſelbſt 
ihn und ſeine Meinung, ſchrieben auch neue Beſtim⸗ 
mungen vor, deren man ſich, zu Verhuͤtung ſolcher 
Irrthuͤmer in der Lehre von Chriſto, kuͤnftig bedienen 
ſollte. Aber dadurch konnte doch nicht verhindert wer⸗ 
den, daß die Entychianer oder Monophyſiten, 
wie ſie auch genannt worden ſind, an Menge immer 
zugenommen hätten. | 


Nunmehr äußerte ſich der Mangel an vortreff⸗ 
lichen Lehrern in der Kirche, an gruͤndlicher theo⸗ 
logiſcher Gelehrſamkeit, und edler Freyheit in Re⸗ 
ligionsſachen, auf allen Seiten unter den Chriſten. 
Durch die Erhaltung der alten Glaubensbekennt⸗ 
niſſe, und Beobachtung der Schluͤſſe von Kir⸗ 
chenverſammlungen, auch der Ausſpruͤche anſehn⸗ 
licher Lehrer, glaubte man hinlaͤnglich im Beſitze des 
wahren Chriſtenthums zu ſeyn; wenn es gleich durch 
den Aberglauben taͤglich mehr verunſtaltet wurde. 
Der Eifer fuͤr die Religion zeigte ſich eben in der Aus⸗ 
uͤbung und unerſchoͤpflichen Fruchtbarkeit von aͤußerli⸗ 
chen ſpielenden Merkmalen der Froͤmmigkeit; in der 


Bekehrung der heydniſchen Voͤlker zum Mi 
thum; 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 17 


thum; und vornemlich in der fortgeſetzten Führungs" > 
von aͤltern und neu aufkommenden Beligionsſtrei-T. G. 
tigkeiten, darunter viele nichtswuͤrdige und unnuͤtze wa⸗ 

ren, keine aber mit chriſtlichem Glimpfe und ſtiller Un. 
terſuchung getrieben wurde. Dieſes iſt uͤberhaupt die 
Geſchichte der Chriſten und ihrer Religion, von 
der Rirchenverfammlung zu Chalcedon an, 
nicht nur bis auf Gregorius den Großen und 
Muhamed, ſondern ohngefaͤhr auch bis gegen das 
Ende dieſes Zeitraums. Sie meinten es gut mit ih⸗ 
rem Glauben; aber ſie kannten oder nuͤtzten denſelben 
immer weniger. Die merkwuͤrdigen oder großen Were 
aͤnderungen, die unter ihnen vorfielen, gereichten übers 
aus ſelten zur Ehre und zum Nutzen ihrer Religion 
und Kirche. 


Beyden fuͤgte eigentlich der völlige Umſturz des 476. 
abendlaͤndiſchen Reichs der Römer durch den 
Odoacer, keinen neuen Schaden zu, indem fie da« 
mals bereits zu ſehr ausgeartet waren. Das aͤußer⸗ 
liche Bekenntniß des Chriſtenthums gewann vielmehr 
durch ganze heidniſche Voͤlker, die zu demſelben tra— 
ten. Dem Beyſpiele Chlodewigs, Koͤnigs der 
Franken, und Stifters ihrer Monarchie in Gal⸗ 
lien, der ſich taufen ließ, folgten ſeine Unterthanen 
geſchwind nach. Die Angelſachſen hatten, bey ih- 496. 
rem Einbruche in Britannien, der chriſtlichen Reli⸗ 
gionsuͤbung daſelbſt nach und nach ein Ende gemacht. 
Aber auch ſie wurden endlich Chriſten, nachdem der 
Anfang dazu von dem Könige Ethelbert von Kent 86. 
geſchehen war. In den Morgenländern gieng eben- 
fals mit einigen Voͤlkern eine ſolche Veraͤnderung vor: 
und nicht uͤberall ohne Gewalt. Die Langobarden 
und andere Voͤlker, welche Arianiſch geſinnt waren, 
vereinigten ſich nun mit den Rechtglaͤubigen; ſo daß 

V. Theil. B die 


18 ZweyterZeitraumderchriftl. Kircheng. 


Fin die Uebereinſtimmung der Chriſten in ihrem Lehrbe⸗ 
T. G. griffe immer größer zu werden ſchien. bu led 


Dieſe ſuchten auch ihre Lehrer mit allen Kraͤften 
zu bewuͤrken; nur daß ſie mehr Gehorſam und Unter⸗ 
werfung von den Chriſten forderten, als Erkenntniß 
und Ueberzeugung bey ihnen hervorbringen wollten. 
Die Mönche, welche gegen das fechste Jahrhundert 
aus dem Stande der Layen unter die Geiſtlich⸗ 
keit uͤbergiengen, hatten jetzt einen betraͤchtlichen An⸗ 
theil an der eigentlichen Regierung der Kirche. Nach⸗ 
dem ſie lange verſchiedene in den Morgenlaͤndern auf⸗ 
geſetzte Regeln ihrer Lebensart gehabt hatten: ſtiftete 

340. Benedictus von Nurſium, durch eine ihm eigene, 
den erften Moͤnchsorden in der abendlaͤndiſchen 
Kirche. Von den Moͤnchen und andern Geiſtlichen 
unterftüßt , naͤherten ſich beſonders die roͤmiſchen 
Biſchoͤfe der oberſten Herrſchaft in der Kirche. Ob 
ſie gleich noch Unterthanen der Gothiſchen Koͤnige, 
und nachmals wiederum der Kayſer zu Conſtantinopel 
waren; ſo litten ſie doch deſto weniger einen Schatten 
von Gleichheit unter den uͤbrigen Biſchoͤfen neben ſich. 

382. Daher fuͤhrten Pelagius der zweyte, und Grego⸗ 
rius der erſte, den man auch den Groſſen genannt 
hat, einen heftigen Streit mit dem Patriarchen zu 
Conſtantinopel, Johann dem Faſter, weil ſich die⸗ 
fer des Ehrennahmens eines okumeniſchen Biſchofs 
bedient hatte. Sie ſelbſt verwarfen denſelben; aber 

607. der Nachfolger des Gregorius, Bonifacius der 
dritte, ſorgte doch davor, daß feine Kirche zum Ober⸗ 
haupte aller übrigen von dem Kayſer Phocas erklaͤrt 
wurde. Eben der gedachte Roͤmiſche Biſchof Gre⸗ 
gorius erwarb ſich unter allen Lehrern dieſer Zeit durch 
unermuͤdeten Eifer für die Religion, und ſtrenge Froͤm⸗ 
migkeit, die hoͤchſte Verehrung; ohne vo er 

| / elehr⸗ 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 19 


Gelehrſamkeit, und mehr als heiſſen Aberglauben mit F. Ä 
einiger Klugheit vereinigt, zu beſitzen. Manche ge-&.@, 
lehrtere und ſcharſſinnigere Männer giengen vor ihm 
her, wie der Abt Dionyſius zu Rom, der zuerſt die 527. 
Zeitberechnung nach Chriſti Geburt feſtſetzte, und 
Facundus, Biſchof von Hermiane in Africa; vor— 
zuͤglich aber zween Staatsmaͤnner, welche die fliehen« 

den Wiſſenſchaften, auch ſelbſt die theologiſche, aufzubal- 

ten und zuruͤck zurufen ſuchten: Boethius, der groͤßte 520. 
Geiſt feines Zeitalters, und Caßiodorus, der ſich 539 
zuletzt dem Kloſterleben ergab, um der Kirche deſto 
bequemer dienen zu koͤnnen. 5 


Neue theologiſche Streitigkeiten von Wichtig⸗ 
keit entſtanden im Grunde waͤhrend dieſer hundert und 
funfjig Jahre nicht; aber verſchiedene der aͤltern dauer— 
ten ohne Unterlaß fort, und erweiterten ſich durch neue 
Fragen und Gegenarbeiten von beyden Seiten. Da 
die Eutychianiſche Parthey einen ſchnellen Fortgang 
unter den morgenlaͤndiſchen Chriſten hatte: ſuchte fie 
der Kayſer Feno durch eine Vergleichsformel, die 482. 
er bekannt machte, mit den Rechtglaͤubigen wieder in 
Eine Kirchengemeinſchaft zu bringen; allein die Zwi- 
ſtigkeiten unter beyden wurden dadurch nur noch mehr 
angefeuert. Sogar über die Frage: ob der Leib Chriſti 519. 
verweslich oder unverweslich geweſen ſey? erwuchſen 
Partheyen unter den Eutychianern. Einige Recht⸗ 
glaͤubige hingegen bemuͤhten ſich wiederum, durch die 
Verwerfung von drey Schriften und dahin gehoͤrigen 
Stellen in den Handlungen der Kirchenverſammlung 
zu Chalcedon, die Eutychianer, denen dieſelben 
mißfielen, zu gewinnen. Allein die Rechtglaͤubigen 
wurden Darüber ſelbſt uneins, und vertheidigten zum 848. 
Theil die gedachten Schriften. Auch brachen die drey— 
hundertjaͤhrigen Streitigkeiten über die Glaubensirr⸗ 

B 2 thuͤ⸗ 


20 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


Athuͤmer, welche man dem Origenes beylegte, von 
G. neuem mit Heftigkeit aus. Der Kayſer Juſtinia⸗ 
nus ließ daher, um fo vieler kirchlichen Handel wil⸗ 


853. len, endlich eine allgemeine Kirchenverſamm⸗ 


lung zu Conſtantinopel halten. Dieſe machte zwar 
den Zwiſtigkeiten über den Origenes ein Ende, in- 
dem ſie uͤber dieſen großen Lehrer, in der Geſellſchaft 
mit andern Ketzern, ein Verdammungsurtheil aug« 
ſprach; aber weniger richtete ſie damit aus, daß ſie 
ſich gegen die drey obgedachten Schriften erklaͤrte. 
Die Eutychianer oder Monophyſiten verſtaͤrkten 
und befeſtigten ſich immer mehr, beſonders durch den 


570. Eifer des Jacobus Baradaͤus, von dem fie auch 


den Nahmen der Jacobiten bekamen. Einer von 


592. ihnen, Johann Aſkunages, vergrößerte auch den 


Streit mit den Rechtglaͤubigen dadurch, daß er den 
Tritheismus oder die Meinung behauptete, daß in 
der Gottheit drey ſelbſtſtaͤndige Naturen, aber nicht 
von gleichem Weſen, waͤren. 


Indem die Chriſten in alle dieſe, meiſtentheils leere 
und aͤrgerliche Haͤndel, verwickelt waren, uͤberfiel ſie in 
den Morgenlaͤndern ein fuͤrchterlicher Feind, dem ſie 
auch in anderer Betrachtung nicht gewachſen waren. 


612. Der Araber Muhamed unternahm es anfänglich nur, 


die Abgoͤtterey in ſeinem Vaterlande zu unterdruͤcken, 
und ſich daſſelbe zugleich zu unterwerfen. Ohngeach⸗ 


622. tet feiner Flucht aus Mecca, erreichte er doch nach und 


nach ſeine Abſichten, hinterließ bey ſeinem Tode eine 


632. auf die Verehrung des hoͤchſten Gottes gegruͤndete Re⸗ 


ligion in Arabien herrſchend, und einen neuen Staat 
mit derſelben verbunden; beydes aber hatte ſchon der 
Uebung und Fortpflanzung der chriſtlichen Religion 
daſelbſt engere Graͤnzen geſetzt. Noch mehr aber litte 


ſie durch die Eroberungen der Chaliphen, welche 
1 dem 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 21 


dem Muhamed als Oberhaͤupter feiner Religion, F. m 


und auch als Fuͤrſten in feinem Reiche, nachfolgten. C. G. 
Sie brachten Palaͤſtina, Syrien, Aegypten, und 633. 
andere Laͤnder des griechiſchen Kayſerthums, unter 
ihre Gewalt, und fuͤgten dadurch, ohne eine eigentliche 
Religionsverfolgung, dem freyern Laufe und Bekennt⸗ 
niſſe des chriſtlichen Glaubens einen unerſetzlichen 
Schaden zu. Auch in Spanien bekam mit ihrer 7x. 
Herrſchaft zugleich ihr Glaube die Oberhand; wie er 
ſich denn uͤberhaupt den Voͤlkern durch die Kuͤrze und 
leichte Beobachtung ſeiner Vorſchriften empfol, und 
nun aus dem muͤndlichen Vortrage ſeines Stifters im 
Boran zuſammen gefaßt wurde. Die Vortheile, 
welche die Chriſten hin und wieder durch den Ueber— 
tritt von Heyden zu ihrer Religion erlangten, erſetzten 
dieſen Verluſt nicht völlig. So breiteten die Neſto⸗ 
rianer, welche auch Chaldaͤiſche Chriſten hießen, 638. 
das Chriſtenthum von Syrien, Perſien und Indien, 

wo ſie ihren Sitz hatten, bis nach China aus. Ganz 
England wurde um dieſe Zeit chriſtlich: und aus die⸗ 

ſer neuen Angelſaͤchſiſchen, ſo wie aus der aͤltern 
Schottlaͤndiſchen und Irlaͤndiſchen Gemeine, kamen 
hinwiederum viele Geiſtliche in die Laͤnder der Fraͤnki⸗ 
ſchen Monarchie, um die zahlreichen Ueberbleibſale 
von Heyden in denſelben zu bekehren. Einige der be- 
ruͤhmteſten unter ihnen waren Columbanus, Gal⸗ 
lus und Kilianus. Inſonderheit aber hat der Eng⸗ 
länder Willebrord mit feinen Gefährten, unter den 9e. 
Frieslaͤndern und andern benachbarten Voͤlkern nicht 
wenige uͤberredet, Chriſten zu werden. 


Außer ſolchen Bemuͤhungen thaten ſich faſt alle 
chriſtliche Lehrer dieſer Zeit nur durch Streitigkeiten 
mit den Ketzern, Lebensbeſchreibungen von Heiligen, 
und andere Sammlungen hervor. Sie befoͤrderten 

| B 3 uͤber · 


22 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


Fm uͤberdieß den Aberglauben durch neue Anſtalten oder 
T. G. wunderbare Erzaͤhlungen, und verſaͤumten dagegen 
großentheils den oͤffentlichen Unterricht in der wahren 
chriſtlichen Religion. In der morgenlaͤndiſchen Kir⸗ 
640. che war Johannes Philoponus zu Alexandrien der 
gelehrteſte und ſcharfſinnigſte Mann; er wurde aber 
auch des Tritheismus beſchuldigt. Unter den abend⸗ 
laͤndiſchen Chriſten hingegen hatte Iſidorus, Biſchof 
von Sevilien, noch etwas früher den Ruhm einer 
mannigfaltigen Wiſſenſchaft erlangt. Fuͤr die eifri⸗ 
gen Streiter gaben die Eutychianiſchen Haͤndel von 
Zeit zu Zeit neue Nahrung und Beſchaͤftigung. Der 
oft mißlungene Verſuch ſie beyzulegen, brachte die 
Lehre hervor, daß in Chriſto, nach der Vereinigung 
beyder Naturen, nur Ein Wille ſey: und war eben 
ſo fruchtlos. Denn diejenigen Rechtglaͤubigen welche 
dieſes behaupteten, wurden von andern unter dem Nah⸗ 
men der Monotheleten als Ketzer verabſcheuet; wenn 
gleich der Roͤmiſche Biſchof Honorius ſelbſt darunter 
638. war. Vergebens ſuchten die Kayſer Heraclius und 
648. Conſtans einen Vergleich unter den Partheyen zu 
ſtiften. Conſtantinus der Baͤrtige ſah ſich endlich 
680. gezwungen, eine allgemeine Kirchenverſammlung 
zu Conſtantinopel halten zu laſſen, welche die 307 
notheleten mit andern ſogenannten Ketzern ver⸗ 
dammte. Sie erhielten ſich aber dennoch viele Jahr⸗ 
hunderte lang unter den Maroniten am Gebirge Li⸗ 
banon. Noch wurde bald darauf eine neue allge- 
691. meine Kirchenverſammlung zu Conſtantinopel 
angeſtellt, welche man die ergaͤnzende der vorherge— 
henden fünften und ſechſten nannte, weil fie die auf 
dieſen beyden Verſammlungen nicht beruͤhrte Kirchen« 
verfaſſung durch viele Verordnungen beſtimmte. Eine 
ähnliche Sorgfalt für die Kirchenzucht machte um dieſe 

Zeit dem Theodorus, Erzbiſchof von Canterbury, 25 5 

a ange 


62 


» 


La 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 23 


„Lange ſchon war nun alle Hoffnung verloren, daßc m 
der chriſtliche Aberglauben zernichtet oder nur ſehr ver⸗T. G. 
mindert, und das alte ungekuͤnſtelte Chriſtenthum wie⸗ 
der hergeſtellt erden moͤchte. Mit dem Anfange des 
achten Jahrhunderts geſchah ein neuer Angriff auf 
denſelben: und er behauptete ſich auch gegen dieſen. 
Da die gottesdienſtliche Verehrung der in den Kirchen 
ſelbſt aufgeftellten Bilder der göttlichen Dreyeinigkeit, 
der Apoſtel und anderer vor heilig geachteten Chriſten, 
nunmehro ihre ganze Hoͤhe erreicht hatte: ſo befohl der 
Kayſer von Conſtantinopel, Leo der Iſaurier, daß 726. 
alle dieſe Bilder aus den Kirchen weggenommen, und 
durchaus nicht mehr angebetet werden ſollten. Das 
Mißvergnuͤgen und der Widerſpruch, die auf ſeinen 
Befehl erfolgten, aͤußerten ſich zu Rom am heftigſten, 
wo der Biſchof Gregorius der zweyte, dieſen ſei⸗ 
nen Landesfuͤrſten vor einen Ketzer und Feind der Kir— 
che deswegen erklaͤrte. Wie Leo, waren auch ſeine 
Nachfolger in der Regierung geſinnt: unter welchen 
Conſtantinus Copronymus die anftöffige Bilder⸗ 
verehrung durch eine allgemeine Firchenverſamm⸗ 784. 
lung zu Conſtantinopel verwerfen ließ. Allein ſie 
hatten auch manchen unruhigen Widerſtand der Geiſt⸗ 
lichkeit und des Poͤbels in ihrem Reiche daruͤber zu 
daͤmpfen. Endlich ließ die Kayſerinn Irene auf ei⸗ 
ner ebenfals Ikumeniſch oder allgemein genannten787. 
Kirchenverſammlung zu Nicaͤa den Bilderdienſt 
in der griechiſchen Kirche wieder einführen. Die Nös 
miſchen Biſchoͤfe waren demſelben immer guͤnſtig ge« 
blieben; allein die Lehrer des fraͤnkiſchen Reichs dach⸗ 
ten davon ohngefaͤhr wie die erſten Chriſten. Drey⸗ 
hundert derſelben kamen daher auf Befehl Carls, K5:794 
nigs der Franken, zu Frankfurt am Mapn zuſam⸗ 
men, wo ſie den Schluß faßten, daß man zwar die 
Bilder in den Kirchen beybehalten koͤnne; aber ihnen 

B 4 gar 


24 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


F gar keine aberglaͤubiſche Verehrung erweiſen duͤrfe. 
860 Zur Beſtaͤtigung dieſer Denkungsart ließ Carl auch 
ein beſonderes Buch wider die letzte Nicaͤniſche Kir⸗ 
chenverſammlung ſchreiben; aber ſelbſt die Roͤmiſche 
Kirche blieb doch ferner dem Bilderdienſte ergeben. 


Dieſe lange und mit ſehr feindſeeligen ares 
geführte Streitigkeiten hatten fogar unerwartete Fol⸗ 
gen in dem Fuſtande der Boͤmiſchen Biſchoͤfe, 
und der Oberherrſchaft von Rom. Gregorius der 

zweßte und der dritte reitzten durch ihren verketzern⸗ 
den Widerſtand gegen die der Bilderverehrung abge⸗ 

730. neigten Kayſer zu Conſtantinopel, die Untertha⸗ 
nen derſelben zu Rom und in der benachbarten Gegend 
zur Empoͤrung. Als darauf die Kayſer ihr Anſehen 
daſelbſt allmaͤhlich verloren, und dagegen die Lango⸗ 
bardiſchen Könige das Gebiet derſelben in Italien 
zum Theil eroberten, auch bereits Rom ſelbſt bedroh⸗ 
ten: begaben ſich die Roͤmiſchen Biſchoͤfe unter den 
Schutz des Fraͤnkiſchen Reichs. Sie waren dem maͤch⸗ 

75. tigſten Herrn in demſelben, dem Pipinus, befoͤrder⸗ 

lich, das regierende koͤnigliche Haus vom Throne zu 
entfernen, und ihn ſelbſt zu befteigen, Der neue Koͤ⸗ 
nig ſchenkte dagegen dem Biſchof Stephanus 
und ſeinen Nachfolgern ein Stuͤck von Italien laͤngſt 
des Adriatiſchen Meeres, das er den Langobarden ent⸗ 
riſſen hatte, und das eigentlich den griechiſchen Kay⸗ 
fern gehörte. Solchergeſtalt wurden die Roͤmiſchen 
Bifchöfe zuerſt weltliche Fuͤrſten in Italien. Die 
tiefe Ergebenheit gegen ſie verhinderte die Chriſten, 
das Widerſinnige in dieſer Verwandlung eines chriſtli⸗ 
chen Lehrers zu bemerken. Auch erdachte man, um 
dieſelbe zu mildern, aͤltere Schenkungen dieſer Art, 
die den Roͤmiſchen Biſchoͤfen wiederfahren waͤren, und 
Gottgefaͤllige Bewegungsgruͤnde derſelben. 9 
n 


75 


a 


Jahrbuch des Zweyten Zeitraums. 25 


Sohn des Pipinus, beſtaͤtigte und erweiterte, nach⸗ L. 
dem er ſich das Langobardiſche Reich völlig unterwor-774. 
fen hatte, die Freygebigkeit ſeines Vaters gegen die 
oftgedachten Biſchoͤfe; doch kamen dieſe eben vermit⸗ 
telſt aller dieſer Veraͤnderungen, deſto mehr unter die 
Hoheit der Fraͤnkiſchen Koͤnige. Sie blieben auch 
darunter, nachdem Rom und die benachbarten Gegen⸗ 

den ſich völlig von der Gewalt der griechiſchen Kayſer 
loßgeriſſen, und unter die Fraͤnkiſche begeben hatten, 
endlich aber das abendlaͤndiſche Kayſerthum, aufg oo. 
den Beſitz von Rom gegründet, nach dem Wunſche 
der Roͤmiſchen Großen, unter welchen der dortige 
Biſchof der vornehmſte war, von Carln wieder 
hergeſtellt worden war. 


Neben dieſem Zuwachſe an weltlicher Macht, ges 
wannen die Roͤmiſchen Biſchoͤfe auch in Anſehung ih⸗ 
res geiſtlichen Gebietes, indem es durch die meiſten 
Bekehrungen heidniſcher Völker in den Abend⸗ 
laͤndern vergroͤßert wurde. Beſonders verpflichteten 
fie den Engländer Winfried, dem fie den Nahmen us. 
Bonifacius ertheilten, durch einen Eid, daß er den 
Roͤmiſchen Biſchoͤfen und ihrer Kirche ſtets gehorſam 
und getreu bleiben wolle. Bonifacius, der unter 
den Frieſen, Heſſen und Thuͤringern den chriſtli⸗723. 
chen Glauben mit ziemlichem Erfolge predigte, und 
ſich dadurch den Nahmen des Apoftels der Deutz 
ſchen erwarb, wandte auch wuͤrklich alles an, um 
ſowohl die von ihm geſtifteten chriſtlichen Gemeinen, 
als die aͤltern Deutſchen, den Befehlen der Roͤmiſchen 
Biſchoͤfe zu unterwerfen. Seine Bekehrungen waren 
unterdeſſen die Frucht von Ueberzeugung oder Ueberre⸗ 
dung; aber der fraͤnkiſche Koͤnig Carl noͤthigte andere 
Voͤlker mit den Waffen in der Hand das Chriſtenthum 
anzunehmen. So ergieng es den Avaren, welche 

N B 5 im 


„36 Zweyter Zeitraum der chriſtl. Kircheng. 


& Tim jetzigen Ungarn ihren Wohnplatz hatten, und vor⸗ 
T. G. zuͤglich den Sachſen, deren tapferſter Heerfuͤhrer Wi⸗ 
785. tekind ſich taufen ließ, als er Carls Gluͤcke nicht laͤn⸗ 
ger widerſtehen konnte. | } 

ö ö A 

Obgleich aber die Chriſten dieſer Zeit uͤber die Re⸗ 

ligion und die Beſtimmung ihrer Lehrer, viele ſchaͤdliche 
Vorurtheile hegten; ſo blickte doch nach und nach ein 
Anſchein von mehrerer Aufklaͤrung unter ihnen hervor. 
Johannes Damaſcenus, ein Mönd und Prieſter 
750. in Palaͤſtina, philoſophirte beſſer als man unter den 
chriſtlichen Theologen ſeit Jahrhunderten gewohnt war, 
über ihre Glaubenslehre, und errichtete ſolchergeſtalt 

das erſte kunſtmaͤſſig zuſammenhaͤngende Lehrgebaͤude 
724. derſelben. In England munterte Beda der Ehr⸗ 
wuͤrdige durch feinen ungemeinen Fleiß und nuͤtzliche 
Schriften, die Liebe zu den Wiſſenſchaften ſehr nach⸗ 
druͤcklich auf. Daher kam auch bald darauf aus eben 
dieſem Lande ein ſehr gelehrter und ſcharfſichtiger Mann, 

780. Alcwin oder Alcuinus, dem Religion und Gelehrſam⸗ 
keeit uͤberaus viel zu danken haben. Carl, Koͤnig der 
Franken, ſelbſt ein eifriger Freund von beyden, be= 
diente ſich ſeiner gluͤcklich zu dieſer Abſicht in dem 
fraͤnkiſchen Reiche. Er zog auch den Paullus Dia⸗ 
conus dazu hervor, arbeitete kraͤftig daran, die 
Geiſtlichkeit uberhaupt gelehrter und froͤmmer zu ma⸗ 
chen, und gab ſelbſt ein lehrendes Beyſpiel davon. 
Seine glänzende, an Thaten jeder Art reiche Regie— 
rung am Ende dieſes Zeitraums, verbreitete ſchon ein 
Licht, deſſen ſich die folgenden Chriſten nur frey be⸗ 
dienen durften, um die verlorne edle Einfalt und Ge« 
meinnuͤtzlichkeit ihrer Religion nach und nach wieder 

zu erlangen. 2 

2 ke En 


Aus⸗ 


1 | 27 
ausfäbelihe Geſchichte 17 2 


des 


werten Zeitraums. 
Erſtes Buch. | 


Geſchichte der chriſtlichen Religion und 
Kirche unter der Regierung 
Conſtantins des Groſſen. 


Vem 3 306. bis zum J. 337. 


7 


5 ie chriſtliche Religion hatte ſich nunmehro drey⸗ 

hundert Jahre hindurch in der Welt erhalten: 
N und ſie war durch Pruͤfungen aller Art gegan⸗ 
gen. Ihr goͤttlicher Urſprung, ihre wahre Natur, 
Abſicht und Nutzbarkeit, die Befoͤrderungsmittel und 
die Hinderniſſe ihrer beſten Ausuͤbung, alles dieſes 
haͤtte nicht deutlicher, als eben unter den Schickſalen, 
welche ſie bisher betroffen hatten, entwickelt werden 
koͤnnen. Freunde und Feinde derſelben auf alle kuͤnf⸗ 
tige Zeiten konnten ſie daraus beurtheilen und gebar 
chen lernen. 


Unter ſo vielen merkwuͤrdigen Umſtaͤnden aber, 
die dieſer ihrer erſten Geſchichte eigen ſind, iſt es einer 
der betraͤchtlichſten, daß ſich in dieſen Jahrhunderten 
kein maͤchtiger Fuͤrſt zu derſelben bekannt, keine zahl⸗ 
reiche bluͤhende Nation ſie ganz zu ihrem herrſchenden 
Glauben gemacht hat. Haͤtte fie dieſen Vortheil frühe 
zeitig erlangt: ſo wuͤrde man ihren ſchnellen Fortgang 

unter 


28 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


nl unter den Menſchen mit Recht hauptſaͤchlich von einer 
G. ſolchen Unterſtuͤtzung der unwiderſtehlichen Gewalt und 
306 des hinreiſſenden Beyſpiels herleiten muͤſſen. Sie 
is würde alsdenn auch den Vor fen oder doch dem 
337. Verdachte ausgeſetzt bleiben, daß ihre gute Aufnahme 
wohl ein Werk der Staatsklugheit, oder des Eigenſin⸗ 
nes und der Einfälle eines Regenten geweſen ſeyn 
moͤchte; daß ihre Lehren eben nur fuͤr einen gewiſſen 
Himmelsſtrich, und das darunter wohnende Volk, ein⸗ 
gerichtet geweſen waͤren, von welchem ſie die uͤbrige 
Welt durch Ueberredung, Nachahmung, oder durch 
Huͤlfe mancherley Verbindungen, empfangen hätte, 
Das Chriſtenthum blieb vielmehr lange Zeit voͤllig ſei⸗ 
ner eigenen Staͤrke und Wuͤrkſamkeit uͤberlaſſen. Es 
ſtand gerade bey ſeinem ſchwachen Anfange Verfolgun⸗ 
gen aus, die ihm den Untergang drohten: und genoß 
nachmals zuweilen den Schutz der Kayſer, als es voll⸗ 
kommen im Stande zu ſeyn ſchien, ſich ſelbſt fortzu⸗ 
helfen. In den erſten hundert Jahren ſeines Auf⸗ 
kommens wurde es weder durch Gelehrſamkeit, noch 
durch Witz und Beredſamkeit, empfolen; als aber ſeine 
Anhaͤnger dieſe Gaben zuerſt an ſich blicken ließen, wa⸗ 
ren ihnen die Heiden, deren Religion ſie beſtritten, 
noch eine Zeitlang darinne uͤberlegen: und ſie baueten 
auch auf den Gebrauch derſelben nicht vornemlich die 
Ausbreitung der ihrigen. Alles was die Chriſten an 
ihrer Religion kuͤnſtelten, behielt nicht nur das Merk. 
mal einer menſchlichen Erfindung bey; es ſtiftete auch 
weit geringern Nutzen. Die Streitigkeiten und Par⸗ 
theyen, durch welche ſie immer mehr zerruͤttet wurden, 
konnten der Ehre und ſelbſt der unverfaͤlſchten Rich⸗ 
tigkeit ihres Glaubens, großen Abbruch thun. Es 
mangelte ihnen an einer allgemeinen Verbindung, die 
zur Vertheidigung deſſelben nothwendig zu ſeyn ſchien. 
Ihre Sitten ſtimmten, ſo weit ſie demſelben gemaͤß 
waren, 


Zuſtand der chriſtl. Religion und Kirche. 29 


waren, zu wenig mit den herrſchenden und durchge "= 
hends beliebten überein, als daß ſie ihn hätten empfe⸗ T G. 
len koͤnnen. Endlich begiengen die Chriſten uͤberhaupt 306 
fo manche, obgleich gutgemeinte Fehler, und ihre Leh- bis 
rer miſchten fo viele ihrer Einfälle unter die Erflärung 337. 
der Religion, daß dieſe dadurch einiges leiden konnte. 
Gleichwohl nahm ſie ihren Gang noch immer ungehin⸗ 

dert fort, arbeitete ſich uͤber alte und neue Schwierig⸗ 
keiten hinaus, und war nach dreyhundert Jahren noch 
eben ſo ſtark und eindringend, bewährter in ihren wohl⸗ 
thaͤtigen Wuͤrkungen, und für redliche Forſcher nach 
ihren wahren Grundſaͤtzen eben ſo leicht durchzuſchauen, 

als zu den Zeiten ihrer Stiftung. 


Es war alſo fuͤr das Chriſtenthum ſo wenig ein 
Ungluͤck geweſen, keinen Kayſer unter ſeinen Beken⸗ 
nern gehabt zu haben, daß vielmehr dadurch ſein ſtets 
vergroͤßertes Wachsthum deſto bewundernswuͤrdiger 
wurde. Aber vielleicht hätte es ihm auch Schaden 
gebracht, wenn es eher von den Fuͤrſten waͤre ange⸗ 
nommen worden. Zwar konnte dieſe Religion, nach 
ihrer urſpruͤnglichen Einrichtung aͤußerliches Gluͤck, 
Ehre und Wohlſtand allerdings vertragen; allein wie 
bald ein ſolcher Zuſtand ſie einer Menge ihrer Anhaͤn⸗ 
ger gleichguͤltig zu machen im Stande ſey, das hatte 
die Erfahrung bereits gelehrt. Daher eben, weil 
Bedraͤngniſſe oder doch Furcht und Unruhen meiſten⸗ 
theils uͤber den erſten Chriſten geſchwebt hatten, war 
ihnen die Huͤlfe der Religion deſto nothwendiger, und 
von ihnen auch um ſo viel lebhafter empfunden worden. 
Ihre Lehrer, die zum Theil bereits gebieteriſch und 
herrſchſuͤchtig zu werden anfiengen, blieben während ei⸗ 
ner unangenehmen oder doch zweydeutigen Verfaſſung, 
deſto laͤnger beſcheiden. Ihre Religion lief noch nicht 
Gefahr, in Hofcaͤrimoniel und Pracht der großen 

Welt 


30 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
n Welt verwandelt zu werden. Ueberhaupt aber er⸗ 
a laubten ſich die Chriſten deſto weniger viele Freyheiten 
306 der Einbildungskraft und des Leichtſinnes in der Vor⸗ 
bis ſtellung oder Ausuͤbung ihrer Religion, ſo lange ſie 
337. nicht von ſchlimmen Beſorgniſſen, feindſeeligen Beob⸗ 
achtungen, vergiftenden Verleumdungen, und will⸗ 
kuͤhrlichen Bedruͤckungen entledigt, noch nicht in dem 
Stande der ruhigen Gluͤckſeeligkeit und Bequemlich⸗ 
keit waren, den nur die uneingeſchraͤnkte Gunſt der 
hoͤchſten weltlichen Macht hervorbringen kann. Die 
Zeit da ſie in dieſen Stand traten, kam: und ſie wa⸗ 
ren genugſam auf dieſelbe vorbereitet. 


rd 


Suftand der Welt 


zu der Zeit, 


als die chriſtliche Religion im mömiſche 
Reiche die herrſchende wurde. 5 


Ne hatte es zwar beym Anfange diefes; Zeitraums 
nicht das Anſehen, daß eine ſolche Veraͤnde⸗ 
rung bevorſtuͤnde. Eine der heftigſten Verfol⸗ 
gungen uͤber die Chriſten, vom Diocletianus geſtif⸗ 
tet, war von dem Kayſer Maximianus Galerius, 
und von den beyden ihm ergebenen Caͤſars, Seve⸗ 
zus und Maximinus, ſowohl in dem ganzen morgen« 
laͤndiſchen Theil des Roͤmiſchen Reichs, als in den Abend» 
laͤndern, ausgenommen Britannien, Spanien, Gallien 
und das Roͤmiſche Germanien, bisher fortgeſetzt wor⸗ 
den. Der Kayſer Conſtantius Chlorus, der in 
den ebengenannten Laͤndern ſeiner Herrſchaft die wo 

en, 


Zuſtand der Welt. 31 


ſten, denen er guͤnſtig war, einer völligen Ruße genießen 
ließ, ſtarb im Jahr 306. Sein Sohn Conſtantinus, d. N 
der ihm als Caͤſar in ſeinem Gebiete, und bald auch 300 
in der kayſerlichen Würde nachfolgte, war ein Fuͤrſt ! dis 
von ausnehmender Hoffnung, und von dem ſich die 337. 
Chriſten eine gleiche Gewogenheit, wie von ſeinem 
Vater, wahrſcheinlich verſprechen konnten. Aber an 
Macht war ihm Galerius, ihr furchtbarſter Feind 
ſeit vielen „Jahren, weit überlegen: und wenn gleich 
Marentius, ein Sohn des ehemaligen Kayſers Ma⸗ 
ximianus, ſich noch im Jahr 306. zu Rom zum Kayſer 
aufwarf, auch ſeinen Vater beredete, die Krone wieder zu 
ergreifen; fo hatten doch die Chriſten davon nur einen 
geringen Vortheil. Dieſe benden Fuͤrſten behaupteten 
ſich gegen den Galerius; Severus, den er ihnen 
entgegen ſetzte, wurde im Jahr 307. gefangen und 
hingerichtet. Nun ernannte Galerius den Licinius 
zum Kayſer; aber fein eigener Neffe Maximinus ließ 
ſich ebenfals von den Kriegsvoͤlkern zum Kayſer aus— 
rufen: und ſo wurde das Reich nunmehr von ſechs 
Fuͤrſten regiert. Alle dieſe bekannten ſich zur. heidni- 
ſchen Religion, die auch unter den Großen und allen 
Staͤnden ſo ausgebreitet und feſtgegruͤndet, mit der 
Staatsverfaſſung ſelbſt ſo genau verbunden war, daß 
noch kein Anzeichen vorhanden war, ſie wuͤrde dem 
Chriſtenthum in kurzem weichen muͤſſen. 
Unterdeſſen folgten neue Veraͤnderungen in dem Zu⸗ 
ſtande dieſes Reichs plöglich auf einander. Indem ſich ein 
jeder der erſtgedachten Kayſer in ſeinem Landesantheil zu 
befeſtigen, und durch Verbindungen gegen die uͤbrigen zu 
ſtaͤrken ſuchte: verurtheilte Conſtantinus im Jahr 310. 
feinen Schwiegervater, den Kayſer Maximtanus, 
der ihm das Leben zu rauben ſuchte, zu einem ſelbſt 
zu waͤhlenden Tode. In dem folgenden Jahre Gale 

8 ale⸗ 


32 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Galerius aus der Welt: und gleich darauf kam es 
N zwiſchen dem Conſtantinus und Waxentius zum 
06 Kriege. Dieſer koſtete im Jahr 312. dem letztern 

Bis das Leben, und erwarb dem Conſtantinus Italien 

337. nebſt dem eigentlichen Roͤmiſchen Africa. Ein glei⸗ 

ches Schickſal hatte Maximinus im Jahr 313. ges 
gen den Licinius; ſo daß von dieſer Zeit an Con⸗ 
ſtantinus den abendlaͤndiſchen Theil des Roͤmiſchen 
Reichs, und Licinius den morgenlaͤndiſchen allein 
beherrſchten. Aber auch dieſen beyden war ein getheil⸗ 
tes Reich zu klein fuͤr ihren Ehrgeitz: ſie bekriegten 
ſich mehr als einmal; und zuletzt blieb Conſtantinus 
im Jahr 323. durch die Gefangennehmung des Liz 
cinius, den er auch bald darauf hinrichten ließ, der 
einzige Herr im Roͤmiſchen Reiche. So vieler Thei⸗ 
lungen, Mißhelligkeiten und innerlicher Unruhen ohn⸗ 
geachtet, erhielt ſich dieſes Reich ziemlich in der Staͤrke, 
die ihm Diocletianus wieder gegeben hatte. Conſtan⸗ 
tinus ſicherte es durch feine Tapferkeit, Kriegserfahs 
rung und kluge Anſtalten gegen die Einfälle der bes 
nachbarten Voͤlker, traf viele nuͤtzliche und neue Ein⸗ 
richtungen in demſelben, verlegte unter andern den 
Sitz des Reichs von Rom nach Byzantium, das von 
ihm Conſtantinopel genannt wurde, und regierte mit 
mehrerm Anſehen, als die meiſten der vorhergehen⸗ 
den Kayſer. 


Das Perſiſche Reich war noch ferner, wie in 
dem Erften Zeitraum dieſer Geſchichte, der gefaͤhr⸗ 
lichſte Feind der Roͤmer in den Morgenlaͤndern. Es 
wurde von ihnen durch den Tigris geſchieden, und 
beunruhigte ſie waͤhrend der Regierung Conſtantinus 
nicht. Auch von der andern oder abendlaͤndiſchen Sei⸗ 
te, wo das Roͤmiſche Reich ſonſt beynahe unaufhoͤr⸗ 
lich durch die Einbruͤche der Germaniſchen vn 

gelite 


Zuſtand der Welt. 33 


gelitten hatte, genoß es dieſe dreyſſig Jahre hindurch 
einen ziemlich dauerhaften Frieden. Hier hatten die . . 
Gothen, von dem ſchwarzen Meere an, laͤngſt der - 306 
Donau bis an die Theiß, ein mächtiges Reich errich- bis 
tet; unter und neben ihnen, die Donau weiter hinauf, 337. 
ſaßen verſchiedene andere deutſche Voͤlker, am Rheine 
inſonderheit die Franken und Alemannen, und ges 

gen den Ausfluß deſſelben, die Sachſen und Frieſen. 
Die Siege welche Conſtantinus uͤber einige derſel— 

ben erfochten hatte, und der Ruhm feines Nahmens, 
hielten ſie von ihren alten Anfaͤllen auf das Reich zu— 
ruͤck; auch verhinderte er es eben ſowohl, daß viele 
tauſend derſelben, die ſich bereits darinne niedergelaſſen 
hatten, oder von ihm ſelbſt darein aufgenommen wur— 
den, demſelben keinen Schaden zufuͤgen konnten. 


Die herrſchende Religion der Roͤmer und Grie⸗ 
chen, auch aller uͤbrigen gedachten Volker, war im⸗ 
mer noch die heydniſche. Obgleich ihr Auſehen und 
ihre Verehrer bisher durch das Chriſtenthum ſehr ver— 
mindert worden waren; ſo findet man doch nicht, daß 
ſie um dieſe Zeit im Ganzen gereinigtere Begriffe ange⸗ 
nommen hätte, die ihr bey einer fo dringenden Vers 
anlaſſung hoͤchſt nothwendig geworden waren, wenn 
fie nicht zuletzt gänzlich fallen ſollte. Sie hatte unter⸗ 
deſſen an der Verjaͤhrung ſo vieler Jahrhunderte, an der 
eingewurzelten Gewohnheit und Erziehung der Voͤlker, 
an den Geſetzen durch welche ſie beſchuͤtzt wurde, dem 
Einnehmenden ihres aͤußerlichen Caͤrimoniel, der Meis 
nung von ihrer unzertrennlichen Verbindung mit dem 
Wohl des Staats, und andern Denkungsarten oder 
Anſtalten, eben fo viele Stuͤten. Für die Gelehrten 
und uͤberhaupt die nachdenkenden Koͤpfe unter den Hey⸗ 
den, blieb die Philoſophie eine Zuflucht gegen die übel 
sufaımenpängenben Grundſaͤtze ihrer Religion. Ei⸗ 

V. Cheil. C niges 


34 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


w niges davon erklaͤrten ſie allegoriſch, hauptſaͤchlich um 
g. ihren Witz zu uͤben: und die Unterſuchungen, welche 
06 fie über die Natur, die Eigenſchaften und Würfuns 

15 gen der Goͤtter und Geiſter anſtellten, ſcheinen doch 

337. in ihren Augen einen geringern Werth gehabt zu has 
ben, als Vorſchriften der Sittenlehre, in denen ſie ſich 
auch, bey aller uͤbrigen Verſchiedenheit von Meinun⸗ 
gen, am leichteſten vereinigten. 


Eben dieſe Philoſophie, eine nicht zu verach⸗ 
tende Fertigkeit in der Geſchichtbeſchreibung, und 
ein ſchimmernder Reſt der alten Beredſamkeit, wa⸗ 
ren es im Anfange dieſes Zeitraums, worauf die Ehre 
der Wiſſenſchaften und ſinnreichen Kuͤnſte bey 
den Griechen und Römern vornemlich ankam. Die 
beruͤhmteſten philoſophiſchen Sekten des Alter⸗ 
thums waren bis auf die Ariſtoteliſche, jetzt beynahe 
voͤllig geſunken; aber die eklektiſche oder neuplato⸗ 
niſche ſtand gerade in der Bluͤthe ihres Anſehens. 
Sie hatte dieſelbe am Ende des vorhergehenden Zeit⸗ 
raums durch den Geiſt des Plotinus und Porphy⸗ 
rius erreicht. Ein Schuͤler des letztern, Jambli⸗ 
chus, aus Syrien gebuͤrtig, behauptete die Ehre dies 
ſer Schule unter der Regierung des Conſtantinus. 
Er kam ſeinem Lehrer an philoſophiſcher und mathe⸗ 
matiſcher Gelehrſamkeit ziemlich gleich; man ſi ieht, 
daß er ſich außer der griechiſchen Philoſophie, auch in 
der aegyptiſchen und chaldaͤiſchen geuͤbt hatte. Aber 
er ſchreibt lange ſo deutlich, zierlich und angenehm 
nicht, als jener; doch läßt er auch nicht die Erbitte⸗ 
rung deſſelben gegen die chriſtliche Religion blicken. 
Die Zeiten, in welchen er lebte, hatten ihm, wie Eu⸗ 
napius, (ein ſpaͤterer Philoſoph von dieſer Parthey, 
der ihre Geſchichte beſchrieben hat, de vitis Sophitlar. 
p. 37. Baſil. 1596. 4.) geſteht, dieſe Vorſichtigkeit 

und 


Zuſtand d. Rel. u. Gelehrſamk. d. Heiden. 35 


und ſelbſt die Dunkelheit feines Vortrags empfolen. Ar 
Denn da die heydniſche Religion und ihre ſchlauern NG. 
Verfechter, die Philoſophen, damals beynahe ganz 306 
zu Grunde gerichtet wurden: war zuruͤckhaltende Be- bis 
ſcheidenheit und Verſchwiegenheit in Anſehung man- 337. 
cher ihrer Hauptlehren, eine nothwendige Pflicht fuͤr 
ſie geworden. Jamblichus vergaß dem ohngeachtet 
nicht, dem fallenden Heydenthum durch die von ſei⸗ 
nem Lehrer gebrauchten oder ihm eigenen Kuͤnſte, zu 
Huͤlfe zu kommen. Er ſchmuͤckte es mit ſcharfſinni⸗ 
gen Erklaͤrungen, und ſelbſt mit einer Nachahmung 
chriſtlicher Grundſaͤtze aus, damit es dieſen ſich deſto 
mehr naͤhern, und von den Chriſten nicht mit ſo vieler 
Staͤrke beſtritten werden moͤchte. Auch er fand am 
Pythagoras einen Wunderthaͤter, der Chriſto und 
den Apoſteln entgegengeſetzt werden koͤnnte. Seine 
Lebensbeſchreibung dieſes Philoſophen, in welcher 
er vieles aus der vom Porphyrius geſchriebenen ge= 
borgt hat, iſt zugleich mit dieſer am beſten vom Luz 
dolph Kuͤſter (zu Amſterdam 1707. 4.) herausge⸗ 
geben worden. Beſonders aber entwarf er in ſeinem 
Buche von den Geheimniſſen, das ſelbſt in einen 
Geheimnißvollen Vortrag eingehuͤllt ift, eine höhere 
Religionswiſſenſchaft, die ſeiner Abſicht nach die chriſt— 
liche ſehr verdunkeln und entbehrlich machen ſollte. Er 
entwickelte darinne, nach Aegyptiſchen, Chaldaͤiſchen 
und andern morgenlaͤndiſchen Lehrſaͤtzen, inſonderheit 
die Theurgie, oder die Kenntniß Gottes, der Goͤt⸗ 
ter und Daͤmonen, auch der mit ihnen zu errichtenden 
Gemeinſchaft, und dadurch zu erlangenden wunderthäs 
tigen Kräfte; lehrte auch zugleich vieles von der Vor— 
ſehung der Götter, vom Gebete, von Opfern, und 
damit verwandten Materien. Dieſen merkwuͤrdigen 
Verſuch für die heydniſche Religion zur Zeit ihres ans 
gehenden Verfalls, hat ga Gale zuerſt in der 
ö E 2 grle⸗ 


36 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Hnqriechiſchen Urſchrift mit einer lateiniſchen Ueberſetzung 
G. und gelehrten Anmerkungen, zu Orfort im Jahr 
306 1678. 4. ans Licht geſtellt. Allein Jamblichus 
bis gieng noch weiter als ſeine eklektiſchen Vorgaͤnger. Er 
307. ſtellte nicht bloß Wunderthaͤter unter den Heyden auf, 
und gab eine Anleitung zu dieſer uͤbernatuͤrlichen Fer⸗ 
tigkeit; er wußte ſich auch ſelbſt in den Ruf eines Hei⸗ 
ligen und Wunderthaͤters zu ſetzen. So wollten feine . 
Verehrer geſehen haben, daß er waͤhrend des Gebets, 
hoch uͤber der Erde geſchwebt, und in eine glaͤnzende 
Geſtalt verwandelt worden ſey; ingleichen, daß er 
zween Schutzgeiſter heißer Quellen hervor gerufen habe. 
Seine ungemeine Leutſeeligkeit und guͤtige Mittheilung 
gegen ſeine Zuhoͤrer, zog ihm ihrer deſto mehrere zu. 
So ſehr er jedoch bewundert worden iſt; ſo haben doch 
ſeine Schriften fuͤr Zeiten in denen aberglaͤubiſche 
Schwaͤrmerey, Leichtglaͤubigkeit, und raͤthſelhaft truͤbe 
Schreibart ihr Gluͤck nicht machen koͤnnen, weit mins 
der Reitzungen. Jamblichus ſtarb um das Jahr 
333, und hinterließ ſeine phitoſophiſche Parthey in 
einer ſehr mißlichen Verfaſſung. Ihre Mitglieder 
hielten ſich damals ſchon aus Furcht vor den Chriſten 
verborgen; auch drohte ihnen wuͤrklich eine harte Ver⸗ 
folgung. Einer feiner beruͤhmteſten Schüler, Sopa⸗ 
ter, wagte es, an dem Hofe Conſtantins zu erſchei⸗ 
nen, deſſen Eifer gegen die heidniſche Religion er 
durch ſeine Vorſtellungen Einhalt zu thun hoffte. Er 
wurde von dem Kanfer anfaͤnglich ſehr wohl aufgenom⸗ 
men; allein eben dieſes machte die Eiferſucht der Hof— 
leute rege: und als der Poͤbel, mißvergnuͤgt uͤber den 
Mangel an Getreide, deſſen Zufuhr die widrigen Winde 
verhinderten, rief, Sopater habe durch Zauberey die 
Winde gebunden, befohl der ſchwache Conſtantmus, 
um nicht in den Verdacht der Gewogenheit gegen die 
Heyden zu gerathen, daß man ihn hinrichten a sa 

ür 


Zuſtand d. Rel. u. Gelehrfamf.d. Heiden. 37 


Fauͤr die übrigen Wiſſenſchaften und Kuͤnſte der 
heidniſchen Griechen und Roͤmer, die ſich ohnedem d. g. 
ſchon lange in einem Stande der Mittelmäffigkeit be- 206 
fanden, hoͤrte mit dem Anfange dieſes Zeitraums die bis 
Aufmunterung immer mehr auf. Doch gieng die Reihe 337. 
der ſogenannten Geſchichtſchreiber der kayſerlichen 
Geſchichte hauptſaͤchlich fort, unter welchen Vopiſcus, 
Lampridius, und Julius Capitolinus jetzt lebten, 
und manche nuͤtzliche Nachrichten mit guter Geſchick⸗ 
lichkeit ſammleten. Die alte Boͤmiſche Bered⸗ 
ſamkeit ſchien durch diejenigen Redner, welche man 
die alten Panegpriſten nennt, und darunter Ta⸗ 
zarius inſonderheit während der Regierung des Con— 
ſtantinus in hohem Rufe ſtand, fortgepflanzt zu wer« 
den; aber es war mehr eine bloß wohlklingende Zu⸗ 
ſammenſetzung von feinen Redensarten und meiſten— 
theils ſchwuͤlſtigen Gedanken. Bey den griechiſchen 
Sophiſten zielten auch Witz und ſchoͤner Ausdruck oft 
nur dahin, ihren ſonderbaren Behauptungen Beyfall 
zu verſchaffen, oder wenigſtens in Erſtaunen zu ſetzen. 
Den zeichnenden und bildenden Kuͤnſten, die 
ſchon geraume Zeit von dem edelſten Geſchmacke et» 
was abgewichen waren, blieb doch an der Pracht des 
Goͤtterdienſtes noch eine ſtarke Nahrung uͤbrig; allein 
eben dieſe wurde ihnen nunmehro nach und nach ent— 
zogen. Ueberhaupt that ſich zu dieſer Zeit kein heidni⸗ 
ſcher Kayſer als einen ausnehmenden Kenner oder Be- 
ſchuͤtzer der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte hervor. Deſto 
unaufhaltſamer giengen fie jetzt, da auf der andern 
Seite ſo viele Vortheile beyſammen waren, von den 
Heyden zu den Chriſten über, Von dieſem Ueber⸗ 
gange ſchrieb ein vortrefflicher Gelehrter des ſechszehn⸗ 
ten Jahrhunderts, Wilhelm Budaͤus, ein merke 
wuͤrdiges Buch, (de tranſitu Hellenismi ad Chriſtia- 
nismum, Paris. 1556, 4.) in welchem er nicht nur 

C 3 ſehr 


38 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


g ſehr wohl zeigte, wie die heidniſche Gelehrſamkeit zum 

865 Beſten der chriſtlichen Religion zu nuͤtzen fen; ſondern 

306 auch einen durch viele Beyſpiele erlaͤuterten Vorſchlag 

bis that, ſelbſt den lateiniſchen Vortrag von chriſtlichen 

337. Religionslehren durch Uebertragung altroͤmiſcher Woͤr⸗ 
ter und Redensarten, auch inſonderheit aus der heid— 
niſchen Götter: und Fabellehre in denſelben, zierlicher 
und erhabener zu machen. Allein dieſer Vorſchlag 
fuͤhrte zu ſeltſame Veraͤnderungen mit ſich, als daß er 
haͤtte gefallen koͤnnen: und die alten Chriſten, die 
vielleicht durch eine ſolche Nachahmung den Heyden 
etwas gefaͤllig geworden ſeyn wuͤrden, waren vermoͤge 
ihres Abſcheues gegen alles was die Religion der Götz 
ter beruͤhrte, am weiteſten davon entfernet. 


Den Zuftand der Juden im Anfange dieſes 
Zeitraums kann man mehr als ertraͤglich nennen. In 
den meiſten Landern des Roͤmiſchen Reichs, beſonders 
gegen Morgen zu, und auch in Perſien, waren ſie 
noch ſehr zahlreich ausgebreitet, und genoſſen vieler 
buͤrgerlichen und kirchlichen Rechte. Ihr Patriarch 
war noch das Oberhaupt der zerſtreueten und ihrer 
alten Verfaffung beraubten Nation, in allem was 
Religion, Kirche und Wiſſenſchaften betraf; ja ſogar 
in der Ausuͤbung ihres buͤrgerlichen Geſetzes, ſo weit 
ſie ſich mit der Roͤmiſchen Regierung und ihren Um⸗ 
ſtaͤnden vertrug. Selbſt die Kayſer legten ihm an⸗ 
ſehnliche Ehrentitel (inlufter, clariſſumus) bey: die Geld⸗ 
beytraͤge welche ſonſt unter den Juden zum Beſten des 
Tempels zu Jeruſalem geſammelt worden waren, wur⸗ 
den immer noch an ihn gebracht: und unter ihm ſtand 
eine betraͤchtliche Menge von Aufſehern, Richtern und 
Lehrern. Darunter gehoͤrten auch die geringern Pa⸗ 
triarchen, die den Juden in gewiſſen Bezirken vor⸗ 
geſetzt waren. Außer ihren gottesdienſtlichen Ver⸗ 

ſamm⸗ 


Zuſtand der Juden. 39 


ſammlungshaͤuſern oder Synagogen, und Gerichten gd 
oder Synedrien, hatten die Juden auch noch genugz G. 
bluͤhende hoͤhere Schulen. Tiberias in Palaͤſtina, 306 
Sora, Pumbeditha und Nahardea im Baby: bis 
loniſchen, waren noch darunter die vornehmſten. Ob- 337. 
gleich die Auslegung des Moſaiſchen Geſetzes auf 
denſelben als ihre Hauptwiſſenſchaft getrieben wurde, 
und ihre Lehrer, welche um dieſe Zeit Amoraͤer hieſ⸗ 
ſen, ſich ſo fleiſſig mit der Erklaͤrung der Miſchnah 
beſchaͤftigen, daß man nachher aus dieſen ihren Are 
beiten die Gemara, oder den Commentarius uͤber 

die Miſchnah, zuſammenſetzte; ſo vernachlaͤſſigten 

ſie doch auch andere Gelehrſamkeit nicht voͤllig. Bald 
nach dem Anfange dieſes Zeitraums hatten ſie unter 
andern gelehrten Maͤnnern vorzuͤglich den juͤngern 
Rabbi Hillel, der gegen das Jahr 358. ihren Ka— 
lender in diejenige Ordnung gebracht hat, in welcher 

er ſich noch jetzt befindet. Uebrigens wurden auch die 
Juden in kurzem mit manchen Einſchraͤnkungen be— 
legt, die ihren bisherigen Bemuͤhungen, ſich unter 
den Chriſten auszubreiten, und ihrem oft bewieſenen 
Widerſtande gegen die Religion derſelben, ein Ziel ſetzten. 


— 


— — — —— — —— — —ę„—: 


Fortſetzung und Ende der Verfolgung 
der Chriſten 
durch 
die Kayſer Diocletianus und Galerius. 


ECC 


On dieſem Zuſtande der Voͤlker und Religionspar⸗ 
ns theyen, empfanden die Chriſten des Roͤmiſchen 

Reichs allein noch keine durchgaͤngige oͤffentliche 
N C 4 Ruhe 


8 


40 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


K.. Ruhe bey dem Bekenntniſſe ihres Glaubens. Vom 
€, G. Jahr 303. an, waren fie, wie man bereits ander- 
306 waͤrts (Th. IV. S. 474. fg. geleſen hat, auf Befehl 
bis des Diocletianus, faſt im ganzen Reiche verfolgt 
337: worden. Als dieſer Kayſer nebft feinem Mitregenten, 
dem Maximianus Herculius, im Jahr 305. die 
Regierung niederlegte, erfolgte hierinne eine betraͤcht⸗ 
liche Veraͤnderung. Zwar Galerius, welcher die Ver⸗ 
folgung eigentlich geftiftet hatte, und nunmehr der maͤch⸗ 
tigſte unter den Kayſern war, aͤnderte ſeine Geſinnungen 
nicht. Mit dem folgenden Jahr 306. aber wurden 
die abendländifchen Gegenden den Chriſten deſto guͤn⸗ 
ſtiger. Selbſt in dem Gebiete des Conſtantius 
Chlorus, der damals ſtarb, und es niemals verſtat⸗ 

tet hatte, daß fie geplagt wuͤrden, ſcheinen ſie alsbald 
mehr Freyheit durch feinen Sohn Conſtantinus er 
langt zu haben. Wenigſtens meldet Lactantius, (de 
mort. perſecnt. c. 24.) er habe gleich nach dem Antritte 
ſeiner Regierung die Chriſten ihrem Gotte und deſſen 
Dienſte wieder gegeben. Aber wenn dieſes die Be: 
deutung haben ſollte, daß fie unter feinem Vater kei⸗ 
nen oͤffentlichen Gottesdienſt haͤtten verrichten duͤrfen: 

ſo wuͤrde die Nachricht des Euſebius (de vita Conſt. 

M. L. I. c. 16.) der ausdrücklich das Gegentheil verſichert, 
mehr gelten muͤſſen, als der in dem gedachten Buche 
ohnedieß zu partheyiſch ſchreibende Lactantius. Außer⸗ 


dem ſtellte ſich auch Marentius anfaͤnglich als einen 


Freund der chrijtlichen Religion. Um dem Roͤmiſchen 
Volke hierinne gefaͤllig zu ſeyn und zu ſchmeicheln, ſagt 
Euſebius, (H. Eccl. L. VIII. c. 14.) befohl er feinen 
Unterthanen, die Chriſten nicht weiter zu verfolgen: 
er wollte ſich das Anſehen der Gottſeligkeit, und be⸗ 
ſonders einer Sanftmuth geben, welche die vorherge— 
henden Fuͤrſten nicht hatten blicken laſſen. Ueberhaupt 
aber erzaͤhlt eben dieſer Seſchehgeree (de Fa 
Palae 


u 


Fortſetzung u. Ende d. Verfolg. d. Dioclet. 41 


Palaeſt. c. 13.) daß die abendlaͤndiſchen Gegenden des cm. 
Reichs nur in den erſten zwey ganzen Jahren der Ver⸗ F. G. 
folgung gelitten haͤtten. 306 
t 
Man bat gemuthmaaßt, daß dieſe und andere 337 
Fuͤrſten, welche ſich um dieſe Zeit, zum wenigſten 
abwechſelnd, gegen die Chriſten gnaͤdig bezeigten, le— 
diglich ihrer Staatsklugheit dabey gefolgt waren, ins 
dem ſie ſich an der Liebe dieſer zahlreichen Parthey, 
eine gewiſſe Unterſtuͤtzung ihrer Macht haͤtten verſchaf— 
fen wollen. Es kann hier allerdings vorausgeſetzt 
werden, daß die Menge der Chriſten im Roͤmiſchen 
Reiche groß genug geweſen ſey, um bey Staatsver— 
aͤnderungen in einige Betrachtung gezogen zu werden. 
Ein Fuͤrſt inſonderheit, welcher, wie Maxentius, 
ſich gewaltſam des Throns bemaͤchtigte, und einem 
gefaͤhrlichen Kriege ausſetzte, wuͤrde nicht weislich ge— 
handelt haben, mit ihrer oder einer jeden andern ſtark 
ausgebreiteten Geſellſchaft Verfolgung den Anfang 
ſeiner Regierung zu machen; zumal da ſie ihm gar 
keine Hinderniſſe in den Weg legten. Er ſuchte auch 
offenbar mehr den Ruf des Glimpfs und der Duldung 
gegen eine Parthey, die in der Hauptſtadt ſelbſt zahl- 
reich war, und auch von vielen Heiden geſchaͤtzt wur— 
de, als daß er gehofft haͤtte, durch ihre Zuneigung 
und Huͤlfe den uͤbrigen Fuͤrſten des Reichs beſſer ge— 
wachſen zu ſeyn. Eben dieſes aber wird oft zu will— 
kuͤhrlich angenommen, daß die Chriſten dieſer Zeit 
bereits eine ſehr furchtbare Parthey ausgemacht haͤt⸗ 
ten, deren Beytritt oder Abgang entſcheidend geweſen 
waͤre, Scepter zu ertheilen, oder zu entreiſſen. Haͤtte 
man ſich erinnert, daß die anſehnlichſten Bedienungen 
nicht in den Haͤnden der Chriſten waren; daß eben dieſe 
in den Kriegsheeren, auf welche ſchon lange die ganze 
Staͤrke der Kayſer ankam, nur einen ſehr geringen 


C 5 Hauffen 


42 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Tn Hauffen ausmachten; daß ihnen keine Empörungen, 
&.6;, oder eine bewaffnete Widerſetzung gegen die Verfol- 
306 gungen, Schuld gegeben werden: ſo wuͤrde man auf 
bis dieſe Vermuthung weniger gebauet haben. Die Hey⸗ 
337. den waren noch in jeder Betrachtung die ſtaͤrkſten: 
und wenn die Chriſten durch brennenden Eifer, man⸗ 
che derſelben auch durch ſchwaͤrmeriſche Begeiſterung, 
in allem was ihre Religion betraf, kuͤhn und unter⸗ 
nehmend genug handelten; ſo blieben ſie doch im uͤbri⸗ 
gen verachtet, hielten ſich von den großen weltlichen 
Angelegenheiten entfernt: und nicht nur Geſetze, ſon⸗ 
dern ſelbſt der Wille einer Unterobrigkeit oder der Auf⸗ 
ſtand des Poͤbels waren noch hinlaͤnglich, tauſenden 
derſelben Freyheit, Guͤter und Leben zu nehmen. 


Daher ließ auch Galerius, mit dem Anfange die⸗ 
ſes Zeitraums, die von ihm erregte Verfolgung uͤber 
die Chriſten in den Morgenlaͤndern ferner fortgehen: 
und vielleicht hat fein Haß gegen den Conſtantmus 
und Marentius, von welchen ſie beſchuͤtzt wurden, 
gleichfals etwas dazu beygetragen, daß er ſie feindſeelig 
betrachtete. Maximinus, der Neffe des Galerius, 
der uͤber einige Aſiatiſche Provinzen und uͤber Aegy⸗ 
pten herrſchte, geſtattete den Chriſten zuweilen einen 
Stillſtand von Plagen; aber heftigere folgten bald 
darauf. Dieſer Fuͤrſt wird überhaupt als der laſter⸗ 
hafteſte, grauſamſte und dem heydniſchen Aberglauben 
ergebenſte von allen, welche damals die Chriſten druͤck⸗ 
ten, beſchrieben: freylich von chriſtlichen Schriftſtel— 
lern; (dem Euſebius, H. Eccl. L. VIII. c. 14. L. 
IX. c. 1. fq. und Lactantius, de mort. perfecut. 
c. 36.) die gewohnt find, von den heidniſchen Kayſern 
die ſchlimmſten Abſchilderungen zu machen. Nach ih— 
rem Berichte nahm Maximinus kein Geſchaͤfte vor, 
ohne daruͤber Wahrſagungen und Orakelausſpruͤche 

gehoͤrt 


Fortſetzung u. Ende d. Verfolg. d. Dioclet. 43 


gehört zu haben, vermehrte die Anzahl der Goͤtzenprie zn 
ſter, ertheilte einigen von ihnen außerordentliche Ehre F G. 
und Gewalt, ſelbſt eine Soldatenwache zur Vollſtre- 306 
ckung ihrer Befehle, und ließ ſie inſonderheit uͤber die bis 
Chriſten eine ſolche Aufſicht führen, daß fie dieſelben 337. 
an der oͤffentlichen Uebung ihrer Religion hindern, 
zum Opfern zwingen, ſelbſt gefangen nehmen, oder 
der Obrigkeit zur Strafe uͤbergeben konnten. Er gab 
Verordnungen, daß jedermann in feinem ganzen Ge— 
biete, ſelbſt die Weiber und Kinder, den Goͤttern in 
ihren Tempeln Opfer darbringen, und von der Obrig— 
keit, im Fall der Weigerung, dazu genoͤthigt werden 
ſollten. Die Verurtheilungen zur Arbeit in den Berg— 
werken, die Landesverweiſungen, die Beſchimpfungen, 
Martern und Lebensſtrafen von mancherley Art, höre 
ten vom Jahr 305. bis 308. unter den Chriſten ſeiner 
Laͤnder nicht auf: und als in dem letztern Jahre die 
Verfolgung aufzuhoͤren ſchien, wurde ſie ploͤtzlich (nach 
dem Euſebius, de martyrib. Palaeſt. c. 9.) durch 
einen neuen Befehl des Maximinus angefeuert. Die⸗ 
ſer war nicht nur eine wiederholte Einſchaͤrfung des 
vorigen; es mußten ſogar, Kraft deſſelben, alle Eß— 
waaren auf dem Markte, und alle die ſich in die oͤffent⸗ 
lichen Baͤder begaben, mit Opferwein beſprengt werden. 
Selbſt die Heyden fanden dieſe gewaltſamen Anſtalten 
nunmehro zu hart; aber die meiſten Chriſten ſtan— 
den noch immer lieber alles aus, als daß fie ihr Ge— 
wiſſen befleckt haͤtten. Wiederum milderte ſich am 
Ende des Jahrs 309. ihr Schickſal in Palaͤſtina fo 
ſehr, daß eine große Anzahl zu den Bergwerken ver— 
urtheilter an neuen Kirchen bauen konnten. Allein 
der Statthalter dieſer Landſchaft berichtete ſolches, als 
eine ungebuͤhrliche Freyheit, im Jahr 3 10. an den 
Kayſer: und ſogleich giengen die Leiden der Chriſten 
wieder an. 

End⸗ 


44 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Endlich brachte eine der ſchmerzhafteſten und ab⸗ 

Teh ſcheulichſten Krankheiten, die den Kayſer Galerius 
306 ein Jahr lang nach und nach verzehrte, wie Euſe⸗ 
bis bius (Hiſt. Eccl. L. VIII. c. 16. ſq.) und Lactantus 
337. (I. c. c. 33. q.) melden, den Chriſten die Hoffnung 
einer beſtaͤndigern Sicherheit zuruͤck. Kurz vor ſeinem 
Ende erkannte er, daß er den Chriſten Unrecht gethan 
habe, und ließ im Jahr 311. in feinem, auch der Kay⸗ 

ſer Conſtantinus und Licinius Nahmen, einen Be⸗ 
fehl zu ihrem Beſten zu Nicomedien bekannt machen. 
In dem Eingange deſſelben verſicherte er, daß er in 
der Abſicht, die alten Geſetze der Roͤmer und die herr 
ſchende Staatsreligion aufrecht zu erhalten, die Chriſten, 
welche ihre vaͤterlichen Gebraͤuche verlaſſen haͤtten, zu 
einer beſſern Denkungsart habe zuruͤck führen wollen. 
Denn ſie waͤren, ſagt er, von einem ſolchen Stolze und 
Unſinn ergriffen worden, daß fie ſich an den Gewohn⸗ 
heiten, die zum Theil von ihren Eltern eingeſuͤhrt 
worden, nicht begnuͤgt, ſondern jeder nach ſeinem 
Willkuͤhr und Einfall ſich Geſetze vorgeſchrieben, Dies 
ſelben beobachtet, und nach ihren verſchiedenen Mei⸗ 
nungen auch verſchiedene Sekten errichtet haͤtten. Da 
wir nun, ſo faͤhrt der Kayſer fort, eine Verordnung 
gaben, daß ſie zu den alten Vorſchriften zuruͤckkehren 
ſollten: ſo haben viele derſelben ſehr gelitten; nicht we— 
nigere haben voll Schroͤckens mancherley Todesarten 
ausgeſtanden. Weil wir alſo ſahen, daß viele, in— 
dem ſie bey ihrer Unvernunft verblieben, weder den 
himmliſchen Goͤttern den ſchuldigen Dienſt erwieſen, 
noch den Gott der Chriſten ehrten: ſo haben wir nach 
unſerer Menſchenliebe und gewoͤhnlichen Guͤtigkeit, 
— — erlaubt, daß alle Chriſten die Gebäude, in 
welchen ſie zuſammen kamen, wieder auf bauen duͤr⸗ 
fen; doch dergeſtalt, daß ſie nichts wider die oͤffent⸗ 
liche Religion vornehmen. — — Wegen dieſer un⸗ 
ſerer 


* 


Fortſetzung u. Ende d. Verfolg. d. Dioclet. 45 


ſerer Verguͤnſtigung aber ſind ſie ſchuldig, ihren Got 
um unfer Wohlergehen, um das Wohl des Staats F. G. 
und ihr eigenes, anzurufen, damit auf alle Art ſowohl 306 
der Staat unverletzt bleibe, als auch ſie ſorgenlos in bis 
ihren Wohnungen ſich aufhalten koͤnnen. — Es iſt 337: 
deutlich, daß Galerius hier nicht, wie es Euſebius 

und Lactantius erklaͤren, eine gerechte Strafe Gotz 

tes an ſich erkenne, und denſelben um Vergebung bite 

te; er geſteht nur, daß er mit den Chriſten hart und 
unvorſichtig verfahren habe: er hofft zugleich, durch 
ihre Fuͤrbitte bey ihrem Gotte wieder geſund werden 

zu koͤnnen. Die Chriſten dieſer Zeit haben freylich 
den elenden Ausgang dieſes Kayſers aus der Welt ein— 
muͤthig und ohne Bedenken vor eine goͤttliche Strafe 
ausgegeben; aber ein ſolches Urtheil iſt in der That 
übereilt, fo haͤuffig auch noch alle Tage ähnliche gefälle. 
werden. Bufinus, der (H. Ecel. L. VIII. c. 18.) 
dem kranken Kayſer von einem feiner Aerzte ankuͤndi⸗ 
gen laͤßt, der wahre Gott allein, den er durch die Ver⸗ 
folgung ſeiner Diener erzuͤrnet habe, koͤnne ihn von 
ſeiner Krankheit befreyen, ſcheint ebenfals dem Kay: 

ſer Geſinnungen beyzulegen, welche zwar die Chriſten 

bey ihm erwarten konnten; von denen ſich aber in ſei— 

ner Verordnung kein Merkmal findet. 


Dieſe that im Anfange ihre voͤllige Wuͤrkung. 
Mariminus ließ fie zwar in feinem Gebiete nicht aus⸗ 
fertigen; er unterdruͤckte ſie ſogar mit allem Fleiße; 
aber muͤndlich gab er doch ſeinen Großen Befehl, daß 
die Verfolgung der Chriſten aufhoͤren ſollte. Auch 
ſchrieb fein vornehmſter Staatsbedienter und Befehls— 
haber an alle Statthalter, daß, da die Kanfer gefun⸗ 
den haͤtten, die Chriſten ſetzten ſich durch ihren hart— 
naͤckigen Widerſtand gegen die kayſerlichen Verord— 
nungen, vielem Ungemach aus, ſie ihnen nunmehr 

die 


46 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


80 80 Freyheit ihres Gottes dienſtes verſtatten wollten. 

G. Die Chriſten kamen alſo ſogleich in den vollkommenen 

= Beſitz derfelben : und viele Heiden riefen beym Ans 

bis blicke dieſer unvermuthet großen Veraͤnderung mit Er— 

337. ſtaunen aus, der Gott der Chriſten ſey allein der große 
und wahre. 


Allein dieſes Gluͤck waͤhrte nicht ganz ſechs Mona⸗ 
the. Maximinus hatte nur aus Achtung, die er 
dem Galerius, feinem Oheim, ſchuldig war, die Vers 
ordnung deſſelben in feinen Laͤndern guͤltig werden laſ— 
fen. Da aber derfelbe kurz darauf geſtorben war, und 
Maximinus ſich in den von ihm beſeſſenen Reichsan⸗ 
theil dergeſtalt mit dem Licinius getheilt hatte, daß 
dieſer die Europaͤiſchen Provinzen, und er die Aſtati— 
ſchen davon bekam: handelte er nun wieder gaͤnzlich 
nach feiner Denkungsart. Zuerſt verbot er den Chri— 
ſten, ſich auf den Begraͤbnißplaͤtzen zu verſammeln. 
Darauf ſtiftete er die Einwohner von Antiochien und 
andern Städten an, ihm Vittſchriften zu übergeben, 
worinne ſie, als um die groͤßte Wohlthat, darum an⸗ 
hielten, daß den Chriſten nicht mehr vergoͤnnt werden 
moͤchte, unter ihnen zu wohnen. Die Statthalter er⸗ 
munterten die Unterthanen ebenfals, ſich dieſe Gnade 
auszubitten: und der Kayſer bewilligte ſie alsbald 
durch Verordnungen, welche auf eine ungewoͤhnliche 
Art in eherne Tafeln eingegraben, mitten in den 
Staͤdten dargeſtellt wurden. Er ſagte darinne, daß 
nun Krieg, Unfruchtbarkeit und andere Landplagen 
aufgehoͤrt haͤtten, ſeitdem die den Goͤttern verhaßte 
chriſtliche Religion ſich nicht mehr ſo ungehindert aus⸗ 
breiten koͤnne. In kurzer Zeit wurde alſo die Verfol⸗ 
gung im Jahr 311. wieder überaus heftig; Maxi⸗ 
minus ſuchte auch die Heyden auf alle Art gegen die 
Meißen zu erhitzen. Er ließ die erdichteten Nachrich⸗ 
ten 


Fortſetzung u. Ende d. Verfolg. d. Dioclet. 47 


ten des Pilatus, in welche man vieles zur Beſchim⸗ T= 
pfung Chriſti eingeruͤckt hatte, in allen Staͤdten und z. G. 
Dörfern bekannt machen; ſelbſt die Knaben mußten 306 
fie in den Schulen auswendig lernen und berfagen. bis 
Eben fo ließ er auch die einigen unzuͤchtigen Weibsper- 337. 
ſonen durch die Marter ausgepreßte Außage, welche 
viel Schaͤndliches von den Chriſten enthielt, uͤberall 
ausſtreuen. 


Dennoch ſchlugen alle dieſe Bemuͤhungen zu ſeiner 
Beſchaͤmung aus. So berichten es wenigſtens die 
chriſtlichen Schriftſteller, deren Nachrichten hier allein 
gebraucht werden koͤnnen: Euſebius, (Hiſt. Eccl. L. 
N. c. 1. ſq.) und Lactantius (de mortib. perſecut. 
c. 36. q.) Duͤrre, Hunger, Peſt, und eine Kranke 
heit, welche unzaͤhlichen das Geſicht raubte, ſtifteten im 
Jahr 312, ein allgemeines Elend in feinen Laͤndern, zu 
einer Zeit, da er ſich ihres Wohlſtandes, als einer 
Folge des Goͤtterdienſtes, ruͤhmte. Bey dieſem ge⸗ 
haͤufften Ungluͤcke, das die Heiden endlich betaͤubte, 
waren es die Chriſten zuletzt allein, welche die Todten 
begruben, und unter die Armen Brodt austheilten. 
Dieſes Betragen noͤthigte ihren Feinden ſelbſt den 
Preis des wahren Gottes, und Lobeserhebungen ſeiner 
Verehrer ab. Ein Krieg den Maximinus um gleiche 
Zeit mit den Armeniern anfieng , ſchlug ebenfals 
uͤbel aus. Dieſes Volk war ſchon lange unter den 
Bundsgenoſſen der Roͤmer, und ſeit den Zeiten des 
Diocletianus auch bereits chriſtlich geworden. Nach 
der Erzählung des Sozomenus (H. Eccl. L. II. c. 8.) 
ſoll ihr König Tiridates durch ein goͤttliches Wunder, 
das in ſeinem Palaſte vorfiel, dergeſtalt geruͤhrt worden 
ſeyn, daß er nicht nur ſelbſt das Chriſtenthum ange⸗ 
nommen, ſondern auch allen ſeinen Unterthanen be— 
fohlen habe, ein gleiches zu thun. Andere Nachrich⸗ 

ten 


48 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Kp ten (unter andern in Combefiſ. Auctar. Biblioth. Patr. 
G. #'Graecor. T. II. p. 287. fy.) ſchreiben die Bekehrung 
306 der Armenier einem Gregorius bey, der ihr erſter Bi⸗ 
bis ſchof geweſen fey, und von dieſem neuen lichte, das er 
337. unter fie brachte, den Ehrennahmen, der Exleuchter, 
(oder Lehrer) erhalten habe. Sein Nahme iſt wenigs 
ſtens in ſpaͤtern Jahrhunderten unter ihnen ſehr be— 
ruͤhmt geweſen; aber was die Heiligengeſchichten von 
ihm weitlaͤufig melden, verdient gar keinen Glauben. 
Dieſes Volk bekriegte Maximinus nur deswegen, 
um ihnen das Heidenthum mit den Waffen wieder 
aufzudringen. Allein fie ſchlugen ihn zuruͤck, und ver⸗ 
lieſſen auch das Roͤmiſche Buͤndniß. Man hat dabey 
angemerkt, daß dieſes der erſte Krieg geweſen ſey, der 
wegen der chriſtlichen Religion gefuͤhrt worden iſt. 


Derjenige in welchem eben damals Maxentius, 
der Bundsgenoſſe des Maximinus, ein fo trauriges 
Ende nahm, zeigte auch auf das Verhalten des letz— 
tern gegen die Chriſten ſogleich ſeinen Einfluß. Con⸗ 
ſtantinus und Licinius uͤberſandten ihm das Geſetz, 
welches fie im Jahr 312. gemeinfchaftlich für die Chri⸗ 
ſten gaben. MWaximinus wollte zwar daſſelbe nicht, 
gleichſam als einen fremden Befehl, in feinem: Ges 
biete bekannt machen; aber dennoch mußte er der 
Macht dieſer Fuͤrſten einigermaaßen nachgeben. Er 
ließ alſo an ſeine Befehlshaber ein Schreiben ergehen, 
welches Euſebius (H. Eccl. L. IX. c. 9.) aufbehalten 
hat. Darinnen ruͤhmte er ſich, daß, ohngeachtet 
Diocletianus mit Recht auf die Veraͤchter der Goͤt— 
ter Strafen geſetzt habe, weil faſt alle Menſchen zu 
der Sekte der Chriſten uͤbergegangen waͤren, dieſe 
doch von ihm auf das glimpflichſte behandelt wor⸗ 
den waͤren, ſo daß ſie durch ſeine Verordnungen 
nichts gelitten, und vielmehr auf feine Ermahnung 

zum 


Fortſetzung u. Ende d. Verfolg. d Dioclet. 49 


zum Theil wieder die heydniſche Religion angenommen < . 
hätten; bis er ſich genoͤthigt gefehen habe, den Stad. x 
ten ihre Bitte zuzugeſtehen daß ſich kein Chriſt bey 306 
ihnen aufhalten duͤrfte. Jetzt aber befiehlt er, wie bis 
er ſagt, von neuem, daß man zwar die Chriſten, wel- 337. 
che ſich zu dem Dienſte der Götter bekennen wollten, 
willig aufnehmen, hingegen fie dazu nur durch die ges 
lindeſten Mittel bringen ſollte. Doch die Chriſten 
traueten dieſem Befehle nicht, weil ihnen die Hebung 
ihres Gottesdienſtes durch denſelben nicht ausdruͤcklich 
verſtattet wurde. Im folgenden Jahre 313. da 
Maximinus in einen Krieg mit dem Licinius ge 
rieth, und eine gaͤnzliche Niederlage erlitt, befend er 
auch vor dienlich, ſich gegen die Chriſten noch guͤnſti⸗ 
ger zu erweiſen. Er beklagte ſich in einer neuen 
Verordnung, die man ebenfals berm Euſebius (l. e. 

c. 10.) antrifft, daruͤber, daß die erſtere von manchen 
Obrigkeiten unrecht verſtanden worden, und daher bey 
den Chriſten viel Mißtrauen uͤbrig geblieben ſey. Er 
ertheilte alſo den letzteren voͤllige Freyheit in Anſehung 
ihrer Religion; ſo daß ſie ſelbſt ihre Kirchen (ug. 
Sc wieder aufbauen koͤnnten. Auch ſollten ihnen 
ihre ehemaligen liegenden Gruͤnde, die 5 Befe bl des 
Hofs, an die Fanfsstiche Kammer , oder an andere 
Beſitzer gekommen waͤren, zuruͤckgegeben werden. 


Glaubt man dem Lactantius (de mort. perſe- 
cut. c. 46. 49.) fo hat Maximinus vor der Schlacht 
die er dem Licinius lieferte, dem Jupiter angelobt, 
die Chriſten gaͤnzlich auszurotten, wenn er darinne 
gluͤcklich ſeyn würde. Nachher aber, als er feine Ans 
gelegenheiten zu Grunde gerichtet ſah, nahm er Gift, 
und ſtarb unter vielen Schmerzen. Vorher verlor er 
noch ſeine Augen, erblickte in dieſem Zuſtande Gott 
mit den Engeln uͤber ſich Gericht halten, erkannte ſich 

V. Theil. D vor 


| 


50 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. . vor ſchuldig, und bat Chriſtum um Vergebung und 
G. Mitleiden. Allein die Erzählungen dieſes S Schriftſtel⸗ 
3 lers, der auf der andern Seite den Licinius durch einen 
bis Engel belehren laͤßt, wie er den Sieg erhalten koͤnne, 
337- find eben ſowohl, als die damit zum Theil uͤbereinſtim⸗ 
menden Nachrichten des Euſebius, verdächtig, und 
ſcheinen aus einer partheyiſchen Sammlung nachtheili⸗ 
ger Geruͤchte und gehaͤſſiger Folgerungen aus natürlichen 
Begebenheiten gefloſſen zu ſeyn. Beyde, infonders 
heit der erſtere, hatten ſich einmal vorgeſetzt, an einis 
gen Beyſpielen zu zeigen, wie augenſcheinlich die Ver⸗ 
folger der Chriſten durch einen ungluͤcklichen Todt von 
Gott beſtraft worden waͤren. Die Merkmale davon 
meinten ſie theils in einem gewaltſamen Ende, theils 
in außerordentlich ſchmerzhaften Krankheiten, Verluſt 
von Laͤndern, Macht und Anſehen, gefunden zu haben. 
Sie mußten aber dabey manche Vorausſetzungen und 
Schluͤſſe wagen, die keinen hiſtoriſchen Grund oder 
ſichere Zeugniſſe fuͤr ſich hatten. Es hat Verfolger 
der Chriſten genug gegeben, die gluͤcklich und ruhig 
aus der Welt gegangen find: und fie konnten es nach⸗ 
mals den Heyden eben ſo wenig verwehren, zu behau⸗ 
pten, daß die heftigern Feinde des Goͤtzendienſtes, 
wenn ſie ungluͤcklich wurden, dieſes durch die Rache 
der Goͤtter geworden waͤren. 


So endigte ſich im Jahr 312. die letzte große Ver⸗ 
folgung, welche uͤber die Chriſten in den erſten Jahr- 
hunderten ergangen war, nachdem ſie unter einigen 
ſtillen Zwiſchenraͤumen zehn Jahre lang fortgewaͤhrt 
hatte. Kaum hat man von einer der uͤbrigen eine ſo 
umſtaͤndliche Beſchreibung, und ſo viele Beyſpiele von 
Maͤrtyrern aus denſelben, die ein geitgenoje und Aus 
genzeuge felbft aufgezeichnet haͤtte. Euſebius, der 
dieſe Muͤhe in feiner Kirchengeſchichte, und 1 
| zuͤgli 


Fortſetzung u. Ende d Verfolg. d. Dioclet. 51 


zuͤglich in dem Buche von den Maͤrtyrern in Dar 
laͤſtina, übernommen hat, iſt deswegen getadelt wor- I N 
den. Man hat geurtheilt, daß er feinen Fleiß auf 306 
wichtigere Begebenheiten und Handlungen der Chri- bis 
ſten haͤtte wenden, auch bey den Maͤrtyrergeſchichten, 337. 
die er fo weitlaͤuſig erzählt, zuweilen weniger leicht— 
glaͤubig, und nicht immer ſo ſehr als Bewunderer, 
haͤtte ſchreiben ſollen. Dieſe Vorwuͤrſe ſind nicht ganz 
ungegruͤndet; ſie werden aber, wie manche aͤhnliche in 
den neuern Zeiten, viel hoͤher getrieben, als es noͤthig 
iſt. Wir ſtehen jetzt viel zu weit von dem Schau⸗ 
platze dieſer aͤlteſten chriſtlichen Geſchichte entfernt, und 
unſere heutige Europaͤiſche Verfaſſung iſt faſt in allen 
Stuͤcken der damaligen Roͤmiſchen und Chriſtlichen 
zu ſehr entgegen geſetzt, als daß wir über das Wich⸗ 
tige und Ruͤhrende von Nachrichten aus derſelben voͤl— 
lig ſo denken koͤnnten, wie die Chriſten dieſer Zeit. 
Ihnen mußte es auch noch lange darnach ein großer 
und edler Anblick ſeyn, die Leiden unzaͤhlicher ihrer 
Mitbruͤder, welche fie ihres Glaubens wegen ausges 
ſtanden hatten, und den harten Kampf, durch wel— 
chen man zu der folgenden Freyheit durchgedrungen 
war, auf das ſorgfaͤltigſte nach allen Umſtaͤnden bee 
ſchrieben zu ſehen. Jetzt hingegen ſieht vielleicht der 
alle Ruhe und Bequemlichkeit genieſſende Chriſt, bey 
dem oft, die Religion ausuͤben, nicht vielmehr heißt, 
als zu beſtimmten Zeiten in der Kirche ſitzen, in ſol— 
chen Erzählungen ſehr viel Kleines und Unbedeuten⸗ 
des; oder in dem Betragen der damaligen Chriſten 
Starrſinn und Menſchenſcheue Geſinnungen, beſon— 
ders gegen die haͤuffigen Bemühungen der heydni⸗ 
ſchen Obrigkeiten, die Chriſten durch Vorſtellungen 
und Anerbietungen zu retten. Dazu kommt auch die⸗ 
ſes, daß der gewaltige Mißbrauch, der nach und nach 
mit der Geſchichte der Maͤrtyrer angeſtellt worden iſt, 

D 2 indem 


52 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Swindem fie theils zu vielen albernen Erdichtungen, theils 
& G. zu einer aberglaͤubiſchen Verehrung Anlaß gege— 
306 ben hat, proteſtantiſche Leſer zum voraus mit einer ge— 
bis wißen Gleichguͤltigkeit, und nicht ſelten auch unbilligen 
337. Verachtung gegen ſich, erfuͤllet. 


In der That ſcheint Euſebius darinne eben nicht 
gefehlt zu haben, daß er die merkwuͤrdigſte und 
laͤngſte von allen Verfolgungen, deren leidender Zu⸗ 
ſchauer er ſelbſt geweſen war, in der auch ſonſt ſo viele 
berühmte chriſtliche Lehrer gelitten hatten, fo ausfuͤhr— 
lich befchrieben hat. In dem Wunderbaren das er zu« 
weilen beybringt, iſt ſchon mehr, was ein frey unterſu— 
chender Geſchichtſchreiber haͤtte vermeiden koͤnnen. 
Und dennoch verdient er auch hier einige Nachſicht. Er 
iſt darinne weit ſparſamer als andere; es ſind auch wohl 
Begebenheiten, die an ſich keinen Zweifel leiden; nur 
die uͤbernatuͤrliche Urſache derſelben kann nicht ſo leicht 
zugegeben werden. So erzaͤhlt er, (de Martyr. Pa- 
Iaeſt. c. 4.) daß der Körper des Maͤrtyrers Apphianus 
kaum bey Caͤſarea in das Meer geworfen worden ſey, 
als dieſes nicht allein, ſondern der Himmel ſelbſt in die 
heftigſte Bewegung gerathen waͤre, welche die Erde 
und die ganze Stadt erſchuͤttert haͤtten; und zu gleicher 
Zeit ſey der Koͤrper des Maͤrtyrers vor die Thore der 
Stadt geworfen worden: eine Begebenheit, die der 
Geſchichtſchreiber durch das Zeugniß aller Einwohner 
von Caͤſarea bekraͤftigt. Hingegen gedenkt er (J. c. c. 2.) 
nichts von dem doppelten Wunder, welches ſich bey 
der Hinrichtung des Romanus zugetragen haben ſoll, 
und vom Prudentius (hymn. in paſſ. Romani) kei⸗ 
neswegs vergeßen worden iſt. Das Feuer, ſagte man, 
welches dieſen Märtyrer auf dem Scheiterhaufen ver 
zehren ſollte, wurde durch einen ploͤtzlich entſtandenen 
Regen ausgeloͤſcht; und er fuhr fort zu reden, ob man 

ihm 


Fortſetzungu. Ende d. Verfolg. d. Dioclet. 53 


ihm gleich die Zunge ausgeſchnitten hatte. Es iſt F. w. 
wahr, daß beyde Wunder in der zweyten Predigt.. 
von der Auferſtehung vorkommen, welche dem Eu⸗ 306 
ſebius beygelegt werden, und vom Sirmond (in 4 
den Opufeulis XIV. Paris 1643. 8.) herausgegeben?“ 
worden find. Allein, wenn auch dieſe Predigt feine 
unſtreitige Arbeit ſeyn ſollte; fo würde man eben dar- 

aus ſehen koͤnnen, daß er den gedachten Erzaͤhlungen 
ihren ſchicklichen Platz lieber in einer Predigt, als in 
ſeiner Geſchichte, habe anweiſen wollen. 


Er geſteht auch ſonſt freymuͤthig genug, daß nicht alle 
Chriſten, ſelbſt Lehrer, welche damals wegen ihrer Reli⸗ 
gion Drangſale ausgeſtanden haben, wahre Märtyrer ges 
weſen find. Doch hat er nicht umſtaͤndlich erzaͤhlen wol⸗ 
len, (fo ſchreibt er, (de Mart. Palasſt. c. 12.) wie manche 
Lehrer aus Hirten der vernünftigen Heerde Chriſti, 
durch Zulaßung der goͤttlichen Gerechtigkeit, zu Huͤtern 
von Cameelen, eines unvernuͤnftigen, und feinem Koͤr⸗ 
per nach gekruͤmmten Thieres, als Leute die eines ſol— 
chen Amtes wuͤrdig waren, ingleichen zu Waͤrtern, 
der kayſerlichen Pferde, gemacht worden ſind; auch 
uͤbergeht er den Ehrgeitz von vielen, die unrechtmaͤßigen 
Einweihungen zum Lehramte, die Zwiſtigkeit unter den 
Bekennern ſelbſt, und die neuern Stifter von immer 
mehrern Unruhen, durch welche das aͤußerliche Uebel der 
Kirche ſehr vergroͤßert worden iſt. Alles dieſes will 
er vorbey laſſen, weil er lieber das Anſtaͤndige und 

Tuͤhmliche in dem Zuſtande der chriſtlichen Religion zu 
entwickeln geſonnen ſey. Auch deswegen hat man ihm 
Vorwuͤrfe gemacht, als einem Schriftſteller, der da wo 
er unpartheyiſch und vollſtaͤndig die Flecken der Chriſten 
zeigen ſollte, ſchweigt. Gleichwohl ſagt ſelbſt dasjenige 
was er im Vorbeygehen daruͤber bemerkt, genug: und 
feine übrige Erzählung enthält noch einige Beytraͤge 

D 3 dazu. 


54 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fydazu. Von dieſer Art iſt die Spoͤtterey des Maͤrtyrers 
8G Drocopius, auf die Regierung von vier Kayſern, 
306 de Mart. Pal. c. 1.) der Abfall vieler Lehrer vom Chri⸗ 
bis ſtenthum; (ebendaf.) der Ungeſtuͤm dreyer Chriſten, 
7 welche auf den Statthalter, als er eben opferte, loß— 
ſtuͤrzten, und ihm zuriefen, er ſollte von ſeinem Irr— 
thum ablaſſen; (I. 2. c. 9.) und vielleicht darf man 
auch diejenigen Chriſtinnen hieher rechnen, welche ſich, 
um ihre Keuſchheit vor den heidniſchen Feinden zu be— 
wahren, zu Tode ſtuͤrzten, oder erſaͤuften. (Hiſt. Ecel. 

L. VIII. c. 12. 14.) 


Außer den Nachrichten des Euſebius von dieſer 
Verfolgung, giebt es in den ſpaͤtern Schriftſtellern des 
vierten und fünften Jahrhunderts viele Erzählungen von 
den Maͤrtyrern derſelben, und meiſtentheils ſehr ge— 
ſchmuͤckte und angenehme. Da ſie aber bey Dichtern 
und Rednern, oder in theologiſchen Schriften, vorkom⸗ 
men: ſo dienen ſie mehr zum Vergnügen und zur Erbau⸗ 
ung, als zu einem hiſtoriſchen Beweiſe. Unter andern 
hat der Dichter Prudentius, im Anfange des fuͤnften 
Jahrhunderts, den Maͤrtyrertodt der Eulalia, des 
Vincentius, Quirinus, Romanus, und anderer 
mehr, mit freygebiger Aufnahme des Wunderbaren, 
und Ermunterung ſie zu verehren, beſungen. Eine 
große Anzahl anderer Maͤrtyrergeſchichten, welche in 
dieſe Zeit gehoͤren ſollen, die aber theils ſehr ungewiß, 
theils mit Erdichtungen uͤberladen ſind, haben Baro⸗ 
nius (in Martyrolog. Romano) Bollandus, und 
ſeine Nachfolger (in Actis S S. Antverp.) Tillemont, 
(Memoires T. V.) und Ruͤinart, (Acta Martyr. ſin- 
cera) ganz oder im Auszuge auf behalten: und ſelbſt die 
beyden letztern, welche dieſelben am meiſten pruͤften, ha= 
ben noch viel zu gelinde uͤber den Werth derſelben geur⸗ 
theilt. Von den beruͤhmten Maͤrtyrern, die ſeit 5 

erſten 


Fortſetzung u. Ende d. Verfolg. d. Dioclet. 55 


erſten Befehl des Diocletianus bis ins Jahr 312,2" 
gelitten haben, ſind bereits am Ende der Geſchichte des d G. 
Erſten Zeitraums, Pamphilus, Wethodius und 306 
Lucianus beſchrieben worden. In den vorherge- bis 
dachten neuern Sammlungen findet man noch mehrere, 337. 
die zum Theil unter einem weit groͤßerm Rufe, noch 

als Heilige in der Roͤmiſchen und Griechiſchen Kirche 
verehrt werden; deren Geſchichte aber bis auf den eins 
zigen Umſtand, daß fie während dieſer Verfolgung ger 

lebt oder gelitten haben moͤgen, keine Glaubwuͤrdigkeit 
hat. Darunter gehoͤrt die Erzaͤhlung von dem heili— 

gen Georgius, der als ein Ritter zu Pferde, das 
einen Drachen zertritt, abgebildet wird; ingleichen 
eine andere von den heiligen Cosmas und Damia⸗ 
nus, welche die Arzneykunſt unentgeldlich ausgeuͤbt 
haben ſollen, und daher die Schutzheiligen der Aerzte 
geworden ſind. 


Man hat lange Zeit auch dem Römischen Biſchof 
Marcellinus unter die Märtyrer von dieſer Verfol⸗ 
gung gerechnet. Allein bey dem Mangel an alten 
Zeugnißen, kann nicht mehr bewieſen werden, als daß 
er im Jahr 304. geſtorben ſey. Er iſt unterdeßen 
durch eine alte ſchimpfliche Erzaͤhlung von ihm, die 
nebſt andern damit verbundenen ſonderbaren Nachrich— 
ten bis auf die neuern Zeiten bey vielen Glauben ge⸗ 
funden hat, merkwürdig geworden. Marcellinus, 
ſagt man, konnte im Jahr 302, den fuͤrchterlichen Dro- 
hungen der Heyden nicht laͤnger widerſtehen: er ſtreuete 
daher Weihrauch den Goͤttern zu Ehren, in einem ih— 
rer Tempel. Drey Aelteſten und zween Kirchendie— 
ner begleiteten ihn dahin; verlieſſen ihn aber beym 
Eingange, um eine Menge von Chriſten zu Zeugen 
feines Abfalls herbeyzurufen. Nach einem ſo oͤffentli— 
= Bm verſammleten ſich dreyhundert Bi⸗ 

D 4 ſchoͤfe 


56 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F yſchoͤfe in einer Höle bey Sinueſſa, einer Stadt im La⸗ 
E. G. tium, an den Grenzen von Campanien, ſtraften zwar 


306 die fünf erſtgedachten Geiſtlichen, hörten auch zwey 


is und ſiebzig Zeugen gegen den Marcellinus ab; wag⸗ 


ten es aber nicht, ein Urtheil uͤber ihn zu ſprechen, 
weil ein Roͤmiſcher Biſchof keinen Richter auf der 
Welt uͤber ſich habe. Sie uͤberlieſſen es ihm alſo 
ſelbſt, dieſes zu thun: und er erkannte ſich vor werth, 
feines Amtes entſetzt zu werden. Dieſes iſt der In— 
halt von den Handlungen der Kirchenverſammlung zu 
Sinueſſa, wie ſie unter andern Harduin (Acta Con- 
cilior. T. I. p. 217. q.) herausgegeben hat. 


Nichts koͤnnte unwahrſcheinlicher erdacht werden, 
als die meiſten Umſtaͤnde dieſer Geſchichte, die auch 
von keinem einzigen alten Schriftſteller berichtet wird, 
und davon die gedachte Erzählung in einer dunkeln bar— 
bariſchen Schreibart abgefaßt iſt, Widerſpruͤche und 
Dinge die den damaligen Zeiten gar nicht gemaͤß ſind, 
in ſich begreift. Am groͤbſten hat ihr Verfaſſer dar⸗ 
inne erdichtet, daß die Mitchriſten des Marcellinus 
geglaubt haben ſollten, ein roͤmiſcher Biſchof, ſogar 
ein abgoͤttiſcher, koͤnne von niemanden, als von Gott 
allein, gerichtet und beſtraft werden. Dennoch fan- 
den dieſe Nachrichten in den ſpaͤtern Jahrhunderten 
ſo allgemeinen Glauben, daß im eilften auch der Pabſt 
Nicolaus der erſte in einem Schreiben an den Kay⸗ 
ſer Michael ſie als zuverlaͤſſig annahm. So hat ſie 
ſelbſt das Breviarium oder das oͤffentliche Gebetbuch 
der Roͤmiſchen Kirche angefuͤhrt. Daher getrauete 
ſich nicht einmal Baronius (Annal. Eccleſ. ad a. 302.) 
dieſelben zu verwerfen. Sie ſtimmen zwar mit der 
von ihm eifrig vertheidigten Untruͤglichkeit der Paͤbſte 
gar nicht uͤberein; vermuthlich aber hat ihm der dar⸗ 
inne fo unerwartet angebrachte Grundſatz, daß die Roͤc⸗ 


miſchen 


Geſchichte des Roͤm. Biſch. Marcellinus. 57 


miſchen Biſchoͤfe keinem menſchlichen Gerichte unter⸗ Fun. 
worfen wären, Muth gemacht, ſich ihrer durch ge-C.G. 


zwungene Erklaͤrungen anzunehmen. In den neuern 
Zeiten haben ſich die Proteſtanten ſelbſt vereinigt, die— 
fen Schandflecken von dem Andenken des Warcelli⸗ 
nus abzuwiſchen: und unter den Roͤmiſchcatholiſchen 
Gelehrten iſt dieſes vom Dagi, (Critica in Annal. 
Baronii ad a. 302. n. 18. ſq. ad a. 304. n. 12.) Til⸗ 


306 
bis 
337. 


lemont, (Memoires T. V. p. 363. ſq.) und andern 


mehr geſchehen. Unterdeſſen, wenn gleich alle dieſe 
Schriftſteller die unaͤchte Urkunde von der vermeinten 
Kirchenverſammlung zu Sinueſſa mit leichter Muͤhe 
abgefertigt haben; ſo ſcheint doch einiger Grund von 
der Hauptſache ſelbſt uͤbrig zu bleiben. Der Donatiſte 
Petilianus wirft beym Auguſtinus (contra litteras 
Petiliani, Libro 2. p. 187. T. IX. Opp. edit. Ant- 
verp.) dem Warcellinus und andern chriſtlichen Leh⸗ 
rern, ſowohl abgoͤttiſches Raͤuchern des Weihrauchs, 
als Auslieferung der kirchlichen Handſchriften an die 
Heiden, vor: und was ihm der Kircheniehrer daſelbſt, 
auch in einem andern Buche (de unico baptiſmo con- 
tra Petil. p. 368. fq. antwortet, läuft bloß darauf hin⸗ 
aus, daß er Beweis fordert, und anmerkt, die recht— 
glaͤubige Kirche leide dadurch nichts, wenn auch die 
Beſchuldigung wahr ſeyn ſollte. Vielleicht alſo war 
Marcellinus wuͤrklich ein abgefallener Chriſt: und 
man ſuchte nur durch die übrige ausgeſonnene Erzaͤh— 
lung ſeine Ehre von einer andern Seite zu retten. 


Mehr Zuverlaͤſſigkeit hat die ebenfals merkwuͤr⸗ 
dige Geſchichte des Biſchofs Petrus von Alexandrien, 
der auch einer von den Maͤrtyrern in der Verfolgung 
des Diocletianus geweſen iſt. Er wurde im Jahr 
300. Biſchof, und erwarb ſich ſowohl durch ſeine 
Staͤrke in der Auslegung der heiligen Schrift, als 

D 5 durch 


58 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


J. durch ſtrenge Tugend, und eifrige Sorge fuͤr das 
T. G. Beſte der Aegyptiſchen Gemeinen uͤberhaupt, einen 
306 ausnehmenden Ruhm. Die gedachte Verfolgung traf 
is nicht leicht eine Landſchaft des Roͤmiſchen Reichs mit 
ſolcher Härte, als Aegypten. Hauffen von zwanzig, 
dreyſſig, ſechszig bis hundert Chriſten, und darunter 
Maͤnner, Weiber und Kinder, wurden auf einmal, 
und das mehrere Jahre nach einander, durch außer- 
ordentliche Martern hingerichtet, wie Euſebius, der 
einen Zuſchauer dieſes Elendes abgab, (Hift. Eccl. 

L. VIII. c. 8. 9. 10.) erzaͤhlet. Gleichwohl gaben ſich 
daſelbſt ſehr viele freywillig an, daß fie Chriſten waͤ⸗ 
ren: und am meiſten wurden darunter diejenigen bes 
wundert, welche vornehm und reich waren, die auch 
von der Obrigkeit vergebens ermahnt wurden, mit 
ſich ſelbſt und ihrer Familie Mitleiden zu tragen. Der 
Biſchof Petrus verbarg ſich im Anfange der Verfol⸗ 
gung; er erſchien aber bald wieder oͤffentlich, und wurde 
unverſehens im Jahr 311. verurtheilt, enthauptet zu 
werden. Verſchiedene andere Biſchoͤfe und Aelteſten 
verloren zugleich mit ihm das Leben. Dieſes iſt die 
Beſchreibung, welche Euſebius (Hiſt. Eccl. L. VII. 

c. 32. L. VIII. c. 13. L. IX. c. 6.) und Sozomenus 
(Hiſt. Ecel. L. I. c. 24.) von ihm machen, zu welcher 
Tillemont, (Mémoires, T. V. p. 185. fq. p. 341.) 
ingleichen Fabricius, (Biblioth. Graec, Vol. VIII. 

p. 411.) noch einiges geſammelt haben. 


Dieſes betrift inſonderheit ſeine Schriften, von 
welchen nur einige Ueberbleibſale vorhanden ſind. Sie 
waren von der Gottheit, vom Paſcha, und von 
der Kirchenbuße, uͤberſchrieben. Die letztere ſetzte 
er ohngefaͤhr im Jahr 306. bey Gelegenheit der vielen 
abgefallenen Chriſten auf, die ſich damals, auch mitten 
unter der Menge von ſtandhaftern, gehaͤuft er 

us 


Kirchengeſ. d. Biſch. Petrus v. Alexandr. 59 


Aus dieſem Buche find noch einige Kirchengeſetze uͤbrig, F. n. 
welche er abfaßte, um die Abgefallenen in gewiße Claſ⸗T. G. 
ſen zu beingen, und nach denſelben das Verhalten der 306 
Kirche gegen fie zu beſtimmen. Sie machen einen er- bi 
heblichen Beytrag zur Geſchichte der Kirchenzucht in 337• 
dieſem Zeitalter aus, und find daher vom Beveridge 
(Synodic. ſeu Pandect. Canon. S S. Apoftol. et Conci- 
lior. T. II. p. 8 — 23.) mit den Erlaͤuterungen des 
Balſamon und FJonaras herausgegeben worden. 
In dem erſten dieſer Geſetze verordnet der Biſchof, 
daß diejenigen Abgefallenen, welche vor die Richter 
gefuͤhrt worden waren, und unausſtehliche Martern 
erduldet hatten, ehe ſie zu weichen anfiengen, zumal 
da einige derſelben ſchon ins dritte Jahr unter den 
Buͤſſenden wären, nur noch vierzig Tage darunter zus 
bringen ſollten. Das zweyte ſetzt die Buͤſſung ein 
Jahr länger für folche hinaus, die zwar das Unge— 
mach des Kerkers, aber keine andern Drangfale, er— 
litten haben. Hingegen werden durch das dritte de— 
nen, welche ohne einiges Leiden, bloß aus Furchtſam⸗ 
keit, ihren Glauben verleugnet haben, vier Jahre 
vorgeſchrieben, und es wird darauf die Stelle der Ge⸗ 
ſchichte Jeſu angewandt, wo derſelbe einem Feigen— 
baum, auf welchem er drey Jahre keine Frucht gefun⸗ 
den, noch das vierte zur Friſt goͤnnte: denn ein ſol— 
cher Gebrauch von Schriftſtellen kommt bey jedem die⸗ 
ſer Geſetze vor. Das vierte enthaͤlt nur Klagen uͤber 
diejenigen, welche ihren Abfall nicht oͤffentlich bereuen 
und buͤſſen wollten. Das fünfte aber legt denen eine 
Kirchenſtrafe von ſechs Monathen auf, die ſich nur 
geſtellt hatten, als wenn ſie ihrer Religion untreu 
würden: entweder bey den Altaͤren, oder durch ſchrift— 
liche Aufſaͤtze, oder auch durch Heiden, die ihre Stelle 
vertraten. Daher wird auch im ſechſten und ſieben⸗ 
ten den chriſtlichen Knechten, die ſich dazu hatten ge⸗ 
brauchen 


60 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch, 7 


& mbrauchen laſſen, eine jährige, und ihren Herren eine 
C. G. dreyjaͤhrige Kirchenbuſſe vorgeſchrieben. Durch das 
306 achte und neunte Geſetz werden nicht allein diejeni⸗ 
bis gen der Kirchengemeinſchaft wuͤrdig erklaͤrt, die zwar 
337 anfaͤnglich von den Martern überwunden worden, nach» 
her aber mit neuem Muthe ſtandhaft geblieben waren; 
ſondern auch ſolche, die ſich ungefordert in dieſe gefaͤhr— 
liche Verſuchung begeben, und darinne die Oberhand 
behalten hatten. Doch beweiſet der Biſchof zugleich, 
durch das Beyſpiel und die Lehren Chriſti und der Apo— 
ſtel, daß ein ſolches Bekenntniß der Religion nicht 
verlangt werde. Deswegen will er auch in dem zehn⸗ 
ten Geſetze, daß ſolche Lehrer, die ſich von ſelbſt zur 
Verfolgung dargeſtellt, darinne untergelegen, und 
wiederum ſich von ihrer Schwachheit gluͤcklich erholt 
haͤtten, zwar der kirchlichen Gemeinſchaft genieſſen, 
aber ihr Amt nicht weiter verwalten ſollten, weil ſie 
doch ihre Gemeinen ohne Noth verlaſſen haͤtten. Al— 
lein, obgleich der Biſchof den uͤbereilten Eifer vieler 
Chriſten, ſich in die Haͤnde ihrer Feinde zu ſtuͤrzen, 
tadelt; ſo erklaͤrt er ſich doch im eilften Geſetze, daß 

er diejenigen nicht darunter begreife, die in der erſten 
Hitze der Verſolgung, indem ſie vor den Gerichten 
ſtanden, und daſelbſt die Märtyrer zu ihrem himmli⸗ 
ſchen Ziele forteilen ſahen, durch dieſen Anblick ent— 
flammt, ſich oͤffentlich zum Chriſtenthum bekannten; 
oder die voll Schmerz über ihre abgefallenen Mitbruͤ— 
der, die ſie vor den Augen hatten, ſich gedrungen 
fühlten, dem Feinde ihres Glaubens ohne andere Ver— 
anlaffungen entgegen zu gehen, damit er nicht durch 
den Sieg ſtolz wuͤrde, den ihm Martern uͤber einige 
Chriſten gegeben haͤtten. Auch bewilligt er gern das 
Verlangen derer, welche wuͤnſchten, daß die Gemeine 

fuͤr ihre Freunde beten moͤchte, die durch Gefaͤngniß 
oder Peinigungen uͤberwaͤltigt worden waͤren. In 
dem 


Kirchengeſ. d. Biſch. Petrus v. Alexandr. 61 


dem zwölften und dreyzehnten rechtfertigt er die F. n. 
Chriſten, welche Geld gegeben hatten, um ſich der. G. 
Verfolgung zu entziehen; ingleichen ſolche, die durch 306 
die Flucht derſelben ausgewichen waren, wenn gleich 05 
andere an ihrer Stelle leiden mußten. Endlich erlaubt 337. 
er im vierzehnten, daß diejenigen, denen die Heiden 
durch eine unwiderſtehliche Gewalt Fleiſch oder Wein 
von den Opfern beygebracht hatten, oder deren Haͤnde 

in das Feuer geſteckt worden waren, um Weihrauch 

zu ſtreuen, im Lehrſtande bleiben, und wenn es Layen 
waͤren, als Märtyrer angeſehen werden duͤrften; vors 
ausgeſetzt, daß es Zeugen von dieſer aͤußerſten Ges 
walt gebe, welche ſie gelitten haͤtten. Es wird noch 

die funfzehnte Veroronung aus einem andern Buche 

des Biſchofs Petrus hinzugefuͤgt, worinne er ſagt: 
„Niemand darf uns tadeln, daß wir nach einer muͤnd— 

lich fortgepflanzten Vorſchrift am vierten und ſechſten 
Tage der Woche faſten: denn der Grund davon iſt 
dieſer, weil am erſtern Tage Chriſtus verrathen wor- 
den iſt, und am letztern gelitten hat. Den Tag des 
Herrn aber begehen wir als einen Freudentag, weil 

er an demſelben auferſtanden iſt, und knieen auch nach 
einer alten Gewohnheit, an demſelben beym Gebete 
nicht nieder.“ Dieſe Beſtaͤtigung von ſonſt bekannten 
alten Gebraͤuchen, ſcheint ſich beſonders auf die Neue: 
rung der Roͤmiſchen und anderer Gemeinen zu bezie— 
hen, welche das Faſten des vierten Wochentags ſeit 
einiger Zeit auf den ſiebenten verlegt hatten. 


Ueberhaupt beſeſtigten die Chriſten, auch mitten 
unter der Verfolgung des Diocletianus, ihre Kir— 
chenzucht und uͤbrige Verfaßung auf mehr als eine Art. 
Die Kirchenverſammlung, welche von den ſpani⸗ 
ſchen Gemeinen im Jahr 305. oder etwas ſpaͤter, zu 
Illiberis, fonft Elvira genannt, (einer Stadt, von der 

man 


62 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. n. man noch einige Truͤmmern nicht weit von Granada 
CG. ſieht,) gehalten wurde, beweiſet dieſes vorzüglich. 
306 Eine Anzahl Biſchoͤfe, unter welchen Hoſius von 
bis Cordua der berühmtefte iſt, ingleichen Aelteſten ſaßen 
auf derſelben, und gaben ein und achzig Kirchenverord» 
nungen; um ſie herum ſtanden die Kirchendiener und 
andere Chriſten. Man findet jene Verordnungen in 
Sarduins Sammlung (Acta Concil. T. I. p. 247. fa.) 
eingeruͤckt: und am gelehrteſten hat ſie Aubeſpine 
(oder Albaſpinaͤus, Notae in Canones Concilii Eli- 
berini, p. 28 5—3 42. in Obfervatt. de veterib. Ec- 
cleſiae ritibus, ed. Helmſtad. ) erlaͤutert. 


Sie entdecken eine Menge ſonderbarer, zum Theil 
ganz unerwarteter Umſtaͤnde in der Denkungsart, den 
Sitten und Gebraͤuchen der damaligen Chriſten in Spa⸗ 

nien. Zuerſt wird darinne feſtgeſetzt, daß Chriſten, 
welche ohne allen Zwang ihren Glauben verleugnet und 
den Goͤtzen geopfert hätten, niemals wieder in die Kir— 
chengemeinſchaft aufgenommen werden ſollten. Dar⸗ 
auf wird beftinimt, wie lang die Buͤßung derer dauern 
ſollte, welche, da ſie auch als Chriſten, den Nahmen 
und das Zeichen heydniſcher Prieſter, (Hamines) wegen 
der damit verbundenen Ehre, oder aus andern Urſa— 
chen, beybehielten, in den Goͤtzendienſt gefallen waren. 
Sie ſollen auch überhaupt eine zweyjaͤhrige Kirchenbuſ⸗ 
fe ablegen. Eben fo verordnet die Kirchenverſamm⸗ 
lung, wie die Kirche mit denen, welche wider Willen 
oder vorſetzlich, auch durch zauberiſche Kuͤnſte jemanden 
getoͤdtet, mit Ehebrechern, und mit Frauen die ihre 
Maͤnner verlaſſen, mit Jungfrauen die ſich Gott ge⸗ 
weiht hatten, (das heißt, welche ſich aus Froͤmmigkeit 
entſchloßen ehelos zu bleiben, ohne doch die menſchliche 
Geſellſchaft zu verlaffen,) aber in Unzucht gerathen was 
ren, und mit aͤhnlichen Verbrechern verfahren 72 

u 


Kirchenverſammlung zu Illiberis. 63 


Auch hier iſt die kirchliche Strafe ſtreng, und öfters" 
unauf hoͤrlich. Es werden weiter die Heyrathen chriſt⸗F. G. 
licher Frauensperſonen mit Heiden, Ketzern und Juden 306 
verboten. Ein Staͤdtebewohner, der drey Sonntage bis 
nacheinander nicht in die Kirche kommt, ſoll auf eine “ 
kurze Zeit vom heiligen Abendmahl ausgeſchloßen wer= 
den. Kein außer ſeinem Kirchenſprengel getaufter Chriſt 
darf in demſelben eine Lehrſtelle erhalten, weil feine Auf⸗ 
fuͤhrung nicht bekannt genug iſt. Unter andern Suͤn⸗ 
dern, denen die Kirchenbuße auferlegt wird, ſtehen 
auch Chriſten, welche die Schweſter ihrer verſtorbenen 
Frau geheyrathet hatten; diejenigen welche einen Chris 

ſten bey der Obrigkeit angaben, ſo daß er dadurch un⸗ 
gluͤcklich wurde; falſche Zeugen, und ſolche die mit 
Wuͤrfeln ſpielten; vermuthlich, weil dieſe mit den Bil⸗ 
dern der Goͤtter bezeichnet waren. 


Außer dieſen Veranſtaltungen welche die Verſamm⸗ 
lung zum Beſten der Kirchenzucht traf, machte ſie noch 
einige beſonders merkwuͤrdige Schluͤße. Ihr drey 
und dreyßigſter Canon verbietet allen Biſchoͤfen, 
Aelteſten und Kirchendienern, wenn ſie im Dienſte der 
Kirche begriffen ſind, einen vertraulichen Umgang mit 
ihren Ehefrauen zu unterhalten, und Kinder zu zeugen. 
Dieſe Verordnung iſt deſto auffallender, da man in 
den erſten dreyhundert Jahren des Chriſtenthums, kein 
einziges Kirchengeſetz für den eheloſen Stand der Geifts 
lichkeit antrift, und ſowohl zu dieſer Zeit, als noch vie⸗ 
le hundert Jahre nachher, in beyden Hauptkirchen die 
Mitglieder dieſes Standes haͤufig in der Ehe lebten. 
Es laͤßt ſich auch der Sinn dieſer Verordnung gar 
wahrſcheinlich darauf einſchraͤnken, daß den Geiſtlichen 
nur alsdenn, wenn ſie mit dem oͤffentlichen Gottesdien⸗ 
ſte, beſonders mit der bevorſtehenden Feyer des heili— 
gen Abendmahls beſchaͤftiget find, (Clericis, pofitis 
f in 


64 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sin minifterio) die Enthaltung von ihren Eheweibern 
C. G. vorgeſchrieben werde. Eine Erklaͤrung, welche, wie 
306 Calixtus (de coniugio Clericor. p. 169.) bemerkt hat, 
bis dadurch eine Beſtaͤtigung gewinnt, daß Gratianus 
337. ſelbſt in ſeiner Sammlung von Kirchengeſetzen, (de con- 
fecrat. diſtinct. 2. can. 21.) eine Verordnung dieſer 
Kirchenverſammlung anfuͤhrt, die aber nur eine Er— 
weiterung des eben gedachten Canon ſeyn mag, daß je— 
derman einige Tage vor dem Genuße des heiligen 
Abendmahls, ſich der Enthaltſamkeit im Eheſtande 
befleißigen ſoll. Geſetzt aber auch, daß die Kirchen— 
verſammlung zu Illiberis die Ehe der Geiſtlichen ges 
wiſſermaaßen getrennt hätte; fo würde doch der Aus— 
ſpruch von neunzehn oder etwas mehr Biſchoͤfen in 
Spanien, der nur fuͤr die dortigen Gemeinen guͤltig 
war, vor ſehr unbedeutend gehalten werden muͤßen. 
Und weit gefehlt, daß nachmals die decumeniſche Kir— 
chenverſammlung zu Nicaͤa ein allgemeines Kirchen— 
geſetz dieſes Inhalts gegeben haͤtte: ſo wurde auf derſel⸗ 
ben gerade das Gegentheil beſchloßen. N 


Man ſieht ferner aus dem ſechs und dreyßig⸗ 
ſten Canon, der zu Illiberis aufgeſetzt worden iſt: 
„Es iſt die Meinung der Kirchenverſammlung, daß 
„keine Gemaͤhlde in der Kirche ſeyn ſollen, damit nicht 
„dasjenige, was verehrt und angebetet wird, an den 
„Waͤnden abgemahlt werde,“ — wie neu damals der 
verworfene Gebrauch geweſen ſeyn muͤße, und wie we— 
nig man die Bilder der Heiligen in den Kirchen 
koͤnne geduldet haben, da es nicht erlaubt wurde, Ge⸗ 
maͤhlde Gottes und der goͤttlichen Dreyeinigkeit daſelbſt 
aufzuſtellen. Hingegen iſt es ein Denkmal des Aber— 
glaubens, wenn im 34ften Canon verboten wird, auf 
den Begraͤbnißplaͤtzen bey Tage keine Wachslichter an⸗ 
zuzuͤnden, damit die Geiſter der Heiligen nicht beun⸗ 

5 ruhigt 


5 


Koirchenverſammlung zu Jliberis. 65 


ruhige werden. Die früh aufgekommenen Zuſam⸗ 
menkuͤnfte der Chriſten bey den Graͤbern der Maͤrtyrer, CG. 
welche dazu dienten, um durch andaͤchtige Uebungen 306 
ihr Andenken in Ehren zu erhalten, arteten freylich bis 
bald aus: und die Einbildung, daß die Seelen derſelben 337 
daſelbſt ruhten, bis ihr Tod von Gott geraͤcht werde, 
brachte einen andern Einfall, der nahe an heydniſche 
Meinungen graͤnzte, hervor, als wenn dieſe Seelen durch 
Feuer und Rauch beunruhigt werden koͤnnten. Was aber 
Roͤmiſchcatholiſche Gelehrte hier beyfuͤgen, daß bey den 
Gräbern der Märtyrer viele Wunder vorgefallen waͤ⸗ 
ren, davon findet ſich in der Geſchichte dieſer Zeiten 
nicht die geringſte Spur. — Die gleich folgende Ver— 
ordnung verbietet den Frauensperſonen, auf den Be— 
graͤbnißplaͤtzen die Nacht zuzubringen, weil öfters, 
unter dem Vorwande des Gebets, heimlich Verbre— 
chen begangen würden. — Weiter wird erlaubt, die— 
jenigen Lehrlinge des Chriſtenthums, welche von einem 
unreinen Geiſte beſeßen ſind, am Ende ihres Lebens 
zu taufen; auch wird jedem Glaͤubigen, der noch nicht 
unter den Buͤßenden geweſen iſt, noch zweymal ge⸗ 
heyrathet hat, verſtattet, im Fall der Noth einen ſehr 
kranken Lehrling zu taufen; doch mit der Bedingung, 
daß dieſem, wenn er am Leben bleibt, von dem Bis 
ſchof die Haͤnde aufgelegt werden. Uebrigens ſoll die 
Taufe uͤberhaupt unentgeltlich geleiſtet werden. — 
Auch wird befohlen, mit Verlaßung der irrigen Ge⸗ 
wohnheit, an jedem Sabbath zu faſten. — Gleicher— 
geſtalt ſoll Pfingſten, wie es die heilige Schrift ver— 
langt, (jo ſagt die Kirchenverſammlung,) am funfzig⸗ 
ſten Tage nach Oſtern, nicht am vierzigſten, began⸗ 
gen werden: es ſcheint ſogar beynaße, daß hier die 
Begehung aller dieſer funfzig Tage, welche im weit- 
laͤuftigern Verſtande dieſes Feſt (Quinquageſima) aus- 
machten, verſtanden werde. — Endlich iſt unter an— 
V. Theil, E dern 


— 


66 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


K yedern Verordnungen, noch dieſe merkwuͤrdig, daß ein 
CG. Chriſt „der Gößenbilder zerbrochen hat, und bey die» 
306 ſer Gelegenheit umgebracht worden iſt, nicht unter die 
bis Maͤrtyrer gerechnet werden ſoll, weil eine ſolche Ge— 
337: waltthaͤtigkeit durch das Evangelium nicht befohlen 

werde, noch zur Zeit der Apoſtel ausgeuͤbt worden ſey. 


Zu den Begebenheiten, welche die Verfolgung 
des Diocletianus und ſeiner Nachfolger, entweder 
hervorgebracht oder zum Theil veranlaßt hat, gehoͤren 
auch manche erhebliche Streitigkeiten und Spaltungen 
unter den Chriſten dieſer Zeit: inſonderheit die YJez 
letianiſche, und ſelbſt die Donatiſtiſche. Aber 
ehe dieſe beſchrieben werden koͤnnen, muß die Haupt⸗ 
veraͤnderung erzaͤhlt werden, die noch vor dem Ende 
der gedachten Verfolgung mit ihnen vorgieng: der 
Uebertritt des Kayſers Conſtantinus zu ihrem 
Glauben. 


Bekehrung 
des 
Kaiſers Conſtantinus 
zum Chriſtenthum. 


5 ieſer Fuͤrſt hatte bald darauf, nachdem er im 
Jahr 306. ſeinem Vater in der Regierung von 
Britannien, Gallien und Spanien nachgefolgt 

war, den Chriſten dieſer Laͤnder, wie man oben be= 
reits geleſen hat, die Freyheiten welche ihnen derſelbe 
ertheilt 


Des K.Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 67 


ertheilt hatte, beſtaͤtigt. Von feinem Vater ſcheint er <> 
2 ‚ » . f 3 11. 
auch die erſte Kenntniß ihrer Religion, und einige & G 
Gewogenheit gegen die Anhaͤnger derſelben bekommen 306 
zu haben. Aber übrigens bezeigte er in den erſten bis 
Jahren gar keine Neigung, fie anzuneßhmen. Wie 337. 
weit er damals von chriſtlichen Geſinnungen entfernt 
geweſen ſey, beweiſen, außer einigen abgoͤttiſchen Cä- 
rimonien, auch die grauſamen Schauſpiele, die er 
er anſtellte, indem er in denſelben die gefangenen Fraͤn⸗ 
kiſchen Koͤnige den wilden Thieren vorwerfen ließ. 
Selbſt noch der Befehl, zu welchem er mit dem Ga— 
lerius und Licinius im Jahr 31 1. feinen Nahmen 
bergab, welches auch bereits erzähle worden iſt, daß 
die Chriſten ihren Gottesdienſt wieder frey verrichten, 
und dafuͤr ihren Gott um die Wohlfahrt der Kayſer, 
des Staats, und ihre eigene, anrufen moͤchten; auch 
dieſer Befehl zeigt den Conſtantinus nur als einen 
billigen und guͤtigen Fuͤrſten gegen die Chrifien, der 
vielleicht nur aus Gefaͤlligkeit fuͤr ſeine Mitregenten 
darein gewilligt haben koͤnnte. 

Mit dem Jahr 311. aber offenbarte ſich bey ihm 
zuerſt die Neigung zum Chriſtenthum, die uͤberaus 
ſchnell zunahm, und ſich bald in einen wuͤrklichen Ue— 
bergang in die chriſtliche Kirche verwandelte; obgleich 
ſeine feyerliche Aufnahme in dieſelbe durch die Taufe, 
erſt mehr als zwanzig Jahre darauf erfolgt iſt. Chri⸗ 
ſten und Heyden haben dieſe wichtige Religionsveraͤn⸗ 
derung zu der Zeit, oder gleich darnach, als ſie ſich zu⸗ 
trug, beſchrieben. Ihre Nachrichten muͤſſen deſto 
mehr mit einander verglichen werden, da fie die Bes 
wegungsgruͤnde dieſer Handlung ſehr verſchieden an⸗ 
geben: und ſelbſt neuere Schriftſteller beurtheilen die» 
ſelben nicht auf einerley Art. 

Unter den Chriſten, die Conſtantins Zeitgenofe 
ſen, und mit ihm perſoͤnlich wohl bekannt waren, hat 

E a Euſe⸗ 


68 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Din Euſebius darüber am ausführlichften geſchrieben. 
CG. Als der Kayſer, ſagt er, (de vita Conſtant. L. I. c. 
306 26. fg.) im Jahr 311. im Begriff war, mit feinem 
bis Kriegsheere den Maxentius in Italien anzugreifen, 
337. ſah er wohl ein, daß er neben dieſer Huͤlfe, noch ei⸗ 
ner beſſern gegen die boͤſen zauberiſchen Kuͤnſte, wel- 
che der Tyrann fleiſſig zuſammenſuchte, beduͤrfe. Er 
beſchloß alſo, Gott zum Helfer anzunehmen, und be— 
rathſchlagte mit ſich ſelbſt, welchen Gott er dazu waͤh⸗ 
len ſollte. Waͤhrend dieſer Unterſuchung bedachte er, 
daß die meiſten ſeiner Vorgaͤnger in der Regierung, 
die ſich auf mehrere Götter verlieſſen, und dieſe auf 
alle Art verehrten, nicht allein durch falſche Weiſſa— 
gungen und Orakelausſpruͤche betrogen worden; fon= 
dern auch eines ungluͤcklichen Todes geſtorben waͤren; 
da hingegen ſein Vater, der dem einzigen hoͤchſten 
Gotte, ſein ganzes Leben hindurch, gedient haͤtte, von 
demſelben beſchuͤtzt, und mit allem Guten begnadigt 
worden waͤre. Er bemerkte weiter, daß diejenigen, 
welche vielen Goͤttern vertraueten, auch in vielfaches 
Verderben gerathen waͤren, ſo daß ihr Geſchlecht, 
Nahme und Andenken in der Welt untergegangen ſeyen; 
der Gott ſeines Vaters aber habe ihm viele kraͤftige 
Beweiſe ſeiner Macht gegeben. Und da er endlich 
auch den theils ſchimpflichen, theils traurigen Erfolg 
betrachtete, den die Fuͤrſten welche ehemals den Ma⸗ 
rentius mit einer Menge von Göttern bekriegten, ge⸗ 
habt hatten: ſo urtheilte er aus dieſem allem, daß es 
ſehr thoͤricht ſey, mit Goͤttern die nicht vorhanden waͤ⸗ 
ren, ſich vergebens zu beſchaͤftigen, und einen durch 
ſo viele Merkmale erkannten Irrthum beyzubehalten; 
daß er alſo allein den Gott ſeines Vaters verehren 
muͤſſe. Er bat daher dieſen eifrigſt, daß er ſich ihm 
zu erkennen geben, und bey ſeiner gegenwaͤrtigen Un⸗ 
ternehmung Huͤlfe leiſten moͤchte. ; 
u: Es 


Des K Conſtantins Bek z. Chriſtenthum. 69 


Es iſt überaus ſchwer, ſich beym Leſen dieſer Nach. Br, 
richt der Vermuthung zu enthalten, daß fie wohl erſt ß. G. 
zu der Zeit, als Conſtantinus völlig ein Chriſt war, 306 
groͤßtentheils moͤchte ausgeſonnen worden ſeyn, um bis 
die Geſchichte ſeiner Bekehrung deſto ruͤhmlicher, und 337 
das Wunderbare in derſelben, das gleich darauf folgt, 
deſto begreiflicher zu machen. Die Abſicht, weich 
ſebius ſelbſt geſteht, in dieſer Lebensbeſchreibung des 
Kayſers gehabt zu haben, ihn von allen Seiten welche 
die Religion und Froͤmmigkeit betreffen, lobenswuͤrdig 
vorzuſtellen, (L. I. c. 1 1.) kann die Sefer ſchon darauf. 
vorbereiten. Wenn ſie aber darauf finden, daß den heid⸗ 
niſchen Kaiſern uͤberhaupt Laſter und ein ungluͤckliches 
Ende beygelegt werden; ingleichen, vo Confisntins 
Vater, welches eben fo falſch iſt, als ein wuͤrklicher 
Chriſt vorgeſtellt wird; daß ſogar der Kaiſer den wah⸗ 
ren Gott erſt bittet, ihm zu zeigen, wer er ſey, da er ihn 
doch durch die Lehren und das Beyſpiel ſeines Vaters, 
auch durch fo viele andere Huͤlfsmittel, gar leicht fruͤ. 
her, als in dem acht und dreyſſigſten Jahre ſeines 
Alters, richtig kennen lernen konnte: ſo wird jener 
Verdacht ſtaͤrker, als daß man ihn leicht umzuſtoßen 
vermoͤgend waͤre. 

