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Full text of "Christliche Symbolik"

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HAROLD  B.  T  \  -     :''-"  A.RY 

BRIGHAM  Y(  ERSITY. 

PROVO,     uiAri 


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Christliche 


8  n  m  6  0  f  i  &. 


Von 


Wolfgang    Menzel. 


— «T^Ü*^-»~ 


Zweiter    Th  e iL 


REGENSBURG. 

Verlag    von    G.    Joseph    Manz. 

1854. 


HAROLD  B.  LFH  LIBRARY 

BRIGHAM  YOijiNG  ÜNIVEiiSIT'a 
PROYÜ,    UTAH 


Vf 


Labyrinth, 

Sinnbild  der  Welt  mit  ihren  Irrgängen  und  Verführungen. 
Picinelli)  fnundus  symb.  11.  66.  Die  Seele  irrt  durch  das  La- 
byrinth der  Welt,  wird  aber  von  Christo  an  einem  langen 
Faden  aus  der  Ferne  geleitet.  Herrn.  Hugo^  pia  desideria^ 
Antv.  1624.  p.  135.  —  Die  sogenannten  Labyrinthe  in  den 
Kirchen  sind  (wie  die  Irrgänge  in  Gärten)  künstlich  ver- 
schlungene Lineamente  für  die  Bittgänge,  zu  dem  Zweck 
angelegt,  auch  in  engem  Räume  einen  längeren  Weg  durch- 
messen zu  können.    Kreuser,  Kirchenbau  L  146. 

L  a  m  e  c  h. 

Derjenige  Nachkomme  Kains,  von  welchem  nach  Gen. 
4,  18  f.  alle  heidnischen  Culturvölker  im  Gegensatz  gegen 
das  fromme  Hirtengeschlecht  Seths  abstammen.  Dieser  Ge- 
gensatz der  Völker  vor  der  Sündfluth  ist  Vorbild  des  nach- 
sündfluthlichen.  Lamech  macht  sich  auf  zweierlei  Weis^  be- 
merklich, einmal  dadurch,  dass  er  zwei  Weiber  nimmt.  Somit 
stellt  er  sich  an  die  Spitze  aller  der  Völker,    die  sich  der 

1* 


4  tjam^ck. 

Vielweiberei  ergeben  und  insofern  auch  grösserer  Corruption 
ausgesetzt  sind.  In  der  ganzen  Reibe  der  Patriarchen  von 
Seth  bis  Noah  kommt  kein  ähnlicher  Fall  vor.  Nur  Kains 
Geschlecht  treibt  Vielweiberei.  Lamech  gilt  ferner  wegen 
Gen.  A,  23.  und  24.  als  der  Erfinder  des  Schwertes  und,  so- 
fern er  in  diesen  Versen  das  Schwert  besang,  als  der  erste 
Dichter.  Hier  treten  also  Krieg  und  Dichtkunst  als  neue 
Momente  der  Cultur  hervor,  die  sich  in  Kains  ackerbauen- 
dem Geschlecht  entw^ickelt,  während  Seths  Geschlecht  der 
frommen  Hirteneinfalt  treu  bleibt.  Der  Sinn  obiger  Verse 
ist:  Lamech  ist  von  einem  Jüngling  beleidigt  worden  und 
hat  ihn  mit  dem  Schwert  erschlagen,  und  freut  sich,  dass, 
wie  schon  Kain  die  ihm  von  Abel  widerfahrene  Belei- 
digung gerächt,  er  mit  noch  schärferer  Waffe  die  ihm  wi- 
derfahrene bestraft  hat.  Die  Lust  des  Schwerts,  die  Lust 
der  Rache  ist  es,  was  jenes  erste  Lied  auf  Erden  preist. 
Vgl.  Herder,  zur  Theol.  VH.  195.  Lamech  zeugt  sofort  mit 
seinen  beiden  Weibern  den  Jabal,  der  die  ersten  Hütten 
baut,  den  Jubal,  der  das  Geigen  und  Pfeifen  erfindet,  und 
den  Tubalkain ,  der  in  Erz  und  Eisen  Meister  ist ;  also  lauter 
Repräsentanten  der  höheren  Cultur  und  im  Gegensatz  gegen 
Seths  einfaches  Hirtengeschlecht.  Das  ist  derselbe  Gegensatz, 
der  noch  lange  nach  der  Fluth  abermals  hervortritt  zwischen 
den  gebildeten  Aegyptern,  Phöniziern,  Syriern  und  Baby- 
loniern  einer-,  und  den  israelitischen  Hirten  andrerseits. 

Buttmann  hat  sich  in  seinem  Mythologus  I.  164.  viel  Mühe 
gegeben,  in  dem  Jubal  den  Apollo,  im  Tubalkain  den  Vul- 
kan und  die  erzkundigen  Teichinen  (die  griechischen  Berg- 
gnomen) wieder  zu  erkennen,  indem  er  meint,  die  Genesis 
sey  sehr  spät  abgefasst,  in  einer  Zeit,  wo  die  Juden  schon 
den  Apollo  und  Vulkan  kannten.  Eine  willkührliche  Wort- 
spielerei. Kains  kunstreiches  Geschlecht  bedeutet  die  ganze 
Cultur  der  alten  Welt  und  ihre  Corruption  in  einem  gedräng- 
ten ,und  doch  erschöpfenden  Vorbilde.  Gegenüber  der  so 
grossen  Bedeutung  sind  jene  Namenanklänge  etwas  ganz 
Gleichgültiges. 


Lamm.  5 

Mit  dieser  Symbolik  steht  eine  andere  im  Widerspruch. 
Das  Speculum  hum.  salvat.  20.  fig.  2.  macht  den  Lamech ,  so- 
fern er  von  seinen  beiden  Weibern  gegeisselt  wird,  zum  Vor- 
bilde der  Geisselung  des  Heilandes,  indem  das  eine  Weib 
das  Judenthum,  das  andere  das  Heidenthum  bedeuten  soll. 
Doch  kommt  in  der  Bibel  selbst  von  dieser  Geisselung  La- 
mechs  nichts  vor,  und  nur  Comestors  hist.  scholast.  28.  er- 
wähnt einer  schlechten  Behandlung  Lamechs  durch  seine 
Weiber.     Vgl.  Piper,  Myth.  I.  150. 


Lamm, 

Sinnbild  des  Heilandes  als  das  stumme  Opferlamm,  Jesaias 
53,  7.  Als  das  Lamm,  das  der  Welt  Sünde  trägt.  Joh.  1 ,  29. 
OfFenb.  Joh.  5,  6.  Christus  opferte  sich  für  die  Menschheit 
und  verglich  bei  der  Einsetzung  des  heiligen  Abendmahls 
seinen  Leib  und  sein  Blut  mit  dem  des  Osterlammes,  welches 
vorher  zu  derselben  Osterzeit  die  Juden  zu  schlachten  und 
zu  essen  pflegten.  Vgl.  1.  Kor.  5,  7.  1.  Petri  1,  19.  lieber 
dieses  Osterlamm  der  Juden  kann  man  vergleichen,  was 
Bochart  (hier.  I.  551.)  darüber  zusammengetragen  hat.  Das 
Osterlamm  der  Juden  hat  eine  symbolische  Beziehung  zu 
dem  Widderzeichen  am  Himmel  um  die  Tag-  und  Nacht- 
gleiche des  Frühlings  und  stimmt  mit  Lammopfern  überein, 
die  auch  die  Heiden  darbrachten.  Gleichwohl  ist  Sinn  und 
Bedeutung  des  christlichen  Lammsymbols  himmelweit  ver- 
schieden vom  jüdischen  und  heidnischen.  In  Griechenland 
werden  noch  jetzt  zu  Ostern  Lämmer  gegessen.  Ausland 
1841.  Nr.  9.  Die  förmliche  Anbetung  des  Lammes  wurde 
als  eine  zu  heidnische  und  zweideutige  Sitte  im  7ten  Jahr- 
hundert von  der  Kirche  untersagt.  Augusti,  Denkw.  XH.  364. 
In  der  Offenbarung  Johannis  21,  23.  wird  Christus  als 
Lamm  zugleich  identificirt  mit  dem  reinsten  Lichtquell,  mit 
der  Sonne  der  Geisterwelt;  denn  es  heisst  hier  vom  neuen 
Jerusalem,  daselbst  werde  keine  Sonne  mehr  scheinen,  son- 
dern der  Seligen  Leuchte  werde  allein  das  Lamm  seyn. 


6  Lamm. 

Sofern  das  Lamm  in  der  Offenbarung  Johannis  5,  6.  am 
Weltende  als  der  höchste  Weltrichter  thront ,  trägt  es  sieben 
Hörner  j  welches  sind  sieben  Geister  Gottes.  Das  ist  in  christ- 
licher Anwendung  das  himmlische  Widderzeichen,  welches 
nach  dem  langen  Winter  des  Erdenlebens  endlich  den  ewigen 
Frühling  bringt.  Die  männliche  Natur  und  die  Hörner  (Sinn- 
bild der  Stärke)  kommen  dem  allmächtigen  Richter  über  die 
Lebendigen  und  Todten  zu.  Dennoch  ist  der  gewaltige  Wid- 
der immer  nur  das  sanfte  Opferlamm,  und  der  Grundgedanke 
bleibt,  dass  der  Richter  zugleich  das  Opfer  und  als  Opfer 
der  Erlöser  ist.  Das  Lamm  öffnet  das  Buch  der  sieben  Sie- 
gel und  wird  vom  ganzen  Himmel  angebetet.  Das  gross- 
artigste Bild  dieser  Anbetung  des  Lammes  durch  die  himm- 
lischen Heerschaaren  und  Chöre  der  Heiligen  ist  das  auf  dem 
berühmten  Genter  Altar.  Li  der  Jesuitenkirche  zu  Rom  be- 
findet sich  ein  Bild,  auf  welchem  nicht  nur  der  Himmel,  son- 
dern auch  die  Hölle  an  dieser  Anbetung  Theil  nimmt.  Das 
Lamm  nur  von  Engeln  allein  angebetet,  malte  Coyper.  Vier 
Engel  um  das  Lamm  auf  einem  alten  Schnitzwerk  in  St.  Gallen, 
Didron,  icon.  p.  330. 

Widder  und  Lamm  tragen,  wenn  sie  den  Heiland  be- 
deuten,  immer   den  Kreuznimbus  (■ — h,    der   nur   den   drei 

Personen  der  Dreieinigkeit  zukommt.  Didron,  man.  46. 
man.  245.  Zuweilen  trägt  das  Lamm  (statt  der  Widderhör- 
ner)  auf  dem  Kopfe  ein  Kreuz.    Äringhi,  Roma  sott.  I.  295.  425. 

Bosio,  p.  335.  Oder  die  heilige  Namenschiffre  Christi  J_  , 
das.  I.  293.  ^ 

Mit  dem  rechten  Vorderfusse  pflegt  das  Lamm  Gottes 
einen  langen  Kreuzstab  zu  tragen,  Aringhi  H.  295.  Didron, 
icon.  46.  Twining ,  symb.  pl.  9.  Noch  öfter  hängt  an  diesem 
Stabe  eine  Fahne,  das  ist  dieselbe  Siegesfahne,  die  Christus 
in  den  Auferstehungsbildern  zu  tragen  pflegt.  Twining,  pl.  10. 
Didronj  ic.  332.  Ausnahmsweise  trägt  der  Widder  einen 
Krummstab  (Hirtenstab),  Aringhi  L  557. 

Oefters  steht  das  Lamm  Gottes  auf  einem  Felsen,  aus 


dem  vier  Flüsse  strömen  (die  vier  Evangelien).  Didron,  ic. 
p.  68.  327.  333.    Bosio,  Roma  sott.  63. 

Das  Lamm  hat  einen  Kelch  vor  sich,  Twining,  pl  10.' 
Auf  neuern  Bildern  fliesst  oft  aus  einer  Brustwunde  des  Lam- 
mes Blut  in  den  Kelch. 

Das  Lamm  und  ein  Löwe  halten  einen  Altar.  Twining, 
pl  12.  Der  Löwe  ist  ein  Sinnbild  des  Heilandes,  wie  das 
Lamm,  und  bedeutet  die  Allmacht,  wie  jenes  die  göttliche 
.  Liebe ;  doch  kommt  in  einer  Hymne  des  Prudentius  bei  Fort- 
lage, christl.  Gesänge  34.,  das  Lamm  auch  als  Ueberwinder 
des  reissenden  Löwen  (der  Welt)  vor. 

In  einem  Lorbeerkranze  steht  das  Lamm  (als  ein  Zeichen 
des  Sieges).     Twining,  pl.  9. 

Auf  den  ältesten  christlichen  Grabdenkmalen  der  Kata- 
komben steht  öfters  das  Lamm  Gottes  unter  zwölf  andern 
Lämmern  (den  Aposteln).  Aringhi  I.  307.  Twining,  pl.  53. 
Auch  einmal  nur  unter  sechs  Lämmern ,  Bosio  63.  Der  Hirt 
unter  den  zwölf  Lämmern ,  Didron,  ic.  335.  Twining,  pl.  53. 
Die  zwölf  Lämmer  allein  mit  verschiedenen  Symbolen, 
Aringhi  I.  277. 

Weil  nach  Joh.  1 ,  29.  36.  Johannes  der  Täufer  auf  Je- 
sum  hinwies:  „Siehe,  das  ist  das  Lamm  Gottes!^  wird  er 
sehr  oft  mit  dem  Lamme  zugleich  abgebildet.  Das  Lamm 
muss  dann  immer  durch  Nimbus  oder  Kreuz  und  Fahne  als 
das  göttliche  erkennbar  seyn.  Die  neueren  Bilder ,  auf  denen 
das  Kind  Johannes  nur  mit  einem  gewöhnlichen  Lamme  spielt, 
lassen  die  Bedeutung  des  letzteren  in  Zweifel.  Noch  weniger 
sind  die  modernen  Nebeneinanderstellungen  des  Christkindes 
mit  einem  Lamme ,  mit  dem  es  spielt  oder  auf  dem  es  reitet, 
zu  rechtfertigen.  In  der  alten  Kirchenmalerei  wurde  das 
Lamm  nie  neben  Christus  gestellt,  sondern  man  findet  ent- 
weder das  Lamm  oder  den  Gottmenschen  allein.  Zu  der 
modernen  Spielerei  gehören  auch  viele  Herrnhuterlieder ,  in 
denen  die  Liebe  zum  Lamm  allzu  kindisch  wird. 

Als  Spielerei  darf  auch  eine  alte  Sculptur  des  4ten  Jahr- 
hunderts angesehen  werden,  in  welcher  Scenen  aus  dem  alten 


S  Lampe. 

Testament  durch  lauter  Lämmer  gespielt  werden.  Moses  als 
Lamm  öffnet  den  Felsen,  empfängt  das  Gesetz  etc.;  Christus 
als  Lamm  wird  von  Johannes,  der  auch  ein  Lamm  ist,  ge- 
tauft etc.  Didrorij  ic.  337.  Sinniger  ist,  was  die  heilige  Hilde- 
gard auf  die  scholastische  Frage:  von  welchem  Thier  die 
Felle  waren ,  die  Gott  den  ersten  Menschen  als  Kleider  gab  ? 
antwortete.  „Vom  Lamm,^  erwiederte  sie,  „das  sich  zuerst 
opferte.'^     Nieremberg  ^  hist.  nat.  66. 

Alle  Gerechtfertigten  und  Seligen  werden  als  Lämmer  oder 
Schafe  bezeichnet  und  ausdrücklich  von  den  Böcken ,  als  den 
Bösen  und  Verdammten,  unterschieden.  Matth.  25,  32.  Auch 
herrschte  der  Glaube,  der  Teufel  könne  die  Gestalten  aller 
Thiere  annehmen,  nur  nicht  die  des  Lammes.  MajoU,  dier, 
canic.  1691.  p.  406.  —  Deshalb  schreibt  die  Legende  auch 
den  natürlichen  Lämmern  eine  gewisse  Pietät  zu.  Das  Bis- 
thum  Lavant  wurde  da  gegründet,  wo  Schafe  im  Walde  ein 
Muttergottesbild  gefunden  und  andächtig  umkniet  hatten. 
Staffier,  Tirol  IL  461.  Der  heilige  Franciscus  hatte  ein 
Lamm  um  sich,  das  immer  vor  der  Hostie  niederfiel.  Der 
heilige  Sentius  bewirkte,  dass  der  Wolf  das  Lamm,  das  er 
schon  im  Rachen  hatte,  friedlich  zu  ihm  brachte.  Acta  SS, 
25.  Mai. 

Ein  Lamm  ist  Attribut  der  heiligen  Hirtin  Genoveva. 
Ein  Lamm  auch  der  heiligen  Agnes  (s.  diesen  Artikel). 

Das  Lamm  bildet  einen  sinnbildlichen  Gegensatz  zum 
Schwein.  Während  es  gewürdigt  wurde,  Sinnbild  Gottes 
selbst  zu  werden,  ist  das  Schwein  dasjenige  Thier,  in  welches 
der  Teufel  am  liebsten  fährt.  Dem  entspricht  auch  der  alte 
Volksglaube,  der  noch  jetzt  überall  herrscht,  dass  es  etwas 
Gutes  bedeute,  wenn  man  Schafen  begegne,  etwas  Böses 
aber,  wenn  Schweinen. 

Lampe, 

Sinnbild  der  Wachsamkeit.  Die  fünf  klugen  Jungfrauen 
warten  auf  den  Herrn,  bleiben  wach,   halten  ihre  Lampen 


Lanze.  0 

mitOel  gefüllt  und  brennend,  daher  sie  der  Herr  bei  seiner 
Ankunft  um  Mitternacht  zu  sich  nimmt  und  hinter  ihnen  die 
Thüre  schliesst ,  die  nun  die  fünf  andern ,  thörichten  Jung- 
frauen im  Finstern  nicht  mehr  öffnen  können,  weil  sie  das 
Oel  verschüttet  und  das  Licht  haben  ausgehen  lassen.  —  Mit 
Bezug  hierauf  brennt  in  jeder  katholischen  Kirche,  in  welcher 
das  Sanctissimum  im  Tabernakel  aufbewahrt  ist,  eine  ;, ewige 
Lampe",  die  auch  an  das  ewige,  von  Jungfrauen  gehütete  Feuer 
der  Vesta  im  alten  Rom  erinnert.  Die  Jungfräulichkeit  steht 
auch  in  den  Legenden  in  genauer  Beziehung  zum  unzerstör- 
lichen  Licht.  Vergebens  blies  der  Teufel  mit  vollen  Backen, 
um  die  Lampe  der  heiligen  Genoveva  von  Paris  auszulöschen, 
ihre  Jungfräulichkeit  schützte  das  Licht.  Dasselbe  wird  von 
St.  Gudula  ausgesagt.  Auch  die  Lampe  am  Grabe  des  Apo- 
stels Thomas  brannte  im  heftigsten  Winde  und  auch  ohne 
Oel.  Pauliini,  Luststunden  S.  329.  Dasselbe  gilt  von  Lam- 
pen des  St.  Tozzo,  des  St.  Adelelmus,  Acta  SS.  11.  55.  1058; 
von  einer  Lampe  zu  St.  Michael  de  camissa  bei  Grenoble. 
Gervas.  Tilher.  IIL  9.  Eine  ewige  Lampe  über  dem  h.  Gre- 
gor brannte  ohne  Oel  im  Wasser.  Binterim,  Denkw.  IV. 
1.  121.  Vgl.  das  Leben  des  h.  Constantinus  zum  23.  Septem- 
ber, dessen  Lampe  auch  mit  Wasser,  statt  mit  Oel  brannte. 

Derselben  Symbolik  gehört  der  Sonnenstrahl  an,  der 
unverrückt  und  unverletzt  durch  Glas  bricht,  als  Sinnbild 
der  unbefleckten  Empfängniss. 

Lanze. 

Die  Lanze,  womit  Christus  am  Kreuz  in  die  Seite  ge- 
stochen wurde,  war  als  Reliquie  besonders  dem  kriegerischen 
Volke  der  Deutschen  heilig,  zu  dessen  Reichskleinodien  sie 
gehörte.  Otto  Fris.  chron.  VL  18.  Obgleich  von  einem  Feinde 
Christi  geführt,  diente  diese  Lanze  doch  dem  grossen  Erlö- 
sungswerke, und  indem  sie  den  heiligen  Leib  aufbrach, 
öffnete  sie  der  Welt  die  Fülle  der  Gnade.  Daher  sie  in 
einer  altlateinischen   Hymne  angerufen   wird:     Dulcis  hasta. 


10  Lanze. 

Zabuesnlg  I.  48.  Der  die  Lanze  führte,  war  nach  der  Le- 
gende St.  Longlnus,  ein  römischer  Centurio,  der  sich  am 
Kreuze  Christi  bekehrte  und  als  Märtyrer  enthauptet  wurde, 
15.  März.  Man  hat  den  Namen  von  der  langen  Lanze  selbst 
entlehnt.     Vgl.  Hofmann,  Apokr.  380. 

Die  Lanze  ist  Attribut  vieler  Heiligen,  weil  sie  mit  einer 
solchen  durchbohrt  wurden.  So  die  Apostel  Matthäus,  Mat- 
thias und  Thomas,  St.  Aurea,  Canut,  Coronatus,  Demetrius, 
Donatian,  Emmeran,  Eulogius,  Euphemia,  Gengulph,  Lam- 
bert, Johannes  de  Goto. 

Christus  mit  drei  Lanzen  in  der  Hand,  eine  sehr  eigen- 
thümliche  Vorstellung  auf  einem  Bilde  des  Fiesole  (Kugler, 
Berliner  Museum  S.  21.),  bezieht  sich  auf  die  Legende,  nach 
welcher  Christus  einmal  die  Erde  wiegen  der  drei  Hauptlaster: 
Hoffahrt,  Wollust  und  Geiz,  mit  jenen  Speeren  vertilgen 
wollte,  aber  durch  die  Fürbitte  der  heiligen  Jungfrau  zur 
Schonung  bewogen  wurde,  indem  sie  ihm  den  heiligen  Domi- 
nicus  und  den  heiligen  Franciscus  als  Helden  darstellte,  die 
fähig  seyen,  die  Erde  von  jenen  Lastern  zu  befreien. 

In  einer  schönen  Legende  der  Kaiserchronik  wird  erzählt, 
wie  eine  Schaar  tapferer  Jungfrauen  im  Kampf  gegen  die 
Heiden  in  Spanien  den  Tod  des  grossen  Roland  gerächt 
haben,  und  wie  dann  alle  ihre  in  den  Boden  gesteckten  Lan- 
zen in  Blätter  und  Blüthen  ausgeschlagen  seyen.  —  Im  Ti- 
turel  und  Parcifal  spielt  die  ewig  blühende  Lanze  des  Am- 
fortas  eine  grosse  Rolle;  doch  ist  dieses  Symbol  der  Templeisen 
wohl  nicht  christlichen  Ursprungs. 

Eine  räthselhafte  Symbolik  liegt  in  der  Verbindung  der 
Lanze  mit  der  Trennung  zweier  Verlobten.  S.  Gallicanus, 
ein  vornehmer  Römer,  sollte  die  Tochter  Kaiser  Constantins 
des  Grossen  heirathen  dürfen ,  wenn  er  die  Feinde ,  die  schon 
drei  grosse  Siege  gewonnen,  zurückschlagen  würde.  Es  gelang 
ihm  mit  Hülfe  eines  Engels ,  der  ihm  eine  himmlische  Lanze 
reichte.  Nun  widmete  er  sich  aber  zum  Danke  auch  dem 
Himmel  allein,  holte  seine  kaiserliche  Braut  nicht  ab,  son- 
dern schenkte  allen  seinen  Sklaven  die  Freiheit,    gab   alle 


Laster.  11 

seine  Güter  auf  und  diente  den  Kranken  in  einem  Spital,  bis 
er  unter  Kaiser  Julian  den  Martyrertod  erlitt.  26.  Juni.  Lat. 
Schauspiel  von  der  Nonne  Roswitha.  Dem  entspricht  noch 
eine  andere  Legende.  St.  Poppo,  in  Flandern  gebürtig  und 
Ritter,  zog  mit  in's  heilige  Land,  wollte  dann,  heimgekehrt, 
heirathen,  sah  aber  in  der  Hochzeitnacht  eine  himmlische  Er- 
scheinung, die  ihn  davon  abbrachte,  und  wurde  Mönch  und 
Abt  zu  Stablo,  im  11.  Jahrhundert.  25.  Jan.  Einst  im  Felde 
glänzte  seine  Lanze  wie  ein  Licht  und  diente  ihm  statt  der 
Fackel.    Acta  SS,  H.  640. 


Laster. 

Nach  altem  kirchlichen  Herkommen  wird  das  unermess- 
liche  Heer  der  Laster  auf  sieben  Hauptlaster  reduzirt,  die 
den  sieben  Haupttugenden  und  Gaben  des  heiligen  Geistes 
gegenüberstehen.  Sie  sind:  ira^  superhia,  gula^  invidia,  venus, 
avaritia,  pigritia.  Doch  kommen  auch  Abweichungen  in  der 
Reihenfolge  und  in  den  Namen  vor.  In  einem  altdeutschen 
Gedicht  bei  Graff,  Diutiska  1.  292  f  heissen  sie:  vrasheit, 
unkusche ,  gritekeit ,  zorn ,  nit ,  tracheit ,  hoffart.  Giotto 
malte  sieben  Tugenden  und  sieben  Laster;  die  erstem:  Hoff- 
nung, Liebe,  Glaube,  Gerechtigkeit,  Massigkeit,  Festigkeit, 
Klugheit  —  die  letztern:  Verzweiflung,  Neid,  Unglaube,  Un- 
gerechtigkeit, Zorn,  Unbeständigkeit,  Dummheit.  Vgl.  Kunst- 
blatt 1837.  Nr.  63.  92.  Auf  dem  Regensburger  Teppich  sind 
es:  Demuth,  Freigebigkeit,  Keuschheit,  Geduld,  Massigkeit, 
Festigkeit,  Liebe  —  Hoffahrt,  Geiz,  Wollust,  Zorn,  Ge- 
frässlgkelt,  Unstetigkelt,  Hass.  Das.  1846.  S.  166.  Vgl.  Mone, 
Schauspiele  des  Mittelalters  I.  326  f. 

Auf  diesem  berühmten  Teppich  haben  die  Laster  Thier- 
gestalten  unter  sich ,  deren  Charakter  Ihrem  Wesen  entspricht 
und  auf  denen  sie  reiten.  Der  Stolz  sitzt  auf  einem  Rosse, 
der  Zorn  auf  einem  Eber,  die  Unkeuschheit  auf  einem  Bären, 
die  Unstetigkelt  auf  dem  Esel,  die  Gefrässigkelt  auf  dem 
Fuchs ,  der  Geiz  auf  dem  Wolf,  der  Hass  auf  dem  Drachen. 


12  Laster. 

Doch  kommen  anderwärts  auch  andere  Thiere  vor  und  die 
Laster  selbst  erscheinen  als  Thiere,  der  Fuchs  z.  B.  nicht  als 
Sinnbild  der  Gefrässigkeit,  sondern  der  Arglist,  der  Tiger 
als  Sinnbild  der  Grausamkeit,  der  Affe  als  Sinnbild  der  Scham- 
losigkeit etc.  In  einer  Kirche  zu  Mexiko  sind  es:  Kröte, 
Schlange,  Bock,  Tiger,  Schildkröte,  Pfau  und  Schwein. 
Ausland  1838.  S.  95. 

Vasari  malte  in  der  Kuppel  des  Domes  von  Florenz  die 
sieben  Laster  von  den  verschiedenen  Engelchören  besiegt; 
der  Neid  wird  als  Schlange,  der  Zorn  als  Bär,  die  Faulheit  als 
Kameel,  die  Völlerei  als  Cerberus,  der  Geiz  als  Kröte,  die 
Wollust  als  üppiges  Weib,  die  Hoffahrt  als  Lucifer  dargestellt. 
Jordaens  gab  ihnen  in  einem  Bilde  (Katalog  der  Gal.  von 
Salzdahlum  S.  7)  die  Gestalt  heidnischer  Gottheiten,  so  dass 
Mars  den  Zorn,  Venus  die  Wollust,  Juno  den  Stolz,  Bacchus 
die  Völlerei,  Silen  die  Faulheit,  Ceres  den  Geiz  (?)  und 
eine  Furie  den  Neid  vertrat.  Der  Duc  de  Conte  besang  die 
sieben  Laster  als  schöne,  aber  frivole  Frauen.  In  einem 
komischen  Gedicht  des  Schotten  Dunbar ,  der  im  löten  Jahr- 
hundert schrieb ,  tanzen  sie  vor  dem  Teufel  ein  Ballet.  Bou- 
terwek ,  VII.  99.  Oefter  erscheinen  sie  als  viele  Köpfe  eines 
Ungeheuers,  oder  auch  als  Früchte,  die  auf  einem  Baum 
(dem  Baum  der  Erkenntniss)  wachsen. 

Da  die  Laster  den  Weg  zur  Hölle  führen,  sind  sie  nicht 
nur  als  sieben  Heerstrassen  zur  Hölle  in  Clarus,  span.  Lite- 
ratur H.  233.,  aufgefasst,  oder  stürzen  nach  der  Handschrift 
des  Johannes  Climacus  im  Vatican  (Bunsen,  Beschreibung 
von  Rom  IL  2.  355.)  von  der  Himmelsleiter  herab,  oder 
ziehen  als  sieben  abscheuliche  Thiere  die  Welt  oder  Mensch- 
heit in  Gestalt  eines  Heuwagens,  auf  den  sich  die  Sünder 
drängen  und  von  dem  sie  herabfallen  und  zermalmt  werden 
(Bild  von  Bosch) ,  sondern  auf  Bildern  des  Weltgerichts  wer- 
den häufig  auch  die  Verdammten  in  sieben  Gruppen  geschie- 
den, nach  den  Lastern,  welche  sie  in  die  Hölle  geführt 
haben.  Auch  Michel  Angelo  hat  sie  in  seinem  Weltgericht 
angebracht. 


Lasiei*«  13 

Die  Laster  werden  auf  Bildern  der  Verdammniss ,  aber 
auch  anderwärts  durch  ihre  Folgen  und  durch  die  Physiogno- 
mie charakterisirt ,  die  sie  dem  Menschen  aufprägen.  So  der 
Schlemmer  durch  den  dicken  Bauch,  der  ]^ eidische  durch 
Verzerrung  des  Mundes  und  der  Augen  etc.  Hier  ist  überall 
Grundgedanke,  dass  durch  Laster  die  ursprünglich  engel- 
mässige  Schönheit  des  Menschen,  das  Ebenbild  Gottes,  ent- 
stellt und  geschändet  wird.  Es  gibt  jedoch  auch  eine  gleissende 
Schönheit  des  Lasters ,  die  in  Versuchungsbildern  hervortritt, 
immer  aber  etwas  Unheimliches  hat  und  dem  äusserlich  schö- 
nen, innerlich  aber  verbrannten  Sodomsapfel  gleicht. 

Uebrigens  verhalten  sich  die  Laster  zum  Teufel  nur  wie 
Theile  und  Glieder  zum  Ganzen.  Daher  in  so  vielen  Teufels- 
frazzen,  wie  sie  in  der  Kirchenmalerei  vorkommen,  das  Be- 
streben der  Maler  erkennbar  wird,  den  Ausdruck  und  das 
Sinnbildliche  vieler  Laster  in  einer  monströsen  Gestalt  zu 
vereinigen.  Zuweilen  werden  die  sieben  Köpfe  des  apoka- 
lyptischen Drachen  als  die  sieben  Laster  unterschieden. 

Die  Laster  stehen  in  einer  vorherrschenden  Beziehung 
zum  Schlangensymbol.  Sie  sind  Drachen,  Drachenköpfe  oder 
werden  durch  die  lauernde,  listige  Schlange,  wenigstens  durch 
Schlangenhaar  angedeutet.  Nicht  sowohl  die  hässliche,  nur 
peinigende  und  das  Laster  strafende  Furie,  als  vielmehr  die 
süsslächelnde ,  feinzüngelnde,  wunderschöne  Medusa  mit  den 
in  ihrem  üppigen  Haar  ringelnden  Schlangen  stellt  uns  das 
Laster,  die  Sünde  in  ihrer  verführerischen  und  zugleich  häss- 
lichen  Eigenschaft  dar. 

Correggio  malte  die  Laster  als  nackte  Frauen  mit  Schlan- 
genhaaren, von  denen  die  Menschen  verführt  und  gefesselt 
werden ,  und  auf  einem  andern  Bilde  als  Ungeheuer ,  die  von 
den  Tugenden  unter  den  Fuss  getreten  werden.  Waagen, 
England  I.  463.  Mantegna  malte  die  Laster  als  Satyrn, 
Kentauren,  Affen,  die  von  den  Tugenden  unter  der  Gestalt 
antiker  Götter ,  der  Minerva  (Weisheit) ,  Diana  (Keusch- 
heit) etc.  vertrieben  werden.  Das  Bild  befindet  sich  in 
Paris. 


14  Lazarus. 

Laster  und  Tugenden  werden  öfter  durch  die  fünf  tliö- 
richten  und  klugen  Jungfrauen  symbolisirt.  Vgl.  Kreuser, 
Kirchenbau  II.  143  f.  Sie  erscheinen  aber  auch  als  Ama- 
zonen im  Kampfe  miteinander,  z.  B.  in  der  Handschi'ift  des 
Herrad  von  Landsberg  zu  Strassburg.  Desgleichen  im  Für- 
stensaal zu  Regensburg.  Kunstbl.  1 846.  S.  i  ß6.  In  dem  Ge- 
dicht Anticlaudianus  von  Alanus  ab  insulis.  So  reihen  sich 
auch  in  dem  altfranzösischen  Gedicht  des  Huon  de  Meri  vom 
Antichrist  (vgl.  Blankenburg,  Zusätze  I.  10.)  die  Laster  als 
Amazonen  unter  die  Fahnen  des  Antichrist,  wobei  jedem 
Laster  sein  besonderes  charakteristisches  Attribut  zukommt. 
Ein  ähnliches  altfranzösisches  Gedicht  von  Ruteboeuf,  s.  hi- 
stoire  lit.  de  la  France  XX.  753.  Mantegna  malte  die  Laster 
siiegend  auf  einem  Bilde  in  England,  und  besiegt  auf  einem 
andern  im  Louvre.  Waagen,  Kunst  in  England  I.  127.  Auf 
Handzeichnungen  des  Michel  Angelo  zielen  die  Laster  nach 
einer  Scheibe.     Passavant,  England  S.  236. 

Retzsch  lässt  auf  einem  Bilde  den  Teufel  mit  dem  Men- 
schen um  des  letzteren  Seele  Schach  spielen.  Unter  den 
Schachfiguren  des  Teufels  ist  Satan  selbst  der  König ,  Wollust 
die  Königin;  Faulheit,  Zorn,  Stolz,  Falschheit,  Geiz,  Un- 
glaube sind  die  Offiziere ,,  Zweifel  die  Bauern.  Unter  den 
Schachfiguren  des  Menschen  ist  die  Seele  der  König,  Reli- 
gion die  Königin,  sind  Hoffnung,  Glaube,  Friede,  Demuth, 
Unschuld,  Liebe  die  Offiziere  und  Gebete  die  Bauern.  Vgl. 
Kunstblatt  1828.  Nr.  16. 

Lazarus, 

Bruder  der  Martha  und  Maria,  Besitzer  des  reichen  Hauses 
zu  Bethania,  wo  der  Heiland  mit  seinen  Jüngern  öfters 
gastfrei  aufgenommen  wurde,  fiel  einst  in  eine  tödtliche 
Krankheit,  als  der  Heiland  jenseits  des  Jordan  in  der  Nähe 
sich  aufhielt,  in  der  Gegend,  wo  Johannes  vormals  getauft 
hatte.  Er  war  dahin  vor  den  Juden,  die  ihm  nachstellten, 
geflüchtet.    Die  Schwestern  schickten  zu  ihm  und  Hessen  ihm 


l 


Lazarus.  15 

sagen,  dass^ihr  Bruder  so  krank  geworden  sey.  Er  erwie- 
derte,  die  Krankheit  ist  nicht  zum  Tode,  sondern  zur  Ehre 
Gottes,  und  blieb  zwei  Tage,  wo  er  war.  Dann  erst  sagte 
er  zu  den  Jüngern:  „Lazarus,  unser  Freund,  schläft,  ich 
gehe,  dass  ich  ihn  wecke/^  Die  Jünger  verstanden  es  vom 
gewöhnlichen  Schlafe  und  sagten:  wenn  Lazarus  schlafe, 
werde  er  wohl  von  selbst  gesund  werden,  und  Jesus  brauche 
sich  nicht  in  Gefahr  zu  setzen,  dass  er  wieder  unter  die 
Juden  gehe,  die  ihn  eben  erst  hart  bedroht  hatten.  Jesus 
aber  sagte:  „Lazarus  ist  todt.  Das  ist  geschehen,  damit  ihr 
glauben  sollt.  Lasst  uns  zu  ihm  ziehen!^  Der  ungläubige 
Thomas  meinte,  es  werde  ihr  Verderben  seyn,  doch  sollten 
sie  den  Meister  nicht  verlassen  und  mit  ihm  sterben.  —  Als 
Jesus  nach  Bethanien  kam ,  war  Lazarus  todt  und  roch  schon ; 
die  Verwandten  waren  im  Trauerhause  versammelt  und  Martha 
sagte  ihm  mit  der  Miene  des  Vorwurfs:  „Herr,  wärest  du 
da  gewesen  (auf  unsre  erste  Nachricht  gekommen),  mein  Bru- 
der wäre  nicht  gestorben.^^  Doch  fügte  sie  innig  hinzu:  „Ich 
weiss  auch  noch,  dass,  was  du  bittest  von  Gott,  das  wird 
dir  Gott  geben.^  Jesus  antwortete:  „Er  soll  auferstehen." 
Martha  zweifelte  noch  einmal,  und  sagte:  „Ja,  am  jüngsten 
Tage."  Jesus  aber  sprach :  „Ich  bin  die  Auferstehung  und 
das  Leben,  wer  an  mich  glaubt,  der  wird  leben,  ob  er 
gleich  stürbe."  Auch  Maria  kam  und  sank  ihm  weinend 
zu  Füssen:  „Ach,  Herr,  wärest  du  dagewesen,  so  wäre 
unser  Bruder  nicht  gestorben."  Da  ergrimmte  der  Herr  und 
betrübte  sich.  Den  Ewigen  wandelte  eine  menschliche  Rüh- 
rung an.  Er  ging  mit  den  Andern  hinaus  zum  Grabe,  betete 
und  rief:  „Lazare,  komm  heraus!"  Da  erhub  sich  der  Todte 
in  seinen  Grabtüchern  und  trat  hervor.  Und  Alle,  die  es 
sahen,  glaubten  an  Jesum.  Andere  aber  gingen  hin  und 
sagten  es  den  Pharisäern,  und  Kaiphas  und  die  Priester,  durch 
das  grosse  Wunder  erschreckt,  sannen,  Jesum  zu  verderben. 
Daher  verbarg  sich  der  Heiland  bis  zu  Ostern,  da  seine  Zeit 
gekommen  war.     Ev.  Joh.  11. 

Fünf  Momente  sind  in  dieser  Erzählung  von  besonders 


16  Leben. 

tiefer  Bedeutung:  1)  der  Irrthnm  und  Heldensinn  des  Apostels 
Thomas,  2)  das  echt  weibliche  Benehmen  Martha's,  3)  der 
tiefe  Liebesschmerz  Maria's,  4)  die  Rührung  des  Heilandes, 
5)  das  Gebet  vor  der  Auferweckung.  Mit  Recht  hat  schon 
Herder  IX.  133.  138.  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  hier 
Alles  auf  das  christliche  Begräbnis«  überhaupt  anwendbar  ist, 
und  wie  kein  süsserer  Trost  für  Leidtragende  zu  schöpfen  ist, 
als  aus  diesem  schönen  Kapitel  des  Evangeliums  Johannis. 

Der  arme  Lazarus  bei  Lucas  16,  dessen  Schwären  die 
Hunde  lecken,  ist  ein  Bild  des  menschlichen  Elends  über- 
haupt, daher  auch  ihm  zu  Ehren  alle  Siechen  im  Mittelalter 
Lazarusbrüder  und  die  Krankenhäuser  noch  heute  Lazarethe 
heissen.  Im  Grunde  genommen  aber  ist  auch  der  andere 
Lazarus,  der  durch  Christum  aus  dem  Grabe  wieder  aufer- 
weckt wird,  ein  verwandtes  Sinnbild.  Das  ganze  Leben  ist 
gewissermassen  ein  Sterben,  die  Welt  ein  Grab,  woraus  nur 
Christus  erlöst.  In  diesem  Sinne  wird  der  arme  Lazarus  bei 
Lucas  in  Abrahams  Schooss  erhoben,  weil  er  fromm  gelebt, 
und  sieht  unter  sich  im  ewigen  Feuer  den  gottlosen  Reichen ; 
der  andere  Lazarus  aber  steht  von  den  Todten  wieder  auf,  um 
sich  an  des  Heilands  Seite  zu  setzen,  die  im  christlichen 
Sinne  dasselbe  bedeutet,  was  im  jüdischen  Abrahams  Schooss. 
Also  knüpft  sich  an  den  gleichen  Namen  im  Gleichniss  von 
dem  einen  und  in  der  Geschichte  des  andern  derselbe  Grund- 
gedanke der  Heilung,  Genesung,  Wiederbelebung.  Der  erste 
Lazarus  ist  Patron  der  Lazarethe,  der  zweite  Patron  der 
Gräber.  Ausserordentlich  oft  findet  er  sich  abgebildet  auf 
den  altchristlichen  Gräbern  der  Katakomben  in  Rom,  und 
zwar  immer  als  eine  kleine  mumienhafte  Figur,  die  der  viel 
grössere  Heiland  berührt. 

Leben. 

Das  gemeine  menschliche  Leben  ist  insofern  eigentlich 
der  Tod,  als  es  stets  dem  Tode  entgegensieht.  Das  wahre 
und  ewige  Leben  ist  erst  in  der  Heiligkeit,  und  darum  ist 


I 


F 


Legio  fulminatrix.  17 

Christus  ;,der  Weg,  die  Wahrheit  und  das  Leben'^,  Joh.  14-,  6., 
und  Fürst  des  Lebens,  Apostelg.  3,  15.  —  Diesem  wahren 
Leben  gegenüber  ist  das  irdische  nur  ein  vergänglicher  Rauch, 

die  Existenz   eines  Graslebens,    das  bald  welkt,   ein  Kerker, 

« 

ein  Jammerthal  etc.  Aber  auch  eine  Schule,  ein  Tiegel  der 
Läuterung,  eine  Goldprobe  der  Geduld  und  des  Glaubens. 
Vgl.  d.  Art.  Hiob.  —  Eine  gute  Charakteristik  der  Lebens- 
alter in  Thiergestalten  zu  Annaberg  in  Sachsen.  Vgl.  Waa- 
gen, Deutschland  I.  30. 

Legio    fulminatrix« 

Nach  Dio  Cassius  71.  9.  war  Kaiser  Marcus  Aurelius  im 
Kriege  mit  den  Quaden  an  der  Donau  einst  in  grosser  Noth, 
vom  Feinde  eingeschlossen  und  bei  grosser  Dürre  ohne  Wasser. 
In  seinem  Heer  aber  war  eine  einzige  Legion,  die  aus  lauter 
Christen  bestand.  Diese  sogenannte  thebaische  Legion  betete, 
und  alsbald  bildete  sich  über  ihren  Häuptern  eine  schwere 
Regenwolke  und  goss  erquickende  Ströme  über  das  ganze 
Heer  aus.  Als  aber  die  Quaden  angriffen  und  ein  grosses 
Blutbad  unter  den  heidnischen  Römern  anzurichten  anfingen, 
fuhren  aus  der  schwarzen  Wolke  Blitze  und  Hagel  hervor 
und  zerschmetterten  die  Feinde ,  die  von  der  christlichen  Le- 
gion verfolgt  und  vernichtet  wurden.  Die  Legion  erhielt 
davon  den  Ehrennamen  der  „blitzenden^.  Die  Legende 
fügt  hinzu,  die  Legion  habe  später  sollen  zum  Hei- 
denthum  abschwören,  habe  sich  dessen  geweigert  und  sey 
in  Wallis  bei  Sitten  in  Masse  zum  Martyrertod  verurtheilt 
worden,  unter  ihrem  Anführer  St.  Mauritius.  Vgl.  Murer ^ 
Helvetia  sancta  p.  19.  Gfrörer,  Kirchengesch.  1.  309.  Rett- 
berg I.  94  f  Mauritius  wird  als  schwarzer  Mohr ,  aber  schön 
und  in  goldner  Rüstung  mit  einer  Fahne  gemalt.  In  der 
schwarzen  Farbe  des  Ritters  liegt  vielleicht  eine  uns  nicht 
mehr  erkennbare  Symbolik.  Sie  contrastirt  auffallend  mit 
dem  Feuer  und  Blitz. 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  2 


18  Leib. 

St.  Gereon^  ein  anderer  Anführer  der  thebaischen  Legion, 
soll  später  in  Köln  den  Martyrertod  erlitten  haben,  wird  daher 
in  dem  berühmten  Bilde  von  den  heiligen  drei  Königen  in 
Köln  mit  einer  Fahne  an  der  Spitze  der  thebaischen  Legion 
der  heiligen  Ursula,  die  ihrerseits  an  der  Spitze  der  11000 
Jungfrauen  steht,  gegenübergestellt.  Vgl.  Friedrich  Schle- 
gels Werke  VI.  155.  Er  ist  Patron  von  Köln.  1.  Mai.  10.  Oc- 
tober.  Die  Gegenüberstellung  der  heiligen  Ritter  und  hei- 
ligen Jungfrauen  ist  passend  und  entspricht  dem  ästhetischen 
Bedürfniss,  die  Heiligen  und  Seligen  nach  Stand  und  Ge- 
schlecht eben  so  in  besondere  Chöre  einzutheilen ,  wie  die 
Engel  nach  ihren  Potenzen. 

Leib. 

Der  menschliche  Leib  ist  das  Letzte  und  Edelste  in  der 
sichtbaren  Schöpfung  Gottes  und  soll  nach  dem  zeitlichen 
Tode  am  jüngsten  Tage  für  die  ganze  Ewigkeit  wieder  auf- 
erstehen. Diese  beiden  Grundgedanken  beweisen,  welch 
hoher  Werth  im  Christenthum  auf  den  Leib  gelegt  ist  und 
wie  irrig  mithin  die  manichäische  Ansicht  war,  die  im  Leib- 
lichen das  böse  Princip  erkannte.  Nach  Mani  besteht  der 
Sündenfall  nur  darin,  dass  die  himmlische  Seele  nach  dem 
leiblichen  Daseyn  gelüstet  und  im  Leibe  eingefangen  wird, 
die  Erlösung  daher  auch  nur  in  der  Befreiung  von  der  Leib- 
lichkeit durch  eine  freiwillige  Jungfräulichkeit  aller  Menschen, 
die  jede  neue  Zeugung  unmöglich  macht,  also  durch  einen 
Selbstmord  der  ganzen  Menschheit.  Vgl.  Baur,  manich.  Relig. 
118.  181.  Nach  christlichem  Begriff  soll  der  Leib  nicht  als 
ein  Fremdes,  Teuflisches  zerstört,  sondern  als  das  uns  von 
Gott  selbst  angelegte  eigenste  Kleid  nur  heilig  und  rein  ge- 
halten ,  und  wenn  es  durch  Sünde  verunreinigt  worden ,  durch 
Busse  wieder  geläutert  und  verklärt  werden.  Die  christliche 
Ascese  ist  daher  auch  nicht  als  Tödtung  des  Fleisches,  son- 
dern nur  als  Reinigung  desselben  durch  Busse  zu  verstehen. 

Die  Verdammung  alles  Leiblichen  veranlasste  auch   den 


Leichnam.  19 

Zweifel  an  der  menschlichen  Natur  Christi.  Man  half  sich 
damit,  dass  man  sagte,  Gott  habe  zwar  unmöglich  in  einen 
wirklichen  irdischen  Leib  eingehen  können,  jedoch  einen 
Scheinleib  angenommen.  Das  war  der  Doketismus,  die  äl- 
teste Ketzerei  im  Christenthum.  Vgl.  Philo  von  Gfrörer 
U.  369.  Natürlicherweise  fällt  damit  auch  das  Leiden  Christi 
und  somit  aller  Ernst  des  Erlösungswerkes  hinweg,  und 
Christus  spielt  in  seinem  Scheinleibe  nur  eine  Comedie. 

Nur  wo  das  Leibliche  auf  Kosten  der  Seele  gepflegt 
wird,  erscheint  es  verdammlich.  Dieser  Cultus  der  Leiblich- 
keit wird  ausgedrückt  durch  die  babylonische  Hure,  die  mit 
dem  Taumelkelch  in  voller  üeppigkeit  auf  dem  Drachen 
reitet.  Nur  diese  grobe  Sinnlichkeit  hat  zu  ihrem  Ausgang 
Tod  und  Verwesung,  und  wird  in  diesem  Betracht  gerne 
das  Leibliche  als  ein  übertünchtes  Grab  aufgestellt,  als  eine 
lachende  Maske,  hinter  der  ein  Geripp  mit  Würmern  und 
Schlangen  sich  verbirgt. 

Die  Leiblichkeit,  in  der  wir  dereinst  auferstehen  werden, 
ist  eine  Entkleidung  von  jener  groben  Sinnlichkeit  und  doch 
immer  noch  leibliches  Wesen  und  Gestalt,  nach  der  Phy- 
siognomik unserer  geistigen  Eigenthümlichkeit.  „Gesäet  wird 
der  natürliche  Leib,  aber  auferstehen  wird  der  geistige  Leib.'' 
1.  Korinth.  15,  44.  „Der  irdische  Leib  ist  ein  schwerer  Buss- 
sack, aber  der  Leib  im  Himmel  ein  edel  königliches  Kleid, 
lichter  denn  die  Sonne,  schneller  denn  der  Augenblick,  ge- 
füger denn  die  Luft."  David  von  Augsburg  in  Pfeiffers  My- 
stikern L  385. 

Leichnam. 

Des  Herrn  Leichnam  in  Bildern  der  Abnahme  vom  Kreuz 
und  der  Grablegung,  ferner  in  den  pieta  genannten  Kirchen- 
bildern ,  in  denen  der  Leichnam  im  Schoosse  der  Mutter  ruht, 
oder  auch  im  Schoosse  Gott  des  Vaters,  oder  von  Engeln 
betrauert  wird,  -^  erscheint  am  würdigsten,  wenn  er  auch 
noch  im  Tode  die  Liebe  ausdrückt,   in  der  er  sich  in  den 

2* 


so  Leichnam. 

Tod  gegeben,  und  wenn  man  das  ewige  Leben  in  diesem 
abgestorbenen  Leibe  ahnen  muss.  Tadelnswerth  sind  dagegen 
die  allzu  berechneten  Bilder,  die  nur  ein  tiefes  Studium  der 
Anatomie  verrathen  sollen ,  und  die  im  Tode  nur  das  Widrige 
aujffassen,  die  Bleifarbe,  die  Steifigkeit  der  Glieder  etc.  Welche 
schreckliche  Leiden  man  auch  dem  Leichnam  ansieht,  so  hat 
er  doch  siegreich  die  Leiden  überwunden. 

Eine  Leiche,  halbverwest  und  von  Schlangen  durch- 
krochen, kommt  als  Sinnbild  des  Todes  oft  auf  altern  deut- 
schen Grabdenkmalen  vor.  Waagen,  Kunst  in  Deutschland 
L  261.  Am  berühmtesten  ist  das  Grabdenkmal  des  Land- 
grafen Wilhelm  von  Hessen  in  Marburg,  das  ihn  oben  im 
Harnisch  daliegend ,  unten  als  von  Schlangen  zerfressene 
Leiche  zeigt.  Fiorillo  I.  439.  Eben  so  das  Grab  eines  Herrn 
von  Wöllwarth  in  Lorch.  Auf  dem  berühmten  „Triumph 
des  Todes"  von  Orcagna  finden  drei  lebende  Könige  auf  der 
Jagd  drei  Königsleichen.     Vasari,  von  Schorn  L  298. 