Auf dieſes Gebet des Kaiſers, ſo faͤhrt Euſebius 
fort, erfolgte eine ſehr wunderbare Erſcheinung, die 
ihm Gott zuſchickte. Man wuͤrde ſie nicht glauben, 
wenn fie ein anderer erzählte; allein, da fie der Kay: 
fer mir, dem Geſchichtſchreiber, lange Zeit darauf, 
nachdem ich in ſeine vertraute Bekanntſchaft gekom⸗ 
men war, berichtet, und ſolches mit einem Eide be— 
kraͤftigt hat: wer ſollte wohl ferner Bedenken tragen, 
es zu glauben? zumal da die folgende Zeit die Wahr⸗ 
heit der Sache bezeugt hat. Er verficherte „als die 
Sonne noch i im Mittage ſtand, des Nachmittags, mit 
2 eigenen Augen das Siegeszeichen des Kreutzes 

E 3 


am 
/ 


70 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. am Himmel, aus Sicht beſtehend, über der Sonne 
C.. geſehen zu haben, mit der Umſchrift folgenden In⸗ 
306 halts: Hierdurch uͤberwinde! Dieſes Geſicht habe 
bis ihn und ſein ganzes Kriegsheer, das mit ihm eben 
337. fortruͤckte, und das Wunder ſah, in ein großes Er- 
ſtaunen verſetzt. Er zweifelte jedoch, was dieſes bes 
deute; als er lange daruͤber nachdachte, kam die Nacht 
heran. In derſelben erſchien ihm Chriſtus im Schlafe 
mit dem Zeichen, das er am Himmel erblickt hatte, 
und befohl ihm, nach dem Muſter von dieſem ein 
aͤhnliches machen zu laſſen, deſſen er ſich gegen die 
Anfaͤlle der Feinde als einer Beſchuͤtzung bedienen 
koͤnne. Mit Anbruch des Tages ſtand er auf, und 
erzaͤhlte ſeinen Freunden dieſes Geheimniß. Darauf 
ließ er die Kuͤnſtler, welche in Gold und Edelgeſteinen 
arbeiteten, zu ſich kommen, und beſchrieb ihnen das 
Bild des Zeichens, welches ſie verfertigen ſollten. Es 
war ein mit Gold umgebener langer Spieß, der eine 
Querſtange in der Geſtalt eines Kreutzes hatte. An 
der Spitze deſſelben war eine aus Gold und Edelſtei— 
nen zuſammengeſetzte Krone befeſtigt, in deren Mitte 
ſich die beyden in einander geſchlungenen griechiſchen 
Anfangsbuchſtaben des Nahmens Chriſtus befan- 
den: ein Schriftzug, den der Kaiſer nachmals auch 
auf ſeinem Helme trug. An der Queerſtange hieng 
eine aus Purpurfarbiger Seide gewebte, mit Edelge⸗ 
ſteinen beſetzte, und mit Gold gewuͤrkte Fahne herab, 
welche einen eben ſo glaͤnzenden als ſchoͤnen Anblick 
gab, und eben ſo breit als lang war. Unter derſelben 
aber, gleich unter dem Zeichen des Kreutzes, ſah man 
die Bilder des Kaiſers und ſeiner Soͤhne. Dieſes 
heilbringenden Zeichens bediente ſich der Kaiſer ſtets 
als einer Schutzwehr gegen alle Feinde, und ließ aͤhn⸗ 
liche nach dieſem Muſter verfertigte vor feinen Kriegs⸗ 
heeren hertragen. 
78 Da 


Des K. Conſtantins Bek. z Chriſtenthum. 71 


Da nun Conſtantinus entſchloßen war, keinen ana 
dern Gott, als der ihm erſchienen war, zu verehren: FG. 
(dies iſt die übrige Erzählung des Euſebius,) fo 306 
fragte er die Ausleger der Geheimniße deſſelben, was bis 
dieſes vor ein Gott fey, und was jene Erſcheinung be- 337° 
deute? Sie antworteten ihm, es waͤre Gott, der einge⸗ 
bohrne Sohn des einen und allein wahren Gottes; 
das geſehene Zeichen aber ſey das Sinnbild der Un⸗ 
ſterblichkeit und das Denkzeichen des Siegs, den 
derſelbe, als er ſich auf der Welt befunden, uͤber 
den Todt erhalten haͤtte. Zugleich lehrten ſie ihn die 
Urſachen, warum derſelbe auf die Welt gekommen ſey, 
und erklaͤrten ihm dasjenige genau, was derſelbe unter 
den Menſchen verrichtet hatte, Conſtantinus hoͤrte 
ihre Reden lehrbegierig an, und bewunderte die goͤtt⸗ 
liche Erſcheinung, die er geſehen hatte. Als er beydes 
mit einander verglich: wurde er in ſeinem Gemuͤthe 
geſtaͤrkt, und glaubte gewiß, daß ihm dieſe Erkennt— 
niß von Gott ſelbſt mitgetheilt worden ſey. Darauf 
fieng er ſelbſt an, die goͤttlichen Schriften zu leſen: 
und indem er die Prieſter Gottes in' feine Geſellſchaft 
aufnahm, hielt er den Gott den er geſehen hatte, vor 
hoͤchſt verehrungswuͤrdig. Im Vertrauen auf den⸗ 
ſelben, gieng er auf den Tyrannen loß, um die Wuth 
deßelben zu daͤmpfen. | 


Aus dieſer Erzählung des Euſebius, der in feiner 
Kirchengeſchichte ſelbſt, ob er gleich eine bequeme Ge- 
legenheit dazu hatte, nichts von dieſer Erſcheinung ge⸗ 
gedenkt, (L. IX. c. g. 9.) find überhaupt die übrigen 
gefloßen. Aber die folgenden Schriftſteller ſtimmen 
auch in Hauptumſtaͤnden nicht vollig mit ihm überein. 
Zwar Lactantius, wie er, ein Zeitgenoße Conſtan⸗ 
tins, und der zum Theil ſogar an dem Hofe deßelben 
lebte, ſchrieb davon aus eigener Kenntniß. Er berichtet 

E 4 bloß, 


72 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F bloß, (de mort. perſecut. c. 44.) der Kaiſer habe im 
G. Traum eine Erinnerung von Gott bekommen, die 
306 Schilde ſeiner Soldaten mit dem himmliſchen 
bis Zeichen Gottes zu bezeichnen, und ſodann die 
337. Schlacht zu liefern; welches er auch am Tage darauf 
gethan habe. Ohngefaͤhr hundert Jahre ſpaͤter wie⸗ 
derholte Socrates (Hiſt. Eccl. L. I. c. 1.) die 
Nachricht des Euſebius mit dem Zuſatze, der Kaiſer, 
welcher ſeinen eigenen Augen nicht recht getrauet, habe 
die umſtehenden gefragt, ob ſie eben daßelbe geſehen 
haͤtten, und ſey durch ihre Bekräftigung deſto mehr 
beſtaͤrkt worden. Aber um gleiche Zeit ſchrieb So⸗ 
zomenus, (Hiſt. Ecel. L. I. c. 3.) der Kaiſer habe, 
indem er uͤberlegte, wen er ſich zum Beyſtande waͤhlen 
ſollte, im Traume das Zeichen des Kreutzes am Him— 
mel glaͤnzend geſehen; und als er daruͤber erſtaunte, 
haͤtten die dabeyſtehenden Engel geſagt: Hierdurch, o 
Conſtantin, ſollſt du uͤberwinden! Auch Chriſtus, 
ſagt man, iſt ihm erſchienen, (ſetzt er hinzu), und hat 
ihm den Befehl ertheilt, welcher aus dem Euſebius 
mit deßen ganzer Erzaͤhlung beygebracht wird. End⸗ 
lich verſichert Philoſtorgius, auch zu dieſer Zeit, 
(in Hift. Ecel. Epit. Photü, L. I. c. 6. p. 6. ed. Go- 
thofr.) der Uebergang des Conftansinus zum Chri⸗ 
ſtenthum ſey durch deßen Sieg über. den Maxentius 
bewuͤrkt worden, indem man damals in den Morgen— 
laͤndern das Zeichen des Kreutzes weit ausgebreitet und 
uͤberaus glaͤnzend am Himmel erblickt habe; Sterne 
hätten einen Kreis herum, wie einen Regenbogen ges 
bildet, und die Worte in lateiniſcher Sprache beruorgen 
bracht: „Hierdurch uͤberwinde!“ 


Solche Abweichungen von den erſten und vornehm⸗ 
ſten Zeugen dieſer Geſchichte, die man bey Schrift⸗ 
ſtellern findet, welche die wahren Umftande der ge 

100 


Des K. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 73 


wohl wißen konnten, und, ob fie gleich eifrige Chriſten = 
waren, fie groſſentheils weniger wunderbar, aber begreif: G. 
licher, als einen bloßen Traum, beſchrieben erregen 306 
allerdings einigen Zweifel gegen die Glaubwuͤrdigkeit bis 
der Erzählung des Euſebius. Allein man ſieht noch 337. 
nicht, ob ſie dieſelbe darum verlaßen haben, weil ſie 
ihnen unnatuͤrlicher vorkam; oder weil neben derſelben 
wuͤrklich eine andere vorhanden war, die ſie vor wahr 
hielten. Auch dieſes macht noch keine unauflösliche 
Bedenklichkeit gegen dieſelbe, daß bereits Gelaſius 
von Cyzicum in den ſpaͤtern Zeiten des fünften Jahr⸗ 
hunderts, (Volum. Actor. Concil. Nicaeni, L. I. c. 4. 

p. 352. T. I. Concilior. Harduini) gefteht, die Un- 
glaͤubigen ſaͤhen dieſe Geſchichte vor eine Fabel und Be⸗ 
truͤgerey zum Beſten der chriſtlichen Religion an. Denn 

ob er gleich dieſes Vorgeben gar nicht treffend genug 
widerlegt; fo war doch dieſes am erſten zu erwar—⸗ 
ten, daß die Heiden ein ſolches Urtheil davon faͤllen 
wuͤrden. 


Dagegen enthaͤlt die erſte Erzaͤhlung ſelbſt nicht 
wenig, das mit ihrer Wahrſcheinlichkeit ſtreitet. Mies 
mals hatte Gott noch dieſen wunderbaren Weg einer 
außerordentlichen himmliſchen Erſcheinung zur Aus— 
breitung des Chriſtenthums gewaͤhlt: und er ſollte jetzt 
erſt, da ſchon lange keine Wunder in dieſer Abſicht 
mehr geſchahen, gebraucht worden ſeyn. Conſtan⸗ 
tin, der keineswegs der wuͤrdigſte unter den heidni— 
ſchen Kaiſern war, welche die Kenntniß Gottes auf— 
richtig ſuchten, wird mit einem Vorzuge begnadigt, 
deßen er nicht einmal bedurfte. Er hat bereits von 
feinem Vater den Begriff von dem hoͤchſten Gotte ges 
lernet; er kann auch denſelben, wenn er wuͤrklich nach 
der Wahrheit ſo begierig iſt, durch die ordentlichen je- 
dermann offen ſtehenden Mittel leicht erweitern. Aber 

E 5 er 


74 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


ner verlangt eine beſondere ungewöhnliche Offenbarung 
7 5. Gottes: und ſie wird ihm gewaͤhret. Bey aller 
306 Deutlichkeit die ſie hatte, verſtanden es doch weder 
bis der Kaiſer, noch viele andere Zuſchauer, daß dadurch 
337. die Annehmung der chriſtlichen Religion zur Bedin— 
gung des Siegs gemacht werde. Um alſo die wunder⸗ 
bare Erſcheinung brauchbar zu machen, zeigt ſich Chri⸗ 
ſtus dem Kaiſer noch beſonders im Traume. Es 

iſt ſehr glaublich, daß er demſelben den Willen Got⸗ 

tes in Abſicht auf dieſe Religion, und dieſe ſelbſt 
genauer erklaͤren werde; aber gegen alle Erwartung, 
auch in der That der Wuͤrde des Heilandes nicht ge— 
maͤß, lehrt er den Kaiſer bloß eine Fahne mit ſeinem 
Nahmenszuge und dem Bilde des Kreutzes geſchmuͤckt, 
verfertigen, damit er ſich derſelben zur Schutzwehre 
wider ſeine Feinde bedienen koͤnnte. Vergleicht man 
dasjenige damit, was Euſebius (de vita Conſt. M. 

L. II. c. 7.8.9.) von der wunderthaͤtigen Kraft dieſer 
kaiſerlichen Hauptfahne, (oder des ſogenannten Las 
barum) erzähle: fo möchte man beynahe muthmaaſ⸗ 
ſen, die ganze vorhergehende Erzaͤhlung ſey hauptſaͤch⸗ 
lich dazu beſtimmt geweſen, die aberglaͤubiſche Vereh⸗ 
rung der Fahne, und des Kreutzes inſonderheit, zu 
befördern. Beyde, ſagt der Geſchichtſchreiber, mach— 
ten das Heer des Kaiſers, vor welchen jene getragen 
wurde, unuͤberwindlich. Auch wenn daſſelbe an ir— 
gend einem Orte durch die Feinde in die Enge getrie⸗ 
ben ward, gieng alles wieder gluͤcklich, ſobald man 
nur dieſe Fahne dahin brachte. Funfzig vorzuͤglich 
ſtarke, tapfere und fromme Soldaten von ſeiner Leib— 
wache, waren bloß dazu gewaͤhlt, um ſich einander 

im Tragen der Fahne abzuloͤſen. Einer derſelben, der 

ſie eben trug, als ein ploͤtzliches Schroͤcken ſich durch 
das Heer verbreitete, uͤbergab ſie einem andern; wurde 
aber gleich darauf, wie Conſtantin ſelbſt erzählt hat, 
durch 


Des K. Conſtantins Bek. 3.Chriftenthum. 75 


durch einen Pfeil getoͤdtet. Aber denjenigen, der ſie m 
uͤbernommen hatte, traf, obgleich von allen Seiten F G. 
Pfeile auf ihn zuflogen, kein einziger: und ſo geſichert 306 
waren dieſe Fahnentraͤger zu jeder andern Zeit. — bis 
Genug, der Kaiſer, der über dieſe Fahne von dem 337. 
Erloͤſer Unterricht bekommen haben ſollte, kannte noch 
immer den Gott der ſich ihm zu erkennen gegeben hat⸗ 

te, ſo wenig als vorher. Er mußte alſo das ordent⸗ 
liche Mittel menſchlicher Unterweiſung ergreiffen: und 

die doppelte göttliche Erſcheinung hatte einen ſehr ge: 
ringen Nutzen. 


Indem man dieſen ſchlechten Zuſammenhang in der 
Erzählung des Euſebius bemerkt, wird die ſchon ans 
gefuͤhrte Uneinigkeit zwiſchen ihm und den uͤbrigen 
Schriſtſtellern erſt wichtig: und deſto mehr muß man 
nachforſchen, worauf das Anſehen ſeines Zeugniſſes 
beruhe. Es ſcheint durch den muͤndlichen Bericht des 
Kaiſers ſelbſt, und durch ſeinen beygefuͤgten Eidſchwur, 
völlig über alle Zweifel hinausgeſetzt zu ſeyn. Allein 
man weiß auch, daß Conſtantinus nachmals fein 
eidliches Verſprechen gegen den Licinius uͤbertreten 
hat: es moͤgen alſo ſeine Schwuͤre nicht alle Sicherheit 
gegeben haben. Ueberhaupt aber gilt ſelbſt die Verſi⸗ 
cherung eines Fuͤrſten uͤber ein mit den unwahrſchein⸗ 
lichſten Umſtaͤnden begleitetes Geſicht, ſo wenig, daß 
man immer den Einwurf übrig behaͤlt, feine Einbil⸗ 
dungskraft moͤchte ihn wohl hintergangen haben; wenn 
anders gegen ſeine Redlichkeit kein Zweifel Statt fin⸗ 
det. Setzt man etwan hinzu, daß nicht bloß der Kai: 
ſer, ſondern ſein ganzes Heer mit ihm das Kreutz am 
Himmel geſehen habe: ſo entſteht eine neue Bedenk— 
lichkeit. Was acht und neunzig tauſend Menſchen, 
(denn ſo ſtark war das gedachte Kriegsheer), und dieſe 
aus mancherley Voͤlkern, meiſtentheils von heidniſcher 


Relt⸗ 


76 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. it 


= Religion, zuſammengeſetzt, geſehen hatten, das konnte 
F. G. durch den ganz uͤberfluͤſſigen Eid des Kaiſers nicht die 
306 geringſte Staͤrke gewinnen. Puſebius haͤtte ſich alfo 
bis nicht ſowohl auf die Betheurung des Kaiſers, als le— 
337. diglich darauf berufen ſollen, daß fo viele tauſend Sol— 
daten eine Erſcheinung erblickt haͤtten, die eben da— 
durch im ganzen Reiche unleugbar geworden ſey. Sagt 
man, daß ſeiner Erzaͤhlung doch nicht widerſprochen 
worden iſt: fo bedenkt man nicht, daß dieſes gefches 
hen ſeyn kann, ohne daß wir davon Nachricht haben; 
daß die darauf gefolgten Regierungen chriſtlicher Fuͤr— 
ſten, unter welchen die zweyjaͤhrige des heidniſchen 
Julianus faft in keine Betrachtung kommt, nicht die 
bequemſte Zeit geweſen ſind, um eine ſo ehrwuͤrdig ge— 
wordene Geſchichte zu beſtreiten; und daß ſie dennoch, 
wie man oben geleſen hat, von den Heiden vor eine Fa— 
bel erklaͤrt worden iſt. Noch mehr: die angeführte Er⸗ 
zaͤhlung des Lactantius iſt ein wahrer Widerſpruch 
gegen den Euſebius. Denn beyde mit einander der— 
geſtalt zu vereinigen, daß der erſtere nur die naͤcht— 
liche Erſcheinung angefuͤhrt habe, ohne die mittaͤgliche 
darum zu leugnen, heißt das bey ihm unglaubliche zu 
glauben, er werde ein wuͤrkliches Wunder bey Seite 
geſetzt haben, um nur von einem Traume zu reden. 
Hier iſt auch der Umſtand erheblich, daß Lactantius 
fein Buch, worinne er dieſe Begebenheit meldet, we⸗ 
nige Jahre nach derſelben; Euſebius hingegen feine 
Lebens geſchichte Conſtantins mehr als zwanzig Jahre 
darnach geſchrieben hat. 


Es iſt noch uͤbrig, daß man nach den wichtigen 
Folgen frage, welche dieſe himmliſche Erſcheinung ge⸗ 
habt hat; wenn anders ein ſo ſeltenes Wunder von 
Gott nicht vergebens ſoll veranſtaltet worden ſeyn. 
Wahr iſt es, daß Conſtantinus gleich W 

N ieg 


Des K. Conſtantins Bek. z Chriſtenthum. 77 


Sieg erhielt, der ihm durch dieſelbe ſollte verſprochen 8. 
worden ſeyn; aber dieſer Sieg laͤßt ſich uͤberaus leicht h. 
aus der Ueberlegenheit eines geuͤbtern Serobennn über‘ 306 
einen ſchlechten und verhaßten Fuͤrſten, wie Maxen- bis 
tius war, erklaͤren. Groͤßer und ſichtbarer ſcheint die 337. 
Wuͤrkung des Wunders in der erfolgten Bekehrung des 
Kaiſers geweſen zu ſeyn. Und dennoch lernte er durch 
daſſelbe den wahren Gott noch nicht kennen; er trat 
auch nicht alsbald zur chriſtlichen Religion. Nach— 
dem er aber dieſe angenommen hatte, findet man bey 
ihm diejenige Hauptveraͤnderung nicht, die man nach 
einer fo außerordentlichen Art der Ueberzeugung haͤtte 
erwarten ſollen. Er blieb noch lange an ſeinem Her— 
zen und Leben ungebeſſert: die Handlungen der Grau⸗ 
ſamkeit inſonderheit „ die er als ein Chriſt begieng, 
waren ſchlimmer als ſeine fruͤhern. Es war alſo bloß 
aͤußerlicher Eifer fuͤr die Ehre der chriſtlichen Religion, 

die ſich in ihm nach dieſem vorgegebenen Wunder aͤuſ— 
ſerte. Ob von ſo vielen tauſend Soldaten, welche 
Zuſchauer deſſelben geweſen ſeyn ſollen, eine Anzahl 
Chriſten geworden ſeyen, davon ſchweigt die Geſchichte. 
Wenn ſie aber auch dieſen Erfolg berichtete: ſo wuͤrde 

es ſehr begreiflich ſeyn, daß eine Menge Unterthanen 
durch das Beyſpiel ihres Fuͤrſten hingeriſſen wor— 
den ſind. 


Vergebens beruft man ſich auf viele Denkmaͤler 
dieſer ſo lang geglaubten himmliſchen Erſcheinung. 
Die Kaiſerliche Fahne, oder das Labarum, worinne 
ſie abgebildet war, blieb freylich lange Zeit. Eben ſo 
giebt es auch Muͤnzen, Inſchriften, Bildſoͤulen, und 
unter andern auch Feyertage der griechiſchen Kirche, 
die zum Andenken derſelben dienen ſollten. Alles die— 
ſes aber beweiſet nichts mehr, als daß man die Erzaͤh⸗ 
lung des Kaiſers allgemein geglaubt, und alſo er 

au 


78 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Zauf alle Art verewigt habe. Wenn alle Nachrichten, 
C.. welche man durch Bilder und andere Denfmäler fort⸗ 
306 zupflanzen, geſucht hat, deswegen wahr ſeyn ſollten: ſo 
bis wuͤrden unzaͤhliche fabelhafte Märtyrer -und Heiligen⸗ 
337. Geſchichten, vermeinte göttliche Geſichter, und dergleis 

chen mehr, keinem Zweifel unterworfen ſeyn. Man 
uͤbereilt ſich auch bisweilen, indem man den griechiſchen 
Nahmenszug Chriſti (oder das ſogenannte Mono— 
gramma Chriſti, &) erſt von dieſer Erſcheinung und 
dem feyerlichen Gebrauche Conſtantins, herleitet. 
Daß derſelbe eines weit aͤltern Urſprungs bey den 
Chriſten geweſen fen, hat beſonders Johann Burkard 
Mencke (Diſſert. Academic. p. 85. fq.) gezeigt. 
Auf der andern Seite kam man von dieſem ſtreitigen 
Wunder Folgen oder Nachahmungen angeben, die den 
Verdacht gegen daßelbe nur vermehren. Da es über: 
haupt in einem Zeitalter ſich zugetragen haben ſollte, 
wo die Chriſten ſchon nicht viel weniger als die Heyden 
geneigt waren, wunderbare Begebenheiten, und vors 
zuͤglich ſolche Erklaͤrungen des goͤttlichen Willens zu er⸗ 
warten, oder zu glauben: fo ließen ihre Schriftſteller 
nachher oͤfters am Himmel ein Kreutz erſcheinen. 
Dem Nicephorus zu Folge ( Hift. Eccl. L. VII. c. 
47.) ſah es Conſtantinus zum zweytenmale nach ſei⸗ 
nem Siege über den Licinius, als er Byzantium be⸗ 
lagerte, und auch da las er um daßelbe folgende Wor⸗ 
te: „Durch dieſes Zeichen wirſt du alle Feinde übers 
„winden!“ Eben dieſer Geſchichtſchreiber (JI. c.c 49.) 
meldet, daß es der Kaiſer in dem Kriege mit den Secy⸗ 
then zum drittenmal erblickt habe. Sein Sohn Con⸗ 
ſtantius ſoll, nach der Erzählung des Socrates, (Hiſt. 
Eccl. L. II. c. 24.) des Sozomenus, (L. IV. c. 4.) 
und anderer mehr, in feinem Kriege wider den Ma⸗ 
gnentius, auch dieſe Verſicherung des goͤttlichen Bey⸗ 
ſtandes am Himmel bekommen haben. Endlich wur⸗ 

de 


Des K. Conſtantins Bek. 3 Chriſtenthum. 79 


de die Sache fo gemein, daß das Kreutz auch Privat: 
perfonen nach ihrem Vorgeben (So zom. Hit. Eccl. L. &. G. 
II. c. 3.) erſchien: und wie es ſeit dem Conſtantinus 306 
ſelbſt zur Nahrung des Aberglaubens habe dienen müf- bis 

ſen, wird man in der folgenden Geſchichte ſehen. 337. 


Waͤren alle dieſe Urſachen nicht hinlaͤnglich, ſo 
koͤnnten leicht noch mehrere beygefuͤgt werden, warum 
die Erzaͤhlung des Euſebius von dem Geſichte das 
Conſtantinus gehabt haben wollte, vor unglaublich 
und zweifelhaft gehalten werden muͤße. Dieſe Unter⸗ 
ſuchung iſt an ſich der ausnehmenden Muͤhe nicht 
werth, die ſich viele Gelehrte wegen derſelben in beſon— 
dern Abhandlungen, und ſogar Büchern gegeben ha= 
ben. Denn ſie hat es mit einem Wunder zu thun, 
das, wenn man keine Ruͤckſicht auf die Perſon neh⸗ 
men will, zu deren Beſten es geſchehen ſeyn ſoll, bey 
dem erſten ſcharfen Anblicke, in die Claße der un⸗ 
wahſcheinlichen und zweydeutigen Nachrichten zuruͤck 
faͤllt. Aber man hat lange Zeit die Ehre des Chris 
ſtenthums darinne geſetzt, zu glauben, daß der erſte 
Kaiſer, der ſich zu demſelben bekannt, und ihm unge— 
meine Dienſte geleiſtet hat, durch einen goͤttlichen 
Wink bewogen worden ſey, dieſes zu thun. Es ſchien 
den Ruhm eines ſo verdienten Fuͤrſten ſehr zu verrin— 
gern, wenn er dieſe Erſcheinung erdichtet, oder wenig⸗ 
ſtens vergroͤßert haͤtte; gleichſam als wenn davon allein 
die Wahrheit und der Werth ſeiner Bekehrung ab⸗ 
hiengen. Endlich hat man im vorigen Jahrhunderte 
angefangen, unpartheyiſcher daruͤber zu urtheilen. 
Jacob Gothofredus, (Differt. ad Philoſtorg. L. I. 
c. 6.) Jacob Oiſel (in Theſauro numiſmatum an- 
tiquorum, p. 663.) und Jacob Tollius (ad Lactant. 
de mort. perfecut. c. 44.) gehören unter die erſten und 
gelehrteſten, welche dieſe Erzaͤhlung entweder ungewiß, 

oder 


80 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


„oder eine gottſeelige Betruͤgerey und Kriegsliſt natıne 
Go, ten. Damals aber wurde ihr Urtheil fo ſehr verab⸗ 
306 ſcheuet, daß ſelbſt Baluzius (ad Lactant. I. c.) und 
bis Tillemont (Hilft. des Empereurs, T. IV. P. I. p- 20g. 
337. ed. in 12.) es vor eine gottloſe Verwegenheit ausga⸗ 
ben. Seit dem Anfange des jetzigen Jahrhunderts 
aber, haben Gottfried Arnold Unpartheyiſche Kir— 
chen⸗ und Ketzerhiſtorie, (Th. J. B. 4. S. 134. fg.) 
Chriſtian Thomaſius, (Obſeru. Halenſ. T. I. p. 
380. ſq.) und viele andere mehr, zuletzt auch beſon⸗ 
ders Chaufepiee (Supplement au Dictionn. de Bay le, 

art. Quien de Neuville) die Gruͤnde etwas genauer 
entwickelt, welche dieſe Meinung beguͤnſtigen. Da⸗ 
gegen haben ſich andere der gewoͤhnlichen Erzaͤhlung 
angenommen: zuletzt inſonderheit der Benediktiner 
Matthaͤus Jacutius (in Syntagmate, quo adpa- 
rentis Magno Conſtantino crucis hiſtoria complexa 

eſt vniuerſa, Rom. 175 5. 4.) und ein noch lebender 
Doktor der Sorbonne, der Abbee de Voiſin, (Difler- 
tation critique ſur la viſion de Conſtantin, Paris 
1774. 12.) Daß der erſtere dieſe Sache ſchlecht gefuͤhrt 
habe, davon habe ich mich durch das Leſen ſeiner 
Schrift uͤberzeugt: und von dem Buche des letztern, 
das gegen viertehalb hundert Seiten betraͤgt, hat mir 

der Auszug, der in des Herrn Hofrath Gatterers 
hiſtoriſchem Journal, Th. VII. S. 193. fgl. davon be⸗ 
findlich ift, auch keinen ſehe vortheilhaften Begriff ge⸗ 
geben; ob es gleich das fleißigſte und vollſtaͤndigſte in 
feiner Art ſeyn mag. Auch nach neuen Ueberlegungen 
alſo, finde ich keinen Grund, diejenige Meinung zu 
verlaßen, welche ich bereits anderwaͤrts (Allgem. Bio⸗ 
graphie, Vierter Theil, S. 29. fg.) vorgetragen ha⸗ 

be. Sie ſchreibt ſich großentheils vom Johann As 
brecht Fabricius her, deßen Abhandlung uͤber dieſe 
Geſchichte (Biblioth. Gräec. Vol. VI. p. 11. ſq.) über: 
haupt 


S2 
= 


IN 


Des K. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 81 


haupt lehrreich iſt. Sie kann auch mit Mosheims cen 
Erörterung (Commentar. de rebus Chriſt. ante Con- &. G. 
ſtant. M. p. 978. fq.) nuͤtzlich verglichen werden, der ihr 306 
zwar einige Zweifel entgegen geſetzt hat, aber ſie doch bis 
nicht widerlegt zu haben ſcheinet; ſo wenig als Cuper 337 
in einem Briefe, den Reimarus (Commentar. de 

vita et ſeriptis I. A. Fabricii, p. 235. fq.) ans Licht 
geſtellt hat. 


So verdaͤchtig auch dieſe berühmte Erzählung iſt; 
ſo haben doch diejenigen, von welchen ſie verworfen 
worden iſt, oͤfters zu gewagte Ausſpruͤche uͤber dieſelbe 
gethan. Sie ſoll, den meiſten unter ihnen zu Folge, 
eine ſchlaue Erdichtung Conſtantins geweſen ſeyn. 
War ſie dieſes wuͤrklich: ſo begreift man nicht wohl, 
wie er ſich darauf habe berufen koͤnnen, daß ſein gan⸗ 
zes Heer dieſe Erſcheinung geſehen habe. Ein ſolcher 
Betrug wäre zu grob, und ohne alle Wuͤrkung gewe⸗ 
ſen. Die Abſichten zu welchen er gebraucht worden 
ſeyn ſollte, werden ebenfals gezwungen angegeben. 
Einige nennen ſie eine Kriegsliſt, durch welche der 
Kaiſer ſeinen Soldaten Muth zu machen geſucht habe, 
indem er vorgegeben, ein Zeichen des göttlichen Bey 
ſtandes wider die Feinde am Himmel erblickt zu haben. 
Hier erinnert man ſich nicht, daß Conſtantins 
Kriegsheer meiſtentheils aus Heiden beftanden habe, 
die nicht nur unter den eigentlichen Roͤmern ſich befan⸗ 
de, ſondern vornemlich die Menge ſogenannter Bars 
baren ausmachten, welche unter ihm Kriegsdienſte tha⸗ 
ten. Fuͤr dieſelben war die faͤlſchlich vorgegebene Era 
ſcheinung eines Kreutzes im geringſten nicht einneh⸗ 
mend und verfuͤhreriſch. Heidniſche Soldaten erwar⸗ 
teten vielmehr, daß ſich einer ihrer Götter fuͤr ſie ers 
klaͤrte: und die Kriegsliſt, welche Licinius bald dar⸗ 
auf, mit offenbarer Nachahmung von Conſtantins 

V. Theil. F Ge⸗ 


82 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


» Geſichte erſann, (Lactant. de mortib. perſecut. c. 46.) 

2G. daß ihm ein Engel im Traum den Sieg verſprochen 

306 habe, wenn feine Soldaten ein gewiſſes Gebet ſprechen 

bis wuͤrden, war weit treffender. Andere glauben, Con⸗ 

337. ſtantinus habe feine Erzählung bloß darum ausge⸗ 
dacht, um der chriſtlichen Religion einen außerordent— 
lichen Vorzug im Roͤmiſchen Reiche zu verſchaffen; 
fo wie ähnliche Kunſtgriffe, die man gottſeelige Be— 
frügereyen nannte, unter den Chriſten dieſer Zeit 
nichts unbekanntes waren. Allein er war noch kein 
Chriſt, als er fie bekannt machte; er ſchwebte unge⸗ 
wiß zwiſchen allen Religionen: und es fallt in die Aus 
gen, daß er bloß den Muth ſeiner Soldaten habe ſtaͤr⸗ 
ken, nicht das Chriſtenthum befoͤrdern wollen. 


Könnte man, wie einige neuere Schriftſteller ver- 
ſucht haben, die vorgegebene Erſcheinung auf einen 
bloßen Traum einſchraͤnken!: fo wäre dieſes die na= 
tuͤrlichſte Entwickelung unter allen. Conſtantin 
wuͤrde alsdenn im Schlafe ſich eingebildet haben, Chri⸗ 
ſtum mit dem Kreutze in der Hand, das aus ſeinem 
Nahmenszuge gebildet war, zu erblicken, und dieſes 
vor eine goͤttliche Erinnerung gehalten haben, ſich des 
Siegs durch Vertrauen auf Chriſtum zu verſichern; 
alles uͤbrige aber haͤtte er hinzugeſetzt, um der Sache 
ein groͤßeres Anſehen zu geben. Gleichwohl iſt es 
hart, den Eid des Kaiſers und den Antheil den ſein 
Heer daran gehabt haben ſoll, eine Luͤge zu nennen. 
Die Erzaͤhlungen des Lactantius und Euſebius 
koͤnnten auch wohl noch mit einander vereinigt wer— 
den. Jener waͤhlte von der herrſchenden Vorſtellung 
nur denjenigen Theil, der am erſten geglaubt werden 
konnte, und im Grunde zu eben dem Endzwecke fuͤhr⸗ 
te, als die Erſcheinung, welche bey Tage vorgefallen 
ſeyn ſollte. Dieſer, dem man in ſeiner Geſchichte 

| keine 


Des K. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 83 


keine gefliffentliche Erdichtungen vorwerfen kann, unde 
der fie an dieſem Orte am wenigſten, ohne beſchaͤmt zz 1 
zu werden, hätte anbringen dürfen, nahm feine Nach- 306 
richten aus dem Munde des Kaiſers mit allem dem bis 
Wunderbaren, das ſich dieſer dabey eingebildet hatte. 337. 


Conſtantin alſo und ſeine Soldaten moͤgen wuͤrk⸗ 
lich etwas außerordentliches am Himmel geſehen haben; 
das aber, an Statt aus natürlichen Urſachen erklaͤrt 
zu werden, als ein Wunder gedeutet worden iſt. Die 
Geſchichte iſt voll von folchen himmliſchen Wunder— 
zeichen, zumal aus den aͤltern Zeiten, die jetzo nur 
in der Naturlehre ihren Platz finden. Vermuthlich 
war es ein Hof um die Sonne, oder ein lichter Kreis, 
mit welchem ſie zuweilen umgeben erſcheint. Dieſer 
hat auch wohl einige Aehnlichkeit mit einem Kreutze: 
und fuͤr die Einbildungskraft von Zuſchauern, welche 
ihn nie bemerkt haben, braucht ſie nicht einmal groß 
zu ſeyn, um ein wuͤrkliches Kreutz heraus zu bringen. 
Noch natuͤrlicher konnte ein ſolcher Hof um die Sonne 
als eine Krone, mithin als ein Vorbild des Siegs, 
angeſehen werden. Dazu kommt, daß der Ausdruck, 
deſſen ſich Euſebius bedient, (yexPn) eben ſowohl 
ein Gemaͤhlde oder Bild, als eine Ueberſchrift 
anzeigt, und ſeine Worte alſo auch die Ueberſetzung 
leiden wuͤrden: mit einem um das Kreutz herum⸗ 
gehenden Bilde, (einer Krone,) welches ſo viel 
ſagte, als: Siedurch ſollſt du uͤberwinden! 
Hat gleich dieſe Erklaͤrung auch ihre Schwierigkeiten; 
ſo ſind ſie doch nicht ſo groß, als bey den uͤbrigen: und 
das Ungewoͤhnliche in der Schreibart des Euſebius, 
das ſie vorausſetzt, ſchickt ſich nicht uͤbel fuͤr den lob— 
redneriſchſchwuͤlſtigen Ton in ſeiner Lebensbeſchreibung 
Conſtantins, und fuͤr dieſe Geſchichte ſelbſt. Da 
diefe fo verworren iſt; fo verträgt fie deſto leichter er⸗ 

F 2 gaͤnzende 


84 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ogaͤnzende Muthmaaßungen. Es iſt in der That wahr- 
ds, scheinlich genug, daß um den Kaiſer damals mehrere 
306 Chriſten geweſen find, und daß fie ihn entweder dar- 
bis auf gebracht haben, in der ungewoͤhnlichern Geſtalt 
337. der Sonne das Kreutz und die Vorbedeutung des na— 
hen Siegs zu leſen; oder daß fie ihn in dieſer Deu⸗ 
tung beſtaͤrkt haben, wenn er ſelbſt darauf gerieth. 
Von ihm lief dieſe Vorſtellung deſto geſchwinder zu 
ſeinem Kriegsheer uͤber, da es wuͤrklich etwas Neues 
am Himmel erblickte, und zur Zeit eines Feldzugs die 
Gemuͤther durch die geringſte Anleitung erhitzt werden 
koͤnnen. Eben ſo leicht begreift man, wie der Kaiſer, 
der von dieſem vermeinten Wunderzeichen bereits leb⸗ 
haft geruͤhrt war, daſſelbe noch einmal in einem Trau⸗ 
me der darauf folgenden Nacht, und zu der beſondern 
Abſicht gebildet, die er ſich ſchon vorgeſetzt haben 
mochte, geſehen habe. 0 5 


Auf der andern Seite findet man nur wenige 
Spuren von den Gedanken der Heiden dieſer und der 
gleich folgenden Zeit uͤber Conſtantins Bekehrung; 
aber auch dieſe wenigen muͤßen den Berichten der 
Chriſten gegen uͤber geſtellt werden. Die Heiden er⸗ 
zählten, ſagt Sozomenus, (Hiſt. Eccl. L. I. c. 5.) 
der Kayſer habe, nachdem er einige feiner Anverwand⸗ 
ten umgebracht, auch in die Hinrichtung feines Soh⸗ 
nes Criſpus gewilligt hatte, daruͤber Reue empfun⸗ 
den, und daher den Philoſophen Sopater gefragt, 
wie er ſich wegen dieſer Verbrechen reinigen, und mit 
den Göttern ausföhnen laſſen ſollte. Dieſer aber habe 
ihm zur Antwort gegeben, fuͤr ſo grobe Verbrechen 
gebe es gar keine Reinigung. Da der Kaiſer uͤber 
dieſe widrige Antwort traurig geworden, waͤre er mit 
Biſchoͤfen in Unterredung gekommen, die ihm verſpro⸗ 
chen haͤtten, ihn durch Buße und Taufe von aller 
Suͤnde 


Des. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 85 


Suͤnde zu reinigen. Dieſe Erklaͤrung, welche völlig nachg 
feinem Wunſche geweſen wäre, hätte ihn zum Chriſten NG. 
gemacht. Es gab auch eben zur Zeit des Sozomenus, 306 
hundert Jahre nach dem Conſtantinus, einen heidni- bis 
ſchen Geſchichtſchreiber, den Foſimus, der (Hift. L. II. 337 
c. 29.) den Kaiſer aus gleicher Urſache zu den Chriſten 
übergeben laßt. Nur füge er den Verbrechen deſſelben 
noch den Meineid bey, und verfichert, er habe von den 
Prieſtern, durch welche er gereinigt ſeyn wollte, eine ab⸗ 
ſchlaͤgliche Antwort bekommen. Hingegen faͤhrt er fort, 

ſey ein Aegyptier aus Spanien nach Rom gekommen, 

der durch Bekanntſchaft mit dem Hoffrauenzimmer, zu 
einer Unterredung mit dem Kaiſer gelangt ſey, und 
ihm die Verſicherung gegeben habe, die chriſtliche 
Religion hebe alle Suͤnden auf. Weit fruͤher hatte 

ein Anverwandter Conſtantins, der Kaiſer Julian, 

die Bekehrung deſſelben eben ſo vorgeſtellt. Da er 
aber ſolches in einer der bitterſten Spottſchriften, 
(Caeſares p. 31. ed. Heuſing.) gethan hat: fo ſieht 
man freylich nicht, ob er von dem ihm ſo verhaßten 
Kaiſer im Ernſte ſo gedacht habe. Freylich koͤnnte er 
wohl einer von den Urhebern dieſes Geruͤchtes ſeyn. 

Er laßt den Conſtantinus im Nahmen der Weich- 
lichkeit und Ueppigkeit, die er ihm zu Schutzgoͤttinnen 
giebt, folgendes ankuͤndigen: „Jeder Hurer, jeder 
Moͤrder, jeder verwuͤnſchte und abſcheuliche Verbre⸗ 
cher, komme getroſt hieher! Denn ſobald er mit die- 
ſem Waſſer wird abgewaſchen ſeyn, werde ich ihn ſo— 
gleich ganz rein machen. Und ſollte er ſich abermals 
ſolcher abſcheulichen Schandthaten ſchuldig machen: 

ſo will ich ihn aufs neue reinigen, ſobald er ſich nur 

an die Bruſt und an den Kopf ſchlaͤgt.“ 


Eigentlich war dieſer ſpoͤttiſche Vorwurf der Hei⸗ 
den, daß die chriſtliche Religion nicht rechtſchaffene Leu⸗ 
F 3 a te 


86 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
te zu Mitgliedern ſuche; ſondern die ſchlechteſten und 
C.. ſchlimmſten vor andern aufnehme, ſehr alt. Celſus 
305 hatte ihn bereits, wie man anderwaͤrts (Th. II. S. 
bis 284.) geleſen hat, vorgebracht. Allein fo wenig er 
337. die Lehren der Chriſten von der Taufe und Kirchenbuf 

ſe traf; ſo leicht konnte er beſonders in der Anwen⸗ 

dung auf den Kaiſer Conſtantinus widerlegt werden: 
wie ſolches ſchon Sozomenus (I. c.) und etwas ſchlech⸗ 
ter Evagrius (Hiſt. Eccl. L. III. c. 40. fq.) gethan 
haben. Geſetzt auch, daß, wie man gemuthmaaßt 
hat, der Aegyptier, deßen Foſimus gedenkt, der Bi⸗ 
ſchof Hoſius von Cordua geweſen wäre, der nachmals 
bey dem Kayſer ſo beliebt geworden iſt; ſo finden ſich 
doch in dieſer Erzaͤhlung zween falſche Umſtaͤnde, die 
den ganzen Grund derſelben zerſtoͤren. Conſtantinus 
ließ feinen Sohn Criſpus und feine Gemahlinn Fau⸗ 
ſta erſt viele Jahre darauf hinrichten, nachdem er ſich 
fuͤr das Chriſtenthum erkaͤrt, und bey unzaͤhlichen 

Faͤllen ſchon als ein Chriſt gehandelt hatte. Es koͤn⸗ 

nen alſo dieſe Grauſamkeiten ſeine Religionsveraͤnde⸗ 

rung nicht hervorgebracht haben. Daß es weiter fuͤr 
dieſelben in der heidniſchen Religion gar keine Ausſoͤh— 
nungsmittel ſollte gegeben haben, iſt gleichfals unrich— 
tig. Das Beyſpiel des Hercules war bekannt, der 
ſich fuͤr den an ſeinen Kindern begangenen Mord, 
durch die geheiligten Gebräuche der Goͤttinn Ceres hats 
te reinigen laßen. An ſich aber iſt es ſchon unwahr— 
ſcheinlich, daß die Prieſter einer Religion, welche ſelbſt 
den groͤbſten Laſtern nur einen ſchwachen Einhalt that, 
einen maͤchtigen Fuͤrſten ſollten abgewieſen haben, der 
ſich ihren unbedeutenden Reinigungsgebraͤuchen unter⸗ 
werfen wollte, und von deßen Rache fie alles zu be⸗ 
fürchten hatten: zumal da eine andere weit vernünftie 
gere Religion als die ihrige, ſich ſchon lange neben der⸗ 

| ſelben 


Des K. Conſtantins Bek. z Chriſtenthum. 87 


ſelben ausgebreitet hatte, und ihr taͤglich groͤßern g. 
Schaden zufuͤgte. CG. 


06 

Weiter erklaͤren ſich die heidniſchen Schriftfteller bie 

von Conſtantins Zeiten an, über die Urſachen feines 337. 
Uebergangs zum Chriſtenthum nicht. Aber unter den 
Neuern haben verſchiedene, beſonders faſt zuerſt Chri⸗ 
ftian Thomaſius (1. c.) und Burchard Gotthelf 
Struv, Oitlert. Conſtantinus M. ex rationibus poli- 
ticis Chriſtianus) zu beweiſen geſucht, es waͤren bloß 
Gruͤnde der Staatsklugheit geweſen, aus welchen dieſer 
Schritt des Kaiſers gefloßen ſey. Dieſe Vermuthung 

iſt uͤberhaupt bey einem ehrgeitzigen, ſtets nach Erobe⸗ 
rungen und groͤßerer Macht ſtrebendem Fuͤrſten, wie 
Conſtantinus war, nicht uͤbel angebracht; nur muͤſ⸗ 
ſen auch Spuren vorhanden ſeyn, daß ihm dieſes Mit— 
tel zur Erreichung ſolcher Abſichten habe dienen koͤnnen, 
oder wuͤrklich gedienet habe. Man hat ſie alſo folgen- 
dergeſtalt aufgeſucht. Da der Kaiſer, ſagt man, al— 
lein uͤber das Roͤmiſche Reich herrſchen, und ſeine Mit⸗ 
bewerber aus dem Wege raͤumen wollte: ſo trat er 
zu der maͤchtigen Parthey der Chriſten, und wurde von 
ihr ſo nachdruͤcklich unterſtuͤtzt, daß ſeine Wuͤnſche in 
Erfüllung giengen. Er kannte die Treue und Recht⸗ 
ſchaffenheit der Chriſten, die für ihren Glaubensgenoſ⸗ 
ſen und Beſchuͤtzer willig das Leben aufopferten. Durch 
eine gleiche verſtellte Neigung ſuchten auch Maximi⸗ 
nus, Maxentius und Licinius ſich diefelben günftig 
zu machen; allein ſie konnten ihre wahren Geſinnungen 

nicht ſo ſchlau als Conſtantinus verbergen. An Statt 
daß jene laſterhaft und unbeſonnen handelten, beſtaͤrkte 
er die Chriſten durch alles was er vornahm, in der Mei⸗ 
nung, daß er zu ihrer Gemeine gehoͤre. Vornemlich 
bediente er ſich der Kunſtgriffe ſehr geſchickt, daß er 
ihrer Geiſtlichkeit viele Einkuͤnfte und Rechte verſchaff⸗ 
g 8 4 te, 


88 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fe, ihr auf das ehrerbietigſte begegnete, und durch die 

FG. Gewogenheit derſelben ſich auch die Neigung des Volks 
ee erwarb, dieſem aber eine erwuͤnſchte Ruhe, Freyheit 
be und Sicherheit verſchaffte. 


Alles dieſes wird zuverſichtlich behauptet; es kann 
aber in einem ſolchen Zuſammenhange nicht bewieſen 
werden. Wenn Conſtantinus durch die Anneh⸗ 
mung der chriſtlichen Religion ſich den Weg zur Ober: 
herrſchaft im Reiche bahnen wollte: ſo durfte er ſein 
Gluͤck nicht einem Kriegsheere, das groͤßtentheils aus 
Heiden beſtand, anvertrauen. Eher haͤtte man als⸗ 
denn erwarten ſollen, daß er gleich beym Anfange des 
Kriegs gegen den Maxentius, ſich ganz für das 
Chriſtenthum erklaͤrt haben wuͤrde, daß er darauf ein 
zahlreiches Heer von Chriſten aufgerichtet, und durch 
deßen Beyſtand ſeinen Feind beſiegt haͤtte. Folgte er 
bloß ſeiner Staatsklugheit: ſo mußte ſie ihm die Un⸗ 
terſtuͤtzung der beidniſchen Parthey anrathen, die un⸗ 
ſtreitig die maͤchtigſte im Reiche war. Es fehlt ſogar 
viel daran, daß er gleich zu der Zeit, da er der Huͤlfe 
der Chriſten am meiſten benoͤthigt geweſen ſeyn ſoll, 
ihre Religion wuͤrklich angenommen, oder fie an Ned)» 
ten und Vorzuͤgen über die heidniſche erhoben hätte: und 
noch weniger ſieht man, was die Chriſten zur Errei⸗ 
chung feiner herrſchſuͤchtigen Abſiche beygetragen haben. 
Manche Kaiſer ſeiner Zeit gaben ſich freylich auf eine 
kurze Zeit das Anſehen der Gerechtigkeit und Gewo⸗ 
genheit gegen die Chriſten, die ſie nicht verfolgt wiſ— 
ſen wollten, um den Ruhm der Guͤte zu erlangen, und 
ſich auch bey ihnen beliebt zu machen; allein vor Chri⸗ 
ſten wollten ſie niemals gehalten ſeyn, wie ſich denn 
auch ihre faͤlſchlich angenommene Geſinnungen bald 
wieder verloren. Conſtantinus hingegen fiel fo wer 
nig in den Verdacht, als wenn ſeine Neigung gegen 

die 


Des K. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 89 


die chriſtliche Religion erdichtet wäre, daß er vielmehr g“ 
von Jahr zu Jahr als ein eifrigerer Freund derſelben FG. 
betrachtet wurde. Man wuͤrde gewiß, wenn es nur 306 
Verſtellung geweſen waͤre, dieſelbe endlich entdeckt ha- bis 
ben. Aus den Anſtalten welche er getroffen hat, um 337. 
die Gunſt der Chriſten, und beſonders ihrer Lehrer, 

zu erlangen, kann man eher ſchließen, daß er eine 
wahre Liebe gegen ihren Glauben gehabt habe: befon- 
ders, da er als Ueberwinder und unumſchraͤnkter Fürft, 

es am wenigſten noͤthig hatte, ihre Parthey um ſeiner 
Vortheile Willen zu beguͤnſtigen. Will man jedoch 
ſchlechterdings einige wahre Gruͤnde der Staatskunſt 
vermuthen, die zu der erſten Neigung Conſtantins 
gegen das Chriſtenthum etwas koͤnnten beygetragen 
haben: ſo muß man die Umſtaͤnde hieher rechnen, daß 
dieſe Religion dem Staate vorzuͤglich treue und ruhige 
Buͤrger verſchafft habe; daß die Anzahl ihrer Anhaͤn⸗ 

ger ſehr groß war, und ſich taͤglich ohne Gewaltthaͤtig⸗ 
keit vergrößerte; daß der Kaiſer fie beguͤnſtigen konn—⸗ 

te, ohne die Heiden zu verfolgen; und daß auf dieſe 
Art alle ſeine Unterthanen mit ihm zufrieden ſeyn 
wuͤrden. Wer 


Warum es überhaupt viele fo unwahrſcheinlich 
gefunden haben, daß Conſtantinus aus Weberzeus 
gung von der Wahrheit des chriſtlichen Glaubens, zu 
demſelben getreten ſeyn ſollte, davon läßt ſich keine are 
dere Urſache angeben, als weil man einem Fuͤrſten, 
der in jedem andern Falle bloß fuͤr ſeine Macht und 
Herrſchaft geſorgt hat, auch in Religionsſachen keine 
andern Abſichten zugetrauet hat. Gleichwohl ſcheint 
jene Ueberzeugung fuͤr ihn leicht zu erlangen geweſen zu 
ſeyn. Sein Vater war derſelben bereits nahe; an 
ſeinem Hofe, in ſeinem Heere, und in allen Staͤnden 
feines Reichs, gab es eine Menge Chriſten; ihre Reli⸗ 

} F 5 gion 


90 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


e wurde deſto bekannter: und ſie war es auch laͤngſt 
EG. durch Schriften geworden. Vielleicht iſt man auch 
306 deswegen am meiſten abgeneigt zuzugeben, daß er hier⸗ 
bis bey nach ſichern Einſichten gehandelt habe, weil ihm 
337. dieſelben außerordentlich von Gott ſollen eingefloͤßt wor⸗ 
den ſeyn. So wenig man aber noͤthig hat, dieſes zu 
glauben; ſo trift man doch ſelbſt bey einem heidniſchen 
Lobredner des Kaiſers, dem Nazarius, eine Spur 
an, daß man es vor gewiß gehalten habe, Conſtan⸗ 
tinus habe eine ungewöhnliche Lufterſcheinung geſehen. 
Es iſt, ſagt er, in ganz Gallien bekannt, daß ſich 
Kriegsvoͤlker in der Luft gezeigt haben, die ihre göftli= 
che Sendung deutlich bezeigten. Alles ſoll an ihnen 
bewundernswuͤrdig geweſen ſeyn, und beſonders ſollen 
ihre Waffen einen fuͤrchterlich feurigen Glanz von ſich 
geworfen haben; ja ſie ſelbſt ſollen die Worte haben 
hoͤren laßen: „Wir ziehen zum Conſtantin, wir kom⸗ 
men ihm zu Hülfe.“ So machte jede Religionsparthey 
aus der ſelteuern Geſtalt der Sonne dasjenige, was 
ihrer Denkungsart am gemaͤßeſten war. Den Chri⸗ 
ſten war es ein Kreutz, und den Heiden ein Heer von 
Soldaten. 


Seit dieſer Zeit alſo, beſonders, nachdem Conz 
ſtantinus im Jahr 312. den beruͤhmten Sieg uͤber 
den Maxentius erfochten hatte, gab er unauf hoͤrlich 
eine Menge Beweiſe, daß er dem Chriſtenthum er- 
geben ſey. Zu Rom ließ er öffentlich, (nach dem Eu⸗ 
ſebius de vita Conſt. L. I. c. 40.) ſeine Bildſaͤule 
mit dem Kreutze in der Hand aufrichten, und darun⸗ 
ter die Worte ſetzen: „Durch dieſes heilſame Zeichen, 
„einen wahren Beweis der Tapferkeit, habe ich eure 
„Stadt von dem tyranniſchen Joche errettet, und in 
„Freyheit geſetzt.“ Gleich darauf gab er in Gemein⸗ 
ſchaft mit dem Licinius eine Verordnung, durch = 

| e 


Des K. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 91 


che den Chriſten eine vollkommene Religionsfreyheitg 
zugeſtanden wurde. Sie iſt nicht mehr vorhanden; G. 
allein man weiß aus der gleich folgenden, daß ſie nicht 306 
ganz die gewuͤnſchte Wuͤrkung gethan habe. Denn es bis 
war darinne die gedachte Freyheit nicht allein den ſo- 337. 
genannten Rechtglaͤubigen, ſondern auch nahmentlich 
allen mit ihnen verwandten Religionspartheyen und 
Sekten ertheilt worden. Dieſes ſcheint von ihnen als 
eine Beſchimpfung angeſehen worden zu ſeyn; oder 
es mag der übrige Inhalt einigen Anſtoß in der Beob⸗ 
achtung dieſer Verordnung auch bey den Heiden verur— 
ſacht haben. Daher gaben beyde Kaiſer im Jahr 
313. zu Meyland ein anderes Geſetz zum Beſten der 
Chriſten, das Kuſebius (Hill. Eccl. L. X. c. 5.) auf: 
behalten hat. In dem Eingange deſſelben geſtehen 
ſie, daß ſie glauben, es duͤrfe kein Menſch in Reli⸗ 
gionsſachen gezwungen werden. Sie befehlen darauf, 
daß ſowohl die Chriſten als alle uͤbrige Unterthanen 
der vollkommenen Freyheit genießen ſollten, eine Re⸗ 
ligion zu bekennen, welche ſie wollten; damit, ſagen 
ſie, jede Gottheit und jedes himmliſche Weſen, 
uns und allen die unter unſerer Herrſchaft ſte⸗ 
hen, gnaͤdig ſeyn koͤnne. Jedermann ſoll es erlaubt 
ſeyn, zum Chriſtenthum zu treten, und daſſelbefaus⸗ 
zuuͤben; nur die ketzeriſchen Sekten werden nunmehr 
von dieſem Rechte ausgeſchloſſen. Es wird hinzuge— 
ſetzt, daß dieſe allgemeine Religionsfreyheit zur Erhal— 
tung der oͤffentlichen Ruhe dienlich ſey, und deswegen 
eingefuͤhrt werde, damit es nicht ſcheinen moͤchte, 
als wenn die Kaiſer irgend eine Art Gott zu 
verehren, herabſetzen wollten. Sie befehlen 
weiter, daß den Chriſten ihre ehemaligen gottesdienſt⸗ 
lichen Verſammlungshaͤuſer ohne Anſtand und unent- 
geldlich zurückgegeben werden ſollen; wenn gleich je⸗ 
mand dieſelben von der kaiſerlichen Kammer gekauft 
oder 


92 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


oder geſchenkt bekommen hat. Nur ſoll es denen, 

Tl welche dafuͤr eine Verguͤtung begehren wollen, frey ſte⸗ 

305 hen, ſich deswegen an die Statthalter zu wenden. 

bis Unter eben dieſen Bedingungen ſollten den Chriſten 

337 auch alle andere entriſſene Plaͤtze und Gebaͤude, die 
einer ganzen Gemeine derſelben zugehoͤrt hatten, wie— 
der eingeraͤumt werden. Alles, wie beyde Fuͤrſten 
verſichern, damit ſie der goͤttlichen Fuͤrſorge, welche 
ſie ſchon bey vielen Gelegenheiten erfahren haͤtten, auf 
immer gewiß feyn möchten. Durch einen andern Bes 
fehl wurde dieſer gleich darnach beftätigt. 


Nach den Ausdruͤcken zu urtheilen, deren ſich Con⸗ 
ſtantinus hier bediente, war er damals zwar bereits 
ein Freund der chriſtlichen Religion; aber er zog ſie noch 
nicht völlig jeder andern vor. Doch bezeigte er fo= 
gleich den Biſchoͤfen viele Hochachtung, ließ fie an ſei— 
ner Tafel ſpeiſen, und hatte ſie immer in ſeiner Ge— 
ſellſchaft. Er erwies ſich ſehr mildthaͤtig gegen die 
Chriſten, vergrößerte ihre Kirchen, und machte den⸗ 
ſelben praͤchtige Geſchenke. Licinius hingegen hatte 
vielleicht nur aus Gefaͤlligkeit gegen den Conſtanti⸗ 
nus an dieſer Verordnung Antheil genommen, und 
weil es fuͤr beyde vortheilhaft war, wider den Maxi⸗ 
minus verbunden zu ſeyn. Als daher dieſer bald 
darauf vom Licinius uͤberwunden wurde, und ſtarb, 
blieb die Einigkeit zwiſchen den beyden Kaiſern, die 
nunmehr ſich in das Reich getheilt hatten, nicht dauer— 
haft, indem jeder von ihnen durch Herrſchſucht und 
eiferſuͤchtiges Mißtrauen gegen den andern angetrie⸗ 
ben wurde. Sie bekriegten einander bereits im Jahr 
3 14. und Licinius mußte von dem Ueberwinder einen 
nachtheiligen Frieden annehmen. Von dieſer Zeit an, 
verfolgte er die Chriſten in ſeinem Gebiete mit vieler 
Schaͤrfe. Ob ihn ihre Liebe und Ergebenheit gegen 

den 


Des K. Conſtantins Bek. z. Chriſtenthum. 93. 


den Conſtantinus, oder fein Eifer für das Heiden⸗ 
thum dazu bewogen habe, iſt ungewiß. Nach dem g G. 
Euſebius (Hiſt. Eccl. L. X. c. 8. ſq. de vita Conſt. 306 
L. I. c. 5 1. ſq. L. II. c. I. ſq.) ließ er Biſchoͤfe um». bie 
bringen, und Kirchen niederreiſſen, jagte andere Chri⸗337. 
ſten ins Elend, ſetzte diejenigen gefangen, welche nicht 
opfern wollten, und ließ ſie vor Hunger verſchmach— 
ten; auch verbot er die Kirchenverſammlungen, und 

die Zuſammenkuͤnfte der Weiber mit den Maͤnnern 
zum Gottesdienſte. Mittlerweile geriethen die beyden 
Fuͤrſten im Jahr 323. von neuem in Krieg mit ein⸗ 
ander. Aber dieſer lief für den Licinius ſo ungluͤck⸗ 
lich ab, daß er ſich noch in eben demſelben Jahre als 
Gefangener an den Conſtantinus ergeben mußte. 
Ob ihm gleich dieſer die Erhaltung ſeines Lebens eid— 
lich verſichert hatte; ſo ließ er ihn doch bald darauf hin⸗ 
richten. Der Vorwand oder Antrieb zu dieſer meinei⸗ 
digen Grauſamkeit gegen den Gemahl ſeiner Schwe⸗ 
ſter war ſchlecht genug: es geſchah, weil die Soldaten 

den Todt des Licinius forderten; oder weil ihn Con⸗ 
ſtantinus noch vor einen gefaͤhrlichen Feind hielt. Eben 

ſo ließ er den Martinianus, welchen Licinius zum 
Caͤſar erklaͤrt hatte, umbringen: und ſelbſt der eilf⸗ 
jährige Sohn jenes Kaiſers konnte endlich feiner toͤd— 
tenden Wuth nicht entgehen. Heiden und Chriſten 
(Aurel. Victor de Caeſarib. c. 41. Hieronymus in 
Chronic. ad a. 323 et 325. Zofim. Hiſt. L. II. c. 28.) 
ſtimmen in dieſen Nachrichten mit einander uͤberein. 
Gleichwohl iſt dieſes eben derſelbe Fuͤrſt, fuͤr welchen 
das Kreutz in feiner Fahne noch immer eine wunder— 
thaͤtige Wuͤrkung aͤußern, und dem Gott, wenn er 
ihn in feinem Betzelte angerufen hatte, (wie Euſe—⸗ 
bius, de vita Conſt. L. II. c. 12. erzähle,) feinen 
Willen außerordentlich offenbaren ſollte. 


Geſetze 


94 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


K Geſetze und Veranſtaltungen 

Le. des | 

306 

3. Kaiſers Conſtantinus 
fuͤr das Chriſtenthum. 


as ihm aber lange Jahre an innerer chriſtlicher 
Gottſeeligkeit und wahren tugendhaften Geſin⸗ 

nungen fehlte: das beſaß er deſto reichlicher 

an aͤußerlichem Eifer für die chriſtliche Religion. Ver⸗ 
muthlich glaubte er auch, manche laſterhafte Ausbrüs 
che beybehalten zu koͤnnen, wenn er nur dem Glauben 
und oͤffentlichen Gottesdienſte der Chriſten mit brens 
nender Andacht zugethan bliebe: ein gefährlicher Irr— 
thum, der eben damals unter ihnen ſich kuͤhner aus» 
breitete. Seine Verordnungen und Einrichtungen 
brachten unterdeßen in dem allgemeinen Zuſtande der 
chriſtlichen Religion und Kirche, in der Ausübung der— 
ſelben, in der Verfaßung ihrer Lehrer, und in vielen 
andern dazu gehoͤrigen Dingen, große Veraͤnderungen 
hervor. Zugleich wurde fein Betragen in Religions⸗ 
ſachen ein Muſter, das Fuͤrſten und Unterthanen be= 
wundernd nachahmten. Deſto mehr machen ſie einen 
Theil von der Geſchichte der herrſchenden Denkungs⸗ 
art über das Chriſtenthum in dieſen und den nächftfols 
genden Zeiten aus: zumal da ihm Begriffe und Abſich⸗ 
ten dieſer Art von chriſtlichen Lehrern beygebracht oder 
bey ihm unterhalten wurden. Dieſe Geſetze Conſtan⸗ 
tins hat Euſebius im zehnten Buche ſeiner Kirchen⸗ 
geſchichte, und in der Lebensbeſchreibung des Kaiſers, 
am vollſtaͤndigſten beygebracht. Eine Anzahl derſelben 
hat ſich auch in den beyden kaiſerlichen Geſetzbuͤchern 
| der 


Conſtantins Geſetze für das Chriftenth. 95 


der Römer, (Codex Theodofianus et Iuftinianeus) —— 
erhalten. Zur Erläuterung der Geſetze Conſtantins . 
überhaupt dient ein Buch des Franz Balduinus, 306 
(Conſtantinus M. feu de legibus Conſtant.) ob es 3 


gleich hin und wieder zu lobredneriſch gerathen iſt. 337. 


Eine feiner erſten merkwuͤrdigern Verordnungen, 
die hieher gerechnet werden muͤßen, war diejenige, 
durch welche er im Jahr 313. die rechtglaͤubigen Leh— 
rer in Africa von der Verbindlichkeit, oͤffentliche Bea 
dienungen zu bekleiden, gaͤnzlich befreyete; damit ſie 
nicht durch ſolche Zerſtreuungen von den Pflichten ih— 
res Amtes abgezogen würden: und dieſe Freyheit (im- 
munitas) erſtreckte er nachher auf alle ſolche Lehrer in 
feinem Reiche. Sie waren alſo weder ſchuldig, Ch 
renſtellen anzunehmen, die ordentlich vielen Aufwand 
verurſachten; noch weniger veraͤchtliche Dienſte und 
Handarbeiten zu leiſten. Auch die geringern Kirchen⸗ 
bedienten ſollten dieſer Befreyung genießen, bey wel— 
cher nicht darauf geſehen wurde, ob fie ſelbſt Vermoͤ— 
gen beſaͤßen, oder von den Gütern der Kirche unters 
halten wuͤrden. Aber dieſes Vorrecht gab doch zu ge— 
gruͤndeten Beſchwerden Anlaß. Die anſehnlichſten 
Buͤrger in jeder Stadt hatten bisher durch die Vers 
waltung der öffentlichen Aemter das ihrige zu den ges 
meinen Ausgaben beygetragen: und die Laſt fiel ihnen 
nun weit beſchwerlicher, nachdem ſie einem ſo großen 
Theil ihrer Mitbuͤrger abgenommen worden war. 
Viele reiche Buͤrger ließen ſich ſogar die unterſten 
Kirchenbedienungen ertheilen, damit ſie aller Aem— 
ter uͤberhoben ſeyn möchten. Daher befohl Con⸗ 
ſtantinus, daß Reiche, die zur Annehmung der Eh⸗ 
renſtellen verbunden wären, (Decuriones, Curiales) 
nicht in den geiſtlichen Stand treten ſollten; ſondern 
nur Perſonen von geringem Vermoͤgen, welche billig, 
7 0 ſagte 


96 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


En er in feiner Verordnung des Jahrs 326. von den 
G. Reichthuͤmern der Kirche ernährt würden; auch ſollten 
— keine neue Geiſtliche beſtellt werden, wenn nicht Stel⸗ 
bis len fuͤr ſie durch anderer Tod erledigt waͤren. (Euſeb. 
337. Hiſt. Eccl. L. X. c. 7. Cod. Theod. L. XVI. tit. 2. de 
Epiſc. Ecclef. et Cleric. leg. I. 2. 3. 6. 7.) Im Grun⸗ 
de war dieſe Einſchraͤnkung des geiſtlichen Standes auf 
weniger vermoͤgende Perſonen, eine nicht viel geringere 
Unbequemlichkeit, als diejenige, welche aus der allge— 
meinen Befreyung der Geiſtlichkeit von oͤffentlichen 
Dienſten entſtand. Es ſcheinet in der That, daß jene 
Befreyung hätte Statt finden, und daß immer zu⸗ 
gleich von vermoͤgenden Geiſtlichen ein Beytrag zu den 
Beduͤrfnißen des Staats haͤtte geleiſtet werden koͤnnen. 


Aber auch von den meiſten, wo nicht allen, oͤffent⸗ 
lichen Abi gaben, ſcheint Conſtantinus die Geiſtlich⸗ 
keit entbunden zu haben. Wenn gleich kein Geſetz von 
ihm darüber vorhanden iſt; fo kann man es doch feis 
nen uͤbrigen Geſinnungen, und den Freyheiten, die er 
ihr ertheilt hat, vor gemaͤß halten. Beſonders zeigte 
er ſeine Freygebigkeit gegen ſie und die Kirche uͤber⸗ 
haupt ſo ausnehmend, daß er wuͤrklich den Grund zu 
ihren nachmaligen unermeßlichen Reichthuͤmern legte. 
Außer vielen Geſchenken an Gelde, Getreide und Ae⸗ 
ckern, auch in jeder Stadt angewieſenen Einkuͤnften 
für die dortige Geiſtlichkeit aus den gewoͤhnlichen Ab⸗ 
gaben, (Euſeb. Hiſt. Eccl. L. X. c. 6. Sozom. Hift. 
Eccl. L. I. c. 8. L. V. c. 5.) gab er inſonderheit im 
Jahr 321, jedermann die Erlaubniß, der rechtglaͤubi⸗ 
gen Kirche in ſeinem letzten Willen, ſo viel als er wollte, 
von feinen Gütern zu vermachen. Dieſes Geſetz (Cod. 
Theod. L. XVI. tit. 2. I. 4. Cod. Iuſtin. L. I. tit. 2. I. 1.) 
das eigentlich an die Einwohner von Rom gerichtet war, 
mag wohl nicht zuerſt eine ſolche Erlaubniß eingefuͤhrt, 

ſondern 


Conſtantins Gefege fiir das Chriſtenth. 97 


ſondern fie nur moͤglichſt erweitert haben, weil viel: En 
leicht Zweifel entſtanden waren, ob auch jede Schen— F. 
ckung dieſer Art guͤltig ſeyn ſollte, deren die Kirchen 306 
ſchon ſeit dem Jahr 312. genug erhalten zu haben dis 
ſcheinen. Zwar wurde von dieſen Beſitzungen und 337. 
Einkuͤnften nur ein Theil für die Lehrer, oder den Cle— 

rus insgeſammt, beſtimmt; das uͤbrige ſollte zum Un⸗ 
terhalte der Armen, Wittwen, und Gott geweihten 
Jungfrauen, auch zur Vergroͤßerung und Ausſchmuͤ— 
ckung der Kirchen angewandt werden. Allein da die 
Biſchoͤfe und andere Lehrer über alles dieſes die Aufe 
ſicht und das Vertheilungsrecht bekamen: ſo zogen ſie 
dieſe Schaͤtze deſto mehr an ſich, und nuͤtzten ſie nach 
ihrem Gefallen. Gar bald kam auch die aberglaͤubiſche 
Meinung hinzu, von welcher Conſtantinus ſelbſt 
nicht frey war, daß man ſich dadurch vorzuͤglich die 
Gnade Gottes erwerbe, wenn man der Kirche und 
ihren Dienern vieles ſchenkte, weil ihr Gebet und ihr 
Seegen große Wuͤrkung thaͤten. 


Unter den Ehrenbezeigungen und Rechten, mit 
welchen Conſtantinus die Biſchoͤfe uͤberhaͤuffte, war 
auch dieſes, daß er, nach dem Sozomenus, (Hiſt. 
Eccl. L. I. c. 9.) verordnete, jede Parthey die einen 
Streithandel zu fuͤhren haͤtte, koͤnne ſich, mit Ver⸗ 
werfung der weltlichen Gerichte, auf die Entſcheidung 
der Biſchoͤfe berufen; ihr Ausſpruch ſollte dem welchen 
andere Richter gethan haͤtten, eben fo ſehr vorgehen, 
als wenn er von dem Kaiſer ſelbſt herkaͤme; und die 
Statthalter nebſt ihren Unterbedienten ſollten denſelben 
zur Ausübung bringen. Eigentlich hatte in den aͤlte— 
ſten Zeiten jeder Chriſt, nach der Ermahnung des 
Apoſtels, (1 Br. an die Corinth. Cap. VI, v. 1— 8.) 
die Befugniß und Freyheit, einen Schiedsrichter zwi— 
ſchen ſeinen ſtreitenden Bruͤdern abzugeben, welche 

V. Theil. G deſto 


98 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. n deſto weniger vor heidniſchen Gerichten, auf eine ihrer 

C... unwürdige Art, klagen ſollten. Daß jetzt den Bi⸗ 

306 ſchoͤfen allein noch mehr zugeeignet wurde, ruͤhrte ver⸗ 

bis muthlich daher, weil ſich ſchon manche Chriſten in ih⸗ 

337. ren Streitſachen freywillig an dieſelben gewandt, ih⸗ 
nen aus beſonderer Verehrung ihres Standes, ein une 
partheyiſcheres Urtheil als den weltlichen Obrigkeiten 
zugetrauet, auch dabey nicht wenig Zeit und Koften 
erſpart hatten. In einem noch viel weitern Umfange 
werden die Biſchoͤflichen Gerichte in einem Geſetze, 
das ebenfals Conſtantinus gegeben haben ſoll, (O. 
Theod. Tom. VI. P. I. p. 339. ſq. ed. Ritteri) bes 
ſtimmt. Allein es iſt hinlaͤnglich vom Gothofredus 
erwieſen worden, daß daſſelbe eine eben nicht ſehr 
kuͤnſtliche Erdichtung ſpaͤterer Zeiten ſey, da jene Ge⸗ 
richte bereits hoch geſtiegen waren. 


Auch darinne bekamen die chriſtlichen Lehrer ein 
Vorrecht vor der Obrigkeit, daß man vor ihnen und 
der Gemeine, in der Kirche einem Leibeigenen ohne 
viele Weitlaͤufigkeit und mit wenig Worten die Frey⸗ 
heit ſchenken konnte; an Statt, daß viele Feyerlich⸗ 
keiten dazu gehoͤrten, wenn ſolches vor dem ordentli⸗ 
chen Gerichte geſchehen ſollte. Die Freylaſſung eines 
Leibeigenen ſollte ſogar nach dem Willen Conſtantins 
alsdenn gültig ſeyn, wenn fie ein Geiſtlicher, ohne alle 
Zeugen, ſchriftlich und mit willkuͤhrlichen Worten vorge⸗ 
nommen hatte. (Cod. Iuſt. L. I. t. 1 3. de his qui in Ecel. 
manumitt. I. I. 2. Cod. Theod. L. IV. t. 2. I. 1. So- 
zom. I. c.) Es würde ohne Zweifel dienlicher gewe⸗ 
ſen ſeyn, wenn der Kaiſer die uͤberfluͤſſigen Foͤrmlich⸗ 
keiten bey der weltlichen Obrigkeit abgekuͤrzt haͤtte, als 
daß er den geiſtlichen Stand in manche fuͤr ihn fremde 
Beſchaͤftigungen verſetzt hat. Denn ob es gleich zu⸗ 
weilen gut iſt, auch buͤrgerlichen Angelegenheiten durch 

die 


Conſtantins Geſetze für das Chriſtenth. 99 


die Diener der Religion ein ehrwuͤrdigeres und wohl. 
thaͤtiges Anſehen zu geben; ſo mußte doch ein ſolcher & g. 
Anfang immer weiter führen: und er artete wuͤrklich 306 
zuletzt in unertraͤgliche Mißbraͤuche aus. bis 
N 337.7 
Man kann es eben ſo wenig ohne Einſchraͤnkung 
loben, daß Conſtantinus die alten Roͤmiſchen Geſetze 
wider den eheloſen Stand gaͤnzlich aufhob. Sie wae 
ren freylich ſehr ſcharf, inſonderheit das Papiſche 
und Poppaͤiſche, welches, um die Bevoͤlkerung des 
Reichs zu befördern, nicht allein auf die Eheloſen, ſon⸗ 
dern ſelbſt auf Ehemaͤnner welche keine Kinder hatten, 
gewiſſe Strafen ſetzte; doch waren fie auch bereits ge= 
mildert worden. Da fie unterdeſſen dem Moͤnchsle⸗ 
ben, welches eben zu ſeiner Zeit recht aufkam, und 
überhaupt der alten Einbildung vieler Chriſten, als 
wenn fie durch die Enthaltſamkeit von der Ehe vollfom« 
mener wuͤrden, ſehr im Wege ſtanden: ſo iſt es nicht 
zu verwundern, daß ſie Conſtantinus nicht laͤnger 
dulden wollte. Euſebius, (de vita Conſt. L. IV. 
6. 26.) ruͤhmt ihn deswegen aus dem Grunde, weil 
es Menſchen genug gegeben haͤtte, die aus brennender 
Liebe zur Philoſophie ſich einer ſolchen Enthaltſamkeit 
befleiſſigt hätten, und beſonders auch chriſtliche Frauens⸗ 
perſonen, die ihre Keuſchheit zum Dienſte Gottes haͤt⸗ 
ten wiedmen wollen: ein Vorſatz, der ſchon Bewunde— 
rung verdiene; deſſen Ausführung aber die menſchli— 
chen Kraͤfte uͤberſteige. Eine andere Bewegurſache 
legt ihm Sozomenus (I. E. L. I. c. 9.) bey. „Er 
ſah, ſchreibt dieſer, daß diejenigen, welche aus Liebe 
u Gott unverehlicht und Kinderlos bleiben wollten, 
ich wegen dieſes Geſetzes in einem nachtheiligern Zu— 
ſtande befanden als andere, und hielt es vor thoͤricht 
zu glauben, daß das menſchliche Geſchlecht durch Fleiß 
und Sorgfalt der Menſchen ausgebreitet werden koͤnne, 
| G 2 indem 


100 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


indem die Natur vielmehr ſtets durch eine hoͤhere Ver⸗ 
C.. anſtaltung verringert oder vermehret wird.“ Dieſer 
6 andaͤchtig klingende Grundſatz mag dem Kaifer viel- 
is leicht von der Geiſtlichkeit beygebracht worden ſeyn; 
337. aber er wuͤrde in einer ſolchen Anwendung alle menſch⸗ 
liche Verſuche zur Aufnahme eines Landes in unnuͤtze 
und ſogar gottloſe Bemuͤhungen verwandeln. Und 
nicht genug, daß Conſtantinus dergeſtalt die Mei⸗ 
nungen von einer gewiſſen Heiligkeit des eheloſen Stan 
des beguͤnſtigte; er ertheilte auch den Chriſten beyder⸗ 
ley Geſchlechts, die in demſelben blieben, wenn ſie 
gleich noch unmuͤndig waͤren, die Freyheit ein Teſta⸗ 
ment aufzuſetzen: indem er, ſetzt Sozomenus ziem⸗ 
lich ſeltſam hinzu, urtheilte, daß derjenige, der ſich 
allein dem Dienſte Gottes und einer ſtrengern Tu— 
gend gewiedmet hat, in allen Dingen vernuͤnftige und 
kluge Maaßregeln treffe. 6 


Durch ein anderes Geſetz vom Jahr 321. fuͤhrte 
Conſtantin zuerſt die ſtrengere Feyer des Sonntags 
ein. Dieſer geheiligte Tag, der faſt ſo alt als das 
Chriſtenthum war, und noch immer in manchen chriſt⸗ 
lichen Gemeinen auch den Sabbath zur Seite hatte, 
wurde doch nicht, wie der juͤdiſche Sabbath, mit ei⸗ 
ner Ruhe von aller Arbeit begangen. So lange heid⸗ 
niſche Regierungen waͤhrten, wuͤrde dieſes ohnedem 
viele Schwierigkeiten gefunden haben; aber es war 
ſolches nicht einmal der Freyheit und Würde des Chris 
ſtenthums gemaͤß. Da wo das ganze Leben durch ſtets 
wuͤrkſame Froͤmmigkeit ein immerwaͤhrender Gottes⸗ 
dienſt ſeyn ſollte, und es auch bey ſehr vielen in der 
That war, konnte die Muße von täglichen Geſchaͤften 
weder vor nothwendig, noch vor ein ausnehmendes 
Merkmal der Gottſeeligkeit gehalten werden. Dieſes 
aͤnderte Conſtantin zu einer Zeit, da ſich die Chri⸗ 

f ſten 


Conſtantins Geſetze fuͤr das Chriſtenth. 101 


ſten ſelbſt ſchon ziemlich veraͤndert hatten. Ihre Ann 
dacht war lange nicht mehr fo feurig als ehemals; ſieg⸗ G. 
fiengen an, den Dienſt Gottes zu ſehr in Caͤrimonien 306 
zu ſetzen; und ſelbſt die neuerlangte Stille und Sicher- bis 
heit feſſelten ſie ſtaͤrker an die Beſchaͤftigungen und 3375 
Ergoͤtzlichkeiten des Lebens. Geſetze ſchienen alſo jetzt 
wuͤrklich noͤthig zu ſeyn, um an dem einzigen woͤchent⸗ 
lichen Tage, der zur oͤffentlichen Verehrung des Hoͤch⸗ 
ſten ausdruͤcklich beſtimmt war, die erkalteten Triebe 
der Chriſten zu entzuͤnden; oder doch ihre Aufmerkſam⸗ 
keit auf ihre Pflichten rege zu machen. Conſtantinus 
14700 daher folgendes: (C. Iuſt. L. III. t. 12. de feriis 
3.) „Alle Richter und Einwohner der Staͤdte, auch 
gi; Arbeiten aller Kuͤnſte, ſollen am ehrwuͤrdigen 
„Sonntage ruhen. Doch koͤnnen ſich die Landleute 
„mit aller Freyheit auf den Ackerbau legen. Denn es 
„trägt ſich oft zu, daß an keinem andern Tage Aecker 
„und Weinberge ſo bequem beſtellt werden koͤnnen, als 
„an dieſem. Es ſoll alſo dieſer Vortheil, den die 
„bimwliſche Vorſehung ſelbſt darbietet, nicht bey Ge⸗ 
„legenheit einer ſo kurzen Zeit verloren gehen.“ Gleich 
darauf erlaubte er, (C. Theod. L. II. t. 8. de feriis, 
J. 1.) daß man auch am Sonntage leibeigene Knechte 
loßlaſſen koͤnnte, weil es eine wohlthaͤtige Handlung 
waͤre. Nachmals iſt dieſe aͤußerliche Ruhe von allen 
Geſchaͤften am gedachten Tage, von den Kaiſern und 
andern chriſtlichen Fuͤrſten, obgleich mit einigen Ber« 
änderungen, immer beſtaͤtigt worden: und hat theils 
mit vergroͤßerter Strenge, theils unter manchen Miß⸗ 
braͤuchen, bis auf unſere Zeiten fortgedauert; ohne 
daß ſie ihre Hauptabſicht anders als bey wenigen Chri⸗ 
ſten erreicht haͤtte. 


Sogar fuͤr ſeine heidniſchen Soldaten machte Con⸗ 
ſtantiuus den Sonntag zu einem dem Dienſte Gottes 
G 2 vor⸗ 


102 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Bvorzuͤglich geweihten Feyertage. Sie mußten an dem⸗ 
36, ſelben, nach dem Euſebius, (de vita Conſt. L. IV. 
306 C. 19. fg.) auf das Feld ziehen, und daſelbſt, auf ein 

bis gegebenes Zeichen, alle zugleich folgendes Gebet ſpre⸗ 

337: chen: „Dich allein erkennen wir als Gott; dich beken⸗ 
nen wir als Koͤnig; dich rufen wir als Helfer an; von 
dir haben wir Siege erhalten; durch dich haben wir 
die Feinde uͤberwunden. Dir danken wir fuͤr das em⸗ 
pfangene Gute; von dir hoffen wir auch kuͤnftiges. 
Dich flehen wir alle demuͤthigſt an, daß du unſern 
Kaiſer Conſtantinus, und ſeine Gottgeliebten Soͤh⸗ 
ne, bey langem Leben, geſund und ſiegreich erhalten 
wolleſt.“ Dieſer gutgemeinte Zwang des Kaiſers 
mußte zwar manchen der Betenden zu Worten noͤthi⸗ 
gen, die mit ſeinen Einſichten nicht uͤbereinkamen; 
doch waren ſie den Begriffen verſtaͤndiger Heiden von 
dem hoͤchſten Weſen nicht zuwider. Der Geſchicht⸗ 
ſchreiber meldet noch, (c. 18.) und aus ihm Sozo⸗ 
menus, (Hiſt. Eccl. L. I. c. 7.) daß der Kaiſer auch 
den Tag vor dem Sabbath, das heißt, den Freytag, 
wegen desjenigen was der Erloͤſer an demſelben gethan 
hatte, durch ein gleiches Feyern von Arbeiten zu ehren 
verordnet habe. 

Wie ſehr nach der gaͤnzlichen Unterdruͤckung des 
Licinius, im Jahr 323. der Eifer Conſtantins fuͤr 
die chriſtliche Religion durch feine freyere und größere. 
Macht zugenommen habe, ſieht man deutlich genug 
aus ſeinen Verordnungen. Eine von denen, worinne 
er die Spuren und Wuͤrkungen der Verfolgung des 
gedachten Kaiſers auf hob, die nach Palaͤſtina abge⸗ 
ſchickte, iſt vom Euſebius (de vita Conſtant. L. II. 
e. 24. ſq.) auf behalten worden. Er bemerkt darinne 
zuerſt, daß ſich ſchon lange ein offenbarer Unterſcheid zwi⸗ 
ſchen den Verehrern der chriſtlichen Religion und zwi⸗ 
ſchen ihren Feinden gezeigt habe; jetzt aber ſey derſelbe 

u 1 dur 


Conſtantins Geſetze fuͤr das Chriſtenth. 103 


durch noch größere Begebenheiten außer allen Streit 
gefegt, und zugleich die Macht Gottes bewieſen wor: N. G. 
den. Denn beyde haͤtten einen Ausgang genommen, 306 
der ihnen gebuͤhrte. Weil nun die Gottloſen eine all- bis 
gemeine Noth geſtiftet hätten, habe Gott durch ihn, 337. 
feinen Diener, vom Britannifchen Meere her dieſem 
Elende ein Ende gemacht, das menſchliche Geſchlecht 
unterweiſen, zur Beobachtung des ehrwuͤrdigſten Ge⸗ 
ſetzes zuruͤckfuͤhren, und den ſeeligſten Glauben mehr 
ausbreiten laßen. Ich weiß zwar wohl, ſagt er, daß 
diejenigen welche ſich ganz der himmliſchen Hofnung 
ergeben, und dieſelbe feſt auf die goͤttlichen Wohnun⸗ 
gen gruͤnden, keiner menſchlichen Gnade bedürfen, 
Allein da er es doch vor ſeine Pflicht halte, die Un⸗ 
ſchuldigen von allen Drangſalen zu befreyen: fo be⸗ 
fiehlt er, daß die Chriſten welche aus ihrem Vaterlan⸗ 
de verwieſen, oder zu oͤffentlichen Dienſtleiſtungen 
verurtheilt worden waren, ihre Guͤter verloren hatten, 
auf wuͤſte Inſeln verbannt, zu den Bergwerksarbeiten 
verdammt, ihrer Freyheit und Ehre beraubt, aus an⸗ 
ſehnlichen Kriegsdienſten geſtoßen worden, oder die 
man zur Beſchimpfung unter den Weibern Wolle ſpin⸗ 
nen und Leineweber abgeben laßen, auch zu Leibeigenen 
gemacht hatte, in ihren vorigen Zuſtand wieder einge⸗ 
ſetzt werden ſollten, ſo daß es ihnen frey ſtuͤnde, eine 
beliebige Lebensart zu ergreiffen. Die Guͤter welche 
von den cheiſtlichen Maͤrtyrern oder Bekennern hin⸗ 
terlaßen worden, ſollten ihren naͤchſten Anverwandten, 
und wenn keine ſolche vorhanden waͤren, der Kirche zu 
welcher ſie gehoͤrt hatten, zufallen. Wer etwas von 
denſelben in den Haͤnden haͤtte, ſollte es zuruͤckgeben, 
ohne daß man ihn wegen der bisherigen Nutzung der⸗ 
ſelben in Anſpruch nehmen duͤrfe: und ſelbſt die kai⸗ 
ſerliche Kammer ſollte die eingezogenen Guͤter der 
chriſtlichen Kirchen wieder herausgeben. * 
G 4 Noch 


104 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Noch ernſtlichere Anſtalten folgten hierauf, um 
Ech dem Chriſtenthum im ganzen Reiche die Oberhand zu 
06 verſchaffen. Conſtantinus beſtellte nunmehro, wie 
bis Euſebius (I. c. c. 44.) berichtet, meiſtentheils Chri⸗ 
337. ſten zu Statthaltern; den heidniſchen aber verbot er 
zu opfern: und dieſes war ſelhſt denen nicht mehr er⸗ 
laubt, welche noch hoͤhere Wuͤrden, ſelbſt die hoͤchſte 
obrigkeitliche (praefectura praetorio) bekleideten. Zu⸗ 
gleich verbot er, (Eufeb. I. c. c. 44. fq.) daß weder 
Bildſaͤulen der Goͤtter aufgerichtet, noch Wahrſager⸗ 
kuͤnſte und aͤhnliche Dinge ausgeuͤbt, auch keine Opfer 
geſchlachtet werden ſollten. Eben dieſes, daß Con⸗ 
ſtantinus den Heiden die Opfer und andere Arten des 
Aberglaubens unterſagt habe, erzaͤhlt Euſebius noch 
zweymal; (I. c. L. IV. c. 23. 25. und nach ihm So⸗ 
zomenus, (Hiſt. Eccl. L. I. c. 8.) Gleichwohl ver- 
ſichert Libanius, (Orat. pro templis gentilium) daß 
der Kaiſer die Ausuͤbung der heidniſchen Religion nicht 
geftört habe. Joſimus (Hiſt. L. II. c. 29.) ſetzt bin» 

zu, er ſey ſelbſt noch derſelben um dieſe Zeit zugethan 
geweſen. Auch findet man noch drey Geſetze, die er 

in den Jahren 319. und 321. gegeben hat, (Cod. 
Th. L. IX. tit. 16. de malefic. I. 1. 2. L. XVI. tit. 10. 

de Paganis, 1. 1.) worinne die Wahrſagerkuͤnſte mit 
der Bedingung erlaubt werden, daß ſie nur oͤffentlich 
getrieben werden, ingleichen bloß das Opfern in den 
Haͤuſern, nicht aber in den Tempeln, verboten wird. 
Daraus haben einige Gelehrte geſchloßen, daß auch 
das ſpaͤtere Verbot nur von den häuslichen und von ſol⸗ 
chen Opfern zu verſtehen ſey, welche die Roͤmiſchen 
Obrigkeiten im Nahmen der Kaiſer darzubringen pfleg⸗ 
ten. Es wird jedoch durch die ſehr allgemeinen Aus⸗ 
druͤcke des Geſchichtſchreibers wahrſcheinlicher, daß der 
Kaiſer wenigſtens in der ſpaͤtern Zeit alle Opfer ohne 
Ausnahme verboten habe. Zwar mußten ſie noch ſei⸗ 

N 23 


Eonftantins Geſetze für das Chriſtenth. 105 


ne Soͤhne im Jahr 341. (Cod. Th. L. XVI. tit. 10. Kn. 
J. 2.) unterſagen; allein indem fie ſich in ihrem Geſetze &. G. 
auf das von ihrem Vater gegebene berufen, zeigen ſie 306 
eben dadurch an, daß das letztere nicht ſehr ſtreng beob- bis 
achtet worden ſey, weil noch zu viele reiche und vor- 337. 
nehme Perſonen der Abgoͤtterey zugethan waren, als 

daß ſie ſogleich mit Gewalt haͤtte ausgerottet werden 
koͤnnen. | 


Wuͤrklich bewies Lonftentinus anfänglich gegen 
ſeine neue heidniſche Unterthanen in den Morgenläne 
dern viel Glimpf und Sanftmuth. Er ſtellte ihnen 
in einem beſondern Schreiben (beym Euſebius de vi- 
ta Conſtant. L. II. c. 48. ſq.) die Nichtigkeit des 
Goͤtzendienſtes, und die Urſachen vor, warum ſie ſich 
zum chriſtlichen Glauben wenden muͤßten. Nachdem 
er die kurz vorhergehende fuͤr die Chriſten traurige Zei⸗ 
ten und das Ende derſelben abgeſchildert hat, bittet er 
Gott, durch ihn dieſe ſeine Voͤlker gluͤcklich zu machen; 
beruft ſich auf die Siege, die er durch deßen Beyſtand, 
unter Vortragung des Kreutzes, erfochten, beruͤhrt ſei⸗ 
nen Glauben und Eifer für die Kirche, und fährt ſo⸗ 
dann in der Anrede an Gott fort: „Selbſt die Anhaͤn⸗ 
ger der falſchen Religion moͤgen gemeinſchaftlich mit 
den Glaͤubigen der Annehmlichkeiten des Friedens und 
der Ruhe froͤhlich genießen. Denn dieſe Wiederher— 
ſtellung der Gemeinſchaft zwiſchen beyden dient auch 
ungemein dazu, die Menſchen auf den richtigen Weg 
zu führen. Niemand ſtoͤre den andern: ein jeder thue 
was ihm gefaͤllt. Doch muͤßen die Wohlgeſinnten vers 
ſichert ſeyn, daß diejenigen allein heilig und unſchul⸗ 
dig leben werden, welche Du ſelbſt dazu berufen haſt, in 
Deinen heiligen Geſetzen ihre Zufriedenheit zu ſuchen. 
Diejenigen aber die ſich ſelbſt denſelben entziehen, moͤ— 
gen, weil es einmal ihr Wille iſt, die Tempel ihrer luͤ⸗ 

G 5 5 gen⸗ 


106 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


w genhaften Lehre immer behalten. Wir haben das 
G. glänzende Haus Deiner Wahrheit, das Du uns mit 
eu der Natur gegeben. Eben dieſes wuͤnſchen wir auch 
bis ihnen, damit fie ſich an der allgemeinen Uebereinſtim⸗ 
337. mung vergnügen fönnen.“ — Der Kaiſer ſetzt hinzu, 
daß die chriſtliche Religion nicht neu ſey; ſondern mit 
der Gruͤndung der Welt anbefohlen worden; daß der 
Sohn Gottes das menſchliche Geſchlecht von ſeinen 
Irrthuͤmern befreyet habe; und daß die ganze Einrich— 
tung der Natur dieſe goͤttlichen Abſichten beſtaͤtige. 
Er verbietet nochmals, daß niemand den andern we— 
gen einer verſchiedenen Einſicht in der Religion belei- 
dige; man mag einander mit feinen Kenntnißen nuͤtz⸗ 
lich werden, ſo weit es moͤglich iſt. „Ich habe, ſagt 
er zuletzt, dieſes alles weitlaͤufiger erflärt, weil ich den 
wahren Glauben nicht verbergen wollte; beſonders 
aber, weil einige behaupten ſollen, die Caͤrimonien der 
Tempel und die Macht der Finſterniß wären ganz auf⸗ 
gehoben. Ich wuͤrde dieſes allen Menſchen gerathen 
haben, wenn nicht die gewaltſame Empoͤrung des 
ſchlimmen Irrthums, zum Schaden der gemeinen Ver⸗ 
beßerung, in den Gemuͤthern einen zu feſten Sitz ge⸗ 
nommen hätte.“ Wenn der Kaiſer in dieſem Schrei⸗ 
ben ſeine Froͤmmigkeit zu ſehr auf die Siege und an⸗ 
dere irrdiſche Gluͤckſeeligkeit zu gruͤnden ſcheint, die er 
durch die Annehmung des Chriſtenthums erlangt zu 
haben glaubte: ſo muß man ſich erinnern, daß ein ſol⸗ 
cher Bewegungsgrund in den Augen der Heiden einer 
der größten war, indem fie den blühenden Wohlſtand 
des Reichs von dem herrſchenden Eifer fuͤr die Vereh⸗ 
rung der Goͤtter herleiteten. Sogar die erſten Ueber⸗ 
legungen Conſtantins uͤber die Wahl einer Religion, 
ſallen, wie man oben geſehen hat „von gleichem In⸗ 
halte sr ſeyn. N 


Sei⸗ 


Conſtantins Geſetze fuͤr das Chriſtenth. 107 


Seinen Erklaͤrungen zu Folge, ſollten durchaus Tn 
keine Zwangsmittel angewandt werden, um aus Hei- JG. 
den Chriſten zu machen. Es kann daher ſeyn, daß 306 
der Kaiſer manche Einſchraͤnkung des Goͤtzendienſtes bis 
die er gleichwohl verfügte, vor keine Gewaltthaͤtigkeit 337. 
angeſehen habe; zumal, da ſie unter vieler Nachſicht 
beobachtet wurden. Ohnedem waren nicht einmal har⸗ 
te Anſtalten noͤthig, um eine Religion, wie die chriſt⸗ 
liche, die allein durch ihre eigenthuͤmliche Staͤrke in 
die Gemuͤther einzudringen gewohnt war, und unter 
einem Fuͤrſten, deßen Beyſpiel ſo reitzend war, der 
alles beguͤnſtigte, was dem Chriſtenthum angehoͤrte, 
ſehr bald empor zu bringen. Unterdeßen gebrauchte 
er doch nach und nach auch ſchaͤrfere Maaßregeln ge⸗ 
gen die heidniſche Religion. Er ließ (nach dem Eu⸗ 
ſebius, de vita Conſtan. L. IV. c. 23.) viele Tem⸗ 
pel zuſchließen: und da fie alſo viele Jahre lang nicht 
beſucht, noch in gutem Stande erhalten wurden, ſo 
wurden ſie von ſelbſt unbrauchbar und baufaͤllig. Von 
manchen derſelben ließ er (Id. J. c. c. 54.) bloß das 
Dach abtragen, oder das Vorgebaͤude niederreißen, damit 
ſie durch die Veraͤnderungen des Wetters allmaͤhlich zu 
Grunde gerichtet wuͤrden. Einige wurden auf ſeinen 
Befehl ganz zerſtoͤrt: beſonders ſolche, in denen ab⸗ 
ſcheuliche Ausſchweifungen der Wolluͤſte begangen wor: 
den waren, (J. c. L. III. c. 55.) oder von denen die 
Heiden glaubten, daß die Goͤtter Wunder darinne 
wuͤrkten, (I. c. c. 56. Socr. Hiſt. Ecel. L. I. c. 18.) ine 
gleichen die an Oertern ſtanden, welche fuͤr die Chri- 
ſten ehrwuͤrdig und heilig waren: wie an der Stelle, wo 
ſie glaubten, daß der Leichnam Chriſti begraben wor⸗ 
den ſey, und wo Abraham die drey Engel empfangen 
haben ſollte. (J. c. cap. 26. 53.) Bloß einige Hofbe⸗ 
dienten des Kaiſers reiſten mit dieſem Auftrage in die 
Provinzen, und vollſtreckten ihn, ohne von Soldaten 

unter⸗ 


108 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


SDunterſtuͤtzt zu werden, (Euſeb. I. c. L. III. c. 54.) Doch 
G. geſteht Euſebius, daß zuweilen auch Soldaten dazu 
306 gebraucht worden ſind, wie bey dem beruͤhmten Tempel 
bis des Apollo zu Aegaͤ, (J. e. c. 56.) Ein ſolches Bey⸗ 
337. ſpiel ſcheint auch den chriſtlichen Poͤbel aufgemuntert zu 
haben, ohne einen beſondern Befehl manche Tempel zu 
zerſtoͤren; wie man inſonderheit aus den Klagen und 
Vorwuͤrfen ſchließen kann, die gegen die Chriſten ſeit 
Julians Zeiten erhoben worden ſind. 


Die Bilder der Götter, welche die Chriſten bey: 
nahe mehr haßten als die Tempel ſelbſt, hatten größ- 
tentheils ein eben ſo ſchlimmes Schickſal. Zuweilen 
befohl Conſtantinus ſelbſt, ſie zu verbrennen; (Eu— 
ſeb. J. c. c. 53.) aber unzaͤhliche Chriſten, beſonders 
ſolche, die vorher ſelbſt Heiden geweſen waren, zer— 
nichteten ſie an vielen Oertern aus eigenem Triebe. (Id. 
L. IV. c. 39.) Solche Bildſaͤulen die aus Gold oder 
einem andern edlen Metalle verfertigt waren, wurden 
zu einem eintraͤglichern Gebrauche in die Münze ger 
ſchickt. (Id. Orat. de laudib. Conſtant. c. 9. Sozom. 
Hiſt. Eccl. L. II. c. 5.) Andern wurde das Gold- und 
Silberblech abgerißen, mit welchen ſie bedeckt waren, 
und der übrige hölzerne Klotz vor ihre Verehrer hinge— 
worfen. Man beſchimpfte ſie uͤberhaupt auf mancher⸗ 
ley Art. Bald ſchleppte man fie mit Stricken gebun⸗ 
den zuſammen; bald verſtuͤmmelte man ſie, und gab 
ſie dem oͤffentlichen Gelaͤchter Preis. Die Prieſter 
wurden genoͤthigt, ſie aus den geheimſten Oertern der 
Tempel ans Licht zu bringen: und da man eben daſelbſt 
Todtenknochen und andere Unreinigkeiten antraf, ſo 
zog man dieſelben gleichfals zur Beſchaͤmung der Hei- 
den hervor. (Eufeb. de vita Conftant. L. III. c. 54. 
57. Sozom. I. c,) Doch ließ der Kaiſer manche Bild- 
ſaͤulen, welche bewundernswuͤrdige Werke der Kunſt 

waren, 


Conſtantins Geſetze für das Ehriftenth, 109 


waren, auf behalten „ und Conſtantinopel damit aufs! 
verſchiedenen Plaͤtzen ausſchmuͤcken; (Euſeb. I. c. So- x Te 
crat. Hiſt. Ecel. L. I. c. 16. Zofim. Hill E II. e. 31 9985 
ob man gleich nicht zweifeln kann, daß ungleich mehre- bis 
re, die eben eine ſolche Achtung verdienten, von den 337. 
Chriſten verwuͤſtet worden ſind. Conſtantin verbot 
auch, daß man fein Bild nicht in den heidniſchen Tem⸗ 
peln aufſtellen follte: und wenn Socrates (Hill. Eecl. 

L. I. c. 18.) hierinne gerade das Gegentheil vom Euſe⸗ 
bius (de vita Conſtant. L. IV. c. 16.) erzählt: fo muß 
man, auch des Zuſammenhangs wegen, jene Stelle vor 
verdorben anſehen. Denn mit einem gelehrten Manne, 
der dieſe Geſchichte uͤberhaupt geſchickt erläutert hat, 
(Io. Wilh. Hoffmanni Ruina ſuperſtitionis paganae, 

p. 18. Viteb. 1738.) zu glauben, daß Socrates uns 

ter den eigenen Bildern des Kaiſers ſolche verſtehe, 
welche Perſonen und Begebenheiten der chriſtlichen Re— 
ligion vorſtellten; dieſes iſt gar nicht wahrſcheinlich. 
Inzwiſchen Eönnte die Nachricht des Cedrenus (Com- 
pend. hiftor. p. 272. ed. Parif.) daß Conſtantinus 
einige Tempel den Chriſten zu ihrem Gottes dienſte uͤber⸗ 
laßen habe, dennoch gegruͤndet ſeyn. 


Viele andere Mittel, dem Heidenthum Abbruch 
zu thun, wurden von ihm auch in Bewegung geſetzt. 
Er nahm den Tempeln die liegenden Gründe und ans 
dere Einkuͤnfte weg, die zu dem oͤffentlichen Aufwande 
des Goͤtzendienſtes und zur Unterhaltung der Prieſter 
beſtimmt waren. (Euſeb. de vita Conſtant. L. III. c. 1. 
Liban. Orat. pro templis gentilium.) Er verbot die 
grauſamen Fechterſpiele, die von den Chriſten mit 
Recht verabſcheuet wurden, wenigſtens in einem Theil 
der Morgenlaͤnder; (Cod. Th. L. XV. tit. 12. de Gla- 
diatorib. I. 1.) aber der Geſchmack der Römer an den⸗ 
ſelben war ſo hitzig, daß ſie noch lange nach ſeinen Zei⸗ 
ten 


110 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


& „ten fortgedauert haben. Bisweilen ließ er auch Geld 
C. G. unter die armen Heiden austheilen, um fie zur Anneh⸗ 
306 mung des Chriſtenthums zu locken. (Euſeb. I. e. L. III. 
bis c. 58.) Flecken welche ſich ganz zu dieſer Religion be⸗ 
337. kannten, gab er das Bürgerrecht, und feinen eigenen 
Nahmen. (Idem J. c. L. IV. c. 38.) Beſonders aber 
machte er ſeine neugewaͤhlte Hauptſtadt des Reichs zu 
einer Stuͤtze des chriſtlichen Glaubens. Zofimus 
(Hift-L. II. c. 29. 30.) beſchuldigt ihn, er habe, um 
dem allgemeinen Haße der Einwohner Roms gegen 
ihn, und den Verwuͤnſchungen auszuweichen, mit wel⸗ 
chen ſie ihn wegen ſeiner Anſtalten wider das Heiden⸗ 
thum belegten, deßen Gebraͤuche er auch bey feyerli⸗ 
chen Gelegenheiten daſelbſt verſpottete, dieſe Veraͤnde⸗ 
rung getroffen. So viel iſt wohl glaublich, daß die 
Roͤmer, welche noch groͤßtentheils, beſonders die Vor⸗ 
nehmſten, und der Senat ſelbſt, der Abgoͤtterey zuge⸗ 
than blieben, einen ſtarken Widerwillen gegen den 
Kaiſer gefaßt, und denſelben auch oͤffentlich geaͤußert 
haben moͤgen. Er ſelbſt verweilte ſelten unter ihnen: 
vielleicht haben auch dieſe ihre Geſinnungen und ſein 
Verdruß uͤber ihre Hartnaͤckigkeit, etwas dazu beigetra⸗ 
gen. Allein Gruͤnde der Staatsklugheit, des Ehrgei⸗ 
tzes, und andere aͤhnliche, ſcheinen wohl eben ſo viel und 
noch mehr Antheil an ſeinem Entſchluß gehabt zu ha⸗ 
ben, ſeinen Hauptſitz zu Byzantium zu errichten, das er 
nach einer ungemeinen Erweiterung und Verſchoͤne⸗ 
rung, im Jahr 330, zu einer neuen Stadt einweihte, 
und Neu⸗Rom genannt wißen wollte; das aber von 
ſeinem Stifter den Nahmen Conſtantinopolis bey⸗ 
behalten hat. Außerdem daß er dieſe Stadt Rom 
faſt in allem gleich machte, gab er ihr noch den Vor⸗ 
zug, eine ganz chriſtliche Stadt zu ſeyn. Er hob die 
Uebung der heidniſchen Religion daſelbſt auf, verwan⸗ 
delte die vorhandenen Tempel in chriſtliche * 
uete 


Conſtantins Geſetze fuͤr das Chriſtenth. 111 


bauete mehrere und prächtige von dieſen letztern auf, F. d 
und weihte die Stadt dem Gott der Märtyrer. Die⸗T.G. 
ſem Berichte chriſtlicher Schriftſteller, (Eufeb. de vita 306 
Conſtant. L. III. c. 48. q. L. IV. c. 58. Socrat. Hiſt. bis 
Eccl. L. I. c. 16. Sozom. Hiſt. Eccl. L. II. c. 3.) 337 
ſcheint Zofimus zu widerſprechen, indem er (IL c. cap. 
31.) verſichert, der Kaiſer habe zu Conſtantinopel zwey 
Tempel erbauet, und darein die Bildſaͤulen von zwo 
Goͤttinnen geſetzt. Aber ſelbſt die Beſchreibung, wel⸗ 

che er von der einen derſelben macht, beweiſet, daß 
Conſtantinus beydes Tempel und Bildſaͤulen zur 
Zierde der Stadt, zum Theil auch zur Verſpottung des 
Goͤtterdienſtes, habe ſtehen laßen. 


Bey dieſem allem iſt es nicht ganz unwahrſchein⸗ 
lich, daß die Chriſten, aufgemuntert durch die Nei⸗ 
gung ihres Fuͤrſten, an den Heiden, von denen ſie 
ehemals ſo viel gelitten hatten, auch manche perſoͤnli⸗ 
che Gewaltthaͤtigkeiten begangen haben moͤgen. Ge⸗ 
nug, es war jetzt für die letztern eine Zeit der Ver⸗ 
folgung, die, wenn ſie gleich mit den Grauſamkeiten 
und Hinrichtungen einer heidniſchen nichts gemein 
hatte, doch den Heiden einige gerechte Klagen ausprefe 
ſen mußte. Conſtantinus ſchonte zwar noch der 
großen Städte, in denen das Heidenthum zu tief eine 
gewurzelt, und Empoͤrungen von den Anhaͤngern deſ— 
ſelben zu beſorgen waren; aber in den übrigen Gegen 
den des Reichs fiel es ſichtbarlich unter einer ſo hefti⸗ 
gen Beſtuͤrmung. Die Heiden, ſagt Euſebius, (de 
vita Conſt. L. III. c. 57.) welche mit ihren Augen die 
Widerlegung ihrer bisherigen Irrthuͤmer ſahen, und 
wider alle Erwartung in den Tempeln und Bildern der 
Goͤtter nicht das geringſte Merkmal ihrer Gegenwart 
fanden, wandten ſich theils zu der Lehre Chriſti, theils 
verlachten ſie wenigſtens die Goͤtter und Caͤrimonien, 

welche 


112 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F welche ſie bisher verehrt hatten. Sozomenus (Hiſt. 

G. Eccl. L. II. c. 5.) ſetzt hinzu, manche Heiden waͤren, 

306 nachdem ſie die chriſtliche Religion genau zu pruͤfen 

bis angefangen hätten, durch Wunderzeichen oder Träue 

337. me, ingleichen durch Unterredungen mit Biſchoͤfen 
oder Moͤnchen, dahin gebracht worden, dieſelbe anzu⸗ 
nehmen. Von einer ſolchen Menge neuer Chriſten, 
und da fo mancherley Mittel gebraucht wurden, fie her» 
vorzubringen, iſt es nicht zu verwundern, wenn ſie 
ſehr verſchiedene Bewegungsgruͤnde oder Aufmunte⸗ 
rungen angaben. Unter denſelben aber waren, wie 
Euſebius (de vita Conſtant. L. IV. c. 54.) geſteht, 
auch Heuchler und Betruͤger genug, die ſich in die 
chriſtliche Kirche, ohne aufrichtige Mitglieder derſelben 
zu werden, liſtig einſchlichen, und die Guͤte des Kai⸗ 
ſers leicht beruͤckten. Ueberhaupt ſchien das Gluͤck die⸗ 
ſer Zeiten groß zu ſeyn, da ganze Staͤdte und Hauffen 
von Tauſenden ſich auf einmal zum Chriſtenthum be⸗ 
kannten; und war doch, wenn man ihre wahren Trie⸗ 
be durchſchauen konnte, nur maͤßig. 


Conſtantinus vergaß auch nicht, gegen die Ju⸗ 
den, die aͤlteſten, und noch immer ſehr heftigen Fein⸗ 
de des chriſtlichen Glaubens, allerley Verfuͤgungen zu 
treffen. Da ſie diejenigen aus ihrem Mittel, welche 
zu demſelben traten, mit aller Erbitterung verfolgten: 
fo verbot er ihnen dieſes im Jahr 31 5. bey Strafe des 
Feuers; drohte auch denen welche zu den Juden uͤber— 
gehen wuͤrden, gleiche Strafen mit ihnen. (Cod. Th. 
L. XVI. tit. 8. de Iudaeis etc. I. 1. C. Iuſt. L. L. tit. 9. 
de Iud. et Coelic. I. 3.) Einige Jahre darauf verord⸗ 
nete er, daß alle Juden in den Staͤdten, welche Ver⸗ 
moͤgen genug dazu beſaͤßen, zu den oͤffentlichen Aem⸗ 
tern und Dienſtleiſtungen angehalten werden ſollten; 
doch moͤchten, weil ſie ehemals durch kaiſerliche Ge⸗ 

ſetze 


Conſtantins Geſetze fürdas Chriſtenth. 113 


ſetze davon befreyet waren, noch ferner zween oder drey 
in jeder Stadt damit verſchont bleiben. In der Folge za. 
aber erſtreckte er dieſe Befreyung auf alle Lehrer und 306 
Vorſteher der Juden, (qui legi ipſi praeſident. Ar- bis 
chifynagogi, Patriarchae, Presbyteri, cet. C. Th. 337. 
t. eod. I. 2. 3.) ja überhaupt auf alle, welche in den 
Synagogen dienten. (J. c. J. 4.) Er unterſagte ihnen 
auch, weiter keine Chriſten zu Leibeigenen zu haben, in— 
dem es ſich nicht gebuͤhre, daß die von dem Heilande 
Erlöfeten das Joch der Dienſtbarkeit von denen truͤgen, 
welche die Propheten und den Herrn umgebracht hätten, 
Solche Leibeigene ſollten vielmehr in Freyheit geſetzt, 
und die Juden, bey denen fie angetroffen würden, 
um Geld geftraft werden. (Euſeb. de vita Conſt. 

L. IV. c. 27. C. Th. t. 9. ne Chriitianum man- 
cipium Iudaeus habeat, I. 1.) Nach dem Chryſo⸗ 
ſtomus (Homil. 3. adverſ. Iudacos, p. 433. Opu- 
ſcul. T. I. Francof. 1698. Fol.) machten die Juden 
unter Conſtantins Regierung auch einen neuen Ver— 
ſuch, ihren Staat und Tempel wieder herzuſtellen; 

er ließ aber einer Anzahl von ihnen die Ohren abſchnei⸗ 
den, und ihnen das Merkmal der Empoͤrung einbren⸗ 
nen. Ueberhaupt bezeigte er eine gewiſſe Abneigung 
gegen die Juden, die vielleicht manchen unter ihnen 
bewegen konnte, ſich, um ſeine Gunſt zu gewinnen, 
taufen zu laſſen; aber auch den Chriſten deſto mehr 
Muth machte, fie zu mißhandeln. 


Thel. * Neue 


114 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


r Neue Verfaſſung 

or; 4 | der 

= chriſtlichen Kirche. 
. — 


us allen dieſen Bemuͤhungen des Kaiſers, die 
chriſtliche Kirche groͤßer und anſehnlicher zu ma— 
chen, entſtand ein neuer Zuſtand derſelben, der 
anfaͤnglich zu ihrem Vortheil ausſchlug; aber ſehr 
bald zu Mißbraͤuchen aller Art Gelegenheit gab. Sie 
herrſchte nun mit den Vorzuͤgen eines beſondern 
Staats, oder doch der am meiſten verehrten Geſell— 
ſchaft, im Roͤmiſchen Reiche. Der Kaiſer uͤbernahm 
ihre Regierung; aber er theilte fie auch einigermaaſ— 
ſen mit den Biſchoͤfen. Das Recht chriſtlicher Fuͤr— 
ſten in Religions- und Kirchenſachen wurde zuerſt 
ohne Widerrede anerkannt und ausgeuͤbt; die allge 
meinen Kirchenverſammlungen, die zum erſtenmale 
erſchienen, waren auch ein Beweis davon: eine Ge— 
ſetzmaͤßige Ordnung und Uebereinſtimmung im Glau⸗ 
ben und aͤußerlichen Gottesdienſte, folgten gleich dar⸗ 
auf; es ſchien auch dafuͤr geſorgt zu ſeyn, daß in ſol— 
chen Angelegenheiten ein Chriſt die Freyheit des an⸗ 
dern nicht unterdruͤcken koͤnnte. Zu gleicher Zeit aber 
ſtieg die Gewalt der Biſchoͤfe hoͤher, als es dieſer Frey⸗ 
heit zutraͤglich war, und die Kirche, fieng an, ihre 
Geſtalt etwas mehr nach einer weltlichen Verfaſſung 
zu bilden. 5 


Sie hatte bisher unter dem Schutze heidniſcher 
Fuͤrſten geſtanden; allein denſelben nur ſelten genoſſen. 
Der erſte chriſtliche Kaiſer, der jetzt an ihre Stelle 

kam, 


Neue Verfaſſung der chriſtlichen Kirche. 115 


kam, ſah die bloße Beſchuͤtzung derſelben, als das ge 
ringſte an, was er für fie zu thun hatte. Er nahm F. 
den eifrigſten Antheil an allem was ihr wichtig und 305 
nuͤtzlich werden konnte, beſchaͤftigte ſich mit ihren ge- bis 
ringern Angelegenheiten eben ſo ſorgfaͤltig, als mit den 337. 
großen Einrichtungen feines Reichs, ſuchte alle Unru— 

hen in derſelben beyzulegen, und wandte mit einem 
Worte auf allen Seiten Macht, Einkuͤnfte, Wach— 
ſamkeit und Fleiß zu ihrem Beſten an, ſo weit er 
dieſes kannte. Die Kirchenſachen hiengen nun von 
ihm und feinen chriſtlichen Nachfolgern in der Regie⸗ 
rung ab, wie Socrates (Hiſt. Eccl. L. V. prooem.) 
bemerkt. Conſtantin wurde gleichſam, ſagt Euſe— 
bius, (de vita Conſt. L. I. c. 44.) der gemein⸗ 
ſchaftliche von Gott eingefezte Biſchof der 
Chriſten. Und er ſelbſt gab ſich einſt dieſen Nah— 
men, (Idem J. c. L. IV. c. 24.) mit der Einſchraͤn⸗ 
kung, daß er es in den außerhalb der Kirche vors 
fallenden Geſchaͤften (ray erros) ſey; da hingegen die 
eigentlichen Biſchoͤfe die innerliche Verwaltung ders 
ſelben auf ſich haͤtten. 


Daß dieſer Unterſcheid nicht ſo zu erklaͤren ſey, als 
wenn Conſtantinus nur für die aͤußerliche Ruhe der 
Chriſten beſorgt geweſen waͤre, und bloß Hauffen von 
Unglaͤubigen in die Kirche gefuͤhrt haͤtte; ſondern daß 
er ſich auch um den Vortrag der Religion, den Ans 
griff auf dieſelbe mitten in der Kirche, und andere ih— 
rer Schickſale nachdruͤcklich bekuͤmmert habe: das lehrt 
ſeine Geſchichte. Zwar beſtimmen es die chriſtlichen 
Schriftſteller ſelbſt nicht genau, wie weit ſich ſeine 
Rechte in Kirchen- und Religionsſachen erſtreckt ha⸗ 
ben; allein ihre angefuͤhrten Ausdruͤcke, und ſeine 
Handlungen zeigen, daß ſie ſehr groß geweſen ſind. 
Vermuthlich raͤumte man ihm in der erſten Freude 

f 2 über 


- 


116 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


rüber feine Bekehrung alles ein: fo gewohnt auch be- 
y 6 reits lange die Biſchoͤfe waren, die Stelle der hoͤchſten 
56 Obrigkeit in vielen Faͤllen zu vertreten. Sie waren 
bis ohnedieß und blieben auch immer ſeine Lehrer, gegen 
337. die er fo viele Gewogenheit und Hochachtung hatte, 
daß ſie ihn meiſtentheils in Religionsſachen regieren 
konnten. Zwar hatten ſie auch ſchon ſeit geraumer 
Zeit angefangen, den Nahmen und die Rechte der juͤ— 
diſchen Prieſter ſich beyzulegen: und man weiß, wie 
eingeſchraͤnkt neben dieſen die kirchliche Gewalt der 
Iſraelitiſchen Könige geweſen ſey. Allein durch die 
chriſtliche Religion war eine ganz andere kirchliche Frey— 
heit eingefuͤhrt, und alle Chriſten einander in Rechten 
welche die Religion giebt, im Grunde gleich geſetzt 
worden. Ein Stand wurde freylich dazu beſtimmt, 
ſich der Ausbreitung, Erklaͤrung und gemeinnuͤtzlichen 
Anwendung dieſer Religion ganz zu wiedmen; aber 
alle uͤbrige Chriſten behielten das Recht, zu eben die— 
ſen Abſichten, nach dem Maaße ihrer Einſichten, und 
ohne eine anſtaͤndige Ordnung zu ſtoͤren, etwas bey⸗ 
zutragen. Was eine vorzuͤgliche Beſchaͤftigung jenes 
Standes ausmachen ſollte, das berechtigte ihn noch 
nicht, eigenmaͤchtig uͤber Glauben, Sitten, aͤußerli⸗ 
chen Dienſt Gottes, Zweifel und Streitigkeiten wegen 
der Religion, zu entſcheiden. Auch hatten die andern 
Chriſten in den erſten Zeiten ihren Antheil an den Be— 
rathſchlagungen uͤber dieſes alles gehabt, bis ſie nach 
und nach bloße Zuhörer derſelben geworden waren. 
Dieſe große Geſellſchaft, die chriſtliche Gemeine, die 
ihre Befugniſſe in Religionsſachen ſtillſchweigend an 
die Biſchoͤfe und Aelteſten zum Theil uͤbertragen hatte, 
konnte kein Bedenken finden, die Kaiſer, nachdem ſie 
chriſtlich geworden waren, als ihre Landesherren und 
vornehmſte Mitglieder zugleich, im Beſitze dieſer und 
noch anſehnlicherer Rechte zu erkennen. Ehemals 
hatte 


Neue Verfaſſung derchriſtlichen Kirche. 117 


hatte fie ſich ſogar zuweilen in Kirchenſachen an die! 
heidniſchen Kaiſer gewandt: und jetzt uͤbte Conſtan⸗ x. G. 
tinus ſeine kirchliche Gewalt, als ein bloßer Lehrling 306 
des Chriſtenthums, ohne getauft zu ſeyn, über zwan- bis 
zig Jahre nach einander, mit der lebhafteſten Zufrie. 337. 
denheit und Dankbarkeit der Chriſten aus. 


Eine Menge Geſetze in Religions- und Kirchenan⸗ 
gelegenheiten, die willkuͤhrliche Vergebung geiſtlicher 
Aemter, Abſetzungen und andere Beſtrafungen des 
Clerus, Gerichte uͤber kirchliche Streitfragen, die 
er zu halten befohl, oder worinne er ſelbſt den Vorſitz 
fuͤhrte, und andere aͤhnliche Handlungen, ſind eben ſo 
viele Denkmaͤler derſelben. Unter andern wurde er 
auch Herr über die Kirchenverſammlungen. Er 
ließ ihnen die Beſtimmung, welche ſie bisher gehabt 
hatten, das gewoͤhnlichſte und wuͤrkſamſte Mittel zu 
ſeyn, um theologiſche Streitigkeiten zu daͤmpfen, und 
guͤltige Kirchengeſetze zu geben. Aber er behielt ſich 
die Beſtaͤtigung ihrer Schluͤſſe vor, wenn ſie eine ſol— 
che Kraft haben ſollten: fo wie fie uͤberhaupt ohne feine 
Einwilligung nicht gehalten werden durſten. Noch 
eine wichtigere Veränderung ſtiftete er in ihrem Um 
fange. Er berief die erſte allgemeine Kirchens 
verſammlung (Synodus oecumenica) zuſammen, 
die davon den Nahmen bekam, weil alle Biſchoͤfe, 
oder an ihrer Stelle auch Aelteſten der Gemeinen des 
Roͤmiſchen Reichs, (π̊ αν) dazu eingeladen wurden, 
großentheils darauf erſchienen, und Schluͤſſe faßten, 
die durch feine Genehmhaltung zu allgemeinen Reichs— 
geſetzen wurden. Alle Kirchenverſammlungen vor ſei— 
nen Zeiten waren bloß von einer oder wenigen Provin— 
zen gemeinſchaftlich gehalten worden: ſie hatten alſo 
auch nur fuͤr die Gemeinen derſelben einige Verbind— 
lichkeit. Der Hauptbiſchof oder Metropolitanus 

H 3 der 


118 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


cpp der Provinz kuͤndigte dieſelben an, und hatte darauf 
Jeder Vorſitz. Jetzt kam auch das Ausſchreiben dieſer 
306 Verſammlungen an die Kaiſer. Es iſt glaublich, 
bis wie Bicher (Hiſt. Concilior. General. L. I. C. 1. 
337. p. 26. Coloniae, eigentlich Amſtelod. 1683. 8.) an- 
gemerkt hat, daß Conſtantinus dabey eben ſo wie 
die folgenden Kaiſer, die Ankuͤndigung der allgemei— 
nen Kirchenverſammlung nur an die großen Metro— 
politanen habe gelangen laſſen, und daß ſie von dieſen, 
ihren untergeordneten Biſchoͤfen zugefertigt worden ſey. 
Jene anſehnlichern Biſchoͤfe blieben nun zwar bey dem 
Rechte des Vorſitzes auf denſelben; allein auch der . 
Kaiſer behauptete jetzt als Landesfuͤrſt und Oberhaupt 
der Kirche, den ſeinigen; oder er verficherte ſich deſſel— 
ben durch weltliche Abgeordnete. Dieſe zahlreichen 
und ſehr geehrten Verſammlungen waren uͤberhaupt 
faͤhig, eine der vornehmſten Stuͤtzen ſeines Rechts in 
Kirchenſachen abzugeben: und ſelbſt die kleinern Zus 
ſammenkuͤnfte der Biſchoͤfe hiengen nicht ſelten von ſei⸗ 
nen Befehlen ab. 5 


Gleichwohl nahm eben zu der Zeit, da das erſtge⸗ 
dachte Recht der chriſtlichen Fürften ſich kraͤftig entwi⸗ 
ckelte, auch das Anſehen der Biſchoͤfe in kirchlichen 
Angelegenheiten ſichtbarlich zu: und dieſes eben durch 
die Kirchenverſammlungen, ſogar durch den Kaiſer 
Conſtantinus ſelbſt. Auf den eingeſchraͤnkten Ver⸗ 
ſammlungen, die ſie ehemals gehalten hatten, waren 
ſie ſchon, obgleich nur fuͤr einen maͤſſigen Bezirk, Ge⸗ 
ſetzgeber geweſen; nunmehr wurden ſie es fuͤr das ganze 
Roͤmiſche Reich: und die hoͤchſte Gewalt des Kaiſers 
ſelbſt mußte ihnen dazu dienen, es zu ſeyn. Er un⸗ 
ternahm in ſolchen Angelegenheiten nichts ohne ihren 
Rath; von ihnen bekam er die Begriffe über die Re⸗ 
ligionsmaterien, nach welchen er handelte, und man 

konnte 


Neue Verfaſſung der chriſtlichen Kirche. 119 


konnte ohngefaͤhr aus den Geſinnungen der angeſehen⸗ Tn 
ſten, und bey ihm beliebteſten Biſchoͤfe vorausſagen, F. G. 
was auf jeder Kirchenverſammlung beſchloſſen werden 306 
würde, Eine oͤcumeniſche Synode hatte zwar ei- bis 
nen viel verfprechenden Rahmen, indem fie die Ein- 337 
ſicht, Prüfung, und Entſcheidung aller, oder doch 
der vornehmſten Biſchoͤfe des Reichs über gewiſſe Res 
ligionsſtreitigkeiten und andere wichtige Geſchaͤfte date 
legen ſollte. Allein unter ſo vielen Biſchoͤfen konnte 
man doch nur von einer kleinen Anzahl ein völlig uns 
partheyiſches, freyes und ſcharfſinniges Urtheil erwar— 
ten; die uͤbrigen kamen, um dieſen wenigen, oder der 
Mehrheit der Stimmen, auch wohl Nebenabſichten 

zu folgen. Wenige beruͤhmte, eifrige, beredte und 
gebieteriſche Biſchoͤfe konnten ſehr leicht den uͤbrigen 
ganzen Hauffen mit ſich fortreiſſen. Conſtantinus 
aber hatte von ſolchen Zuſammenkuͤnften die hohe Mei- 
nung, (Euſeb. de vita Conſtant. L. III. c. 20.) daß 
alles was in den heiligen Verſammlungen der 
Biſchoͤfe geſchieht, nach dem goͤttlichen Wil⸗ 
len vollzogen werde. Und in einem Schreiben an 

die Biſchoͤfe, welche die Kirchenverſammlung zu Are— 
late gehalten hatten, ſagt er ſchon im Jahr 313. (in 
Harduini Act. Concilior. T. I. p. 268.) das Ur⸗ 
theil der Prieſter muß eben ſo angeſehen wer⸗ 
den, als wenn der Herr ſelbſt gegenwaͤrtig ein 
Urcheil faͤllte. Denn fie koͤnnen nicht anders 
denken oder urtheilen, als wie ſie durch den 
Unterricht Chriſti belehrt worden ſind. Man 
ſieht, wie fruͤhzeitig ihm dieſe Ehrerbietung von den 
Biſchoͤfen eingepraͤgt worden ſey. Wenn er gleich 
bisweilen Drohungen und wuͤrkliche Schaͤrfe gegen 

ſie gebrauchte; ſo blieb er ihnen doch uͤberhaupt ſehr 
ergeben. 