Die  sogenannten  Magdalenetten  oder  Beuerinnen  (gefal- 
lene Mädchen,  die  sich  bekehrten)  wurden  geschoren  und 
mussten  sich  als  lebendige  Leichen  hinlegen,  eine  Todten- 
messe  über  sich  lesen  und  die  Todtenglocke  läuten  lassen. 
Helyot  HL  451.  —  Die  Nonnen  eines  Klosters  am  Nil  sahen 
die  gegenüberwohnenden  Mönche  immer  nur  als  Leichen. 
Aphthonius,  der  heilige  Abt  des  Klosters,  Hess,  wenn  man 
ihm  von  jenseits  das  Zeichen  gab,  die  gestorbenen  Nonnen 
in  einem  Kahn  mit  Palmzweigen  abholen  und  diesseits  be- 
graben.   Leben  der  Altväter  1725. 

Die  Leichen  der  ELeiligen  werden  gewöhnlich  erkannt 
an  einem  wunderbaren  Wohlgeruch,  oder  es  fliesst  ein  hei- 
lendes Oel  von  ihnen,  oder  Milch  statt  des  Blutes,  oder  sie 
leuchten.  Sie  schwimmen  stromaufwärts,  sie  können  durch 
keine  Gewalt  von  der  Stelle  bewegt  werden.  Sie  werden  in 
der  Verborgenheit  entdeckt  durch  wunderbare  Beleuchtung, 
durch  Anbetung  der  Thiere  etc.  Ihre  Heiligkeit  wird  erkannt 
durch  Genesung  von  Kranken  bei  ihrer  Berührung  oder  blos 
in  ihrer  Nähe.     Daher  werden  die  Wunder  der  Heüigen  in 


i 


Leichnam.  Sl 

den  Actis  SS.  eingetheilt  in  solche,  die  sie  im  Leben,  und 
in  solche ,  die  sie  nach  dem  Tode  als  Leichen  oder  Reliquien 
verrichtet  haben. 

Zuweilen  wurde  eine  Leiche,  um  Zeugniss  abzulegen, 
die  Unschuld  zu  retten,  den  Schuldigen  zu  bezeichnen,  durch 
einen  Heiligen  im  Grabe  wieder  aufgeweckt.  So  vom  heiligen 
Macarius,  Fridolin,  Stanislaus. 

Euchadius  (Eochad)  irischer  König  und  Heide,  wurde 
durch  seine  fromme  und  schon  christliche  Tochter  Cinna  auf 
den  heiligen  Patrik  aufmerksam  gemacht  und  sehnte  sich  sehr 
nach  ihm  auf  seinem  Todtenbette.  Ehe  aber  der  Heilige  kam, 
war  der  König  schon  todt.  Da  weckte  ihn  der  Heilige  auf, 
taufte  ihn,  gab  ihm  die  letzte  Oelung  und  liess  ihn  wieder 
einschlafen. 

St.  Gregorius  erhielt  den  Namen  Thaumaturga  wegen 
seiner  grossen  Wunderthaten.  Ein  boshafter  Jude  w^oUte  ihn 
foppen,  stellte  sich  todt  und  liess  sich  zu  ihm  hintragen,  um 
zum  Leben  wieder  aufgeweckt  zu  werden.  Der  Heilige  aber 
warf  seinen  Mantel  über  ihn  und  der  Jude  war  nun  wirklich 
todt  und  erwachte  nicht  mehr.  —  Auch  Johannes  Capistranus 
wurde  einmal ,  als  er  auf  seiner  Missionsreise  predigte ,  durch 
einen  hussitischen  Studenten  geneckt,  der  sich  todt  stellte 
und  sich  von  seinen  Kameraden  zu  ihm  hintragen  liess,  da- 
mit er,  weil  er  doch  ein  Wundermann  sey,  ihn  von  den 
Todten  erwecke.  Aber  der  Heilige  sprach:  „Er  bleibe  bei 
den  Todten ,  ewig ! "  Nun  lachten  die  Hussiten  und  meinten, 
ihr  Kamerad  werde  aufstehen  und  mitlachen,  aber  er  war 
todt.     P.  Abraham,  Judas  IV.  142. 

Um  den  Sterbenden  streiten  sich  ein  Engel  und  ein 
Teufel,  der  erstere  zu  Häupten,  der  andere  zu  Füssen  des 
Sterbelagers.  Die  vollendete  Leiche  aber  wird  von  Engeln 
oder  von  Teufeln  übernommen. 

Eine  schauerliche  Begebenheit  erzählt  Cornerus,  chron. 
ann.  1045.  Eine  Zauberin  lag  im  Tode.  Da  bat  sie  ihren 
Sohn  und  ihre  Tochter,  welche  sie  hatte  Mönch  und  Nonne 
werden  lassen ,  bei  ihrem  Leichnam  zu  wachen  und  denselben 


gS  Leiden. 

gegen  die  bösen  Dämonen  zu  schützen.  Zngleicli  befahl  sie, 
ihren  Leichnam  fest  anzuketten.  Zwei  Nächte  lang  schützte 
sie  der  frommen  Kinder  Gebet  gegen  die  anstürmenden  Teufel, 
aber  in  der  dritten  Nacht  wurde  der  Leichnam  auf  einem 
schwarzen  Pferde  entführt. 


Leiden. 

Gottes  Sohn  litt ,  um  die  Menschen  zu  erlösen.  Die  Mär- 
tyrer litten,  um  ihren  Glauben  mit  Blut  zu  besiegeln.  Frei- 
willig übernommenes  Leiden  öffnet  das  Paradies,  wie  ver- 
botene Lust  es  verschloss.  Unfreiwilliges  Leiden  dient  zur 
Prüfung,  wie  das  des  Hiob,  und  ist  die  letzte  Strafe  der 
Verdammten.  Wie  das  Leiden  somit  auf  der  unfreiwilligen 
Seite  den  tiefsten  Abgrund  erreicht,  so  auf  der  andern  die 
heiligste  Höhe,  auf  der  es  ganz  mit  dem  Begriffe  der  Liebe 
verschmilzt,  nach  dem  schönen  Liede: 

Ob  lieben  leiden  sey, 
Ob  leiden  lieben  sey, 
Weiss  ich  zu  sagen  nicht  etc. 

Daher  eine  eigenthümliche  Gabe  mancher  Frommen,  in 
Leiden  Lust  zu  finden.  Am  berühmtesten  in  dieser  Be- 
ziehung war  Lidwina  von  Schiedam  in  Holland.  Dieselbe 
lebte  im  löten  Jahrhundert,  ein  krankes,  verkrüppeltes  Mäd- 
chen, das  beständig  im  Bette  und  angeblich  19  Jahre  lang 
ohne  Speise  und  Trank  zubrachte,  contract,  bewegungslos, 
von  Würmern  zerfressen,  innerlich  verfault,  in  beständiger 
Fieberhitze,  mit  nie  endendem  Kopfweh,  Zahnweh,  schlaf- 
los etc. ,  schwamm  dennoch  in  beständiger  Seligkeit  und  er- 
heiterte durch  ihren  Frohsinn  die  trauernde  Umgebung.  Denn 
die  Mutter  Gottes  erbarmte  sich  ihrer  und  hielt  häufigen  Um- 
gang mit  ihr,  führte  sie  in  langen  Visionen  in  die  himm- 
lischen Freuden  ein,  oder  sandte  ihr  wenigstens  Engel  zur 
Unterhaltung  mit  Geschenken.  Als  eine  grosse  Pest  aus- 
brechen sollte,  flehte  sie  Gott,  alle  Qualen  derselben  auf 
sie  allein  zu  häufen ,  und  siehe ,  sie  wurde  bedeckt  mit  unge- 


Leiter.  S3 

heuren  Pestbeulen,  während  das  Land  verschont  blieb.  Einst 
sah  sie  im  Himmel  eine  noch  unvollendete  Krone.  Es  war 
die  ihrige,  und  sie  war  unvollendet,  weil  ihr  noch  einige 
Verdienste  fehlten.  Nach  28  jährigem  Leiden  kam  einmal  die 
Madonna  und  legte  ihr  ihren  süssduftenden  Schleier  um  das 
müde  Haupt,  worauf  sie  nur  noch  sechs  Stunden  lebte.  Als 
sie  starb,  erschien  Christus  selbst,  als  Priester  angethan,  um 
ihr  die  letzten  Weihen  zu  geben,  mit  unzähligen  Heiligen 
und  Seligen.  Sobald  sie  todt  war,  strahlte  ihr  sonst  so 
kranker  Leib  in  Fülle  der  Gesundheit  und  Schönheit.  Acta  SS. 
14.  April.  Silbert,  Legenden  I.  Gumppenberg,  marian.  Atlas 
Nr.  576.  —  Die  selige  Passidea,  Nonne  von  Siena,  quälte 
sich  von  Jugend  auf,  fastete,  geisselte  sich,  wälzte  sich  in 
Dornen  und  Nesseln,  im  Winter  in  Schnee  und  Eis  etc. 
Johanna  von  Carniola  vertiefte  sich  so  sehr  in  das  Leiden 
der  Heiligen,  dass  sie  an  jedem  Tage  die  Marter  des  Heiligen, 
dem  der  Tag  geweiht  war,  mitempfand. 

Inzwischen  lastet  das  Leiden  mit  zu  grosser  Schwere 
auf  der  Menschheit ,  als  dass  man  damit  spielen  könnte.  Da- 
her auch  die  kirchliche  Kunst  den  heiligen  Gegenstand  um 
so  wahrer  auffasst,  je  mehr  sie  in  Christo,  wenn  er  auf  dem 
Oelberg  kniet  und  am  Kreuz  hängt,  so  wie  auch  in  der 
schmerzenreichen  Mutter  das  Leiden  in  seiner  ganzen  Bitter- 
keit ausdrückt. 

Leiter. 

Die  Himmelsleiter,  auf  der  die  Engel  vom  Himmel  zur 
Erde  niedersteigen ,  im  Traum  des  Jakob ,  ist  auf  Bildern  der 
Patriarchenreihe  dessen  Attribut  (Didron,  ann.  L  214)  und 
kehrt  auch  in  Legenden  wieder.  Namentlich  sah  sie  St.  Ro- 
mualdus  über  seinem  Kloster.  Auch  erschien  sie  über  dem 
Kloster  Kaltenbrunn,  wo  sich  ein  wunderthätiges  Marienbild 
befindet.     Gumppenberg,  marian.  Atlas  H.  308. 

Eine  Leiter  zum  Himmel,  auf  der  die  Seligen  hinauf- 
steigen, die  Sünder  aber  hinabfallen,  findet  sich  in  der  Hand- 
schrift des  Herrad  von  Landsberg  in  Strassburg. 


24  Lerche. 

Die  Leiter  ist  Attribut  der  Margaretha  von  Cortona;  die 
Staffeln  bedeuten  ihre  Tugenden.  So  hiess  Johannes  Climacus, 
weil  er  eine  „Himmelsleiter"  geschrieben  hatte.  Als  Sinn- 
bild für  die  Wesenreihe  (Stufenleiter  aller  geschaffenen  We- 
sen) brauchte  die  Leiter  Raimund  von  Sabunde.  Vgl.  Galle, 
Stimmen  aus  d.  Mittelalter  S.  8. 

Die  Leiter  gehört  zu  den  Passions  Werkzeugen,  weil  die 
Schergen  bei  der  Kreuzigung  des  Heilandes  mittelst  einer 
Leiter  auf  das  Kreuz  steigen  mussten. 

Die  Leiter  ist  Attribut  des  heiligen  Emmeran  und  der 
heiligen  Perpetua,  weil  dieselben  an  eine  gebunden  waren, 
als  sie  den  Martyrertod  litten. 

Eine  Madonna  von  der  Leiter  wird  zu  Verona  verehrt, 
weil  sie  hier  einen  Scaliger  (Herrn  von  Verona  aus  dem  Ge- 
schlecht, das  die  Leiter  in  Namen  und  Wappen  trug)  von 
einer  Krankheit  heilte.     Gumppenberg  H.  322. 

Die  Engelsleiter  steht  in  inniger  Beziehung  zu  der  Stu- 
fenleiter der  Planeten,  auf  welcher  nach  heidnischer  Lehre 
die  Seelen  vor  der  Geburt  aus  dem  Aether  zur  Erde  nieder  - 
und  nach  dem  Tode  wieder  hinaufsteigen.  Porphyrius  de  ab- 
stin.  14,  16.  Cel^is  bei  Origenes  6,  22.  Vgl.  v.  Bohlen, 
Genesis  283.  Allein  wäre  das  Bild  auch  aus  der  Planeten- 
und  Aeonenlehre  entlehnt ,  so  hat  es  doch  eine  specifisch 
christliche  Bedeutung  erlangt. 

Lerche. 

Sie  lobsingt  Gott  in  der  Höhe,  ohne  dass  man  sie  sieht. 
Niedrig  ist  ihr  Nest,  aber  hoch  ist  ihr  Flug.  Sie  singt  nie, 
ausser  wenn  sie  sich  zum  Himmel  erhebt.  Sie  ist  also  das 
Sinnbild  eines  demüthigen  Priesterthums.  Ihr  lateinischer 
Name  alauda  wurde  von  Schwenkfeld  lauda  deum  (lobe  Gott) 
gedeutet.  Nach  der  Legende  sollen  sich,  als  der  heilige 
Franciscus  von  Assisi  starb,  alle  Lerchen  der  Umgegend  auf 
das  Dach  seiner  Hütte  gesetzt  und  ihm  gesungen  haben,  ob- 
gleich es  schon  Nacht  war.     Die  heilige  Coleta  von  Gent 


I 


Leuchter.  25 

war  stets  von  einem  Lamm  und  von  einer  Lerche  begleitet; 
ihr  Kalendertag  zeigt  zugleich  die  Lerchenzeit  an,  6.  März. 


Leuchter. 

Der  siebenarmige  Leuchter  im  jüdischen  Tempel,  den 
Titus  entführte  und  in  seinen  Triumphbogen  aufnehmen  liess, 
ist  ein  Sinnbild  der  sieben  Geister  oder  Urkräfte  Gottes, 
Mag  dieses  Sinnbild  auch  aus  dem  Heidenthum  entlehnt  seyn 
und  sich  vorerst  auf  die  sieben  Himmelslichter  der  Planeten 
bezogen  haben,  so  hatte  der  Leuchter  doch  schon  bei  den 
Juden  eine  andere,  rein  geistige  Bedeutung.  Vgl.  Bahr,  Sym- 
bolik d.  mosaischen  Cultus  L  412  f.  Schon  der  Prophet  Za- 
charia  4,  2.  10.  fasst  den  siebenarmigen  Leuchter  sinnbildlich 
auf  und  nennt  ihn  die  sieben  Augen  Gottes.  In  der  Offenb. 
Joh.  1 ,  12.  wird  er  auf  die  sieben  ersten  christlichen  Ge- 
meinden bezogen.  Sieben  Lampen  nebeneinander  auf  christ- 
lichen Grabdenkmalen  bedeuten  wohl  dasselbe,  was  der  sie- 
benarmige Leuchter,  und  weisen  auf  die  Auferstehung  zum 
jüngsten  Gericht  hin,  w^elches  in  jener  Offenbarung  Johannis 
verkündet  wird.  Der  siebenarmige  Leuchter  ist  gewöhnliches 
Attribut  des  Zacharias  in  der  Beihe  der  Propheten. 

Der  grosse  Kronleuchter  zu  Comburg  am  Kocher  ist  ein 
^^vergoldeter  Beif  mit  zwölf  Laternen,  auf  denen  die  zwölf 
Apostel  abgebildet  sind ,  als  die  ersten  Lichter  der  christlichen 
Kirche.  ■ —  Zwei  Leuchter  stehen  auf  beiden  Armen  des 
Kreuzes  auf  einem  altchristlichen  Katakombenbild  {Aringhi 
I.  381),  was  sich  vielleicht  auf  das  Entzünden  des  neuen  Lichtes 
im  Geisterreich  bezieht,  nachdem  bei  der  Kreuzigung  der 
Sonne  und  des  Monds  physisches  Licht  verdunkelte. 

Die  grossen  Leuchter  oder  Kerzenträger  vor  den  Altären 
heissen  Candelaber,  ein  ganzes  Gerüste  mit  Lichtern  heisst  ein 
Katafalk  und  kommt  besonders  im  Todtencultus  vor.  Die  Zahl 
der  Leuchter  richtet  sich  nach  dem  Bedürfniss,  nach  der  Grösse 
der  Kirche,  nach  der  höhern  Feier. 


2Q  Leviathan. 

In  den  Leuchterornamenten  werden  theils  allgemeine 
christliche,  theils  specielle  Lichtsymbole  angebracht,  um  ihre 
Bestimmung  zum  christlichen  Cultus  zu  bezeichnen.  Vor  dem 
Altar  stehend  dürfen  sie  das  Sakrament  des  Altars  andeuten 
durch  Aehren  und  Weinranken  mit  Trauben.  In  der  Char- 
woche  dürfen  sie  Symbole  der  Passion  tragen.  Wann  der 
Sieg  über  die  Hölle  gefeiert  wird,  dürfen  sie  als  dämonische 
Karyatiden  karikirt  werden,  die  das  siegreiche  Licht  tragen 
müssen.  Bei  der  Feier  jungfräulicher  Heiligkeit  dürfen  sie  als 
Blumen  aufgefasst  werden ,  aus  denen  das  Licht  hervorbricht. 

Leviathan. 

Sofern  die  Juden  und  Muhamedaner  die  Erde  mit  Riesen 
und  Dämonen  bevölkert  hatten,  dachten  sie  sich  auch  die 
Sündfluth  als  die  Vernichtung  und  fortan  den  Ozean  als  das 
Grab  oder  den  Kerker  derselben.  Daher  die  phantastische 
Vorstellung  einer  submarinen  Plölle.  Vgl.  Herder  zur  Theo- 
logie I.  199.  VII.  220.  248.  Schon  Hiob  kennt  diese  Vor- 
stellung. Nicht  weniger  Jesaias  27,  1,  bei  dem  es  heisst: 
Gottes  Schwert  habe  den  Leviathan  und  die  Drachen  im 
Meere  geschlagen.  Noch  bestimmter  heisst  es  in  einer  ara- 
bischen Fabel  (bei  Bochart  Hierozoicon  II.  856.),  Leviathan 
ßey  ein  tausendäugiger  Ochs,  stehend  auf  einem  Fisch,  und 
tragend  einen  Stein ,  auf  dem  ein  Engel  stehe ,  der  die  Erde 
trage.  Auch  hier  liegt  der  Begriff  zu  Grunde ,  dass  Leviathan 
tief  unten  hause. 

Ferner  fabeln  die  Juden,  Gott  habe  den  Leviathan  ver- 
schnitten, damit  er  nicht  mehr  zeuge,  und  sein  Weibchen 
geschlachtet  und  eingesalzen  für  die  Seligen  im  Himmel ,  weil 
dieses  riesenhafte  Dämonengeschlecht  sonst  Meer  und  Erde 
erfüllt  haben  würde.  Eisenmenger  I.  401.  Am  jüngsten  Tage 
soll  der  Erzengel  Gabriel  den  auf  den  Meeresgrund  gebun- 
denen Leviathan  vollends  tödten,  damit  die  Seligen  neben 
dem  eingesalzenen  Weibchenfleisch  auch  frisches  Fleisch  be- 
kommen,  Eisenmenger  IL  874.    Bochart  (hier,  IL  776.)  sucht 


Licht.  S7 

im  Leviathan  das  Krokodill  nachzuweisen ,  allein  es  ist  gleich- 
gültig, was  für  ein  Thier  ihm  zum  Vorbilde  gedient  hat. 

Alle  Sünder,  die  in  der  Sündfluth  ertranken,  sollen 
submarine  Teufel  geworden  seyn.  Eisenmenger  II.  428.  So- 
fern man  sich  darunter  nur  ein  Riesengeschlecht  vorstellte, 
erklärt  sich  daraus  auch  die  Fabel  vom  Riesen  Og  und  Audsch. 
Og  soll  die  Sündfluth  überdauert  haben,  indem  er  sich  dicht 
an  die  Arche  hielt  und  an  ein  Einhorn  anklammerte  (ähnlich 
dem  einhornigen  Fisch  in  der  indischen  Sage).  Eisenmenger 
I.  385.  Er  soll  später  die  cyclopischen  Mauern  gebaut  haben, 
aber  mit  List  erschlagen  worden  seyn;  Abraham  machte  aus 
einem  seiner  Zähne  sich  eine  Bettstatt.    Daselbst  389. 


Licht, 

Symbol  Gottes,  als  das  reinste  Element  in  der  Natur;  allein 
das  Licht  ist  schon  eine  Erscheinung  Gottes,  ein  Ausfluss 
seines  Wesens,  ein  Ausstrahlen  aus  ihm,  daher  es  häufiger 
auf  den  Sohn  und  Geist,  als  auf  den  Vater  angewandt  wird, 
dem  allein  Attribute  des  Unsichtbaren  zukommen.  Nach 
Joh.  1,  18.  1.  Timoth.  6,  16.  kann  den  Vater  Niemand  sehen 
als  der  Sohn,  und  thront  Gott  in  einem  Licht,  welches  kein 
Mensch  sehen  kann.  Der  Sohn  dagegen  strahlt  nach  Joh. 
1,  9.  als  das  Licht  in  die  Welt,  und  sagt  Joh.  8,  12:  „Ich 
bin  das  Licht  der  Welt.^^  Correggio  suchte  das  in  einem 
berühmten  Bilde  auszudrücken,  auf  welchem  Christus  in 
schneeweissem  Gewände  segnend  auf  Wolken  thront,  deren 
Hintergrund  wieder  helles  Licht  ist,  so  dass  hier  gleichsam 
Licht  aus  Licht  geboren  wird.  Vgl.  v.  V/essenberg,  christl, 
Bilder  I.  278.  Das  Thronen  im  Licht  und  die  Lichtaus- 
strahlung kommt  in  Kirchenbildern  allen  drei  Personen  der 
Gottheit  zu.  Alle  erscheinen  in  einer  Glorie  von  Licht  in 
ganzer  Figur  oder  wenigstens  der  Kopf  ist  mit  einem  Licht- 
nimbus umgeben.  Des  Vaters  Wirken  wird  oft  blos  durch 
einen  Lichtstrahl  ausgedrückt,  z.  B.  auf  Bildern  der  Ver- 
kündigung, oder  durch  eine  aus  den  Wolken  hervorgereckte 


28  Licht. 

Hand,  von  der  Lichtstrahlen  ausgehen.  Eben  so  gehen  von 
der  Taube,  als  dem  heiligen  Geist,  Lichtstrahlen  aus,  z.  B. 
auf  den  Bildern  von  der  Taufe  Christi  und  von  Pfingsten. 
Derselben  Symbolik  dient  der  Goldgrund,  auf  dem  die  ältere 
Kirchenmalerei  die  drei  göttlichen  Personen  darzustellen 
pflegte.  Es  soll  damit  der  Himmel,  das  reine  Lichtelement 
bezeichnet  werden. 

Ausser  den  göttlichen  Personen  wohnen  auch  alle  Engel 
ursprünglich  im  Licht  und  gelangen  alle  Heiligen ,  Gerechten 
und  Seligen  dahin.  Auf  einem  alten  Miniaturbild  wird  die 
Erschaffung  der  Engel  einfach  als  creatio  lucis  bezeichnet. 
Waagen,  Paris  328.  Auch  der  erstgeschaffene  Engel  hiess 
Lucifer  (Lichtträger).  Alle  Heiligen  und  Frommen  werden 
als  Kinder  des  Lichts  den  Bösen  als  Kindern  dieser  Welt 
entgegengesetzt.  Luk.  16,  8.  Joh.  12,  36.  Buch  der  Weis- 
heit 18,  1. 

Dem  von  Gott  ausstrahlenden  Lichte  steht  theils  die 
uranfängliche  Nacht  des  Chaos,  theils  die  Nacht  der  Sünde 
entgegen.  Somit  wird  das  Licht  Sinnbild  der  Schöpfung  und 
der  Erlösung.  Wie  Gott  im  Anfang  sprach:  „Es  werde 
Licht!"  und  es  ward  Licht,  so  sandte  er  zum  zweitenmal  in 
die  Finsterniss  der  sündigen  Welt  das  Licht  seines  göttlichen 
Sohnes.  Daher  feiern  die  altkirchlichen  Hymnen  die  Geburt 
und  die  Auferstehung  des  Heilands  (Weihnachts-  und  Oster- 
lieder)  als  einen  neuen  grossen  Schöpfungsmorgen,  als  den 
Aufgang  des  heiligen  Lichtes,  wodurch  die  Gewalt  der 
finstern  Dämonen  gebändigt,  wodurch  den  im  Dunkeln  Irren- 
den und  Blinden  der  Weg  gezeigt,  wodurch  dem  unfrucht- 
baren Acker  neuer  Segen  geweckt  wird.  Vgl.  die  schönen 
Hymnen  des  Gregorius,  Prudentius,  Hilarius,  Ambrosius. 
Fabricii  thes.  785.  Fortlage,  Kirchengesänge  307.  Königs- 
feld, lat.  Hymnen  2,  6.  Schon  bei  Jesaias  60.  ist  die  Anbetung 
des  Lichts  in  diesem  Sinne  auf's  Herrlichste  durchgeführt. 
Dem  entspricht  der  Cultus  der  Weihnachts-  und  Osternacht. 
In  der  heiligen  Weihnacht  werden  unzählige  Lichter  entzündet, 


Licht.  29 

in  der  heiligen  Osternacht  werden  alle  Lichter  gelöscht  und 
erst  wieder  neu  entzündet  durch  einen  aus  Stein  geschla- 
genen Funken,  entsprechend  dem  Moment,  in  welchem 
Christus  den  Grabstein  durchbrach.  Sepp,  Heidenth.  I.  211. 
Einem  alten  Volksglauben  gemäss  entzünden  sich  die  Lichter 
am  heiligen  Grabe  in  Jerusalem  in  der  Osternacht  von  selbst. 
Vgl.  Pococke  IL  41.  Dasselbe  Wunder  wird  von  einer 
Kirche  in  Spanien  erzählt.  Drei  Lichter-  (Sinnbilder  der 
Dreieinigkeit)  steigen  zu  Castilverd  in  Spanien  aus  dem  Wasser 
eines  nahen  Flusses,  schweben  in  die  Kirche  und  zünden  in 
der  Osternacht  die  Lichter  an.    Meremberg ,  hist.  rat.  398. 

Weihnachten  fällt  in  die  Wintersonnwende,  Ostern  in 
die  Frühlingstagundnachtgleiche,  jenes  Fest  in  die  Zeit,  in 
welcher  das  Licht  der  Sonne  in  tiefer  Winternacht  zuerst 
wieder  zu  wachsen  beginnt,  dieses  in  die  Zeit,  in  welcher 
die  Sonne  Kraft  genug  gewonnen  hat ,  um  Saaten  und  Laub 
zu  wecken.  Das  natürliche  Licht  wird  hier  auf  eine  schöne 
und  einfache  Weise  zum  Sinnbild  des  geistigen  Lichtes. 
Diese  Symbolik  hat  ihren  kirchlichen  Ausdruck  insbesondere 
in  der  Feier  des  Erscheinungsfestes  am  6.  Januar  gefunden. 
Epistel  dieses  Tages  ist  die  oben  erwähnte  Stelle  aus  Je- 
saias  60.  An  demselben  Tage  feiert  die  Propaganda  das  grosse 
Bekehrungsfest  der  Heiden,  weil  auch  dies  ein  Erleuchten 
des  Finstern,  ein  Beleben  des  Todten  ist.  Vgl.  Strauss, 
Kirchenjahr  134  f. 

Die  ewige  Lampe  am  Altar  der  Kirchen  ist  das  Sinnbild 
des  ewig  in  der  Kirche  wohnenden  Lichts.  Die  Zahl  der 
Altarlichter  ist  sieben  nach  den  sieben  Geistern  Gottes,  oder 
zwölf  nach  den  Aposteln.  Die  Kirche  brennt  nur  Oel  und 
Wachskerzen,  weil  unter  allen  Stoffen,  die  Licht  erzeugen, 
Oel  das  reinste  Produkt  der  Pflanzen-,  Wachs  das  reinste 
der  Thierwelt  ist.  Derselben  Symbolik  entspricht  die  weisse 
[Oder  Lichtfarbe  des  Priestergewandes,  das  weisse  Kleid  der 
[Täuflinge  und  das,  was  einst  die  Gerechten  im  Himmel  an- 
legen werden.   —    Heilige   Jungfrauen   besitzen   die   Gabe, 


30  Licht. 

ausgelöschte  Lichter  durch  blossen  Hauch  oder  blosses  Gebet 
wieder  zu  entzünden.  Das  bezeichnet  ihr  inneres  Leben  im 
Licht,  ihre  Verwandtschaft  mit  der  Engelsnatur.  Vgl.  den 
Artikel  Jungfrau.  Die  brennende  Lampe  der  klugen  Jung- 
frauen hängt  damit  zusammen.  Das  berühmteste  Lichtwunder 
ist  das  der  heiligen  Genoveva  von  Paris,  deren  Kerze  sich 
in  ihrer  Hand  von  selbst  entzündete ,  als  einmal  ihre  Nonnen 
im  Finstern  wandeln  mussten.  Vincent.  Bellov.,  spec.  hist. 
XX.  46.  Es  wiederholt  sich  aber  in  den  Legenden  vieler 
andern  heiligen  Jungfrauen ,  auch  frommer  Bischöfe  etc.  Vgl. 
Bagattü)  admiranda  H.  1.  3.  Hieher  gehören  auch  die  Licht- 
säulen, die  über  dem  betenden  heiligen  Severinus ,  über  dem 
ermordeten  heiligen  Vulstran,  Joannicius,  Vedastus,  Foil- 
lanus  etc.  schwebten,  daselbst  HL  1.  1. 

Vorzugsweise  Erleuchtung  schreibt  die  heilige  Schrift 
denen  zu ,  welche  das  erste  Licht  in  die  Finsterniss  des  alten 
Heidenthums  und  Judenthums  bringen  sollen,  daher  es  Matth. 
5,  15.  heisst:  Solche,  die  das  Licht  haben,  sollen  es  nicht 
unter  den  Scheffel  stellen,  nicht  aus  Menschenfurcht  das 
Evangelium  verbergen. 

Was  die  Kirchenmaler  auf  naive  Weise  durch  den  Nimbus 
oder  Lichtschein  am  Haupt  der  Heiligen  ausdrücken,  findet 
seine  nähere  Erläuterung  in  vielen  Legenden  von  solchen 
Heiligen,  die  sichtbares  Licht  ausgeströmt  haben.  Vgl.  Görres, 
Gesch.  d.  Mystik  H.  316.  323.  Es  braucht  hier  nicht  erst 
erwähnt  zu  werden,  welche  Aufmerksamkeit  die  neuere 
Naturwissenschaft  den  Lichtphänomenen  an  Somnambulen  ge- 
widmet hat. 

In  der  kirchenfeindlichsten  Absicht  ist  vor  dem  Strass- 
burger  Münster  die  von  dem  berüchtigten  Jakobinermaler 
David  modelhrte  Statue  Guttenbergs  aufgerichtet  worden, 
mit  der  Inschrift:  Fiat  lux.  Das  Licht  der  modernen  Presse 
ist  hier  im  Gegensatz  gegen  die  vorgebliche  Finsterniss  des 
Mittelalters  aufgefasst  zur  offenbaren  Verhöhnung  des  heiligen 


Lilie.  31 

Gebäudes,  vor  dem  die  Statue  steht.  Ueberhaupt  ist  das 
Licht  der  modernen  sogenannten  Aufklärung  eine  Negation 
der  christlichen  Wahrheit  und  mitlnn  eine  Verdunkelung, 
eine  Rückkehr  zur  Finsterniss  des  Heidenthums ,  eben  so  tief 
wurzelnd  im  Urprincip  der  Nacht,  wie  das  Christenthum  im 
Lichtprincip.  Nur  der  Lügner  von  Anfang  an  konnte  eine 
verirrte  und  verdorbene  Generation  berücken  und  dahin  brin- 
gen, dass  sie  den  Tag  Nacht  und  die  Nacht  Tag  nennt. 

Lilie. 

Die  weisse  Lilie  ist  ein  Sinnbild  der  Unschuld  und 
Seelenreinheit,  daher  der  Jungfräulichkeit,  und  vorzugsweise 
ein  Attribut  der  heiligen  Jungfrau.  Auf  Bildern  der  Ver- 
kündigung trägt  der  Engel  Gabriel,  indem  er  der  heiligen 
Jungfrau  das  Heil  verkündet,  durchgängig  auf  Kirchenbildern 
einen  weissen  Lilienstengel.  Auf  altdeutschen  Bildern  ist  auch 
oft  neben  die  Jungfrau  ein  Glas  mit  einem  Lilienstengel 
gestellt ,  so  dass  man  durch  das  Glas  Stiel  und  Blätter  sehen 
kann,  ein  Sinnbild,  das  sich  auch  in  dem  durch  Glas,  ohne 
dasselbe  zu  verletzen,  diüngenden  Sonnenstrahl  wiederholt 
und  die  unverletzte  Jungfrauschaft  bedeutet.  Denselben  Sinn 
haben  die  Lilien  ohne  Staubfäden  auf  einem  Bilde  der  Ver- 
kündigung. Waagen,  über  van  Eyk  S.  236.  Auch  hat  man 
die  Stelle  des  Hohenliedes :  „Wie  eine  Lilie  unter  den  Dornen 
ist  meine  Freundin  unter  den  Töchtern,'^  auf  die  unbefleckte 
Jungfrau  bezogen.  Vgl.  den  Ai'tikel  Jungfrau.  Maria  wird 
mit  der  Lilie  verglichen  in  Wackernagels  Kirchenliedern 
Nr.  123.  Man  hat  noch  ein  altschwedisches  Lilienlied  auf 
die  heilige  Jungfrau  von  Eystein.  Vgl.  Studach,  schwed. 
Volksharfe  S.  182.  Der  Ritterorden  von  der  Lihe  wurde 
gestiftet,  als  man  in  einer  aufgeblühten  Lilie  ein  kleines 
Marienbild  fand,  dessen  wunderthätige  Kraft  den  kranken 
König  von  Navarra  heilte.  Gumppenberg,  marian.  Atlas 
Nr.  589.  Aus  dem  Munde  des  Wilhelm  von  Montpellier 
blühte  durch  das  Grab  hindurch  eine  Lilie,  worin  die  Worte: 


33  Lilie. 

Ave  Maria  zu  lesen  waren.  Attribute  der  Heiligen  S.  7. 
Salaür,  ein  Blödsinniger,  lebte  halbnackt  im  Walde  und 
spracli  nie  ein  Wort  als  Ave  Maria.  Seine  Seele  war  so  voll 
von  Liebe  zur  heiligen  Jungfrau,  dass  er  sich  voll  Lust  auf 
Baumzweigen  wiegte  und  das  Ave  dazu  sang.  Aus  seinem 
Grabe  spross  eine  Lilie ,  auf  deren  Blättern  stand  Ave  Maria. 
Kellers  bretagn.  Volkslieder  S.  242.  Clemence  de  Isaure  von 
Toulouse  gründete  jeux  ftoreauX)  bei  denen  eine  silberne  Lilie 
zum  Preis  für  das  schönste  Marienlied  ausgesetzt  wurde. 

Besondere  Berühmtheit  als  Mariensymbole  erlangten  die 
drei  Lilien  des  heiligen  Aegidius.  Derselbe  wird  insonderheit 
verehrt  in  Frankreich,  wo  er  St.  Gilles  heisst.  Er  lebte  im 
7ten  Jahrhundert  als  Einsiedler  und  wurde  im  Walde  von 
einer  Hindin  genährt,  daher  auch  eine  solche  sein  Attribut 
ist.  Gewöhnlich  malt  man  sie  mit  einem  Pfeil  im  Leibe,  weil 
sie  so,  von  einem  Jäger  verfolgt,  zu  ihm  floh  und  auf  diese 
Weise  seine  Einsamkeit  entdeckt  wurde.  Man  rechnet  ihn 
zu  den  vierzehn  Nothhelfern  und  macht  ihn  zum  Patron  der 
ehelichen  Fruchtbarkeit.  Unter  seinen  Wundern  ist  das  be- 
rühmteste das,  wodurch  er  die  Mütterlichkeit  der  heiligen 
Jungfrau  erklärte.  Er  lebte  eine  Zeitlang  als  Gärtner,  da 
kam  ein  Mönch  zu  ihm,  der  an  der  Möglichkeit  zweifelte, 
dass  die  Jungfrau  nach  der  Empfängniss  habe  Jungfrau  blei- 
ben können.  Aegidius  aber  schrieb  drei  Fragen  in  den  Sand, 
ob  die  heilige  Jungfrau  vor,  in  und  nach  der  Empfängniss 
gleich  jungfräulich  geblieben  sey?  und  jede  Frage  wurde 
entsprechend  durch  eine  weisse  Lilie  beantwortet,  die  plötz- 
lich aus  dem  dürren  Sande  wuchs.  Smets  hat  diese  Legende 
in  seinen  Gedichten  S.  72  versificirt.  Eine  sehr  schöne  alt- 
gothische  Kirche  hat  der  Heilige  zu  Braunschweig.  Ln  alten 
Rolandsliede ,  das  Grimm  herausgab,  begleitet  der  heilige 
Aegidius  Karl  den  Grossen  und  Roland  in  den  Kampf  in 
Spanien  und  verzeichnet  nachher  die  Geschichte  desselben 
(dasselbe,  was  nach  der  altern  Quelle  Erzbischof  Turpin 
thut).  Auch  hat  man  ein  altdeutsches  Gedicht  aus  dem  12ten 
Jahrhundert  vom   heiligen  Aegidius,   Archiv  für  westphäl. 


I 


Lilie.  33 

Alterthumskunde  1826  IL  Ein  schönes  Bild  des  Heiligen  mit 
der  Hindin  von  Hemling  befindet  sich  in  Brügge  (Burkhardt, 
belgische  Städte  S.  158).     Soviel  von  diesem  Lilienheiligen. 

Der  blühende  Stab  Josephs  wird  in  Kirchenbildern  häufig 
als  Lilienstengel  aufgefasst,  um  seine  jungfräuliche  Ehe  mit 
Marien  zu  bezeichnen.  Auch  Johannes  der  Täufer  hat  öfters 
die  Lilie  bei  sich,  weil  er  als  Prediger  in  der  Wüste  im 
Cölibat  lebte.  Als  Symbol  der  Keuschheit  und  Seelenrein- 
heit ist  die  Lilie  auch  Attribut  des  heiligen  Franciscus,  des 
h.  Anton  von  Padua,  des  h.  Aloysius  Gonzaga,  des  h.  Nor- 
bert, der  h.  Gertrudis  und  vieler  andern  Heiligen.  Eine 
Lilie  ist  eine  Lanze  des  Albertus  Siculeus.  Drei  Lilien- 
stengel des  Faustinus  und  Simplicius.  Lilien  und  Rosen 
fielen  aus  dem  Munde  des  heiligen  Angelus.  Lilien  wuch- 
sen aus  dem  Grabe  des  heiligen  Marianus,  des  Vitalis  in 
Salzburg,  drei  aus  dem  Grabe  des  heiligen  Einsiedlers 
Euseus,  eine  wurde  in  der  Hand  der  todten  heiligen  Fran- 
cisca  gefunden ;  eine  wuchs  aus  der  Hirnschale  des  im  Walde 
unbegraben  liegenden  heiligen  Primus.  Valvasor,  Krain  H. 
558.  Eine  Lilie  auf  der  Weltkugel  ist  Attribut  der  heiligen 
Kaiserin  Kunigunde.  Fiorillo  I.  237.  Auch  die  Engel  tragen 
in  unzähligen  Kirchenbildern  Lilien  in  den  Händen  als  Sinn- 
bild ihrer  Engelreinheit.  Die  keusche  Susanna  heisst  wörtlich 
Lilie  (shtcshan).    Sehr  schön  ist  der  Hymnus  ad  SS.  virgines: 

0  digna  lilietis, 

caterva  coelicis, 

Oiiae  vivis  in  viretis 

sponsique  pascuis. 

Nix  cana  lilioj^iim 

albente  vellere 

et  lac  eburque  florum 

te  vestit  undique.  ' 

Und  in  dem  Hymnus  Jesu,  Corona  virginum: 

Oui  pergis  int  er  lilia 
septis  choreis  virginum 
sponsus  decorus  gloria* 
Menzel,  christl.  Symbolik.   II.  3 


34  Lilie. 

Auf  Bildern  des  Weltgerichts  hat  Christus  als  Richter 
häufig  im  rechten  Auge  einen  Lilienstengel  gegen  die  Seligen, 
im  linken  ein  Schwert  gegen  die  Verdammten  gerichtet.  So 
auf  dem  berühmten  Bilde  in  Danzig,  desgleichen  auf  dem 
des  Roger  von  Brügge  zu  Beaume,  auf  dem  Bilde  hinter  dem 
Altar  im  Ulmer  Münster,  auf  einem  im  Schlosse  ßaldern 
(Kunstbl.  1847,  S.  14).  Auch  auf  einigen  jüngsten  Gerichten 
von  A.  Dürer.  Vgl.  Heller  IL  2.  600.  und  781.  —  Am  Sakra- 
mentshäuschen des  Ulmer  Münsters  kommen  zwei  Päpste  vor 
mit  Tiaren,  die  nicht  in  drei  Kronen  abgetheilt  sind,  sondern 
einen  ganzen  Wald  von  Lilien  aufthürmen. 

In  einem  Hymnus  des  heiligen  Bonaventura  wird  die 
fromme  Seele  eine  „Lilie  des  öden  Thaies"  genannt  (Fortlage, 
christl.  Gesänge  S.  253),  was  ziemlich  mit  der  Lilie  unter 
den  Dornen  übereinstimmt.  —  Die  Lilie,  die  im  Chorstuhl 
des  Klosters  Corvey  gefunden  wird,  wenn  der  gewöhnliche 
Inhaber  des  Stuhls  sterben  soll  (Grimm,  deutsche  Sagen 
Nr.  263.),  was  sich  in  Hildesheim  und  Breslau  wiederholt 
(Gödsche,  Sagenschatz  S.  23),  bezieht  sich  nicht  nur  auf 
die  jungfräuliche  Reinheit  des  Klosterlebens,  sondern  ist  wohl 
auch  Sinnbild  der  Wiedergeburt.  In  südlichen  Ländern 
blühen  die  Lilien  schon  im  Frühling,  daher  die  merkwürdige 
Darstellung  auf  einem  altchristlichen  Bilde  in  den  römischen 
Katakomben,  auf  welchem  in  der  Mitte  Christus  als  guter 
Hirte  steht,  in  den  vier  Ecken  aber  die  Jahreszeiten  allego- 
risch abgebildet  sind.  Hier  ist  nun  der  Frühling  ein  Knabe 
mit  drei  Lilien  und  einem  Lämmchen,  weil  im  Frühling  die 
Lilien  blühen  und  die  Lämmer  auf  die  Weide  gehen.  Aringhi 
I.  389.    Bottari,  tav.  48. 

Die  schöne  Kelchform  der  Lilie  dient  auch  häufig  in  der 
kirchlichen  Ornamentik,  bei  den  Abendmahlskelchen,  bei 
Taufbecken,  als  Kanzel,  z.  B.  zu  Freiberg  in  Sachsen.  Als 
Säulenknauf  des  idealen  salomonischen  Tempels,  als  Licht- 
träger im  siebenarmigen  Leuchter  etc. 

Die  Lilien  auf  dem  Felde,  die  nicht  arbeiten,  noch  spin- 
nen, und  die  doch  von  Gott  gekleidet  werden  (Matth.  6;  28. 


Limbus.  35 

Luk.  12,  27.)?   sind  nur  Stellvertreter  für  alle  Blumen,    an 
denen  sich  Gottes  Güte  eben  so  erweist. 


Limbus, 

limhus  (Streifen^  Rand),  zusammenhängend  mit  Urnen  (Schwelle), 
wird  insgemein  ein  Aufenthaltsort  der  Verstorbenen  genannt, 
der  theils  an  den  Himmel,  theils  an  die  Hölle  angrenzt. 
Nach  dem  alten  Testament  war  der  Vorhimmel  der  Schooss 
Abrahams.  Hier  sollten  die  gerechten  Judenseelen  sich  bis 
zur  allgemeinen  Auferstehung  befinden.  Nach  christlichen 
Begriffen  muss  aber  dieser  Schooss  Abrahams  wegfallen,  da 
Abraham  selbst  mit  den  andern  Patriarchen  erst  von  Christus 
(in  der  Zwischenzeit  zwischen  seiner  Grablegung  und  Auf- 
erstehung) aus  der  Vorhölle  erlöst  wurde.  Einen  soge- 
nannten limbus  infantum  erblickt  man  häufig  als  Vorhimmel 
auf  Bildern  des  thronenden  Gottes  oder  des  Weltgerichts 
am  untersten  Saum  des  Himmels,  erfüllt  mit  den  Seelen 
der  unschuldigen  Kinder,  die  im  bethlehemitischen  Kinder- 
mord Märtyrer  wurden,  aber  als  ungetauft  noch  nicht  in 
den  Himmel  selbst  kommen  können.  Ein  anderer  limbus 
infantum  kommt  bei  Dante  (Hölle,  4ter  Gesang,  vgl.  die 
Uebersetzung  von  Kopisch  S.  15)  am  obersten  Rande  der 
Hölle  vor,  erfüllt  mit  den  Seelen  ungetaufter  unschuldiger 
Kinder  und  tugendhafter  Heiden.  Ausserhalb  der  Hölle,  je- 
doch unmittelbar  über  sie,  versetzt  Dante  die  indifferenten 
Engel,  die  sich  weder  für  Lucifer,  noch  auch  für  Gott  ent- 
schieden und  also  nicht  werth  sind  weder  der  Hölle  noch 
des  Himmels. 

Der  Limbus ,  sey  er  Vorhimmel  am  untersten  Rande  des 
Himmels,  oder  Vorhölle  am  obersten  Rande  der  Hölle,  muss 
vom  Fegfeuer  (purgatorium)  unterschieden  werden ,  sofern  in's 
Fegfeuer  nur  getaufte  und  erwachsene  Christen  gehören,  die 
hier  von  ihren  Sünden  geläutert  werden,  während  im  Lim- 
bus sich  nur  üngetaufte  oder  Kinder  aufhalten.  In  dem 
berühmten  Bilde  des  Weltgerichts  von  König  Rene  ist  daher 

3* 


86  Linsen. 

auf  sinnige  Weise  die  Vorhölle  mit  den  Kinderseelen  einer- 
seits von  dem  Fegfeuer  rechts  ^  andererseits  von  der  Hölle 
links   abgetrennt. 


Linsen. 

Esau  verkaufte  sein  Erstgeburtsrecht  dem  Jakob  um  ein 
Gericht  Linsen.  Hier  sind  die  «Linsen  nur  als  Sinnbild  des 
Geringfügigen  zu  nehmen  im  Gegensatz  gegen  die  hohe 
Wichtigkeit  des  Erstgeburtsrechts  im  Volke  Gottes.  In  der 
Naturgeschichte  zur  Dämpfung  des  Aberglaubens,  Hamburg 
1793j  S.  62  wird  der  Volksglaube  angeführt,  dass  dem,  der 
am  Charfreitag  Linsen  esse,  im  ganzen  Jahr  das  Geld  nicht 
ausgehe.  Hier  ist  wohl  die  runde  und  platte,  dem  Gelde 
ähnliche  Form  Grund  der  Vergleichung. 

Löwe, 

Sinnbild  der  Stärke  und  des  Königthums,  weil  er  als  König 
der  Thiere  gilt.  Daher  ein  Symbol  Christi  selber.  Schon  im 
1.  B.  Mosis  49,  9.  wird  Juda  mit  einem  jungen  Löwen  ver- 
glichen und  im  Stamme  Juda  wird  Christus  geboren,  welcher 
daher  in  der  Offenbarung  Johannis  5,  5.  der  Löwe  vom  Stamm 
Juda  heisst.  Auf  Fenstern  des  Berges  Athos  schläft  der  Löwe 
zu  den  Füssen  des  Christkinds.  Didron,  icon,  348.  Der  Löwe, 
der  sehr  oft  am  Eingang  alter  Kirchen  angebracht  ist,  gleich- 
sam als  deren  Wächter,  bedeutet  deren  Macht  in  Christo. 
Vgl.  Heider,  Thiersymb.  S.  34.  Kreuser,  Kirchenbau  L  123. 
Merk  im  Kunstbl.  1845,  S.  374. 

Der  brüllende  Löwe  insbesondere  ist  ein  Sinnbild  der 
Auferweckung  von  den  Todten.  Nach  einem  alten  Physio- 
logus,  den  Origenes  in  genesin  hom.il.  anführt,  schläft  der 
neugeborne  Löwe  drei  Tage  und  drei  Nächte  (wie  Christus 
im  Grabe),  und  nach  Durandus,  rat.  offic.  VH.  rubr.  de  evang. 
weckt  der  alte  Löwe  am  dritten  Tage  sein  Junges ,  wie  Gott 
Vater  den  Sohn  aus  dem  Grabe.    Vgl.  auch  das  altd.  Thierbuch 


Löwe.  '     37 

in  GrafFs  Diutiska  III.  23.  und  Conrad  von  Megenberg,  Buch 
der  Natur  1842.  fol.  65.  Diese  Erweckung  des  jungen  Löwen 
durch  den  alten  ist  auf  einem  Glasgemälde  der  Kathedrale  von 
Bourges  abgebildet.  Martin  et  Cahier,  les  vitreavx  de  Bourges 
pl.  1.  Didron,  man.  p.  145.  Noch  erhabener  ist  die  Anwen- 
dung dieses  Bildes  in  Conrad  von  Würzburgs  goldner  Schmiede 
502  f.,  wo  der  Todesschrei  des  am  Kreuz  sterbenden  Heilandes 
die  Todten  weckt,  wüe  der  Löwe  seine  Jungen.  Auch  in  einer 
Hymne  des  Faulbert  von  Chartres  (Königsfeld,  lat.  Hymnen 
S.  106)  heisst  es : 

Christus,  invictiis  len , 
dum  voce  tnva  personal, 
a  morte  functos  excitat. 

Andrerseits  ist  Christus  nicht  selbst  Löwe,  sondern  Lö- 
w^enbändiger  und  zwar  Avieder  in  Bezug  auf  die  Auferstehung. 
In  vielen  Kirchen  nämlich  (zu  St.  Stephan  in  Wien ,  Kloster 
Neuburg,  Freiburg  im  Breisgau,  Löwen,  Amiens  etc.,  vgl. 
Heider,  über  Thiersymbolik  S.  22,  wozu  noch  die  von  Bock 
in  Brüssel  in  einer  eigenen  Monographie  beschriebenen  Bilder 
zu  Nivelles  kommen)  reitet  Simson  auf  dem  Löwen  und  bricht 
ihm  den  Rachen  auf,  worunter  nichts  anderes  zu  verstehen 
ist,  als  Christus,  der  das  Grab  aufbricht.  Vgl.  den  Artikel 
Simson.  Der  von  Simson  erschlagene  Löwe  bedeutet  gleich- 
w^ohl  wüeder  Christum  selbst,  wegen  des  Honigs  in  seinem 
Rachen.  Ein  grosser  Löwe,  von  Bienen  umschwärmt,  ist 
Christus ,  von  dessen  Tode  die  Menschen  leben :  Morte  unius 
tot  millia  vivunt.  Daher  auch  in  altlateinischen  Hymnen 
Maria  favus  Sanisonis  heisst,  weil  sie  den  honigbringenden 
Löwen  gebar. 

Dem  Löwen  steht  zuweilen  das  Lamm  zur  Seite,  beide 
auf  Christum  bezüglich,  die  Allmacht  und  die  Gnade,  die 
Gerechtigkeit  und  die  Liebe,  beide  Thiere  tragen  den  Kreuz- 
nimbus. Auf  sehr  alten  Miniaturen,  vgl.  Didron,  ic.  p.  348. 
Heider  S.  14.  Man  findet  aber  auch  den  Löwen,  der  ein 
Lamm  oder  einen  nackten  kleinen  Menschen,  oder  beide  zu- 
gleich vor  sich  hält.    Ciampini  vet.  mon.  musiva  tob.  17.    Das 


38  Löwe. 

bedeutet  wohl  die  Macht  der  Kirche,  welche  die  Unschuld 
beschützt. 

Im  Jahr  1130  fand  Graf  Adalbert  von  Froburg  in  der 
Schweiz  auf  der  Jagd  mitten  im  Wald  an  einer  Quelle  ein 
reizendes  Weib  mit  einem  Kinde,  die  sich  hier  in  freund- 
licher Waldeinsamkeit  zu  ergötzen  schienen,  plötzlich  aber  auf 
einem  Wagen,  den  ein  Lamm  und  ein  Löwe  zogen,  gen 
Himmel  fuhren.  Es  war  die  Madonna  mit  ihrem  Kinde  gewe- 
sen ,  und  an  selber  Stelle  baute  der  Graf  das  Kloster  Schön- 
thal.   Schwab,  Ritterburgen  der  Schweiz  IIE.  494. 