H 4 Nech 


120 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ker. Nach beſonders veranlaßte er auch durch die neue 
86. bürgerliche Einrichtung, die er in ſeinem Reiche traf, 
306 eine neue Eintheilung der cheiſtlichen Gemeinen deſſel⸗ 
bis ben, und zugleich eine Vergroͤſſerung des Anſehens, 
337. auch der Gerichtsbarkeit mancher Biſchoͤfe. Die vor 
nehmſte buͤrgerliche und kriegeriſche Verwaltung des 
Roͤmiſchen Reichs war bisher zwiſchen zwo Perſonen 
getheilt geweſen, die von ihrem erſten Urſprunge Be— 
fehlshaber der Leibwache (praefecti praetorio) hießen; 
im Grunde aber die beyden oberſten Staatsbedienten 
und Feldherren des Reichs vorſtellten. Da aber ihre 
Gewalt ſehr groß, und oft zu gefaͤhrlich fuͤr die kai— 
ſerliche ſelbſt war: ſo beſtellte Conſtantin im Jahr 
331. ſtatt zween, vier Staatsbediente dieſes Nah⸗ 
mens, die von Italien, Gallien, Illyricum und 
den Morgenlaͤndern den Zunahmen bekamen. Ei⸗ 
nem jeden unter ihnen wurde eine Anzahl von Bezir— 
ken, (dioeceſes) deren zuſammen vierzehn waren, an⸗ 
gewieſen. Dieſe hatten wieder ihre beſondern Statt; 
halter, (vicarii) die in der Hauptſtadt eines jeden 
Bezirks ihren Sitz nahmen: woraus die Unterſtatt— 
halterſchaften (vicariatus) entſtanden. Die Bezirke 
aber waren in hundert und zwanzig Provinzen abge⸗ 
theilt, welche von gewiſſen Vorſtehern (praeſides, 
proconſules, conſulares) regiert wurden. So gehoͤr⸗ 

ten unter den Oberſtatthalter des Morgenlaͤndi⸗ 
ſchen Reichsviertheils, (praefectus praetorio orien- 

tis) fünf Bezirke: Thrazien, Pontus, Klein⸗ 
Aſien, Morgenland und Aegypten, welche wie⸗ 
der in neun und vierzig Provinzen abgetheilt wa⸗ 
ren, und das jetzt ſogenannte Romanien, nebſt einem 
Theil der Bulgarey, alle Roͤmiſche Beſitzungen in 
Aſtien, Aegypten nebſt Cypern, und einen Theil der 
jekigen Africaniſchen Barbarey, in ſich begriffen. Jede 
Provinz hatte ihre Hauptſtadt, (metropolis) und zu: 

R | weilen 


Neue Verfaſſung der chriſtlichen Kirche. 121 


weilen deren mehrere, wenigſtens fuͤr manche Stadt 
als eine Ehrenbezeigung, (prima, ſecunda, tertia.) & G. 
Zugleich aber nahm Conſtantin den vier Oberftatt- 306 
haltern alle Aufſicht über die Soldaten, die er unter bis 
zween befondere Befehlshaber (magiftri militum) ver⸗ 337. 
theilte. Foſimus, der den Kayſer, wie gewoͤhnlich, 
auch deswegen tadelt, (Hilt. L. II. c. 31. 32.) hat 
dieſe großentheils neue Staatsverfaſſung kurz beſchrie— 
ben; genauere Nachrichten von derſelben aber, und ih— 

ren nachmaligen Veraͤnderungen gegen den Anfang des 
fünften Jahrhunderts, find in der Schrift eines unge— 
nannten Alten, (Notitia dignitatum utriusque Impe- 

rii, cum Commentario Guid. Pancirolli, Lugd. Bat. 
1608. Fol. und in Graevii Theſaur. Antiquitt. Ro- 
manar. T. VII. p. 1309. d) zu finden. 


Auf dieſe Staatseinrichtung des Roͤmiſchen Reichs 
gruͤndete ſich nach und nach eine aͤhnliche Verfaſſung 
der chriſtlichen Kirche in demſelben, und ihre folgende 
ganze Regierung. Drey Biſchoͤfe ragten ſchon laͤngſt 
vor allen andern hervor: die von Rom, Alexandrien 
und Antiochien. Der vierte, der von Conſtantinopel, 
kam bald hinzu: und dieſe zuſammen ſtellten gleichſam 
die vier Oberſtatthalter der Kirche vor. Jedem wa— 
ren die Gemeinen mehrerer Bezirke unterworfen; aber 
in jedem Bezirke, fo wie in jeder Provinz, war ordent- 
lich ein Biſchof der vornehmſte, und Aufſeher der uͤbri⸗ 
gen: bisweilen waren es auch mehrere. Die Verbin« 
dung aller Gemeinen des Reichs mit einander wurde 
deſto vollkommener; fuͤr die in denſelben entſtehenden 
kirchlichen Händel kamen nun kleinere und größere Ge: 
richte auf; aber Eiferſucht und Streitigkeiten uͤber 
Rang, Kirchenſprengel und Macht, waren auch die 
Folgen dieſer Nachahmung von weltlichen Ehrennah— 
men und Wuͤrden, die in die Kirche drangen. Doch 

3 alles 


122 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Falles dieſes hat ſich erſt einige Zeit nach dem Conſtan⸗ 

tinus deutlicher geoffenbaret. Man fann darüber eine 

306 ſchatzbare Einleitung des jüngern Friedrich Spanz 

ie beim, (in Geographia facra et ecclefiaftica, p. 75. 
337. qq. Opp- Tom. I.) vorzuͤglich wohl gebrauchen. 


Fuͤr die Roͤmiſchen Biſchoͤfe war es ſchon zu dies 
fer Zeit eine vortheilhafte Veraͤnderung, daß der kai— 
ſerliche Hauptſitz von Rom weg bis an die Grenzen 
Aſiens verlegt wurde. Sie hoͤrten auch deswegen 
noch nicht auf, die erſten Biſchoͤfe unter den Chriſten 
zu ſeyn, wie Rom die erſte Stadt im Reiche ferner 
blieb; aber die Entfernung des Kaiſers oͤffnete ihnen 
ein weites Feld, um an dem Wachsthum ihres An— 
ſehens zu arbeiten: und man ſah auch bald die Folgen 
davon. Man müßte fie fogar als Mitregenten Con⸗ 
ſtantins betrachten, wenn die alte Erzaͤhlung von ſeiner 
ausſchweifenden Freygebigkeit gegen ſie geglaubt werden 
koͤnnte. Zwar wird dieſelbe ſchon lange von den gelehr— 
teſten Maͤnnern aller kirchlichen Partheyen der Chriſten 
einmuͤthig verworfen. Allnaſie iſt nicht nur eine der 
groͤbſten und beruͤhmteſten Erdichtungen in der Kir— 
chengeſchichte; wenige find auch fo wichtig und eintraͤg⸗ 
lich geworden: und das Gebaͤude welches darauf zum 
Theil errichtet worden iſt, ſteht noch immer, wiewohl 
etwas wankend, fort; wenn gleich der Grund davon 
geſunken iſt. Aus dieſen Urſachen, nicht als wenn ſie 
einer ſchaͤrfern Unterſuchung beduͤrfte, iſt es noͤthig, 
hier bey derſelben ſtehen zu bleiben; zumal da auch eine 
Hauptbegebenheit unter den chriſtlichen Handlungen 
Conſtantins dadurch verfaͤlſcht worden iſt. 


Man erzaͤhlte alſo lange nach den Zeiten dieſes 
Kaiſers, daß er im Jahr 324. von dem Roͤmiſchen 
Biſchof Silveſter getauft worden ſey, und ihm gleich 

darauf 


Vermeintl. Schenk. Conſt. an d. Roͤm. K. 123 


darauf das außerordentlichſte Geſchenk gemacht habe. 
Der Kaiſer, ſo ſagte man, hatte eine Verfolgung wi— CG. 
der die Chriſten zu Rom erregt, der Silveſter und 306 
die uͤbrigen Lehrer dieſer Hauptſtadt durch die Flucht bis 
entgangen waren. Er wurde dafuͤr von Gott mit dem 337. 
Auſſatze beſtraft: und da er ſchon im Begriff war, 
nach dem Rathe der heidniſchen Wahrſager, Kinder 
umbringen zu laſſen, deren Blut ihm zum Heilungs— 
mittel dienen ſollte, erſchienen ihm die Apoſtel Dez 
trus und Paullus, die er vor Götter hielt, in ei— 
nem naͤchtlichen Traume. Sie befohlen ihm, den 
Silveſter holen zu laſſen, der ihm ſagen wuͤrde, was 
er zu ſeiner Geneſung thun muͤſſe: und er gehorchte 
ihnen. Der Wiſchof meldete ihm auf feine Frage, 
daß dieſes nicht Götter, ſondern Apoſtel geweſen waͤ⸗ 
ren, zeigte ihm auch ihre Bildniſſe, deren Aehnlich— 
keit mit der von ihm geſehenen Geſtalt ihm uͤberzeugte. 
Hierauf lehrte er ihn fuͤr ſeine Suͤnden Buße thun, 
legte ihm die Haͤnde auf, und taufte ihn: dadurch 
wurde der Kaiſer ſogleich vom Auſſatze befreyet. — 
Schon durch das Ungereimte in den Umſtaͤnden, die 
von einem ſeit vielen Jahren eifrig chriſtlichem Kaiſer 
in dieſer Erzählung vorkommen, auch durch das Still— 
ſchweigen aller Schriftſteller des vierten und fuͤnften 
Jahrhunderts von dieſer Begebenheit, wird ſie aͤußerſt 
verdaͤchtig. Allein das ausdruͤckliche Zeugniß des 
Euſebius (de vita Conſt. L. IV. c. 61. fy.) daß 
Conſtantinus erſt im Jahr 337. zu Nicomedien ge— 
tauft worden ſey, mit welchem die naͤchſtfolgenden Ge— 
ſchichtſchreiber und angeſehenſten Lehrer der Chriſten 
völlig uͤbereinſtimmen, macht jene ganze Nachricht zu 
einer ſchlecht erſonnenen Fabel. Diejenigen Schrift» 
ſteller der Roͤmiſchen Kirche, welche ſich ihrer in den 
neuern Zeiten angenommen haben, wie Baronius 
(Annal. Eccleſ. ad a. 323. 324.) Schelſtraten (An- 
tiqun. 


124 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


. Ecclef. illuſtrata, P. II. Diſſ. 3. c. 6.) und uns 

8. G.ter andern zuletzt noch mit dem muͤhſamſten Fleiße, 

306 und der geringſten Beurtheilung, Matthias Fuhr⸗ 

bis mann (Hiſt. Sacra de baptiſmo Conftantini M. Rom 

337. und Wien, 1742 bis 1746. zween Bände in 4.) koͤnnen 
ſich nur auf Schriſten von ungewiſſen Verfaſſern und 
Zeiten, in denen ſie ſogar ſelbſt manches Falſche zuge⸗ 
ben, (Acta Silveſtri, Liberii etc.) berufen. Und zu⸗ 
letzt ſehen fie ſich, da fie den Bericht des Euſebius 
nicht verwerfen koͤnnen, genoͤthigt, die hoͤchſtgezwun⸗ 
gene Ausflucht zu ergreiffen, daß Conſtantinus zwei⸗ 
mal die Tauffe empfangen habe. Freylich ſetzte man 
bald ſowohl die Ehre der Roͤmiſchen Kirche und Stadt 
darinne, daß der Kaiſer in derſelben getauft worden 
waͤre; als auch ſeine eigene Ehre. Denn war er nicht 
zu Rom durch dieſe feierliche Handlung unter die Glaͤu— 
bigen aufgenommen worden: ſo hat er bis gegen das 
Ende ſeines Lebeus die Rechte derſelben, und beſonders 
das heilige Abendmahl, mit ihnen nicht genieſſen Fön» 
nen. Es fain alfo die angeführte Erzählung im fuͤnf⸗ 
ten oder ſechſten Jahrhunderte auf, und wurde we— 
gen der Zumiſchung vom Wunderbaren deſto leichter 
geglaubt. Gregorius Turonenſis ſchrieb die Sage 
zuerſt nach: einige hundert Jahre darauf ruͤckten ſie 
auch die Griechen in ihre Geſchichtbuͤcher ein. Sie 
verdiente eigentlich die ſorgfaͤltigen Unterſuchungen 
nicht, welche Roͤmiſchcatholiſche und Proteſtantiſche 
Schriftſteller auf dieſelbe gewandt haben. Vorzuͤglich 
iſt ſie unter jenen vom Papebroch, (Acta Sanct. 
Maii T. V. p. 14.) Pagi, (Crit. in Annal. Baron. 
add a. 32 3. et 324.) und andern; unter den letztern aber 
von Tenzeln, (Examen fabulae Romanae de duplici 
baptiſmo Conſt. M. in Exereitt. ſelect. P. I. p. 302. 
ſq. widerlegt worden. 


Doch 


Vermeintl. Schenk. Conſt. an d.Roͤm K. 125 


Doch dieſe Erdichtung von der Taufe des Kaiſers <A 
gab nachher den Grund zu einer andern fuͤr die Ro. J. G. 
miſchen Bifchöfe noch brauchbarern ab. Denn man 306 
feste fie auf folgende Art fort: Nachdem Conſtanti- bis 
nus feinen Auſſatz durch die Bemuͤhung des Süͤve- 337 
ſter verloren hatte, war er darauf bedacht, ihm da- 
fuͤr ſeine Dankbarkeit zu bezeigen. Er ſchenkte alſo 
ihm und ſeinen Nachfolgern ſeinen Lateranenſiſchen 
Palaſt zu Rom, dieſe Stadt ſelbſt, Italien und alle 
Abendlaͤndiſche Provinzen des Reichs, ertheilte ihnen 
den Vorzug vor allen Biſchoͤfen der Chriſten, eine 
goldene Krone, Scepter und andern koſtbaren Schmuck, 
nebſt mancherley Rechten und Ehrenbezeigungen. — 
Hier iſt wiederum eine Pruͤfung dieſer Erzaͤhlung, ſo 
bald man fie nur einmal gehört hat, ganz uͤberfluͤſſig. 
Denn ſie iſt nicht allein das allerunwahrſcheinlichſte, 
was ſich nach Conſtantins bekannten Geſinnungen 
in Staats- und Regierungsſachen von ihm denken 
läßt; fie widerſpricht auch feiner und der folgenden 
Geſchichte des Roͤmiſchen Reichs, viele hundert Jahre 
hindurch: und eben ſo lang findet ſich auch keine ſchrift— 
liche Spur von derſelben. Aber ihrem Urſprunge und 
Fortgange unter den Chriſten nachzugehen, bleibt doch 
immer lehrreich. 


Gegen das Ende des achten Jahrhunderts beru— 
fen ſich die Roͤmiſchen Biſchoͤfe zuerſt darauf: und ſie 
ſcheint eben damals, oder nicht viel fruͤher, bey Gele— 
genheit der Schenkungen an Laͤndern entſtanden zu 
ſeyn, welche ihnen um dieſe Zeit zu Theil wurde. Die- 
fes haben Petrus de Marca, (de Concordia Sa- 
cerdot. & Imperii, L. III. c. 16.) und Mosheim 
Unſtitutt. Hiſt. ecclefiaft. antiq. et recent. p. 298. 
not. i.) deutlich genug bewieſen: es wird auch in der 
Geſchichte dieſer fpätern Zeiten genauer erläutert wer⸗ 

den. 


126 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Key den. Selbſt die vermeintliche Schenkungs-Urkunde 

G. Conſtantins war bereits damals vorhanden. In 

306 der Folge erſchien dieſe unter mehr als Einer Geſtalt: 

bis weitlaͤuftiger und kuͤrzer, leteiniſch und griechiſch; 

337. aber es war doch ſtets in der Hauptſache einerley In⸗ 
halt. Man wird durch die erſten Blicke auf dieſelbe 
uͤberzeugt, daß es ein ſehr ungeſchickter Betrüger ges 
weſen ſeyn muͤſſe, der fie aufgeſetzt hat. Die lateini⸗ 
ſche Schreibart iſt darinne barbariſch, und die paͤbſt— 
lichen Anmaaßungen viel ſpaͤterer Jahrhunderte ſind 
fo plump hineingeſchoben worden, daß fie nicht eins 
mal am Ende des achten voͤllig ſo gelautet haben kann, 
wie wir ſie noch leſen. Conſtantinus ſagt unter an⸗ 
dern, der Roͤmiſche Biſchof habe eine größere Ges 
walt als der Kaiſer ſelbſt durch die ganze Welt; er 
habe ihm, als derſelbe zu Pferde geſtiegen, den Steig⸗ 
buͤgel gehalten; und halte es vor eine Gott gefaͤllige, 
nuͤtzliche Handlung, dem heiligſten Vater die geſamm⸗ 
ten Abendlaͤnder zu uͤberlaſſen, indem es ungerecht ſey, 
daß der Kaiſer an eben demſelben Orte die hoͤchſte Ge⸗ 
walt ausuͤbe, wo er vom Himmel den Anfang des 
Chriſtenthums empfangen habe. 


Man gewoͤhnte ſich unterdeſſen bald daran, die 
vorgebliche Schenkung Conſtantins als den erſten 
Geſetzmaͤſſigen Grund aller weltlichen Beſitzungen der 
Paͤbſte in den mittlern Zeiten anzuſehen; aber auch, 
wie es ihre Abſicht dabey war, als eine Berechtigung 
zu einem immer groͤßern fuͤrſtlichen Gebiete: weil ſie 
doch nur mit dem achten Jahrhunderte zuerſt ein klei— 
nes Land, und mit dem Ende des dreyzehnten, Rom 
nebft der umliegenden Gegend an ſich zu bringen wuß⸗ 
ten. Die vermeinte Schenkungs-Urkunde iſt auch in 
das paͤbſtliche Geſetzbuch (Decret. P. I. Diſt. 96. c. 14.) 
aber allem Anſehen nach, nicht vom Gratianus im 

f zwoͤlf⸗ 


Vermeintl. Schenk. Conſt. an d Roͤm. K. 127 


zwölften Jahrhunderte, ſondern erſt nach ihm, ein. 
geruͤckt worden. Endlich erkuͤhnte ſich im funfzehnten CG. 
Jahrhunderte Laurentius Balla, dieſe widerſinnige 306 
Erdichtung, und die Albernheit des ſogenannten Schen- bis 
kungsbriefes, mit fo viel Staͤrke und Feuer anzugrei- 337. 
fen, daß man in der Hauptſache kaum etwas zu ſeinen 
Gründen beyzufuͤgen braucht. Seine noch jetzt leſens⸗ 
wuͤrdige Schrift iſt mehrmals, unter andern in einer 
nuͤtzlichen Sammlung, (de Translatione Inperii 
Rom. ad Germanos etc. Matthia Flacio IIlyr. auctore, 
Baſil. 1566. 8. p. 265. ſq.) abgedruckt worden: wo 
man auch (p. 233. fq.) die falſche Urkundeſin ihrem 
weitlaͤuftigſten Umfange leſen kann. Gleich darauf 
haben Aeneas Sylvius, und andere Gelehrte der Roͤ— 
miſchen Kirche, ein aͤhnliches Urtheil uͤber dieſe Schen— 
kung gefaͤllt. Mit der freyern Unterſuchung welche 
die Reformation einfuͤhrte, fiel die ganze Fabel auf 
immer. Luther begleitete den oftgenannten Aufſatz 
mit ſehr beiſſenden, doch zugleich hiſtoriſchen, Anmer— 
kungen in der Schrift: Einer aus den hohen Artikeln 
des allerheiligſten Paͤbſtlichen Glaubens, genannt Do— 
natio Conſtantini, (Wittenb. 1537. 4.) Da es ſo 
leicht geworden war, die Erdichtung uͤber den Hauffen 
zu werfen: fo haben ſeitdem ſehr viele unter den Roͤ— 
miſchcatholiſchen und Proteſtanten ſolches gethan. 
Einige der vornehmſten davon nennt Fabricius, (Bi- 
blioth. Graec. Vol. VI. p. 4. not. f.) bringt auch die 
Urkunde ſelbſt griechiſch und lateiniſch bey. Dennoch 
haben ſich noch in den neuern Zeiten Verehrer des Roͤ— 
miſchen Stuhls gefunden, die demſelben in Anſehung 
dieſes von ihm entweder veranſtalteten oder doch geneh— 
migten und beſtaͤtigten Betrugs, einigermaaßen zu 
Huͤlfe zu kommen ſuchten, wie Baronius, und an⸗ 
dere, welche Fabricius (I. c. genannt hat. Bald 
behaupteten ſie, der Schenkungsbrief ſey von u. 
rie⸗ 


128 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


i riechen erdichtet worden; allein wie unwahrſcheinlich 

Ech dieſes vorgegeben werde, lehrt der Inhalt deſſelben, 

306 und iſt ſchon vom Marca (l. c. c. 12.) gezeigt wor⸗ 

bis den. Bald beſtanden ſie wenigſtens darauf, daß, 

337. wenn gleich dieſe Urkunde untergeſchoben wäre, doch 
etwas an Laͤndern der Roͤmiſchen Kirche von Conſtan⸗ 
tin geſchenkt worden ſey. Allein ſie haben niemals 
eine Spur von Beweiſen angeben koͤnnen, daß ges 
dachte Kirche dergleichen Beſitzungen vor dem achten 
Jahrhunderte gehabt habe. 


Wa chest hau m 
der 


Caͤrimonien und des Aberglaubens 
unter den Chriſten. 


Kaiſer Conſtantinus die Verfaſſung der chriſt⸗ 
N lichen Kirche und ihrer Lehrer trafen, aͤußerten 
ihre Wuͤrkung in den Religionslehren ſelbſt, nur nach 
und nach, oder wenigſtens durch einen ſchwaͤchern Ein⸗ 
druck. Der Aberglaube hingegen, der zu gleicher Zeit 
empor kam, fieng alsbald an, das Chriſtenthum ſelbſt 
zu verfaͤlſchen. Er war nicht durchaus neu und un⸗ 
bekannt unter den Chriſten. Denn dieſe Neigung, 
die Religion eigenmaͤchtig zu verſchoͤnern und auszu⸗ 
ſchmuͤcken; menſchliche Einfälle über dieſelbe vor Got: 
tes zuverlaͤſſige Befehle auszugeben; uͤberall Merk⸗ 
male des goͤttlichen Willens oder eee 
| ei⸗ 


I“ diefe Veränderungen aber, welche unter dem 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 129 


Beiſtandes aufzuſuchen; ſich inſonderheit in einer neu⸗ 
erfonnenen Froͤmmigkeit und Heiligkeit zu gefallen, $ G. 
auch dieſe vorzüglich auf aͤußerliche Uebungen herabzu— 306 
ſetzen; dieſes alles hatte ſich ſchon in den vorhergehen- bis 
den Zeiten bey ihnen haͤuffig geregt. Wuͤrklich waren 337. 


der zu leichte Glaube an Wunder jeder Art, die ganze 
Lebensart der Aſceten und Einſiedler, die Meinungen 
von den boͤſen Geiſtern, von dem Tode der Maͤrtyrer, 
und andere mehr, aus einer keineswegs reinen Quelle 
gefloſſen. Aber von den Zeiten Conſtantins an, 
wurde daraus erſt ein reiſſender Strohm, der alles zu 
uͤberſchwemmen drohte. 


Es iſt leicht, die Urſachen davon zu erklaͤren. 
Außer dem natürlichen Triebe der Menſchen, an Vor— 
ſchriften die fie nicht ſelbſt entworfen haben, zu kuͤn— 
ſteln, um ihre Eigenliebe wenigſtens durch einigen An⸗ 
theil daran zu befriedigen, kam auch die Liebe zum 
Sinnlichen hinzu. Dieſe fand Nahrung genug in der 
beidniſchen und juͤdiſchen Religion: und ob ihr gleich 
ſolche in der chriſtlichen, nach der aͤchten Natur und 
Richtung derſelben, entzogen wurde, ſo arbeitete ſie 
doch bald daran, ſich dieſelbe auch hier zu verſchaffen. 
Da ihr die chriſtliche Freyheit, einige aͤußerliche Zei⸗ 
chen der Erkenntniß und Verehrung Gottes anzuneh⸗ 
men, zu Statten kam: fo entſtanden nach und nach, 
je nachdem die Gemeinen zahlreicher, und ihre Mit⸗ 
glieder beguͤterter wurden, auch mehrere und anfehnlie 
chere Caͤrimonien des Gottesdienſtes; andere Urſachen 
ihrer Vervielfältigung nicht zu wiederholen, die ſchon 
anderwaͤrts in dieſer Geſchichte angegeben worden ſind. 
Unter dieſen war der Eifer, den Ruhm einer in die 
Augen fallenden Gottſeeligkeit zu erlangen, vermuth⸗ 
lich eine der würkſamſten. Doch mußte vor den Zei⸗ 
ten Tonſtantins noch alles in gewiſſen Schranken 

V. Theil. 55 blei⸗ 


130 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
bleiben. Mit dieſen aber kam eine faſt unum⸗ 
Lo, ſchraͤnkte Freyheit für die Chriſten, jedes ſinnli⸗ 
306 che Bild zu Vorſtellungen von ihrer Religion, jedes 
bis gleichartige Kennzeichen ihrer Froͤmmigkeit zu wählen, 
337. ſo wie Neigung und Einbildungskraft. ſie leiteten; ſich 
einander in ſolchen Erfindungen zu übetreffen; und das 
Vergnuͤgen an blendender Schoͤnheit und Pracht in 
Oertern und Gebraͤuchen, die der Religion gewiedmet 
wurden, zu genieſſen. Allgemeine Ruhe, Wohlleben 
und Ueppigkeit, die ſich unter den Chriſten ausbreite⸗ 
ten, konnten mit der alten Einfalt der kirchlichen Verfaf⸗ 
fung nicht mehr zufrieden ſeyn. Das Beiſpiel des 
Kaiſers, der überaus begierig eben denſelben Weg 
betrat, um als Chriſt hervorzuragen, war fuͤr den 
großen Hauffen eine unwiderſtehliche Einladung. Die 
Biſchoͤfe und andere Lehrer, außer dieſen auch in⸗ 
ſonderheit die Moͤnche, bezeigten nicht bloß Nach⸗ 
ſicht gegen ſolche vermeinte Verſchoͤnerungen des aus⸗ 
üͤbenden Chriſtenthums; ihre Billigung und Auf 
munterung machte auch dieſelben zur Pflicht. Ohne 
Zweifel glaubten ſie, daß jede Aeußerung von Eifer 
und Ehrerbietung gegen die Religion einen gewiſſen 
Werth habe; aber der Grundſatz ſelbſt war unbeſtimmt 
und gefaͤhrlich, und ſie lieſſen ſich ſogar bey deſſen 
Anwendung von den uͤbrigen Chriſten, die ſie haͤtten 
regieren ſollen, mit fortreiſſen. Ihr neuer ploͤtzlicher 
Zuwachs an Rang, Ehrenbezeigungen, Macht und 
Einkuͤnften, floͤßte manchem unter ihnen Stolz und 
Eitelkeit ein: deſto mehr befoͤrderten ſie ſelbſt das 
Prachtvolle im Kirchencaͤrimoniel, das auch die Reich- 
thuͤmer von Fuͤrſten und Privatperſonen an die Kir⸗ 

chen bringen half. N 

Noch muß man hinzuſetzen, daß die Chriſten, wel⸗ 
che nunmehr den Heiden geboten, ihnen in nichts, 
und alſo auch nicht in dem ſchimmernden Glanze der 


aͤußern 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 131 


äußern Religionsuͤbung nachgeben wollten. Eine geg 
maͤßigte und vorſichtige Aufnahme einiger heidniſchen x. G. 
Caͤrimonien und Anſtalten, die ſich mit dem Chriſten- 306 
thum wohl vertrugen, (wie ſchon Gregor der Wun- bis 
derthaͤter verſuchte,) konnte dieſes den Heiden deſto 337. 
beliebter machen; wie ehemals die Verpflanzung juͤdi⸗ 
ſcher Gebraͤuche in die chriſtiche Kirche einen aͤhnlichen 
ſtarken Einfluß auf dieſe Nation gehabt hatte. Allein 
von Conſtantins Zeiten an, ſtuͤrzten ſich die Chri— 
ſten gleichſam in dieſe Nachahmung der Seiden; 
ohne immer genau zu pruͤfen, ob dieſelbe auch der 
Beſtimmung und den wahren Vorzuͤgen ihrer Religion 
gemäß waͤre. Die Nahmen, die Geſtalt, die Aus⸗ 
ſchmuͤckung, zum Theil ſogar die Einrichtung chriſtli⸗ 
cher Verſammlungshaͤuſer zum Gottesdienſte, wur⸗ 
den von den heidniſchen Tempeln geborgt. Man 
führte nach und nach in jenen Altaͤre, Bilder, Lich— 
ter, Weihrauch, ſehr koſtbare Gefaͤſſe, und eine pomp⸗ 
hafte Feyerlichkeit bey den gottesdienſtlichen Handlun⸗— 
gen ein, die freylich den Heiden, welche ehemals den 
chriſtlichen Gottesdienſt zu armſeelig gefunden hatten, 
gefallen mußten. Aus heidniſchen Feſttagen wurden 
mit einiger Veraͤnderung chriſtliche gemacht. Viele 
einzele Gebraͤuche, ſelbſt die herrlichere Kleidung der 
Biſchoͤfe, entſtanden aus eben dieſer Nachahmungs⸗ 
ſucht. Was unter vielen neuern Schriftſtellern, zween 
inſonderheit, Conyers Middleton (in ſeinen aus dem 
Engliſchen uͤberſetzten Briefen von Rom, oder von der 
genauen Uebereinſtimmung zwiſchen dem Pabſtthum 
und Heidenthum,) und Georg Chriſtoph Ham— 
berger, (Difl. praef. Gesnero: Rituum quos Ro- 
mana Eccleſia a maioribus ſuis gentilibus in ſua ſa- 

era tranſtulit, Enarratio) von einer der größten chriſt— 
lichen Gemeinen in dieſer Abſicht bemerkt haben, kann 

zu einer Einleitung in Abſecht auf die uͤbrigen dienen. 


32 So 


132 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


So glaubten alſo die Chriſten, nur ihren bren⸗ 
Cc nenden Eifer im Dienſte Gottes und Bekenntniſſe ih⸗ 
306 rer Religion an den Tag zu legen; giengen aber viel- 
bis mehr, ohne daß ſie es merkten, zur aberglaͤubiſchen 
337. und ſpielenden Andacht über. Denn ob es gleich keinen 
Hauptunterſcheid zu machen ſchien, wenn die Anzahl, 
der kirchlichen Caͤrimonien vermehrt, und ein Theil 
der Schaͤtze welche die Chriſten nunmehr beſaſſen, zur 
Ehre ihrer Religion angewandt wurde; ſo hatte doch 
beydes unvermeidlich nachtheilige Folgen. Nachdem 
ſich die Chriſten einmal dieſer Freyheit voͤllig uͤberlaſſen 
hatten, kannten fie im Gebrauche derſelben keine Gren- 

zen mehr; Glaube und Tugend, die bisher haupt⸗ 
ſaͤchlich eine Beſchaͤftigung für den Verſtand und das 
Herz geweſen waren, wurden es allmaͤhlich fuͤr die 
Sinnen; die Aufmerkſamkeit wurde waͤhrend der Re— 
ligionsuͤbungen an Abwechſelungen, Zierrathen und 
Schoͤnheiten geheftet, und eben dadurch zerſtreuet; 
man glaubte Gott zu gefallen, und geſiel ſich eigent— 
lich ſelbſt in ſeinen Erfindungen; aber das ſchlimmſte 
von allem war dieſes, daß man ſolchergeſtalt die rei— 
nen Begriffe von Religion und Froͤmmigkeit, ſelbſt 
immer mehr verfaͤlſchte, groͤber und irdiſcher werden 
ließ, zuletzt ſie ganz in den Eigenduͤnkel der Men⸗ 


ſchen ſetzte. 


Viele und ſchoͤngeſchmuͤckte Kirchen zu haben, 
wurde ſehr bald ein Lieblingswunſch der Chriſten: und 
ihn hatte Conſtantinus zuerſt theils rege gemacht, 
theils wuͤrklich befriedigt. Der ſchnelle Anwachs der 
Chriſten unter ſeiner Regierung erforderte zwar eine 
Anzahl ſolcher neuen Gebaͤude; aber ihrer mehrere 
zu errichten, als man noͤthig hatte, und das mit ei- 
ner ſehr verſchwenderiſchen Pracht, waren leere Ein— 
bildungen von Andacht, wovon er auch das erſte Bei⸗ 

ſpiel 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 133 


ſpiel gab. Vermuthlich wollte er, daß die Kirchen, T= 
welche man als Wohnungen Gottes anſah, weit zahl-. G. 
reicher und nicht ſchlechter als die Palaͤſte der Fuͤrſten 306 
ſeyn ſollten. Er konnte auch befuͤrchten, daß man es bis 
uͤbel angebrachte Sparſamkeit nennen moͤchte, wenn 337. 
ein Stifter wie er, nicht alles dabey ſehen ließe, was 
Reichthum und Macht vermoͤgen: zumal da die Tempel 

der Heiden eben ſo viele Denkmaͤler der feinſten Kuͤnſte 
waren. Daher gewoͤhnten ſich die Chriſten daran, uns 
ermeßliche Schaͤtze auf die Verzierung der Kirchen zu 
wenden, und, indem ſie ſchon ihre Erbauung vor ei— 

nen Dienſt Gottes anſahen, jede Gegend mit einer 
Menge derſelben anzufüllen. 


In den ſpaͤtern Zeiten hat man dieſen Kaiſer zum 
Urheber von einer Menge noch vorhandener Kirchen 
zu Rom gemacht; aber ohne einen Beweis davon zu 
geben, und bloß aus Liebe gegen ſein Andenken. Eben 
ſo hat eine Taufcapelle (baptiſterium) in gedachter 
Hauptſtadt auch von ihm nachmals den Nahmen bes 
kommen; die man vergebens in ein Denkmal der 
Taufe hat verwandeln wollen, welche er daſelbſt em- 
pfangen haben ſollte. Deſto mehrere und herrlichere 
Kirchen ſind von ihm zu Conſtantinopel erbauet wor— 
den. Unter dieſen war die dem Andenken der Apoftel 
gewiedmete, welche Euſebius (de V. C. L. IV. c. 
58. q.) beſchreibt, die vornehmſte. Er gab ihr eine 
ungemeine Hoͤhe, bekleidete ſie inwendig und aus— 
wendig ganz mit vielfaͤrbigem Marmor, bis an die 
Decke, welche aus ſaubern mit Golde uͤberzogenem 
Tafelwerfe beſtand; von außen aber deckte er fie mit 
vergoldetem Erzte, und ließ ein gleiches Gitterwerk 
um dieſes Dach herumziehen. Um die Kirche gieng 
ein großer Hof, der von Saͤulengaͤngen eingeſchloſſen 
war, an welchen ſich kaiſerliche Saͤle, Baͤder und 

N Zim⸗ 


134 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sn Zimmer zum Abtreten, nebſt Wohnungen fuͤr die 
F. G. Waͤchter der Kirche, befanden. Dabey hatte Con⸗ 
306 ſtantinus noch eine beſondere Abſicht, die er anfaͤng⸗ 
bis lich geheim hielt. „Er beſtimmte ſich, ſagt der Ge- 
337. „ſchichtſchreiber, dieſen Ort nach feinem Tode, indem 
„er Kraft feiner uͤberſchwenglichen Glaubensfreudigkeit 
„vorausſah, daß ſeine Huͤtte nach dem Tode einerley 
„Benennung mit den Apoſteln erhalten wuͤrde; (das 
heißt vermuthlich, daß man es ſowohl die Apoſtelkir— 
che, als die Kirche Conſtantins nennen wuͤrde; wenn 
nicht etwan auf den Ehrennahmen eines Apoftelgleiz 
chen Mannes, der ihm nachmals ertheilt wurde, ge— 
zielt wird;) „damit er nemlich auch nach ſeinem Ab⸗ 
„ſterben an dem Gebete Theil hätte, welches daſelbſt 
„zur Ehre der Apoſtel verrichtet wuͤrde. Nachdem er 
„alſo daſelbſt zwoͤlf Kaſten, gleichſam als heilige Saͤu— 
„len, zur Ehre und zum Andenken der Apoſtel errich⸗ 
„tet hatte, ließ er feinen eigenen Sang mitten zwiſchen 
„dieſelben ſetzen. — Er glaubte gewiß, daß er dadurch 
„das Andenken der Apoſtel fuͤr ſeine Seele ſehr nuͤtzlich 
„machen werde.“ — Conſtantinus hat alſo auch in 
dem aberglaͤubiſchen Gebrauche, die Todten in den Kir⸗ 
chen zu begraben, das erſte Beiſpiel gegeben. Nach ei⸗ 
nem weiſen alten Roͤmiſchen Geſetze, (LL. XII. Tabb.) 
durfte kein Leichnam innerhalb der Städte beerdiget 
werden. Die Sorge für die Geſundheit der Einwoh— 
ner konnte allein ein ſolches Verbot hervorbringen. 
Es wurde dringender fuͤr Gebaͤude, in welchen ſich 
eine große Menge Menſchen verſammlet; aber am 
unanſtaͤndigſten war die Uebertretung deſſelben in den 
Gebäuden, welche die Chriſten dem Dienſte Gottes vor« 
zuͤglich gewiedmet hatten. Die Ehrerbietung des Kai— 
fers gegen die Apoſtel, und eine vermeinte Theilneh⸗ 
mung an dem oͤffentlichen Gebete, entſchuldigt ihn hier 
nicht. Die folgenden Kaiſer ahmten ihm darinne 1 
nach: 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 135 


nach: und die Biſchoͤfe von Conſtantinopel bemaͤchtig⸗ 
ten ſich gar bald eben dieſes Vorzugs, weil, wie So-. G. 
zomenus (H. Ecel. L. II. c. 34.) vermuthlich nach 306 
ihren Geſinnungen und Ausdruͤcken, ſchreibt, die prie⸗ bis 
ſterliche Würde der kaiſerlichen gleich iſt; an den hei- 33% 
ligen Oertern aber noch den Rang vor derſelben hat. 
Endlich iſt dieſer grobe Mißbrauch der Kirchen zu Be⸗ 
graͤbnißplaͤtzen auch allgemein fuͤr die uͤbrigen Chriſten 
geworden, ſo fern ſie das Gluͤck in einer geglaubten 
heiligen Erde, wenigſtens doch nahe um die Kirchen 
herum, zu ruhen, bezahlen konnten. 


Alle uͤbrige chriſtliche Kirchen aber ſollte nach 
Conſtantins Abſicht diejenige übertreffen, welche er 
an dem Orte der Auferſtehung Chriſti zu Jeruſalem 
bauen ließ, und von welcher Guſebius (J. c. L. III. 
c. 25. ſq.) eine fo ausführliche Beſchreibung hinterlaſ— 
ſen hat. Nachdem er den Tempel der Venus, der 
an dieſer Stelle war errichtet worden, hatte niederreiſ— 
ſen, und ſelbſt die darunter ausgegrabene Erde, als 
verunreinigt, weit wegfuͤhren laſſen, glaubte man das 
Grab Chriſti in einer Hoͤle zu entdecken: und uͤber 
dieſer wurde die Kirche errichtet. Im Grunde aber 
waren es zwo Kirchen: die eine bey dem Grabe Chri⸗ 
ſti; die andere und groͤßere gegen uͤber. Praͤchtige 
Saͤulengaͤnge, bunter Marmor, Gold, Silber und 
Edelgeſteine, wechſelten an denſelben auf allen Sei⸗ 
ten, theils in dem Baue ſelbſt, theils in den Geſchen⸗ 
ken ab, mit welchen ſie der Kaiſer ſchmuͤckte. Dieſe 
doppelte Kirche, die als Ein Gebaͤude angeſehen ward, 
wurde nachmals mit vielem feyerlichen Gepraͤnge, 
hauptſaͤchlich aber unter Gebet und Erklaͤrung der hei⸗ 
ligen Schrift, eingeweihet, wie ebenfals Euſebius 
(L c. L. IV. c. 43. ſq.) berichtet. Sie bekam den ei⸗ 
genen Nahmen eines Denkmals oder Gedoͤchtniß⸗ 
| 4 ortes 


136 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


wortes der Auferſtehung Chriſti, worinne dieſelbe 
G. bekannt und gelehrt werden ſollte, (magrügiov. Eu- 
306 ſeb. I. c. c. 47. Cyrill. Hieroſol. Cateches. XIV. 
bis p. 190. ed. Milles. Socrat. H. Eccl. L. II. c. 26.) und 
837. dieſer Nahme wurde in der Folge auch andern Kirchen 
zu Theil, weil ſie gleichfals zum Bekenntniß der Lehre 
Chriſti dienten. Nach und nach iſt auch von dieſer 
Zeit an, der bisherige Nahme der Stadt Aelia, der 
vom Adrianus herſtammte, abgekommen, und der 
alte Nahme Jeruſalem wieder an die Stelle deſſel⸗ 
ben geſetzt worden. 


Die Mutter des Kaiſers, Helena, nahm an ſei⸗ 
nem Eifer in Erbauung der Kirchen ſo vielen Antheil, 
daß ihr Socrates (Hill. Eccl. L. I. c. 17) ſelbſt die 
Errichtung der Auferſtehungskirche beilegt, die von 
ihr das Neue Jeruſalem ſoll genannt worden ſeyn. 
Conſtantinus hatte fie zur chriſtlichen Religion ges 
bracht, und ihr nicht allein ſehr großes Anſehen im 
Reiche, ſondern auch uͤberaus betraͤchtliche Einkuͤnfte 
ertheilt. Dieſer bediente ſie ſich zur Mildthaͤtigkeit 
gegen Arme, Ungluͤckliche und ganze Staͤdte; beſon⸗ 
ders aber auch zur Stiftung und Beſchenkung von 
Kirchen. Zwo derſelben ließ ſie auch zu einem vor— 
zuͤglich bezeichneten Andenken des Erloͤſers aufbauen: 
die eine, über der Höhle, in welcher er, nach der al— 
ten Sage, ein Menſch ſollte gebohren worden ſeyn; 
die andere auf dem Berge, von welchem er gen Him— 
mel gefahren war. Sie wohnte auch ſehr fleiſſig den 
gottesdienſtlichen Verſammlungen in den Kirchen bey; 
obgleich ihre Tauffe nicht beſonders gemeldet wird. 
Euſebius (I. c. L. III. c. 41 — 47.) erzählt ihre Ge⸗ 
ſchichte am glaubwuͤrdigſten; nicht völlig fo richtig 
aber Socrates, (l. c.) und Theodorerus, (Hiſt. 
Eccl. L. I. c. 18.) wie unter andern darinne, wenn 

N der 


Chriſtl Caͤrimonien und Aberglauben. 137 


der letztere zu behaupten ſcheinet, daß ſie ihren Sohne 
bekehrt habe. CG. 
306 

Gewiß aber wetteiferte ſie mit ihm gleichſam in bis 
allen Uebungen der Andacht, den reinern ſowohl, als 337. 
den aberglaͤubiſchen. Beyde trieben unter andern die 
aͤußerliche Verehrung gegen das Zeichen des 
Kreutzes ziemlich weit. Der Kaiſer, der es als ein 
Unterpfand des Siegs in ſeine Fahne und auf die 
Schilder feiner Soldaten hatte ſetzen laſſen, bezeich- 
nete ſich nicht allein haͤuffig damit, ſondern ließ ſich 
auch in dem Vorſaale ſeines Palaſtes, mit dem Kreutze 
über feinem Kopfe; zu feinem und feiner Kinder Fuͤſ— 
fen aber, den böfen Geiſt, unter der Geſtalt eines mit 
Pfeilen getoͤdteten und in das Meer geſtuͤrzten Dra⸗ 
chen liegend, in einem Bilde von Wachsmahlerey 
vorſtellen. (Eufeb. I. c. L. III. c. 23.) Auch ſah man 
in dem vornehmſten Zimmer ſeines Palaſtes, das Zei— 
chen des Kreutzes an der Decke aus Golde gearbeitet, 
und mit vielen Edelgeſteinen ausgelegt. (Id. J. c. c. 49.) 
Aber feine Mutter wuͤnſchte ſelbſt das Kreutzesholz 
verehren zu koͤnnen, an welches Chriſtus geſchlagen 
worden war. Sie war nach Bethlehem gereiſet, um 
ihr Gebet an denjenigen Oertern zu verrichten, wo 
der Erloͤſer unter den Menſchen gelebt hatte. Bey 
dieſer Gelegenheit ſuchte ſie das Grab Chriſti, ſagt 
Socrates, (Hiſt. Eccl. L. I. c. 11.) und entdeckte 
daſſelbe endlich. Man fand darinne drey Kreutze, 
wovon zwey den Raͤubern zugehoͤrten, die mit Chriſto 
gekreutzigt worden waren. In der Ungewißheit, welches 
darunter das heilige Kreutz ſey, bat der Biſchof von Je— 
ruſalem Macarius, Gott um ein Wunder zum Merk— 
mal, und erhielt es. Eine Frau, die nach einer langen 
Krankheit in den letzten Zuͤgen lag, bekam ihre vorige 
Geſundheit in dem Augenblicke wieder, als das Kreutz 
1% Chri⸗ 


138 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ibn iſti ſie beruͤhrte. Nun ließ die Kaiſerinn einen 
G. Theil davon, in einem ſilbernen Behaͤltniſſe, zu Je 

or ruſalem zuriͤck, damit es den Chriften zum Andenken 

bis gezeigt werden koͤnnte. Den andern Theil ſchickte ſie 

337. dem Kaiſer zu: und da dieſer glaubte, diejenige Stadt 
muͤſſe beſtaͤndig gluͤcklich ſeyn, wo ein ſolches Kleinod 
aufbewahrt wuͤrde, legte er es in ſeine Bildſaͤule zu 
Conſtantinopel, die auf dem von ihm genannten 
Marktplatze ſtand. Er hatte zugleich die Naͤgel von 
dem Kreutze Chriſti empfangen: mit dieſen ließ er 
ſeinen Helm und den Zaum ſeines Pferdes beſchla— 
gen, um in Schlachten deſto ſicherer vor aller Ges 
fahr zu ſeyn. 


Ohne Zweifel verdienen der Kaiſer und feine Mut⸗ 
ter wegen dieſer leichtglaͤubigen ſpielenden Froͤmmig⸗ 
keit weniger Tadel, als die chriſtlichen Lehrer, von de— 
nen ſie, wo nicht in allem dazu angefuͤhrt, doch dar⸗ 
inne aufgemuntert und beſtaͤrkt worden ſind. Die 
Wallfahrten an die ſogenannten heiligen Oer⸗ 
ter, und das Aufſuchen koͤrperlicher Ueberbleib⸗ 
ſale von Chriſto, den Apoſteln und andern hei⸗ 
ligen Maͤnnern unter den Chriſten, beides mit der 
Erwartung einer außerordentlichen, und ſelbſt wun— 
derthaͤtigen Kraft verbunden, wurden eben durch ſo 
große Beiſpiele zu beliebten Andachtsuͤbungen bey den 
Chriſten. Und doch vertrugen ſich beyde durchaus 
nicht mit den hoͤhern Abſichten ihrer Religion. Dieſe 
unterſchied ſich eben dadurch, nach dem eigenen Aus⸗ 
ſpruche ihres Stifters, (Evang. Johan. C. IV.) von 
der juͤdiſchen, daß fie keinen Ort vor dem andern hei— 
ligte, um an demſelben mit mehrerer Wuͤrkſamkeit 
beten zu koͤnnen. Die Gegenden alſo, wo ſich Chri⸗ 
ſtus unter den Menſchen aufgehalten hatte, konnten 
zwar die Einbildungskraft der Chriſten, welche ſie be⸗ 

ſuchten, 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 139 


ſuchten, erheben und anfeuern: und das fuͤhlten ſie dd 
auch in der That daſelbſt; aber ſie betrogen ſich, in⸗F. G. 
dem fie dachten, daß auch ihr Glaube und ihre Gott: 306 
ſeeligkeit durch dieſelben eine beffere Nahrung erhiel- bis 
ten, und mehr goͤttliche Gnadenbezeigungen daſelbſt, 337. 
als anderswo, erwartet werden koͤnnten. Das erſte, 
noch ziemlich unſchuldige Beiſpiel eines an den ſoge— 
nannten heiligen Oertern zu und bey Jeruſalem ver— 
richteten Gebets von einem Biſchof, der ausdruͤcklich 
deswegen hingereiſet war, hat man bereits in den fruͤ— 
hern Zeiten des dritten Jahrhunderts, (chriſtl. Kir— 
chengeſch. Th. IV. ©. 206.) geleſen. Jetzt aber hiens 

gen ſchon unreinere Begriffe und ſchwaͤrmeriſche Hoffe 
nungen daran. Zu ſpaͤt, obgleich mit den beſten 
Gruͤnden, widerſetzte ſich gegen das Ende des vierten 
Jahrhunderts dieſen andaͤchtigen Reiſen der Biſchof. 
Gregorius von Nyßa, (Epiſt. de euntibus Hiero- 
ſolyma.) Die Anmerkungen welche Peter Dü Mou⸗ 

lin zu dem Briefe deſſelben gemacht hat, und ſeine bey— 
gefuͤgte Abhandlung von den Wallfahrten, (in der Aus⸗ 
gabe von Hanau, 1607. 8.) tragen auch manches zur 
Beurtheilung dieſer Art des Aberglaubens bey. 


Sie fuͤhrte zu einer noch unanſtaͤndigern, zu der 
Begierde nach heiligen Ueberbleibſalen, die man or— 
dentlich Reliquien zu nennen pflegt, und alſo zu dem 
geraden Wege, um die erhabene geiſtige Natur des 
Chriſtenthums in Kleinigkeiten und Taͤndeleyen zu vers 
wandeln. Bis auf die Zeiten Conſtantins hatten 
die Chriſten einen ſolchen kriechend andaͤchtigen Eifer 
niemals gezeigt. Sie würden in den erften Jahrhun⸗ 
derten am leichteſten ſolche vermeinte Heiligthuͤmer ha— 
ben ſammeln und erhalten koͤnnen. Allein man findet 
gar keine Spur, daß ſie einige koͤrperliche Denkmaͤler 
des Aufenthalts Chriſti auf der Welt, noch weniger 

die 


140 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


die Leiber, oder Knochen, Kleidungsſtuͤcke und ders 
Fc elechen mehr, von den Apoſteln und andern ehrwuͤr⸗ 
306 digen Chriſten, aufgeſucht und außerhalb der Erde 
bis aufbewahrt hätten. Eine goͤttliche Verheiſſung war 
337. ohnedieß nicht vorhanden, daß mit Holze, Nägeln, Ge⸗ 
beinen, und dergleichen mehr, dereinſt eine uͤbernatuͤrliche 
Kraft verbunden ſeyn ſollte. Die vorhergedachte Ent- 
deckung des Kreutzes Chriſti iſt an ſich unglaublich, 
und wird auch durch manche Umſtaͤnde verdaͤchtig. 
Nach dreyhundert Jahren, da die Stelle des Grabes 
Chriſti ſchon lange, ſelbſt durch ſo manche Veraͤnderun⸗ 
gen, die ſich mit Jeruſalem ereignet hatten, gänzlich un⸗ 
bekannt geworden war, ſollte man daſſelbe dennoch ſo 
leicht gefunden haben. Euſebius, der die Reiſe der He⸗ 
lena in dieſe Gegend ausführlich genug beſchreibt, (de 
vita Conſt. L. III. c. 42. ſq.) gedenkt weder jenes Grabes, 
noch des entdeckten Kreutzes, mit einem Worte: und 
dieſes bringt ſchon auf die Vermuthung, daß es ein 
bloßes Gerücht geweſen ſeyn möchte, welches der Ge⸗ 
ſchichtſchreiber, der ſonſt dergleichen Vorfaͤlle in dies 
ſem Werke nicht verſchweigt, in daſſelbe nicht aufneh— 
men konnte. Aber gleich nach ihm trug Cyrillus, 
Biſchof von Jeruſalem, (Epiſt. ad Conſtantium, 

p. 305. ed. Milles.) kein Bedenken, die oftgenannte Ent⸗ 
deckung als zuverlaͤſſig anzufuͤhren; wiewohl er ſſie 
mehr als eine Einleitung gebraucht, um die Erſchei⸗ 
nung des aus Lichtſtrahlen zuſammen geſetzten Kreu— 
tzes, die eben damals, im Jahr 35 1. von dem Berge 
Golgatha an bis zum Oelberge hin, vor den Augen 
von ganz Jerufalem erfolgt ſeyn ſollte, dem Kaiſer zu 
beſchreiben, und ſolche als eine Erfüllung der Weiffa= 
gung Chriſti (Matth. C. 24. v. 30.) anzugeben. Man 
war zu dieſer Zeit, wie oben bemerkt worden iſt, der 
Erſcheinungen des Kreutzes am Himmel ſchon fo ge— 
wohnt, daß es deſto weniger Muͤhe machen 1 

au 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 141 


auch das Kreutzesholz unter der Erde zu finden. Un⸗ T 
ter den Geſchichtſchreibern erzählten zwar vom fünften d g. 
Jahrhunderte an, Sulpicius Severus, (Hifl. Sacr. 306 
L. II. c. 34.) und am ausfuͤhrlichſten Socrates (I. c.) bis 
und Theodoretus (Hill. Eccl. L. I. c. 18.) die Ent⸗ 337. 
deckung des Kreutzes Chriſti; allein da der erſtere das 
Kennzeichen deſſelben in der Auferweckung einer eben 
verſtorbenen Perſon ſetzt: fo ſcheint auch dieſer Wider⸗ 
ſpruch gegen die beiden andern Schriftſteller, der gar 

zen Geſchichte nachtheilig zu ſeyn. 


Von dieſem Anfange der Sammlungsſucht heil 
ger Ueberbleibſale, giengen die Chriſten bald weiter, und 
nach und nach bis zu einer gottesdienſtlichen Verehrung 
derſelben, über. Zwar zu Conſtantins Zeiten findet 
man eben keinen merklichen Fortgang dieſes Aberglau⸗ 
bens. In den Beſchreibungen inſonderheit der neuen 
Kirchen, und ihrer Einweihung, beym Euſebius, kom⸗ 
men eben fo wenig Reliquien als Biider vor. Aber 
ſchon der Sohn des Kaiſers, Conſtantius, ließ im 
Jahr 35 9. nach dem Berichte des Hieronymus, (Chro. 
nic. ad h. a.) Philoſtorgius, (H. Ecel. Epit. L. III. c. 2.) 
und anderer mehr, die Koͤrper des Apoſtels Andreas, 
des Evangeliſten Lucas, und des Timotheus, von de⸗ 
nen man die beyden erſtern in Achaja, den letztern zu 
Epheſus entdeckt haben wollte, in die Apoſtelkirche zu 
Conſtantinopel bringen. Da man einmal Leichname 
gewöhnlicher Chriſten in der Kirche zu beerdigen ange— 
fangen hatte: ſo iſt es nicht zu verwundern, daß ſol— 
che Heilige gleichergeſtalt geehrt wurden. Aber ſon⸗ 
derbar war es, und fuͤr die Glaubwuͤrdigkeit dieſer 
Nachrichten nicht vortheilhaft, daß die Leiber der übri- 
gen Apoſtel, und andere Reliquien aus den allererſten 
Zeiten des Chriſtenthums, meiftentheils erſt viele hun⸗ 
dert Jahre nach dem Conſtantinus gefunden worden 

ſeyn 


142 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


K. y'ſeyn ſollen; die Körper hingegen einiger Propheten 
&Üs,der alten jüdiſchen Kirche noch im vierten Johrhun⸗ 
306 te; daß man auch in dieſem ſchon durch goͤttliche Of— 
bis fenbarungen belehrt worden zu ſeyn vorgab, wo ger 
337. wiſſe Ueberbleibſale verborgen lägen; und daß die Chri⸗ 
ſten der erſten dreyhundert Jahre gar keine Anzeigen 
von allen denſelben hinterlaſſen hatten. Indeſſen befoͤr⸗ 
derten chriſtliche Lehrer, denen es ſonſt nicht an ſchaͤrfern 
Einſichten fehlte, wie Ambroſius inſonderheit, dieſe 
unwuͤrdige Beſchaͤftigungen ohne Scheu. Die Hei⸗ 
den ſpotteten deswegen zeitig uͤber die Chriſten, wie 
der Kaiſer Julianus, (beym Cyrillus von Alexan⸗ 
drien (adverf. Iulian. L. X. p. 33 5. T. VI. Opp.) und 

am Ende des vierten Jahrhunderts, Eunapius, 
(in vita Aedehii.) Dieſer warf ihnen beſonders vor, 
daß ſie die Gebeine und Koͤpfe von Menſchen ſammel⸗ 
ten, welche die Obrigkeit wegen vieler Verbrechen habe 
hinrichten laſſen, dieſelben als Götter anſaͤhen, ſich 
vor ihnen niederwuͤrfen, und beſſer zu ſeyn glaubten, 
wenn ſie bey den Graͤbern derſelben verunreinigt wuͤr⸗ 
den. Doch die geſammte Geſchichte des Urſprungs 
von der gottesdienſtlichen Verehrung der Reliquien, 

iſt in den neuern Zeiten ſehr gelehrt und gruͤndlich, 
wenn gleich mit untermiſchten beſtaͤndigen Widerlegun⸗ 
gen der Gründe für dieſelbe, vom Johann Dal— 
laͤus (adverſus Latinorum de cultus religiofi obiecto 
traditionem Diſputatio, L. IV. p. 582 — 703. Ge- 
nevae, 1664. 4.) eroͤrtert worden: ſo wie eben dieſer 
Schriftſteller auch in dem gedachten Werke (L. V. 

p. 704. fq.) der aberglaͤubiſchen Kreutzesverehrung bis 

auf ihren Anfang nachgegangen iſt. 


Freylich darf man auch nicht jedes Religionsge⸗ 
pränge, das Conſtantinus anſtellte, jede uͤberfluͤſſige 
Caͤrimonie, oder Andachtsuͤbung, die er zur Schau 


zu 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 143 


zu tragen ſchien, ſogleich unter dem Nahmen des Aber⸗ Fe 
glaubens anfuͤhren. Es war dabey viel gutgemeintes, & G. 
das aus keinen uͤbeln Begriffen herſtammte; ein hitzi⸗ 306 
ger Eifer machte bisweilen zu viel Geraͤuſche, und bis 
wurde erſt für Nachahmer eine Gelegenheit, die Froͤm⸗ 337. 
migkeit in ſichtbare Bewegungen einzuſchlieſſen. So 
ließ er ſich haͤuffig auf feinen Muͤnzen, und in den 
Bildern, welche man von ihm bey den Eingaͤngen ſei⸗ 
nes Palaſtes erblickte, in der Geſtalt eines Betenden 
vorſtellen. (Euſeb. de vita Conſt. L. IV. c. 15.) In 
der Nacht vor dem Oſterfeſte wachte er nicht nur, wie 
es ſeit einiger Zeit üblich war, mit andern Chriſten unter 
andaͤchtigen Beſchaͤftigungen; ſondern ließ auch ganz 
Conſtantinopel durch eine ſolche Menge von Wachs⸗ 
fackeln erleuchten, daß man dabey den Tag nicht ver⸗ 
mißte. Id. I. c. c. 22. 57.) Auch ſonſt durchwachte 
er manche Naͤchte uͤber gottſeeligen Betrachtungen, 
ſagt der Verfaſſer feiner Lebensgeſchichte, (. c. c. 17. 
29.) hielt mit ſeinen Hofbedienten, die eine Art von 
Gemeine ausmachten, feierliche Betſtunden, und 
ſetzte oͤfters Reden zum Unterrichte ſeiner Unterthanen 
auf. Alsdenn beſtellte er Zuhoͤrer zu denſelben: und 
ihrer erſchien eine große Menge. Vor dieſen hielt er 
ſeine Reden dergeſtalt, daß, wenn er darinne auf Leh⸗ 
ren des Chriſtenthums kam, er beſonders ehrerbietige 
und beſcheidene Geberden annahm. Riefen ihm ſeine Zu⸗ 
hoͤrer Beifall zu: ſo verwies er ſie darauf, Gott allein 
zu bewundern und zu verehren. Ordentlich machte er 
in dieſen Reden den Anfang mit der Beſtreitung der 
Abgoͤtterey, erklaͤrte darauf die goͤttliche Fuͤrſorge und 
Regierung, zeigte, wie nothwendig die Erloͤſung der 
Menſchen geweſen, und auf welche wuͤrdige Art ſie 
vollzogen worden ſey, und ſchloß mit Vorſtellungen 
von dem goͤttlichen Gerichte, durch welche er die La⸗ 
ſterhaften erſchroͤckte. Es iſt noch eine von dieſen Re⸗ 
den, 


144 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


rn „ welche der Kaiſer lateiniſch abfaßte, und ins 
G. griechiſche uͤberſetzen lieh als ein Anhang zu feiner $e- 
850 bensbeſchreibung vom Euſebius, unter der Aufſchrift 
bis einer Bede an die Gemeine der Heiligen, vor⸗ 
337. handen. Sie iſt ſehr lang, enthaͤlt einen allgemeinen 
Begriff vom Chriſtenthum, und eine Widerlegung 
der heidniſchen Irrthuͤmer: beydes gruͤndlich genug, 
und großentheils philoſophiſch, auch nicht ohne einige 
Staͤrke der Beredſamkeit; iſt aber weder frey von feh⸗ 
lerhaften Erklaͤrungen des chriſtlichen Glaubens, noch 
von hiſtoriſchen und andern Unrichtigkeiten. Zu der 
letztern Art gehört es, wenn er die Erfüllung der vers 
meinten Weiſſagungen der Sibyllen und Virgils, von 
Chriſto, weitlaͤuftig zu zeigen ſucht; oder das Para⸗ 
dies Adams außerhalb der Welt ſetzt. Auf der andern 
Seite nennt er zwar Chriſtum Gott und Gottes 
Sohn, den Heiland der Menſchen; allein er ſetzt ſeine 
Beſtimmung auf der Welt hauptſaͤchlich darinne, daß 
er den Goͤtzendienſt habe zerſtoͤren, die Menſchen vom 
Boͤſen befreyen, und zu allen Tugenden anleiten, ſie 
dieſelben durch ſein Beiſpiel lehren, dadurch Ver⸗ 
trauen auf ſich erwecken, und ſie ſolchergeſtalt gluͤck⸗ 
ſeelig machen ſollen. Daß Chriſtus um der Suͤnden 
des menſchlichen Geſchlechts Willen geſtorben ſey, und 
ihnen dadurch ein neues Recht an die goͤttliche Gnade 
erworben habe, wird entweder gar nicht, oder wenig⸗ 
ſtens ſehr undeutlich, gelehrt. Ueberhaupt ſcheint es 
nicht, daß dieſe weitfchweifige Rede einen großen Eins 
druck habe machen koͤnnen. Hinwiederum hoͤrte er 
die laͤngſten Reden der Biſchoͤfe ſtehend an: und da 
Euſebius eine außerordentlich weitlaͤuſige, die er vor 
ihm in feinem Palaſte hielt, abbrechen, oder ihn we⸗ 
nigſtens bewegen wollte, ſich niederzuſetzen, gab er 
keines von beiden zu. üer I. cit. L. IV. c. 33.) 


U 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 145 


Ungeachtet aller dieſer und vieler andern Merkma- = 
le ſeines Eifers fuͤr das Chriſtenthum, die Conſtan⸗ N. g. 
tinus mehr als zwanzig Jahre nach einander, un- 306 
unterbrochen bis an ſeinen Tod, und ohne bey den bis 
Ehriften in den geringſten Verdacht zu gerathen, 337 
äußerte, haben doch einige neuere Schriftſteller be- 
Dies er ſey niemals ein aufrichtiger Chriſt geweſen. 
ieſes unerwartete Vorgeben fließt zwar ſchon aus ihe 
rer Meinung, die oben (S. 87.) beruͤhrt worden iſt, 
daß dieſer Fuͤrſt die chriſtliche Religion blos aus 
Staatsklugheit angenommen habe. Allein ſie ſetzen 
außer dieſer Vermuthung auch wuͤrkliche Handlungen 
aus ſeinem Leben hinzu, um ſolches zu beſtaͤtigen. 
Nichts iſt im Grunde verwegener und mißlicher, als 
die Geſinnungen und Abſichten des Herzens bey andern 
Menſchen zuverſichtlich zu beſtimmen. Allein wenn 
viele Beiſpiele ihres aͤußerlichen Betragens lange Zeit 
hindurch vorhanden ſind, kann doch eine vorſichtige 
Unterſuchung dieſer Art ſehr nuͤtzlich werden: und ſie 
iſt bey einem ſo beruͤhmten Fuͤrſten als Conſtantinus 
war, dem Stifter des aͤußerlichen Wohlſtandes der 
chriſtlichen Religion, faſt unvermeidlich. 


Daß er ſtets eine gewiße Nachſicht gegen das Hei⸗ 
denthum beobachtet hat, kann nicht eine geheime Nei— 
gung zu demſelben, ſondern nur Behutſamkeit in ſei⸗ 
nen übrigens unausgeſetzten Bemühungen, es zu flürs 

zen, anzeigen. Zwar hat er bald nach feiner erſten Er— 
klaͤrung fuͤr den chriſtlichen Glauben, ſogar den Nah— 
men und das Kleid des hoͤchſten Prieſters der Roͤmi⸗ 
ſchen Religion, (Pontifex maximus) angenommen. 
Außer dem Zofimus, der dieſes erzählt, (Hill. L. IV. 
c. 36.) ſind es auch zwo Aufſchriften, welche ihm zu 
Ehren im Jahr 325. geſetzt worden find, und eben 
dieſes beſtaͤrken. Man findet ſie aus Gruters be⸗ 

V. Theil. K kann⸗ 


146 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


kannter Sammlung alter Inſchriften, in einer ſehr 
TG. gelehrten Abhandlung Johann Andreas Boſens 
306 (Exercitatio poſterior de Pontificatu Maximo Im- 
bis perat. Roman. praecipue Chriſtianorum, p. 387. ed. 
337. Walchii) eingeruͤckt: und dieſer Schriftſteller beweiſet 
zugleich, daß auch die folgenden chriſtlichen Kaiſer bis 
auf den Gratianus, ſich eben dieſes Ehrennahmens 
bedienet haben. Dieſer letztere Umſtand giebt ſchon ei⸗ 
ne Anleitung, es zu begreifen, wie Conſtantinus 
denſelben als ein Chriſt habe fuͤhren koͤnnen. Seit 
dem Auguſtus hatten die Kaiſer, indem ſie alle hohe 
Wuͤrden des ehemaligen freyen Roͤmiſchen Staats in 
ihrer Perſon vereinigten, auch das Amt eines Roͤmi⸗ 
ſchen Oberprieſters ſich ausdruͤcklich von dem Senate 
ertheilen laßen: und es wurde immer als eine mit der 
kaiſerlichen nothwendig verbundene Wuͤrde betrachtet. 
Sie ſchloß nicht allein die hoͤchſte Aufſicht über alle Re⸗ 
ligionsgebraͤuche, und fo viele Perſonen welche dieſel— 
ben vollziehen mußten, in ſich; ſondern wurde auch 
dadurch ſehr anſehnlich, und beynahe furchtbar, weil 
derjenige welcher ſie beſaß, durch Huͤlfe und unter dem 
Vorwande der Religion, die wichtigſten Angelegenhei⸗— 
ten befördern oder hintertreiben konnte. So wenig al- 
fo Conſtantins Vorgänger dieſelbe einem andern uͤber⸗ 
laßen durften: ſo natuͤrlich war es, daß ſie auch ihm, 
gleich bey dem Antritte ſeiner Regierung zu Rom, auf⸗ 
getragen wurde. Als ein Freund des Chriſtenthums, 
und alſo einer Religion, die der herrſchenden im Staa⸗ 
te voͤllig entgegen geſetzt war, brauchte er dieſe hoͤchſte 
Gewalt in Religionsſachen, die gewißermaäßen von 
dem Senate und dem Volke unabhaͤngig war, noch 
weit mehr. Er und ſeine chriſtlichen Nachfolger in der 
Regierung erhielten gleichſam damit ein bey den Hei⸗ 
den ſelbſt ehrwuͤrdiges Recht, Veraͤnderungen bey der 
Religion vorzunehmen. Conſtantins Macht wurde 
dadurch 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 147 


dadurch vergroͤßert und befeſtigt; zu abgoͤttiſchen Ver-“ 
richtungen noͤthigte ihn dieſe Ehrenſtelle nicht: und daß. G. 
er ſo vielen andern heidniſchen Aberglauben waͤhrend 306 
ſeiner Regierung geduldet hat, ſo war auch die Bey- bis 
behaltung dieſes Nahmens leicht zu entſchuldigen. 337. 


Doch man hat geglaubt, daß ein Fuͤrſt, der in dem 
groͤßeſten Theile ſeines Lebens ehrgeitzig, treulos und 
grauſam gehandelt hat, der es noch lange nach ſeinem 
öffentlichen und heißen Bekenntniße zum Chriſtenthum 
geblieben iſt, unmoͤglich aus Ueberzeugung und wahrer 
Liebe, dieſer Religion habe ergeben ſeyn koͤnnen. Die 
Vorwuͤrfe ſelbſt muͤßen uͤberhaupt zugegeben werden. 
Sie ſind zwar von manchen ſo partheyiſch uͤbertrieben 
worden, als wenn die ganze Regierung Conſtantins 
eine Reihe unaufhoͤrlicher Ausſchweifungen der Unge⸗ 
rechtigkeit und Unmenſchlichkeit geweſen waͤren. Aber 
einige hat er doch begangen: und das gerade zu der Zeit, 
als ſein Eifer fuͤr die Religion nicht hoͤher ſteigen zu 
koͤnnen ſchien. Außer der ſchon gedachten Hinrichtung 
der beiden Licinius, ließ er im Jahr 326. ſeinen Sohn 
Criſpus, einen ſehr Hoffnungsvollen Prinzen, bloß auf 
die falſche Anklage ſeiner Stiefmutter Fauſta, ums Le⸗ 
ben bringen: und als er die wahre Beſchaffenheit der 
Sache erfuhr, wurde auf ſeinen Befehl, auch dieſe ſeine 
Gemahlinn in einer heißen Badſtube erſtickt; mit ihr 
aber wurden noch mehrere ihrer Freunde aus dem Wer 
ge geraͤumt. Obgleich Euſebius in dem Leben des 
Kaiſers nichts davon ſagt, weil er blos die zu ſeinem 
Lobe dienlichen Nachrichten darinne zu ſammeln vers 
ſprach, und Evagrius daher (Hill. Ecel. L. III. c. 419 
ſich auf ſein Stillſchweigen vergebens beruft; ſo haben 
doch nicht nur heidniſche Schriftſter, wie Sofimus, 
(Hiſt. L. II. c. 29.) Aurelius Victor und Eutro⸗ 
pius; ſondern auch bald Chriſten, und darunter zuerſt 

K 2 wiero⸗ 


148 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Hieronymus (de viris illuſtr. c. 80.) dieſe uͤbereilte 
3 "-Ermordungen erzählt. Unterdeßen kann man aus die⸗ 
‚6 fen und andern groben Fehltritten Conſtantins keine 
bis weitere Folge ziehen, als daß er nur noch dem aͤußer— 
337. lichen Bekenntniße nach, nicht aber an einem gebeßer⸗ 
ten Leben, ein Chriſt geweſen ſey. Viele tauſend ha— 
ben bis jetzt das Chriſtenthum mit aller Ueberzeugung 
vor wahr gehalten; ohne daß es bey ihnen eine ſittliche 
Veränderung hervorgebracht haͤtte: und nichts wurde 
leichter als dieſes, ſeitdem man das fuͤr die Religion 
kalte Herz unter vielen rauſchenden Caͤrimonien und An⸗ 
dachtsuͤbungen verbergen lernte. Man kann aber nicht 
wohl glauben, daß bey einem Fuͤrſten, der fo anhal⸗ 
tend eifrig im Gebete war, und nur ſelten in ſchlim— 
mere Vergehungen fiel, die Religion noch gar keinen 
bleibenden Beweis ihrer Macht ſollte gegeben haben. 


Am wenigſten iſt der lange Aufſchub der Taufe 
Conſtantins, die er erſt am Ende ſeines Lebens an 
ſich vollziehen ließ, ein Beweis, daß er dem Chriſten⸗ 
thum nicht ernſtlich ergeben geweſen ſeyp. Dieſe Ge⸗ 
wohnheit ſammt den Meinungen aus welchen fie ent- 
ſprang, war weit älter, auch bey den gottſeeligſten 
Chriſten; wie man ſchon anderwärts in dieſer Geſchich— 
te, (Th. IV. S. 317.) geſehen hat. Aber neue Vor⸗ 
urtheile, welche jetzt hinzukamen, breiteten dieſelbe 
noch mehr aus. Seit dem dritten Jahrhunderte 
war das Verzoͤgern der Taufe unter den Chriſten im⸗ 
mer üblicher worden: nicht blos etwan, wie ſchon frü- 
her, bey den Lehrlingen (oder Catechumenen,) wel⸗ 
che nothwendig eine Zeitlang unterrichtet und geprüft 
werden mußten, ehe fie unter die Gläubigen aufge- 
nommen werden konnten; ſondern auch bey ſolchen un— 
ter ihnen, die keine Bedenklichkeit übrig ließen, wars 
um ihnen die Taufe laͤnger verſagt werden ſollte, und 


ſelbſt 


Chriſtl. Caͤrimonien und Aberglauben. 149 


ſelbſt bey gebohrnen Chriſtenkindern. Bald wartete” 
man mit der Tauſe auf die groͤßern Feſte, Oſtern und F. G. 
Pfingſten, welche die froͤlichſten kirchlichen Zeiten der 306 
erſten Chriſten waren, das heißt, alle Tage, welche bis 
von dem einen dieſer Feſte bis zu dem andern fortliefen, 337. 


wie man ſchon in einer Stelle des Tertullianus (de 
baptiſmo c. 19.) ſolches deutlich bemerkt findet. Bald 
wollte man deswegen erſt ſpaͤt getauft werden, um 
nicht nach dieſer geiſtlichen Reinigung von neuem in 
grobe Suͤnde zu verfallen; ſondern vielmehr bald nach 
empfangener Taufe unbefleckt aus der Welt gehen zu 
koͤnnen. Anderer Urſachen nicht zu gedenken, welche 
Bingham (Origg. Eccleſiaſt. Vol. IV. p. 237. fq.) 
und der Herr O. C. R. Buͤſching (Diff. de pro- 
eraltinatione baptiſmi apud veteres, eiusque cauſſis,) 
geſammlet haben: ſo beriefen ſich manche Chriſten 
nicht allein uͤberhaupt auf das Beiſpiel des Erloͤſers; 
ſondern wuͤnſchten auch beſonders, wie er, im Jor⸗ 
dan getauft zu werden. Faſt moͤchte man aus einer 
Stelle des Tertullianus (I. cit. c. 4.) ſchließen, daß 
man ſchon zu ſeiner Zeit ſo gedacht habe. Gewiß aber 
hat Conſtantinus, nach ſeinem eigenen Gegenſtaͤnd— 
niß beym Euſebius, (de vita Conſtant. L. IV. c. 62.) 
vermuthlich unter noch andern Bewegungsgruͤnden, 
auch dieſen gehabt, feine Taufe bis in feine letzten Ta⸗ 
ge zu verſchieben. Sein Sohn Conſtantius, an- 
dere der folgenden Kaiſer, und viele Chriſten, thaten 
nachmals eben dieſes. Es iſt alſo dieſe Verzoͤgerung 
beym Conſtantinus vielmehr von irrigen, abergläus 
biſchen Begriffen der chriſtlichen Andacht, als von ei— 
ner verſteckten Abneigung gegen dieſe Religion, her— 
zuleiten. 


150 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Gr Urfprung 
{ der 
337. Mönche und Nonnen. 


um une 
ben in feine erſten Zeiten fiel auch das Auf kom⸗ 
men derjenigen Art von Chriſten, welche nach⸗ 
mals die ſtaͤrkſten Stuͤtzen des Aberglaubens ge= 
worden find, fo wie fie ſelbſt aus dem Innerſten deßel⸗ 
ben entſproßen waren: der Moͤnche. Sie haben 
gleichſam die neue ſtrengere Froͤmmigkeit auf ihre hoͤch⸗ 
ſte Stufe gebracht, zu welcher die Aſceten im zwey⸗ 
ten Jahrhunderte, und die Einſiedler im dritten, 
den erſten Grund gelegt hatten. Ihre Ausbreitung 
und Vermehrung in der Kirche war ſo unbeſchreiblich 
groß und ſchnell; die Beſtimmung und Lebensart dies 
ſer ſonderbaren Leute haben ſo viele Veraͤnderungen er— 
litten; fie haben in der Verfaßung der chriſtlichen Re⸗ 
ligion und Kirche ſo viel Gutes und Boͤſes geſtiftet; 
auch find fie bis auf unſere Zeiten fo bemerkungswuͤr⸗ 
dig geblieben, daß man ſchon lange eine vollſtaͤndige, 
aber zugleich kernhaft und mit ſcharfer Beurtheilung 
geſchriebene Geſchichte derſelben vermißt. An reichli⸗ 
chem Stoffe zu derſelben fehlt es weniger, als zu irs 
gend einem Theil der chriſtlichen Kirchengeſchichte; aber 
er iſt in einer ungeheuren Menge von Werken ſehr ver⸗ 
ſchwenderiſch ausgedaͤhnt: und beynahe alle die ihn 
verarbeiten wollten, haben daher nur Sammlungen 
und Auszuͤge daraus zu Stande gebracht. Die erſten 
Quellen der Moͤnchsgeſchichte ſind ſeit dem vierten und 
fünften Jahrhunderte, viele Lebensbeſchreibungen be= 
ruͤhmter Heiligen unter den Moͤnchen, eine gute Ber 

za 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 151 


zahl einzeler Nachrichten und Anmerkungen über dieſen 
Stand, bey den chriſtlichen Schriftſtellern, und kaum CG. 
ein einziges Werk von der allgemeinen Einrichtung 306 
deßelben, das Caßianus hinterlaßen hat. Darauf bis 
vervielfältigen ſich die Lebensbeſchreibungen der Moͤn⸗ 337. 
che, und Geſchichten der Kloͤſter, beynahe ins Unzaͤhliche, 
fo wie Religion und Kirche immer mehr von ihnen ab— 
haͤngig werden, auch eine Reihe von Moͤnchsorden 
zum Vorſchein koͤmmt. In den neuern Jahrhun⸗ 
derten werden daraus ganze Bibliotheken von Geſchich⸗ 
ten der Moͤnchsorden zuſammen geſchrieben; aber übers 
aus wenige bemuͤhen ſich die wahre Fruchtbarkeit der 
Moͤnchsgeſchichte im Ganzen zu entwickeln. Einer der 
gelehrteſten unter denen, welche eigene Buͤcher in die— 
fer letztern Abſicht aufgeſetzt haben, kann Anton. Da⸗ 
din. Alteſerra (Aſceticun, ſiue Originum rei mona- 
ſticae Libri Decem, Paris. 1674. 4.) heißen; ob er 
gleich nur einen betraͤchtlichen Anfang zu ſolchen hiſto— 
riſchen Erlaͤuterungen gemacht hat. Das große, aus 
dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzte Werk des Hippol. He— 
lyot (Ausführliche Geſchichte aller geiſtlichen und welt— 
lichen Kloſter- und Ritterorden) iſt fo mangelhaft in 
dieſen wichtigen Eroͤrterungen, als fleißig und umſtaͤnd— 
lich in der Geſchichte eines jeden Ordens. Dagegen 
findet man in verſchiedenen Büchern Proteftantifcher 
und Roͤmiſchcatholiſcher Schriftſteller, richtige Bemer⸗ 
kungen uͤber den Gang des Moͤnchsweſens uͤberhaupt, 
eingeſtreuet. Erſt neulich hat inſonderheit der Hr. C. 
R. Walch in der Vorrede zu einer Sammlung, fuͤr 
welche ihr Titel zu praͤchtig iſt, Pragmatiſche Geſchich— 
te der vornehmſten Moͤnchsorden,) einen ſcharfſin— 
nigen Entwurf mitgetheilt, wie der Geiſt der 
Moͤnchshiſtorie abgeſchildert werden muͤße. 

Schon unter den alten Chriſten fuͤhrten einige den 
Urſprung des Moͤnchslebens von den Beyſpielen der 

K 4 einſa⸗ 


152 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Seinſamen Lebensart her, welche der Prophet Elias 
8 6. und Johannes der Täufer gegeben hätten. Allein 
306 obgleich Hieronymus (vita Paulli Theb.) erkennet, 
bis wie gezwungen dieſer Einfall ſey; ſo behauptet er doch 
337: an einem andern Orte, (de viris illuftr. c. 11.) daß 
wenigſtens das Leben der erſten Chriſten uͤberhaupt ſo 
beſchaffen geweſen fey, als der nachmaligen Monde 
ihres. Denn, ſagt er, Philo von Alexandrien 
beſchreibt nicht nur die Chriſten ſeiner Zeit in Aegypten 
voͤllig auf dieſe Art; er nennt ſogar ihre Wohnungen 
bereits einſame oder Moͤnchs-Wohnungen: (uo- 

v h,] und die Nachrichten des Lucas in der Apo⸗ 
ſtelgeſchichte, daß die Chriſten nichts Eigenes gehabt, 
daß kein Reicher oder Armer unter ihnen geweſen ſey, 
daß ſie ſich dem Gebet und Singen, dem Unterrichte 

in der Religion und der Enthaltſamkeit ergeben haͤtten, 
beſtaͤtigen eben dieſes. Daß Hieronymus in der 
Auslegung deßen was Philo von den Therapevten 
ſchreibt, ſich durch den Euſebius, der fie vor Chris 
ſten hielt, hat verfuͤhren laßen, braucht nicht abermals 
hier dargethan zu werden. Aber auch ſeine andere 
Vergleichung beweiſet nichts mehr, als daß die erſten 
Chriſten zu Jeruſalem in einer genauern Verbindung 
und Gemeinſchaft mit einander gelebt haben, die mit 
dem Moͤnchsleben eine ſehr geringe, und in der Haupt— 
ſache gar keine Aehnlichkeit hatte. Caßianus (de 
Coenobior. inſtitutis L. II. c. 5. p. 16. et Collat. L. 
XVIII. c. 5. p. 517. ed. Gazaei, rec. Francof.) und 
Sozomenus (Hiſt. Eccl. L. I. c. 12.) erflären die 
Entſtehung der Mönche ohngefaͤhr eben fo wie Hiero—⸗ 
nymus; allein der erſtere will noch etwas mehr davon 
wißen. Er verſichert, der Evangeliſt Marcus, er- 
ſter Biſchof zu Alexandrien, habe zuerſt Vorſchriften 

fuͤr Moͤnche ertheilt; dieſe Lebensart ſey von den Zei⸗ 
ten der Apoſtel an aufgekommen, und nur 3 
ald 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 153 


bald in Verfall gerathen, weil fo viele Heiden zumg 
Chriſtenthum getreten waͤren, von denen man lange. G. 
keine ſo ſtrenge Gottſeeligkeit gefordert haͤtte, als wie 306 
von den übrigen Chriſten; doch wäre fie noch von eini- bis 
gen fortgepflanzt worden, die in der Entfernung von 337. 
andern Menſchen gelebt haͤtten. — Wenn dieſes 
nichts anders heißt, als daß in den erſten Jahrhun- 
derten von Zeit zu Zeit immer Chriſten geweſen ſind, 
welche vor andern eingezogen und enthaltſam lebten, auch 
wohl gar der menſchlichen Geſellſchaft ſich auf beſtaͤndig 
entzogen: ſo laͤuft ſolches auf dasjenige hinaus, was be⸗ 
reits in dieſer Geſchichte von den Aſceten und Ein⸗ 
ſiedlern, ingleichen bey eben dieſer Gelegenheit, von 
aͤhnlichen Leuten unter Juden und Heiden lange vor 
Chriſti Geburt, die den Chriſten in dieſer Anſtren— 
gung einigermaaßen zum Muſter dienten, geſagt wor— 

den iſt. Aber eigentliche Moͤnche gab es vor dem 
vierten Jahrhunderte nicht; wenn gleich der allgemeine 
Nahme der Aſceten, oder der in der Gottſeeligkeit ſich 

auf eine ausnehmende Art uͤbenden Chriſten, nach— 
mals auch den Moͤnchen beigelegt wurde. Alle Moͤn⸗ 

che ſind eine Gattung von Aſceten; aber nicht alle 
Aſceten ſind Moͤnche geweſen. 


Durch das Einſiedlerleben, eine höhere Stuffe 
des aſcetiſchen, flieg dieſes endlich bis zum Moͤnchs⸗ 
ſtande empor. Im Anfange dieſes Zeitraums lebte 
noch in den Aegyptiſchen Wuͤſteneyen Paul von The—⸗ 
ben, oder der Einſiedler, der zuerſt durch dieſe 
einſame, von der Welt ganz getrennte Lebensart, ſich 
einen großen Ruhm erwarb; aber um dieſe Zeit den 
uͤbrigen Chriſten noch nicht einmal bekannt war. 
Waͤhrend daß er ohngefaͤhr ſeit dem Jahr 250. in ei— 
ner Einoͤde von Aegypten, fein Leben unter Gebet, Bes 
trachtungen, Faſten, auch andern geiſtlichen Uebungen, 

K 5 und 


154 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


m und Caſteiungen des Leibes zubrachte, wie man ander- 
K. G. waͤrts, (Th. IV. S. 198. fgl.) geleſen hat, hatte An⸗ 
306 tonius in einer andern wuͤſten Gegend von Aegypten 
bis um das Jahr 285, eine gleiche Lebensart ergriffen, 
337. zog nach und nach Schüler und Nachahmer derſelben, 
errichtete gewiſſe Verbindungen mit und unter denſel— 
ben, und iſt ſolchergeſtalt mit Rechte zuerſt ein 
Mönch, und der Vater des Mönchslebens ge— 
nannt worden. Man hat daher auch von ihm un⸗ 
gleich mehrere Nachrichten, als von Paul dem Ein⸗ 
ſiedler. Die umſtaͤndlichſten find in einer Lebensbe⸗ 
ſchreibung von ihm enthalten, welche ſein Verehrer 
und Freund, Athanaſius, Biſchof von Alexandrien, 
aufgeſetzt hat. Sie iſt zuerſt von David Soͤſcheln, 
mit ſeiner lateiniſchen Ueberſetzung und Anmerkungen, 
(Augsburg 1611. 4.) herausgegeben, und nachher unter 
die uͤbrigen Werke des Athanaſius, mit der Ueberſe— 
Kung des Biſchofs Evagrius, welche dieſer bald nach 
demſelben verfertigt hat, eingeruͤckt worden. Es wird 
zwar noch daruͤber geſtritten, ob nicht ein ſpaͤterer Chriſt 
Verfaßer von dieſem Leben ſey; allein man hat nur ſo viel 
wahrſcheinlich gemacht, daß es Verfaͤlſchungen erlitten 
habe: und das übrige was Athanaſius in Abſicht auf 
die Einſiedler und Moͤnche gethan oder geſchrieben hat, 
hindert eben nicht, ihm eine leichtgläubige Bewunderung 
des Antonius zuzutrauen. Damit koͤnnen die kuͤrzern 
Erzaͤhlungen des Hieronymus, (vita Paulli Erem. et 
Hilarion. et de vir. illuſtr. c. 88.) des Socrates, 
(Hift. Ecel. L. I. c. 2 1. L. IV. c. 23. 25.) und Sozo⸗ 
menus, (Hiſt. Eccl. L. I. c. 13. L. II. c. 31.) vergli⸗ 
chen werden. Andere, die zwar ebenfals alt, aber 
unzuverlaͤßfger ſind, haben Tillemont (Memoires, 
T. VII. P. I. p. 184. fq. Bruxeli. 1715. 12.) und 
mehrere Noͤmiſchcatholiſche, nebſt jenen in einen Aus⸗ 
zug gebracht. Das wenige was Duͤ Pin Gangelt 
Bibli- 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 155 


Biblioth. des Aut. Eccl. T. II. p. 66. fq. Paris, 1693.8. 
4.) und Fabricius, (Biblioth. Graec. Vol. VI. 


. c 


344. fq.) von ihm beybringen, iſt mit Bensfhalendemn 306 


Glauben und gemaͤßigter Beurtheilung geſchrieben. 


Antonius kam im Jahr 251. in Aegypten zur 
Welt. Er wollte in ſeiner Jugend die Wißenſchaften 
nicht erlernen, und floh ſchon damals die Geſellſchaft 
anderer Knaben. Vielleicht hat ihn jene Abneigung 
vor dem Anbau ſeines Verſtandes, noch mehr zu ſeiner 
folgenden Lebensart vorbereitet, als feine Menſchen⸗ 
ſcheue Geſinnungen. Die Einbildungskraft bekam des 
ſto leichter die Herrſchaft über fein Herz, und konnte fie 
nicht wieder verlieren. Zuweilen ſpotteten daher auch 
die heidniſchen Philoſophen ſeines gaͤnzlichen Mangels 
an Gelehrſamkeit. Er hielt es aber vor hinlaͤnglich, 
einem derſelben, der ihn fragte, wie er ohne den Troſt 
von Buͤchern leben koͤnnte, zu antworten: ſein Buch 
ſey die Natur der Dinge, in welchem er die Worte 
Gottes leſen koͤnne, ſo oft es ihm gefiele. 


Als er nach dem Tode ſeiner Eltern, in einem Al⸗ 
ter von faſt zwanzig Jahren, die Worte Chriſti beym 
oͤffentlichen Gottesdienſte vorleſen hoͤrte: „Willſt du 
vollkommen ſeyn, ſo gehe hin, verkaufe was du haſt, 
und giebs den Armen,“ ſo glaubte er, daß dieſe An⸗ 
forderung an ihn gerichtet wuͤrde, ſchenkte ſogleich ſeine 
anſehnliche liegende Gruͤnde den Einwohnern ſeines 
Dorfs, verkaufte fein Geraͤthe, und gab das dafür 
erhaltene Geld den Armen. Noch hatte er etwas wer 
niges für feine jüngere Schweſter auf behalten; allein 
wegen der eben fo übel verftanden Ermahnung des Er⸗ 
loͤſers: „Sorget nicht für den andern Morgen!“ theil- 
te er auch dieſes unter die Duͤrftigen aus, überließ fei- 
ne Schwerer einer Geſellſchaft frammur Jungfrauen 

zur 


bis 
3 


* 


156 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ken zur Erziehung, und begab ſich außerhalb feines Dorfs 
155 in die Einſamkeit. Es gab bereits in den dortigen 
306 Gegenden verſchiedene Chriſten, die ein ſolches abge— 
bis ſondertes Leben fuͤhrten. Antonius beſuchte jeden 
337. derſelben, von dem er hörte, und ſuchte ihre mannich» 
faltigen Eigenſchaften, das heißt, das fleiſſige Gebet 
des einen, die haͤuffigen Wachen oder die Geduld des 
andern, in ſich zu vereinigen. Er verband damit be= 
ſtaͤndige Handarbeiten, und that ſich in allen dieſen 
Uebungen ſo ſehr hervor, daß ihn jedermann den Gott⸗ 
geliebten nannte. Da ſuchte ihn der Teufel von dies 
ſem guten Wege abzuziehen, (ſo ſchreibt der Verfaſſer 
ſeines Lebens,) reitzte ihn auf vielfache Art, beſonders 
zur Wolluſt; aber alles vergebens. Um ſich gegen 
die Angriffe deſſelben deſto mehr zu fiarfen, behandelte 
Antonius ſeinen Koͤrper noch haͤrter, wachte oft ganze 
Naͤchte, aß des Tages nur einmal nach Untergang der 
Sonne, auch wohl nur einmal in zwey oder vier Ta— 
gen. Brodt und Waſſer waren ſein ganzer Unterhalt, 
und die Erde meiſtentheils ſein Lager. Nach einiger 
Zeit verſchloß er ſich in eines von den entlegenen Grab— 
maͤlern, wohin er ſich ſein Brodt bringen ließ. Hier 
aber wurde er mehr als einmal von den Teufeln mit 
Schlaͤgen uͤbel zugerichtet, und empfieng immer eine 
goͤttliche Unterſtuͤtzung wider dieſelben. 


Endlich wollte er fi) mit einem alten Aſceten völ- 
lig in die Wuͤſte begeben; da es aber dieſer auch des⸗ 
wegen abſchlug, weil es etwas Neues waͤre: gieng er 
allein auf die Gebuͤrge gegen das rothe Meer zu, und 
waͤhlte ſich ein altes verlaſſenes Schloß zur Wohnung. 
Man verſorgte ihn daſelbſt alle halbe Jahre mit Brodt, 
ohne daß er ſich jemanden gezeigt haͤtte. Nur hoͤrten 
Dieienigen welche ihn beſuchten, oft ein fuͤrchterliches 
Getuͤmmel und Geſchrey in dem Schloſſe, das nach 

ſeiner 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 157 


feiner Erzaͤhlung, von feinen abermaligen Kaͤmpfen = 
mit den Teufeln herkam. Nachdem er zwanzig Jahre g. G. 
dergeſtalt gelebt hatte, noͤthigte ihn die Menge derer 306 
die ſich zu ihm drangen, und beſonders ſeine Lebensart bis 
nachzuahmen ſuchten, um das Jahr 305. wieder zum 337. 
Vorſchein zu kommen. Zugleich fieng er an, Wune 
der zu thun, vornemlich Kranke zu heilen, und Teu- 

fel aus den Beſeſſenen zu vertreiben; ſtiftete allerhand 
Gutes durch ſeine Ermahnungen, und bewog auch 
viele, das einſame Leben zu ergreiffen. Daher wurde 
gar bald in den dortigen Gebuͤrgen eine Menge ſolcher 
einfamen Wohnungen (novasıge) errichtet, über 
welche er alle als gemeinſchaftlicher Vater die Aufſicht 
fuͤhrte. Da ſich einſt die Moͤnche welche darinne wohn⸗ 
ten, bey einem feiner Beſuche verſammleten, in der Er: 
wartung, eine Anrede von ihm zu hoͤren: hielt er eine 
lange Ermahnung an ſie, daß ſie im aſcetiſchen Leben 
immer ſtandhafter werden, und ſich vor den Teufeln 
nicht fuͤrchten moͤchten, deren Angriffe auf ſich er erzaͤhlte. 
Eine Rede, welche deſto weniger, wie wir ſie jetzt leſen, 
ganz von ihm herruͤhren kann, da fie griechiſche Wort— 
ſpiele enthält, und doch von ihm in aͤgyptiſcher Spra- 

che ſoll ausgeſprochen worden ſeyn. Antonius ſelbſt 
ſuchte es täglich in der Enthaltſamkeit höher zu brin— 
gen. Er ſchaͤmte ſich zuletzt ſogar, wenn ihn Hunger 
oder Schlaf uͤberfiel, weil dieſes die Abhaͤngigkeit ſei— 

ner Seele von dem Leibe anzeigte, und entfernte ſich 
daher oͤfters, wenn er im Begriff war, mit den uͤbri— 
gen Moͤnchen zu eſſen, ploͤtzlich von ihnen, indem er an 
ſeine geiſtliche Nahrung dachte. Ueber einer Art von 
haͤrnem Hemde trug er einen Schaafspelz, wuſch auch 
und reinigte ſeinen Leib niemals. 


Mittlerweile erneuerte Maximinus im Jahr 311. 
ſeine Verfolgung uͤber die Chriſten in Aegypten. Dieſe 
| | zog 


158 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


An zog den Antontus auf eine kurze Zeit in die Welt zus 
G. ruͤck. Er ſtrebte eifrig nach dem Ruhme, ein Maͤrty⸗ 
306 rer zu werden, begleitete nebſt andern Moͤnchen die ge⸗ 
bis fangenen Chriſten, welche nach Alexandrien gefuͤhrt 
337. wurden, bediente fie im Gefaͤngniſſe, und in den Berg⸗ 
werken zu welchen ſie verurtheilt waren, munterte ſie 
vor Gerichte auf, und folgte ihnen bis an den Ort ih⸗ 
rer Hinrichtung nach. Er gehorchte auch allein dem 
Befehle des heidniſchen Richters, daß ſich alle Moͤnche 
aus Alexandrien wegbegeben ſollten, nicht; und konnte 
doch durch alles dieſes ſeine Abſicht nicht erreichen. Da⸗ 
her kehrte er wieder in ſeine Einoͤde. Es geſchahen 
ferner an denen welche hinkamen, und glaͤubig bete— 
ten, Wunder, wenn er gleich feine Thuͤre nicht oͤffnete. 
Allein der Zulauf fiel ihm zuletzt ſo beſchwerlich, daß 

er ſich tief hinein in die Wuͤſte begab, wo er in der 
engen Hoͤhle eines hohen Berges ſeinen Aufenthalt 
nahm, auch wohl in zwo andern Kluͤften auf dem Gi⸗ 
pfel deſſelben, wenn er ſich der Menge entziehen wollte. 
Denn man folgte ihm auch dahin nach, und er konnte es 
nicht abſchlagen, bisweilen die vorhergedachten Moͤnchs⸗ 
wohnungen zu beſuchen. Damit aber ſeine Schuͤler 
nicht noͤthig haben moͤchten, ihm ſein Brodt ferner 
durch dieſe lange Wuͤſteney, wo man leicht aus Man⸗ 
gel am Waſſer verſchmachten konnte, zu bringen, bauete 

er ſich ſelbſt ein kleines Stuͤck Feldes bey ſeinem Ber⸗ 
ge, wovon er in der Folge ſein Brodt bekam, pflanzte 
auch einige Kraͤuter, mit denen er die ihn beſuchenden 
bewirthete. Sonſt hatte er an dieſem Orte ebenfals, 
wie man ſagt, harte Gefechte mit den Teufeln auszu⸗ 
ſtehen, bekam von Gott Erſcheinungen und Offenba— 
rungen uͤber kuͤnftige oder andere wichtige Dinge, und 
behauptete alle ſeine uͤbrigen Vorzuͤge. Wider die 
Ketzereien feiner Zeit erklärte er ſich mit großer Lebhaf⸗ 
tigkeit, beſonders, wenn er nach Alexandrien kam. 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 159 


Er wurde mehrmals genoͤthigt, dieſe Neife zu thun, Ten 
weil fo viele Unterdruͤckte ihn um feine Fuͤrſprache bey FG. 
der Obrigkeit baten. Aber er eilte, ſobald er dieſelbe 306. 
angebracht hatte, gleich wieder in ſeine Einſamkeit. bis 
Denn er pflegte zu ſagen, wie ein Fiſch außer dem 3375 
Waſſer nicht leben koͤnne, ſo verliere auch ein Moͤnch 
außerhalb der Einoͤde allen ſeinen Anſtand. 


So hatte er bis zum Jahr 340. gelebt, als er 
wie man erzaͤhlt, auf einen unmittelbaren goͤttlichen 
Befehl hingieng, einen Moͤnch oder einſamen Chri⸗ 
ſten, aufzuſuchen, der, welches Antonius bisher ſich 
nicht hatte einfallen laßen, noch vollkommener als er 
waͤre. Dieſes war der Einſiedler Paulus, der, aller 
Welt unbekannt, ſich in einer andern Gegend der Ae⸗ 
gyptiſchen Wuͤſten ſeit neunzig Jahren aufhielt. Der 
Bericht, welchen Hieronymus (vita Paulli Erem.) 
von dieſer Zuſammenkunft ertheilt, iſt Wundervoll 
oder vielmehr Maͤhrchenaͤhnlich genug. Antonius 
ſprach unterwegens mit einem Ungeheuer, das halb 
Menſch, halb Pferd war, und ihn im Nahmen eines 
ganzen Haufens feines gleichen bat, Gott für ſie anzu⸗ 
rufen. Er fand endlich den Einſiedler, dem dieſer 
Beſuch von Gott war verſprochen worden, in einer 
Hoͤhle. Ein Rabe brachte ihnen beyden doppelt ſo viel 
Brod, als er dem Paulus ſeit ſechszig Jahren zu brin⸗ 
gen gewohnt war. Allein dieſer eroͤfnete ſeinem Freun⸗ 
de bald, daß ſein Ende bevorſtehe, und daß er nur 
deswegen von Gott zu ihm geſandt worden ſey, um 
ihn zu begraben. Er bat ihn darauf, (bloß damit er 
ihm die ſchmerzhafte Gegenwart bey feinem Tode er⸗ 
ſparen moͤchte,) zur Einwickelung ſeines Leichnams den 
Mantel zu holen, den ihm Athanaſtus geſchenkt hat⸗ 
te. Antonius gehorchte ihm; als er aber mit dem 
Mantel zuruͤckeilte, ſah er den Paulus ganz glaͤnzend, 
| zwi⸗ 


160 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F y zwiſchen den Schaaren von Engeln, Propheten und 
. G. Apoſteln, gen Himmel hinaufſteigen. Wuͤrklich fand 
a er auch den todten Körper deßelben noch in der Stel- 
bis fung eines Betenden knieend, beerdigte ihn mit Huͤlfe 
337. von zween Söwen, welche das Grab machten, und ers 
theilte ihnen dafür feinen Seegen. 


Nachdem er wieder in ſeine einſame Wohnung ge— 
kommen war, lebte er mit zween ſeiner Schuͤler, die 
ihm bey ſeiner Schwaͤchlichkeit einige Dienſte leiſteten, 
noch bis zum Jahr 356. da er in einem Alter von faſt 
hundert und fuͤnf Jahren die Welt verließ. Er befohl 
feinen beyden Gefährten, ihn an einem Orte zu begra« 
ben, den niemand erfuͤhre. Es ſcheint, er habe dadurch 
verhuͤten wollen, daß nicht irgend einer von den Chriſten 
in Aegypten, wo er fo ſehr verehrt wurde, feinen Körper, 
nach der dortigen Landesgewohnheit, im Haufe, oder gar 
in einer Kirche auf bewahren moͤchte. Gleichwohl ſoll 
derſelbe, zweyhundert Jahre darauf entdeckt, und zuletzt 
im zehnten Jahrhunderte nach Vienne in Frankreich 
gebracht worden ſeyn. Hier und uͤberall in der Roͤmi⸗ 
ſchen Kirche, hat man ſich ſeitdem im Gebete an den 
heiligen Mann gewandt, und ſeine Huͤlfe, wie vorgege⸗ 
ben worden iſt, beſonders in einer gewißen Krankheit, 
welche man das Feuer des heiligen bung nann⸗ 
te, verſpuͤret. 


Si. ben Briefe, welche er in Aegyptiſcher Spra⸗ 
che geſcheieben hat, find die einzige ſchriftliche Arbeit, 
die ihm von den Alten beigelegt wird. Man uͤberſetz— 
te ſie ins Griechiſche; aber ſie ſind nur noch in einer 
dunkeln lateinifchen Ueberſetzung (Biblioth. P P. max. 
T. IV. p. 77. ſq.) vorhanden. Ihr Innhalt betrift 
die göttliche Berufung der Menſchen zur Seeligkeit, 
die Wohlthaten Gottes uͤberhaupt, die Menſchwerdung 

Chriſti, 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 161 


Chriſti, die Selbſterkenntniß und Wachſamkeit, in Ten 
gleichen die Mittel, ſich vor den Nachſtellungen des.. 
Teufels zu hüten: alles fromm und lebhaft genug; 356 
aber ohne vorzuͤglich zu ſeyn, und hauptſaͤchlich nur bis 
für Leute von gleicher Lebensart mit dem Verſaßer. — 337. 
Man ſchreibt ihm auch eine Begel zu, die er fuͤr 
die Moͤnche aufgeſetzt haben ſoll, und die in Lucas 
Holſteins Sammlung (Codex Regularum quas 
SS. Patres Monachis et Virginibus ſanctimonialibus 
ſervandas praefcripfere. P. I. p. 1. fq. Romae 1661. 

4.) befindlich iſt. Es wäre nicht unmoͤglich, daß er 
den groͤſſern Theil dieſer Vorſchriſten ertheilt haben 
koͤnnte; aber einige darunter ſcheinen auf die ſpaͤtere 
Verfaſſung des Möndhelebens zu zielen; auch giebt es 
uberhaupt keinen alten Zeugen, der fie ihm beylegte. — 
Gleiche Bewandtniß hat es mit einer Predigt wider 

die herrſchenden Laſter, nebſt beigefuͤgter Ermahnung 
zur Beſſerung, (Bibl. P. P. max. I. c.) vor deren Ur⸗ 
heber ihn Gerhard Voßius ausgiebt, ingleichen 
mit zwanzig arabiſch geſchriebenen Briefen, und 
andern Auffagen in eben dieſer Sprache, die Abra— 
ham Schellenſis unter dem Nahmen deſſelben (zu 
Paris 1641. und 1646. 8.) herausgegeben hat. 


An dieſem großen Muſter der Moͤnche, nach 
welchem ſie ſich in der Folge ſo gerne gebildet haben, 
uͤberſieht man bereits den ganzen erſten Entwurf dieſer 
Lebensart, und das Eigenthuͤmliche derer, welche ſie 
ausuͤbten. Antonius verachtete die Gelehrſamkeit; 
fie ſtand auch wuͤrklich den myſtiſchen Grundſaͤtzen 
des Moͤnchsſtandes im Wege, nach welchen man bloß 
durch einſame Betrachtungen, Gebet, inneres Ge— 
fühl, fruchtbare Einbildungskraft, und ſtrenge Ente 
haltſamkeit, zu einer weit vollkommenern Religions— 
erkenntniß zu gelangen e als durch alle Anſtren⸗ 

V. Theil. L gung 


162 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


S Ogung der Verſtandeskraͤfte. Wollte man auch auf 
Tc dieſem Wege der Gelehrſamkeit nicht ganz entſagen: 
306 fo mußte fie doch einen Anſtrich von Schwaͤrmerey be⸗ 
bis kommen, und in ihrer Brauchbarkeit ſehr eingeſchraͤnkt 
337. bleiben. Dagegen lehrte Antonius in dem aſceti⸗ 
ſchen Leben auf das hoͤchſte zu ſteigen; das heißt, ſich 
nicht nur alles zu verſagen, was den Menſchen außer⸗ 
halb ihm zur Suͤnde reitzen kann, ſondern ſich auch 
jeder angenehmen Empfindung und Bequemlichkeit, 
ſo gar der nothwendigſten Beduͤrfniſſe des Menſchen 
zu begeben, und fein Leben möglichft rauh, traurig 
und elend fuͤr den Koͤrper zu machen, um der Seele 
eben dadurch deſto mehr tugendhafte Staͤrke zu vers 
ſchaffen. Das alles erwarb ungemeine Bewunderung, 
an der immer mehrere ihren Antheil haben wollten. 
Allein der Mann, der ſich daruͤber betruͤbte, daß er 
eſſen und ſchlafen, oder, welches einerley iſt, die von 
Gott in ihn gepflanzten Triebe nach deſſen Willen be= 
friedigen, und die Faͤhigkeit, ſeiner Wohlthaten zu 
genieſſen, nügen ſollte: der konnte unmoͤglich den aͤch— 
ten Geiſt des Chriſtenthums haben; und wenn er des⸗ 
wegen ſeufzete, daß er nicht bloß fuͤr den edlern Theil 
von ſich zu ſorgen haͤtte, ſo wollte er im Grunde weiſer 
ſeyn, als es die goͤttlichen Abſichten ſelbſt erforderten. 
Kein Wunder war es indeſſen, daß der Vater der 
Moͤnche, um einen ſo vollkommenen Aſceten und 
Myſtiker ungeſtoͤrt vorzuftellen, die Einſamkeit vor 
unentbehrlich anſah. Selbſt der Nahme der Moͤn—⸗ 
che, (Movaxes, moved) zeigte einen einſam le⸗ 
benden an. Sie waren auch unter dem Antonius 
nur erſt Geſellſchaften von Einſiedlern, die ſich freiwil⸗ 
lig aus der menſchlichen Geſellſchaft verbannten, weil 
fie mitten in derſelben weder für ſich, noch zum Vor— 
bilde anderer, ſtark genug in der chriſtlichen Tugend 
werden zu koͤnnen hofften; wiederum gegen die goͤttli⸗ 
chen 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 163 


chen Einrichtungen, das Beiſpiel Chriſti und der Apo⸗ De 
ſtel. Ein irregehender Schritt zog immer einen an. F. G. 
dern aͤhnlichen nach ſich: dieſe Entfernung von den 306 
Menſchen und Geſchaͤften mußte ein unthaͤtiges, bis 
Arbeitloſes Leben hervorbringen. Antomus, der 337. 
dieſes fuͤhlte, verbot den Moͤnchen ſchlechterdings den 
Muͤßiggang: er hätte ihnen auch, wenn es ihm nur 
möglich geweſen wäre, die Quelle deſſelben verſtopfen 
ſollen. Zwar fuͤllte er feine Zeit, außer fo vielen geiſt— 
lichen Uebungen, Ermahnungen, Reiſen und Auf— 
ſicht uͤber ſeine Schuͤler, auch mit Handarbeit aus. 
Unter andern verfertigte er Matten von Palmblaͤttern, 
und war überhaupt der Meinung, daß ein Moͤnch ſich 
ſeinen geringen Theil von Unterhalt und Kleidung ſelbſt 
ſchuldig ſeyn muͤſſe. Er gab auch den ſeinigen den 
Kath, alles was fie bey Tag und Nacht thaͤten, auf— 
zuſchreiben, damit ſie ſich ſchaͤmen lernen moͤchten, 
wenn darunter ſchaͤndliche Handlungen waͤren, die folg— 
lich auch andere von ohngefaͤhr leſen konnten. Aber 
durch dieſes alles ourde noch nicht vermieden, daß uns 
zaͤhliche Stunden und Kraͤfte des Moͤnchs ungebraucht 
vorbeygiengen. Einen Geiſt vom Koͤrper umgeben, 
konnten bloße Betrachtungen, Wuͤnſche und feine Em⸗ 
pfindungen nicht hinlaͤnglich beſchaͤftigen; für ſehr kleine 
Leibesbeduͤrfniſſe durfte auch die Arbeit nur ſehr kurz 
ſeyn: und der Menſch, der mehr dachte und ſeufzete, 
als handelte, fiel ohngeachtet der beſten Geſinnungen, 
in Traͤgheit oder Langeweile. Aber aus dieſer ver 
meinten heiligen Muße entſtand noch ein größeres Les 
bel. Der im Nachſinnen vertiefte Geiſt, dem es an 
hellen Begriffen fehlte, wurde durch die nun deſto wer 
niger ruhende Einbildungskraft zur Schwaͤrmerey 
fortgefuͤhrt; glaubte manches zu ſehen oder zu hoͤren, 
was nicht war; bildete ſich inſonderheit leicht ein, den 
Willen Gottes unmittelbar zu vernehmen, und ver— 
ga wandelte 


164 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


wandelte die Religionsempfindungen in Phantafierei- 

CG. che Vorſtellungen. Dazu ſtand ein ausgemergelter 

306 Körper am erſten zu Gebote. Auch wurde eben dieſes 

bis durch das Grauſende der oͤden Moͤnchswohnungen, 

337. und durch den heiſſen Himmelsſtrich Aegyptens, ſehr 
erleichtert. 


Es hängt alſo in der Entſtehung und erſten Rich— 
tung des Moͤnchslebens alles ſehr genau mit einander 
zuſammen: und die fehlerhaften Grundſaͤtze waren un— 
ter den Chriſten nicht neu, durch deren Erweiterung 
dieſe neue Gattung von Frommen in großen verbunde— 
nen Hauffen hervorgebracht wurde. Zugleich aber 
mußte doch dieſe Lebensart eine fuͤr die Religion und 
Kirche zweydeutige Geſtalt beybehalten. Dieſe erſten 
Moͤnche warfen ſich eigentlich nicht zu Lehrern der 
Chriſten auf: fie wollten nur Beiſpiele der erhaben- 
ſten Gottſeeligkeit abgeben. Und doch gewannen ſie 
ſehr geſchwind alles Anſehen von Lehrern, und gewiſ— 
ſermaaßen ein noch groͤßeres; ob ſie gleich faſt zwey— 
hundert Jahre nach einander unter dieſelben eigentlich 
nicht gerechnet wurden. Leute, welche die Welt gleich: 
ſam unter ihren Fuͤſſen ſahen, ſich goͤttlicher Erſchei— 
nungen ruͤhmten, vor Wunderthaͤter gehalten wurden, 
und in allem außerordentlich waren, durften es ſich 
nicht bloß anmaaßen, fondern wurden ſelbſt dazu aufs 
gefordert, über Rechtglaͤubigkeit und theologiſche Strei— 
tigkeiten Ausſpruͤche zu thun, den Chriſten Vorſchrif— 
ten zu ertheilen, und einen weit bewundernswuͤrdigern 
Weg zum Himmel zu zeigen, als die gewoͤhnlichen Leh⸗ 
rer thun konnten. Man verachtete dieſe, wenn ſie un— 
gelehrt waren, und verehrte die Mönche, weil fie ſich 
deſſen ruͤhmten. Zum Antonius (jo ſchreibt Atha⸗ 
naſtus in feinem Leben,) kamen einige Philoſophen, 
un ihn zu verſpotten, weil fie wußten, daß er keine 


Gelehr⸗ 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 165 


Gelehrſamkeit beſaß. Allein er fragte fie, ob fie deng“ 
Verſtand oder die Gelehrſamkeit vor aͤlter, und vor die d G. 
Urſache des andern hielten. Da fie nun dem Ver- 306 
ſtande in dieſer Ruͤckſicht den Vorzug geben mußten, bis 
ſo fuhr er fort: „Mithin iſt demjenigen, der geſunden 337. 
Verſtand hat, keine Gelehrſamkeit noͤthig.“ Und alle 
Anweſende erſtaunten uͤber dieſes Urtheil, und bewun— 
derten einen ſo großen Scharfſinn an einem ungelehr⸗ 
ten Manne. — Eben dieſe Bewunderung, die er 
und ſeine Nachahmer ſo reichlich erndteten, an Statt 
daß ihnen ernſtliche Belehrungen und Verweiſe uͤber 
die Abwege, auf welche ſie geriethen, ſehr heilſam ge— 
weſen waͤren, feuerte ſie taͤglich mehr an, ſich als 
chriſtliche Sonderlinge und Abentheurer zu zeigen, ver— 
fuͤhrte aber auch viele tauſend Chriſten zu dem Ent— 
ſchluſſe, ſich zu gleichem Heldenmuthe in der Tugend 
aufzuopfern. Antonius und feine Schuͤler moͤgen 
wohl ſehr rechtſchaffene Maͤnner geweſen ſeyn, heiſſe 
Liebe gegen Gott, und lebhaftes Wohlwollen gegen die 
Menſchen gefuͤhlt haben. Auch iſt es gewiß, daß die 
aͤußerliche Inbrunſt der Gottſeeligkeit bey manchem 
Chriſten in völlige Flammen aufſteigen kann, indeſſen 
daß ſie bey einem andern eben ſo aufrichtig iſt, und 
doch nur in einigen Funken ſichtbar wird. Keinem 
darf das Maaß ſeines Eifers in Religionsſachen ganz 
und gar unveraͤnderlich vorgeſchrieben werden. Nur 
wenn derſelbe aus Aberglauben und Schwaͤrmerey her—⸗ 
vorquillt, oder ſich bald in dieſelbe verliert, wird er 
bey dem beſten Herzen ſchaͤdlich: dann ſind ſogar ge— 
maͤßigte Lobſpruͤche deſſelben gefährlich, Ja, was be: 
reits bey dem Einſtedlerleben überhaupt bemerkt wor; 
den iſt, die Moͤnche glaubten allen Reitzungen zur 
Suͤnde entflohen zu ſeyn, und konnten, ſo zu reden, 
ſich ſelbſt nicht entfliehen: nicht der eitlen Selbſtge— 
nuͤgſamkeit und dem Stolze, die unter ihren oͤden Ge— 

L 3 buͤrgen 


166 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


SS buͤrgen und armſeeligen Kleidungen vielleicht mehr 

J. n. AR e 

Tg Nahrung antrafen, als in aller Pracht der Städte, 

06 55 

Sie Aus Aegypten, dem Vaterlande fo mancher Weis⸗ 

337. heit, aber auch fo vieler ſchwermuͤthigen Traͤumereyen 
unter Heiden, Juden und Chriſten, pflanzte ſich das 
Moͤnchsweſen zuerſt in das nahe Syrien und Palaͤſtina 
fort. Daſelbſt führte es Hilarion, einer der erſten 
Schuͤler des Antonius, ein. Er war aus Palaͤ— 
ſtina gebuͤrtig, und legte ſich eben in einem Alter von 
funfzehn Jahren zu Alexandrien auf die Wiſſenſchaf— 
ten, als der Ruf des Antonius auch zu ihm drang. 
Sogleich beſuchte er denſelben, und gieng darauf im 
Jahr 306. entſchloſſen ihm nachzuahmen, mit einigen 
andern Moͤnchen in ſein Vaterland zuruͤck, verſchenkte 
ſein Vermoͤgen, und waͤhlte ſeinen Aufenthalt in der fuͤrch— 
terlichen Wuͤſte zwiſchen Gaza und Aegypten, wo nicht 
einmal keine Sicherheit vor den Raͤubern war. Anfaͤng⸗ 
lich wohnte er in einer elenden Hütte, nachmals in ei⸗ 
ner eben fo fehlechten Zelle, die er ſich erbauet hatte, 
und worinne er nicht aufrecht ſtehen konnte. Auch er 
ſoll mancherley ſinnliche Angriffe und Verſuchungen 
der boͤſen Geiſter uͤberſtanden haben. Den Reitzun⸗ 
gen zur Wolluſt entzog er ſich dadurch, daß er, wie 
er ſagte, dem Eſel, ſeinem Koͤrper, nicht mehr Gerſte, 
ſondern Spreu vorwarf, oder ihn durch Hunger und 
Durſt baͤndigte. Er genoß uͤberhaupt eine ſo kraftloſe 
und ſparſame Nahrung, zuweilen erſt in einigen Ta— 
gen, nachdem er unterdeſſen beſtaͤndig gebetet und ge- 
fingen, die Erde gegraben, oder Körbe von VBinſen 
geflochten hatte, daß es wenig fehlte, er haͤtte daruͤber 
das leben verloren. Zwey und zwanzig Jahre brachte 
er auf dieſe Weiſe zu, bis fein ausgebreiteter Ruhm 
Kranke zu ihm zog, die er wunderthaͤtig heilte. Da⸗ 
durch wurden auch ſehr viele in Palaſtina und Syrien 

a bewo⸗ 


Urſprung der Mönche und Nonnen. 167 


bewogen, Moͤnche zu werden: in dem erſtern Sandez > 
beſonders kamen unzaͤhliche Zellen auf, und Silarion d. G. 
hatte, wenn er dieſelben beſuchte, zweytauſend und noch 306 
mehrere Moͤnche zur Begleitung. Er litt an denſelben bis 
nicht das geringſte Sammeln von Vorrath auf das Kuͤnf. 337° 
tige. Viele Heiden wurden auch durch ihn zum Chri— 
ſtenthum bekehrt: und unter ſeinen Wundergaben, ſagt 
man, war nicht nur dieſe, daß er die Teufel ſelbſt 
aus dem beſeſſenen Vieh vertrieb; ſondern er konnte 
auch an dem Geruche einer jeden Sache merken, was 
vor einem boͤſen Geiſte oder laſterhaften Beſitzer ſie 
angehoͤre. Biſchoͤfe und andere chriſtliche Lehrer, 
Große und Poͤbel, auch vornehme Frauensperſonen, 
beſuchten ihn unaufhoͤrlich in Menge, um ein von ihm 
geſegnetes Brodt oder Oel zu empfangen. Er aber 
floh deſto mehr das Menſchengewuͤhl: und als ihn, 
indem er nach Aegypten zu reiſen im Begriff war, zehn⸗ 
tauſend Menſchen durch ihr Flehen zuruͤck zu halten 
ſuchten, aß er ſieben Tage lang nichts, bis ſie ihm 
ſeine Freyheit lieſſen. In Aegypten brachte er eine 
Nacht in der Einoͤde des kurz vorher verſtorbenen Anz 
tonius zu, verließ auch dieſes Land, als ſich die Chri— 
ſten zu ihm draͤngten, lebte eine Zeitlang in Sicilien, 
darauf in Dalmatien, und zuletzt auf der Inſel Cypern, 

wo er im Jahr 371. ſtarb. So beſchreibt ſein Leben 
Hieronymus, (vita Hilarionis inter Epiſtt.) und aus 
demſelben Sozomenus, (Hill. Eccl. L. III. c. 14. L. V. 

c. 15.) in den neuern Zeiten aber Tillemont (Me- 
moires, T. VII. P. II. p. 987. fq. ed. in 12.). Wenn 

der aͤlteſte dieſer Schriftſteller, ein Zeitgenoſſe des Hi⸗ 
larion, die mannichfaltigen Wunder deſſelben, und 
die goͤttlichen Offenbarungen, die ihm wiederfahren 
ſeyn follen, fo zuverſichtlich erzaͤhlt; Wunder, die noch 
taͤglich bey dem Grabe und der Zelle des Heiligen, ſich 
ereignen ſollten, von * Handlungen uͤberhaupt 

8 4 tau⸗ 


168 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


S tauſende als Zeugen angeführt werden: fo ſcheint es, 
G. daß gar keine Zweifel dagegen Statt finden. Und al— 
306 les dieſes laͤßt ſich auch auf feine Nachrichten vom Anz 
bis tonius anwenden. Aber wenn man hier und ſonſt 
337 überall den Hieronymus als einen der leichtglaͤubig⸗ 
ſten Gelehrten, auch das Zeitalter ſelbſt, in welchem 
ſich dieſes alles zugetragen haben ſoll, eben ſo geneigt 
und in ſteter Erwartung findet, etwas Wunderbares 
zu ſehen und zu hoͤren, ohne jemals natürliche Urſa— 
chen zu vermuthen, oder Unterſuchungen daruͤber an— 
zuſtellen: fo fällt ſchon ein Theil des anfänglichen Vers 
trauens darnieder. Es hört aber ganz auf, indem 
man bemerkt, daß ſo viele uͤbernatuͤrliche Begebenhei⸗ 
ten zur Beſtaͤtigung und Empfelung einer Lebensart 
veranſtaltet worden ſeyn ſollen, die ſich von der Sitten: 
lehre des Chriſtenthums oſſenbar entfernte. Ein Um⸗ 
ſtand den Hieronymus vom Silarion (epiſt. 13. ed. 
Erasm.) erzaͤhlt, verdient noch beigefuͤgt zu werden. 
Während feines funfzigjaͤhrigen Aufenthalts in Palaͤ— 
ſtina, beſuchte er die heiligen Oerter zu Jeruſalem nur 
ein einziges mal: er wollte nicht das Anſehen haben, 
daß er ſie verachte; aber eben ſo wenig, daß er Gott 
und ſeine Wuͤrkungen in eine beſondere Gegend ein— 
ſchlieſſe. Dieſer Mann vermied alſo einen herrſchen⸗ 
den Irrthum; und behielt gleichwohl einen andern da— 
mit nahe verwandten bey. 


In Aegypten nahm mittlerweile das Moͤnchsleben 
nicht allein außerordentlich zu; es bekam auch durch 
das eigentliche Kloſterleben, oder die gemeinfchaft- 
liche Wohnung vieler Moͤnche an Einem Orte unter 
ihrem Aufſeher, ſeine unterſcheidende Ausbildung. 
Dieſe hatte es dem Pachomius, der auch einer der 
erſten Schuͤler des Antonius war, zu danken. Es 
giebt Nachrichten genug von dieſem beruͤhmten Man⸗ 

| ne; 


Pachomius, Stifter des Klofterlebens. 169 


ne; aber darunter find viele zweifelhafte. Hierony⸗ g= 
mus begleitete ſeine lateiniſche Ueberſetzung von der x. G. 
Moͤnchsregel deſſelben mit einer Vorrede: und beyde 306 
find in der Holſteiniſchen Sammlung (P. I. p. 59 bis 
— 95. ed. Rom.) abgedruckt worden; wenn fie an- 337. 
ders beyde von dieſen Verfaſſern herſtammen. Denn 
dieſe Regeln die den erſten Urhebern des Moͤnchsle— 
bens beigelegt werden, beruhen meiſtentheils nur auf 
der Glaubwuͤrdigkeit einer Sammlung derſelben, wel 
che Benedikt, Abt von Anagne im heutigen Frank- 
reich, erſt im neunten Jahrhunderte unternommen, 
und Solſtein zum Grunde der ſeinigen gelegt hat. 
Eine kuͤrzere Moͤnchsregel des Pachomius, die ihm 
ein Engel, in eine eherne Tafel gegraben, uͤberreicht 
haben ſoll, ſcheint ihm viel mehr zuzugehoͤren. Sie 
iſt, wenigſtens im Auszuge, vom Palladius (Hill. 
Lauſiac. c. 38.) und Sozomenus (Hiſt. Eccl. L. III. 
c. 13.) aufbehalten worden. Man findet dieſelbe nebft 
jener weitlaͤuftigern, den Schriften des Caßianus, 
der zwar nichts vom Pachomius, aber deſto mehr 
von ſeinen Einrichtungen (de Coenobior. inſtitutis, 
L. IV. c. r. fq.) ſagt, am Ende (p. 80. fq.) beyge⸗ 
fuͤgt: und der Herausgeber Gazaͤus hat ſie zugleich 
in Abſicht auf ihre Aechtheit, gegen einander gehalten. 
Einiges vom Pachomius meldet Gennadius (de 
viris illuſtr. c. 7.) aber deſto mehr eine ausführliche 
Lebensbeſchreibung deſſelben, die dreyßig! Jahre nach 
ſeinem Tode, von einem Moͤnche ſeines Kloſters ſoll 
aufgeſetzt worden ſeyn, und die man in ein großes 
Werk, (Acta Sanctor. a. d. 14 Maii) eingeruͤckt hat. 
Es ſind auch zween lateiniſche Auszuͤge davon, in den 
Sammlungen der Roͤmiſchcatholiſchen zur Heiligen— 
geſchichte, (beym Surius und Roswepyde) vorhan⸗ 
den, die ſowohl von einander, als von der Urſchrift 
ſelbſt abweichen. Aus dieſen und aͤhnlichen Quellen 
Ns hat 


‚170 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


& hat Tillemont (Memoires T. VII. P. I. p. 291. ed. 
in 12.) feinen Auszug von dem Leben des DPachomius 

306 geſchoͤpft. Hier darf man nur eine ſehr kurze Anzeige 

bis von den wahrſcheinlichſten Umſtaͤnden deſſelben, und 

337. zugleich von ſolchen, ſuchen, die ihn von andern heilig 
geachteten Maͤnnern dieſer Zeit, auf eine bemerkens— 
werthe Art unterſcheiden. Denn ſonſt ſind ſich hun⸗ 
dert Lebensbeſchreibungen derſelben unter einander uͤber— 
aus aͤhnlich. Einerley Strenge gegen ſich, gleiche 
Fertigkeit Wunder zu verrichten, oder zu ſeiner Ehre 
von Gott zu erhalten, (wie die Gabe des Pachomius, 
vierzig Tage lang des Schlafs zu entbehren, um deſto 
beſſer mit den Teufeln fechten zu koͤnnen, und die 
ihm durch ein Wunder mitgetheilte Gabe, lateiniſch 
und griechiſch zu reden,) Offenbarungen, göttliche Erz 
ſcheinungen der Engel, die eine Stelle anweiſen, wo 
ein Kloſter gebauet werden ſoll, geiſtliche Unterredun— 
gen und Uebungen, und dergleichen mehr, kommen in 
wenigen Veraͤnderungen und neuen Verſuchen, dar— 
inne immer vor. 


Pachomius, der in der aͤgyptiſchen Landſchaft 
Thebais um das Jahr 292. gebohren war, und erſt 
in einem zwanzigjaͤhrigen Alter das Chriſtenthum an— 
genommen hatte, wurde durch eine Erſcheinung zum 
Moͤnchsleben aufgemuntert, und durch eine Offenba— 
rung belehrt, welches die rechtglaͤubige Parthey unter 
den Chriſten ſey. Anfaͤnglich lebte er mit dem Pa⸗ 
lämon, einem der erſten Nachahmer des Antonius, 
in der Einoͤde, lernte von demſelben ſich bloß mit 
Brodt und Salz, zuweilen gar mit untermiſchtem 
Staube und Aſche, naͤhren; haͤrne Kleider oder Hem— 
den verfertigen, ſowohl um ſie zu tragen, als um durch 
den Verkauf derſelben, ſich und den Armen Unterhalt 
zu Au wenn fie des Nachts der Schlaf uͤber⸗ 

fiel, 


Pachomius, Stifter des Kloſterlebens. 171 


fiel, von einem Orte zum andern Sand tragen, und g 
beſonders faſt unaufhoͤrlich beten. Bald aber bekam. ©; 
Pachomius von Gott Befehl, ſelbſt eine Moͤnchs⸗ 3 
wohnung z zu Tabenneſus, einem unbewohnten Fle⸗ 5 
cken in Thebais nicht weit vom Nil, nach andern, ei- 337 
ner Inſel im Nil, Tabenna, anzulegen. Einem 
andern goͤttlichen Befehl zu Folge, nahm er viele 
Mönche darein auf, die ſich anboten, unter feiner Auf— 
ſicht zu leben. Ihrer wurden in nicht langer Zeit 
hundert; nach und nach aber ſo viele, daß er noch 
acht andere Moͤnchswohnungen in eben dieſen Gegen— 
den erbauete. Er hatte dieſe Anſtalten um das Jahr 
325. oder etwas ſpaͤter, angefangen: und als er im 
Jahr 348. ſtarb, hinterließ er einige tauſend Moͤn⸗ 
che, die unter ſeiner Aufſicht ſtanden; außer welchen 

es aber noch mehrere in Aegypten gab. Dieſes Bi 
der eigentliche Anfang des gemeinſchaftlichen Le⸗ 
bens der Moͤnche in Gebaͤuden, die eben davon den 
Nahmen bekamen, (Kone, coenobium) und die 
man nachmals in der lateiniſchen Kirche vom Ein— 
ſchlieſſen ihrer Bewohner, (clauftrum , Kloſter) 
benannte. Wenn jedoch neuere Schriftſteller den Das 
chomius auch zum Stifter des erſten Moͤnchsor⸗ 
dens machen: ſo ſchlieſſen ſie zu viel aus den Regeln, 
welche er ſeinen Moͤnchen vorſchrieb. Alle Regeln die 
von den Moͤnchen in den erſten Jahrhunderten beob— 
achtet wurden, waren in der Hauptſache einerley: Ein⸗ 
ſamkeit, Beten, Faſten und Handarbeiten machten die 
Grundlage derſelben aus, und eigentlich iſt ſelbſt der 
Benediktinerorden, der im ſechſten Jahrhunderte 
aufkam, nur eine Erneuerung und Beſtaͤtigung der 
aͤltern Moͤnchsregeln geweſen. 