Ein  Sinnbild  göttlicher  Stärke  sind  die  Löwen  am  Throne 
Salomons,  1.  Kön.  10,  19.  2.  Chron.  9,  19;  oft  nachgeahmt 
an  christlichen  Thronstühlen,  Heider  S.  38,  wo  die  Löwen 
die  Apostel  bedeuten.  Kunstbl.  1841.  S.  414.  Der  Löwe  ist 
der  Wächter  Gottes  bei  Jesaias  21 ,  8.  Desgleichen  die  Che- 
rubim mit  dem  Löwengesicht  bei  Ezechiel  1,10.  Lisbeson- 
dere  ist  der  Löwencherub  Begleiter  des  Evangelisten  Marcus, 
ein  geflügelter  Löwe  mit  dem  Nimbus  (das  Wappen  der  alten 
Republik  Venedig).  Marcus  soll  den  Löwen  haben,  weil  sein 
Evangelium  mit  dem  Löwen  der  Wüste,  Johannes  dem  Täu- 
fer, beginnt.    Kreuser,  Kirchenbau  H.  89. 

Als  Symbol  des  Lebens  in  der  Wüste  erscheint  der  Löwe 
den  frommen  Einsiedlern  dienstbar.  Löwen  begruben  den 
ersten  Einsiedler  Paulus,  als  er  in  der  ägyptischen  Wüste  ge- 
storben war,  eben  so  die  ägyptische  Maria,  den  heiligen  Ono- 
frius,  den  heiligen  Macarius  (diesen  nur  eine  Zeitlang  zur 
Busse).  Zum  heiligen  Hieronymus  kam  ein  Löwe,  der  sich 
einen  Dorn  in  den  Fuss  gestochen  hatte ,  Hess  sich  von  ihm 
heilen  und  blieb  fortan  bei  ihm.  Noch  einige  Beispiele 
bei  Bagatta,  admir.  VH.  1.  10.  Simeon,  der  Einsiedler, 
lebte  im  öten  Jahrhundert  in  der  Wüste  am  Berg  Sinai 
verborgen.  Als  ihn  einst  Pilger  fanden,  und  er  keine 
Lebensmittel  hatte,  ihnen  etwas  vorzusetzen,  kam  ein 
Löwe  und  brachte  ihm  einen  Palmzweig  voller  Datteln. 
Leben  der  Altväter,  1725.  S.  225.     Dem  heiligen  Einsiedler 


Löwe.  30 

Quiriacus  hütete  ein  Löwe  seine  Kräuter.  Surius  zum  29.  Sep- 
tember. Hieher  gehören  auch  die  Löwen  im  alten  Testament, 
die  im  Dienste  Gottes  den  Propheten  (1.  Kön.  13,  24.)  und 
die  Cuthäer  (2.  Kön.  17,  25.)  zerrissen. 

Im  altrömischen  Keich  pflegte  man  christliche  Märtyrer 
öffentlich  im  Amphitheater  den  Löwen  vorzuwerfen,  um  zu- 
gleich dem  heidnischen  Publikum  zum  Schauspiel  zu  dienen. 
Von  vielen  Märtyrern  aber  sagt  die  Legende,  die  Löwen 
hätten  sie  verschont,  ihnen  demüthig  die  Füsse  geküsst,  ja 
sogar  sie  gegen  die  Heiden  vertheidigt.  Das  gilt  vom  hei- 
ligen Abdon,  Aemilianus,  Andronicus,  Benignus,  Blasius, 
Cerbonius,  Erasmus,  Faustinus,  Felicianus,  Modestus,  Pan- 
taleon,  Pontianus,  Primus,  Probus,  Taracus,  Tyrsus,  Yitus, 
von  der  heiligen  Christina,  Daria,  Euphemia,  Glyconia,  Mar- 
tina, Prisca,  Thekla  etc.  Anna  Almaida,  eine  spanische  Hei- 
lige, liess  schon  als  Kind  einmal  ihren  Rosenkranz  in  eine 
Löwengrube  fallen ,  ging  arglos  zu  den  Löwen  hinunter  und 
band  einen  mit  dem  Rosenkranz,  der  ihr  wie  ein  Hund  folgte. 
—  Der  heilige  Malchus,  ein  christlicher  Sklave,  entfloh  sei- 
nem heidnischen  Herrn  in  Mesopotamien  und  wurde  von  ihm 
verfolgt.  In  eine  Höhle  fliehend,  ward  er  von  dem  darin 
befindlichen  Löwenpaare  verschont,  während  sein  Herr  und 
dessen  Gefährte ,  als  sie  zur  Höhle  kamen ,  von  den  Thieren 
zerrissen  wurden.  Leben  der  Altväter,  1725.  S.  113.  Der- 
selbe musste  als  Sklave  eine  Mitsklavin  heirathen,  deren  Mann 
aber  noch  lebte ,  weshalb  er  nur  in  jungfräulicher  Ehe  mit 
ihr  lebte,  bis  beide  in  einem  Mönchs-  und  Nonnenkloster 
ein  Asyl  fanden.  22.  October.  Bearbeitet  in  v.  Bülows  Zwölf 
Legenden  zur  Nachfolge  Christi.  —  St.  Gerasimus,  Einsiedler 
am  Jordan  im  Öten  Jahrhundert,  zog  einmal  einem  Löwen 
einen  Dorn  aus  demFusse,  wofür  ihm  derselbe  nachher  aus 
Dankbarkeit  bis  zum  Tode  diente.  Als  der  Heilige  starb, 
legte  sich  der  Löwe  auf  sein  Grab  und  verhungerte.  Acta  SS. 
5.  März.  Der  christliche  Androkles.  Einen  auf  dem  Löwen 
reitenden  heiligen  Samuel  kennt  die  äthiopische  Legende. 
Harris,  Schoa  H.  Anhang  S.  112. 


40  Löwe. 

In  anderen  Legenden  werden  die  Heiligen  wirklich  von 
den  Löwen  zerrissen ,  wie  schon  der  Prophet  Joel.  St.  Igna- 
tius  Theophorus,  Bischof  von  Antiochia,  soll  das  Kind  ge- 
wesen seyn ,  welches  Jesus  unter  die  Jünger  stellte  als  Sinn- 
bild der  Demuth:  ;,So  ihr  nicht  werdet ,  wie  die  Kindlein, 
so  werdet  ihr  nicht  in  den  Himmel  kommen.^  Er  wurde 
später  zu  Smyrna  als  Christ  verfolgt  und  im  Amphitheater 
von  Löwen  zerrissen,  w^obei  er  rief:  ;,Bin  ich  der  Waizen 
Christi,  so  werden  mich  die  Zähne  des  Löwen  mahlen,  dass 
ich  ein  reines  Brod  werde. '^  1.  Februar.  Acta  SS.  St.  Mar- 
cian  wurde  von  einem  Löwen  geliebkost,  aber  von  einem 
Leoparden  zerrissen. 

Diese  grausamen  Löwen  bedeuten  den  Teufel,  den  grim- 
migen Feind  Christi.  Daniel  in  der  Löwengrube  kommt 
ausserordentlich  oft  auf  christlichen  Gräbern  vor  und  bedeutet 
hier  immer  die  Erlösung  aus  den  Banden  des  Todes  und  des 
Teufels.  Vgl.  d.  Art.  Daniel.  Nach  der  Legende  spielt  das 
Christkind  in  der  Löwengrube  mit  den  wilden  Bestien.  Hof- 
mann, Apokr.  245.  Eben  so  der  jugendliche  heilige  Vitus. 
„Der  Teufel  geht  umher  wie  ein  brüllender  Löwe  und  sucht, 
welchen  er  verschlinge,^  1.  Petri  5,  8.  ^Hilf  mir  aus  dem 
Rachen  des  Löwen,"  Psalm  22,  22.  Christus  tritt  zuweilen 
einen  Löwen  und  einen  Drachen  unter  die  Füsse,  beides 
Sinnbilder  des  Teufels.  So  an  den  berühmten  Thüren  zu 
Nowogrod,  in  der  Kirche  Notre  Dame  zu  Chartres  etc.  Vgl. 
Heider  S.  31.  —  Der  vom  christlichen  Herkules  besiegte 
und  der  den  christlichen  Pyramus  zerreissende  Löwe  (Piper  I. 
407.)  sind  Künstlerwillkührlichkeiten ,  die  keine  Nachahmung, 
kaum  Beachtung  verdienen. 

Die  häufig  in  Kirchen  vorkommenden  Löwenrachen  sind 
von  verschiedener  Bedeutung.  Unter  Säulen  und  Gebälken 
halb  erdrückt  oder  Menschenköpfe  im  Rachen  haltend  (zu 
Worms)  bedeuten  sie  ohne  Zweifel  den  Teufel,  den  die  Kirche 
bändigt  oder  nur  warnend  den  Sündern  vorhält.  Vgl.  Piper 
I.  407.  Die  vielen  an  den  Kirchthüren  angebrachten  Löwen- 
rachen ,   z.  B.  in  Florenz ,   Mainz ,  Plildesheim  etc. ,   scheinen 


Loth.  41 

aber  anders  verstanden  werden  zu  müssen.  Heider,  S.  21, 
glaubt,  ,, der  Gedanke  lag  nicht  ferne,  dass  der  Teufel  selbst 
dazu  dienen  müsse,  zum  OefFnen  der  Kirchtbüren  behülflicb 
zu  seyn.^  Mir  scheint  jedoch,  es  handle  sich  hier  nur  um 
die  Abwehr  feindlicher  Gewalten  von  der  Kirche.  Der  Lö- 
wenkopf an  Kirchthüren  entspricht  dem  Medusenkopf  an  den 
Rüstungen  der  Alten,  den  zungenfletschenden  Lallenkönigen 
an  den  Thoren  der  Schweizer  Städte,  dem  Pferdekopf  auf 
den  Neidstangen  bei  den  alten  Germanen,  wie  er  noch  jetzt 
auf  niedersächsischen  Häusern  in  Holz  geschnitzt  wird  etc. 
Er  ist  ein  Gegenzauber,  der  die  im  bösen  Sinne  Nahenden 
abschrecken  soll. 

Als  Sinnbild  der  Macht  eines  grossen  Reichs  ist  der  Löwe 
Reitthier  des  Königs  Nebucadnezar  in  Daniels  Vision  7,  4. 
Didron,  man.  p.  119.  Brüllende  Löwen  heissen  die  Fürsten 
bei  Zephania  3,  3. 

Noch  dient  der  Löwe  zu  einem  schönen  Symbol  bei  Je- 
saias  65,  25,  wo  vom  Paradiese  die  Rede  ist,  in  dem  einst 
der  Löwe  seine  Wildheit  verloren  haben  und  wie  ein  Lamm 
Gras  fressen  wird. 

Loth. 

Als  Sodom  und  Gomorrha  von  Gott  mit  Feuer  zerstört 
wurden,  floh  Loth  mit  seinem  Weibe  und  seinen  beiden  Töch- 
tern. Sein  Weib  sah  sich,  dem  Verbote  zum  Trotz,  nach 
dem  Feuer  um  und  wurde  in  eine  Salzsäule  verwandelt.  Die 
Töchter,  in's  rauhe  Gebirg  entflohen,  glaubten,  die  ganze 
bewohnte  Welt  sey  mit  Feuer  vertilgt,  und  es  gebe  keinen 
Mann  mehr  auf  Erden,  ausser  ihrem  Vater.  Damit  nun  das 
Menschengeschlecht  nicht  unterginge,  machten  die  Töchter 
ihren  Vater  trunken  und  verführten  ihn  in  diesem  Zustande, 
ohne  dass  er  sich  dessen  am  Morgen  erinnerte.  Darauf  gebar  die 
älteste  den  Moab,  von  dem  die  Moabiter  kommen,  die  jüngste 
den  Ammi,  von  dem  die  Ammoniter  kommen.  Eine  eben 
so  voreilige  Zeugung,  wie  die  des  Ismael,  und  noch  frevel- 
hafter;   daher  Gott  die  Moabiter  und  Ammoniter  ungnädig 


43  St.  Lucas. 

ansah,  und   dieselben  auch  stets  verhasste  Feinde  des  auser- 
wählten Volkes,  der  Kinder  Abrahams,  blieben. 

Diese  Geschichte  hat  einen  mystischen  Sinn.  Wie  Abra- 
ham Prototyp  des  Glaubens,  so  Loth  des  Unglaubens.  Wie 
in  Abrahams  Geschlecht  der  reine  Glaube  fortlebt,  so  diver- 
giren  in  Loths  Familie  die  verschiedenen  Arten  der  Skepsis 
und  der  Häresieen.  Loth  zeugt  mit  der  ungläubigen  Rücksicht 
die  ungläubige  Vorsicht.  Sein  Weib  will  nicht  glauben, 
dass  der  Herr  Sodom  mit  Feuer  verderbe,  sie  will  es  sehen, 
und  blickt  um ,  gegen  das  Verbot.  Darum  wird  sie  zur  Salz- 
säule. Denselben  Sinn  drückt  Christus  selbst  aus,  indem  er  der 
Geschichte  Loths  gedenkt,  Matth.  24,  17.  Luc.  17,  31.  Das 
Salzsymbol  erklärt  sich  daraus,  dass  die  neugierigen  Ziegen 
und  überhaupt  das  dumme  Vieh  gern  Salz  lecken.  Die  selbst 
als  echte  Tochter  Eva's  Vorwitz  geübt,  wird  ein  Salzfels,  an 
dem  seitdem  die  vorwitzigen  Zungen  lecken.  Vgl.  Rupert. 
Tuü.  p.  65.  —  Loths  Töchter  wollen  ebenfalls  nicht  glau- 
ben, dass  sie  in  der  Verbannung  und  einsamen  Wüste  Nach- 
kommenschaft erleben  würden,  und  ihre  allzu  ängstliche 
Zweifelsucht  und  Vorsorge  verführt  sie  zu  einem  abscheu- 
lichen Verbrechen.  Wie  ihre  Mutter,  weil  sie  nicht  glaubt, 
zu  viel  rückwärts,  so  sehen  die  Töchter,  weil  sie  nicht  glau- 
ben, zu  viel  vorwärts.  Wie  jene  an  der  Gerechtigkeit  Gottes 
zweifelt,  so  zweifeln  diese  an  dem  Erbarmen  Gottes.  Rupert 
von  Duiz  hat  sie  daher  in  seinem  geistreichen  mystischen 
Werke  mit  Recht  als  die  Familie  der  Häresieen  im  Gegensatz 
gegen  Abrahams  Glaubenstreue  aufgefasst. 

St.    Lucas. 

Man  muss  mit  dem  alten  Passional,  das  Hahn  1844  edirt, 

S.  325  sagen: 

von  Luca  dem  guten  Man 

nicht  viel  ich  gelesen  han, 

wie  sein  Lehen  si  gewesen. 
Er  war  Anfangs  Arzt,  weshalb  er  als  Patron  der  Aerzte 
gilt,   widmete  sich   aber  nachher  ganz   der  Nachfolge   des 


Bt.  Lucia.  43 

Herrn  und  der  edlen  Malerkunst,  weshalb  er  auch  Patron 
der  Maler  ist.  Sonderlich  malte  er  die  Madonna  so  oft ,  dass 
noch  jetzt  eine  grosse  Menge  christlicher  Kirchen  im  Morgen - 
und  Abendlande  sich  rühmen,  Bilder  von  seiner  Hand  zu 
besitzen.  Der  Heilige  ist  in  hohem  Alter,  indem  man  ihn 
kreuzigen  wollte ,  aber  die  Aufrichtung  des  Kreuzes  zu  lang- 
weilig fand,  an  einen  Oelbaum  gehenkt  worden.  18.  October. 
Warum  er  (nach  Stok,  Gesellenwesen  S.  112.)  Patron  der 
Glaser  ist,  weiss  ich  nicht.  Wenn  Sterbende  vom  Arzt  auf- 
gegeben waren,  legte  man  ihnen  sogenannte  Lucaszettel,  d.  h. 
Gebete  zum  heiligen  Lucas,  auf  die  Brust. 

Als  Evangelist  hat  Lucas  den  geflügelten  Ochsen  zum 
Attribut,  theils  weil  er  mit  dem  Opfer  des  Zacharias  seine 
Erzählung  beginnt,  theils  weil  Christus  selbst  gleichsam  Opfer- 
stier ist.  Innozenz,  Geheimniss  der  Messe,  übers,  von  Hurter, 
S.  90.  Kreuser,  Kirchenbau  H.  90.  Der  Ochs  heisst  des- 
halb in  Frankreich  oiseau  de  St  Luc. 

S  t.    L  u  c  i  a , 

eine  fromme  Jungfrau  zu  Syrakus  im  3ten  Jahrhundert, 
sollte  einen  reichen  heidnischen  Jüngling  heirathen ,  ver- 
theilte  aber  ihren  Brautschatz  unter  die  Armen  und  verlobte 
sich  Christo  allein.  Da  wurde  sie  vor  Gericht  gezogen  und 
als  Christin  verdammt.  Sie  sollte  in  ein  gemeines  Freuden- 
haus geschleppt  werden ,  aber  keine  Pferdegewalt ,  keine  an- 
gezogenen Stricke  brachten  sie  von  der  Stelle.  Da  schleppte 
man  Holz  herbei  und  umgab  sie  mit  einem  Scheiterhaufen, 
aber  das  Feuer  Versehrte  sie  nicht,  und  es  war,  als  stünde 
sie  in  einem  Rosengebüsch.  Endlich  wurde  sie  mit  dem 
Degen  durchstochen.  Der  wichtigste  Zug  in  ihrer  Legende 
aber  ist,  sie  soll  sich,  als  ihr  der  Freier  aufgedrungen  wurde, 
ihre  Augen,  deren  Schönheit  ihn  bezaubert,  ausgerissen  und 
ihm  dieselben  auf  einem  Teller  übersandt  haben.  Dieser 
Teller  mit  den  Augen  ist  daher  auch  ihr  Attribut.  Die  Mutter 
Gottes  gab  ihr  dafür  neue  und  noch  schönere  Augen.  Sigebert 


44  Lucifer. 

von  Gemblours  hat  ihre  Marter  besungen,  Dante  im  2ten 
Gesang  der  Hölle  sie  zum  Träger  des  himmlischen  Lichts 
oder  der  Erkenntniss  gemacht.  Dem  entspricht  auch  ihr 
Jahrestag  (23.  Dezember) ,  der  finsterste  im  Jahre,  von  wo 
an  aber  die  Tage  wieder  länger  und  heller  werden  und  das 
Licht  des  neuen  Jahres  (in  der  darauffolgenden  Weihnacht) 
aufbricht.  Dem  entspricht  endlich  auch  ihr  Name,  Lucia  von 
lux,  Licht.  Die  Heilige  bedeutet  aber  das  geistige  Licht,  und 
zwar  in  seiner  Stetigkeit  und  ünvergänglichkeit ,  trotz  aller 
Verdunkelungen  und  Anfechtungen.  In  dem  chron.  Zwifal- 
tense  der  Stuttgarter  Bibliothek  p.  83.  ist  sie  abgebildet,  wie 
sechs  Menschen  und  sechs  Ochsen  vergebens  an  ihr  zerren 
und  sie  nicht  von  der  Stelle  bringen.  Ein  ähnliches  Bild  zu 
Padua,  s.  Kunstblatt  1838.  Nr.  IL  Dem  entspricht  das  Sinn- 
bild des  Lampenlichts,  welches  auch  im  heftigsten  Sturme 
nicht  erlischt.  Sollte  nicht  auch  der  Polarstern  gemeint  seyn, 
der  am  St.  Lucientag  seinen  höchsten  Stand  am  nördlichen 
Himmel  erreicht,  und  unter  den  zwölf  Ziehenden  die  Zeichen 
des  Thierkreises  ? 

Lucifer. 

Das  erste  wirkliche  Geschöpf  Gottes,  das  nicht  mehr  wie 
das  Wort  (Logos)  oder  der  Geist  und  die  Weisheit  (Sophia) 
er  selber  war,  sondern  ein  zweites,  ausser  ihm  befindliches 
Wesen,  wurde  eben  deshalb  sein  Feind.  Der  erste  Engel 
wurde  der  Teufel. 

Jesaias  14,  12.  heisst  es:  „Du  bist  gefallen,  schöner 
Morgenstern  (Lucifer).'^  Gesenius  und  die  meisten  neuern 
Erklärer  verstehen  unter  dem  Morgenstern  nur  das  babylo- 
nische Reich,  von  dem  der  Prophet  eben  handelt.  Allein  der 
Prophet  bedient  sich  offenbar  eines  den  Morgenländern  sehr 
verständlichen  Bildes,  wonach  eben  erst  der  zu  seiner  Zeit 
gehoffte  Sturz  Babylons  mit  dem  längst  bekannten  Sturze  Lu- 
cifers  verglichen  wird.  Denn  wie  Lucifer  durch  seinen  Ueber- 
muth ,  durch  den  Stolz  auf  seine  Schönheit  fiel ,  so  auch  Ba- 
bylon.    Ueberdies    heisst    es  Luc.   10,   18,    Satan   sey  wie 


I 


Lucifer.  45 

ein  Blitz  vom  Himmel  gefallen.  1 .  Timoth.  3 ,  6.  heisst  es  : 
der  Plochmüthige  leide  des  Teufels  Strafe.  2.  Petri  2,  4. 
wird  geradezu  gesagt,  Gott  habe  die  sündigen  Engel  mit 
Ketten  der  Finsterniss  zur  Hölle  Verstössen,  und  Epist.  Judä  6 : 
diese  bis  zum  Gericht  in  der  Finsterniss  gehaltenen  Engel 
hätten  ihre  Fürstenthümer  und  himmlischen  Häuser  verlassen 
müssen.  Endlich  spricht  Ev.  Joh.  8;  44.  Christus  selber  vom 
Teufel  j  als  dem  Mörder  von  Anfang  und  Vater  der  Lügen. 

Vermöge  der  eigenthümlichen  Verblendung,  welche  alles 
specifisch  Christliche  für  blosse  Nachahmung  von  etwas  Heid- 
nischem hält,  weil  es  ein  Vorbild  im  alten  Heidenthum  (wie 
ein  Afterbild  im  neuen)  hatte,  glaubte  Bohlen  (Genesis  50.) 
und  viele  Andere,  die  ganze  Lehre  vom  Teufel  sey  erst 
nach  dem  Exil  in's  Judenthum  gekommen,  und  nichts  weiter 
als  die  Lehre  vom  persischen  Ahriman.  Li  der  That  ist 
Ahriman,  der  erstgeborne  Engel  der  Perser,  zum  Teufel  ge- 
worden ,  weil  er  Gott  selbst  seyn  und  allein  regieren  wollte. 
Ganz  auf  dieselbe  Weise  empörte  sich  auch  nach  der  Brah- 
minenlehre  der  erstgeborne  Engel  Moisasur.  Auch  der  Tita- 
nensturz der  Griechen  gehört  hieher. 

Allein  diese  alten  Vorstellungen  der  Heiden  enthalten 
nur  einen  Schimmer  von  christlicher  Idee,  und  schweifen 
einseitig  aus.  Der  persische  Ahriman  verderbt  die  halbe 
Natur  und  theilt  sie  in  eine  böse  und  gute  Hälfte;  davon  ist 
die  mosaische  und  christliche  Anschauung  weit  entfernt,  der 
vielmehr  die  ganze  Natur  gut  und  als  Gottes  Werk  erscheint. 
Der  indische  Moisasur  verführt  die  übrigen  himmlischen  Gei- 
ster zum  Abfall  von  Gott  und  dafür  müssen  sie  als  Seelen 
in  Menschen-  und  Thierleiber  übergehen,  um  abzubüssen. 
Auch  von  dieser  Seelenwanderungslehre  ist  das  Christenthum 
weit  entfernt. 

Lucifer  ist  specifisch  biblisch,  jüdisch  -  christlich.  Vor 
Allem  lag  es  nahe,  zu  fragen,  warum  Gott  überhaupt  das 
Böse  zugelassen  habe?  Augustinus,  de  civ,  Dei  14.  11,  sagt 
einfach:  „Gott  wollte  seinen  Geschöpfen  Freiheit  geben,  als 
das  köstlichste  Gut,  aber  einen  freien  Willen  kann  es  nicht 


46  Lucifer. 

geben,  wenn  er  nicht  auch  böse  seyn  könnte.  Uebrigens 
habe  das  Gott  nach  seiner  Weisheit  vorausgesehen.''  Aehn- 
lich  Basilius  in  der  9ten  Homilie.  Der  Scholastiker  Duns 
Scotus  hob  die  Nähe  hervor,  in  welcher  Lucifer  zu  Gott 
gestanden;  je  gottähnlicher  er  war,  desto  stärker  war  auch 
für  ihn  die  Versuchung,  sich  Gott  gleich  oder  an  Gottes 
Stelle  zu  setzen  (nach  der  musikalischen  Regel  des  Septimen- 
accordes).  Thomas  von  Aquino  hebt  hervor:  die  Engel  be- 
finden sich  im  Stande  der  Gnade,  nicht  im  Stande  der  Busse, 
wie  die  Menschen;  ihre  Sünde  sey  also  viel  unverzeihlicher, 
ihr  Fall  viel  tiefer.  Zudem  könne  der  Mensch  seinen  Willen 
zügeln  und  anderswohin  lenken,  der  Engel  aber  müsse  ihn 
in  der  einmal  angenommenen  Richtung  verfolgen,  was  ihn 
nothwendig  in's  Extrem  führe.  Der  Mensch  sey  sterblich 
und  somit  zur  Aenderung  von  aussenhtr  berufen ;  der  Engel 
aber  sey  unsterblich  und  mache  sich  nur  selber  zu  dem,  was 
er  werde.     Vgl.  ßaur,  Dreieinigkeit  IL  770.  782. 

Schon  der  blosse  Begriff  des  Eigenwillens  setzt  die  ganze 
Folgerung  des  Diabolismus  voraus.  So  wie  neben  dem  gött- 
lichen noch  ein  zweiter  Wille  daseyn  darf,  wird  er  ein  böser 
werden,  eben  um  alle  Möglichkeiten  der  Verschiedenheit  vom 
göttlichen  Willen  zu  erschöpfen. 

Ein  erstes  Moment  des  bösen  Willens  ist  der  Trotz,  das 
Unabhängigkeitsstreben,  die  Lust,  allein  zu  herrschen. 

Ein  zweites  Moment  ist  die  Eitelkeit,  die  bei  Lucifer 
insbesondere  durch  die  Realität  seines  erschaffenen  Wesens 
genährt  wurde,  während  Gott  ihm  gegenüber  in  seiner  ur- 
sprünglichen Idealität  verharrte.  Lucifer  hielt  sich  für  um 
so  viel  vollkommener,  als  er  körperlicher  geworden  war; 
obgleich  hier  noch  an  keine  irdische  Materie  zu  denken  ist. 

Daher  identificirte  noch  Jakob  Böhme  den  Lucifer  mit 
der  Natur,  als  dem  Aeusseren ,  im  Gegensatz  gegen  Gott ,  als 
das  Innere.  Das  Aeussere  aber  in  seinem  härtesten  Gegen- 
satz gegen  das  Innere  ist  Finsterniss,  wie  das  Innere  Licht 
ist,  todte  Erstarrung,  wie  das  Innere  Leben  ist.  Daher, 
glaubt  Böhme,  musste  Gott  durch  eine  neue  Schöpfung  den 


I 


Lucifer.  47 

Gegensatz  vermitteln ,  das  ist  nun  die  Erde  mit  den  Menschen 
in  der  Mitte  zwischen  Himmel  und  Hölle.  —  Nicht  anders 
fasste  auch  der  grosse  Dante  den  Lucifer  auf,  da  er  ihn,  vom 
Himmel  herabgefallen,  in  den  Mittel-  und  Schwerpunkt  der 
Erde  sinken  und  dort  bis  zum  Gericht  bleiben  lässt.  Die 
Finsterniss  und  Schwere  contrastiren  hier  mit  dem  Licht  und 
dem  leichten  Flügelschwung  im  Himmel.  Vgl.  Kopisch, 
Dante  S.  69. 

In  der  berühmten  Vision  des  Ritters  Tun  dal  (Vincent 
Bellovac.  speculum  morale  H.  3.  6.)  liegt  Lucifer  gleichfalls 
in  der  Tiefe  der  Hölle,  angefesselt,  von  unzähhgen  kleinen 
Teufeln  umgeben,  die  beständig  das  Feuer  unter  ihm  schü- 
ren, um  ihn  zu  plagen;  denn  in  der  Hölle  waltet  so  sehr 
das  Gesetz  des  Hasses,  dass  auch  die  Schüler  ihren  Meister, 
die  Unterthanen  ihren  Herrn,  die  Kinder  ihren  Vater  be- 
ständig hassen  und  martern  müssen.  Lucifer  hat  Menschen- 
gestalt, aber  von  Riessengrösse ,  und  ist  rabenschwarz.  Wie 
Briareus  hat  er  eine  Menge  Hände,  jede  mit  zwanzig  Fingern 
und  Kj:allen,  womit  er  nach  den  Verdammten  greift,  um  die- 
selben zu  fressen. 

Bevor  aber  Lucifer  in  der  Tiefe  gefesselt  wird,  hat  er 
Macht,  die  Menschen  selbst  zu  fesseln.  In  einem  Auto  des 
Lope  de  Vega  liegt  die  ganze  Menschheit  gefesselt  zu  seinen 
Füssen,     v.  Schack,  dramat.  Lit.  d.  Span.  IL  412. 

Die  Muhamedaner  kennen  den  gefallenen  Lucifer  unter 
dem  Namen  Iblis  (entstellt  aus  dem  griechischen  öiäßolog). 
Sie  gehen  aber  in  ihren  Unterscheidungen  des  ersten  Geister- 
reichs noch  weiter,  als  die  Juden.  Vor  der  letzten  Schöpfung, 
sagen  sie,  war  die  Erde  bereits  bewohnt,  wenn  auch  nicht 
von  Menschen,  doch  von  Dschinnen  (Genien)  in  Riesengestalt. 
Dieselben  waren  keineswegs  Teufel ,  wenn  auch  keine  Engel. 
Es  herrschten  nach  einander  sieben  weise  Salomone  über  sie, 
denen  allen  gemeinsam  der  allwissende  Vogel  Simurgh  (Phö- 
nix) als  Wessir  diente.  Endlich  wurden  sie  übermüthig,  und 
Gott  schickte  den  Engel  Iblis  aus,  sie  zu  strafen.  Iblis 
und  die  ihm  untergebenen  Engel  siegten  und  verbannten  die 


48  Luftspiegelung^. 

überwundenen  Dschinnen  in  das  äusserste  Grenzgebirge  der 
Erde,  Kaf  genannt.  Nun  wurde  aber  Iblis  selber  über- 
müthig,  trotzte  Gott  und  verw^andelte  sich  mit  den  Seinen 
dadurch  in  Diws  (böse  Geister,  Teufel,  zum  Unterschied  von 
den  Dschinnen ,  Riesen).  Gott  schuf  nun  den  Adam,  in  der 
Hoffnung,  die  Menschen  würden  besser  seyn,  als  Dschinnen 
und  Diws.  Beide  letzteren  sollten  das  neue  Geschöpf  an- 
beten. Sükkradsch  (siehe  Herbelot  s.  v.),  der  Fürst  der 
Dschinnen,  that  es  und  huldigte  dem  Adam,  Iblis  aber  that 
es  nicht,  und  wurde  deshalb  von  Gott  in  die  Hölle  gestürzt. 
Vgl.  auch  Herbelot  s.  v.  Eblis,  und  v.  Hammer,  persische 
Redekünste  S.  21.  —  Nach  dem  jüdischen  Sohar  war  Sam- 
mael  (Lucifer)  ursprünglich  ein  Seraph  mit  sechs  Flügeln. 

Der  Engelsturz  ist  oft  in  kecken  Teufelsgruppen  gemalt 
worden.  Ganz  eigenthümlich  aber  erschemt  ein  altes  grie- 
chisches Bild ,  auf  dem  die  stürzenden  Engel  oben  noch  schön 
sind,  allmählig  immer  hässlicher  und  erst  unten  zu  vollen- 
deten Teufeln  werden.  Didron^  man.  p.  77.  Ganz  eben  so 
malte  sie  Bos. 

Weil  Lucifer  der  Lichtträger  heisst ,  wdrd  Christus  selbst 
der  wahre  Lucifer  genannt,  in  einer  Hymne  des  Hilarius. 
Königsfeld,  lat.  Hymnen  S.  2. 

Luftspiegelung. 

„Die  Pracht  der  Palläste  Babels,  die  in  voller  Wirk- 
lichkeit vor  euch  steht,  wird  wie  ein  Hauch  verschwinden. 
Das  zarte  Luftgebilde ,  das  ihr  in  der  Wüste  verschmachtend 
hoffnungsvoll  vor  euch  sehet  und  nicht  erreichet,  wird  den- 
noch einmal  Wirklichkeit  werden.  *^    Vgl.  d.  Art.  Jesaias. 


i 


m 


Maccabäer. 

Die  kriegerischen  Bücher  der  Maccabäer  sind  von  grosser 
typischer  Wichtigkeit  für  die  christliche  Geschichte.  Die  darin 
vorkommenden  Helden  und  Begebenheiten  sind  nämlich  durch- 
gängig Vorbilder  der  spätem  Bedrängnisse  der  Kirche  durch 
die  weltliche  Macht.  Zugleich  sind  jene  maccabäischen  Hel- 
den gleichsam  die  bewaffneten  Schutzengel  des  mosaischen 
Gesetzes  und  der  messianischen  Verheissung  gewesen.  Ohne 
sie  wäre  das  Judenthum  schon  vor  Christi  Geburt  unterge- 
gangen und  aus  der  Reihe  der  welthistorischen  Erscheinungen 
verschwunden. 

Es  handelt  sich  um  die  Schicksale  des  gelobten  Landes 
unter  den  Herrschern  aus  Alexanders  Nachfolge.  Nach  der 
Sage  bei  Josephus  wollte  Alexander  der  Grosse  Jerusalem 
zerstören,  weil  es  an  Persien  hing;  als  ihm  aber  der  Hohe- 
priester Jaddu  mit  den  Leviten  in  feierlichem  Zug  entgegen- 
kam und  er  in  dem  ehrwürdigen  Greis  denselben  in  der- 
selben Tracht  wiedererkannte,  den  er  vorher  im  Traum 
gesehen,  verschonte  er  die  Stadt,  üeberhaupt  lag  es  in  seiner 
Politik,   Alle    zu  schonen,   die  sich  ihm   unterwarfen,    und 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  <4 


50  Maccabäer. 

insbesondere  alle  Culte  gewähren  zu  lassen,  die  dem  persi- 
schen widersprachen.  Die  Begegnung  zwischen  dem  Priester 
und  Könige  ist  übrigens  typisch  für  die  spätere  christliche 
Legende,  denn  sie  wiederholt  sich  in  der  Art,  wie  Papst 
Leo  der  Grosse  dem  Attila  entgegentrat. 

Palästina  war  nun  dem  grossen  Reiche  Alexanders  ein- 
verleibt und  kam  nach  seinem  Tode  unter  die  Herrschaft 
der  Seleuciden,  während  andrerseits  auch  die  Ptolemäer  in 
Aegypten  immer  einen  Anhang  unter  den  Juden  hatten,  die 
in  sehr  grosser  Zahl  zu  Alexandria  wohnten  und  daselbst 
durch  72  Dollmetscher  das  ganze  alte  Testament  in's  Griechi- 
sche übersetzen  Hessen,  so  zwar,  dass  durch  Gottes  Fügung 
Alle,  ohne  von  einander  zu  wissen,  buchstäblich  das  Näm- 
liche schrieben.  Anfangs  wurden  die  Juden  gut  behandelt 
und  kamen  wieder  in  grossen  Flor. 

Nach  dem  2.  Buch  der  Maccabäer  Kap.  3.  (das  nur  eine 
andere  Redaction  des  ersten  ist  und  dieselben,  ja  noch  frühere 
Geschichten  enthält)  wollte  König  Seleucus  Philopator,  der 
übrigens  von  Josephus  ein  grosser  Gönner  der  Juden  genannt 
wird  (Arch.  12.  4.  etc.),  den  im  Tempel  zu  Jerusalem  schon 
wieder  angehäuften  Schatz  rauben  lassen  und  schickte  zu 
diesem  Behuf  seinen  Kämmerer  Heliodorus  hin.  Aber  als  er 
an  den  Gotteskasten  trat,  siehe  da  sprengte  plötzlich  ein 
schrecklicher  Reiter  auf  schön  geschmücktem  Ross  gegen  ihn 
an  und  des  Rosses  Vorderhufe  stürzten  ihn  zu  Boden.  Er 
lag  nun  todt ,  und  nur  das  Gebet  des  frommen  Hohenpriesters 
Onias  konnte  ihn  wieder  erwecken.  Der  König,  über  das 
Wunder  erstaunt,  verlangte  nicht  mehr  nach  dem  Tempel- 
schatz. —  Der  Reiter  war  ein  Engel.  In  goldner  Rüstung 
edel  zürnend  hat  ihn  Raphael  in  dem  berühmten  Bilde  der 
Stanzen  gemalt,  dazu  einen  Blitz,  der  den  Frevler  nieder- 
wirft, zwei  Engel  zu  Fuss  mit  Strafruthen,  und  im  Hinter- 
grunde seltsamerweise  den  Papst  Julius  H.,  auf  dessen  Befehl 
Raphael  das  Bild  malte. 

Heliodor  ist  typisch  für  die  spätere  christliche  Kirche 
und   wurde    sein   Beispiel   stets    den   Kaisern   und   Fürsten 


Maccabäer.  51 

entgegengehalten,  die  sich  an  den  Schätzen  und  Gütern  der 
Kirche  vergreifen  wollten. 

Vom  frommen  Onias  heisst  es  weiter,  er  sey  durch 
Jason,  der  dem  König  viel  Geld  zahlte,  und  dieser  wieder 
durch  Menelaos,  der  noch  mehr  zahlte,  vom  Hohenpriester- 
thum  verdrängt  und  im  neuen  Asyl ,  in  das  er  sich  geflüchtet, 
trotz  der  Heiligkeit  des  Orts  ermordet  worden.  Auch  das 
ist  typisch  für  den  spätem  Cäsareopapismus  in  der  christlichen 
Kirche,  wenn  Priester  der  Habsucht  der  Könige  das  Hei- 
lige zum  Opfer  bringen ,  um  für  ihre  Personen  Kirchenämter 
zu  erlangen.  —  Sehr  bezeichnend  heisst  es  2.  Maccab.  5,  19: 
Gott  habe  diese  Schändungen  seines  Tempels  zugelassen,  um 
das  Volk  für  seine  Sünden  zu  strafen;  Gott  habe  das  Volk 
nicht  auserwählt  um  der  Stätte  willen,  sondern  die  Stätte 
um  des  Volkes  willen. 

Des  Seleucus  Nachfolger  Antiochus  Epiphanes  (seit  175 
vor  Christo)  war  ein  ruchloser  Mensch  von  Natur  und  hatte 
nicht  einmal  so  viel  politischen  Verstand,  die  Juden  zu 
schonen ,  um  sie  gegen  Aegypten  zu  benützen.  Gleich  neuern 
orientalischen  Despoten  Hess  er  nur  Geld  zusammenraffen, 
um  seine  Lüste  zu  befriedigen,  und  beging  treulose  Morde 
des  Volks  in  Masse,  um  Revolutionen  zuvorzukommen.  So 
musste  sein  Feldherr  Apollonius  mit  22,000  Mann  (2.  Macc. 
5,  24.)  die  Juden  an  einem  Sabbath  zu  Jerusalem  überfallen 
und  ein  furchtbares  Blutbad  unter  ihnen  anrichten,  da  ihr 
Gesetz  ihnen  nicht  erlaubte,  sich  an  dem  Tage  der  Gottes- 
ruhe zu  wehren.  Darauf  Hess  er  den  Tempel  entweihen, 
Schweine  darin  schlachten,  Weiber  Unzucht  darin  treiben 
und  weihte  ihn  dem  heidnischen  Gotte  Zeus.  Dasselbe  ge- 
schah auch  mit  dem  Aftertempel  zu  Garizim. 

Der  90jährige  Greis  Eleazar,  ein  Schriftgelehrter,  sollte 
gezwungen  werden,  Schweinefleisch  zu  essen,  zog  es  aber 
vor,  ehrlich  zu  sterben  und  wurde  erschlagen.    2.  Macc.  6. 

Unter  allen  Greueln,  die  Antiochus  beging,  ist  die  Hin- 
richtung der  Mutter  mit  sieben  Söhnen  (2.  Macc.  7.)  der 
schaudervollste.     Im  ganzen  Gebiet  der  Geschichte  kommt 

4* 


53  Maccabäer. 

nichts  Entsetzlicheres  und  Rührenderes  vor.  Das  Schreckliche 
wird  aber  hier  überwogen  von  der  Freudigkeit,  mit  der  die 
standhafte  Mutter  und  ihre  treuen  Kinder  alle  Martern  er- 
dulden um  des  Herrn  willen,  und  um  für  ihn  zu  zeugen. 
Deshalb  ist  diese  Geschichte  des  alten  Testaments  typisch 
für  das  ganze  christliche  Martyrium.  Sie  wurde  zuerst  poetisch 
umschrieben  in  einem  lateinischen  Gedicht  des  Yictorinus, 
Fabricii  thes.  445.  abgedruckt.  Die  Mutter  heisst  Salomonis, 
bei  Suidas  s.  v.  Antiochus.  Spätere  nennen  sie  immer  Salome. 
Die  Marter  ist  als  Trauerspiel  behandelt  von  Houdart  de  la 
Motte.  Eben  so  in  Zacharias  Werners  berühmtem  Trauer- 
spiel, das  zwar  nach  seiner  Art  etwas  schwülstig  und  krampf- 
haft, doch  reich  an  den  edelsten  Empfindungen  ist.  Ein  älteres 
deutsches  Schauspiel  von  Scharschmidt  1589  kenne  ich  nicht 
näher.  —  Die  Marter  wurde  gemalt  von  van  Dyck  im  Quirinal. 
Möglichst  greuelhaft  und  henkermässig  sind  die  Todesqualen 
der  sieben  Söhne  in  byzantinischen  Miniaturen  dargestellt 
(Waagen,  Paris  213.)  In  Blainville's  Reise  I.  90.  wird  eines 
seltsamen  Bildes  in  der  Maccabäerkirche  zu  Köln  gedacht. 
Da  sieht  man  die  Mutter  Salome,  wie  sie  den  Antiochus  mit 
Füssen  tritt,  und  unter  ihrem  langen  Kleide  ihre  mit  Lor- 
beeren bekrönten  Söhne,  vier  auf  einer,  drei  auf  der  andern 
Seite.  Dort  zeigt  man  auch  die  Köpfe  der  Maccabäer  als 
Reliquien  mit  Kronen  und  Juwelen  bedeckt. 

Als  nun  Antiochus  so  wüthete ,  entfloh  der  greise  Priester 
Matathias  mit  seinen  Söhnen  aus  Jerusalem  in  die  Wüste, 
um  hier  ungestört  Gott  dienen  zu  können;  denn  bei  Todes- 
Mrafe  war  verboten  worden,  ferner  noch  den  Jehovah  statt 
des  Zeus  anzubeten,  und  bei  Todesstrafe  war  befohlen,  dass 
jeder  Jude  Schweinefleisch  essen  soll.  Der  alte  Matathias 
aber  hatte  eine  grosse  Familie  und  viele  Freunde,  deshalb 
rieth  man  ihm ,  sich  dem  König  zu  unterwerfen ,  der  es  gewiss 
gut  aufnehmen  würde,  wenn  ein  so  angesehener  Mann  den 
übrigen  Juden  ein  Beispiel  gäbe.  Aber  Matathias  blieb  beim 
Gesetz  seiner  Väter.  Da  wurde  den  in  die  Wüste  geflohenen 
Juden  nachgestellt  und  wiederum  an  einem  Sabbath,  wo  sie 


1 


Maccabäer. 


53 


sich  niclit  wehren  durften ,  wurden  bei  tausend  Juden  in  einer 
Höhle  umgebracht.  Josephus  bemerkt  hiezu,  die  Mazedonier 
hätten  Holz  vor  die  Höhle  geschleppt  und  die  darin  Ver- 
steckten durch  den  Rauch  getödtet ,  was  aber  nicht  in  der 
Bibel  steht  (1.  Macc.  2.). 

Matathias  war  sehr  alt,  stellte  sich  aber  dennoch  an  die 
Spitze  eines  streitbaren  Haufens,  zerstörte  überall,  wo  er 
hinkam,  die  heidnischen  Altäre  und  beschnitt  die  Kinder. 
Aber  der  Tod  nahte  ihm.  Da  verordnete  er,  sein  tapferer 
Sohn  Judas  Maccabäus  solle  an  seiner  Statt  den  Befehl  füh- 
ren und  „für  das  Gesetz  eifern  und  sein  Leben  wagen  für 
den  Bund  der  Väter '^. 

Nun  begann  Judas  seine  Heldenlaufbahn  und  schlug  mit 
seinen  Getreuen  ein  Heer  des  Antiochus  nach  dem  andern. 
Wir  müssen  hier  auf  1.  Macc.  3  ff.  verweisen.  Es  kam  so 
weit,  dass  die  tapfern  Brüder  Jerusalem  selbst  wieder  eroberten. 
Als  sie  den  Tempel  des  Herrn  so  verwüstet  und  entheiligt 
sahen,  zerrissen  sie  ihre  Kleider  und  bestreuten  sich  mit 
Asche ;  dann  reinigten  sie  das  Heiligthum  und  errichteten  dem 
Herrn  einen  neuen  Altar.  König  Antiochus  aber,  mit  dem 
persischen  Krieg  beschäftigt,  starb  vor  Gram,  als  er  die 
Niederlage  seiner  Heere  im  gelobten  Lande  erfuhr.  Für 
seinen  Sohn  Antiochus  Eupator  belagerte  Lysias  die  heilige 
Stadt  Jerusalem,  konnte  sie  aber  nicht  gewinnen.  Der  Jude 
Eleazar  tödtete  einen  der  grossen  Königselephanten ,  die  da- 
mals zum  erstenmal  den  heiligen  Boden  betraten,  indem  er 
sich  unter  ihn  schlich  und  ihn  von  unten  erstach.  Die  Last  des 
hinstürzenden  Elephanten  erdrückte  ihn,  aber  er  hatte  seinen 
Landsleuten  gezeigt,  dass  diese  Thiere  nicht  zu  fürchten 
seyen.    1.  Macc.  6,  43. 

Nach  des  Eupator  Ermordung  kam  des  Seleucus  Sohn 
Demetrius  Soter  auf  den  Thron  und  traf  ernste  Anstalt,  den 
jüdischen  Aufruhr  zu  überwältigen.  Dazu  bediente  er  sich 
des  treulosen  Hohenpriesters  Alcimus  und  des  mächtigen 
Feldherrn  Nicanor.  Diesem  nun  gelang  es ,  den  Anhang  der 
Maccabäer  dermassen   zu  verringern,    dass   ihm   zuletzt  nur 


54  Maccabäer. 

800  Mann  blieben,  mit  denen  sie  sich  ehrlich  gegen  die  unge- 
heuere Uebermacht  schlugen,  bis  in  einem  letzten  Verzweif- 
lungskampfe der  tapfere  Judas  fiel. 

Zu  diesen  Kämpfen  mit  Nicanor  bemerkt  das  2.  Buch  der 
Maccabäer  8,  11:  Nicanor  habe  das  ganze  jüdische  Volk  in 
die  Sklaverei  zu  verkaufen  getrachtet ,  um  mit  dem  Geld  die 
damals  schon  mächtig  vordringenden  Römer  zu  beschwichtigen. 
2.  Macc.  14,  37  ff.  wird  ferner  von  einem  gewissen  Rhazis, 
Aeltesten  in  Jerusalem,  erzählt,  der  sich,  um  Nicanors  Hen- 
kern zu  entgehen ,  von  einer  Mauer  herabstürzte  und ,  als  er 
noch  lebte,  seine  Gedärme  sich  selber  aus  dem  Leibe  riss 
und  unter  seine  Verfolger  warf,  mit  den  Worten:  „Gott 
wird  sie  mir  wiedergeben!"  Uebrigens  ist  zu  bemerken, 
dass  2.  Macc.  15.  Judas  den  Nicanor  noch  überlebt,  indem 
Nicanor  in  der  Schlacht  fällt.  Hier  heisst  es  auch,  der  Pro- 
phet Jeremias  sey  dem  Judas  erschienen  und  habe  ihm  ein 
unüberwindliches  Schwert  dargereicht. 

Judas  Maccabäus  wurde  durch  ein  spanisches  Volksbuch 
in  Spanien  ungemein  populär,  auch  von  Calderon  auf  die 
Bühne  gebracht  (v.  Schack  HL  181.)  und  von  Silveira  1638 
in  ein  Epos.  Der  spanischen  Tapferkeit  gefiel  dieser  Stoff 
um  so  mehr,  als  jahrhundertelang  auch  die  christlichen 
Spanier  mit  den  Sarazenen  zu  Gottes  Ehre  hatten  streiten 
müssen. 

Der  Kampf  war  noch  nicht  zu  Ende.  An  Judas  Stelle 
trat  sein  tapferer  Bruder  Jonathan,  unterstützt  vom  dritten 
Bruder  Simon,  und  stellte  die  verlorne  Sache  wieder  her, 
indem  er  auf's  Neue  grossen  Anhang  fand ,  Jerusalem  w^ieder 
gewann  und  zwischen  den  Ptolemäern  und  Seleuciden  geschickt 
zu  unterhandeln  wusste,  so  dass  beide  ihm  schmeichelten. 
Endlich  aber  verrieth  ihn  Tryphon,  der  Feldherr  des  jungen 
Antiochus  Entheus,  lud  ihn  gastlich  ein  und  liess  ihn  um- 
bringen. Simon  regierte  als  Hoherpriester  die  Juden  dennoch 
fort,  erlitt  aber  gleiches  Loos  bei  einem  Gastmahl  durch  die 
treulosen  Ptolemäer.  Ihm  folgte  sein  Sohn  Johannes  Hirca- 
nus,  der  die  neue  Königsdynastie  der  Juden  gründete,  deren 


[ 


Magd.  55 

letzter  Sprössling  Mariamne  zur  Zeit  Christi  als  Gattin  des 
Herodes  tragisch  unterging. 

Die  Bibel  verlässt  uns  hier.  Nur  aus  Josephus  erhellen 
die  grossen  Thaten  des  Johannes  Hircanus,  auf  die  wir  hier 
nicht  näher  eingehen.  Genug ,  es  gelang ,  das  jüdische  Reich 
unter  eignen  Königen  wiederherzustellen,  die  sich  haupt- 
sächlich durch  die  Gunst  der  Römer  von  der  Herrschaft  der 
Ptolemäer  und  Seleuciden  losrissen,  bald  aber  selbst  unter 
die  Obergewalt  der  Römer  fielen. 

So  war  es  denn  durch  die  wunderbare  Lenkung  Gottes 
dahin  gediehen,  dass  das  Gesetz  Mosis  sich  im  Sturm  der 
Zeiten  hatte  erhalten  können,  trotz  zweimaliger  Verbannung 
und  Gefangenschaft  des  Volkes  in  Aegypten  und  Babylon, 
trotz  der  Tempelschändungen  und  Zerstörungen,  trotz  der 
innern  Corruption  und  dem  Abfall  zum  Heidenthum.  Der 
goldne  Faden  war  nicht  abgerissen,  durch  alle  Gräuel  des 
Heidenthums  windet  er  sich  hindurch ,  wie  eine  Wurzel  durch 
die  Finsterniss  der  Erde,  um  endlich  die  Wunderpflanze 
an's  Licht  zu  bringen,  deren  Keim  in  der  dunkeln  Wurzel 
verborgen  lag. 

Magd. 