Von der kuͤrzern Moͤnchsregel die dem Pacho⸗ 
mius zugeſchrieben wird, lieſet man noch folgendes. 
Jeder 


172 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
Fi Jeder Moͤnch ſoll nach ſeinen Kraͤften eſſen und trin— 


Sg fen, faſten und arbeiten. In einer Zelle ſollen drey 
306 Moͤnche wohnen; alle ſollen in einem Gemach ſpeiſen, 
bis nicht liegend, ſondern ſitzend ſchlafen, des Nachts leinene 
337. Kleider, und beſtaͤndig einen weiſſen Schaafs- oder Zie⸗ 
genpelz mit einem purpurfarbenen Kreutze tragen, außer 
beym Genuſſe des heiligen Abendmahls, am Sabbath 
und Sonntage, da fie ſich mit einer wollenen Kappe (* 
Adu) bedecken ſollen. Dieſes ſollen fie auch beym Ef 
ſen thun, damit ſie einander nicht eſſen ſehen; ſo wie 

ſie auch alsdann nicht reden, noch ſich umſehen durf— 
ten. Kein Fremder ſoll mit ihnen eſſen; ausgenom— 
men, wenn es ein Durchreiſender iſt, den ſie beher— 
bergen. Die ſaͤmmtlichen Moͤnche ſollen in vier und 
zwanzig Hauffen abgetheilt ſeyn, von denen jeder mit 
einem Buchſtaben des griechiſchen Alphabets benannt 
werden ſoll; an jedem ſoll man die Eigenſchaften deſ— 
ſen der ihn fuͤhrt, ſogleich erkennen. So hieſſen, zum 
Beiſpiel, die Einfältigern I, und die Verſtaͤndigern 

Z oder S. Wollte jemand in ihre Geſellſchaft aufge— 
nommen werden, ſo ſollte er erſt drey Jahre lang harte 
Arbeiten verrichten. Endlich ſollten ſie zwoͤlfmal des 
Tags, das heißt zu beſtimmten Zeiten des Tags und 
der Nacht, beten; auch bey Tiſche, und das nach vor— 
gaͤngiger Abſingung eines Pſalms, ſollte gebetet wer— 
den. — In der ausfuͤhrlichern Regel, und in den 
vorher genannten Schriftſtellern, trifft man noch viel 
mehr von der Verfaſſung des Tabenneſiſchen, und 
der. benachbarten Kloͤſter an, von denen jenes gegen 
die Mitte des fünften Jahrhunderts, allein auf fünfz 
tauſend Moͤnche in ſich begreifft. Darunter kommen 
Nachrichten von der Eintheilung eines jeden Kloſters 

in gewiſſe Claſſen von Moͤnchen, (die theils fuͤr die 
Speiſe, theils für die Kranken ſorgten, theils Mat- 
ten und andere Handarbeiten verfertigten, id: den 
cker 


Pachomius, Stifter des Kloſterlebens. 173 


Acker und Garten baueten;) von dem Vorſteher eines T 
jeden Kloſters unter dem Nahmen eines Vaters, &. G 
(Abbas) und von andern Aufſehern in denſelben; von 306 
der Aufnahme der neuen Ankoͤmmlinge, ſelbſt zuwei- bis 
len Knaben in das Kloſter; von den Unterredungen 337 
der Moͤnche uͤber die heilige Schrift, ihren geiſtlichen 
Betrachtungen, ihrem ſtrengen Gehorſam, ihrer Zuͤch— 
tigung, und vielen andern Dingen mehr, vor. Aber 
es iſt mehr als wahrſcheinlich, daß die meiſten dieſer 
Einrichtungen erſt in den Anfang des fünften Jahr— 
hunderts, da Palladius und Caßianus dieſe Moͤn⸗ 
che kennen lernten, gehoͤren. Selbſt die Freyheit im 
Eſſen und Trinken, die ihnen Pachomius bewilligt 
haben ſoll, ſtimmt nicht mit der Strenge dieſes und 
anderer von den erſten Haͤuptern der Moͤnche uͤberein. — 
Was die ſchriftlichen Ermahnungen, die Briefe, 
und die ſogenannten myſtiſchen Worte des Pacho⸗ 
mius anlangt, die man noch in einer lateinifchen Ue— 
berſetzung (Holſten. Cod. Reg. p. 95 — 117. ed. 
Rom.) lieſt: fo koͤnnen fie gar wohl feine Arbeit ſeyn. 
Sie ſind großentheils weder ſchlecht noch vortrefflich, 
und ſchicken ſich zu dem Zuſtande, in welchem man ihn 
denken muß; zumal da fie auch Gennadius und an⸗ 
dere, gerade ſo beſchreiben, wie wir ſie noch haben. 
Verſchiedenes darunter iſt ſehr raͤthſelhaft, und nach 
einer geheimen Bedeutung des griechiſchen Alphabets 
geſchrieben, die ihn und einen andern Abt ein Engel 
gelehrt haben ſoll. Nichts iſt in der That Leuten von 
einer ſolchen einſam phantaſtiſchen Froͤmmigkeit ange 
meſſener, als durch dergleichen ſpielende Geheimniſſe 
ſich ein hoͤheres Anſehen zu geben. Man darf ſogar, 
ohne daß man einer gehaͤßigen Geſinnung dazu noͤthig 
haͤtte, auf die Vermuthung fallen, daß ſie manche 
himmliſche Erſcheinung oder Eingebung in der gutge— 
meinten Abſicht erſonnen haben, um einer Lebensart, 

die 


174 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch, 


die ihnen fo heilig vorkam, deſto mehr Bewunderer 
Z. G. zu erwerben. 
306 
bis Sie wurde außer dieſen drey vorzuͤglich berühmten‘ 
337. Stiftern, deren Geſchichte bisher beſchrieben worden 
iſt, durch viele andere fortgepflanzt; aber waͤhrend der 
Regierung Conſtantins, nur in den Morgenlaͤndern, 
und am zahlreichſten in Aegypten. Hier legte Amon 
auf dem Nitriſchen Gebuͤrge, an der Skitiſchen oder 
Sketiſchen Wuͤſte, und in dieſer ſelbſt die Moͤnchs⸗ 
wohnungen und einzelen Zellen an, die nachmals in ſo 
ungemeinen Ruf wegen der Vollkommenheit ihrer Be— 
wohner gekommen ſind. Er gab auch ein Beiſpiel von 
der ſeltſamen Heiligkeit, im Eheſtande ſelbſt ſich mit 
feiner Frau einer beſtaͤndigen Enthaltſamkeit oder ſoge⸗ 
nannten Keuſchheit zu befleißigen; als wenn nicht eben 
die gewißenhafte Erfüllung aller Abſichten des Ehe— 
ſtandes nach dem Willen Gottes, Beweis von einem 
keuſchen Herzen waͤre. Von ihm und ſeinen Moͤnchen 
haben Palladius (Hiſt. Laus. c. 7. fgg.) Socrates 
(Hift. Eccl. L. V. c. 23.) und Sozomenus (Hiſt. Eccl. 
L. I. c. 14.) Nachrichten hinterlaßen; wozu man noch 
eine Sammlung und Ueberſetzung beyfuͤgen kann, die 
dem Bufinus beigelegt wird, (Vitae Patrum, in Ros- 
weidii Vitis Sandtorum.) In eben denſelben Gegen⸗ 
den lebte ſchon um dieſe Zeit einer der geprieſenſten 
Schuͤler des Antonius, der aͤltere oder der große 
Macarius, wie man ihn zum Unterſchiede von andern 
dieſes Nahmens genannt hat; deßen Geſchichte und 
Schriften einen bequemern Ort in einem der folgenden 
Buͤcher finden werden. Er, Serapion, Paphnu⸗ 
tius, und andere dieſer erſten Mönche und Aebte in 
Aegypten, werden unter dem gemeinſchaftlichen Na⸗ 
men der Väter von den Alten begriffen: und es wer⸗ 
den theils einigen derſelben zuſammen, theils u 
eſon⸗ 


7 


Ausbreitung des Moͤnchslebens. 175 


beſonders Moͤnchsregeln beigelegt, die ſich in der Hol⸗ e 
ſteniſchen Sammlung finden; aber eben fo viele Un⸗F. G. 
gewißheit zuruͤck laßen, als die bereits angefuͤhrten. 306 
Noch iſt unter den erſten Schuͤlern des Antonius, bis 
Paul der Einfaͤltige merkwuͤrdig, deßen würfliche 337. 
Einfalt ſein Lehrer gemißbraucht zu haben ſcheinet, in— 
dem er ihm die unnuͤtzeſten Dinge, um ſeine Geduld 

zu uͤben, anbefohl, dafuͤr aber von ihm, in der Kraft 
Wunder zu thun, übertroffen wurde. Viele laͤcherli⸗ 

che Erzählungen, welche Palladius von ihm, beſon⸗ 
ders von feinem Zanke mit dem Teufel in einem Beſeſ— 
ſenen, macht, hat Tillemont (Memoires, T. VII. 

P. I. p. 25 1. fq.) ſehr treuherzig abgeſchrieben. 


Nachdem die Moͤnche in Aegypten, Syrien und 
Palaͤſtina ſich auszubreiten angefangen hatten, führte 
Euſtathius, Biſchof zu Sebaſte in Armenien, fo- 
wohl in dieſem Lande, als in Paphlagonien, und 
Pontus, die gedachte Lebensart ein, wie Sozome— 
nus (Hiſt. Eccl. L. III. c. 14.) erzaͤhlt. Allein er 
uͤberſchritt die Graͤnzen derſelben, indem er, auch nach 
der Anmerkung des Socrates, (Hiſt. Eccl. L. II. 
c. 43.) die Moͤnchsenthaltſamkeit und Strenge den 
Chriſten uͤberhaupt aufzudringen ſuchte. Um gleiche 
Zeit ohngefaͤhr, um das Jahr 340. lernten erſt die Chri⸗ 
ſten zu Kom durch den Athanaſius, Biſchof von Ale⸗ 
randrien, der ſich dahin mit einigen Mönchen gefluͤchtet 
hatte, das Moͤnchsweſen kennen und nachahmen, da es 
bis dahin, ſagt Hieronymus (ad Princip. epitaph. 
Marcellae, T. I. p. 77. ed. Francof.) daſelbſt veraͤcht⸗ 
lich geweſen war. Er machte es auch in Gallien zuerſt 
bekannt; noch mehr aber bald darauf Martinus: 
wiederum einer der beruͤhmteſten Wunderthaͤter unter 
den Moͤnchen, deßen Leben ſein Freund, Sulpicius 
Severus, (de vita B. Martini liber, et Epiſtolac.) 

voͤllig 


176 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


AS pöllig nach dieſem Begriffe beſchrieben hat. Marti⸗ 

ch. nus war aus Pannonien gebuͤrtig, wurde im Jahr 

306 334. und im funfzehnten ſeines Alters, genoͤthigt, 

bis Kriegsdienſte zu nehmen, und ſtieg in denſelben zu ei— 

337. ner Befehlshaberſtelle. Allein ſchon damals lebte er 
mit der Strenge eines Moͤnchs, bekleidete auch einſt 
mit der Hälfte feines Mantels den er zerſchnitt, einen 
nackten Armen; wofuͤr ihm Chriſtus zur Belohnung, 
mit eben dieſer Haͤlfte umgeben, im Traum erſchien, 
und feine Handlung ruͤhmte. Nach vielen Jahren 
verließ er den Kriegsſtand, legte zu Mediolanum (jetzt 
Meyland, ) und darnach auf der Inſel Gallinaria, im 
Liguſtiſchen Meere, an der Seekuͤſte des obern Italien, 
eine Moͤnchswohnung an, wo er nebſt einem Aelteſten 
ſich von Wurzeln naͤhrte. Endlich wurde er im Jahr 
375. ſehr wider ſeinen Willen, zum Biſchof von Turo⸗ 
num (jetzt Tours) gewählt; ohne daß er aufgehört häf- 
te, ein Mönch zu ſeyn. Er erbauete fogar nicht weit 
von der Stadt ein Kloſter, oder vielmehr nur eine Zel⸗ 
le, in deren Nachbarſchaft achtzig andere Mönche ſich 
die ihrigen errichteten, und mit ihm in völliger Ges 
meinſchaft von allem lebten. Viele andere Kirchen 
und Kloͤſter ſtiftete er auch in den dortigen Gegenden, 
breitete das Chriſtenthum gluͤcklich aus, weckte Todten 
auf, heilte die Kranken, zum Theil nur durch Beruͤh— 
rung des Saumes von ſeinem Kleide, gieng mit den 
Engeln um, und wurde von den Teufeln haͤufig, aber 
vergebens, geplagt. Als er im Jahr 400. ſtarb, be⸗ 
gleiteten zweytauſend Mönche feinen Leichnam zum 
Grabe. 


Durch ſolche Erzaͤhlungen alſo und Wunderge— 
ſchichten, wurde das Moͤnchsleben auch in der abend⸗ 
laͤndiſchen Kirche ſehr ſchnell fortgepflanzt. Die an- 
ſehnlichſten Lehrer uberhaupt in beiden Kirchen, Atha— 

naſius, 


Ausbreitung des Moͤnchslebens. 177 
naſius, Baſilius, Ambrofius, Chryſoſtomus, 


& 
Hieronymus, Auguſtinus, und andere mehr, em:g'g. 
pfolen daßelbe ungemein, zum Theil gar durch ihr 306 
Beiſpiel, oder wenigſtens durch Uebungen, die demfel: bis 
ben nahe kamen. Und obgleich in dieſem ganzen vier- 337. 
ten Jahrhunderte der Begriff von einem Mönche uns 
veraͤnderlich blieb, daß zwiſchen ihm und einem ordent— 
lichen Lehrer oder Diener der Kirche, (Clericus) ein me» 
ſentlicher Unterſcheid ſey, wie Hieronymus, ſelbſt ein 
Moͤnch, und der gelehrteſte Theologe ſeiner Zeit in den 
Abendlaͤndern, ſehr nachdruͤcklich einſchaͤrft; (Epilt. 

ad Heliodor. de laude vitae folitariae) fo fieng man 
doch zeitig an, die Graͤnzen beider Staͤnde etwas zu 
vermiſchen, indem man theils aus Moͤnchen vorzuͤg— 

lich die Biſchoͤfe wählte; theils die Biſchoͤſe ſelbſt mit 
ihrem Lehrſtande das Moͤnchsleben zu verbinden fuchten, 
Dieſe fo verſchiedene Einrichtungen, ſchreibt Ambro— 
ſius (Epift. ad Eccleſ. Vercell.) hat zuerſt der Bis 
ſchof Euſebius von Vercellaͤ, (er lebte um das Jahr 
350.) in der Abendlaͤndiſchen Kirche mit einander ver— 
bunden: denn er lebte in einer Stadt nach Moͤnchs⸗ 
vorſchriften, und regierte zugleich ſeine Gemeine unter 
anhaltendem Faſten. Zu allen dieſen Beförderungsmits 

teln des Moͤnchslebens, das an ſich ſchon fo viele blen— 
dende Seiten hatte, kam auch noch die Gewogenheit 

der Kaiſer, unter welchen Conſtantinus, wie man 
oben (S. 99.) geleſen hat, ſelbſt alte Geſetze aufhob, 
und neue gab, um daſſelbe zu beguͤnſtigen. 


In dieſer erſten Verfaſſung der Moͤnche, die auch 
noch lange nach dem Conſtantin fortdauerte, waren 
Einſamkeit und Entfernung von der großen Welt eine 
fo nothwendige Eigenſchaft, daß fie wuͤrklich viele 
Aehnlichkeit mit den Eremiten oder Einſiedlern, 
von denen ſie herſtammten, beybehielten. Sie blie⸗ 

V. Theil. M ben 


178 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fm ben groͤßtentheils außerhalb der Staͤdte: und noch im 
8.6.3 on 390. befohl daher der Kaiſer e der 
306 Große (C. Th. L. XVI. t. 3. de Monach. J. 1.) fie 
bis ſollten alle in wuͤſten Gegenden und Einoͤden ſich auf- 
337. halten; ob er gleich zwey Jahre darauf (. cit. I. 2.) 
ihnen den freyen Eingang in die Städte verſtattete. 
Auch fragte noch um eben dieſe Zeit Hieronymus 
(Epift. ad Paulinum de inſtitutione monachi) einen 
Moͤnch, was er in Staͤdten zu thun haͤtte, da ſie doch 
nicht Wohnungen von einſamen, ſondern von vielen 
Menſchen waͤren. Unterdeſſen trugen manche Bi— 
ſchoͤfe viel dazu bey, daß nach und nach auch in Staͤd— 

ten Mönche auf kamen. Außerdem daß fie , wie man 
vorher geſehen hat, die Lebensart derſelben nebſt ihren 
Aelteſten nachahmten, zog auch Baſilius der Große 

die Moͤnche aus ihrer Einoͤde, um ſie den Ketzern ent⸗ 
gegen zu ſtellen. (Gregor. Nazianz. orat. 20. Socrat. 
Hift. Eccl. L. IV. c. 21.) Von dem erſten Aufent⸗ 
halte der Moͤnche war auch die Haupteintheilung, die 
ſchon im vierten Jahrhunderte unter ihnen Statt fand, 

ein zuverlaͤſſiger Beweis. Man unterſchied die Ana⸗ 
choreten, oder abgeſondert Lebenden, (Auæygi⸗ 
ra) von den Coenobiten oder gemeinſchaftlich 
und beyſammen Lebenden, (Kong wie Gre⸗ 
gorius Nazianzenus (I. c.) Hieronymus (Epiſt. 
22. ad Euſtochium) und andere mehr, bemerkt haben. 
Die erſtern waren von den eigentlichen Einſiedlern nur 
darinne unterſchieden, daß ſie ſich vorher eine Zeitlang 

im Kloſter geübt hatten, ehe fie ſich, mit Bewilligung 

des Abtes, in die Einoͤde begaben. Eine dritte Art 
von Mönchen, die nach dem Hieronymus (I. c.) und 
Caßianus (Collat. XVIII. c. 4.) in Syrien und Pa⸗ 
latina Remoboth, in Aegypten aber Sarabaiten 
genannt wurden, beſtand aus Leuten, deren zween oder 
drey beyſammen, und nach ihrem Gefallen lebten, ſich 
zwar 


Ausbreitung der Mönche. 179 


zwar gemeinſchaftlich den Unterhalt von dem Verkaufg 
ihrer Arbeit verſchafften; aber von den Kloͤſtern ganz CG. 
getrennt waren. Dieſe letztere Art unordentlicher und 306 
herumſchweifender Moͤnche ſcheint erſt in den ſpaͤtern bis 
Zeiten des vierten Jahrhunderts entſtanden zu ſeyn. 337. 
Alle Moͤnche aber bekamen außer dieſem, und einem 
gleichbedeutenden Nahmen, (mov&lorres) auch dem 
ihnen gebliebenen aͤltern Aſceten⸗Nahmen, gewiſſe Bes 
nennungen von ihrer Enthaltſamkeit und Heilig⸗ 
keit, (Continentes, Sancti.) 


Einer ihrer vorzuͤglichſten Ehrennahmen, der Nah⸗ 
me eines Philoſophen, kann zu lehrreichen Unterſu⸗ 
chungen uͤber ihr Verhaͤltniß gegen die chriſtliche Reli— 
gion, führen: fo wie es ſich ſchon in dieſen erſten Zei— 
ten zum Theil beurtheilen laͤßt, ob der Staat mehr 
Nutzen oder Schaden von ihnen zu erwarten gehabt 
habe. Es war nicht genug, daß man bisher die chriſt— 
liche Religion eine hoͤhere Weisheit oder Philoſo— 
phie genannt hatte; man glaubte bald, daß es Chris 
ſten gebe, die auch über dieſe Religion zu philoſophi⸗ 
ren verſtuͤnden. So hatte man die Denkungsart der 
Aſceten angeſehen; (Chriſtl. Kirchengeſch. Th. II. 
S. 134.) aber in einem weit vollkommenern Grade 
betrachtete man die Lebensart der Moͤnche als eine 
chriſtliche Philoſophie. (Gregor. Naz. orat. 3 et 9. 
Chryfoft. homil. 17. ad Antiochen. Sozom. Hiſt. 
Eccl. L. III. c. 14.) Allerdings würde es der größten 
Aufmerkſamkeit wuͤrdig ſeyn, wenn es wuͤrklich wahr 
wäre, daß fi) die Mönche über die gemeinen Vor— 
ſchriften der Religion, welche von den ordentlichen 
Chriſten beobachet wurden, empor geſchwungen, und 
ein weit erhabeneres Chriſtenthum ausgeübt haͤtten, 
als man anfaͤnglich gekannt hatte. Man müßte aber 
dabey mit Verwunderung die Fragen aufwerfen, war- 

M2 um 


180 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


um es der Stifter des Chriſtenthums nicht bekannt ge⸗ 
A macht habe, daß es weit höhere Stufen der Gottſee⸗ 
306 ligkeit zu erſteigen gebe, als die von ihm vorgezeichne⸗ 
bis ten? auch inſonderheit, welche Beweiſe von den Moͤn— 
337. chen gegeben worden find, daß dieſe ihre Philoſophie 
nicht ein von ihnen willkuͤhrlich errichtetes Lehrgebaͤude, 
ſondern ein wuͤrklicher Theil der chriſtlichen Sitten— 
lehre fen? Niemals haben fie dieſes darthun koͤnnen; 
wohl aber ſich den Vorwurf zugezogen, daß ſie ohne 
Urſache ſtolz auf die Sonderheiten ihrer Lebensart, ſich 
und die Chriſten verfuͤhrt haben, immer mehr zur ver⸗ 
meinten Verfeinerung des Chriſtenthums zu wagen. 
Im Anfange war es noch ein Gluͤck, daß ſie nicht 
unter die Lehrer gehörten, auch durch keine unauf— 
loͤsliche Geluͤbde gebunden wurden; aber beydes war 
aus bekannten Urſachen von geringer Wuͤrkung. Daß 
ſie anfaͤnglich alle ungelehrt waren, wuͤrde der Reli⸗ 
gion und Kirche noch mehr Schaden zugefuͤgt haben, 
wenn ſie zugleich auch die gewoͤhnlichen Lehrer derſelben 
geweſen waͤren. 


Fuͤr den Staat hingegen mußten die Moͤnche uͤber 
kurz oder lang durch eine doppelte Eigenſchaft gefaͤhr⸗ 
lich werden: als Muͤſſiggaͤnger, und als Schwaͤrmer. 
Zwar lebten die erſten Moͤnche alle von ihrer Handar⸗ 
beit. Allein es iſt bereits angemerkt worden, daß, 
da ſie uͤberaus wenig brauchten, auch ihre Arbeit nur 
ſehr kurz ſeyn durfte: und die abendlaͤndiſchen Moͤn⸗ 
che uͤberlieſſen ſich gleich vom Anfange mehr dem Ge⸗ 
bet und Leſen, als ſolchen Beſchaͤftigungen. Daher, 
ſagt Caßianus, (de inſtitut. Coenobit. L. X. c. 23.) 
entſtanden in der Abendlaͤndiſchen Kirche keine ſo ſtark 
bevoͤlkerten Kloͤſter, weil ſich da die Moͤnche mehr auf 
anderer Freygebigkeit verlieſſen, und im Muͤſſiggehen 
ihr Vergnuͤgen fanden. Es konnte nicht fehlen, daß 

nicht 


Ausbreitung der Mönche. 181 


nicht auch die morgenländifchen Mönche gar oft Lange⸗ I, 
weile bekamen: und wenn man gleich mit dieſer Lebens F G. 
art überhaupt die Wiſſenſchaften zu verbinden ſuchte, 306 
ſo war dieſer fehlerhaften Seite derſelben dadurch noch bis 
nicht abgeholfen. Denn unter fo vielen tauſenden die 337. 
ſich ihr ergaben, war immer nur eine geringe Anzahl, 
der man Neigung und Faͤhigkeit genug zur Gelehr— 
ſamkeit zutrauen konnte. Aber dieſe heiligandaͤchtige 
Muſſe im Moͤnchsſtande wurde durch die erhitzte Ein⸗ 
bildungskraft und Begeiſterung, die demſelben unzers 
trennlich anklebte, noch ſchaͤdlicher. Man mußte von 
einer ſolchen Menge wenig beſchaͤftigter, für die Reli⸗ 
gion hoͤchſteifriger, zwar nicht durch Verſtand beruͤhm⸗ 
ter, aber deſto mehr entbrannter Köpfe, Unruhen bes 
ſorgen, die wegen ihres Einfluſſes auf den groſſen 
Hauffen fuͤrchterlich genug werden koͤnnten. Noch 
verhielten ſich zwar die Moͤnche, in ihren erſten Jah⸗ 
ren, ruhig genug; doch nahmen ſie ſchon an gewiſſen 
wichtigern Begebenheiten einen angelegentlichern An⸗ 
theil, als man von Leuten haͤtte erwarten ſollen, die 
der Welt ſo gaͤnzlich entſagt hatten. In den ſpaͤtern 
Zeiten dieſes Jahrhunderts fuͤhlte man die Laſt bereits 
mehr, die den Staat durch die Hauffen unzaͤhlicher 
Mönche druͤckte. Da fie inſonderheit zu eben dem 
Mißbrauche Gelegenheit gaben, den die Vorrechte 
des Lehrſtandes veranlaßt hatten, daß ſich viele, wel⸗ 
che verbunden waren, öffentliche Aemter zu uͤberneh⸗ 
men, (Curiales) nım denſelben zu entgehen, unter die 
Moͤnche in Aegypten begaben: ſo befohlen die Kaiſer 
Valentinianus und Valens, bald nach dem Jahr 
370. (C. Th. L. XII. t. 1. de Decurion. I. 63.) daß 
dergleichen muͤſſige Heuchler durch die Obrigkeit aus 
ihren Schlupfwinkeln zuruͤckgezogen, und genoͤthigt 
werden ſollten, die ſchuldigen Dienſtleiſtungen anzu⸗ 
treten. Eine Verordnung, die weder ungerecht war, 

M 3 noch 


182 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Kp noch etwas Verfolgendes an ſich hatte, wie ſie von je⸗ 
905 nen Zeiten an, ſo oft vorgeſtellt worden iſt. Freylich 
306 aber ließ Valens auch die Moͤnche, welche keine 
bis Kriegsdienſte nehmen wollten, wie Hieronymus 
337. (Chron. ad a. 375.) und andere nach ihm berichten, 
zu Tode pruͤgeln; wenn man anders ein Wort, das 
eben ſowohl von bürgerlichen Aemtern als von Kriegs- 
dienſten verſtanden werden kann, (militare, militia) 
nicht vielmehr auf jene, und alſo auf das vorherge— 
dachte Geſetz, ziehen muß. Am veraͤchtlichſten urtheil— 
ten die Heiden von den Mönchen: fie erkannten an ih— 
nen nichts weniger als die Vorzuͤge ihrer Philoſophen. 
Zoſimus (Hiſt. L. V. c.) nennt fie Leute, die der 
Staat weder zum Kriege, noch zu irgend einem an— 
dern Gebrauche nuͤtzen koͤnne: und Eunapius (in vita 
Aedeſii) verſichert, daß ſie zwar dem Scheine nach 
Menſchen waren; aber ein ſaͤuiſches Leben führten ;. es 
ſey ſo weit gekommen, ſetzt er hinzu, daß jeder der ein 
ſchwarzes Kleid truͤge, und vor jedermann ſchmutzig 
einhergienge, ein tyranniſches Anſehen behaupte. 


Unterdeſſen daß der allgemeine Beifall der Chri⸗ 
ſten das Moͤnchsleben ſo maͤchtig befoͤrderte, fiengen 
ſich gleiche Verbindungen unter den Chriſtinnen 
zu einer ſtrengern Gottſeeligkeit deſto leichter und 
ſchneller an, da auch bey ihrem Geſchlechte, wie bey 
dem maͤnnlichen, der Grund dazu lange vorher durch 
die Uebungen der Aſceten gelegt worden war. Spu⸗ 
ren von ſolchen Jungfrauen und Wittwen, die 
ſich zu einer beftändigen Keuſchheit und ſtrengern Eni= 
haltſamkeit überhaupt, aus Religionseifer entſchloſſen, 
hat man bereits in dieſer Geſchichte (Th. III. S. 132. 
fg. Th. IV. S. 270. fg.) geſehen. Die Stellen des 
Tertullianus von Jungfrauen, welche Chriſtum zu 
ihrem Gemahl erwählt haͤtten, (ad uxorem L. I. c. 4 

e 


Ausbreitung der Moͤnche. 183 


de virginib. veland. c. 14.) gehören inſonderheit hie 
her. Sie wurden nachmals zum Unterſcheid von den d. G. 
eigentlichen Nonnen, mit beſondern Nahmen (virgi- 306 
nes eccleſiaſticae, canonicae) belegt, welche anzeig- bis 
ten, daß fie ſich danz dem Dienſte Gottes gewied⸗ 337. 
met haͤtten, und in die Rirchenbuͤcher eingefihries 
ben waͤren. Durch eigentliche Geluͤbde waren ſie nicht 
gebunden; ſie konnten in den Eheſtand treten, und 
thaten es auch zuweilen; allein die Gemeine ſah doch 
dieſes ungern, weil ihr bekannt gemachter Vorſatz etz 
was ſo feyerliches an ſich hatte, und ſie mußten daher 
auch einige kirchliche Strafe deswegen ausſtehen. Auch 
entfernten ſie ſich nicht beſonders von der Geſellſchaft 

der Menſchen; ſondern blieben mitten unter ihren Fa⸗ 
milien. Nach und nach vereinigte ſich eine Anzahl 
derſelben, um beiſammen nach gemeinfchaftlichen Vor⸗ 
ſchriften zu leben. Einige thaten dieſes in abgelegenen 
und wuͤſten Gegenden, wo ſogar verſchiedene ganz ein⸗ 

zein in Zellen lebten; andere in Städten. So ent⸗ 
ſtanden die eigentlichen Tonnen, und Geſellſchaften 
derſelben in Kloͤſtern, die gleich den Moͤnchen, unter 
einer gaͤnzlichen Trennung von der Welt, auch ſich 
ſelbſt mit mehrerer Haͤrte behandelten. 


Schon in der fruͤhern Geſchichte des Antonius 
(Athanaf. vita Anton. p. 5. ed. Hoefchel.) kommt 
eine Jungfrauenroohnung (eig Deren) vor, in wel⸗ 
cher er ſeine Schweſter erziehen ließ: und er fand ſie 
nachmals als eine Vorſteherinn von einer Anzahl ſol⸗ 
cher geheiligten Jungſrauen; wie denn auch viele ihres 
Geſchlechts nach feinem Beiſpiel, ſich dieſer Lebensart 
ergaben, (ib. p. 74. 114.) Sie hatte alſo auch in Aegy⸗ 
pten den erſten Fortgang; breitete ſich aber in der ganz 
zen Kirche ſo ſchnell aus, daß es bald nach der Mitte 
des vierten Jahrhunderts, viele tauſend derſelben, 
M 4 auch 


184 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F auch in den Abendlaͤndern gab. Zwar waren Kampf 
und Ueberwindung auf dieſem Wege bey dem weibli- 
306 chen Geſchlechte ohne Zweifel weit ſchwerer, als bey 
bis dem maͤnnlichen; aber es kam jenem auch die groͤßere 
337. Reitzbarkeit ſeiner Einbildungskraft dabey zu Statten, 
und der heldenmuͤthige Ruhm, es den ſtrengſten Ein⸗ 
ſiedlern gleich zu thun. Verſchiedene Maͤnner von 
großem Anſehen unter den chriſtlichen Lehrern, befons 
ders Ambrofius und Hieronymus, prieſen den 
jungen Frauenzimmern, dieſen Stand der Gottſeelig⸗ 
keit mit einer Hitze an, die ihrer Ueberlegung wenig 
Ehre macht. Die Kaiſerinn Helena wartete ſchon 
(nach dem Socrates Hiſt. Eccl. L. I. c. 17.) den hei⸗ 
ligen Jungfrauen als eine Bediente auf, und ihr Sohn 
Conſtantinus wies ihnen und den geweihten Wittwen 
von gleicher Beſtimmung aus feinem Schaße den Unter⸗ 
halt an. Die Geſetze ertheilten ihnen die Freyheit von 
Abgaben und andere Vorrechte; eine beſondere Ein⸗ 
weihung, und andere Ehrenbezeigungen erhielten fie 
von der Kirche. Selbſt die Nahmen welche ſie fuͤhr⸗ 
ten (Aſcetriae, Sorores, Caſtae, Virgines Sacrae, 
Monaſtriae, etc.) gehörten darunter. Einer derſelben, 
der aͤgyptiſchen Urſprungs war, (Nonnae) und den 
man zuerſt beym Hteronymus (Ep. 22. ad Euſtoch.) 
findet, zeigte eine Perfon an, die als Mutter verehrt 
werden muͤſſe: gleichwie eben dieſes Wort mit einer 
geringen Veraͤnderung (Nonnus) nachher auch den 
Moͤnchen beygelegt wurde. Niemanden ſchien es un⸗ 
terdeſſen bey dieſer andaͤchtigen Verfuͤhrung von einem 
großen Theil des weiblichen Geſchlechts, beyzufallen, 
oder wenigſtens einer genauen Unterſuchung werth zu 
ſeyn, ob nicht durch dieſe Anſtalten, ſo wie durch das 
Moͤnchsweſen überhaupt, Bevoͤlkerung, Arbeitſam⸗ 
keit, kindliche und buͤrgerliche Pflichten unbeſchreiblich 
viel leiden muͤßten. Der gemißbrauchte * der 

| eli⸗ 


Ausbreitung der Mönche. 185 


Religion unterdruͤckte alle ſolche Zweifel. Es hatte T 
auch einen ruͤhmlichen Schein, daß das ſchwaͤchere &. G. 
Geſchlecht ſolche Schutzoͤrter gegen Verachtung und 306 
Miß handlungen, denen es außer der Ehe und im hoͤ⸗ bis 
hern Alter fo oft unterworfen iſt, nicht allein leicht, 337 
ſondern ſelbſt zur Befoͤrderung feiner Seeligkeit, fin 

den konnte. Allein die Nutzbarkeit, welche in dieſer 
Abſicht ſolchen Verbindungen, unter einer weiſen Ein— 
ſchraͤnkung, nicht abgeſprochen werden kann, war viel⸗ 
leicht dasjenige, worauf man die wenigſten Betrach— 
tungen wandte. Man kann hier auch Binghams 
Sammlungen (Origg. Eccleſiaſt. Vol. III. p. 1111.) 
gebrauchen; ob fie gleich oͤfters, um den Stoff zu die⸗ 

ſer wichtigen Geſchichte darzubieten, weit beſtimmter 
und zuſammenhaͤngender ſeyn koͤnnten. 


20 ³˙·¹w. nn mn nn mm — ce 


Leben und Schriften 


des 
Euſebius, Biſchofs von Caͤſarea. 


ä Ware Art des mannichfaltigen Aberglaubens, der 
* in dieſem Zeitalter unter den Chriſten ausbrach, 
wuͤrde noch weit ſchneller uͤberhand genommen 
haben, wenn nicht die wahre Gelehrſamkeit bey den 
meiſten ihrer Lehrer noch ihren Werth behalten haͤtte. 
Der gelehrteſte unter allen war waͤhrend Conſtantins 
ganzer Regierung, Euſebius, Biſchof von Caͤſarea 
in Palaͤſtina. Er kam in dieſem Lande nicht lange . 
vor dem Jahr 270. zur Welt. Agapius, Biſchof 

von Caͤſarea, weihte ihn zum Presbyter: und daſelbſt 
M 5 ſtif⸗ 


186 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


an er auch eine genaue Freundſchaft mit dem beruͤhm⸗ 
ten Pamphilus, deſſen Geſchichte am Ende des vorigen 
es Zeitraums befchrieben worden iſt. Der vertraute Um⸗ 
bis gang des Euſebius mit einem ſo gelehrten und ver— 
337. dienten Manne ſcheint für ihn ſehr nuͤtzlich geworden 
zu ſeyn, ihn beſonders mit den Schriften des Orige— 
nes, und anderer trefflichen Maͤnner, bekannt ge— 
macht zu haben. Er ſchaͤtzte es ſich daher zur Ehre, 
der Freund des Pamphilus (Euſebius Pamphili) 
genannt zu werden. Auch beſuchte er denſelben fleiſſig, 
als er in der Verfolgung des Diocletianus ins Gefaͤng⸗ 
niß geſetzt wurde, und arbeitete mit ihm gemeinſchaftlich 
die Schutzſchrift für den Origenes aus, von deren Ue- 
berbleibſalen man den Auszug bereits geleſen hat. Eu⸗ 
ſebius ſelbſt wurde nach der Hinrichtung des Pam⸗ 
philus, in Aegypten auch gefangen geſetzt; erlangte 
aber ohne allen Schaden ſeine Freyheit wieder. Dieſes 
gab einem ſeiner Mitgenoſſen in der Gefangenſchaft, 
der ein Auge darinne einbuͤßte, Gelegenheit zu arg— 
wohnen, (Epiphan. haer. 68.) er moͤchte wohl den 
Goͤttern geopfert haben: ein Vorwurf, wider welchen 
alle Wahrſcheinlichkeit ſtreitet. 5 
Nachdem Euſebius auch eine Zeitlang in der theo⸗ 
logiſchen Gelehrſamkeit Unterricht zu Caͤſarea ertheilt 
hatte, wurde er im Jahr 314. wie es glaublich iſt, 
zum Biſchof der dortigen Gemeine gewaͤhlt. In die⸗ 
ſer Wuͤrde hielt er bey der Einweihung der praͤchtigen 
Kirche zu Tyrus eine Rede, die er in einem ſeiner 
Werke (Hifl, Eccl. L. X. c. 4.) auf behalten hat. Er 
richtete ſie inſonderheit an die anweſenden Biſchoͤfe, die 
er Freunde Gottes und Prieſter, geziert mit dem heili— 
gen Kleide, mit der himmliſchen Krone der Ehre, mit 
der goͤttlichen Salbe, und mit dem prieſterlichen Node. 
des heiligen Geiſtes nennt. Zuerſt ſtellt er mit vielen 
Stellen der Pfalmen, die damalige Glückſeeligkeit der 
chriſt⸗ 


Leben des Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 187 


chriſtl ichen Kirche vor, Gott in ſeinem Hauſe dienen 8 
zu koͤnnen, und eme ee darauf, den einzigen und g G. 
alleinigen Gott, den Vater von allem, aber auch den 306 
zu preiſen, der die zweyte Urſache des uns wie⸗ bis 
derfahr nen Guten ſer es der uns zur Kenntniß Gottes 337 
gefuͤhrt, und die wahre Religion gelehrt hat, Jeſum 
unſern Heiland, die wir ohne alle Hofnung waren. 
Dieſer einzige Sohn des guͤtigen Vaters, faͤhrt er fort, 
hat nach der menſchenfreundlichen Abſicht deßelben, un⸗ 
ſere Natur, die wir im tiefſten Verderben lagen, an— 
genommen, und uns als ein trefflicher Arzt, da wir 
bereits wuͤrklich todt waren, gerettet. Kein anderer 
himmliſcher Geiſt hatte das Heil fo vieler Menſchen oh= 
ne Schaden bewuͤrken koͤnnen. Er aber allein be⸗ 
ruͤhrte unſer aͤußerſtes Verderben, trug allein unſere 
Arbeiten, und nahm allein die Strafe unſerer Suͤn— 
den auf ſich. Ehemals und jetzt rettet er uns wider 
alle unſere Erwartung, und ſchenkt uns die Gluͤckſee— 
ligkeit ſeines Vaters. Er iſt der Stifter des Lebens, 
der Fuͤhrer zum Lichte, unſer großer Arzt, Koͤnig und 
Herr, der Chriſtus Gottes. Er hat das ganze 
menſchliche Geſchlecht erleuchtet, das durch die Betruͤ— 
gereyen der boͤſen Geiſter in die tiefſte Finſterniß ver: 
ſunken war. Als aber der über dieſe Wohlthat neidi⸗ 
ſche Daͤmon alle feine Macht wider uns auf bot, und 
die Kirche auf das heftigſte verfolgte: da hat wiederum 
der Engel des groſſen Raths, der groſſe Feldherr Got: 
tes, nachdem ſeine Soldateten ſich genugſam im Un⸗ 
gluͤck geuͤbt, und viele Standhaftigkeit bewieſen hatten, 
indem er ploͤtzlich erſchien, alle ſeine Feinde vernichtet, 
und ſeine Freunde vor allen Menſchen und himmli⸗ 
ſchen Maͤchten herrlich gemacht. Darauf iſt es geſche⸗ 
hen, was ſich noch niemals zugetragen hatte, daß die 
Kaiſer ſelbſt, mit Verſpottung der Goͤtzen, den einzi⸗ 
gen Gott erkennen, und Chriſtum, ſeinen Sohn, 
als 


188 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


als den allgemeinen Koͤnig erkennen, auch ihn in ih⸗ 
Cen Verordnungen vor den Heiland erklaͤren; fo daß. 
306 er als der aͤchte Sohn des hoͤchſten Gottes, und als 
377 Gott an ſich ſelbſt, (urs deeg) verehret wird. 


Euſebius ruͤhmt hierauf die groſſen Thaten Chri⸗ 
ſti in der Ausbreitung ſeiner Herrſchaft durch die 
Welt; und indem er unter andern fragt: „Wer kann 
in den lebendigen Tempel des lebendigen Gottes, den 
wir ſelbſt ausmachen, hineinſchauen, als allein der 
groͤßte Hoheprieſter, der allein das Recht hat, die Ge⸗ 
heimniße jeder vernuͤnftigen Seele zu erforſchen?“ ſo 
ſetzt er hinzu: „Vielleicht aber iſt dieſes demjenigen 
noch allein verſtattet, der die zweite Stelle nach ihm 
hat, dem Anfuͤhrer dieſes Heeres, den der oberſte 
Hoheprieſter mit der zweyten Stelle des Prieſterthums 
beehrt, zum Hirten eurer goͤttlichen Heerde geſetzt 

hat; — dem neuen Aaron und Melchiſedek, der 
dem Sohne Gottes aͤhnlich geworden iſt, indem er im⸗ 
mer bleibt, und euren gemeinſchaftlichen Wuͤnſchen 
von ihm erhalten wird. (Er verſteht den Daulinus, 
Biſchof von Tyrus.) Dieſem allein gehoͤrt nach jenem 
groͤßten Hohenprieſter, wo nicht die erſte Stelle, doch 
die zweite, in der Aufſicht und Beobachtung des In⸗ 
nern eurer Seelen.“ Die uͤbertriebene, aber doch nur 
redneriſche Vergleichung zwiſchen dem Heilande und 
dem Biſchof, aus der man ſchwerlich mit Rechte 
ſchließen kann, daß ihr Verfaßer die goͤttliche Wuͤrde 
des erſtern verringert habe, wird weiter dergeſtalt fort— 
geſetzt, daß die Bemühungen und Anſtalten des Pau—⸗ 
linus bey der neuerbauten Kirche mit den hoͤhern 
Wohlthaten zuſammengeſtellt werden, welche die gerei— 
nigte Seele, der Tempel Chriſti, und der durch die 
ganze Welt ausgebreitete Tempel, die Kirche, ihm zu 
verdanken haben. Auf der einen Seite alſo werden 
die 


Leben des Eufebius, Biſch. von Caͤſareg. 189 


die Haupttheile und die innere Einrichtung der neuen a 
Kirche zu Tyrus, der Vorhof, die Hallen, die Tauf⸗ F. G. 
capelle, die hoͤhern Stuͤhle fuͤr den Biſchof und die 306 
Aelteſten, die niedrigern fuͤr die Kirchendiener, (denn bis 
die uͤbrige Gemeine ſtand beym Gottesdienſte,) das 337. 
Allerheiligſte oder der Altar, und ſo weiter das uͤbrige, 

mit vielem Lobe beſchrieben. Hingegen bemerkt auch 

der Redner, wie das goͤttliche Gebaͤude in der Seele, 
das der Sohn Gottes nach ſeinem Bilde aufgerichtet 
hatte, durch die Argliſt unſichtbarer Feinde gaͤnzlich 
zerſtoͤrt, und ſogar der natürlichen Begriffe von Gott 
beraubt, von Chriſto aber durch alle die neuern glück- 
lichen Veränderungen in dem Zuſtande des Chriſten⸗ 
thums, wieder hergeſtellt worden ſey: eine Vorſtel⸗ 
lung, in welcher man die gewöhnliche, ohnedieß figuͤr— 

lich ausgedruͤckte Lehre vom Ebenbilde Gottes nicht ſu⸗ 
chen darf. In einer andern Stelle wird geſagt, der 
große einzige Altar ſey nichts anders, als die reinſte 
Seele des allgemeinen Prieſters. Zur Rechten deßel⸗ 

ben ſtehe der große Hoheprieſter Jeſus, nehme freund⸗ 

lich von allen das angenehme Raͤuchwerk, die unblufi- 
gen, geiſtigen Opfer des Gebets auf, und uͤberbringe 

ſie dem himmliſchen Vater, dem Gott uͤber alles. 
Dieſen bete er zuerſt an, und erweiſe ihm allein die 
Ehrerbietung, deren er würdig fey. Darauf aber bitte 

er denſelben, daß er auch uns allen beſtaͤndig gnaͤdig 
ſeyn wolle. Endlich ermahnt Euſebius ſeine Zuhoͤ— 
rer, im Lobe Gottes und Gebet eben ſo eifrig zu ſeyn, 

als die Einwohner des himmliſchen Jeruſalem. — In 
der ganzen Rede herrſcht zwar eine Vermiſchung von 
ſchoͤnen und ſeichten Stellen; doch iſt das Gute und 
Brauchbare darinne ſehr uͤberwiegend. a 


In der Folge nahm Euſebius an verſchiedenen 
Hauptbegebenheiten der Kirche einen großen Antheil. 
Inſon⸗ 


190 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


S Inſonderheit ſtellte er, ſo lange er lebte, in den Ariani⸗ 
ſchen Unruhen, die gegen das Jahr 320. anfiengen, eine 
306 ſehr wichtige Perſon vor. Sein Ruf aber wurde da⸗ 
bis durch ſo zweydeutig, daß man noch in den neuern Zeiten 
337. oft daruͤber geftritten hat, ob man ihn unter die Recht- 
glaͤubigen, oder unter die Arianer rechnen muͤße. 
Vor einen Anhaͤnger der letztern haben ihn ſchon zu ſei⸗ 
nen und den gleich folgenden Zeiten viele chriftliche Leh 
rer, beſonders aber Euſtathius, Athanaſius, tz 
larius, Epiphanius, Hieronymus und Theo— 
doretus, erklaͤrt. Ihre und anderer Alten Stellen, 

die ein gleiches Urtheil von ihm gefällt haben, findet 
man bey denen geſammelt, welche in den letzten Jahr⸗ 
hunderten ihnen beygetreten find, wie unter andern 
beym Tillemont, (Memoires T. VII. P. I. p. 117. 

fq. ed. in 12.) Auf eben dieſer Seite ſteht Clericus, 
(Unpartheyiſche Lebensbeſchreib. einiger Kirchenvaͤter 
und Ketzer, und befonders in den Epiltolis criticis et 
ecclefiafticis Epift. I. ſaq. Artis Crit. Vol. III.) Das 
gegen hat ſich in der alten Kirche nur Socrates (Hift. 
Eccl. L. II. c. 21.) des Euſebius gegen dieſe Be⸗ 
ſchuldigung ſorgfaͤltig angenommen; deſto ausfuͤhrli⸗ 
licher hingegen unter den Neuern Cave, (Diſſert. de 
Euſebii Caeſar. Arianismo adverſus Io. Clericum, 
und Epiſt. apologet. adverſus eundem, beyde als 
Anhaͤnge feiner Hiſt. litterar. Script. Ecclefiaft.) Man 
kann demſelben auch den Valeſius (de vita et ſeriptis 
Euſebii Caeſ.) beyfuͤgen. Die ganze Unterſuchung 
aber ift fo tief in die Arianiſche Geſchichte überhaupt 
verflochten, daß ſie nur erſt in derſelben einigen Platz 
wird finden koͤnnen. Hier iſt es genug, vorläufig be= 
merkt zu haben, daß, ſo wie Euſebius einer der 
glimpflichſten und gemaͤßigteſten Lehrer mitten unter 
dem Feuer der Arianiſchen Haͤndel blieb, er deſto 
mehr von den hitzigſten Feinden der ebengedachten Lehr⸗ 

5 | füge, 


Leben des Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 191 


ſaͤtze, die zugleich ungemeines Anſehen in der Kirche e 
behaupteten, als ein offenbarer Anhänger derſelben be⸗ FG. 
trachtet worden ſey: die gewoͤhnliche Denkungsart in 306 
ſolchen Streitigkeiten, daß man niemanden einen Mit- bis 
telweg zu gehen; ſondern entweder völlig für oder wi- 332. 
der eine Parthey die Waffen zu ergreifen erlauben will. 
Und keines von beyden hat Euſebius gethan; doch 
war er gewiß immer mehr auf der Seite der ſogenann⸗ 
ten Rechtglaͤubigen. Es fanden ſich auch noch beſon⸗ 
dere Urſachen, ihn nachtheilig zu beurtheilen. Eine 
ſolche hatte die zweite Kirchenverſammlung von Nicaͤa 
gegen das Ende des achten Jahrhunderts. Denn da 
ſie entſchloßen war, die aberglaͤubiſche Verehrung der 
Bilder wieder herzuſtellen, und man eines Schreibens 
des Euſebius an die Conſtantia, die Schweſter des 
Kaiſers Conſtantin, gedachte, worinne er derſelben 
auf ihr Verlangen, ihr ein Bild von Chriſto zu ſchi— 
cken, an Statt zu gehorchen, vielmehr antwortete, ſie 
moͤchte den Erloͤſer als Gott, nicht bloß als einen Men⸗ 
ſchen, betrachten: fo ſchrieen die Biſchoͤfe der Kirchen— 
verſammlung ſogleich, es ſey dieſes ein in verworfenen 
Sinn hingegebener Mann, der einerley Meinung mit 
dem Arius gehabt haͤtte; deßen Gedanken von den 
Bildern alſo gar nicht zu achten wären. (Act. VI. Conc. 
Nic. II.) Die eifrigern Schriftſteller der Roͤmiſchen 
Kirche find ebenfals, nach dem Muſter des Baro— 
nius, (Annal. Eccleſ. ad a. 324.) gewohnt, den Eu⸗ 
ſebius kurz und verächtlich als einen Arianer abzufer⸗ 
tigen, weil ſeine Erzaͤhlungen denenjenigen gerade zu 
widerſprechen, welche ſie von dem Anſehen und den 
Beſitzungen der Roͤmiſchen Bifchöfe zu den Zeiten 
Conſtantins, verbreitet haben. Ueberhaupt aber 
konnte ein Geſchichtſchreiber, der ſeine Pflicht kannte, 
mehr zu erzaͤhlen, als theologiſche Haͤndel ſeiner Zeit 
ent⸗ 


192 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Kn entſcheidend zu beurtheilen, einem ſolchen Schickſale 
€ richt entgehen. 


06 
Sie Unter dieſen weitläufigen Unruhen wurde Euſe⸗ 
337. bius im Jahr 329. oder etwas ſpaͤter, von einer grofe 
ſen Anzahl Biſchoͤfe zum Biſchof von Antiochien ge⸗ 
waͤhlt. Allein er weigerte ſich, dieſe Stelle, eine der 
anſehnlichſten in der ganzen Kirche, anzunehmen, weil 
die Verſetzung von einer Gemeine zur andern durch 
die Kirchengeſetze verboten war. Der Kaiſer lobte ihn 
deswegen in einem Schreiben das er an ihn ablies, un⸗ 
gemein, und pries ihn gluͤcklich, daß ihn das Urtheil 
beinahe der ganzen Welt vor wuͤrdig erkannt habe, 
Biſchof der ganzen Kirche zu ſeyn. (Eufeb. de vita 
Conſt. L. III. c. 61.) Wie viel Gewogenheit auch 
Conſtantinus immer fuͤr ihn gehabt habe, geſteht er 
nicht allein ſelbſt, (1. c. c. 60.) indem er ihn wegen ſei⸗ 
ner Gelehrſamkeit und Sanftmuth ruͤhmt; ſondern 
man ſieht es beſonders aus dem vertraulichen Um: 
gange, den er mit ihm pflog, und aus den Auftraͤgen 
welche er ihm ertheilte. (J. c. L. I. c. 28. L. II. c. 8. 
9. c. 45. 46. L. III. c. 5 1. ſq. L. IV. c. 36. 37.) Eu⸗ 
ſebius bezeigte dagegen die lebhafteſte Dankbarkeit. 
Ihm iſt es dieſer Kaiſer vielleicht hauptſaͤchlich ſchul⸗ 
dig, daß er der Nachwelt ſo ehrwuͤrdig und vollkom— 
men erſchienen iſt. Eine Lebensbeſchreibung wie die— 
jenige iſt, welche er vom Conſtantin aufgeſetzt, und 
die Lobrede welche er zur Ehre deßelben hinterlaßen hat, 
legen feinen an ſich ſchon großen Verdienſten um die 
chriſtliche Religion und Kirche, einen fo hohen Werth 
bey, als niemand leicht erreichen kann. Freylich ge⸗ 
ſteht es Euſebius offenherzig genug, (I. c. L. IV. 
c. 15.) daß ſich feiner und anderer Biſchoͤfe, indem fie 
von dem Kaiſer fo guͤtig und freygebig aufgenommen 
wurden, Freude und Erſtaunen zu ſehr bemaͤchtigt ha⸗ 
en, 


Leben des Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 193 


ben, als daß fie ſich in den Schranken der gewoͤhnki 2". 
chen Ergebenheit und Ehrerbietung haͤtten halten koͤn CG. 
nen. Bey der Feyer ſeines zwanzigſten Regierungsjah⸗ 306 
res, ſchreibt er, zog Conſtantin die ſaͤmmtlichen anwe⸗ bis 
fenden, nunmehr mit einander ausgeſoͤhnten Biſchoͤfe zur 337° 
Tafel und brachte durch ſie gleichſam Gott ein anſtaͤndi⸗ 

ges Opfer dar. Was dabey geſchah, laͤßt ſich kaum 
beſchreiben. Denn die kaiſerlichen Trabanten ſtanden 

in einem Kreiſe, und bewachten den Eingang des Pa⸗ 
laſtes mit bloßen Schwerdtern. Die Maͤnner Gottes 
aber giengen mitten durch fie in das Innerſte des Pas 
laſtes. Einige von ihnen ſpeiſten mit dem Kaiſer 
ſelbſt; die uͤbrigen in der Naͤhe herum. Man konnte 

ſich darunter recht ein Bild von dem Reiche Chriſti 
vorſtellen, ſetzt der durch die Herrlichkeit des Hofs bes 
taͤubte Schriftſteller hinzu: und die Sache ſchien mehr 

ein Traum, als etwas Wuͤrkliches zu feyn.“ — Dies 

ſe Schwachheit, welche Euſebius hier und an andern 
Stellen, in der Bewunderung von allem was Conz 
ſtantinus that, aͤußert, iſt wenigſtens in der Betrach⸗ 
tung verzeihlich, weil man nicht findet, daß er einen 
eigennuͤtzigen oder herrſchſuͤchtigen Gebrauch von feis 
nem Anſehen bey dem Kaiſer gemacht habe. 


Euſebius lebte bis zum Jahr 340. Er war ein 
ſehr eifriger und geſchaͤftiger Lehrer; doch nicht weniger 
gelaßen und friedfertig. Wenn bey ſo vielem was er 
von der Religion geſchrieben hat, doch Zweifel uͤber 
ſeinen Glauben haben uͤbrig bleiben koͤnnen: ſo iſt es 
wahrſcheinlich, daß er ſich aus dem Gedraͤnge der 
ſpitzfkindigſten und heftigſten Streitigkeiten feiner Zeit 
ſo gut zu retten geſucht habe, als es ihm moͤglich war; 
daß er nicht ganz zufrieden mit denen welche ſich Recht⸗ 
glaͤubige nannten, ihnen gleichwohl habe nachgeben, 
aber auch die Entfernung zwiſchen ihnen und den vor 

V. Theil. N Ketzer 


194 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ketzer gehaltenen, die es in feinen Augen etwas weni- 
G. ger waren, habe verringern, und ſich daher im Lehr⸗ 
306 vortrage gewißer Freyheiten bedienen wollen, die man 
bis nicht mehr verſtattete. Dabey hat er eben ſo wenig 
337. manche Fehler vermieden, als jeder andere von beyden 
Partheyen, welcher damals ſich tiefer in die kirchlichen 
Haͤndel eingelaßen hat. Allein darinne iſt man ſtets 
einig geweſen, daß ihn keiner ſeiner Zeitgenoßen unter 
den Chriſten an Gelehrſamkeit und Beleſenheit übers 
troffen habe, oder ihm auch nur voͤllig gleich gekommen 
ſey. Vielleicht iſt ihm uͤberhaupt in der alten Kirche 
nur der einzige Origenes in dieſer Betrachtung vors 
zuziehen. Durch die fiharffianige Anwendung dieſer 
Schaͤtze des Geiſtes, wurde er ein fuͤr die Kirche und 
fuͤr die Wißenſchaften zu allen Zeiten ſehr nuͤtzlicher 
Mann. Es iſt deſto anſtaͤndiger, ihn aus ſeinen 
mannigfaltigen Schriften, und den Zügen die er dar— 
inne von ſich ſelbſt entworfen hat, abzuſchildern, weil 
ihn keine von den Partheyen, zwiſchen welchen er ſei⸗ 
nen Weg fortgegangen iſt, treu genug hat zeichnen koͤn⸗ 
nen. Der von ungemeinem Fleiße, gruͤndlicher Unter⸗ 
ſuchung, Wahrheitsliebe und Maͤſſigung geleitete 
Geiſt des Schriftſtellers, hat ſich beynahe uͤberall kennt⸗ 
lich gemacht: und ſelten wendet er eine ausnehmende 
Muͤhe an, durch ſeine Schreibart zu gefallen. 


Eine ſeiner erſten Arbeiten war ein Werk uͤber 
die allgemeine Zeitrechnung und Geſchichte, 
(Chronicon, mavrocamn ig,. Es beſtand aus 
zween Theilen, davon der erſtere mehr die eigentliche 
Geſchichte, der andere mehr die Zeitrechnung betraf. 
In jenem (xeovoyerPix) hatte er den Urſprung und 
Fortgang aller Voͤlker und Reiche, vom Anfange der 
Welt bis auf den Kaiſer Conſtantinus, dergeſtalt 
angezeigt, daß jede Geſchichte in gewiſſen Ae en 

6 eſon⸗ 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 195 


beſonders geſtellt, die Regierungsjahre der Fuͤrſten be. Ten 
ſtimmt, und manche Begebenheiten auch etwas um 
ſtaͤndlicher erzaͤhlt wurden. Aber im zweyten Theile 306 
(xeavmds neter) machte er aus dieſen chronolog iſchhi⸗ bis 
ſtoriſchen Sammlungen gleichſam eine einzige Tabelle, 337. 
auf welcher man von zehn zu zehn Jahren, nach den 
verſchiedenen Arten der Zeitrechnung bey verſchiedenen 
Nationen, die Regenten und merkwuͤrdigſten Veraͤn⸗ 
derungen, von der Berufung Abrahams an, in ei— 
nem gleichzeitigen Zuſammenhange uͤberſchauen konnte. 
Bey dieſem eben ſo muͤhſamen als nuͤtzlichen Werke, 
wußte zwar Euſebius das Jahrbuch der Welt⸗ 
geſchichte vom Jultus Africanus, das anderwaͤrts 
(Th. IV. S. 148. fg.) beſchrieben worden iſt, ſo wohl 

zu gebrauchen, daß er es groͤßtentheils in das ſeinige 
einruͤckte; aber er wich auch oͤſters von demſelben \ ab, 
ergaͤnzte es aus dem Manetho, Apollodorus/ Jo⸗ 
ſephus, und andern Alten, ingleichen aus eigenen 
Kenntniſſen oder Eroͤrterungen, und brachte ſolcher— 
geſtalt, ob er gleich ſich auch hin und wieder verirrte, 

ein Buch zu Stande, das ſeines gleichen in dem Als 
terthum nicht hatte. 


Allein dieſes wichtige Werk iſt verloren gegangen. 
Hieronymus überfeßte es zwar am Ende des vierten 
Jahrhunderts in die lateiniſche Sprache; er ſetzte es 
auch bis auf den Todt des Kaiſers Valens fort. Da 
er aber aus verſchiedenen Geſchichtſchreibern, eige— 
nen Begriffen und herrſchenden Sagen, viele Zuſaͤtze 
machte, und manches wegließ: ſo blieb es nicht mehr 
das Werk des Euſebius; und ſelbſt dieſe ſogenannte 
Ueberſetzung iſt nicht ganz auf unſere Zeiten gekom⸗ 
men. Unterdeſſen haben ſich doch von der griechiſchen 
Urſchrift anſehnliche Stuͤcke in den fpätern Schriftſtel⸗ 
lern der Byzantiniſchen Geſchichte, wie im Georgtus 

N 2 Syn 


196 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Syncellus, Cedrenus, Jonaras, und andern mehr, 
erhalten, weil fie die Arbeit des Euſebius haͤuffig in 
06 die ihrige uͤbertrugen. Dieſe Ueberbleibſale vollſtaͤn⸗ 
bis dig zu ſammeln, übernahm zuerſt Joſeph Scaliger; 

337. er glaubte aber, daß er außer denen die ausdruͤcklich 
unter dem Nahmen des Euſebius vorkommen, noch 
manche andere in jenen Geſchichtſchreibern, an der 

Uebereinſtimmung mit der Schreibart deſſelben entdeckt 

habe. Hierinne irrte er ſich zwar bisweilen; nahm 

jedoch zugleich Gelegenheit, aus dieſen Truͤmmern ein 
vortreffliches Gebaͤude fuͤr die alte Zeitrechnung und 

Geſchichte zu errichten. Er fügte dieſen Ueberbleibſa— 

len, die er durch Ueberſetzungen aus dem Lateiniſchen 

des Hieronymus noch vollſtaͤndiger zu machen ſuchte, 
nicht nur die vorhergedachte Arbeit des letztern, ſon— 
dern auch ihre Fortſetzungen vom Proſper Aquita⸗ 
nicus, Victor Tununenſis, Johannes Bi⸗ 
clarienſis, Idactus, und Marcellinus Comes, 
dem griechiſchen Texte aber, ähnliche griechiſche Schrif— 
ten von Zeitrechnern und Chronikenſchreibern bey. 

Dieſer ganze Vorrath endlich erhielt theils durch Sca⸗ 

ligers Anmerkungen über das Werk des Euſebius in 

beiden Sprachen, (Animadverſiones in chronologica 

Euſebii) theils durch ſeine Einleitung zur aͤltern Zeit⸗ 

rechnung überhaupt, (Iſagogicorum chronologiae 

Canonum Libri tres) eine fo ausnehmende Brauch⸗ 

barkeit, daß man das Werk worinne dieſes alles ent⸗ 

halten iſt, als eines der vornehmſten zur Aufklaͤrung 
der alten Geſchichte und Zeitrechnung betrachten muß. 

Es erſchien zuerſt unter der Aufſchrift: Theſaurus 

Temporum Eufebii Pamphili, cet. Lugd. Bat. 1606. 

fol. Die zweyte Ausgabe aber, die im Jahr 1658. 

zu Amſterdam, beſorgt vom Alexander Morus 

herauskam, erhielt durch die hinterlaſſenen Anmerkun⸗ 

gen Scaligers, noch beträchtliche 9 

n 


Schrift. d Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 197 


In den neuern Zeiten ſind die Unterſuchungen übern 
dieſes Werk des Euſebius fortgeſetzt worden. Be- & CG. 
ſonders hat ein Geiſtlicher von der Kongregation des 306 
Oratorium zu Verona, Sieronymus de Prato, bis 
in einem eigenen Buche, (de Chronicis libris duobus 337° 
ab Euſebio Caeſarienſi ſeriptis et editis Diſſertatio, 
Veronae 1750. 8.) und nachmals in ſeiner Ausgabe 
des Sulpicius Severus (Tomo II. Veronae 1754. 
4. Diſſertat. II.) zu beweiſen geſucht, daß Hieronymus 
nur den zweyten Theil von der Chronik des Euſebius 
uͤberſetzt, daß man beiden Theilen nach dem Vorgange 
des Scaliger unrechte Nahmen beigelegt, noch nicht 
alle übrig gebliebene Stuͤcke der Urſchrift erkannt, und 
in den anerkannten manches falſch verſtanden habe. 
Er gab alſo zugleich eine Probe einer neuen Ausgabe 
von den griechiſchen Ueberbleibſalen des Werks; die 
aber nicht erfolgt iſt. 


Obgleich Euſebius in demſelben auch fuͤr die 
Ehre und zuverlaͤßige Geſchichte der chriſtlichen Reli⸗ 
gion geſorgt hatte; fo arbeitete er doch zur unmittelba— 
ren Beſtaͤtigung und Ausbreitung derſelben, auch in 
beſondern Werken. Von dieſer Art war dasjenige 
welches er unter der Aufſchrift: Evangeliſche Vor⸗ 
bereitung, oder Vorbereitung zum Beweiſe der 
Wahrheit des Evangelium, (agen Eu- 
Eu ingleichen "EvayyeAmäs eimodsigews- xgo- 
magxsreun.) Er richtete es in funfzehn Buͤchern 
an den Biſchof von Laodicea, Theodotus, und ſamm— 
lete darinne eine große Menge von guͤnſtigen Vermu⸗ 
thungs⸗ und andern Gründen, auch Stellen heidniſcher 
und juͤdiſcher Schriftſteller, um dadurch die Gemuͤther 
dre Leſer zur beſſern Aufnahme des Beweiſes von der 
Wahrheit der chriſtlichen Religion, vorzubereiten. Ei⸗ 


gentlich zeigt er in den PR erſten Büchern, daß die 
N 3 heidni⸗ 


198 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sheidniſche Religion und Theologie ungereimt ſey; in 

RAN den neun übrigen aber, wie weit mehr das Chri⸗ 

306 ſtenthum verdiene, angenommen zu werden. 

bis 5 

337. Den Anfang macht Euſebius damit, daß er eine 
Beſchreibung von dem Evangelium und von der chriſt⸗ 
lichen Froͤmmigkeit mittheilt, und darauf die Vor⸗ 
wuͤrſe widerlegt, welche von Heiden und Juden gegen 
die Chriſten vorgebracht wurden. Dergleichen waren 
es, daß ſie ihre Lehrſaͤtze und Erzaͤhlungen mit unver⸗ 
nuͤnftigem Glauben und ſchnellem unuͤberlegten Bey— 
fall angenommen hatten, und daher auch die Glaͤubi— 
gen genannt wuͤrden, weil ſie bloß glaubten, aber keine 
Gruͤnde und Beweiſe anfuͤhren koͤnnten; daß ſie eine 
vollig neue, von allen Voͤlkern verſchiedene Religion 
und Lebensart eingeführt, und die allgemein anerkann-⸗ 
ten, fuͤr ihr Vaterland wohlthaͤtigen Goͤtter verlaſſen 
hätten; daß fie die Schriften der Juden gegen dieſe 
ſelbſt mißbrauchten, ſich die Verheiſſungen anmaaßten, 
welche dieſen allein durch ihre Propheten gegeben wor⸗ 
den wären, und dagegen nur die angekuͤndigten Stra— 
fen dieſer Nation uͤberlieſſen; daß fie das Geſetz derſel— 
ben uͤbertraͤten, und gleichwohl die Belohnungen ſich 
zueigneten, welche auf die Beobachtung deſſelben ge- 
ſetzt worden waͤren. Indem er alle dieſe Beſchuldi⸗ 
gungen abweiſet, dringt er unter andern darauf, daß 
der Glaube der Chriſten auf Thatſachen, nicht auf 
bloßen Worten, beruhe; daß dieſe Religion der Welt 
mehr Frieden geſchenkt, die Wildheit der Voͤlker auf: 
geheben, und unter andern herrlichen Lehren, ſonder— 
lich die Unſterblichkeit der Seele bekannt gemacht habe. 
Er bemerkt weiter, daß es fuͤr die im Nachdenken un⸗ 
geuͤbt en nothwendig ſey, bloß zu glauben; Schorfſin⸗ 
nigere hingegen das Chriſtenthum auch unterſuchen 
muͤßten. Vorzüglich beweiſet er, mit wie vielem 
f Rechte 


Schrift. d. Euſebius, Biſch von Caͤſarea. 199 


Rechte die Chriſten der heidniſchen Religion entſagt > 
haͤtten, aus der Beſchaffenheit dieſer letztern. Zuerſt . G. 
erzählt er alfo die Meinungen der Griechen vom Ur- 306 
ſprunge der Welt, beſchreibt die Verehrung der Ge- bis 
ſtiene, als den aͤlteſten Goͤtterdienſt, und erklärt in- 337. 
ſonderheit die alte Phoeniziſche Theologie. Hier ruͤckt 

er das ſo beruͤhmt gewordene Ueberbleibſal aus den 
Schriften des phoeniziſchen Philoſophen, Sanchu— 
niathon, nach der griechiſchen Ueberſetzung des Philo 
von Byblos, ein; das, wenn es auch nicht nach al= 

len Umſtaͤnden aͤcht ſeyn ſollte, doch als ein altes Denk⸗ 

mal immer ſchaͤtzbar, und zum Beweiſe von dem Ur— 
ſprunge der Goͤtter aus Menſchen, auch andern Er— 
laͤuterungen der heidniſchen Theologie, hinlaͤnglich ſeyn 
wuͤrde. 


Von den Phoenizifchen Religionslehren acht der 
Verfaſſer im zweiten Buche zu den aͤgyptiſchen, und 
bald darauf zu den griechiſchen, uͤber. Jene werden 
zum Theil mit den Worten des Manetho, dieſe aus 
dem Diodor von Sicilien, dem Evemerus, und 
der geheime Gottesdienſt der Griechen inſonderheit, 
aus dem Clemens von Alexandrien, erklaͤrt. Euſe⸗ 
bius macht es darauf begreiflich, mit wie vielem Rechte 
die Chriſten eine Religion von fo ſchlechten Grundſaͤ⸗ 
gen, und Tempel, die man vielmehr Begraͤbnißplaͤtze 
nennen moͤchte, verlaſſen haben. Er zeigt weiter, daß 
die Theologie des Plato nicht beſſer zuſammenhaͤnge; 
ingleichen daß die allegoriſchen Deutungen, welche die 
Griechen von ihren Fabeln machten, von den Roͤmern 
ſelbſt verworfen worden waͤren. 


Da aber dergleichen Deutungen der aͤgyptiſchen 
und griechiſchen Goͤttergeſchichte aus der Naturkunde 
und Sittenlehre, von ſcharfſinnigen Maͤnnern haͤuffig 
erſonnen worden waren, und viel Gluͤck gemacht hat⸗ 

N 4 ten: 


200 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sten: ſo thut Euſebius im dritten Buche dar, wie 

"8.6, gezwungen und oft ungereimt fie find, wie viele Wi⸗ 

306 der ſpruͤche dagegen die Heiden felbft begangen haben, 

bis und wie wenige Weisheit in jener vermeinten Geheime 

337. niſſen verborgen liege. Sodann entwickelt er die Nich⸗ 
tigkeit und die Betruͤgereyen der Orakelſpruͤche und der 
Wahrſagerkuͤnſte. Damit faͤhrt er im vierten und 
fuͤnften Buche fort, wo er ferner zu beweiſen ſucht, 
daß die Opfer und andere Arten des Goͤtterdienſtes, 
nicht Goͤttern, ſondern boͤſen Geiſtern, von welchen 
Chriſtus das menſchliche Geſchlecht befreyet habe, ges 
leiſtet worden waͤren. Das ſechſte Buch aber wi⸗ 
derlegt die heidniſche Lehre vom Schickſal und dem Ein⸗ 
fluffe der Geſtirne auf die menſchlichen Handlungen, 
ausführlich. Zugleich wird die Freyheit des menſchli⸗ 
chen Willens behauptet, und gut beſtimmt. 


Nachdem Euſebius ſo weit die Gründe angege— 
ben hat, warum die Chriſten allen verſchiedenen Arten 
der heidniſchen Theologie entſagt haben, (denn in der 
That liegt hier die Eintheilung derſelben in die poeti⸗ 
ſche oder hiſtoriſche, die phyſikaliſche oder phi⸗ 
loſophiſche, und die politiſche oder Staats ⸗Theo⸗ 
logie, zum Grunde:) ſo belehrt er die Heiden auch, 
weswegen die Chriſten vielmehr das juͤdiſche Reli⸗ 
gionsgebaͤude angenommen haben. Es iſt, ſagt er 
im ſiebenten Buche, unter allen das vortrefflichſte, 
und den Menſchen nuͤtzlichſte. Die Benſpiele fo vie 
ler frommen Hebraͤer vor dem Moſes, reitzen ſchon 
zur Nachahmung. In der Juͤdiſchen Religion aber, 
welche feit dieſem Geſetzgeber eigentlich erſt aufgekom⸗ 
men iſt, wird von der Schoͤpfung der Welt und des 
Menſchen, von Gott dem hoͤchſten Urheber aller Din⸗ 
ge, und von dem zweyten Weſen (Jevrege Eria) 
und göttlichen Kraft, von welcher alles Geſchaffene 

ent⸗ 


Schrift. d. Euſebius, Biſch von Cäfaren.201 


entſprungen iſt, die vor allen andern Dingen vorhan⸗ E= 
den war, von ber erſten groͤßern Grundurſache ge- J G. 
zeugt, und als ein Arzt der Seelen an die Menſchen 306 
geſandt worden, vieles beym Moſes, Philo und an- bis 
dern gelehrten Juden, vorgetragen. Außer dieſem 337 
zweyten Weſen, welches die Hebraͤer das Wort, die 
Weisheit und Kraft Gottes, auch die Sonne der Ge— 
rechtigkeit nennen, weil es alle Geſchoͤpfe weit über« 
trifft, giebt es noch ein drittes, das gleichſam die 
Stelle des Mondes vertritt, den heiligen Geiſt, den 

die Hebraͤer auch unter die Grundurſachen des Gefchaf- 
fenen ſetzen, nemlich der ſpaͤter hervorgebrachten Dinge 

in den niedrigern Claſſen. Dieſen theilt er alfo in der 
dritten Stelle, welche er einnimmt, feine Güter ders 
geſtalt mit, wie er ſie von einem andern, nemlich Gott 
dem Worte, als einem hoͤhern und vortrefflichern, em⸗ 
pfaͤngt; der wiederum das ſeinige aus der immer flieſ— 
ſenden Quelle des Vaters ſchoͤpft. Weiter lehren die 
Hebraͤer allein richtig von den Engeln und boͤſen Gei« 
ſtern, welche letztere ſich zu Göttern aufgeworfen has 
ben; von der Natur des Menſchen, auch von der Ma— 
terie, ohne welche ſie Gott alles erſchaffen laſſen, und 

der ſie keine Ewigkeit beylegen. 


Hierauf kommt Euſebius im achten Buche 
dieſes Werks auf die Quellen der juͤdiſchen Religion, 
und die Bekanntmachung derſelben unter den Griechen 
durch die Alexandriniſche Ueberſetzung. Die Geſchichte 
derſelben erzaͤhlt er nach dem Ariſteas; zeigt, daß 
dieſe heilige Schriften nicht allein einen offenen und 
in die Augen fallenden, ſondern auch einen geheimen 
Verſtand haben, und macht eine Beſchreibung von 
der Juͤdiſchen Religions- und Staatsverfaſſung, die 
Moſes geſtiftet hat. Zur Empfelung dieſes Glau⸗ 
bens dient ferner die vollkommenere Heiligkeit der juͤdi⸗ 

N 5 ſchen 


202 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Spſchen Philoſophen, der Eßaͤer, die ſich von der 
CG. Schale der Geſetze und Gebraͤuche frey gemacht, und 
306 ein fo bewundernswuͤrdiges Leben geführt haben: ins 
bis gleichen die ausnehmende Weisheit anderer Mitglieder 
337. dieſer Nation, beſonders des Philo, ſowohl in goͤtt⸗ 
lichen als andern Wiſſenſchaften. 


Nun bedient ſich Euſebius vom neunten Buche 
an, zu eben dieſer Abſicht, der griechiſchen Schrift- 
ſteller des Heidenthums. Die vornehmſten unter den⸗ 
ſelben haben, wie er durch viele Beiſpiele zu beweiſen 
ſucht, der Geſchichte und Religion, der Geſetze und 
Sitten der Juden haͤuffig gedacht, auch beruͤhmte 
Maͤnner unter denſelben nahmentlich angefuͤhrt; aber 
eben dadurch die Wahrheit von dieſem allem beſtaͤtiget. 
Noch mehr, (und dieſes iſt der Inhalt des zehnten 
und der drey folgenden Bücher dieſes Werks,) 
alles Gute was die Griechen in der Philoſophie gedacht 
und geſchrieben, haben ſie von den Hebraͤern, einem 
weit aͤltern Volke als das ihrige war, entlehnt. Ihre 
eigenen Schriftſteller, wie zum Beiſpiel, Dorpbyz 
rius, geſtehen es, daß fie einander felbft beſtohlen ha⸗ 
ben; die Nahmen ihrer Buchſtaben ſelbſt beweiſen ei⸗ 
nen hebraͤiſchen Urſprung. Beſonders aber hat Diaz 
to, der weiſeſte unter ihnen, alles Wahre und Nuͤtz⸗ 
liche was man bey ihm antrifft, aus dem Moſes 
und den Propheten genommen. Dieſer Beweis, der— 
gleichen ſchon Clemens von Alexandrien und an: 
dere chriſtliche Lehrer vorgetragen hatten, wird hier 
ungemein weitlaͤuſig, und mit Huͤlfe auch der entfern⸗ 
teſten Aehnlichkeiten, gefuͤhrt. Zuletzt beantwortet 
der Verfaſſer auch den Einwurf, warum die Chriſten, 
bey ſolcher Bewandniß der Sache, nicht lieber dem 
Plato, als den Juͤdiſchen Schriftſtellern, folgten? 


Noch 


Schrift d. Euſebius, Viſch. von Cäftren.2o3 


Noch einen wichtigen Grund, die juͤdiſchen Schrif⸗ = 
ten und Religionslehren den heidniſchen vorzuziehen, x. G. 
haben die Chriſten, wie Euſebius im vierzehnten 306 
und funfzehnten Buche feines Werks darthut, dar- bis 
inne gefunden, daß unter den heidniſchen Philoſo- 337. 
phen durchgaͤngig und in allen Hauptmeinungen die ans 
ſtoͤßigſte Uneinigkeit, bloße Muthmaaßungen, Wortge— 
zaͤnke und Irrthuͤmer in großer Menge herrſchen; bins 
gegen die juͤdiſchen und chriſtlichen Schriftſteller von 
Glauben und Tugend, genau mit einander uͤbereinſtim— 
men. Nur jenes wird eigentlich von ihm an ſehr vie— 
len Beiſpielen bewieſen: eine von den aͤltern Zeiten 
her, ſehr beliebte, und in der That auch leichte Art des 
Angrifs der Chriſten auf die heidniſche Religion. 


Sehr wenige aber unter ihren Schriftſtellern ha⸗ 
ben bey dieſer und andern Beſtreitungen des Heiden— 
thums eine fo ausgebreitete gelehrte Beleſenheit ange— 
bracht, als Euſebius in dieſem Werke, das man 
wuͤrklich ein durch die Verbindung unzaͤhlicher und ſehr 
weitlaͤufiger Stellen aus den Buͤchern heidniſcher und 
juͤdiſcher Gelehrten errichtetes Gebaͤude nennen kann. 
Dieſe Sammlung hat vorzuͤglich in der Geſchichte der 
heidniſchen Religion und Philoſophie, noch immer ih⸗ 
ren beträchtlichen Nutzen; fie iſt auch deſto angeneh⸗ 
mer, weil ſie eine ziemliche Anzahl Stuͤcke aus Wer⸗ 
ken der Alten, die nunmehr laͤngſt verlohren gegangen 
‚ find, aufbehalten hat. Der Verfaßer hat fie nach ei⸗ 
nem ziemlich wohl überdachten Entwurfe angelegt, und 
durch manche ſcharfſinnige Betrachtungen eines nach⸗ 
denkenden Leſers wuͤrdiger gemacht; wenn er gleich hin 
und wieder etwas zu freygebig im Sammeln geweſen 
zu ſeyn ſcheint, oder manches den Heiden entgegengeſetzt 
hat, das die erwarteten Dienſte nicht thun konnte. Um 
den neuern Gebrauch dieſes Werks hat ſich der franzoͤſt— 

N ſche 


204 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


ge Jeſuit Franciſcus Vigerus, durch die Berich⸗ 
FG. tigung des Textes, feine beßere lateiniſche Ueberſetzung 
206 als die alte des Trapezuntius war, und Anmerkun⸗ 
bis gen verdient gemacht, mit welche er es (zu Paris 
337-1628. Fol.) ans Licht geſtellt hat. Dieſe Ausgabe iſt 
im Jahr 1688. zu Leipzig, (obgleich Ein auf dem 
Titel ſteht,) nachgedruckt worden. 


Auf dieſe Vorbereitung ließ Euſebius den ver⸗ 
ſprochenen Beweis von der Wahrheit des Evan⸗ 
gelium, (Evayyerch an det) in einem andern 
Werke von zwanzig Buͤchern, gleichfals an den 
Biſchof Theodotus, folgen; von welchen ſich aber 
nur zehn erhalten haben. Dieſer Beweis wird eigent⸗ 
lich gegen die Juden gefuͤhrt, und iſt daher aus ihren 
heiligen Schriften genommen. Gleich Anfangs beruft 
ſich der Verfaßer darauf, daß die Juͤdiſchen Prophe⸗ 
ten mit ungemeiner Deutlichkeit und Umſtaͤndlichkeit 
vorhergeſagt haben, wie Chriſtus, das Wort Got⸗ 
tes, ſelbſt Gott und Herr, und der Engel des 
großen Raths, ein Menſch werden, Wunder ver⸗ 
richten, leiden, ſterben, und wieder in den Himmel 
kehren, und wie ſeine Religion von Juden und Heiden 
aufgenommen werden wuͤrde. Da dieſes nun, ſo 
faͤhrt er fort, mit Rechte als ein Hauptbeweis fuͤr das 
Chriſtenthum angeſehen werde, daß man Chriſto nur 
auf dieſes wichtige Zeugniß der Propheten von ihm 
glaube: fo habe er denſelben ausführen wollen: nicht ſo⸗ 
wohl zur Beſtreitung der Juden; als vielmehr, um ihre 
eigene Religion durch die erwieſene Erfuͤllung jener 
eiſſagungen zu befeſtigen. Hingegen wolle er zugleich 
auch den Heiden dadurch zeigen, daß es eine Ver— 
laͤumdung ſey, vorzugeben, als wenn die Chriſten gar 
nichts beweiſen koͤnnten; ſondern alles nur glauben 
müßten. Hauptſaͤchlich aber ſey es ſeine Abſicht, den 


Vor⸗ 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 205 


Vorwurf der Juden zu widerlegen, daß die Chriſten In 
zwar ihre heilige Schriften gebrauchten; aber nicht ei- N G. 
nerley Sitten mit ihnen beobachteten. = 
bis 
Zuvoͤrderſt alfo legt Euſebius den Unterſcheid vor 337. 
Augen, der ſich zwiſchen der jüdifchen, heidniſchen und 
chriſtlichen Religion finde, und wendet beſonders viele 
Muͤhe darauf, im erſten Buche zu beweiſen, daß 
die Staatsverfaßung und das Geſetz des Moſes nur 
fuͤr ein einziges Volk errichtet worden; daß hingegen 
die chriſtliche Lehre für alle Voͤlker beſtimmt geweſen; 
und daß die Religion der Chriſten mit der Patriacchen 
ihre. eben dieſelbe ſeyp. Den letztern dieſer Saͤtze leitet 
er aus folgenden Gruͤnden her: weil die Patriarchen 
nur Einen Gott verehrt haͤtten; weil ihnen Chriſtus 
eben ſowohl als den Chriſten bekannt geweſen, auch 
wuͤrklich erſchienen wäre, und feinen Nahmen gleich— 
fals ertheilt habe; wobey er ſich unter andern auf die 
Stelle bezieht: „Taſtet meine Geſalbten (Xeisss) 
nicht an“; ) weil fie nichts vom Moſaiſchen Caͤrimonial⸗ 
geſetze gewußt, und weil fie auch nicht an einem bes 
ſtimmten Orte, ſondern überall, Gott angebetet haͤt⸗ 
ten. Daraus ſchließt Euſebius, daß man das Alte 
Teſtament auch das Neue nennen koͤnne; und daß zwi⸗ 
ſchen beiden das Geſes Moſis gleichſam als ein Arzt 
fuͤr die an der aͤgyptiſchen Abgoͤtterey krankliegenden 
Juden gekommen ſey, der ſie davon zur Verehrung 
des einzigen Gottes zuruͤckgefuͤhrt, und deswegen an 
ſo viele Caͤrimonien gebunden habe; bis endlich dieſe 
nach der Zerſtoͤrung von Jeruſalem aufgehoben, und 
die patriarchaliſche Religion wieder hergeſtellt worden 
ſey. Eine großentheils wohlgerathene Vergleichung 
zwiſchen den Lehren Moſis und Chriſti, und eine 
Unterſuchung, warum dieſer das Caͤrimonialgeſetz er⸗ 
pr habe, folgt hierauf. Der Verfaßer macht 0 ich 
aber 


206 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


* aber auch die Einwuͤrfe, daß doch die Patriarchen Kin⸗ 
Fader gezeugt, und Gott Opfer dargebracht, mithin ſich 
306 von den Chriſten darinne unterſchieden haͤtten. Die 
bis Beantwortung des erſtern Einwurfs iſt allein merkwuͤr— 
337. dig. Bey den Patriarchen, ſagt Euſebius, war 
dieſes noͤthig, weil in den erſten Zeiten der Welt fuͤr 
ihre Bevoͤlkerung geſorgt werden mußte. Sie konnten 
auch weit ungehinderter als die Chriſten, mit den ihris 
gen die Gottſeligkeit ausuͤben. Sie wollten, bey der 
uͤberhandnehmenden Anzahl der Gottloſen, doch eine 
fromme Nachkommenſchaft hinterlaßen; hoͤrten aber 
dennoch zeitig mit Kinderzeugen auf. Daß aber viele 

Chriſten ſich der Ehe enthalten, kommt davon her, 
weil in der Kirche Gottes zwepyerley Lebenssrz 
ten feſtgeſetzt worden ſind. Die eine geht uͤber unſere 
Natur und das gemeine Leben hinaus, verlangt keine 
Kinder noch Guͤter, nimmt gar keinen Antheil an den 
gewoͤhnlichen Beſchaͤftigungen der Menſchen, und iſt 
bloß dem Dienſte Gottes, aus unermeßlicher Liebe zum 
Himmliſchen, gewiedmet. Diejenigen welche folche ges 
bensart ergriffen haben, befinden ſich mit ihren Sinn 
und Gemuͤthe im Himmel, und ſind fuͤr ihr ganzes Ge⸗ 
ſchlecht Gott geweiht, indem ſie durch richtige Lehren 
der wahren Gottſeligkeit, durch die Faßung einer ges 
reinigten Seele, auch durch tugendhafte Werke und 
Worte, die Gottheit verföhnen, und für ſich fos 
wohl als diejenigen, die mit ihnen gleichen Geſchlechts 
find, das Drieſterthum verwalten. Die andere 
Lebensart iſt weniger anſtrengend, und menſchlicher, 
enthaͤlt ſich der ordentlichen Arbeiten und Geſchaͤfte 
nicht, hat gewiße Tage zu andaͤchtigen Uebungen; 
ſteht aber nur auf der zweyten Stufe der Gottſeligkeit. 
Die Ehe iſt alſo auch durch das Chriſtenthum nicht vers 
boten, ſondern vielmehr geehrt geblieben. Nur der 
vollkommnere Chriſt tritt nicht in dieſelbe; der 1 
l dar 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 207 


darf nur einmal heyrathen, und wer zum Lehrer beſtellt⸗ 


\ 


worden iſt, muß dem vertrautern Umgange mit feiner g. G. 


Frau entſagen. 


Im zwepten Buche beweiſet hierauf Euſebius, 
daß die goͤttlichen Verheißungen durch die Propheten 
von einem Erloͤſer, welche ſich die Juden allein zuei⸗ 
gneten, fuͤr alle Voͤlker gegeben worden waͤren; daß 
nach eben denſelben Weißagungen, die Erkenntniß und 
Verehrung Chriſti von allen Voͤlkern angenommen 
werden ſollte; daß jene auch die Verwerfung der Juden, 
zur Zeit der Berufung der Heiden durch Chriſtum, 
angekuͤndigt hätten; endlich, daß zu Folge dieſen Vor⸗ 
herſagungen, nur wenigen Juden die Ankunft Chris 
ſti, wegen des Unglaubens der meiſten von dieſem 
Volke, heilſam werden follte, 


Nach dieſer Einleitung zu ſeinem Werke, naͤhert 
ſich der Verfaßer dem Hauptinhalte deßelben im dritz 
ten Buche. Er zeigt nemlich zuerſt, daß Jeſus 
Chriſtus der wahre Heiland der Welt ſey, indem die 
Propheten von Chriſto ſelbſt das Wort Evangelium 
gebraucht, und überhaupt ſehr haufig von ihm geweif⸗ 
ſagt haͤtten. Euſebius findet hier ſehr viele Aehn⸗ 
lichkeiten zwiſchen Moſes und Chriſtus, unter wel⸗ 
chen auch dieſe mehr gekuͤnſtelte vorkommen, daß 
Moſes das gelobte Land, Chriſtus den Himmel ver⸗ 
ſprochen, jener zwoͤlf Kundſchafter in das gedachte 
Land, dieſer zwoͤlf Apoſtel zur Beſichtigung aller Voͤl⸗ 
ker ausgeſandt habe; ingleichen, daß weder des erſtern 
Tod und Grab jemand gewußt, noch des letztern Ver⸗ 

wandlung in die Gottheit jemanden bekannt gewor⸗ 
den ſey. Auf der andern Seite beweiſet Euſebius weit— 
laͤufig, daß Jeſus nicht, wie die Unglaͤubigen ihm 
Schuld gegeben haben, ein Betruͤger oder Gauckler ge⸗ 
i weſen 


306 
bis 
337. 


208 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


d weſen fen. Beſonders rettet er die Wunder We 
G. gegen feindfeelige Vorwuͤrfe. 


225 zu 5 
bis Die Lehre von der Gottheit Chriſti und von An 
337. Menſchwerdung, erörtert der Verfaſſer im vierten Bu⸗ 
che. Was die erſtere betrift, nennt er ihn den einzigen 
Sohn des einigen wahren Gottes, die erſtgebohrne 
Weisheit Gottes, den auf eine unbeſchreibliche Art ges 
bohrnen Gott, und das Bild Gottes. Chriſtus iſt, nach 
der Erklaͤrung des Zufebius, vor allem andern von 
dem Vater, als ein in feiner Art einziges, beſeeltes und 
lebendiges, oder vielmehr goͤttliches, lebendigmachen⸗ 
des und allweiſes Werkzeug aller Weſen und Naturen 
hervorgebracht worden, das alles Gute erzeugen, 
Himmel und Erde erbauen, Engel ſchaffen, Geiſtern 
befehlen, und Seelen erretten ſollte. In Anſehung 
der Menſchwerdung Chriſti, behauptet er, Gott habe 
den Menſchen die Engel zu Beſchuͤtzern und Hirten ge⸗ 
geben; noch uͤber dieſelben aber, und uͤber die from⸗ 
men Seelen, welche in der heiligen Schrift Jacob 
und Iſrael heißen, ſeinen einzigen Sohn zum Fuͤr⸗ 
ſten geſetzt, wie Woſes bezeuge. Der Sohn Got⸗ 
tes habe die ihm untergebenen Menſchen zur Vereh⸗ 
rung ſeines Vaters angefuͤhrt; allein die Engel haͤtten 
die andern Voͤlker zur Betrachtung des Himmels gelei⸗ 
tet, um daraus den unſichtbaren Gott zu erkennen: 
und die boͤſen Geiſter, ſonderlich ihr Oberhaupt, habe 
die Fabeln von den Goͤttern erſonnen, auch die Men⸗ 
ſchen durch allerhand Wolluͤſte gereitzt; durch welche 
beide Mittel er nach und nach alle Menſchen ſeiner 
Herrſchaft unterworfen habe. Da nun die Engel nicht 
im Stande waren, dieſes Verderben aufzuheben, weil 
die Freyheit der Menſchen in der Wahl des Boͤſen, 
und die Bosheit der Teufel zu groß geweſen ſey: ſo 
habe der allgemeine Erloͤſer zuerſt durch den Moſes 
ö die 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 209 


die Hebraͤer warnen laßen; als aber auch dieſe den = 
Weg der uͤbrigen Voͤlker gegangen waͤren, ſey er ſelbſtd G. 
in die Welt gekommen, um den Engeln Huͤlfe zu lei- 306 
ften, die ihm auch gleich als ihrem Herrn gedient hat- bis 
ten; ferner, um die Teufel zu überwältigen, und über 337. 
alle Menſchen zu herrſchen. Dieſes alles habe er 
wuͤrklich ausgefuͤhrt, und ſey endlich geſtorben, damit 

er uͤber Todte und Lebendige herrſchen, unſere Suͤn⸗ 
denflecken abwiſchen, und Gott als ein Opfer fuͤr die 
ganze Welt dargebracht werden moͤchte. Daß aber 
feiner, unter dem Nahmen Chriſtus, und gewißers 
maaßen auch Jeſus, ſchon im Alten Teſtamente ſehr 

oft gedacht worden ſey, ſucht Euſebius am Ende die⸗ 

ſes Buchs darzuthun. 


Alles uͤbrige was im fuͤnften und den folgenden 
fünf Buͤchern dieſes Werks vorkoͤmmt, läuft haupt⸗ 
ſaͤchlich auf den Beweis hinaus, daß jede Behauptung 
und Erzaͤhlung der Evangeliſchen Geſchichte von Chri⸗ 
ſto, bereits von den Juͤdiſchen Propheten vorher vers 
kuͤndigt worden ſey. Vorlaͤufig widerlegt Euſebius 
diejenigen, welche vorgaben, die Goͤtterausſpruͤche unter 
den heidniſchen Voͤlkern hätten denſelben ohngefaͤhr eben 
ſolche Lehren und Weißagungen mitgetheilt, als die 
juͤdiſchen Propheten ihrer Nation. Er zeigt dagegen, 
daß jene Goͤtterſpruͤche nicht unter der Veranſtaltung 
des wahren Gottes, ſondern von boͤſen Geiſtern muͤſ— 
ſen gegeben worden ſeyn, und beruft ſich unter andern 
auch darauf, daß fie mit der Ankunft Chriſti in der 
Welt gaͤnzlich aufgehört hätten, Die Gottheit Chris 
ſti, welche er beſonders aus den zwo Stellen, Evang. 
Johann. C. I. v. 1. fg. und Br. an die Coloſſ. C. I. 
v. 15. 16. beweiſet, findet er in etwan dreyßig Stel— 
len des Alten Teſtaments deutlich ausgedrückt, darun⸗ 
ter folgende einige der merkwuͤrdigſten ſind: 1 B. Moſ. 

V. Theil. O C. XIX. 


210 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


ne. XIX. v. 24. 2 B. C. XXIII. v. 20. Pfalm XXXIII. 
G. v. 6. XLV. v. 7. CX. v. 1. fg. Spruͤche Salom. C. 
306 VIII. v. 22. Jeſaias C. XLV. v. 14. 15. C. XI. VIII. 
bis v. 12. fgd. Zachar. C. II. v. 8. fad. Hierauf ſucht er 
337. im ſechſten Buche, vorzuͤglich aus Stellen der Pfals 
men und des Jeſaias, darzuthun, daß die Erſchei⸗ 
nung Chriſti unter den Menſchen eine laͤngſt vorher 
angekuͤndigte Begebenheit ſey; im fiebenten und 
achten Buche aber, daß auch die Art und Zeit, in⸗ 
gleichen der Ort der Geburt Chriſti, ſelbſt Geſchlecht 
und Stamm deſſelben, von den Propheten treffend be⸗ 
zeichnet worden ſind. Hier bemuͤht ſich der Verfaſſer 
inſonderheit, wiewohl nicht zum gluͤcklichſten, die Ein⸗ 
wendungen wegzuraͤumen, durch welche man es un⸗ 
glaublich machen wollte, daß Jeſaias C. VII. v. 14. 
fg. von der Geburt des Erloͤſers geweiſſagt habe. End⸗ 
lich giebt Euſebius im neunten und zehnten Bu⸗ 
che Stellen des Alten Teſtaments an, in welchen auch 
beſondere Begebenheiten des Lebens Chriſti unter den 
Menſchen, klar bezeichnet worden ſind: wie unter an⸗ 
dern die Erſcheinung des Sterns in den Morgenlaͤn⸗ 
dern, (4 B. Moſ. C. XXIV.) die Flucht Chriſti nach 
Aegypten, (Jeſaias C. XIX.) feine Verſuchung, (Pſalm 
XCl.) fein erſtes Wunder in Galilaͤa, (Jeſaias C. IX.) 
ſein Gehen auf dem Meere (Hiob C. IX. v. 8.) die Ver⸗ 
raͤtherey des Judas, (Pfalm XLI. v. 10. LV. v. 14. 
CIX. v. 1. fad. Zachar. C. XI. v. 13.) die Verfinſte⸗ 
rung der Sonne waͤhrend des Leidens Chriſti, (Amos 
C. VIII. v. 9. Zachar. C. XIV. v. 6. 7.) ſein Ringen 
mit der Verzweifelung, auch viele andere Umſtaͤnde 
und Folgen feines Leidens und Sterbens, (Pſalm XXII) 


Hiermit endigt ſich das zehnte Buch, ſo weit es 
noch vorhanden iſt. Eine kleine noch darauf folgende 
Stelle, die in den gedruckten Ausgaben des Werks 

* fehlt, 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 211 


fehlt, hat Fabricius (in Delectu argumentorum et —, 

Syllabo feriptorum , qui veritatem religionis chri-X 4 

flianae adverfus Atheos , Epicureos, Deiftas , etc. 306 

lucubrationibus ſuis aſſeruerunt, p. 22.) und vorher bis 

(p. 1. fq.) die auch noch niemals vorher gedruckte Ein» 337. 

leitung, nebſt den zwey erſten Capiteln, und dem groͤßten 

Theil des dritten vom erſten Buche, aus einer Hands 

ſchrift in der Buͤcherſammlung des Fuͤrſten von der 

Walachey, Maurocordato, ans Licht geſtellt. Sonſt 

iſt die beſte Ausgabe dieſes Werks, nebſt einigen an⸗ 

dern nachmals zu beſchreibenden Büchern des Euſe⸗ 

bius, zu Paris im Jahr 1628. Fol. herauskommen, 

und zu Leipzig, unter der Aufſchrift Coͤlln, im Jahr 

1688. nachgedruckt worden. Die lateiniſche Veberfes 

tzung ſchreibt ſich vom Richard Montacuttus, 

(Montaigu) her; aber die auf dem Titel verſproche⸗ 

nen Anmerkungen finden fi) wenigſtens in dem Nach⸗ 

drucke nicht. Sie koͤnnten in der That manchem Leſer 

bey der Beurtheilung des Werks eine nuͤtzliche Anlel⸗ 

tung geben. Es enthaͤlt uͤberhaupt viel brauchbares, 

zum Theil auch noch fuͤr unſere Zeiten, und macht mit 

der Evangeliſchen Vorbereitung, Ein Ganzes, in 

der That ein Hauptwerk der alten Kirche von dieſem 

Inhalte aus. Zur Geſchichte der bibliſchen Ausle⸗ 

gungswiſſenſchaft und Religionsvertheidigung kann es 

alfo inſonderheit dienen. Es find auch manche Uebers 

bleibſale der alten griechiſchen Ueberſetzer der Bibel 

darinne aufbewahrt und unter einander verglichen wors 

den. Hingegen iſt die durchgehends in dem Werke 

herrſchende, vom Origenes angenommene Meinung 

uͤber den zweifachen Sinn der heiligen Schrift, etwas 

anſtoͤßig. Daher kommen ſo viele gezwungene Wen⸗ 

dungen, die ſich Stellen des Alten Teſtaments erthei⸗ 

len laſſen muͤſſen, um Weiſſagungen von dem Erloͤſer 

der Welt und ſeiner Religion zu werden. Durch ſtren⸗ 
O 2 gere 


— 


212 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
gere Wahl und genauere Erflärungsgrundfäge zuſam⸗ 


Tc. men gepreßt, würde dieſe Arbeit weit glücklicher aus⸗ 
306 gefallen ſeyn. 
bis 


337. 


* 


Noch ein anderes Buch zur Ehrenrettung des Chri— 
ſtenthums, ſchrieb Euſebius wider den Hierocles. 
Dieſer Statthalter von Bithynien, und nachher von 
Alexandrien, hatte nicht allein, wie bereits an einem 
andern Orte (Th. IV. S. 477.) erzaͤhlt worden iſt, die 
Verfolgung der Chriſten durch den Diocletianus 
und ſeine Mitregenten, mit gehaͤßigen Rathſchlaͤgen 
ſehr befoͤrdert; er war ſelbſt auch eines der grauſam⸗ 
ften Werkzeuge derſelben. Sein Haß gegen die Chr 
ſten verfuͤhrte ihn, nach dem Euſebius, (de Martyr. 
Palaeſt. c. 5.) zu ſehr uͤbermuͤthigen und niedertraͤchti⸗ 
gen Handlungen. Er gab unter andern chriſtliche 
Frauensperſonen, ſelbſt Gottgeweihte Jungfrauen, der 


Unzucht ſchaͤndlicher Perſonen Preiß. Dieſe und aͤhn⸗ 


liche Ausſchweifungen der Wuth wurden einem Chri⸗ 
ſten Aedeſius unausſtehlich. Er naͤherte ſich dem 
Statthalter, beſchimpfte ihn dafuͤr mit Worten und 
mit der That, (die fpätern griechiſchen Heiligengeſchich⸗ 
ten ſetzen hinzu, daß er ihn mit der Fauſt geſchlagen 
habe;) erlitt aber auch, auf Befehl deſſelben, einen 
Martervollen Todt. Dieſer Sierocles, den man 


mit dem juͤngern Philoſophen dieſes Nahmens, der 


auch ein beruͤhmter Schriftſteller war, nicht vermi⸗ 
ſchen darf, griff die Chriſten außerdem noch in einem 
beſondern Buche an, welches er Wahrheitliebende 
Reden an die Chriſten, (Aöyss PiAzAnIes meös 
Tas N) nannte. Er ſuchte darinne Widerſpruͤ⸗ 
che zu zeigen, die ſich in der heiligen Schrift faͤnden; 
aber auch unter den Stiftern des Chriſtenthums beſon⸗ 
ders den Petrus und Paulus veraͤchtlich zu machen. 
Chriſtum ſelbſt verglich er mit dem Apollonius 

von 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſareg. 213 


von Tyane, vor welchem derſelbe, nach feiner Mei 

nung, die Gabe der Wunderthaͤtigkeit nicht voraus ha- & G. 

ben ſollte. (Lactant. Inftit. divin. L. V. c. 2. 3.) 306 

£ bis 

Indem ihn Euſebius widerlegte, ließ er vieles 337. 
in dem Buche deſſelben unberührt ſtehen, was Hie⸗ 
rocles aus andern Schriftſtellern, zum Theil mit ih⸗ 
ren eigenen Worten, gezogen hatte. Es waren dar— 
unter ſehr ungereimte Unwahrheiten, wie zum DBeis 
ſpiel, daß Chriſtus, nachdem er von den Juden vers 
jagt worden, mit einem Hauffen von neunhundert An— 
haͤngern einen Straffenräuber abgegeben habe. Kurz 
ſebius verſichert auch, daß Origenes in ſeinem Werke 
wider den Celſus, ſchon gleichſam zum voraus das 
meiſte von demjenigen umgeſtuͤrzt habe, was dieſer 
neue Feind des Chriſtenthums demſelben entgegen ge— 
ſetzt hat. Er haͤlt ſich alſo nur bey der Vergleichung 
auf, welche Hierocles zwiſchen Chriſto und Apolz 
lonio anſtellt. Dieſer, ſchreibt der Heide, hat von 
den erſten Jahren ſeiner Jugend an, eine Menge 
Wunder verrichtet, von welchen er auch einige anfuͤhrt, 
und darauf hinzufuͤgt: „Man mag nunmehr unſer ge— 
„naues und feſtes Urtheil über alles, und den Leichtſinn 
„der Chriſten gegen einander halten. Wir halten den— 
„jenigen, der ſo große Dinge gethan hat, vor keinen 
„Gott, ſondern nur vor einen von den Göttern gelicb- 
„ten Menſchen; fie hingegen preifen Jeſum wegen 
„einiger wenigen Wunderwerke als einen Gott. — 
„Auch das iſt der Betrachtung werth, daß die Ge— 
„ſchichte Jeſu vom Petrus und Paulus, und an⸗ 
„dern aͤhnlichen Leuten, lauter Luͤgnern, Ungelehrten 
„und Betruͤgern, lobredneriſch beſchrieben worden iſt; 
„die Thaten des Apollonius aber haben Maximus 
„von Aegaͤ, und der Philoſoph Damis, der mit ihm 
„ſelbſt umgegangen war, und der Athenienſer Philos 
a O g yſtratus, 


214 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


> „ftratus „aufgezeichnet: Männer von ausnehmender 

G. ⸗Gelehrſamkeit, welche die Wahrheit hochſchaͤtzten, und 
306 „aus Menfchenliebe die Handlungen eines rechtſchaffe⸗ 
bis „nen und bey den Göttern beliebten Mannes, nicht un« 
337. „bekannt bleiben laſſen wollten“ — Euſebius alſo 
unterſucht bloß die vermeinte Geſchichte des Apollo⸗ 
nius, welche Philoſtratus geſchrieben hatte, und 
zeigt nach der Ordnung ihrer Buͤcher, daß ſie ganz 
unzuverlaͤßig, fabelhaft, ungereimt und widerſpre⸗ 
chend ſey; daß man zwar allenfals dem Apollonius 
den Nahmen eines Philoſophen zugeſtehen koͤnne, aber 
durchaus nicht berechtigt ſey, ihm uͤbermenſchliche Ga⸗ 
ben und Kraͤfte beyzulegen. Dieſes iſt nebſt einigen 
allgemeinen Anmerkungen, der Inhalt des wider den 
Hierocles gerichteten, und ziemlich wohl gerathenen 
Buchs. Man findet es nicht nur der oben gedachten 
Ausgabe von dem Evangeliſchen Beweiſe des Eu⸗ 
ſebius beygedruckt; ſondern es iſt auch vom Gott⸗ 
fried Olearius in ſeine Sammlung der Werke der 
beiden Plusftrarus , (Leipzig 1709. Fol.) ges 
bracht worden. 


* 
SI 


Außer dieſen Werken, in welchen Euſebius aus⸗ 
druͤcklich die Vertheidigung der chriſtlichen Religion 
übernommen hat, kann man ſelbſt feine Kirchenge⸗ 
ſchichte in zehn Buͤchern unter diejenigen Arbeiten 
rechnen, die er zum Beſten des gedachten Glaubens, 
und um die Feinde deſſelben iom guͤnſtiger zu machen, 
aufgeſetzt hat. Denn in dieſem Buche, dem wichtig⸗ 
ſten und ſchaͤtzbarſten von allen, die er hinterlaſſen hat, 
wird das Chriſtenthum ſelbſt durch die Geſchichte ſei⸗ 
nes goͤttlichen Urſprungs, ſeines Wachsthum mitten 
unter den heftigſten Verfolgungen, der Gottſeligkeit 
ſeiner Lehrer, und der Standhaftigkeit ſeiner Beken⸗ 
ner im Leiden und im Tode, gewiſſermaaßen ſtaͤrker 

' als 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 215 


als durch die Beantwortung liſtiger Einwuͤrfe empfo. > 
len. Von dem Werthe dieſes Werks in der chriſtli⸗ N. G. 
chen Kirchengeſchichte, iſt in der allgemeinen Einlei⸗ 306 
tung (Th. I. S. 144. fgd.) bereits gehandelt worden. bis 
Man hat auch den beſtaͤndigen Gebrauch deſſelben, der 337. 
bisher gemacht worden iſt, nicht weniger die Fehler 
welche der Verfaſſer zuweilen begangen hat, in dieſer 
Geſchichte bemerkt geſehen. Dieſe geſammte hiſtori⸗ 

ſche Seite des Werks gehoͤrt alſo nicht mehr in die Be⸗ 
ſchreibung ſeiner Schriften; obgleich, nach einigen der 
neueſten argwoͤhniſchen Zweifeln, welche uͤber die 
Glaubwuͤrdigkeit ſeiner Nachrichten vorgebracht wor⸗ 

den find, eine beſondere Prüfung derſelben keine ver⸗ 
gebliche Bemuͤhung ſeyn wuͤrde. Allein der theologi⸗ 

ſche Eingang des Buchs, auch andere den Glauben 

und die heiligen Schriften der Chriſten betreffende 
Stellen deſſelben, machen hier noch einen beſondern 
Auszug nothwendig. 


Euſebius haͤlt es vor dienlich, ehe er die Ge⸗ 
ſchichte der von Chriſto geſtifteten Religion erzaͤhlt, 
feine Perſon, oder ſowohl die durch ihn von Gott ges 
troffenen erſten Veranſtaltungen auf der Welt (Gα - 
pie) das heißt, feine Menſchwerdung, als auch feine 
Gottheit in einer kleinen Abhandlung (Ne Noi) zu 
beſchreiben. Denn es iſt in Chriſto, ſagt er, (. I. c. 2.) 
eine zwiefache Natur, davon die Gottheit gleichſam als 
das Haupt, und die menſchliche Natur wie die Fuͤſſe 
anzuſehen iſt. Kein Ausdruck iſt hinlaͤnglich, das 
Geſchlecht, die Wuͤrde, das Weſen und die Natur 
Chriſti zu erklaͤren. Wer kann dieſes Licht, das vor der 
Welt geweſen, dieſe ſelbſtbeſtehende und weſentliche 
Weisheit, die vor allen Zeiten da war, das lebendige 
und im Anfange bey dem Vater befindliche Wort, das 
Gott iſt, ſo rein begriffen haben, als der Vater? 

O 4 Chri⸗ 


216 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. a 


In Christus iſt die erſte und einzige Geburt Gottes vor 
6. "aller Creatur und Schöpfung ſichtbarer und unſichtba⸗ 
Zb ver Dinge, der oberſte Feldherr des himmliſchen ver⸗ 
bis nuͤnftigen und unſterblichen Heeres, der Engel des 
337. großen Raths, der Vollbringer des geheimen Willens 
des Vaters, der Schoͤpfer aller Dinge mit dem Va⸗ 
ter, die zweyte Urſache von allem neben dem Vater, 
der aͤchte und eingebohrne Sohn Gottes, der Herr und 
Gott und König aller Geſchoͤpfe, der das Anſehen 
und die Gewalt ſammt der Gottheit, Macht und 
Ehre vom Vater empfangen hat. Moſes ſagt auch, 
Gott der Weltſchoͤpfer habe dieſem ſeinem göttlichen 
und erſtgebohrnen Worte die Schöpfung der niedri⸗ 
gern Dinge uͤberlaſſen, und ſich mit ihm uͤber die 
Schoͤpfung des Menſchen unterredet. (1 B. Moſ. C. I. 
v. 26.) Und ein anderer Prophet beſtaͤtiget dieſes 
(Pſalm XXXIII. v. 9.) Ihn haben alle, die vom 
Urſprunge des meyſchlichen Geſchlechts an, durch 
Rechtſchaͤffenheit und Gottſeeligkeit beruͤhmt worden 
ſind, beſonders auch die Propheten, mit reinen Au⸗ 
gen des Verftandes erkannt, und ihm als dem Sohne 
Gottes die gebuͤhrende Verehrung erwieſen. Er aber, 
unoblaͤßig in der Ehrerbietung gegen ſeinen Vater, iſt 
auch zum allgemeinen Lehrer der Erkenntniß ſeines 
Vaters geſetzt worden. Derjenige welcher dem Abra⸗ 
ham erſchien, und von ihm angebetet, Gott und 
Herr, und der Richter der ganzen Welt genannt wur⸗ 
de, kann niemand anders ſeyn, als das Wort Got— 
tes, das vorher da war. Denn an den erſten Urhe⸗ 
ber aller Dinge darf man hier nicht denken, weil es 
ganz unvernuͤnftig iſt, daß das ungezeugte und un⸗ 
veraͤnderliche Weſen des allmaͤchtigen Gottes in eine 
menſchliche Geſtalt verwandelt werde, ſo daß die Au⸗ 
gen der Zuſchauer betrogen wuͤrden, als wenn ſie etwas 
Geſchaffenes vor ſich ſaͤhen; oder daß die Schrift der⸗ 
gleichen 


Schrift. d. Euſebius, Biſch von Caͤſarea. 217 


gleichen Vorſtellungen erdichten ſollte. Ein Engel aber 
kann es auch nicht in jenen goͤttlichen Erſcheinungen d G. 
geweſen ſeyn, indem es ſonſt ausdruͤcklich geſagt wuͤr⸗ 306 
de, und der dem Joſua erſcheinende oberſte Feldherr bis 
des goͤttlichen Heeres, deutlich als die Macht und 337. 
Weisheit des Vaters, und der die zweite Stelle in 

der Regierung aller Dinge fuͤhrt, beſchrieben wird. 
Man kann es außer dieſen Beweiſen auch aus einer 
Schriftſtelle, (Spruͤche Sal. C. VIII. v. 12. fg.) er⸗ 
kennen, daß es ein gewiſſes Weſen gebe, welches vor 

der Schoͤpſung der Welt lebendig und da geweſen, 
welches dem Vater und Gott über alles bey der Schoͤ⸗ 
pfung gedient habe, auch das Wort und die Weisheit 
Gottes genannt werde. 


Warum aber, ſo faͤhrt Euſebius weiter fort, die⸗ 
ſes goͤttliche Wort nicht ſchon ehemals, wie jetzt, allen 
Voͤlkern und Menſchen verkuͤndigt worden ſey, das 
wird aus folgendem begreiflich. Die aͤltern Menſchen 
waren noch nicht im Stande, die Lehre Chriſti, dieſen 
Umfang jeder Weisheit und Tugend, zu faßen. Denn 
gleich im Anfange verfiel der erſte Menſch „nach dem 
erſten feeligen Leben, indem er das goͤttliche Gebot ge⸗ 
ring ſchaͤtzte, in dieſes ſterbliche und dem Verderben 
ausgeſetzte Leben, und vertauſchte die ehemaligen Ergoͤ⸗ 
tzungen des Paradieſes mit dieſer verfluchten Erde. 
Seine Nachkommen, die ſich auf der ganzen Erde ver— 
breiteten, und, einen oder den andern ausgenommen, 
noch viel ſchlimmer wurden, fuͤhrten ein wildes und 
elendes Leben. Sie achteten weder Stadt, noch buͤr⸗ 
gerliche Verfaßung, noch Kuͤnſte und Wißenſchaften. 
Geſetze und Rechte, Tugend und Philoſophie, kannten 
ſie nicht einmal dem Nahmen nach. Vielmehr lebten 
ſie als Wilde in den Wuͤſten, erſtickten und verdarben 
den natuͤrlichen Saamen 21 Vernunft, der in die See⸗ 

5 len 


218 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


len der Menſchen gepflanzt iſt, durch vorſetzliche und 
G.bochgetriebene Bosheit. Sie uͤbten nicht allein gegen 
286 einander jede Schandthat aus; ſondern unterſtanden ſich 
bis zuletzt ſogar, Gott ſelbſt zu bekriegen, jenes allgemein 
337. verſchrieene Rieſengenfechte zu wagen, und die Erde 
gegen den Himmel zur, Feſtung aufzuwerfen. Daher 
griff ſie auch Gott, der Aufſeher uͤber alles, mit ſehr 
harten Strafgerichten an. Als dergeſtalt die Seelen faſt 
aller Menſchen durch Bosheit gleichſam berauſcht wa⸗ 
ren, da erſchien die erſtgebohrne Weisheit Gottes, aus 
ungemeiner Menſchenliebe, ihren Creaturen bald durch 
Engel, bald durch ſich ſelbſt als eine heilſame Kraft 
Gottes, einem und dem andern Frommen in Men⸗ 
ſchengeſtalt, weil es anders nicht moͤglich war. Da 
nun durch dieſe Perſonen der Saame der Religion un⸗ 
ter vielen Menſchen ausgeſtreuet worden war, und 
das ganze Volk der Hebraͤer ſich derſelben ergab: ſo 
ertheilte das goͤttliche Wort dieſem noch durch ſein al⸗ 
tes Leben verwoͤhnten Hauffen, durch den Moſes Bil⸗ 
der und Zeichen eines Geheimnißvollen Sabbaths und 
einer Beſchneidung, auch andere Anweiſungen zu 
geiſtlichen Lehren; aber noch nicht eine deutliche Ein⸗ 
ſicht in dieſelben. Endlich nachdem das Geſetz, das 
dieſes Volk bekommen hatte, unter allen Menſchen 
verbreitet war, und die meiſten Voͤlker daraus durch 
ihre Geſetzgeber und Philoſophen eine Milderung ih⸗ 
rer ehemaligen Wildheit geſchoͤpft hatten: erſchien mit 
dem Anfange des roͤmiſchen Reichs eben derſelbe Leh⸗ 
rer der Tugend, der Diener des Vaters in allem Gu⸗ 
ten, das goͤttliche und himmliſche Wort Gottes, als 
ein wahrer Menſch, that und litt auch alles, was die 
Propheten von ihm vorhergeſagt hatten. 


Um zu zeigen, daß auch die Nahmen Jeſus und 
Chriſtus von den alten Propheten geehrt worden ſeyen, 
beruft 


Schrift. d. Eufebius, Bic von Caͤſarea. 219 


beruft ſich Euſebius auf verſchiedene Stellen der Buͤ⸗ T 
cher Moſes nach der griechiſchen Ueberſetzung, worinne d G. 
der Nahme Chriſtus (der Geſalbte, oder Meßias) 306 
vorkommt, auf den Nahmen feines Nachfolgers Jo- bis 
ſua, und auf andere ähnliche Stellen. Darauf be⸗ 337 
merkt er, daß nicht nur die Hohenprieſter den Nah⸗ 
men Chriſtus gefuͤhrt haben, weil ſie um einer ge⸗ 
heimen Bedeutung Willen geſalbt wurden; ſondern 
daß auch Koͤnige und Propheten, wegen einer aͤhnli⸗ 
chen vorbildlichen Salbung, dergleichen Chriſti ge⸗ 
worden waͤren; und daß alſo alle eine Beziehung auf 
den wahrhaftigen Chriſtus, den einzigen Sohen⸗ 
prieſter, den Koͤnig der Schoͤpfung, und den hoͤch⸗ 
ſten Propheten des Vaters, haͤtten. In dieſer Ver⸗ 
gleichung faͤhrt der Geſchichtſchreiber noch weiter fort; 
man ſieht aber leicht, daß wer darinne eine Boſtaͤti⸗ 
gung der neuern Lehrart von dem dreifachen Amte 
Chriſti ſuchen wollte, noch eine Menge anderer tro⸗ 
piſchmyſtiſcher Vorſtellungsarten aus dieſem und an⸗ 
dern Kirchenvaͤtern in die Lehre von Chriſto uͤbertra⸗ 
gen muͤſte. Die Vorzuͤge Chriſti vor allen dieſen 
Vorbildern werden ausfuͤhrlicher entwickelt, und in⸗ 
ſonderheit wird zuletzt darauf gedrungen, daß derſelbe 
die Ehre goͤttlicher Anrufung vom Vater empfangen 
habe, und als Gott angebetet werde. Hierauf be= 
muͤht ſich der Verfaſſer, ohngefaͤhr wie in einem ſei⸗ 
ner vorher beſchriebenen Werke, darzuthun, daß, wenn 
gleich der Nahme der Chriſten und ihre Bildung zu 
einem ſehr zahlreichen Volke, etwas neues ſey, die 
Sache ſelbſt dennoch nicht neu genannt werden koͤnne, 
indem es unter den Hebraͤern, noch vor dem Woſes, 
Chriften genug gegeben habe. Der Nahme eines 
Chriſten, ſetzt er hinzu, bezeichnet einen Mann, der 
durch die Erkenntniß der Lehre Chriſti, an Maͤßig⸗ 
keit und Gerechtigkeit, Enthaltſamkeit, Standhaftig⸗ 
feit 


220 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
keit in der Tugend, und Bekenntniß der Verehrung 
6. des einzigen hoͤchſten Gottes, ſich bervorthut. Man 

306 ſieht daher auch aus der Denkungsart jener älteften 
bis Chriſten, daß unſere Religion die erſte, einzige m 
337. wahre ſey. 

So weit geht die Einleitung des Euſebius 10 
ſeine Kirchengeſchichte. Aus dem Werke ſelbſt iſt fuͤr 
dieſe Geſchichte nichts weiter übrig, als dasjenige, was 
der Verfaſſer von den heiligen Schriften der 
Chriſten. und inſonderheit, wie diejenigen Buͤcher, 
welche wir noch darunter zu rechnen pflegen, zu ſeiner 
Zeit angeſehen worden find, für die Nachwelt aufge⸗ 
zeichnet hat. Zwar kommen in dieſem Werke meh⸗ 
rere und vieler Unterſuchungen faͤhige Stellen von den 
gedachten Buͤchern und ihren Verfaſſern vor; ſo wie 
es auch darinne an Verzeichniſſen der heiligen 
Schriften der Juden nicht fehlt, die aus dem Jo⸗ 
ſephus, Melito und Grigenes genommen find, 
(Hift. Ecel. L. III. c. 9. 10. L. IV. c. 26. L. VI. 
c. 25.) Allein da es nicht ſowohl die Abſicht der ge⸗ 
genwaͤrtigen Geſchichte ſeye, Sammlungen dieſer Art 
uͤber den ſogenannten bibliſchen Canon, mit den 
dazu noͤthigen weitläufigen Eroͤrterungen beyzubringen, 
als von Zeit zu Zeit es in ſein gehoͤriges Licht zu ſe⸗ 
tzen, was die anſehnlichſten Lehrer, Gemeinen und 
Verſammlungen der aͤlteſten Kirche von jenen Buͤchern 
geurtheilt haben: ſo braucht dieſe Anzeige nur kurz 
zu ſeyn. Ohnedem ſind die vornehmſten dieſer Nach⸗ 
nn des Euſebius ſchon in den vorhergehenden 

Theilen dieſer Geſchichte genuͤtzt worden. Seine ganze 

Denkungsart aber uͤber die heilige Schrift, und einzele 

Buͤcher derſelben, hat niemand fleißiger aus allen fei- 

nen Werken, als Lardner, (Glaubwuͤrdigk. der Evan⸗ 

gel. Geſchichte, zweyten Theils vierter Band, S. 81 

— 186.) herausgezogen. 

Bis 


Sammlung der Schriften des N. Teſt. 221 


Bis auf die Zeiten des Euſebius, gab es noch doe 
kein allgemein angenommenes und fuͤr alle Chriſteng c G. 
feſtgeſetztes Verzeichniß derjenigen Buͤcher, welche ale: 305 
Quellen der chriftlichen Religion betrachtet werden foll- bis 
ten. Doch uͤber den größten Theil derſelben waren die 337. 
Chriſten vom erſten Jahrhunderte an deſto leichter ei⸗ 
nig geworden, weil die Verfaſſer und die Zeit derfef- 
ben, die Gemeinen, fuͤr welche ſie waren aufgeſetzt 
worden, und andere Umſtaͤnde dieſer Buͤcher, keinem 
Zweifel unterworfen waren. Aber auch ſolche unter 
denſelben, uͤber welche man noch Bedenklichkeiten hat⸗ 
te, wurden doch neben jenen ungezweifelten gebraucht: 
zumal da fie nach der in dieſen enthaltenen Lehre ge⸗ 
pruͤft werden konnten. Es blieb alſo auch immer noch 
viele Freyheit darüber zu urtheilen übrig; wenn gleich 
weniger bey denenjenigen Buͤchern, uͤber welche ſchon 
die aͤlteſten Chriſten hinlaͤnglich entſchieden hatten. 
Alles dieſes wird durch verſchiedene Stellen der Kir- 
chengeſchichte des Euſebius beſtaͤtigt. Man lernt 
zugleich daraus, wie man zu ſeiner, und gewiß auch 
zu jeder fruͤhern Zeit der chriſtlichen Kirche, gewohnt 
geweſen ſey, die aͤchten bibliſchen Schriften von den 
unaͤchten abzuſondern. 


So verſichert Euſebius, (Hiſt. Ecel. L. III. c. 3. 
daß von dem Apoſtel Petrus nur der erſte Brief durch— 
gaͤngig als aͤcht angenommen werde, und von den aͤl⸗ 
tern Lehrern als ein ſolcher angeführt worden ſey; als 
lein was den zweyten betreffe, habe man die Nach⸗ 
richt, daß er nicht zum Neuen Teſtamente gezaͤhlet 
worden ſey. (dx sy n) Doch da ihn viele voe 
nuͤtzlich gehalten haͤtten, ſo ſey er mit den uͤbrigen hei⸗ 
ligen Schriften fleißig geleſen worden. Hingegen 
wäre das Buch, welches die Thaten Petri heiſſe, in⸗ 
gleichen ſein ſogenanntes Evangelium, ſeine Predigt 

und 


222 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


i und Offenbarung, bekanntermaaßen niemals allge⸗ 

mein angenommen worden; wie ſich denn auch kein 

306 älterer oder neuerer kirchlicher Schriftſteller eines Zeug. 
bis niſſes aus dieſen Buͤchern bediene. 


337. SER “if 

Vornemlich aber ſagt der Verfaſſer in einer wich⸗ 
tigen Stelle (L. III. c. 25.) feine Meinung, oder viele 
mehr auch die Meinung ſeines Zeitalters, von den 
ſaͤmmtlichen damals vor heilig und göttlich geachteten 
Schriften der Chriſten, die er die Schriften des 
Neuen Teſtaments oder Bundes (vg reis Jise- 
Hiuns) nennt. „Zuerſt, ſchreibt er, muß man die 
„heiligen vier Evangelien ſetzen. Auf dieſe folgen 
„die Apoſtelgeſchichte, die Briefe Pauli, der 
„erfte Brief Johannis, und der erſte Brief Pe⸗ 
„tri. Zu allen dieſen kann man, wenn man es vor 
„gut befindet, auch die Offenbarung Johannis 
„hinzufuͤgen; über welche wir die verſchiedenen Mei⸗ 
„nungen zu ſeiner Zeit beybringen wollen. Und dieſes 
„find die unſtreitig richtigen Bücher (SpoAovsneva.) 
„Solche denen widerſprochen wird, (oder gegen 
„welche Zweifel erregt werden, avrıkeyönevx) find der 
Brief des Jacobus, der vom Judas, der an⸗ 
„dere vom Petrus, der zweyte und dritte vom 
„Johannes; ſie moͤgen nun von dem Apoſtel Jo⸗ 
„hannes, oder von einem andern Johannes her⸗ 
„rühren. Unter die unaͤchten (6 aber muß man 
„die Thaten Pauli, den ſogenannten Hirten, und 
„die Offenbarung Petri rechnen, außerdem noch 
„den Brief, der dem Barnabas beygelegt wird, 
„und die ſogenannten Lehren der Apoſtel. Hierzu 
„fege man noch, wie ich gefag: habe, wenn man will, 
„die Offenbarung Johannis, welche einige, wie 
„gedacht, verwerfen; andere aber zu den unſtreitig 
„richtigen Buͤchern zaͤhlen. Manche haben auch 


„fi 


Sammlung der Schriften des N. Teſt. 223 


chon darunter das Evangelium der Hebraͤer ge. F. . 
„fest, deſſen ſich beſonders die juͤdiſchgebohrnen Chri⸗F G. 
„fen gern bedienen. Alle diefe Bücher alſo gehören 306 
„unter die in Zweifel gezogenen. Ich habe unterdef- bis 
„fen vor noͤthig befunden, dieſes Verzeichniß zu ge. 337 
„ben, und diejenigen Bücher, welche nach den kirch⸗ 
„lichen Nachrichten (ExxAnniasiniv mag&dorıv) wahr, 
acht und unſtreitig richtig ſind, von, denen zu unter⸗ 
„icheiden, welche nicht in der Sammlung des Neuen 
„Teſtaments ſtehen, ſondern Widerſpruͤchen ausgeſetzt 
„find; gleichwohl aber von den meiſten Kirchenlehrern 
„erkannt werden: damit man ſowohl dieſe, als auch 
„diejenigen kennen moͤge, welche von den Ketzern un⸗ 
„ter den Nahmen der Apoſtel ans Licht geſtellt werden; 
„dergleichen die Evangelien des Petrus, Tho⸗ 
„mas, Matthias, und einiger andern, auch die 
„Thaten des Andreas, Johannes, und der an⸗ 
„dern Apoſtel ſind. Kein Kirchenlehrer der auf die 
„Apoſtel gefolgt iſt, hat eines dieſer Bücher gewuͤrdigt, 
„es in feinen Schriften anzufuͤhren. Auch iſt der Aus⸗ 
„druck derſelben weit von dem Apoſtoliſchen entfernt. 
„Endlich weichen der Inhalt und die Meinungen die⸗ 
„fer Bücher ebenfals von der wahren Rechtglaͤubigkeit 
„ab. Deſto deutlicher iſt es, daß ſie Erdichtungen 
„der Irrlehrer ſind, die man nicht einmahl unter die 
„unächten Schriften fegen , ſondern i als n 
„reimte und gottloſe verwerfen muß.“ 


Es darf nicht geleugnet werden, daß ſich in dieſer 
Stelle einige Dunkelheit finde; beſonders in demjeni⸗ 
gen, was der Verfaſſer von der Offenbarung Jo⸗ 
hannis ſchreibt. Aber ſchwerlich konnte man auch 
von dem Euſebius, als Geſchichtſchreiber, mehr er⸗ 
warten; und wenn nicht alles in ſeiner Nachricht klar 
genug itt, ſo mag es auch ihm und ſeinen Zeiten 155 

nicht 


224 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch, > 


An icht fo völlig geweſen ſeyn. Er begnuͤgt ſich, mit 
Cech biſtoriſcher Genauigkeit den Erfolg ſeiner Nachfor⸗ 
306 ſchungen anzugeben, ohne die Gruͤnde und Zweifel, 
bis die Perſonen und Schriften nahmentlich darzuſtellen: 
337. man ſollte nur uͤberhaupt ſehen, was vor einen Werth 
die Chriſten ſeiner Zeit gewiſſen vor heilig geachteten 
Buͤchern beilegten. Selbſt laͤßt er es aufrichtig bey 
einem derſelben merken, daß er noch in Ungewißheit 
ſchwebe. Und ob er gleich alles vor ſich hatte, was 
ſeit mehr als zweihundert Jahren daruͤber geurtheilt 
und geſchrieben worden war; ſo begegnete er doch den 
Chriſten, welche jenes Buch (die Offenbarung Jo⸗ 
hannis) vor ungezweifelt acht hielten, auch noch in 
einer andern Stelle (L. III. c. 39.) mit Achtung und 
Beſcheidenheit. Ihre Anzahl ſcheint groß und ihr 
Eifer für daſſelbe deſto hitziger geweſen zu ſeyn, da fie, 
vermuthlich groͤſtentheils das tauſendjaͤhrige Reich auf. 
dieſes Buch ſtuͤtzten. Daher kommt es, daß er es 

zu giebt, wenn man unter die ungezweifelt richtigen 
oder von ſehr vielen angenommenen Buͤcher, 
auch die Offenbarung rechnen wolle. Es iſt auch zwi⸗ 
ſchen den beyden letzten Claſſen von Buͤchern, die er feſt⸗ 
geſetzt hat, weder Widerſpruch noch Vermiſchung vor⸗ 
gegangen; wie der erſte Anblick einige zu glauben ver⸗ 
leitet hat. Denn die zweite Claſſe der bezweifelten 
oder beſtrittenen Bucher begreift eigentlich zwo Gat⸗ 
tungen unter ſich: ſolche Buͤcher, gegen welche nur 
von einer Anzahl Chriſten Einwuͤrfe wegen ihrer Ver⸗ 
faſſer gemacht wurden, (oder die Buͤcher der zweiten 
Claſſe,) und die unaͤchten, oder über welche fie ziem⸗ 

lich uͤberein kamen, daß fie den vorgegebenen Verfaſ⸗ 
ſern 8 waͤren; (das heißt, die Buͤcher 
der dritten Claſſe) Man muß es dem Euſebius 
Dank wiſſen, daß er ehrlich und freymuͤthig, ohne ei⸗ 

nen theologiſchen Streit daraus zu machen, dieſe ge⸗ 
ſamm⸗ 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 225 


ſammlete Nachrichten mitgetheilt hat, Freylich war &" , 


auch keine Gefahr zu dieſen Zeiten vorhanden, wenn F. 


man über die gedachten Bücher fein Urtheil öffentlich 306 
ſagte. Ein allgemein anzunehmendes Verzeichniß der bis 
Bücher des Neuen Teſtaments, war noch weder durch 337° 


Lehrer, noch durch Kirchenverſammlungen, unveräns 
derlich ſeſtgeſetzt worden: und da die angeführte erſte 
Claſſe von Buͤchern die eigentlichen Hauptſchriften der 
chriſtlichen Sammlung von Religionsquellen alle ent⸗ 
hielt: ſo konnte auch ihr Glaube nichts leiden, wenn 
gleich einige Schriften von beſonderer Beſtimmung 
oder geringerer Fruchtbarkeit, nicht in dieſelbe gezo⸗ 
gen wurden. 


Einige andere Schriften des Euſebius ſtehen mit 
ſeiner Kirchengeſchichte in Verbindung. Außer ſei— 
nem Buche von den Maͤrtyrern in Palaͤſtina waͤh⸗ 
rend der Verfolgung des Diocletianus, das ordent⸗ 
lich als ein Theil des achten Buchs der Kirchenge— 
ſchichte angeſehen wird, und in der Beſchreibung je⸗ 
ner, Verfolgung gebraucht worden iſt, hatte er eine 
allgemeine Sammlung der aͤltern MWaͤrtyrerge⸗ 
ſchichten (ray ei ungrugiav auvaryaryh) gefchries 
ben, auf die er fich felbft (Hiſt. Eecl. L. IV. c. 15. 
L. V. c. 2 1.) beruft. Man glaubt wahrſcheinlich genug, 
daß ſich manche Stuͤcke dieſes untergegangenen Werks 
ſich in den Lebensbeſchreibungen der Kirchenvaͤter, die 
unter dem Nahmen des Hieronymus vorhanden ſind, 
und in den Lebensbeſchreibungen der Heiligen vom Si⸗ 
meon Metaphraſtes, erhalten haben; fo wie auch 
eine Erzaͤhlung, welche Papebroch (in Actis Sanct. 
Iun. T. I. p. 420. ſq. ) herausgegeben hat, eben daher 
geſchoͤpft ſeyn ſoll. Die vier Buͤcher vom Leben 
des Conſtantinus, die anderwaͤrts (Th. I. S. 146.) 
beurtheilt, und bisher haͤuffig genuͤtzt worden ſind, 
V. Theil. P machen 


„4 


226 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sg machen beſonders eine wichtige Ergänzung der Kirchen⸗ 
ds geſchichte des Euſebius aus. Die ehemaligen Zweifel 
306 neuerer Gelehrten, ob dieſes Werk ſich von ihm herſchrei⸗ 
bis be, ſind nunmehr gefallen: und es bleibt eben ſowohl, 
337. als andere viel zu lobredneriſch abgefaßte hiſtoriſche Ars 
beiten, eine ſchaͤtzbare Quelle. Verſchiedene Reden 
und Auffäge welche Euſebius dem gedachten Kaiſer zu 
Ehren ſchrieb, oder an ihn richtete, find verloren ges 
gangen. Wir leſen nur noch eine Lobrede auf den⸗ 
ſelben, die er bey deſſen dreyßigjaͤhrigen Regierungs⸗ 
andenken gehalten hat: eine ſehr weitlaͤufige und mit 
vieler Zierlichkeit abgefaßte Rede, in der man aber 
nicht weniger von den Religionslehren der Chriſten, 
als von den Thaten des Kaiſers, der ſich um die Aus⸗ 
breitung derſelben verdient gemacht hatte, antrifft. 


Zu den unvergeßlichen Denkmaͤlern fuͤr die Ge⸗ 
ſchichtkunde, und den gelehrten Vertheidigungsſchrif⸗ 
ten des chriſtlichen Glaubens, ſetzte Euſebius auch 
noch mancherley Bemuͤhungen uͤber die heilige 
Schrift hinzu; ſo viele Unterſuchungen und Erklaͤrun⸗ 
gen derſelben ausgenommen, die er ſchon in ſeine Buͤcher 
von der zweyten Art eingeſtreuet hatte. Um die Ue⸗ 
bereinſtimmung der Evangeliſchen Geſchicht⸗ 
ſchreiber ſichtbar zu machen, verfertigte er zehn 
Verzeichniſſe (Kavöves) über dieſelben. In das erſte 
ſetzte er diejenigen Erzaͤhlungen, die ſich bey allen vier 
Evangeliſten finden; in die drey folgenden, ſolche, 
die nur bey drey Evangeliſten ſtehen; wiederum in 
fuͤnf andere, diejenigen Nachrichten, welche nur zween 
von den gedachten Geſchichtſchreibern haben; endlich 
in das zehnte, was nur ein einziger derſelben berichtet. 
Man lieſet fie nebſt dem Schreiben, welches er beige⸗ 
fuͤgt hat, in verſchiedenen Ausgaben des griechiſchen 
Neuen Teſtaments, unter andern auch in der Milli⸗ 

ſchenz 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 227 


ſchen; das Schreiben aber hat Fabricius (Biblioth. == 
Gr. Vol. VI. p. 97. fq.) beſonders abdrucken laſſen. N. G. 
Noch hatte Euſebius ein Werk von der Uneinig⸗ 306 
keit der Evangelien, (reg 7 Föv Evaryyyerniov bis 
Sue Oo yicrs) ausgearbeitet, worinne er befliffen war, die 337. 
anſcheinenden Widerſpruͤche derſelben zu heben. Stel⸗ 

len aus demſelben hat Anaſtaſius von Sinai (Quaeſt. 
153.) und Combefis (Auctar. nov. Patrum, T. I. 

p. 781. 783.) aufbehalten. 


Da ihm die Erdbeſchreibung von Palaͤſtina, wo 
er wohnte, ſo wohl bekannt war: ſo wandte er die⸗ 
ſelbe zur Aufklaͤrung der heiligen Schrift in folgendem 
Werke an: Von den Nahmen der Gegenden und 
Städte in der heiligen Schrift, (ae ry Tom. 
xd ev TH Hel e). Im erſten Theil deſſel⸗ 
ben, den wir nicht mehr beſitzen, hatte Euſebius die 
hebraͤiſchen geographiſchen Nahmen der heiligen Schrift 
griechiſch erklaͤrt, auch eine Beſchreibung des juͤdiſchen 
Landes, inſonderheit von Jeruſalem und dem Tem⸗ 
pel, gegeben. Eben die erſtgedachten Nahmen brachte 
er im zweyten Theil in alphabetiſche Ordnung, be— 
ſtimmte die Lage eines jeden Orts, und bemerkte, wie 
er zu ſeiner Zeit genannt wuͤrde. Lange konnte man 
denſelben nur in der lateiniſchen Ueberſetzung leſen, wel⸗ 
che HSteronymus davon gemacht, und darinne, weil 
er gleichfals ſich in Palaͤſtina aufhielt, viel verbeſſert 
und hinzugeſetzt hat. Den griechiſchen Text davon gab 
zuerſt der Jeſuit Jacob Bonfrere zu Paris in den 
Jahren 1631. und 1659. heraus, verbeſſerte ihn aus 
der Ueberſetzung, verfertigte eine neue, ſetzte Anmer⸗ 
kungen und Ergaͤnzungen, auch eine Landkarte hinzu, 
und gab dadurch dem Werke, deſſen Ordnung er auch 
bequemer einrichtete, eine vorzuͤgliche Brauchbarkeit. 
Marcianay berichtigte es noch mehr, als er ſolches 

P 2 in 


228 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Din den zweyten Theil feiner Ausgabe von den Werken 
G. des Hieronymus einruͤckte. Doch wurde auch ſein Fleiß 
06 durch die vollſtaͤndigere Ausgabe uͤbertroffen, welche 
bis Johann Clericus davon unter der Aufſchrift: Ono- 
837. maſticon urbium et locorum S. Scripturae, zu Am⸗ 
ſterdam im Jahr 1707. ans Licht ſtellte. 


Naͤchſtdem ſchrieb Euſebius auch ausführliche 
Erklaͤrungen bibliſcher Bücher, Von feiner Aus⸗ 
legung der Pſalmen iſt noch der groͤßte Theil, nem⸗ 
lich über die hundert und neunzehn erſten Dfals 
men, uͤbrig geblieben, und vom Montfaucon 
(Nova Collect. Patrum, T. I. p. 1. ſq.) mit einer la⸗ 
teiniſchen Ueberſetzung, Anmerkungen und einer leſens⸗ 
würdigen Einleitung den Gelehrten mitgetheilt wor⸗ 
den; in welcher letztern von dem Verfaßſer und dem 
Gebrauche dieſes Werks viele lehrreiche Anmerkungen 
vorkommen. In eben dieſer Sammlung (Tom. II. 
p. 347. fg.) hat der Herausgeber auch das allermeiſte 
von der Erklaͤrung des Jeſaias durch den Euſe⸗ 
bius, ans Licht gezogen, mit ſeiner Ueberſetzung und 
mit Anmerkungen begleitet. Beide Erklaͤrungsſchrif— 
ten ſind zwar in der Eroͤrterung des Wortverſtandes 
nicht von ſehr betraͤchtlichem Nutzen. Ihr Verfaſſer 
hatte keine genauere Kenntniß der hebraͤiſchen Spra⸗ 
che: er behalf ſich, wie ſo viele andere Kirchenlehrer 
dieſer aͤlteſten Zeiten, bey dem Alten Teſtamente mit 
den griechiſchen Ueberſetzungen. Er gab auch haͤuffig, 
als ein Nachahmer des Origenes, geheime Deutuns 
gen von der allegoriſchen, myſtiſchen und typiſchen Art 
an, wie man bey ſeinen fruͤhern Werken bereits oben 
geſehen hat. Aber doch haben dieſe Schriften durch 
manche hiſtoriſche und andere Erlaͤuterungen, auch 
durch die haͤuffig eingeruͤckten Stellen der alten griechi⸗ 
ſchen Ueberſetzer, einen nicht geringen Werth F 

j b OR 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſareg. 229 


Von den Auslegungen des Kuſebius über berg 
Hohelied Salomons, hat Meurſius einige Ueber. F. 
bleibſale, mit des Polychronius und Pſellus Arbei— 24 
ten uͤber eben dieſes Buch, zu Leiden im J. 1617. 4. bis 
drucken laſſen. So hatte er auch ein Buch vom Le; 337. 
ben der Propheten geſchrieben, aus welchem man 

ein Stuͤck vor des Procopius Gaz us Erklaͤrung 
des Jeſaias (Paris 1680. Fol.) antrifft. 


Vierzehn Abhandlungen oder vielleicht Pre 
digten in lateiniſcher Sprache, welche der Jeſuit Sirz 
mond unter dem Nahmen des Euſebius (Eufebii 
Caeſ. Opuſcula XIV. Paris 1643. 8. Sirmondi Opp. 
T. I. p. 1. fq.) herausgegeben hat, koͤnnten wohl Ue⸗ 
berſetzungen aus feiner griechiſchen Urſchrift ſeyn; we: 
nigſtens enthalten ſie eben nichts, wodurch dieſe Mei— 
nung unwahrſcheinlich wuͤrde. Ob ſie gleich nicht ſehr 
zuſammenhaͤngend gerathen ſind; fo fehlt es ihnen 
doch nicht an Gruͤndlichkeit und Beredſamkeit. Die 
beyden erſten ſind gegen die Lehren des Sabellius 
gerichtet. In der dritten wird der Beweis fuͤr die 
Gewißheit der Auferſtehung aus der goͤttlichen Fuͤr⸗ 
ſorge und Gerechtigkeit gefuͤhrt, auch gezeigt, daß 
Abraham die Aufopferung ſeines Sohns nicht unter⸗ 
nommen haben würde, wenn er nicht von einem Fünf 
tigen Leben überzeugt geweſen wäre. Daß Chriſtus 
wuͤrklich auferſtanden und gen Himmel gefahren ſey, 
wird in dem vierten Aufſatze aus der Standhaftigkeit 
der Apoſtel und Märtyrer, ingleichen aus der Wun⸗ 
dervollen Fortpflanzung der chriſtlichen Religion, darz 
gethan. In den ſechs folgenden Abhandlungen 
wird bewieſen, daß Gott unkoͤrperlich und unſichtbar, 
ingleichen daß die Seele des Menſchen geiſtig und un» 
ſterblich ſeyß; daß der Menſch beſonders die Fähigkeit 
beſitze, ſich ſelbſt zu erkennen, und daß er auch ſeine 

Y 3. Begier⸗ 


230 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Begierden zurückhalten koͤnne. Die beiden naͤch⸗ 
ds ften Predigten über Matth. X, 34. 37. erflären es, 
306 wie durch die wohlthaͤtige Ankunft Chriſti unter den 
bis Menſchen gleichwohl wegen ihrer uͤblen Geſinnungen, 
337. Unruhen entſtanden ſind; und wie ſehr ſich die Chri⸗ 
ſten, auch außerhalb eigentlicher Verfolgungen, ver⸗ 
bunden achten und ſtets bereit ſeyn müffen, um Chris 
ſti Willen zu leiden. Endlich wird in der dreyzehn⸗ 
ten und vierzehnten uͤber 2 Corinth. VIII, fgd. eine 
thaͤtige Froͤmmigkeit in der Ausuͤbung alles Guten, bes 
ſonders auch im Allmoſengeben, empfolen. 


Andere noch vorhandene Schriften des Euſebius 
werden in der Geſchichte der Streitigkeiten des Arius 
und des Marcellus von Anzyra, weit bequemer 
als hier, beſchrieben werden koͤnnen. Aber außer die⸗ 
ſen allen hatte er noch eine Anzahl Werke geſchrieben, 
die uns die Zeit entriſſen hat. Es iſt ſchon anderswo 
(Th. IV. S. 432.) des Antheils gedacht worden, den 
er an der Schutzſchrift feines Freundes Pamphi⸗ 
lus für den Origenes, durch Verfertigung des 
ſechſten Buchs derſelben, genommen hat. Er hin⸗ 
terließ ein anſehnliches Werk zur Vertheidigung der 
chriſtlichen Religion, wider ihren beruͤhmten Feind, 
den Porphyrius. Den Heiden uͤberhaupt, welche 
dieſe Religion beſtritten, ſetzte er eine eigene Wider—⸗ 
legung und Schutzſchrift (eXeyxos e dmoAoyia) 
entgegen. Er arbeitete noch mehrere Werke von ver⸗ 
wandtem Inhalte aus: eine kirchliche Vorberei⸗ 
tung, (EarAnsızsiun magaczevn) einen kirchlichen 
Beweis, (EunAyesssen dimodeikıs) und Auszüge 
prophetiſcher Stellen, (ExAoyal weodnrmei.) 
Aber es nuͤtzt wenig, bloße Aufſchriften verlorner 
Werke, von deren Inhalte ſich jetzt ſo wenig ſagen laͤßt, 
anzuführen. Man kann ſie und noch mehrere bey den 

Schrift⸗ 


Schrift. d. Euſebius, Biſch. von Caͤſarea. 231 


Schriftſtellern finden, welche Nachrichten von dieſem "ni 
unermuͤdeten Gelehrten geſammlet haben. f 4 
Unter dieſen ſtehen die Alten oben an; welche ihm dis 

aber, wegen des Verdachtes des Arianiſmus, den 337. 
er ſich zugezogen hatte, groͤſtentheils nicht ſehr guͤnſtig 
find. Hieher gehoͤren vorzuͤglich Athanaſtus, (Epiſt. 
de decret. Synod. Nicaen. und an andern Stellen,) 
Hieronpmus, (Catal. Scriptt. Ecelef. c. gr. et in 
Epiſt.) Socrates, (Hiſt. Eccl. L. II. c. 2 1.) Philo⸗ 
ſtorgius, (Hiſt. Eccl. Epit. L. I. c. 2. L. VIII. c. 100 
Photius, (Biblioth. cod. 13. 127. Epiſt. 144.) und 
andere mehr. Von den Neuern konnen hier inſonder⸗ 
heit Valeſius (de vita et fcriptis Euſebii Caefar.) 
Tillemont und Duͤ Pin in ihren bekannten Werken, 
Hanke (de Byzantin. rerum Scriptorib. graecis p. 1 
— 130.) le Clerc (Bibliothèque univerſelle, J. X. 
und daraus in der uͤberſetzten nLebensbeſchreibung einiger 
Kirchenvaͤter und Ketzer,) Johann Chriſtoph Erz 
neſti (de Euſebio Diſſertatt. II. Wittenberg 1688. und 
wiederum 1703. 4.) und Fabricius (Biblioth. Gr. 
Vol. VI. p. 30— 105.) mit Nutzen geleſen werden. So 
verſchieden bey dieſer Menge von Schriftſtellern ihre 
Abſicht, Art zu ſammeln und zu urtheilen iſt: fo angee 
nehm iſt ſelbſt dieſe Verſchiedenheit für Leſer, welche 
eigene Beurtheilung hinzubringen, und ſich die Schick» 
ſale eines ſo merkwuͤrdigen Mannes bey der Nachwelt 
bekannt machen wollen. Noch vor kurzem hat der 
Herr Rector Stroth feinem wohlgerathenen Verſuche 
einer deutſchen Ueberſetzung von der Kirchengeſchichte 
des Euſebius, (deren Urſchrift er auch herauszuge⸗ 
ben im Begriff ift,) eine kurze Lebensbeſchreibung die⸗ 
ſes Schriftſtellers vorgeſetzt, in der ſich manche Spu: 
ren eigener Unterſuchung finden. Es dient uͤbrigens 
zur Kenntniß der Denkungsart der Chriſten in Reli» 

P 4 gions⸗ 


232 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


gionsſachen, daß fie dem Euſebius beinahe ſtets den 
TG. gewoͤhnlichen Ehrennahmen Heilig verſagt haben, den 
06 man angeſehenen rechtglaͤubigen Kirchenlehrern und 
bis Schriftſtellern, beſonders auch leidenden Bekennern 
337. des Chriſtenthums, von denen er gleichfals einer ge⸗ 
weſen war, beizulegen pflegten; wenn gleich ihre Sit⸗ 
ten oft, bey aller ihrer Rechtglaͤubigkeit, ſehr unhei⸗ 
lig waren. Nur in den ſpaͤtern Jahrhunderten haben 
einige Verfaſſer von Maͤrtyrerbuͤchern (Martyro- 
logia,) wie Uſtardus, und andere, es gewagt, ihn 
den heiligen Euſebius zu nennen. 


Leben und Meinungen 
des 
Lactantius. 


[lo 


— 


k. Ju gleicher Zeit mit ihm, wie er an dem Hofeſ des 
Kaiſers Conſtantinus geſchaͤtzt, und durch aͤhn⸗ 
lichen Eifer in der Vertheidigung des Chriſten⸗ 

- thums gegen die Heiden berühmt, lebte ein lateiniſcher 

Schriftſteller der Chriſten, Lucius Cölius (oder Caͤ⸗ 
cilius) Lactantius Firmianus. Sein Vaterland 
iſt unbekannt; man glaubt aber, daß es Africa ges 
weſen ſey, weil er ſich des Unterrichts in der roͤmi⸗ 
ſchen Beredſamkeit, den Arnobius zu Sicca gab, 
bedient hat. In der That wuͤrde ein Italiaͤner, wo⸗ 
vor ihn noch Neuere gehalten haben, der Beredſam⸗ 
keit wegen nicht nach Africa gereiſet ſeyn. Aber er 
ließ auch ſeinen Lehrer weit hinter ſich zuruͤck, und be⸗ 
hielt keine Spur der africaniſchen Haͤrte in ſeiner 
| Schreib. 


Leben und Meinungen des Lactantius. 233 


Schreibart übrig. Sein Ruf verſchaffte ihm eine Lehrſtelle 

der Beredſamkeit, die man ihm zu Nicomedien, wo d. G. 
damals Diocletianus ſeinen Sitz hatte, gegen das 306 
Ende des dritten Jahrhunderts, auftrug. Hier lehrte bis 
er die gedachte Kunſt lange Zeit; fand aber doch we- 337. 
nige Zuboͤrer, weil man in dieſer griechiſchen Stadt 
auch vorzuͤglich die griechiſche Sprache bearbeitete. Er 
wandte daher ſeine Beredſamkeit, die er als Sachs 
walter niemals gebraucht hat, zur Vertheidigung des 
Chriſtenthums in Schriften an, und erwarb ſich durch 
dieſelbe einen ausnehmenden Ruhm. 


Es iſt ungewiß, zu welcher Zeit er die chriſtliche 
Religion angenommen habe. Vielleicht brachte ihn 
bereits Arnobius in Africa zu derſelben: wenigſtens 
war fie in dem gröften Theil der Regierung Diocle⸗ 
tians kein Hinderniß, wegen welcher Lactantius nicht 
öffentlich zu Nicomedien hätte lehren koͤnnen. Er erlebte 
auch daſelbſt den Anfang der Verfolgung im Jahr 303. 
und man ſchließt aus den vielen Umſtaͤnden die er 
von den damaligen Begebenheiten in der genannten 
Stadt erzaͤhlt, daß er bis zum Jahr 313. mit wel⸗ 
chem ſich die Bedruͤckungen der Chriſten endigten, in 
derſelben geblieben ſey. Einige Zeit darauf vertrauete 
ihm Conſtantinus die Unterweiſung ſeines aͤlteſten 
Prinzen Criſpus, welcher ſich eben in Gallien befand. 
Ohngeachtet dieſes wichtigen Amtes, lebte Lactan⸗ 
tius in einer ſolchen Duͤrftigkeit, daß es ihm meiften« 
theils auch an dem Nothwendigſten fehlte. Ein neue⸗ 
rer frommer Schriftſteller giebt dieſen ſeinen Umſtaͤn⸗ 
den die Wendung, daß er freywillig, aus Grundſaͤ⸗ 
gen chriſtlicher Gottſeeligkeit, die Armuth gewaͤhlt 
habe. Es iſt aber auch nicht unwahrſcheinlich, daß 
ihn ſeine fruͤhere Lebensart, und zuletzt das Ungluͤck 
des Criſpus, darein 1 5 haben. Vermuthlich iſt 

5 er 


234 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


groer nicht lange nach dem Tode dieſes Prinzen, und alfo 
G. noch vor dem Jahr 330, verſtorben. 


315 Als er waͤhrend der Verfolgung ſeiner Mitbruͤder 
337. ſah, daß zween heidnifche Gelehrte von großem Anſehen, 
das Ungemach der Chriſten noch durch Schriften wider 
dieſelben, welche ſie oͤffentlich vorlaſen, zu vergroͤßern 
ſuchten: beſchloß er, nach ſeiner eigenen Erzaͤhlung, 
(Inftitut. divinar. L. V. c. 2. 4.) nicht allein dieſe bei» 
den, ſondern uͤberhaupt die aͤhnlichen Angriffe der Hei⸗ 
den auf feinen Glauben abzuwehren, und ihnen zu⸗ 
gleich richtigere Begriffe von dieſem zu ertheilen; weil 
doch Tertullianus dieſes nicht vollſtaͤndig, und Cy⸗ 
prianus es nicht genau und beſtimmt genug geleiſtet 
de In dieſer Abſicht ſchrieb er, aber erft um das 
ahr 320. wenigſtens vollendete er damals, feine Anz 
leitung zur wahren Religion, oder, wie man es 
auch nennen kann, ſeinen chriſtlichen Unterricht, in 
ſieben Büchern, (Inſtitutionum divinarum Li- 
bri VII.) N 


In den beiden erſten Buͤchern dieſes Werks, 
welche, entweder durch ihn ſelbſt, oder durch die Abs 
ſchreiber, von der falſchen Religion, und vom 
Urſprunge des Irrthums, uͤberſchrieben ſind, zeigt 
Lactantius die Falſchheit der heidniſchen Religion. 
Es hat vortreffliche Maͤnner gegeben, ſo faͤngt er ſeine 
Einleitung an, welche der Unterſuchung der Wahrheit 
alles aufgebfert, und ſie gleichwohl nicht gefunden ha⸗ 
ben, weil ſie ein Vorzug Gottes iſt, deßen Abſichten 
auch Menſchen durch ihre Vernunft nicht ergruͤnden 
koͤnnen. Da aber Gott die Weisheitbegierigen nicht 
laͤnger herumirren laßen wollte, machte er endlich den 
wahren Weg zur Unſterblichkeit bekannt. Nur bedie⸗ 
nen ſich wenige dieſer Wohlthat; und daher habe ich 
den Gebrauch derſelben empfelen wollen: eine weit en 

lichere 


Leben und Meinungen des Lactantius. 235 


lichere Beſchaͤftigung, als mein ehemaliges Lehramt 
der Redekunſt, in welchem ich eine Anweiſung zu arg N. G. 
liſtigen Kuͤnſten gab; wiewohl mir auch dieſe Uebung 306 
in erdichteten Streithaͤndeln, jetzt zur beredfern und da- bis 
her nachdruͤcklichern Vertheidigung der Wahrheit ſehr 337. 
dienlich iſt. Es iſt nicht noͤthig, mit derjenigen Fra⸗ 
ge den Anfang zu machen, welche ihrer Natur nach die 
erſte zu ſeyn ſcheint: Ob es nemlich eine alles re⸗ 
gierende Vorſehung gebe? oder ob alles von 
ohngefaͤhr geſchehen fey, und fortgehe? Denn 
obgleich einige griechiſche Philoſophen, indem ſie die 
Goͤtter leugneten, zugleich auch die goͤttliche Vorſehung 
aufgehoben haben; ſo ſind ſie doch von den uͤbrigen, 
beſonders von den Stoikern, hinlaͤnglich widerlegt 
worden. Es iſt auch gar nicht ſchwer, dieſen Irrthum 
durch das hierinne allein uͤbereinſtimmende Zeugniß 
der Voͤlker, und durch die Groͤße, Bewegung, Einrich⸗ 
tung, beſtaͤndige Dauer, Nutzbarkeit, Schoͤnheit und 
andere Eigenſchaften der Dinge, zu ſtuͤrzen. Ich will 
allſo vielmehr mit der folgenden Frage anfangen: Ob 
die Welt durch die Macht eines einzigen Gottes, 
oder vieler Goͤtter, regiert werde? Jeder weiſe 
Mann muß den erſten Theil dieſer Frage bejahen. 
Denn mehrern die Regierung der Welt beilegen, heißt 
einen jeden derſelben deſto ſchwaͤcher und unfaͤhiger zur 
Erhaltung des Ganzen; machen. In der That beſitzt 
Gott, der ewige Verſtand, auch die vollkommenſte 
Kraft: er muß alſo nur einer ſeyn, dem nichts entzogen, 
und nichts beigefuͤgt werden kann. Derjenige iſt der maͤch⸗ 
tigſte Koͤnig, welcher uͤber die ganze Welt herrſcht. 
Auch kann die hoͤchſte Gewalt nicht einmal getheilt 
werden, indem ſie ſonſt dem Untergange ausgeſetzt ſeyn 
wuͤrde. Und da die Welt nur von Einem geſchaffen 
werden konnte: fo kann fie auch nur von ihm allein re— 
giert werden, wenn nicht Unordnung und Uneinigkeit 

. entſte⸗ 


236 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


z’oentftehen ſollen. Sagt man, daß mehrere regieren, 
Lg, aber einer der vornehmſte ſey: fo macht man jene aus 
306 Goͤttern zu bloßen Dienern deßelben. So viele Pro⸗ 
bis pheten, deren Weißagungen noch taͤglich erfuͤllt wer» 
337. den, haben die Einheit Gottes gelehrt: und es kann 
leicht bewieſen werden, daß ſie weder Unſinnige noch 
Betruͤger geweſen ſind, wie ihnen vorgeworfen wird. 
Aber wir koͤnnen jene Lehre auch aus den Dichtern und 
Philoſophen darthun, die wider uns gebraucht werden. 
Hier fuͤhrt Lactantius viele Stellen heidniſcher 
Schtiftſteller, und darunter zuletzt den Hermes Trisz 
megiſtus an, der auch von dem einzigen hoͤchſten Gott 
und Vater rede, und behaupte, daß derſelbe eben des- 
wegen keinen Nahmen habe, weil er von keinem an— 
dern Gotte unterſchieden zu werden brauche. Er bringt 
auch zur Beſtaͤtigung mehrere aͤhnliche Stellen der 
Sibpylliniſchen Gedichte bey, deren Geſchichte er zu⸗ 
gleich erzaͤhlt. Darauf zeigt er uͤberaus weitlaͤuftig, 
aber doch auf eine angenehme Art, daß die Goͤtter der 
Heiden, nach ihren eigenen Nachrichten, nicht einmal 
Engel, ſondern hoͤchſtens verdiente Menſchen geweſen 
ſind, die zum Theil grobe Schandthaten begangen 
haben. 


Nun wird im zweiten Buche erklaͤrt, wie die 
Menſchen darauf verfallen ſind, ſolche falſche Goͤtter 
anzunehmen, und wie ſie in dieſer irrigen Meinung 
haben bleiben koͤnnen. Es iſt diefes, ſchreibt der Ver⸗ 
faßer, deſto befremdlicher, da fie in der Noth fo haus 
ſig an Gott denken, und ihn anrufen. Aber es muß 
ſchlechterdings eine boͤſe Macht geben, die ſtets eine 
Feindinn der Wahrheit iſt, ſich uͤber die Irrthuͤmer 
der Menſchen freuet, und beſtaͤndig daran arbeitet, ih⸗ 
ren Verſtand zu verfinſtern, damit ſie nicht Himmel⸗ 
waͤrts ſehen und Gott betrachten moͤgen. Daher 

ö kommt 


Leben und Meinungen des Lactantius. 237 


kommt die Thorheit, Bilder anzubeten. Vergebens 
entſchuldigt man ſich damit, daß man nur diejenigen d.. 
anbete, welche durch die Bilder vorgeſtellt werden. 306 
Denn ſind dieſe abweſend, ſo hoͤren und ſehen ſie nichts, bis 
ſind alſo keine Goͤtter; ſind ſie aber gegenwaͤrtig, ſo 337. 
ſind ihre Bilder uͤberfluͤßig. Ein Bild Gottes muß 
lebendig und empfindlich feyn: dem Menſchen gebuͤh⸗ 
ret alſo ſelbſt dieſer Nahme. Man verwundere ſich 
nicht, daß man Gott nicht ſieht. Man ſieht doch den 
Menſchen ſelbſt nicht; ſondern nur das Gefaͤß, in wel⸗ 
chem der Menſch enthalten iſt: und ſeine Eigenſchaft 
erkennt man nicht an der Geſtalt dieſes Gefaͤßes; ſon⸗ 
dern an den Handlungen und Sitten. Verſtaͤndigere 
Heiden haben wohl die Falſchheit ihrer Religion er— 
kannt; allein entweder alle Religion verworfen, oder 
die ihrige beibehalten, weil ſie keine beßere kannten. 
Gleichwohl verdienen die Bilder deſto weniger eine 
Verehrung, da fie nngeftraft beraubt und beſchimpft 
werden koͤnnen, wie hier aus vielen Beiſpielen erwie⸗ 
ſen wird. Eben ſo wenig haͤtte man die Geſtirne vor 
Goͤtter anſehen ſollen. Denn der Grund, aus dem 
man dieſes ſchließt, weil ihr Lauf beſtimmt und vernünfe 
tig waͤre, beweiſet gerade das Gegentheil. Waͤren ſie 
Goͤtter, ſo wuͤrde ihre Bewegung willkuͤhrlich, nicht 
aber fo nothwendig und unveraͤnderlich ſeyn, als dieje⸗ 
nige iſt, welche Gott in fie gelegt hat. Auch die be> 
ſondern Theile der Welt koͤnnen nicht Goͤtter ſeyn; noch 
die ganze Welt überhaupt. Aber die Heiden ergoͤtzen 
ſich einmal an aͤußerlichen Schoͤnheiten, und haͤngen 
ſo hartnaͤckig an dem was die Alten gelehrt haben, daß 
fie es vor ein Verbrechen halten, daßelbe zu unter- 


ſuchen. 


Doch vielleicht, ſagt Lactantius, macht man 
zur Unterſtuͤtzung des Goͤtterdienſtes den Einwurf, fie 
haͤtten 


238 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. u Hatten doch ihre Hoheit ſehr oft durch Wunderzeichen, 
TG. Traͤume, Wahrſagungen und Orakelausſpruͤche be⸗ 
306 wiefen. Er führt viele Erzaͤhlungen dieſer Art an, und 
bis beantwortet fie folgendergeftalt. Gott hat zwar, als die 
337. Quelle des vollkommenen Guten, einen ihm aͤhnlichen, 
mit den Tugenden feines Vaters verſehenen Geiſt hers 
vorgebracht. Aber er hat auch einen andern gemacht, 
in welchem die göttliche Art nicht geblieben ift, der durch 
Neid gegen ſeinen ſtandhaftern und Gott geliebten 
Vorgaͤnger verdorben worden, und durch ſeinen freien 
Willen einen entgegen geſetzten Nahmen angenommen 
hat. Statt des Nahmens den ihm die Griechen ge⸗ 
ben, (Sz Hohe) nennen wir ihn den Verleumder 
oder Anklaͤger, (criminator) weil er die Verbrechen 
zu welchen er ſelbſt verfuͤhrt, bey Gott angiebt. — 
Hier folgt in einigen Handſchriften des Werks eine 
lange Stelle, die in der Hauptſache die Manichaͤi⸗ 
ſche Lehre von einem guten und boͤſen Grundweſen, 
nur mit dem Unterſcheide, daß beide von Einem Gott 
herkommen ſollen, enthaͤlt. Es wird nemlich darinne 
behauptet, daß, da Gott die Welt zu erſchaffen im 
Begriff geweſen ſey, die aus einer Miſchung entgegen 
ſtehender Dinge beſtehen ſollte, er vorher zwo Quellen 
dieſer Dinge, nemlich zween Geiſter, einen guten und 
boͤſen, gemacht habe, davon jener gleichſam ſeine Rechte, 
der andere ſeine Linke vorſtellen, und jeder eine Art der 
widerwaͤrtigen Dinge in ihrer Gewalt haben ſollten. 
Er habe ferner den Menſchen zugleich gut und boͤſe ge⸗ 
macht, weil ſich ſeine Tugend ohne Boͤſes nicht zeigen 
koͤnnte, ja gar nicht vorhanden ſeyn wuͤrde. Weil 
aber das Boͤſe nicht von Gott herkommen konnte, ſo 
habe er jenen Stifter deßelben geſetzt, der in jeder Bos⸗ 
heit vollkommen geuͤbt ſeyn ſollte; er habe aber auch 
demſelben feinen guten Sohn als einen Streiter ent 
gegen geſtellt, und auf gleiche Weiſe noch viele Engel 
von 


Leben und Meinungen des Lactantius. 239 


von beiderley Gattung gezeugt. — Man ſtreitet noch 
immer darüber, ob dieſe Stelle dem Lactantius zu fa 
gehöre, Sie fehlt freilich in den meiſten Handſchrif 306 
ten, und daher auch in den aͤlteſten Ausgaben. Auch bis 
ſcheint der darinne vorgetragene Irrthum, der nicht 337. 
bloß Manichaͤiſch iſt, ſo grob zu ſeyn, daß man ihn 

von einem ſo oft richtig denkenden Schriftſteller kaum 
erwarten koͤnnte. Unterdeſſen iſt doch der Ausdruck 
dieſer Stelle dem uͤbrigen in dieſem Werke ſehr aͤhn⸗ 
lich: ſie ſchickt ſich ziemlich wohl in den Zuſammenhang 
hinein: und wenn ſie in mehrern Handſchriften ver⸗ 
mißt wird, ſo koͤnnte ſie gar wohl aus Eifer fuͤr die 
Rechtglaͤubigkeit, wovon ehemals die Abſchreiber man⸗ 
cherley Proben abgelegt haben, aus denſelben weggelafs 

ſen worden ſeyn. Man muß zwar geſtehen, daß die⸗ 

fe Frage nicht völlig entſchieden werden koͤnne; aber 
mehreres, auch im folgenden, empfielt doch die Aecht⸗ 
heit dieſer Stelle. 


Bey dem Bau der Welt, faͤhrt Lactantius fort, 
hat Gott jenen erſten und größten Sohn dem ganzen 
Werke vorgeſetzt, und ſich ſeiner als Rathgebers und 
Kuͤnſtlers bedienet. Er hat alles aus Nichts gemacht; 
nicht aber aus einer ſchon vorhandenen Materie: und 
hier wird Cicero, der ſolches behauptete, weitlaͤufig 
widerlegt. Gott hat zwo einander entgegen ſtehende 
Theile der Welt geſetzt: den Morgen und den Abend. 
Jener gehoͤrt Gott zu, weil er die Quelle des Lichts 
und Lebens iſt; dieſer aber dem boͤſen Weſen, das nur 
Finſterniß und Verderben einfuͤhrt: ſo wie auch der 
Tag und Mittag mit dem erſtern, Nacht und Mittere 
nacht mit dem letztern, dem Gegengotte, (antitheo) in 
Verbindung ſtehen. Aus Waͤrme und Feuchtigkeit hat 
Gott alles hervorgebracht: die erftere iſt gleichſam ein 
maͤnnliches und thaͤtiges, die andere gleichſam ein weib⸗ 

ö liches 


240 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch: 


Fm liches und leidendes Element. Den Menſchen hat et 
C. Glu einem empfindenden und vernuͤnftigen Bilde von 
306 ſich geſchaffen: denn wie unglaublich alles ſey, was 
bis die Heiden von der Entſtehung deßelben gedichtet hat⸗ 
337: ten, wird wiederum ausführlich und gelehrt gezeigt. 
Der Menſch iſt, nad) feinen beiden Haupttheilen, gleich» 
ſam aus Himmel und Erde zuſammengeſetzt, und in 
der That aus Dingen, die mit einander ſtreiten. Ue⸗ 
berwindet der Körper die Seele, fo wird fie nicht jers 
nichtet; wohl aber in Ewigkeit geſtraft: und dieſes nen: 
nen wir den zweyten Todt, welcher das Leiden eines 
ewigen Schmerzens iſt. Die Thiere trifft er nicht, 
weil ihre Seelen nicht von Gott, ſondern aus ber Luft, 
entſprungen ſind, und durch den natuͤrlichen Todt un⸗ 
tergehen. Bey dem Menſchen aber gehoͤrt der 
obere Theil oder die Seele, Gott; hingegen der untere, 
oder der Leib, dem Teufel zu. Dieſer hat aus 
Neid die Menſchen im Paradieſe verfuͤhret: und daher 
hat Gott ſie zum Tode verurtheilt, wie dieſes und ande⸗ 
re der erſten Begebenheiten, auch die Sibylliniſchen 
Gedichte erzaͤhlen. Die Ausartung der Menſchen be⸗ 
ſtrafte Gott mit der Suͤndfluth; verringerte nach der⸗ 
ſelben bey jedem Geſchlechte, die Dauer ihres Lebens, 
damit die Laͤnge deßelben nicht abermals Gelegenheit 
geben moͤchte, Boͤſes auszuſinnen, und ſetzte es end⸗ 
lich auf hundert und zwanzig Jahre, als auf ein un⸗ 
uͤberſchreitbares Ziel, herab. Nun wurden die Ca⸗ 
nanaͤer, Nachkommen des Cham, das erſte Volk 
das Gott nicht kannte, weil ihr Stammvater die wah⸗ 
re Religion von ſeinem Vater nicht annahm; welche 
hingegen von den Hebraͤern beibehalten wurde. 


Damit jedoch der Teufel, (dieſes iſt die weitere 
Erklaͤrung des Verfaßers,) dem Gott von Anfang 
her Gewalt uͤber Erde ertheilt hatte, die Menſchen 

nicht 


Leben und Meinungen des Lactantius. 241 


nicht ferner verderben möchte, ſchickte Gott, zur Be- 
ſchuͤtzung und Ausbildung der Menſchen, Engel aber 
verbot ihnen aber, ſich durch Anſteckung der Erde 306 
nicht zu verunreinigen. Er wußte wohl, daß fie es thun bis 
wuͤrden; allein er verbot es ihnen, damit fie nachmals 337. 
keine Vergebung hoffen moͤchten. Wuͤrklich verleitete ſie 
der Beherrſcher der Erde nach und nach zu Laſtern: 
ſie befleckten ſich durch den Umgang mit Weibern, und 
fielen dergeſtalt vom Himmel gaͤnzlich auf die Erde, 
wo ſie Diener des Teufels wurden. Weil aber die 
von ihnen gezeugten weder Engel noch Menſchen, ſon— 
dern von mittlerer Natur, waren; ſo ſind ſie auch nicht 
in die Hölle aufgenommen worden. Auf dieſe Art ſind 
nun zwey Geſchlechter von boͤſen Geiſtern (oder Daͤ⸗ 
monen) entſtanden: ein bimmliſches „ und ein irdi⸗ 
ſches. Dieſe letztern ſind die unreinen Heiler“ Stif⸗ 
ter des Uebels: und ihr Fuͤrſt iſt der Teufel. Sie 
wiſſen zwar viel Kuͤnftiges; aber nicht alles: und da⸗ 
her pflegen ſie ihre Ausſpruͤche zweideutig abzufaſſen. 
Ob fie gleich die Menſchen zu Grunde richten; ſo wol⸗ 
len fie doch vor Hüter derſelben angeſehen ſeyn, damit 
ſie an Statt Gottes verehrt werden. Sie ſchweifen 
auf der ganzen Erde herum, füllen alles mit Betruͤ— 
gereien und Irrthuͤmern an, halten ſich an einzele 
Menſchen: und ſie ſind es, die als Goͤtter angebetet 
werden. Oft ſchleichen ſie fich in die Körper, verurs 
ſachen Krankheiten, erſchroͤcken und zerruͤtten die Mens 
ſchen, damit ſie bey ihnen Huͤlfe ſuchen moͤgen. Viel⸗ 
leicht ſagt jemand, man muͤſſe ſie alſo verehren, da⸗ 
mit fie keinen Schaden zufügen. Allein fie ſchaden. 
nur denen, die ſich vor ihnen fuͤrchten, und von Gott 
nicht beſchuͤtzt werden. Vielmehr ſcheuen ſie ſelbſt die 
Verehrer Gottes; fahren aus, wenn ſie bey ſeinem Nah⸗ 
men beſchworen werden, und bekennen alsdenn wer ſie 
ſind. Von ihnen ſind die Saeeche die Wahr⸗ 
Bf Theil. Q ſager⸗ 


242 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


f ‚„fagerfunft, und andere Kuͤnſte erfunden worden. Sie 
900 haben die Menſchen gelehrt, Bilder verſtorbener Fuͤr⸗ 
306 ſten zu machen, um unter deren Nahmen ſelbſt ange⸗ 
bis betet zu werden. Alle ihre Bemuͤhungen gehen nur 
337. dahin, den Menſchen zu ſchaden und fie zu betruͤgen. 
Weil ſie einſt Diener Gottes geweſen ſind, merken ſie 
einige ſeiner Anſtalten voraus, und kuͤndigen ſolche 
durch Traͤume, Orakelſpruͤche, und auf andere Art 
an, als wenn ſie Urheber davon waͤren. Fragt man 
noch, warum Gott fo viel Böfes dulde? Damit Boͤ⸗ 
ſes und Gutes, Laſter und Tugenden mit einander 
kaͤmpfen; damit er ſolche haben moͤge, die er ſtrafe, 
und andere, die er ehre. Denn er wird einſt uͤber Le⸗ 
bendige und Todte Gericht halten; bis dahin aber bes 
weiſet er die vollkommenſte Geduld. 


Nachdem Lactantius bisher die Falſchheit der 
heidniſchen Religion dargethan hat: ſucht er im drit⸗ 
ten Buche, von der falſchen Weisheit, zu be⸗ 
weiſen, daß die Philoſophie der Heiden eben fo unges 
gruͤndet und unnuͤtze ſey. Er ſchließt dieſes ſchon aus 
ihrem Nahmen: da ſie ein Beſtreben nach Weisheit 
heißt, ſo kann ſie, meint er, nicht die Weisheit ſelbſt 
ſeyn: und daß dieſe noch nicht gefunden worden ſey, 
geſtehen die Philoſophen ſelbſt, welche ſie noch immer ſu⸗ 
chen. Es kommt eigentlich bey der Philoſophie auf Wiſ⸗ 
ſenſchaft und auf Meinung an. Jene ruͤhrt allein von 
Gott her: es bleiben alſo dem Menſchen bloß Mei⸗ 
nungen und Muthmaaßungen uͤbrig. Daraus entſteht 
aber lauter Ungewißheit: wie denn auch jede philoſo⸗ 

phiſche Sekte von den uͤbrigen getadelt und verworfen 
wird. Man mag mit einigen dieſer Philoſophen be⸗ 
haupten, daß man etwas gewiß wiſſen koͤnne; oder 
mit andern ſolches leugnen: ſo iſt die Philoſophie ver⸗ 
loren. In der Sittenlehre, wo ſie, wegen ihres wich⸗ 

tigen 


Leben und Meinungen des Lactantius. 243 


tigen Nutzens, durchaus alle uͤbereinſtimmig lehren. = 
ſollten, haben fie ſich niemals über die Hauptfrage g. g. 
vom hoͤchſten Gute vergleichen koͤnnen. Der Verfaf: 306 
ſer beſtreitet verſchiedene ihrer Meinungen daruͤber, bis 
und behauptet, daß dieſes Gut bloß in der Religion 337. 
zu ſuchen ſey. Alle Menſchen kommen darinnen über: 
ein, daß man Religion haben muͤſſe; nur irren ſie 
darinne, daß ſie dieſelbe ohne Weisheit, oder dieſe 
ohne Religion beſitzen wollen; welches beides unmoͤg⸗ 
lich iſt. Unſterblichkeit iſt eigentlich das hoͤchſte Gut. 
Wie man zu derſelben gelangen koͤnne, lehrt die Nelis 
gion; die Tugend aber macht, daß wir zu derſelben 
gelangen. Selbſt die Beſchreibungen, welche große 
Männer unter den Heiden, wie Cicero und Seneca 
inſonderheit, von der Philoſophie machen, find fehs 
lerhaft. Man ſieht auch, daß ſie dieſelbe mehr zum 
Vergnuͤgen als zur Beſſerung erforſcht haben: und 
daß fie keine wahre Weisheit ſeyn koͤnne, iſt ſchon dar⸗ 
aus klar, weil man ihren Anfang und Urſprung kennt. 


So iſt die Philoſophie beſchaffen, ſagt Lactan⸗ 
tius: die Philoſophen find nicht beſſer. Epicurus, 
der die goͤttliche Vorſehung leugnete, und die Seelen 
ſterben ließ, hat dadurch gleichſam fuͤr die Aufmunte⸗ 
rung von Raͤubern geſorgt. Die Pythagoraͤer und 
Stoiker, welche die Unſterblichkeit der Seele erkann⸗ 
ten, haben durch ihre Lehren von der Wanderung dere 
ſelben, von der Pflicht, das Leben als ein Uebel zu 
meiden, und dergleichen mehr, Irrthuͤmer und Selbſt⸗ 
mord veranlaßt. Socrates ſelbſt und Plato haben 
viel Falſches und Verfuͤhreriſches geſagt, wie der era 
ſtere inſonderheit die Worte: Was uͤber uns iſt, geht 
uns nichts an; und der letztere die Meinung von der 
Gemeinſchaft der Weiber. An den geringern Philos 
ſophen iſt nicht weniger zu tadeln. Darunter rechnet 

Q 2 der 


244 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Oder Verfaſſer, zum Beiſpiel, die Lehre des Zeno, daß 
G. das fo wohlthaͤtige Mitleiden ein Fehler und eine Krank⸗ 
306 heit ſey; ingleichen die Behauptung, daß es Gegen⸗ 
bis fuͤßler gebe: einen ungereimten Einfall, der daraus 
337. entſtanden ſey, weil einige geglaubt hätten, die Erde 

ſey auf allen Seiten rund, und muͤſſe alſo auch uͤberall an 

Menſchen und Gewaͤchſen gleiche Beſchaffenheit haben, 

welches auch dadurch begreiflich werde, weil alle Dinge 

gegen ihren Mittelpunkt ſchwer waͤren. Auch deswe⸗ 

gen kann die Philoſophie keine Weisheit ſeyn, weil 

ſie, nach dem eigenen Geſtaͤndniſſe ihrer Verehrer, 
nicht fuͤr alle Menſchen ohne Unterſcheid, ſondern nur 
fuͤr eine kleine Anzahl brauchbar iſt. Der Erfolg hat 
dieſes ebenfals beftätige: und die Vorſchriften der Phi⸗ 
loſophie werden nicht einmal von den Philoſophen ſelbſt 
beobachtet. Aber die Kraft der goͤttlichen Weisheit, 
oder der Religion, iſt fo groß, daß fie den Laſterhaf⸗ 
ten tugendhaft macht. Durch Ein Bad wird alle 
Bosheit weggeſchafft. Iſt dieſe Weisheit in das 
Herz des Menſchen gegoſſen, ſo treibt ſie auf einmal 
die Thorheit, die Mutter der Suͤnden, durch Einen 
Anfall aus: dazu iſt weder Lohn, noch Buͤcher oder 
Studieren noͤthig, und dieſe volle goͤttliche Quelle ſteht 
allen offen. Damit laſſen ſich die Lehren der Philoſo⸗ 
phen gar nicht vergleichen; wenn ſie gleich manches 
aͤhnliche enthalten. Sie koͤnnen den Menſchen nicht 
beſſern, ſehen nicht über dieſes Leben hinaus, ſetzen 
die nichtsbedeutenden oder zweideutigen Woͤrter, Na⸗ 
tur und Gluͤck, an die Stelle Gottes, und bleiben voll 


Widerſpruch und Ungewißheit. f 


Alle dieſe Unterſuchungen fuͤhren den Verfaſſer im 
vierten Buche zu der genauern Erklaͤrung der wah⸗ 
ren Weisheit. Nach einer Klage über die ſchlim⸗ 
men Folgen, welche die falſche Religion nach ſich ge⸗ 
4 zogen 


Leben und Meinungen des Lactantius. 245 


zogen hat, bemerkt er, daß die alten Philoſophen dien 
Weisheit auch darum nicht haͤtten finden koͤnnen, weil d z. 
ſie ſolche bey den Aegyptiern, Magiern und Perſiern, 306 
nicht aber bey den Juden, bey welchen fie allein anzu- bis 
treffen war, geſucht hätten; es habe fie aber auch die 337 
goͤttliche Vorſehung nicht zu dieſem Volke kommen laſ⸗ 
ſen, weil es noch nicht erlaubt geweſen ſey, daß 
Fremde die wahre Religion kennen ſollten. Er ſetzt 
hinzu, daß Weisheit und Froͤmmigkeit nur bey den 
Chriſten unzertrennlich verbunden waͤren; nicht bey 
den Heiden, wo Religion und Philoſophie ſo ſehr von 
einander unterſchieden ſeyen, erſtere auch der Vernunft 
entgegen ſtehe. Weisheit gehoͤrt eigentlich fuͤr die 
Soͤhne, und verlangt Liebe; Religion aber iſt fuͤr die 
Knechte, und fordert Furcht. Daher wird Gott als 
Vater und Herr betrachtet; aber die Heiden kennen 
ihn unter keinem von beiden Verhaͤltniſſen. N 


Um nun die vereinigte Religion und Weisheit zu 
erklaͤren, ſagt Lactantius, muß ich vorher von den 
Propheten, deren Zeugniſſe ich dabey gebrauchen wer: 
de, erinnern, daß ſie weit fruͤher als die griechiſchen 
Schriftſteller gelebt haben, inſonderheit der erſte un« 
ter ihnen, Moſes, ſiebenhundert Jahre vor dem 
Trojaniſchen Kriege. Ihnen zu Folge hat Gott vor 
der Schöpfung der Welt, einen heiligen und unvers 
weslichen Geiſt gezeugt, den er den Sohn nannte: 
und ob er gleich hernach unzaͤhliche andere durch den⸗ 
ſelben geſchaffen hat, die wir Engel nennen; ſo hat er 
doch dieſen allein des göttlichen Nahmens des Erſtge— 
bohrnen gewuͤrdigt, weil er vaͤterliche Macht und Ma⸗ 
jeftät hat. Von dieſem haben Hermes Lrismegts 
ſtus und die Erythraͤiſche Sibylle geweiſſagt: er 
iſt es auch, der durch den Salomo (Spruͤche C. VIII. 
v. 22.) von ſich geredet hat. Sein Nahme iſt nicht 

Q 3 einmal 


245 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


einmal den Engeln bekannt; ſondern allein Gott dem 
TG. Vater, kann auch durch menſchliche Zunge nicht aus⸗ 
306 geſprochen werden, wie Hermes abermals lehrt. Ei⸗ 
bis nen andern Nahmen hat er bey den Engeln; einen 
337. andern bey den Menſchen, nemlich Jeſus: denn der 
Nahme Chriſtus (woraus einige aus Irrthum Chre⸗ 
ſtus gemacht haben,) bezeichnet nur ſeine Macht und 
ſein Reich. Er iſt zweimal gebohren worden: einmal 

im Geiſte, das anderemal im Fleiſche. Dieſe ſeine 
doppelte Geburt hat ſogar bey den Anhängern der wah⸗ 

ren Religion Mißverſtaͤndniſſe verurſacht. Man muß 

ſich aber die erſtere Zeugung nicht auf menſchliche Art 
vorſtellen. Ob ſich gleich die goͤttlichen Werke nicht 
fuͤglich beſchreiben laſſen; ſo ſagt doch die heilige Schrift 
von ihm, daß er Gottes Wort, und bie uͤbrigen En⸗ 

gel Geiſter ſind. Nun iſt Wort ein Hauch, der mit 
einer bedeutenden Stimme vorgebracht wird. Da 
aber der Hauch aus der Naſe, und das Wort aus 
dem Munde kommt: ſo zeigt ſich hierinne der Unter⸗ 
ſcheid zwiſchen dem Sohne Gottes und den 
Engeln. Diefe find ganz ſtill als Geiſter von Gott 
ausgegangen, weil ſie bloß ſeine Diener ſeyn ſollten; 
jener aber iſt mit Stimme und Schall aus dem 
Munde Gottes hervorgekommen, wie ein Wort, 
weil er die Lehre Gottes vortragen, und ſeinen Willen 
offenbaren ſollte. Unſer Hauch iſt zerſtoͤrbar, weil 
wir ſterblich ſind; aber der Hauch Gottes lebt, bleibt 
und empfindet. Und da unſere Worte fortdauern, 
wenn fie niedergeſchrieben werden; wie vielmehr muß 
Gottes Wort in Ewigkeit bleiben? Daß aber Gott 
aus Gott durch Hervorbringen einer Stimme und ei⸗ 
nes Hauchs habe gezeugt werden koͤnnen, daruͤber 
wird man ſich nicht wundern, wenn man einige Stellen 

der Propheten, (Pfalm XXXIII. v. 6. XLII. v. 2. Sirach 

C. XXIV. v. 4. fg.) geleſen hat. Das griechiſche Wort 
(Ass) 


Leben und Meinungen des Lactantius. 247 


(As os) druͤckt jedoch dieſen Begriff beſſer aus, als“ 

das unſrige, (Verbum oder ſermo) weil es auch Ver⸗TG. 

nunft bedeutet. 306 

| bis 

Es ſollte aber, wie der Verfaſſer weiter zeigt, 33?“ 
auch die zweyte Geburt des Sohnes Gottes auf der 
Welt zur beſtimmten Zeit vor ſich gehen. Sie war 
von den Propheten vorher verkuͤndigt worden: und 
um dieſes zu verſtehen, wird ein Auszug der juͤdiſchen 
Geſchichte mitgetheilt. Dieſer Lehrer der Gerechtigkeit 
wurde Gott und Menſch zugleich; aber er blieb Gott 
getreu: denn er lehrte, daß nur Ein Gott ſey, den 
man allein verehren muͤſſe, und er hat ſich niemals 
ſelbſt Gott genannt, weil er nicht treu geblie⸗ 
ben waͤre, wenn er, der die Vielgoͤtterey aufhe⸗ 
ben follte, mehr als Einen Gott eingefuͤhrt haͤtte. 
Wegen dieſer Treue hat er die Wuͤrde eines ewigen 
Prieſters, die Ehre des hoͤchſten Koͤniges, richterliche 
Gewalt, und den Nahmen Gottes erhalten. Er 
wurde getauft, nicht, um ſeine Suͤnden, denn er hatte 
keine, ſondern um die Suͤnden des Fleiſches, das er 
trug, aufzuheben. Von feinen Wundern, deren Haupfe 
gattungen beſchrieben werden, haben ſchon die Sibyllen 
geweiſſagt. Zwar brauchen einige, weil ſie durch die 
Gedichte derſelben uͤberzeugt werden, dieſe Ausflucht, 
die unfrigen hätten dieſe erdichtet. Aber wer beym 
Cicero und andern Alten die Nachrichten von den 
Sibyllen geleſen hat, wird dieſes nicht glauben koͤn⸗ 
nen; wenn gleich freylich jene Gedichte zu der Zeit, 
als man fie noch nicht verſtand, vor Unſinn mögen ges 
halten worden ſeyn. Das Leiden Chriſti wird uns 
zwar als etwas Schimpfliches vorgeworfen, daß wir 
nemlich einen ans Kreutz geſchlagenen Menſchen ver— 
ehrten. Allein es iſt mit großer goͤttlicher Weisheit 
veranſtaltet worden. Haͤtte er in aller Gluͤckſeeligkeit 
ae auf 


248 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
g. wauf der Welt regiert: ſo wuͤrde ihn kein weiſer Mann 
8e. vor Gott gehalten haben. Da hingegen Tugend und 
306 Gerechtigkeit ſeine Vorzuͤge waren, und nebſt ſeinen 
bis Wundern machten, daß er als Gott erkannt wurdet 
337 ſo haben ihm feine thoͤrichten Feinde eben deswegen 
das Leben geraubt. Die Propheten haben auch dieſes 
vorher verkuͤndigt, unter andern Salomo, (B. der 
Weisheit C. II. v. 12. fg.) und bloß weil er dieſes al⸗ 

les erfüllte, haben die in dem göttlichen Worte unwiſ⸗ 
ſenden Juden, ihn, als ihren Gott, zum Tode ver⸗ 
urtheilt. Nach ſeiner Auferſtehung zeigte er ſich den 
Juden nicht, damit er ſie nicht zur Buſſe bringen 
moͤchte; ſondern erklaͤrte ſeinen Juͤngern die nun ver⸗ 
ſtaͤndlichere heilige Schrift. Die Propheten nennen 
deswegen das den Juden gegebene Geſetz ein Teſta⸗ 
ment: denn waͤre Chriſtus nicht geſtorben, fo hätte 

es eben ſo wenig, als ein anderes Teſtament, vor dem 
Tode ſeines Stifters eroͤffnet und verſtanden werden 
koͤnnen. Beide Teſtamente der heiligen Schrift ſind 
Eines: Chriſtus hat ſie beide geſtiftet, uns zu Er⸗ 
ben des ewigen Reichs gemacht, und die Juden ents 
erbt. Als er gen Himmel fuhr, machte er unter an⸗ 
dern dem Petrus und Paulus kuͤnftige Dinge be⸗ 
kannt, welche ſie zu Rom verkuͤndigten, darunter auch 

der Untergang des juͤdiſchen Volks war: und dieſe 
Verkuͤndigung iſt (er meint die untergeſchobene Schrift, 
(Praedicatio Petri) zum Andenken aufgeſchrieben worden. 


Hierauf beantwortet Lactantius die Einwuͤrfe: 
warum Chriſtus nicht lieber, zur Belehrung der Men⸗ 
ſchen, als Gott unter die Menſchen gekommen; ſon⸗ 
dern ihnen ſo ſchwach und veraͤchtlich erſchienen, und 
ſo viel von ihnen gelitten? warum er nicht wenigſtens 
zuletzt, um ſich dem Tode zu entziehen, ſeine Majeſtaͤt 
geoffenbaret hat? Darum, antwortete er, weil derje⸗ 

nige, 


Leben und Meinungen des Lactantius. 249 


nige, der andern Vorſchriften gab, fie ſelbſt erfüllen g 
mußte, damit fie ſich nicht mit der Unmoͤglichkeit, die- FG. 
ſelben zu beobachten, entſchuldigen möchten. Denn 306 
dieſes iſt eben die Urſache, warum man den Lehren der bis 
Philoſophen nicht gehorcht. Weiter kann auch der 337. 
vollkommenſte Lehrer vom Himmel die Menſchen, wel⸗ 
che in ſich ſelbſt keine wahre Wiſſenſchaft haben koͤn⸗ 
neu, nicht anders unterrichten, als wenn er ihren Leib 
annimmt. Auch kann ihnen die von der Schwaͤchlich⸗ 
keit ihres Fleiſches hergenommene Beſchoͤnigung der 
Suͤnde, nicht anders entriſſen werden, als wenn ihr 
Lehrer dieſes Fleiſch ſelbſt angezogen hat, und darinne 
tugendhaft geblieben iſt. Damit man aber gewiß wiſ⸗ 
ſen moͤchte, daß er von Gott geſandt worden ſey, mußte 
er auf eine ungewoͤhnliche Art gebohren werden. Er 
war ſolchergeſtalt Gott und Menſch, zwiſchen Gott und 
den Menſchen in der Mitte geſtellt; — daher ihn die Grie⸗ 
chen den Mittler (ae ε ) nennen, — auf daß er fie 
zu Gott, das heißt, zur Unſterblichkeit fuͤhren koͤnnte. 
Alle feine Wunder und Leiden hatten eine gewiſſe Bez 
deutung. Indem er, zum Beiſpiel, den Blinden das 
Geſicht ſchenkte, gab er zu erkennen, daß er die Voͤl— 
ker mit dem Lichte der Weisheit erleuchten werde. 
Seine Leiden kuͤndigten den Anhaͤngern der Wahrheit 
in dieſem Leben lauter Bitterkeiten, wie Eßig und 
Gallentrank, an. Er duldete zuletzt auch den Todt, da— 
mit die Chriſten lernen moͤchten, denſelben zu verach⸗ 
ten und zu beſiegen. Daß er eben der ſchmaͤhlichſten 
Todesart geſtorben iſt, hat dieſe Urſachen, weil er 
durch eine ſo tiefe Erniedrigung, auch dem geringſten 
Hoffnung zur Seeligkeit machen wollte; weil ſein Leib 
zur baldigen Auferſtehung ganz erhalten werden folls 
te; weil er am Kreutze erhoͤhet werden mußte, damit 
alle Voͤlker ſein Leiden ſaͤhen; und weil ſeine daran aus⸗ 
geſtreckten Haͤnde anzeigten, es werde eine große Menge 

2 5 unter 


250 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fenn feine Fluͤgel verſammelt werden. Das Zeichen 

G. des Bluts, welches die Juden von ihrem Oſterlamm 

306 an den Thuͤrpfoſten machen, iſt eigentlich das Zeichen 

bis des Kreutzes, weil Chriſtus an dieſem ſein Blut ver⸗ 

337. goſſen hat; fo wie das Oſterlamm, (pafcha) das vom 
Leiden (mirxen) den Nahmen hat, luͤber haupt ein 
Vorbild auf ihn war. Auch iſt das Zeichen des Kreu⸗ 
tzes den böfen Geiſtern, welche menſchliche Körper eins 
genommen haben, fuͤrchterlich. Weder Wahrſager 
noch Orakelſpruͤche vermoͤgen etwas, wenn ein mit 
dem Kreutze bezeichneter gegenwaͤrtig iſt. Daher ka⸗ 
men oft Verfolgungen, indem die Wahrſager die 
Schuld des vergeblichen Opferns den Chriſten beis 
maaßen. Ein Beweis wider ihre Religion, deren 
Goͤtter Chriſto nicht aus Haß, wie ſie vorgaben, ſon⸗ 
dern aus Ohnmacht, weichen mußten. So iſt alſo 
alle Hoffnung des Lebens fuͤr die Menſchen allein in 
der Religion zu ſuchen, die auch davon den Nahmen 
hat, weil fie uns mit Gott verbindet; (hoc vin- 
culo pietatis Deo religati ſumus;) und eine andere 
Ableitung, die Cicero von dieſem Worte giebt, wird 
umſtaͤndlich beſtritten. 


Sollte jemand fragen, ſetzt Lactantius hinzu, 
wie wir uns zur Verehrung eines einzigen Gottes bes 
kennen, und doch zween, Gott den Vater und Gott 
den Sohn, einen ſterblichen Gott, behaupten koͤnnen, 
an welche Lehre ſich auch diejenigen ſtoſſen, die unſern 
uͤbrigen ganzen Glauben annehmen: ſo muß man be⸗ 
denken, daß wir den Vater und den Sohn nicht von 
einander trennen. Sie laſſen ſich nicht ohne einander 
denken: und daher haben ſie beide Einen Sinn, Geiſt 
und Subſtanz. Nur iſt der Vater gleichſam die uͤber⸗ 

ſtroͤmende Quelle; der Sohn aber gleich einem davon 
abflieſſenden Bache: jener iſt wie die Sonne; dieſer 
wie 


Leben und Meinungen des Lactantius. 251 


wie der daraus gehende Sttahl. Hat jemand einen T. 
ſehr geliebten Sohn, der aber im Hauſe unter der x. G. 
Gewalt des Vaters lebt, ob er ihm gleich den Nahmen 306 
und die Macht eines Herrn zugeſteht: ſo wird es doch bis 
nach dem bürgerlichen Rechte nur Ein Haus und Ein 337. 
Herr genannt. Gleichergeſtalt iſt dieſe Welt Ein 
Haus Gottes: und der Vater und Sohn, welche ſie 
einmuͤthig bewohnen, ſind Ein Gott, weil Einer wie 
zween, und zween wie Einer ſind. Der Sohn thut 
nichts, als was der Vater will und befiehlt. Der 
hoͤchſte Gott iſt allein ohne Urſprung: er iſt der Ur⸗ 
ſprung der Dinge, und in ihm iſt der Sohn und alles 
enthalten. Da nun der Sinn und Wille des einen 
im andern, oder vielmehr ein einiger in beiden iſt: ſo 
werden ſie beide mit Recht Ein Gott genannt, weil 
alles, was im Vater iſt, auf den Sohn uͤberfließt, 
und alles was im Sohn iſt, vom Vater herkommt. 
Man kann alſo auch den hoͤchſten und einzigen Gott 
nicht anders als durch den Sohn verehren. Damit 
endlich niemand dieſe wahre Weisheit am unrechten 
Orte ſuchen moͤge, ertheilt Lactantius noch einigen 
Unterricht uͤber die Ketzereyen, in welche das Volk 
Gottes, durch Antrieb der Teufel, geſpaltet worden ſey. 
Chriſtus und feine Geſandten hätten dieſelben vor— 
hergeſagt, und ihre Entſtehung ſey auch gar begreif— 
lich. Denn außerdem, daß die meiſten der unveraͤn⸗ 
derlichen Vorſchriften Chriſti uneingedenk geworden 
waͤren, haͤtten einige einen zu wankenden Glauben, 
andere zu wenig Gelehrſamkeit oder Vorſichtigkeit ge- 
habt. Manche haͤtten eine Trennung geſtiftet, weil ſie 
nach dem Bißthum (ſummum facerdotium) getrach- 
tet, und ein anderer ſolches erhalten haͤtte; wiederum 
andere waͤren nicht geuͤbt genug in der heiligen Schrift 
geweſen, um die Einwuͤrfe zu beantworten, wie Gott 
ein Kind habe gebohren werden, leiden und ſterben 

N koͤnnen. 


252 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F ykoͤnnen. Es waͤren auch manche durch die falſchen 

G. Propheten verführt worden. Alle aber hätten dadurch 

755 aufgehoͤrt, Chriſten zu ſeyn, und dafuͤr menſchliche 

bis Nahmen bekommen, wie unter andern die Monta— 

337. niſten, die Novatianer, die Valentinianer, Mar⸗ 

cioniten und Anthropianer, (eine unbekannte Par⸗ 

they, uͤber die ſich der Verfaſſer nicht weiter erklaͤrt 

hat.) Die rechtglaͤubige Kirche behält allein den wah⸗ 

ren Gottesdienſt bey. Sie iſt der Tempel Gottes: 

wer nicht da hinein geht, oder aus demſelben geht, der 

hat keine Hoffnung des ewigen Lebens. Weil aber 

alle Ketzergemeinen ſich vor rechtglaͤubig halten: ſo 

muß man wiſſen, daß es nur diejenige ſey, worinne 

Bekenntniß und Buſſe iſt, und wo die Wunden der 

Suͤnden, welche die Schwachheit des Slaſches verur⸗ 
ſacht, geheilt werden. 


Das fünfte Buch dieſes Werks, das die Ue⸗ 
berſchrift von der Gerechtigkeit hat, erklaͤrt zuerſt 
die Abſichten ı und Urſachen, welche der Verfaſſer da= 
bey hatte. Inſonderheit erinnert er, daß die heilige 
Schrift deswegen von vielen Heiden verachtet worden 
ſey, weil ſie in keiner zierlichen Schreibart aufgeſetzt 
worden ſey, und beurtheilt zugleich die vorhergehen⸗ 
den chriſtlichen Verfaſſer von lateiniſchen Schutzreden 
fuͤr ihre Religion, die ihm theils in der Ausfuͤhrung, 
theils im Vortrage, keine Genuͤge gethan haben. 
Was aber die Gerechtigkeit betrift, ſagt er: ſo haben 
die Dichter mit Grunde verſichert, ſie ſey von der Erde 
in den Himmel eue Denn dieſes iſt ge⸗ 
ſchehen, als die 2 Verehrung eines einzigen Gottes auf- 
hoͤrte, mit welcher auch die goldene Zeit unter den 
Menſchen verſchwand. Um ſie wieder zuruͤck zu fuͤh⸗ 
ren, ſchickte Gott feinen Geſandten; aber die Gerech⸗ 
tigkeit, oder, welches einerley iſt, die Verehrung Got⸗ 

tes 


Leben und Meinungen des Lactantius. 253 


tes kam nur auf wenige. Die Urſache davon iſt dieſe, 
weil die Tugend entweder nicht ſichtbar iſt, wenn ihr d. G. 
keine Laſter entgegenſtehen; oder, wenn ſie nicht durch 306 
Widerwaͤrtigkeiten geübt wird, unvollkommen bleibt. bis 
Man klage alſo nicht über die Abweſenheit der Gerech- 337 
tigkeit; fie iſt vor unſern Augen, und darf nur anges 
nommen werden, indem man alle boͤſe Gedanken ab⸗ 
legt. Der Dienſt des einzigen Gottes leiſtet dem 
menſchlichen Geſchlechte die wichtigſten Vortheile. 
Aber da die Heiden die Anhaͤnger der Gerechtigkeit 
umbringen: ſo koͤnnen ſie jene Klagen nicht aufrichtig 
meinen. Ihre abſcheulichen Sitten, die Beſchaffen— 
heit ihres Goͤtzendienſtes ſelbſt, hindern ſie gerecht zu 
ſeyn. Uns halten ſie vor Thoren, daß wir uns, wie 

wir leicht koͤnnten, den Martern und dem Tode nicht 
entziehen. Allein da ſo viele tauſend Menſchen von 
allerley Volke, Stande, Geſchlecht und Alter, in 
dieſem ſtandhaften Bekenntniſſe ihrer Religion voll 
kommen einmuͤthig find: ſo muß dieſe Geſinnung ver— 
nünftige Gruͤnde genug für ſich haben. Freylich hat 

die Gerechtigkeit, ihrer Natur nach, einen gewiſſen 
Schein von Thorheit: und ſo ſtellte fie auch der Phi⸗ 
loſoph Carneades vor. Aber dieſer Schein faͤllt weg, 
wenn man bedenkt, daß die Gerechtigkeit zwo Haupt— 
tugenden in ſich enthalte: die Froͤmmigkeit und die 
Billigkeit; und daß nach dieſem Leben noch ein ander 

res und unſterbliches bevorſtehe. Denn, ohne dieſes 

zu hoffen, würde nichts thoͤrichter ſeyn, als die Er- 
haltung und die Vortheile des gegenwaͤrtigen Lebens zu 
vernachlaͤßigen. Hierdurch muͤſſen auch die Heiden 
beſchaͤmt werden: ſowohl in Anſehung des vielen grau— 
ſamen Unrechts, das ſie den Chriſten zufuͤgen, als 
auch wegen der elenden Religion, der ſie ergeben ſind. 
Sie verfolgen wuͤrklich die Chriſten nicht darum, weil 
dieſe die Goͤtter nicht verehren; ſondern, weil wir im 

8 N | Beſitze 


254 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


HBeſitze der verhaßten Wahrheit find. Gott aber laͤßt 

N Sl dieſe Bedruͤckungen zu, damit die Chriſten in der Ge⸗ 

306 duld geuͤbt werden; ſich durch die zeitlichen Guͤter und 

bis Vergnuͤgungen nicht verderben laſſen; vielmehr durch 

337. ſolche Zuͤchtigungen ihre Beſſerung befördert werde; das 
mit endlich auch das Volk Gottes immer an Anzahl 
zunehme. Dieſes letztere geſchieht beſonders, indem 
viele Heiden die grauſamen Menſchenopfer die an uns 
dargebracht werden, verabſcheuen; manche unſerer Lehre 
Beifall geben; andere auf die Vermuthung kommen, 
die Abneigung fo vieler ſterbenden Menſchen vom Go 
tzendienſte muͤſſe doch ihren Grund haben; oder begie⸗ 
rig werden zu wiſſen, welches denn das große Gut 
ſey, dem die Chriſten, Leben und alles aufopfern; noch 
andere die Standhaftigkeit der Maͤrtyrer bewundern; 
ingleichen die Strafen ſehen, welche die Verfolger im⸗ 
mer getroffen haben. Es kommt hinzu, daß die 
Macht der chriſtlichen Religion, die ſich im Austrei⸗ 
ben der Teufel aus den Beſeſſenen zeigt, ebenfals viele 
zu derſelben fuͤhrt. Alle unſere Verfolger werden hier 
und einſt ewig beſtraft werden: laßt uns nur darauf 
bedacht ſeyn, daß die Menſchen an uns nichts als die 
Gerechtigkeit ſtrafen. 


Bisher hatte Lactantius die wahre Weisheit und 
Erkenntniß Gottes erklaͤrt; nun lehrt er im ſechſten 
Buche den wehren Gottesdienſt. Wir find, ſagt 
er, deswegen gebildet und beſeelt worden, (infpirati 
ſumus) damit wir Gott mit reinem Herzen verehren. 
Jene heilige und einzige Majeſtaͤt verlangt von dem 
Menſchen nichts anders als Unſchuld zum Opfer. Die 
Menſchen aber glauben, bey allen ihren Laſtern, recht 
gottesfuͤrchtig zu ſeyn, wenn fie Tempel und Altäre 
mit blutigen Opfern oder mit Wein benetzen, auch an⸗ 
dern koſtbaren Aufwand machen; weil ſie nemlich die 

aͤußer⸗ 


Leben und Meinungen des Lactantius. 255 


aͤußerlichen Güter über alles hochſchaͤtzen. Man ſieht g 
auch daraus den irdiſchen Urſprung derjenigen Götter, d. G. 
welche man mit Speiſe und Trank bedienet. Ueber- 306 
haupt giebt es zween Wege für die Menſchen: den ei- bis 
nen zum Himmel, den andern zur Hölle, Die Phi- 337. 
loſophen haben zwar von beiden ſchon viel Gutes ge⸗ 
ſchrieben, und ſie die Wege der Tugend und des La⸗ 
ſters genannt; aber die richtigen Begriffe von der Tu⸗ 
gend fehlten ihnen, weil ſie die Unſterblichkeit der Seele 
nicht kannten, und mithin alles auf dieſes Leben ein⸗ 
ſchraͤnkten. Wir unterſcheiden uns von ihnen darinne, 

daß wir auf jeden dieſer Wege einen unſterblichen An⸗ 
fuͤhrer ſtellen: einen geehrten, der den Tugenden und 

den Guten, und einen verdammten, der den Laſtern 
und den Boͤſen vorgeſetzt iſt; weiter auch darinne, daß 

wir Leute von jedem Geſchlechte und Alter auf den 
himmliſchen Weg führen; und dergleichen mehr. Haupt⸗ 
ſaͤchlich aber verbinden wir auf dem erſtern Wege, Tu⸗ 
genden mit Armuth und anderm zeitlichen Uebel, aber 
auch mit ewigen Belohnungen; und auf dem letztern 
alle Vortheile und Ergoͤtzlichkeiten der Welt mit La⸗ 
ſtern und ewigen Strafen. Nicht darinne beſteht die 
Tugend, wie die heidniſchen Weiſen vorgaben, daß 
man wiſſe, was gut oder boͤſe fey; ſondern daß man 
jenes thue, und dieſes unterlaſſe. Dieſe Weiſen wuß⸗ 

ten ſelbſt nicht einmal, was gut oder boͤſe ſey, weil ſie 
Wahrheit und Tugend bloß auf der Welt ſuchten. 


Ihnen ſetzt alſo der Verfaſſer beſſere Vorſchriften 
uͤber den Dienſt Gottes entgegen. Das erſte von 
Gott ſelbſt bekannt gemachte Geſetz, iſt, ihn erkennen, 
ihm allein Gehorſam und Verehrung leiſten. Es iſt 
moͤglich, daß mancher, aus natuͤrlichen angebohrnen 
guten Geſinnungen wuͤrkliche Tugenden ausuͤbe, wie 
ehemals Cimon; aber, wenn dabey die Erkenntniß 

Got⸗ 


256 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Gottes fehlt, fo iſt alles dieſes Gute vergeblich: und 
$ n.. EHRE . 
El leine ſolche Gerechtigkeit iſt einem Körper ohne Kopf 
306 gleich, deſſen Glieder ſonſt vollkommen, aber ohne 
bis Leben ſind. Die zweite Hauptpflicht iſt man den 
337. Menſchen ſchuldig, ob fie gleich im Grunde auch Gott 
erwieſen wird: und dieſe wird uͤberhaupt unter dem 
Nahmen Mitleiden oder Menſchlichkeit begriff n. Wir 
find alle Anverwandte: daher hat Gott die Fendſchaft 
verboten, und dagegen beſtaͤndige Huͤlfleiſtungen und 
Mildthaͤtigkeit anbefohlen. Man muß am liebſten da 
gutes thun, wo man keine Wiedererſtattung noch Bes 
lohnung erwarten darf; aber auch hier irren die heid⸗ 
niſchen Philoſophen auf mehr als Eine Art, indem 
fie. alles auf den Nutzen zuruͤck fuhren. Die goͤttliche 
Verheiſſung, alle Suͤnden zu vergeben, iſt ein großer 
Lohn fuͤr das Mitleiden. So oft man dich alſo um 
etwas bittet: ſo glaube, daß dich Gott verſuche, ob 
du auch werth ſeyeſt, von ihm erhoͤrt zu werden. Uns 
terſuche dein Gewiſſen, und heile, ſo viel moͤglich, 
deine Wunden: nur denke nicht, daß du deswegen, 
weil die Suͤnden durch Freygebigkeit getilgt werden, 
die Erlaubniß habeſt, mit aller Frechheit zu ſuͤndigen. 
Suͤndigſt du in einem ſolchen Vertrauen: ſo werden 
ſie nicht getilgt. Iſt man aber auch ſchon von aller 
Suͤnde gereinigt: fo muß man doch in der Wohlthaͤ. 
tigkeit fortfahren. Denn alsdenn iſt man ſchuldig, es 
zur Ehre der Tugend zu thun. Auch kann niemand 
ohne Sünde ſeyn, „o lange er mit dem Fleiſche beklei⸗ 
det iſt. Es uͤberſteigt faſt die menſchlichen Kraͤfte, 
daß man ſelbſt durch Gedanken nicht fündigen ſollte. 
Man darf alſo auch niemals aufhören, durch Milde 
thaͤtigkeit an der Tilgung feiner Sünden: zu arbeiten. 
Hier widerlegt Lactantius die Meinungen der Phi⸗ 
loſophen, daß Barmherzigkeit, Begierde und Furcht, 
Krankheiten des menſchlichen Gemuͤths wären, die 
man 


Leben und Meinungen des Lactantius. 257 


man ausrotten muͤſſe; daß die Laſter, weil man ſie Km. 
nicht aufheben koͤnne, wenigſtens gemaͤßigt werden d j 
müßten. Er zeigt dagegen, es ſey Pflicht, die menſch⸗ 306 
lichen Triebe und Leidenſchaften recht zu leiten. So bis 
ſey, zum Beiſpiel, Furcht kein Laſter, und keine Schwaͤ⸗ 337: 
che des Menſchen. Die hoͤchſte Furcht muͤſſe viel⸗ 
mehr die hoͤchſte Tugend c werden, nemlich die 


Mech Gottes. 


Hat nun ein Verehrer Gottes, faͤhrt Olieteneiie 
ni, jene Haupttugenden geübt, fo wird es ihm leicht, 
ſich auch der übrigen zu befleißigen. Er darf niemals 
luͤgen, um zu betruͤgen, oder zu ſchaden. Für ge« 
borgtes Gelb darf er keine Zinſen nehmen, um ſeine 
Wohlthat vollkommen zu machen, und ſich fremdes 
Guts zu enthalten. Er ſoll kein Geſchenk von einem 
Armen nehmen, niemals von jemanden uͤbel reden, 
auch niemanden ſich durch ſeine Schuld zum Feinde 
machen, noch ſich an denen welche ihn beleidigen, raͤ⸗ 
chen. Die drey Leidenſchaften welche alle Verbrechen 
hervorbringen, Zorn, Begierde und Luſt, muͤſſen in 
ihren Schranken gehalten werden: und beſonders die 
Vergnuͤgungen der fuͤnf Sinnen. Man beluſtige ſich 
nicht an Schauſpielen, weil ſie zu Laſtern reitzen, und 
Feſte der Goͤtter ſind; auch nicht am Zuſchauen der 
Hinrichtung eines Verurtheilten, weil man dadurch 
ſein Gewiſſen ſo ſehr befleckt, als wenn man an einer 
heimlichen Mordthat Antheil naͤhme. Es iſt auch 
dem Chriſten (demjenigen, ſagt der Verfaſſer, deſſen 
Kriegsſtand die Gerechtigkeit iſt,) nicht erlaubt, Kriegs⸗ 
dienſte zu thun, noch jemanden auf das Leben anzu— 
klagen: denn es iſt einerley, ob man jemanden durch 
Worte, oder durch Waffen umbringt. Neugebohrne 
Kinder wegzuſetzen, oder zu erwuͤrgen, iſt gleich finde 
15 wenn gleich die Eltern zu arm ſind, als daß ſie 

15 Theil. R meh⸗ 


258 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


7 Kinder erhalten koͤnnten. Sind ſie dieſes: 
G. ſo mag ſich der Vater lieber des vertrautern Umgangs 
= mit feiner Frau enthalten. Nicht weniger huͤte man 
bis ſich, einen gar zu groffen Gefallen an ſchoͤnen Reden 
337. und Gedichten zu gewinnen: man gewöhnt ſich zu ſehr 
au ſolche ſchmeichelnde Toͤne; und daher kommt es, 
daß Gelehrte, welche Chriſten werden, wenn ſie nicht 
von einem geſchickten Lehrer gegruͤndet worden ſind, 
ſchwerer glauben, indem ſie die ungekuͤnſtelte Schreib⸗ 
art der heiligen Schrift, die wegen der Deutlichkeit 
noͤthig war, verachten. Inſonderheit ſliehe man die 
laſterhaften Wolluͤſte: wogegen die Ehe und ihre un⸗ 
verbrüchliche Treue eines der ſicherſten Verwahrungs⸗ 
mittel iſt. Zu ſeinen hier vorzuͤglich lebhaften und 
ſtarken Warnungen ſetzt der Verfaſſer zuletzt noch hin— 
zu, es ſey nicht ſchwer, ſich in den Graͤnzen der Keuſch⸗ 
heit zu halten. Es gehoͤre nur ein ernſtlicher Vorſatz 
dazu, und viele haͤtten bisher in vollkommener Ent⸗ 
haltſamkeit ein gluͤckſeeliges Leben gefuͤhrt. Dieſes 
letztere habe Gott zwar nicht befohlen, weil doch Men⸗ 
ſchen gezeugt werden muͤßten, und dieſer Trieb ſo drin⸗ 
gend ſey; aber er laſſe es wenigſtens geſchehen, und 
habe einen unvergleichlichen Lohn darauf geſetzt. Ue⸗ 
brigens ſey dieſe Art der Enthaltung der Gipfel aller 
Tugenden. Iſt aber jemand, ſagt Lactantius am 
Ende dieſes Buchs, auf den Weg der Ungerechtigkeit 
verfallen: ſo darf er deswegen nicht verzweifeln; er 
kann wieder gerettet werden, wenn ihn ſolches 
reuet, und er durch Beſſerung Gott ſeine Schul⸗ 
digkeit erweiſet. Wir nehmen unſere Kinder wie⸗ 
der auf ‚ wenn wir Reue und Beſſerung an ihnen ſpuͤ⸗ 
ren: wie viel mehr wird dieſes Gott thun? Demjeni⸗ 
gen der ſich beſſert, ſchaden ſeine alten Suͤnden nichts. 
Dieſe Reue welche den begangenen Irrthum erkennt, 
und die im Griechiſchen einen nachdruͤcklichen Nabe 
men 


Leben und Meinungen des Lactantius. 259 


men (uer,ðExGeö hat, kann auch im Sateinifchen (refi- a 
pifcentia) wohl ausgedrückt werden. Ueberhaupt muͤſ⸗ ie 

ſen wir Gott Gaben und Opfer darbringen; aber. bei- 305 
des von unförperlicher Ark. Jene beſtehen in der Red⸗ bis 
lichkeit des Herzens: dieſe in Lob und in Geſaͤngen. 337. 


Wie nun ein ſolcher wahrer Dienſt Gottes von 
ihm belohnt werde, zeigt Lactantius im ſiebenten 
Sue das die Aufſchrift, vom gluͤckſeeligen Le⸗ 

ben, führt. Er bemerkt, daß Epicurus derz einzige 
unter den alten Philoſophen geweſen ſey, der vom Ur— 
ſprunge und Untergange der Welt ziemlich richtig geurs 
theilt habe; doch haͤtte er von dem letztern nicht ſo be⸗ 
ſtimmt lehren koͤnnen, als die Chriſten aus goͤttlicher 
Offenbarung. Es iſt, faͤhrt der Verfaſſer fort, von 
Gott ſo geordnet, daß dieſe ungerechte Welt, nach 
Ablauf der gehoͤrigen Zeit, ein Ende nehme, alle Bos⸗ 
heit vertilgt, die Seelen der Frommen in ein gluͤckſee⸗ 
liges Leben verſetzt werden, und ein ruhiges, friedfers 
tiges, goldenes Zeitalter, in welchem Gott ſelbſt re 
giert, kommen fol. Von den goͤttlichen Abſichten bey 
der Schoͤpfung der Welt und des Menſchen, haben die 
beiönifchen Gelehrten ſehr unrichtig gedacht. Die 
Welt iſt zwar wegen des Menſchen, der Menſch aber 
um Gottes Willen gemacht worden, damit jemand 
vorhanden wäre, der feine Werke erkennen, feine Eis 
genſchaften bewundern, und durch Worte ausbreiten, 
mit einem Worte, der ihn verehren koͤnnte. Deswe⸗ 
gen iſt unter allen Thieren bloß des Menſchen Geſicht 
gen Himmel gerichtet. Aber warum hat ihn denn Gott, 
da er ihm ſo viele Vorzuͤge gab, zugleich ſchwach und 
ſterblich geſchaffen? Gott konnte freylich, antworte ich 
darauf, durch ſeine unſterbliche Geiſter immer unzaͤh⸗ 
liche Seelen hervorbringen, wie er auch die Engel ge= 
bohren hat, die ohne alle Gefahr vor Uebel unſterb⸗ 
\ R 2 lich 


260 Zbweyter Zeitraum. Erſtes Buch. I 


lich find. Allein er erfann vielmehr ein unbeſchreibli⸗ 
ches Werk, nemlich eine unendliche Menge Seelen zu 
ſchaffen, die er vors erfte an die hinfaͤlligen Koͤrper 
dis binden, und alſo mitten zwiſchen dem Guten und Boͤ— 
337. ſen ſtellen wollte, damit er dieſen aus zwo ſolchen Na⸗ 
turen beſtehenden Geſchoͤpfen die Tugend vorlegen, und 
fie die Unſterblichkeit nicht auf eine zärtliche und weich⸗ 
liche Art erhalten, ſondern zu jener ewigen Belohnung 
mit der groͤßten Muͤhe und Arbeit gelangen moͤchten. 
Das gegenwaͤrtige Leben alſo hat uns Gott gegeben, 
damit wir jenes wahre und beſtaͤndige entweder durch 
Laſter verlieren, oder durch Tugend erlangen. Wuͤrde 
jeder Menſch, der gebohren wird, unſterblich; fo wäre 
zwiſchen dem Gerechten und Ungerechten kein Unter⸗ 
ſchied: mithin iſt die Unſterblichkeit keine Folge der 
Natur, ſondern ein Lohn der Tugend. 


Bald nach dieſen Lehren, findet man in den neuern 
Ausgaben des Werks wiederum eine lange Stelle, die 
in den aͤltern, und in den meiſten Handſchriften fehlt, 
weil man ſie in der Meinung, daß ſie Manichaͤiſch 
gerathen ſey, als einen fremden Zuſatz weggelaſſen hat; 
aber man hat ſich in beiderley Betrachtung offenbar 
geirret. Lactantius geſteht hierauf, daß die ganze 
Wahrheit unter den Philoſophen und ihren Partheyen 
zertheilt fen, und führe Beiſpiele ihrer richtigen Ber 
hauptungen an, unter andern von der Unſterblichkeit 
der Seele; nur daß ihre Beweisgruͤnde unzulaͤnglich 
find. Wir hingegen haben mehrere der ſtaͤrkſten für 
dieſe Lehre. Dergleichen find folgende: weil die . 
Seele allein unter allen Thieren, die Erkenntniß Got⸗ 
tes beſitzt; weil ſich der Menſch allein des himmliſchen 
Elements, des Feuers, bedient; weil ihm allein die 
Tugend gegeben worden iſt, die dem gegenwaͤrtigen Le⸗ 
ben ſchadet, und alſo dem kuͤnftigen nuͤtzen muß; weil 

* die 


Leben und Meinungen des Lactantius. 261 


die Tugend immer fortdauert; weil die Güter welche 
Gott den Frommen geſchenkt, eben ſo ewig ſind, als d. G. 
er ſelbſt; weil der Koͤrper als fuͤhlbar und beſchaulich, 306 
auch ſterblich iſt; die Seele aber, welche keines von bis 
beiden iſt, auch unſterblich ſeyÿn muß. Weil aber auf 337° 


das zeitliche Leben der zeitliche Todt folgt, der endlich 
ein Ende hat: fo folgt, daß die Seelen zu einem ewi⸗ 
gen Leben aufſtehen. Zwar hat Lucretius verſchie⸗ 
dene Einwuͤrfe wider die ewige Dauer der Seele vor⸗ 
gebracht, die auch hier umgeſtoſſen werden. Aber 
ſelbſt Hermes Trismegiſtus, auch ein Ausſpruch des 
Apollo von Miletus, und die Sibplliniſchen 
Gedichte, beſtaͤtigen unſere Lehre. 


Eben fo ſucht der Verfaſſer die Philoſophen über 
das Ende der Welt eines beſſern zu belehren. Wenn 
ſechstauſend Jahre verfloſſen ſeyn werden, ſchreibt er, 
alsdenn wird die Vollendung und Verbeſſerung aller 
menſchlichen Dinge vor ſich gehen. Der Grund da= 
von liegt darinne, weil Gott in ſechs Tagen die Welt 
geſchaffen, den ſiebenten aber, an welchem er ruhte, 
geheiligt hat. Dieſes iſt der Tag des Sabbath, der 
im Hebraͤiſchen von der Zahl ſieben den Nahmen be⸗ 
kam. Daher iſt die ſiebente Zahl eine vollſtaͤndige: 
denn aus fieben abwechſelnden Tagen entſtehen die 
Kreiſe der Jahre; und es giebt ſieben Sterne, die 
nicht untergehen, auch ſieben Planeten. Der große 
Tag Gottes wird durch tauſend Jahre begraͤnzt, wie 
der Prophet (Pſalm XC. v. 5.) ſagt: mithin muß nach 
ſechstauſend Jahren, binnen welcher die Welt in ih⸗ 
rem jetzigen Zuſtande bleibt, alle Bosheit auf derſel⸗ 
ben abgeſchafft werden, die Gerechtigkeit tauſend Jahre 
lang herrſchen, und Ruhe von den jetzigen Arbeiten 
eintreten. Ein Vorbild dieſer großen Veraͤnderung 
findet man in der Befreyung der Ifraeliten von der 

R 3 ägnptie 


262 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. waͤgyptiſchen Knechtſchaft. Bey der Annaͤherung des 
Fd. Endes der Welt, werden ſich die Menſchen auf das 


306 aͤußerſte verſchlimmern. Der Roͤmiſche Nahme, wel⸗ 
bis cher jetzt die Welt regiert, wird vernichtet werden; die 
337: Morgenlaͤnder werden wieder die allgemeine Herrſchaft 
bekommen, und die Abendlaͤnder werden ihnen dienen. 
Auch dieſen Untergang von Rom hat die Sibylle ge⸗ 
weiſſagt, und der alte König der Meder Hyſtaſpes 
in einem Traume vorhergeſehen. Es werden nemlich, 
nach vielen buͤrgerlichen Haͤndeln und Kriegen, zehn 
Koͤnige zugleich aufſtehen, welche die Welt unter ſich 
theilen und verwuͤſten werden. Wider dieſe wird ſich 
ein ſehr maͤchtiger Feind, vom aͤußerſten Norden her, 
erheben, die drey Aſiatiſchen Koͤnige vertilgen, und 
von den uͤbrigen zu ihrem Oberhaupte gewaͤhlt werden. 
Dieſer Fuͤrſt wird der abſcheulichſte Wuͤterich ſeyn; 
zu ſeinen Grauſamkeiten werden alle natuͤrliche Plagen 
und fuͤrchterliche Wunderzeichen kommen: ſo daß zu⸗ 
letzt nur der zehnte Theil der Menſchen uͤbrig bleiben, 
und auch von den Verehrern Gottes zween Drittheile 
zu Grunde gehen werden. Zu dieſer Zeit wird ein 
großer Prophet zu den Menſchen geſandt werden, um 
ſie zu Gott zu bekehren: er wird Wunder thun zur 
Beſtrafung derer die ihn nicht hören wollen, und wird 
daher viele bekehren. Gegen ihn wird ein Koͤnig aus 
Syrien ſtreiten, den Propheten uͤberwinden, umbringen, 
und ihn unbegraben liegen laſſen. Allein dieſer wird 
nach drey Tagen wieder lebendig, und vor jedermanns 
Augen in den Himmel aufgenommen werden. Der 
gedachte Koͤnig aber wird ſich Gott nennen, und als 
den Sohn Gottes verehren laſſen: er wird auch zur 
Verfuͤhrung der Menſchen Wunder verrichten, Feuer 
vom Himmel fallen laſſen, den Lauf der Sonne hem⸗ 
men, und dergleichen mehr thun. Er wird den Tempel 
Gottes zu zerſtoͤren ſuchen, und die aͤrgſte Verfolgung 

5 der 


Leben und Meinungen des Lactantius. 263 


der Gerechten, die jemals geweſen iſt, ſtiften. Sie 
wird zwey und vierzig Monathe lang währen; die Ge⸗ 558. 
rechten werden auf einen Berg fliehen, und daſelbſt 306 
von dem gottloſen Koͤnige belagert werden; aber auf bie 
ihr Schreyen zu Gott, wird dieſer den groffen König 337. 
vom Himmel zu ihrer Rettung ſenden. Alles dieſes 
haben die Propheten aus dem Geiſte Gottes; aber 
auch Heiden, aus Antrieb der Teufel, vorher verfün« 
digt. Syſtaſpes, Hermes und die Sibyllen ges 
hören unter dieſe Zahl. Man ſieht leicht, daß La⸗ 
ctantius unter den goͤttlichen Propheten den Ezechiel 
und Daniel, ingleichen den Verfaſſer der Offenba⸗ 
rung Johannis, verſtehe; aber er nennt keinen von 
allen, noch ihre Buͤcher, und uͤberlaͤßt ſich, mit einer 
unter den Chriſten faſt immer herrſchenden Neigung, 

der Freyheit, ihre Weiſſagungen durch willführliche 
Zuſaͤtze und Deutungen zu erweitern. 


In gleichem Geſchmacke erklaͤrt der Verfaſſer auch 
das uͤbrige, was zu den letzten 5 der Welt 
und der Menſchen gehoͤrt. Nach ſeiner Meinung wird 
ſich mitten in einer finftern Nacht der Himmel öffnen, 
und das Licht des herabſteigenden Gottes, gleich einem 
Blitze, in der ganzen Welt ſichtbar ſeyn. Dieſes iſt 
die Nacht, ſagt Lactantius, welche wir, wegen der 
Zukunft unſers Koͤniges und Gottes, mit Wachen fey⸗ 
ern: denn in derſelben hat er nach ſeinem Leiden das 
Leben wieder bekommen, und wird auch dereinſt die 
Regierung der Welt wieder uͤbernehmen. Zum Zei⸗ 
chen feiner Ankunft wird plotzlich ein Schwerdt vom 
Himmel fallen; Engel werden ihn begleiten, und une 
ausloͤſchliches Feuer wird vor ihm hergehen. Alsdenn 
werden die Gerechten den großen Hauffen der fie Be- 
lagernden gänzlich niederhauen. Der Antichriſt allein 
wird entfliehen, und den Krieg mehrmals erneuern; 

R 4 | aber 


264 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Haber in der vierten Schlacht ebenfals gefangen, und 
. nebſt den übrigen Fuͤrſten beftraft werden. Darauf wird 
306 die Erde ruhen; die Todten werden auferſtehen; aber 
bis nur diejenigen von ihnen ſollen gerichtet werden, welche 
337: ſich zur wahren Religion bekannt haben: denn die uͤbri⸗ 
gen ſind ſchon gerichtet und verdammt. Bey jenen 
werden die guten und boͤſen Werke gegen einander ab⸗ 
gewogen werden: und auf welcher Seite das Ueberge⸗ 
wicht ſeyn wird, dahin wird auch das Urtheil fallen. 
Vielleicht macht hier jemand den Einwurf: Wie kann 

die Seele, da ſie doch unſterblich iſt, als leidend vor⸗ 
geſtellt werden? Iſt ſie dem Tode nicht unterworfen: 

ſo kann ſie auch keinen Schmerz empfinden. Aber die 
Macht Gottes iſt ſo groß, daß er auch unkoͤrperlichen 
Geſchoͤpfen, freilich er allein, unangenehmes Gefuͤhl 
beibringen kann. Daher fuͤrchten ihn die Engel, weil 

fie auf eine unbefchreibliche Art von ihm gezuͤchtigt wer: 

den koͤnnen: und die Teufel werden wuͤrklich von ihm 
gequaͤlt. Dazu kommt auch dieſes, daß die Gottlo— 

fen wieder Leiber bekommen werden, weil fie in Lei⸗ 
bern geſuͤndigt haben; jedoch ein ewig dauerndes Fleiſch, 
das ein unaufhoͤrliches von dem unfrigen fehr verfchie- 
denes Feuer auszuhalten fähig iſt: ein Feuer, das 
ohne Nahrung durch ſich ſelbſt lebt, keinen Rauch hat, 
ſondern rein und fluͤßig, wie Waſſer iſt; das zugleich 

die Gottloſen brennen und erfriſchen, eben ſo viel im— 
mer von ihren Koͤrpern wieder erſetzen als verzehren 
wird. Selbſt die Gerechten, (er verſteht die Chriſten 
uͤberhaupt,) wird dieſes Feuer treffen. Diejenigen 
unter ihnen, deren Suͤnden an Zahl oder Gewicht 
mehr betragen als ihre Tugenden, wird es anbrennen; 

die Frommen aber werden es gar nicht fuͤhlen, weil ſie 
etwas Goͤttliches an ſich haben, das die Gewalt der 
Flamme zuruͤcktreibt. Niemand glaube, daß die See⸗ 

len gleich nach dem Tode gerichtet werden: denn ſie 
werden 


Leben und Meinungen des Lactantius. 265 


werden alle in einer gemeinen Verwahrung aufbehal⸗ F 
ten, bis die Zeit kommt, da der hoͤchſte Richter die g, G. 
Unterſuchung anſtellt. Alsdenn werden diejenigen, 306 
deren Gerechtigkeit bewaͤhrt erfunden wird, den Lohn bis 
der Unſterblichkeit erhalten; folche aber, deren Suͤn- 337. 
den aufgedeckt worden ſind, werden nicht auferſtehen, 
ſondern mit den Gottloſen in einerley Finſterniſſen, auf⸗ 
bewahrt werden, um gewiß beſtraft zu werden. 


Nunmehr folgt die Geſchichte vom tauſendjaͤhri⸗ 
gen Reiche Chriſti auf der Welt. Selbſt die heidni⸗ 
ſchen Dichter, ſo verſichert Lactantius, haben etwas 
davon erfahren, und in ihre Werke gebracht: nur durch 
irrige Zuſaͤtze verfaͤlſcht, wie unter andern Virgilius, 
(Aeneid. VI. 748. ſq.) Die Seelen der Frommen nem⸗ 
lich werden nicht neugebohren werden, welches unmoͤg⸗ 
lich iſt, auch nicht ihres vorigen Lebens ganz vergeßen; 
ſondern fie werden auferſtehen, und von Gott mit Lei— 
bern angezogen werden, auch in dem Genuße himm— 
liſcher Guͤter, und eines unzaͤhlbaren Ueberflußes, dem 
gegenwaͤrtigen Gotte danken, daß er alles Boͤſe von 
der Welt vertilgt hat. Es wird alfol der Sohn des 
hoͤchſten Gottes kommen, um Lebendige und Todte zu 
richten. Nachdem er nun die ſtandhaften Gerechten 
ins Leben wiederhergeſtellt hat, wird er tauſend Jahre 
unter den Menſchen bleiben, und eine ſehr gerechte Re⸗ 
gierung über fie führen, Die noch Lebendigen werden 
nicht ſterben; ſondern dieſe tauſend Jahre hindurch eine 
unendliche Menge heiliger Nachkommen zeugen. Die 
Auferweckten aber werden, gleich Richtern, den Leben⸗ 
den vorgeſetzt ſeyn. Einige heidniſche Voͤlcker werden 
noch übrig bleiben; aber nur deswegen um in beſtaͤndi⸗ 
ger Knechtſchaft der Gerechten zu leben. Um dieſe Zeit 
wird auch der Fuͤrſt der Teufel mit Ketten gebunden, und 
dieſe tauſend Jahre hindurch gefangen gehalten werden, 

R 5 um 


266 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
rom um nichts Boſes fliften zu koͤnnen. Die Gerechten 
Se e werden ſich aus der ganzen Welt verſammeln, und es 
| 306 wird, nach vollbrachtem Gerichte, die heilige Stadt 
bis mitten auf der Erde errichtet werden, in welcher Gott 
337. ſelbſt mit den Gerechten wohnen wird. Alle Finſter⸗ 
niß wird aufhören; der Mond wird fo helle als die 
Sonne, und dieſe ſiebenmal heller werden, als ſie jetzt 
iſt. Die Erde wird von ſelbſt unbeſchreiblich fruchtbar, 
und ganz ruhig, die wilden Thiere werden zahm, und 
alles wird wie in der ſogenannten goldenen Zeit ſeyn. 
Man kann nicht nur uͤberhaupt fagen, daß dieſes alles 
de Jahre nach der Schöpfung erfolgen wer⸗ 
ſondern auch, obgleich die Schriftſteller uͤber die 
Wich die feitdem verfloſſene Anzahl von Jah⸗ 
ren verſchiedentlich angeben, noch genauer behaupten, 
daß die Erwartung davon nicht weiter, als noch auf 
zweyhundert Jahre hinaus, ſich erſtrecke. So lange 
noch Rom ſteht, iſt nichts davon zu befuͤrchten; dieſe 
Stadt erhaͤlt alles: und daher muͤſſen wir Gott bitten, 
daß jener abſcheuliche Wuͤterich, der dieſelbe zerſtoͤren 
wird, nicht unvermuthet fruͤh kommen moͤge. Nach 
dem Ablauf aber der ſiebentauſend Jahre, wird der 
Fuͤrſt der Teufel wieder loßgelaſſen werden, alle Voͤl⸗ 
ker wider die heilige Stadt zuſammen bringen, und ſie 
belagern. Da wird der letzte Zorn Gottes über die 
Voͤlker ausbrechen: er wird ſie ganz und gar auf eine 
außerordentliche Art aufreiben; und die Gerechten, wel⸗ 
che während dieſer Strafgerichte ſich in Höhlen verſteckt 
gehalten haͤtten, werden wieder herauskommen, und 
allein uͤbrig ſeyn. Sieben Jahre lang wird kein Baum 
abgehauen werden; ſondern man wird die Waffen der 
Voͤlker verßrenden : und nun wird ewiger Friede ſeyn. 
Hierauf wird Gott die Welt erneuern, und die auf der⸗ 
ſelben befindlichen Gerechten den Engeln gleich machen: 
ſie werden weiß wie der Schnee ſeyn, und unaufhoͤr⸗ 


lich 


Leben und Meinungen des Lactantius. 267 

lich vor dem Allmaͤchtigen leben, und ihm dienen. Zug” 
gleicher Zeit wird die zweyte öffentliche und allgemeine d G. 
Auferſtehung vor ſich gehen, in welcher die Ungerech⸗ 306 
ten zu ewigen Martern auferweckt werden ſollen. Auch bis 
wird ihr Herr nebſt feinen Dienern ergriffen, und zur 337° 
Strafe verurtheilt werden; mit welchen alle Gottloſen, 

vor den Augen der Engel und der Gerechten, in einem 
ewigen Feuer brennen werden. 


Dieſes iſt, ſagt Lactantius zum Beſchluß, die 
Lehre der heiſigen Propheten, der wir Chriſten anhän« 
gen. Er ſetzt noch Lobſpruͤche auf den Kaiſer Con— 
ſtantinus hinzu, an den er dieſe ganze Arbeit gerich— 
tet hatte, und eine lebhafte Ermahnung an die Heiden, 
dieſe Religion anzunehmen. Aus dieſem Werke mach⸗ 
te er nachmals einen kurzen Auszug, (Epitome Inſti- 
tionum divinarum) der aber ſchon zu den Zeiten des 
Hieronymus groͤßtentheils verloren gegangen war. 
Endlich bat Chriſtoph Matthaͤus Pfaff denſelben 
im Jahr 1712. aus einer Handſchrift der koͤniglichen 
Bibliotheck zu Turin, zuerſt ganz mit einer Einleitung 
zu Paris in Oktav drucken laßen. Seine Ausgabe 
iſt vom Johann Davies (zu Cambridge, 1718. 8.) 
wiederholt, und mit Anmerkungen, beſonders auch zur 
Berichtigung des Textes, bereichert worden. Der 
Auszug ſelbſt ift auch neben dem größern Werke nuͤtz⸗ 
lich. Er zieht daſſelbe auf eine angenehme Art in die 
Enge, welches dem Leſer mehrmals erwuͤnſchte Dienſte 
leiſtet: und er traͤgt auch oft zur richtigen Leſeart und 
Erklaͤrung deßelben etwas bey. | 


Schon aus dieſem Hauptwerke des Lactantius, 
laͤßt ſich von feinen Gaben und Verdienſten ein ziem⸗ 
lich hinreichendes Urtheil faͤllen. Es gehoͤrt ohne Zwei⸗ 
fel unter die ſchoͤnen Denkmaͤler des chriſtlichen Alter⸗ 

| thums; 


268 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Iuthums; wenn es gleich hin und wieder auch durch Fle⸗ 
T6. cken verunſtaltet iſt. Einen der merkwuͤrdigſten Vor⸗ 
385 zuͤge hat es an der feinen Roͤmiſchen Schreibart, die 
bis ſo rein, fließend und anmuthig, oͤfters auch ſo zierlich 
337 · und erhaben iſt, als es die abgehandelten Sachen nur 
erlauben. Man kann ſich dieſelbe zum Muſter des gu⸗ 
ten lateiniſchen Lehrvortrags in chriſtlichen Religions— 
materien nehmen. Er verdient wuͤrklich den Nahmen 
des chriſtlichen Cicero, den man ihm laͤngſt beige⸗ 
legt hat, vollkommen. Was Lactantius in dieſem 
Werke zur Beſtreitung des Heidenthums, vornem⸗ 
lich der Philoſophen in demſelben, beygebracht hat, 
iſt meiſtentheils wohl uͤberdacht, und eben ſo geſagt. 
Darunter find auch die vielen Stuͤcke heidniſcher 
Schriftſteller, und unaͤchter Schriften bey den Chriſten 
ſelbſt, unterhaltend und brauchbar. Manche Lehren 
des chriſtlichen Glaubens ſtellt er richtig und einneh⸗ 
mend vor; zuweilen philoſophirt er auch mit gutem Er⸗ 
folge: und wer das Werk nicht eben zur Vermehrung 
ſeiner theologiſchen Wißenſchaft zu leſen noͤthig hat, 
der wird doch darinne viele Begriffe auf eine angeneh⸗ 
me Art entwickelt, eine vergnuͤgende Mannichfaltigkeit, 
nutzbare Anmerkungen und Nachrichten, und mehrere 
vortreffliche Stellen uͤber die Sittenlehre, antreffen. 
Hingegen iſt der Verfaßer nicht fo gluͤcklich in der Er- 
klaͤrung der chriſtlichen Lehrſaͤtze, als in der Widerle- 
gung von den Feinden derſelben. Haͤtte doch, ſchrieb 
ſchon Hieronymus (ep. 13. ad Paulinum) bieſer mit 
der Beredſaenkeit eines Cicero gleichſam fortſtromen⸗ 
de Schriftſteller eben fo leicht unſere Lehrſaͤtze beſtaͤtigen 
koͤnnen, als er fremde zerſtoͤrte! Man darf dieſen 
tanael nicht bloß davon herleiten, wie es gewoͤhnlich 

iſt, daß Lactantius kein eigentlicher Lehrer der Reli⸗ 
gion unter den Chriſten geweſen iſt, und alſo auch zu 
wenig we Gelehrſamkeit beſeßen hat. In 175 
liche 


Leben und Meinungen des Lactantius. 269 


liche oder gar gleiche Verirrungen mit den feinigen, g 
find berühmte Biſchoͤfe dieſer aͤlteſten Zeiten, wie Verde. 
naͤus unter andern, gleichfals gerathen. Das hat 306 
neulich auch Herr Rösler (Bibliotheck der Kirchenvaͤ⸗ bis 
ter, Th. III. S. 3 53.) erkannt, und dabey ſehr wohl 337 
bemerkt, daß man auch deswegen dem Lactantius, 
nicht wie andern Kirchenvaͤtern, die ſich von der nach 
und nach eingefuͤhrten Rechtglaͤubigkeit entfernt haben, 
durch ertraͤgliche Auslegungen und Entſchuldigungen 
zu Huͤlfe geeilt ſey, weil er durch feine klaren und be⸗ 
ſtimmten Ausdruͤcke alles in ein Licht geſetzt hat, bey 
dem eine neue Erleuchtung ſehr uͤberfluͤßig iſt. Seine 
Fehltritte auf dieſer Bahn kommen in der That aus 
einerley Urſachen mit denen her, welche chriſtliche Leh⸗ 
rer vor und gleich nach ſeinen Zeiten begiengen. Er 
wollte in ſonderheit öfters zu weiſe ſeyn, und alles nach 
menſchlicher Art begreiflich machen, auch wo es Ehre 
genug war, den deutlichen Ausſpruͤchen der heiligen 
Schrift zu folgen. Daß er in der Erklaͤrung der letz— 
tern zu wenig geuͤbt geweſen iſt, und willkuͤhrlich Mei⸗ 
nungen in dieſelbe hinein getragen hat, mußte bey ihm 
ebenfals auf die Bildung des Lehrbegriffs einen nach- 
theiligen Einfluß haben. Man kann ſeine offenbar 
falſchen oder ſeltſamen und ihm eigenthuͤmlichen Schrift⸗ 
auslegungen, in einem Buche des H. D. Winklers 
(Philologemata Lactantiana Sacra) geſammlet, erlaͤu⸗ 
tert und beurtheilt finden. Freilich kommt ihm auch 
zweyerley zu Statten: das erſte, daß er nicht ſowohl 
mit dogmatiſcher Genauigkeit und Vollſtaͤndigkeit die 
Glaubenslehre der Chriſten vortragen und beweiſen, 
als vielmehr dieſelbe vertheidigen, und die heidniſche 
Religion bekaͤmpfen wollte, um die Anhänger von Dies 
fer zu bekehren. Das zweyte iſt das Anſehen welches 
er ſich haufig giebt, ſich den Gegnern des Chriſten⸗ 
thums als Philoſoph entgegen zu ſetzen. Daher lieſt 
man 


1 


270 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


man betraͤchtlich lange Stellen in dem Werke, die kein 
A unterſcheidendes Merkmal eines chriſtlichen Theologen 
206 enthalten: und er verſtand es ohne Zweifel, wie viel 
Dis eine folche Streitmethode bey den Heiden fruchte. Un⸗ 
337. terdeſſen muß man doch geſtehen, daß feine Philoſo⸗ 
phie nicht uͤberall ſo ſcharf und treffend iſt, als ſie es 
ſeyn ſollte; hauptſaͤchlich aber, daß er oͤfters nur den 
Redner macht, der philoſophiſche Gedanken ſchmuͤckt, 
und auch bis zum Weitſchweifigen ausdaͤhnt; nicht den 
Philoſophen, dem die Beredſamkeit bloß zu Dienſten 
geſtanden haͤtte. Noch darf man nicht vergeßen, daß 
er bisweilen den heidniſchen Schriftſtellern etwas hart 
und ungerecht begegne; manchmal zu leichtglaͤubig auf 
das Anſehen gewißer Zeugniße baue, oder ſpielenden 
Witz anbringe. Gleichwohl lieſt man den groͤßten Theil 
des Werks gern: wozu die vielen Nachrichten uͤber die 
heidniſche Religionsgeſchichte auch das ihrige bey⸗ 
tragen. 


Zwo andere Schriften des Lactantius koͤnnen faſt 
als eine Ergaͤnzung deßelben angeſehen werden. Die 
eine handelt vom Forne Gottes, (de Ira Dei Liber 
unus.) In derſelben ſoll gezeigt werden, daß Gott al⸗ 
lerdings zuͤrne; wenn gleich viele, und ſelbſt einige 
Philoſophen, ſolches aus dem Grunde geleugnet haͤtten, 
weil die goͤttliche Natur nur wohlthaͤtig ſey, mithin un⸗ 
moͤglich jemanden ſchaden koͤnne; oder auch darum, weil 
ſich Gott um gar nichts bekuͤmmere. Der Verfaſſer 
ſetzt ihnen zuerſt dieſes entgegen, daß man Gott entwe⸗ 
der Zorn und Gnade zugleich beilegen muͤße, oder, 
wenn man ihm nur eines von beiden abſprechen wolle, 
auf falſche und ungereimte Saͤtze gerathe. Er bewei⸗ 
ſet weiter, daß dieſe Meinung den Umſturz der Reli⸗ 
gion befoͤrdere. Einige behaupteten zwar, es ſey we⸗ 
nigſtens nuͤtzlich, den Zorn Gottes zu glauben, um das 

= SGewiſ⸗ 


Leben und Meinungen des Lactantius. 271. 


Gewiſſen zu ſchroͤcken, das durch Geſetze nicht beſtraft <= 
werden kann, wenn man auch dieſe Lehre nicht vor G. 
wahr halten ſollte; aber einen ſolchen Mißbrauch der 306 
Religion verwirft der Verfaßer. Ferner ſchließt er bis 
auch aus dem Unterſcheide von Gutem und Boͤſem 337. 
unter den Menſchen, daß Gott eben ſowohl das letz⸗ 
tere mit Unwillen, als das erſtere mit Wohlgefallen 
betrachte. Er antwortet auf die Einwuͤrfe, daß, wenn, 
Gott Zorn haͤtte, er auch Furcht und Begierde haben 
muͤße; daß ſeine Gluͤckſeeligkeit in der Ruhe beſtehe, 
welche keinen Zorn vertrage; und daß er auch ohne 
dieſe Gemuͤthsbewegung die Suͤnde ſtrafen koͤnne. 
Darauf folgt noch eine Reihe von Beweiſen, wie une 
ter andern dieſe: die Verachtung des Geſetzes welches 
Gott den Menſchen vorgeſchrieben hat, muß ihn zum 
Zorne reißen; wenn er vergeben kann, fo kann er auch, 
zuͤrnen; alle Propheten Gottes gedenken ſeines Zorns, 
uͤber die Gottloſen; ſelbſt die Sibyllen, und der 
Apollo zu Miletus, haben ihm ſolchen zugeſchrieben. 
Der Verfaßer endigt mit einer Ermahnung, Gott als 
Vater zu lieben, und als Herrn zu fürchten. — Auch 
in dieſem Buche beſchaͤftigt er ſich beſonders mit der 
Widerlegung heidniſcher Philoſophen, inſonderheit des 
Epicurus und der Stoiker. Daruͤber ſind zwar 
verſchiedene leſenswerthe Eroͤrterungen entſtanden, die 
ſich durch feine gewöhnlichen Annehmlichkeiten empfe⸗ 
len; aber auch viele Ausſchweifungen, von der Nelie 
gion uͤberhaupt, von der Schöpfung und ihren Abſich⸗ 
ten, von der goͤttlichen Vorſehung, und dergleichen 
mehrere. Ueberhaupt beantwortet er hier wiederum 
die Einwuͤrfe meiſtentheils beßer, als daß er die be⸗ 
ſtrittene Lehre ſelbſt überall, der Erwartung gemäß, auf⸗ 
geklaͤrt haͤtte. An Statt vieler redneriſchen Beſchrei⸗ 
bungen, und zum Theil Fechterſtreiche, hätte vor allen 
Dingen der wahre Begrif vom Zorne Gottes entwi⸗ 
ckelt 


272 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


ckelt werden ſollen. Da würde es ſich gezeigt haben, 

FG. daß die herſchenden viel zu menſchenartigen Vorſtellun⸗ 

306 gen von demſelben, welche die Chriften ſelbſt noch im: 

bis mer hegen, eben ſo ſehr einer Verbeßerung beduͤrfen, 

337. als das gaͤnzliche Ableugnen mancher alten Philoſophen; 
und daß inſonderheit dabey der Mißdeutung bibliſcher 
Ausdrucke vorzubeugen ſey. Was man davon in einigen 
Stellen des Verfaſſers zerſtreuet findet, wie zum Bei⸗ 
ſpiel, daß man Gott nur keine laſterhaften Leidenſchaften, 
wohl aber tugendhafte, beilegen dürfe, (c. 16.) ine 
gleichen, daß der Zorn, wie ihn Ariſtoteles be- 
ſchreibt, er ſey eine Begierde, den Schmerz zuruͤck zu 
geben, bey Gott nicht Statt finde; ſondern nur ein ge⸗ 
rechter Zorn, der in der Abſicht, die Boͤſen zu beßern, 
nicht aus Rachbegierde, entſteht, den man alſo eine 
Gemuͤthsbewegung, die zur Einſchraͤnkung der Laſter 
ſich erhebe, nennen muͤße, (c. 17.) dieſe und ähnliche 
Beſtimmungen moͤchten wohl zu der gedachten Ab⸗ 
ſicht nicht ganz hinlaͤnglich ſeyn. 


In der andern Schrift des Lactantius, von 
der goͤttlichen Vorſehung, (de opificio Dei, vel 
formatione hominis) wird dieſe Lehre aus dem bewun⸗ 
dernswuͤrdigen Bau des menſchlichen Koͤrpers bewie⸗ 
ſen. Nach einer Vergleichung zwiſchen Menſchen und 
Thieren, wobey inſonderheit gezeigt wird, wie viel von 
Natur zur Beſchuͤtzung der Thiere veranſtaltet ſey, 
lehnt der Verfaſſer den Vorwurf der Epicuroaͤer ab, 
daß der Menſch weit ſchwaͤcher und hinfaͤlliger als die 
Thiere, auf die Welt komme, Krankheiten und einem 
fruͤhzeitigen Tode ausgeſetzt ſey. Darauf geht er die 
Geſtalt, Einrichtung und die Verhaͤltniße des menſch⸗ 
lichen Koͤrpers, vornemlich aber den Nutzen und Ge⸗ 
brauch aller Glieder deßelben durch, erklaͤrt das Ent⸗ 
ſtehen der Stimme, und handelt auch vom Sitz der 

Seele, 


Leben und Meinungen des Lactantius. 273 


Seele, den er ſich nicht getrauet ſicher anzugeben. Un⸗ = 
ter vielem Bekannten, das aber auf eine gefaͤllige Arts. * 
vorgetragen iſt, ſtehen auch einige ſcharfſinnige oder 306 
gelehrte Anmerkungen. Hin und wieder ſah der Ver- bis 
faſſer freylich unrichtig, wie wenn er (e. 8.) durchaus 337. 
nicht zugeben will, daß das Auffallen der Bilder, Luft, 

oder Strahlen, das Sehen hervorbringen; ſondern die 

Seele allein alles dabey verrichten, und durch die Augen, 

wie durch glaͤſerne Fenſter, ſehen läßt, Doch geſteht er 

auch, daß er von manchem Theile des Menſchen, wie 

von der Leber, den Gebrauch nicht wiße; wenn gleich 
allerhand Vermuthungen daruͤber vorhanden waͤren. 
Zuletzt folgen noch einige Unterſuchungen und Fragen 

uͤber die Seele, ihr Weſen, ihren Unterſcheid von der 
Empfindungskraft, und ihre Erzeugung: alles mit 
ziemlicher Beſcheidenheit. 


Das Buch des Lactantius, vom unglücklichen 
Tode der Verfolger der Chriſten, (de mortibus 
perfecutorum) iſt ſchon aus der vorhergehenden Ges 
ſchichte, beſonders der Verfolgung des Diocletianus, 
bekannt. Es iſt daher auch ſchon an einem andern Orte 
(oben S. 50.) bemerkt worden, in wie weit er dadurch 
ſeine Abſicht erreicht habe, nemlich an den Schickſalen 
und beſonders dem Tode derjenigen Kaiſer, von denen 
die Chriſten gedruͤckt worden ſind, zu zeigen, daß Gott 
dieſelben außerordentlich beſtraft, und dadurch gleiche 
ſam ein Zeugniß fuͤr ſeine Religion abgelegt habe. 
Dieſe Schrift fängt: von der Verfolgung des Nero 
an, enthaͤlt auch manche Erlaͤuterungen der Roͤmiſchen 
Geſchichte; würde aber überhaupt weit glaubwürdiger 
und nuͤtzlicher ſeyn, wenn ſie mit weniger Erbitterung 
gegen die heidniſchen Kaiſer aufgeſetzt ware. Da un⸗ 
terdeſſen der Verfaſſer, noch in der erſten Hitze, nach 
kaum geendigter Verfolgung, geſchrieben hat: fo war 

V Theil, S auch 


274 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


auch keine beſondere Maͤßigung von ihm zu erwarten. 
. Es iſt zwar in den neuern Zeiten darüber geſtritten 
306 worden, ob dieſes Buch dem Lactantius zugehoͤre. 
bis Allein Baluzius, der es zuerſt (in Miſcellaneis, Li- 
837. bro II. p. 1 — 46. Paris. 1679. 8.) aus der einzigen 
noch übrigen Handſchrift der ehemaligen Colbertini⸗ 
ſchen Buͤcherſammlung, ans Sicht ftellte, hat bereits 
(Notae ad Lactant. ib. p. 347. ſq.) den Beweis dafuͤr 
aus der Schreibart, der Aehnlichkeit des Inhalts mit 
andern Buͤchern des Lactantius, und außer mehrern 
Umſtaͤnden, auch aus dem Zeugniß des Sieronp⸗ 
mus, (Catal. Scriptt. ecclef. c. go.) unwiderleglich 
geführt, Die kleinen Bedenklichkeiten, welche le 
Mouery dawider aufzubringen gewußt hat, (in feis 
ner Ausgabe des Buchs, das er einem Lucius Caͤci⸗ 
lius beilegt, Paris, 1710. 8.) haben auch nur ges» 
ringen Beifall gefunden. Paul Bauldri hat von 
dieſem Buche (zu Utrecht, 1693. 8.) eine zwar ſchoͤne, 

mit den Anmerkungen aller Gelehrten, die es erlaͤutert 
hatten, und mit feinen eigenen, überdies mit befon« 
dern Abhandlungen und Kupfern verſehene, aber auch 

mit einer Menge Ueberfluͤßigkeiten beladene Ausgabe 


veranſtaltet. 


Noch giebt es einige lateiniſche Gedichte, die vor 
Arbeiten des Lactantius gehalten werden. Das erſte 
(Syinpofium) iſt ehemals wegen einer verfälfchten Le⸗ 
ſeart des erſten Verſes, einem ganz unbekannten Dich⸗ 
ter, Sympoſius, zugeeignet worden, bis Chris 
ſtoph Auguſt Heumann in feiner Ausgabe (Hans 
nover 1722. 8.) den wahren Verfaſſer wieder in den 
Beſitz deſſelben einſetzte, der ihm auch nach dem Hie⸗ 
ronymus (I. c.) gebuͤhrte. Dieſe Frucht der Jugend 
des Lactantius enthalt eine Sammlung von hun⸗ 
dert Raͤthſeln in Herametern, die nicht unangenehm 

. gera⸗ 


Leben und Meinungen des Lactantius. 275 


gerathen find, und in Witz gekleidet, der wenigſtens 
der froͤlichen Veranlaſſung bey einer Mahlzeit (Om. F. G. 
poſium) wuͤrdig iſt. Ein anderes Gedicht von dem 106 
Vogel Phoenix, (Carmen de Phoenice) deſſen Hand- bis 
ſchriften auch den Lactantius als Verfaſſer nennen, 337: 
koͤnnte wohl ebenfalls aus dieſen fruͤhern Zeiten ſeines 
Lebens ſeyn. Aber von zwey andern Gedichten, (de 
Paſcha et de Paſſione Domini) laßt ſich wahrſcheinli⸗ 

cher urtheilen, daß fie ſich von einem ſpaͤtern Gelehr— 

ten herſchreiben. Seine Beiſebeſchreibung aus 
Africa nach Nicomedien, gleichfalls in einem Gedichte 
abgefaßt, ſein Buch von der Grammatik, und ei⸗ 
nige Sammlungen ſeiner Briefe, ſind verloren 
gegangen. 


Nicht leicht hat man die Werke eines Schriftſtel— 
lers aus der alten Kirche ſo haͤuffig gedruckt, als dieſe 
vom Lactantius. Ihre Schreibart hat fie vermuth— 
lich am meiſten dazu empfolen, und verdient auch, da 
in derſelben ſo viel Nuͤtzliches gelehrt wird, der Ju— 
gend zum Muſter vorgelegt zu werden. Die aͤlteſte 
Ausgabe derſelben, (vom Jahr 1465. Fol. in dem 
Kloſter Subiaco) iſt zugleich das erſte Buch, das man 
in Italien gedruckt hat. Mehrere Gelehrten haben 
ſich auf gleiche Art um dieſe, Schriften verdient ges 
macht, wie Michael Thomaſius, Joſephus 
Iſaͤus, Servatius Gallaͤus, und inſonderheit durch 
bequeme Handausgaben für Deutſchland, Chriſtoph 
Cellarius, (1698) Johann Georg Walch (1715) 
und Chr. Aug. Heumann (1736). Allein die beiden 
wichtigſten Ausgaben hat man Johann Ludolf Buͤ⸗ 
nemannen und Johann Baptiſta le Bruͤn zu dan⸗ 
ken. In der erſtern (Leipzig 1739. 8.) ſind nicht nur 
die vorhergehenden genuͤtzt, durch Vollſtaͤndigkeit, ge— 
nauern Text, und großen Fleiß im Sammeln verdun⸗ 

S 2 kelt 


276 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


elt worden; ſondern es iſt auch fo viel geſchickte Wahl, 

G.. Beurtheilung und Gelehrſamkeit in den Anmerkungen 

306 beygebracht, daß man den wahren Kenner darinne 

bis erblickt; zwo Proben von Handſchriften, und eine 

337. ſchoͤne kritiſche Vorrede find auch hinzugekommen; 
nur die Sachen von denen Lactantius redet, wären 
hin und wieder noch mehrerer Erlaͤuterung beduͤrftig 
geweſen. Dieſe iſt ihnen deſto reichlicher in der zwey⸗ 
ten dieſer Ausgaben zu Theil geworden, welche Wi⸗ 
col. Lenglet Duͤfreſnoy, nach dem Tode des le 
Bruͤn vollendet, und zu Paris 1748. in zwey Quart- 
baͤnden bekannt gemacht hat. Sie hat noch uͤberdieß 
den Vorzug der aͤußerlichen Schoͤnheit, und eines Ge⸗ 
brauchs von mehr als achtzig Handſchriften; allein da 
lange nicht alles Gute der Buͤnemanniſchen Aus⸗ 
gabe in dieſelbe uͤbergetragen worden iſt: ſo behaͤlt 
auch dieſe noch immer ihren Werth. 


Zu den bereits angefuͤhrten Stellen des Hierony⸗ 
mus, in welchen er vom Lactantius Nachricht giebt 
und fein Urtheil fallt, kann man noch einige andere 
binzufügen, (Commentar. in Epift. ad Galat. IV, 5. 
Epiſt. 65. ad Pammachium et Oceanum; Epift. 84. 
ad Magnum.) In den beiden erftern von dieſen bes 
ſchuldigt er denſelben, daß er an der Perſoͤnlichkeit des 
heiligen Geiſtes gezweifelt, und ihn bald mit dem Va⸗ 
ter, bald mit dem Sohne vermengt habe. Zwar fin⸗ 
det man dieſe Lehre nicht ausdruͤcklich in den Buͤchern 
des Lactantius; aber doch hat man geſehen, daß er 
ſeltſam genug den Glauben von dem heiligen Geiſte 
erklaͤrt hat. Die anſehnlichſten unter den Neuern, 
welche ihre Meinung von ihm und ſeinen Schriften 
geſagt haben, wie Cave, Duͤ Pin, Tillemont, 
Fabricius, (Biblioth. Lat. Vol. I. p. 730. fq. Bi- 
blioth. Lat. mediæ et infimæ ætatis, T. IV. p. 226 

— 235. 