Das  Vorbild  aller  Mägde  in  der  Welt  ist  Maria,  als  die 
„Magd  des  Herrn '^ ,  in  welcher  Eigenschaft  sie  hauptsächlich 
bei  der  Verkündigung  erscheint  (ecce  andlla  dominü).  Erst 
durch  diese  Demuth  der  Magd  wird  sie  gewürdigt,  Königin 
des  Himmels  zu  werden.  Das  Jungfräuliche  ist  hier  auf's 
Innigste  mit  der  Demuth  der  Magd  verbunden  (wie  im  deut- 
schen Wort  Mägdlein  auch  wirklich  beide  Begriffe  zusammen- 
fallen). Weil  aber  weiss  die  Farbe  der  Jungfrauen  ist,  so 
erscheint  Maria  als  Magd  des  Herrn  auf  Kirchenbildern  häufig 
im  weissen  Unterkleide. 

Auch  viele  heilige  Jungfrauen  haben  sich  ausgezeichnet 
durch  ihre  Tugenden  im  harten  Magddienste.  Als  Patronin 
der  Mägde  gilt  die  heilige  Notburga,  die  selbst  ihr  Leben 
lang  eine  Magd,    aber  so  heilig   war,    dass  ihr   die  Natur 


56  St.  Magdalena. 

gehorchte,  wie  ihrer  Königin.  Einmal,  als  sie  des  Sonntags 
im  Felde  arbeiten  sollte,  hing  sie  ihre  Sichel  an  einen  Son- 
nenstrahl auf  zum  Beweis,  dass  man  am  Sonntag  nicht 
arbeiten  solle.  Die  heilige  Christina  wurde  als  Sklavin  in 
ein  fremdes  Land  verkauft,  bekehrte  aber  ihre  Herrschaft 
und  das  ganze  Land.  Die  heilige  Euphemia  und  Margaretha 
von  Ungarn  waren  Königstöchter,  die  in  der  Verbannung 
fromm  als   Mägde   dienten. 

St.    Magdalena. 

Die  symbolische  Bedeutung  dieser  Heiligen  kennzeichnet 
sie  als  Personification  der  wahren  Reue  und  Busse.  Nach 
Marcus  16,  9.  war  es  Maria  Magdalena,  welcher  Christus  sieben 
Teufel  ausgetrieben  hatte,  der  er  auch  nach  seiner  Aufer- 
stehung zuerst  erschien.  Man  hält  sie  für  dieselbe  nicht 
namentlich  genannte  Sünderin,  die  nach  Lucas  7,  37.  Christi 
Füsse  im  Hause  des  Pharisäers  mit  kostbaren  Salben  wusch 
und  von  der  er  sagte:  „Ihr  sind  viele  Sünden  vergeben, 
denn  sie  hat  viel  geliebt.'*^  Vgl.  Matthäus  26,  7.  Marcus  14,  3. 
Man  hält  sie  aber  auch  für  die  Maria,  Schwester  des  Lazarus 
und  der  Martha,  die  nach  Joh.  12,  3.  dem  Heiland,  nachdem 
er  ihren  Bruder  von  den  Todten  erweckt,  ebenfalls  die  Füsse 
salbte  und  mit  ihren  Haaren  trocknete.  Hier  beklagt  Judas 
aus  Geiz  das  Vergeuden  der  köstlichen  Salbe ,  wie  bei  Marcus 
14,  5.  andere  Umstehende  im  Hause  des  Simon  über  die 
gleiche  Verschwendung  der  Sünderin  klagen.  Endlich  ist  es 
wieder  eine  Maria  Magdalena,  die  nach  Joh.  19,  25.  bei  der 
Kreuzigung  Christi  zugegen  ist  und  die  nach  demselben  20,  1. 
zum  Grabe  Christi  kommt.  Vgl.  Lucas  24,  10.  Matth.  28,  1. 
und  Markus  16,  1 ,  wo  es  insbesondere  wieder  heisst,  sie  habe 
mit  den  andern  Weibern  den  Leichnam  Christi  salben  wollen. 
Obgleich  nun  aus  diesen  Daten  allerdings  nicht  mit  völliger 
Bestimmtheit  hervorgeht,  dass  des  Lazarus  Schwester  auch 
die  Sünderin  gewesen  sey,  so  stimmen  doch  in  beiden  die 
innige  Hingebung  an  den  Heiland,  das  Weinen,  das  Benetzen 


St.  Magrdalena.  57 

der  Füsse  Christi  mit  ihren  Thränen ,  das  Trocknen  derselben 
mit  ihren  Haaren  und  das  Attribut  des  Salbgef  asses  so  genau 
zusammen,  dass  die  Kirche  keinen  Anstand  nahm,  ihre 
Identität  zu  beglaubigen. 

Magdalena  war  Trägerin  einer  grossen  Idee  und  konnte 
nicht  anders  aufgefasst  werden,  ja  die  Legende  musste  sogar 
noch  in  viel  späterer  Zeit  folgerecht  ihre  Geschichte  weiter 
entwickeln;  denn  die  Idee  ist  mächtiger  und  fruchtbarer,  als 
dass  nicht  ihr  Korn  unter  der  alten  Hülse  eine  neue  hervor- 
bringen sollte,  ehe  es  zur  vollen  Reife  gediehen  ist.  In  der 
heiligen  Schrift  war  klar  Sünde  und  Reue  ausgesprochen, 
die  spätere  Legende  fügte  noch  die  Busse  hinzu.  Nur  eine 
kleinliche  und  ideenlose  Kritik  kann  die  Legende  von  der 
als  Einsiedlerin  in  einer  Höhle  büssenden  Magdalena  auf  die 
von  der  heiligen  Maria  von  Aegypten  zurückführen  und  einen 
Werth  auf  diese  Entdeckung  legen.  Für  die  Idee  ist  das 
gleichgültig.  Reue  und  Liebe  verlangen  die  Busse.  Magda- 
lena kann  nicht  anders,  als  büssen,  nachdem  sie  den  Heiland 
sterben  sah  am  Kreuze. 

Albertus  Magnus  schildert  sie  als  Herrin  auf  dem  präch- 
tigen Schlosse  Magdalum  in  Bethanien  in  all  der  Pracht,  in 
der  abendländische  Dichter  des  Mittelalters  morgenländische 
Königinnen  darzustellen  pflegen.  Dazu  macht  er  sie  zum  In- 
begriff aller  Schönheit,  zu  einer  zweiten  Helena.  Wie  hier 
ihr  Reichthum  und  ihre  Schönheit  übertrieben  hervortreten, 
so  in  der  schwedischen  Legende,  die  Mohnike  übersetzt  hat 
(Altschwedische  Balladen  S.  173),  ihre  sündige  Wollust.  Hier 
heisst  es  nämlich,  sie  sey  eines  Morgens  zur  Quelle  gegangen, 
da  sey  Jesus  ihr  begegnet  und  habe  sie  um  einen  Trunk 
gebeten.  Sie  antwortet:  „Hätte  ich  nur  eine  Silberkanne 
hier.^  Er  dagegen  spricht:  „Wärst  du  nicht  so  unrein,  ich 
tränke  aus  deiner  blossen  Hand."  Sie  schwört,  nie  mit  einem 
Mann  zu  thun  gehabt  zu  haben.  Er  aber  sagt  ihr,  dass  sie 
mit  ihrem  Vater,  ihrem  Bruder  und  einem  Priester  drei  Kin- 
der erzeugt  und  in's  Wasser  geworfen  habe.  Wenn  sie  aber 
Busse  thun  wolle,  so   solle   ihr  vergeben  seyn.    Die  Busse 


58  St.  Magdalena. 

bestand  darin,  dass  sie  keine  andere  Speise  essen  solle,  als 
von  Lindenblättern,  keinen  andern  Trank  trinken,  als  Thau 
von  Lindenblättern,  in  keinem  andern  Bett  schlafen,  als  auf 
Lindenwurzeln.  Die  gewöhnliche  Legende  beschuldigt  Mag- 
dalena so  grosser  Frevel  nicht,  sondern  nur,  dass  sie  zu 
„viel  geliebt"  habe.  Ihr  ganzes  Wesen  war  Liebe,  nur  dass 
sich  dieselbe  zuerst  als  irdische  Liebe  zeigte,  bis  die  himm- 
lische in  ihrem  Herzen  Platz  gewann.  Die  Legende  sagt 
aus,  ihre  Schwester  Martha  sey  zuerst  von  Johannes  dem 
Täufer  bekehrt  worden,  Magdalena  aber  habe  noch  bei  ihrer 
Weltlust  verharrt,  bis  sie  im  Tempel  von  Jerusalem  zum 
erstenmal  den  Heiland  gesehen  und  von  seinen  Augen  ge- 
troffen worden  sey.  Durch  diesen  einzigen  Blick,  heisst  es 
weiter,  wurde  sie  von  allem  Irrthum  der  sündigen  Natur 
geheilt  und  widmete  sich  von  nun  an  einzig  dem  Heilande. 
Ja  sie  übertraf,  als  eine  höhere  Natur,  obgleich  später  be- 
kehrt ,  sogleich  an  Heiligkeit  ihre  früher  nur  durch  den  rauhen 
Johannes  bekelirte  und  von  Natur  niedriger  stehende  Schwe- 
ster Martha.  In  der  Bibel  ist  der  Gegensatz  zwischen  den 
beiden  Schwestern  noch  einfacher  gefasst.  Martha  ist  die 
gute,  aber  beschränkte  Hausfrau,  die,  als  Jesus  Gast  im 
Hause  ist,  auf's  Eifrigste  in  der  Küche  schafft,  damit  er  das 
Beste  zu  essen  bekomme,  während  Magdalena  müssig  bleibt 
und  nur  an  den  Lippen  des  Gastes  hängt.  Als  Martha  sie 
wegen  dieses  Müssiggehens  tadelt,  rechtfertigt  sie  der  Heiland 
und  spricht:  „Sie  hat  das  beste  Theil  erwählt.'^    Luc.  10,  42. 

Durchaus  willkührlich  ist  die  Annahme  Späterer  (vgl. 
Kosegarten,  Legenden  L  131.  Borberg,  Apokryphen  L  585.). 
Darnach  war  Magdalena  die  Braut  Johannes  des  Evangelisten 
und  feierte  die  berühmte  Hochzeit  zu  Cana ,  auf  der  Johannes 
durch  das  Wunder  der  Weinverwandlung  bewogen  wurde, 
die  junge  Braut  zu  verlassen  und  Christo  nachzufolgen. 
Dadurch  auf's  Höchste  erbittert,  soll  die  Verlassene  sich 
Ausschweifungen  ergeben  haben,  später  aber  durch  Lazari 
Erweckung  selbst  bekehrt  worden  seyn. 

Die  spätere  Legende  vom  Leben  der  Magdalena  nach 


St.  Magdalena.  59 

dem  Tode  des  Heilands  lautet :  Nach  dem  Tode  der  Madonna, 
bei  der  Magdalena  zuletzt  zugebracht  hatte ,  um  ihr  zu  dienen, 
wurde  sie  mit  Martha  und  Lazarus,  ihren  Geschwistern,  so 
wie  mit  Maximinus  und  einigen  andern  frommen  Christen 
von  den  Römern  zum  Spott  auf  ein  leckes  Schiff  ohne  Segel 
und  Ruder  gesetzt  (eine  Noyade,  wie  in  der  französischen 
Revolution),  aber  anstatt  unterzusinken,  kamen  sie  wohlbe- 
halten nach  Marseille.  Hier  wurde  Lazarus,  zu  Aix  Maxi- 
minus der  erste  Bischof.  Martha  gründete  ein  Kloster; 
Magdalena  aber  begab  sich  in  ein  wildes  Gebirge  in  der 
Nähe  und  widmete  sich  der  einsamen  Busse  in  der  Höhle 
la  Baume.  In  dieser  Höhle  wohnte  vorher  ein  Drache,  der 
auch  hervorkam  und  sie  (ein  ästhetischer  Misston  in  dieser 
so  schönen  Legende)  mit  Haut  und  Haaren  verschlang.  Ein 
Engel  zog  sie  aber  lebendig  wieder  heraus  und  reinigte  die 
Höhle  von  des  Drachen  Wust.  Hier  lebte  sie  nun  viele 
Jahre,  nackt  und  ohne  irgend  ein  menschliches  Wesen  zu 
sehen ,  nur  von  Teufeln  oder  Engeln  besucht.  Einst  erschie- 
nen die  Teufel  in  Gestalt  von  Engeln  und  sangen  ihr  gar 
lieblich,  verlangten  aber,  sie  solle  nicht  mehr  so  viel  beten. 
Oefters  wurde  sie  von  Engeln  in  den  Himmel  getragen  und 
sah  dessen  Herrlichkeit.  Sie  büsste  so  lange  in  dieser  Höhle, 
als  sie  vorher  in  der  Weltlust  gelebt  hatte.  Als  ihr  der  Tod 
nahte  und  sie  das  Abendmahl  zu  empfangen  wünschte, 
brachten  die  Engel  sie  nach  Aix  zum  Bischof  Maxentius,  und 
nachdem  sie  kniend  den  heiligen  Leib  von  ihm  empfangen, 
starb  sie.  Man  zeigt  zu  Aix  noch  ihren  Todtenkopf,  dessen 
Haut  an  der  Stelle,  wo  Christus  ihre  Stirn  berührt  hat,  ganz 
frisch  ist,  und  dessen  blonde  Haare  auch,  so  weit  sie  Christi 
Füsse  berührten,  noch  erhalten  sind.  Ihre  Seele  soll  von 
Engeln  gen  Himmel  getragen  worden  seyn.     22.  Juli. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  eine  besondere  Ver- 
ehrung, welche  der  heiligen  Magdalena  in  der  Provinz  zu  Theil 
wurde,  eine  Reaction  gegen  die  Blasphemie  der  Katharer  ge- 
wesen ist.  Denn  diese  Ketzersekte,  die  im  elften  Jahrhundert 
in  der  Provence  gewaltig  um  sich  griff  und  die  berüchtigten 


60  St.  Magrdalena. 

Albigenserkriege  veranlasste,  gefiel  sich  in  einer  rohen  Ver- 
leumdung, quod  M.  Magdalena  fuit  Christi  concuhina.  Petri 
Monachi  hist.  Albigens.  2  (bei  Duchesne  sc.  hist.  Fr.  Y.  556.). 
Gieseler,  Kirchengesch.  11.  547.  In  der  ^natürlichen  Geschichte 
des  grossen  Propheten^,  einem  rationalistischen  Roman,  der 
am  Schlüsse  des  vorigen  Jahrhunderts  gedruckt  wurde,  ist 
diese  Fabel  in  sentimentaler  Weise  wieder  aufgewärmt  worden. 

Die  Höhle  la  Baume  ist  sehr  heilig.  In  der  Revolution 
alles  ihres  Schmucks  beraubt,  wurde  sie  im  Jahre  1814  wie- 
derhergestellt, aber  1815  durch  die  Soldaten  des  Marschalls 
Brune  abermals  geschändet  und  beraubt,  was  die  Ermordung 
des  Marschalls  durch  das  erbitterte  Volk  nach  sich  zog. 
Alljährlich  strömen  Pilger  zu  der  Höhle.  Im  Jahre  1822, 
als  sie  neu  geweiht  wurde,  zählte  man  auf  einmal  40,000 
Pilger.  Man  setzte  damals  eine  liegende  Magdalena  in  Marmor 
hinein.  Vgl.  Friedrich  Ludwig  „aus  der  Provence'^  1845, 
S.  249  f.  und  Histoire  de  St.  Magdeleine.  Marseille  1 682.  Legende 
der  heiligen  Magdalena  von  Louise  von  Bornstedt.  Luzern 
1845.  Als  Hauptwerk  Clarus,  Gesch.  der  heiligen  Magda- 
lena 1852. 

Das  berühmteste  Wunder  der  Heiligen  nach  ihrem  Tode 
ist  der  Sieg,  den  sie  den  Dithmarschen  und  Holsteinern  bei 
Bornhöved  über  die  Dänen  gewährte  (kurze  Zeit  vor  dem 
Traume  Karls  von  Anjou).  Den  Erstem  erschien  Magdalena 
(nach  Andern  eine  Wolke)  am  Himmel  und  breitete  ihren 
Schleier  über  die  Sonne,  so  dass  sie  nicht  mehr  geblendet 
waren  und  siegten.  Im  Park  zu  Brüssel  ist  eine  Magdalenen- 
statue,  in  einem  Buche  lesend,  von  der  die  Sage  geht,  sie 
schlage  jede  Nacht  ein  Blatt  des  Buches  um,  und  wenn  sie 
das  letzte  umschlage,  müsse  die  Welt  untergehen.  Wolf, 
deutsche  Märchen  S.  298. 

Die  Heilige  hat  zahlreiche  Verehrer  unter  den  Dichtern 
gefunden.  Die  schönen  Hymnen  und  Litaneien  so  wie  ihr 
ganzes  Officium  finden  sich  in  der  schon  genannten  Marseiller 
Historie.  Es  ist  von  poetischem  Geiste  durchdrungen.  Wie 
in  einer  musikalischen  Fuge  kehren  hier  immer  die  schönen 


I 


St.   Magdalena.  61 

Gedanken  -wieder:  O  Magdalena ^  amore  Christi  plena,  — 
Domino  gratissima  —  cui  demissa  sunt  peccata  multa^  quoniam 
dilexit  multum^  —  optimam  partem  elegity  —  o  felix  Maria^ 
quae  resurg entern  videre  meruisti  prima  etc.  Dabei  die  schöne 
Hymne  des  berühmten  Odo  von  Clugny: 

Lauila  mater  Ecclesia , 

Lauda  Christi  clementiam  etc. 
worin  ihre  Bekehrung,  ihre  Reue  und  Demuth  vor  Christo 
in  ihrem  und  Martha's  Hause  gepriesen  wird ;  und  die  andere, 
worin  die  Heihge  mit  einem  Edelstein  verglichen  wird,    der 
aus  dem  Sumpf  gerettet  wird: 

Gemniaque  lue  et  inclita 

De  luto  lud  reddita. 

Der  schöne  Gesang:  Gaude  pia  Magdalena  etc. 

Gaude  dulcis  advocata^ 

poenitendi  forma  data, 

miseris  post  vitia. 
Sehr  schön  ist  auch  die  unter  Follens   christlichen  Liedern 
S.  65  übersetzte  Hymne:  Pone  luctum,  Magdalene.    Es  ist» ein 
Freudenruf  der  geretteten  Seele  von  tiefer  Innigkeit. 

Vier  altdeutsche  Lieder  theilt  Uhland  in  den  Volksliedern 
I.  846  f.  mit.  Zwei  davon  schildern  nur  die  Scene  am  Grabe. 
Zwei  andere  drücken  eine  innige  Klage  aus.  Ein  lateinisches 
Gedicht  des  berühmten  Odo  von  Clugny  erwähnt  Bahr  in 
der  röm.  Lit.  des  karoling.  Zeitalters  S.  127  als  nur  unbe- 
deutend. Altdeutsche  Legenden  der  heiligen  Magdalena  in 
einem  alten  Passional  s.  Marienlegenden.  Stuttg.  1846,  S.  VH. 
Hahn,  alte  Passional  1844,  S.  366  in  Versen.  Unter  den 
Legenden  des  Hermann  von  Fritslar  (Pfeiffer,  deutsche  My- 
stiker I.)  in  Prosa.  Ein  italienisches  Leben  der  Heiligen  von 
Prierias  s.  Grässe,  Lit. -Gesch.  H.  2.  423.  Ein  altfranzösi- 
sches Gedicht  aus  dem  13ten  Jahrhundert  in  Hist.  lit.  de  la 
France  XVHI.  831.  Der  Karmelitermönch  Barthelemy  dich- 
tete, nachdem  ihn  der  Tod  seiner  Geliebten  (sie  hiess  Mag- 
dalena) in's  Kloster  getrieben,  ein  französisches  Gedicht  la 
Madelaine  au  desert  de  la  S.  Baume,  1671.  Ein  anderes 
französisches   Gedicht   Pierre    de  St.  Louis    vom  Jahr   1700 


62  St.  Magdalena. 

soll  viel  Possirliches  enthalten.  Blankenburg,  Zusätze  zu 
Sulzer  U.  61. 

Auch  Petrarca  hat  die  Heilige  in  einem  lateinischen  Ge- 
dicht besungen.  Desgleichen  deutsch  der  Jesuit  Salas  in  Die- 
penbrocks  geistl.  Blumenstrauss  S.  187.  Auch  der  poetische 
Jesuit  Spee,  ,.Spiegel  der  Maria  in  der  Magdalena."  Ein 
Gedicht  nach  Sarbievius  in  Silberts  Dom  h.  Sänger  S.  120. 
Dann  von  Wessenberg  in  dessen  5,Magdalena,  Constanz  1824" 
und  sämmtl.  Dichtungen  III.  305. 

Dramatisch  wurde  besonders  häufig  in  den  alten  Oster- 
spielen die  Auferstehungsscene  und  die  Begegnung  des  Hei- 
landes als  Gärtner  mit  der  Magdalena  dargestellt.  So  in 
altenglischen  Schauspielen,  s.  Grässe,  Lit.- Gesch.  II.  2.  1047, 
und  in  altdeutschen,  s.  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  I. 
14.  56.  II.  171.  Hier  wird  auf  eine  sinnreiche  Weise  Mag- 
dalena mit  der  Eva  verglichen.  Wie  Eva  und  Adam  im  Pa- 
radiese versucht  wurden,  Adam  aber  von  der  Eva  sich  ver- 
führen Hess,  so  wird  hier  Magdalena  =  Eva  allein  verführt 
aus  Aveiblicher  Schwäche,  Christus  =  Adam  aber  bleibt  stand- 
haft und  besiegt  die  Hölle.  In  Magdalenens  Rede  wird  ge- 
zeigt, wie  tief  durch  Eva's  Schuld  die  Menschheit  gesunken 
ist,  und  wie  ihr  dem  allein  reinen  Christus  gegenüber  nichts 
als  Busse,  Reue  und  Thränen  übrig  sind.  Zugleich  contrastirt 
Magdalenens  Leichtsinn  hier  mit  dem  Sakrament  der  Ehe, 
indem  das  Osterspiel  mit  der  Hochzeit  zu  Cana  beginnt. 

Unter  den  neueren  Dichtern,  welche  den  Gegenstand 
mit  Geist  und  besonderer  Liebe  behandelt  haben,  steht  allen 
ein  lateinischer  Dichter  des  17ten  Jahrhunderts  voran,  der 
freilich,  Aveil  er  lateinisch  schrieb  und  ein  Jesuit  war,  ver- 
gessen ist.  Wir  haben  so  viel  Schönes  in  ihm  gefunden, 
dass  wir  uns  erlauben,  hier  an  ihn  zu  erinnern.  Der  Jesuit 
Pat^r  Justus  Sautel  gab  1673  zu  Ingolstadt  divae  Magddlenae 
ignes  sacri  et  piae  lachrimae  heraus,  worin  er  das  Andenken 
der  Heiligen  in  unzähligen  lateinischen  Distichen  feierte.  Es 
sind  theils  Epigramme,  theils  Elegieen.  Ueberall  herrscht 
der  classische  Geschmack  vor,  so  dass  Magdalena  eine  Diana 


St.  Magdalena.  63 

genannt  wird,  mit  Amor  lange  Gespräche  hält,  und  dass  auch 
andere  antike  Götter  herbeigezogen  werden,  Neptun  angerufen 
wird,  keinen  Sturm  auf  dem  Meere  zu  erregen,  so  lange  die 
Heilige  darüber  fährt,  Thetis  ihr  die  Wellen  glätten  muss  etc. 
Indessen  finden  sich  unter  sehr  vielen  Künsteleien  auch  echt 
poetische  Dichtungen.  Schön  ist  z.  B.  S.  104  die  Klage  Mag- 
dalenens,  indem  sie  der  Wolke  nachblickt,  in  der  Christus 
gen  Himmel  gefahren.  Unter  den  vielen  Gedichten,  die  sie 
als  eine  zum  Fels  versteinerte  Niobe  imd  ihre  Thränen  in 
eine  Quelle  verwandelt  bezeichnen,  findet  sich  ein  sehr  schönes 
S.  228.  Sie  betrachtet  im  Spiegel  einer  Quelle  den  nächt- 
lichen Sternenhimmel,  hier  unten  scheint  Alles  so  vergäng- 
lich, ein  dahinrieselndes  Gewässer,  dort  oben  Alles  so  fest 
und  ewig.  Aber  sie  besinnt  sich,  auch  die  Sterne  werden 
vergehen  und  nichts  ist  ewig,  ausser  Gott,  der  ganze  Himmel, 
der  sich  in  dem  kleinen  Wasser  spiegelt,  ist  nicht  mehr,  als 
der  Spiegel  selbst. 

Et  vagus  est  fluctus,  vaya  sunt  et  sidera,  nunquam 
Uaerent  perpetuo  rivus  et  astra  loco. 

Gar  lieblich  ist  auch  das  Gedicht  S.  250.  Eine  Biene  um- 
schwärmt sie  in  ihrer  Höhle,  sie  verjagt  sie.  Warum?  ruft 
die  Biene,  ich  will  dich  ja  nicht  stechen,  dir  nur  Honig 
bringen.  Ich  weiss  es  wohl,  antwortet  Magdalena,  aber  eben 
deshalb  entfliehe ,  denn  ich  verlange  nichts  Süsses ,  mir  ziemt 
nur  Bitteres. 

In  Wilh.  Gerhards  Uebersetzungen  serbischer  Volkslieder 
(Gedichte  IV.  215.)  kommt  eine  „flammende  Maria"  vor. 
Das  ist  Magdalena,  so  genannt,  weil  ihr  Jahrestag,  der 
22.  Juli,  gerade  in  die  grösste  Jahreshitze  fällt. 

Magdalena  ist  Patronin  aller  reuigen  Sünderinnen,  vor- 
züglich derer,  die  zu  viel  geliebt  haben.  Daher  auch  die 
bekehrten  Freudenmädchen  sich  Magdalenetten  nennen.  Der 
Orden  der  Magdalenetten  wurde  im  13ten  Jahrhundert  ge- 
stiftet, es  durften  nur  gefallene  Mädchen  eintreten.  Bei  der 
Aufnahme  mussten  sie  wie  todt  daliegen  und  man  hielt  über 
ihnen  die  Exequien.     Helyot,  Kloster-  und  Ritterorden  HI. 


64  St.  Magdalena. 

426  f.  —  Nonnen,  die  ihr  Gelübde  nicht  gehalten,  versetzte 
der  Volksglaube  zur  Busse  in  den  bleichen  Mond  und  sah 
in  den  Mondilecken  Magdalenens  Thränen.     Vgl.  Mond. 

Bis  hieher  haben  wir  in  der  Heiligen  ausschliesslich  eine 
Personiflcation  der  Eeue  und  Busse  erkannt.  Allein  es  knüpft 
sich  an  sie  auch  noch  eine  tiefere  Symbolik  an,  die  in  der 
Geschichte  Magdalenens  von  Clarus  näher  entwickelt,  aber 
schon  sehr  alt  und  in  der  Kirche  herkömmlich  ist.  Magda- 
lena bedeutet  nämlich  das  Heidenthum,  wie  ihre  Schwester 
Martha  das  Judenthum  im  Verhältniss  zum  Christenthum. 
Clarus  sagt  S.  103:  „Durch  die  Hinweisung  auf  die  Alle- 
gorie soll  nur  die  Uebereinstimmung  der  altern  Kirchenlehrer 
in  Bezug  auf  die  Identität  der  drei  Marien  noch  näher,  als 
bisher  geschehen,  dargelegt  werden.  Jene  Lehrer  geben  zu 
erkennen,  wie  der  Sohn  Gottes,  nachdem  er  den  Kathschluss 
gefasst,  in  der  Gestalt  eines  sündigen  Menschen  in  der  Welt 
zu  erscheinen,  ganz  eigentlich  gewollt,  dass  das  mit  ihm  als 
Braut  zu  vereinigende  Heidenthum  durch  Maria  Magdalena 
dargestellt  würde,  welche  aber  mit  der  Sünderin  und  Maria 
von  Bethanien  eine  und  dieselbe  Person  ist.  Diesen  alten 
Lehrern  zufolge  war  dieses  von  sieben  bösen  Geistern  beses- 
sene und  den  Leidenschaften  des  Fleisches  hingegebene  Weib 
der  Typus  des  Heidenthums,  das,  dem  Cultus  der  Dämonen 
hingegeben,  durch  die  ungeheuersten  Abgöttereien  besudelt 
war.  Magdalena,  die  Sünderin  in  der  Stadt,  stellte  die  ab- 
göttischen Verirrungen  des  Heidenthums  in  der  grossen  Stadt 
der  Welt  dar,  welche  mit  kirchenschänderischen  Tempeln  und 
allen  Arten  von  Verbrechen,  die  der  Cult  der  falschen  Götter 
hervorgerufen,  angefüllt  ist.  Die  verschiedenen  Erzählungen 
der  Salbungen  bei  den  Evangelisten  Matthäus,  Marcus  und 
Johannes,  sowie  die  Gänge  Magdalenens  zum  Grabe,  sind 
diesen  Lehrern  zufolge  eben  so  viele  Züge  derselben  Alle- 
gorie. Die  Uebereinstimmung  der  Väter  in  dieser  Allegorie 
ist  eine  Bestätigung  ihrer  einheUigen  Meinung  über  die  Schuld- 
barkeit  der  heiligen  Maria  Magdalena.  Schwerhch  könnten 
alle  diese  Väter  dieses  Weib  als  das  Abbild  des  dem  unge- 


St.  Magdalena.  63 

heuersten  Aberglauben  hingegebenen  Heidenthums  betrachten, 
wenn  sie  dasselbe  als  Jungfrau,  als  unschuldig,  ja  nur  als 
eine  ehrbare  Frau  betrachtet  hätten.  Ueber  die  Rolle,  welche 
Magdalena  in  jenem  Bilde  spielt,  sind  alle  Lehrer  ganz  über- 
einstimmender Meinung.  Nur  über  die  Anzahl  der  Salbungen 
und  der  Frauen,  welche  dieselben  verrichtet,  sind  sie,  wie 
wir  gesehen,  verschiedener  Meinung.  Aber  Alle,  welche 
von  diesen  Allegorieen  gesprochen  haben,  d.  h.  fast  alle 
heiligen  Lehrer,  stimmen  darin  überein,  dass  sie  Magdalenen 
als  die  Sünderin  unter  dem  Namen  Mariens  von  Bethanien, 
als  das  Abbild  des  abgöttischen  Heidenthums  betrachten.  — 
Maria  hat  in  der  That  nicht  allein  die  Unordnungen  des 
Heidenthums  in  ihrem  Sündenleben  dargestellt,  sondern  durch 
die  Salbung,  welche  sie  in  Simons  Hause  am  Heilande  vor- 
nahm, die  Huldigungen,  welche  es,  einmal  bekehrt,  seinem 
Bräutigam  bis  an's  Ende  der  Zeiten  darbringen  würde;  oder 
vielmehr,  wir  finden  in  den  verschiedenen  Umständen,  welche 
diese  Salbung  begleiteten,  die  Geschichte  der  beiden  Völker, 
die  Untreue  und  Verwerfung  der  Juden  und  die  Annahme 
der  Heiden  ausgedrückt.  Auf  diese  Weise  deuten  die  heiligen 
Kirchenlehrer  das  Vorbild.  Damit  ist  zugleich  dargethan,  wie 
sie  keinen  Unterschied  zwischen  der  Sünderin  und  Marien 
von  Bethanien  anerkannten." 

Das  Heidenthum  wird  in  Magdalena  bezeichnet  im  Ge- 
gensatz gegen  aas  Judenthum,  als  dessen  Vertreter  erstens 
Judas  sich  über  Magdalenens  Verschwendung  beklagt,  indem 
sie  das  Salbgefäss  zerbricht,  und  zweitens  Martha  sich  der 
Werkthätigkeit  befleissigt  und  über  Maria's  müssiges  Still- 
sitzen zu  Jesu  Füssen  sich  beschwert.  „Die  geschäftige 
Martha  stellt  die  Geschäftigkeit  des  alten  Gesetzes  vor,  dessen 
Propheten,  Priesterthum  und  Opfer  die  Welt  nur  auf  die 
Ankunft  des  Messias  vorbereiten  sollten.  Dieses  Gesetz  ehrte 
Gott  durch  fleischliche  Opfer.  So  wollte  auch  Martha  durch 
leibliche  Speise  den  Erlöser  erfreuen.  Maria,  welche  zu 
seinen  Füssen  sass  und  in  Ehrerbietung  seine  Worte  hörte, 
war  eine  würdige  Darstellung  des  neuen  Gesetzes.     Sie  ver- 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  5 


66  St.  Magdalena. 

ehrt  besonders  die  Menschheit,  welche  durch  die  Füsse  dar- 
gestellt wird.  Diese  Verehrung  ist  ein  Gott  besser  gefallendes 
Opfer,  als  alle  Opfer  des  alten  Bundes.  Zu  Jesu  Füssen 
sitzend  hört  sie  seine  Lehre,  weil  sie  ihn  als  ihren  einzigen 
Meister  und  Lehrer  verehrt.  Martha  aber  begehrte,  ihre 
Schwester  solle  ihr  in  ihren  Beschäftigungen  beistehen.  Die 
ersten  Juden,  welche  an  Christum  glaubten,  wollten  die  zum 
Christenthum  bekehrten  Heiden  ebenfalls  zur  Beobachtung 
des  jüdischen  Ceremonialgesetzes  nöthigen.  Als  Maria  nicht 
folgt,  klagt  Martha  es  dem  Herrn;  dieser  weist  sie  zurecht, 
denn  um  Gott  zu  gefallen,  um  zum  Heile  zu  gelangen,  ist 
nicht  erforderlich,  so  viele  im  Gesetze  enthaltene  Vorschrif- 
ten zu  befolgen."  Das  Gleichniss,  welches  der  Heiland  den 
über  die  Unwürdigkeit  Magdalenens  murrenden  Juden  ent- 
gegenhält, drückt  den  Sinn  vollkommen  aus.  „Jesus  erzählt 
das  Gleichniss  von  den  beiden  Schuldnern,  d.  h.  den  Juden 
und  Heiden.  Der  Gläubiger  ist  Gott.  Die  Heiden  sind  die 
tiefer  Verschuldeten.  Beide  aber  sind  gleich  unfähig,  zu 
zahlen,  und  können  Gott  nur  durch  Annahme  der  Gnade  be- 
friedigen, die  er  beiden  durch  den  Glauben  an  Jesum  Chri- 
stum anbot." 

Gar  zart  ist  die  Auffassung  einer  eigenthümlichen  und 
wie  uns  scheint  früher  noch  nicht  bemerkten  Symbolik.  Die 
heilige  Magdalena  befindet  sich  nämlich  immer  zu  Jesu  Füssen. 
Sie  salbt  seine  Füsse,  benetzt  sie  mit  Thranen  und  trocknet 
sie  mit  ihrem  Haar;  sie  sitzt,  während  Martha  kocht  und 
bratet,  als  demüthige  Schülerin  zu  des  Heilands  Füssen;  sie 
umfasst  auf  Golgatha  das  Kreuz  zu  seinen  Füssen.  Auch 
das  bezieht  der  Verfasser  auf  die  Demuth  der  Heiden  vor 
Christo  im  Gegensatz  gegen  den  Trotz,  mit  dem  ihm  die 
Juden  begegneten. 

Tief  bedeutsam  erscheint  der  Umstand,  dass  unter  allen 
Personen ,  die  sich  nach  den  Evangelien  dem  Heilande  nahen, 
Maria  Magdalena  die  Einzige  ist,  die  sich  um  ihres  eigenen 
Seelenheiles  willen  an  ihn  wendet.  Schon  das  allein  weist 
ihr  einen  hohen  Eang  in  der  heiligen  Geschichte  an. 


St.  Magdalena.  67 

Eben  so  sinnig  wird  das  berühmte  noli  me  längere  ge- 
deutet. Das  Judenthum  besass  den  Heiland  im  Fleisch  und 
erkannte  ihn  nicht,  das  Heidenthum  stand  ihm  fremd  und 
erkannte  ihn.  Indem  aber  das  Heidenthum  sich  mit  voller 
Liebe  dem  Christenthum  hingab,  war  es  im  Begriff,  unwill- 
kührlich  dem  mächtigen  alten  Zug  des  Sinnlichen,  der  in  ihm 
lag,  zu  folgen,  und  das  wehrt  Christus  ab,  indem  er  als 
Gärtner  der  freudig  überraschten  Magdalena  zuruft :  „Kühre 
mich  nicht  an!"  S.  177.  Herr  Clarus  hätte  an  dieser  Stelle 
vielleicht  etwas  mehr  Gewicht  in  die  sinnliche  Seite  des  Hei- 
denthums  überhaupt  legen  sollen. 

Unter  allen  weiblichen  Heiligen  ist  wohl  die  Magdalena, 
nächst  der  Madonna,  am  häufigsten  gemalt  worden.  Welchen 
Einfluss  dabei  auch  die  Erbauung  gehabt  hat,  so  haben  doch 
die  Künstler  häufig  genug  nur  die  anständige  Gelegenheit  be- 
nützt, um  eine  schöne  Nudität  zu  malen,  und  auch  die  Kunst- 
kenner haben  sich  häufiger  in  das  schöne  Fleisch  berühmter 
Magdalenenbilder  vergafft,  als  den  Geist  der  Bilder  beurtheilt. 
Gewissermassen  steht  Magdalena  zwischen  der  Eva  und  Ma- 
donna. Sie  ist  eine  Eva,  die  zur  Madonna  wird.  In  ihrem 
Bilde  wird  daher  der  Stofi"  von  der  Eva,  der  Geist  von  der  Ma- 
donna genommen.  Deshalb  haben  viele  Maler  die  Magdalena 
nackt,  blond,  in  sinnlicher  Schönheit  wie  die  Eva  im  Para- 
diese gemalt,  nur  mit  reuigem  und  schmerzlichem  oder  be- 
geistertem Ausdruck.  In  ähnlicher  Weise,  wie  in  Johannes 
dem  Täufer  Adam  auf  höhere  Potenz  erhoben  ist,  nur 
mit  männlich  kräftigem  Selbstbewusstseyn  muthig  vorwärts 
blickend,  wo  Magdalena  reuig  rückwärts  blickt.  Eine  Sym- 
bolik dieser  Art  scheint  den  Künstlern  allerdings  vorge- 
schwebt zu  haben.  Aber  ihre  eigenthche  Absicht  war, 
schönes  Fleisch  zu  malen  und  sich  deshalb  bewundern  zu 
lassen.  Nur  in  zu  vielen  Magdalenenbildern  liegt  Sinnenreiz 
und  Verführung.  In  diesen  und  vielen  andern,  z.  B.  den 
Sebastiansbildern,  machte  sich  ein  Bestreben  der  christlichen 
Künstler  geltend,  dem  antik  Heidnischen  in  Darstellungen 
nackter  Leibesschönheit  nachzukommen.     Das    widerspricht 

5* 


6d  ^t.  Magdalena. 

aber  dem  keuschen  Sinn  des  Christenthums  überhaupt  und 
dem  Magdalenentypus  insbesondere.  Denn  nur  die  sündige 
Magdalena  konnte  verführen,  nicht  die  reuige  und  büssende. 
Der  Herr  selbst,  der  ihr  nach  seinem  Tode  als  Gärtner  er- 
schien und,  als  sie  ihn  berühren  wollte,  zu  ihr  sprach:  Noli 
me  tangere,  hat  gewiss  nicht  gewollt,  dass  sie  durch  sinnlichen 
Liebreiz  verführe.  Wenn  in  ihrem  heissen  Drange,  ihn  zu 
berühren,  auch  die  sinnliche  Gluth  des  alten  Heidenthums 
wiedererkannt  wird,  so  ist  es  doch  gerade  diese  Gluth,  welche 
Christus  ernst  und  heilig  von  sich  abweist  und  damit  auch 
den  christlichen  Künstlern  eine  inhaltschwere  Lehre  ertheilt. 
Die  entgegengesetzte  Ansicht,  welche  die  üppigste  Sinnlich- 
keit und  den  verführerischesten  Naturreiz  in  den  nackten 
Magdalenenbildern  vertheidigt  und  das  specifisch  Christliche 
darin ,  die  Reue  eine  „krankhafte  Fäulniss  geistiger  und  leib- 
licher Zustände"  nennt,  findet  man  im  Kunstblatt  von  1846 
Nr.  2. 

Am  häufio;sten  sind  die  Bilder  der  einsamen  Busse  in 
der  Wüste.  Magdalena  erscheint  hier  als  Vorbild  aller  Ein- 
siedlerinnen im  Walde  oder  in  ihrer  Höhle,  oft  ganz  nackt 
und  nur  mit  ihren  langen  blonden  Haaren  bedeckt  (worin  sich 
besonders  die  Bilder  der  venetianischen  Schule  auszeichnen), 
zuweilen  im  schwarzen  Trauergewande  (von  Rubens,  siehe 
Ramdohr  HI.  65.,  und  von  Corello,  s.  Hand,  Petersburg 
I.  385.),  sonst  meist  im  blauen  Gewände  (von  Correggio, 
Battoni  etc.).  Bald  steht,  bald  kniet  und  betet  sie,  in  Thränen 
aufgelöst.  Bald  liegt  sie  und  liest  in  einem  Buche.  Zuweilen 
ist  sie  ■  auch  schlafend  gemalt  (von  Lutti  und  Menendez  in 
Petersburg,  Hand  I.  330.  387.,  von  Caravaggio  in  Rom, 
Ramdohr  H.  123.).  Neben  ihr  Hegt  gewöhnlich  ein  Todten- 
kopf.  Zuweilen  ist  sie  in  Betrachtung  desselben  versunken 
(von  Carlo  Dolce,  Waagen,  England  H.  249.).  Nur  selten 
sind  ihr  Engel  zur  Gesellschaft  gegeben.  Sechs  Engel  um- 
geben sie  auf  einem  Bilde  von  Mantegna  zu  Paris  (Waagen 
693);  Engel  streuen  Blumen  auf  sie,  von  Cagnacci;  ein  Engel 
bringt  ihr  die  Geissei  und  Dornenkrone  der  Busse,  von  Fran- 


if 


St.  Magfdalena.  69 

ceschini  in  Wien.  Zwei  Engel  sind  um  sie  auf  einem  Bilde 
von  Mola  in  England  (Waagen  II.  249.). 

Im  Ausdruck  herrscht  hier  durchgängig  das  Schmerz- 
hafte vor.  Doch  haben  einige  Maler  davon  ganz  abgesehen. 
In  der  durch  ihren  Liebreiz  berühmten  Magdalena  von  Bat- 
toni zu  Dresden  bietet  sich  im  himmelblauen  Gewände  eine 
reizende  Blondine  nachlässig  daliegend  den  Männeraugen  dar, 
die,  wenn  sie  etwas  Heiliges  in  ihr  suchen,  doch  nur  die 
Weltlust  finden.  Sie  ist  in  die  heiUge  Schrift  vertieft,  aber  mit 
Kecht  hat  man  gesagt,  sie  sehe  nur  aus,  wie  Narcissus,  der 
sich  selbst  bespiegelt.  Sie  faltet  die  Hände ,  aber  der  Maler 
hatte  dabei  nur  den  Zweck,  das  verführerische  Spiel  rosiger 
Finger  zu  zeichnen.  In  Schlegels  Athenäum  H.  88  f.  ist  sie 
mit  den  Magdalenen  von  Franceschini  und  Correggio  ver- 
glichen, und  Gries  hat  die  beiden  ersten  in  Sonetten  be- 
sungen (Gedichte  I.  214.).  Zwei  andere  Magdalenen  von  Bat- 
toni in  Petersburg  und  Gotha,  die  letztere  in  rothem  Ge- 
wände, die  Hände  über  einem  Todtenkopf  faltend,  ßathgeber, 
Gotha  53. 

Unter  den  Bildern,  in  denen  die  sinnliche  Schönheit  den 
Ausdruck  des  Schmerzes  weit  überwiegt,  stehen  die  von  Ti- 
tian  oben  an.  Er  malte  die  Heilige  oft  und  zwar  immer  als 
eine  üppige  wunderschöne  Venetlanerin ,  nackt,  nur  mit  den 
weichen  Wellen  ihres  goldenen  Haares  lieblich  überschwemmt 
und  zugedeckt.  So  in  Venedig  (ein  schönes ,  leider  sehr  ver- 
dorbenes Bild,  Kunstbl.  1835.  Nr.  93)  im  Pallast  Doria  in 
Rom  (Ramdohr  IL  131.),  in  England  (Passavant  261.  Waa- 
gen IL  17.),  in  Madrid  (Viardot  41.),  in  Neapel  und  im  Pal- 
last Durazzo  in  Genua. 

Von  wollüstigem  Ausdruck  sind  die  üppigen  nackten 
Magdalenen  Furini's  in  Florenz  tmd  Wien.  Weniger  ver- 
führerisch, aber  auch  ganz  unerbaulich,  glatte  und  geleckte 
Nuditäten  sind  die  vielen  nackten  Magdalenen  von  van  der 
Werff  in  Dresden,  München,  Pommersfelden,  England  (Waa- 
gen IL  146.). 

Die  weltberühmte  Magdalena  des  Correggio  in  der  Ga- 


70  St.  Magdalena. 

lerle  zu  Dresden  hat  einen  eben  so  wenig  schmerzhaften  Aus- 
druck, aber  ihr  geistreiches  Gesicht  zeigt,  dass  sie  in  die 
Tiefe  der  heiHgen  Schrift  versunken,  über  dem  Herrlichen, 
das  sie  liest,  sich  selbst  und  ihren  Kummer  vergisst.  So 
viel  Geist  in  den  Zügen  rechtfertigt  die  Abwesenheit  des 
Schmerzes.  Von  Schlegel,  a.  a.  O.,  ist  sie  bei  weitem  zu 
oberflächlich  aufgefasst.  Ueber  dem  weichen  Haar,  das  um 
die  den  Kopf  stützende  Hand  quillt,  hat  er  den  Ausdruck 
vergessen.  Bemerkens werth  sind  die  Schicksale  dieses  Bildes, 
indem  es  für  eine  grosse  Summe  gekauft,  in  Dresden  des 
goldnen  mit  Edelsteinen  besetzten  Rahmens  wegen,  den  es 
ehemals  hatte,  von  einem  Juden  aus  der  Galerie  gestohlen, 
bis  nach  Amsterdam  gebracht,  dort  in  einen  Schornstein 
versteckt,  aber  glücklich  gefunden  und  wieder  zurückge- 
bracht wurde. 

In  den  berühmten  Bildern  des  Guido  Reni  ist  die  Hei- 
lige wieder  anders  aufgefasst,  und  zw^ar  sah  es  dieser  Maler 
darauf  ab,  das  Schöne,  Reizende,  ja  Wollüstige  in  der  Form 
mit  dem  Schmerzlichen  und  Begeisterten  im  Ausdruck,  wo 
möglich  auf's  Unzertrennlichste  zu  verbinden.  Mit  Recht  sagt 
das  Kunstblatt,  1834.  S.  136,  es  sey  darin  der  Gedanke  aus- 
gedrückt: „Thr'anen  machen  das  Schöne  noch  schöner."  Es 
ist  hier  von  dem  Bilde  im  Wiener  Belvedere  die  Rede.  Guido 
malte  derselben  noch  viele  und  nicht  minder  schön,  die  sich 
in  München,  Paris  (Waagen  496.  777,  Kolloff  177),  Eng- 
land (Waagen  H.  61.  461.),  in  Rom  (Capitol,  Pallast  Colonna, 
Barberini  [Ramdohr  H.  66.  309],  Pamphih),  in  der  Sammlung 
von  Lucian  Bonaparte,  Genua  (Pallast  Spinola  und  Brignole) 
befinden.  Einer  der  berühmtesten  Magdalenenköpfe  ist  der 
in  Madrid ,  der  mit  dem  antiken  Niobekopf  verglichen  wird. 
Viardot  59.  Mignard  malte  ebenfalls  eine  Magdalena  so  sehr 
im  Styl  des  Guido,  dass  sein  Todfeind,  der  Maler  Lebrun, 
sich  wirklich  dadurch  betrügen  liess  und  das  Bild  für  einen 
Guido  erklärte.     Fiorillo  IH.  189. 

Im  Ausdruck  des  innigsten  und  heiligsten  Schmerzes  hat 
kein  Maler  den  Spanier  Murillo  übertroffen.     Das  liegt  in 


i 


i 


St.  Magrdalena.  71 

der  Tiefe  und  Stärke  spanischer  Gefühle.  Seine  Bilder  be- 
finden sich  in  Sevilla  (Kunstblatt  1822.  Nr.  79),  in  Paris 
(Kolloff  291.  Kunstbl.  1838.  S.  382),  in  der  Leuchtenberg'- 
schen  Galerie,  im  Pallast  Doria  zu  Rom,  in  Berlin  (Kunst- 
blatt 1845.  S.  18).  In  dem  letzteren  Bilde  ist  sie  in  ihrer 
Höhle  von  dem  Licht,  das  vom  Kreuze  ausgeht,  übergössen, 
indem  sie  in  glühender  Andacht  davor  kniet.  Im  Pallast 
Doria  ist  sie  nicht  mehr  jung,  aber  sehr  warm  gemalt. 

Noch  weit  schärfer  markirt  den  Schmerz  der  Spanier  Zur- 
baran.  Sein  Bild  in  Dresden  drückt  das  tiefste  Leiden,  fast 
körperliche  Marter  aus.  Ein  Bild  aus  der  Schule  von  Rubens 
in  der  Sammlung  des  vormaligen  englischen  Gesandten  in 
Stuttgart,  Shee,  zeigte  die  Wirkung  des  Weinens  an  einer 
fleischigen  Flamänderin  in  rothen  Augen,  Thränenfurchen  etc. 
auf's  Naturwahrste. 

Wie  Magdalena  vom  Heiland  bekehrt  wird  und  zer- 
knirscht vor  ihm  kniet,  malte  Zucharo.  Füssli,  Kup ferst. 
L  229. 

Allegorische  Bilder,  wie  sie,  eine  schon  erwachsene  Jung- 
frau, dem  kleinen  Christkind,  das  auf  dem  Schoosse  der  Mutter 
sitzt,  den  Fuss  küsst,  malten  Johann  von  Achen  (gest.  von 
Sadeler)  und  Correggio  auf  einem  sehr  berühmten  Bilde  des 
heiligen  Hieronymus.  Das  letzte  bewunderte  schon  Mengs 
und  besonders  Fr.  Schlegel,  Werke  VI.  32.  In  dem  schönen 
Kopf  der  Magdalena  drückt  sich  die  süsseste  Liebe  aus.  Ihr 
ganzes  Wesen  ist  die  anschmiegendste  Zärtlichkeit.  Vgl.  auch 
Miliin,  Lombardei  IL  230  und  232.  —  Ich  halte  es  für  über- 
flüssig, aus  den  unzähligen  Magdalenenbildern  noch  mehrere 
hier  hervorzuheben,  da  die  erwähnten  zur  Charakterisirung 
hinreichen. 

Nur  Avenige  Maler  sind  in  das  andere  Extrem  gefallen 
und  haben  die  Heilige  absichtlich  hässlich,  alt  und  vom  Lei- 
den widerlich  entstellt  gemalt.  Die  altdeutschen  Maler  haben 
in  keuschem  Takt  das  Nackte  vermieden  und  sich  eines  naiven 
Auskunftsmittels  bedient.  Sie  stellen  nämlich  die  Mao^dalena 
öfter  gerade  so  vor  wie  die  wilde  Else   auf  dem  Titelholz- 


12  Magnetberg. 

schnitt  der  alten  gedruckten  Ausgabe  des  Heldenbuchs,  näm- 
lich vom  Halse  bis  zu  den  Füssen  in  einen  enganschliessen- 
den  Pelz  gekleidet ,  der  aussieht ,  als  sey  sie  selbst  über  und 
über  mit  Haaren  bewachsen.  Doch  sieht  man  an  Hals  und 
Füssen  die  Grenzen  der  Bekleidung.  So  kommt  sie  vor  zwi- 
schen sieben  Engeln  stehend  auf  einem  Altarbild  in  der  Kirche 
zu  Tiefenbronn.  S.  die  Beschreibung  dieser  Kirche  von 
Weber.  Karlsruhe  1845.  In  der  Durschischen  Sammlung  in 
Rottweil  befindet  sich  ein  Bild,  welches  die  in  der  Kirche 
im  Sarge  liegende  Heilige  ganz  eben  so  pelzig  zeigt. 

Attribut  der  Heiligen  ist  das  Salbgefäss.  Im  Stande 
der  Sünde  erscheint  sie  oft  im  glänzenden  Putz,  und  viele 
Bilder  stellen  sie  in  dem  Augenblick  dar,  in  welchem  sie, 
von  Reue  ergriffen,  den  kostbaren  Schmuck  von  sich  wirft. 
Als  Büsserin  trägt  sie  häufig  ein  schwarzes  Gewand  und  hat 
ein  Crucifix,  ein  Buch  und  einen  Todtenkopf  neben  sich  in 
der  Höhle. 