Leben und Meinungen des Lactantius. 277 


2 235. ed. Patav.) Oudin, (Commentar. de Scri- 

ptor. et Scriptis eccleſiaſt. Tom. I. p. 307 — 312.) CG. 

und andere mehr, laſſen ihm meiſtentheils alle Gerech⸗ 306 

tigkeit wiederfahren, und verringern nur ſelten, in- bis 

dem ſie ſeine Beredſamkeit bewundern, ſeine Fehltritte. 337. 
Zu dieſer Zeit, da die Chriſten Schriftſteller bes 

kamen, welche wegen der Feinigkeit ihres Ausdrucks, 

den groͤßten Rednern der Roͤmer an die Seite geſtellt 

werden konnten, bluͤhte auch die Dichtkunſt unter ih⸗ 

nen mehr auf, und wurde ebenfals dem Dienſte der 

Religion gewiedmet. Ihre wenigen Verſuche in die⸗ 

ſer Kunſt, die bisher angefuͤhrt worden ſind, waren 

nicht fo betraͤchtlich als derjenige, den jetzt Juvencus 

wagte. Er hieß vollſtaͤndig Cajus Vettius Aqui⸗ 

linus Juvencus, und ſtammte aus einem verneh⸗ 

men Geſchlechte in Spanien her. Daſelbſt bekleidete 

er auch in einer jetzt unbekannten Gemeine die Stelle 

eines Presbyter. Er lebte gegen das Ende der Regie- 

rung des Conſtantinus. Mehr Umftände von ſei⸗ 

nem Leben hat Hieronymus (Catal. Seriptt. eecleſ. 

e. 84. Epiſt. 84. ad Magnum, Commentar. in Matth. 

c 6.) nicht aufbehalten. 


Juvencus iſt zuerſt, wie der ebengedachte Lehrer 
ſchreibt, kuͤhn genug geweſen, die Majeflät des Evan⸗ 
gelium den Geſetzen des Sylbenmaaßes zu unferwer: 
fen. Er beſchrieb die Evangeliſche Geſchichte, 
in einem Gedichte von lateiniſchen Hexametern, in vier 
Bücher abgetheilt, (lilloriæ Evangelicq Libros IV.) 
Darinne folgte er hauptſaͤchlich der Erzählung des 
Matthäus. Doch nahm er auch von den übrigen 
Evangeliſten einige merkwuͤrdige Begebenheiten und 
Reden Jeſu in den Zuſammenhang auf. Man merkt 
wohl, daß er einige de habe, mit 

f f 3 der 


278 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Oder Sprache und ihren poetiſchen Schönheiten, auch 
El mit den beſten Roͤmiſchen Dichtern gut bekannt ſey. 
306 Da es ihm aber mehr darum zu thun war, die Evan⸗ 
bis geliſche Geſchichte treu zu erzaͤhlen, als ſich in ſinnrei— 
337 chen Erdichtungen, erhabenen Bildern und Befchreis 
bungen zu zeigen: fo iſt er auch in der Niedrigkeit ei⸗ 
nes hiſtoriſchen Gedichts ſtehen geblieben. Meiſten⸗ 
theils alſo träge er nur die Nachrichten der Evangeli— 
ſten aus der ungebundenen Schreibart in die gebun⸗ 
dene uͤber; fo daß eine poetiſche Redensart oder aͤhn⸗ 
liche kurze Abſchilderung, den ganzen Unterſcheid von 
jener ausmacht. Es fehlt ihm darum nicht an Lebhaf⸗ 
tigkeit: und zuweilen bricht auch etwas Feuer hervor. 
So iſt die Vorrede, eine Nachahmung des Beſchluſſes 
von den Verwandlungen des Gvidius, geſchrie— 
ben: der Dichter verſpricht darinne ſeinem Werke die 
Unſterblichkeit, die demſelben der Untergang der Welt 
ſelbſt nicht rauben ſoll. Zuweilen erlaubt er ſich auch 
neu zuſammengeſetzte Woͤrter, oder vernachlaͤßigt das 
Sylbenmaaß. Eine noch mehr poetiſche Freyheit iſt 
es, daß er an manchen Stellen kleine Ergaͤnzungen 
oder Erklaͤrungen einruͤckt, von denen ſich bey den 
Evangeliſten keine Spur findet. In der ſechſten Bit⸗ 

te, zum Beiſpiel, laͤßt er (L. I. v. 600.) den Chriſten 
um Abwendung der Verſuchung des Teufels fles 
hen. Auch macht er Matth. C. IX. v. 18. aus dem 
vornehmen Juden, den vornehmſten Prteſter; 
anderer Stellen nicht zu gedenken. Ihrer ſind aber 
nicht viele, und ſeine Zuſaͤtze nicht ſehr betraͤchtlich. 
Man hat auch nicht eben Urſache zu vermuthen, daß 

er ſolche bereits in ſeinem Texte gefunden habe. Ei⸗ 
nen Nutzen konnte dieſe Arbeit fuͤr die an eine ſchoͤnere 
Schreibart gewohnten Heiden aͤußern; ihnen das Le⸗ 
ſen von dieſem Theil der heiligen Schrift etwas belieb⸗ 

ter machen. Noch jetzt lernt man daraus damals herr⸗ 
ſchende 


Juvenecus, ein chriſtlicher Dichter. 279 
ſchende Schriſtauslegungen kennen, und beſchaͤftigt = 
ſich mit den kunſtloſen, aber ſtill fortflieſſenden Verſen GG. 
des frommen Verfaſſers, nicht ohne Vergnuͤgen. Von 306 
den gleich folgenden chriſtlichen Dichtern kann man ſich bis 
aus dieſem einen Begriff machen: denn fie find in 337. 
ſeine Fußſtapfen getreten. ee et 


Unter denen, welche ſich um diefes Gedicht ver« 
dient gemacht haben, war Caſpar Barth, (in Ad- 
verſariis, an vielen Stellen,) lange der vornehmſte, 
indem er es aus alten Handſchriften verbefferte, nach 
ſeinem Werthe beurtheilte und erlaͤuterte. Vorher 
hatte auch ſchon Georg Fabricius, in feiner Samm⸗ 
lung der alten chriſtlichen Dichter, (Poetæ veteres ec: 
cleſiaſt. p. 451. fg. Baſil. 1564. 4) nach mehrern al⸗ 
ten Ausgaben, daſſelbe abdrucken laſſen, und deutli⸗ 
cher zu machen geſucht. Allein die beſte und vollſtaͤn⸗ 
digfte Ausgabe deſſelben iſt vom Erhard Reuſch, 
einem Gelehrten zu Altorf, (Frankf. und Leipz. 1710, 
8.) beſorgt worden. Den eigentlichen Grund zu der⸗ 
felben hatte ein anderer dortiger Gelehrter, Magnus 
Daniel Omeis, gelegt, deſſen und anderer Anmer⸗ 
kungen reichlich beigefuͤgt ſind. In noch neuern Zei⸗ 
ten hat Eduard Wartene (Nova Collectio vett, 
monumentor. T. IX. p. 15. fd.) auch des Juvencus 
poetiſche Ueberſetzung des erſten Buchs Moſes 
(Liber in Genefin) ans Licht gezogen, nachdem die vier 
erſten Capitel davon laͤngſt vorher unter dem Nahmen 
des Tertullianus, auch des Cyprianus, gedruckt 
erſchienen waren. Ein anderes Gedicht des Juven⸗ 
cus, das vermuthlich kirchliche Caͤrimonien bee’ 
ſchrieb, (Sacramentorum ordinem) hat ſich nicht er⸗ 
halten. Außer denen die bereits angeführt worden 
ſind, verdienen von di ſem Schriftſteller beſonders 
Nicol. Antonius, Biolioth. Hiſp. vet. L. 2. c. 4. 

S 4 P. 126. 


280 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


p- 126. ſq) Dü Pin, our. Biblioth. T. II. p. 250 
wund Fabricius, (Biblioth. Lat. L. 4. c. 2. l oA, 1258 
305 B Bibl. Lat. med. et inf. æt. a IV. R: 212. 


bis gelesen zu werden. dsisip — 

337. ng: noch n TER 920 8 

—— — x 
TE Du 

des — 

N Melerus in Alaapvten. | Ah 


enn viele andere chriftliche Lehrer zu den Zeiten, 
Conſtantins ſich eben nicht als Schriftſteller 
hervorthaten: fo haben ſie deſto mehr Antheil 

an den theologiſchen Streitigkeiten, Spaltungen der 
Kirche, Ketzereyen und Kirchenverſammlungen genom⸗ 
men; an welchen Begebenheiten dieſes Zeitalter ſo 
fruchtbar war. Ein ſolcher Mann war gleich im An⸗ 
fange deſſelben Meletius, der Stiſter einer ier 
Venen die lange fortgedanens bat. ’ 


Meletius, Biſchof zu ken oder bokopolis in der 
ägup tiſchen Landſchaft Thebais, wurde nebſt andern 
Lehrern dieſer Gegenden durch die Verfolgung des 
Diocletianus getroffen. Aber ſein Verhalten bey 
derſelben, aus welchem gleichwohl die nachmaligen Un⸗ 

ruhen erwachſen ſind, wird von den Schriftſtellern des 
vierten Jahrhunderts ſehr verſchieden angegeben. 
Athanaſius, ſein Zeitgenoſſe, und der in Aegypten 
ſelbſt, zuletzt als Biſchof von Alexandrien, lebte, er⸗ 
zählt, (Apolog. contra Arianos, Opp. T. I. Vol. I. 
b. 177. ed. Bened.) en „den er Welitius 
nennt, 


Kirchl. Handeld, Meletius in Aegypten. 281 


nennt, ſey wegen vieler Vergehungen, und beſonders, 2’ 
weil er den Goͤtzen geopfert habe, von dem Biſchof d G. 
Petrus zu Alexandrien, auf einer Verſammlung von 306 
Biſchoͤfen ſeines Amtes entſetzt worden; er habe ſich bis 
aber weder auf eine andere Kirchenverſammlung heru- 337° 
fen, noch ſonſt vor der Welt gerechtfertigt, ſondern 
eine Spaltung in der aͤgyptiſchen Kirche errichtet. Das 
her würden feine Anhänger nicht Chriſten, ſondern 
Meletianer, genannt, und er haͤtte nebſt ihnen ſo⸗ 
wohl den Biſchof Petrus, als deſſen beyde Nachfol⸗ 
ger, Achillas und Alexander, gelaͤſtert. Mit die⸗ 
fer Nachricht ſtimmt diejenige in der Hauptſache uͤber⸗ 
ein, welche die Geſchichtſchreiber des fünften Jahr— 
hunderts, Socrates, (Hil. Ecel. L. I. c. 6.) und 
Theodoretus, (Hiſt. Eccl. L. I. c. 9.) binterlaſſen 
haben; obgleich letzterer von dem Opfern nichts gedenkt. 


Allein Epiphanius, der in den ſpaͤtern Zeiten 
des vierten Jahrhunderts und in der Nachbarſchaft 
von Aegypten ſchrieb, berichtet die Entſtehung der 
Meletianiſchen Parthey mit ganz andern Umſtaͤn⸗ 
den. Weletius, ſchreibt er, (Panar. her. 68. p. 
716. fg. Tom. I. ed. Petav. Colon.) wurde nebſt dem 
Biſchof Petrus von Alexandrien, und andern Maͤr⸗ 
tyrern, durch die kaiſerlichen Statthalter in Aegypten 
ins Gefaͤngniß geworfen. Er war, nach dem Pe— 
trus, der vornehmſte Viſchof in Aegypten; aber ihm 
gleichwohl in Kirchenſachen unterworfen. Denn der 
Kirchenſprengel der Erzbiſchoͤfe von Alexandrien geht, 
nach einer alten Gewohnheit, uͤber ganz Aegypten, 
Thebais, Maraeotis, Aibyen, Ammoniace und Pens 
tapolis. Einige nun unter den gefangenen Chriſten 
ſtanden gluͤcklich den Maͤrtyrertodt aus; andere aber 
ließen ſich durch die dringende Noth uͤberwinden, den 
: Gögen zu opfern. Dieſe letztern wandten ſich bald 

f S 5 dar⸗ 


282 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


darauf an die Bekenner und Maͤrtyrer, um durch 
G. Buſſe Mitleiden zu erlangen. Es waren darunter 
per Soldaten, und viele vom Lehrſtande, aus verſchiedenen 
bis Claſſen deſſelben. Das ſtiftete aber keine geringe Bes 
337. wegung und Uneinigkeit unter den Maͤrtyrern. Eis 
nige von dieſen behaupteten, daß diejenigen welche ein. 
mal abgefallen waͤten, ohne ſich tapfer im Streite ver⸗ 
halten zu haben, nicht zur Kirchenbuſſe gelaſſen wer— 
den muͤßten, damit nicht die uͤbrigen, durch eine ſo 
geſchwind erlangte Verzeihung, ſich deſto leichter zur 
Verleugnung der Religion hinreiſſen laſſen moͤchten. 
Dieſes war die Meinung des Meletius, auch vieler 
anderer Maͤrtyrer und Bekenner, die vom Eifer fuͤr 
die Ehre Gottes getrieben wurden; und ſie ſetzten hinzu, 
man möchte dieſen Chriſten, nach geendigter Verfol⸗ 
gung, und verfloßener gehoͤriger Zeit, die Erlaubniß 
zur Kirchenbuſſe ertheilen, wenn man anders von ih- 
rer Aufrichtigkeit ſichere Merkmale haͤtte; doch muͤß⸗ 
ten die zum Lehrſtande gehörigen unter ihnen, dieſer 
Wuͤrde verluſtig werden. Allein Petrus, (ſo faͤhrt 
Epiphanius fort,) der barmherzig und gleichſam ein 
allgemeiner Vater war, bat ſeine Mitgefangenen in 
dieſen Worten: „Laßt ſie uns, weil ſie ſich gebeſſert 
haben, wieder aufnehmen, und ihnen die Kirchen⸗ 
buſſe verſtatten; wir wollen weder ſie, noch die vom 
Lehrſtande verwerfen, damit ſie nicht aus Schaam 
und wegen der Verzoͤgerung, nachdem ſie einmal durch 
Muthloſigkeit und Schwaͤche vom Teufel erfchürtert 
worden find, ganz und gar abfallen, ohne ein Hei⸗ 
lungsmittel zu gebrauchen.“ Aus dieſer Verſchieden⸗ 
heit der Meinungen nun, die doch beyde von from⸗ 
men Geſinnungen herſtammten, nahm die Trennung 
ihren Urſprung. Denn da Petrus ſah, daß die 
Freunde des Meletius ſich ſeinem Rathe widerſetzten, 
hieng er mitten im Gefaͤngniſſe ſeinen Mantel als eine 
Schei⸗ 


Kirchl Haͤndel d. Meletius in Aegypten. 283 


Scheidewand auf, und ließ durch einen Diaconus aus F 
rufen: Wer es mit mir haͤlt, komme hieher zu mir, F. G. 
und wer dem Meletius beitritt, gehe auf ſeine Seite 306 
hinuͤber! Darauf wandten ſich die meiſten Bifchöfe, bis 
Moͤnche und Aelteſten zum Meletius; nur wenige 337. 
traten zum Petrus. Von dieſer Zeit an verrichtete 
jeder Theil das Gebet und den uͤbrigen Gottesdienſt 
beſonders. Petrus erlitt nachher den Maͤrtyrertodt; 
Meletius hingegen wurde nebſt vielen andern zur Hr: 

beit in die Bergwerke verurtheilt. 


Bey einer ſo widerſprechenden Erzaͤhlung von zween 
ſo angeſehenen Zeugen iſt es nicht zu verwundern, wenn 
die neuern Schriftſteller ſich entweder fuͤr einen von 
beiden erklaͤrt, oder alle Entſcheidung vermieden has 
ben. Die Roͤmiſchcatholiſchen haben, da fie den Pe⸗ 
trus als einen heiligen Märtyrer verehren, durchgaͤn⸗ 
gig den Bericht des Epiphanius vor falſch ausgege⸗ 
ben, und kuͤhn genug vorausgeſetzt, daß er durch Er— 
dichtungen der Meletianer hintergangen worden ſey. 
Dennoch iſt es ungemein wahrſcheinlich, daß man ihn 
in der Hauptſache (denn im übrigen hat er einige of» 
fenbare Fehler begangen,) zum Führer annehmen muͤſ⸗ 
fen. Athanaſius war einer der vornehmſten Gegner 
der Meletianer, und hat daher auch von dem Ans 
führer dieſer Parthey vermuthlich die ſchlimmſten Nach⸗ 
richten am leichteſten geglaubt. Was er von dem Goͤ⸗ 
tzenopfer deſſelben ſagt, wird dadurch ſehr verdaͤchtig, 
weil die Anhaͤnger des Meletius vielmehr ſich gegen 
die Abgefallenen ſtrenger als die übrigen Chriſten bes 
zeigt haben; fo wie es auch unglaublich iſt, daß Yes 
letius, wenn er wuͤrklich in jenes ſchimpfliche Ver⸗ 
brechen gefallen iſt, ſo viele Freunde gefunden haben 
ſollte. Auf der andern Seite verdient Epiphanius, 
welcher ſonſt gewohnt ift, jede von den Rechtglaͤubigen 

getrenn⸗ 


284 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


getrennte Parthey auf das haͤrteſte zu beurtheilen, deſto 
wehr Beifall, wenn er einen Stifter derſelben als ei⸗ 
34 nen gottſeeligen und edel denkenden Mann abſchildert. 
bis Seine Beſchreibung von den Geſinnungen des Pe— 
337. trus kommt auch voͤllig mit demjenigen überein, was 
man bereits oben (S. 60.) aus den Kirchengeſetzen 
dieſes Biſchofs wegen der abtruͤnnigen Chriſten, da— 
von geleſen hat. Die Erzaͤhlung des Epiphanius 
wird weiter auch durch den guten Zuſammenhang der 
ſich in derſelben findet, und ſelbſt durch das Urtheil 
welches die Nicaͤniſche Kirchenverſammlung uͤber die 
Meletianiſchen Haͤndel gefällt hat, beſtaͤtigt. End⸗ 
lich kommt hinzu, daß einige zu dieſer Geſchichte gehoͤ⸗ 
rige Urkunden beſonders ein Schreiben von vier aͤgy⸗ 
ptiſchen Biſchoͤfen, deren Euſebius (Hiſt. Eccl. L. 
VIII. c. 9.) gedenckt, aus ihrem Gefaͤngniſſe an den 
Meletius, (beym Scip. Maffei, Obſervaz. litte- 
rar. T. III. p. II. ſq.) ebenfals Beweiſe für ans 
würdigfeit des Epiphanius abgeben. 


Genug, dieſe Spaltung in der aͤgyptiſchen Kirche 
entſtand um das Jahr 306. Sie hatte mit dem 
Glauben nichts zu thun; indem beide Partheien dar— 
inne vollkommen mit einander einig waren. Aber 
WMeletius errichtete nicht nur mit feinen Anhängern 
eine abgeſonderte Gemeine; ſondern machte auch dem 
Biſchof von Alexandrien das Recht ſtreitig, welches 
dieſer Kraft eines alten Herkommens beſaß, alle Bi— 
ſchoͤfe in Aegypten, Libyen, und andern zu feinem Kir- 
chenſprengel gehörigen Landern, allein zu weihen. Nicht 
Athanaſius, fondern Sozomenus, (ift. Eccl. I. 
I. c. 24.) Theodoretus (Fabul.'heret. L. IV. c. 7.) 
und Epiphanius (I. c. p. 719.) melden dieſes vom 
Meletius: und der letztere inſonderheit erzählt, daß 
dieſer aus dem Gefaͤngniſſe, und auf ſeiner Reiſe zu 

den 


Kirchl. Haͤndel d. Meletius in Aegypten. 285 


den Bergwerken, nicht nur in Aegypten, Biſchoͤfe, S 
Aelteſten und Kirchendiener geſetzt, ſondern eben dieſes 8 3 
auch bis in die benachbarten Laͤnder gethan habe. Die 306 
vier oben gedachten Biſchoͤfe warfen ihm dieſen Ein- bis 
griff in die Rechte eines fremden Kirchenſprengels, der 337. 
durch alte Geſetze verboten ſey, und die Verachtung des 
Biſchofs Petrus, ingleichen die wenige Achtung vor, die 

er darinne gezeigt habe, waͤhrend ihrer Leiden ſo viele 
Verwirrung zu erregen. Sie bemerkten außerdem, daß 

er ſich durch den Mangel den die Gemeinen an Lehrern 
haͤtten, nicht entſchuldigen koͤnne, indem derſelbe theils 
nicht vorhanden ſey; theils, wenn er ſich wuͤrklich er: 
eignete, Petrus und ſie wegen der Beſetzung der erle— 
digten Stellen erſt befragt werden muͤßten. Allein 
Meletius fuhr in dieſer eigenmaͤchtigen Beſtellung 
von Lehrern fort, die alle feiner Parthey zugethan blie- 
ben. Die Kirchengemeinſchaft zwiſchen beyden Thei- 
len wurde fo ſehr aufgehoben, daß ſich die Anhänger 
des Petrus die catholiſche, und die Freunde des 
Meletius die Kirche der Maͤrtyrer nannten; Atha⸗ 
naſius aber den Nahmen der Meletianer ſogar dem 
chriſtlichen entgegenſetzte. Er beſchuldigte ſie auch, 
(Apolog. contra Arianos, p. 140. I. e.) daß fie un⸗ 
geſchickte Lehrer ordneten, die kaum aus dem Heiden— 
thum gekommen wären: und der Biſchof Petrus er- 
klaͤrte nach dem Sozomenus (Hift. Ecel. L. I. c. 15.) 
ſelbſt ihre Taufe vor unguͤltig. Daher pflanzte ſich 
auch dieſe Trennung, als er im Jahr 31 r. ſtarb, noch 
unter ſeinen Nachfolgern, Achillas, Alexander und 
Athanaſtus, fort. . 


Nunmehr nahm ſich die Kirchenverſammlung zu 
Nicaͤa im Jahr 325. vor, dieſe langen und unnoͤthi⸗ 
gen Zwiſtigkeiten zu ſchlichten. Sie meldete daher 
der Gemeine zu Alexandrien und den aͤgyptiſchen Chri— 

g ſten 


286 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


ſten überhaupt, in ihrem Schreiben, welches Socra⸗ 


tes (Hill. Eccl. L. I. c. 9.) und andere Schriftſteller 


306 mehr aufbehalten haben, Meletius ſey zwar, wenn 
bis nach der Strenge verfahren werden ſollte, keiner Ver— 
337. zeihung werth; allein da die Verſammlung guͤtiger mit 


7 


ihm umgehen wolle, fo follte er nur in feiner Stadt 
bleiben, und keine Macht haben, weder Lehrer zu wei⸗ 
hen, noch zu waͤhlen, auch ſich in einer ſolchen Abſicht 
weder auf dem Lande noch in einer andern Stadt bli— 
cken laſſen, und den bloßen Nahmen ſeiner Wuͤrde 
beybehalten. Die von ihm geweihten Lehrer ſollten 
durch eine heiligere Einweihung beſtaͤtigt, und zur Kir— 
chengemeinſchaft zugelaſſen werden; ſo daß ſie zwar 
ihre Wuͤrde und ihr Amt behalten, aber ſtets den 
zweiten Rang nach allen denen haben follten, die in 
jedem Kirchenſprengel und jeder Gemeine bereits vor- 
handen waͤren, und von dem Biſchof Alexander vor⸗ 
ber geweiht worden. Es follte ihnen auch niemals er⸗ 
laubt ſeyn, Leute nach ihrem Gefallen zum Lehramte 
u waͤhlen, oder vorzuſchlagen, noch ſonſt etwas ohne 
Vorwiſſen der Biſchoͤfe der rechtglaͤubigen Kirche, die 
unter dem Alexander ſtuͤnde, zu verrichten. Doch ſoll⸗ 
ten fie, wenn ältere Biſchoͤfe, die ſtets in der recht⸗ 
glaͤubigen Gemeine geblieben waͤren, ſtuͤrben, an die 
Stelle derſelben, wenn ſie es verdienten, mit Einwil⸗ 
ligung und Beſtaͤtigung des Biſchofs von Alexandrien, 
von dem Volke gewaͤhlt werden koͤnnen. Nur dem 
Meletius ſollte dieſes nicht verſtattet ſeyn, weil dieſer 
hartnaͤckige und hitzige Mann neue Unruhen erregen 
koͤnnte. Zur Erlaͤuterung dieſer Verordnung dienen 
die Stellen der Geſchichtſchreiber, (Socrates J. c. So- 
20m. L. I. c. 24.) und der ſechſte Schluß dieſer Kirchen⸗ 
verſammlung, durch welchen dem Biſchof von Alexan⸗ 
drien ſeine Rechte beſtaͤtigt wurden. 


Mele⸗ 


Kirchl. Haͤndel d. Meletius in Aegypten. 287 


Meletius, der dieſelben verletzt, und damit zu 
gleich die Kirchenverfaſſung geſtoͤrt hatte, ſchien fuͤr die x. G. 
Gelindigkeit, mit welcher ihm begegnet wurde, dank 306 
bar zu werden, indem er alle acht und zwanzig von ihm bis 
in Aegypten geweihten Biſchoͤfe, nebſt feinen Aelteſten 337. 
und Kirchendienern, perſoͤnlich vor den Biſchof Alexan⸗ 
der ſtellte, wie Athanaſius (Apol. contra Arianos 
p. 187.) erzaͤhlt. Aber feine Anhänger mögen mit den 
Verfuͤgungen der Kirchenverſammlung nicht zufrieden 
geweſen ſeyn. Die Spaltung dauerte alſo fort: und 
Meletius ernannte an feiner Stelle feinen Freund "Jos 
hannes zum Biſchof; (Theodoret. Hiſt. Ecel. L. I. 

4. 26. Sozom. L. II. c. 21.) ſtarb aber bald darauf. 


Nach ſeinem Tode vereinigten ſich die Meletia⸗ 
ner mit den Arianern. Meletius war den Lehrſaͤ⸗ 
tzen des Arius niemals beigetreten; obgleich dieſer im 
Anfange, nach dem Sozomenus, (Hiſt. Ecel. L. I. 
c. 15.) der Parthey deſſelben zugethan war: er ſoll ſo⸗ 
gar, wenn das Zeugniß des einzigen Epiphanius 
(l. c. p. 719.) hierbey gilt, die Irrlehren deſſelben bey 
dem Biſchof Alexander angegeben haben. Allein die 
Meletianer und die Arianer hatten an den Biſchoͤ— 
fen von Alexandrien gemeinfchaftliche Feinde: und dies 
ſes befoͤrderte ihre Verbindung untereinander. Wie⸗ 
derum erzählt es Epiphanius (J. c. p. 720. fq.) ak 
lein, daß die erſtern einige Abgeordnete an den Kaiſer 
Conſtantinus mit der Bitte geſchickt haͤtten, daß ib» 
nen beſondere gottesdienſtliche Verſammlungen erlaubt 
werden möchten. Sie haͤtten aber nicht anders bey dem 
Kaiſer Gehoͤr, und die Bewilligung ihres Anſuchens 
erlangt, als nachdem ſie dem Biſchof Euſebius von 
Nicomedien verſprochen haͤtten, daß fie mit den Aria⸗ 
nern Kirchengemeinſchaft halten wollten. Und ſo 
ſey es geſchehen, daß viele Meletianer auch die Ketze⸗ 
rey 


288 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Trey der letztern angenommen hatten; diejenigen aber, 

Nan welche bey dem wahren Glauben geblieben, waͤren doch 

306 wenigſtens ſeitdem mit den Arianern vermengt wor⸗ 

bis den. Dieſe Nachrichten ſind nicht unwahrſcheinlich; 

337. aber noch gewiſſer iſt es, daß die Meletianer mit den 
Arianern verbunden, an den Klagen wider den Biſchof 
Athanaſius zu Alexandrien einen Hauptantheil genom⸗ 
men haben, die auf der Kirchenverſammlung zu Tyrus 
im Jahr 335. in ſeine Landesverweiſung ausſchlugen. 
Dieſe Parthey, die bis in die erſten Zeiten des 
fünften Jahrhunderts in Aegypten übrig blieb, hat 
zwar verſchiedene anſehnliche Lehrer, aber keinen darun⸗ 
ter gehabt, der durch Gelehrſamkeit und Schriften bes 
ruͤhmt geworden waͤre. Ihre Entſtehung und Fort⸗ 
dauer ſcheint durch Fehler von beiden Seiten, beſonders 
durch Hartnaͤckigkeit und Herrſchbegierde, befoͤrdert 
worden zu ſeyn: und eben darum haͤtte dieſe Spaltung 
deſto fruͤher gehoben werden koͤnnen; wenn nicht Unei⸗ 
nigkeiten, die einen ſittlichen Grund haben, noch ſchwe⸗ 
rer zu tilgen waͤren, als Glaubenszwiſtigkeiten. Die 
Geſchichte derſelben iſt von dem Herrn C. R. Walch 
(Entwurf einer vollſtaͤndigen Hiſtorie der Ketzereyen, 
ꝛc. Vierter Theil, S. 355 - 410.) mit vorzüglicher 
Genauigkeit bearbeitet worden. 


Ge ſch i cht e 
der ; 
Donatiſten. 


— — 


— 


us einer ähnlichen Veranlaßung, und im Grunde 
„ aus einerley Hauptquellen, aus der Verfolgung - 
der Chriſten durch den Diocletianus, und aus 

g den 


Geſchichte der Donatiſten. 289 


den Leidenſchaften, welche fie gegen einander ſelbſt er: 
hitzten, entſtand zur Schande der Chriſten dieſer F.. 
Zeit, die Donatiſtiſche Streitigkeit. Sie hat weit 306 
mehr Unruhe und Unglück verurſacht, auch viel län: bis 
ger als die Meletiamſche fortgewaͤhrt, und iſt uͤber- 337. 
haupt die wichtigſte Spaltung in der alten Kirche, des 

ren Geſchichte in ſehr vielerley Betrachtung, beſonders 
aber in Abſicht auf die nun herrſchende Gewohnheit der 
Chriſten, perſoͤnliche Zaͤnkereyen zur Angelegenheit der 
Religion zu machen, in Anſehung des Rechts der welt— 
lichen Obrigkeit in Religionsſachen, auch der aͤußer— 

ſten Gewaltthaͤtigkeiten bey eben denſelben, immer lehr⸗ 
reich bleibt. N I 


An gleichzeitigen Nachrichten und Urkunden hat 
dieſe Geſchichte keinen Mangel: und wenn gleich jene 
meiſtentheils einſeitig ſind, mithin der Partheyilichkeit 
beſchuldigt werden koͤnnen; ſo liegt dagegen in dieſen die 
Wahrheit ohne fremde Zuſaͤtze unverfaͤlſcht vor Augen. 
Der vornehmſte Geſchichtſchreiber und Zeuge der Doz 
natiſtiſchen Haͤndel iſt Optatus, Biſchof zu Mile⸗ 
vi oder Milevum, in der africaniſchen Landſchaft Nu⸗ 
midien. Er ſchrieb, wie Hieronymus, (Catal. Seriptt. 
Eccleſ. c. 1 100) bemerkt, unter der Regierung der Kai⸗ 
ſer Valentinianus und Valens, das heißt gegen 
oder bald nach dem Jahre 370, ein Werk gegen die 
Donatiſten, unter welchen er lebte, (de Schismate 
Donatiſtarum adverſus Parmenianum, Libri Sex,) 
in der Abſicht, um wider den Donatiſtiſchen Biſchof 
Parmenianus zu zeigen, daß der Vorwurf einer 
kirchlichen Trennung, welchen ſie von ſich abwaͤlzten, 
und den Rechtglaͤubigen machten, voͤllig ungegruͤndet 
ſey. Man hat es in den neuern Zeiten in ſieben Bits 
cher getheilt, weil man gewiße Zuſaͤtze die der Verfaſ⸗ 
fer den fechs erſten beifuͤgte, in ein ſiebentes geſamm⸗ 

V. Theil. 2 let 


290 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


let hat. Wenn gleich dieſes Werk hauptſaͤchlich eines wi⸗ 


J. n. 
ee, 
3 
bis 
337. 


derlegenden und theologiſchen Innhalts iſt; ſo wird doch 
im erſten Buche der Urſprung und Fortgang dieſer Strei— 
tigkeiten umſtaͤndlich, und mit einer ſichtbarlich guten 
Kenntniß der Sache, erzaͤhlt. Es hat durch den Fleiß 
neuerer Gelehrten an Brauchbarkeit ungemein zuge— 
nommen. Inſonderheit hat Duͤ Pin die beſte Ausgabe 
davon (zu Paris, 1700. Fol.) ans Licht geſtellt, wel- 
che im Jahr 1702. zu Amſterdam (unter der Aufſchrift 
Antwerpen) mit einer bequemern Stellung der Anmer— 
kungen, nachgedruckt worden iſt. Man findet in der: 
ſelben des Herausgebers nicht uͤbel gerathene, aber ſehr 
kurze Geſchichte der Donatiſten; eine Nachricht von 
den Africaniſchen Bißthuͤmern, mit einer dazu gehoͤri⸗ 
gen Landcharte uͤber die kirchliche Geographie von Afri⸗ 
ca; das Werk des Optatus, mit den Anmerkungen 
des Balduinus, Aubeſpine, Duͤ Pin, und ande— 
rer mehr; inſonderheit aber eine ſehr ſchaͤtzbare Samm⸗ 
lung von Urkunden, welche die Haͤlfte dieſer Ausgabe 
einnimmt, (Monumenta vetera, ad Donatiſtarum hi- 
ſtoriam pertinentia.) Optatus hatte ſelbſt eine An⸗ 
zahl derſelben ſeinem Werke zum Beweiſe angehaͤngt; 
die aber verloren gegangen ſind. Hier ſind ſie gluͤcklich 
genug wieder hergeſtellt, vermehrt, und vom Jahr 303 
bis 596. fortgeſetzt worden. Die wichtigſten derſelben, 
dergleichen die kaiſerlichen Befehle, Handlungen der 
Kirchenverſammlungen und Religionsgeſpraͤche ſind, 
werden in der Folge dieſer Geſchichte angezeigt werden. 


Ein noch heftigerer Gegner und wuͤrklicher Ver⸗ 
folger der Donatiſten, der bald nach dem Optatus, 
wider ſie ſchrieb, der Biſchof Auguſtinus zu Hippo 
Regius, einer gleichfals Numidiſchen Stadt, iſt doch 
auch in dieſer Geſchichte einer der wichtigſten Schrift⸗ 
ſteller. Er wurde es durch die Menge von Buͤchern, 

welche 


Geſchichte der Donatiſten. 291 


welche er dieſer Parthey entgegenſetzte, und welche 
DL 7 Ii n. 
man, fo weit fie noch vorhanden find, in dem neun⸗ F 
ten Bande ſeiner Werke, (nach der Benedictiner-Aus- 306 
gabe,) beyſammen antrifft. Aber auch in ſehr vielen bis 
Stellen feiner übrigen Schriften, beſonders der Pre- 33% 
digten und Briefe, beſchaͤftigt er ſich mit derſelben: 
wovon man das Verzeichniß in der erſtgenannten 
Sammlung (I. c. p. 463.) und daraus in des Herrn 
C. R. Walchs vorher angeführtem Buche, (S. 256.) 
lieſt. Es kommt hinzu, daß Auguſtinus, außer 
dieſer Beſtreitung des Lehrbegriffs der Donatiſten, 
auch viele Aufſaͤtze und Stellen aus den Schriften ih— 
‚rer Lehrer zugleich aufbehalten hat. Andere Schrift— 
ſteller des vierten und fuͤnften Jahrhunderts haben nur 
einzele Beiträge zu dieſer Geſchichte mitgetheilt. 


Mitten alſo in der Verfolgung des Diocletianus 
wurde der Grund zu dieſen weitläufigen Streitigkeiten 
gelegt. Damals retteten viele Chriſten und ſelbſt Leh— 
rer in Africa, wie man anderwaͤrts (Chriſtl. Kirch ens 
geſch. Theil IV. S. 479.) bereits geleſen hat, ihr Le— 
ben dadurch, daß ſie nach dem kaiſerlichen Befehle, 
die Abſchriften der heiligen Schrift, die ſie beſaßen, 
oder in Verwahrung hatten, den Heiden zur Vernich— 
tung auslieferten. Sie wurden deswegen von den 
uͤbrigen Chriſten als eine beſondere Gattung von Ab— 
truͤnnigen (Traditores) angeſehen und genannt. Im 
Jahr 305. nach der wahrſcheinlichſten Berechnung, 
hielten eilf bis zwoͤlf Biſchoͤfe in der Numidiſchen Stadt 
Cirta, welche nachher Conſtantina genannt wurde, 
eine Verſammlung wegen einer Biſchofswahl. Da 
fand es ſich, daß ſechs unter ihnen ſich jenes Verbre— 
chens der Auslieferung ſchuldig gemacht, und einer 
ſogar ſeiner Schweſter Sohn umgebracht hatte. Al⸗ 
lein fie wurden ber einig, einem jeden feine Vers 
’ T 2 ant⸗ 


292 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
Sm antwortung bey Gott ohne kirchliche Beſtrafung ſelbſt 


C. G. zu überlaffen ; vermuthlich, weil aus dem Gebrauch 
306 der geſetzmaͤßigen Strenge, eine aͤrgerliche Spaltung 
is unter ihnen entſtanden ſeyn wuͤrde. Dieſe Begeben⸗ 
337. heit blieb auch ziemlich unbekannt, bis ſie nach ſechszig 
Jahren vom Optatus (I. c. L. I. c. 14.) aus alten 
Urkunden ans Licht gezogen, und den Donatiſten vor. 
geworfen wurde. Die letztern verſuchten umſonſt hun⸗ 
dert Jahre darauf, die ganze Geſchichte dieſer Kir⸗ 
chenverſammlung vor erdichtet zu erklaͤren. Sie wurden 
bey einer gerichtlichen Unterſuchung, die man daruͤber 
angeſtellt hatte, widerlegt, wie Auguſtinus (Brevicul. 
collat. Carthag. p. 387. ſq. T. IX. Opp. ed. Bened. 
Antvp.) erzählt: und dieſer Schriftſteller hat auch 
(contra Crescon. L. III. p. 305. ſq.) die Urkunde von 
jener Verſammlung groͤßtentheils beigebracht. 


ar 


Aber eben dieſe Biſchoͤſe, die ſich einander die bes 
ſchriebene Art des Abfalls ſo leicht verziehen hatten, 
Secundus, Bifhof zu Tigiſis, dem vornehmſten 
Bißthum in Numidien, und andere mit ihm, waren 
nachmals bey der Wahl eines Biſchofs von Carthago, 
um das Jahr 311, gegen diejenigen Biſchoͤfe, wel⸗ 
che ſich eben deſſelben Verbrechens ſchuldig gemacht 
haben ſollten, deſto unerbittlicher. Man ſieht zwar 
aus verſchiedenen Stellen des Auguſtinus, (Brevic. 
collat. p. 385. ſq. Epiſt. 44. p. 79. T. II. Opp. und 
andern mehr,) daß in der chriſtlichen Gemeine jener 
Hauptſtadt des Roͤmiſchen Africa, entweder noch bey 
dem Leben des Biſchofs Menſurtus, oder gleich nach 
ſeinem Tode, ehe noch Caͤcilianus an ſeine Stelle 
kam, einige Unruhen entſtanden ſind, welche etwas 
zur Beſchleunigung der weit groͤßern Donatiſtiſchen 
beigetragen haben. Es iſt aber ungewiß, aus welchem 
Grunde dieſe Uneinigkeit der Chriſten zu Carthago ge⸗ 

floſſen 


Geſchichte der Donatiften. 293 


floſſen ſey: und fie hoben auch darum die kirchliche gd 
Gemeinſchaft mit einander nicht auf. Nur dieſes ver-F. G.. 
dient dabey Aufmerkſamkeit, daß Menſurius in ſpaͤ⸗ 306 
tern Zeiten von den Donatiſten beſchuldigt worden bis 
iſt, er habe die heiligen Schriften den heidniſchen Ver⸗ 337° 
folgern ausgeliefert, und ſey unbarmherzig genug ge— 
weſen, nebſt ſeinem Diaconus, dem Caͤcilianus ge⸗ 
waltſam zu verwehren, daß den gefangenen Maͤrtyrern 
weder Speiſe noch Trank gebracht werden durfte. Al⸗ 
lein das erſtere leugnete Menſurius, und rechtfertigte 
ſein Verhalten in dem Schreiben an den Secundus, 
das man beym Auguſtinus (Brevic. collat. p. 386.) 
findet. Die andere Beſchuldigung aber wuͤrde, wenn 
auch die Maͤrtyrergeſchichte auf welche ſie ſich gruͤndet, 
(in Pin. Monum. Donatiſt. p. 15 5. ſq.) vollkommen 
zuverlaͤßig ſeyn ſollte, doch dadurch gemildert werden, 
weil jene Maͤrtyrer von einer ziemlich veraͤchtlichen Art 
waren. Menſuürius geſtand nemlich in feinem Schrei— 
ben, daß er den Chriſten verboten habe, diejenigen 
nicht als Maͤrtyrer zu ehren, die ſich ungefragt zur 
Verfolgung angegeben hatten, indem ſie verſicherten, 
bibliſche Handſchriften zu beſitzen, die fie nicht heraus 
geben wollten, da ſie doch keine hatten. Er gedachte 
auch anderer laſterhaften und an die kaiſerliche Kam⸗ 
mer verſchuldeten Chriſten, welche ſich, bey Gelegenheit 
der Verfolgung, ihres mit Schulden beladenen Lebens 
zu entledigen ſuchten; oder gar glaubten, ſich von ih⸗ 
ren Ausſchweifungen durch den Maͤrtyrertodt zu reini⸗ 
gen, wenigſtens durch die Mildthaͤtigkeit der Chriſten 
Geld zu gewinnen, und im Gefaͤngniße herrlich zu les 
ben hofften. Wenn Wenſurius die Erwartung ſol⸗ 
cher Heuchler zu Schanden gemacht hat: ſo war er 
ſchon deswegen ein nuͤtzlicher Lehrer fuͤr die Chriſten. 

Deſto gewißer iſt es, daß man den Urſprung der 
Donatiſtiſchen Spaltung von der Wahl des erſtge⸗ 

T 8 dachten 


294 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
& dachten Caͤcilianus zum Biſchof von Carthago herlei⸗ 
G. ten muͤße. Sie erfolgte im Jahr 311. oder im naͤchſt⸗ 
306 vorhergehenden. Nach dem Berichte des Optatus, 
bis (. I. c. 18.) veranſtalteten es zween Aelteſten daſelbſt, 
37° die nach der bifcböflichen Würde trachteten, daß bloß 
die benachbarten Biſchoͤfe, in Abweſenheit der Numi⸗ 
diſchen, eingeladen wurden, um bey der Einweihung 
des neuen Biſchofs gegenwärtig zu ſeyn. Caͤcilianus 
wurde einmuͤthig von dem ganzen Volke gewaͤhlt, und 
Felix, Biſchof von Aptunga, legte ihm die Haͤnde 
auf. Als darauf einige Aelteſten, denen Menſurius 
den goldenen und ſilbernen Schmuck der Kirche zur 
Verwahrung uͤbergeben hatte, die ſich aber denſelben 
als eine Beute zuzueignen gedachten, genoͤthigt wur— 
den, ihn an den Caͤcilianus zu uͤberliefern: entzogen 
ſie ſich aus Verdruß ſeiner kirchlichen Gemeinſchaft. 
Eben dieſes thaten die beiden ehrgeitzigen Aelteſten, de 
ren Hoffnung hintergangen worden war; ingleichen die 
maͤchtige und unruhige Lucilla, die ſchon lange keine 
Kirchenzucht mehr ertragen konnte, mit allen ihren 
Anhaͤngern. Dieſe reiche Frau hatte, wie eben dieſer 
Schriftſteller anderwärts (e. 16.) meldet, auf den Caͤ—⸗ 
cilianus einen bittern Haß geworfen, da er noch Dia⸗ 
conus war. Er hatte ihr nemlich einen Verweis daruͤ— 
ber gegeben, daß ſie jedesmal, ehe ſie das geweihte Brodt 
und den Wein im Abendmahl empfieng, den Mund ei⸗ 
nes verſtorbenen Menſchen, den fie vor einen Maͤrtyrer 
hielt, der aber noch nicht einmal gehoͤrig davor erkannt 
worden war, (nondum vindicatus) kuͤßte. Solcherge⸗ 
ſtalt, ſchreibt Optatus, iſt dieſe Trennung durch Zorn 
gebohren, durch Ehrſucht genaͤhrt, und durch Geitz ge⸗ 
ſtaͤrkt worden. Man erdichtete nun mancherley Vor⸗ 
wand wider den Caͤcilianus, damit ſeine Wahl un⸗ 
guͤltig werden moͤchte. 


Es 


Geſchichte der Donatiſten. 295 


Es kann ſeyn, daß dieſe Erzaͤhlung durchaus rich⸗F. 7 
tig iſt: wenigſtens findet ſich nichts, wodurch fie ver-C.@. 
daͤchtig gemacht werden koͤnnte; allein man muß ſich 305 
doch ſtets erinnern, daß fie von den Feinden der Do; 5 
natiſten herruͤhrte, die ſie vermuthlich nicht unbeant⸗ 
wortet gelaſſen haben. Wuͤrklich wurden auch von 
dieſen ganz andere Urſachen der Trennung angegeben, 
die nunmehr auf folgende Art zur Reiſe kam. Die 
Numidiſchen Biſchoͤfe kamen, vermuthlich von den 
Gegnern des Caͤcilianus gerufen, nach Carthago. 
Darunter waren auch Secundus nebſt den uͤbrigen zu 
Cirta verſammleten, und uͤberhaupt gegen ſiebzig Die 
ſchoͤfe. Sie kamen nicht in die Hauptkirche, wo Caͤci⸗ 
lianus mit der Gemeine ſich befand: und obgleich die⸗ 

ſer verlangte, man moͤchte einen Klaͤger wider ihn auf— 
treten laſſen, wenn man Beſchwerden gegen ihn haͤtte; 
fo warfen fie ihm doch nur feine Einweihung vor, lieſt 
ſen auch die haͤrteſten Drohungen gegen ihn hoͤren, als 
er ſich erklaͤrte, daß er bereit waͤre, ſich von ihnen 
weihen zu laſſen. Endlich wählten fie den Majori⸗ 
nus, einen Vorleſer der Kirche zu Carthago, und 
Hausgenoſſen der Lucilla, welche die Waͤhlenden 
durch Geld gewann, in einer Verſammlung zum Bi⸗ 
ſchof an Statt des Caͤcilianus. Sie fanden auch 
außerhalb Carthago gar bald Beifall. So wie in die⸗ 
ſer Hauptſtadt nun zwo Gemeinen und zween Biſchoͤfe 
waren: ſo theilten ſich auch die Chriſten in dem uͤbri⸗ 
gen roͤmiſchen Africa, indem einige den Caͤcilianus, 
andere den Majorinus, als rechtmaͤßigen Biſchof 
von Carthago erkannten; in manchen Staͤdten aber 
ebenfals zween Biſchoͤfe geſetzt wurden. In den uͤbri⸗ 
gen Welttheilen hingegen nahm alles die Parthey des 
Caͤcilianus. So haben wiederum Optatus (L. I. 
e. 19. 20.) und Auguſtinus (Epiſt. 42. p. 68. ſq. 
T 4 1 


296 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. Y Ep. 44. p. 75. Brevic. collat. p. 387. 00 er Ber 

N 8 gang dieſer Streitigkeit beſchrieben. 

"306 

bis um zu beweiſen, daß die Wahl des Cãcilianus 

337. "ungültig ſey, behaupteten feine Gegner zuerſt, es hätten 
bey der ſelben, und bey der Einweihung, die Numidiſchen 
Biſchoͤfe erwartet werden ſollen, damit der Hauptbi⸗ 
ſchof in Africa von dem anſehnlichſten nach ihm haͤtte 
eingeführt werden koͤnnen. (Auguſt. Brevic. collat. p. 
388.) Inſonderheit aber beſchuldigten ſie nicht nur 
den Biſchof Felix, der den Caͤcilianus geweiht hatte, 
ſondern auch dieſen ſelbſt, daß ſie die heiligen Schrif— 
ten an die Heiden ausgeliefert haͤtten. (Optat. L. I. 
c. 19. Auguſtin. I. c. p. 387.) Man leugnete von der 
andern Seite das Recht der erſten Forderung, und ver— 
warf die beiden Beſchuldigungen als Unwahrheiten. 

Die letztere wurde in der That erſt lange nach der er⸗ 

ſten vorgebracht. Und obgleich Caͤcilians Wahl nicht 
ohne Uebereilung vorgenommen worden war; ſo ſchei⸗ 
nen doch die Einwendungen gegen dieſelbe, ſo weit ſie 
ſich jetzt beurtheilen laſſen, weder erwieſen genug, noch, 
wenn ſie es ſogar waren, zu einer Trennung hinlaͤng⸗ 
lich geweſen zu ſeyn. 


Unterdeſſen war Conſtantinus, nachdem er den 
Maxentius im Jahr 312. beſiegt hatte, im folgen⸗ 
den Herr des roͤmiſchen Africa geworden: und da er 
zugleich ſeine Neigung gegen das Chriſtenthum an den 
Tag legte, nahm er bald einen lebhaften Antheil an 
den kirchlichen Unruhen dieſer Gegenden. Außerdem, 
daß er den Caͤciltanus als den Vorſteher der recht⸗ 
mäßigen und catholiſchen Religion und Kirche 
in Africa erkannte, und ihm ohngeſaͤhr ſiebzig tauſend 

Thaler, nach unſerer Rechnungsart, zuſtellen ließ, um 
ſie unter die Diener dieſer Religion, nach einer gewiß 
fen 


Geſchichte der Donatiſten. 297 


fen Vorſchrift, auszutheilen, (Eufeb. Hiſt. Eccl. L. 
X. c. 5. 6. 2.) ſetzte er noch in einem feiner Schreiben d G 
an den Caͤcilianus ſelbſt hinzu, er habe vernommen, 306 
daß einige unruhige Leute das zur heiligſten und recht, bis 
glaͤubigen Kirche gehoͤrige Volk auf eine argliſtige Art 337. 
zu verwirren ſuchten, und habe daher einigen Staats⸗ 
bedienten aufgetragen, ſich der Sache ſorgfaͤltig anzu: 
nehmen. An dieſe alſo, befiehlt der Kaiſer, moͤchte 

ſich der Bifchöf wenden, wenn es noch ſolche Leute gaͤ⸗ 
be, damit ſie beſtraft werden koͤnnten. Allein die Ge⸗ 
genparthey des Caͤcilianus bat gleich darauf den Kai« 
ſer, (beym Optatus, L. I. c. 22.) daß er, weil ſich 
zwiſchen ihr und den uͤbrigen Biſchoͤfen in Africa, Zwi⸗ 
ſtigkeiten erhoben haͤtten, ihr Richter aus Gallien ge— 

ben möchte, Daß die Anhänger des Majorinus zu⸗ 

erſt bey der weltlichen Obrigkeit Huͤlfe geſucht haben, 

iſt ihnen nachmals von den Catholiſchen ſehr oft vor⸗ 
geworfen worden; würde aber an ſich nicht tadelhaft. 
ſeyn, wenn jene gewiß unſchuldig an der erregten Spal⸗ 
tung geweſen wären. Sie nannten ſich in der Unter« 
ſchrift des einen Schreibens, die Parthey des Dona 
tus: allem Anſehen nach deswegen, weil außer ihrem 
Anführer zu Carthago, Majorinus, in den übrigen 
Gegenden von Africa Feiner ſich unter ihnen fo ſehr 
hervorthat, als der Biſchof zu Caſaͤ Nigraͤ, Dona⸗ 
tus. Aber Wajorinus ſcheint auch noch im Jahr 
313. geſtorben zu ſeyn: und da ſie ihm einen andern 
Donatus zum Nachfolger gaben, der nachmals der 
Große, ingleichen von Carthago, genannt wurde: 
ſo hat von demſelben die ganze Parthey den Nahmen 

der Donatiſten erhalten. > 


Conſtantinus gewährte ihnen ihre Bitte, dieſe 
Haͤndel, der Unpartheylichkeit wegen, durch Galliſche 
Biſchoͤfe unterſuchen zu laßen. Drey derſelben, Ma⸗ 

35 ternus 


298 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ermternus von Colonia Agrippina, (jetzt Coͤlln,) Retts 
CG. cius von Antiſſtodorum, (jetzt Auxerre,) und Mari—⸗ 
306 nus von Arelate, (dem jetzigen Arles,) verfügten ſich 
bis auf ſeinen Befehl nach Rom, wo fie im Jahr 313. 
337: unter dem Vorſitze des Melchiades, oder, wie er 
auch genannt wird, Miltiades, Biſchofs von Rom, 
und mit funfzehn Italiäniſchen Biſchoͤfen, eine Ver⸗ 
ſammlung in dem Lateraniſchen Palafte der Kaiſerinn 
Fauſta hielten. Vor ihnen mußten ſich ſowohl Caͤci⸗ 
lianus als Donatus von Caſaͤ Nigraͤ, nebſt einer 
Anzahl Bifchöfe von jeder Seite, ſtellen. Die Rich⸗ 
ter faͤllten nach angeſtelltem Verhoͤr, das Urtheil wider 
den Donatus, er müße von der Kirchengemeinſchaft 
ausgeſchloßen werden, weil er ſelbſt bekannt haͤtte, daß 
er zum zweitenmal getauft, und abgefallenen Biſchoͤ⸗ 
fen die Hände aufgelegt habe; auch ſonſt uͤberfuͤhrt wor⸗ 
den ſey, noch zur Zeit des Menſurius, zu Carthago 
Unruhen geſtiftet zu haben. Dagegen wurde Caͤci⸗ 
lianus einmuͤthig vor unſchuldig erklaͤrt. Man ver 
fuhr gleichwohl mit ſeinen Gegnern ſehr gelinde: denn 
Donatus allein wurde verurtheilt; den uͤbrigen aber 
wurde es freigeſtellt, ob ſie ſich mit den Catholiſchen 
vereinigen wollten. In dieſem Falle ſollte mit ihnen 
die kirchliche Gemeinſchaft wieder hergeſtellt werden: 
und zur Befoͤrderung derſelben ſollte in den Staͤdten, 
wo es zween Biſchoͤfe gab, derjenige im Amte bleiben, 
der zuerſt eingeweiht worden waͤre. Der Kaiſer, dem 
man die Handlungen dieſer Unterſuchungsverſamm⸗ 
lung oder Commißion, (nach der heutigen Art zu res 
den,) uͤberſandte, beſtaͤtigte ihr Urtheil. Alle dieſe 
Nachrichten findet man beym Euſebius, (Hiſt. Ecel, 
L. X. c. 5.) beim Optatus, (L. I. c. 24. 25.) und 
Auguſtinus, (Brevic. collat. Carthag. p. 385.389. 
Epift. 43. b. 69. 71. 72.) ingleichen in der Samm⸗ 
lung des Duͤ Pin, (Monum. Donatiſt. p. 181.) 
Doch 


Geſchichte der Donatiften. 299 


Doch die Donatiſten beklagten ſich, daß fie zug 
Rom nicht genugſam gehoͤrt worden wären, wo außer-J.G. 
dem zu wenige Richter die Sache erörtert hätten. Sie 306. 
beriefen ſich daher auf den Kaiſer ſelbſt, um von ihm bis 
gehoͤrt zu werden. Dieſen befremdete ein ſolcher Schritt 337- 
ungemein, weil, wie er ſich in einem Schreiben an die 
catholiſchen Biſchoͤfe, (beym Duͤ Pin, Monument. 
Donatift. p. 184.) ausdruͤckte, das Urtheil der Bi- 
ſchoͤfe, welches fie nach den Lehren Chriſti geſprochen 
haͤtten, ſo angeſehen werden muͤße, als wenn es Gott 
ſelbſt gefaͤllt haͤtte, wie er denn auch vor ſeine Perſon 
das Urtheil Chriſti erwarte. Er nannte zugleich die 
Donatiſten Werkzeuge des Teufels, deren raſende 
Kuͤhnheit ſie angetrieben haͤtte, eben ſo wie es die Hei⸗ 
den machten, ſich einer Berufung an das hoͤchſte Ge⸗ 
richt zu bedienen. Ohngeachtet dieſer partheyifchen 
Hitze wider die Donatiſten, war doch Conſtantinus 
ſelbſt einmal Willens, ihre Haͤndel perſoͤnlich in Africa 
zu unterſuchen. Jetzt ſchickte er zween Biſchoͤfe in dies 
fer Abſicht dahin, welche endlich den Ausſpruch der Roͤ— 
miſchen Verſammlung beſtaͤtigten. Es iſt wahr, daß 
die Hauptquellen dieſer Geſchichte an dieſem Orte gar 
nicht mit einander uͤbereinſtimmen, und daß es alſo auch 
niemals vollkommen ausgemacht werden kann, ob ſich 
die Begebenheiten ſeit der Roͤmiſchen Unterſuchung in 
der eben erzaͤhlten, oder in einer andern Ordnung, zu⸗ 
getragen haben. Wenigſtens aber ſind ſie doch alle ge— 
wiß, wie man aus den bisher angeführten Schriftſtel⸗ 
lern und Urkunden ſehen kann. (Euſeb. Hiſt. Ecel. L. X. 

c. 5. Optat. L. I. c. 25. 27. Auguſtin. L. I. contra 
Parmen. c. 6. p. 16. Pin. Monument. Donatiſt. p. 
184. {q.) 


Ilm alſo das Verlangen der Donatiſten zu erfüls 
len, berief der Kaiſer eine Kirchenverſammlung 


nach 


300: Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fnac Arelate, auf welcher ſich viele Biſchoͤfe aus ſei⸗ 
G.nem Reiche einfinden ſollten. Sechshundert derſelben 


5 


ſollen wirklich dahin gekommen ſeyn; aber obgleich dieſe 
> Almabl weder genug erwieſen, noch ganz glaublich iſt; 
88750 war doch die Verſammlung zahlreicher, als irgend 
eine der bisherigen unter den Chriſten, und beſtand ei- 
gentlich aus Lehrern der abendlaͤndiſchen Gemeinen: 


denn damals gehorchte noch lange nicht das ganze Roͤ⸗ 
miſche Reich dem Conſtantinus. Sie reiſten auf ſei⸗ 


ne Koſten nach Arelate, wurden auch von ihm daſelbſt 
frey unterhalten. Marinus, Biſchof der eben ge⸗ 
nannten Stadt, fuͤhrte auf der Verſammlung den Vor⸗ 


ſig. Manche Biſchͤfe, wie der Roͤmiſche Silveſter, 


ſchickten nur einige Aelteſten, oder mit denſelben auch 
Kirchendiener an ihrer Statt. Auch von dieſem kirch— 
lichen Gerichte des Jahrs 314. wurde Caͤcilianus loß⸗ 
geſprochen. In einem Schreiben an den Silveſter, 
nannten die verſammleten Biſchoͤfe die anweſenden Doz 
natiſten unverſchaͤmte und gefaͤhrliche Leute; die aber 
durch die wirkſame Gegenwart Gottes, und durch die 
richtigen Grundſaͤtze der Kirche, dergeſtalt wären ein- 
getrieben worden, daß ſie weder im Anklagen, noch 
im Beweiſen, haͤtten fortkommen koͤnnen. Das Ur⸗ 
theil über dieſelben, ſetzen fie hinzu, würde noch ſtren⸗ 
ger ausgefallen ſeyn, wenn er, den ſie ihren Bruder 
nennen, haͤtte gegenwaͤrtig ſeyn koͤnnen. (Vermuth⸗ 
lich wuͤrden ſie alsdenn an das Betragen der Donati⸗ 
ſten gegen das Roͤmiſche Verhoͤr nachdruͤcklicher erin⸗ 
nert worden ſeyn.) Unterdeßen theilen ſie ihm die von 
ihnen gefaßten Schluͤße mit, damit ſie durch ihn, der 
einen weitlaͤuftigern Kirchenſprengel habe, allgemein 
bekannt gemacht wuͤrden. 


Sie hatten ſich, außer dem Donatiſtiſchen Han⸗ 
del, noch mit andern Theilen der Kirchenzucht beſchaͤf⸗ 


tigt, 


Geſchichte der Donatiſten. 301 


tigt, und uͤberhaupt zwey und zwanzig Verord⸗ F. 
nungen entworfen, von denen freilich manche durch je- FG. 
nen mochten veranlaßt worden ſeyn. Inſonderheit ge⸗ 306 


hört darunter das dreyzehnte Geſetz, nach welchem bis 


diejenigen vom Lehrſtande, welche, nicht durch Worte 337” 


und Zeugen, ſondern durch oͤffentliche Urkunden, uͤber⸗ 
fuͤhrt worden waͤren, daß ſie bibliſche Abſchriften, oder 
Kirchengefaͤße ausgeliefert, oder auch ihre Bruͤder bey 
den Heiden angegeben haͤtten, aus ihrem Stande ge⸗ 
ſtoßen werden ſollten, ohne daß es doch den von ihnen 
Geweihten, wenn fie ſonſt untadelhaft waͤren, zum Nach⸗ 
theil gereiche. Hingegen ſollten auch nach dem folgen⸗ 
den Geſetze, diejenigen, welche eine falſche Anklage 
dieſes Inhalts vorgebracht haͤtten, bis an ihr Ende 
außer der Kirchengemeinſchaft zubringen. Das ach⸗ 
te dieſer Kirchengeſetze iſt auch merkwuͤrdig, weil es 
uͤber den ehemaligen hitzigen Streit der Africaniſchen 
und Roͤmiſchen Kirche von der Ketzertaufe, eine Ent- 
ſcheidung giebt: und dieſe nicht fuͤr die herrſchende 
Meinung der erſtern. Die Kirchenverſammlung be: 
fohl, daß, wenn ein Ketzer zu den Rechtglaͤubigen 
uͤbergienge, und man aus den Fragen, die man uͤber 
das Glaubensbekenntniß an ihn thun wuͤrde, ſehen 
koͤnnte, daß er im Nahmen des Vaters, des Sohnes 
und des heiligen Geiftes getauft worden ſey, er nicht 
von neuem getauft, ſondern ihm nur die Hände auf— 
gelegt werden ſollten. Man hat wohl bemerkt, daß 
der vortheilhafte Ausſpruch, der fuͤr den Caͤcilianus 
erfolgt war, die ſogenannten Catholiſchen in Africa 
deſto leichter bewegen konnte, der Wiedertaufe der Ke— 
Ger zu entſagen, die fie mit ihrem Biſchof Cypria⸗ 
nus bisher immer vertheidigt hatten. Eine Stelle 
des Auguſtinus, welche ſich auf dieſe Entſcheidung 
zu beziehen ſcheint, (de baptiſmo contra Donatiſt. 
L. U. p. 66. T. IX. Opp. ed. Antverp.) hat zu vielen 

Strei⸗ 


302 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


& n Streitigkeiten in den neuern Zeiten Gelegenheit gege⸗ 
F. G. ben. Er verſichert darinne, der Streit über die Ke⸗ 
306 tzertaufe ſey durch eine allgemeine Kirchenverſammlung 
bis (Concilium plenarium) entſchieden worden. Launoi 
337. Differtatt. de Conc. plenar.) und andere haben dieſes 
von dem zu Arelate gehaltenen; Pagi hingegen, 
(Crit. Baron. ad a. 3 14. n. 17. ſq.) auch vor und mit 
ihm mehrere, von dem Nicaͤniſchen verftanden. Als 
lein die letztere Meinung verdient deſto mehr vorgezo⸗ 
gen zu werden, da Auguſtinus ſelbſt die Erklaͤrung 
von dem einmuͤthigſten Anſehen der ganzen Kits 
che hinzuſetzt, und die erſtere dieſer Kirchenverſamm⸗ 
lungen niemals vor eine oͤcumeniſche gehalten wor⸗ 
den iſt. T 
Sonſt verordnete die Arelatenfifche Kirchenvers 
ſammlung noch, daß alle Gemeinen (es verſteht ſich, 
der abendlaͤndiſchen Gegenden des Reichs,) das Oſter⸗ 
feſt an einerley Tage begehen ſollten, und verlangte 
von dem Roͤmiſchen Biſchof, ihnen die Zeit deſſelben, 
wie es gewoͤhnlich waͤre, jaͤhrlich durch Schreiben an⸗ 
zuzeigen. Sie gebot ferner, daß die zum Lehramte 
eingeweihten an dem Orte wo ſolches geſchehen, bey 
Strafe der Abſetzung bleiben ſollen. Soldaten welche 
in Friedenszeiten die Waffen weggeworfen haͤtten; 
Chriſten welche bey dem Wettrennen Pferde fuͤhrten, 
oder Schauſpieler abgaͤben, ſollten von der Kirchenge— 
meinſchaft ausgeſchloſſen werden. Kranke Heiden, 
welche Lehrlinge des Chriſtenthums zu werden wuͤnſch— 
ten, ſollten durch Auflegung der Hände darunter aufs 
genommen werden. Chriſten welche zu Statthalter— 
ſchaften befoͤrdert worden, ſollen ſchriftliche Zeugniſſe 
ihrer Gemeinſchaft mit der Kirche (ittera: eccleſiaſti- 
cas communicatorias) nehmen; doch ſoll der Biſchof 
des Orts wo ſie ſich aufhalten, auf ſie Acht geben, und 
das Recht haben, ſie von jener Gemeinſchaft auszu⸗ 


ſchlieſſen, 


Geſchichte der Donatiſten. 303 


ſchlieſſen, wenn fie ein Verbrechen begiengen. Ferner g Er 
wird den Bekennern verboten, keine Empfelungsfchrei- & De 
ben mehr auszuſtellen, und diejenigen welche fie bräcy- 306 
ten, ſollten ſich vielmehr um ſchriftliche Zeugniſſe der bis 
kirchlichen Gemeinſchaft bewerben. Ehemaͤnner die 337. 
ihre Frauen im Ehebruche betroffen haben, ſoll man, 
ſo lange dieſe leben, moͤglichſt von einer zweiten Ehe 
zuruͤck zu halten ſuchen. Chriſtliche Jungfern, welche 
ſich mit Heiden verheirathen, follen auf einige Zeit von 
der Kirchengemeinſchaft abgeſondert werden: und eben 
dieſe Strafe wird auch Wucher treibenden Geiſtlichen 
gedroht. Da die Kirchendiener ſich hin und wieder 
unterftanden, Brodt und Wein zum heiligen Abend» 


mahl einzuſeegnen, (offerre:) ſo wird ihnen ſolches 


“ 


unterſagt, auch befohlen, daß fie felbft in den Staͤd⸗ 
ten nichts ohne Vorwiſſen der Aelteſten thun ſollen. 
Kein Aelteſter oder Kirchendiener ſoll an einem andern 
Orte als wo er angeſtellt worden iſt, den Gottesdienſt 
beſorgen, und welcher dagegen handelt, ſoll abgeſetzt 
werden. Kein Biſchof ſoll den andern in feinen Rech— 
ten ſtoͤren; keiner ſoll einen Biſchof weihen, ohne ſie⸗ 
ben, oder zum wenigſten drey Biſchoͤſe dabey zu Ge⸗ 
huͤlfen zu haben. Auch ſoll es fremden Biſchoͤfen, die 
in eine Stadt kommen, erlaubt werden, das heilige 
Abendmahl daſelbſt einzuſeegnen. Endlich wird ver- 
ordnet, daß abtruͤnnige Chriſten, die ſich niemals zur 


oͤffentlichen Kirchenbuſſe gemeldet haben; wohl aber, 


wenn ſie krank werden, um die kirchliche Gemeinſchaft 
bitten, auch alsdenn dieſe nicht erlangen ſollen, ſon— 
dern erſt, wenn ſie wieder geſund worden ſind, und 
wuͤrdige Fruͤchte der Buſſe gebracht haben. Alle dieſe 
Schluͤſſe der Kirchenverſammlung von Arelate, nebſt 
andern zu derſelben gehoͤrigen Urkunden ſind vom 
Sarduin (Acta Concilior. T. I. . 259 — 15 ) 
geſammlet worden. 

Die 


304 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. Die Gelindigkeit gegen die Donatiſten, deren ſie 
Tele ſelbſt ruͤhmten, ſcheint darinne beſtanden zu haben, 
306 daß fie den Mitgliedern dieſer Parthey, ohne vorher⸗ 
bis gehende Strafen, den Weg zur Wiedervereinigung 
"337:mit den Catholiſchen offen gelaſſen, und ſelbſt ihren 
Lehrern dieſelbe erleichtert hat. Dem ohngeachtet, und 
obgleich zu eben dieſer Zeit die oben gedachte Beſchuldi⸗ 
gung der Donatiſten gegen den Biſchof Felix unters 
ſucht und falſch befunden worden war; (Augultin. Epiſt. 
88.) ſo beruhigten ſie ſich doch dabey nicht. Sie baten 
den Kaiſer, daß er fie ſelbſt hören möchte, Dieſes ge⸗ 
ſchah auch im Jahr 316. zu Mediolanum; allein das 
Urtheil fiel wiederum ſehr günftig für den Caͤcilianus 
aus. Ein Schreiben des Kaiſers, aus welchem Au⸗ 
guſtinus (contra Cresconium L. III. c. 2 1. p. 324. 
T. IX. Opp.) eine Stelle anfuͤhrt, und andere Nach⸗ 
richten dieſes Kirchenlehrers, (wie Epiſt. 43. p. 68. 
72. fq. Epiſt. 53. p. 92. T. II. Opp) beftätigen dieſes 
hinlaͤnglich. So oft, und zwar jedesmal von Rich⸗ 
tern, dis ſie ſelbſt gewaͤhlt hatten, verurtheilt, konn⸗ 
ten die Donatiſten in ſpaͤtern Zeiten keine andere 
Ausflucht mehr gebrauchen, als daß fie behaupteten, 
Hoſius, Biſchof von Cordua, der bey dem Kaiſer 
in großem Anſehen ſtand, habe ſich des Caͤcilianus 
angenommen, und ihnen uͤberhaupt viel geſchadet. Au- 
guftin. contra epiſt. Farmen. L. I. c. 4. 5. p. 10. fqq, 
T. IX. Opp.) 


Ihm ſchrieben ſie auch die harten Geſetze zu, wel⸗ 
che Conſtantinus nunmehr in den Jahren 316 und 
317. wider dieſe halsſtarrige Gegner des Caͤcilianus 
ergehen ließ. Auguſtinus gedenkt derſelben mehr⸗ 
mahls, (Epiſt. 88. p. 162. ſq. Epill. 105. p. 227. 
contra Parmenian. I. c.) und es leidet keinen Zweifel, 
daß durch dieſelben nicht nur den Donatiſten ihre Kir⸗ 

chen 


Geſchichte der Donatiſten. 305 


chen entrißen, ſondern auch Lebensſtrafen wider fie. ver⸗ —— 
ordnet worden ſind. Nach ihrem Vorgeben beym Au⸗ F.. 
guſtinus, (ad Donatiſtas poſt Collationem, c. 16. 306 
p. 403. T. IX. Opp.) ſcheint ſogar Donatus der bis 
Große ein Maͤrtyrer geworden zu ſeyn. Allein es iſt 337. 
glaublicher, daß ſie nur auf die Verfolgungen gezielt 
haben, die er, ihrer Meinung nach, ausgeſtanden hat; 

und daß uͤberhaupt unter Conſtantins Regierung kei⸗ 

ne Donatiſten mit Todesſtrafen belegt, ſondern nur 
einige derſelben des Landes verwieſen worden ſind. 


Auch dieſe Strenge waͤhrte nur bis zum Jahr 321. 

In demſelben uͤbergaben die Donatiſten dem Kaiſer 
eine Bittſchrift, worinne ſie verſicherten, ſie wuͤrden 
mit dem Schelm, feinem Biſchof, (fie meinten 
den Caͤcilianus, )niemals eine kirchliche Gemeinſchaft 
unterhalten, und waͤren bereit, lieber alles zu leiden, 
was er gegen ſie verfuͤgen wollte: zugleich hielten ſie 
um die Zuruͤckberufung ihrer Biſchoͤfe an. (Geſta Col- 
lat. Carthag. c. 544. p. 244. in Pin. Monum. Dona- 
ftic. Auguftini Brevic. Collat. p. 392.) So kuͤhn die⸗ 
ſes Schreiben abgefaßt war; ſo that es doch ſeine 
Wuͤrkung. Nur ſah man es der Bewilligung des Kai⸗ 
ſers an, daß er fie gleichſam im Zorn, und aus Ueber⸗ 
druß dieſer Haͤndel gab: ſie war den Donatiſten aͤuſ⸗ 
ſerſt ſchimpflich. Er bezeigt in ſeiner Verordnung an 
den Vicarius in Africa, daß er ſie verabſcheue, vor 
ſchlimme und unruhige Leute halte; aber dennoch ſie 
bloß dem goͤttlichen Gerichte und der Strafe ihrer eiges 
nen Wuth uͤberlaßen wißen wollte: ſie moͤchten alſo aus 
ihrer Verweiſung zuruͤckkommen, und nach ihrem Ge⸗ 
fallen leben. (Auguſtin. I. c. p. 393. 394. ad Dona- 
tift. poſt Collat. p. 416. 417.) Euſebius erklaͤrt 
dieſe Gelindigkeit des Kaiſers ohngefaͤhr eben ſo. (de 
vita Conſtant. L. I. c. 45. Er lachte nur, nach dieſem 
V. Theil. u Schrift⸗ 


306 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


= Schriftſteller, über ſolche aus Antrieb des boͤſen Geis 
Ge. ſtes, oder wenigſtens von ganz unſinnigen Menſchen, 
306 die mehr Mitleiden als Beſtrafung verdienten, geſtif⸗ 


bis tete Unruhen. 
337 


Allein die Donatiſten breiteten ſich nun deſto wei⸗ 
ter in Africa aus: und zum Theil durch gewaltſame 
Mittel, unter denen die Catholiſchen litten. Ihrer 
wird ſelbſt in zwey Schreiben Conſtantins (in Pinii 
Monument. ad Donatiſt. Hiſtor. pertinentt. p. 188. 
fq.) gedacht. In dem erſten derſelben, das an alle 
catholiſche Biſchoͤfe und Gemeinen in Africa gerichtet 
iſt, erklaͤrte er ſich, daß er mit der leutſeligſten Maͤſ⸗ 
ſigung alles mögliche angewandt habe, um den Kir⸗ 
chenfrieden in ihren Gegenden zu erhalten; daß man 
aber nunmehr bloß von Gott Huͤlfe dagegen erwarten 
muͤße. Bis dieſe erſcheine, verlangt er von den Ca⸗ 
tholiſchen, Geduld zu uͤben; ſich keiner Rache, die 
Gott gebuͤhre, zu bedienen, und verſichert zu ſeyn, 
daß bey demſelben dasjenige was ſie von den Donati⸗ 
ſten ausſtuͤnden, eben ſo angeſehen wuͤrde, als die 
zeiden der Maͤrtyrer. So würden fie dieſelben, ſetzt er 
hinzu, uͤberwinden, und dieſe Parthey wuͤrde nach und 
nach untergehen. Das andere Schreiben iſt vermuth⸗ 
lich im Jahr 330. an die Biſchoͤfe in Numidien abge⸗ 
laßen worden. Es hat einen aͤhnlichen Eingang mit 
dem erſtern; der aber doch viel heftiger, mit Schimpf⸗ 
woͤrtern auf die Donatiſten, welche ſchon ſo gut als 
Ketzer angeſehen werden, ausgedruͤckt iſt. Da ſie ſich der 
vornehmſten Kirche, die der Kaiſer zu Conſtantina, (ehe⸗ 
mals Cirta genannt,) hatte bauen laßen, bemaͤchtigt hat⸗ 
ten, und dieſelbe, ohngeachtet aller kaiſerlichen Befehle, 
den Cacholiſchen nicht wieder uͤberlaßen wollten: fo 
lobt Conſtantinus die Geduld der letztern; meldet aber 
auch zugleich den Biſchoͤfen, daß dieſelben eine 1 

. N . ei ARE 


Geſchichte der Donatiſten. 

Kirche daſelbſt bekommen, und ihre ee der u 
bürgerlichen Freyheiten, eben fo wie anderwaͤrts, genieſ. x. NG. 
ſen ſollen. Zuletzt wuͤnſcht er, die Retzer oder Schis⸗ 306 
matiker moͤchten doch endlich für ihr Heil, ſorgen, bef bis 
ſere Einſichten erlangen, und vom Teufel abweichen, 337. 
Weil fie aber, ſagt er, bey ihrer Bosheit bleiben, wol⸗ 

len, ſo 1 unſere bäuge Eenahnung für 5 hin⸗ 
glich. 


Weiter hat ſich eine fo viel man weiß, 
mit ben Donatiſten nicht beſchaͤftigt. Sie lebten das 
her in dem ſpaͤtern Theil ſeiner Regierung nicht allein 
ruhig; ſondern ſcheinen auch ſchon damals in manchen 
Gegenden von Africa die Oberhand behauptet zu ha⸗ 
ben. Außer dieſem Welttheil hatten ſie auch bereits zu 
Rom eine kleine Gemeine; die aber nur aus Africanern 
beſtand, und ſich auſſerhalb der Stadt in der Höhle 
eines Berges verſammlete, wovon man ſie daſelbſt die 
Bergbewohner (Montenſes) nannte. ) Anfänglich 
ſchickte man ihnen aus Africa nur biſchoͤfliche Verweſer, 
Unterventores) nachmals aber auch Biſchoͤfe zu. (Optat. 
L. II. c. 4. Auguflin. de unico bapt. contra Petil. c. 
16. de liaereſibus c. 69.) Ueberhaupt erkannten alle 
Chriſten in Europa und Aſien den Caͤcilianus vor den 
rechtmaͤßigen Biſchof von Carthago. Aber in Africa 
wurden die Donatiſten ſo zahlreich und ſicher, daß ſie 
um das Jahr 330. eine Kirchenverſammlung von zwey⸗ 
hundert und ſiebzig ihrer Biſchoͤfe halten konnten. Auf 
derſelben unterſuchten fie, nach dem Berichte des Aus 
guſtinus, (Epiſt. 93. p. 188. T. II. Opp.) fünf 
und ſiebzig Tage nach einander, ob die Auslieferer den 
heiligen Schriften von neuem getauft werden müßten, 
und beſchloßen endlich, daß dieſe Perſonen, wenn ſie 
ſolches an ſich nicht wollten geſchehen laßen, doch wie⸗ 
der in die Kirchengemeinſchaft aufgenommen werden 

u 2 koͤnnten: 


308 Zweyter Zeitraum Erſtes Buch. 


koͤnnten: eine Meinung, von der die Donatiſten 
n. nachher ſelbſt abgegangen ſind. Ihre ſo gluͤckliche 
„ Ausbreitung in Afria war hauptſaͤchlich dem Donatus 
bis von Carthago zuzuſchreiben. Er war auch noch eine 
337. Zeitlang nach dem Tode Conſtantins, das Ober⸗ 
haupt dieſer Parthey: ein Mann von unternehmendem 
Geiſte, ſehr geſchaͤftig, klug und ſtandhaft unter den 
Widerwaͤrtigkeiten, die ihn nebſt den ſeinigen betrafen. 
Da er viele Gelehrſamkeit und Beredſamkeit beſaß: 
ſo erwarb er ſich dadurch deſto mehr Anhaͤnger, ſchrieb 
auch viele Buͤcher zur Fortpflanzung ſeiner Meinun⸗ 
gen; die aber alle untergegangen ſind. Manches da⸗ 
von geſtehen ſelbſt einige feiner beruͤhmteſten Gegner, 
wie Optatus, (L. III. c. 3.) Auguſtinus, (de hae- 
reſib. c. 69. und in vielen andern Stellen ſeiner Wer⸗ 
ke,) ingleichen Hieronymus, (Catal. Seriptt. eccleſ. 
c. 93.) Sie machen ihm wegen feiner Sitten keinen 
andern Vorwurf, als daß er uͤberaus ſtolz und eitel ge⸗ 
weſen ſey. Optatus fuͤhrt davon (J. c.) Beiſpiele ge⸗ 
nug an; aber mit vieler Bitterkeit wider ihn eingenom⸗ 
men, und mit einer ſo feindſeligen theologiſchen Folge⸗ 
rungsſucht, daß man wenig weiß, was man davon 
glauben ſoll. Unter andern giebt er ihm Schuld, daß 
er fich! von den ſeinigen als einen Gott habe verehren, 
und es geſchehen laßen, daß ſie ſich nicht Chriſten, ſon⸗ 
dern Donatiſten genannt haͤtten. Sie kannten, we⸗ 
nigſtens nach dem Auguſtinus, (contra Epiſt. Par- 
men. L. II. c. 2. de unit. Eccleſ c. 19. etc.) in feinen 
Lobeserhebungen keine Graͤnzen, verglichen ihn mit 
Chriſto ſelbſt, und verſicherten, daß er Wunder ges 
than habe. Ohne Zweifel iſt es ihm wie allen Stif⸗ 
tern heftig beſtrittener Partheyen gegangen: eben fo 
unmaͤßig geprieſen, als bis zur ſichtbarſten Ungerech⸗ 
tigkeit gehaßt zu werden. 


Gleich⸗ 


Geſchichte der Donatiften. zog 


Gleichwohl laͤßt ſich auch zur Entſchuldigung der r 
ungluͤcklichen Spaltung in der Africaniſchen Gemei⸗ N. g. 
ne, welche Donatus fo ſehr erweitert und zur Boll» 306 
kommenheit gebracht hat, beinahe gar nichts ſagen. bis 
Immer moͤgen er und ſeine Anhaͤnger mit völliger Ue⸗ 337 · 
berzeugung geglaubt haben, daß Caͤcilianus und Fe⸗ 
lir das ihnen vorgeworfene Verbrechen wuͤrklich began⸗ 
gen haͤtten. Selbſt dieſes gab ihnen noch kein Recht, 
ſich von den Catholiſchen auf immer zu trennen. Es 
iſt wahr, daß die Wahl des Caͤcilianus uͤbereilt und 
nicht ganz regelmaͤßig geweſen iſt. Es koͤnnen auch 
andere Umſtaͤnde, welche die catholiſchen Schriftſtel⸗ 
ler jener Zeiten vielleicht verſchweigen, den Wider— 
ſpruch der Donatiſten gegen dieſen Biſchof einiger— 
maaßen gerechtfertigt haben. Allein ihr hartnaͤckiges 
Beharren bey demſelben iſt deſto tadelhafter, mit je 
mehrerm Glimpfe man ihnen anfaͤnglich begegnet iſt. 
Will man fie durch guͤnſtige Muthmaaßungen verthei⸗ 
digen: ſo findet man zum wenigſten darinnen einigen 
Grund, weil von ihren eigenen Nachrichten und Schrif⸗ 
ten ſich entweder gar nichts, oder nur abgerißene Stuͤ⸗ 
cke, mitten unter den Widerlegungen ihrer Gegner, 
erhalten haben. 


Freilich betraf ihr Streit mit den Catholiſchen, 
zu den Zeiten Conſtantins, noch keine Glaubensleh⸗ 
ren; ſondern bloß die hiſtoriſchen Fragen uͤber die Ver⸗ 
anlaßung und Nothwendigkeit ihrer Abſonderung von 
der herrſchenden Kirche. Sie waren bloß Schisma⸗ 
tiker; ſie ſind es aber auch in der Folge geblieben, wie 
Optatus ſelbſt (L. I. c. 10. ſq. erkannt hat. Augu⸗ 
ſtinus, welcher behauptete, (de haereſib. c. 69.) daß 
ſie nach und nach Ketzer geworden waͤren, konnte doch 
nur zwo vermeinte Irrlehren von ihnen angeben: die 
erſte, daß ſie ſich eingebildet haͤtten, die chriſtliche Kir⸗ 
U 3 che 


310 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


che fen wegen der vorgegebenen Verbrechen des Caͤck⸗ 
4 b n 
C. G. anus in der ganzen Welt, wo fie doch, zu Folge der 
306 göttlichen Verheißung, bleiben ſollte, durch die mit dem⸗ 
bis ſelben unterhaltene Kirchengemeinſchaft zu Grunde ge⸗ 
337. gangen, und nur bey ihrer Parthey allein uͤbrig; die 
zweyte, daß ſie die zu ihnen tretenden Catholiſchen noch 
einmal tauften, da doch die ganze Kirche ſogar die 
Wiedertaufe der Ketzer verworfen haͤtte. Allein der erſte 
dieſer Saͤtze war, an Statt eine Ketzerey zu ſeyn, viel- 
mehr nur eine unvermeidliche Folge der Trennung, wel⸗ 
che die Donatiſten vor ihre Pflicht hielten: und den 
zweiten, der aus jenen floß, hatte ehemals die recht— 
glaͤubige Kirche in Africa ſehr eifrig wider die Roͤmiſche 
verfochten. So find unzaͤhlichemal unter den Chriſten 
Glaubenslehren des einen Jahrhunderts in einem der 
folgenden Ketzereyen geworden, weil ſich ihre Lehrer ſtets 
die Beſtimmung davon vorbehielten. Es kann nicht ge⸗ 
leugnet werden, daß ſich zwiſchen den Novatianern 
und Donatiſten eine ziemliche Aehnlichkeit ſinde. Epi⸗ 
phanius (haer. 59.) macht ſogar aus beiden Eine Par- 
they. Die Donatiſten ſelbſt hingegen, (wie Creſconius 
beym Auguſtinus, L. II. contra Creſcon. c. 3.) gaben 
dieſe Uebereinſtimmung ſo wenig zu, daß ſie vielmehr die 
Novatianer in die Geſellſchaft der ſchlimmſten Ketzer 
ſetzten: wiederum eine Folge von der laͤngſt in Africa 
eingeführten Denkungsart, oder Freygebigkeit in Er⸗ 
theilung des Ketzernahmens. In der That bemerkt 
man zwiſchen dieſen beiden Partheyen nur den betraͤcht⸗ 
lichen Unterſcheid, daß die Donatiſten den Verbre⸗ 
chern keineswegs die Ruͤckkehr zur Kirchengemein⸗ 
ſchaft, durch die oͤffentliche Buͤßung verſperrten. Da⸗ 
zu kam noch, daß manche mit ihren Haͤndeln verwand⸗ 
te Lehrſaͤtze auf eine zum Theil bisher ungewoͤhnliche 
Weiſe eroͤrtert worden ſind. Dieſe dogmatiſchen 
Streitigkeiten aber gehoͤren mehr in die letztern Zeiten 
des 


Geſchichte der Donatiſten. 311 


des vierten Jahrhunderts, und in den Anfang desde 
fuͤnften. Hier kommt zwar auch bereits die Beſchuldi⸗ F G. 
gung gegen den großen Donatus vor, daß er in ei- 306 
nem Buche, welches er vom heiligen Geiſte geſchrie⸗ bis 
ben hatte, Irrthuͤmer vorgetragen habe, (Hieronym. 337 
Catal. Scriptt. eceleſ. c. 93.) indem er gelehrt hätte, 

daß der Sohn Gottes geringer als der Vater, und 

der heilige Geiſt geringer als der Sohn ſey, (Augu— 

ſtin. de haerefib. c. 69.) Doch der letztere dieſer 
Schriftſteller geſteht, daß die Donatiſten dieſer Mei⸗ 
nung nicht beigetreten waͤren, und nicht einmal wuͤß⸗ 

ten, daß Donatus ſie gehegt hätte; er bezeugt auch 
noch beſonders, daß derſelbe den Arianiſchen Lehrbe⸗ 
griff nicht angenommen habe. (Epilt. 185.) 


Ueber die geſammte Geſchichte der Donatiſten, wel⸗ 
che auch zuweilen von den Alten Donatianer genannt 
wurden, ſind in den neuern Zeiten viele und meiſtentheils 
wohlgerathene Unterſuchungen angeſtellt worden. Dazu 
hat auch die Nachahmung einer alten chriſtlichen Unart 
bey Proteſtanten und Roͤmiſchcatholiſchen, einander 
außer Ketzernahmen, auch den Nahmen dieſer Par⸗ 
they beizulegen, einige Veranlaſſung hergegeben. Nur 
wird das Leſen dieſer Eroͤrterungen durch Weieſchweifig— 
keit, und ſtreitbare Partheilichkeit, ſehr oft verdrießlich. 
Die Arbeit des Duͤ Pin iſt bereits oben (S. 290.) an⸗ 
gezeigt worden. Eine andere vom Dalefins, die er 
ſeiner Ausgabe von der Kirchengeſchichte des Euſe—⸗ 
bius angehaͤngt hat, (Diſſert. de Schismate Donatiſta- 
rum,) iſt mit feiner gewohnten Gruͤndlichkeit abgefaßt; 
aber nur innerhalb der Zeiten Conſtantins einge⸗ 
fchränft. Mit vielem muͤpſamen gelehrten Fleiße ha⸗ 


ben Thomas Ittig, (Hilloria Donatiſtar. in Adpen- 
N 1 4 dice 


312 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Tn dice Differtt. de haerefiarchis) und Melchior Leide⸗ 
N. G. cker (Hiſtoria Ecclefiae Africanae, Utrecht 1692. 4.) 
306 geſchrieben. Die Geſchichte des Hermanns Wit⸗ 
bis ſius, (de Schism. Donatift. in Miſcellaneis ſacris) 
337 empfielt ſich durch einen kernhaften buͤndigen Vortrag, 
und ein geſundes Urtheil. Tillemonts Sammlungen 
(Hiftoire du Schisme des Donatiſtes, in den Memoi- 
res, T. VI. p. 1 — 83. ed. in fol.) dürfen ebenfals 
nicht vergeſſen werden. Seine ſorgfaͤltige Genauigkeit 
verliert auch hier durch das uneingeſchraͤnkte Zutrauen 
gegen rechtglaͤubige Schriftſteller und gegen das Ur— 
theil der Kirche uͤberhaupt: er ſchreibt daher den pole— 
miſchen Ungeſtuͤm des heiligen Optatus und des 
heiligen Auguſtinus getreulich ab; kann die Sanft⸗ 
muth Conſtantins gegen die Donatiſten nicht begrei— 
fen, und verſichert, daß eine ſolche unzeitige Gelindig⸗ 
keit zuweilen den Teufel gar wohl erfreuen koͤnne. Ei⸗ 
niges neue Licht hat der Cardinal Noris dieſer Ges 
ſchichte in verſchiedenen Abhandlungen gegeben, oder 
doch zu geben verſucht, welche man im vierten 
Bande ſeiner geſammleten Werke antrifft. Alle ſeine 
Vorgaͤnger aber hat der Herr C. R. Walch) Entwurf 
einer vollſtaͤndigen Hiſtorie der Ketzereien, vierter 
Theil, (S. 3 — 354.) durch ſcharfſinnigen Gebrauch 
von Quellen und Huͤlfsmitteln, auch inſonderheitldurch 
Unpartheilichkeit, uͤbertroffen. 


Zu den chriſtlichen Begebenheiten dieſer Zeiten, 
welche mit der letzten großen Verfolgung der Chriſten, 
eben fo wie die Meletianiſchen und Donatiſtiſchen 
Händel, in Verbindung ſtehen, gehört auch die Kir⸗ 
chenverſammlung zu Ancyra in Galatien, welche 
zwiſchen den Jahren 313 und 319, nach der gewoͤhn⸗ 
lichen Meinung aber im Jahr 315, gehalten wurde. 
Ihre Schluͤſſe, die man in bekannte Sammlungen 

(Har: 


Kirchenverſammlung von Ancyra. 313 


(Harduini Concilia, T. I. p. 270. ſq. Bevereg. Pan- d 
dect. Canon. T. I. p. 375. fq.) eingeruͤckt hat, ſind NG. 
zwar nur von achtzehn Biſchoͤfen unterſchrieben, dar- 306 
unter Vitalis, als Biſchof von Antiochien, den Vorſitz bis 
geführt zu haben ſcheinet. Da ſich aber darunter Bi- 337. 
ſchoͤfe faſt aus allen Aſiatiſchen Laͤndern der Roͤmer fin— 
den: ſo moͤgen wohl alle morgenlaͤndiſche Gemeinen 
an dieſer Kirchenverſammlung Antheil genommen ha⸗ 
ben. Sie gab ſcharfe Verordnungen über die Kir: 
chenzucht, beſonders wegen der abgefallenen Chriſten, 
und erlangte großes Anſehen in der Kirche, deren da— 
malige Verfaſſung man zum Theil daraus kennen ler⸗ 
net. Zuerſt wurde daſelbſt beſchloſſen, daß die Ael⸗ 
teſten, welche waͤhrend der Verfolgung den Goͤtzen 
geopfert, nachher aber, nicht bloß zum Schein, ſon⸗ 
dern in voͤlligem Ernſte, um der Religion Willen ges 
litten haͤtten, zwar ihr Amt beybehalten, aber weder 
das heilige Abendmahl einſeegnen, noch der Gemeine 
öffentlichen Unterricht geben, (aero Pee N d H 
auch fonft nichts vom heiligen Dienſte verrichten ſoll— 
ten. Eben fo wird den KRirchendienern, die ſich in 
gleichem Falle befinden, verboten, weder Brodt noch 
Wein im heiligen Abendmahle herum zu reichen, (zv&- 
@egew) auch nicht die Gemeine, wie ſonſt gewoͤhnlich, 
zum Geber aufrufen, (ungurreu.) Doch ſollte es, in 
Anſehung dieſer, den Biſchoͤfen erlaubt ſein, ih— 
nen etwas mehr zuzugeſtehen, wenn es ihre gute Auf— 
führung anriethe. Ferner wurde ausgemacht, daß 
diejenigen, die man unter allerley Drangſalen, durch 
gewaltſame Ergreiffung ihrer Haͤnde, zum Opfern, oder 
auch zum Verſchlingen von Opferfleiſche genoͤthigt, 
und die darüber ihre aͤußerſte Betruͤbniß bezeigt haͤt⸗ 
ten, vor unſchuldig angeſehen, zur Kirchengemein— 
ſchaft, und ſelbſt zum Lehramte zugelaſſen werden ſoll— 
ten. Solche hingegen, die zwar gezwungen worden 

u 5 ſind 


314 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


e ſind zu opfern; aber der Opfermahlzeit in froͤlicher Ge⸗ 
% G. ſtalt und herrlicher Kleidung beigewohnt haben, ſollen 
306 einer fuͤnfjaͤhrigen Kirchenbuſſe unterworfen werden. 
bis Andere, welche traurig gekleidet und weinend bey einer 
337. ſolchen Mahlzeit gegenwärtig geweſen find, ſollen, 
wenn ſie von dem Opferfleiſche gegeſſen haben, nach 
einer dreyjaͤhrigen Buͤſſung, in die Kirchengemein— 
ſchaft aufgenommen werden; doch ohne daß ſie ſogleich 
als Gläubige ihre freiwilligen Gaben darbringen duͤrf— 
ten, Cxwgis mgorPogis.) Haben fie aber von jener 
Mahlzeit nicht gegeſſen, ſo ſollen ſie ſchon im dritten 
Juhre zu einer ſolchen eingsſchraͤnkten Gemeinſchaft ges 
langen. Den Biſchoͤfen wurde hier abermals freige— 
ſtellt, nach Befinden mehr Nachſicht zu bezeigen. Ein 
anderes dieſer Kirchengeſetze beſtimmte, daß Chriſten, 
welche bloß aus Furcht vor bevorſtehenden Bedraͤng⸗ 
niſſen geopfert, und ſich nunmehro zur Kirchenbuſſe 
gemeldet haͤtten, bis zum großen Tage, (das iſt 
Oſtern, das hoͤchſte der Feſte,) unter der Gattung von 
Buͤſſenden, welche Soͤrende hieſſen, bleiben, nach 
ſechs Jahren aber erſt der voͤlligen Kirchengemeinſchaft 
wieder genieſſen ſollten; nur alsdenn fruͤher, wenn ſie 
in Todesgefahr kaͤmen. Das ſiebente Geſetz verord— 
nete eine zweijaͤhrige Buͤſſung fuͤr diejenigen, welche 
ſich an den Feſttaͤgen der Heiden bey ihren Mahlzeiten 
eingefunden, doch ihr eigenes Eſſen mitgebracht hat⸗ 
ten. Durch das achte und neunte Geſetz wurden des 
nen, welche zweimal bis dreimal gezwungen Opfer ges 
bracht, eine ſiebenjaͤhrige Kirchenbuſſe, und eine zehn— 
jaͤhrige denen auferlegt, welche ſelbſt ihre Bruͤder dazu 
genoͤthigt hatten. 


Auf dieſe Verordnungen der Kirchenverfammlung . 
wegen der abtruͤnnigen Chriſten, folgen andere von ver⸗ 
ſchiedenem Inhalte. Ein Firchendiener, der bey 

ſeiner 


Kirchenverſammlung von Ancyra. 315 


ſeiner Einweihung ſelbſt verſichert hat, er wolle ſich 
verheirathen, weil er nicht ehelos bleiben koͤnne, ſoll, 8 G. 
wenn er nachmals heirathet, in ſeinem Amte bleiben; 306 
hat er aber dieſe Erklarung nicht gethan, indem ihm bis 
die Hände aufgelegt wurden: fo ſoll er, wenn er in 337» 
die Ehe tritt, fein Amt verlieren. Verlobte Jung⸗ 
frauen, welche entfuͤhrt und entehrt worden ſind, ſol— 
len denen mit welchen fie verlobt ſind, wieder geges 
ben werden. Es wird erlaubt, diejenigen zum Lehr— 
amte zu weihen, welche vor ihrer Taufe den Goͤtzen 
geopfert haben, weil fie eben durch dieſelbe rein gewa— 
ſchen worden find. Den Landbiſchoͤfen, oder Auſ⸗ 
ſehern der Kirchen auf dem Lande, (L* ν , 
wird verboten, Aelteſten oder Kirchendiener zu weihen, 
auch den Aelteſten, etwas ohne Erlaubniß des Biſchofs, 
in dem Kirchenſprengel deſſelben vorzunehmen. Da 
auch einige Aelteſten und Kirchendiener ſich aus aber— 
glaͤubiſcher Bedenklichkeit des Fleiſches enthielten: fo 
beſchloß man, ſie ſollten es wenigſtens beruͤhren; wenn 
fie aber ſogar mit Fleiſch gekochte Huͤlſenfruͤchte deswe⸗ 
gen vor unrein halten wuͤrden, ſo ſollten ſie ihr Amt 
nicht mehr verwalten. Hat ein Aelteſter, während der 
Zeit, daß die Gemeine keinen Biſchof hat, etwas der 
Kirche gehoͤriges verkauft: fo ſoll es dem neuen Bir 
ſchof frey ſtehen, dieſen Kauf vor unguͤltig zu erklaͤren. 
Denjenigen welche Suͤnden wider die Natur begehen, 
wird nach den verſchiedenen Umſtaͤnden des Alters, der 
Ehe, und der Wiederholung, eine zwanzigjaͤhrige, oder 
auch bis zum Ende des Lebens dauernde Kirchenbuſſe 
auferlegt. Zum Theil wird auch wegen eben derſelben 
von der heiligen Kirchenverſammlung, wie fie 
ſich nennt, verordnet, daß fie beym öffentlichen Got⸗ 
tesdienſte ide Gebet mit der erſten Claſſe der Buͤſſen⸗ 
den, die ihren Platz vor der Kirchthuͤre hatten, (eg 
robg NIC &) verrichten ſollten. Biſchoͤfe, ae 


— 


316 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


che von der Gemeine, zu der fie ernannt waren, nicht 
eee worden ſind, ſollen ſich nicht mit Gewalt 
oö in andere Gemeinen einzudraͤngen ſuchen; ſondern in 
bis ihrer bisherigen ruhig als Aelteſten bleiben, oder ab⸗ 
337. geſetzt werden. Jungfrauen, welche ihr Berſprechen 
ehelos zu verharren, nicht gehalten haͤtten, ſollten eben 
ſo wie diejenigen welche ſich zweimal verheiratheten, 
angeſehen werden. Der alte Mißbrauch, da junge 
Chriſtinnen mit Maͤnnern gemeinſchaftlich, und unter 
dem Nahmen ihrer Schweſtern, lebten, wird von neuem 
verboten. Die uͤbrigen dieſer Kirchengeſetze betreffen 
die kirchliche Strafe der Ehebrecher und Moͤrder, der⸗ 
jenigen welche ſich der Wahrſagerkunſt ergeben, und 
der Frauensperſonen, welche ihre unehelichen Kinder 
abtreiben oder umbringen. Obgleich die letztern, Kraft 
der alten Geſetze, bis an ihr Ende unter den Buͤſſen⸗ 
den bleiben ſollten; fo wurde doch jetzt, aus Menfchen- 
liebe, wie man ſich ausdruͤckte, dieſe Zeit auf zehn 
Jahre herabgeſetzt. Endlich wurde ein Menſch, der 
die Schweſter feiner Braut geſchaͤndet, darauf die leß- 
tere geheirathet, aber auch dadurch verurſacht hatte, 
daß ſich jene Ungluͤckliche erhenkte, nebſt allen, die an 
dieſem Verbrechen Antheil hatten, zu einer zehnjaͤhri⸗ 
gen Kirchenbuſſe verurtheilt. 


Um gleiche Zeit mit dieſer Rirchenverſammlung, 

im Jahr 314 oder 315, wie man gemeiniglich glaubt, 
wurde eine andere zu Neucaͤſarea, aus einer aͤhnli⸗ 
chen Sorgfalt fuͤr die Kirchenzucht gehalten. Auch wa⸗ 
ren die Biſchoͤfe der erſtern meiſtentheils auf dieſer eben» 
fals zugegen; ob man gleich gegen die Richtigkeit der 
Unterſchriften von beiden, nicht ungegruͤndete Einwuͤrfe 
gemacht hat, die man beym Tillemont (Memoires 
Tome VI. p. 86.) leſen kann. Die zu Neucaͤſarea 
entworfenen Kirchengeſetze wurden nachmals eben ſo⸗ 
wohl 


Kirhenverammlung zu Neucaͤſarea. 317 


wohl als die Ancyraniſchen, in die Sammlung dern 
Geſetze der allgemeinen Kirche, (Codex Canonum Ee. &. G. 
cleſiae univerſæ) und in neuern Zeiten in die Samm- 306 
lungen des Beveridge (Pandect. Canon. T. I. p. bis 
402.) und Harduin (Acta Concil. F. I. p. 281. q.) 337 · 
gebracht. Das erſte derſelben verordnet, daß ein Ael⸗ 
teſter der ſich verheirathet, von ſeinem Amte abgeſetzt 
werden; wenn er aber Hurerey oder Ehebruch begeht, 
auch Kirchenbuſſe thun ſoll. Durch das zweite wird 
eine Frau, welche zween Bruͤder geheirathet hat, auf 
lebenslang von der Kirchengemeinſchaft ausgeſchloſſen; 
aber in der Todesgefahr ſoll ſie dieſelbe wieder erlan⸗ 
gen, wenn ſie zugleich verſpricht, beym Wiedergeneſen 
ihre Heirath aufzuheben. Denn ſollte, wie hinzuge⸗ 
ſetzt wird, eines von beiden in dieſer Ehe ſterben: fo 
wuͤrde dem uͤbrigbleibenden Theil die Buſſe deſto ſchwe⸗ 
rer fallen. Es wird ferner in Anſehung derer, die 
mehrmals ſich verheirathen, zwar vorausgeſetzt, daß 
fie fich einer beſtimmten Kirchenbuſſe unterwerfen muͤſ⸗ 
ſen; doch wird eine Verkuͤrzung derſelben erlaubt, 
wenn ſie es durch ihr Betragen verdienen. Darauf 
wird gelehrt, daß derjenige, der auf eine Frauensper— 
fon boͤſe Begierden geworfen, fie aber nicht zur Würfe 
lichkeit gebracht hat, augenſcheinlich durch die Gnade 
Gottes gerettet worden ſey. Durch das folgende Ges 
ſetz wird ein Lehrling des Chriſtenthums, der bereits 
mit den Glaͤubigen betet, wenn er ein Verbrechen bes 
geht, unter die Hoͤrenden zuruͤckgeſetzt, und wenn er 
zu fündigen fortfaͤhrt, ganz verſtoſſen. Es wird wei- 
ter befohlen, eine Schwangere zu taufen, ſobald ſie 
es verlangt, weil ſich dieſe Handlung doch nicht auf 
ihr Kind erſtrecke. Kein Aelteſter ſoll bey der Hoch— 
zeit eines zum zweitenmale Heirathenden, der alſo des— 
wegen unter die Buͤſſenden kommen muß, zugegen ſeyn. 
Der Mann einer Ehebrecherinn ſoll niemals in den 
Lehr⸗ 


318 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sehrſtand aufgenommen werden; iſt er aber bereits in 
5 demſelben, ſo ſoll er ſich von ihr ſcheiden, oder ſein Amt 
06 verlieren. Ein Aelteſter, der vor feiner Einweihung 
bis durch Wolluſt geſuͤndigt hat, und ſolches bekennt, ſoll 
337. das heilige Abendmahl nicht mehr einſeegnen; aber feine 
uͤbrigen Amtsgeſchaͤfte darf er verrichten. Denn was an⸗ 
dere Suͤnden betrifft, fo behaupten die meiſten, ſogt die 
Verſammlung, daß ſie durch die Auflegung der Haͤnde 
vergeben werden. Bekennt er aber jene Sünde nicht, 
und kann derſelben nicht deutlich überführt werden, fo 
foll man ihn feinem eigenen Gewiſſen überlaffen. Ein 
Kirchendiener, der eben eine ſolche Sünde begatl⸗ 
gen hat, ſoll unter die niedrigern Rirchenauftwaͤr⸗ 
ter geſetzt werden. Niemand ſoll vor ſeinem dreyßig⸗ 
ſten Jahre zum Aelteſten geweihet werden, wenn er 
gleich viele gute Eigenſchaften an ſich hat; well unſer 
Heiland ſelbſt erſt in dieſem Jahre getauft worden iſt, 
und zu lehren angefangen hat. Diejenigen welche 
krank getauft worden ſind, koͤnnen nicht Aelteſten wer⸗ 
den, weil ihr Glaube nur aus Noth entſtanden zu ſeyn 
ſcheint; doch koͤnnte ſie der von ihnen bezeigte Eifer, 
und der Mangel an tuͤchtigen Perſonen, noch zum Lehr⸗ 
amte befoͤrdern. Den Aelteften von den Landkir⸗ 

chen ſoll es nicht erlaubt ſeyn, in der Stadtkirche, in 
Gegenwart des Biſchofs und der dortigen Aelteſten, 
das heilige Abendmahl einzuſeegnen, oder auch auszu⸗ 
theilen; aber in Abweſenheit derſelben duͤrfen ſie es 
thun. Die Landbiſchoͤfe, welche ein Bild der ſieb⸗ 
zig Juͤnger Chriſti ſind, ſollen als Mitarbeiter der 
Biſchoͤfe, und wegen ihrer Sorgfalt fuͤr die Armen, 
der Ehre gleichfals genieſſen, das heilige Abendmahl 
einzuſeegnen. Endlich wird feftgefegt „daß in einer 
Stadt, wenn ſie auch ſehr groß waͤre, zu Folge der 
Vorſchrift in der Apoſtelgeſchichte, nur ſieben Rir⸗ 

chendiener ſeyn ſollen. 

Zwar 


Kirchenverſammlung zu Neucäfaren. 319 


Zwar find nicht alle Verordnungen dieſer zwo Kir-. 
chenverſammlungen von gleicher Erheblichkeit; aber F. G. 
alle dienen fie doch dazu, manches von der Denkungs⸗ 306 
art und den Sitten eines großen Theils der Chriſten, bis 
auch vornemlich der zum Lehrſtande gehoͤrigen Perſo- 337. 
nen, ingleichen das große Anſehen dieſer Verſamm— 
lungen bey den Chriſten, kenntlich zu machen. Sie 
waren in der That durch die ſchaͤrfern Anſtalten wegen 
der Kirchenzucht, nothwendiger und nuͤtzlicher, als 
wenn ſie Entſcheidungen uͤber Glaubensſtreitigkeiten, 
oder damit verwandte Handel, herausgaben. Denn es 
war nicht nur die Erwartung ſonderbar, daß eine Anz 
zahl Bifchöfe oder anderer Lehrer, die keineswegs aus⸗ 
geſucht worden; ſondern ſehr zufaͤllig zuſammen gekom⸗ 
men, und großentheils nur mittelmaͤßige Koͤpfe waren, 
vollkommen im Stande ſeyn müßten, über ſpitzfindige 
und verwickelte Glaubensfragen ein gemeinſchaftlich⸗ 
richtiges Urtheil zu faͤlen. Sie gaben auch ſehr oft 
durch Partheylichkeit, Vorurtheile und ſichtbaren Man⸗ 
gel an Scharfſinn oder Gelehrſamkeit, ſolche Bloͤßen, 
daß es manchem einzelen Gelehrten nicht veruͤbelt wer⸗ 
den konnte, wenn er ihren Ausſpruͤchen, ob ſie gleich 
von mehrern Hunderten unterſchrieben waren, nicht 
gehorchen wollte. 


Lehren und Streitigkeiten 
des 
Arius. 


lichſten Streitigkeit dieſes Zeitalters, in der Ari⸗ 
aniſchen. Dieſe erhub ſich nicht allein zu ei⸗ 
ner 


S o gieng es wuͤrklich in der groͤßten und ungluͤck⸗ 


f 
320 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


ner ſehr ungelegenen Zeit für die Chriften, indem fie 
Ec. nach der kaum geendigten Verfolgung, des Waximi⸗ 
06 nus in Aegypten, noch unter der Regierung eines 
bis dem Chriſtenthum abgeneigten Fugen, des Licinius, 
337. als die chriſtlichen Gemeinen des gedachten Landes ſchon 
durch die Meletianiſchen, und in dem benachbarten 
Africa durch die Donatiſtiſchen Händel beunruhigt 
wurden, entſtand; ſondern ſie iſt auch durch eben dieſel⸗ 
ben Mittel erweitert und angefeuert worden, welche man 
vor die kraͤftigſten zu ihrer Unterdruͤckung hielt, durch 
Kirchenverſammlungen, Glaubensbekenntniße, kai— 
ſerliche Geſetze und Verfolgungen. Keine andere Re⸗ 
ligionsſtreitigkeit des vierten Jahrhunderts, und uͤber⸗ 
haupt der alten Kirche, hat auch ſo viele kirchliche und 
buͤrgerliche Unruhen, uͤberhaupt aber ſo viele wichtige 
Veraͤnderungen von mancherley Art hervorgebracht, iſt 
unter ſo zahlreichen Abwechſelungen und verſchiedenen 
daraus entſtandenen Partheyen, in und außer dem 
Roͤmiſchen Reiche, ſo lange fortgeſetzt worden, und 
bleibt noch ſo lehrreich und erheblich, als die Aria⸗ 
niſche. 


Ihr Gegenſtand war ſo wenig neu, daß viels 
mehr die unter den Chriſten über eben denſelben, über 
die Lehre von der goͤttlichen Dreieinigkeit, und beſon⸗ 
ders von dem Sohne Gottes, im dritten Jahrhun⸗ 
derte ausgebrochenen Uneinigkeiten, auch dagegen er⸗ 
folgten Widerſpruͤche und andere Anſtalten, eine vor— 
ſichtige Verhuͤtung aͤhnlicher Zwiſtigkeiten haͤtten er⸗ 
leichtern koͤnnen. Aber dieſe wurden vielmehr durch 
jene vorbereitet und zur Reife gebracht. Man hatte 
ſich zwar ehemals denen entgegen geſetzt, welche die 
Gottheit Chriſti, ingleichen den wahren und perſoͤnli⸗ 
chen Unterſcheid zwiſchen Gott dem Vater, Sohn und 
heiligen Geiſte, leugneten; doch war man noch nicht 

n ganz 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 321 


ganz darüber einig geworden, welches die ſicherſten Fm. 
Merkmale der Rechtglaͤubigkeit in dieſen Fragen wi CG. 
ren. Die geſammte Lehre von der heiligen Dreieinig: 306 
keit hatte noch keinen durchgängig gleichfoͤrmigen Vor- bis 
trag angenommen: ſofern fie beſonders in Schriften, 337. 
wo man ſcharfſinnig erklaͤren und widerlegen wollte, 
ihre Stelle bekam. Mancherley Vorſtellungsarten, 
Beſchreibungen und Vergleichungen, wechſelten dar— 
inne mit einander ab. Bald ſchien es daher, daß ſelbſt 
Lehrer die vor rechtglaͤubig gehalten wurden, den Sohn 
Gottes und den heiligen Geiſt nur als Kräfte des oller— 
hoͤchſten Gottes betrachteten; bald ſetzten ſie dieſelben 
nicht undeutlich dem Vater uͤber alles an Wuͤrde nach. 
Das Beſte war ohne Zweifel dieſes, daß alle mit ein— 
ander hierinne uͤbereinkamen, man muͤſſe doch zuletzt 

die Richtigkeit ſolcher Begriffe nach den klaͤrſten und 
ſicherſten Ausſpruͤchen der heiligen Schrift beurtheilen: 

und fuͤr den großen Hauffen der Chriſten hielt man ſich 

auch lediglich an dieſelben. Unterdeſſen fehlte es deſto 
weniger an Zweifeln über die rechte Lehrart von dieſer 
Grundlage des Chriſtenthums; wovon man außer vie— 
len andern Beiſpielen in der vorhergehenden Geſchich— 

te, eines der merkwuͤrdigſten an dem Dionyſius von 
Alexandrien, (Th. IV. S. 173. fg.) geſehen hat. 


Es war alſo auch eben nichts unerwartetes, daß 
um dieſe Zeit ein Presbyter zu Alexandrien, Artus, 
indem er ſeinem Biſchof einen Irrthum in der Lehre 
von Chriſto vorwarf, ſelbſt eines noch groͤßern be— 
ſchuldigt wurde. Dieſer Mann hatte, nach dem Be⸗ 
richte des Epiphanius, (Her. 69.) Libyen zum Va⸗ 
terlande. Nachdem er eine Zeitlang die Parthey des 
Meletius genommen hatte, vereinigte er ſich wieder mit 
dem Biſchof Petrus zu Alexandrien. Er wurde von 
demſelben zum Diaconus ernannt; nachmals aber, 

V. Theil, 7 weil 


322 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


weil er das heftigere Betragen des Biſchofs gegen die 
J. a. Meletianer laut mißbilligte, von der Kirchengemein⸗ 
306 ſchaft ausgeſchloſſen. Der neue Biſchof Achillas, 
bis der am Ende des Jahrs 312. gewaͤhlt wurde, nahm 
337. ihn wieder in dieſelbe auf, und machte ihn zum Press 
byter. (Sozom. Hiſt. Eccl. L. I. c. 15.) In dieſem 
Amte hatte er feine beſondere Gemeine, welche von ei- 
nem ſeiner Vorgaͤnger die Kirche des Baucalis hieß: 
er erklaͤrte derſelben oͤffentlich die heilige Schrift, wie 
ſehr viele Aelteſten zu dieſer Zeit, unter der Geneh⸗ 
migung und Aufſicht ihrer Biſchoͤfe, thaten. (Epiphan. 
hær. 68. 69. Theodoret. Hiſt. Eccl. L. I. c. 2.) 


Arius hatte viele Gaben und Kenntniſſe, durch 
welche er ſich bald hervorthat. Er beſaß ziemliche Ge⸗ 
lehrſamkeit, und war beſonders in der Diſputierkunſt 
ſehr geuͤbt. Mit Beredſamkeit und Eifer für die Ne 
ligion verband er auch in die Augen fallende guten Sit. 
ten. Der Stolz und Neid, die Falſchheit und Zauck— 
ſucht, nebſt andern Laſtern, die ihm ſeine Gegner bei⸗ 
gelegt haben, ſind eben weil ſie auf einem ſolchen Zeug⸗ 
niſſe beruhen, nur in ſo weit glaubwuͤrdig, als ſie aus 
zuverläßigen Handlungen oder ſchriftlichen Erklaͤrun⸗ 
gen des Arius geſchloſſen werden koͤnnen. Denn ei⸗ 
nem ſo verhaßten Manne ſchrieb man in allem die 
aͤrgſten Bewegungsgruͤnde zu, vergroͤßerte die Fehler 
welche er hatte, und glaubte, wie gewoͤhnlich, bis auf 
den Grund ſeines Herzens zu ſehen. Epiphanius 
verſichert, daß er ſehr lang, von ernſthaftem Anſe⸗ 
hen, und an ſeiner ganzen Geſtalt einer betruͤgeriſchen 
Schlange gleich geweſen ſey; freundlich und einneh- 
mend im Umgange, auch daher geſchickt, jedermann 
durch Schmeicheley auf feine Seite zu ziehen. Eben 
ſo geſteht zwar Conſtantinus, (in einem Schreiben 
das ihm zugeeignet wird, in Gelafii Cyziceni Adis 

| Eon- 


Lehren und Streitigkeiten des Arius 323 


Coneil. Nicaeni apud Harduin. Act. Concilior. T. I. 

p. 454. a) daß Arius von fanfter und angenehmer .. 

Geſellſchaft geweſen ſey; beſchreibt ihn aber zugleich 306 

als einen ausgezehrten, blaſſen, ſchmutzigen und ha- bis 

gern Menſchen, von heßlichem Anblicke, den nicht ſo- 337. 

wohl Sorgen, als die Wuth der Leidenſchaften, in 

einen ſolchen Zuſtand verſetzt hätten, Mit mehr Ge⸗ 

wißheit weiß man, daß er ein Schriftſteller geweſen 

iſt. Sein vornehmſtes Werk hieß Thalia, (Ox, 

eine herrliche Mahlzeit) das er in ſpaͤtern Jahren 

zur Ausbreitung feiner Lehrſaͤtze ſchrieb. Achanaſtus 

hat in verſchiedenenen ſeiner Werke, (Orat. 2. contra 

Arianos, p. 136.137. Synodi Nicaenæ decreta contra 

hæreſ. Arianam, p. 413. de Synodis Arimini et Seleu. 

ciæ, p. 680. T. I. Opp. ed. Commelin 1600. Fol. 

und noch anderwaͤrts mehr,) Stellen aus demſelben 

aufbehalten. Auch gedenken Socrates (Hiſt. Ecel. 

L. I. c. 9.) und Sozomenus (Hifl. Eccl. L. I. c. 21.) 

dieſes Buchs. Alle vergleichen den Ausdruck deſſel— 

ben mit der weichlichen Schreibart der Gedichte des 

Sotades, der von wolluͤſtigen und unzuͤchtigen Ge⸗ 

genſtaͤnden geſungen hatte. Allein daraus ſcheint noch 

nicht bewieſen werden zu koͤnnen, daß ein Theil des 

Buchs in gebundener Rede abgefaßt geweſen ſey: und 

es kann ſeyn, daß man dieſe Aehnlichkeit deſſelben nur 

in dem vom Sotades geborgten Nahmen, in den 

poetiſchen Redensarten, und gleicher Frechheit zu finden 

geglaubt hat. Arius hat außerdem noch Lieder fuͤr 

Schiffer, Muͤller und Reiſende, den Umſtaͤnden eines 

jeden gemäß, verfertigt: eine Nachricht des Athana⸗ 

ſius, (Syn. Nic. deer. I. c.) und des Philoſtor⸗ 

gius, (Hiſt. Eccl. Epit. L. II. c. 2. p. 9. ed. Go- 

thofr.) zu welcher Photius hinzuſetzt, er habe durch 

dieſes ſuͤße Mittel ſeinen gottloſen Meinungen mehr 

Anhaͤnger zu verſchaffen geſucht. Was von kleinern 
* 2 Auf⸗ 


324 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
3 auflösen des Arius noch vorhanden iſt, gehört in 


G. ſeine ſpaͤtere Geſchichte. Unter denen aber, welche von 
306 feinen Schriften gehandelt haben, iſt beſonders Fa—⸗ 
bis bricius (Biblioth. Græc. Vol. VIII. p. 309. ſq.) zu 


337.empfelen. 


Kaum hatte Arius ſein Lehramt zu Alexandrien 
angetreten, als der Biſchof Achillas im Jahr 313. 
ſtarb, und der Aelteſte Alexander an ſeine Stelle kam. 
Glaubt man dem Philoſtorgius, (I. c. L. I. c. 3.) 
der freylich ſelbſt ein Arianer war, fo hatte Arius da: 
mals die groͤßte Hoffnung, Biſchof zu werden; er 
lenkte aber ſelbſt die Wahl auf Alexandern. So we⸗ 
nig unterdeſſen der Bericht dieſes einzigen partheiiſchen 
Schriftſtellers, der auch in dieſer Geſchichte offenbare 
Fehler begeht, hier gelten kann: eben fo uͤbereilt has 
ben manche Neuere aus dem Neide, den Theodore— 

tus (Hiſt. Eccl. L. I. c. 2.) dem Arius beilegt, den 
zuverſichtlichen Schluß gezogen, er habe, weil ihm die 
gewuͤnſchte Biſchoͤfliche Würde durch den Alexander 
entzogen worden ſey, den Glauben feines Biſchofs an⸗ 
gegriffen. Freylich erzählt der eben genannte Geſchicht⸗ 
ſchreiber, Arius habe, weil er an den Sitten des Bi⸗ 
ſchofs nichts zu tadeln gefunden, auf Antrieb des Teu⸗ 
fels, der einmal entſchloſſen geweſen ſey, die Kirche 
zu beunruhigen, die Lehre deſſelben gelaͤſtert. Aber 
eine ſolche theologiſchheftige Verunglimpfung gehoͤrt 
nicht zur eigentlichen Geſchichte. Man ſieht auch nicht 
ein, warum eben Arius, bloß durch die ſchaͤndlichſten 
Triebe verführt, in einem Lehrfatze, der noch gar nicht 
voͤllig uͤbereinſtimmend unter den gelehrten Chriſten 
erklaͤrt wurde, von ſeinem Biſchof haͤtte abweichen ſol⸗ 
len. Vermuthlich glaubte er eben fo viel Scharfſinn 
als dieſer zu beſitzen, und gleiche Erlaubniß zur Be⸗ 
kanntmachung ſeiner Meinungen zu haben. Socra⸗ 
% tes 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 325 


tes ertheilt wenigſtens einen ſolchen naturlichen Bericht g. 
von der Entſtehung dieſer Händel, (Hiſt. Eccl. L. LS. G. 
c. 5): „Eines Tages ſprach Alexander in Gegen- 306. 
„wart der ihm untergebenen Aelteſten und der uͤbrigen bis 
„zum Lehrſtande gehoͤrigen Perſonen, um ſich Ruhm 337. 
„zu erwerben, (DiAsriuoregov) von der heiligen Dreis 
„beit, indem er den philoſophiſchen Satz vortrug, (Oi 
„AreoDay) daß in der Dreiheit auch eine Einheit ſey. 
„Arius —— bildete ſich ein, daß der Biſchof die Lehre 

„des Sibyers Sabellius einfuͤhre, trat aus Streitbe— 
„gierde auf die der Lehre des Abyers gerade entgegen 
„geſetzte Seite, und begegnete, wie es ſcheint, etwas 
„hitzig dem was der Biſchof geſagt hatte. Er ſchloß 
„folgendergeſtalt: Wenn der Vater den Sohn gezeugt 
„hat: ſo muß der Gezeugte einen Anfang ſeines Da— 
„feins haben. Hieraus iſt offenbar, daß eine Zeit ges 
„weſen ſey, da der Sohn nicht vorhanden war, und 

„es folgt nothwendig, daß er aus Nichts entſtan— 
„ven ſey.“ 


Obgleich die uͤbrigen Geſchichtſchreiber, welche den 
Urſprung dieſes Streits, der in das Jahr 320. oder: 
eines der naͤchſtvorhergehenden faͤllt, erzaͤhlen, ver— 
ſchiedene Umſtaͤnde anders melden; ſo widerſprechen 
fie doch] in der Hauptſache dem Socrates nicht fo 
ſehr, daß keine Vereinigung zwiſchen ihnen Statt 
faͤnde. So erzaͤhlt Sozomenus, (Hiſt. Eccl. L. I. 
c. 15.) Artus habe zuerſt den bisher unerhoͤrten Lehr⸗ 
ſatz vorgetragen, der Sohn Gottes ſey aus Nichts ge— 
macht worden; es ſey eine Zeit geweſen, da er noch 
nicht vorhanden war; er ſey nach ſeinem freien Willen, 
ſowohl zum Boͤſen als zur Tugend faͤhig; ein Geſchoͤpf 
und etwas Gemachtes; auch viele andere aͤhnliche Be⸗ 
hauptungen. Einige welche dieſe Reden gehört, hät: 
ten den Alexander getadelt, daß er ſolche Neuerun⸗ 

| 4 3 gen 


326 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


E gen wider die Glaubenslehre duldete; er aber habe es 
. G. vor beffer gehalten, beiden Theilen über dieſe zweideu⸗ 
306 tige Fragen ihre freye Erklaͤrung zu verſtatten, damit 
bis es nicht ſcheinen moͤchte, als wenn er ſie durch Zwang, 
337. nicht durch Ueberzeugung, von ihrem Streite zurück zie⸗ 
hen wolle. Er habe daher als Richter, und in Gegen» 
wart anderer Lehrer, beide Partheien vor ſich ſtreiten 
laſſen. Jede habe zu ſiegen geſucht, und, indem 
Arius ſeine Lehren vertheidigte, haͤtten ſeine Gegner 
wider ihn behauptet, der Sohn ſey gleiches Weſens 
(u33r1os) und gleich ewig mit dem Vater. Ver⸗ 
gebens ſey noch eine Verſammlung deswegen angeſtellt 
worden. So lange die Frage noch ſtreitig geweſen ſey, 
habe Alexander gewanckt, und bald den einen Theil, 
bald den andern gelobt. Nachher aber habe er ſich 
voͤllig wider den Arius erklaͤrt, und ihm befohlen, 
feine Meinungen zu verlaſſen. Dieſe Nachricht, wel- 
che gar wohl eine Ergänzung von der kuͤrzern des So 
crates ſeyn koͤnnte, wenn die Verſammlung, deren die⸗ 
ſer gedenckt, eben dieſelbe ſeyn ſollte, vor welcher, 
nach dem erſtern, Arius und ſeine Gegner erſcheinen 
mußten, wird zwar von dem Theodoretus (I. c. 
Heret. fabul:L. IV. c. 1.) nicht völlig beſtaͤtigt, in⸗ 
dem dieſer den Anfang des Streits von Alexanders 
Lehren herleitet; fo wie hingegen Epiphanius (Her. 
69. c. 3. q.) etwas mehr mit dem Sozomenus uͤber⸗ 
einkommt. Aber alle geben doch die ſtreitigen Fragen 
zwiſchen dem Alexander und Artus auf ohngeſaͤhr 
gleiche Art an: und Philoſtorgius, (I. c. c. 4.) der 
ſich ſonſt von den uͤbrigen durch eine wahrſcheinlich fal⸗ 
ſche Erzaͤhlung des Ausbruchs dieſer Streitigkeiten un⸗ 
terſcheidet, ſetzt doch hinzu, von dieſer Zeit an habe 
man zu Alexandrien gelehrt, daß der Vater und Sohn 
gleiches Weſens waͤren. 


Von 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 327 


Von den beiden Hauptperfonen in dieſen Haͤndeln 
haben ſich auch noch Aufſaͤtze erhalten, welche ſowohl g. G. 
ihren Glauben, als dieſe Geſchichte erläutern. Der 306 
Biſchof Alexander ſchilderte in einem Schreiben an bis 
alle Biſchoͤfe der rechtglaͤubigen Kirche, beym So, 337. 
erstes, (Hill. Eccl. L. I. c. 6.) zuerſt die Lehrſaͤtze 
des Arius ab, und nannte außer den ſchon angefuͤhr— 
ten noch folgende: Gott iſt nicht allezeit Vater gewe⸗ 
ſen. Der Sohn iſt weder dem Weſen nach dem Va⸗ 
ter gleich; noch das wahrhaftige und natuͤrliche Wort 
des Vaters; noch die wahrhafte Weisheit deſſelben. 
Er heißt beides nur durch einen Mißbrauch; indem 
er ſelbſt durch das eigenthuͤmliche Wort Gottes, und 
durch die Weisheit die in Gott iſt, wie alles uͤbrige, 
gemacht worden iſt. Er iſt ein fremdes, verſchiede— 
nes, von Gottes Weſen entferntes Wort. Der Va— 
ter iſt ihm unſichtbar und unausſprechlich; er kennet 
nicht einmal ſein eigenes Weſen, iſt bloß unſertwegen 
gemacht worden, damit uns Gott durch ihn, als durch 
ein Werkzeug, ſchaffen moͤchte: und er wuͤrde gar nicht 
da ſeyn, wenn nicht Gott uns haͤtte machen wollen. 
Der Biſchof verſichert weiter, daß die Anhaͤnger des 
Arius dem Sohne Gottes einerley Faͤhigkeit verändert 
zu werden, mit dem Teufel, beilegten, und, indem 
fie die Gottheit deſſelben leugneten, ärger als alle an— 
dere Ketzer waͤren, weil ſie dem Antichriſte am naͤch⸗ 
ſten kaͤmen. Alexander behauptet nun von allem die⸗ 
ſem das Gegentheil. Der Sohn Gottes, ſchreibt er 
unter andern, muß ſtets vorhanden geweſen ſeyn, weil 
er, nach dem Johannes, ſchon im Anfange war. 

Er kann kein Geſchoͤpf ſeyn, weil er der eingebohrne 
Sohn heißt, durch den alles gemacht worden iſt. Er 
kann nicht aus Nichts entſtanden ſeyn, weil er (nach 
Pſalm 145) aus dem Herzen, und (nach Pfalm 110) 
aus dem Mutterleibe Gottes gezeugt worden iſt. Und 
ö + 4 wenn 


328 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


O wenn der Sohn die Vernunft (Asyss) und die Weis⸗ 

. f f g 

EG. beit Gottes iſt: wie kann eine Zeit geweſen ſeyn, da 
306 er noch nicht war? Das wuͤrde eben ſo viel ſeyn, als 
bis wenn man ſagte, Gott waͤre einmal ohne Vernunft 
337. (Hes) und ohne Weisheit geweſen. 


In einem andern Schreiben, das der Alexandri— 
niſche Biſchof an einen andern Biſchof, der gleichfals 
Alexander hieß, (vielleicht zu Conſtantinopel, das 
aber damals noch den Nahmen Byzantium fuͤhrte,) 
abgelaſſen, und Cheodoretus (Hill. Eccl. L. I. c. 4.) 
erhalten hat, meldet er, einige Herrſchſuͤchtige und 
Geldgierige Leute haͤtten, vom Teufel angeſtiftet, ſeine 
Gemeine zerruͤttet. Arius und Achillas haͤtten in 

gemeinſchaftlicher Verbindung die ſchlimme Auffuͤh⸗ 
rung des Colluthus, der vor kurzem einen Kaufhan⸗ 
del mit dem Chriſtenthum getrieben, noch uͤbertroffen. 
Dieſer Mann war ebenfals Lehrer an einer beſondern 
Kirche zu Alexandrien, trug ungewoͤhnliche Meinun⸗ 
gen vor, weihte Aelteſten fuͤr Geld, und ſtiftete eine 
Parthey, die aber bald wieder unterdruͤckt worden iſt, 
wie man aus dem Athanaſius (Apolog. II. p. 570. 
614. 616. ed. Commel. T. I.) und Epiphanius 
(Her. 69. c. 2.) ſehen kann. Jene beiden, ſo faͤhrt 
Alexander fort, haͤtten ſich Raͤuberhoͤhlen erbauet, 
(vermuthlich meint er die Kirchen an welchen fie ftan- 
den,) in welchen ſie mit den ihrigen Verſammlungen 
hielten, auch Chriſtum und ihn beftändig laͤſterten. 
Sie leugneten die Gottheit unſers Heilandes, und 
lehrten, er waͤre allen gleich: dieſes ſuchten ſie durch 
die Sammlung ſolcher Schriftſtellen zu beweiſen, wor— 
inne von ſeiner Menſchwerdung und Erniedrigung die 
Rede iſt. Sie lehrten weiter, daß ihn Gott nicht 
deswegen, weil er von Natur etwas vorzügliches haͤt⸗ 
te, zu ſeinem Sohne gewaͤhlt habe; ſondern weil Gott 

1 voraus 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 329 


voraus geſehen, daß er durch Fleiß und Uebung be-T n. 
ſtaͤndig bey der Tugend bleiben wuͤrde. Haͤtten alſo d. G. 
Paulus und Petrus eben einen ſolchen Eifer ange- 306 
wandt: ſo wuͤrden ſie auf voͤllig gleiche Art Soͤhne bis 
Gottes geweſen ſeyn. Wiederum bemuͤhet ſich Ale: 337. 
gander, die Gegenſaͤtze von dieſen und den übrigen 
Meinungen des Arius zu beweiſen. Hier behauptet 
er, daß ſich die Seele gar keinen Unterſcheid zwiſchen 
dem Vater und dem Sohne denken koͤnne; erinnert 
auch, daß man es nicht wagen duͤrfe, das ſelbſt En⸗ 

geln unbegreifliche Geheimniß von dem perſoͤnlichen 

Daſeyn (umesacıs) des eingebohrnen Sohnes Gottes 
genauer zu erforſchen. Es ſey widerſprechend, zu ſa— 
gen, daß es eine Zeit gegeben habe, in welcher er nicht 
da geweſen; da er doch die Zeit ſelbſt gefchaffen habe. 
Seine Zeugung vom Vater und die goͤttliche Kind⸗ 
ſchaft der Chriſten haͤtten nichts mit einander gemein, 
weil jene in der Natur Gottes ihren Grund habe. Die 
Lehre des Arius ſey bereits vom Ebion, Artemas, 
Paulus von Samoſata, und Lucianus vorgetra⸗ 
gen worden. Wir duͤrfen deswegen, ſetzt der Biſchof 
hinzu, weil wir leugnen, daß der Sohn Gottes aus 
Nichts ſey, nicht behaupten, (wie die Arianer meinen,) 
daß es zwey ungezeugte Weſen gebe. Sie ſehen aber 
nicht ein, daß ein großer Unterſcheid zwiſchen dem un⸗ 
gezeugten Vater, und den von ihm aus Nichts erfchafs 
fenen Dingen ſey; dagegen die Natur des Eingebohr— 
nen, durch welche der Vater des Wortes Gottes alles 
aus Nichts gemacht hat, in der Mitte ſtehe. Ein 
kurzes Glaubensbekenntniß folgt hierauf, worinne Alez 
gander unter andern ſagt, der Sohn ſey allezeit aus 
dem Vater geweſen, und es fehle ihm nichts was die: 
ſer hat, als daß er nicht ungezeugt ſey; er habe einen 
wuͤrklichen Körper von der Gottesgebaͤhrerinn ($e- 
reno) Maria bekommen, und habe am Ende der 

+ 5 Welt 


330 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


J. n Welt unter den Menſchen gelebt, um die Sünde weg⸗ 

C. G. zuraͤumen. — Man hat zwar in den neueſten Zeiten 

306 gegen die aͤchte Beſchaffenheit dieſes Schreibens, ders 

bis gleichen Alexander viele andere ausgebreitet hat, nicht 

337. unerhebliche Bedenklichkeiten aus deſſen Inhalte vor⸗ 

gebracht; allein ſie ſcheinen zur Verwerfung deſſelben 
nicht hinlaͤnglich zu ſeyn. 


Auf der andern Seite find zween Briefe des Arius 
nicht minder wichtig. Der eine, an den Biſchof Eu⸗ 
ſebius von Nicomedien, ſteht beym Epiphanius, 
(Her. 69. c. 6.) und Theodoretus (Hiſt. Eccl. L. I. 
c. 5.) Er beklagt ſich darinne uͤber die Verfolgung, 
die er nebſt ſeinen Freunden von dem Alexandriniſchen 
Diſchof ausſtuͤnde, weil fie dieſem darinne nicht Beifall 
geben wollten, indem er lehrte, Gott ſey allezeit, der Sohn 
ſey allezeit, der Vater und der Sohn ſeyen zugleich; 
der Sohn ſey mit dem Vater ungezeugt da; der Sohn 
ſey allezeit gezeugt, und doch ohne Zeugung gezeugt; 
Gott ſey weder im Gedanken, noch in einem Augen⸗ 
blicke eher als der Sohn da; und der Sohn ſey aus 
Gott ſelbſt. Sie hingegen, ſchreibt er ferner, glaub⸗ 
ten, der Sohn ſey nicht ungezeugt, auch auf keine 
Weiſe ein Theil des Ungezeugten; auch aus keiner vors 
her vorhandenen Materie; ſondern durch den Willen 
und Rathſchluß (Gottes) vor den Zeiten und Weltal⸗ 
tern zur Wuͤrklichkeit gekommen: ein voͤlliger Gott, 
(viene ©ess) eingebohren, unveraͤnderlich, der nicht 
da geweſen ſey, ehe er gezeugt oder geſchaffen, oder 
beſtimmt, oder gegruͤndet worden. Er fuͤgt hinzu, ſie 
wuͤrden deswegen verfolgt, weil ſie behaupteten, der 
Sohn habe einen Anfang: denn Gott allein ſey ohne 
Anfang; ingleichen weil fie lehrten, er ſey aus Nichts, 
indem er doch kein Theil Gottes, noch aus irgend eis 
ner vorhandenen Materie ſey. Arius gedenckt auch 
et rey 


* .. 


Lehren und Streitigkeiten des Artus. 331 
drey ketzeriſcher und ungelehrter Biſchoͤfe, welche ="; 


den Sohn Gottes etwas Ausgeſprudeltes, (gu. 
aus Pſalm 45. v. 2.) einen Auswurf, (weoßeAn) 306 
und mit andern anſtoͤßigen Nahmen nannten: wir Fön- bis 
nen, füge er hinzu, dieſe Gottloſigkeiten nicht anhören, 337 
wenn uns auch die Ketzer tauſend Tode drohen ſollten. 


Sein zweites Schreiben, das an den Biſchof von 
Alexandrien ſelbſt gerichtet iſt, findet man beym Atha⸗ 
naſius, (de Synod. Arimin. et Seleuc. p. 682. ſqq. 
T. I. Opp. ed. Commel.) beym Epiphanius, (Her. 
69. c. 7.) und bey andern alten Schriftſtellern. Er 
erklaͤrt darinne, zugleich im Nahmen der Aelteſten und 
Kirchendiener, auch etlicher Biſchoͤfe, welche es mit 
ihm hielten, ſeine Meinung am vollſtaͤndigſten, und 
wirft dem Biſchof, den er feinen ſeeligen Vater (ux- 
ge m&r2) nennt, vor, daß fie dieſen Glauben ih- 
rer Vorfahren von ihm ſelbſt gelernet haͤtten. Wir 
kennen, ſagt er, Einen Gott, der allein ungezeugt, 
allein ewig, allein ohne Anfang, allein wahrhaftiger 
Gott iſt, allein Unſterblichkeit hat, — — der vor 
ewigen Seiten (mgd xezvav diwviov) einen einge⸗ 
bohrnen Sohn gezeugt, und durch denſelben auch 
die Welten und alles uͤbrige gemacht hat. Er hat ihn 
gezeugt, nicht dem Scheine nach, ſondern wahrhaftig, 
und durch ſeinen eigenen Willen zur Wuͤrklichkeit 
gebracht, unveraͤnderlich und ohne Abwechſelung, ein 
vollkommenes Geſchoͤpf Gottes; aber nicht 
wie eines von den andern Geſchoͤpfen; einen 
Gezeugten, aber nicht wie andere Gezeugte; nicht eis 
nen Auswurf, wie Valentinus gelehrt hat; nicht 
einen Theil des Vaters von gleichem Weſen, 
(migss öu>ssıov Y mνεο) nach dem Manichaͤus; 
noch wie Sabellius, der die Einheit trennt, und ei: 
nen Sohnvaͤter nennt; noch wie Hierakas, ein 

Licht 


332 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


D Licht von einem Lichte, oder zwo Fackeln aus einer; 


Glauch nicht dergeſtalt, daß der vorher ſchon vorhandene 


306 erſt nachher gezeugt worden, oder zum Sohn geord⸗ 
bis net worden wäre: lauter Lehrſaͤtze, welche du ſelbſt in 
337. der Gemeine, oder in der Verſammlung der Lehrer, oͤf— 


ters verworfen haſt. Sondern er iſt durch Gottes 
Willen vor den Zeiten und Welten gefchaffen worden; 
er hat das Leben und Daſein von dem Vater bekom⸗ 
men, der ihm auch die Herrlichkeiten zugleich mitge⸗ 
theilt hat. Denn da ihm der Vater die Herrſchaft 
uͤber alles uͤbergeben, hat er ſich deſſen nicht beraubt, 
was er ohne Zeugung in ſich hat. Denn er iſt die 
Quelle von allem. Es ſind alſo drey Beſtehungen, 
(oder Perſonen, Urosaeeis.) Der Gott, der die Ur⸗ 
ſache von allen Dingen iſt, iſt ganz allein ohne An⸗ 
fang. Der Sohn iſt ohne Zeit von dem Vater ger 
zeugt, und vor den Welten erſchaffen und gegruͤndet: 
er war alſo nicht da, ehe er gezeugt wurde. Er hat 
ſein Daſein allein von dem Vater. Er iſt nicht ewig, 
und mit dem Vater weder zugleich ewig, noch zugleich 
ungezeugt; hat auch ſein Daſein nicht zugleich mit 
dem Vater, wie einige ſagen, die zwey ungezeugte 
Grundweſen einfuͤhren. Gott iſt alſo eher als ſein 
Sohn, wie wir dich ſelbſt in der Gemeine lehren ge⸗ 
hoͤrt haben: er iſt ſein Urſprung, und hoͤher als er. 
Wollte man die Schriftſtellen, aus ihm, aus dem 
Mutterleibe, ich bin vom Vater ausgegangen, 
mit einigen ſo verſtehen, als wenn der Sohn ein Theil 
gleiches Weſens von dem Vater, oder ein Auswurf ſey: 
fo müßte der Vater zuſammengeſetzt, theilbar und vers 
aͤnderlich, ja ſogar ein Körper ſeyn, und koͤrperliche 
Veraͤnderungen leiden. 


Zu dieſen eigenen Erklaͤrungen des Arius muß 
man noch diejenigen ſetzen, welche aus feinem Werke 


Tha⸗ 


4 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 333 


Thalia übrig geblieben find. In einer Stelle aus J. m. 
demſelben (beym Athanaſius de Synod. Arim. et Se- C. G. 
leuc. p. 680. ed. cit.) kommen folgende Lehrſaͤtze vor: 306 
Gott bleibt, feinem Weſen nach, allen unausſprech- bis 
lich. Er allein hat keinen ſeines gleichen, noch ſeine 337. 
Ehre mit jemanden gemein. Er, der keinen Anfang 
hat, hat den Sohn zum Anfange der Geſchoͤpfe ges 
macht, ihn gezeugt, und an Sohnes Statt angenom— 
men. Denn dieſer hat nach ſeinem eigenen Beſtehen 
nichts goͤttliches zum Eigenthum; er iſt weder Gott 
gleich, noch mit ihm gleiches Weſens. — Gott iſt 
felbft für feinen Sohn unſichtbar; doch ſiehet ihn Dies 
ſer nach ſeinem beſondern Maaße. — Es iſt eine 
Dreyheit; aber von ungleicher Herrlichkeit: ihre Pers 
ſonen ſind nicht unter einander vermiſcht; ſondern eine 
iſt unendlich herrlicher als die andere. Der Vater iſt 
dem Sohne, dem Weſen nach, fremd, weil er ohne 
Anfang iſt. Da der Sohn noch nicht war, war der 
Vater allein Gott. — Zwo andere Stellen aus eben 
dieſem Werke, (in Athanaſ. Orat. II. contra Arianos, 
p. 137. fd.) enthalten, außer manchen ſchon angefuͤhr⸗ 
ten Saͤtzen, noch folgende: Als Gott uns ſchaffen 
wollte: da hat er Einen gemacht, und ihn das Wort, 
den Sohn und die Weisheit genannt, damit er uns 
durch ihn hervorbraͤchte. Es giebt daher eine dop⸗ 
pelte Weisheit: eine Gott eigenthuͤmliche, und mit 
ihm beſtehende, durch welche auch der Sohn gemacht 
worden: und nachdem ihm dieſe mitgetheilt worden, 
hat er bloß den Nahmen Weisheit und Wort be= 
kommen. Eben fo iſt noch ein anderes Wort, auſ— 
ſer dem Sohne, in Gott: und nachdem er deſſen 
theilhaftig worden, heißt er ebenfals aus Gnaden 
Wort und Sohn. — Das Wort iſt nicht wah⸗ 
rer Gott; wenn es gleich Gott genannt wird: es 
heißt nur, wie die andern alle, dem Nahmen nach 
Gott, 


334 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


x Gott „ wegen Mittheilung der Gnadengaben. So 
G. wie alle Dinge, dem Weſen nach, Gott fremd und uns 
306 aͤhnlich ſind: fo iſt auch das Wort in allem von dem 
bis Weſen und den Eigenſchaften des Vaters ver⸗ 
337. ſchieden, und ihm ungleich: es gehört unter die ger 
machten und geſchaffenen Dinge, und iſt ſelbſt eines 
davon. — Der Sohn kennet nicht allein den Vater 
nicht genau: denn es fehlt ihm das Vermoͤgen, den⸗ 
ſelben zu begreifen; der Sohn kennt nicht einmal 
ſein eigenes Weſen. Die Weſen des Vaters, 
des Sohnes, und des heiligen Geiſtes ſind von 
Natur getheilt, getrennt und abgeſondert, von ein⸗ 
ander verſchieden, und ohne Gemeinſchaft unter einan⸗ 
der. Dieſe drey ſind einander gaͤnzlich und ins 
Unendliche unaͤhnlich, ſowohl an ihrem Weſen, als 

an Herrlichkeiten. 


Es ſchien hier aus mehrern Urſachen nothwendig 
zu ſeyn, den Lehrbegriff des Alexander und Arius 
von der goͤttlichen Dreieinigkeit, mit ihren eigenen 
Worten vollſtaͤndig gegen einander zu halten; wenn ſie 
gleich erſt einige Zeit nach dem Anfange des Streits, 
denſelben mehr in Schriften entwickelt haben. Die 
Uneinigkeit der Chriſten über die Erklaͤrung der ges 
dachten Lehre war noch nie zu einem ſo heftigen Aus⸗ 
bruche, noch einer endlichen uͤbereinſtimmenden Enf- 
ſcheidung ſo nahe gekommen, als dieſesmal. Beide 
Gegner ſuchten offenbar doruͤber etwas ungeſagtes, 
ſcharfſinnigeres und deutlicheres, als die ältern Lehrer, 
vorzubringen: und beide haben vielleicht dieſe Lehre noch 
mehr in Verwirrung geſetzt. Sie waren im Anfange 
vermuthlich nicht ſo weit von einander entfernt, als ſie 
glaubten; allein der Biſchof konnte fortdaurenden Wi⸗ 
derſpruch eben nicht vertragen, und der Aelteſte wußte 
nichts vom Nachgeben: beſonders da ihm anbefohlen 

ö wurde, 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 335 


wurde, feinen Glauben zu aͤndern. Jener war in 
der Vorſtellung und Widerlegung der Meinungen des C. G 
letztern weder unpartheiiſch noch treffend genug: fein 306 
eigener Glaube von dem Sohne Gottes war nicht ein- bis 
mal völlig derjenige, den man bald darauf zum Zeichen 337. 
der Rechtglaͤubigkeit machte. Arius hingegen fehlte weit 
mehr durch die eingebildete Begierde, die Zeugung des 
Sohnes Gottes faßlicher zu machen,, als fie die heilige 
Schrift ſelbſt abgebildet hat; durch die Einmiſchung 
Platoniſcher Lehrſaͤtze, und philoſophiſcher Kunſtwoͤr⸗ 
ter uͤberhaupt, und durch manche willkuͤhrliche Einfaͤl⸗ 
le; ob er gleich mehr Philoſoph war, als ſein Biſchof, 
und es, allem Anſehen nach, mit der Religion nicht 
uͤbel gemeint hat. . 


Er fand zeitig nicht nur zu Alexandrien, ſondern 
auch in dem übrigen Aegypten, und in den benachbar= 
ten Laͤndern, viele Anhänger feiner Meinungen. Epi⸗ 
phanius nennt ſogar, außer einigen Biſchoͤfen, fies 
benhundert dem eheloſen Leben geweihte Jungfrauen, 
ſieben Aelteſten, und zwoͤlf Kirchendiener in der gedach— 
ten Hauptſtadt, welche ſeine Parthey bald genommen 
haͤtten. Sowohl Arius als Alexander waren durch 
mündlichen Vortrag und durch Schreiben ſehr geſchaͤf— 
tig, ſich Beifall zu erwerben. Allein der Biſchof, der 
die Parthey ſeines Gegners immer wachſen ſah, nahm 
inſonderheit nachdruͤckliche Maaßregeln wider denſel— 
ben. Er hielt, vermuthlich im Jahr 321, eine 
Verſammlung von faſt hundert Biſchoͤfen aus 
Aegypten und Libyen zu Alexandrien, und that mit 
ihnen den Arius, welcher ſeines Amts entſetzt wurde, 
nebſt feinem ganzen Anhange, in den Bann. Dars 
unter waren auch der Biſchof Euſebius von Caͤſa⸗ 
rea, die Biſchoͤfe zu Tyrus, Berytus, ydda, Tri— 
polis, und uͤberhaupt die meiſten morgenlaͤndiſchen, 

ö | begrif⸗ 


336 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


5 begriffen. 5 So erzaͤhlt es wenigſtens Arius in ſeinem 
C G. oben angeführten Schreiben an den Biſchof von Nico. 
306 medien: und wenn es gleich nicht glaublich iſt, daß 
bis Alexander auch die morgenlaͤndiſchen Biſchoͤfe nah. 
337: mentlich mit dem Kirchenbanne belegt habe; fo traf 
fie doch derſelbe gewiſſermaaßen ebenfals. Dieſe kirch⸗ 
liche Strafe war freylich in ſolchen Fällen ein gewoͤhn⸗ 
liches und Geſetzmaͤßiges Gegenmittel: es gereicht auch 
dem alerandrinifchen Biſchof zur Ehre, daß er vorher 
friedliche Verſuche angeſtellt hat; aber ſie hatte doch 
ſehr unangenehme Folgen. Die Trennung zwiſchen 
den beiden Partheien wurde nun faſt unheilbar, und 
Alexander verſchlimmerte, nach der Bemerkung des 
Socrates, den Zuſtand der Sache dadurch, daß er 
ſo viele Briefe an die auswaͤrtigen Biſchoͤfe ergehen 
ließ, durch welche er ſie in dieſen Streit verwickelte. 
(Epiphan. Her. 69. c. 3. Socrat. Hiſt. Eccl. L. I. c. 6. 
Sozom. Hift. Eccl. L. I. c. 15. Theodoret. Hift. Ecel. 


L. I. c. 2 — 5. 


Zu Alexandrien ſelbſt ergriffen nicht wenige von 
dem Volke aus Mitleiden die Parthey des Arius, 
weil ſie glaubten, daß ihm zu hart begegnet wuͤrde. 
Er machte nun mit feinen dortigen Anhängern eine bes 
ſondere Gemeine aus; ſie ſuchten aber doch mit ihrem 
Biſchof wieder ausgeſoͤhnt zu werden, und ſchickten 
deswegen ihr Glaubensbekenntniß an mehrere auswaͤr⸗ 
tige Biſchoͤfe, mit dem Erſuchen, bey Alexandern 
eine Fuͤrbitte für fie einzulegen, oder fie über ihren 
Glauben eines beſſern zu belehren. Dieſer Schritt 
that ihrer Sache große Dienſte. Sie wurde immer 
mehr zu einer allgemeinen Kirchenangelegenheit; und 
obgleich einige Biſchoͤfe von Alexandern verlangten, 
die Arianer nicht eher in die kirchliche Gemeinſchaft 
wieder aufzunehmen, als bis ſie ihre Meinungen ab⸗ 

gelegt 


PFPFFrrFrFrArArArArPrVrVrVrVrrr'rrr m 2 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 337 


gelegt haͤtten; fo gab es doch verſchiedene durch ihre 
Sitten ehrwuͤrdige und beredte Biſchoͤfe, welche ihn F. 5 
vielmehr um das Gegentheil baten. Nachdem fie die. 206 
fes öfters fruchtlos gethan hatten, ſahen fie die Wei- bis 
gerung des Biſchoſs als eine Beſchimpfung an, und 337. 
nahmen den Artus mit deſto groͤßerm Eiſer in ihren 
Schutz an. Insbeſondere hielt ſich der Nicomediſche 
Euſebius durch den Alexandriniſchen Biſchof beleidigt, 

weil dieſer in feinen Briefen fich uͤber ihn vorzüglich bes 
ſchwert hatte. (Socrat. et Sozom. Il. cc.) . Dieſer Euſe⸗ 
bius, der vornehmſte unter allen Anhaͤngern des Arius, 

und nach dem Epiphanius, (Her. 69. c. 9.) fein Mit⸗ 
ſchuͤler bey dem Märtyrer Lucianus, hatte ſich den 
Ruhm eines ſehr gelehrten Mannes erworben; war nicht 
allein in der Kirche uͤberhaupt hoch geachtet, ſon— 
dern galt auch viel an dem kaiſerlichen Hofe, der ſich 
eben zu Nicomedien auf hielt, beſonders bey Conſtan⸗ 
tins Schweſter, Conſtantia, der Gemahlinn des Li⸗ 
cinias. Er wird ſonſt von dem Kaiſer ſelbſt (beym 
Theodoretus, (Hiſt. Ecel. L. I. c. 20.) als ein ehema⸗ 
liger gewaltſamer Anhaͤnger des Licinius beſchrieben. 

Da ein ſolcher Mann ſich des Arius lebhaft annahm: 

ſo konnte die Angelegenheit deſſelben nicht leicht auf dem 
gewoͤhnlichen Wege geſchlichtet werden: und wuͤrklich 
war der Antheil des Euſebius an derſelben eine Haupt⸗ 
urſache des Feuers, das ſich nach und nach daraus 
entzuͤndete. 


Arius hatte ſich unterdeſſen nach Palaͤſtina bege⸗ 
ben. Er beklagte ſich zwar in ſeinem Schreiben an 
den erſtgedachten Euſebius, (Epiphan. Hær. 69. c. 3.) 
daß ihn ſein Biſchof aus Alexandrien vertrieben habe; 
allein das iſt ſchwerlich von Befehlen und Gewaltthaͤ— 
tigkeiten zu verſtehen. Er merkte vermuthlich, daß 
feine Parthey in der gedachten Stadt und in ganz Yes 
V. Theil. N gypten 


338 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


i aypten ſich nicht lange gegen das Anſehen Alexan⸗ 
G ders würde behaupten koͤnnen, und ſuchte daher eine 
306 maͤchtige Huͤlfe in auslaͤndiſchen Gegenden. In der 
bis That fand er fie auch nach feinem Wunſche. Euſe⸗ 
337. bius zu Nicomedien, zu welchem er nachmals teibft 
reiſte, billigte nicht nur in einem Schreiben an den 
Arius die Lehre deſſelben, daß der Sohn Gottes 
vor feiner Jeugung vom Vater nicht vorhan⸗ 
den geweſen ſeyn koͤnne, vollkommen, wie man 
aus einer Stelle dieſes Schreibens beym Athanaſtus 
(de Synodis Arim. et Seleuc. p. 683. ed. Commel) 
ſieht. Er erklaͤrte ſich darüber noch ausführficher in 
einem Schreiben an den Paulinus, Biſchof von Ty⸗ 
rus, das Theodoretus (Hist. Eccl. L. I. c. 6.) abs 
geſchrieben hat, und worinne auch der „für chriſtliche 
Biſchoͤfe bisher ungewöhnliche Titel, Herr, (dermö- 
rue) merkwuͤrdig iſt. Zuerſt wirft er dem Paulinus 
vor, daß er nicht, wie Euſebius zu Caͤſarea, ſeine 
wahre Meinung uͤber dieſe Streitigkeit ſchriftlich an 
den Tag gelegt habe. Sodann fahrt er fort: Wir has 
ben nie gehoͤrt, daß zwey Ungezeugte waͤren; noch daß 
Eines in zwey getheilt worden; noch daß ſolches etwas 
Koͤrperliches gelitten habe. Vielmehr iſt Eines unge⸗ 
zeugt, und Eines iſt von dem andern wahrhaftig, aber 
nicht aus dem Weſen, gezeugt. Dieſes hat an der 
Natur des Ungezeugten gar keinen Theil, iſt auch nicht 
aus ſeinem Weſen; ſondern es iſt erſt worden, und 
durchaus verſchieden an Natur und Macht; doch zu 
einer vollkommenen Aehnlichkeit der Natur und Macht 
deſſen der es gemacht hat, gemacht. Sein Urſprung 
kann nicht allein mit Worten nicht beſchrieben, ſondern 
auch durch keine Vorſtellung der Menſchen, oder der 
hoͤhern Geſchoͤpfe, begriffen werden. Euſebius ver⸗ 
ſichert, daß er dieſes alles nicht nach bloßen Schluͤſſen 
behaupte; H ſondern aus der heiligen Schrift ſelbſt ge⸗ 
lernet 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 339 


lernet habe. In dieſer Abſicht beruft er ſich auf die > 
Stelle, Spruͤche Salom. C. 8. v. 22. fg. und erinnert F.. 
unter andern, man duͤrfe daraus, weil von dem Sohne 306 
Gottes geſagt werde, er ſey gezeugt worden, noch nicht bis 
ſchlieſſen, er ſey aus dem Weſen des Vaters entſtan- 337. 
den, und habe mit dieſem einerley Natur; indem die 
Schrift auch von Menſchen, und ſogar von lebloſen 
Dingen lehre, daß ſie Gott gezeugt habe. Euſebius 
erſucht zuletzt den Paulinus, das vorher geſagte dem 
Alexander zu ſchreiben: ſo wuͤrde dieſer andere Ge⸗ 
ſinnungen annehmen. 


Die Gewogenheit dieſes und anderer benachbarten 
Biſchoͤfe gegen den Arius gieng ſo weit, daß ſie, nach 
dem Sozomenus, (Hill. Eecl. L. I. c. 15.) eine 
Kirchenverſammlung in Bithynien hielten, von wel⸗ 
cher ſie an alle Biſchoͤfe ſchrieben, ſie moͤchten mit den 
Anhaͤngern des Arius, als mit Rechtglaͤubigen, die 
kirchliche Gemeinſchaft unterhalten, und ſich bemuͤhen, 
den Alexander zu einer gleichen Verbindung zu bewe⸗ 
gen. Da aber dieſer Verſuch ohne Erfolg war: ſchickte 
Arius einige Abgeordnete an die Bifchöfe, Paulinus 
zu Tyrus, Euſebius zu Caͤſarea, und Patrophi⸗ 
lus zu Seythopolis, um fie zu bitten, daß ihnen, obs 
gleich nur Aelteſten, erlaubt werden moͤchte, gottes⸗ 
dienſtliche Verſammlungen zu halten; weil dieſes doch 
einmal zu Alexandrien, unter der Aufſicht des Biſchofs, 
gewöhnlich ſey. Die drey erſtgenannten Lehrer vers 
ſammleten deswegen die übrigen Biſchoͤfe von Palaͤ⸗ 
ſtina, und bewilligten durch einen gemeinſchaftlichen 
Schluß jene Bitte; doch mit dem Zuſatze, daß Arius 
nebſt feinen Mitbruͤdern dem Alexander fernerhin uns 
terworfen bleiben, daß ſie ihn auch beſtaͤndig erſuchen 
ſollten, ſie an dem Kirchenfrieden wieder Theil nehmen 
zu laſſen. Allein die 5 zwiſchen beiden 

2 


Par⸗ 


340 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Partheien befeſtigte ſich vielmehr taͤglich, und zum 

F. N allgemeinen Nachtheil der Kirche. Das Volk trennte 

30 ſich gleichfals darüber in den meiſten Staͤdten und 

bis Doͤrfern, und die Erbitterung mit welcher man von 

337. beiden Seiten ſtritt, gab endlich Gelegenheit, daß die 
Heiden auf öffentlichen Schauplaͤtzen die chriſtliche Re⸗ 
ligion verſpotteten. (Eufeb. vita Conſt. L. II. Cc. 61. 
Socrat. Hiſt. Eccl. L. I. c. 7.) 5 


Conſtantinus fand es nunmehr nothwendig, die 
fo ſehr geſtoͤrte Ruhe durch fein Anſehen wieder herzu— 
ſtellen. Die ähnliche Sorgfalt, welche er bey den bes 
nachbarten Donatiſtiſchen Haͤndeln angewandt hatte, 
und der Eifer, den er als ein neuer Chriſt uͤberall ge— 
gen die Religionsangelegenheiten feiner Glaubensge⸗ 
noſſen aͤußerte, lieſſen folches von ihm ſicher erwarten. 
Vermuthlich haben ihn auch die Vorſtellungen einiger 
Biſchoͤfe dazu aufgemuntert. Er ſchrieb alſo gegen 
den Anfang des Jahrs 324, an beide Hauptperſonen 
in dieſer Streitigkeit, den Biſchof von Alexandrien, 
und den Arius, der damals wieder in die gedachte 
Stadt gekommen war, einen Brief, welchen man beym 
Euſebius (de vita Conſtant. L. II. c. 64 — 72.) 
vollſtaͤndig, einen Theil aber davon beym Socrates 
(Hiſt. Eccl. L. I. c. 7.) antrifft. Nachdem der Kaifer 
darinne ſeiner Bemuͤhungen gedacht hat, eben ſowohl 
die Religionsſtreitigkeiten der Chriſten in Africa beizu⸗ 
legen, als er dem Reiche uͤberhaupt den Frieden ver- 
ſchafft haͤtte, beklagt er es, daß unter den morgenlaͤn⸗ 
diſchen Biſchoͤfen weit betraͤchtlichere Zwiſtigkeiten aus⸗ 
gebrochen waͤren, als in Africa, wohin er einige der— 
ſelben habe ſchicken wollen. Da ſie jedoch, ſetzt er hin⸗ 
zu, ihren Urſprung aus einer ſehr geringen Urſache ge— 
nommen haͤtten, fo hoffe er fie, mit goͤttlicher Huͤlfe, 
durch ſeine Vermittelung deſto leichter zu heben. 


Doch 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 341 


Doch die Vorſtellungen, welche der Kaiſer hierauf An 
beifuͤgt, verdienen hier ganz zu ſtehen. „Ich hoͤre, Fg. 
„ſchreibt er, daß der gegenwärtige Streit auf folgende 306 
„Art angefangen habe. Du, Alexander, haſt deine bis 
„Aelteſten gefragt, was jeder derſelben von einer ge- 337. 
„wiſſen Stelle des Geſetzes, oder vielmehr von einem 
„Stuͤcke einer unnuͤtzen Frage, halte. Du aber, Arius 
„baft dasjenige, was du entweder niemals haͤtteſt den- 
„ken, oder, wenn du es dachteſt, verſchweigen ſollen, 
„unbehutſam herausgeſagt. Solchergeſtalt iſt unter 
„euch Uneinigkeit entſtanden, die beiderſeitige Gemeins 
„ſchaft aufgehoben, das heiligſte Volk in zwo Par— 
„theien getrennt, und von der Uebereinſtimmung des 
„gemeinfchaftlichen Körpers abgeſondert worden. Je— 
„der von euch beiden verzeihe es alſo dem andern, und 
„nehme den billigen Rath eures Mitdieners an. Und 
„was iſt dieſes? Es ſchickte ſich gleich anfaͤnglich nicht, 
„weder eine ſolche Frage aufzuwerfen, noch auf die— 
„felbe zu antworten. Denn dergleichen Streitfragen, 
„welche das Geſetz nicht als nothwendig vorſchreibt, 
„fondern die Zanckſucht einer unnuͤtzen Traͤgheit vor— 
„bringt, wenn ſie gleich zur Uebung der Geiſteskraͤfte 
„angeftellt werden, muͤſſen wir doch lieber innerhalb 
„unfers Verſtandes einſchraͤnken, und fie nicht leicht in 
„öffentlichen Verſammlungen vortragen, noch unvor— 
„fichtiger Weiſe vor die Ohren des Volks kommen lafz 
„ſen. Denn wie viele giebt es wohl, welche die ganze 
„Staͤrke ſo großer und ſchwerer Sachen, entweder ge— 
„nau begreifen, oder wuͤrdig erklaͤren koͤnnen? Sollte 
„man auch glauben, daß dieſes jemand leicht thun koͤn— 
„ne, wie viele wird er wohl vom Volke uͤberreden? 
„Oder wer wird ſich bey der genauen Unterſuchung ſol— 
„cher Fragen, genugſam vor einem gefaͤhrlichen Falle 
„huͤten koͤnnen? Man muß alſo dabey nicht geſchwaͤ— 
„Big ſeyn, damit nicht, weil wir entweder um unſers 
. Y 3 „ ſchwa⸗ 


342 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


O. ſchwachen Verſtandes Willen, die vorgelegte Frage 
. n. , EISA ‚ Z ‚ 22 
„nicht geſchickt genug zu erklaren. wiſſen; oder weil die 
306 „Zuhoͤrer, aus natürlicher Unfaͤhigkeit, das Geſagte 
bis „nicht begreifen koͤnnen, das Volk durch eines von dies 
337. fen beyden zu aͤrgerlichen Reden oder zu einer Trens 
„nung, unvermeidlich verleitet werde.“ 

Der Kaiſer ermahnt beide Gegner noch einmal in 
ſeinem Schreiben, ſich mit einander auszuſoͤhnen, weil 
ſie doch nicht uͤber den Hauptbefehl des Chriſtenthums 
ſtritten, und keine neue Lehre uͤber den Dienſt Gottes 
einfuͤhrten; ſondern einerley Meinung wären, Es fey 
unanſtaͤndig, ſagt er, ja voͤllig unerlaubt, daß ſie, 
die uͤber fo nichtsbedeutende Dinge zankten, ein fo 
zahlreiches Volk Gottes regieren ſollten. Selbſt die 
Philoſophen, die in verſchiedenen Meinungen von ein⸗ 
ander abgiengen, vereinigten ſich doch zu ihren gemein. 
ſchaftlichen Abſichten: wie vielmehr ſollten ſie, als Die⸗ 
ner des großen Gottes, in der Religion uͤbereinſtim⸗ 
men? Daß Bruͤder gegen Bruͤder wegen elender Wort⸗ 

ſtreitigkeiten zu Felde zoͤgen, und dadurch eine gottloſe 
Uneinigkeit in der Gemeine ſtifteten, ſey etwas Poͤbel⸗ 
haftes, und mehr einer kindiſchen Unwiſſenheit, als 
der Einſicht von Prieſtern und klugen Maͤnnern, ges 
maͤß. Laßt uns, ruft er aus, uns freiwillig von den 
teufliſchen Verſuchungen entfernen! Unſer großer Gott 
und allgemeiner Heiland hat uns ein gemeinſchaftliches 
Licht aufgeſteckt. Vergoͤnnt mir, ſeinem Diener und 
Verehrer, daß ich unter ſeiner Aufſicht dieſes Werk zu 
Stande bringe, damit fein Volk durch meine Anreden 
und Ermahnungen wieder zur Einigkeit geleitet werde. 
Ueber die! unerhebliche Frage ſelbſt möchten fie immer 
verſchieden denken, nur ihre Meinungen fuͤr ſich behal⸗ 
ten, und deſto mehr in den vornehmſten Lehren von 
Gott und ſeiner Vorſehung einig bleiben. Er dringt 
in 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 343 


in ſie, ihre alte Freundſchaft zu erneuern, der Gemeine 
die Eintracht, ihm aber ruhige Tage und Sorgenfreye d G. 
Mächte wieder zu geben; ſonſt wuͤrde er Thraͤnen ver⸗ 30 
gieſſen, und kein zufriedenes Leben fuͤhren, wenn das bis 
Volk Gottes, feine Mitdiener, durch eine unbillige 337 
und ſchlimme Zwiſtigkeit getheilt wäre, 


Dieſes Schreiben iſt vielleicht unter allen noch vor⸗ 
handenen Aufſaͤtzen des Kaiſers Conſtantinus über Ges 
genſtaͤnde der Religion derjenige, der ihm am meiſten 
zur Ehre gereicht. Man hat zwar gemuthmaaßt, daß 
ihm die Gedanken deſſelben von dem Biſchof Euſe⸗ 
bius zu Nikomedien, wo ſich der Kayſer eben auf— 
hielt, moͤchten eingegeben worden ſeyn. Allein dieſes 
iſt ſchon deswegen unwahrſcheinlich, weil Euſebius 
der Arianiſchen Streitigkeit ein weit ſtaͤrkeres Ge⸗ 
wicht beilegte, als in dem kaiſerlichen Schreiben ge= 
ſchieht. Die folgenden Begebenheiten machen es eher 
glaublich, daß Hoſius, Biſchof von Corduba, viel 
zu demſelben beigetragen haben koͤnnte. Geſetzt aber 
auch, daß er dieſes Schreiben wuͤrklich entworfen, oder 
daß ſich Conſtantin darinne einen etwas groͤßern Ei⸗ 
fer, als er wuͤrklich empfand, beigelegt hat; ſo iſt 
doch das Urtheil ſelbſt, uͤber das Verhalten, welches 
chriſtliche Lehrer bey ſpitzſindigen theologiſchen Fragen 
zu beobachten ſchuldig ſind, vortrefflich. Das einzige 
was vielen daran anſtoͤßig fallen mußte, iſt dieſes, daß 
der Kaiſer die Streitfrage zwiſchen dem Alexander 
und dem Arius ſchlechterdings vor unbedeutend aus⸗ 
giebt; da doch die Lehre von Jeſu und ſeiner goͤttlichen 
Hoheit fuͤr die Chriſten ungemein wichtig iſt. Zu ſei⸗ 
ner Entſchuldigung kann jedoch manches geſagt wer— 
den. Außerdem, daß er als ein noch jungetaufter 
Chriſt von demjenigen Theil des chriſtlichen Glaubens, 
der ſolchen Lehrlingen nicht ſogleich in; feinem ganzen 

Y 4 Um⸗ 


344 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
Sn Umfange erklaͤrt wurde, leicht einen unrichtigen Be⸗ 
G. ge griff haben konnte, enthält auch fein Schreiben nicht 
306 den Ausſpruch eines Lehrers der Kirche; ſondern die 
bis ſanften und friedliebenden Geſinnungen eines Fuͤrſten, 
337. der die Vertraͤglichkeit unter feinen Unterthanen, nicht 
durch jeden Unterſcheid der Denkungsart ihrer Lehrer 
unterbrochen wiſſen wollte. Da uͤberdieß ſelbſt auch 
die wichtigſten Lehren des Chriſtenthums mit unnuͤtzen 
Fragen uͤberladen werden koͤnnen, und auch ſolche, 
welche Wahrheit in ſich faſſen oder erzeugen helfen, 
oft entbehrlich ſind, weil ſie eine Quelle von Zaͤnkereyen 
abgeben: ſo hatte der Kaiſer vollkommen Recht, den 
beiden Streitenden hierinne Maͤßigung zu empfelen. 
Denn jeder von ihnen hatte in einer Lehre, die er vor 
ein Geheimniß erkannte, feinen Scharfſinn, mit ziem⸗ 
licher Einbildung, gleichſam auf Koſten der heiligen 
Schrift zeigen, die unerklaͤrliche Zeugung des Sohnes 
Gottes erklaͤren wollen: und jeder bekam an den 
Verweis, welchen er verdiente. AR ion 
Mit dieſem Schreiben ſchickte der Kaiſer den Die 
ſchof Hoſius, dem er um dieſe Zeit in Kirchenange⸗ 
legenheiten ſein Vertrauen beſonders ſcheint geſchenckt 
zu haben, nach Alexandrien. Hoſius, der vom Eu⸗ 
ſebius (de vita Conſtant. L. II. c. 63.) als ein gottſee⸗ 
liger, durch aͤchten Glauben, und das in vorigen Zei⸗ 
ten fuͤr die Religion abgelegte Bekenntniß beruͤhmt ge⸗ 
wordener Mann geprieſen wird, war in ſeinem Ge: 
ſchaͤfte, Frieden zu ſtiften, nicht gluͤcklich. (Euſeb. J. 
c. c. 73. Socr. Hiſt. Eccl. L. I. c. 2. 8. Sozom. Hiſt. 
Eccl. L. Lc. 16.) Er machte, wie Socrates (L. III. 
c. 7.) berichtet, bey dieſer Gelegenheit, die Frage vom 
Unterſcheide des Weſens und der Derſon in der 
gaoͤttlichen Dreyeinigkeit, zuerſt recht rege, wohnte 
auch, (nach dem Achanaſius, (Apologia II. p. 1 * 


Lehren und Streitigkeiten des Arius. 345 


T. I. Opp. ed. Commelin. ) einer Kirchenverſammlung > 
zu Alexandrien bey, auf welcher Colluthus abgeſetzt, J. G. 
und, wie einige glauben, auch die Arianiſchen Haͤn⸗ 306 
del vorgenommen wurden. Die wichtigſte Nachricht bis 
würde die beym Philoſtorgius (Hill. Eccl. Epit. 337. 
L. I. c. 7.) befindliche ſeyn, wenn man fie ihm allein 
glauben koͤnnte; nemlich, daß der Biſchof von Ales 
randrien um dieſe Zeit nach Nicomedien gekommen 
ſey, und ſich mit dem Hoſius auch andern Biſchoͤfen 

auf einer Kirchenverſammlung, die den Arius mit dem 
Banne belegt, darinne vereinigt habe, daß man Chri⸗ 
ſtum gleiches Weſens (A) mit dem Vater 
nennen muͤſſe. Der Eifer mit welchem nachher die ſo⸗ 
genannten Rechtglaͤubigen auf das eben gedachte Wort 
drangen, macht es allerdings glaublich, daß ſie daſ⸗ 
ſelbe zeitig mit einander zum Kennzeichen ihrer Lehr⸗ 
richtigkeit feſtgeſetzt haben. Sonſt aber ſcheint die 
Erzaͤhlung des Philoſtorgius verworren und falſch 

u ſeyn. 

An Statt alſo daß die Bemuͤhungen des Kaiſers 

den Kirchenfrieden wieder hergeſtellt haͤtten, wurden die 
Unruhen in Aegypten noch ſtuͤrmiſcher: zumal da auch 

die Meletianiſchen Haͤndel daſelbſt immer fortdauer⸗ 

ten. In den meiſten Staͤdten, ſagt Euſebius, (de 
vita Conſt. L. III. c. 4.) traten Biſchoͤfe gegen Bi⸗ 
ſchoͤfe, und ein Theil der Gemeine gegen den andern 
auf. Der Poͤbel vergieng ſich ſogar in ſeiner Wuth 

fo weit, daß er die öffentlichen Bild ſaͤulen des Kaiſers 
mißhandelte. Noch gab es eine andere, zwar nur un— 
erhebliche, aber doch ſehr alte und allgemeine Uneinig⸗ 

keit unter den Chriſten, uͤber die Feyer des Paſcha, 
die, wenn ſie gleich bisher die Kirchengemeinſchaft 
nicht zerſtoͤrt hatte, doch allerhand unangenehm auf— 
fallende Folgen zeigte. Alles dieſes bewog den Kai- 
ſer, ein bisher ungewoͤhnliches, und wie er hoffte, 

| Y 5 ſehr 


346 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


7 70 kraͤftiges Mittel zur Stillung ſo vieler Bewegun⸗ 
gen anzuwenden. Und dieſes follte eine allgemeine 

SER Kirchenverſammlung von Biſchoͤfen ſeines Reichs en 

bis 

337. Ohne Zweifel war ihm ſolche von einigen Biſhs⸗ 
fen ſelbſt vorgeſchlagen worden; wenigſtens muß er zu 
der Zeit, da er den Entſchluß dazu faßte, ſchon einen 
andern Begriff uͤber die Wichtigkeit der Artaniſchen 
Streitfrage angenommen haben. Er hatte zwar be⸗ 
reits in der Donatiſtiſchen Angelegenheit Kirchen⸗ 
verſammlungen halten laſſen, die einen fruchtloſen Aus⸗ 
gang gewonnen hatten. Vermuthlich aber verſprach 
er ſich von einer noch zahlreichern, die er nunmehr erſt 
zuſammen zu berufen im Stande war, eine deſto ges 
wiſſere Wuͤrkung: fein Vertrauen und feine Ergeben⸗ 
heit gegen die Biſchoͤfe waren auch viel zu ſtark, als 
daß er einen ſolchen Rath verworfen haben ſollte. Es 
iſt wahr, daß ſich fruchtbarere und gewiſſermaaßen an⸗ 
ſtaͤndigere Anſtalten denken laſſen, welche der Kaiſer 
wider alle dieſe Zwiſtigkeiten, beſonders die Ariani⸗ 
ſchen, haͤtte treffen koͤnnen: unter andern ein ſchaͤrſerer 
mit Macht unterſtuͤtzter Befehl wider die Ausſchwei⸗ 
fungen der beiderſeitigen Erbitterung; eine Berath⸗ 
ſchlagung einiger der gemaͤßigteſten Lehrer von beiden 
Partheien, oder wo moͤglich ſolcher, die dabey gar 
keine Parthey ergriffen hatten; und in jeder Gemeine 
eine feierliche Wiederholung desjenigen Glaubens in 
feiner ungekuͤnſtelten Geftaltl, dem die Chriſten vom 
Anfange her zugethan geweſen waren. Doch auf der 
andern Seite hatte der Nahme einer allgemeinen 
Kir chenverſammlung (oecumenica Synodus) et⸗ 
was vielverſprechendes an ſich. Man erwartete von 
derſelben, wie ſchon anderwaͤrts (oben S. 119.) ges 
zeigt worden iſt, die vereinigten Stimmen vieler der 
weiſeſten, gelehrteſten und froͤmmſten Lehrer des Reichs: 
3 und 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 347 


und da ihre Schluͤſſe durch die Beſtaͤtigung des Kai⸗ 
ſers zu allgemeinen Reichsgeſetzen wurden, ſo ward. cz. 
auch deswegen zu hoffen, daß ihnen niemand ungehor⸗ 306 
ſam ſeyn wuͤrde. Man zog daher verſchiedene Be⸗ bis 
denklichkeiten, nachtheilige Folgen und unbequeme Um⸗ 337. 
ſtaͤnde, die ſich bey ſolchen weitlaͤuftigen Verſammlun⸗ 
gen fanden, weniger in Betrachtung. Was auch be⸗ 
reits oben (S. 319.) von den Kirchenverſammlungen 
uͤberhaupt bemerkt worden iſt, daß eine Anzahl ver⸗ 
bundener Biſchoͤſe von ſehr verſchiedenen Faͤhigkeiten, 
unmoͤglich ein Urtheil von Wichtigkeit über Glaubens⸗ 
lehren faͤllen konnte, das gilt in der That noch mehr 
von vielen hundert oder gegen tauſend derſelben. Kein 
Menſch wird glauben, daß der groͤßere Theil dieſer 
Biſchoͤfe eine vorzuͤgliche Geſchicklichkeit zu ſolchen Un⸗ 
terſuchungen beſeſſen habe. Zu den wenigen, die ges 
lehrt, ſcharfſinnig und freymuͤthig genug dazu waren, 
geſellte ſich eine Menge anderer: und es konnte ſich oft 
ereignen, daß nach vorlaͤufigen Verabredungen, alles 
einen ſolchen Ausgang nahm, als wenn nur zween 
oder drey eine Verbindung mit einander errichtet haͤt⸗ 
ten. Die Verwirrung nahm überhaupt bey einer fols 
chen Anzahl, welche durch vorhergehende Streitigkei⸗ 
ten entflammt war, leicht uͤberhand. Dieſe großen 
Verſammlungen verurſachten dem Kaiſer unermeßliche 
Koſten; ohne daß ſie meiſtentheils ihre Hauptabſicht, 
die Beilegung fuͤrchterlicher Händel in der Kirche, er» 
reicht haͤtten. Sie gaben den Biſchoͤfen zum Nach⸗ 
theil der andern chriſtlichen Lehrer, ein hohes und im 
Grunde richterliches Anſehen in Glaubensſachen, und 
halfen die geſetzgebende Gewalt in der Kirche in ihre 
Haͤnde uͤbertragen. Man kann noch hinzuſetzen, daß 
durch eine unter fo vielen Beſchwerlichkeiten veranſtal⸗ 
tete zahlreiche Zuſammenkunft aus fo vielen und enfs 
fernten Laͤndern, die einer Gerichtsverſammlung aͤhn⸗ 
47 


348 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


lich ſah, die Zwiſtigkeiten der chriſtlichen Lehrer ein zu 

5 C fürchterliches Anſehen bekamen, als wenn fie der Res 

306 ligion ſelbſt den Untergang We „ und dieſe nur 

bis durch eine ſolche gemeinſchaftliche Hülfe gerettet were 

337. den koͤnnte. Auch wurde es bald eine natuͤrliche Folge 
des außerordentlichen Antheils, den der Kaiſer an die- 
ſen Verſammlungen nahm, daß ſich politiſche Abfich— 
ten damit verbanden, und nur diejenige Parthey auf 
denſelben die Oberhand behielt, deren Lehrer ſich die 
Gunſt des Hofs erworben hatten. Daß die oͤcume—⸗ 
niſchen Kirchenverſammlungen auch einiges Gute ge= 
ſtiftet haben, beweiſet ihre Geſchichte; aber ob daſ— 
felbe nicht meiſtentheils zweydeutig, und für den Auf⸗ 
wand aller Art zu gering geweſen ſey? daran laͤßt ſich 
mit vielem Grunde zweifeln. 


CLonſtantinus, der an einer fo feyerlichen Ver⸗ 
ſammlung auch eine Nahrung fuͤr ſeine Prachtliebe und 
Freygebigkeit fand, berief die erſte derſelben auf das 
Jahr 225. nach Nicaͤa, einer der vornehmſten Staͤdte 
von Bithynien, in Klein Aſien. Die Befehle, welche 
er deswegen an alle Biſchoͤfe ſeines Reichs ergehen ließ, 
und ſo viele andere Maaßregeln, welche er dabey 
nahm, lehren nebſt dem ausdruͤcklichen Zeugniſſe der 
aͤlteſten Geſchichtſchreiber, (Eufeb. de vita Conſtant. 
L. III. c. 6. 9. Socrat. Hiſt. Eccl. L. I. c. 18. Sozom. 
Hiſt. Ecel. L. I. c. 17. Theodoret. Hiſt. Eccl. L. I. 
c. 7.) hinlaͤnglich, daß die ganze aͤußerliche Anord— 
nung dieſer Verſammlung von der hoͤchſten Gewalt des 
Kaiſers hergekommen ſey. Vergebens haben die neu: 
ern Verfechter der Gewalt der Roͤmiſchen Biſchoͤfe, 
der ganzen Kirchenverfaſſung dieſer Zeiten zuwider, 
behauptet, es ſey die Erlaubniß und das Anſehen des 
Biſchofs von Rom, Silveſter, noͤthig geweſen, um 
eine allgemeine Kirchenverſammlung anzuſtellen. Nicht 

8 einmal 


Kirchenverſammlung zu Nicän. 349 


einmal die Stelle in den Handlungen der ſechſten Scuz ? 3 
meniſchen Synode vom Jahr 680. zu Conſtanti-F. G. 
nopel, worinne geſagt wird, daß Conſtantinus und 306 
Silveſter die Biſchoͤfe zu Nicaͤa verſammlet haͤtten, bis 
kann mehr anzeigen, als daß der Kaiſer fein Ausſchrei- 337. 
ben nicht ohne Rath und Uebereinſtimmung der ange 
ſehenſten Biſchoͤfe vorgenommen, auch durch die Me⸗ 
tropolitanen, unter welchen der Roͤmiſche der vor- 
nehmſte war, es den uͤbrigen bekannt gemacht habe. 
Der Kaiſer ertheilte den Biſchoͤfen für ſich und dieje⸗ 
nigen, welche ſie nach Nicaͤa mitbringen wollten, freye 
Fuhren. Unterdeſſen erſchienen doch daſelbſt beynahe 
keine andere, als aus den Morgenlaͤndern, zu welchen 
die gedachte Stadt ſelbſt gehoͤrte. Die abendlaͤndi⸗ 
ſchen Biſchoͤfe entſchuldigten ſich vermuthlich bey dem 
Kaiſer leicht durch ihre große Entfernung; und außer⸗ 
dem giengen die meiſten Streitigkeiten, uͤber welche zu 
Nicaͤa berathſchlagt werden follte, hauptſaͤchlich nur die 
morgenlaͤndiſche Kirche an. Hoſius allein war von 
Biſchoͤfen der abendlaͤndiſchen gegenwaͤrtig; und im 
Nahmen des Silveſter kamen zween Aelteſten, Vi—⸗ 
tus und Vincentius. Obgleich ſolchergeſtalt dieſe 
Kirchenverſammlung in Anſehung des Umfangs der 
Roͤmiſchen Laͤnder, aus welchen Biſchoͤfe anweſend was 
ren, bey weitem nicht allgemein heiſſen konnte; ſo war 
ſie es doch wegen ihrer Grundlage, und wegen der 
Guͤltigkeit ihrer Geſetze im ganzen Reiche: zwey Um⸗ 
ſtaͤnde, die nachmals auch weniger zahlreichen Syz 
noden den Nahmen und das Anſehen einer oͤcume⸗ 
niſchen verſchafft haben. Zwar kann die Anzahl der 
Biſchoͤfe auf der Nicaͤniſchen Verſammlung nicht un⸗ 
widerſprechlich beſtimmt werden. Euſebius (I. c. 
c. 8.) giebt dieſelbe zweyhundert und funfzig an; Atha⸗ 
naſius aber, der eben ſowohl als er, ein Augenzeuge 
war, verſichert bald, (Synod. Nicaen. decret. p. 402. ad 
So. 


350 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Solitarios, p 660. fg. T. I. Opp. ed. Commelin) es 
Gch wren ohngefaͤhr dreyhundert, oder etwas mehr Bi⸗ 
06 ſchoͤfe geweſen; bald ſetzt er die Zahl auf dreyhundert 
dis und achtzehn, Epiſt. ad Africanos, p. 718.) Allein 
337. dieſe letztere Beſtimmung iſt wohl die wahrſcheinlich⸗ 
ſte, weil ſie faſt von allen Schriftſtellern, die gleich 
auf den Athanaſius gefolgt ſind, und ſelbſt gewiſſer⸗ 
maaßen vom Socrates, (Hiſt. Ecel. L. I. c. 8.) ob er 
gleich ſonſt die eigenen Worte des Euſebius einruͤckt, 
angenommen worden iſt, auch die Nahmen von ſo vielen 
gegenwaͤrtigen Biſchoͤfen noch zu den Zeiten des Epi⸗ 
phanius (Her. 69. c. 11.) bekannt waren. Die von 
fpätern Arabiſchen Schriftſtellern beym Selden (Com- 
mentar. ad Eutychii Origines Alexandrin. p. 71. Lon- 
din. 1642. 4.) auf mehr als zweytauſend Biſchoͤfe er⸗ 
hoͤhete Anzahl hat alles wider ſich. Hingegen war 
die Menge der Aelteſten und Kirchendiener, die ihre 
Biſchoͤfe begleiteten, ungleich zahlreicher, als dieſe. 
Und alle dieſe Anweſende wurden von dem Kaiſer frey 
unterhalten. 


Als die Biſchoͤfe zuſammen gekommen waren, 
nahm die Eroͤrterung der ſtreitigen Glaubenslehren ih⸗ 
ren Anfang. Arius ſelbſt, und beynahe zwanzig Bi⸗ 
ſchoͤfe von feinen Freunden, darunter Euſebius von 
Nicomedia, Theoguis von Nicaͤa, und Maris 
von Chalcedon, ohngefaͤhr die vornehmſten waren, 
hatten ſich auch daſelbſt eingefunden: Maͤnner, die 
beſonders im Diſputiren eine vorzügliche Staͤrke beſaſ⸗ 
ſen. Von der andern Seite hatte der Biſchof Ale⸗ 
gander von Alexandrien feinen Diaconus, den Atha⸗ 
naſius, mitgebracht, der damals zuerſt in dieſen Strei⸗ 
tigkeiten ſich hervorthat; wiewohl er kaum das dreyſ⸗ 
ſigſte Jahr zuruͤckgelegt hatte. Der allergroͤßte Theil 
der Biſchoͤfe erklaͤrte ſich ſogleich wider 1 

a 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤg. 351 


als dieſer feine Sehrfäße von neuem behauptete, daß . 
nemlich der Sohn Gottes aus Nichts hervorgebracht z' G. 
worden, nicht immer vorhanden geweſen, und ein 306 

Geſchoͤpf Gottes ſey, das zum Laſter eben ſowohl als bis 

zur Tugend Faͤhigkeit habe. (Socrat, Hiſt. Eccl. L. I. 337° 
c. 8. 9. Sozom. Hitt. Eccl. L. I. c. 17. 19.) 


Unter andern waren auch, nach dem Berichte des 
Sozomenus, (c. 18.) einige heidniſche Philoſophen 
auf dieſe Kirchenverſammlung gekommen: manche aus 
Neubegierde, um die chriſtliche Religion genauer ken⸗ 
nen zu lernen; andere aber, die wegen der Unterdrüs 
ckung ihrer Religion rachbegierig waren, in der Ab» 
ſicht, durch ſpitzfindige Fragen und Einwuͤrfe, Unei⸗ 
nigkeit unter den chriſtlichen Lehrern auszuſtreuen. Eis 
ner darunter von vorzuͤglicher Beredſamkeit ſpottete 
nur der Biſchoͤfe, die ihn ſohngeachtet ſie nicht ungeuͤbt 
in ſolchen Kuͤnſten waren, dennoch durchaus nicht zum 
Stillſchweigen bringen konnten. Zuletzt trat ein alter 
ungelehrter Biſchof, der ehemals ein Bekenner der Re⸗ 
ligion geworden war, hervor, und erhielt die Erlauba 
niß, dieſen fuͤrchterlichen Gegner zu bekaͤmpfen. „Phi⸗ 
„oſoph, ſagte er zu demſelben, höre mich im Nahmen 
„Jeſu Chriſti! Es iſt Ein Gott, der Himmel und 
„Erde, alles Sichtbare und Unſichtbare geſchaffen, 
„alles dieſes durch die Kraft ſeines Sohnes gemacht, 
„und durch die Heiligkeit ſeines heiligen Geiſtes ge⸗ 
„ſtaͤrkt hat. Dieſes Wort nun, das wir den Sohn 
„Gottes nennen, hat aus Mitleiden gegen den Irr— 
„thum und das thieriſche Leben der Menſchen, von eis 
„nem Weibe gebohren werden, unter den Menſchen les 
„ben, und für fie ſterben wollen. Er wird aber wies 
„der als ein Richter über alles was in dieſem Leben ge⸗ 
„ſchehen iſt, kommen. Daß dieſes ſich fo verhalte, 
„glauben wir ohne viele Unterſuchung. Bemuͤhe dich 

f valſo 


352 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fc nicht vergeblich, auf eine Widerlegung deſſen 

Glowas der Glaube als richtig annimmt, zu denken; 

306 „oder nach der Art und Weiſe zu forſchen, wie dieſes 

bis „geſchehen oder nicht geſchehen koͤnne. Vielmehr, 

337., wenn du glaubſt, fo antworte mir auf meine Frage.“ 
Beſtürzt durch dieſe Anrede, ſagte der Philoſoph: ich 
glaube. Er dankte zugleich dafür, daß er uͤberwun— 
den worden waͤre; verſicherte, daß dieſe ploͤtzliche Ver⸗ 
aͤnderung bey ihm durch Gott ſelbſt gewuͤrkt worden 
ſey, und ermahnte auch die übrigen Philoſophen, ſei⸗ 
nem Beiſpiele zu folgen. — Neuern Leſern kann es 
freylich verdaͤchtig vorkommen, daß ein ſo beredter und 
ſcharfſinniger Mann bloß durch das ungekuͤnſtelte Glau⸗ 
bensbekenntniß eines Ungelehrten beſchaͤmt und uͤber⸗ 
zeugt worden ſeyn ſollte. Auch hilft eine aͤhnliche Ge⸗ 
ſchichte, die Sozomenus gleich darauf beifuͤgt, nach 
welcher ein Biſchof, der zwar ein rechtſchaffener Mann, 
aber ſonſt den heidniſchen Philoſophen gar nicht ges 
wachſen war, einen von dieſen bloß dadurch zum 
Stillſchweigen gebracht haben ſoll, daß er ihm im 
Nahmen Chriſti das Reden verbot; dieſe unwahr⸗ 
ſcheinliche Erzaͤhlung hilft die Glaubwürdigkeit der vor⸗ 
hergehenden eben nicht beſtaͤtigen. Unterdeſſen findet 
ſich die erſtere, wiewohl mit etwas veraͤnderten Um⸗ 
ſtaͤnden, auch beym Socrates, (Hiſt. Eccl. L. I. 
c. 8.) und das Glaublichſte an derſelben bleibt immer 
dieſes, daß auch die kuͤrzeſte und einfaͤltigſte Vorſtel⸗ 
lung der Hauptlehren des Chriſtenthums zu viel Edles 
und Großes an ſich habe, als daß ſie nicht ſelbſt bey 
den Feinden deſſelben plöglichen Eindruck machen 
koͤnnte. Wenigſtens haͤtte eine ſolche Begebenheit 
den Lehrern der Nicaͤniſchen Verſammlung die kunſt⸗ 
loſe Erklaͤrung der ee Pe deſto 
mehr empfelen ſollen. 


| End⸗ 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 353 


Endlich langte der Kaiſer zu Nicaͤn an, um ſeing. bi, 
angefangenes Werk ſelbſt zu vollenden. Sogleich K. G. 
uͤberreichten ihm viele Biſchoͤfe Bittſchriften gegen ein 306 
ander, in welchen fie allerley Beſchwerden vortrugen. bis 
Den Tag darauf wurde die Verſammlung auf einem 337. 
Saale des kayſerlichen Palaſtes gehalten. Als der 
Kaiſer, von ſeinen Hofleuten begleitet, dahin kam, 
blieb er oben bey einem kleinen goldenen Stuhle ſtehen, 
auf welchem er ſich nicht eher niederſetzte, als bis ihn 
die Biſchoͤfe durch einen Wink dazu eingeladen hatten, 
worauf ſie ſeinem Beiſpiele folgten. Derjenige unter 
ihnen, der ihm zur Rechten zuerſt ſaß, und allem An⸗ 
ſehen nach Euſtachius, Biſchof zu Antiochien war, 
hielt darauf eine Anrede an den Kaiſer, in welcher er 
Gott fuͤr die dem Fuͤrſten erwieſene Wohlthaten dankte. 
Nun ſprach der Kaiſer ſelbſt, bezeigte ſein ungemei⸗ 
nes Vergnügen darüber, die Biſchoͤfe verſammelt zu 
ſehen, und ermahnte ſie lebhaft zur Wiederherſtellung 
der Einigkeit in der Kirche, deren Störung ihm ges 
faͤhrlicher als alle Kriege, vorkaͤme. Um ihnen zu zei⸗ 
gen, wie ernſtlich er ihre Zwiſtigkeiten unter einander 
verabſcheue, ließ er alle Klageſchriften, die ſie eingegeben 
hatten, vor ihnen verbrennen, und ſetzte die Worte hin⸗ 
zu: Chriſtus befiehlt, daß derjenige ſeinem Bruder 
vergebe, welcher fuͤr ſich ſelbſt Vergebung wuͤnſcht. 
(Euſeb. de vita Conſtant. L. III. c. 10 — 12. So- 
crat. Hiſt. Eccl. L. I. c. 8.) Allein nach dem 50303 
menus (Hiſt. Eccl. L. I. c. 17.) gab er noch einen be⸗ 
ſondern Grund dieſes Verfahrens an, der zur Demü« 
thigung der Biſchoͤfe weniger beitrug, und feiner aus 
nehmenden Ergebenheit gegen ſie gemaͤß war. Dieſe 
Anklagen, ſagte er, gehoͤren vor den Tag des großen 
Gerichts, da alles von dem aligemeinen Richter ge— 
richtet werden ſoll. Für mich aber, der ich ein Meuſch 
bin, ſchickt es ſich nicht, mir die gerichtliche Unterſu⸗ 
V. Theil, 3 chung 


354 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
Tn chung darüber anzumaaßen, da es Prieſter ſind, wel⸗ 
F Gl. che klagen, und auch welche verklagt werden. Denn 
306 ſie ſollten ſich nicht ſo auffuͤhren, daß ſie von andern 

bis gerichtet werden muͤßten. | 
337- | 


Hierauf überließ Conſtantinus die weitere oͤffent⸗ 
liche Eroͤrterung der kirchlichen Streitigkeiten den Vor⸗ 
ſitzern der Kirchenverſammlung. Schon dieſer Aus⸗ 
druck des Euſebius (I. c. cap. 13. Fols myoedgais) 
zeigt deutlich genug an, daß der Vorſitz und die damit 

verbundene Aufſicht und Leitung der Geſchaͤfte, nicht 
von Einem Biſchof, ſondern abwechſelnd von mehrern 
gefuͤhrt worden ſey, denen dieſe Ehre nach der laͤngſt 
eingefuͤhrten Kirchenverfaſſung zukam. Die beiden 
vornehmſten anweſenden Metropolitanen waren Eu⸗ 
ſtathius von Antiochien, und Alexander von Ale⸗ 
xandrien. Es iſt alſo nichts wahrſcheinlicher, als 
daß bald jener, bald dieſer, ſeinen Rang hierinne be⸗ 
hauptet habe. Wuͤrklich findet man auch, daß der 
erſtere von Schriftſtellern des fuͤnften Jahrhunderts 
(infonderheit vom Theodoretus, Hiſt. Ecel. L. I. 
c. 6.) als der erſte Biſchof auf der Kirchenverſamm⸗ 
lung angegeben wird: und von dem letztern ſagt die 
Verſammlung ſelbſt in ihrem Schreiben, (beym So⸗ 
crates, Hiſt. Eccl. L. I. c. 9.) daß er einen Haupt⸗ 
antheil an allem was ſie vorgenommen gehabt habe. 
Gleichwohl haben viele in den mittlern und neuern Zei⸗ 
ten es vor ausgemacht gehalten, daß der Biſchof Ho⸗ 
ſius den Vorſitz gefuͤhrt habe: nicht nur, weil der 
Biſchof Gelaſius von Cyzicum im fuͤnften Jahr⸗ 
hunderte (Acta Concil. Nic. p. 423. T. I. Harduini 
Act. Coneilior.) ihn die Schlüffe der Kirchenverſamm⸗ 
lung zu allererſt, und zwar im Nahmen des Roͤmi⸗ 
ſchen, auch aller andern abendlaͤndiſchen Biſchoͤfe, un⸗ 
terſchreiben laͤßt; ſondern, weil ihn auch Euſebius 
mich | (c. 7.) 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 355 


le. 7.) unter allen anweſenden Biſchoͤfen allein, und 
Socrates (c. 13.) zuerſt nennt; Athanaſius aber &. G. 
(Apolog. ad Conſtantium, p. 547. ad Solitarios, p. 306 
648. T. I. ed. Comm) verſichert, er ſey der Vorfte bis 
her und Anführer aller Kirchenverſammlungen gewe- 337. 
ſen. Allein es iſt gewiß, daß Hoſius, nach der 
kirchlichen Einrichtung ſeiner Zeit, weder als Biſchof 
von Corduba, noch im Nahmen eines der erften Yes 
tropolitanen, den eigentlichen Vorſitz (ge 
habe bekleiden koͤnnen. Die Sammlung des Gela⸗ 
ſius, welche aus guten und ſchlechten Quellen, ohne 
ſonderliche Beurtheilung, zuſammen getragen iſt, kann 

hier zu keinem Beweiſe dienen. Selbſt die Unter⸗ 
ſchriften dieſer Kirchenverſammlung beym Harduin 

d. c. p. 311. g.) find übel zuſammenhaͤngend, und 
widerſprechen zum Theil den aͤlteſten Geſchichtſchrei⸗ 
bern. Und wenn darinne Soſius noch vor den bei— 

den roͤmiſchen Aelteſten, die an Statt ihres Biſchofs 
unterſchrieben vorkommt: ſo iſt es offenbar, daß er, wie 

bey den Schriftſtellern, nur wegen des großen Anſe⸗ 
hens, in welchem er bey dem Kaiſer ſtand, der in 

den Kirchenſachen meiſtentheils alles nach ſeinem Rathe 
veranſtaltete, eine fo vorzuͤgliche Stelle bekommen ha— 

be. Die alte Meinung, daß er Praͤſident der Nicaͤ⸗ 
niſchen Verſammlung geweſen ſey, iſt von dem Herrn 
Prof. Auguſt Wilhelm Erneſti, meinem werthe⸗ 
ſten Freunde, (Dill. qua Hoſium Concilio Nicaeno 
praeſediſſe, oftenditur, Lipf. 1758. 4.) gelehrt und 
uͤberzeugend widerlegt worden. Sie hat ſich in der 
Roͤmiſchen Kirche beſonders deſto laͤnger erhalten, weil 
einige Verehrer der Paͤbſte eine Perſon ſuchten, durch 
welche der abweſende Roͤmiſche Biſchof die hoͤchſte Ge⸗ 
walt über die Kirchenverſammlung ausgeuͤbt hätte, 
und fie am Soſius zu finden glaubten. 


32 Ge⸗ 


356 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


n Gewiſſermaaßen fuhr der Kaiſer ſelbſt fort, die 
Lo Oberaufſicht uͤber die Kirchenverſammlung zu verwal⸗ 
6 ten. Er wohnte, wie Euſebius (de vita Conſtant. 
bis L. III. c. 13.) berichtet, den Unterredungen der ſtrei⸗ 
337. tenden Biſchoͤfe bey, hörte zwar die hitzigen Vorwuͤr⸗ 
fe, die fie einander machten, geduldig an; vergaß 
aber niemals, ſie zur Maͤßigung und Einigkeit zu er⸗ 
mahnen. Er half bald der einen Parthey, bald der 
andern; brachte einige durch Gruͤnde, andere durch 
Bitten oder durch Lobſpruͤche, auf feine Seite; allen 
aber begegnete er mit ſolcher Sanftmuth, daß er end⸗ 

lich ſeinen Endzweck, eine Vereinigung zu ſtiften, er⸗ 
reichte. Nach dem Theodoretus (Hill. Eccl. L. I. 

c. .) erinnerte er ſie ſogar, er, ein noch ungetauſter 
Chriſt, der noch nicht weit uͤber die Anfangsgruͤnde 

der Religion hinausgekommen ſeyn konnte, ſie moͤch⸗ 

ten alle Streitfragen bloß nach den Zeugniſſen der 
göttlichen Schriften der Propheten, Evangeliſten und 


Apoſtel entſcheiden. 


Da unterdeſſen alles eine ſolche Wendung gewann, 
daß man voraus ſehen konnte, die Arianiſche Par⸗ 
they muͤſſe unterliegen, ſuchte der Biſchof Euſebius 
von Nicomedien, der die Hauptſtuͤtze derſelben war, 
durch geheime Fuͤrbitten bey dem Kaiſer, ſich wenig⸗ 
ſtens in ſeinem Amte zu erhalten. (Theodoret. I. c. 
c. 20.) Er und ſeine Freunde uͤbergaben der Kir⸗ 
chenverſammlung ein Glaubensbekenntniß; das aber 
ſogleich von den Biſchoͤfen, mit Bezeigung ihres Ab⸗ 
ſcheues über die darinne enthaltene Lehre, zerriffen 
wurde. (Theodoret. c. 7. 8.) Hier hat man einige 
Urſache zu zweifeln, ob dieſe Schrift eben daſſelbe 
Glaubensbekenntniß ſey, das Euſebius, Biſchof 
von Caͤſarea, entworfen und den verſammleten Bi⸗ 
ſchoͤfen uͤberreicht hat, das er auch in einem Schreiben 

; 0 beym 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 357 


beym Athanaſius (de decret. Synod. Nicaen. T. IF. m 
Opp. P. I. p. 238. ed. Bened.) Socrates (Hiſt. Ecel. &. G. 
L. I. c. 8.) und Theodoretus (J. cit. c. 12.) mittheilt. 306 
Aber es iſt der Muͤhe werth, dieſes letztere mit der bis 
ganzen Erzählung feines Verfaſſers, erſt hieher zu fe- 337. 
gen, ehe eine ſolche Vergleichung angeſtellt werden kann. 


Euſebius meldet ſeiner Gemeine zu Caͤſarea, er 
habe ein Glaubensbekenntniß aufgeſetzt, das in Ge⸗ 
genwart des Kaiſers vorgeleſen, und von allen recht 
und richtig befunden worden ſey, folgenden Inhalts: 
„Wie wir den Unterricht von unſern Vorgängern, den 
„Biſchoͤfen, erhalten, da wir noch Lehrlinge waren, 
„und da wir getauft wurden; wie wir aus der heiligen 
„Schrift gelernet, und ſowohl im Aelteſten-Amte als 
„im Biſchoͤflichen geglaubt und gelehrt haben: ſo glau⸗ 
„ben wir auch jetzt, und legen euch unſern Glauben 
„vor, welcher dieſer iſt: Wir glauben an Einen Gott, 
„den allmaͤchtigen Vater, den Schoͤpfer von allem 
„Sichtbaren und Unſichtbaren, und Einen Herrn fe; 
„ſum Chriſtum, das Wort Gottes, Gott aus Gott, 
„sicht aus Licht, Leben aus Leben, den eingebohrnen 
„Sohn, den Erſtgebohrnen vor aller Creatur, der vor 
„allen Zeiten ( dusvay) aus Gott dem Vater gezeugt 
„worden; durch welchen alle Dinge gemacht ſind; der 
zum unſerer Seligkeit Willen Fleiſch geworden, unter 
„den Menſchen gelebt, gelitten, am dritten Tage aufs 
„erftanden, und zu feinem Vater aufgefahren iſt, und 
„in Herrlichkeit wieder kommen wird, um Lebendige 
„und Todte zu richten. Wir glauben auch an Einen 
„heiligen Geiſt. Wir glauben, daß jeder von dieſen 
„fen und beſtehe; ( za) ümzozew) daß der Vater 
„wahrhaftig Vater, der Sohn wahrhaftig Sohn, der 
„heilige Geiſt wahrhaftig heiliger Geiſt ſey, wie auch 
„unfer Herr geſagt hat, da er feine Juͤnger zur Pre⸗ 

we 3 3 „ige 


358 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


O, digt ausſandte: Gehet hin, und lehret alle Völker, 
G. »und taufet fie im Nahmen des Vaters, des Sohnes, 
306 und des heiligen Geiftes!“ Euſebius verſichert, daß 
bis er ſtets ſo gelehrt, und auch kuͤnftig lehren werde, 
337. woruͤber er Gott zum Zeugen anruft. Er ſetzt hinzu, 
daß niemand dieſer Glaubensformel widerſprochen ha⸗ 

be; ſelbſt der Kaiſer habe zuerſt bezeugt, daß fie voll⸗ 
kommen richtig ſey, auch alle ermahnt, ihr beyzutreten, 

und ſie zu unterſchreiben: nur daß das einzige Wort 
gleiches Weſens, (eus ο) hinzugefuͤgt werden 
moͤchte. Der Kaiſer habe auch dieſes Wort ſelbſt er⸗ 
klaͤret: daß nemlich der Sohn nicht in einem koͤrperlichen 
Verſtande ſo genannt werde, auch nicht durch eine 
Trennung oder Abſonderung vom Vater beſtehe. Denn 
freylich koͤnne eine Natur, welche ohne Materie, ver⸗ 
nuͤnftig und unkoͤrperlich ſey, keine koͤrperliche Leiden. 
ſchaft zulaſſen; ſondern man muͤſſe es auf eine Gott 
anftändige, obgleich unbeſchreibliche Weiſel verſtehen. 


Bey dem erſten Anblicke dieſer Erzaͤhlung ſcheint 
es gar nicht, daß man das Glaubensbekenntniß des 
Euſebius von Caͤſarea vor einerley mit demjenigen 
halten koͤnne, welches die Artaner uͤbergeben, und 
die ſogenannten Catholiſchen ſogleich verworfen hat⸗ 
ten. Denn dieſe konnten in der Lehre des erſtern un⸗ 
moͤglich etwas zu tadeln finden; und daß es demſelben 
an dem Ausdrucke, gleiches Weſens, fehlte, war 
zu einer Zeit, da man dieſen noch nicht in die Lehrvor⸗ 
ſchrift eingefuͤhrt hatte, kein betraͤchtlicher Mangel. 
Dasjenige aber, was Euſebius von der guten Auf⸗ 
nahme ſeiner Schrift meldet, verdaͤchtig zu machen, 
wie Neuere verſucht haben, dazu hatten ſie keinen an⸗ 
dern Grund, als weil ſie ihn uͤberhaupt als einen Ver⸗ 
theidiger des Arianiſchen Lehrbegriffs betrachteten. 
Freylich iſt dieſes eine ſeltſame und unbillige Laue. 

| 72 


ſchlieſſen, daß ein Schriftſteller, der eine irrglaͤubigeg z 
Parthey beguͤnſtigt „ ſchlechterdings keinen Glauben FG. 
verdiene; ein anderer hingegen, der dieſe Parthey mit 306 
allem Eifer beſtreitet, und durchaus mit den ſchwaͤrze⸗ bis 
ſten Farben abſchildert, (wie es Athanaſius in fo vie. 337 
len Schriften in Abſicht auf die Arianer gethan hat,) 
allein glaubwuͤrdig ſey. Aber eben weil dieſe Den⸗ 
kungsart ſchon damals, wie in allen ſpaͤtern Zeiten der 
Kirche, die herrſchende geweſen iſt, und weil man auch 
dieſen Euſebius ſo zeitig den Ketzern beygeſellt hat, 
läßt ſich auch dieſesz nicht ſchwer erklaͤren, wie fein Auf⸗ 

ſatz, wider den man anfaͤnglich nichts einzuwenden hatte, 
bald darauf vor gefaͤhrlich und verabſcheuungswuͤrdig 
habe ausgegeben werden koͤnnen. Euſebius war, ob 

ihn gleich Arius ſelbſt, wie man oben geſehen hat, un⸗ 

ter ſeine Anhaͤnger rechnete, doch nur in ſofern ein 
Freund deſſelben geweſen, daß er glaubte, der Biſchof 
Alexander ſey dieſem zu hart begegnet, und ihr bei⸗ 
derſeitiger Streit waͤre keiner ſolchen ungeſtuͤmen Hitze 
werth. Sein Glaubensbekenntniß, und die damit 
verbundene eidliche Verſicherung beweiſen genugſam, 
daß er den Lehrſaͤtzen des Arius bisher niemals beyge⸗ 
pflichtet habe. Allein bey ſeiner mildern Geſinnung wollte 

er wenigſtens, auch noch zu Nicqͤa, einen Friedensſtifter 
abgeben: und daß dieſes die Catholiſchen in ihrem 
Mißtrauen gegen ihn beſtaͤrkt habe, zumal da er auch 
nachher immer einigermaaßen in der Mitte zwiſchen 
beiden Partheien blieb, das ſieht man aus ihren nach⸗ 
theiligen Urtheilen, unter welchen ſein Andenken ge⸗ 
litten hat. | 


In aller Betrachtung iſt es ein wichtiger Verluſt, 
daß die aͤchten Handlungen der Kirchenverſammlung 
zu Nicaͤa, oder die feyerlich aufgeſetzten Berichte von 
dem ann Inhalte ihrer Zuſammenkuͤnſte und Be⸗ 

3 4 rath⸗ 


360 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


“ meathfchlagungen untergegangen find, Jetzt koͤnnen wir 
F. G. von dem Gange, den die groͤßte Angelegenheit derſel⸗ 
306 ben genommen hat, kaum nach einigen Vermuthun⸗ 
bis gen urtheilen, weil wir daruͤber beynahe keine andere 
337. Berichte, als von den Gegnern des Atius, beſitzen. 

Nach denſelben hatten die Biſchoͤfe von ihrer Parthey, 
an Wahrheit des Glaubens, gruͤndlicher Gelehrſam⸗ 
keit, Froͤmmigkeit und Heiligkeit des Lebens, den un⸗ 
leugbarſten Vorzug. Sabinus hingegen, ein Biſchof 
von der nachmaligen Macedonianiſchen Parthey ver⸗ 
lacht dieſe Biſchoͤfe beym Socrates (H. E. L. I. c. 8.) 
als einfaͤltige und ungelehrte Leute. Er bedachte nicht, 
ſagt der Geſchichtſchreiber, (e. 9.) ſelbſt unbedachtſam ge⸗ 
nug, daß ſie, wenn ſie gleich unwiſſend waren, doch von 
Gott und durch die Gnade des heiligen Geiſtes erleuch⸗ 
tet worden, und alſo von der Wahrheit nicht haben 
abweichen koͤnnen. Eine Antwort, die darum bemer⸗ 
kenswerth iſt, weil man eben gegen dieſe Zeiten den 
Begriff unter den Chriſten voͤllig eingefuͤhrt hat, daß 
die Kirchenverſammlungen heilige, von Gott geleitete 
Zuſammenkuͤnfte, und ihre Schlüffe untruͤglich waͤren. 
Eben ſo erzaͤhlen die oftgenannten Geſchichtſchreiber, 
daß zu Nicaͤa alles ohne die geringſte Uebereilung, und 
mit der ſorgfaͤltigſten Unterſuchung, vorgenommen wor⸗ 
den ſey; ſo daß man gar nichts Streitiges uͤbrig ge⸗ 
laſſen habe. Athanaſtus inſonderheit meldet, (Sy- 
nodi Nicaen. decret. p. 41 5. q. T. I. ed. Commel:) die 
Verſammlung ſey durch die Verſtellung und die betruͤ⸗ 
geriſchen Kunſtgriffe der Arianer genoͤthigt worden, 
ausdruͤcklich feſtzuſetzen, daß der Sohn Gottes aus dem 
Weſen des Vaters ſey, weil jene die vorgeſchlagene 
Redensart, er ſey aus Gott zwar gebilligt haͤtten; 
aber nur in dem Verſtande, wie auch die Geſchoͤpfe 
aus Gott waͤren. Gleichergeſtalt wären fie bereit ge⸗ 
weſen, mit den Catholiſchen zu ſagen, das Ken 
ey 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 361 


ſey die wahrhaftige Braft, und das Bild desc. 
Vaters, und ihm in allem ohne den geringſten K. G. 
Unterſcheid gleich, und unveraͤnderlich, und 306 
allezeit, und unzertrennlich in ihm. Allein we⸗ bis 
gen ihrer falſchen Deutungen, durch welche ſie dieſe 337. 
Beſtimmungen auf die Geſchoͤpfe gezogen haͤtten, habe 
man lieber das beſtimmteſte Wort: gleiches We⸗ 
ſens, angenommen. Aus der oben ſtehenden Erzah⸗ 
lung des Euſebius hingegen wird es wahrſcheinlich, 

daß der Kaiſer ſchon im voraus mit den vornehmſten 
Biſchoͤfen einig geworden fen, das erſtgedachte Wort 
zur Vorſchrift bey der Erklaͤrung der Gottheit Chriſti 

zu gebrauchen. Die Erlaͤuterungen welche er nach 
eben dieſem Schriftſteller hinzufuͤgte, kamen ohne Zwei⸗ 

fel auch von den Eingebungen der Biſchoͤfe her. 


Die Kirchenverſammlung beſchloß alſo endlich 
durch die allermeiſten Stimmen, zur Behauptung der 
richtigen Lehre wider die Arianer, folgendes Glau⸗ 
bensbekenntniß feſtzuſetzen: „Wir glauben an Einen 
„Gott, den allmaͤchtigen Vater, den Schoͤpfer aller 
„ſichtbaren und unſichtbaren Dinge; und an Einen 
„Herrn Jeſum Chriſtum, den Sohn Gottes, den 
„Eingebohrnen, der aus dem Vater, das heißt, aus 
„dem Weſen des Vaters gezeugt worden; Gott 
„aus Gott, Licht aus Licht, den wahrhaftigen Gott 
„aus dem wahrhaftigen Gott; der gezeugt, nicht 
„gemacht worden, der mit dem Vater gleiches 
„Weſens (H οα ⁰Z) iſt, durch welchen alles gemacht 
„worden, ſowohl was im Himmel, als was auf der 
„Erde iſt; der um uns Menſchen und um unſerer Seek 
„ligkeit Willen herabgekommen, Fleiſch geworden, 
„Menſch geworden, und gelitten hat, der am dritten 
„Tage auferſtanden, in den Himmel aufgefahren iſt, 
„und kommen wird, zu richten die Lebendigen und die 

5 Tod⸗ 


362 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


En ⸗„Todten. Und an den heiligen Geiſt. Diejenigen 
C. „aber, welche fagen: Es war eine Zeit, da er nicht 
06 „war; und: er war nicht, ehe er gezeugt wor⸗ 
bie „den; und: er ift aus Nichts entftanden; oder, 
337. „die behaupten, er fen aus einer andern Subſtanz, 
„(b regcαεν ) oder einem andern Weſen (Se; 
„oder er ſey erſchaffen, oder veraͤnderlich, oder 
„der NAbwechſelung unterworfen, dieſe verflucht 
„(Auer N eHie.üW igel) die heilige, catholiſche und apoſto⸗ 
yliſche Kirche.“ (Socrat. Hift. Eccl. L. I. c. 8. und bey 
andern mehr.) 

Es leuchtet in die Augen, daß dieſes Glaubensbe⸗ 
kenntniß viele Aehnlichkeit mit dem vom Euſebius zu 
Caͤſarea uͤbergebenen habe; überhaupt aber, fo wie 
dieſes, auf den Grund desjenigen Bekenntniſſes er⸗ 
bauet worden ſey, das von alten Zeiten her die $ehr- 
linge des Chriſtenthums, beſonders in den morgenlaͤn⸗ 
diſchen Gemeinen, ablegten, wenn ſie die Taufe em⸗ 
pfangen follten. Daß es beſonders als ein Verwah⸗ 
rungsmittel wider die Arianiſchen Lehrſaͤtze eingerich⸗ 
tet worden iſt, kann den Nicaͤniſchen Biſchoͤfen nicht 
verargt werden, weil ſie dieſelben als grobe Irrthuͤ⸗ 
mer betrachteten; wenn gleich durch dieſe Anſtalt nicht 
ſowohl mehr Ueberzeugung, als mehr aͤußerliche Ein⸗ 
ſoͤrmigkeit im Lehrbegriffe befördert wurde. Daß aber 
in ein Glaubensbekenntniß, welches eben ſowohl fuͤr 
den großen Hauffen der Chriſten, als fuͤr ihre Lehrer 
dienen ſollte, die philoſophiſchen Kunſtwoͤrter, WMWeſen 
und Subſtanz, eingeruͤckt wurden, mußte die Deut⸗ 
lichkeit und Brauchbarkeit deſſelben etwas vermindern. 
Es gehoͤrten bloß Vorſtellungsarten der heiligen Schrift 
von der Gottheit Chriſti in daſſelbe. Und wenn man 
ſagen wollte, daß dieſe nicht faßlich und beſtimmt ge⸗ 
nug waͤren: ſo muͤßte entweder fuͤr den Unterricht der 
Menſchen uͤber jene Lehre durch die heilige Schrift zu 


wenig 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤg. 363 


wenig geſorgt ſeyn; oder einige Biſchoͤfe mehr Faͤhig⸗F. d 
keit gehabt haben, dieſelbe aufzuflären, als Chriſtus F. G. 
und feine Apoſtel. Soll aber die oft entſtandene Un. 306. 
einigkeit über bibliſche Erklaͤrungen, dieſen Gebrauch bis 
von gelehrten Kunſtwoͤrtern rechtfertigen: ſo uͤberlegt 337. 
man nicht, daß die letztern zu noch groͤßern Streitig⸗ 
keiten Anlaß geben koͤnnen, als die erſtere. Nur 
ſchweren und bildlichen Ausdruͤcken der heiligen Schrift 
ſollten andere, aber gemeinverſtaͤndliche und ungekuͤn⸗ 
ſtelte, in ſolchen Aufſaͤtzen vorgezogen werden. Auch 

die Verfluchung der Arianiſchen Meinungen und 
Redensarten ſcheint einem chriſtlichen Glaubensbe⸗ 
kenntniſſe nicht ſehr anſtaͤndig zu ſeyn: unter andern 
ſchon deswegen, weil ſie eine unausloͤſchliche Erbitte⸗ 
rung wider die Chriſten von dieſer Parthey, bey den 
uͤbrigen unterhielt. 


Andere Vorwuͤrfe aber, die man dieſem Glau⸗ 
bensbekenntniſſe in alten und neuen Zeiten, und beſon⸗ 
ders ſogleich von Seiten der Arianer, gemacht hat, 
koͤnnen ziemlich wohl beantwortet werden. Da der 
Ausdruck, gleiches Weſens, das eigentliche Unter⸗ 
ſcheidungszeichen zwiſchen beiden Partheien abgeben 
ſollte: fo würde der Einwurf, daß derſelbe nicht bis 
bliſch ſey, gar nichts zu bedeuten haben, wenn man 
ihn bloß in eine Formel für Gelehrte geſetzt hätte, In 
dieſer Betrachtung wäre auch die Zweideutigkeit deſſel⸗ 
ben, über die man geklagt hat, bald weggefallen; ins 
dem die Catholiſchen den Verſtand deſſelben nach ih⸗ 
rer Abſicht mit vieler Genauigkeit beſtimmt haben. Es 
konnte daher nicht gezweifelt werden, daß ſie durch die⸗ 
fes Wort keine Einheit der Gattung, (unitas fpecifica, 
wie man es zu nennen pflegt;) ſondern eine Einheit 
der Zahl, (unitas numerica) nemlich in Anſehung des 
Weſens, haben anzeigen wollen. Die wichtigſte 70 

denk⸗ 


364 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. wdenklichkeit blieb allemal dieſe, ob nicht das oftgedachte 
N Wort an ſich in dieſem Gebrauche neu geweſen fey, 
306 und ob es nicht einen neuen Glauben unter den Chri⸗ 
bis ſten eingeführt habe? Es iſt gewiß, daß die griechi⸗ 
337° ſchen Philoſophen ſich deſſelben haͤuffig, und in einer 

andern Bedeutung, als die zu Nicaͤa verſammleten 

Lehrer bedient haben; allein die letztern hatten doch 

auch darinne ihre Vorgänger, wie man in der Ges 

ſchichte des dritten Jahrhunderts (Th. IV. S. 174. fad.) 
bereits geſehen hat. Man muß unterdeſſen zugeben, 
daß die Chriſten vor der Nicaͤniſchen Kirchenverſamm⸗ 
lung mehr ſolche Lehrſaͤtze beſtritten haben, welche die 
wahre Perſoͤnlichkeit und Gottheit Chriſti aufhuben, 
als daß ſie dieſe ſelbſt recht ſcharf und genau eroͤrtert 
haͤtten. Jetzt ſchien es mehr als jemals nothwendig 
zu ſeyn, daß ihr ſchwankender Vortrag, ſeine gehoͤrige 

Feſtigkeit erhielt, und nicht leicht war ein Wort dazu 

ſchicklicher als eben das oftgenannte, (etc leg.) Dies 

ſes einfuͤhren, hieß eigentlich nicht den Glauben ver⸗ 
aͤndern; es war nur eine neue Verſicherung der herr⸗ — 
ſchenden Lehre gegen neue Widerſpruͤche. Inſonder⸗ 

heit ſollte der Ausdruck, gleiches Weſens mit dem 

Vater, gerade das Gegentheil von demjenigen feſtſe— 

tzen, was die Arianer von Chriſto lehrten, er ſey 

von dem Vater aus Nichts geſchaffen worden. 

Athanaſius ſelbſt, von dem man den zu Nicäa vor⸗ 

geſchriebenen Lehrbegriff in den neuern Zeiten den Atha⸗ 

ſianiſchen zu nennen gewohnt iſt, weil er ihn am ei⸗ 
ſrigſten unter allen damaligen Lehrern vertheidigt hat; 
ob es gleich wahrſcheinlicher iſt, daß Hoſius den er 
ſten Vorſchlag zu dem feierlichen Ausdrucke (Ress) 
gethan habe, beharrte dennoch nicht ſo unveraͤnderlich 
auf demſelben, wenn beide Partheien über einen an⸗ 
dern gleichbedeutenden uͤbereinkommen koͤnnten. Wenn 
ſich die Arianer, (ſo ſchreibt er (Epift. ad Africanos, 
p. 224. 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 365 


p. 724. T. I. Opp. ed. Commelin.) fo ſehr vor dieſem d. 
Worte ſcheuen: fo mögen fie ganz einfaltig ſagen und KG. 
denken: der wahrhaftige Sohn, der Sohn von 306 
Natur, ( re de, Oboe vin.) Uebrigens bis 
haben Georg Bull, (Defenfio fidei Nicaenae, in 337. 
Opp.) Johann Lami, (de recta Patrum Nicaeno- 
rum fide Difert. Venet. 1730. 4.) und andere mehr, 

ſich viele gelehrte Muͤhe gegeben, zu zeigen, daß zu 
Nicaͤa eben derſelbe Glaube beſtaͤtigt worden ſey, den 
man in der rechtglaͤubigen Kirche von den aͤlteſten Zei⸗ 

ten an bekannt habe. Ihre Sammlungen und Erlaͤu⸗ 
terungen find in der That ſchaͤtzbar: fie haben auch ge⸗ 

gen einige ihrer Zeitgenoſſen zulaͤnglich bewieſen, daß 

die Biſchoͤfe zu Nicaͤa der Kirche keinen ganz neuen 
Glauben aufgedrungen haben. So hatte unter an⸗ 
dern Clericus behauptet, (Art. Criticae Vol. I. P. II. 
ſect. 1. c. 1 5. p. 309. fq. Amſtel. 1730. 8.) der Ni⸗ 
caͤniſche Lehrbegriff ſey nach und nach aus Plato ni⸗ 
ſchen Redensarten gebildet worden. Aber oft genug 
haben doch jene Schriftſteller eine zu ausgekuͤnſtelte 
und gezwungene Uebereinſtimmung zwiſchen den Nicaͤ⸗ 
niſchen Lehrern und ihren Vorgaͤngern angegeben. 


Wiederum iſt auch in Anſehung dieſes zu Nicaͤa 
ausgefertigten Glaubensbekenntniſſes, das Betragen, 
welches Euſebius von Caͤſarea dabey beobachtet hat, 
ſehr merkwuͤrdig. „Nachdem daſſelbe, ſagt er in ſei⸗ 
„nem oben angeführten Schreiben an feine Gemeine, 
„war vorgeleſen worden, haben wir die Ausdruͤcke: 
„aus dem Weſen des Vaters, und: gleiches 
„Weſens mit dem Vater, nicht ohne Unterſuchung 
„gelaſſen. Daraus entſtanden allerhand Fragen und 
„Antworten, und die Bedeutung dieſer Redensarten 
„wurde genau eroͤrtert. Die Biſchoͤfe geſtanden, daß 
„die Worte, aus dem Weſen, anzeigen re 92 

„Sohn 


366 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sohn ſey zwar aus dem Vater; aber er ſey nicht als 
Sar Theil des Vaters vorhanden. In dieſem Ver⸗ 
356 „ſtande, der mit der frommen Lehre uͤbereinkommt, 
bis „haben wir dieſen Worten auch Beifall gegeben. So 
337. haben wir auch den Ausdruck, gleiches Weſens, 
„um der friedlichen Abſicht Willen, die wir ſtets vor 
„den Augen haben, und um den wahren Verſtand 
„nicht zu verfehlen, nicht verworfen. Eben fo haben 
„wir die Worte: gezeugt, nicht gemacht, ange⸗ 
„nommen. Denn ſie ſagten, das Wort gemacht ſey 
„eine; allen! Geſchoͤpfen, die durch den Sohn gemacht 
„worden, gemeine Benennung, denen doch der Sohn 
„gar nicht aͤhnlich ſey; und er fen daher auch nicht et⸗ 
„was Gemachtes, noch den durch ihn gemachten Din⸗ 
„gen aͤhnlich; ſondern eines beſſern Weſens, als alle 
„Geſchoͤpfe. Daß dieſes Weſen aus dem Vater 
„gezeugt ſey, lehret das goͤttliche Wort; ohne daß 
„dieſe Art einer geheimen Zeugung mit Worten ausge⸗ 
„druͤckt, oder von irgend einem Gefchöpfe begriffen 
„werden koͤnnte. So iſt man auch, nachdem man die 
„Worte, daß der Sohn gleiches Weſens mit 
„dem Vater ſey, ſorgfaͤltig unterſucht hat, uͤberein 
„gekommen, daß dieſes nicht auf eine koͤrperliche Art; 
„noch wie es von ſterblichen Thieren geſagt wird; noch 
„von einer Trennung des Weſens; noch von einer Ab⸗ 
„ſchneidung oder Entfernung von dem Weſen und der 
„Kraft des Vaters, zu verſtehen ſey. Denn die unge⸗ 
„zeugte Natur des Vaters geſtatte nichts von dieſem 
„allem. Der Ausdruck: gleiches Weſens mit dem 
„Vater, ſey dergeſtalt zu nehmen, daß der Sohn 
„Gottes gar keine Aehnlichkeit mit den gezeugten Ge⸗ 
„ſchoͤpfen habe; ſondern allein dem Vater, von dem 

„er gezeugt worden, auf alle Weiſe aͤhnlich, auch nicht 
„aus einer andern Subſtanz oder Weſen; ſondern aus 
„dem Vater fen.“ Puſebius ſetzt hinzu, daß ſchon 

| ‚ einige 


Kirchenverammlung zu Nicaͤa. 367 


einige alte und berühmte Bifchöfe ſich des Worts glei Te 
ches Weſens in der ehre von Gott und ſeinem Sohne N G. 
bedient hätten, und daß zu Nicaͤa alle beygetreten waͤ. 306 
ren, nicht ohne Ueberlegung; ſondern nach dem ange- bis 
führten Verſtande. Er habe auch den angehängten 337. 
kirchlichen Fluch angenommen, weil dadurch nur ver⸗ 
boten werde, Ausdruͤcke zu gebrauchen, die nicht in 
der heiligen Schrift ſtuͤnden; als woraus alle Unei⸗ 
nigkeit und Zerruͤttung der Kirchen entſtanden ſey. Es 
faͤnden ſich aber in keiner von Gott eingegebenen Schrift 

die Worte, der Sohn ſey aus nicht vorhandenen 
Dingen gemacht, oder: es ſey eine Zeit geweſen, 
da er nicht war: und er habe ſelbſt auch niemals ſo 
gelehrt. Eben fo wenig habe er es vor unſchicklich ge. 
halten, daß der Ausdruck, er war nicht, ehe er 
gezeugt wurde, verdammt wuͤrde, indem doch alle 
bekenneten, daß der Sohn Gottes vor ſeiner Geburt 
nach dem Fleiſche da geweſen. Es habe auch der Kai⸗ 

ſer durch einen beſondern Grund bewieſen, daß der 
Sohn Gottes, nach ſeiner goͤttlichen Zeugung, vor 
allen Zeiten da geweſen ſey. „Denn ehe er wuͤrklich 
„Eveg ele) gezeugt worden, war er der Moͤglichkeit 
„nach (Sure) im Vater, ohne gezeugt zu ſeyn, indem 
„ber Vater immer Vater iſt, fo wie er auch ſtets Koͤ⸗ 
nig und Heiland, und der Möglichkeit nach alles iſt, 
„auch ſich ſtets auf einerley Weiſe verhaͤlt.“ Zuletzt 
meldet’ Euſebius feiner Gemeine, fie würde hieraus 
ſehen, wie bedachtſam er im Zweifeln und auch im Bei⸗ 

fall geweſen ſey; er habe bis auf die letzte Stunde wi⸗ 
derſtanden, ſo lange ſich noch etwas anſtoͤßiges im 
ſchriftlichen Entwurfe befunden; endlich aber habe er 
denſelben ohne Zankſucht angenommen, nachdem er 
bemerkt habe, daß derſelbe mit dem von ihm uͤberge⸗ 
benen Glaubens bekenntniſſe uͤbereinkomme. 0 


Dieſe 


368 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


s Dieſe Nachricht von einem Manne, der ſo viele 
Ich Wahrheitsliebe und Maͤßigung mit einander verband, 
306 klaͤrt, zum wenigſten meines Erachtens, mehr in der 
bis Geſchichte der Nicaͤniſchen Kirchenverſammlung auf, 
337. als das allgemein abgefaßte Lob, oder der eben ſo aus⸗ 
gedruͤckte Tadel deſſelben bey andern Schriftſtellern. 
Man hat dem Euſebius wegen dieſer feiner Erklaͤ⸗ 
rung, in alten und neuen Zeiten, Argliſt und Verſtel⸗ 
lung Schuld gegeben; er ſoll nur aus Furcht vor den 
von dem Kaiſer angedrohten Strafen, das Symbo⸗ 
lum der Kirchenverſammlung angenommen, oder es 
vielmehr nur nach feiner Denkungsart gedeutet und ges 
dreht haben. Zu allen dieſen Beſchuldigungen berech⸗ 
tigen uns die von ihm vorhandenen Nachrichten, und 
das angefuͤhrte Schreiben inſonderheit, ganz und gar 
nicht; zumal da jene die Geſinnungen und Neigungen 
dieſes Lehrers betreffen. Aber das iſt unleugbar, daß 
er ſeiner Gemeine einen ſehr behutſamen Unterricht 
über die Entſcheidung der großen Streitfrage ertheilt 
habe; daß die Auslegungen des Nicaͤniſchen Glau⸗ 
bensbekenntniſſes unter denen ſelbſt die es unterſchrie⸗ 
ben, nicht voͤllig gleichfoͤrmig geblieben ſind; und daß 
der Kaiſer das meiſte dazu beigetragen habe, die Ge⸗ 
muͤther zu beſaͤnftigen und zu vereinigen; obgleich nicht 
durchaus auf dem geradeſten Wege, auf dem ſie ein⸗ 
ander begegneten. Sein vermeinter Beweisgrund, 
den Euſebius am Ende beibringt, wirft gewiſſer⸗ 
maaßen jeden vorhergehenden rechtglaͤubigen Lehrſatz 
über den Hauffen. Allem Anſehen nach hat Socrates 
eben deswegen dieſen ſo ketzeriſch klingenden Abſatz des 
Schreibens weggelaſſen. Der Kaiſer hatte doch we⸗ 
nigſtens etwas, Auffallendes und Scheinbares geſagt; 
in einem ſolchen Falle aber thun oͤfters auch ſehr un⸗ 
reife Einfälle der angeſehenſten Perſonen ihre Wuͤrkung. 


Elle Außer 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 369 


Außer dem Euſebius von Caͤſarea, weigerten cee 
ſich anfaͤnglich auch alle Freunde der Ariauiſchen Le! 3er 05 5 
re, die zu Nicaͤa gegenwaͤrtig waren, zuſammen ſieb⸗ 3 
zehn Biſchoͤfe, nach dem ee (EHiſt. Eccl. 516 
L. I. c. 20.) das Glaubensbekenntniß, das die uͤbrige 337. 
Verſammlung ausgefertigt hatte, zu unterſchreiben. 
Nach und nach blieben nur fuͤnf davon uͤbrig: Ze 
bius von Ticomedien, Theognis von Ylisas, 
Maris von Chalcedon, Theonas von Marınaa 
rica, und Secundus von Otolemais. Sie ſpot⸗ 
teten, nach dem Berichte des Sozomenus, ‘Hill. 
Eccl. L. I. c. 8.) über den Ausdruck: gleiches We⸗ 
ſens, indem ſolcher, ihrer Meinung zutolge, nur von 
Dingen gebraucht werden koͤnne, die aus einem an⸗ 
dern durch Theilung, Ausfluß oder Ausbruch waͤren; 
auf keine dieſer Arten aber ſich von dem Sohne Gottes 
ſagen lieſſe. Aber auch von dieſen traten die drey er— 
ſtern den andern bey. Da der Kaiſer alle diejenigen 
mit der Landesverweiſung bedrohte, welche ihre Unter⸗ 
ſchrift verweigern wuͤrden: ſo iſt es nicht zu verwun⸗ 
dern, daß ihm beinahe niemand mehr widerſtehen 
konnte. Philoſtorgius (Hilt. Eccl. Epit. L. I. c. g.) 
geſteht, daß dieſe Arianiſchen Biſchoͤfe, die vom 
Nicomediſchen Euſebius auch Euſebia ner ge⸗ 
nannt wurden, ſich nur das Anſehen gegeben haͤtten, 
als wenn ſie den Lehrbegriff der Kirchenverſammlung 
annaͤhmen, indem ſie an Statt des Worts gleiches 
Weſens Claes olos) das im Griechischen falt gleich» 
lautende, aͤhnlichen Weſens, (öuazrıos) ſich eigen 
gemacht haͤtten; ein Kunſtgriff, der ihnen von der 
Schweſter des Kaiſers, Conſtantia, an die Hand 
gegeben worden waͤre. Haben fie wuͤrklich die Kir 
chenverſammlung betrogen: fo ift der gewaltſame 
Zwang, den Conſtantinus wider fie zu gebrauchen 
a 0 deſto tadelnswuͤrdiger. 

V. Theil. A a Arius 


370 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


5 Arius war alſo mit den beiden erſtgenannten Bi⸗ 
Ss C ſchoͤfen, allein von der Kirchenverſammlung getrenn⸗ 
306 geb ieben. Denn daß er den Glauben derſelben ange⸗ 
bis nommen haben ſollte, wie der einzige Hieronymus 
337. (Dialog. contra Luciferian. c. 7.) erzählt, ift billig laͤngſt 
unter die Erdichtungen gerechnet worden. Er wurde 
vielmehr von der Verſammlung, (wie ſie ſelbſt in ih⸗ 
rem Schreiben an die Aegyptiſchen und benachbarten 
Gemeinen, beym Socrates, Hiſt. Ecel. L. I. c. g. 
meldet,) nachdem feine Lehrſaͤtze und Schriften vers 
flucht worden waren, nebſt den beiden Biſchoͤfen aus 
der Kirchengemeinſchaft geſtoſſen: und dieſes galt auch 
ſeine uͤbrigen Anhaͤnger. Verſchiedene derſelben nebſt 
ihm verwies der Kaiſer nach Illyrien. Er gab zu⸗ 
gleich einen Befehl, daß die Schriften des Arius und 
ſeiner Freunde uͤberall zum Verbrennen ausgeliefert 
werden ſollten, und bedrohte diejenigen mit der Lebens⸗ 
ſtrafe, bey denen man ſolche verſteckt antreffen wuͤrde. 
Weiter verordnete er, daß, weil Arius den gottloſen 
Philoſophen und Feind des Chriſtenthums, Porphy⸗ 
rius, in der Beſtreitung der Religion nachgeahmt 
hatte, er und ſeine Anhaͤnger kuͤnftig Porphyria⸗ 
ner heiſſen ſollten. (Socrat. Hiſt. Eccl. L. I. c. 9. So- 
zomen. Hiſt. Eccl. L. I. c. 21.) In allen dieſen Ver⸗ 
anſtaltungen war ſehr viel unuͤberlegte Heftigkeit von 
einem ſchlimmen Beiſpiele. Die anbefohlne Verbren⸗ 
nung ketzeriſcher Schriften, die erſte in ihrer Art, gab 
an ſich ein zu grauſames Mittel ab, die Ausbreitung ir⸗ 
riger Lehrſaͤtze zu vermeiden; fie wurde aber auch eine 
Veranlaſſung, daß unzaͤhliche freyere und nuͤtzliche 
Schriften, unter gleichem Vorwande, nachmals vernich⸗ 
tet worden ſind. So konnte auch die auf die Verbergung 
ſolcher Buͤcher viel zu ſtreng geſetzte Todesſtrafe, und 
der geſetzmaͤßige Schimpfnahme, den die Arianer 
führen ſollten, nichts anders als den aͤußerſten Haß 
ö und 


Kirchenverſammlung zu Niecaͤg. 371 


und Abſcheu gegen fie hervorbringen. Dieſes nach > 
und nach ſo allgemein gewordene Vorurtheil der Chri⸗ fr 
ſten, als wenn die ſogenannten ketzeriſchen Partheien 306 
auf das veraͤchtlichſte und feindſeeligſte behandelt wer⸗ bis 
den muͤßten, brachte ſehr oft Folgen hervor, die man 337. 
gar nicht ſuchte. Sie fanden dadurch den Weg zu al— 

len ſanften Mitteln einer Ausſoͤhnung mit den Catho⸗ 
liſchen verſchloſſen; verſtaͤrkten ſich deſto mehr zu ihrer 
Vertheidigung, und erhielten ſich alſo deſto laͤnger. 
Conſtantinus ſcheint uͤberhaupt mit der Kirchenver⸗ 
ſammlung zu Nicaͤa viel von feiner ehemaligen glim— 
pflichen Geſinnung in Religionsgeſchaͤften verloren zu 
haben. Er hatte aber auch von einer ſolchen Ver⸗ 
ſammlung, nach dem Socrates, (Hif. Ecel. L. I. 

6. 9.) die hohe Meinung angenommen, zu der fie ihn 
eigentlich ſelbſt leitete: dasjenige was dren hundert Bi⸗ 
ſchoͤfe gebilligt hätten, ſey die Meinung Gotces ſelbſt; 
zumal da der heilige Geiſt in den Gemuͤthern ſo großer 
Maͤnner ſeinen Sitz nehme, und ihnen den gönfiehen 
Wilen erklaͤre. 


Nachdem die verſammleten Biſchoͤfe ſolchergeſtalt 
die Arianiſche Angelegenheit entſchieden hatten, nah: 
men ſie auch die uͤbrigen vor, die ihrer Unterſuchung 
empfolen waren. Sie faßten nunmehr einen Schluß 
wegen der Meletianiſchen Handel in Aegypten. Al— 
lein der Inhalt deſſelben iſt bereits oben (S. 285. fg.) 
angegeben, und dabey bemerkt worden, welche Wuͤr⸗ 
kung er gehabt habe. Hierauf kam die Reihe an den 
alten Streit uͤber das Paſcha, oder theils uͤber die 
Oſterlammsmahlzeit, welche jährlich von den Chri⸗ 
ſten zum Andenken des Todes Jeſu gehalten wurde; 
theils uͤber das darauf zu feyernde Feſt der Auferſte⸗ 
hung deſſelben; wovon in der Geſthichte des erſten 
Zeitraums, (Th. III. S. 52. fg.) Nachricht gegeben 

a 2 wor⸗ 


372 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
worden iſt. Noch richteten ſich die Chriſten in Syrien 
und Meſopotamien, in Anſehung jener Mahlzeit, nach 
306 der Zeit, da die Juden ihr Oſterlamm aßen, und be⸗ 
bis giengen auch derſelben zu Folge, das eigentliche Oſter⸗ 
337. feſt. Da aber alle übrige Chriſten einer andern Zeitbe⸗ 

ſtimmung folgten: ſo trug es ſich oft zu, daß ſie in 

dieſen oͤffentlichen Feyerlichkeiten weit von einander ab⸗ 
wichen. Die Kirchenverſammlung verordnete daher, 
daß kuͤnftig alle Chriſten das Auferſtehungsfeſt an ei⸗ 
nerley Tage feyern ſollten. „Es ift ſehr unanſtaͤndig, 
ſagt der Kaiſer, indem er dieſes den Gemeinen, de⸗ 
ren Biſchoͤfe ſich zu Nicaͤa nicht eingefunden hatten, 
in einem Schreiben meldet, beym Euſebius, (de 
vita Conſtant. L. III. c. 18.) und beym Theodoretus 

(H. E. L. I. c. 10.) daß wir hierinne der Gewohnheit 

der irrgläubigen und fo feindfeelig geſinnten Juden fol⸗ 

gen, die in einer ſolchen Verwirrung der Zeiten leben, 
daß ſie zuweilen das Oſterlamm mehr als einmal des 

Jahres eſſen. Wir muͤſſen vielmehr alle den ſeit dem 

Leiden Chriſti uͤblichen Gebrauch beobachten; beſon⸗ 

ders auch deswegen, weil uͤber ein ſo heiliges Feſt keine 

Uneinigkeit bleiben darf.“ Die Kirchenverſammlung 

ſelbſt gab den aͤgyptiſchen Gemeinen in ihrem Schreiben 

beim Socrates, (H. E. L. I. c. 9.) Nachricht davon, 
daß ihre und die Roͤmiſche Gewohnheit in dieſem Theil 
der Religionsuͤbung, auch von allen morgenlaͤndiſchen 

Chriſten angenommen worden ſey. Aus dem Epi 

phanius (Haer. 70. c. 9. fq.) ſieht man genauer, wel⸗ 

che Einrichtung nunmehr die allgemein herrſchende wer⸗ 
den ſollte. Das Oſterfeſt ſollte kuͤnftig ſtets an dem 

Sonntage gefeyert werden, welcher zunaͤchſt auf den Voll⸗ 

mond des Fruͤhlingsaͤquinoctium folgen wuͤrde; fiele 

aber dieſer Vollmond an Einen Tag mit dem Sonntage, 
ſo ſollte das Feſt acht Tage ſpaͤter begangen werden, um 
nicht mit dem juͤdiſchen Oſteen zuſammen zu treten. 

. Ver⸗ 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 373 


Vermuthlich wurde diefe Anordnung der Kirdyen- 
verſammlung darum nicht unter ihre uͤbrigen Geſete d. 
(eanones) geruͤckt; ſondern nur durch Schreiben be. 306 
kannt gemacht, weil die ſorgfaͤltigere Beſtimmung der bis 
Oſterfeier, aſtronomiſche Ausrechnungen und Vor- 337. 
ſchriften erforderte, die von den meiſten anweſenden 
Biſchoͤfen nicht verlangt werden konnten. Zween 
Schriftſteller des fuͤnften Jahrhunderts, Cyrillus 
von Alexandrien, (Epiſt. 64. ad Marcianum) und 
der Roͤmiſche Biſchof Leo der Große, (in Bucherii 
Doctr. tempor. p. 482.) berichten ſogar, die geſamm⸗ 
ten Biſchoͤfe haͤtten jene Beſtimmung den Alexandrini⸗ 
ſchen Biſchoͤfen aufgetragen, weil in ihrer Stadt die 
dazu noͤthigen mathematiſchen Kenntniſſe von Alters 
her gebluͤht harten. Allein da ſich dieſer Umſtand ſelbſt 
in dem vorher angefuͤhrten Schreiben der Synode, wo 
ſie des Alexandriniſchen Biſchofs gedenkt, nicht findet: 
fo ſcheinet die Nachricht mehr aus dem uͤblichen Herz 
kommen in der Kirche entſtanden zu ſeyn. Denn frei⸗ 
lich wandte man ſich in den folgenden Zeiten ſogar von 
Rom aus oͤfters nach Alexandrien, wenn man die Zeit 
des Oſterfeſtes genau wiſſen wollte. Hieronymus 
(Catal. Scriptt. eccleſiaſt. c. 61.) ſchreibt zwar dem 
Euſebius von Caͤſarea die Verfertigung eines Zeitz 
zirkels (Cyclus) von neunzehn Jahren (Enneade- 
caëteris) zu, der nachmals zur Berechnung des Oſterfe⸗ 
ſtes ſo dienlich befunden worden iſt. Man pflegt ihn 
auch ſonſt den Mondzirkel (Cyclus Iunae) zu nennen, 
weil er die Anzahl von Jahren ausmacht, nach deren 
Ablauf die Neumonde und Vollmende auf eben dieſelbe 
Tage des Jahrs wieder fallen, auf welche ſie am er⸗ 
ſten Tage des Zirkels fielen. Daraus iſt nachher die 
noch ſogenannte guͤldene Fahl entſtanden, welche be⸗ 
ſtimmt, das wie vielſte Jahr im Mondzirkel ein ge 
iſſes Jahr nach Chriſti Geburt ſey. Doch dieſe Er⸗ 
518 Aa 3 findung 


14 


374 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


i findung gehoͤrt vielmehr dem Anatolius zu, der ge⸗ 


E. G.gen das Ende des dritten Jahrhunderts lebte, wie 


306 Euſebius ſelbſt (Eliſt. Ecel. L. VII. c. 32.) bemerkt, 
bis und wenn man ſie dem letztern beigelegt hat, iſt es 


337. vielleicht nur wegen feines Buchs vom Paſcha geſche⸗ 


hen in welchem er fie beſtaͤtigt haben mag. Dieſer 
Zeitzirkel wurde auch damals noch nicht zur durch⸗ 
gaͤngigen Vorſchrift der Ausrechnungen des Oſterfeſtes 
gebraucht: und in den neuern Zeiten hat man ihn 
ziemlich mangelhaft zu dieſer Abſicht befunden. Es 
blieb alſo auch nach der Nicaͤniſchen Synode unter 
denen ſelbſt, welche ihrem Befehle wegen des Oſterfe⸗ 
ſtes folgten, noch viele Uneinigkeit über daſſelbe übrig. 
Sie erſtreckte ſich ſo weit, noch im ſechſten Jahrhun⸗ 
derte, daß dieſes Feſt zuweilen in einem Jahre zu drey 
verſchiedenen Zeiten von den Chriſten begangen wur⸗ 
de. Aber es gab auch noch ferner kleine Partheien un⸗ 
ter ihnen, die das Oſterſeſt mit den Juden zu feiern 
fortfuhren. Ihr Ungehorſam gegen eine allgemeine 
Kirchenverſammlung hatte die Folge, daß ſie, wie⸗ 
wohl hart genug, von Kirchenverſammlungen und 
Schriftſtellern (Concil. Conſtantinop. I. can. 7. Epi- 
phan. haer. 50 et 70.) unter die Ketzer gerechnet, auch 
mit einem beſondern ketzeriſchen Spottnahmen (Tec 
geskmdenarircu, Quartadecimani, gleichſam die Vier⸗ 
zehner, weil ſie ihre Oſtern nach dem vierzehnten Tage 
des Juͤdiſchen Monaths Niſan beſtimmten,) belegt 
wurden. Sie haben aber auch, weil ihr Oſtern fruͤ⸗ 
her fiel als der übrigen Chriſten ihres, davon noch ei⸗ 
nen beſondern Nahmen (mewronarxira) erhalten. 
Ueberhaupt iſt die Verſchiedenheit in der Zeitbeſtim⸗ 
mung dieſes Feſtes unter den Chriſten erſt im neunten 
Jahrhunderte gaͤnzlich gehoben worden. Viele nuͤtz⸗ 
liche Nachrichten darüber hat Bingham (Origg. Ec- 
elefiaft. Vol. IX. p. 93. ſq) geſammelt. | 
N Naͤchſt⸗ 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 375 


Naͤchſtdem gab die Nicaͤniſche Verſammlung 19825 

eine Anzahl Geſetze uͤber die innere Verfaſſung der d 
Kirche, uͤber die Lehrer, und die Kirchenzucht. Wie 35 
viel derſelben waren, daruͤber iſt ehemals ohne Noth bis 
geſtritten worden. Denn es giebt nicht allein Theodo- 337. 
retus (II. E. L. I. c. 8.) nur zwanzig an; es haben auch 
dieſe allein, welche noch griechiſch vorhanden fi ſind, alle 
Kennzeichen der Glaubwuͤrdigkeit an ſich. Man lieſt ſie, 
von aͤltern Auslegungen griechiſcher Canoniſten W 
tet, beym Beveridge, (Pandect. Canonum, T. I. p. 
58. fg. auch arabiſch und lateiniſch, p. 68. g.) und 
in der Sammlung des Harduin, (Acta Concilior. 
Tal 319. 4. Andere achtzig, auch wohl vier und 
achtzig vermeinte Canones dieſer Kirchenverſamm⸗ 
lung, die ſich nur arabiſch erhalten haben ſollen, und 
in der lateiniſchen Ueberſetzung auch beym Harduin 
(l. c. p. 463. ſq.) ſtehen, werden zwar noch in der ei= 
gentlichen morgenlaͤndiſchen Kirche, das heißt, bey 
den Jacobiten, Neſtorianern, und andern ſolchen Ge⸗ 
meinen hochgeſchaͤtzt; find. aber nur eine Sammlung 
mancherley kirchlichen Verordnungen, die man, um 
ihnen ein Anſehen zu geben, zugleich mit den ächten, 
den Nieaͤniſchen Biſchoͤfen zugeſchrieben hat. 


Von jenen zwanzig Geſetzen verordnet das erſte, 
daß diejenigen Chriſten, welche einer Krankheit we⸗ 
gen, oder von den Barbaren verſchnitten worden, im 
Lehrſtande bleiben ſollten; nicht aber ſolche, welche ſich 
ſelbſt verſchnitten hätten. Das zweite Geſetz verbie⸗ 
tet, die bekehrten Heiden nicht ſo geſchwind zu taufen; 
noch ſie gleich nach der Taufe unter die Lehrer zu verſe⸗ 
‚Gen, weil doch Unterricht und Pruͤfung Zeit verlang⸗ 
ten. Wuͤrde aber ein ſolcher Lehrer in der Folge durch 
zween oder drey Zeugen einer Verſuͤndigung. uͤberwie⸗ 
e ſo ſollte er abgeſetzt werden, und Diejenigen welche 

Aa 4 fi 


375 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
F ich der Kirchenverſammlung hierinne widerſetzten, ſoll⸗ 
RL F. G. ten ſelbſt Gefahr laufen, ihre geiſtliche Stelle zu ver. 
306 lieren. Sie unterſagte durch das dritte Geſetz allen 
bis Biſchoͤfen, Aelteften , Kirchendienern, und andern, 
337. die zum Clerus gehörten, feine fremde Frauensperſon 
bey ſich im Hauſe zu haben; nur ihre Mutter, Schwe⸗ 
ſter, ihres Vaters oder Mutter Schweſter, und an⸗ 
dere unverdaͤchtige Perſonen ausgenommen. Es war 
immer noch der alte Mißbrauch, unter deſſen Schutze 6 
viele vom geiſtlichen Stande ſich das Anſehen eines 
eheloſen Lebens gaben. Im vterten Geſetze wurde 
befohlen, daß ein Biſchof von allen Biſchoͤfen ſeiner 
Provinz, oder, wenn wichtige Urſachen es verhinderten, 
wenigſtens von drey derſelben, und mit ſchriftlicher 
Einwilligung der uͤbrigen, geweiht werden ſollte. Al⸗ 
les aber, was in jeder Provinz in Kirchenſachen vor⸗ 
genommen wird, ſoll unter dem Anſehen und mit Ge⸗ 
nehmigung des Metropolitans derſelben geſchehen. 


Die beiden folgenden Geſetze gehoͤren unter die 
merkwuͤrdigſten. Nach dem fuͤnften ſollen diejenigen 
welche von einem Biſchof aus der Kirchengemeinſchaft 
ausgeſchloſſen worden find, von einer andern Gemeine 
nicht in dieſelbe aufgenommen werden. Nur wird 
vorausgeſetzt, daß jene Ausſchlieſſungen nicht aus ei⸗ 
ner Leidenſchaft des Biſchofs gefloſſen, und überhaupt 
nicht ungerecht gerathen find, Damit dieſes alſo ge⸗ 
hoͤrig unterſucht werden koͤnne, ſollen jährlich in jeder 
Provinz zwo Verſammlungen aller Biſchoͤfe aus derſel⸗ 
ben gehalten werden: die eine vor dem vierzigtaͤgigen 
Faſten, auf daß man, nach Wegſchaffung aller Haͤn⸗ 
del, Gott ein deſto reineres Geſchenk, (vermuthlich 
des Gebets) darbringen koͤnne; die andere im Herbſte. 
Findet man alsdann die kirchliche Ausſchlieſſung ge 
gruͤndet: ſo fol derjenige den ſie getroffen hat, durch⸗ 

gehends 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 377 
gehends von der Gemeine abgeſondert bleiben, bis sn 
die Kirchenverſammlung vor gut befindet, ihn wieder d. 
aufzunehmen. Man fieht aus dieſem Canon, wie 306 
unabhängig damals die Biſchoͤfe und Gemeinen einer bie | 
jeden Provinz von den andern waren; auch daß man 337 
von den eigenmaͤchtigen Handlungen einzeler Biſchoͤſe, 
bey den jaͤhrlichen Kirchenverſammlungen des Landes, 
eine ſichere Zuflucht gefunden habe. Wenn hier aufs 
ſerdem der viersigtägigen Faſtendeit (recen, 
quadrageſima) gedacht wird: ſo iſt es zwar glaublich, 
daß fen damals viele Chriſten, zum Andenken des 
vierzigtaͤgigen Faſten ihres Erloͤſers, und zu beſſerer 
Vorbereitung auf fein Auferſtehungsfeſt, die vierzig 
naͤchſtvorßzergehenden Tage dergeſtalt zugebracht haben, 
daß ſie ſich bis zum Untergange der Sonne aller Speiſe 
enthielten; wobey aber die dazwiſchen fallenden Sonn⸗ 
tage, als an welchen niemals in der alten Kirche gefa⸗ 
ſtet wurde, ſtets ausgenommen waren. Allein zu ei⸗ 
ner allgemeinen Beobachtung war dieſes noch ſo wenig 
unter ihnen geworden, daß vielmehr auch gegen die 
Mitte des fuͤnften Jahrhunderts, nach dem Socra⸗ 

tes (Hift. Ecel. L. V. c. 22.) und Sozomenus, 
III. e. 19.) hierinne noch eine ſehr große 
Verſchiedenheit, ſowohl in Anſehung der Dauer dieſer 
Faſten, als in Abſicht auf die Speiſen, deren man 
ſich waͤhrend derſelben enthielt, uͤbrig war. 


Hierauf verordnete die Kirchenverſammlung 'in ih⸗ 

rem ſechſten Canon folgendes: „Die alte Gewohn⸗ 
„heit in Aegypten, Libyen und Pentapolis ſoll noch 
ferner beobachtet werden, nemlich, daß der Biſchof 
„von Alexandrien die kirchliche Gerichtsbarkeit uͤber 
alle dieſe Laͤnder habe; fo wie fie der Roͤmiſche Bir 
yſchof gleichfals, dem Herkommen nach, über die Ges 
„meinen gewiſſer Laͤnder hat. Gleichermaaßen ſollen 
Aa 3 vauch 


378 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


„auch der Kirche zu Antiochien, und den Kirchen in 
Glu den übrigen Provinzen, ihre Vorrechte erhalten wer— 
306 „werden. Ueberhaupt iſt es offenbar, daß die große 
bis „Kirchenverſammlung, denjenigen, der ohne Beſtim⸗ 
337, mung des Metropolitans Biſchof geworden iſt, 
„nicht Biſchof bleiben laſſen will. Wenn aber einer 
veinmüthigen und nach den Kirchengeſetzen angeſtellten 
„Biſchofswahl nur von zween oder drey aus Zankſucht 
„toiberfprochen wird: fo ſoll die Meinung der allermei⸗ 
„ſten gelten.“ Nichts kann deutlicher ſeyn, als daß 
durch dieſe Verordnung die Rechte der Metropolita⸗ 
nen, beſonders der groͤßten unter ihnen, die nachher 
Patriarchen genannt wurden, der Biſchoͤfe zu Rom, 
Alexandrien und Antiochien, aufrecht erhalten werden 
ſollten. Meletius hatte einen Eingriff in die Rechte 
des alexandriniſchen Biſchofs gethan, der von ſehr 
unangenehmen Folgen geweſen war. Aehnliche Un⸗ 
ordnungen ſollten alſo daſelbſt, und ſonſt in der ganzen 
Kirche, verhuͤtet werden. Zu mehrerer Erlaͤuterung 
durch ein bekanntes Beiſpiel, wird die kirchliche Ges 
richtsbarkeit des Alexandriniſchen Biſchofs mit derjeni⸗ 
gen verglichen, welche der Roͤmiſche ebenfals in meh⸗ 
rern Provinzen hatte. Dahey wird doch auch den ge⸗ 
ringern Metropolitanen, oder den Hauptbiſchoͤfen 
einzeler Provinzen, ihr Anſehen beſtaͤtigt. 


So klar aber dieſer Inhalt des angefuͤhrten Geſe⸗ 
hes iſt: ſo beruͤhmt iſt es doch durch die daruͤber ent⸗ 
ſtandenen Streitigkeiten geworden, die keinen andern 
Grund haben, als weil man es in einer partheiiſchen 
Abſicht geleſen und erklaͤrt hat. Die eifrigern Diener 
der Roͤmiſchen Biſchoͤfe in den ſpaͤtern Jahrhunderten 
fanden, daß darinne die gedachten Biſchoͤfe mit an⸗ 
dern ihrer Zeit in eine völlige Gleichheit geſetzt wur⸗ 
Bang: und hielten dieſes ihrer Meinung von der hoͤch⸗ 

ſten 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 379 


ſten Gewalt derſelben uͤber die Kirche, mit Recht vor cd 
deſto nachtheiliger, da es das aͤlteſte Kirchengeſetz iſt, x 
das eine ſolche Beſtimmung, und zwar im Nahmen ; 3 
der erſten allgemeinen Kirchenverſammlung, , enthält, 0 
Sie trugen alſo jene ihre Meinung in das Geſetz hin- 337. 
ein, und lieſſen die Nicaͤniſchen Biſchoͤfe fagen, daß den 
Alexandriniſche feine Kirchenprovinzen mit derjenigen 
Gewalt regiere, welche ihm ber Roͤmiſche ſchon lange 
zu uͤberlaſſen gewohnt geweſen ſey; von dem er alſo 
gleichſam nur einen Statthalter abgebe. Um dieſe 
Deutung dem Geſetze deſto mehr aufzudringen, ruͤck⸗ 
ten fie ſchon in ältere lateiniſche Ueberſetzungen deſſelben 
die Worte ein, daß es den oberſten Rang des Roͤmi⸗ 
ſchen Biſchofs in der Kirche betreffe. Wenn etwas in 
dieſem Canon wuͤrklich dunkel waͤre: ſo muͤßte er ſchon 
durch die Ergaͤnzung, welche bereits im vierten Jahr⸗ 
hunderte Bufinus (Hilft. Eccl. L. I. c. 6.) in ſeiner 
Ueberſetzung angebracht hat, die vollkommenſte Deut⸗ 
lichkeit erhalten. Dieſer Schriftſteller ſetzt nemlich 
hinzu, es ſey hier nur von der Aufſicht des Roͤmiſchen 
Biſchofs uͤber die Gemeinen derjenigen Provinzen die 
Rede, welche Rom am naͤchſten lagen, (ecclefiag 
ſuburbicariae) oder der Provinzen, die zu dem Gebiete 
des Statthalters von Rom gehörten, (regiones; ſubur⸗ 
bicariae.) Das würde ohngefaͤhr der mittlere und une 
tere Theil des heutigen Italiens ſeyn. Auch ohne 
den Rufinus wuͤrde man leicht auf die Spur gerathen 
ſeyn, daß der oftgedachte Biſchof als Metropolitan 
keinen groͤßern Kirchenſprengel haben konnte; ob ſich 
gleich dieſer, wenn man den Biſchof als einen der Pri⸗ 
maten oder Patriarchen, betrachtete, uͤber die mei⸗ 
ſten abendlaͤndiſchen Gemeinen erſtreckte. Allein es iſt 
ſelbſt uͤber dieſe Stelle ein neuer Streit entfianden, 
den drey der gelehrteſten Maͤnner des vorigen Jahr⸗ 
hunderts, der Jeſuit Sirmond, Jacob Godefroy 
und 


380 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
und Saumaiſe mit einander geführt haben, indem der 
F erſtere in mehrern Schriſten zu beweiſen ſuchte, daß 
306 die vom Rufinus dem Roͤmiſchen Biſchof beigelegten 
bis Kirchen alle abendlaͤndiſche waͤren. Die Geſchichte 
337. dieſes lehrreich genug fortgeſetzten Streits hat Chri⸗ 

ſtian Rortholt (Commentatio de Ecclefiis ſuburbi- 

cariis, Leipzig 1730. und 1731. 4.) beſchrieben, und 
die Sache ſelbſt ſehr wohl erlaͤutert. Unter den vielen 

Schriftſtellern aber, welche uͤberhaupt die richtige Er⸗ 

klaͤrung des ſechſten Nicaͤniſchen Canon befeſtigt 

haben, ſind nicht nur Proteſtanten, wie Friedrich 

Spanbeim der jüngere, (Dill. ad Can. VI. Nicae- 

nium, de aequalitate veterum metropolewn, in Dif- 

fertt. Lugd. B. 1697. 8.) ſondern auch Roͤmiſchcatho⸗ 
liſche, inſonderheit Edmond KRicher, (Hift. Conci- 

Hor. general. P. I. C. 2. $. 11 fq. p. 49. fq. ed. Co- 

Jon.) Johann Launoi, (de recta Can. VI. Nic. in- 

telligentia, Paris 1662. 8. und in der Vertheidigung 

dieſer Schrift wider des Valeſius Obſervatt. eccle- 
fiaft. in Socrat. et Sozom. ebendaf. 1671. 8.) und 

Duͤ Pin (de antiqua Eccleſ. difeiplina, Diſſ. I. p. 83- 

14.) geweſen. 