Nach  Caesarius  Heisterb.  VIII.  80.  steht  Magdalena  unter 
den  Chören  der  Seligen  den  Wittwen,  die  heilige  Margaretha 
dagegen  den  Jungfrauen  vor.  In  Kirchenbildern  ist  mir  diese 
Unterscheidung  noch  nicht  vorgekommen. 


Magnetberg, 

der  fabelhafte  Berg  im  Meer,  der  alles  Eisen  der  Schiflfe  mit 
solcher  Gew^alt  an  sich  ziehen  sollte,  dass  die  Schiffe  mit 
reissender  Schnelligkeit  zu  ihm  hinflogen  und  an  seinem  har- 
ten Felsen  zerschellten,  eine  sehr  beliebte  Vorstellung  des 
Mittelalters.  Man  machte  diesen  Berg  zum  Symbol  der  Sünde, 
an  der  das  Schiff  des  Lebens  zerschellt,  mit  Bezug  auf  das 
Symbol  des  Meersterns,  das  rettende  Gestirn  der  im  Meer- 
sturm kämpfenden  Schiffe  =  Maria.  Conrad  von  Würzburgs 
goldne  Schmiede,  Vers  146. 


I 


Mandel  78 


M  a  1  c  h  u  s, 

der  Knecht  des  Hohenpriesters,  dem  bei  der  Gefangenneh- 
mung des  Heilandes  im  Garten  Gethsemane  Petrus  ein  Ohr 
abhaut,  welches  Christus  ihm  wieder  anheilt.  In  altdeutschen 
und  französischen  Mysterien  wird  dieser  Malchus  als  äusserst 
boshaft  aufgefasst,  so  dass  er  nicht  einmal  für  seine  Heilung 
dankt,  sondern,  dieselbe  nur  für  Zauberei  erklärend,  den 
Heiland  noch  misshandelt.  Mone,  Schauspiele  des  Mittel- 
alters n.  165.  Er  bildet  in  diesen  alten  Schauspielen  eine 
Gruppe  mit  Barrabas,  der,  des  Heilandes  wegen  vom  Volk 
freigesprochen,  gleichwohl  undankbar  den  Heiland  peinigen 
hilft  (das.  S.  175),  und  mit  dem  scheusslichen  Rufus.  Vgl. 
diesen  Artikel. 

Mandel. 

Im  heiligen  Lande  blüht  die  Mandel  um  Neujahr,  und 
auch  in  unserm  Süden  ist  sie  die  erste  Baumblüthe  im  Jahre. 
Sie  wurde  daher  (gleich  der  um  dieselbe  Zeit  zum  erstenmal 
wieder  aufsteigenden  Sonne)  ein  Sinnbild  Christi,  des  geistigen 
Frühlings.  Ihr  rosiges  Aufblühen  an  dem  vorher  dürren  und 
winterlichen  Baume  veranlasste  die  Symbolik  der  Stäbe 
Aarons  und  Josephs.  Vgl.  diese  Artikel.  Der  Stab  Aarons, 
der  4.  B.  Mos.  17,  8.  wirklich  als  Mandelbaum  bezeichnet 
wird,  bedeutete  durch  sein  Blühen  das  Priesterthum  der  Ju- 
den, der  Stab  Josephs  aber  die  in  Christo  aufblühende  christ- 
liche Kirche  vor.  Das  Wunder,  dass  ein  dürrer  Stab  blühen 
könne,  wurde  zum  Sinnbild  der  unbefleckten  Empfängniss, 
der  reinen  Jungfräulichkeit  der  Gebärerin.  Aber  auch  die 
Frucht  der  Mandel  diente  dieser  Symbolik.  Christus  wurde 
gezeugt  in  Marien,  wie  der  Mandelkern  sich  in  der  unver- 
letzt bleibenden  Schale  bildet.  Conrad  von  Würzburg,  goldne 
Schmiede  432.  Die  Maler  wählten  deshalb  auch  die  Mandel- 
form {mandorla)  zur  Glorie  oder  zum  länglichen  Lichtnimbus, 
der  die  ganze  Gestalt  Christi  oder  Mariens  mit   dem  Kinde 


74  Manna. 

zu  umgeben  pflegt.  Kunstbl.  1847.  S.  134.  Bunsen,  Beschrei- 
bung Eoms  m.  3.  669.  Die  nämliche  Form  wird  übrigens 
auch  als  Fisch  gedeutet.     S.  Fisch. 

Der  Mandelbaum  ist  auch  Symbol  des  Crucifixes  gewor- 
den, weil  er,  von  Natur  bittere  Früchte  tragend,  durch  Pfro- 
pfen, also  durch  Stechen  und  Schneiden,  dahin  gebracht 
wird,  süsse  Früchte  zu  tragen.  PicinelH,  mundus  symh.  540. 
—  Ein  Mandelbaum  ist  auch  Attribut  des  heiligen  Johannes 
Eremita,  denn  einen  solchen  Baum,  den  letzten,  der  ihm 
Schatten  gab,  hieb  jener  Einsiedler  um,  indem  er  sich  auch 
der  letzten  Bequemlichkeit  freiwillig  beraubte.  Acta  SS. 
23.  Februar. 

Manna. 

In  der  Wüste  fanden  die  aus  Aegypten  auswandernden 
Juden  nichts  zu  essen  und  begannen,  sich  nach  den  Fleisch- 
töpfen Aegyptens  zurückzusehnen;  da  sprach  der  Herr:  „Ich 
will  euch  Brodt  vom  Himmel  regnen  lassen."  Zuvor  aber 
noch  Hess  er  Abends  ein  ganzes  Heer  Wachteln  einfallen, 
damit  die  Israeliten  Fleisch  hätten.  Am  Morgen  nachher  aber 
fanden  sie  die  Wüste  bedeckt  mit  Thau,  der  das  Manna  in 
runden  und  kleinen  Stücken  zurückliess  und  dessen  sie  sechs 
Tage  lang  in  ungeheurer  Menge  sammelten.  Das  Manna, 
das  man  jetzt  kennt,  ist  eine  Ausschwitzung  der  Mannaesche, 
des  Hedysarum  Alhagy ,  auch  der  Tamariske,  bewirkt  durch 
ein  kleines  Insekt  (Tischendorf,  Reise  I.  202.  Niebuhr, 
Beschr.  von  Arab.  145.  Burckhardt,  Arab.  II.  956.  Kup- 
pel 190.  Ehremberg j  Symbol,  phys.  I.  10.  Vgl.  noch  Martens 
Italien  II.  66.  über  die  in  Italien  vorkommende  Mannaesche). 
Da  in  der  heiligen  Schrift  nichts  von  Bäumen  erwähnt  wird 
und  eine  so  grosse  Menge  Manna  auch  von  den  Bäumen  nicht 
hätte  gewonnen  werden  können,  geben  sich  die  rationalisti- 
schen Ausleger  vergebliche  Mühe,  die  Sache  natürlich  zu  er- 
klären. Eben  so  unnütz  sind  aber  andrerseits  die  Zusätze 
der  Juden ,  die  da  fabeln ,  das  Manna  sey  im  dritten  Himmel 
in  einer  grossen  Mühle   gemahlen  und   auf  die  Erde  herab- 


Mantel.  75 

geschüttet  worden;  es  seyen  auch  Edelsteine  mitgefallen;  das 
Manna  habe  den  Geschmack  aller  möglichen  Speisen  gehabt, 
aber  keinen  Stuhlgang  bewirkt  etc.    Eisenmenger  I.  467.  484  f. 

—  Das  Mannalesen  war  alttestamentalisches  Vorbild  desBrodt- 
brechens  im  heiligen  Abendmahl.  Vgl.  Ev.  Joh.  6,  49.  Au- 
gustinus in  Joann.  Tract.  10,  4. 

Mantel, 

Symbol  des  Schutzes.  EHas  fährt  auf  seinem  Mantel  über 
den  Jordan ,  2.  Kön.  2,8;  lässt  bei  seiner  Himmelfahrt  den 
Mantel  fallen  für  seinen  Jünger  Elisa,  das.  2,  11,  und  Elisa 
fährt  gleichfalls  auf  ihm  über  den  Fluss,  das.  2,  14.  Das- 
selbe wiederholt  sich  in  Legenden:  die  heiligen  Franciscus 
de  Paula,  Hyazinthus  und  Eaymundus  fahren  auf  ihren  Män- 
teln über  Wasser.  Der  heilige  Elenus  schläft  in  seinem 
Mantel  unverletzt  im  Feuer;  eben  so  Petrus  Gonzalez.  Nach 
der  Sage  von  Jon  in  Müllers  Nordischer  Sagaenbibliothek  wird 
Giles  am  Galgen  lebend  erhalten  durch  den  Mantel  des  hei- 
ligen Jon,  nur  die  unten  heraushängenden  Füsse  starben  ab. 

—  Das  Zerreissen  des  Mantels  bedeutet  Aufkündigung  des 
Schutzes.  Als  Saul  den  Samuel  am  Gewände  zurückhalten 
will,  reisst  es  Samuel  entzwei  und  sagt:  „So  hat  Gott  das 
Königreich  von  dir  gerissen."  1.  Sam.  15,  27.  Als  die  zwölf 
Stämme  sich  trennen,  reisst  Ahia  seinen  Mantel  in  zwölf 
Stücke,  1.  Kön.  11,  30.  Auch  im  altdeutschen  Pechtsge- 
brauch  bedeutet  der  Mantel  den  Schutz.  Uneheliche  Kinder 
werden  legitimirt,  indem  man  sie  unter  den  Mantel  nimmt, 
weshalb  sie  Mantelkinder  heissen  etc.  Vgl.  Grimm,  Rechts- 
alterthümer  I.  160.  Als  beim  Wartburgkrieg  Heinrich  von 
Ofterdingen  in  Gefahr  kam,  barg  er  sich  unter  den  Mantel 
der  Landgräfin  Sophia. 

Man  schrieb  nun  insbesondere  der  Mutter  der  Gnaden 
einen  weiten  Mantel  zu,  den  sprichwörtlich  gewordenen  „Man- 
tel der  Liebe".  In  alten  Kirchenliedern  bittet  der  Beängstigte, 
Maria  möge  ihn  unter  ihren  Mantel  nehmen,     Wackernagel, 


76  Mantel. 

Kirchenlied  Nr.  148.  Marianischer  Liederschatz,  Augsb.  1841. 
S.  333.  Auf  Kirchenbildern  kommt  Maria  oft  in  einem  wei- 
ten Mantel  vor,  unter  dem  viele  Betende  knieen.  et  Agincourt, 
sculpt.  160.  Ja  die  ganze  Christenheit,  Papst,  Kaiser,  Kö- 
nige etc.  sammeln  sich  unter  ihrem  Mantel.  So  in  der  Lo- 
renzokirche  zu  Nürnberg  (Waagen,  Deutschland  I.  260.),  im 
Kloster  Heilsbronn  (I.  304.).  Vgl.  auch  Kunstblatt  1843. 
S.  351.  —  Ein  kleines  Nachbild  dieses  Mantels  ist  das  Kräut- 
lein „Frauenmantel"  (Alchemüla)  mit  sehr  zierlichen,  mantel- 
artig gefalteten  Blättern.  —  Auch  die  heihge  Ursula  kommt 
zuweilen  mit  einem  weiten  Mantel  vor,  unter  dem  ihre  11,000 
Jungfrauen  stehen.  —  In  einer  Vision  der  heiligen  Gertrudis 
zeigte  sich  die  Madonna  in  weitem  Mantel,  unter  dem  eine 
Menge  wilder  Thiere  versammelt  waren,  die  gleichwohl  von 
der  Gnadenmutter  geliebkost  wurden.  Daraus  erkannte  die  hei- 
lige Seherin,  kein  Sünder  dürfe  verzagen.  P.  Abraham,  Judas 
II.  470.  Das  Gnadenbild  der  schwarzen  Gottesmutter  im  pol- 
nischen Kloster  Czenstochau  erschien,  als  das  Kloster  bela- 
gert wurde ,  auf  den  Mauern  und  fing  die  feindlichen  Kugeln 
mit  ihrem  weiten  Mantel  auf.    Mickiewicz,  slav.  Lit.  II.  41. 

In  der  heissen  Schlacht  bei  Bornhövede,  wo  die  Deutschen 
wider  die  Dänen  stritten,  flehte  Soltwedel,  Bürgermeister  von 
Bremen,  weil  es  gerade  der  Magdalenentag  war,  diese  Hei- 
lige um  Beistand  an.  Da  erschien  sie  am  Himmel  und  brei- 
tete ihren  Mantel  über  die  Sonne  aus ,  so  dass  sie  den  Deut- 
schen nicht  mehr  in's  Gesicht  blendete,  und  sie  siegten. 
Asmus,  Lübecks  Volkssagen  S.  32.  —  Ritter  Dietrich  von  dem 
Brühl  war  im  Morgenlande  gefangen ,  da  gelobte  er ,  der  hei- 
ligen Magdalena  eine  Kirche  zu  bauen,  wenn  er  frei  würde, 
und  sie  brachte  ihn  (in  ihrem  Mantel)  in  einer  Nacht  heim, 
wo  sein  Weib  eben  mit  einem  Andern  Hochzeit  machen 
wollte.     Montanus,  Vorzeit  von  Cleve  I.  331. 

Die  heilige  Elisabeth  wob  einen  kostbaren  Mantel ,  nicht 
für  sich,  sondern  um  Andere  darunter  zu  wärmen  und  ihre 
Fehler  zuzudecken.  Als  sie  starb  und  gen  Himmel  empor- 
schwebte ,   umhüllte  siok  dieser  Mantel ,  und  alle  Sterne ,   die 


fet.  Marcuft.  77 

sie  unterwegs  berührte,  blieben  daran  bangen.  Kaesmann, 
Gedichte.  Offenbach  1821.  Wenn  auch  keine  echte  Legende, 
doch  ein  schönes  Sinnbild.  —  Der  heilige  Martin  zerschnitt 
einmal  seinen  kostbaren  Mantel,  um  mit  der  Hälfte  desselben 
die  Blosse  eines  Armen  zu  decken.  Auf  Kirchenbildern  sehr 
oft  gemalt. 

Einst  stahl  der  schlafenden  Tugend  die  Bosheit  ihren 
Mantel  und  seitdem  hängen  sich  die  meisten  Laster  den  Tu- 
gendmantel um.    Fabel  bei  F.  Abraham,  Judas  IV.  265. 

St.    Marcus, 

der  Evangelist,  schloss  sich  besonders  an  Petrus  an  und  hat 
daher  auch  im  kräftigen  Ausdruck  etwas  mit  ihm  Verwandtes. 
Wie  Petrus  der  Fels  ist,  so  Marcus  der  Löwe.  Auf  dem 
grossen  Obelisken  vor  der  Peterskirche  in  Rom  steht  ge- 
schrieben: „Und  es  wird  überwinden  der  Löwe  vom  Stamm 
Juda."  Und  auf  der  hohen  Steinsäule  des  Marcusplatzes  in 
Venedig  steht  der  geflügelte  Löwe  des  Evangelisten.  Das 
Attribut  des  Löwen  kommt  dem  Marcus  zu,  weil  sein  Evan- 
gelium mit  Johannes  dem  Täufer  beginnt,  „der  Stimme  des 
Rufenden  in  der  Wüste."  Im  mystischen  Sinne  bedeutet  der 
Löwe  aber  auch  die  göttliche  Kraft  im  Evangelium.  Marcus 
wird  insgemein,  seinem  Attribut  entsprechend,  als  ein  kräf- 
tiger Mann  abgebildet,  untersetzt,  kahl  wie  Petrus,  aber 
starkbärtig,  mit  schönen  Augen,  aber  tiefen  Augenbrauen 
(nach  der  legenda  aurea). 

Nach  dem  Tode  des  Heilands  kam  Marcus  nach  Aquileja, 
wo  er  viele  Menschen  bekehrte.  Dann  ging  er  nach  Alexan- 
drien,  als  Vorstand  der  ersten  christlichen  Gemeinde  daselbst, 
und  erlitt  das  Martyrium,  indem  er  zu  Tode  geschleift  wurde, 
25.  April.  Später  holten  die  Venetianer  seinen  Leichnam 
heimlich  ab  und  brachten  ihn  in  ihre  Stadt,  als  deren  Patron 
er  grosse  Verehrung  geniesst.  Sein  Ring,  der  auf  dem  Grunde 
des  Meeres  lag,  wurde  von  einem  Fisch  heraufgeholt.  Ein 
Fischer  brachte  ihn  dem  Senat  zum  Zeichen,  dass  Venedig 


78  St.  Marcus. 

niemals  durch  eine  Ueberscliwemmung  des  Meeres  untergehen 
soll.  Berühmtes  Bild  von  Bordon e.  Diese  Legende  steht  im 
Zusammenhange  mit  der  jährlichen  Vermählung  der  Republik 
Venedig  mit  dem  Meere  durch  einen  hineingeworfenen  Ring. 
Aber  wie  die  Stadt,  so  hütet  St.  Marcus  auch  die  Flotte 
Venedigs  vor  den  Stürmen  des  Meeres.  Denn  bei  einem 
wüthenden  Sturm  soll  einst  der  Heilige  hinausgefahren  seyn 
und  ein  Schiff  voller  Teufel,  die  den  Sturm  erregten,  ent- 
deckt und  vertrieben  haben.  Bild  von  Palma  vecchio  (Vasari 
III.  2.  173.)  und  von  Giorgione  (Waagen,  England  IL  8.). 
Nicht  minder  beschützte  er  die  Venetianer,  die  im  Orient  in 
die  Gew^alt  der  Muselmänner  geriethen.  Einem,  den  die 
Türken  auf's  Grausamste  marterten ,  stand  er  bei,  dass  plötz- 
lich alle  Bande  sich  lösten  und  alle  Folterwerkzeuge  zer- 
sprangen.    Bild  von  Tintoretto  in  Venedig. 

Die  berühmte  St.  Marcuskirche  zu  Venedig  gehört  zu 
den  schönsten  Werken  byzantinischer  Baukunst  mit  überein- 
anderstehenden  Säulen,  orientalischen  Kuppeln,  heiligem 
Dunkel  im  Innern,  ungeheurer  Ueberladung  von  Schmuck 
und  Mosaiken  etc.  Vgl.  Ausland  1840,  S.  236.  Gräfin  Hahn, 
Jenseits  der  Berge  IL  369.  Auf  dem  St.  Marcusplatz  daselbst 
steht  eine  hohe  Säule  mit  dem  Heiligen,  eine  andere  mit 
dem  geflügelten  Löwen  (dem  Wappen  der  Stadt).  An  seinem 
Fest  wurde  ehemals  jährlich  ein  Ochs  in  seine  Kirche  geführt 
und  sein  Evangelium,  das  man  dem  Ochsen  zwischen  die 
Hörner  legte,  verlesen.  Hielt  sich  der  Ochs  ruhig,  so  war 
es  ein  gutes,  w^enn  nicht,  ein  schlimmes  Zeichen  für  die 
Republik.  Berckenmeyer ,  kur.  Antiquit.  I.  18.  Auch  in 
Spanien  herrschte  die  Sitte,  die  als  skandalös  am  10.  März 
1598  durch  eine  Bulle  Clemens  VIII.  verboten  wurde  {Nie- 
remherg j  hist.  nat.  397.). 

Eines  der  berühmtesten  Wunder  des  Heiligen  ist  das, 
was  er  nach  seinem  Tode  verrichtete,  indem  er  einen  Sklaven 
aus  grässlichen  Martern,  mit  denen  er  eben  gequält  wurde, 
befreite.  Er  wird  daher  in  Qualen  um  Schutz  angerufen. 
Der  venetianische  Maler  Tintoretto  malte   die  erschütternde 


Bt.   Margaretha.  79 

Scene  in  einem  grossen  Bilde  (Latidon^  annales  IX.  pl.  13.); 
beging  aber  die  Unschicklichkeit,  den  vom  Himmel  zum 
Schutz  des  armen  Sklaven  niedersteigenden  Heiligen  in  vollem 
Sturz  kopfüber  aus  dem  Himmel  herabfallen  zu  lassen.  Das 
ist  einer  von  den  vielen  Belegen ,  wie  arg  die  Kirchenmalerei 
mit  den  ernsten,  würdigen  und  heiligen  Gegenständen  um- 
gegangen ist,  und  wie  die  Maler  nach  den  barokesten  Effekten 
haschten,  ohne  melir  zu  fühlen,  was  sie  der  Kirche  schul- 
dig seyen. 

St.   Margaretha, 

(ihr  Name  bedeutet  die  Perle) ,  die  Tochter  eines  heidnischen 
Priesters  in  Antiochia,  wandte  sich  frühe  zum  Christenthum, 
worüber  ihr  Vater  sehr  zornig  wurde,  seinen  Hass  auf  sie 
warf  und  sie  zwang,  auf  dem  Felde  die  Schweine  zu  hüten. 
Aus  ihrer  ärmlichen  Kleidung  aber  strahlte  ihre  Schönheit 
dermassen  hervor,  dass  Olybrius,  ein  Feldherr  des  Kaisers 
Aurelian,  sich  in  sie  verliebte  und  ihr  seine  Hand  antrug, 
wenn  sie  dem  christlichen  Glauben  entsagen  wollte.  Sie 
blieb  aber  standhaft  und  wurde  deshalb  in's  Gefängniss 
gesetzt.  Hier  erschien  ihr  der  Teufel  in  Gestalt  eines 
Drachen  und  verschlang  sie;  allein  indem  sie  das  Kreuzes- 
zeichen machte,  zerplatzte  der  Drache  und  sie  trat  wieder 
heraus.  Man  wollte  sie  ersäufen,  da  kam,  -weil  sie  nicht 
sterben  sollte,  ohne  vorher  getauft  zu  seyn,  der  heilige  Geist 
selbst  in  Taubengestalt  und  drückte  ihr  den  Kopf  unter  das 
Wasser.  Als  sie  ihn  aber  wieder  emporhob,  konnte  sie 
nicht  mehr  untersinken  und  nicht  ertrinken.  Sie  wurde  daher 
enthauptet.  20.  Juli.  Einige  haben  sie  für  die  Prinzessin 
ausgegeben,  welche  der  heilige  Georg  vom  Drachen  befreite. 
Georg  aber  ist  wörtlich  der  Ackersmann ,  der  die  grüne  Saat 
aus  der  Erde  befreit.  Auch  wo  die  Heilige  in  keiner  Be- 
ziehung zum  heiligen  Georg  steht,  erscheint  sie  auf  Kirchen- 
bildern gewöhnlich  in  einem  grünen  Mantel  und  im  Volks- 
glauben gilt  sie  als  Schutzheilige  aller  Geburten,  als  welche 
sie   auch   unter   die    vierzehn   Nothhelfer    aufgenommen   ist. 


80  Maria. 

Insbesondere  soll  ihr  Gürtel  Kreisenden  helfen.  Regis,  Ra- 
belais II.  35.  Schwangere  Frauen  wallfahrten  zu  ihrer  Kirche 
tind  bitten  sie  um  schöne  Kinder.  Marculphus  1741,  Nr.  21. 
Da  inzwischen  ihr  Fest  in  die  Höhe  des  Sommers  fällt,  be- 
ruht ihre  Beziehung  zum  Grün  der  Saaten  und  zum  heiligen 
Georg  wohl  nur  auf  einer  Verwechslung,  und  sie  dürfte  eher 
mit  der  Aerndte ,  als  mit  der  Saat  in  Verbindung  zu  bringen 
seyn.  —  Ihre  Attribute  sind  der  Drache,  das  Kreuz  und  die 
Palme  (des  Sieges  wie  des  Martyriums).  Ihr  Cultus  ist 
ausserordentlich  verbreitet,  wie  die  vielen  Kirchenbilder  von 
ihr  und  die  vielen  nach  ihr  benannten  Kirchen  beweisen. 
Ueber  die  grossen  Prozessionen,  in  denen  ihr  Bild  und  das 
des  besiegten  Drachen  figurirten,  vgl.  Nicolai,  Reise  in 
Deutschland  III.  50.  Horst,  Zauberbibliothek  II.  377.  IV.  373. 
Sie  gehört  zu  den  heiligen  Jungfrauen,  die  sich  am  häufigsten 
in  der  nähern  Gesellschaft  der  Maria  befinden,  wie  die  heilige 
Katharina  und  Barbara,  Ursula,  Dorothea,  Cäcilia  etc.,  in- 
dem sie  gleichsam  die  einzelnen  Tugenden  derselben  besonders 
personificiren. 

Maria. 

Maria,  die  Gebenedeite  und  Allerseligste ,  steht  im  Mittel- 
punkt fast  unzähliger  symbolischer  Beziehungen,  von  denen 
Kunst  und  Poesie  der  Kirche  überall  durchdrungen  und 
erfüllt  sind.  Um  uns  darin  zu  orientiren,  müssen  wir  zuerst 
festhalten ,  dass  in  Marien  allein  vor  Allen  ihres  Geschlechtes 
die  Jungfrau  und  Mutter  identificirt  war,  das  Geheimniss- 
vollste in  der  irdischen  Natur,  bedingt  durch  das  höchste 
aller  Wunder,  die  von  oben  kamen. 

Seit  die  christliche  Kunst  aufblühte,  war  es  eine  ihrer 
höchsten  Aufgaben ,  im  Bilde  Mariens  jene  Einheit  des  Jung- 
fräulichen und  Mütterlichen  auszudrücken,  was  jedoch  nur 
den  idealistischen,  Seelenausdruck  suchenden  Künstlern  an- 
nähernd gelang,  nicht  den  naturalistischen.  Je  unmöglicher 
es  schien,  hier  durch  Nachbilder  das  Urbild  zu  erreichen, 
um  so  mehr  nahm  man  seine  Zuflucht  zu  Vergleichungen 


J 


Maria.  81 

und  Sinnbildern.  Schon  in  der  griecliisclien  Kirche  und  in 
der  abendländischen  des  Mittelalters  liebte  man,  die  durch 
die  Geburt  des  Heilands  unbefleckt  gebliebene  Jungfräulich- 
keit Maria's  durch  prophetische  Sinnbilder  zu  bezeichnen ,  die 
aus  dem  alten  Testament  genommen  waren.  Solche  waren: 
der  brennende  und  doch  unverletzt  bleibende  Busch,  aus 
welchem  Jehovah  zu  Moses  redete;  —  der  Stab  Aarons,  aus 
dessen  trocknem  Holze  Blüthen  sprossten;  —  das  Fell  Gi- 
deons ,  das  mitten  im  Thau  trocken  blieb ;  —  die  verschlossene 
Pforfe  bei  Ezechiel,  durch  welche  Gott  hindurchging,  ohne 
sie  zu  öffnen.  Diese  Sinnbilder  findet  man  vereinigt  auf 
einem  schönen  Marienbilde  des  van  Eyck  in  Brüssel.  Kugler, 
Gesch.  d.  Mal.  H.  60.  Vgl.  Didron^  annales  IV.  67.  Dazu 
kommt  noch  der  verschlossene  Garten,  die  verschlossene 
Quelle  und  der  versiegelte  Brunnen  aus  dem  Hohenliede  4,  12. 
Auf  altdeutschen  Bildern  sieht  man  nicht  selten  die  heilige 
Jungfrau  in  einem  rings  ummauerten  und  verschlossenen 
schönen  Blumengarten  sitzen.  In  Conrad  von  W^ürzburgs 
goldner  Schmiede,  einem  innigen  Lobgesang  auf  die  heilige 
Jungfrau,  kommen  noch  folgende  Sinnbilder  vor:  der  kalte 
Kristall,  an  dem  gleichwohl  Feuer  geschlagen  wird;  —  der 
Sittig  (Papagei),  der  vom  Regen  sterben  würde,  daher  den 
Regen  beständig  flieht  und  doch  auch  ohne  Regen  auf's 
Prachtvollste  grünt ;  —  die  Mandelschale ,  welche  ganz  bleibt, 
auch  wenn  der  Kern  herausgefallen  ist ;  —  der  Vogel  Strauss, 
der  auf  den  Eiern  nicht  brütet,  sondern  sie  durch  seinen 
blossen  Blick  belebt;  —  die  Lilie,  die  unter  Dornen  unver- 
letzt bleibt.  Im  defensorium  beatae  Virginis  von  Retza  1425 
(Jacobs ,  Beiträge  zur  altern  Lit.  I.  98  f.)  werden  Sinnbilder 
aus  den  heidnischen  Vorstellungskreisen  herbeigezogen,  die 
nur  gelehrte  Spitzfindigkeit  aufsuchen  mag.  Von  solchen 
klassischen  Liebäugeleien  gewinnt  das  Christenthum  nichts. 
Da  wird  des  Aristoteles,  Aelian  und  Plinius  Naturgeschichte 
geplündert,  um  die  alten  Fabeln  von  den  Geyern,  die  ohne 
Mann,  und  von  den  cappadocischen  Stutten,  die  vom  V^ind 

Menzel,  christl.  Symbolik.    U.  g 


^t  Maria. 

empfangen j  ferner  die  Wunder,  welche  die  Vestalinnen 
Aemilia,  Claudia  und  Tuccia  in  Kraft  ihrer  Jungfräulichkeit 
ausgerichtet ,  ja  sogar  die  Danae ,  die  durch  Zeus  im  goldnen 
Regen  befruchtet  worden,  ohne  Scheu  auf  die  heilige  Jung- 
frau zu  beziehen.  Auch  die  gelehrten  Jesuiten  des  16ten  und 
17ten  Jahrhunderts  haben  sich  nicht  immer  fern  gehalten  von 
so  unpassenden  Vergleichungen ,  indem  sie  in  ihren  grossen, 
zu  Ehren  Maria's  niedergeschriebenen  Sammelwerken  mehr 
auf  Fülle  des  Stoffs,  als  auf  Reinheit  desselben  Bedacht 
nahmen.  Weniger  anstössig  und  sinnreicher  sind  folgende 
Symbole:  die  Perle,  die  in  der  Muschel  entsteht,  indem  ein 
Tröpfchen  Thau  vom  Himmel  in  sie  fällt ,  wenn  sie  über  dem 
Wasser  sich  öffnet,  wiihrend  alle  Tropfen  im  unendlichen 
Meer  die  Perle  zu  erzeugen  nicht  vermöchten;  das  Einhorn, 
welches  allen  Jägern  widersteht  und  sich  nur  von  einer 
reinen  Jungfrau  fangen  lässt;  die  Palme,  die  zugleich  Früchte 
trägt  und  doch  immer  noch  blüht;  der  Regenbogen,  der 
mitten  im  Regen  unverletzt  bleibt;  der  Spiegel,  der  das  Bild 
aufnimmt,  ohne  irgend  verletzt  zu  werden. 

Uebrigens  behalten  die  Gegensätze,  auf  deren  Vereini- 
gung es  ankam,  auch  in  ihrer  Trennung  eine  gewisse  Be- 
rechtigung, indem  Maria  in  vielen  Situationen  ihres  Lebens 
nothwendig  vorzugsweise  als  Jungfrau,  in  andern  als  Mutter 
aufzufassen  war,  und  andrerseits  der  Dogmenstreit  zu  Extremen 
führte,  die  einander  gegenseitig  einschränken  mussten.  Wie 
schon  früher  aus  dem  Kampf  gegen  die  Gnosis,  die  alle 
concreten  Gestalten  der  heiligen  Geschichte  in  Dämonen  ver- 
flüchtigte, eine  Neigung  hervorging,  die  menschliche  Natur 
in  Christo  vorwiegen  zu  lassen ,  was  denn  auch  die  Auffassung 
der  heiligen  Jungfrau  mitbetraf,  so  führten  auch  noch  später 
im  Mittelalter  die  vielfach  widrigen  und  bis  zur  Unanstän- 
digkeit prozessmässigen  Zänkereien  über  die  unbefleckte  Em- 
pfängniss  in  der  Kirchenmalerei  zwei  entgegengesetzte  Rich- 
tungen herbei,  wovon  die  eine  vorzugsweise  die  Gottesmutter, 
die  andere  eine  Menschenmutter  darzustellen  liebte. 

Das  Extrem  der  einen  Richtung  tritt  in  der  gnostischen 


I 


t 


Maria.  8S 

Identificirung  Marions  mit   der  Sophia  hervor,    die  sich   zu 
Christus  verhält  wie  Eva  zum  Adam. 

Das  Ave,  womit  man  die  heilige  Jungfrau  anredet,  ist 
als  umgekehrte  Eva  nicht  blos,  wie  Manche  noch  meinen, 
ein  Wortspiel.  In  der  That  hat,  wenn  in  Christo  wieder- 
hergestellt wurde,  was  durch  Adams  Schuld  verloren  ging, 
auch  Maria  ihren  Antheil  an  der  Erlösung,  wie  Eva  den 
ihrigen  am  Sündenfall.  Wenn  aber  schon  in  Christo  die 
menschliche  Natur  neben  der  göttlichen  festgehalten  und 
nicht  im  gnostischen  Dämonismus  verflüchtigt  werden  darf, 
so  gilt  dies  noch  viel  mehr  von  seiner  Mutter.  Daher  ist  es 
eine  unstatthafte  Uebertreibung  der  Verehrung,  die  man  ihr 
widmet,  wenn  man  sie  mit  der  gnostischen  Sophia  identificirt, 
was  sogar  noch  der  protestantische  Mystiker  Jakob  Böhme 
that  (vgl.  J.  Böhme  von  Hamberger  S.  173),  indem  er  lehrte, 
Sophia  sey  Adams  erste  Gefährtin  gewesen,  habe  ihn  aber 
seiner  Sündhaftigkeit  wegen  verlassen,  worauf  er  sich  mit 
der  Eva  habe  begnügen  müssen.  Dieselbe  Sophia  sey  aber 
als  heilige  Jungfrau  später  zu  dem  neuen  Adam  Christus 
zurückgekehrt.  Sie  erscheint  also  hier  ganz  so,  wie  die 
Asträa  der  Alten,  die  ewige  Gerechtigkeit,  die  es  unter  den 
Menschen  nicht  aushalten  konnte  und  zum  Himmel  zurückfloh. 
Auf-sie  beziehen  sich  Virgils  berühmte  Verse: 

Magnus  ab  integro  saeclortim  nascitur  ordo. 

Jam  redit  et   VirgOj  redeiint  Saturnia  regna; 

Jam  nova  progenies  coelo  dimittitnr  alto. 
die  als  Prophezeihung  der  Geburt  Christi  gedeutet  wurden 
und  ganz  zu  jener  Lehre  Jakob  Böhme's  passen.  Nicht 
minder  antiken  Vorstellungsweisen  (namentlich  dem  Grund- 
begriff) entlehnt  ist  die  Inschrift  unter  einem  Marienbild  in 
Neapel:  Nata^  soror^  conjux  eadem  genürixque  Tonantis, 
Keyssler,  Heise  S.  815.  • 

Die  Vergleichung  Maria's  mit  der  Eva  ist  wesentlich  be- 
dingt durch  die  Begriffe  des  Sündenfalls  und  der  Erlösung. 
Dort  ist  es  die  Schlange ,  durch  die  Eva  verf ülirt  wird ;  hier 

6  * 


84  Maria. 

ist  es  die  Schlange,  der  Maria's  Fuss  den  Kopf  zertritt. 
Bilder  Maria's,  die  auf  die  Schlange  oder  den  Drachen  tritt, 
waren  im  Mittelalter  sehr  beliebt  und  immer  als  Gegenbilder 
zum  Sündenfall.  Maria  besiegte  die  alte  Schlange  aber  nur 
durch  den  von  ihr  Gehörnen.  Sie  ist  keine  Amazone,  son- 
dern die  Magd  des  Herrn.  Das  wird  sehr  klar  und  sinnreich 
vorbedeutet  beim  Propheten  Micha  4,  10.  und  in  der  Offen- 
barung Johannis  12,  1  f.  Das  Weib,  dessen  Gewand  die 
Sonne  ist,  unter  deren  Füssen  der  Mond  liegt,  dem  die  Sterne 
sich  zur  Krone  zusammenfügen,  liegt  gleichwohl,  indem  sie 
den  Messias  gebären  soll,  in  Angst  und  Notli  vor  dem  ent- 
setzlichen Drachen  und  muss  vom  Erzengel  Michael  beschützt 
werden,  bis  zwei  Adlerflügel  sie  entrücken. 

Ohne  also  der  hohen  Würde  der  Jungfrau  irgend  zu 
nahe  zu  treten,  ist  es  schriftmässiger  und  kirchlicher,  das 
passive  Element  in  ihrer  Wesenheit  festzuhalten.  Sofern  es 
gestattet  war,  den  Begriff  zu  verallgemeinern,  konnte  man 
in  ihr  gleichsam  die  gesammte  Kirche,  oder  die  Menschheit 
als  christliche  Gemeinde  personificirt  sehen  in  ihrem  Verhält- 
niss  zu  den  höchsten  göttlichen  Personen.  Insofern  fand  auf 
sie  Anwendung,  was  durch  die  Propheten  von  Zion,  der 
Braut  Jehova's,  geweissagt  ist.  Die  Menschheit  wird  als 
Braut  Gottes  zum  Göttlichen  erhoben,  wie  die  Gottheit  als 
Menschensohn  niedersteigt  zu  den  Menschen.  Maria  wird  zum 
vergötterten  Menschen,  wie  Christus  zum  vermenschlichten 
Gotte.  Wenn  aber  das  Menschliche  zu  so  hoher  Würde 
gelangen  soll,  kann  es  nur  geschehen  durch  Demuth  und 
Liebe ,  und  sich  nur  äussern  in  Fürbitte  und  Gnade.  Es  kann 
irw  dieser  seiner  Erhebung  den  weiblichen  Charakter  niemals 
verlieren.  Es  ist  und  bleibt  das  Untergeordnete,  Passive, 
das  nur  seiner  reinen  Unschuld  wegen  gewürdigt  wird,  dem 
Höchsten  sich  zu  nahen.  Insofern  ist  den  Künstlern  oft  Maria 
übergegangen  in  den  Begriff  der  Rehgion,  des  Glaubens, 
der  Gottesminne  überhaupt,  so  wie  der  ecdesia.  Vgl.  Kunst- 
blatt 1837,  S.  167,  wo  eines  Bildes  von  Signol  gedacht  wird, 
in  welchem  die  Religion  am  Grabe  Christi  nichts  anderes 


I 


Maria.  85 

ist,  als  die  gewöhnliche  Pleta  (der  todte  Christus  auf  dem 
Arme  seiner  Mutter). 

Das  passive  und  weibliche  Element  in  Maria  ist  häufig 
verallgemeinert  und  überhaupt  als  das  fünfte  Element  in  der 
Natur  aufgefasst  worden,  wobei  auf  ihren  Namen  (Maria  — 
mare,  Meer)  angespielt  wurde.  Christ,  de  Vega  gab  folgende 
mystische  Deutung  ihrer  Geburt.  Im  Anfange  schuf  Gott 
Himmel  und  Erde,  d.  i.  Joachim  und  Anna.  Die  Erde  war 
wüst  und  leer,  d.  i.  Anna  unfruchtbar,  und  aus  ihren  Thrä- 
nen  entstand  das  Meer.  Gott  schwebte  über  dem  Meer,  da 
wurde  Licht ,  d.  i.  Maria ,  Tochter  des  Meeres  (Maria  a  mari). 
Vgl.  Augusti,  Denkw.  III.  5.  Die  Stelle  der  Vulgata  1.  Buch 
Mos.  1,  10:  et  congregationem  aquarum  vocavit  Maria  wurde 
in  demselben  Sinn  genommen.  Indessen  ist  es  durchaus  nicht 
nothwendig,  eine  Identilicirung  Maria's  mit  dem  Element  des 
Wassers  (in  heidnischer  Weise)  vorauszusetzen,  um  ihre  Be- 
ziehungen zum  Meere  als  Stern  des  Meeres,  als  Schutzpatronin 
der  Schiffer ,  als  Trägerin  des  Schiffes  der  Kirche ,  als  Mutter 
des  Fischers  (Christus)  zu  erklären.  Diese  Beziehungen  sind 
sehr  unschuldig. 

Eben  so  wenig  darf  man  irgend  welche  heidnische  Na- 
tur- und  Erdmutter  herbeiziehen  wollen,  um  aus  ihr  die 
Gnadenspenderin  Maria  herzuleiten ,  wenn  sie  gleich  in  vielen 
Legenden  mit  cerealischen  Attributen  geschmückt  wird. 

Ein  wunderthätiges  Marienbild  soll  der  heilige  Apostel 
Jakob  mit  nach  Spanien  gebracht  und  in  einem  Thurm  zu 
Madrid  verborgen  haben.  Hier  fand  man  es  erst  wieder  und 
zwar  mit  Korn  umgeben,  welches  den  ganzen  Thurm  aus- 
füllte, als  die  Christen  in  der  Stadt  von  den  Mauren  bela- 
gert wurden  und  Hunger  litten.  Seitdem  wird  es  als  nuestra 
sennora  de  Almunada  verehrt.  Gräfin  d' Aunoi,  Reise  IL  117. 
Aber  dadurch  wird  Maria  noch  nicht  zur  Ceres.  Albrecht 
Dürer  hat  Marien  in  einem  Garten  dargestellt,  wo  sie  um- 
geben von  der  lieblichsten  und  reichsten  Naturfülle  erscheint. 
Fr.  Schlegel,  Werke  VI.  104.  Aber  das  macht  sie  so  wenig 
wie  Raphaels  berühmte  belle  jardiniere  zu  einer  Flora   oder 


86  Maria. 

Pomona.  Nach  v.  Martens,  Italien  II.  602.  erzählt  sich  das 
Volk  in  den  Alpen  von  reizenden  Gärten  der  Madonna  hoch 
in  den  Gletschern  und  unerreichbar.  Aber  auch  darin  liegt 
nichts  Heidnisches,  sondern  nur  ein  zarter  Ausdruck  der 
Liebe ,  die  Phantasie  des  andächtigen  Volks  im  Gebirg  will 
der  seligsten  Jungfrau,  vor  deren  Bilde  es  betet,  gleichsam 
die  rauhe  Natur  vergüten.  Unter  den  Beziehungen  der 
Gnadenmutter  zur  Natur  ist  eine  der  reizendsten  die  Anlage 
des  berühmten  Liebfrauenmilchweinbergs  im  terrassenförmigen 
Halbkreis  um  den  Chor  ihrer  Kirche  zu  Worms  unmittelbar 
am  Rhein. 

In  einem  altdeutschen  Gedicht  wird  Maria  die  Alle  Min- 
nende genannt  und  insofern  mit  der  Venus  verglichen,  nur 
dass  die  Liebe  hier  im  reinsten  und  höchsten  Sinne  verstanden 
ist.  V.  Lassberg,  Liedersaal  IL  6.  Der  Missdeutung  wegen 
sind  solche  Vergleichungen  besser  zu  unterlassen.  Noch  wei- 
ter ist  jene  schwärmerische^  Liebe  zur  heiligen  Jungfrau  ab- 
geirrt, die  in  ihr  die  eigentliche  Einheit  der  Dreieinigkeit  in 
einem  Verhältniss  zu  finden  meinten,  wie  ungefähr  das  der 
Göttin  Bhawani  zu  der  indischen  Trimurti.  Die  sermones  des 
Petrus  Damianus  z.  B.  erklärten  Marien  für  ungeschaffen, 
von  Ewigkeit  her  thronend  im  Centro  der  Dreieinigkeit,  wo- 
durch sie  fast  noch  höher  gestellt  wird,  als  die  gnostische 
Sophia,  und  wogegen  die  Kirche  die  menschliche  Natur  der 
Mutter  hervorzuheben  einschärfte.  Andrerseits  musste  sich 
die  Kirche  aber  auch  gegen  die  andre  Uebertreibung  der 
Antidikomarianiten  wenden,  die  in  Marien  nur  ein  gemeines 
irdisches  Weib  sahen. 

Am  tiefsinnigsten  und  bescheidensten  hat  Dante  die  Jung- 
frau aufgefasst: 

Vergine  madre  figlia  del  tuo  figlio , 

Umile  ed  alta  piu  che  creatura , 

Termine  fisso  d^  eterno  consiglio , 
Tu  se''  colei ,  che  V  umana  natura 

NobiUtasti  si ,  che  H  suo  Fattore 

Non  si  sdegnb  di  farsi  tiia  f'attiira. 


I 

1 


Maria.  87 

Nach  Erörterung  dieser  Gegensätze  wird  sich  das  Marien- 
ideal der  christlichen  Kunst  deutlich  genug  herausstellen  als 
die  Verbindung  einerseits  des  Jungfräulichen  mit  dem  Mütter- 
lichen, andrerseits  des  Königlichen  und  der  übermenschlichen 
Hoheit  mit  dem  Magdlichen  und  der  tiefsten  menschlichen  De- 
muth,  so  zwar,  dass  keine  dieser  Eigenschaften  ausschliesslich 
und  einseitig  vorwaltet,  sondern  immer  auch  die  andre  durch- 
blicken lässt.  Die  ältesten  uns  erhaltenen  Bilder  geben  nur 
den  edlen  Typus  des  Gesichtsovals,  schöne  und  regelmässige 
Formen  bei  heiligem  Ausdruck,  in  einer  gewissen  Allgemein- 
heit an.  Seit  vier  Jahrhunderten  strebt  dagegen  die  Kunst 
mehr  nach  Individualisirung. 

Gleichwie  man  unter  den  Christusbildern  hauptsächlich 
Salvator-  und  Vesperbilder  unterscheidet,  von  denen  die 
ersten  mehr  die  göttliche,  die  andern  mehr  die  menschliche 
Natur  des  Erlösers  zur  Anschauung  bringen,  so  kann  man 
auch  die  Marienbilder  in  zwei  Hauptordnungen  eintheilen, 
sofern  die  morgenländischen  überall  mehr  die  Himmelskönigin 
hervortreten  lassen,  dagegen  im  Abendlande  sich  seit  den 
letzten  vier  Jahrhunderten  eine  Neigung  geltend  machte,  die 
menschliche  Mutter  theils  in  ihrer  Freude  und  Zärtlichkeit, 
pflegend  das  heilige  Kind,  ja  selbst  spielend  mit  dem  Kinde, 
theils  in  ihrem  Schmerz  als  mater  dolorosa  und  betrübte 
Wittwe  darzustellen.  Die  morgenländische  Kirche  hielt  immer 
ein  heiliges  Ideal  fest,  in  der  abendländischen  Welt  riss  sich 
die  Kunst  von  dem  Anspruch  der  Kirche  auf  Heiligkeit  häufig 
in  dem  Grade  los,  dass  Maria  auf  Bildern  wie  ein  gemeines 
Weib,  in  der  Freude  nur  irdisch  lieblich,  im  Schmerz  sogar 
hässlich  aufgefasst  wurde. 

In  einem  Aufsatz  über  die  Bildmalerei  der  russischen 
Kirche  im  Januarheft  des  Journals  für  Volksaufklärung  vom 
Jahre  1845,  mitgetheilt  in  August  von  Haxthausens  Studien 
über  Russland  HI.  S.  102,  wird  die  alte  Malerei  der  griechi- 
schen Kirche  vorzugsweise  die  theologische,  die  neuere  und 
freiere  Malerei  der  abendländischen  Kirche  aber  die  philo- 
sophische genannt  und  hervorgehoben^  wie  in  jener  sich  der 


88  Maria. 

Künstlergeist  in  tiefster  Frömmigkeit  und  Andacht  dem 
Hohem  unterwerfe,  während  in  dieser  der  Künstlergeist  aus 
eigner  Macht  und  in  voller  Freiheit  aus  dem  Heiligen  mache, 
was  ihm  beliebe,  und  es  eben  deshalb  in's  Menschliche  und 
Gemeine  hinabziehe.  ;,Die  alten  Künstler  arbeiteten  unter 
dem  Einfluss  des  Glaubens ,  fasteten ,  beteten ,  beichteten  und 
nahmen  das  Abendmahl,  um  die  Heiligenbilder  zu  vollenden. 
Der  Pinsel  der  fremden  Schule  dagegen  malt  eine  Körper- 
schönheit, wie  sie  die  Phantasie  des  Künstlers  sich  ausdenkt, 
und  nicht  selten  nach  einem  unheiligen  Gegenstand,  dessen 
Schönheit  ihm  gefiel."  Das  gilt  ganz  vorzüglich  von  Marien- 
bildern, die  nur  zu  oft  eine  irdische  Geliebte  des  Malers  im 
Portrait  verewigen  sollten.  Blasius  in  seiner  Reise  im  euro- 
päischen Russland  I.  123.  macht  eine  ganz  ähnliche  Bemerkung. 
Er  besuchte  das  grosse  Nonnenkloster  Kyrillof ,  wo  die  Non- 
nen Heiligenbilder  malen,  und  erzählt  von  ihnen:  „Man  kann 
a  priori  nicht  geneigt  seyn,  Erzeugnisse  von  künstlerisch 
vollkommen  ungebildeten  russischen  Mädchen ,  die  von  Kind- 
heit auf  von  jedem  lebendigen  geistigen  Impuls  abgeschnitten, 
ohne  Kenntniss  des  mannigfach  gestalteten  Lebens,  auf  ihre 
engen  Klostermauern  beschränkt  geblieben  sind,  mit  der  Pe- 
riode einer  äusserlich  frei  entwickelten  Kunstepoche  zu  ver- 
gleichen. Aber  hier  kann  man  mit  Ueberzeugung  sagen:  Was 
kein  Verstand  der  Verständigen  sieht,  das  übt  in  Einfalt  ein 
kindlich  Gemüth.  Was  die  Schöpfer  der  neudeutschen  Hei- 
ligenmalerei mit  Mühe  zu  erreichen  meist  vergeblich  gestrebt 
haben,  das  leisten  die  russischen  Nonnen,  die  es  meist  nicht 
einmal  zu  einem  geläufigen  Lesen  und  Schreiben  gebracht 
haben."  Das  sind  Worte  eines  „aufgeklärten"  Naturforschers. 
Gewiss  enthalten  sie  eine  tiefe  Wahrheit.  Sie  bezeichnen 
das  Heilige ,  was  der  gebildetste  Verstand  vergebens  sucht  und 
was  sich  dem  kindlichen  Herzen  von  selber  offenbart. 

Heiligkeit  ist   das  erste  Erforderniss   eines  Marienbildes, 
Huld  das  zweite. 

Die   Vermittlung,   in   der  sich  Königin  und  Magd   wie 
Mutter  und  Jungfrau  berühren,  liegt  in  der  weiblichen  Huld, 


Maria.  89 

in  dem  gratia  plena,  einer  Eigenschaft,  die  der  Maria  immer 
und  überall  treu  bleibt,  sie  mag  nun  älter  oder  jünger,  in 
Freud  oder  in  Leid,  auf  dem  Thron  des  Himmels  oder  im 
Stalle  zu  Bethlehem  gemalt  werden.  In  dieser  Beziehung 
ist  von  vorzüglicher  Wichtigkeit,  dass  sie  als  regina  angelorum 
alle  Lieblichkeit  der  Engelwelt  in  ihrer  Weiblichkeit  vereinigt. 

Auf  den  ältesten  Bildern  der  Katakomben ,  Mosaiken  und 
Miniaturen  erscheint  Maria  als  Jungfrau  ohne  Kind,  den  Kopf 
verschleiert,  beide  Arme  betend  erhoben  mit  schönen  und 
regelmässigen  Gesichtszügen,  d'  Agincourt  sculpt.  12.  Aringhi 
n.  209.  353.  Bottari  tav.  153.  Waagen,  Paris  197.  Also 
wesentlich  als  Fürbitterin.  Das  bleibt  auch  fürderhin  die 
wesentlichste  Funktion  der  Gebenedeiten ,  Mutter  der  Gnaden 
und  Fürbitterin  für  die  sündigen  Menschen  zu  seyn  bei  Gott, 
damit  er  Gnade  für  Recht  ergehen  lasse.  Denn  sie  ist  ganz 
Liebe  im  Gegensatz  gegen  die  Gerechtigkeit,  ganz  die  Milde 
des  neuen  Bundes  im  Gegensatz  gegen  die  Härte  des  Gesetzes. 
Darum  heisst  sie  mater  gratiae,  Kose  ohne  Dorn,  Taube  ohne 
Galle  (überall  in  den  alten  Marienliedern).  Insofern  ist  auch 
ihr  Attribut  der  weite  „Mantel  der  Liebe",  unter  dem  sie 
die  reuigen  Sünder  schützt.  Vgl.  den  Ai'tikel  Mantel.  Der 
Grundtext  aller  Marienbilder  ist  ora  pro  nobis.  Als  die  All- 
erbarmerin  ist  sie  auf  vielen  Bildern  dargestellt.  Fra  Bar- 
tholomeo  malte  sie  mitten  unter  Pestkranken ,  die  zu  ihr  beten 
und  denen  sie  Heilung  spendet  (in  der  Leuchtenb ergischen 
Gallerie).  Van  Dyk  malte  sie,  ihre  Huld  der  vor  ihr  knien- 
den Sünderin  Magdalena,  dem  verlornen  Sohne  und  dem 
reuigen  David  zuwendend  (im  Berliner  Museum).  Salvator 
Rosa  in  einem  grossen  Bilde  zu  Mailand,  wie  sie  die  Seelen 
aus  dem  Fegfeuer  erlöst. 

Wenn  die  fromme  Einfalt  des  Mittelalters  ihr  inniges 
Vertrauen  zur  heiligen  Jungfrau  zuweilen  auch  in  naiver 
Weise  ausdrückt,  gibt  das  dem  Unglauben  der  Neuzeit  noch 
kein  Recht  zu  dem  Spott,  den  sie  so  gerne  darüber  ergiesst. 
Eine  so  unschuldige  Naivetät  drückt  das  berühmte  Bild  des 
Martin   Schön  in  Colmar  aus,   auf  dem   Maria   eine  Anzahl 


90  Maria. 

Menschen  vor  dem  Zorn  der  himmlischen  Heerschaaren  be- 
schützt. Eben  so  ein  sehr  altes  Votivbild  in  der  Johannes- 
kirche zu  Hamburg,  auf  dem  Maria  ihre  Brust  entblösst  und 
den  Heiland  bei  den  Brüsten,  die  ihn  gesäugt,  um  Gnade 
für  die  Hamburger  anfleht,  die  er  um  ihrer  Sünden  willen 
strafen  will.  Dasselbe  Motiv  wiederholt  sich  auf  einem  spä- 
tem Bilde  von  Rubens,  üebrigens  ist  nicht  zu  läugnen, 
dass  jenes  Vertrauen  auf  die  Fürsprache  in  einigen,  nament- 
lich spätem  Legenden  missbräuchlich  zu  Gunsten  einer  laxen 
Observanz  geltend  gemacht  worden  ist.  —  Sehr  eigenthümlich 
ist  eine  Vorstellung,  die  uns  in  den  sibyllinischen  Büchern 
aufbewahrt  ist.  In  den  letzten  Zeiten  soll  nämlich  auf  der 
alsdann  schon  ganz  verödeten  Erde  Maria  noch  die  zur  sieben- 
fachen Busse  verurth eilten  Menschen  hüten,  der  letzten  Sün- 
der letzte  Trösterin.    Friedlieb ,  sibyll.  Weissagungen  S.  157. 

Als  der  allgemeinen  Fürbitterin  ist  es  Maria's  Amt  auch 
beim  Weltgericht,  zur  Rechten  ihres  göttlichen  Sohnes  stehend, 
ihm  die  Schaaren  der  Seligen  zuzuführen  und  ihm  in  ihrem 
Namen  für  das  Heil  zu  danken,  welches  ihnen  geworden 
ist ,  damit  eine  milde  Bitte  verbindend  für  die  auf  der  andern 
Seite  stehenden  Verdammten.  Zugleich  steht  sie  in  der  himm- 
lischen Hierarchie  zur  Rechten  ihres  Sohnes  den  Engeln  vor, 
während  ihm  zur  Linken  Johannes  der  Täufer  den  Seligen, 
Heiligen,  Patriarchen  und  Propheten  vorsteht.  Ihr  ordnen 
sich  die  überirdischen,  von  jeher  Unsterblichen  unter,  dem 
Täufer  Alle ,  die  als  Menschen  geboren  und  gestorben  waren. 
Didron,  manuel  p.  264.  268.  Und  zwar  kommt  ihr  dieser 
Vorzug  wegen  ihrer  Reinheit  und  Jungfräulichkeit  zu,  als 
worin  die  W^esenheit  der  Engelsnatur  besteht.  Man  hat  ein 
berühmtes  Bild  von  Murillo,  worin  Engel  und  Menschen 
gemeinschaftlich  die  Jungfräulichkeit  Maria's  anbeten.  Waa- 
gen, Paris  S.  635. 

Als  regina  angelorum  ist  Maria  in  vielen  Kirchenbildern 
ausschliesslich  mit  Engeln  verbunden  und  im  Kreise  derselben 
verehrt,  umsungen,  von  ihnen  getragen  etc.  Rubens  malte 
sie  gross  und  königlich  unter   einem  unendlichen  Gewimmel 


Maria.  91 

kleiner  Kinderengel.  Landon,  annales  V.  57.  Dante  in  seinem 
Paradies  32.  lässt  sie  mitten  in  einer  grossen  weissen  Rose 
unter  Engeln  thronen.  In  Haupt  und  Schnellers  wendischen 
Volksliedern  I.  281.  wird  sie  (nach  einer  volksthümlich  naiven 
Vorstellung)  von  Engeln  umtanzt  und  tanzt  selber  mit. 

Um  sie  als  Königin  des  geistigen  Himmels  (der  Engel 
und  Seligen)  zu  bezeichnen ,  gibt  man  ihr  Attribute ,  die  vom 
sichtbaren  Himmel  entlehnt  sind.  Dazu  berechtigt  die  Stelle 
in  der  Offenbarung  Johannis  12,  1,  in  welcher  sie  erscheint 
als  ein  Weib  mit  der  Sonne  bekleidet ,  den  Mond  unter  ihren 
Füssen  und  auf  ihrem  Haupt  eine  Krone  von  zwölf  Sternen. 
Der  Sonnennimbus  bildete  sich  erst  in  der  Malerei  des  löten 
und  ITten  Jahrhunderts  zu  der  ovalen,  die  ganze  Figur  um- 
schliessenden  Flammenglorie  aus,  in  der  wir  seitdem  auf  so 
unzähligen  Bildern  und  Münzen  die  Gottesmutter  erblicken. 
Der  Mond  zu  ihren  Füssen  wurde  schon  von  den  deutschen 
Rittern ,  wie  später  wieder  in  den  Türkenkriegen  als  Sinn- 
bild des  überwundenen  Heidenthums  aufgefasst,  ganz  so  wie 
andrerseits  die  Schlange,  der  sie  den  Kopf  zertritt.  Daher 
ist  es  das  Wappen  und  Kennzeichen  des  deutschen  Ordens 
in  Preussen  und  Lievland;  das  riesengrosse  Wandbild  zu 
Marienburg,  dem  Hauptsitz  des  deutschen  Ordens,  zeigt  Maria 
auf  dem  halben  Monde  stehend.  In  Ungarn  und  Oesterreich 
wurde  mit  noch  bestimmterer  Beziehung  auf  den  türkischen 
Halbmond  die  Gottesmutter  (oder  auch  ein  Kreuz)  auf  den 
Halbmond  gepflanzt  als  Zeichen  des  Sieges  über  die  Türken. 
—  Zu  den  zwölf  Sternen  um's  Haupt  fügten  spätere  Maler 
sehr  oft  einen  dunkelblauen  Mantel  mit  Sternen  besät.  Auf 
einem  schon  modernen  Bilde  zu  Landshut  trägt  Maria  ausser 
dem  Sternennimbus  noch  einen  Rosenkranz  auf  dem  Haupt 
fund  einen  Lilienstrauss  in  der  Hand.  Kunstbl.  1836,  S.  15. 
iln  der  Dominicanerkirche  zu  Breslau  trägt  sie  ein  grünes 
Gewand  mit  gelben  Sternen  und  Aehren.  Engel  halten  ihr 
das  purpurne  Obergewand  und  vor  ihr  blühen  zwei  Tulpen. 
Fiorillo  I.  167.  Das  Bild,  welches  die  Jahreszahl  1300  trägt, 
will  offenbar  die  Gottesmutter  als  Königin  des  Himmels  und 


§3  Maria. 

der  Erde  zugleich  bezeichnen.  —  Auf  einem  Bild  von  Rubens 
in  der  Münchner  Pinakothek  hat  Maria  Adlersflügel  und  tritt 
der  Schlange  auf  den  Kopf,  nach  dem  schon  erwähnten  Bild 
in  der  Offenbarung  Johannis.  Die  Adlerflügel  bedeuten  hier, 
wie  immer ,  den  göttlichen  Geist.  —  Anstatt  des  Mondes  und 
der  Schlange  ist  es  oft  auch  die  Weltkugel,  auf  welche  die 
Grottesmutter  als  auf  ihren  Fussschemmel  tritt.  So  auf  dem 
oben  genannten  Landshuter  Bilde.  So  auf  einem  von  Maratti. 
Waagen ,  England  IL  4.  Auch  kommt  sie  thronend  auf  dem 
Regenbogen  vor,  als  dem  Bogen  des  Friedens.  Didron, 
icon,  p.  269. 

Den  zwölf  Sternen  im  Kranze  Maria's  entsprechen  die 
zwölf  Löwen  am  salomonischen  Thron ,  auf  welchem  sie  sitzt. 
Bild  von  Eberwein.  Kunstblatt  1841,  S.  414.  Als  Thron 
Salomons  wird  sie  selbst  bezeichnet  in  der  lauretanischen 
Litanei.  Die  Zwölfzahl  kann  sich  sowohl  auf  die  Apostel, 
als  auf  die  Propheten  beziehen.'  Das  Mittelalter  liebte,  die 
Gottesmutter  mit  den  Propheten  zu  umgeben,  die  von  der 
Geburt  des  Messias  geweissagt  haben.  Gewöhnlich  hat  jeder 
Prophet  neben  seinem  Attribut  noch  eine  Inschrift,  die  jene 
Weissagung  aus  seinem  Buch  im  alten  Testament  enthält.  In 
der  griechischen  Kirche  sind  dieselben  vorgeschrieben.  Didron^ 
manuel  p.  147.  290  f.    Dessen  annales  IV.  67. 

Die  Litaneien  und  alten  Marienlieder  enthalten  eine  Menge 
Sinnbilder,  die  sich  auf  die  königliche  Würde  Maria's  beziehen, 
zunächst  Beziehungen  auf  ihre  Abstammung  von  König  David : 
die  Ruthe  oder  Rose  vom  Stamm  Jesse,  der  Thurm  Davids, 
der  elfenbeinerne  Thurm ,  der  Thron  Salomo's ,  der  hohe  Ce- 
dernbaum.  Aus  der  Ruthe  haben  altdeutsche  Mariensänger  die 
Wünschelruthe  gemacht,  die  alle  Wünsche  erfüllt,  den  Zauber- 
stab, der  Alles  hervorruft.  Conrad  von  Würzburg  6.  nennt  sie 
die  „Himmelskaiserin".  Dem  Deutschen  genügte  die  Königin 
nicht,  weil  ihm  die  kaiserliche  Würde  höher  stand.  Altdeutsche 
und  niederländische  Maler  geben  ihr  die  kostbarsten  phantasti- 
schen Kronen  von  Juwelen  und  Blumen.  Eine  dreifache  Krone 
hat  sie  zu  Loretto  als  Tochter,  Gemahlin  und  Mutter  Gottes. 


*»• 


l 


Maria.  93 

Das  leitet  in  die  Symbolik  hinüber,  die  in  ihr  eine 
Personification  der  Kirche  erkennt.  Die  mit  drei  Kronen 
(gleich  dem  Papst)  geschmückte  Himmelskönigin ,  die  vor 
Gott  kniet  und  seinen  Segen  empfängt  (Bild  zu  Padua, 
s.  Kunstblatt  1838.  Nr.  18.))  ist  nichts  anderes  als  die  Kirche 
selbst.  Auch  die  einfache  Krone  ist  auf  die  Kirche,  als  Braut 
Christi,  bezogen  und  als  Brautkranz  aufgefasst  worden.  In 
diese  Symbolik  gehört  auch  das  Bild  von  Quintin  Messis, 
welches  die  Verklärung  Maria's  darstellt,  zu  ihren  Füssen  die 
allegorischen  Gestalten  des  alten  Bundes,  der  Legende  etc. 
Vgl.  Schnaase,  nieder!  Briefe  S.  283.  Dahin  gehören  auch 
die  oft  vorkommenden  Bilder  der  unter  den  vier  Kirchen- 
vätern thronenden  Maria. 

Uebrigens  herrscht  die  grösste  Mannigfaltigkeit  in  den 
Beziehungen  zur  Gottesmutter,  daher  sie  thronend  gemalt 
wird  wie  unter  Engeln  und  Erzengeln,  so  unter  allen  Hei- 
ligen des  neuen  Testamentes,  Patriarchen,  Propheten  und 
Sibyllen  des  alten.  Louis  de  Vargas  malte  ein  seltenes  Bild, 
auf  dem  sie  ausschliesslich  in  Beziehung  gesetzt  ist  zu  den  Pa- 
triarchen, indem  sie  Adam  und  Eva  zu  trösten  scheint.  Das 
Bild  befindet  sich  in  Sevilla.  An  die  Huldigungen,  welche 
Maria  von  himmlischen  Heerschaaren  und  biblischen  Gruppen 
empfängt,  reihen  sich  die  allegorischen  Huldigungen  von 
ganzen  Ländern,  Provinzen,  Ständen  und  Privaten.  Auf 
(  einem  berühmten  Bilde  des  van  Thulden,  z.  B.  im  Belvedere 
zu  Wien,  empfängt  sie  die  Huldigung  aller  niederländischen 
Provinzen,  die  durch  schöne  Frauen  dargestellt  sind. 

Sehr  viele  Marienbilder  sind  Stiftungen.  Der  Stifter,  der 
noch  einen  besondern  Schutzpatron  hatte,  liess  diesen  neben 
die  heilige  Jungfrau  malen;  dazu  auch  wohl  eine  Schutz- 
patronin und  Patrone  der  Frau  und  Kinder,  der  besondern 
Kirche  oder  Kapelle,  in  w^elche  das  Bild  gestiftet  wurde  etc. 
So  entstanden  zufällige  Heiligengruppen  um  die  thronende 
Maria  her,  was  man  in  der  Kunstwelt  Conversationen 
nennt.  Sie  sind  am  sinnreichsten,  wenn  in  den  dargestellten 
Heiligen  besondere  Tugenden  personificirt  erscheinen.     Vgl. 


94  Maria. 

d.  Art.  Barbara.  Auf  solchen  Bildern  sitzt  Maria  mit  ihrem 
Kinde  gewöhnlich  unter  einem  goldnen  Baldachin,  oder  in 
einem  Thronsessel ,  der  einem  sich  öffnenden  Portale  gleicht. 
Dem  entspricht  die  Symbolik  der  Namen,  die  sie  in  den  Li- 
taneien erhält:  porta  orientalis,  janua  codi)  portus  naufra- 
gorurriy  arcus  aetheris. 

Von  tiefer  Bedeutung  ist  ein  Contrast  in  den  Bildern, 
welche  die  niedrigste  Stufe  des  Menschlichen  und  die  höchste 
der  himmlischen  Verklärung  im  Marienleben  darstellen.  Die 
frommen  Maler  geben  nämlich  der  in  dem  Himmel  zu  den 
höchsten  Ehren  erhobenen,  von  der  Dreieinigkeit  selbst  ge- 
krönten Maria  die  Demuth  der  Magd,  während  sie  auf  Bil- 
dern der  Geburt  Christi  mitten  in  dem  schlechten  Stalle  und 
unter  die  armen  Hirten  hinein  die  Mutter  mit  dem  Kinde  in 
königlicher  Pracht  mit  der  Krone  malen. 

Maria  in  der  Herrlichkeit  wird  oft  mit  Schmuck  allzusehr 
überladen,  was  noch  mehr  zu  tadeln  ist,  wenn  das  Costüm 
geschmacklos  gewählt  ist.  Dahin  gehören  die  im  Anfang  des 
vorigen  Jahrhunderts  aufgekommenen  Madonnen  in  steifgol- 
denem juwelenbedeckten  Reifrock  mit  wollenweisser  Frisur. 
Wenn  Liebe  und  Andacht  der  Gläubigen  das  Urbild  alles 
Schönen  nicht  reich  genug  schmücken  können,  so  darf  doch 
das  Metall  der  edlen  Würde  des  Ausdrucks  keinen  Eintrag 
thun.  Aus  demselben  Grunde  müssen  auch  die  allzu  spie- 
lenden Zierrathen,  in  denen  ein  Schein  von  Koketterie  liegt, 
vermieden  werden.  Als  Grenze  mag  hier  bezeichnet  seyn, 
was  Hubert  van  Eyck  in  dem  wunderlieblichen  Bilde  Maria's 
auf  dem  Genter  Altare  sich  erlaubt  hat.  Die  Jungfrau  kniet 
hier  in  holdseligster  Anmuth,  scheint  laut  aus  dem  Gebet- 
buch zu  lesen,  wie  die  halbgeöffneten  Lippen  verrathen, 
und  trägt  einen  königlichen  Mantel  mit  Juwelen  besetzt  und 
eine  Krone  von  Juwelen,  aus  welcher  Rosen,  Lilien,  Schnee- 
glöckchen etc.  blühen ,  und  aus  diesen  Blüthen  werden  kleine 
Sonnen  gleichsam  ausgeduftet  und  schweben  leuchtend  über 
dem  schönen  Kopfe.  Das  Süsseste  von  jungfräulichem  Reiz, 
was  erdacht  werden  kann ,  aber  auch  nur  in  dieser  Situation, 


Maria.  ^5 

im  Moment  der  Verkündigung  statthaft.  Das  Bild  muss  als 
Auffassung  eines  einzigen  Momentes  gedacht  werden.  Ein 
immerwährender  Putz  dieser  Art  würde  Marien  nicht  ge- 
ziemen. Sie  ist  hier  nicht  die  ewige  Königin,  sondern  Braut, 
was  man  nur  einmal  ist. 

lieber  die  vielen  schwarzen  Marienbilder,  die  sehr 
häufig  gerade  wegen  Wunderthätigkeit  und  Alter  am  meisten 
verehrt  sind,  hat  der  Unglaube  und  die  Blasphemie  der 
neueren  Zeiten  die  unsinnigsten  Vermuthungen  zu  Tage  ge- 
fördert und  sich  insbesondere  darin  gefallen,  sie  auf  heid- 
nische Göttinnen,  die  schwarze  Diana  zu  Ephesus,  die  Aphro- 
dite Melanis  etc.  zurückzuführen.  Die  Sache  verhält  sich, 
wie  ein  tüchtiger  Naturforscher  (v.  Martens,  Italien  III.  27.) 
bemerkt,  sehr  einfach.  Die  Bilder  sind  aus  dunklem  Holz 
geschnitzt.  Es  sind  meist  alte  Holzbilder.  So  auch  das  auf 
dem  Montserrat,  v.  Rochau,  Reiseleben  I.  103.  Wenn  auch 
flache  Gemälde  von  dunkler  Farbe  vorkommen,  so  erklären 
sich  dieselben  theils  als  Copien  solcher  altern  dunklen  Holz- 
bilder, an  denen  keine  Aenderung  oder  Verschönerung  vor- 
genommen werden  durfte,  theils  aus  der  Nationalität  der 
Maler  und  der  Gemeinden,  für  die  sie  bestimmt  waren.  In 
Abyssinien  sind  alle  Marienbilder,  wie  die  Bilder  anderer 
Heiligen  von  dunkler  Gesichtsfarbe,  weil  es  die  Farbe  des 
Volkes  selbst  ist.  Nur  in  diesem  Sinne  ist  die  Stelle  des 
Hohenhedes  1,  4:  „Ich  bin  schwarz,  aber  schön,"  hieher  zu 
beziehen.  Aus  demselben  Grunde  widmen  die  Negersklaven 
in  Brasilien  ihre  Verehrung  vorzugsweise  einer  schwarzgemal- 
ten Madonna.     Spix  und  Martins,  Reise  IL  469. 

In  Bezug  auf  die  Farbensymbolik  der  Marienbilder  ist 
der  berühmte  Rosenkranz  von  Burgkmaier  in  Augsburg  merk- 
würdig. Auf  demselben  kommt  nämlich  Maria  siebenmal  und 
jedesmal  in  einem  andersfarbigen  Gewände  vor,  als  Königin 
der  Armen  blau ,  der  Büsser  braun ,  der  Propheten  gelb ,  der 
Apostel  lackroth,  der  Märtyrer  hochroth,  der  Beichtiger  grün, 
der  Jungfrauen  weiss.  Vgl.  Kunstbl.  1846.  S.  186.  Inzwi- 
schen genügt  dieses  Schema  nicht.     Blau  charakterisirt  die 


96  Maria. 

heilige  Jungfrau  als  Königin  der  Armen  nur  deshalb,  weil 
sie  Königin  des  Himmels  und  Blau  die  Farbe  des  Himmels 
ist.  Zuweilen  ist  das  blaue  Gewand  mit  Sternen  besät,  na- 
mentlich wenn  die  heilige  Jungfrau  zugleich  auf  dem  Halb- 
mond steht.  Zuweilen,  jedoch  selten,  trägt  sie  ein  hellblaues 
Unter-  und  dunkelblaues  Obergewand,  z.  B.  auf  dem  Schloss 
Karlstein  in  Böhmen.  Wiener  Jahrb.  27,  45.  Waagen,  Deutsch- 
land I.  310.  Insgemein  ist  ihr  Obergewand  rosenfarbig  (als 
Morgenröthe  am  Himmel,  aus  welcher  die  Sonne  kommen 
soll)  oder  purpurfarben  (als  Königsmantel),  zuweilen  auch 
golden  (die  Sonne  am  Himmel  bezeichnend).  Auch  ihr  Un- 
tergewand ist  zuweilen  roth ,  gemäss  der  nämlichen  Symbolik. 
Insbesondere  liebte  ihr  Raphael  diese  Farbe  zu  geben,  wo- 
bei der  zufällige  Umstand  einwirkte ,  dass  die  schönen  Alba- 
neserinnen,  unter  denen  er  seine  Modelle  wählte,  rothe 
Kleider  trugen,  wie  noch  heute.  Auch  grüne  Unterkleider 
und  grüne  Mäntel  kommen  auf  Marienbildern  in  Italien  zu- 
weilen vor,  bald  mit  blau,  bald  mit  roth  verbunden,  vor- 
zugsweise auf  Bildern  der  Heimsuchung,  sofern  grün  Farbe 
der  Hoffnung  ist.  Ausschliesslich  weiss  gekleidet  erscheint 
Maria  immer  nur  in  specifisch  jungfräulicher  Bedeutung,  auch 
wenn  sie  das  göttliche  Kind  trägt.  Auf  einem  Bilde  des 
Prok.  Abel  in  Stuttgart  ist  sie  jung,  fast  noch  kindlich  wie 
ein  Mädchen  von  kaum  vierzehn  Jahren  gemalt,  während  sie 
das  Kind  auf  den  Armen  hat,  und  ihre  holde  Gestalt  wird 
erhöht  durch  einen  prachtvollen  Nimbus  mit  langen  gol- 
denen Ausstrahlungen.  Auch  als  Königin  der  Jungfrauen 
ist  sie  weiss.  Oft  hat  sie  bei  der  Himmelfahrt  ein  weisses 
Unterkleid  mit  dem  blauen  Sternenmantel  mit  Bezug  auf  ihre 
ewige  Jungfräulichkeit,  was  zugleich  einen  schönen  Sinn  er- 
hält in  Hinsicht  auf  den  weissen  Schleier,  den  sie  als  Wittwe 
trug.  Die  kaum  noch  im  dunkelblauen  Kleide  mit  weissem 
Schleier  als  ältliche  Matrone  starb ,  wird  bei  der  Himmelfahrt 
wieder  jung  und  freudig ,  und  ihr  Schleier  wird  zum  weissen 
Jungfrauenkleide. 

In  den  kindlichen  und   mädchenhaften  Bildern  Maria's 


I 


ji 


Maria.  97 

Hegt  stets  die  Tendenz,  sie  als  angehende  Gottesbraut,  als 
Vorbild  der  Nonnen  zu  bezeichnen.  Ihre  Einführung  in  den 
Tempel  ist  schon  in  den  Apokryphen  nicht  anders  verstanden. 
Das  Fest  Maria  Opferung  am  21.  November  hat  keine  andere 
Bedeutung.  Sie  opfert  Gott  ihre  Jungfrauschaft.  Es  ist  das 
specifische  Nonnenfest.  Nach  dem  apokryphischen  Vorevan- 
gelium Jakobi  wird  Maria  von  Jugend  auf  dem  Dienst  des 
Herrn  im  Tempel  gewidmet ,  und  zeigt  sich  dessen  so  würdig, 
dass  sie  nicht  nur  von  überirdischer  Schönheit  strahlt,  son- 
dern auch  an  Verstand  und  Heiligkeit  Allen  überlegen  ist. 
Nach  dem  Evangelium  von  der  Geburt  der  Maria  stieg  sie 
schon  als  kleines  Kind ,  als  sie  in  den  Tempel  gebracht  wurde, 
allein  die  Stufen  desselben  hinauf.  Ihre  Hauptbeschäftigung 
im  Tempel  war.  Purpurdecken  für  denselben  zu  sticken,  was 
sie  symbolisch  als  Königin  bezeichnet.  Hier  heisst  es  auch 
ausdrücklich,  d^ss  sie  ihre  Jungfrauschaft  dem  Herrn  geweiht 
habe.  Nach  der  muhamedanischen  Legende  (Herbelot,  s.  v, 
Mirjam)  stammt  sie  von  Aarons  priesterlichem  Geschlecht  und 
lebte  im  Tempel  eingeschlossen,  wie  in  einem  Harem  Gottes, 
und  man  fand  häufig  die  herrlichsten  Früchte  bei  ihr,  auch 
ausser  der  Jahreszeit,  welche  ihr  Gott  unsichtbar  schenkte. 
Im  Koran,  3te  Sure,  heisst  ihr  Vater  nicht  Joachim,  sondern 
der  Priester  Amram. 

Unter  den  Tempeljungfrauen  am  purpurnen  Vorhang 
nähend  malte  sie  reizend  Guido  Reni  in  Loretto,  Paris  und 
Petersburg. 

Maria  als  virgo  virginum  ist  oft  auf  Bildern  einzig  von 
Jungfrauen  umgeben.  Von  zehn  gekrönten  Jungfrauen  auf 
einem  alten  Bilde  im  Kloster  Heilsbronn.  Waagen,  Deutsch- 
land I.  306.  Von  Brautjungfern,  die  ihr  den  Kranz  bringen, 
aus  Eycks  Schule  zu  Ronen.  Rathgeber,  Annalen  S.  86.  Unter 
lauter  Jungfrauen  im  Wiener  Belvedere ,  Fiorillo  I.  273.  Auf 
dem  Blumenteppich  des  Paradieses  vom  Cölner  Meister  Ste- 
phan. Kugler,  Berliner  Museum  S.  146.  Als  Schäferin  von 
Llorente  zu  Sevilla,  dem  pintor  de  las  pastores.  In  einem 
altdeutschen  Mariengruss  (Haupts  Zeitschr.  VIII.  281.)  heisst 

Menzel,  christl.  Symbolik.    U.  *7 


98  Maria. 

es  gar  schön:  ;,Sey  gegrüsst,  du  grüner  Sammet  der  Wiese, 
auf  dem  Niemand  weiden  darf,  als  Engel  und  Jungfrauen.'^ 

Immer  herrscht  bei  der  Jungfrau  das  Milde  und  Demü- 
thige  vor ,  sie  ist  vorzugsweise  ancilla  domini.  Allein  sie  hat 
auch  Momente  der  Siegesfreude,  das  Magnificat.  Sie  durfte 
sogar  im  Sinne  des  ritterlichen  Mittelalters  auch  bewaffnet 
und  als  Amazone  auftreten.  Als  die  Stadt  Sicli  in  Sicilien 
von  den  Sarazenen  belagert  wurde,  erschien  sie  herrlich  auf 
weissem  Ross,  in  weissem  Gewände  mit  weissen  Waffen,  eine 
Krone  auf  dem  Haupt,  und  stürzte  sich  mit  der  siegreichen 
Lanze  über  die  Feinde,  die  entsetzt  davonflohen.  Ihr  Ross 
aber  drückte  seine  Spur  in  einen  Stein,  der  noch  jetzt  hoch 
verehrt  wird.  Gumppenberg,  marian.  Atlas  Nr.  512.  So 
kriegerisch  tritt  sie  auch  in  einem  spanischen  Schauspiel  auf. 
Ausland  1832.  S.  268. 

Das  Gegenbild  dazu  ist  die  berühmte  vierge  aux  rochers 
des  Leonardo  da  Vinci,  die  heilige  Jungfrau  von  finstern 
Felsen  umwölbt,  die  Lilie  unter  den  Dornen,  und  die  „schmer- 
zenreiche Mutter'^  unter  dem  Kreuz. 

An  die  Mütterlichkeit  Maria's  knüpfen  sich  übrigens  ihre 
höchsten  Eigenschaften,  denn  als  die  vollkommenste  aller 
Jungfrauen  wurde  sie  doch  nur  gewürdigt,  die  Mutter  Gottes 
zu  werden,  und  als  Mutter  trat  sie  erst  in  den  höchsten  Stand 
ein,  während  sie  sich  dadurch  den  tiefsten  Leiden  unterzog.  Die 
Gottesmutterschaft  ist  bezeichnet  in  Sinnbildern  der  Litaneien : 
arca  foederis ^  janua  coeli,  speculum  justitiae ,  templum  trinitatis^ 
favus  Samsonis  (der  Honig,  der  vom  Löwen  kam).  An  die 
Mütterlichkeit  knüpfen  sich  die  sieben  Freuden  und  die  sieben 
Schmerzen  Maria.  Die  Freuden  sind:  die  Verkündigung, 
Heimsuchung,  Geburt,  Darbringung  im  Tempel,  Wieder- 
findung des  Knaben  Jesu  im  Tempel,  Auferstehung  und 
Himmelfahrt  Christi.  Doch  fügt  man  auch  die  Anbetung  der 
heiligen  drei  Könige  und  die  Himmelfahrt  Maria  ein.  Vgl. 
Marian.  Liederschatz.  Augsburg  1841.  S.  328.  Die  sieben 
Schmerzen  sind:  der  Abschied  vom  Sohne,  die  Dornenkrö- 
nung,  die  Kreuzigung,  der  Essig-  und  Gallentrank,  der  Tod 


J 


Maria.  99 

Jesu,  die  Grablegung  oder  Pieta  (die  Leiche  des  Sohnes  auf 
dem  Schoosse  der  Mutter).  Doch  fügt  man  auch  die  Be- 
schneidung, die  Flucht  nach  Aegypten  und  das  Verlorengehen 
des  Knaben  Jesu  ein.  Vgl.  Marian.  Liederschatz  S.  156  f. 
Klüden,  Geschichte  d.  Marienverehrung  S.  63.  Das  Freuden- 
fest fällt  auf  den  23.  September,  das  Schmerzen-  oder  Maria 
Ohnmachtfest  auf  den  Freitag  vor  dem  Palmsonntag.  Die 
Freuden  werden  mit  sieben  Rosen  verglichen.  Görres,  Mei- 
sterlieder S.  319.  Die  Leiden  mit  sieben  Schwertern,  wozu 
die  Stelle  bei  Lucas  2,  35.  Veranlassung  gab.  Zu  Aufkirchen 
in  Tirol  sieht  man  ein  Bild  Maria's  mit  sieben  Köpfen ,  worin 
ihre  sieben  Schmerzen  unterschieden  werden.  Weber,  Tirol 
n.  117.     Jedenfalls  eine  unziemliche  Künstlerfreiheit. 

Die  schmerzenreiche  Mutter,  mater  dolorosa^  erscheint  auf 
Bildern  stets  als  Wittwe  in  dunkelblauem  Kleide  mit  weissem 
Schleier,  ältlichen  Gesichts,  kummervoll,  aber  edel  und  gott- 
ergeben, entweder  unter  dem  Kreuze  nach  dem  berühmten 
Liede  (stabat  mater  dolorosa  juxta  crucem  lacrymosa)  oder 
den  todten  Christus  auf  dem  Schoosse  haltend  (die  sogenannte 
pieta).  Die  Maler  haben  die  Situation  mannigfach  verändert; 
bald  blickt  sie  nur  im  Brustbild  weinend  gen  Himmel ,  wäh- 
rend ein  Schwert  ihr  durch's  Herz  geht,  bald  betrachtet  sie 
den  Dornenkranz  in  ihrem  Schooss,  bald  lehnt  sie  gleich 
der  religio  am  Kreuz.  Auf  einem  bewundernswürdigen  Bilde 
des  spanischen  Malers  Cano  zu  Granada  kniet  Maria  ganz 
einsam  in  tiefer  Trauer  und  betet.  Passavant,  Kunst  in  Spa- 
nien S.  105. 

Maria's  Tod.  Aus  der  Stelle  bei  Lucas  2,  35 :  „Und  es 
wird  ein  Schwert  durch  deine  Seele  dringen,^  die  nur  sym- 
bolisch zu  verstehen  ist,  leiteten  Einige  die  Fabel  ab,  die 
heih'ge  Jungfrau  habe  den  Martyrertod  durch  Enthauptung 
erlitten,  wie  Origenes,  homil.  17.  in  Lucam^  erwähnt.  Die 
Apokryphen  berichten,  sie  sey  im  Frieden  entschlafen,  und 
zwar  in  Gegenwart  sämmtlicher  Apostel,  die  auf  Gottes  An- 
trieb, ohne  zu  wissen  warum,  aus  den  entferntesten  Gegen- 
den alle  wieder  in  Jerusalem   zusammenkamen ,   um  ihrem 

7* 


100  Maria. 

heiligen  Sterben  anzuwohnen  und  sie  zu  bestatten.  Die  Le- 
gende ist  ausführlich  enthalten  in  einem  alten  Buch  de  trän- 
situ  Mariae.  Vgl.  ßinterim,  Denkw.  V.  1.  427.  Dasselbe 
enthält  das  altdeutsche  Gedicht  von  Maria  Himmelfahrt  in 
Haupts  Zeitschrift  VHI.  174. 

Mit  Recht  haben  sich  die  frommen  altdeutschen  Maler 
bemüht,  im  Tode  Maria  überhaupt  den  schönsten  Tod,  die  fried- 
lichste, ruhigste,  glücklichste  und  zugleich  edelste  Art,  zu  ster- 
ben, auszudrücken.  Auch  ist  es  ehrwürdiges  Herkommen,  die 
Sterbende  mit  der  brennenden  Kerze  in  der  Hand  und  durch 
die  Apostel  mit  allen  Sterb Sakramenten  der  Kirche  versehen, 
zu  malen.  Sie  liegt  dabei  immer  auf  einem  Ruhebett  unter 
einem  Thronhimmel.  Nur  ein  Bild  des  Martin  Schongauer 
aus  Wettenhausen,  jetzt  in  München,  weicht  ab,  indem  es 
sie  im  Gebete  knieend  sterben  lässt.  Sie  trägt  hier  den  weissen 
Wittwenschleier  und  zugleich  das  langwallende  Haar  der 
Jungfrauen.  Abgebildet  in  Otte's  Handbuch  der  Kunstarchäo- 
logie zu  S.  218.     Vgl.  V.  Rettberg,  Briefe  S.  81. 

Auf  vielen  alten  Kirchenbildern  steht  am  Bette  Mariens 
im  Moment  ihres  Sterbens  der  Heiland  und  empfängt  ihre 
unsterbliche  Seele,  die  in  Gestalt  eines  kleinen  Kindes  aus 
ihrem  Munde  kommt.  Das  ist  schon  byzantinisch.  Vgl.  Di- 
drorij  man.  p.  286.  So  ist  der  Tod  dargestellt  auf  einem  sehr 
alten  Mosaikbild  in  Maria  Maggiori.  Bunsen,  Beschr.  von  Rom 
IH.  2.  284.  Eben  so  auf  einer  Menge  von  altdeutschen  Bil- 
dern. ■ —  Inzwischen  wurde  der  Leichnam  der  Gottesmutter 
von  den  Aposteln  bestattet.  Auf  ihren  Schultern  trugen  sie 
sie  zu  Grabe ,  fanden  aber  nachher  das  Grab  offen  und  voller 
Blumen  (Zeichen  der  Jungfräulichkeit  und  Tugend),  während 
die  Jungfrau  selbst  gen  Himmel  fuhr.  Vgl.  d.  Art.  Himmel- 
fahrt. Schon  Gregorius  Turon.,  de  gloria  martyrum  I.  4., 
lehrte,  Christus  sey  am  Tage  nach  ihrer  Beerdigung  zum 
zweitenmal  vom  Himmel  herabgekommen,  um  ihren  Leib  ab- 
zuholen und  im  Himmel  mit  der  schon  vorangegangenen  Seele 
wieder  zu  vereinigen.  Das  wurde  durch  eine  Vision  der  hei- 
ligen Elisabeth  bestätigt.    Vincent.  Bellov,  spec.  hist.  VH.  80.  — 


Maria.  101 

Auf  einem  Glasgemälde  des  13ten  Jahrhunderts  betet  die  Seele 
Maria's,  in  Kindesgestalt  auf  den  Armen  des  göttlichen  Sohnes 
getragen ,  noch  zum  Abschied  den  schönen ,  todt  vor  ihr  aus- 
gestreckten jungfräulichen  Leib  an,  mit  dem  Ausdruck  des 
Erstaunens,  sich  getrennt  von  ihm  zu  sehen.  Didron,  aU" 
nales  III.  170.  Auf  Miniaturen  in  Paris  kommt  die  Seele  auch 
als  eine  Büste  vor,  die  über  die  Leiche  emporsteigt.  Vgl. 
Waagen,  Paris  S.  276,  277,  286. 

Auf  den  ältesten  Bildern  der  Kirche  ist  der  allzu  schmerz- 
hafte Ausdruck  Maria's  eben  so  vermieden,  wie  der  allzu 
freudige  oder  lächelnd  huldvolle.  Diese  schärferen  Marki- 
rungen  eines  einseitigen,  den  andern  ausschliessenden  Aus- 
druckes kamen  erst  später  auf,  indem  sich  der  alte  Typus 
der  Marienbilder  zugleich  mehr  individualisirte  und  mannig- 
fache Physiognomien  annahm.  Dasselbe  gilt  in  Bezug  auf 
das  Alter.  Die  frühesten  Bilder  hielten  die  unbestimmte  Mitte 
zwischen  Ernst  und  Freundlichkeit,  zwischen  göttlicher  Hoheit 
und  gemeiner  Menschlichkeit,  zwischen  Jungfräulichkeit  und 
Mütterlichkeit,  zw^ischen  Jugend  und  Alter.  Die  späteren 
dagegen  gingen  in  die  Extreme  auseinander,  so  dass  zu- 
letzt die  grössten  Verschiedenheiten  einander  gegenüberstan- 
den, eine  fast  verführerische  Lieblichkeit  gegenüber  dem 
hässlichsten  Schmerzausdruck  im  Gesicht  einer  alten  Frau. 

Vergleicht  man  den  schönen  und  heiligen  Typus  der 
ältesten  Marienbilder  in  den  Katakomben ,  Mosaiken  und  Mi- 
niaturen, so  muss  man  bekennen,  derselbe  lasse  eine  künst- 
lerische Durch-  und  Ausbildung  zu,  die,  ohne  ihm  etwas 
von  seiner  Heiligkeit  und  von  seinem  bestimmten  typischen 
Charakter  zu  nehmen,  allen  Erfordernissen  der  Kunst  ge- 
nügen können.  Darum  ist  es  ein  Irrthum,  das  Verlassen 
jenes  ehrwürdigen  alten  Typus  und  die  Individualisirung  der 
Marienbilder  seit  dem  löten,  noch  mehr  seit  dem  16ten  Jahr- 
hundert als  einen  grossen  Fortschritt  der  Kunst  zu  preisen. 
Nur  dadurch,  dass  die  meisten  Maler  jenen  alten  Typus  doch 
wenigstens  nicht  ganz  aufgaben,  sondern  sich  demselben  immer 
'wieder  annäherten,  hat  sich  überhaupt  der  Begriff  eines  kirch- 


lOä  Maria. 

liehen  Marienbildes  und  das  Ansehen  desselben  erhalten  kön- 
nen, sonst  würde  die  Kirchenmalerei  ganz  zur  weltlichen  Con- 
versationsmalerei  entartet  seyn. 

Es  war  falsch ,  jenen  alten  Typus  in  irgend  welche  Na- 
tionalphysiognomie hineinziehen  zu  wollen  und  uns  schöne 
Römerinnen,  Florentinerinnen,  Venetianerinnen,  am  Ende  gar 
Zigeunerinnen  als  Madonnen  zu  malen.  Es  war  eben  so 
falsch,  ja  häufig  sogar  sündhaft,  sie  einem  lebenden  Portrait 
nachzubilden.  Gab  es  doch  Kirchenfürsten,  die  sich  nicht 
entblödeten,  ihre  Maitressen  als  Madonnen  portraitiren  zu 
lassen;  und  zu  viele  Maler  wählten  zum  Modell  ihre  sehr 
irdischen  Geliebten.  Das  Interesse  aber,  welches  das  künst- 
lerische Auge  an  den  schönen  Gesichtsformen,  Augen,  Haaren, 
Teint,  Tracht  und  Schmuck  einer  irdischen  Schönen  nimmt, 
sollte  nie  verwechselt  werden  dürfen  mit  der  Andacht,  zu 
der  ein  Marienbild  auffordert.  In  dieser  Beziehung  bedurfte 
und  bedarf  die  Kirchenmalerei  einer  strengen  Reinigung  und 
Säuberung.  Alles,  was  an  weltliche  Koketterie  und  an  die 
irdische  Weiberlust  der  Künstler  erinnert,  muss  dem  Heiligen 
fern  bleiben.  Wenn  einer  der  grössten  Maler  der  Madonna 
die  röthlichen  und  wolligen  Haare  seiner  irdischen  Geliebten 
gibt  und  darum  von  allen  Kunstkennern  bewundert  wird,  so 
ist  es  doch  eine  Entweihung  des  heiligen  Gegenstandes,  solche 
persönliche  Liebhabereien  auf  ihn  zu  übertragen  und  den  alten 
Typus  der  Marienbilder  so  Villkührlich  zu  verfälschen. 

In  gleicher  Weise  unziemlich  ist  das  gemein  Natürliche, 
wenn  Maria,  aller  Hoheit  und  Heiligkeit  entbehrend,  zwar 
als  ein  unschuldiges  und  ehrliches,  aber  doch  nur  als  ein 
gemeines  Bürgermädchen  oder  wie  eine  ganz  gewöhnliche 
Hausfrau  und  Mutter  dargestellt  wird.  In  solcher  Gemeinheit 
haben  sich  nur  zu  viele  Künstler  gefallen,  sey  es,  dass  sie  selbst 
kein  höheres  Ideal  kannten  und  achteten,  sey  es,  dass  sie  es 
als  Stümper  in  der  Kunst  nur  nicht  zu  erreichen  wussten. 
Die  Maler  sind  in  der  gänzlichen  Trivialisirung  der  heiligen 
Geschichte  den  Rationalisten  lange  vorangegangen.  In  der 
That  kann  ein  Bretschneider,  Paulus  etc.  von  der  Mutterschaft 


4 


Maria.  103 

Marla's  nicht  ordinärer  denken,  wie  Andrea  del  Sarto,  der 
berühmte  Italiener,  der  noch  einer  frömmern  Zeit  angehörte 
und  doch  nirgends  die  Mutter  Gottes,  sondern  überall  nur  eine 
gemeine,  wenn  auch  immerhin  hübsche  und  zärtliche  Mutter 
gemalt  hat.  Das  ist  noch  für  eine  charitas  zu  wenig  ideal, 
geschweige  für  eine  Maria. 

Wenn  nur  die  Heiligkeit  nicht  vermisst  wird ,  sind 
Nuancen  im  Ausdruck  nicht  nur  erlaubt,  sondern  nach  Um- 
ständen auch  geboten.  Der  freudenreichen  Maria  ziemt  die 
Freundlichkeit  der  Bilder  Fiesoles ,  Leonardo  da  Vincis ,  Sas- 
soferratos  (dessen  Madonna  vorzugsweise  mater  amabilis  heisst) ; 
der  schmerzenreichen  dagegen  der  mehr  wehmüthige  Aus- 
druck, den  ihr  Fra  Bartholomeo  gegeben.  Doch  behauptet 
vor  jenem  lieblichen  Lächeln  und  vor  jener  Wehmuth  die 
Heiligkeit  den  Vorrang. 

Diese  Heiligkeit  erscheint  in  den  ältesten  Marienbildern 
in  doppelter  W^eise  ausgedrückt,  durch  Hoheit  der  Gestalt 
und  Miene,  die  ein  höheres  W^esen  verkündet,  und  zugleich 
durch  die  andächtige  Geberde  der  bittend  erhobenen  Hände. 
Diese  Bitte  ist  voll  Demuth  und  zugleich  Hoheit.  Sie  ist 
Fürbitte,  die  ganze  Haltung  hat  etwas  Priesterliches.  Die 
älteren  italienischen  Meister,  Fr.  Francia,  Perugino  und  An- 
dere, behielten  noch  viel  von  diesem  Typus  bei,  namentlich 
die  betende  Stellung  bei  der  ruhigen  Klarheit  und  gleichsam 
Göttlichkeit  der  Miene.  Erst  später  theilten  sich  die  Künstler, 
und  die  Einen  suchten  das  Pleilige  nur  noch  im  Ausdruck 
einer  rein  menschlichen  Andacht  und  Zerknirschung,  die  An- 
dern nur  im  Ausdruck  einer  Geisteshoheit  und  Genialität,  bei 
dem  die  Demuth  fehlte.  Der  grösste  und  berühmteste  Marien- 
maler, Raphael,  hielt  in  seiner  Jugend  noch  die  ältere  fromme 
Weise  seines  Meisters  Perugino  fest,  malte  aber  nachher  in 
viel  freierer  Weise  seine  Madonnen  meist  in's  Liebliche,  in 
holdlächelnde  Jungfrauen  und  seelenvolle  zärtliche  Mütter, 
und  endlich  in  ein  weibliches  Ideal  aus ,  in  welchem  der  aus 
dem  dunklen  Auge  blitzende  Geist,  der  in  der  sinnreichen 
Stirne  gewitterhaft  zuckende  Gedanke^  das  auf  den  beredten 


104  Maria. 

und  fast  trotzigen  Lippen  zurückgehaltene  Wort  nur  noch 
Anbetung  fordert,  aber  keine  mehr  leistet,  während  zugleich 
eine  warme  Sinnlichkeit ,  eine  geheime  Gluth  ihre  vollen 
italienischen  Formen  einzunehmen  scheint.  Hier  vermissen 
wir  neben  der  Hoheit  und  dem  Zauber  des  Schönen  gerade 
das  Heilige  und  den  Ausdruck  der  Demuth.  Daher  auch  die* 
Begeisterung,  mit  welcher  diese  Bilder  im  Jahrhundert  des 
Unglaubens  gepriesen  wurden,  die  Andacht  ganz  ausschloss. 
Vielen  anderen ,  überaus  frommen  Marienmalern ,  namentlich 
spanischen  und  deutschen,  ging  jener  Zauber  des  Schönen 
ab,  und  ihren  heiligen  Frauen  mangelte  der  Liebreiz.  Man 
thut  am  Besten,  gar  nicht  nach  den  Meistern  der  Bilder  zu 
fragen ,  sie  gar  nicht  aus  dem  Gesichtspunkt  der  Kunstkenner- 
schaft anzusehen,  sie  vielmehr  alle  als  unvollkommene  Copien 
eines  unerschöpflich  schönen  und  unerreichbar  heiligen  Urbil- 
des zu  betrachten  und,  was  dem  Maler  gefehlt  hat,  durch  die 
eigne  Andacht  zu  ersetzen,  wie  Andrea  d' Auria.  Dieser  fromme 
Mönch  nämlich  rettete  ein  Marienbild,  welches  einem  vor- 
nehmen Besteller  in  hohem  Grade  missfallen  hatte,  und  nahm 
es  zu  sich,  und  siehe,  in  den  Händen  des  w^ahren  und  an- 
dächtigen Verehrers  gedieh  das  vorher  hässliche  Bild  zu  wun- 
dervoller Schönheit.     Maier,  Neapel  L  135. 

In  demselben  Maass,  in  welchem  die  Künstler  die  alt- 
herkömmliche Heiligkeit  in  der  Jungfrau  Maria  verliessen  und 
ihr  eine  freiere  Bewegung  und  weltlichere  Miene  gaben ,  än- 
derte sich  auch  die  Gruppirung  der  Mutter  mit  dem  göttlichen 
Kinde.  Auf  den 'ältesten  Bildern  der  Kirche  steht  das  Kind 
vor  der  Mutter  und  wird  von  ihr  gehalten.  Später  trägt  sie 
es  stehend  auf  den  Armen,  dann  sitzend  auf  dem  Schooss, 
und  zuletzt  wird  das  Kind  schlafend,  spielend  etc.  in  den 
mannigfachsten  Situationen  von  der  Mutter  abgetrennt. 

Eine  Menge  wunderthätiger  Marienbilder,  an  eine  be- 
stimmte Oertlichkeit  gebunden,  hat  auch  besondere  Attribute. 
Viele  derselben  wiederholen  sich.  So  kennt  man  in  Deutsch- 
land und  Frankreich  gemeinschaftlich  sehr  viele  „Unsre  Liebe 
Frauen  zur  Eiche,  zur  Linde  etc.'',  weil  auf  solchen  Bäumen 


Maria.  105 

das  Bild  der  Gottesmutter  gefunden  wurde.  Aus  demselben 
Grunde  heissen  so  viele  heilige  Orte  Mariabronn,  sofern  hier 
die  Gottesmutter  im  Wasser  erschien  oder  eine  Quelle  zum 
Gesundbrunnen  weihte.  In  Gebirgen  kommen  öfter  Marienbil- 
der in  Felsen  vor,  das  berühmteste,  Notre  dame  de  la  Balme 
an  der  oberen  Rhone,  „Maria  zum  Schnee^^,  hat  einen  weit 
verbreiteten  Cultus.  Vgl.  d.  Artikel  Schnee.  Eine  Menge 
Marienkirchen  und  Kapellen  kommen  auf  Bergen  vor  und 
führen  in  den  deutschen  Gebirgen  meist  den  Namen  „Maria- 
hülf^  in  Hinsicht  auf  die  Kranken,  die  dort  Hülfe  finden. 
In  südlichen  Ländern  steht  sie  oft  in  Verbindung  mit  der 
Vegetation.  Auf  der  Insel  Chios  wird  ein  Marienbild  hoch 
verehrt,  das  in  Myrthen  gefunden  w^urde.  Rho  et  Bovius  IL 
L  20.  Zu  Sozopolis  ein  anderes,  dem  stets  köstlicher  Balsam 
aus  der  Hand  träufelt.  Gfrörer,  Kirchengesch.  III.  L  99. 
So  führen  eine  unzähhge  Menge  Marienbilder  besondere  Na- 
men von  dem  Ort,  wo,  oder  den  besonderen  Umständen,  unter 
denen  sie  gefunden  wurden.  Eine  reiche  Sammlung  dieser 
Namen  findet  man  in  Gumppenbergs  marianischem  Atlas. 

Andere  Gnadenbilder  der  Gottesmutter  tragen  den  Namen 
von  ihren  Eigenschaften  und  von  der  Art  ihrer  Hülfe.  So  Unsre 
Liebe  Frau  zum  Tröste ,  zum  Siege  {della  vittoria) ,  zum  Frie- 
den (della  pace),  zum  Erbarmen,  zur  Geduld,  zur  Hoffnung  etc. ; 
oder  von  den  Reliquien  der  Gottesmutter,  oder  von  beson- 
deren Wundern ,  die  sie  hier  verrichtet.  So  Unsre  Liebe  Frau 
vom  Schleier,  von  den  Haaren,  von  der  Milch,  vom  Gürtel  etc. 
Unsre  Liebe  Frau  vom  Briefe  zu  Messina,  weil  man  hier 
einen  Brief  von  ihr  gefunden  haben  will;  von  der  Pest  zu 
Padua,  weil  sie  hier  die  Pest  vertrieb. 