Mit dieſem Hirchengeſetze hängt auch noch das 
ſtebente zuſammen. „Weil es, ſo ſchreibt die Nicaͤ⸗ 
yniſche Verſammlung, das Herkommen und eine von 
„Alters her fortgepflanzte Meinung iſt, daß dem Bi⸗ 
yſchof von Aelia ein gewiſſer Vorzug gebuͤhre: fo fol 
ihm derſelbe mit allem dazu gehörigen bleiben. Doch 
„roll auch der Hauptkirche der Provinz ihre eigenthuͤn⸗ 
»liche Würde erhalten werden.“ Die Kirche zu Je⸗ 
ruſalem, (welche Stadt nunmehr nach und nach den 
vom Adrianus empfangenen Nahmen Aelia wieder 
ablegte,) war ſtets unter den Chriſten, als eine von 
Chriſto und den Apoſteln ſelbſt geftiftere Kirche, ur 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤg. 381 


als die Mutter aller übrigen Gemeinen, wie de 
man ſie nannte, mit beſonderer Ehrerbietung angefe- N G. 
hen worden. Zwar konnten die Rechte einer Metro 306 
politan⸗Kirche von Palaͤſtina der Kirche zu Caͤſarea bis 
nicht entzogen werden; ihre Biſchoͤfe mußten daher 337. 
den Vorſitz auf den Kirchenverſammlungen der Pro⸗ 

vinz fuͤhren. Doch wurde den Biſchoͤfen zu Jeruſa⸗ 

lem gewiſſermaaßen ein Vorrang bey andern Gelegen⸗ 

heiten zugeſtanden: und nach und nach haben ſie ſogar 

den Nahmen eines Patriarchen erlangt. 


Ign dem achten dieſer Geſetze traf die Kirchenver⸗ 
ſammlung einige Anſtalten wegen der noch übrigen . 
Novatianer, die noch mehr unter dem Nahmen der 
Reinen (Kad gòôi) bekannt waren. Sie ſollten, wenn 
ſie in die catholiſche Kirche zuruͤckkehren wollten, in 
dieſelbe mit der Bedingung aufgenommen werden, daß 
fie ſchriftlich verſpraͤchen, die zehren derſelben zu beobach⸗ 
ten, das heißt, mit den zweymal verheyratheten und mit 
denen die waͤhrend der Verfolgung abgefallen waren, die 
Kirchengemeinſchaft zu unterhalten; ſo wie die Kirche 
dieſe Buͤſſende nach und nach zu derſelben zulaſſen 
wuͤrde. Diejenigen Novatianer, welche ſich im 
geiſtlichen Stande befaͤnden, koͤnnten, wenn ihnen 
vorher die Haͤnde aufgelegt worden waͤren, darinne 
bleiben. Wenn ſich einer ihrer Biſchoͤfe in einer 
Stadt, wo es bereits einen catholiſchen Biſchof 
giebt, mit der Kirche vereinigt: ſo ſoll er nur einer der 
Aelteſten oder ein Aufſeher einer Sandgemeine werden; 
es müßte ihm denn jener den Ehrennahmen eines Dis 
ſchofs bewilligen. Conſtantinus, der alle von der 
catholiſchen Kirche getrennte Partheien ſcheint mit 
derſelben haben vereinigen wollen, hatte auch den da⸗ 
maligen Biſchof der Novatianer, Aceſius, nach 
Nicaͤa berufen. Als die Entſcheidung uͤber den 5 
n en 


382 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F ben und über das Oſterfeſt daſelbſt zu Stande gekom⸗ 
5 men war, fragte ihn der Kaiſer, ob dieſes auch ſeine 
306 Meinung ſey. Allerdings „antwortete der Biſchof: 
> denn beides iſt von den Zeiten der Apoſtel an, von den 

7 Chriſten angenommen worden. Warum ſonderſt du 

dich denn, fuhr der Kaiſer fort, von unſerer Gemein 

ſchaft ab? Der Biſchof gab die bekannte Urſache an, 
daß ſeine Parthey denen die nach der Taufe eine Todt⸗ 
fünde begangen haͤtten, die Wiederaufnahme in die 

Kirche auf immer verſage; ſie zwar zur Buſſe ermahne; 

aber die Vergebung der Suͤnden dieſelben bloß von 

Gott, der ſie allein ertheilen koͤnne, erwarten laſſe. 

Darauf ſagt der Kaiſer ſpoͤttiſch zum Aceſius, der ſich 

ſolchergeſtalt mit den ſeinigen frey von groben Suͤnden 

glaubte: „Setze dir eine Leiter, auf welcher du allein 
in den Himmel ſteigen kannſt.“ Dieſe Begebenheit, 
welche Socrates (Hift. Ecel. L. I. c. 10.) und So⸗ 
zomenus (Hiſt. Eccl. L. I. c. 22.) erzaͤhlen, hat 
wahrſcheinlicherweiſe etwas dazu beigetragen, daß den 

Novatianern durch das angeführte Kirchengeſetz die 

Ruͤckkehr zu den Rechtglaͤubigen noch mehr erleich- 

tert worden if: und ohnedieß hatte die vornehmſte 

Quelle ihrer Trennung mit den heidniſchen Verfolgung 

gen aufgehört, 


Mehrere folgende Geſetze unter den Nicaͤniſchen, 
betreffen die innere Kirchenzucht noch genauer. Nach 
dem neunten und zehnten ſollen die Aelteſten, welche 
vor ihrer Beſtellung zum Lehramte grobe Verbrechen 
begangen hatten, man mag nun dieſe, als ſie geweiht 
wurden, gekannt haben, oder nicht, ihr Amt verlie⸗ 
ren; beſonders auch diejenigen, welche waͤhrend einer 
Verfolgung vom Glauben abgefallen waren. Eben 
ſolche abtruͤnnige Chriſten kommen im eilften und den 
drey folgenden Geſetzen vor. Diejenigen, welche ohne 

gezwun⸗ 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤn. 383 


gezwungen zu werden, und ohne einige Gefahr, ihre Re⸗ e. 
ligion verleugnet hätten, ſollten, ob fie gleich gar kein dc. 
Mitleiden verdienten, zehn Jahre unter den Buͤſſen. 305 
den bleiben, wenn ſie ſchon getauft waͤren, und noch bis 
zwey andere Jahre vom heiligen Abendmahl ausge» 337%. 
ſchloſſen ſeyn. Dreyzehn Jahre hingegen ſollten die⸗ 
jenigen Kirchenbuſſe thun, welche anfaͤnglich ihre buͤr⸗ 
gerliche Aemter verlaſſen haͤtten, um wegen der Reli⸗ 
gion zu leiden; nachmals aber mit Geringſchaͤtzung die⸗ 

ſer Ehre, ſich eifrig wieder um dieſelben beworben 
hatten. Unterdeſſen ſollte doch der Biſchof die Erz 
laubniß haben, wenn der Buͤſſende viele Merkmale 
der Beſſerung giebt, die Zeit ſeiner kirchlichen Strafe 
abzukuͤrzen. Ueberhaupt ſollte, dem alten Kirchenge⸗ 
ſetze zu Folge, kein Sterbender der letzten und noth⸗ 
wendigſten Wegzehrung (Oe) beraubt werden, 
wenn er ſolche begehrte; doch nicht ohne einige Pruͤfung 

des Biſchofs. Wenn aber ſolchergeſtalt auch ein Buͤſ⸗ 
ſender das heilige Abendmahl empfangen hat, und 
wieder geſund worden iſt: fo ſoll er noch eine Zeitlang 
unter denen bleiben, welche nur mit der Gemeine be⸗ 
ten. Die Lehrlinge, welche der Taufe nahe waren, 
und vom Glauben abfielen, follten drey Jahre hindurch 

in eine niedrigere Claſſe verſetzt werden. g 


Die vier folgenden Verordnungen, von der funf⸗ 
zehnten an, ſind gegen allerhand Mißbraͤuche im 
Lehrſtande gerichtet. Es wird wegen vieler Unruhen 
die daraus entſtuͤnden, die alte Geſetzwidrige Gewohn⸗ 
heit, nach welcher oͤfters ein Biſchof, Aelteſter oder 
Kirchendiener, von einer Gemeine zu einer andern 
verſetzt wurde, verboten; mit angehaͤngtem Befehl, 
daß diejenigen, welche kuͤnftig dagegen handeln wuͤr⸗ 
den, zu der Gemeine welche fie verlaſſen hätten, zu⸗ 
ruͤckkehren ſollten. Eines von den Geſetzen der Kir⸗ 

Bir chen: 


384 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fp chenverſammlung, welches am haͤuffigſten, und bald 
Tc nach ihrer Endigung, uͤbertreten worden iſt; obgleich 
306 in dem folgenden noch beſonders, und bey Strafe des 
bis Verluſtes der Kirchengemeinſchaft geboten wurde, daß 
337. kein Lehrer von feiner Gemeine weichen ſollte. Weiter 
wird jedem Clericus, der Wucher treiben, oder ſonſt 
auf eine niedrige Art Gewinnſt ſuchen wuͤrde, die Ab» 
ſetzung von ſeinem Amte gedroht. Auch verbietet die 
Kirchenverſammlung, daß kein Diaconus den Ael⸗ 
teſten das heilige Abendmahl, das er doch nicht ein⸗ 
ſeegnen kann, reichen, auch keiner ſolches vor jenem, 
oder vor dem Biſchofe, deſſen Diener er iſt, nehmen; 
ſondern von dieſem, oder von einem der Aelteſten be⸗ 
kommen, und beym Gottesdienſte nicht unter den 
Aelteſten ſitzen ſoll; alles bey Strafe ſein Amt zu 
verlieren. 


Von den beyden letzten Nicaͤniſchen Kirchenge⸗ 
ſetzen verordnet das neunzehnte, daß die Paulia⸗ 
niſten, (oder die Anhaͤnger des Paulus von Sa⸗ 
moſata/) wenn fie ſich mit den Catholiſchen vereini⸗ 
gen wollen, wieder getauft, auch diejenigen ihrer Leh⸗ 
rer und Kirchendiener, welche würdig find, es zu bleiben, 
nach empfangener Taufe geweiht werden ſollen. Eben 
dieſes wird in Anſehung der Kirchendienerinnen oder 
Diaconiſſen, vergoͤnnt, wenn ihnen gleich nicht die 
Haͤnde aufgelegt, und ſie nicht zum Clerus gezaͤhlt 
werden. Im zwanzigſten Canon wird endlich be⸗ 
fohlen, daß jedermann am Sonntage, und von Oſtern 
bis Pfingſten, ſein Gebet in der Gemeine ſtehend ver⸗ 
richten ſoll, weil die Gewohnheit einiger, zu dieſer 
Zeit es knieend zu thun, dem alten Herkommen zuwi⸗ 
der laufe. 

Indem die Biſchoͤfe zu Nicaͤa ſich mit der Abfaſ⸗ 
ſung dieſer Geſetze beſchaͤftigten, waren ſie ſchon im 
29 Begriff, 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 385 


Begriff, noch ein anderes zu geben, Kraft deſſen alle &.. 
Biſchoͤfe, Aelteſten und Kirchendiener, ſobald ſie ind 
den aeiftlihen Stand getreten wären , ſchuldig ſeyn 306 
ſollten, fich alles vertrautern Umgangs mit ihren bis- bis 
herigen Ehefrauen zu enthalten. Man ſammlete be: 337. 
reits daruͤber die Stimmen, als Paphnuttus, ein 
aͤgyptiſcher Biſchof, aufſtand, und ſich dagegen ſetzte. 
Er war ein fo gottſeeliger Mann, ſagt der Geſchicht— 
ſchreiber, der dieſes erzählt, (Socrates I. E. L. I. c. 119 
daß er auch Wunder verrichtete. In der Verfolgung 
war ihm ein Auge ausgeriſſen worden: deswegen ſchaͤtzte 
ihn der Kaiſer deſto hoͤher, ließ ihn oftzu ſich kommen, 
und kuͤßte ihn auf jenen Theil des Geſichts. Dieſer Bi⸗ 
ſchof ſtellte den übrigen mit einer gewiſſen Heftigkeit in 
der Stimme vor, man duͤrfe dem geiſtlichen Stande 
fein fo ſchweres Joch auflegen; die Ehe fer etwas ges 
ehrtes, und das Ehebette unbefleckt; man moͤchte der 
Kirche durch uͤbertriebene Schaͤrſe nicht Schaden zufuͤ⸗ 
gen, indem nicht alle im Stande waͤren, eine ſo ſtrenge 
Enthaltſamkeit zu ertragen, und bey einer ſolchen Ans 
ordnung die Keuſchheit einer jeden Ehefrau deſto nes 
niger wuͤrde erhalten werden. Denn eben die genaueſte 
Vereinigung mit einer rechtmaͤßigen Frau, nannte er 
Keuſchheit. Es ſey genug, ſagte er, daß diejenigen 
welche in den Clerus aufgenommen wuͤrden, nach 
dem alten kirchlichen Herkommen ſich weiter nicht ver— 
heiratheten; niemand hingegen duͤrfe von derjenigen, die 
er noch als Laie geſetzmaͤßig zur Frau genommen habe, 
getrennt werden. Paphnutius, der alles dieſes ſo 
eifrig einſchaͤrfte, lebte ſelbſt außer der Ehe, war von 
ſeiner erſten Jugend an in einem Kloſter erzogen, und 
durch ſeine Keuſchheit beruͤhmt worden. Deſto mehr 
Eindruck machten ſeine Reden: es wurde daher ein— 
muͤthig beſchloſſen, daß die Geiſtlichkeit in dieſem Stuͤ⸗ 
cke alle Freiheit haben ſollte, zu handeln, wie fie woll⸗ 

V. Theil. Bb te. — 


386 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Ste. — Dieſe Geſchichte, welche ſich auch beym So; 

& G. somenus (Hift. Eccl. L. I. c. 23.) findet, iſt von ei⸗ 

306 nigen neuern Schriftſtellern der Roͤmiſchen Kirche, 

bis ſelbſt vom Valeſius, Not. ad Socr. et Sozom. I. c.) 

337 vergebens vor eine Erdichtung ausgegeben worden. 

Sie hilft freilich, nebſt vielen andern Begebenheiten 

und Geſetzen, wider die Abſicht dieſer Kirche, bewei⸗ 

ſen, daß man dem Lehrſtande erſt ſpaͤt, und eben ſo un⸗ 
überlege, den eheloſen Stand aufgedrungen habe. 


Mehr von erheblichen und glaubwuͤrdigen Hand. 
lungen dieſer berühmten Verſammlung, iſt in unfern 
Zeiten nicht bekannt. Außer den Geſetzen, die man 
ihr in ſpaͤtern Jahrhunderten ohne Grund deigelegt 
hat, ſind auch Sammlungen von ihren Berathſchla⸗ 
gungen, Unterredungen mit den Arianern, und an⸗ 
dern dahin gehoͤrigen Geſchaͤften oder feyerlichen Schrif⸗ 
ten, (die man unter dem Worte Acta begreift,) zum 
Vorſchein gekommen, die offenbar nicht aus ihrem Zeit⸗ 
alter ſelbſt ſich herſchreiben. Selbſt die aͤlteſte dieſer 
Sammlungen vom Gelaſius aus Cyzicum, iſt, wie 
oben bereits bemerkt worden, von einem ſehr vermifch- 
ten Werthe. Er wollte gegen das Ende des fuͤnften 
Jahrhunderts, die vollſtaͤndigen Akten dieſer Kirchen⸗ 
verſammlung, die alles enthielten, was daſelbſt geſagt, 
vorgenommen und feſtgeſetzt worden, in einer Hand⸗ 
ſchrift gefunden haben. Aber er widerſpricht ſich ſelbſt, 
indem er hinzuſetzt, (Gelaſ. Cyz. Vol. Actor. Conc. 
Nic. p. 348. T. I. Act. Concilior. Harduini,) er habe 
um der Vollſtaͤndigkeit Willen auch andere Schriftſtel⸗ 
ler zu Rathe gezogen. Und wenn man uͤberdieß ſieht, 
daß er aus dem Euſebius, Bufinus und andern 
Geſchichtſchreibern viele Stellen eingeruͤckt, aber den⸗ 
ſelben Zuſaͤtze beigefügt hat, von denen man nicht 
weiß, woher fie kommen; daß er den Rufinus auf 

b der 


Kirchenverſammlung zu Nicaͤa. 387 


der Kirchenverſammlung von Nicaͤa erſcheinen laͤßt, 
der dieſelbe, feines Alters wegen, unmöglich hat beſu. J.. 
chen koͤnnen; auch uͤberhaupt viele unwahrſcheinliche 306 
und gedaͤhnte Berichte miccheilt : fo darf man kaum bis 
zweifeln, daß er alles zuſammengerafft habe, was ihm 337. 
von Schriften und Sagen unter die Haͤnde kam; viel- 
leicht auch bloß zur Uebung aufgeſetzte Streitunterres 
dungen catholiſcher Biſchoͤfe mit Artaniſchen Phi⸗ 
loſophen. Wahres iſt alſo genug darunter; aber es 
alles herauszuſuchen, iſt unmoͤglich. Am ſchaͤrfſten 
und richtigſten hat ihn Launoi in einer leſenswuͤrdi⸗ 
gen Abhandlung von den Vorſitzern der Nicaͤniſchen 
Synode, (Epiſtolar. Parte VIII. Ep. I. p. 697. iq. 
Cantabrig. 1689. fol.) beurtheilt. Mit noch weit 
mehr ſichtbarer Kuͤhnheit hat der Jeſuit Alphonſus 
Piſanus die Geſchichte dieſer Kirchenverſammlung zu 
ergänzen geſucht; (de actis Concilii Nicaeni Libri IV. 
Dillingae 1572. 8. und öfters, auch in aͤltern Conci⸗ 
lienſammlungen gedruckt,) er hat aber nur gezeigt, wie 
es auf dieſer Verſammlung nach den Grundſaͤtzen und 
zum Vortheil ſeiner Kirche, beſonders ihres oberſten 
Biſchofs, haͤtte zugehen ſollen. Aus den bisher haͤuffig 
angefuͤhrten Geſchichtſchreibern, vom Euſebius an 
bis auf den Theodoretus, aus verſchiedenen Werken 
des Athanaſius, dem Buche des Epiphanius uͤber 
die Ketzereyen, ingleichen der Sammlung der Nicaͤ— 
niſchen Kirchengeſetze, mit ihren alten lateinischen 
Ueberſetzungen und Erlaͤuterungen, kann die Geſchichte 
der oftgenannten Verſammlung am lauterſten geſchoͤpft 
werden. So haben dieſelbe auch einige Neuere eroͤr— 
tert, unter welchen Edmond Kicher (in dem vor⸗ 
trefflichen Werke, Hiltoria Concilior. general. L. I. 
6. 2. p. 19. fg. ed. Colon.) zuerſt, obgleich ein Roͤ⸗ 
miſchcatholiſcher, umſtaͤndlich gezeigt hat, daß daraus 
nichts weniger als die alleinige Herrſchaft eines einzi⸗ 
Bb 2 gen 


388 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Fenm l gen Biſchofs über die gefammte Kirche; ſondern viel. 
C. G. mehr die getheilte und gemaͤßigte, unter dem Schutze 
306 und hoͤchſten Anſehen des Kaiſers gefuͤhrte Regierung 
bis der Gemeinen, durch viele von einander unabhaͤngige 
337 Biſchoͤfe, überzeugend bewieſen werden koͤnne. Auſ⸗ 
ſerdem verdienen noch Tillemont, wiewohl er ſehr 
partheiiſch für die Nicaͤniſchen Biſchoͤfe iſt, doch we⸗ 
gen feines überaus ſorgfaͤltigen Fleiſſes, (Memoires, 
T. VI. p. 271. ſq. 354. ſq. ed. fol.) und Thomas 
Ittig, (in Hiftoria Concilii Nicaeni, Lipſ. 1712. 
4.) hinzugefuͤgt zu werden. Mit dieſem letztern Bu⸗ 
che koͤnnen die Nachrichten des Fabricius (Biblioth. 
Graecae Vol. XI. p. 354. fq.) nützlich verglichen werden. 


Alle welche in die Abfaſſung der Schluͤſſe dieſer 
Kirchenverſammlung gewilligt hatten, unterſchrieben 
auch dieſelben, nach dem Euſebius, (de vita Con- 
ſtant. L. III. c. 14.) Aber auf ihre noch vorhandene 
verſtuͤmmelte Unterſchriften, (unter andern in Har— 
duini Act. Concil. T. I. p. 311. ſq.) kann ſehr wenig 
gerechnet werden. Eben dieſe Schluͤſſe wurden auch von 
dem Kaiſer beſtaͤtigt, und zu allgemeinen Reichsgeſe⸗ 
tzen gemacht. Seine Gegenwart allein bey den Ch 
tzungen der Biſchoͤfe, und fein häufiger Antheil an ihren 
Berathſchlagungen, mußten an ſich ſchon fo viel Wuͤr⸗ 
kung thun, als eine feierliche Genehmigung. Dazu 
kamen aber noch die bereits oben angeführten Schrei= 
ben des Kaiſers, (beym Socrates, Hift. Eccl. L. I. 
c. 9.) an die Alexandriniſche, und auch an alle Gemei⸗ 
nen uͤberhaupt, worinne er ſie zur Beobachtung deſſen, 
was zu Nicaͤa beſchloſſen worden war, ermahnte; feine 
Verordnungen wegen des Arins, und der Anhänger 
deſſelben, auch uͤberhaupt die Befehle, welche er uͤber 
die Angelegenheiten, mit denen ſich dieſe Verſamm⸗ 
lung beſchaͤftigt hatte, zu geben fortfuhr. Sie ſelbſt 

f erkann⸗ 


Kirchenverſammlung zu Nicän. 389 


erkannte in ihrem Schreiben an die aͤgyptiſchen Ge. Tan 
meinen, (Socr. J. c.) dieſes Anſehen des Landesfuͤrſten CG. 
deutlich genug. Ihr Glaubensbekenntniß und ihre zos 
Geſetze wurden nach und nach auf beſondern Kirchen bis 
verſammlungen einzeler Provinzen angenommen. Es 337. 
konnte ſich hierbey die Freyheit der Chriſten in Anſe⸗ 
hung des zu Nicäa feſtgeſetzten Glaubens, den fie, chriſt⸗ 
lichen Grundſaͤtzen gemaͤß, immer noch anzunehmen oder 

zu verwerfen die Wahl hatten, zeigen; ob fie gleich die— 
ſelbe nicht ausuͤbten. Ueberhaupt aber kam doch die 
Gültigkeit der Nicaͤniſchen Kirchengeſetze nicht mehr 

auf den Beitritt einzeler Gemeinen an, nachdem ſie 

von einer allgemein anerkannten oͤcumeniſchen Sy; 
node waren vorgeſchrieben worden. Gleichwohl muͤß⸗ 

ten wir, wenn gewiſſe ſehr plump erdichtete Erzaͤhlun⸗ 

gen und Urkunden einige Wahrſcheinlichkeit hätten, 
glauben, daß erſt die Billigung des Biſchofs von Rom 

den Nicaͤniſchen Schluͤſſen ihre volle Kraft ertheilt 
habe. Man hat ein Schreiben der Kirchenverſamm⸗ 
lung an den Roͤmiſchen Biſchof Silveſter, worinne 

fie um feine Beſtaͤtigung bittet, (apud Harduin, J. c. 

p. 343.) ſein Antwortſchreiben, wodurch er dieſelbe 
giebt, (I. c. p. 344.) auch ſogar eine befondere Kir⸗ 
chenverſammlung, die er gleich darauf zu Rom, in 
Gegenwart des Kaiſers, gehalten, und darauf nicht 
nur die Nicaͤniſche beſtaͤtigt, ſondern auch neue Geſetze 
hinzugefuͤgt haben ſoll, (ibid. p. 527. g.) alles dieſes 

hat man unverſchaͤmt genug ausgeſonnen. Allein die 
barbariſche, zum Theil ganz unverſtaͤndliche lateiniſche 
Schreibart dieſer Aufſaͤtze, auch verſchiedenes augen⸗ 
ſcheinlich Falſche und Ungereimte, das fie enthalten, 

hat ſelbſt Roͤmiſchcatholiſche Gelehrte, (wie unter an⸗ 
dern Duͤ Pin, (Nouv. Biblioth. des Auteurs eccle- 
ſiaſt. T. II. p. 318. 319.) bewogen, ſie zu den unter⸗ 
geſchobenen Schriften zu werfen. a 

| S Auf 


390 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


8 * Auf dieſe Art ſchien nunmehr die Arianiſche 
F. G. Streitigkeit völlig unterdruͤckt, und der Kirchenfriede 
306 wieder hergeſtellt zu ſeyn; zu beſſen Erhaltung auch 
bis der Kaiſer die Biſchoͤfe, als er ſie unter mancherley 
337 Gnadenbezeigungen von Nicaͤa abreiſen ließ, ermahnte. 
Er fand ſich aber bald in ſeiner Hoffnung betrogen: 
unerwartet vermuthlich fuͤr ihn, und fuͤr die meiſten 
Biſchoͤfe, welche fi) vom Zwange der Geſetze und 
Strafen, auch in Religionsſachen, viel verſprachen; 
aber keineswegs fuͤr diejenigen, denen ein ſolches Mittel 
in einer Angelegenheit des Gewiſſens, aus Menſchen⸗ 
kenntniß, von ſehr geringer und oft ſchaͤdlicher Wuͤr— 
kung vorkommen mußte. Die erſten Bewegungen 
nach geendigter Kirchenverſammlung entſtanden zu Ale⸗ 
randrien. Die Parthey der Arianer war daſelbſt 
noch ſtark, und da ſich die Meletianer in der Folge 
mit ihr vereinigten, wie an einem andern Orte (oben 
S. 287.) ſchon erzaͤhlt worden iſt, wurden ſie, wie 
es glaublich iſt, deſto muthiger, ſich den Nicaͤniſchen 
Schluͤſſen zu widerſetzen. Der Kaiſer ließ zwar ‘eis 
nige Arianer aus der gedachten Hauptſtadt, wo ſie 
Unruhen ſtifteten, wegſchaffen. Als ſie aber an dem 
Hofe angelangt waren, nahmen fie die beiden Biſchoͤ⸗ 
fe, Euſebius von Nicomedien, und Theognis 
von Nicaͤa, ſehr freundſchaftlich bey ſich auf, und 
vereinigten ſich mit ihnen in allem. (Sozom. Hiſt. 
Eccl. L. II. c. 2 1. Theodoret. Hiſt. Ecei. L. I. c. 20.) 
Damals offenbarte es ſich, daß dieſe und andere Bi⸗ 
ſchoͤfe den Glauben der Verſammlung zu Nicaͤa im 
Grunde niemals angenommen hatten. Nach dem 
Philoſtorgius, (Hiſt. Eccl. Fragm. in Nicetae Cho- 
niat. Theſauro orthodoxae fidei, Toin. V.) haben Eu⸗ 


ſebius, Theognis und Maris, Biſchof von Chal⸗ 


cedon, dem Kaiſer ihre Reue daruͤber bezeigt, daß 
fie das Nicaͤniſche Symbolum unterſchrieben haͤt⸗ 
| ten. 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 391 


ten. Sozomenus (I. ch ſetzt hinzu, die beiden er- ER, 


ſtern Hätten fogar es dahin gebracht, daß ein von ih⸗ d 


nen beſtochener Hof bedienter ihre Unterſchriften ausge: 75 
ſtrichen; ſie haͤtten frey den Ausdruck gleiches We- bis 
ſens angegriffen; und Euſebius beſonders habe, als 337. 


er deswegen bey dem Kaiſer verklagt worden, kuͤhn 

geantwortet: Wenn mein Kleid in meiner Gegenwart 
„in zwey Stuͤcke zerriſſen wird: fo werde ich niemals 

ſagen, daß dieſe beide Stuͤcke gleiches Weſens ſind.“ 
Conſtantinus, der uͤber alles dieſes entruͤſtet wurde, 

verwies die beiden Biſchoͤfe noch im Jahr 32 5. nach 

Gallien, und gab ihre Aemter andern. Er meldete 

es der Gemeine zu SRicomedien ſelbſt, in einem Schrei⸗ 

ben beym Theodoretus (J. c.) daß fie bisher einen in 

aller Betrachtung ſchaͤndlichen Lehrer gehabt hätte, und 

ermahnte ſie, deſto eifriger mit ihrem neuen Biſchof 
beym wahren Glauben zu beharren. Um dieſe Zeit 
ſchrieb auch der Kaiſer, wie Socrstes Hiſt. Eccl. 

L. I. c. 9.) berichtet, mehrere Briefe wider den Arius 

und ſeine Anhaͤnger, die in der Geſtalt von Reden 

ſehr bittere Spoͤttereyen wider denſelben in ſich faßten; 
und befohl fie in allen Staͤdten oͤffentlich vorzuleſen. 
Denn wuͤrklich waren ſie eine Art von Vero eaten 

und drohten den Freunden des Arius neue Strafen. 
Eines derſelben, ob ſie gleich Epiphanius (Haer. 69. 

c. 9.) in fruͤhere Zeiten ſetzt, mag wohl dasjenige fon 
das Gelaſius (Vol. Actor. Concil. Nic. p. 45 . 

ed. Harduini) aufbehalten hat. Es iſt aber mit ſo 

anzuͤglicher Schmaͤh ſucht und Heftigkeit abgefaßt, daß 
einige der Neuern, die es als ein Denkmal von des 
Kaiſers Eifer rühmten „ihm eh eine ſchlechte 
Ehre erwieſen haben. 


Nicht lange nach der Nicaͤniſchen Kirchenver: 
ſammlung ſtarb Alexander, Biſchof von Alexandrien: 
Bb 4 und 


392 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Sund da ihm bald darauf Athanaſius in dieſer Würde 
Cech folgte „derjenige unter allen Lehrern dieſer Zeit, der 
306 ſich dem Fortgange der Arianiſchen Parthey muͤnd⸗ 
bis lich, ſchriftlich, und durch andere thaͤtige Bemuͤhun⸗ 
337: gen, am lebhafteſten entgegen ſetzte, und das eben in 
ihrem eigentlichen Vaterlande und Hauptſitze: ſo gab 
dieſes eine neue Veranlaſſung zur Erweiterung dieſer 
Haͤndel. Ploͤtzlich hob auch jene Parthey, die ganz 
zu Boden geworfen zu ſeyn ſchien, ihr Haupt wieder 
maͤchtig empor. Im Jahr 328. oder im folgenden, 
rief Conſtantinus den Euſebius und Theognis 
aus ihrer Verweiſung zuruͤck, gab ihnen auch ihre 
ehemalige Biſchoͤfliche Stellen zu Ricomedien und Ni⸗ 
caͤa von neuem. Daß die Schweſter des Kaiſers, 
Conſtantia, ihnen dazu behuͤlflich geweſen ſey, iſt 
ſehr wahrſcheinlich; wenn gleich die Erzaͤhlung des 
Sozomenus, (HHiſt. Eccl. L. III. c. 19.) die er ſelbſt 
nicht vor wahr haͤlt, großentheils nur unter den Aria⸗ 
nern entſtanden ſeyn mag. Sie gaben nemlich vor, 
die gedachte Prinzeßinn ſey im Traum, oder durch 
eine goͤttliche Erſcheinung erinnert worden, daß die ver⸗ 
wieſenen Biſchoͤfe rechtglaͤubig und unſchuldig waͤren; 
Conſtantinus habe ſie daher wieder begnadigt, und 
auf ſein Befragen, warum ſie von dem Nicaͤniſchen 
Glauben, den ſie doch unterzeichnet haͤtten, wieder ab⸗ 
gewichen waͤren, zur Antwort bekommen, ihre Ein⸗ 
willigung waͤre nur aus der Furcht entſprungen, er 
moͤchte, wenn ſie mit den uͤbrigen uneins blieben, die 
chriſtliche Religion uͤberhaupt vor ungewiß halten, ſie 
wieder verlaſſen, und ihre Anhaͤnger verfolgen, da er 
ohnedem nur noch unter die Lehrlinge derſelben gehoͤrte. 
Man findet außerdem ein Schreiben des Euſebius 
und Theognis an die vornehmſten Biſchoͤfe, (beym 
Socrates, Hiſt. Ecel. L. I. c. 14. und Sozome⸗ 
nus, Hiſt. Ecel. L. II. c. 16.) dadurch fie ihre er | 
ruͤckbe⸗ 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 393 


ruͤckberufung hauptſaͤchlich bewuͤrkt haben ſollen. Sie F. u. 
erklaͤrten ſich darinne, daß fie niemals einer Ketzerey F. G. 
zugethan geweſen waͤren, und inſonderheit den Aus- 306 
druck gleiches Weſens ohne Bedenken annaͤhmen; bis 
daß fie ſich aber ehemals nur geweigert hätten, den 88“ 
Bannfluch wider den Artus zu unterſchreiben, weil 

ſie bey ihm die Irrthuͤmer nicht angetroffen haͤtten, 

die ihm waͤren Schuld gegeben worden. Es iſt wahr, 
daß ſich gegen dieſes Schreiben einige Schwierigfei= 

ten vorbringen laſſen, welche Tillemont (Memoires, 
Note VIII. ſur le Concile de Nicce, p. 357. ſq. T. VI. 

ed. fol.) dargeſtellt hat, und ſie ſelbſt vor unaufloͤslich 
haͤlt. Allein geſetzt, daß ſich nicht alle Widerſpruͤche 

der Schriftſteller und chronologiſche Bedenklichkeiten 

in dieſem, wie in andern Theilen der Arianiſchen 
Geſchichte, heben laſſen; ſo hindert doch ſolches nicht, 
das Schreiben ſelbſt vor aͤcht zu halten. Einige jener 
Schwierigkeiten find ſogar ungegruͤndet, wie unter ans 
dern dieſe, daß das Schreiben nach dem Socrates, 
noch waͤhrend der Kirchenverſammlung von Nicaͤa 
muͤßte uͤbergeben worden ſeyn, und daß es unglaublich 
ſey, die beiden Biſchoͤfe haͤtten ſich erkuͤhnen koͤnnen, 
dieſer Verſammlung vorzuwerfen, daß man ſie nicht 
genug gehoͤrt habe. ; 


Arius hatte dieſem Schreiben zu Folge, auch bes 
reits die Erlaubniß erhalten, aus ſeiner Verweiſung 
zuruͤck zukommen. Nach dem Socrates (l. c. cap. 
25.) und Sozomenus (L. II. cap. 27.) war es ein 
Arianiſch geſinnter Aelteſter, der ſich des Vertrauens, 
das ihm die Prinzeßinn Conſtantia ſchenkte, auf An⸗ 
ſtiften der Euſebianer, zu dieſer Abſicht bediente. 
Er verſicherte ihr, die Kirchenverſammlung habe dem 
Arius Unrecht gethan, indem er dasjenige, was ſie 

ihm Schuld gegeben, niemals gelehrt hätte; vielmehr 
Bb 5 ur 


394 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


Er Spur durch den Neid und die Feindſchaft des Biſchofs 
T. G. von Alexandrien geſtuͤrzt worden ſey. Conſtantia 
306 glaubte dieſes alles, und bat daher, als ſie ſich dem 
18 Tode näherte, ihren Bruder um dieſe letzte Wohlthat, 
daß er den gedachten Aelteſten, als einen frommen und 
rechtglaͤubigen Mann, in ſeine vorzuͤgliche Gewogen⸗ 
heit aufnehmen moͤchte; denn ſie waͤre, wie ſie ſagte, 
beſorgt, es möchte ihn ein Ungluͤck treffen, weil er, 
von andern gereitzt, rechtſchaffene Maͤnner ins Elend 
vertrieben haͤtte. Der Kaiſer bewilligte ihr dieſe Bit⸗ 
te; erſtaunte aber ſehr, als ihm nachmals der Aelteſte 
meldete, Arins lehre eben dasjenige, was die Nicaͤ⸗ 
niſche Kirchenverſammlung behauptet haͤtte, und wuͤrde 
ſich auch in Gegenwart des Kaiſers dazu bekennen. 
Auf dieſe Bedingung, ſagte der Kaiſer, ſollte Arius 
wieder in ſeine vorige Wuͤrde eingeſetzt werden: und 
da er ihm ſchon lange vergoͤnnt hatte, nach Hofe zu 
kommen, ohne daß derſelbe erſchienen waͤre, befohl er 
es ihm nun in einem eigenhaͤndigen Schreiben, wor⸗ 
inne er ihn ſeinen geliebten Bruder nannte, und ihm 
freies Fuhrwerk dazu anwies. Arrius ſtellte ſich alſo, 
vermuthlich im Jahr 330. nebſt ſeinem Freunde, dem 
Evzojus, dem der Biſchof Alexander zu Alexan⸗ 
drien auch das Amt eines Aelteſten genommen hatte, 
vor dem Kaiſer. Sie mußten darauf ihr Ölaubensbe- 
kenntniß demſelben uͤbergeben, das Socrates (e. 26. 
und Sozomenus (I. c) auf behalten haben. 


Sie bekannten in demſelben fuͤr ſich und ihre An⸗ 
haͤnger, daß fie an Einen Gott, den allmaͤchtigen Va⸗ 
ter, und an den Herrn Jeſum Chriſtum, ſeinen 
Sohn, der aus ihm vor allen Zeiten gemacht 
worden; Gott, das Wort, durch welchen alles 
gemacht Wordt ſowohl was im Himmel als was auf 


der Erde iſt; der e und Fleiſch gewor⸗ 
den, 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 395 


den, der gelitten hat, und auferſtanden, und gen Him- F. v. 
mel gefahren iſt, und wiederkommen wird, um Le-F.G. 
bendige und Todte zu richten; und an den heiligen 306 
Geiſt, und an die Auferſtehung des Fleiſches, ein Le- bis 
ben der kuͤnftigen Welt, ein Reich des Himmels, und 337. 
Eine catholiſche Kirche Gottes, die von einem Ende 
der Welt ſich bis zum andern erſtreckte, glaubten. Die⸗ 
fen Glauben, fo erflärten ſich Arius und Evzojus 
ferner, haͤtten ſie aus den heiligen Evangelien, ge— 
nommen, wo der Herr zu feinen Juͤngern ſagt: Ge: 
het hin, und lehret alle Voͤlker, (und wie es weiter 
heißt.) Wenn fie dieſes nicht glaubten, und den Va⸗ 
ter, Sohn und heiligen Geiſt nicht fo wahrhaftig anz 
naͤhmen, wie ihn die ganze catholiſche Kirche und die 
heilige Schrift, der ſie in allem glaubten, lehrten: 
ſo moͤchte Gott jetzt und im kuͤnftigen Gerichte ihr 
Richter ſeyn. Zuletzt baten fie den Kaiſer, zu veran⸗ 
ſtalten, daß ſie, bey ſo bewandten Umſtaͤnden, mit 
Aufhebung der uͤberfluͤßigen Fragen, wieder mit der 
Kirche, ihrer Mutter, vereinigt wuͤrden. In der 
That erlaubte er dem Arius, nach Alexandrien zuruͤck 
zu kehren. Schon damals behaupteten verſchiedene, 
das angeführte Glaubensbekenntniß ſey nur den Wore 
ten nach von der Arianiſchen Lehre verſchieden; im 
Grunde aber ſo zweydeutig aufgeſetzt, daß man es gar 
wohl nach derſelben erklaͤren koͤnne. Es iſt unmoͤg⸗ 
lich, mit Gewißheit zu fagen, daß Arius durch daf- 
ſelbe den Kaiſer, und die Catholiſchen mit ihm, habe 
hintergehen wollen. Allein das iſt gewiß, daß date 
inne weder völlig die Nicaͤniſchen Beſtimmungen, 
noch irgend eine von den anſtoͤßigen und verworfenen 
Erklaͤrungen des Arius, vorkommen; daß es alfo über 
haupt gar wohl vor rechtglaͤubig angeſehen werden 
konnte. Man hielt es vor ein Ungluͤck, wenn nicht 
alle Chriſten des Reichs im Glauben vollkommen mit 


ein⸗ 


396 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


- Oeinander uͤbereinſtimmten; und gleichwohl waren Glau⸗ 

G. bensbekenntniſſe ‚ über welche ſich die ſtreitenden Par⸗ 

306 fheien am erſten hätten vereinigen koͤnnen, verdaͤchtig, 

bis weil fie nicht ausdruͤcklich die Unterſcheidungszeichen, 

337. der einen von ihnen, der herrſchenden, an der Stirne 

trugen. Am Ende alſo merkt man wohl, daß dieſe 

ſich immer eine erzwungene Einfoͤrmigkeit, vorgeſetzt 

habe; und daß die Duldung einiges Unterſcheids im 
Glauben, der Ruhe des Staats und der Kirche zu 
traͤglicher geweſen ſeyn wuͤrde. 


Mit dem neuen Aufkommen der Arianiſchen Par⸗ 
they war ſogleich die Veraͤnderung verbunden, daß ſie 
ihre Gunſt bey Hofe zur Verfolgung der Catholi— 
ſchen anwandte. Die Schriftſteller der letztern kla— 
gen daruͤber; ob gleich dieſe bis dahin ſich voͤllig eben 
fo gegen die Arianer betragen hatten. Euſtathius, 

Biſchof von Antiochien, einer von den Vorſitzern 
der Nicaͤniſchen Kirchenverſammlung, die ihm dieſes 
Bißthum ertheilt hatte, war einer der erſten, an dem 
ſich die Arianer rächten. Er hat zuerſt und viel wis 
der ſie geſchrieben, unter andern ein Werk von acht 
Büchern; von dem fich nur einige abgeriſſene Stuͤcke 
beym Facundus, Biſchof von Hermiane, (Defenf. 
trium Capitulor. L. XI. c. 1.) und bey andern Schrift⸗ 
ſtellern, erhalten haben, aus welchen ſie Fabricius 
{Biblioth. Graec. Vol. VIII. p. 170. ſq.) geſammelt 
hat. Es finden ſich darunter Ausdruͤcke von Chriſto, 
die man in den folgenden Zeiten, bey andern Lehrern 
vor eine irrge Trennung der beiden Naturen deſſelben 
wuͤrde angeſehen haben. So ſchreibt Euſtathius, 
Gott habe um des Heils der Menſchen Willen, den 
Menſchen mit dem Worte vereinigt; aber ihm auch 
den Tag des Gerichts verborgen, damit der Menſch 
nicht dergleichen unausſprechliche Geheimniſſe den Men⸗ 

ſchen 


Fortgang der Arianiſchen Streitigfeiten.397 


ſchen offenbaren möchte. Er ſcheint ſogar in einer ana" 
dern Stelle, wo er Matth. C. XIX. v. 28, erklärt, eine F. 3. 
doppelte Perſon in Chriſto anzunehmen. Vielleicht 305 
aber war nur fein Vortrag weniger genau, als feine Be⸗ bis 
griffe. Wuͤrklich hat er in andern Stellen, die The- 337 
odoretus (Dialog. I. 2. 3.) aus einer Predigt deſſel⸗ 

ben uͤber Spruͤche Salom. C. VIII. v. 22. aufbewahrt 

hat, daruͤber geſchicktere Vorſtellungen angebracht; 
aber auch nachdruͤcklich behauptet, daß man Chriſto als 
Gott nicht Leiden und Todt zuſchreiben duͤrfe. Die⸗ 

ſen kleinen Ueberbleibſalen des Euſtathius hat Fa⸗ 
bricius (l. c. p. 183. ſq.) noch andere aus deſſen Bus 

che von den Ueberſchriften der Pſalmen, und 
aus einem andern von der Seele, beigefuͤgt. Man 

hat ihm über dieſes eine Anrede an den Raifer 
Conſtantinus, die man eben daſelbſt (p. 168. fg.) 
leſen kann, auch eine Erklaͤrung der Schoͤpfungs⸗ 
geſchichte beigelegt, die bis auf die Zeiten der ſoge⸗ 
nannten Juͤdiſchen Richter fortgeht, und vom Leo Alz 
Iatius (zu Lion 1629. 4.) mit einer lateiniſchen Ueber⸗ 
ſetzung und mit Anmerkungen herausgegeben worden iſt. 
Allein wenn gegen den erſtern Aufſatz nur einige Zwei⸗ 

fel ſtreiten: ſo iſt das Buch ſelbſt an unaͤhnlicher 
Schreibart und ſehr ſchlechtem Inhalte, des Euſta⸗ 
thius durchaus nicht wuͤrdig. 


Die einzige ganze Schrift, die von ihm uͤbrig iſt, 
und auch merkwuͤrdig genannt werden kann, iſt ſeine Un⸗ 
terſuchung wider den Origenes, von der Zaube⸗ 
rinn (oder Hexe) zu Endor, (rarz Qgsyvas d- 
Sireg Eis TO r eyyasgmude Jenonua) die Allatius 
mit dem vorhergedachten Werke, und einer Abhand⸗ 
lung gleiches Inhalts ans Licht geſtellt hat: und ſo iſt 
ſie auch in eine beruͤhmte Sammlung (Critici Sacri, 
Tom. VI. p. 419 — 458. ed. Francof.) eingeruͤckt 

wor⸗ 


398 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


S worden. Euſtathius widerlegt darinne die Meinung 
E. des Origenes mit vieler Geſchicklichkeit, obgleich et- 
56 was zu hart und ſpoͤttiſch, als wenn die ſogenannte 

bis Zauberinn wuͤrklich die Seele des Samuel in die 

337. Welt zurück gebracht hätte; als wenn ihr die Worte 

von dem heiligen Geiſte eingegeben worden, und die 
Goͤtter von denen ſie ſprach, Seelen der Gerechten und 
Engel geweſen waͤren. Der Teufel, ſagt er, beſitzt 
die Macht nicht, die Seelen aus der andern Welt zu⸗ 
ruͤck zu fuͤhren; am allerwenigſten die Seelen der Ge⸗ 
rechten. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß die Zaube⸗ 
rinn entweder bloß die Seele, oder auch zugleich den Leib 
des Samuel zur Erſcheinung habe aufführen koͤnnen. 
Saul aber hat gar nichts davon geſehen: er wurde 
bloß durch die Worte und Geberden des Weibes in 
Beſtuͤrzung geſetzt, und warf ſich zur Erde, um dem 
geglaubten Samuel, nach ihrer Verficherung, ſeine 
Ehrerbietung zu bezeigen. Ihre Vorherſagung war 
falſch: und wäre fie fogar eingetroffen, fo dürfte man 
fie darum noch nicht dem heiligen Geiſte zufchreiben, 
indem der Teufel oft aus den ihm bekannten Umſtaͤn⸗ 
den einer Sache, ihren Ausgang voraus hat ankuͤn⸗ 
digen koͤnnen; und hier war es nichts als ein Betrug. 
Daraus aber, daß die heilige Schrift das erſchienene 
Blendwerk Samuel nennt, haͤtte ein Mann, wie 
Origenes, der das Paradies eine Fabel nennt, und 
ſo viele andere Geſchichten der Bibel allegoriſch erklaͤrt, 
am wenigſten ſchlieſſen ſollen, daß es der wahre Sa⸗ 
muel geweſen ſey. Der Teufel, welcher ſowohl das 
Weib als den Saul in ſeiner Gewalt hatte, hat beide 
bethoͤret. — Obgleich Euſtathius ohne Bedenken 
noch einen Schritt weiter haͤtte gehen, und behaupten 
koͤnnen, daß zu Endor alles durch eine Gauckeley und, 
eine der ſogenannten Geiſterbeſchwoͤrungen, wie ſie 
von Kurzſichtigen oder aberglaͤubiſchen Philoſophen, 

g noch 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten 399 


noch in den neueſten Zeiten bewundert worden ſind, ar 
zugegangen ſey, indem die bibliſche Erzählung nicht F.. 
die geringſte Veranlaſſung giebt, dabey an die wuͤr⸗ 306 
kenden Kraͤfte eines boͤſen Geiſtes zu denken; ſo iſt bis 
doch uͤbrigens in der ganzen Abhandlung viel geſundes 337. 
Urtheil mit richtigen Grundſaͤtzen der bibliſchen Erklaͤ— 
rung verbunden. 5 


Dieſer Biſchof wurde auf einer Kirchenverſamm⸗ 
lung zu Antiochien im Jahr 331. feines Amtes ent⸗ 
fest. Euſebius von Nicomedien und andere von 
dieſer Parthey, die ihn als einen ihrer gefaͤhrlichſten 
Gegner betrachteten, zogen durch allerhand ſcheinbare 
Beſchuldigungen wider ihn, auch den Euſebius von 
Caͤſarea und andere morgenlaͤndiſche Biſchoͤfe, auf ihre 
Seite, die der Verſammlung beiwohnten. Man er— 
neuerte die aͤltern Auftritte: dem Lehrer, der die Aria⸗ 
niſchgeſinnten als Ketzer und ſogar als Abgoͤtter, bes 
ſtritt, wurde vorgeworfen, daß er ſelbſt Sabelliani⸗ 
ſche Irrthuͤmer hegte. Das war uͤberhaupt bald nach 
der Nicaͤniſchen Kirchenverſammlung in Aegypten er— 
folgt, ſagt Socrates, (L. I. c. 23.) daß man bloß 
uͤber den Ausdruck gleiches Weſens, eine Art von 
naͤchtlichem Gefechte erhob, ohne recht zu wiſſen, war« 
um man einander verketzerte; da man doch in der 
Hauptlehre von Gott und drey göttlichen Perſonen ei⸗ 
nig war. So beſchuldigte auch Euſtathius den Eu⸗ 
ſebius von Caͤſarea, daß er den Nicaͤniſchen Glau⸗ 
ben verfaͤlſche: und dieſer erklaͤrte ihn vor einen Sa⸗ 
bellianer. Zu Antiochien aber wurde Euſtathius 
auch der Hurerey angeklagt; und da eine unzuͤchtige 
Weibsperſon, die man beſtochen hatte, einen Eid wi- 
der ihn ablegte, wurde er vor uͤberwieſen angeſehen. 
Er wandte ſich zwar an den Kaiſer; allein auch dieſer 
beſtaͤtigte das Urtheil der Kirchenverſammlung, die 

dem 


400 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


& „dem Euſtathius noch mehr zur Laſt legte, und ver⸗ 
G. wies ihn, nebſt mehrern feiner Aelteſten und Kirchen⸗ 
306 diener nach Thracien. Daſelbſt ſtarb er um das Jahr 
bis 360, wie man aus Stellen des Chryſoſtomus (Lau- 
337. datio Euſtathii, T. I. Opp. ed. Ducaei, Francof. p-. 
577 und des Theodoretus (Hift. Eccl. L. III. c. 43 
ſchlieſſen kann. Denn daß ihn einige Neuere deswe⸗ 
gen noch unter der Regierung Conſtantins ſterben laſ⸗ 
ſen, weil ſeiner auch unter den folgenden Regierungen 
gar nicht mehr gedacht werde, iſt eigentlich ein Miß⸗ 
brauch des Beweiſes, der vom Stillſchweigen der 
Schriftſteller hergenommen wird. Naͤchſt den bereits 
angeführten älteften Nachrichten vom Euſtathius, 
find auch andere, beym Hieronymus, (Catal. Scriptt. 
eccleſiaſt. c. 8 5. Epiſt. ad Evangelum presb. T. II. 
P. 570. ed. Bened.) Sozomenus (L. II. c. 19.) Phi⸗ 
loſtorgius, (L. II. c. 7. L. III. c. 12. 15.) inſon⸗ 
derheit beym Athanaſius, (Epiſt. ad Solitarios, p. 
629. T. I. Opp. ed. Commelin.) befindlich, die mit 
jenen uͤbereinſtimmen. Da beynahe alle dieſe Schrift⸗ 
ſteller Catholiſche waren: ſo legen ſie ſeinem Eifer 
fuͤr den Glauben, ſeiner Geduld, Wiſſenſchaft und 
Beredſamkeit große Lobſpruͤche bey. Doch koͤnnte es 
wohl ſeyn, daß ihn der Haß der Arianiſchen Kez 
tzerey, der an ihm geruͤhmt wird, zu einiger hitzigen 
Unvertraͤglichkeit verfuͤhrt, und dadurch ungluͤcklich ge⸗ 
macht haͤtte. Unter den Neuern hat ihn, außer dem 
Fabricius (I. c. p. 166. fq.) vorzuͤglich Dü Pin 
(Nouv. Biblioth. des Aut. Eccl. T. III. p. 26. fq.) 
groͤßtentheils richtig beurtheilt. 


Seine Abſetzung gab zu vielen Unruhen in der Ge⸗ 
meine von Antiochien Gelegenheit; beſonders, da nach 
dem Abſterben ſeiner beiden naͤchſten Nachfolger, des 
Paulinus, der vorher Biſchof von Tyrus geweſen 

2 war, 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 401 


war, und Eulalius, welche beide vor Arianer gehal . . 
ten werden, ein neuer Biſchof daſelbſt um das Jahr 332. C CG. 
gewaͤhlt werden ſollte. Beinahe waͤre es daruͤber zum 306 
Blutvergieſſen gekommen. Allein der Kaiſer beſoͤnf⸗ bis 
tigte die Wuth, und als der groͤßte Theil der Ein- 337. 
wohner den Euſebius von Cäfarea wählte, der aber 
dieſe Wuͤrde ausſchlug, ſtellte er ihnen mit gutem Er⸗ 
folge vor, daß es dem alten Herkommen der Kirche 
und ihren Geſetzen gemaͤßer fen „die Augen auf einen 
andern zu werfen, als die Gemeine von Caͤſarea ihres 
Vorſtehers zu berauben. (Eufeb. de vita Conſtant. L. 
III. c. 59 - 62. Socrat. Lib. I. c. 24. Sozom. L. II. 


cap. 19.) 


Ein gleiches Schickſal mit dem Euſtathius traf 
auch andere Biſchoͤfe, welche die Euſebianer vor ih⸗ 
re Feinde anſahen. Am meiſten aber wandten ſie ih⸗ 
re neuen Kräfte dazu an, den Alerandrinifchen Biſchof 
Athanaſius zu ſtuͤrzen. Nicht leicht konnte einer der 
catholiſchen Lehrer mit ihm an Beredſamkeit, An⸗ 
ſehen und eifriger Geſchaͤftigkeit gegen die Arianer ver⸗ 
glichen werden. Euſebius von Nicomedien, den 
der Kaiſer jetzt ſehr hoch ſchaͤtzte, und der ſchon die 
Rechtmaͤßigkeit der Wahl des Athanaſius angefoch⸗ 
ten hatte, verlangte von dieſem vergebens, ihn in die 
Kirchengemeinſchaft aufzunehmen. Eben ſo wenig 
wollte er dem Arius, der nach Alexandrien kam, und 
feine Lehren daſelbſt vortrug, dieſes Begehren bewilli⸗ 
gen: nicht einmal, da dieſer einen beſondern Befehl 
von dem Kaiſer mitbrachte. Darauf fieng Conſtan⸗ 
tinus an, dem Athanaſtus mit der Abſetzung und 
Verweiſung zu drohen, wenn er nicht jeden, der ſich 
meldete, an der kirchlichen Gemeinſchaft Antheil neh⸗ 
men ließe. Dennoch blieb der Biſchof unbeweglich: 
und dieſes hielten die Euſebianer, verſtaͤrkt durch die 

V. Theil, Ce Mele⸗ 


402 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


K. Meletianer, vor die guͤnſtigſte Zeit, ihn durch aller 

T. G. band Beſchuldigungen zu Grunde zu richten; zumal 

306 da er bey dem Kaiſer wieder Eingang zu gewinnen 
44 Aer 


Sie verklagten ihn alſo bey dieſem Fuͤrſten, daß 3 
von den Aegyptiern eine Art Tribut von leinenen Kleis 
dern fuͤr die Alexandriniſche Kirche einfordere. Als der 
Kaiſer die Falſchheit dieſes Vorgebens entdeckte, und 
den Athanaſius ſelbſt an den Hof forderte, verſicher⸗ 
ten fie, er hätte einen Aufruͤhrer durch Geld untere 
ſtuͤtzt. Ju hierinne befand ihn Conſtantinus un⸗ 
ſchuldig, nachdem er die Sache in Gegenwart des Bi⸗ 
ſchofs unterſucht hatte. Darauf aber beſchuldigten ſie 
ihn, ein von ihm abgeſchickter Aelteſter habe in einer 
Kirche die heiligen Geraͤchſchaften zerbrochen, und die 
dortigen Abſchriften bibliſcher Buͤcher verbrannt; er 
ſelbſt habe ſich mit Hurerey befleckt; ja er habe ſogar 
einen Meletianiſchen Biſchof, den Arſenius, umge⸗ 
bracht, und die Hand deßelben zu einem zauberiſchen 
Gebrauche aufbehalten. Da nun die Klagen wider 
den Athanaſtus nicht aufhoͤrten: befohl der Kaiſer 
dem Dalmatius ſeinem Bruder, dieſe Angelegenheit 
gerichtlich zu entſcheiden; gleich darauf aber trug er 
eben dieſes der Kirchenverſammlung auf, die er nach 
Caͤſarea berufen hatte. (Athanaſ. Apolog. II. p. 365. 
d. Socrat. Hift. Eccl. L. I. c. 27. Sozom. Hiſt. 
Eccl. L. IL. c. 18. 22.) 


Athanaſius erſchien auf dieſer Verſammlung, 
die im Jahr 333. gehalten wurde, nicht, weil er die 
dortigen Biſchoͤfe vor ſeine Feinde hielt. Dadurch 
aber erzuͤrnte er den Kaiſer, der ihm deſto ernſtlicher 
befohl, ſich auf der nach Tyrus im Jahr 335. aus: 
geſchriebenen Kirchenverſammlung einzufinden. Jetzt 

f mußte 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 403 


mußte er gehorchen; obgleich auch an dieſem Orte feine 
heftigſten Gegner in beträchtlicher Anzahl zugegen wa- CG. 
ren. Ein kaiſerlicher Staatsbedienter, welcher eben 306 
dahin geſchickt wurde, ſollte Ruhe und Ordnung unter bis 
dieſer Menge von Geiſtlichen, die zum Theil fo erbit- 337. 
tert gegen einander waren, erhalten: der Kaiſer droh— 
te auch denjenigen Biſchoͤfen die Verweiſung, die nicht 
nach Tyrus kommen wuͤrden. Man wiederholte alſo 
mehrere Beſchuldigungen wider den Athanaſtus, 
und ſetzte noch manche neue hinzu. Er verantwortete 
ſich wegen einiger ſogleich; in Anſehung anderer aber 
bat er ſich Bedenkzeit aus. Denn bey aller feiner 
Standhaftigkeit wurde er doch nicht wenig erſchuͤttert, 
als er ſah, daß ſelbſt ſolche, die er unter ſeine Freunde 
gerechnet hatte, wider ihn auftraten; daß die Ver— 
ſammlung das Zeugniß der Arianer und Meletia⸗ 
ner, denen er doch allen verhaßt war, gegen ihn gelten 
ließ; und daß ſich ſchon im voraus faſt alle Biſchoͤfe 
wider ihn erklaͤrten. Zwey Verbrechen inſonderheit, 
die er begangen haben ſollte, wurden zur Beſchamung 
ſeiner Anklaͤger, erdichtet befunden: die Unzucht mit 
einer Weibsperſon, die, als ſie ihm entgegen geſtellt 
wurde, einen andern vor ihn anſah; und die Ermor⸗ 
dung des Arſenius, der lebendig auf der Verſamm⸗ 
lung zum Vorſchein kam. Dem ohngeachtet behaus 
ptete dieſe, es ſey noch genug uͤbrig, das ihm mit 
Wahrſcheinlichkeit vorgeworfen wuͤrde. Der Laͤrmen 
und das Geſchrey wider ihn nahmen endlich daſelbſt 
ſo ſehr uͤberhand, daß die Staatsbedienten ihn heim⸗ 
lich wegbringen ließen, weil ſie beſorgten, man moͤchte 
auf einmal uͤber ihn herfallen, und ihn umbringen. 
Einige Biſchoͤfe wurden von der Kirchenverſammlung 
nach Aegypten geſchickt, um eine der vorgebrachten 
Klagen auf der Stelle ſelbſt, wo Athanasius dazu 
Gelegenheit ſollte gegeben haben, zu unterſuchen: und 
Cc 2 dieſe, 


404 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


g. w dieſe, worunter freylich verſchiedene der vornehmſten 
89. Artaner waren, ſtatteten den Bericht ab, daß fie ihn 
306 ſchuldig befunden hätten. Die Aelteſten zu Alexan⸗ 
is drien, auch die Aelteſten und Kirchendiener in der 
337: Mareotiſchen Provinz von Aegypten, beſchwerten ſich 
zwar daruͤber in noch vorhandenen Schreiben, daß die⸗ 
ſe Unterſuchung wider ihren Biſchof ſehr partheyiſch 
gerathen ſey; ſie widerlegten auch die Beſchuldigung 
ſelbſt. Die ſieben und zwanzig Aegyptiſchen Biſchoͤfe, 
welche mit dem Athanaſius auf die Kirchenverſamm⸗ 
lung gekommen waren, ſtellten derſelben ebenfals vor, 
daß die Euſebianer lauter unerlaubte Mittel und 
Känfe gebrauchten, um ihre Abſicht zu erreichen, 


Dieſes alles konnte jedoch nicht verhindern, daß 
die Verſammlung zuletzt den Athanaſius ſeines Amts 
entſetzte Sie verbot ihm zugleich ferner zu Alexan⸗ 
drien zu wohnen, damit er nicht neue Unruhen daſelbſt 
ſtiften moͤchte, und ſchrieb an alle Biſchoͤſe, ihn von 
ihrer kirchlichen Gemeinſchaft auszuſchließen. Als 
Gründe ihres Verfahrens gab fie folgende an: er ſey 
dem Befehl des Kaiſers, nach Caͤſarea zu kommen, 
ungehorſam geweſen; zu Tyrus habe er ſich mit einer 
Menge ſeiner Anhaͤnger eingefunden, um daſelbſt Zer⸗ 
ruͤttungen anzurichten, bald habe er auf die Anklagen 
gar nicht geantwortet, bald die Biſchoͤfe mit Schmaͤh⸗ 
worten angegriffen, bald, wenn er vorgeladen war, 
nicht kommen wollen; endlich ſey auch die durch ihn 
veruͤbte Mißhandkung von Kirchengefaͤßen hinlaͤnglich 
bewieſen worden. Die Urkunden dieſer beruͤhmten 
Kirchenverſammlung von ſechszig morgenlaͤndiſchen 
Biſchoͤfen, ſtehen beym Euſebius, (de vita Conſtant. 
L. IV. c. 42.) und in einer Schrift des Athanaſius 
ſelbſt, (Apolog. ſecunda, p. 613. ſq.) Daraus hat fie 
Harduin (Acta Concilior. Tom. I. p. 539. fg.) ab⸗ 

9 drucken 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 405 


4 
drucken laßen. Zu ihrer Erlaͤuterung aber muͤßen 
noch die Berichte der Geſchichiſchreiber, (Socrat. L. 1. CG. 
c. 28 + 32. Sozom. L. II. c, 25. Theodoret. L.. I. 296 
c. 29) ingleichen des Epiphanius, (Haer. 68. c. 17.) bis 
hinzugeſetzt werden. 3325 


a Von dem Urtheil dieſer Kirchenverſammluag be⸗ 
rief ſich Achanaſtus, der ſich mittlerweile nach Con 
ſtantinopel begeben hatte, auf den Ausſpruch des Kai⸗ 
ſers ſelbſt. Die Biſchoͤfe aber, welche zu Tyrus ver⸗ 
ſammlet geweſen waren, hatten von demſelben Be⸗ 
fehl erhalten, nach Jeruſalem zu reiſen, wo ſie nebſt 
mehrern andern der Einweihung der praͤchtigen Kirche 
beiwohnen ſollten, die er zum Andenken der Auferſte⸗ 
hung Chriſti hatte erbauen laßen. Nachdem dieſe 
Feierlichkeit geendigt war, hielten ſie zuſammen eben 
daſelbſt im Jahr 335, auf kaiſerliche Erlaubniß, eine 
ſehr zahlreiche Kirchenverſammlung. Hieher ſchickte 
der Kaiſer auch den Arius und Evzojus mit dem 
Glaubensbekenntniße, das fie ihm ehemals uͤberreicht 
hatten, und verlangte von den Biſchoͤfen, ſolches zu 
pruͤfen, darauf aber ein guͤtiges Urtheil uͤber beide zu 
fällen; fie moͤchten nun wuͤrklich, wie fie. vorgaben, 
durch Neid unterdrückt worden ſeyn, oder ihren ehemali⸗ 
gen Irrthum abgelegt haben. Da ſich ſo viele Goͤn⸗ 
nner des Arius auf der Kirchenverſammlung fanden: 
ſo wurde er nebſt ſeinem Freunde von derſelben wieder 
in die Kirchengemeinſchaft aufgenommen. Sie ſchrieb 
auch an alle Biſchoͤfe und andere Geiſtliche in Aegypten, 
ein gleiches zu thun, weil ſowohl der Kaiſer als die 
Verſammlung den Glauben dieſer beiden Männer, de⸗ 
ren Bekenntnißſchrift ſie beifuͤgte, vor richtig erkannt 
habe. Ob es gleich an Gegnern des Arius unter den 
Biſchoͤfen zu Jeruſalem nicht gefehlt haben mag; ſo 
ſcheint ihnen doch die erklaͤrte guͤnſtige Meinung des 
ä 2 Kai⸗ 


406 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


A v Kaiſers ein Stillſchweigen auferlegt zu haben. (Atha- 
E. G. naſ. Apologia II p. 621. ed. Commelin. Eufeb. de 
306 vita Conſt. L. IV. c. 43. Socrat. L. I. c. 33. Sozom. 
bis I. II. c. 27.) 
337. | 10 
Unterdeßen wuͤrkten die Beſchwerden welche Atha⸗ 
naßels bey dem Kaiſer angebracht hatte, wenigſtens 
ſo viel, daß dieſer den Biſchoͤfen der Verſammlung 
von Tyrus in einem Schreiben Vorwürfe wegen ih⸗ 
res Ungeſtuͤms und ihrer Zankſucht machte; auch ih⸗ 
nen anbefohl, ſich nach Conſtantinopel zu verfuͤ⸗ 
gen, damit er beide Partheien hoͤren koͤnnte. Ver⸗ 
ſchiedene unter ihnen geriethen durch dieſes Schreiben 
in Beſtuͤrzung, und kehrten in ihre Bißthuͤmer zu⸗ 
ruͤck. Der Nicomediſche Eufebius hingegen kam 
mit ſeinen vornehmſten Anhaͤngern an den Hof. Sie 
brachten nun, an Statt der bisherigen Beſchuldigun⸗ 
gen gegen den Athanaſius, eine neue vor, indem 
ſie dem Kaiſer verſicherten, er habe gedroht, nicht 
mehr zu geſtatten, daß kuͤnftig von Alexandrien nach 
Conſtantinopel, wie es jaͤhrlich in großer Menge ge⸗ 
ſchah, Korn abgeſchickt wuͤrde. Die Zeugen auf wel⸗ 
che ſie ſich beriefen, waren einige Biſchoͤfe. Conſtan⸗ 
tinus glaubte ihnen und wurde daruͤber ſo entruͤſtet, 
daß er den Athanaſius nach Gallien verwies, wo er 
zu Treviri, (jetzt Trier) ſeine Wohnung aufſchlug. 
Man ſagte, der Kaiſer habe dieſes bloß aus Liebe zum 
Kirchenfrieden gethan, weil ſich der oftgenannte Bi⸗ 
ſchof durchaus weigerte, mit dem Arius und deßen 
Freunden in kirchlicher Gemeinſchaft zu leben. (Atha- 
nal. Apolog. II. p. 62 2. ſq. Socrat. L. I. c. 34. 35. 
Sozom. L. II. c. 28. 


Nun glaubte Arius weiter keine Schwierigkeiten 
bey ſeiner Wiederaufnahme in die Gemeine zu Ale⸗ 
ran⸗ 


Fortgang der Arianiſchen Streitigkeiten. 407 
randtien zu finden. Allein feine Ankunft in dieſerg⸗ 
Stadt, welche ohnedem mit der Verweiſung ihres Bi: 
ſchofs unzufrieden war, veranlaßte daſelbſt nur neue Se 
Umuben. Conſtantinus rief ihn daher im Jahr bis 
336. nach 8 el zuruͤck, wo ſich feine Freun⸗ 337. 
de, vorzüglich Euſebius von Nicomedien, viele 
vergebliche Muͤhe bey dem Biſchof Alexander gaben, 
und ſelbſt Drohungen gebrauchten, damit er den Ari⸗ 

us zur Kirchengemeinſchaft zulaßen mochte. Der 
Kaiſer ſelbſt, der dieſes aus Friedensliebe gewuͤnſcht 

zu haben ſcheint, fragte den Arius noch einmal, ob 

er dem Nicaͤniſchen Glaubensbekenntniße beytrete. 
Er bejahte dieſes nicht nur, ſondern unterſchrieb auch 
daßelbe, oder ein gleichlautendes, und beſchwor es ſo⸗ 
gar auf Verlangen des Kaiſers, worauf ihm dieſer die 
Strafe Gottes ankuͤndigte, wenn er falſch geſchworen 
haͤtte. Gleichwohl betrog er, wie ein damaliges Gerücht 
ſagte, ſeinen Fuͤrſten, indem er mit ſeinem Schwur 
ein anderes nach feinen Lehrſaͤtzen eingerichtetes Glau⸗ 
bensbekenntniß, das er bey ſich trug, meinte. Da 
alſo Conſtantinus an ſeiner Rechtglaͤubigkeit weiter 
nicht zweifelte, befohl er dem Biſchof Alexander, am 
folgenden Sonntage den Arius ohne Widerrede unter 

die Mitglieder ſeiner Gemeine aufzunehmen. Der 
Biſchof horte dieſes mit der aͤußerſten Beſtuͤrzung, 
und bat Gott, ehe dieſes geſchaͤhe, entweder ihn, oder 
den Arius, aus der Welt zu nehmen. Der letztere 
hingegen begab ſich mit einigen ſeiner Anhaͤnger nach 
der Kirche hin, wo ihr Wunſch erfuͤllt werden ſollte. 
Unterwegens noͤthigte ihn eine Leibesbeduͤrfniß, auf ei⸗ 
nen öffentlichen Abtritt in der Naͤhe zu gehen: und 
hier ſtarb er eines ploͤtzlichen Todes. 


So haben wiederum abewaſus, Epiſt. ad Se- 
rapion. de morte Arii, p. 522. fg. T. I. ed. Com- 
Cc 4 melin.) 


408 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


am nlin.) Socrates (hilt. Eccl. L. I. o. 37. 38) Sp4 
8 G.zomenus, (Hill. Eccl. L. I. c. 29. 30% und Theodo⸗ 
306 retus, (Hiſt. Eccl. L. L. c. 15.) auch noch mehrer 
bis Schriftſteller des vierten Jahrhunderts, das Ende di 
337. Arias und die vorhergehenden Umſtaͤnde deßelben be⸗ 
ſchrieben. Der erſte unter buen und, mit ihm die 
meiſten folgenden, ſchildern die Todesart des Arius 
fuͤrchterlich ab, indem ſie ihn an der Verſchuͤttung aller 
feiner Eingeweide umkommen laßen. Sie halten dieſes 
zugleich meiſtentheils vor ein Wunder, durch welches 
ihn Gott wegen ſeines Meineides beſtraft, oder auch 
das Gebet des Biſchofs Alexander erheͤrt habe, der 
auch Gott mit andern Chriſten in der Kirche vor dieſe 
Erloſung dankte. Es iſt eben nicht zu verwundern, 
daß einige Neuere den Verdacht rege gemacht haben, 
ob nicht dieſe ganze Erzählung, deren Hauptquelle in 
den Schriften des hitigſten Gegners vom Arius fie) 
befindet, und die einen ſchon damals fehr verhaßten 
Mann betrift, vor eine Erdichtung anzusehen ſey. 
Unterdeßen wird ſie doch in ihren Hauptumſtaͤnden ſo 
einſtimmig auch von denen, welche die uͤbrigen ver⸗ 
ſchiedentlich angeben, berichtet; und der Ort des Todes 
war, nach dem Zeugniße des Socrates, noch im 
fuͤnften Jahrhunderte ſo allgemein bekannt, daß map 
an der Wahrheit dieſer Begebenheit uͤberhaupt 
befugt iſt zu zweiſeln. Deſto weniger aber kann 175 
wieſen, oder nur wahr ſcheinlich gemacht werden, daß 
der ſchnelle Tod des Arius eine Wundervolle göttliche 
Strafe gewefen ſey. Schon Sozomenus meldet, 
daß ihn einige ſogleich damals vor die Folge einer 
Krankheit gehalten haͤtten, die gerade zu auf das Herz 
gewuͤrkt habe; andere haͤtten auch wohl geglaubt, die 
ploͤtzliche Frende, welche er uͤber den guten Fortgang 
ſeiner Angelegenheiten empfunden, habe ihm dieſen jaͤ⸗ 
705 Todt zugezogen. Immer gehoͤrt ſehr viel dazu, an 
einer 


Fortgang der Arianiſchen Streitigfeiten.409 


einer Begebenheit, die ſich aus natuͤrlichen Urſacheng Ya 
erklaͤren laͤßt, etwas Uebernatuͤrliches und eine ſtrafen— LG. 
de goͤttliche Abſicht zu erkennen. Allein unter ſolchen 306. 
Umſtaͤnden haben es die Chriſten zu allen Zeiten vor ſehr bis 
leicht gehalten, ein fo verwegenes Urtheil zu fallen. Oh⸗ 337 
nedem iſt auch der Todt des Artus fo entſetzlich als moͤg⸗ 

lich abgebildet, und inſonderheit vom Athanaſius 
nicht undeutlich mit dem Ende des Verraͤthers Judas 
verglichen worden: auf der andern Seite hat man das 
ſeltſame Gebet des Biſchofs Alexander wider ihn, 
nicht allein ohne Tadel gelaßen, ſondern auch vor hei⸗ 

lig und erhoͤrt angenommen. Die Anhänger des 
Arius behaupteten, ſeine Feinde hätten ihn durch zau⸗ 
beriſche Kuͤnſte aus dem Wege geraͤumt: und noch in 

den neueſten Zeiten haben ſcharfſichtige Schriftſteller 
gemuthmaaßt, er koͤnnte wohl vergiftet worden ſeyn. 
Das iſt jedoch nur eine Vermuthung, wie ſie oft bey 
dem unerwartet geſchwinden Tode ſolcher Perſonen, 
die viele oder maͤchtige Feinde hatten, angebracht wor⸗ 
den iſt. Es bleibt alſo nichts mehr uͤbrig als dieſes: 
Arius ſtarb eines ſchnellen Todes; aber die Urſache 
deßelben iſt unbekannt. 


Seein Todt war auch die letzte erhebliche Begeben⸗ 

eit in den Arianiſchen Handen zu den Zeiten Con⸗ 

Be aber doch keine entſcheidende. Zwar ſol⸗ 
len nach dem Athanaſtus (J. c.) viele Arianer dar⸗ 
auf zu den Rechtglaͤubigen uͤbergegangen ſeyn; aber 
ihre Parthey fuͤhlte ſich dadurch nicht geſchwaͤcht, da 
die Haͤupter derſelben ihr getreu verblieben. Viel⸗ 
leicht hatten dieſe anſehnlichen Lehrer einige Vorzuͤge, 
durch welche ſie ſich bey Hofe und unter den Chriſten 
überhaupt empfolen. Einige von ihnen find unleug- 
bar gelehrte, ſcharfſinnige und beredte Männer gewe— 
ſen. Daß ſie aber und . uͤbrige Anhaͤnger des Ari⸗ 
us/ 


410 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


zus, ihn ſelbſt nicht ausgeſchloßen, durchaus groben 
Se Irrthum, Argliſt, Verſtellung, Verleumdungsſucht, 
306 Gewaltthaͤtigkeiten und Verfolgungsgeiſt zu ihrem un⸗ 
bis terſcheidenden Eigenthum gehabt, mit einem Worte, 
337° daß dieſe ganze Parthey ſchaͤndlich gedacht, gelehrt 
und gehandelt habe; daß immer Wahrheit, Recht 
und Froͤmmigkeit nur auf der Seite der Catholi⸗ 
ſchen, und Athanaſius ſtets der unſchuldig verfolg⸗ 

te, niemals wuͤrkliche Veranlaßung zu neuen Haͤndeln, 
oder zur Erweiterung der alten, geweſen ſey; dieſes 
alles koͤnnen wir den catholiſchen Schriftſtellern die⸗ 

ſer und der gleich folgenden Zeiten unmoͤglich glauben: 
eben darum, weil ſie es allein find, welche ſolches 
berichten, und die voͤllige Geſchichte des Arianis⸗ 

mus faſt nur auf ihren Vorſtellungen beruhet. Die 

zu derſelben gehoͤrigen Urkunden helfen noch hin und 
wieder zu unpartheyiſchern Begriffen; feltener die Ges 
ſchichtſchreiber des fuͤnften Jahrhunderts, die man 
aber doch weder als beſondere Zeugen, noch als vom 
Athanaſius und ſeinen Zeitgenoßen ſehr verſchiedene 
Schriftſteller betrachten darf, weil ſie beynahe durch⸗ 
gehends die Denkungsart derſelben angenommen, und 
Auszuͤge aus ihren Schriften verfertigt haben. Waͤre 

die Kirchengeſchichte des Arianers Philoſtorgius 
ganz fuͤr unſere Zeiten uͤbrig geblieben: ſo wuͤrden wir 
zwar darinne nicht unpartheyiſche Nachrichten von den 
Arianiſchen Streitigkeiten, (denn er iſt, wie leicht 

zu erachten, auf eine den Catholiſchen entgegen ge⸗ 
ſetzte Art partheyiſch,) wohl aber ſolche finden, welche 
mit den gegenſeitigen verglichen, eine feſtere lau: 
benswuͤrdigkeit verſchaffen koͤnnten. Er faͤllt zwar 
zuweilen in offenbare hiſtoriſche Fehler; allein Epi⸗ 
phanius und Rufinus, die den erſten Zeiten des 
Arianiſmus weit naͤher als er waren, find in aͤhnli⸗ 

che gefallen. Auch in dem mangelhaften Auszuge fei- 

f ner 


Fortgang der Arianiſchen Streitigfeiten.411 


ner Geſchichte, den wir beſitzen, kommen einige Spu⸗ m 
ren von eigener, nicht bloß dem Arius ergebenern Den⸗F. G. 
kungsart vor: wie wenn er (L. II. c. 3. p. 9. ed. Go- 308. 
thofr.) denſelben tadelt, daß er behauptet habe, Gott bis 
koͤnne weder von den Menſchen, noch ſelbſt von ſeinem 337. 
Sohne, begriffen werden; welchen ungereimten Satz aber 

ſagt er, weder Euſebius von WNicomedien, noch 
andere der vornehmſten von ſeinen Freunden angenom- 
men haͤtten. Die neuern Schriftſteller, welche es un— 
ternommen haben, die Arianiſche Geſchichte zu erlaͤu⸗ 
tern, ſind meiſtentheils den Nachrichten der damaligen 
Catholiſchen, faſt ohne ſie jemals zu bezweifeln, oder 
mildern Muthmaaßungen Platz zu geben. Zween 
der fleißigſten und gelehrteſten darunter find Tille⸗ 
mont (Memoires, p. 102. ſq. Notes fur les Ariens, 

p. 319. fq.) und der Theatinermoͤnch, Cajetans Nies 

ria Travaſa, (Storia critica della vita di Arrio, pri- 

mo Ereſiarca del quarto Secolo, Venedig, 1746. 

8.) geweſen, dazu auch die geſchickteſten Verfaßer von 
Lebensbeſchreibungen des Athanaſius gerechnet werden 
muͤßen, die in der vollſtaͤndigen Geſchichte dieſes be⸗ 
ruͤhmten Mannes genannt werden ſollen. Einige 
Proteſtanten aber haben ſich deſto mehr Mühe gege— 
ben, in dieſer Geſchichte ſorgfaͤltige Unterſuchungen 
durch ſtrenge Wahrheitsliebe und Maͤßigung zu vere— 
deln. Ein Ruhm, den man beſonders dem Hrn. D. 
Semler, (Geſchichte der chriſtlichen Glaubenslehre, 
dem Dritten Bande von Baumgartens Unterſu⸗ 
chung theologiſcher Steitigkeiten vorgeſetzt, S. 21 fat) 
und dem Hr. C. R. Walch, (in dem Entwurfe einer 
vollſtaͤndigen Hiſtorie der Ketzereyen, ꝛc. Zweyter Th. 

©. 385. fgl.) nicht verſagen kann. 


— , 


Tau⸗ 


412 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch, 


800 Tauſe und Todt 
306 des 
337. Kaiſers Conſtantinus. 


— 


Her Kaiſer wurde, wenn man dem Athanaſius 
(ad Epiſcopos Aegypti et Libyae Diſput. I. 

p. 130. L. I. ed. Commel.) und dem Socra⸗ 

tes (L. I. c. 38.) glauben darf, durch die Nachricht 
von dem unvermutheten Ende des Arius voͤllig uͤber⸗ 
zeugt, daß derſelbe ein Meineidiger und ein Irrlehrer 
geweſen ſey: er blieb auch dem Nicaͤniſchen Glauben 
deſto getreuer. Aber dennoch, (und dadurch wird 
die Groͤße des Eindrucks, den dieſe Begebenheit bey 
ihm gemacht haben ſoll, etwas verdaͤchtig,) wollte er 
gar nichts von der Zurücberufung des Athanaſius 
hoͤren. Umſonſt ſchrieb der beruͤhmte Vater der Moͤn⸗ 
che, Antonius, (wie Sozomenus L. II. c. 31. 
erzählt) leds an den Kaiſer, er moͤchte den Ver— 
leumdungen der Meletianer gegen den Biſchof nicht 
trauen; auch die Geiſtlichkeit zu Alexandrien uberhaupt, 
und die geweihten Jungfrauen daſelbſt legten eine ſol⸗ 
che Fuͤrbitte ein; die uͤbrige Gemeine aber rief Gott 
öffentlich in ihrem Gebete darum an. Conſtantinus 
gab den Geiſtlichen durchaus eine abſchlaͤgliche Ant⸗ 
wort. Der Gemeine warf er Unverſtand und Leicht⸗ 
ſinn vor. Dem Antonius aber meldete er, daß er 
das Urtheil der Kirchenverſammlung unterſtuͤtzen muͤſ⸗ 
e: wenige Biſchoͤfe koͤnnten wohl aus Leidenſchaften 
1 ; aber nicht fo viele kluge und fromme; und 
ohnedieß ſey Athanaſius ſchmaͤhſuͤchtig, ſtolz, ein 
Stifter von Uneinigkeiten und Empoͤrungen. Da je⸗ 


doch 


Taufe und Todt des K. Conſtantinns. 413 


doch die Aeggptiſchen Gemeinen in zwo Partheyen ge⸗ 
theilt waren, davon die eine den abgeſetzten Biſchof, F. G. 
die andere den Johannes, den Nachfolger des Me- 306 
letius, zum Anfuͤhrer hatte: ſo verwies der Kaiſer bis 
auch dieſen außer Landes; ob ihn gleich die Kirchen 337. 
verſammlung von Tyrus in ſeiner Wuͤrde beſtaͤtigt hatte. 


Erſt im folgenden Jahre 337. beſchloß der Kaiſer, 
dem Athanaſtus die Ruͤckkehr nach Alexandrien zu 
erlauben. (Sozom. L. III. c. 2.) Allein der Todt hin⸗ 
derte ihn an der Ausführung dieſes Vorhabens. Als 
er die Annaͤherung deſſelben merkte, „glaubte er, (die⸗ 
ſes find die Worte des Euſebius, (de vita Conſtant. 
L. IV. c. 61.) die Zeit ſey nunmehr vorhanden, da 
er ſich von allen jemals begangenen Suͤnden reinigen 
koͤnne, indem er uͤberzeugt war, daß alle Vergehun⸗ 
gen eines Menſchen durch die Kraft geheimer Worte, 
und durch das heilſame Bad, von der Seele abgewa- 
ſchen werde.“ Eben dieſes alſo war eine Haupturſa⸗ 
che der von dem Kaiſer ſo lange aufgeſchobenen Tau⸗ 
fe: die gewiſſe Hoffnung die er hatte, daß er durch 
dieſelbe fuͤr alle Suͤnden ſeines Lebens, am Ende deſ— 
ſelben, auf einmal Vergebung erlangen werde. Er bat 
daher Gott knieend darum, und bekannte ihm ſeine 
Suͤnden in der Kirche zu Helenopolis, wo er ſich da— 
mals befand: und da wurde er zuerſt gewuͤrdigt, ſo 
drücke ſich wiederum Euſebius aus, daß ihm unter 
Gebet die Haͤnde aufgelegt wurden. Damals iſt er 
alſo erſt eigentlich und feyerlich unter die Catechume⸗ 
nen aufgenommen worden; wiewohl er zugleich, ohne 
die untern Claſſen derſelben zu beruͤhren, alsbald in 
die oberſte trat, welche das Recht der nahen Taufe 
hatte. Zwar befremdet es ſehr zu hoͤren, daß ein 
Fuͤrſt, der über zwanzig Jahre lang nicht nur mit al- 
lem erſinnlichen Eifer den aͤußerlichen Wohlſtand der 

chriſt⸗ 


414 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


F. d riltlichen Kirche befoͤrdert, und ſich gewiſſermaaßen 

Tg, ihren Biſchof genannt, ſondern fogar an der Unterſu⸗ 

306 chung der ſchwerſten Religionsfragen in derſelben ei⸗ 

bis nen faſt eben fo unmittelbaren Antheil genommen hat, 

337. als die Lehrer ſelbſt, daß dieſer noch nicht einmal foͤrm⸗ 
lich unter ihre Lehrlinge ſollte aufgenommen worden 
ſeyn. Allein die Ausdruͤcke des Euſebius ſind zu 
deutlich, als daß man daran zweifeln koͤnnte. Der 
Mangel an Taufe beweiſe unwiderſprechlich, daß der 
Kaiſer bis auf die letzten Tage ſeines Lebens, noch 
nicht unter die eigentlichen Glaͤubigen gehoͤrt habe: 
und nirgends findet man eine Spur davon, daß er in 
der oͤffentlichen Gemeine mit den uͤbrigen Chriſten 
Handlungen des Gottesdienſtes vorgenommen haͤtte. 
Kein Wunder iſt es auch, daß das erſte Beiſpiel eines 
Fuͤrſten, der zum Chriſtenthum uͤbergieng, und deſſen 
Wuͤrde mit der Kirchenverfaſſung vereinigt werden 
ſollte, manches Außerordentliche an ſich gehabt hat. 
Alles uͤbrige erklaͤren die beſondern Urſachen, welche 
er hatte, ſich erſt ſo ſpaͤt taufen zu laſſen. 


Noch eine derſelben eroͤfnete er den Biſchoͤfen, als 
er ſich hierauf nach Nicomedien hatte bringen laſſen. 
„Dieſes iſt, ſagte er, (beym Euſebius, 1. c. c. 62.) 
die von mir laͤngſt gewuͤnſchte Zeit, das Heil durch 
Gott zu erlangen. Es iſt Zeit, daß auch wir das 
Siegel welches Unſterblichkeit ertheilt, bekommen. Ich 
hatte zwar beſchloſſen, dieſes im Jordan zu thun, 
wo auch unſer Erloͤſer zum Vorbilde fuͤr uns, des Ba— 
des theilhaftig worden iſt; allein Gott wuͤrdigt uns 
deſſen ſchon hier: mithin mag es ohne Bedenken ge⸗ 
ſchehen. Denn wenn mir Gott das Leben ferner er⸗ 
halten ſollte: fo bin ich einmal entſchloſſen, mich kuͤnf⸗ 
tig ganz mit dem Volke Gottes zu vereinigen, und 
an dem Gebete mit allen in der Kirche (Eu 

c · 


Taufe und Todt des K. Conſtantinus. 4157 


eıälovsa) Theil zu nehmen. Auch will ich mir ſol⸗ J. m 
che Lebensregeln vorſchreiben, die Gott anſtaͤndig find.“ C. G. 
Hierauf empfieng er, unter den gewöhnlichen Caͤrimo⸗ 306 
nien, und mit dem noͤthigen Unterrichte, die Taufe; „ 
vermuthlich auch bald darauf zum erſtenmal das hei— 337 
lige Abendmahl. Er zog ſodann, wie es bey Neugee 
tauften uͤblich war, eine ganz weiſſe Kleidung an, und 
wollte den Kaiſerlichen Purpur nicht mehr tragen. 
Seine Freude, Dankbarkeit gegen Gott, und Be⸗ 
gierde zu ſterben, waren nun gleich groß. Er endigte 
fein Leben, am zwey und zwanzigſten May des Jahrs 

337 , im fünf und ſechszigſten Jahre feines Alters.“ 
Sein Leichnam wurde, nach feinem Willen, in der Apo⸗ 
ſtelkirche zu Conſtantinopel begraben. . 


Da er die Taufe von dem Biſchof Euſebius zu 
Nicomedien empfangen hatte: fo ſchloß daraus bes 
reits Hieronymus, (Chron. ad h. a.) er ſey als ein 
Arianer aus der Welt gegangen: und es hat nicht an 
neuern Gelehrten gefehlt, welche dieſes uͤbereilte Ur— 
theil nachgeſprochen haben. Nichts war natuͤrlicher, 
als daß der Kaiſer von dem Biſchof derjenigen Ge⸗ 
meine, in welcher er feierlich unter die Mitglieder der 
chriſtlichen Kirche aufgenommen ward, getauft wurde. 
Er hatte auch, wie man bereits in der vorhergehenden 
Geſchichte geſehen hat, keine Urſache, den Euſebius 
noch vor einen Arianer zu halten. Und alles was er 
ſeit der Nicaͤniſchen Kirchenverſammlung, in Anſe— 
bung des von ihr feſtgeſetzten Glaubens, gethan hat, 
beweiſet genugſam, daß dieſen zu erhalten, aber die 
Friedensſtoͤrer von beiden Seiten zur Ruhe zu noͤthi⸗ 
gen, eine feiner Hauptabſichten geweſen ſey. 


Kein anderer chriſtlicher Fuͤrſt hat bey der Nach» 
kommenſchaft ein fo ehrwuͤrdiges und dankbares An: 
denken 


416 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch, 


— denken durch alle folgende Jahrhunderte behalten, als 
J. n. Conſtantinus. Vermuthlich noch bey feinem Leben 
1 iſt ihm der Ehrennahme des Großen beygelegt wor⸗ 
Big den. Die Lobſpruͤche, durch welche ihn Euſebius 
337. gleich nach feinem Tode, in dem oft angeführten Wer⸗ 
ke, über die größten Fürften aller Zeiten erhob, find 
in der That ausſchweifend; aber er verſichert vielmehr 
zugleich, daß Gott allein das Leben deſſelben wuͤrdig 
beſchreiben koͤnne. Im fuͤnften Jahrhunderte fieng 
man an, ihn als einen Heiligen zu betrachten: und 
nach und nach iſt er auch als ein ſolcher verehrt wor— 
den. Man hat ihm in der griechiſchen und coptiſchen 
Kirche in Aegypten beſondere Feſte gewiedmet; er iſt 
in verſchiedenen Gegenden der abendlaͤndiſchen Gemei⸗ 
ne als ein Heiliger angerufen worden, und die neuern 
griechiſchen Schriftſteller legen ihm ordentlich den Nah⸗ 
men eines Apoſtelgleichen Mannes bey. Die Be⸗ 
weiſe von dieſem allem kann man in dem großen Werke 
der Antwerpiſchen Jeſuiten uͤber den Heiligen-Kalen⸗ 
der, (Acta Sanctorum, ad d. 21 Mai, p. 13. ſq.) 
auch zum Theil in einem Buche des Tillemont, (Hi- 
ftoire des Empereurs, T. IV. P. I. p. 428. ſq. a Bru- 
xell. 1709. 12.) finden. 


Es würde eine für dieſe Geſchichte fremde Unter⸗ 
ſuchung ſeyn, die wahre Größe dieſes Fuͤrſten genauer 
zu beſtimmen. Denn ſie kann nicht wohl anders beur⸗ 
theilt werden, als wenn zugleich mit ſeinen Thaten fuͤr 
die Religion und Kirche, auch die Staatsklugheit ſei⸗ 
ner Regierung, ſeine kriegeriſchen Eigenſchaften, und 
ſein ganzes ſittliches Bild in Betrachtung gezogen wer⸗ 
den. Das erfordert aber nicht weniger als eine voll- 
ſtaͤndige Lebensbeſchreibung deſſelben. Was er als 
Chriſt, und zum Beſten des Chriſtenthums verrichtet 
hat, iſt bisher ohne eigentliche Theilnehmung vo den 

lobred⸗ 


Taufe und Todt des K. Conſtantinus. 417 


lobredneriſchen Berichten, aus welchen es geſchoͤpft = 

5 4 5 7 . n. 
werden muß, erzaͤhlt worden. Wie groß er alſo ind G 
der Kirche, oder in allem was die Religion betraf, ge: 306 
weſen ſey, iſt nicht mehr eine ſchwere Folgerung an bis 
dieſem Orte. 337. 


Seine vielen und ungemeinen Wohlthaten gegen 
die Chriſten, gegen den aͤußerlichen Zuſtand ihrer Res 
ligion, und vorzuͤglich gegen ihre Lehrer, haben ihm 
ohne Zweifel mehr als alles andere, was er merkwuͤr⸗ 
diges ausgeführt hat, den Nahmen des Groſſen, zus 

mal durch den Dienſt der ihn bewundernden chriſtlichen 
Schriftſteller, zugezogen. Allerdings war es kein ge⸗ 
ringes Verdienſt, die ſo lang gedruͤckte und von dem 
maͤchtigſten Theil ſeines Reichs gehaßte, aber ouch die 
weiſeſte und gemeinnüßigfte unterlallen Religionen, zur 
herrſchenden darinne gemacht zu haben. Er hinterließ 
die ihr zugethane große Geſellſchaft in einer meiftens 
theils feſten und bluͤhenden Verfaſſung. Kaum konnte 
ſo viel von einem einzigen Fuͤrſten erwartet werden, 
als er zu ihrem Vortheil zu Stande gebracht hat. 
Seine Sorgfalt gieng hierinne auch uͤber die Graͤnzen 
des Roͤmiſchen Reichs hinaus. Er empfol dem Per⸗ 
ſiſchen Könige Sapor in einem Schreiben, das So⸗ 
zomenus (L. II. C. 15.) aufbehalten hat, die Chriſten 
in Perſien als Bekenner einer Religion, deren Vor⸗ 
treflichkeit allein Schutz und Gewogenheit verdiente. 
Denn daß er dieſes in der Abſicht geſchrieben habe, 
um den Koͤnig von einer grauſamen Verfolgung, die 
er uͤber die Chriſten hatte ergehen laſſen, abzuziehen, 
wie dieſer Geſchichtſchreiber meldet, ſcheint aus einer 
Verwechſelung ſpaͤterer Zeiten mit dieſen fruͤhern ent 
ſtanden zu ſeyn. Ueberhaupt hatte Conſtantin mit 
den Chriſten feiner Zeit das Vergnügen zu ſehen, daß 
ihr Glaube ſich unter den benachbarten Voͤlkern immer 

V. Theil. D mehr 


418 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 


mehr ausbreitete. Die Iberier auf der einen Seite 
TG. des ſchwarzen Meeres, in der jetzigen Aſiatiſchen Land⸗ 
306 ſchaft Georgien, und die Gothen, auf der andern 
bis Seite, und laͤngſt der Donau, gegen ihre Muͤndung 
337 hin, hatten während feiner Regierung ſich ſchon in 
großer Anzahl demſelben ergeben. Begebenheiten, die 
man bald mit ähnlichen andern, nach ihrem Zuſammen⸗ 
hange, in der Fortſetzung dieſer Geſchichte leſen wird. 
Es gab noch Heiden genug im Roͤmiſchen Reiche, als 
Conſtantinus ſtarb, und auch haͤuffige Uebungen ih⸗ 
rer Religion waren uͤbrig. Allein das Chriſtenthum 
hatte durch ihn dergeſtalt die Oberhand bekommen, 
und ſein Anſehen bey auswaͤrtigen Nationen war ſo 
groß, daß es nun gleichſam einen gebahnten Weg zu 
denſelben vor ſich hatte. 


Man muß hingegen auch zugeben, daß alle Ver⸗ 
dienſte Conſtantins um die chriſtliche Religion und 
Kirche noch nicht eigentlich das Werk eines groſſen 
Mannes geweſen ſind. Ihm, der beſtaͤndig ſiegte, 
fiel es ſehr leicht, eine Religion neben den Thron zu 
ſetzen, die auch weit weniger Anhaͤnger, und nicht ſo 
viel Empfelendes an ſich gehabt haͤtte. Weder die 
Ueberwindung groſſer Gefahren, noch außerordentliche 
Anſtrengung des Geiſtes, gehoͤrten dazu, dieſe Reli⸗ 
gion zu erkennen, mit Ueberzeugung zu lieben und zu 
verehren. Seine Freygebigkeit gegen ihre Anhaͤnger 
war einem eifrigen Freunde derſelben und einem Pracht⸗ 
liebenden Fuͤrſten natuͤrlich: er wurde auch zum Theil 
durch die ausnehmenden Lobſpruͤche, die er für eine fo 
mannichfaltige und anhaltende Sorgfalt erhielt, be: 
lohnt. Das einzige, wodurch er ſich bey dieſer gan⸗ 
zen Unternehmung uͤber viele ſeiner Zeitgenoſſen und 
über ſich ſelbſt hätte erheben koͤnnen, waͤre dieſes ge⸗ 
weſen, daß er der Religion, für die er alles that, oder 

zu 


Taufe und Todt des K. Conſtantinus. 419 


zu thun ſchien, auch alle feine Leidenſchaften und Laſter g. 
aufgeopfert hätte; wenn ihn gleich fein Stand, ſeine d G. 
Macht, und andere Umftände aufmunterten, in ſei⸗ 306 
nem Betragen nichts zu aͤndern. Aber eben dieſes bis 
einzige, worinne ſich der groſſe Geiſt haͤtte zeigen koͤn⸗ 337. 
nen, vermißt man an ihm: er wurde durch das Be⸗ 
kenntniß des Chriſtenthums nicht tugendhafter; oder 

er wurde es erſt in ſehr ſpaͤten Jahren. Noch weni⸗ 

ger vertragen ſich die Geſinnungen des Aberglaubens 

bey einer Religion, welche ausdrücklich dazu eingerich— 

tet war, das Herz von ſpielenden Caͤrimonien und Ue⸗ 
bungen der Andacht zu einer ganz geiſtigen Froͤmmig⸗ 

keit zu erheben, mit der wahren chriſtlichen Groͤſſe 

der Seele. 


Gleichwohl iſt die Nachwelt ſo wenig berechtigt, 
dieſen Fuͤrſten als Chriſten zu verachten, daß fie ihm 
auch noch jetzt ihre Dankbarkeit nicht verſagen darf. 
Die vollkommene Freiheit, welche er den Chriſten ers 
theilte, war doch der Grund, auf welche ſie unzaͤhli⸗ 
che edle Tyaten zur Ehre ihrer Religion bauen konn⸗ 
ten. Sie zu unterrichten, wie ſie dieſe Freiheit nuͤtzen 
muͤßten, und ihnen das nachahmungswuͤrdigſte Bei⸗ 
ſpiel daruͤber zu geben, war nicht ſowohl ſeine Pflicht, 
als der Lehrer ihre, von denen feine und ihre Einſich— 
ten gebildet wurden. Man konnte kaum etwas an⸗ 
ders erwarten, als daß der Fürft, der an den blenden⸗ 
den Schimmer der heidniſchen Religion gewohnt war, 
einen ſolchen Geſchmack beibehielt, auch nachdem er 
zum Chriſtenthum uͤbergetreten war, wenn er nur einige 
Nachſicht oder Aufmunterung bey den chriſtlichen Leh— 
rern darinne fand; daß er jeden Eindruck von ihnen 
annahm, und ehrerbietig „ folgſam, freygebig gegen 
diejenigen verblieb, denen er die wichtigſten und heil: 
ſamſten Kenntniſſe ſchuldig zu ſeyn glaubte. Und den- 

Dd 2 noch 


420 Zweyter Zeitraum. Erſtes Buch. 
. mnoch behauptete er nicht ſelten einige Ueberlegenheit des 


TG. Geiſtes uͤber die meiſten dieſer Lehrer; beſonders, 

306 wenn ſie ſeiner herrſchenden Liebe des Kirchenfriedens 

bis entgegen arbeiteten. Sie ſelbſt wurden freylich durch 

337. die ungewohnte groſſe Veraͤnderung ihres Gluͤcks, durch 
die hohen Ehrenbezeigungen, und andere neue Reitzun⸗ 
gen verleitet, ſich nebſt den uͤbrigen Chriſten mit un⸗ 
bedachtſamer Freude, und in einer guten Meinung, 
nicht das geringſte zu unterſagen, was ihren Eifer 
für die Religion ausdruͤcken konnte, und lieber zu viel, 
als ihren Begriffen nach, zu wenig in dieſer Abſicht 
zu thun. Allein wenn es leicht und nicht ungerecht iſt, 
ſie deswegen zu tadeln: ſo ſteht ihnen doch einige Ent⸗ 
ſchuldigung, oder doch ein gewiſſes Mitleiden, das 
aus der Betrachtung des gemeinen Schickſals des 
menſchlichen Herzens unter gleichen Umſtaͤnden fließt, 
offen. Die Geſchichte begnuͤgt ſich daran, zu zeigen, 
wie ſehr ſich in dem Zeitalter Conſtantins auf allen 
Seiten, und ſogar oft wider Wiſſen und Willen der 
vornehmſten Mitglieder der chriſtlichen Kirche, alles 
vereinigt habe, eine neue Geſtalt der chriſtlichen Reli⸗ 
gion und Gottſeeligkeit, des Lehramtes und der gan⸗ 
zen kirchlichen Verfaſſung hervorzubringen; Veraͤnde⸗ 
rungen zu ſtiften, deren Folgen ſich zum Theil bis auf 
unſere Zeiten erſtrecken. 


Ende des fuͤnften Theils. 


— ... 


| Regi 


421 


Regi er. 


A heil. foll al: 
len Sterbenden gereicht 
werden. 383. 

Aberglauben, Wachsthum 
deſſelben ſeit den Zeiten 
Conſtantins. 128 fg. Ur⸗ 
ſachen davon. 130. 

Abgefallene Chriſten, Geſe⸗ 
tze wegen derſelben. 89. 
313. 382 fg. Streitigkei⸗ 
ten wegen derſelben. 282. 

Aceſius, Biſch. der Nova⸗ 
tianer, ſein Geſpraͤch mit 
dem K. Conſtantinus. 382. 

Alexander, Biſchof von Ale: 
randrien. 324 fg. Schrei⸗ 
ben und Lehrſaͤtze deſſel⸗ 
ben. 327. fg. 

Amon, Stifter der Moͤnchs⸗ 
zellen in der Sketiſchen 
Wuͤſte. 174. 

Anachoreten, eine Art Moͤn⸗ 
che. 179. 

Antonius, der Vater des 
Moͤnchslebens, fein Le— 
ben. 154. fg. ſeine Ue⸗ 
bungen und Wunder. 156. 
fg. beſucht den Einſied⸗ 
ler Paulus. 159. ſeine 
Briefe und Vorſchriften. 
160. ſeine Fuͤrbitte fuͤr 
den Athanaſius. 412. 

Apollonius von Tyane wird 
vom Hierocles mit Chriſto 
verglichen. 213. 

Apphianus, Wunder bey 
ſeinem Tode. 32. 

Ar beitloſes Leben, vermein— 
tes heiliges. 163. 


Arius, fein Leben. 321. fg. 
ſeine Schriften. 323. 
Streitigkeiten deſſelben 
mit dem Biſchof von Ale⸗ 

andrien. 324. fg. ſeine 

einungen. 325. 327. 
zween Briefe deſſelben. 
330. zu Nicaͤa. 350. 
wird dort als Ketzer ver⸗ 
urtheilt. 370. wird aus 
ſeiner Verweiſung zuruͤck— 
berufen. 393. fein Glau⸗ 
bensbekenntniß. 394. er 
wird in die Kirchenge⸗ 
meinſchaft wieder aufges 
nommen. 405. fein Todt. 
407. von den Urſachen 
deſſelben. 408. fg. 

Arianer und Meletianer 
verbunden. 287. ihr Be⸗ 
tragen zu Nicaa. 360. 

Arianiſche Geſchichte, ihre 
Bearbeitung. 410. fg. 

Armenier, ihre Bekehrung 
zum Chriſtenthum. 47. 

Aſceten, ihr Unterſcheid von 
den Mönchen. 153. 

Athanaſius, Diaconus zu 
Alexandrien. 351. 364. 
ſein Widerſtand gegen die 
Arianer. 401. Beſchul⸗ 
digungen wider ihn. 402. 
fg. er wird ſeines Amtes 
entſetzt. 404. und nach 
Gallien verwieſen. 406. 

Auguſtinus, ſeine Nachrich⸗ 
ten von den Donatiſten. 
290. 


ar in den Kirchen, 
rſtes Beiſpiel davon. 134. 
dd 3 Begrab⸗ 


422 


Begraͤbnißplaͤtze, Geſetze 
wegen derſelben. 65 fg. 
Bilder der Goͤtter, ihre 

Vernichtung und Beſchim⸗ 

Ipfung. 108. 

Biſchoͤfe, Anfang ihrer Ge⸗ 
richtsbarkeit. 97. ihr An⸗ 
theil an der Regierung 
der Kirche. 114. fg. ihr 
Anſehen ſteigt hoch. 118. fg. 

Buͤſſende, 
derſelben. 59. 62. 313. 


Caͤcilianus Streit uber ſei⸗ 
ne Biſchofswahl. 294. 
Caͤrimonien, Wachsthum 
derſelben unter den Chri⸗ 
ſten. 128 fg. 

Canon, bibliſcher, Nachricht 
davon beym Euſebius von 

Caͤſarea. 220. 

Canones. S. Kirchengeſetze. 

Yeualomevor. 315. 

Chriſten, Ver folgungen der⸗ 
ſelben. 39. fg. Geſetze zu 
ihrem Beſten. 44. 48. 90. 
ihr Aberglaube. 128. fg. 

Chr tſtliche Religion, Vor⸗ 
wuͤrfe der Heiden gegen 

dieſelbe. 85. wie ſie im 
Roͤm. Reiche die Ober⸗ 
hand bekommen habe? 
104 Beweis ihrer Wahr⸗ 
heit. 204 fg. 

Chriſtus, Lehre des Euſe⸗ 
e von Caͤſarea, von 

demſelben. 187. 204. 207. 

fa. 215. fg. 357. 365. 
Lehre des Lactantius von 
demſelben. 245 fg. Lehre 
des Biſchofs Alexander und 
des Arius von ihm. 325. 
68. 331. der Ricaͤniſchen 


Geſetze wegen 


Regiſter. 


Synode. 361. Lehre des 
Euſtathius von Antiochi⸗ 
en. 396. 
Coenobiten, eine Art Moͤn⸗ 
che. 178. 1 125 
Concilium plenarium. 302. 
Conſtantia, Schweſter des 
K. Conſtantin, unterſtuͤtzt 
die Arianer. 393. 
Conſtantinopel, ein Sitz des 
Chriſtenthums. 110. 
Conſtantinus der Große, 
ſeine Bekehrung zum Chri⸗ 
ſtenthum. 66. fg. Erſchei⸗ 
nung am Himmel die er 
fah. 69. fg. 78. ob er fie 
erdichtet habe? 81. ob ſei⸗ 
ne Bekehrung nur nr 
tiſch geweſen ſey? 87. 
ſeine erſten Geſetze für ve 
Chriſten. 90, fg. viele 
andere derſelben. 94. fg. 
ſein Glimpf und Zw 
gegen die Heiden. 105.1 10. 
ſeine Geſetze wider die Ju⸗ 
den. 112. in wie fern er 
Biſchof der Chriſten war? 
115. ob er vom Biſchof 
Cilvefter getauft worden 
fey? 122. fg. ſeine ver⸗ 
meinte Schenkung an die 
Roͤm. Biſchoͤfe unterſucht. 
125. 753 bauet viele Kir⸗ 
chen. 133. ſein Aberglau⸗ 
ben. 55 ſeine Froͤm⸗ 
migkeit. 143. ob er ein 
aufrichtiger Chriſt gewe⸗ 
fenifey ? 145. fein Le⸗ 
ben vom Euſebius. 225. 
nimmt ſich der Donatiſti⸗ 
ſchen Haͤndel an. 296. 
ſein Schreiben an den A⸗ 
lexander und Arius. 340. 
fg. beruft die Kirchen⸗ 
ver⸗ 


Regiſter, 


verſammlung von Nicaͤa. 
48. fein Antheil an ders 
elben. 353. er be ſtaͤtigt 
die Nicaͤniſchen Schluͤſſe. 
2388. verweiſet den Atha⸗ 
naſius. 406. wird ein 
Catechumenus. 413. wird 
getauft. 415. ſtirbt eben⸗ 
daſ. ob als ein Arianer? 
ebendaſ. wie groß er als 
Chriſt geweſen? 416. fg. 
Conſtantius Chlorus ieh 
31. 
— — Conſtantins Sohn, 
ſieht ein Kreutz am Him⸗ 
1 mel. 78. 
Cos mas und? Damianus. 55. 
Cyclus zur Berechnung des 
Oſterfeſtes. 373. 


D. 
e a Verfolgung 
der Chriſten durch ihn. 


. 

Donatiſten, ihre Geſchichte. 
288. fg. ihr Wachsthum. 

2306. fg. Schriftſteller von 
ihnen. 312. 

Donatus der Gr. 297. 308. 

Drrieinigkeit, göttliche, Vor⸗ 
ſtellungen von dieſer Leh— 
re, beim Euſebius. 200. 
fg. beim Lactantius. 250, 
fg. Streitigkeiten daruͤ⸗ 
ber. 320. fg. 

R. 

bebe Stand, Befoͤrde⸗ 
rung deſſelben. 99. 

Eheſtand der Geiſtlichkeit, 
Geſetze deswegen. 63. 315. 
317. vergeblicher Verſuch 
dagegen zu Nicaͤa. 385. 

Einſtedler, ihnen find die er⸗ 
ſten e aͤhnlich. 177. 


423 


Euſebius, Biſchof von Caͤ⸗ 
ſarea, fein Leben. 188. fg. 
Auszug einer Rede von 
ihm. 186. fg. ob er ein 
15 geweſen ſey? 190. 

339. bewundert den. 
K. K. Conſtantinus zu ſehr. 
103. ſeine allgemeine 
Weltchronick. 19. fg. 
Auszug aus feiner Eyanz 
geliſchen Vorbereitung. 
197. fg. Auszug aus ſei⸗ 
nem Beweiſe von der 
Wahrheit des Evangeli⸗ 
um. 204. fg. ſein Werk 
wider den Hierocles. 212. 
ſeine Kirchengeſchi chte. 
214. ſeine Werke uͤber 
die heilige Schrift. 226. 
Schriftſteller von ſeinem 

Leben. 231. fein Glau⸗ 
bensbekenntniß? 357. er 
unterſchreibt das Nicaͤni⸗ 
ſche 365. ob er einen De 
ſtercyelus verfertigt has 
be? 3738 - 

Euſebius, Biſchof von Ni⸗ 
comedien. 337. ein Glau⸗ 
bensbekenntniß von ihm. 
356. er unterſchreibt das 
Nicaͤniſche. 369. wird nach 
Gallien verwieſen. 39 r. 
und zuruͤckberufen. 390. 

Tuſebius, Bild, von Vereel⸗ 
la, befördert das Moͤnchs⸗ 
leben. 177. 

Euſtathius, Biſchof von Ans 
tiochien, ſein Leben und 
ſeine Schriften. 306. fg. 
wird abgeſetzt. 399. 

Euſtathius, Biſchof von 
Sebaſte, befoͤrdert das 
d 175. RN 
D d Evzo⸗ 


424 


Kozojus, ein Freund des 
Arius. 394. 


F. 
Saſten, Gewohnheiten der 
Chriſten dabey. 61. 
— — vierzigtaͤgiges. 377. 


G. 

Galerius verfolgt die 2 07 
ſten. 40. 42. ſein Be ehl 
zum Beſten derſelben, und 
ſein Todt. 44. 

Geiſtlichkeit. S. Biſchoͤfe, 
Eheſtand, Lehrer. 

Gelaſius von Cyzieum, ſei⸗ 
ne Ackten der Nicaͤn. Sy⸗ 
node. 354. fg. 386. 

Gelehrſamkeit der Heiden 
im Anfange des zweyten 
Zeitraums. 34. fg. 

Gemaͤhlde in den Kirchen 
verboten. 64. 

Georgius, der Ritter. 55. 

Gerechtigkeit, Erklaͤrung 
derſelben. 252. 

Glaubensbekenntniß des 
Euſebius von Nicomedi⸗ 
en und der Arianer. 356. 
fg. des Euſebius von Caͤ⸗ 
ſarea. 357. der Kirchen⸗ 
verſamml. zu Nicäa. 361. 

Gott, Beweis, daß nur Ei⸗ 
ner ſey und regiere. 235. 

Gottes Zorn vom Lactantius 
erklart. 270. 

— — Vorſehung beſchrie⸗ 
ben. 272. fg. 

Goͤrter/ ihr Daſein wird ber 
ſtritten. 236. fg. 

Gottesdienſt, vom wahren. 


254. er 
Gottheit Chriſti. 330. fg. 


H. N 
Seiden, ihr Urtheil von Con⸗ 
ſtantins Bekehrung. 84. 


Regiſter. 


fg. ſie werden don ihm 
zum Chriſtenthum einge⸗ 
laden. 105. ſie nehmen 
daſſelbe an. 111. wer⸗ 
den von den Chriſten im 
Gottes dienſte nachgeahmt. 
131. ihr Urtheil von den 
Moͤnchen. 182. ihre Vor⸗ 
wuͤrfe gegen die Chriſten. 


198. 

Heidniſche Religion, ihr Zu⸗ 
ſtand im Anfange des 
weyten Zeitraums. 33. 
15 wird vom Conſtanti⸗ 
nus gedruͤckt. 107. 109. 
ihr Oberprieſterthum vom 
Conſtantin verwaltet. 145. 
fg. ſie wird vom Euſebius 
beſtritten. 199. fg. 

Gelehrſamkeit geht 

zu den Chriſten uͤber. 37. 

Soldaten muͤſſen 
am Sonnt. beten. 101. fg. 

Heilige, ihre Ueberbleibſale. 


141. 

Helena, Conſtantins Mutter, 
ihre Gottſeeligkeit und ihr 
Aberglauben. 136. fg. 

Hexe zu Endor, ihre Ge⸗ 
ſchichte unterſucht. 397. fg. 

Hierocles wird vom Eufebie 
us widerlegt. 212. fg. 

Hilarion, ein Befoͤrderer 
des Moͤnchslebens. 166. 

denkt von Wallfahrten 
richtig. 168. 

Hof um die Sonne wird zum 
Wunder. 83. - 

Hoſius, Biſchof von Cordu⸗ 
ba. 343. fg. 340 ob er 
N Nicaͤa den Vorſitz ge⸗ 

uͤhrt habe? 354. fg. 364. 

Jahrbuch des zweyten Zeit⸗ 


raums. 3 — 26. 
Jani 


Regiſter. 


Jamblichus, Leben und 
Schriften deſſelben. 34. fg. 
Jeruſalem, Vorzug dieſer 
Gemeine beſtimmt. 380. 
Illiberis. S. Kirchenverſ. 
Immunitas der chriſtlichen 


Lehrer. 95. 
Offenbarung. 


Johannis 
22. fg. 

Juden, ihr Zuſtand im An⸗ 
ſange des zweyten Zeit⸗ 
raums. 38. fg. Geſetze 
Conſtantins wider ſie. 113. 

Juͤdiſche Religion, Abriß 
derſelben. 200. Verglei⸗ 

chung derſelben mit der 
chriſtlichen. 205. 

1 Gottgew. 182. 

Juvencus, ein chriſtlicher 
Dichter. 277. fg. Ausga⸗ 
ben ſeines Gedichts. 279. 

K. 

Ketzertaufe, Entſcheidung 
darüber, 301. 

Kirche, chriſtliche, ihre neue 
Verfaſſung und Regie 
rung. 114. fg. 

Kirchen, groſſe Vermeh— 
rung derſelben. 132. fg. 
Beſchreibungen von zwo 
derſelben. 133. fg. 

Kirchengeſetze, des B. Pe⸗ 
trus von Alexandr. 59. 

der Synode zu Illiberis. 
62. Conſtantins des Gr. 
194. fg. von Arelate. 301. 
von Ancyra. 313. von 
Reucaͤſarea. 317. zu Ni⸗ 
caͤa. 375. fg. 

Kir chengeſchichte des Eu⸗ 
ſebius. 215. 

Kir chenverſammlungen zu 
Illiberis. 61. allgemeine 
oder oͤcumeniſche. 117. 


425 


346. fg. zu Cirta. 291. 
zu Arelate. 300. eine Do⸗ 
natiſtiſche. 307. zu An⸗ 
cyra. 312. zu Neucaͤſa⸗ 
rea. 316. zu Alexandri⸗ 
en. 338. zu Nicäa. 348. 
fg. zu Tyrus. 402. zu 
Hetüſalem. 405. zu Con⸗ 
ſtantinopel; 406. 

Kloſterleben, Entſtehung 
deſſelben. 168. 

Kreutz am Himmel, ob Con⸗ 
ſtantinus eines geſehen ha⸗ 
be? 69. fg. erſcheint ſei⸗ 
nem Sohne und andern 
Chriſten. 79. 

Kreutzeszeichen, abergläus 
biſche Verehrung deſſel⸗ 
ben. 137. 8 

g. N 

Labarum, Beſchreibung und 
Kraft deſſelben. 70. 74. 

Lactantius, fein Leben und 
feine Meinungen. 232. fa. 
fein Widerſpruch gegen 
den Euſebius. 71. 76. ſei⸗ 
ne Anleitung zur wahren 
Religion im Auszuge. 
294. ob er ein Mani⸗ 
chaͤer geweſen ſey? 238. 
fg. 240. 260. Urtheil von 
ihm, 268. andere Schrife 

ten deſſelben. 270. fg. 
Ausgaben ſeiner Werke. 
275. was er vom heil. 
Geiſte gelehrt habe? 276. 

Lebensarten, zweyerley in 
der Kirche Gottes. 206. 

Lehrer, chriſtliche, ihre Sit⸗ 
ten. 53. Geſetze wegen 
ihres Eheſtandes. 63. 215. 
317. werden von oͤffentli⸗ 
chen Bedienungen befrey— 
et. 95. und von Abgaben. 
D d 96. 


426 


96. Anfang ihrer Ge 
richtsbarkeit. 97. Kir⸗ 
chengeſetze in Anſehung 
derſelben. 314. fg. 317. 
fg. 376. 384. 
Licinius, ſeine Verordnun⸗ 
en fuͤr die Ehriſten. 90. 
g. verfolgt die Chriſten. 
92. wird umgebracht. 93. 


M. 


. ee eee, ihr 
Werth. 
Mortyrer, in Palästina, be⸗ 
ſchrieben. 225. 
Majorinus, Bischof zu Car⸗ 
thago. 298. 
Manichäiſche Stellen im 
Lactantius. 238. 260. 
Marcellinus, Röm. Biſchof, 
ob er vom Chriſtenthum 
abgefallen ſey? 55. fg. 
Martinus, Biſchof vonTuro: 
num, ſeine Geſchichte. 175. 
Maervsoy, Bedeutung des 


orts. 136. 
ene ſchützt die Chri⸗ 
ſten. 4 


ren e ein Feind der 
Chriſten. 42. fg. 48. fg. 
er ſchuͤtzt ſie. 40. fg. 

Meletius, ſeine kirchliche 
Haͤndel. 280. fg. 

Menſch, Meinungen des 
Lactantius von ihm. 240. 

Menſurius, ef zu Car⸗ 
thago. 2 

Wee Nicaͤniſche 
n wegen der⸗ 
ſelben. 377 

Mittler, warum Chriſtus ſo 
heiſſe? 249. 

Moͤnche, ihr Urſprung. 150. 
fg. ob ſie zu den Be 


Regifter: 


der Apoſtel entſtanden 
find? 152. fg. ihre man⸗ 
nichfaltige Abweichungen 
vom Geiſte des Chriſten⸗ 
thums. 162. fg. ſind noch 
keine Lehrer oder Gelehr⸗ 
te. 161. 164. in Syrien 
und Palaͤſtina. 168. in 
Armenien, Paphlagonien 
und Pontus. 175. zu 
Rom und in Gallien, eben⸗ 
daſelbſt. führen zu erſt ein 
Einſiedler Leben. 177. ob 
ſie Philoſophen waren? 
179. werden dem Staats 
gefährlich. 180, 

Monogramma Chrifti. 78, 

Montenfes. 307. 

Muͤßiggang der Ninde, 
180. 


Yicke, Kirchenverſammlung 
daſelbſt, ihre Akten. 386. 

Nonnen, ihr Urſprung. 183. 
Bedeutung ihres Nah⸗ 
mens. 184. 

Novatianer, in wie fern 15 
den Donatiſten aͤhnlich 
waren? 310. Geſetz we⸗ 
gen ihrer Wiederaufnah⸗ 
me in die Kirche. 381. 


O. ‚ 
Oecumeniſche Kirchen ver; 
ſammlung, was ſie 19? 
117. 346. 
Offerre. 303. 
Osnovauia. 215. 
Obige. 369. 
. 326. 345. 361. 


309 
Optatus, Biſchof zu Mile⸗ 
vi, ſein Werk. 289. 
RT ©. ge pe 


d 


p 


Regiſter. 


Pachomius, ſtiftet die erſten 
Kloͤſter. 168. ſeine Regel. 
171. 

Pamphüus, Freund des Euſe— 

bius. 186. 

Paphnutius, feine Meinung 
vom Eheſtande des Clerus. 


385. EUR, 
Paſcha, Streit darüber ent 
ſchieden. 371. 


Paulianiſten, Geſetz wegen der⸗ 


ſelben. 384. 

Paul der Einfaͤltige. 178. 

Perf der Einſiedler ſtirbt. 159. 
erſien, Zuſtand der Chriſten 
daſelbſt. 417. 

Petrus, des Apoſtels, Schriften. 

f I 


221. 

Petrus, Biſchof von Alexandri⸗ 

en, ſeine Geſchichte. 57. ſeine 
Kirchengeſetze. 59. feine 

Streitigkeiten mit dem Me: 
letius. 281. fg. 

Pfingſten, Feyer dieſes Fe⸗ 
ſtes. 6 


. 68. 
Philoſophen der Heiden beur- 
theilt. 243. fg. auf der Kir⸗ 
chenverſammlung zu Nicaͤa. 


351. 
Philoſophie der Mönche, 179. 
der Heiden. 202. 
vom Lactantius beſtritten. 
242. 


— 


Philoſtorgius, feine Arianiſche 


Geſchichte. 410. 
Piſanus, Alphonſus, ſein Werk. 


387. 
Pontifex Maximus iſt Conſtan⸗ 
tinus. 145. 
Porphy rianer, ein ketzeriſcher 
Schimpfnahme. 370. 
Pſalmen, Erkl. derſelben durch 
denEuſebius vonCaſarea. 228. 


427 


8 7 R. N 
Reich, tauſendjaͤhriges Chriſti, 
vom Lactantius vorgetragen. 


265. 15 
Religion. S. chriſtliche, juͤdi⸗ 
ſche, heidniſche, Religion. 
Reliquien, ihre eifrigereSammz 

lung fängt an. 144. 

Richer, Edmond, ſein Lob. 387. 

Ro miſche Biſchoͤfe, ihr Anſehen. 
122. ob ihnen Conſtantinus 
die Haͤlfte ſeines Reichs ge⸗ 
ſchenkt habe? 125. wie groß 
ihr Kirchenſprengel zur Zeit 
der Nicaͤniſchen Synode ge⸗ 
weſen ſey? 379. fg. 

Roͤmiſche Geſetze wider den 
eheloſen Stand werden auf⸗ 
gehoben. 99. 

Boͤmiſches Reich, Zuſtand defz 
ſelben unter Conſtantin dem 
Groſſen. 30. fg. neue Staats⸗ 
verfaſſung darinne von ihm 
eingefuͤhrt. 120. 

Romanus, vermeinte Wunder 
bey ſeinem Bei 52. 


Samuel, ob er nach ſeinem To⸗ 
de erfchienen ſey? 398. 
Sanchuniathons Fragment. 


199. 

Sarabsiten, eine Art Mönche, 
178. 

Schöpfung, erklaͤrt vom La⸗ 
etantius. 239. 5 

Schriften, heilige der Chriſten. 
220. Werke des Euſebius v. 
Caͤſarea daruͤber. 226. 

Seele, Gründe fuͤr h ihre Une 
ſterblichkeit. 260. 

Silvefter, Rom. Biſchof, ob er 
den Kaiſer Conſtantinus ge⸗ 
tauft habe? 122. ſg. ob er 
die Nicaͤniſche Kirchenver⸗ 

ſamm⸗ 


428 


ſammlung berufen? 348. fg. 
ob er die Nicaͤniſchen Schluͤſſe 
beftätigt habe? 389. 
Sonntag, an demſelben wurde 
ſtehend gebetet. 61. ſtrengere 
Feyer deſſelb. eingeführt. 100. 
Sprüche Sal. C. 8. v. 12. 217. 
Steidte der heil. Schrift. 227. 
Sub urbicariæ Eccleſiæ. 379. 


Suͤnden, wenn fie Gott ver: 

giebt? 258. f 
Symbolum. S. Glaubensbe⸗ 
kenntnis. 


T. 


Taufe, warum ſie von den 
Chriſten viele Jahre aufge 
ſchoben worden fey? 148. Con⸗ 
ſtantins. 122. Gedanken des 
Lactantius davon. 244. war⸗ 
um ſie Conſtantinus bis ans 
Ende ſeines Lebens aufgeſcho—⸗ 
ben habe? 413. 

Tempel, heidniſche, Zerſtoͤrung 
und Veraͤnderung derſelben. 
107. 

Osoroyia. 215. 

Teufel, Gefechte mit demſel⸗ 
ben. 156. 170. Meinungen 
des Lactantius von ihm. 238. 


240. fg. 

Theognis, Biſ. v. Nicaͤa, wird 
nach Gallien verwieſen. 391. 
und zuruͤck berufen. 392. 


— 


Regiſter. 


Tiridates, Koͤnig der Arme⸗ 
nier, wird ein Chriſt. 47. 


V. 

Verbrennung ketzeriſ. Schrif⸗ 
ten zuerſt, anbefohlen. 370. 
Verfolger der Chriſten, ob ihr 
ungluͤcklicher Todt einen Be⸗ 
weis fuͤr das Chriſtenthum 
abgebe? 50. 273. . 
Verfolgungen der Chriſten. 


39. fg. 
Ver ſoͤhnungen der Gottheit. 
206. 
Vorſehung, goͤttliche. 272. 
Vorſitzer der Kirchenverſamm⸗ 
lung zu Nicaͤa. 354. 


W. 

Wallfahrten an heilige Oerter 
kommen auf. 138. fg. 

Weisheit, wahre, erklaͤrt vom 
Lactantius. 244. 

Weiſſagungen von Chriſto. 
209. fg. 

Welt, wenn ihr Ende erfolgen 
wird? 261. 

Wiedertaufe der Ketzer, von der 
Nicaͤniſchen Synode befoh— 
len. 384. 

Wunder, ungewiſſe lin der 
Maͤrtyrergeſchichte. 52. ob 
Gott eines zur Bekehrung 
Conſtantins gethan habe? 
69. fg. ob der Todt des 
Arius eines geweſen jey? 
408. fg. 


— 


| Verbeſſerungen. 
S. 16 Z. 1. fa ih ſtatt: Sie hatte am bis heil. Schrift, zu les 


ſen: Sie eignete ſich den — heil. Schrift zu 


5 96,3 16. ſtatt 


Ausgaben 1. Abgaben. S 127 3 v2. ſtatt Urkund eim. I. Urkunde 


im. 
ſtatt Aſceticun |. Aſceticai u. 


S 120. 3. 6. ſtatt uͤbetreffen 1. übertreffen S. 5 3 16 
3. 155.3. 4. von unten, 


ſtatt ver ſtanden 


l. verſtandenen. S232. 3.6. ſtott pflegten l. pflegte. S. 250. 8. . 


flat Freundſchaft l. Seindfchaft 


*. A. S.. 


Author Schroeckh „ Johann Natth: 


Vel. 5. 


hte. 


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— 


Title .Kirchengeschi 


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