Erscheinungen  der  Gnadenmutter  kennzeichnen  viele  Hei- 
lige in  der  kirchlichen  Bildnerei.  Unter  einem  Rosenregen 
erscheint  sie  dem  heiligen  Franciscus.  Ihren  Gürtel  reicht  sie 
dem  h.  Apostel  Thomas.  Malen  lässt  sie  sich  vom  h.  Apostel 
Lucas.  Das  Messgewand  reicht  sie  dem  h.  Ildefons.  Vom 
h.  Knaben  Piermann  Joseph  nimmt  sie  einen  Apfel  an.  Die  öfter 
vorkommende  Lactation,  das  Wunder  der  Brustreichung,  das 


106  Maria. 

dem  heiligen  Bernhard,  Alanus  a  rupe  und  Anderen  wider- 
fahren, dürfte  aus  einer  nur  bildlichen  Redeform  erst  in  die 
wirkliche  Bildnerei  übertragen  worden  seyn  und  überschreitet 
in  der  sinnlichen  Darstellung  die  Schranken  des  Schicklichen. 
In  den  Kreis  unschicklicher  Bezeichnungen  gehören  auch 
viele  scholastische  Spitzfindigkeiten,  welche  die  Natur  und 
namentlich  die  unbefleckte  Empfängniss  der  heiligen  Jung- 
frau betreffen  und  die  bekanntlich  im  Jahrhundert  der  Auf- 
klärung zum  Gegenstand  rohester  Witzelei  gemacht  worden 
sind.  —  Von  lieblicher  Naivetät  ist  dagegen  wieder  die  Le- 
gende ,  in  der  Maria  als  freundliche  Wirthin  erscheint.  Zwei 
fromme  Mönche  verirrten  sich  auf  der  Wallfahrt  nach  Loretto 
zur  heiligen  Hütte  der  Gebenedeiten.  Da  im  Walde  fanden  sie, 
ohne  sie  zu  erkennen ,  dieselbe  Hütte  und  wurden  darin  von 
der  heiligen  Jungfrau  selbst,  gleichfalls  ohne  sie  zu  kennen, 
freundlich  bewirthet.     P.  Abraham,  Judas  IV.  121. 

Eben  so  zahlreich  sind  die  Bildwunder  der  Gnadenmutter. 
Hier  nur  einige  der  merkwürdigsten  und  seltensten.  Als  die 
Heiden  einst  am  Berg  Athos  ein  Fest  feierten,  schwamm  ein 
Marienbild  an's  Ufer.  Da  riefen  alle  heidnischen  Götterbilder: 
„Die  Mutter  Gottes  kommt,  fallt  vor  ihr  nieder!"  Und  alle 
Götterbilder  stürzten  nieder  und  das  Volk  mit.  Alle  Heiden 
bekehrten  sich,  und  der  Berg  wurde  der  heiligste  in  ganz 
Griechenland  und  ist  es  heute  noch.  Fallmerayer,  Orient 
IL  18.  Als  die  Heiden  in  Russland  einfielen,  trug  der  hei- 
lige Hyacinthus  eine  Statue  der  Gnadenmutter  über  das 
Wasser  des  Borysthenes  trockenen  Fusses  (16.  August). 
Einem  frommen  Landmädchen  erschien  einst  die  Gnaden- 
mutter mit  dem  Kinde,  wurde  von  ihm  auf's  Liebreichste 
bedient  und  liess  ihm  zum  Andenken  ihr  Bild  in  dem  Wasser 
zurück,  in  dem  sie  das  Kind  gebadet.  Immer  schwebte  das 
Bild  auf  dem  Wasserspiegel,  liess  sich  aber  nie  ergreifen. 
Dietrich,  Braga  VL  1.  Wetzel,  Gedichte  S.  101.  In  Turin 
verehrt  man  ein  Marienbild ,  das  von  einem  Blinden  entdeckt 
wurde,  während  kein  Sehender  es  gefunden  hatte.  Gump- 
penberg,   marian.  Atlas  I.  120,     Daselbst  Nr.  259.  wird  ein 


^ 


Maria.  107 

Marienbild  in  Lüttich  erwähnt,  durch  dessen  Anbetung  Rupert 
von  Duiz  aus  einem  Dummkopf  ein  weiser  Mann  wurde. 

Zu  Oesede  bei  Osnabrück  ist  ein  Marienbild,  das  jede 
reine  Jungfrau  tragen  kann ,  aber  centnerschwer  wird ,  wenn 
eine  unkeusche  es  berührt.  Auch  eine  Alabasterstatue  der 
Maria  zu  Ettal,  von  Engelhänden  gemacht,  wird  um  so  schwerer, 
je  mehr  der  gesündigt  hat,  der  sie  aufhebt.  Schrank,  bayr. 
Reise  S.  71.  Zu  Stein  in  Böhmen  erbleicht  ein  Marienbild, 
so  oft  ein  Sünder  in  die  Kirche  tritt.  Kaltenbäk  S.  172.  Das 
Bild  der  schönen  Maria  bei  Scharten  bleibt  immer  rein  und 
kann  nie  befleckt  werden.  Das.  S.  119.  •  Als  ein  Marienbild 
im  Wisperthal  in  Wallis  von  einem  Bösewicht  mit  Koth  be- 
worfen wurde,  fuhr  es  hoch  am  Felsen  empor  und  blieb  fortan 
unerreichbar.  Einem,  der  sich  an  einem  Strick  von  oben  zu 
dem  Bild  herablassen  wollte ,  wurde  der  Strick  zuletzt  faden- 
dünn, so  dass  er  um  Gotteswillen  bat,  ihn  wieder  aufzu- 
ziehen. Grimm,  d.  S.  Nr.  347.  Zu  dem  Marienbild  auf  der 
Eiche  in  Maria  Taferl  sollen  einmal  die  Engel  in  Prozession 
gewallfahrtet  seyn.  Kaltenbäk  S.  189.  Als  ein  Madonnen- 
bild am  Ufer  der  Nordsee  ausgeworfen  war,  konnte  kein 
Schiff  vorbei ,  bis  man  dem  Bild  eine  Kapelle  errichtet  hatte. 
Wolf,  niederl.  Sagen  Nr.  169.  170.  In  der  Franciscanerkirche 
zu  Prag  hielt  ein  Marienbild  den  Dieb  fest,  der  es  berauben 
wollte.     Kaltenbäk  S.  101. 

Wenn  im  Passeier -Thale  in  Tirol  ein  Kind  todt  geboren 
wird  oder  ungetauft  stirbt ,  tragen  es  die  Eltern  zum  Mutter- 
gottesbild in  Trens  und  legen  es  vor  dem  Bilde  nieder.  Da 
schlägt  das  Kind  die  Augen  wieder  auf,  und  in  diesem  Mo- 
mente wird  es  getauft.  Gleich  darauf  stirbt  es,  ist  aber  nun 
selig.     Beda  Weber,  Passeier  S.  152. 

Anna  Dulliker,  eine  arme  Wittwe  in  Zofingen  in  der 
Schweiz,  erflehte  zur  Pestzeit  1519  für  sich  und  ihre  Kinder 
vor  einem  kleinen  Bildhüsly  (Muttergottesbild  in  einer  Ka- 
pelle) Gesundheit  und  erhielt  sie.  Bald  darauf  wurden  in 
der  Reformation  alle  Bilder  zerstört;  aus  Dankbarkeit  aber 
rettete  die  arme  Wittwe  jenes  Bild  und  schleppte  es  mühsam 


108  Maria. 

fort ,  und  als  sie  einmal  ausruhte  und  ihr  Kind  Blumen  suchte, 
fand  es  unter  dem  Bilde  ein  Geldstück,  und  da  sie  weiter  nach- 
suchte, kam  ein  grosser  Schatz  zu  Tage,  der  sie  auf  immer 
von  Sorgen  befreite.  Das  Bild  aber  brachte  sie  glücklich 
nach  Sursee,  wo  es  noch  hoch  verehrt  wird.  Hormayr,  Ta- 
schenbuch von  1835.  S.  302. 

Eichel,  ein  Dorf  am  Main,  entstand  um  eine  einsame 
Kapelle,  „Maria  zur  Eiche",  als  Wallfahrtsort.  Hier  floh  einst 
ein  Lamm  vor  einem  Wolf  in  die  Kapelle ,  lief,  als  der  Wolf 
nachstürzte,  schnell  zurück  und  riss  im  Laufen  den  Strick 
der  Thüre  mit  sich  fort,  so  dass  diese  zufiel  und  der  Wolf 
gefangen  war.  Daher  das  Sprichwort :  „In  Eichel  fängt  das 
Schaf  den  Wolf '^  Schnetzler,  bad.  Sagenbuch  IL  647.  Das- 
selbe geschah  zu  Seebach,  Bechstein,  Sagenschatz  d.  Thü- 
ringerlandes IL  151. 

Ungemein  phantastisch  ist  die  Erscheinung  der  „schönen 
Maria '^  zu  Regensburg.  Im  Jahre  1519  predigte  Hubmeir 
daselbst  so  eindringlich  gegen  die  Juden  und  so  feurig  für 
die  Mutter  Gottes,  dass  sich  des  Volkes  ein  unwiderstehlicher 
Drang  bemächtigte,  die  Juden  aus  der  Stadt  zu  jagen,  ihre 
Synagoge  niederzureissen ,  diese  unreine  Stätte  zu  weihen  und 
auf  ihr  der  „schönen"  Maria  eine  Kirche  zu  erbauen.  Auch 
vom  Lande  drängte  sich  Alles  herbei,  Opfer  zu  bringen,  und 
Viele  liessen  ihre  letzten  Kleider  in  der  Kirche  zurück,  weil 
sie  nichts  Anderes  hatten,  es  für  sie  zu  opfern.  Gemeiners  Re- 
gensb.  Chronik  IV.  352  f.    Hormayr,  Taschenb.  1843.  S.  176. 

Einen  eigenthümlichen  Reiz  hat  das  Marienbild  in  der 
Stephanskirche  zu  Wien,  das  vorzugsweise  von  Dienstboten 
bekränzt  und  verehrt  wird.     Carus,  Mnemosyne  S.  137. 

Als  der  Mönch  Tutelo  von  Metz  die  Madonna  malte, 
stand  sie  unvermerkt  hinter  ihm  und  leitete  seine  Hand.  Maler 
Pomis  in  Graz  hatte  sie  so  schön  gemalt ,  dass  er  mehr  Geld 
für  das  Bild  forderte,  als  ausbedungen  war.  Da  erblindete 
er,  die  Madonna  selbst  aber  malte  das  unvollendete  Bild 
fertig  und  machte  ihn  dann  wieder  sehend.  Kaltenbäk,  Ma- 
riensagen S.  143, 


Maria.  109 

Den  unendlichen  Reichthum  der  Wunder  und  der  sym- 
bolischen Beziehungen  Marias,  der  sich  durch  viele  Jahr- 
hunderte und  über  alle  Länder  vertheilt,  an  Einen  Ort  und 
in  Eine  Feier  zu  concentriren ,  ist  unmöglich.  Nur  die  grie- 
chischen Christen  haben  es  versucht  auf  dem  Berg  Athos,  der 
voller  Kirchen  und  Klöster  ist.  Hier  hat  Maria  von  ihrer 
Geburt  bis  zu  ihrer  Himmelfahrt  auf  jeder  Stufe  ihres  Wan- 
dels, ferner  nach  jeder  ihrer  Tugenden,  Freuden  und  Schmer- 
zen, und  nach  den  hervorragendsten  Wundern,  die  sie  ver- 
richtet, besondere  Altäre  und  einen  besondern  Cultus,  so  wie 
auch  die  Farben  und  Formen  ihrer  Bekleidung  und  Aus- 
schmückung auf's  Mannigfaltigste  empfangen.  Didron,  annales 
IV.  83  f.  —  In  Loretto,  wo  das  von  Engeln  aus  dem  hei- 
ligen Lande  an  die  apulischen  Küsten  getragene  Haus  der 
Maria  verehrt  wird,  herrscht  wenigstens  in  den  an  ihrem 
Altar  niedergelegten  Weihgeschenken  eine  unendliche  Man- 
nigfaltigkeit von  symbolischen  und  historischen  Beziehungen. 
—  Auch  bei  den  grossen  Marienfesten  und  den  dabei  Statt 
findenden  Prozessionen  befleissigt  man  sich,  namentlich  im 
Süden  Europa's  und  Amerika's,  die  Gnadennmtter  in  den 
mannigfachsten  Beziehungen  zu  verehren  und  ihr  die  reich- 
sten Attribute  beizulegen.  Jeder  Stand,  jede  Zunft  zieht 
mit  besonderen  Emblemen  und  Sinnsprüchen  auf.  Eine  eigen- 
thümliche  Erscheinung  dabei  ist  der  „marianische  Liebhaber'^, 
ein  Jüngling,  der  sich  dem  Dienst  Maria's  ausschliesslich 
gewidmet  hat  und  in  der  köstlichsten  Kleidung  und  Aus- 
schmückung an  der  Prozession  Theil  nimmt ,  in  welchem  die 
kindliche,  volksthümliche  Liebe  zur  heiligsten  Mutter  sich 
personificirt. 

An  die  verschiedenen  Frauentage  oder  Feste  Maria's  im 
Jahr,  so  wie  an  die  täglichen  Andachten  und  Hören  ver- 
theilen  sich  die  vornehmsten  Erinnerungen  an  ihr  Leben,  wie 
die  wichtigsten  symbolischen  Züge.  Die  Sänger  der  Marien- 
lieder haben  allezeit  mit  den  Malern  gewetteifert ,  sie  zu  ver- 
herrlichen und  den  ganzen  Reichthum  der  christlichen  Poesie 
zu  entfalten,  der  durch  die  All  erseligste  bedingt  ist. 


110  Marien,    die   drei. 

Schliesslich  noch  das  Anagramm  ihres  Namens: 

M  —  Mater  misericordiae. 

A  —  Advocata  adßictorum. 

R  —  Ref'uglmn  redeuntium. 

I  —  Juventrix  indtdgentiae, 

A  —  Amica  angelorum. 
Der  minder  erheblichen,  zum  Theil  abgeschmackten 
Wort-  und  Sinnbildspielereien,  wie  sie  einmal  im  sieben- 
zehnten Jahrhundert  Mode  wurden  und  daher  auch  alles 
Kindische  einer  Modesache,  unwürdig  eines  heiligen  Gegen- 
standes, annahmen,  glaube  ich  hier  nicht  näher  gedenken  zu 
müssen.  Sie  verhalten  sich  wie  der  modische  Putz  der  Reif- 
röcke und  gepuderten  Frisuren,  womit  man  gleichfalls  die 
Gnadenmutter  ausstatten  zu  müssen  wähnte. 


Marien,    die  drei. 

Die  drei  Marien,  die  nach  Marcus  16,  1.  Weihrauch  und 
Wohlgerüche  zum  heiligen  Grabe  bringen,  sind  Maria  Mag- 
dalena; Maria,  Schwester  der  heiligen  Jungfrau  und  Gattin 
des  Kleophas ;  Maria  Salome ,  Mutter  der  Apostel  Jakob  und 
Johannes.  Vgl.  Didron^  memoires  II.  113.  Sehr  oft  bildlich 
dargestellt ,  am  schönsten  an  dem  heiligen  Grab  in  Reutlingen, 
abgebildet  in  den  Jahrbüchern  des  Württemb.  Alterthums- 
vereins  1847.  Hier  stehen  die  drei  Marien  in  wunderbarer 
Schönheit  und  Heiligkeit  über  dem  Grabe ,  neben  ihnen  aber 
Johannes  der  Evangelist.  Vgl.  auch  Görres,  Meisterlieder  S.  317. 

St.   Martin, 

der  berühmteste  Heilige  in  Frankreich,  war  ein  heidnischer 
Krieger,  als  ihm  einmal  ein  armer  Bettler  ohne  Kleid  im 
harten  Winter  begegnete.  Sogleich  schnitt  er  seinen  Mantel 
mitten  entzwei  und  reichte  von  seinem  Ross  herab  dem  Bettler 
die  Hälfte.  Dieser  aber  war  Christus  selbst,  oder  Christus 
erschien  ihm  doch  gleich  darauf  mit  dem  halben  Mantel  an- 
gethan   in   den  Wolken   und   sagte:    „Was   du   dem  armen 


i 


St.  Martin.  111 

Manne  gethan,  das  hast  du  mir  gethan.^  Da  bekehrte  sich 
Martin  zum  Christenthum ,  und  wurde  ein  grosser  Heiliger. 
Als  Bischof  von  Tours  übte  er  grossen  Einfluss  auf  die  Chri- 
stianisirung  Galliens,  bekehrte  viele  Heiden,  zerstörte  Tem- 
pel etc.  Man  erzählt  viele  kleine  Wunder  von  ihm.  Einmal, 
als  er  Messe  las,  schv^ebte  die  Hostie  auf  und  glänzte  über 
seinem  Haupt,  wie  eine  Sonne.  Einen  Aussätzigen  heilte  er 
durch  einen  Kuss.  Ein  Hase  flüchtete  zu  ihm  vor  den  Hunden. 
Als  er  einen  heiligen  Baum  der  Heiden  fällen  Hess,  stellte 
er  sich  auf  die  Seite,  wo  der  Baum  hinfallen  sollte,  machte 
aber  nur  das  Kreuz  und  der  Baum  fiel  auf  die  andere  Seite. 
Als  er,  von  einem  Heiden  verwundet,  ganz  allein  liegen 
blieb,  pflegte  ihn  ein  Engel.  Der  Teufel  erschien  ihm  in 
Gestalt  des  Jupiter,  der  Venus  und  anderer  Götter  und 
Göttinnen ,  ja  endlich  in  der  Gestalt  Jesu  selbst ,  entfloh  aber, 
als  Martinus,  den  Betrug  merkend,  die  Wundenmale  suchte. 
Als  er  vor  Valentinian  erschien,  glaubte  dieser  als  Kaiser 
wohl  sitzen  bleiben  zu  dürfen,  aber  auf  einmal  wurde  ihm 
der  Stuhl  glühend  heiss  und  geschwind  stand  er  auf.  Einst 
sah  er  Christen  beten  am  Grabe  eines  vorgeblichen  Heiligen ; 
aber  auch  hier  bewährte  sich  sein  Scharfblick:  er  zwang 
die  Seele  des  hier  Begrabenen,  sich  zu  stellen,  und  sie  ge- 
stand, einem  Strassenräuber  und  nicht  einem  Heiligen  ange- 
hört zu  haben.  Als  er  starb,  hörte  sein  Freund  Bischof 
Severin  in  Köln  aus  weiter  Ferne  mit  seinen  Mönchen  den 
Gesang  der  Engel.  Wo  die  Leiche  des  Heiligen  durch's  Land 
geführt  wurde,  grünte  und  blühte  Alles,  wie  im  Frühling, 
obgleich  er  am  11.  November  starb. 

Unter  den  Reliquien  des  Heiligen  genoss  die  höchsten 
Ehren  sein  gallischer  Rock  mit  Kaputze  (cappa).  Dieses  Kleid 
wurde  an  seinem  Fest  in  Prozession  herumgetragen  und  die 
Träger  hiessen  capellani,  der  Ort,  wo  es  aufbewahrt  wurde, 
capeUa,  Davon  gingen  die  Namen  Capeliane  und  Capelle  auch 
auf  andere  Kirchen  und  Heiligthümer  über.  Die  merovingischen 
Könige  trugen  die  Cappa  in  Schlachten,  um  den  Sieg  zu  erringen. 
Vgl.  Legenda  aurea,  ed.  Graesse  p.  759.  Du  Cange,  glossar,  U.  211. 


11^  St.   Mairtin. 

Das  Ansehen  dieses  Heiligen  war  so  gross,  dass  ihm 
allein  unter  denen ,  die  nicht  martyres,  sondern  nur  confessores 
waren,  eine  Octave  oder  Festwoche  gewidmet  wurde.  Durandi^ 
rat.  offic.  VII.  37.  Dieses  Ansehen  erklärt  sich  hinreichend 
aus  dem  wichtigen  Einfluss,  den  er  auf  die  Bekehrung  Gal- 
liens und  auf  die  Consolidirung  der  Kirche  in  Frankreich 
übte,  wie  denn  auch  die  Hauptzüge  in  seiner  eben  mitge- 
theilten  Legende  die  Hauptgegensätze  des  Christenthums  und 
Heidenthums,  der  Kirche  und  des  weltlichen  Kaiserthums, 
der  guten  Werke  und  des  menschlichen  Elends,  der  wahren 
Heiligkeit  und  der  Scheinheiligkeit  betreffen,  so  dass  Martin 
recht  im  Centro  der  kirchlichen  Idee  und  des  kirchlichen 
Lebens  steht. 

Sankt  Martins  Sommer  nennt  man  in  England  einen 
schönen  Spätherbst.  Shakespeare,  Heinrich  VI.  erster  Theil, 
Act  I,  Scene  2.  Le  mal  de  St  Martin  ist  die  Trunkenheit, 
weil  man  im  Spätherbst  den  neuen  W^ein  trinkt.  Leroux, 
dict.  comique  s.  v.  Uebrigens  unterscheidet  man  den  Todestag 
des  Heiligen,  11.  November,  als  Martinus  frigidus  vom  4.  Juli, 
seiner  Ordination  und  Kirchweihe ,  der  Martinus  calidus  heisst. 
Otte,  Kunstarchäol.   S.  136. 

Es  ist  indess  kein  Zweifel,  dass  von  Seiten  der  Neube- 
kehrten viel  Heidnisches  in  seinen  Cultus  aufgenommen  wurde. 
Sein  Fest  im  Spätherbst  fällt  mit  einem  altern  grossen  Jahres- 
fest der  Heiden  zusammen,  an  welchem  der  Abschied  der 
guten  Jahreszeit  und  der  Beginn  des  V^inters  gefeiert  wurde. 
In  der  griechischen  Kirche  beginnt  von  Martini  an  ein  vierzig- 
tägiges Fasten.  Das  Volk  pflegt  daher  an  diesem  Tage  noch 
einmal  sich  recht  voll  zu  essen  und  zu  trinken.  In  der 
abendländischen  Kirche  wurde  nun  zwar  dieses  Fasten  auf- 
gehoben, aber  die  Völlerei  nichts  desto  weniger  am  Martins- 
tage beibehalten,  wahrscheinlich  in  Folge  einer  altern  heid- 
nischen Gewohnheit,  an  diesem  Tage  zu  schwelgen.  Vgl. 
Strauss,  Kirchenjahr  S.  30.  377.  Alt,  christl.  Cultus  S.  527. 
Insbesondere  ass  man  und  isst  man  noch  am  Martinsabend 
die  Martinsgänse    (wie   denn   die   Gänse  um   diese   Zeit  am 


St.  Martin.  118 

wohlschmeckendsten  sind).  Die  noch  im  Volk,  sonderlich  bei 
den  Kindern  üblichen  Martinslieder  wurden  von  Armen  ge- 
sungen, die  vor  den  Thüren  der  Kirchen  um  Speise  und 
Trank  baten,  um  das  Fest  mitfeiern  zu  können.  In  Nord- 
deutschland bäckt  man  an  diesem  Tage  die  sogenannten 
Martinshörner,  ein  Gebäck  in  Hornform,  was  man  auf  die 
Trinkhörn  er  des  altdeutschen  Donnergottes  bezogen  hat,  die 
auf  heidnischen  Runenkalendern  den  Martinstag  bezeichnen. 
Nach  der  nordischen  Olaf  Tryggvasons  Saga  24.  gebot  König 
Olaf  bei  einem  grossen  Heidenfeste,  den  Becher  nicht  mehr 
zu  Ehren  des  Gottes  Thor,  sondern  des  heiligen  Martin  zu 
leeren.  Ich  glaube  hier  das  Heidnische  in  der  Martinsfeier 
nicht  weiter  verfolgen  zu  sollen,  und  verweise  auf  Marks 
Geschichte  des  Martinsabends  und  Simrocks  Martinslieder. 

Martinus  wird  als  Bischof  gemalt  oder  als  Ritter  auf 
weissem  Rosse  mit  dem  Mantel.  Auch  erkennt  man  ihn  an 
der  mit  Sonnenstrahlen  über  seinem  Haupte  schwebenden 
^ostie,  die  wohl  nicht  blos  aus  einem  Vorfall  in  seiner  Le- 
gende zu  erklären  ist,  sondern  seine  grosse  Bedeutung  für 
die  Kirche  überhaupt  andeuten  soll,  mahnend  an  die  über 
Christo  bei  der  Taufe  schwebende  Taube  und  an  die  Worte: 
„Dies  ist  mein  lieber  Sohn,  an  dem  ich  Wohlgefallen  habe.'' 
Ein  seltsames  Bild  in  der  Kathedrale  zu  Chartres  stellt  den 
Heiligen  nackt  mit  der  Bischofsmütze  und  gefalteten  Händen 
in  einer  grossen  Glorie  dar.  Didron,  icon.  p.  128.  Das  be- 
deutet aber  nur  seine  Seele,  denn  Seelen  wurden  immer  als 
nackte  kleine  Kinder  dargestellt. 

Nach  der  Legende  ist  einmal  der  Teufel  dem  heiligen 
Martin  erschienen  und  hat  die  Gestalt  des  Heilands  selber 
angenommen,  um  ihn  desto  gewisser  zu  täuschen  und  irre 
zu  führen ;  aber  Martin  erkannte  sogleich  an  der  Ueberladung 
mit  königlichem  Purpur  in  des  falschen  Heilands  Gewandung 
und  an  der  gravitätischen  Majestät  desselben,  wen  er  vor 
sich  habe ,  und  bannte  ihn  von  dannen.  Judas  von  P.  Abra- 
ham IV.  395. 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  3 


114  St.  Matthäus. 


St.   Matthäus, 

der  Evangelist,  war  ursprünglich  ein  Zöllner,  bis  der  Herr 
ihm  zurief:  „Folge  mir!"  Er  gehört  also  der  moralisch  nie- 
drigsten Schicht  der  Gesellschaft  an,  er  repräsentirt  die  ganze 
Menschheit  überhaupt,  die  durch  den  Messias  aus  ihrer  Nie- 
drigkeit erhoben  werden  sollte,  sofern  sie  ihm  zu  folgen 
bereit  und  willig  war.  Daher  ist  des  Matthäus  Gepräge  auf 
Kirchenbildern  ein  einfaches.  Er  sieht  nicht  stolz,  nicht 
majestätisch,  aber  treu,  verständig,  ehrlich  aus.  Sein  Attribut 
ist  ein  geflügelter  Mensch,  zum  Unterschied  von  dem  geflü- 
gelten Löwen,  Ochsen  und  Adler  der  drei  andern  Evangelisten. 
Vgl.  den  Artikel  Cherubim  und  Evangelisten.  Das  Attribut  des 
Menschen  kommt  ihm  zu,  weil  sein  Evangelium  mit  der  Stamm- 
tafel Christi  beginnt;  im  mystischen  Sinne  aber  um  so  mehr, 
als  er  selbst  die  für  das  Christenthum  empfängliche,  durch 
dasselbe  erhobene  und  geläuterte  gemeine  Menschheit  personi- 
ficirt.  Ein  zu  Kentheim  befindliches  Bild  gibt  dem  geflügelten 
Menschen  neben  dem  Evangelisten  sieben  Augen,  was  nicht 
im  ursprünglichen  Begriff  liegt,  sondern  von  der  Engelnatur 
der  Cherubim  entlehnt  ist.    Vgl.  Kunstblatt  1840,  S.  402. 

In  der  Apostelgeschichte  des  Abdias  ist  ausführlich  von 
des  Matthäus  Schicksalen  nach  Jesu  Tode  gehandelt.  Er  ging 
zu  den  Parthern  und  verrichtete  viele  Wunder  und  Bekeh- 
rungen, überwand  die  Magier  etc.  Einst  schickte  man  zwei 
Drachen  wider  ihn  aus ,  die  aber  zu  seinen  Füssen  einschliefen. 
Die  von  ihm  bekehrte  schöne  Prinzessin  Iphigenia  wurde  von 
dem  grausamen  Heidenkönig  Hirtacus  begehrt.  Als  sie  ihn 
verschmähte ,  Hess  er  den  Heiligen  am  Altar  mit  dem  Schwert 
durchstossen.  21.  September.  Nach  einer  andern  Nachricht  ist 
er  gesteinigt,  nach  einer  dritten  gekreuzigt  worden.  Hirtacus 
wollte  darauf  auch  Iphigeniens  Kloster  in  Brand  stecken, 
allein  das  Feuer  ergriff  seinen  eigenen  Pallast  und  er  brachte 
sich  in  der  Verzweiflung  selber  um.  In  altdeutschen  Versen  hat 
die  Legende  das  alte  Passional,  herausg.  von  Hahn  1844,  S.  295. 


Mauer.  115 


St.    Mathias, 

der  Apostel ,  predigte  nach  Jesu  Tode  in  Galiläa  und  wurde 
von  den  Juden  gesteinigt.  24.  Februar.  In  dem  altdeutschen 
Passional  (herausgegeben  von  Halm,  S.  312)  w^ird  eine  wun- 
derliche Legende  von  Mathias  erzählt.  Da  heisst  er  Judas, 
ist  das  ausgesetzte  Kind  des  Rüben  und  der  Cyborea,  kommt 
später  in  des  Pilatus  Dienst ,  wird  dessen  Liebling ,  erschlägt 
unter  einem  Apfelbaum  seinen  Vater,  der  ihm  die  Aepfel 
nehmen  wollte,  ohne  ihn  zu  kennen,  heirathet  sodann  seine 
eigne  Mutter,  ohne  sie  zu  kennen,  und  erfährt  jetzt  erst, 
wie  Alles  gekommen  ist.  Da  thut  er  Busse  und  folgt  Christo 
nach.    Sein  Attribut  ist  ein  Stein. 


Mauer, 

Sinnbild  der  trennenden  Gewalt  im  Räume,  des  Schutzes. 
Sofern  aber  das  Böse  nie  zum  Schutz  gereichen  kann,  stürzen 
die  festesten  Mauern  ein,  die  es  sich  aufgerichtet.  So  die 
Mauern  von  Jericho  vom  blossen  Posaunenschall  der  Gläu- 
bigen. In  gleicher  Weise  stürzen  die  Kerkermauern,  in  der 
St.  Paulus  eingeschlossen  ist,  durch  ein  Erdbeben  ein,  oder 
werden  die ,  in  denen  Petrus  gefangen  sitzt ,  durch  den  Engel 
geöffnet.  Der  heilige  Germanus  stiess  zu  Bajeux  mit  dem 
blossen  Fusse  eine  dicke  Mauer  ein,  als  man  die  Gefangenen 
nicht  freigeben  wollte,  um  die  er  bat.  Babolenus,  Abt  zu 
St.  Maur  de  Faussez  in  Frankreich  im  7ten  Jahrhundert, 
lebte  so  fromm,  dass  nach  seinem  Tode  die  Mauer,  die  sich 
zwischen  seinem  Grabe  und  dem  Grabe  der  Madonna  in  der 
nahen  Kirche  Unsrer  Lieben  Frau  befand,  unmerklich  ver- 
schwand und  sein  Grab  dicht  neben  das  ihrige  rückte.  26.  Juni. 
Dagegen  entstehen  auch  wieder  plötzlich  Mauern  zum 
Schutz  der  Heiligen.  St.  Marciana,  eine  fromme  mauritanische 
Jungfrau,  wurde  als  Christin  verfolgt  und  sollte  von  Gla- 
diatoren geschändet  werden,   als  sich  plötzlich  zwischen  ihr 

8* 


116  Maus. 

und  ihnen  eine  liohe  Mauer  aufriclitete.  Nachher  wurde  sie 
im  Amphitheater  den  wilden  Thieren  vorgeworfen ,  von  einem 
Stier  verschont,  aber  von  einem  Leoparden  zerrissen.  9.  Juni. 
Besungen  von  Bönecke. 

Maus, 

Attribut  der  heiligen  Gertrud,  weil  sie  die  Mäuse,  die  das 
Feld  verwüsteten ,  vertrieben  haben  soll.  Byckel^  hist  S.  Ger- 
trudis  1637.  Doch  bemerkt  Molanus  [hist.  imag.  p.  267.),  die 
Maus  habe  in  Bezug  auf  die  Heilige  auch  die  Bedeutung  des 
Teufels.  Was  sich  vom  heidnischen  Aberglauben  an  den 
Cultus  der  heiligen  Gertrud  knüpft,  will  ich  hier  übergehen. 
Auch  der  heilige  Nicasius  wird  als  Vertreib  er  der  Mäuse 
verehrt.    Rockenphilosophie  11.  81. 

Auch  in  der  christlichen  Legende  haben  die  Mäuse  zu- 
weilen eine  gute  Bedeutung.  So  verdankt  der  berühmte 
Wallfahrtsort  Andechs  seinen  Ruhm  eigentlich  den  Mäusen; 
denn  nachdem  die  dort  aufbewahrten  heiligen  Reliquien  zur 
Humienzeit  abhanden  gekommen  waren  und  nicht  mehr  ge- 
funden werden  konnten,  zerrten  Mäuse  das  Verzeichniss  und 
den  Nachweis  derselben  aus  ihrer  unterirdischen  Wohnung 
herbei.  —  Bekanntlich  sind  auch  das  Wahrzeichen  der  Stadt 
Lübeck  einige  Mäuse,  die  unter  dem  Tafeltuch  des  Abend- 
mahls hervorsehen. 

^  M  e  e  r , 

Sinnbild  der  irdischen  Welt,  des  niedern  Natürlichen,  worin 
wir  versinken  und  dem  ewigen  Tode  verfallen ,  wenn  uns  der 
Glaube  und  Gottes  Gnade  nicht  retten.  Dieses  Versinken 
im  Meer  traf  die  ganze  sündige  Menschheit  in  der  Sündfluth. 
Auf  diese  Symbolik  bezieht  sich  auch  das  rettende  Schiff  der 
Kirche,  nachgebildet  der  Arche  Noä.  Desgleichen  die  herr- 
lichen Stellen  im  Evangelio,  die  eine,  die  uns  den  Heiland 
ruhig  schlafend  im  Schiffe  zeigt,  während  die  Jünger  des 
schrecklichen  Sturmes  auf  dem  Meere  wegen  verzagen  (Matth. 


Meer.  117 

8,  23.)  ,*  die  andere ,  in  welcher  der  Heiland  über  den  See 
wandelt  und  Petrus  ihm  aus  dem  Schiff  entgegenkommt ,  aber 
plötzlich  in  Furcht  geräth  und  aus  Mangel  an  Glauben  eben 
untersinken  will,  als  Christus  ihm  zuruft:  ^^Kleingläubiger !^ 
und  ihn  rettet.    Matth.  14,  30. 

Der  Durchgang  durch's  rothe  Meer  wurde  im  christlichen 
Sinne  als  Vorbild  der  Taufe  genommen.  Die  Wolken-  und 
Feuersäule  wurde  dargestellt  durch  die  grosse  Osterkerze, 
und  diese  steckte  man  zur  Weihe  des  Taufwassers  in's  Wasser. 
Rippel,  Alterthumb  der  Cäremonien  S.  93.  Man  dachte  beim 
rothen  Meere  auch  an  die  fünf  Wunden  des  Heilands ,  durch 
welche  die  Menschheit  erlöst  worden.  Fortlage,  christliche 
Gesänge  S.  88.  Schon  Jesaias  51,  10.  bezog  den  Durchgang 
durch  das  rothe  Meer  auf  den  Pilgerweg  durch  die  Trübsal 
der  Welt  zum  himmlischen  Zion.  Daher  findet  sich  dieser 
Durchgang  häufig  auf  den  altchristlichen  Gräbern  der  Kata- 
komben. Aringhi  I.  331.  Auch  neben  der  Himmelfahrt  des 
Elias,  d'  Ägincourt,  sculpt  22.  —  Man  darf  auch  nicht  ver- 
gessen, dass  dem  Durchgang  Mosis  durch  das  rothe  Meer 
unmittelbar  das  herrliche  Sieges-  und  Danklied  (2.  Mos.  15.) 
folgt,  welches  Vorbild  der  Psalmen  wurde,  wie  das  himm- 
lische Hallelujah. 

Das  rothe  Meer  soll  seinen  Namen  vom  Blut  der  damals 
umgekommenen  Aegypter  haben.  Photius  bemerkt  (Ausgabe 
von  1611,  S.  1323),  die  Farbe  komme  von  den  starken 
Morgenröthen  her.  Ehrenberg  fand  rothe  Kryptogamen  in 
solcher  Menge  darin ,  dass  das  Wasser  davon  röthlich  schien. 
Poggendorf,  Annalen  1830,  Nr.  4,  bestätigt  durch  Mortagne 
in  Frorieps  neuen  Notizen  1844,  Nr.  702. 

Ueber  das  sogenannte  eherne  Meer  im  Tempel  zu  Jeru- 
salem, ein  ungeheurer  Reinigungskessel  für  die  Priester, 
vgl.  Bahr,  salom.  Tempel  S.  231.  Rupertus  Tuit.  293.  ver- 
gleicht die  zwölf  Stiere,  die  es  tragen,  mit  den  Aposteln, 
und  das  Meer  selbst  mit  der  Taufe. 

Die  Schiffer  auf  dem  Meere  rufen  die  heilige  Jungfrau 
als  maris  Stella  um  Schutz  an,  mit  Beziehung  auf  den  Morgen- 


118  Melchisedek. 

Stern,  welcher  den  Tag  bringt,  und  auf  den  Stern,  welcher 
den  heiligen  drei  Königen  nach  Bethlehem  leuchtete,  die 
Geburt  dessen  verkündend,  durch  den  die  Menschheit  aus 
dem  Angstmeer  der  Welt  erlöst  werden  sollte.  Patron  der 
Schiffer  ist  auch  St.  Elmo.  Vgl.  den  Artikel  Elmsfeuer. 
Hauptsächlich  aber  der  heilige  Nicolaus.  —  Kirchliche  Weihen 
des  Meeres  haben  den  Zweck,  dämonische  Gefahr,  die  in 
ihm  lauert ,  zu  bannen ,  und  es  zum  Dienst  der  Gläubigen  zu 
weihen.  Die  grosse  Wasserweihe  der  griechischen  Kirche  in 
St.  Petersburg  bezieht  sich  auf  die  Weihung  des  Elementes 
überhaupt.  Die  an  der  Küste  der  Bretagne  hat  insbesondere 
Abwehr  der  Gefahr  für  die  Schiffer  zum  Zweck.  Vgl.  Aus- 
land 1845,  S.  516.  Die  ehemalige  Vermählung  des  Dogen  von 
Venedig  mit  dem  Meer  durch  einen  Ring,  womit  jährlich  die 
Herrschaft  Venedigs  über  das  Meer  erneuert  wurde ,  hat  eine 
spezielle  Beziehung  zum  heiligen  Marcus,  als  Patron  von 
Venedig.  Sieh  Marcus.  —  Wen  es  interessirt,  zu  wissen,  dass 
die  ältesten  christlichen  Bildwerke  zuweilen  noch  einen  antiken 
Triton,  einen  Greis  oder  eine  Nymphe  mit  der  Krone  als 
Personification  des  Meeres  brauchten,  mag  sich  in  Pipers 
Myth.  n.  97  f.  darüber  Raths  erholen.  Mir  scheinen  solche 
gelehrte  Notizen  für  die  christliche  Idee  unfruchtbar. 

Melchisedek, 

der  Priester,  welcher  nach  1.  B.  Mos.  14,  18.  dem  Abraham 
nach  dessen  siegreicher  Rückkehr  von  Damaskus  Wein  und 
Brodt  brachte  und  dafür  den  Zehnten  von  ihm  empfing.  Ein 
Vorbild  des  Opfers  im  Abendmahl  und  des  Verhältnisses, 
in  welchem  Kirche  und  Staat  zu  einander  stehen  sollen. 
Nach  dem  Hebräerbrief  7,  2  f.  ist  Melchisedek  „ein  König 
der  Gerechtigkeit ,  ein  König  zu  Salem  (worin  man  das  spä- 
tere Jerusalem  hat  erkennen  wollen),  d.  i.  ein  König  des 
Friedens;  ohne  Vater,  ohne  Mutter,  ohne  Geschlecht,  und 
hat  weder  Anfang  der  Tage  noch  Ende  des  Lebens.  Er  ist 
aber  vergleichet  dem  Sohne  Gottes  und  bleibt  Priester  in 


i 


Messe.  119 

Ewigkeit^.  Als  ^ewiger  Priester^  ist  er  auch  Psalm  HO,  4. 
bezeichnet.  Er  ist  mithin  Vorbild  des  königlichen  Priester- 
thums  Jesu  Christi  und  der  Kirche  in  jenem  höhern  geistigen 
und  idealen  Sinne,  welcher  alle  menschlichen  Gebrechen  und 
Zufälligkeiten  des  Priesterthums ,  wie  es  durch  Aaron  zu- 
nächst im  jüdischen  Sinne  vorgebildet  war,  ausschliesst. 

Die  muhamedanische  Legende  macht  den  Priesterkönig 
Melchisedek,  welcher  mit  Abraham  verkehrte,  zu  dem  Enkel 
Noah's,  der  die  Leiche  Adams  mit  in  die  Arche  genommen 
haben  soll.  In  Herbelots  orientalischer  Bibliothek  heisst  es 
sub  voce:  Melchisedek  habe  die  Leiche  Adams  zu  Jerusalem 
auf  dem  Berge  Golgatha  begraben,  wo  später  Christus 
gekreuzigt  wurde,  und  habe  alsdann  als  Einsiedler,  nur  mit 
einem  Fell  bekleidet,  in  der  Wüste  gelebt,  ohne  je  Haar 
und  Nägel  zu  schneiden,  unablässig  nur  betend  für  die 
Menschen.  Das  stimmt  keineswegs  mit  dem  1.  Buche  Mosis 
überein,  in  welchem  Melchisedek  als  König  erscheint  und 
den  Abraham  gastlich  bewirthet.  Doch  ist  die  Sache  inso- 
fern nicht  ganz  abzuweisen,  als  sie  wenigstens  andeutet, 
es  habe  sich  auch  unter  den  Heiden,  unabhängig  von  Abra- 
ham, noch  ein  Rest  der  altpatriarchalischen  Frömmigkeit 
erhalten,  die  von  Seth  durch  Henoch  auf  Noah  vererbt 
worden  war.  In  Abraham  und  Melchisedek  berührt  sich 
gleichsam  die  Frömmigkeit  des  alten  Urvolkes  mit  der  des 
neuen  ausschliesslich  jüdischen  Volkes. 

Hierax  hielt  Melchisedek  für  den  heiligen  Geist.  Die 
gnostische  Secte  der  Melchisedekianer  hielt  ihn  für  den  Ersten 
unter  den  Engeln,  in  dem  Sinne,  wie  Christus  der  Erste  unter 
den  Menschen  sey,  also  noch  für  höher  als  Christum.  Epi- 
phanius  Panarion  55.  Rösler,  Bibliothek  der  Kirchenväter 
VL  171  f.    Baur,  Dreieinigkeit  I.  161. 

Messe. 

Was  in  der  griechischen  Kirche  die  Liturgie,  ist  in  der 
römischen  die  Messe,  der  eigentliche  Gottesdienst,  die  heilige 


120  Messe. 

Handlung,  das  Opfer,  zu  dem  sicli  die  Predigt  nur  als  Neben- 
sache (als  Belehrung  der  Katechumenen)  verhält.  Man  ver- 
einigte sich  ursprünglich  zum  Gottesdienst ,  nicht  um  zu  reden 
und  Reden  zu  hören,  sondern  um  zu  handeln.  Der  Zweck 
und  die  Bedeutung  dieser  Handlung  war  und  ist ,  dem  Herrn 
ein  grosses  Opfer  zu  bringen,  welches  Bittopfer  und  Dank- 
opfer zugleich  ist,  und  wobei  die  Gläubigen  an  Gottes  Altar 
in  frühern  Zeiten  nicht  blos  Opfer  für  die  Kirche  niederleg- 
ten, sondern  sich  die  ganze  Gemeinde,  gleichsam  die  ganze 
Menschheit  sinnbildlich  Gott  zum  Opfer  darbringt  in  det 
Wiederholung  des  Opfertodes  Jesu  Christi  für  die  Menschheit. 
Das  ist  die  Wandlung  des  heiligen  Leibes  und  Blutes  durch 
den  Priester. 

Der  Name  Messe  ist  hergenommen  von  den  Worten  Ite, 
missa  est,  mit  denen  der  Priester  die  Katechumenen  und 
Büsser,  die  noch  der  Vorbereitung  zur  Haupthandlung  hatten 
anwohnen  dürfen,  unmittelbar  vor  dieser  letzteren  entliess 
und  die  Kirche  zu  verlassen  nöthigte.  Wenn  diese  Worte 
gesprochen  waren,  endete  die  missa  catechumenorum  und  be- 
gann die  missa  fidelium,  die  eigentliche  Handlung,  zu  der 
nur  die  engere  Gemeinde,  mit  Ausschluss  der  Katechumenen, 
Kinder ,  Excommunicirten  etc. ,  zugelassen  wurde.  Andere 
Ableitungen  des  Namens,  von  dem  hebräischen  missah  (tri- 
hutum) ,  von  mittere  {sc.  preces  ad  Deum)  scheinen  zu  künstlich 
zu  seyn. 

In  den  ältesten  Zeiten,  in  denen  die  Christen  verfolgt 
wurden  und  ihren  Gottesdienst  nur  geheim  feiern  konnten, 
wurde  die  Messe  bei  Nacht  gehalten.  Dieser  Gebrauch  hat 
sich  noch  in  der  Christmesse  bis  auf  die  neuere  Zeit  erhalten, 
musste  aber  des  Missbrauchs  wegen  abgeschafft  werden.  Die 
Frühmessen  kamen  in  Gebrauch  wohl  nicht  blos  deshalb, 
weil  sie  nüchtern  begangen  werden  müssen ,  sondern  auch  mit 
Beziehung  auf  den  morgendlichen  Charakter  des  Christen- 
thums  überhaupt.  Vgl.  den  Artikel  Morgen.  Die  verschie- 
denen Arten  der  Messe,  je  nachdem  sie  für  Lebende  oder 
Todte,   mit   besonderer    Hervorhebung   der  Bitte    oder    des 


Messe.  121 

Dankes,  mit  grösserem  Pomp  oder  still  gelesen  wird ,  ändern 
an  ihrem  Grundwesen  und  an  dem  Typischen  ihres  Cere- 
monials  lediglich  nichts.  Bei  Todtenmessen  wird  die  Kirche 
schwarz  verhangen,  an  Busstagen  violett,  an  Martyrertagen 
roth,  vom  Dreieinigkeitsfest  an  bis  zum  Advent  in  der  Hoff- 
nung dessen,  der  da  kommen  soll,  grün,  an  Festen  des 
Herrn  und  Unsrer  Lieben  Frau  weiss.  Vgl.  Kreuser,  das 
heilige  Messopfer  S.  338.  Auch  das  Messgewand  des  Priesters 
ändert  gemäss  derselben  Symbolik  seine  Farben.  Vgl.  Strei- 
tenberger,  die  heilige  Messe  S.  16.  Die  missa  solemnis  oder 
publica y  Hochmesse,  steigert  sich  an  hohen  Festen  zur  missa 
aureaj  wogegen  die  missa  privata  oder  familiaris  sich  auf  die 
einfachsten  Formen  und  Aeusserlichkeiten  einschränkt.  Bin- 
terim,  Denkw.  IV.  3.  334  f.  Immer  aber  behält  die  heilige 
Handlung  denselben  Typus  und  dieselben  Hauptbestandtheile. 
Die  mannigfache  Symbolik  bei  dieser  Handlung  ist  mo- 
tivirt  durch  mehr  als  eine  Rücksicht.  Wir  unterscheiden: 
1)  die  Wandlung  des  Brodtes  und  Weines  in  Leib  und  Blut 
des  Herrn ;  2)  die  Ceremonien ,  durch  welche  das  Leiden  und 
Sterben  des  Herrn  in  seinen  einzelnen  Gliederungen  unter 
der  Messe  sinnbildlich  dargestellt  wird ;  3)  die  Stellvertretung 
der  Gemeinde  durch  den  Priester  und  die  beständige  Wechsel- 
beziehung zwischen  beiden  während  der  heiligen  Handlung; 
4)  die  Vorsichtsmaassregeln ,  durch  welche  die  höchste  Rein- 
heit der  Handlung  gesichert  wird,  die  Acte  der  Waschung, 
Beichte,  Entsündigung ,  bevor  die  sterbliche  Hand  das  Un- 
sterbliche berühren  darf;  5)  die  Wahrung  des  Mysteriums 
wodurch  alle  Profanen  von  dem  heiligen  Act  entfernt  werden ; 
6)  die  stete  wechselseitige  Verschlingung  und  Durchdringung 
von  Dank  und  Bitte,  weil  die  Gemeinde,  ihrem  heiligen 
Stifter  und  Erlöser  gegenüber,  zwischen  eine  Vergangenheit, 
die  ewigen  Dank  erheischt,  und  eine  Zukunft,  welche  den 
Bitten  der  Leidenden  und  Armen  Gewährung  verheisst,  in 
die  Gegenwart  hingestellt,  nie  danken  kann,  ohne  zu  bitten, 
und  nie  bitten,  ohne  zugleich  zu  danken;  7)  die  besondere 
Angelegenheit  der  Gemeinde  oder  des  Individuums,   wofür, 


1S3  Messe. 

oder  das  besondere  Interesse  des  Tages,  an  dem  die  Messe 
gelesen  wird. 

Wie  allen  diesen  Beziehungen  in  der  Messe  Rechnung 
getragen  wird,  wollen  wir  in  einer  kurzen  Darlegung  des 
Messritus  zeigen.  Zunächst  muss  als  Vorbereitung  unterschie- 
den werden  die  Katechumenenmesse ,  dann  die  Opferhand- 
lung selbst. 

Der  Priester  tritt  sein  heiliges  Amt  nüchtern  an  und 
kleidet  sich  in  den  priesterlichen  Ornat,  dessen  einzelne  Be- 
standtheile  durch  ihre  symbolische  Bedeutung  (s.  den  Artikel 
Priester)  ihn  an  die  Wichtigkeit  seines  Amtes  mahnen.  Das 
eigentliche  Messgewand  (casulä)  war  ursprünglich  so  weit, 
dass  es  den  Priester  von  allen  Seiten  umschloss  und  gleichsam 
seine  irdische  Katur  ganz  mit  der  Weihe  seines  Amtes  zu- 
deckte.   Vgl.  Kreuser,  heiliges  Messopfer  S.  283. 

Die  heilige  Handlung  beginnt  mit  dem  Eintritt  des  Mess- 
priesters in  die  Kirche,  wobei  er  unter  Absingung  des  Liedes, 
welches  mit  dem  Wort  Asperges  anhebt  und  dem  ÖOsten  Psalm 
(dem  Miserere)  entnommen  ist,  sowohl  die  Gemeinde  als  den 
Altar  mit  Weihwasser  besprengt.  Hierauf  allgemeine  Bekreu- 
zigung. Hersagung  (früher  Absingung)  des  42sten  Psalms, 
worin  David  dem  Herrn  dankt  auf  seiner  Flucht,  dass  er 
ihn  von  den  Feinden  errettete.  Das  Confiteor  oder  die  Beichte, 
durch  die  sich  Priester  und  Volk  reinigen  und  zum  heiligen 
Opfer  vorbereiten.  Der  Priester  klopft  dabei  dreimal  auf  die 
Brust,  wie  der  Zöllner  im  Evangelium.  Hierauf  erhebt  sich 
der  Priester  zum  Altar,  küsst  denselben  und  stimmt  zuerst 
das  Kyrie  Eleison  (Herr,  erbarme  dich),  dann  das  Gloria  in 
excelsis  (Ehre  sey  Gott  in  der  Höhe)  an.  Wieder  küsst  er 
den  Altar  (wie  jedesmal,  wenn  er  sich  vom  Volk  zum  Herrn 
wendet ,  und  umgekehrt) ,  und  wendet  sich  zum  Volke ,  gegen 
das  er  die  Arme  ausbreitet ,  und  spricht :  Dominus  vohiscum 
(der  Herr  sey  mit  euch).  Hierauf  Gebet  des  Priesters  für 
Alle,  die  sogenannte  Collecte,  wozu  die  Gemeinde  Amen 
sagt.  Verlesung  der  Epistel  auf  der  linken  oder  Epistelseite 
des  Altars,    So  lange  die  Katechumenen  anwesend  sind,  kann 


I 


< 


i 


Messe.  128 

das  Messbuch  nur  auf  der  linken  Seite,  die  dem  alten  Te- 
stament und  der  Vorbereitung  überhaupt  entspricht,  gebraucht 
werden.  Am  Schlüsse  der  Epistel  spricht  das  Volk  das  Deo 
gratiaS)  der  Priester  betet  das  Graduale  (Stufengesang),  zu- 
sammengesetzt aus  Dankpsalmen ;  bei  Todtenmessen  das  Lied 
Dies  irae.  Sodann  bittet  der  Priester  Gott,  seinen  Mund  zu 
reinigen ,  wie  er  ihn  einst  dem  Jesaias  mit  glühenden  Kohlen 
gereinigt,  und  geht  auf  die  rechte  Seite  des  Altars,  wohin 
der  Ministrant  das  Messbuch  gebracht  hat  (die  Evangelien- 
seite, entsprechend  dem  neuen  Testament  und  der  Erfüllung). 
Die  Gemeinde  steht  auf,  er  liest  das  Evangelium,  küsst  es 
und  beräuchert  es  (bei  der  feierlichen  Messe)  mit  Weihrauch. 
Dann  werden  die  Katechumenen  entfernt. 

Die  Haupthandlung  oder  der  zweite  Theil  der  Messe 
beginnt  mit  dem  Credo,  an  welchem  Einige  die  Katechumenen 
noch  Theil  nehmen  lassen,  das  aber  wesentlich  schon  zum 
zweiten  exclusiven  Theil  der  Messe  gehört.  Vgl.  Kreuser, 
heiliges  Messopfer  S.  231.  Dem  Glaub ensbekenntniss  folgt 
die  Opferung.  Ehemals  brachten  die  Gläubigen  Aehren  und 
Trauben,  Oel,  Balsam,  Weihrauch,  Wachs,  Blumen  etc. 
dar,  lauter  Gegenstände,  die  man  in  der  Kirche  zum  Gottes- 
dienst, zur  Beleuchtung  oder  zum  Schmuck  brauchte.  Das 
Hauptopfer  ist  aber  Brodt  und  Wein,  über  welche  jetzt  der 
Priester  (bei  der  feierlichen  Messe)  das  Weihrauchfass  schwingt 
mit  einem  Gebet,  worin  Michael  als  Engel  der  Gerechtigkeit 
und  Stärke  angerufen  wird.  Vgl.  über  diese  Symbolik  den 
Artikel  Michael.  Der  Weihrauch  wird  dann  auch  geschwun- 
gen unter  der  Gemeinde  und  über  den  Gräbern  der  Todten, 
wenn  sich  solche  in  der  Kirche  finden.  Alle  werden  in  die 
Wolke  des  Heiligthums  eingehüllt.  Der  Priester  aber  wäscht 
seine  Hände,  um  sie  zu  reinigen,  bevor  er  den  heiligen  Leib 
berührt,  nach  Psalm  25;  fordert  sodann  zum  Gebet  auf, 
Orate  fratres^  singt  die  Präfation  mit  dem  sursum  cor  da  ^  der 
Erhebung  der  Herzen  nach  oben,  und  das  dreimal  Heilig 
(sanctus).  Nun  endlich  die  actio  selbst  oder  das  secretum 
missae,  Canon,  auch  Stillmesse  genannt,  nämlich  die  Wandlung 


1S4  Messe. 

des  Brodtes  und  Weines  und  deren  Erhebung.  Sie  beginnt 
mit  dem  Gebet  für  die  Obern  der  Kirche  und  des  Staats, 
dann  folgt  unter  dem  Sprechen  der  Einsetzungsworte  die 
geheimnissvolle  Wandlung  mit  Anbetung  und  Erhebung  des 
Heiligthums.  Die  ganze  Gemeinde  fällt  auf  die  Kniee.  Das 
Glöckchen,  welches  dazu  das  Zeichen  gibt,  indem  es  die 
Wandlung  anzeigt,  war  in  den  ältesten  Zeiten  noch  nicht  in 
Gebrauch.  Nach  der  Wandlung  folgt  unmittelbar  das  Gebet 
für  die  Verstorbenen  in  jeder  Messe,  nicht  blos  in  der 
Todten-,  Seelen-  oder  Trauermesse;  mit  Bezug  auf  Philipper 
2,  10:  ;,Im  Namen  Jesu  beugen  sich  die  Kniee  aller  derer, 
die  im  Himmel  und  auf  Erden  und  unter  der  Erde  sind." 
Ferner  Gebet  für  alle  Sünder  und  Vaterunser.  Sodann  be- 
ginnt die  Communion.  Der  Priester  küsst  die  Patena,  kniet 
vor  dem  Brodt,  hält  es  über  den  Kelch,  bricht  es  in  drei 
Theile,  lässt  den  einen  Theil  in  den  Wein  fallen,  spricht 
das  agnus  Dei,  gibt  dem  Diakon  den  Friedenskuss ,  spricht 
das  domine ^  non  sum  dignus,  worauf  wieder  das  Glöckchen 
ertönt ,  und  geniesst  das  heilige  Sakrament.  Nach  der  heiligen 
Plandlung  reinigt  er  Mund,  Hände  und  Gefässe,  küsst  den 
Altar  und  gibt  dem  Volk  den  Segen. 

In  Bippel,  Alterthumb  der  Cäremonien  S.  179  f.,  wird 
umständlich  dargethan,  wie  dieselben  Handlungen  des  Prie- 
sters, die  als  Vorbereitung  zum  heiligsten  Werke,  als  dem 
Altar  etc.  dargebrachte  Huldigungen  und  als  Reinigungen  zu 
betrachten  sind,  zugleich  auch  sinnbildlich  die  Acte  des  Lei- 
dens und  Sterbens  Jesu  wiederholen.  „Wann  der  Priester 
zum  Altar  mit  seinem  Messdiener  gehet ,  bedeut ,  wie  Christus 
mit  seinen  Jüngern  nach  dem  Oelberg  gangen  (die  Beugung 
beim  Confiteor  das  Knieen  auf  dem  Oelberg  im  Angstschweiss). 
Wann  der  Priester  den  Altar  küsset,  bedeut,  wie  Judas  Christo 
den  Kuss  gab.  Wann  der  Priester  zu  der  Epistel  gehet,  be- 
deut, wie  Christus  zu  Annas  geführt  worden.  Wann  der 
Priester  zum  Evangelio  gehet,  bedeut,  wie  Christus  von  Pilato 
zu  Herodo  geführt  worden.  Nachdem  der  Kelch  zugedeckt 
wird,   bedeut,    wie    Christus   gekrönt   worden.      Durch    das 


I 


Messe.  125 

Händewaschen  will  Pilatus  seine  Unschuld  erklären.  Da  der 
Priester  sich  umwendt  und  oraie  fratres  sagt,  wird  Christus 
dem  Volk  gezeigt:  ecce  homo.  Durch  die  praefatio  wird  die 
Kreuztragung  verstanden.  Die  stille  Mess  bedeut  die  grossen 
Schmerzen  Christi  auf  dem  Calvariberg.  Wann  der  Prie- 
ster dreimal  das  Kreuz  über  den  Kelch  macht,  bedeut,  wie 
Christus  mit  drei  Nägeln  an  das  Kreuz  geheftet  worden. 
Wann  der  Priester  die  heilige  Hostie  aufhebt,  bedeut,  wie 
Christus  an  dem  Kreuz  ist  aufgerichtet  worden.  Als  der 
Priester  die  heilige  Hostie  bricht,  gibt  Christus  am  Kreuz 
seinen  Geist  auf.  Das  Fallen  der  Partikel  in  den  Kelch  be- 
deut, wie  die  Seele  Christi  in  die  Vorhölle  fuhr.  Das  drei- 
malig agnus  Dei  bedeut  des  Hauptmanns  Bekenntnuss.  Wann 
der  Priester  communicirt,  bedeut,  wie  Christi  Leichnam  in 
das  Grab  gelegt  wird.  Christi  Leib  wird  abgewaschen  und 
gesalbt,  wann  der  Priester  den  Kelch  trinkt." 

In  einer  Predigt  des  Bruder  Berthold,  welche  Mone  in 
seinen  Schauspielen  des  Mittelalters  II.  351  f.  mittheilt,  heisst 
es  abweichend:  Der  Introitus  bedeutet  die  alten  Weissagungen 
von  der  Zukunft  des  Herrn;  wenn  der  Priester  mitten  vor 
dem  Altar  steht,  bedeutet  es,  Christus  ist  in  der  Welt  ge- 
boren; das  gloria  in  excelsis  bedeutet  die  Anbetung  vor  der 
Krippe;  die  zwei  Altarlichter  bedeuten  den  Stern,  1)  wie  er 
den  drei  Weisen  leuchtet,  2)  wie  er  über  der  Krippe  strahlt. 
Beim  Verlesen  des  Evangeliums  wird  vorausgesetzt,  Christus 
selber  spreche,  daher  legen  alle  Anwesenden  ihre  Stäbe, 
Mäntel  und  tlüte  ab,  d.  h.  ihren  Streit,  ihren  Besitz  und 
ihren  Stolz,  und  stehen  in  Christi  Frieden,  Armuth  und 
Demuth.  Bei  dem  „Dreimal  Heihg"  ist  Christi  Einzug  in 
Jerusalem  gemeint.  Wenn  der  Priester  die  Hostie  bekreuzigt, 
bedeutet  es  die  Nagelung  an's  Kreuz,  wie  die  Erhebung  der 
Hostie  die  Aufrichtung  des  Kreuzes.  Indem  der  Priester  die 
Arme  weit  auseinander  breitet,  ahmt  er  Cliristum  am  Kreuze 
nach.  Die  Worte  des  Priesters:  per  omnia  secula  seculorum 
bezeichnen  den  Tod  Christi,  die  Antwort  des  Chors:  sed 
libera  nos  a  mälo  den  Schrei  der  Kreatur  bei  diesem  Tode. 


126  Messer. 

Unter  der  communio  endlich  wird  die  Himmelfahrt  verstanden. 
In  der  Hauptsache  bleibt  auch  hier  die  Messe  Sinnbild  des 
Opfertodes,  nur  begreift  sie  nach  Bruder  Berthold  die  ganze 
Lebensgeschichte  Jesu  von  den  Propheten  und  der  Verkün- 
digung an  bis  zur  Himmelfahrt,  während  sie  in  der  Erklärung 
von  Rippel  sich  auf  die  Passion  beschränkt. 

Messer, 

Attribut  Abrahams,  wegen  der  Opferung  Isaaks.  Desgleichen 
des  Apostels  Bartholomäus,  weil  derselbe  lebendig  geschun- 
den wurde.  Auch  des  Bischofs  Albert  von  Vercelli  und  des 
Mohren  Moyses,  weil  dieselben  durch  einen  Messerstich  den 
Martyrertod  litten. 

Metatron, 

vom  chaldäischen  mattra^  Wache,  und  wohl  nicht  griechisch 
„Mitthronender",  gilt  im  jüdischen  Talmud  als  der  vornehmste 
der  Engel,  zur  Rechten  Gottes,  Engel  des  Angesichts,  Fürst 
der  Welt  etc.  genannt.  Er  ersetzt  die  Stelle  des  gefallenen 
Lucifer.  v.  Meyer,  in  den  Blättern  für  höhere  Wahrheit 
IV.  189,  hat  sich  Mühe  gegeben,  zu  beweisen,  dass  unter 
ihm  eigentlich  Christus  zu  verstehen  sey,  den  somit  die  Ju- 
den anbeten,  ohne  es  zu  wissen. 

Nach  jüdischer  Vorstellungsweise  soll  Henoch  der  Engel 
Metatron  gewesen  seyn,  dem  Gott  das  erste  Engelamt  an- 
vertraute, nachdem  Lucifer  gefallen  war,  und  der  unter  den 
Patriarchen  vor  Noah  Mensch  werden  musste,  um  das  Urbild, 
das  durch  Adams  Sünde  verloren  ging,  in  die  Menschheit 
zurückzuführen.  Elias  aber  soll  der  zweite  unter  den  Engeln, 
Sandalphon,  gewesen  seyn,  den  Gott  gleichfalls  unter  die 
Menschen  schickte,  um  als  Prophet  zu  wirken.  Beer,  Ge- 
schichte d.  Juden  U.  98  f. 


I 


w 


Michael.  121 


Michael, 

derjenige  unter  den  Erzengeln,  der  das  Schwert  der  All- 
macht und  Gerechtigkeit  Gottes  handhabt,  der  Wächter  des 
Himmels  und  Führer  der  himmlischen  Heerschaaren  im 
Kampfe  mit  den  Teufeln.  Bei  Daniel  10,  13  und  21;  12,  1. 
erscheint  er  als  Schutzengel  der  Juden.  Nach  der  Epistel 
Judä  9.  stritt  er  mit  dem  Teufel  um  die  Seele  des  Moses. 
Nach  der  Offenbarung  Johannis  12,  7.  wird  er  den  Satan 
und  seine  Heerschaaren  überwinden.  Daselbst  20,  2.  führt 
ein  Engel,  der  kein  Anderer  als  Michael  seyn  kann,  den 
Schlüssel  zum  Abgrund,  und  bindet  den  Satan.  Man  glaubte 
daher  auch,  er  führe  den  Schlüssel  zum  Paradiese  und  sey 
der  Engel  mit  dem  Flammensch  wert ,  der  Adam  und  Eva 
aus  dem  Paradiese  vertrieben.  Auf  ihn  und  seine  englischen 
Ki'iegsschaaren  wurden  auch  die  Beschützer  des  Elisa  bezogen, 
2.  Kön.  6,  17.  Ferner  der  Würgengel  in  Aegypten  und  Führer 
der  Juden  durch's  rothe  Meer.  Vgl.  Durandi,  rationale  VH.  12, 
und  HofPmann,  Apokryphen  S.  270.  Auf  die  Feuer-  und 
Wolkensäule,  die  den  Kindern  Israel  voranzog,  bezieht  sich 
die  Erwähnung  des  Erzengels  Michael  in  dem  Gebet,  welches 
der  Messpriester  bei  der  dreimaligen  Schwingung  des  Weih- 
rauchgefässes  vor  dem  heiligen  Opfer  spricht.  Kreuser,  heil. 
Messopfer  S.  253.  Es  ist  eine  sinnige  Mahnung  an  die  Ge- 
rechtigkeit und  Stärke  des  Herrn  im  Hinblick  auf  das  Opfer 
am  Kreuz. 

Die  Traditionen  der  Juden  haben  den  Engel  Michael  ein- 
seitig aufgefasst  als  den  Genius  der  jüdischen  Nation  im 
Gegensatz  zu  den  Genien  aller  andern  Nationen,  von  denen 
sie  behaupten,  sie  seyen  zwar  auch  einmal  Engel  gewesen, 
aber  alle  zu  Teufeln  geworden,  und  nur  der  Engel  der  jü- 
dischen Nation  sey  ein  Engel  gebheben.  Zugleich  sey  dieser 
Engel  Michael  der  erste  und  höchste  unter  allen  Engeln 
überhaupt.  Auch  nehmen  sie  einen  immerwährenden  Kampf 
zwischen  den  Engeln  unter  Michaels  Anführung  und  dem 


128  Michael. 

Teufel  an,  sofern  jeder  Krieg  und  Kampf  auf  Erden  nur  die 
Abspiegelung  eines  gleichen  im  Himmel  sey.  Vgl.  über  die 
Judenfabeln  Gfrörer,  Jahrhundert  des  Heils  I.  371,  und  Eisen- 
menger,  entdecktes  Juden thum  I.  850. 

Natürlich  war  es,  dass  die  tapfern  Deutschen  des  früheren 
Mittelalters  den  kriegerischen  Erzengel  zu  ihrem  Patron  mach- 
ten und  sein  Bild  mit  grossen  goldenen  Flügeln  auf  ihren 
Fahnen  führten.  Als  Heinrich  I.  unter  diesem  Panier  den 
grossen  Sieg  über  die  Ungarn  bei  Merseburg  erfochten,  glaub- 
ten diese  Heiden,  der  Gott  mit  den  goldenen  Flügeln  habe 
ihm  geholfen,  und  sie  machten  nun  ihren  Götzen  auch  gol- 
dene Flügel,  dass  sie  jenem  an  Macht  gleichkämen.  — 
Auch  die  Abyssinier  haben  den  heiligen  Michael  als  Sieges- 
fürsten zum  Patron  der  Heere  gemacht  und  führen  seine 
heilige  Lade  mit  sich  in  den  Krieg.  Harris,  Eeise  nach 
Schoa  H.  181. 

Durch  drei  Erscheinungen  des  Engels  nach  Christi  Ge- 
burt wurde  sein  Cultus  gewissen  O ertlichkeiten  vermittelt. 
Im  5ten  Jahrhundert  lebte  in  Apulien  am  Vorgebirge  Gargano 
(das  von  ihm  den  Namen  erhielt)  ein  gewisser  Garganus.  Von 
seinen  auf  dem  Berge  weidenden  Ochsen  blieb  einer  zurück. 
Die  Knechte,  die  ihn  suchten,  fanden  ihn  in  einer  Höhle; 
der  Ochs  wollte  aber  nicht  heraus,  und  aus  Aerger  schoss 
einer  der  Knechte  einen  Pfeil  auf  ihn ,  der  aber  zurückprallte 
und  den  Schützen  selber  traf.  Staunend  berichteten  sie  das 
Geschehene.  Dem  Garganus  aber  erschien  der  Engel  Michael 
und  sagte  ihm,  innen  in  der  Höhle  sey  eine  Kirche,  seinem 
und  der  übrigen  Engel  Dienste  geweiht.  Als  bald  darauf 
die  Heiden  anstürmten ,  erbebte  der  Berg  wie  einst  der  Sinai, 
Blitze  schlugen  rings  aus  ihm  heraus  und  die  Heiden  wurden 
vernichtet.  Zum  Dank  zogen  die  Christen  nun  in  Prozession 
auf  den  Berg  und  feierten  daselbst  am  29.  September  das 
erstemal  den  Gottesdienst  zu  Ehren  der  Engel.  Es  ist  der 
MichaeHstag  und  zugleich  das  Fest  aller  Engel.  Der  Berg 
ivurde  einer  der  berühmtesten  Wallfahrtsorte  im  Mittelalter, 
nächst  Jerusalem,  Rom  und  Compostella. 


Michael.  129 

Die  Erscheinung  der  Engel  auf  dem  Berge  Gargano 
malte  Salimbene  in  Florenz.  —  Hymnen  auf  seine  Erschei- 
nung und  überhauj)t  zur  Ehre  der  Engel  s.  in  coeleste  pal- 
metum  S.  221.  495.  Zabue^snig  I.  87;  III.  231.  297.  Sie  sind 
unbedeutend.  Merkwürdiger  ist  das  schöne  altdeutsche  Pil- 
gerlied in  Uhlands  Volksliedern  I.  807,  das  deutsche  Wall- 
fahrer auf  dem  weiten  Wege  nach  Gargano  sangen. 

Zum  zweitenmale  offenbarte  sich  der  Engel  im  8ten  Jahr- 
hundert auf  dem  berühmten  Berge  St.  Michel ,  einer  kaum 
ersteifflichen  Felsenzacke  am  Meere  bei  Eouen  in  der  Nor- 
mandie,  wo  man  ihm  eine  Kirche  baute,  die  gleichfalls  einer 
der  berühmtesten  Wallfahrtsorte  wurde.  Hier,  glaubten  die 
Franzosen,  halte  der  Engel  Wache  für  Frankreich  gegen  die 
Engländer.  Mesangere^  dictionnaire  p.  178.  In  den  Jahi:en 
1457 — 1489  zogen  aus  Deutschland,  im  Jahr  1642  aus  Frank- 
reich grosse  Schaaren  von  Knaben  nach  dem  heiligen  Berge. 
Nur  wenige  kamen  zurück.  Man  nannte  sie  Michaelskinder 
und  glaubte,  sie  seyen  auf  dem  Berge  geblieben  und  Engel 
geworden.  Vgl.  Seb.  Frank,  Chronika  der  Deutschen  S.  161. 
Pomarius,  s'ächs.  Chronik  S.  513.  Gemeiner,  Eegensb.  Chronik 
ni.  302.     Schnurrer,  Seuchenchronik  I.  373. 

Zum  drittenmal  zeigte  sich  der  Engel  während  einer 
grossen  Pest  in  Rom  dem  Papst  Gregor  dem  Grossen,  indem 
er  sein  Schwert  in  die  Scheide  steckte,  zum  Zeichen,  dass 
die  Pest,  deren  Würgengel  er  gCAvesen,  jetzt  enden  werde. 
Zum  Andenken  baute  der  Papst  die  Engelsbrücke  mit  der 
Engelsburg ,  auf  deren  Spitze  seitdem  ein  grosser  Engel  von 
Erz  steht,  der  das  Schwert  in  die  Scheide  steckt.  Vgl.  Alfred 
Eeumont,  röm.  Briefe  I.  192. 

Die  Griechen  kennen  eine  Erscheinung  des  Engels  zu 
Chonis  in  Phrygien  und  Hestia  am  Pontus.  Vgl.  Jamin, 
Gesch.  d.  Kirchenfeste  S.  332.  Im  Abendlande,  namentlich 
auch  in  Deutschland  gibt  es  noch  viel  Michelsberge ,  wo  der 
Engel  verehrt  wird.  Auf  dem  Michelsberge  im  Zabergau 
bewahrte  man  vor  der  Reformation  eine  Feder,  die  dem  Engel 
im  Kampf  mit  Satan   entfallen  seyn  soll.     Zum  Engelsberg 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  Q 


130  Michael. 

im  Spessart  mit  einer  Michaelskapelle  wallfahrtet  das  Volk 
und  sieht  daselbst  Lichter  vom  Himmel  herabsinken  und 
Engel  gehen.     Von  Herrlein,  Sagen  des  Spessart  S.  156. 

Als  Besieger  des  Teufels  ist  Michael  unzähligemal  gemalt 
worden;    insgemein  wie  er   ihn   mit  der  Lanze   durchstösst, 
mit  dem  Fuss   auf  ihn  tritt  oder  ihn  fesselt  und  in  den  Ab- 
grund stürzt.     Hohen  Ruhm  gemessen  zwei  Bilder  dieser  Art 
von  Raphael  in  Paris.     Auf  dem  einen  tritt  er  dem  Teufel 
auf  den  Hals,    auf  dem  andern  stösst  er   ihn  mit  der  Lanze 
in  den  Abgrund.    Waagen,  Paris  435.  437.    Kolloff  238.  242. 
Der  Contrast  der  hässlichen  Leidenschaft  in  des  Teufels,  und 
der  himmlischen  Ruhe  in  Michaels    Gesicht  ist  hier  haupt- 
sächlich das  poetische  Motiv.    Das  erste  Bild  ist  das  schönste, 
die  Bewegung  blitzartig  und  höchst  genial.     Das  zweite  hat 
phantastisches  Beiwerk,  eine  brennende  Stadt,  kleine  Teufel, 
Verdammte,  die  Prozession  der  Bleimäntel  aus  Dante's  Hölle. 
An  einem  Michael,   der   den  Drachen  stürzt,   von  Bonifazio 
in  Venedig,   wird   die  reizende  Mischung  von  Zartheit  und 
Kraft  in  seiner  Miene  gerühmt.    Kunstbl.  1835.  S.  394.     Das 
ist's ,  was  man  von  ihm  auch  verlangen  muss ;  denn  die  Milde, 
wir  möchten  sagen  das  Kindliche  der  Engelsnatur  muss  immer 
im  Hintergrunde  liegen,  und  darf  sich  auch  in  der  stärksten 
Aeusserung  der  Kraft  und  des  gerechten  Zornes  nicht  ver- 
leugnen.    Das  Kraftvolle,  Martialische  herrscht  vor  in  den 
grossen  Bildern  des  Engelsturzes  von  Rubens  in  München. 

Ausserdem  findet  sich  Michael  auf  allen  Darstellungen 
des  Weltgerichts.  S.  dieses.  Besonders  merkwürdig  ist  sein 
Bild  im  grossen  Danziger  Weltgericht.  Er  hält  hier  eine 
grosse  Waage,  und  wägt  einen  Seligen  gegen  einen  Ver- 
dammten ab.  In  seinen  Flügeln  sind  lauter  Pfauenfedern. 
Die  Beschreibung  bei  Fiorillo  H.  224.  Mit  goldnem  Har- 
nisch, Purpurmantel  und  grünen  Flügeln  erscheint  er  auch 
höchst  phantastisch  auf  alten  Miniaturen.    Waagen,  Paris  383. 

Auf  einem  alten  Bilde  in  Nördlingen  wägt  Michael  ein 
Kind,  das  tief  hinabsinkt,  obgleich  der  Teufel  auf  der  an- 
dern Seite  einen  schweren  Mühlstein  in  die  Waagschale  legt. 


A 


Milch.  131 

Waagen,  Deutschland  I.  357.  Mit  der  Waage  kommt  Mi- 
chael auch  vor  der  Agneskirche  zu  Rom  (Beschreibung  von 
Rom  III.  2.  450.)  und  auf  einem  Bilde  von  Lucas  Cranach. 
Leonardo  da  Vinci  malte  Michael  wie  er  vor  dem  Christ- 
kind kniet,  das  mit  der  Waagschale  des  jüngsten  Gerichts 
spielt.  In  Paris.  Daselbst  ist  das  Christkind  auch  von  Ug- 
gione  gemalt,  wie  es  mit  der  Waage  spielt,  während  Michael 
vor  ihm  kniet.  Waagen ,  454.  Sehr  modern  und  unkirchlich 
ist  ein  Bild  von  Deverier,  welches  den  Erzengel  darstellt,  wie 
er  dem  Teufel  zwei  Seelen,  die  letzteren  in  Gestalt  schöner 
junger  Mädchen,  entführt. 

Michael  ist  Patron  der  Ejrchhöfe,  z.  B.  des  Michaels- 
hofes in  Strassburg.  Er  schützt  die  Seelen  unmittelbar  nach 
dem  Tode,  wie  einst  die  des  Moses.  Nach  Vincent.  Bellov. 
spec.  hist.  IV.  7.  78.  brachte  er  auch  die  Seele  der  Maria  zum 
Himmel.    Vgl.  Kj-euser,  Kirchenbau  II.  76. 

Milch. 

Das  Land,  wo  Milch  und  Honig  fliesst,  ist  das  gelobte 
Land  Palästina.  Jeremias  11  y  5.  Nicht  blos  von  seiner 
irdischen  Fruchtbarkeit  so  genannt,  sondern  auch  in  Bezug 
auf  das  süsse  Heil  der  Seelen,  welches  von  dort  kommen 
sollte.  Milch  und  Honig  als  Gaben  bei  der  Taufe  bedeuten 
das  Paradies,  welches  durch  die  Taufe  verheissen  wird.  — 
Auf  vielen  Heiligenbildern  fliesst  aus  dem  Halse  enthaupteter 
Märtyrer  Milch  statt  Blut,  zum  Zeichen  ihrer  Heiligkeit  und 
ihres  schon  auf  Erden  paradiesischen  Wandels.  So  floss  Milch 
aus  den  Wunden  der  heiligen  Martina,  Acta  SS.  I.  13;  aus 
dem  Halse  der  heiligen  Katharina.  Didron,  man.  p.  375. 
Die  vielen  andern  Heiligen,  von  denen  das  Gleiche  gilt, 
findet  man  in  den  Registern  der  Acta  SS.  —  Die  Frömmig- 
keit der  Vorzeit  fand  eine  unschuldige  Freude  daran,  lieb- 
liche und  süsse  Dinge  in  der  Natur  mit  der  Milch  Unsrer 
Lieben  Frau  zu  vergleichen.  So  den  berühmten  herrlichen 
Wein  bei  Worms,    der  noch  heute  Liebfrauenmilch  heisst. 

9* 


132  Milch. 

So  mehrere  Kräuter,  deren  grüne  Blätter  aufFallenderweise 
mit  weissen  Flecken  geziert  sind,  die  schöne  Mariendistel, 
die  rings  um  Rom  die  Räume  zwischen  den  Ruinen  bedeckt. 
So  auch  hoch  im  skandinavischen  Norden  Maria  ^Breque  (po- 
lypodium  vulgare),  von  dem  das  protestantische  Volk  noch 
immer  erzählt,  die  weissen  Flecken  auf  den  Blättern  kommen 
von  der  Milch  der  Maria,  von  der  einmal  ein  Paar  Tröpfchen 
auf  das  Kraut  gefallen  seyen.  Magnusen,  lex.  myth.  p.  361. 
Desgleichen  eine  Nessel  mit  weissen  Flecken  nach  von  der 
Hagens  Germania  VII.  429,  worunter  vielleicht  die  Marien- 
distel verstanden  ist. 

Patronin  der  Milch  und  der  Ammen  ist  die  heilige  Enora 
in  der  Bretagne,  eine  Einsiedlerin,  die  einst  einem  armen 
Weibe  Milch  für  ihr  Kind  verschaffte.  Ihr  Gatte  steht  in 
Beziehung  zum  segensreichen  Wasser ,  wie  sie  selbst  zur 
Milch.  Sie  war  nämlich  die  Tochter  des  Königs  von  Irland. 
Ihr  Bräutigam  war  der  Prinz  Efflam,  der  sie  aber  aus  Frömmig- 
keit schon  in  der  Hochzeitnacht  verliess.  Unterwegs  fand  er 
König  Artur  mit  einem  Drachen  kämpfen.  Da  schlug  Efflam 
dreimal  an  den  Felsen ,  dass  Quellen  hervorkamen,  mit  deren 
Wasser  er  den  erschöpften  König  erquickte,  der  nun  siegte. 
Efflam  aber  ward  ein  Einsiedler  und  erschien  Enoren,  um 
sie  zu  gleicher  Busse  zu  mahnen.  Da  wurde  sie  eine  Nonne 
und  Heilige  und  Schutzpatronin  der  Ammen,  denn  milchlose 
Frauen  erhalten  von  ihr  Milch.  Keller,  bretagn.  Volkslieder 
Nr.  51.  Elsässer  Neujahrsblätter  1845.  148.  Uebrigens  ^ägt 
die  Legende  der  heiligen  Tryphäna  vom  31.  Januar,  auch 
die  Quelle  bei  Cyzicus  am  Hellespont,  die  an  der  Stelle  ent- 
sprang, wo  die  Heilige  von  einem  Stier  niedergestossen  und 
getödtet  worden  war,  soll  bei  Weibern  und  weiblichen  Thieren, 
die  von  dem  Wasser  trinken,  die  Milch  vermehren. 

Auch  St.  Comgallus ,  ein  Heiliger  des  6ten  Jahrhunderts 
in  Irland,  könnte  Patron  der  Milch  seyn,  weil  auf  sein  Gebet 
für  den  kranken  Bischof  Finbarrus  nicht  nur  Milch  vom 
Himmel  regnete,  sondern  weil  er  auch  Milch  in  einem  Ge- 
f  äss  ohne  Boden  trug.     Auch  sah  man  ihn  häufig  von  milch- 


I 


Mohren.  183 

weissen  Schwänen  umgeben,   die  zu  ihm  kamen,   um  seiner 
Andacht  beizuwohnen.     10.  Mai. 


Milchstrasse. 

W.  Grimm,  goldne  Schmiede  S.  XLV,  yermuthet  mit 
Recht,  wenn  in  altdeutschen  Marienliedern  die  heilige  Jung- 
frau Himmelstrasse  und  Himmelpfad,  auch  Gnadenfluth  ge- 
nannt werde,  so  sey  damit  die  Milchstrasse  am  Himmel 
gemeint,  die  nach  uraltem  Glauben  als  Weg  der  Seelen  zum 
Himmel  galt. 

Mittag. 

In  der  heissen  Mittagstunde  beim  höchsten  Sonnenstande 
liegt  etwas  Unheimliches.  Nach  1.  Könige  18,  27.  glaubte 
man  zur  Heidenzeit,  die  Götter  schlafen  um  diese  Stunde.  Vgl. 
Theokrit  I.  15.  und  Kallimachos,  Bad  der  Pallas  72.  In  Ita- 
lien werden  in  der  Mittagstunde  die  sonst  immer  offenen 
Kirchen  geschlossen.  Blunt,  Ursprung  der  Ceremonieen  S.  98. 
Aus  ähnlichen  Gründen  glaubt  Strauss,  Kirchenjahr  S.  63, 
die  Hagelfeier  und  den  Busstag  in  der  heissen  Jahreszeit, 
gleichsam  in  der  Mittagszeit  des  Jahres,  in  der  heimlich 
lauerndes  Verderben  droht,  erklären  zu  müssen. 


Mörser, 

Attribut  des   heiligen  Victorinus,    der  in   einem  solchen  mit 
Kolben  zerstossen  wurde. 


Mohren. 

Nach  jüdischer  Tradition  stammen  die  schwarzen  Mohren 
oder  Neger  vom  Cham,  dem  ruchlosen  Sohn  Noahs,  ab,  der 
zur  Strafe  nicht  blos  wiegen  des  am  Vater  begangenen  Fre- 
vels, sondern  auch  weil  er  in  der  Arche  die  Keuschheit  nicht 
bewahrte,   schwarz  wurde  und  diese  Schwärze  auf  alle  seine 


184  Monate. 

Nachkommen  vererbte.  Eisenmenger,  entdecktes  Judenthum 
I.  448.  Auch  wird  der  von  Noah  dem  Cham  auferlegte  Fluch, 
dass  alle  seine  Nachkommen  Knechte  werden  sollten ,  auf  die 
Negersklaverei  bezogen.  Einige  haben  auch  schon  unter  dem 
Kainszeichen  die  schwarze  Haut  verstehen  wollen. 

Nach  christlichem  Begriff  aber  sind  alle  Menschen,  ohne 
Unterschied  der  Nation  und  Hautfarbe,  zum  Heil  berufen. 
Darum  gab  man  den  heiligen  drei  Königen  die  symbolische 
Bedeutung  von  Vertretern  der  drei  Welttheile  und  Haupt- 
racen,  und  führte  in  der  Kirchenmalerei  den  Gebrauch  ein, 
den  dritten  und  jüngsten  König  als  Mohren  zu  malen.  Auch 
zum  Apostel  Philipp  kam  ein  Mohr,  sich  von  ihm  taufen  zu 
lassen.  Als  Mohr  in  ritterlicher  Rüstung  wird  der  heilige 
Mauritius,  desgleichen  der  heilige  Victor  gemalt.  Die  heilige 
Einsiedlerin  Maria  von  Aegypten  ist  gleichfalls  schwarz  wie  eine 
Mohrin,  aber  nur  vom  Sonnenbrand  der  Wüste.  Unter  den 
Sibyllen  wurde  Agrippina  schwarz  gemalt ,  aber  die  Künstler 
haben  sich  immer  bestrebt,  Geist  und  hohen  Seelenadel  in 
dieses  dunkle  Gesicht  zu  legen. 

Monate. 

Jeder  Monat  hat  seinen  Aposteltag,  jeden  Monat  be- 
herrscht ein  Apostel.  Diese  Aposteltage  sind:  der  10.  Ja- 
nuar =  Paulus ;  der  22.  Februar  =  Petrus ;  der  24.  Februar, 
für  den  März  =  Mathias;  der  1.  Mai,  für  den  April  —  Philip- 
pus;  der  1.  Mai  =  Jacobus  minor;  der  11.  Juni  =:  Barnabas; 
der  25.  Juli  =  Jacobus  major;  der  24.  August  =  Bartholo- 
mäus; der  21.  September  ==  Matthäus;  der  28.  October  —  Si- 
mon; der  10.  November  =  Andreas;  der  29.  Dezember  = 
Thomas.  An  die  Verbindung  der  Apostel  mit  den  Monaten 
knüpft  sich  Symbolik.  Paulus  beginnt  die  Reihe  der  Monate, 
w^il  er  der  erste  unter  den  Aposteln  ist;  Petrus  waltet  unter 
dem  Zeichen  des  Wassermanns,  weil  er  über  das  Meer  Christo 
entgegenging  und  ein  Fischer  war,  vielleicht  auch  weil  er 
Herr  der  Kirche  und  aller  Getauften  ist;    auch  wird  seine 


p 


I 


Mond.  tm 

Kahlheit  auf  den  Winter  bezogen.  Vgl.  d.  Artikel  Petrus. 
Jacobus  major  den  Juli,  weil  er  als  Pilger  der  nach  dem 
Solstitio  immer  tiefer  sinkenden  Sonne  nach  Westen  folgte; 
Bartholomäus,  weil  das  Abziehen  seiner  Haut  dem  Abmähen 
der  Aerndte  von  den  Feldern  glich ;  Thomas  ist  als  der  Zweifler 
der  letzte.  Bei  den  übrigen  ist  die  Symbolik  weniger  klar. 
Bei  den  nicht  in  die  Reihe  aufgenommenen  Aposteln  fällt 
auf,  dass  eine  nahe  liegende  Beziehung  nicht  auf  sie  An- 
wendung gefunden.  So  steht  der  18.  October,  als  der  Tag 
des  Lucas,  in  keiner  Verbindung  mit  dem  Sternbild  des  Stieres, 
obgleich  der  Ochs  des  Lucas  Attribut  ist;  eben  so  wenig  der 
25.  April  als  Tag  des  Marcus  mit  dem  Zeichen  des  Löwen, 
obgleich  Marcus  den  Löwen  führt.  Ueber  einige  ganz  will- 
kührliche  Deutungen,  z.  B.  in  Jul.  Schilleri  coelum  christ.  vom 
Jahr  1627,  kann  man  Piper,  christl.  Mythol.  304  f.  vergleichen. 

Mond. 

Von  der  Schöpfung  bis  zum  Tode  Jesu  erscheint  der 
Mond  in  der  Bibel  wie  in  der  Tradition  ohne  alle  symbolische 
Beziehung.  Sonne  und  Mond  verfinstern  sich  beim  Tode  Jesu 
und  werden  auf  alten  Kirchenbildern  desfalls  personificirt  als 
Figuren  oder  Gesichter,  welche  weinen  und  sich  verhüllen. 
Vgl.  d.  Art.  Kreuzigung.  In  seltnen  Fällen  ist  auch  auf 
solchen  rein  christlichen  Darstellungen  der  Mond  noch  als 
die  heidnische  Göttin  Luna  gemalt.  —  Maria  steht  auf  dem 
Halbmond,  ist  von  der  Sonne  umkleidet  und  mit  Sternen 
bekränzt.  Das  bezeichnet  sie  einfach  als  Königin  des 
Himmels. 

Settegast  malte  in  einem  modernen  Bilde  die  von  En- 
geln gekrönte  Jungfrau  auf  dem  Monde  in  der  Art,  dass 
alles  Licht  von  ihr  ausgeht  und  den  Mond  beleuchtet,  der 
selbst  wieder  seinen  Schimmer  auf  die  unten  liegende  dunkle 
Erde  ausgiesst.  Darin  liegt  etwas  zu  Sentimentales,  wenn  sich 
auch  jener  milde  Schimmer  des  Mondlichtes  als  Hoffnungs- 
strahl in  der  Nacht  der  Sünde  rechtfertigen  lässt. 


186  Mond. 

Erst  die  Manichäer  gaben  dem  Mond  eine  besondere 
Bedeutung,  indem  sie  ihn  als  das  Schiff  bezeichneten,  in 
welches  die  Seelen  der  auf  Erden  Verstorbenen  einsteigen 
müssen,  um  in  der  Sonne  abgeladen  zu  werden.  Epipha- 
nius,  haeret.  66,  9.  Baur,  Manichäer  296.  Die  Sichel-  oder 
volle  Form  bezeichnete  hier  die  Leere  oder  Fülle  des  Schiffes. 
Mit  dem  Schiff  der  Kirche  wurde  der  Halbmond  auch  in 
sofern  verglichen,  als  er  den  Abglanz  der  Sonne  Gottes  trägt, 
auch  wenn  es  in  der  übrigen  Welt  Nacht  ist. 

Die  Lunula  (der  kleine  Halbmond)  in  der  Monstranz, 
die  zum  unmittelbaren  Träger  der  Hostie  dient,  verhält  sich 
zu  dieser  Avie  der  Mond  zur  Sonne  oder  auch  wie  die  Mutter 
zum  Sohne ,  der  aus  ihr  hervorgeht ,  also  wie  Maria  zu 
Christus. 

.  Auch  Conrad  von  Megenberg ,  in  seinem  Buch  der 
Natur  verglich  den  Mond  ausführlich  mit  der  Maria:  den 
Vollmond  mit  ihrer  Schwangerschaft;  dass  er  die  Strahlen 
der  Sonne  aufnimmt  und  doch  kühlt,  mit  ihrer  Eigenschaft 
als  Fürbitterin  und  Besänftigerin ;  dass  er  uns  viel  näher  steht 
als  die  Sonne ,  mit  dem  gleichen  Näherstehen  Mariens  etc.  — 
Eine  sehr  heilige  Bedeutung  hat  der  Mond  auch  in  der  be- 
rühmten Vision  der  heiligen  Juliana.  Sie  sah  nämlich  eine 
Lücke  im  Vollmond  und  erkannte  daran,  dass  dem  Kalender 
noch  das  Fronleichnamsfest  fehle.  Als  Editha  mit  dem  hei- 
ligen Adelstan  schwanger  war,  träumte  ihr,  sie  werde  einen 
Mond  gebären.  Auch  auf  die  heilige  Magdalena  wurde  der 
Mond  bezogen.  Schon  im  13ten  Jahrhundert  war  es  Volks- 
glaube, die  Flecken  im  Monde  s^yen  die  Thränen  dieser 
heiligen  Büsserin.  Berthold,  Predigten  145.  Das  erinnert 
einigermassen  an  die  manichäische  Vorstellung.  Nach  einem 
andern,  bei  Dante  erwähnten  Volksglauben  sind  die  Mond- 
flecken durch  Kain  und  den  Dornbusch  gebildet,  den  er 
auf  dem  Rücken  trägt.  Das  ist  der  Gott  missfäUige  Dorn- 
busch, mit  dem  er  sein  Opfer  anzündete.  Zm'  Strafe  muss 
er  nun  ewig  im  Monde  einsam  zubringen.  Dante's  Hölle 
19,    126.     Wir  halten  hier  nur  die  Vorstellung  fest,   nach 


Monstranz.  137 

welcher  der  Mond  ein  Ort  der  Busse,  ein  Aufenthalt  der 
Verstorbenen  seyn  soll. 

Auch  in  anderen  Beziehungen  erscheint  der  Mond  un- 
heimlich. Als  Beherrscher  der  Nacht  steht  er  nach  uralt 
heidnischem  Glauben,  der  im  Aberglauben  der  Christenheit 
fortgedauert  hat,  allem  Zauberwesen  vor.  Der  Einfluss  des 
Mondscheins  ist  vielen  Dingen  verderblich,  und  weil  man 
ihm  heidnischen,  dämonischen  Zauber  zuschreibt,  wafFnet  man 
sich  dagegen  auch  mit  kirchlichen  Mitteln.  Wenn  z.  B.  ein 
ungetauftes  Kind  vom  Mond  beschienen  wird,  muss  es  mond- 
süchtig werden;  man  eilt  daher,  es  zu  taufen.  Grimm,  d. 
myth.  Aberglauben  Nr.  1034. 

Dante  verglich  in  seinem  grossen  Gedicht  durchgängig 
den  Mond  mit  der  Philosophie,  welche  ewig  zwischen  der 
matten  Erkenntniss  der  göttlichen  Geistersonne  und  immer 
wiederholter  Verdunkelung  schwankt.  Doch  lässt  er  einmal 
auch  die  Nonnen,  die  auf  Erden  ihr  Gelübde  nicht  erfüllt, 
ihre  Trostlosigkeit  im  bleichen  Monde  verbergen.  Vgl.  Dante 
von  Kopisch  S.  493. 

Monstranz, 

von  mönstrare,  zeigen,  vorzeigen.  Monstrantia  hiessen  früher 
auch  die  Reliquien ,  wenn  sie  vom  Priester  dem  Volke  gezeigt 
wurden,  nachher  ausschliesslich  das  kostbare  Gefäss,  in  wel- 
chem die  Hostie  getragen  und  vorgezeigt  wird.  Dieses  Ge- 
fäss hatte  vor  dem  13ten  Jahrhundert  auch  eine  andere  Form 
und  hiess  feretrum  oder  ca-psa ,  ähnlich  den  Reliquienkästchen 
und  wohl  häufig  durchsichtig.  Vgl.  Binterim,  Denkw.  VII, 
3.  367  f. 

Aus  dem  Kästchen  wurde  ein  dem  Kelch  entsprechendes 
Thürmchen  oder  Portal.  Vgl.  Heller,  Lucas  Cranach  S.  334  f. 
Die  gothischen  Monstranzen  dieser  Art  haben  mit  ihren  Fen- 
stern etwas  Laternenartiges.  Im  16ten  und  ITten  Jahrhun- 
dert änderten  sie  sich  wieder  und  boten  dem  Volk  mehr  nur 
eine  breite  Front  dar,  eine  runde,  sonnenartige  Scheibe,  wie 


138  Morgren.  ' 

noch  jetzt.  Dieselbe  nahm  in  den  spanischen  Kirchen  eine 
colossale  Ausdehnung  an  und  ahmte  das  Sonnenbild  in  dem 
Glanz  zahlloser  Brillanten  nach.  So  zu  Saragossa,  im  Es- 
corial  (dessen  Monstranz  eine  halbe  Million  Werth  hat),  zu 
Toledo.  Pauliini,  kur.  Cabinet  S.  25.  Gräfin  d'Aunoi,  Keise 
III.  154.  Auch  zu  Lima  in  Peru.  Tschudi,  Peru  I.  95. 
Desgleichen  auch  einige  in  Deutschland,  zumal  in  Prag. 
Keyssler,  Reise  S.  1295. 

Die  Sonnenform  entspricht  der  runden  Form  der  Hostie 
und  der  allsegnenden  Geistersonne,  die  da  ist  Christus.  Doch 
kommt  auch  die  Herzform  im  Centrum,  an  einer  zweiten 
Prager  Monstranz,  vor.  Keyssler  a.  a.  O.  Die  Rundung  für 
die  Hostie  wird  zuweilen  durch  einen  Kranz  bezeichnet,  zu- 
weilen auch  durch  die  Verzweigungen  eines  Baumes  (Baum 
des  Lebens),  oder  durch  die  Umrankung  von  Aehren  und 
Weinreben  (Sinnbildern  des  heihgen  Abendmahls).  Solche 
Aehren  von  Diamanten  und  Trauben  von  Rubinen  bewun- 
derte man  an  der  Monstranz  im  Kloster  Banz  in  Franken. 

Eine  Monstranz  ist  das  Attribut  der  heiligen  Clara,  welche 
dieselbe  auf  Bildern  in  der  Hand  trägt,  weil  sie  einst  den 
Sarazenen,  Avelche  Assisi  stürmen  wollten,  die  Monstranz  ent- 
gegenhielt und  sie  dadurch  vertrieb.  Eine  Monstranz,  aus 
der  ein  Strahl  in  ihr  Herz  geht,  bezeichnet  die  heilige  Fran- 
cisca  Romana. 

Morgen. 

Der  Morgen  gehört  zur  Symbolik  der  Schöpfung,  der 
Incarnation  und  der  Auferstehung.  Es  ist  die  heilige  Zeit 
des  Werdens,  des  aufgehenden  Lichtes  und  Heiles,  des  Sieges 
über  Nacht  und  Tod.  Dem  entspricht  der  Morgengottesdienst 
und  das  kirchliche  Morgenlied,  die  Frühmette  (matutina). 
Vgl.  Binterim,  Denkw.  IV.  1.  357.  Das  schönste  Morgenlied 
ist  der  108te  Psalm,  sodann  der  herrliche  Hymnus  des  Pru- 
dentius.  Fabricii  thes.  I.  41.  785.  Dem  Morgen  selber  dient 
zum  bildlichen  Symbol  der  Hahn,  der  ihn  durch  seinen  Ruf 
verkündet,  und  der  Morgenstern. 


Morgenröthe.  139 

Das  Christenthum  hat  einen  morgendlichen  Charakter 
im  Gegensatz  gegen  den  abendlichen  des  Judenthums.  Der 
Christ  feiert  den  Sonntag ,  den  ersten  Schöpfungsmorgen,  die 
Juden  dagegen  den  letzten,  Ruhetag  nach  vollendeter  Schö- 
pfung. Ueberall  ist  das  Christenthum  Aufgang,  Hereinbrechen 
des  Lichts,  Werden  und  Blühen.  Daher  die  christhchen  Haupt- 
feste, Weihnachten,  Ostern  und  Pfingsten,  alle  auf  Geburt, 
Auferstehung,  Emanation  hinweisen.  Daher  auch  der  ge- 
wöhnliche Gottesdienst  vorzugsweise  Morgengottesdienst  ist. 

Morgenröthe, 

Sinnbild  des  heiligen  Blutes  Christi,  durch  dessen  Vergies- 
sung  die  alte  Nacht  des  Heidenthums  überwunden  und  der 
Morgen  des  ewigen  Heiles  heraufgeführt  wurde.  Aus  diesem 
Grunde  erscheint  auf  Bildern  der  Auferstehung  aus  dem  Grabe 
Christus  immer  in  einem  rosenfarbnen  oder  morgenrothen 
Gewände.  Vgl.  Kunstblatt  1823.  S.  54.  Eine  Vision  der 
heiligen  Hildegard  von  Bingen  in  ihren  Scivias  zeigte  ihr  in 
der  über  die  umnachtete  Erde  gegossenen  Morgenröthe  das 
Blut  des  Heilandes ,  ohne  das  kein  Licht  in  der  Welt  wäre. 

Die  Morgenröthe  ist  aber  auch  Sinnbild  der  heiligen  Jung- 
frau, weil  durch  sie  die  Sonne  der  Geister,  Christus,  geboren 
wurde.  Darum  ist  auf  Kirchenbildern  ihr  Untergewand  ge- 
wöhnlich morgenroth ,  was  sie  als  göttliche  Mutter  bezeichnet. 
Das  weisse  Kleid  bezeichnet  sie  als  Jungfrau,  das  dunkelblaue 
als  Wittwe,  das  purpurne  als  Königin  des  Himmels.  Als  sonne- 
gebärende Morgenröthe  besang  sie  Conrad  von  Würzburg  in 
seiner  goldenen  Schmiede,  Vers  682.  Die  erste  Anspielung 
darauf  findet  sich  aber  schon  im  Hohenliede  6,  9.  Im  Pader- 
borner Liederbuch  Nr.  113.  wird  ihre  Vergleichung  mit  der  Mor- 
genröthe durch  ein  ganzes  Lied  sinnreich  durchgeführt.  Vgl. 
auch  die  schönen  alten  Kirchenlieder  in  Wackernagels  Kirchen- 
lied Nr.  94.  177.  und  in  Haupts  Zeitschrift  VHI.  280.  Unter 
Menestriers  Symbolen  findet  sich  S.  238  f.  die  Morgenröthe 
mit  den  Sinnsprüchen:    non  sine  sole  —  pario^  qui  me  parit. 


140  Morgrenstern. 

Vgl.  auch  PicinelUj  mundus  Symbol,  p.  8.  —  Bei  Jesaias  58,  8. 
wird  die  Morgenröthe  mit  der  Besserung  und  Erhöhung  durch 
gute  Werke  vergHchen. 


Morgenstern, 

Sinnbild  des  Heilands ,  der  in  die  umnachtete  Welt  den  Tag 
bringt,  jjch  bin  der  Morgenstern,"  spricht  Christus.  OfFenb. 
Joh.  22,  16.  Sofern  die  Alten  sowohl  den  Abend-,  als  Mor- 
genstern Lucifer  (Lichtbringer)  nannten,  unterscheidet  schon 
die  alte  Hymne  des  Hilarius  aus  dem  4ten  Jahrhundert  Chri- 
stum als  den  Morgenstern  und  wahren  Lichtbringer  [verus 
Lucifer)  vom  gefallenen  Engel  Lucifer,  der  als  Abendstern 
die  Nacht  der  Sünde  und  des  Todes  hereinführt.  Königsfeld, 
lat.  Hymnen  S.  2.  Indess  ist  die  üblichere  Symbolik,  Christum 
mit  der  Sonne  und  dagegen  seine  Mutter  mit  dem  Morgen- 
stern zu  vergleichen,  weil  dieser  Stern  die  nahe  Ankunft  der 
Sonne  verkündet.  So  in  der  berühmten  Hymne :  Ave  maris 
stell üj  dei  mater  alma,  atque  semper  virgo,  felix  coeli 
porta;  solve  vincla  reis,  profer  lumen  coecis  etc.  Ferner 
in  der  Hymne:  Salve  mundl  domina,  coelorum  regina,  salve 
virgo  virginum^  Stella  matutina  etc.  Auch  in  der:  Stella 
coeli,  exstirpavit  etc.  Am  bezeichnendsten  aber  ist  die  Hymne 
auf  die  heiligen  Eltern  der  Madonna :    0  hina  conjugalis,  worin 

es  heisst: 

Tandern  screniori 

Lux  vecta  Phosphoro 
Explevit  ampliori 

Utrumqne  gaudin : 
Concepit  Anna  prolem 

Stupente  conjuge. 
Cum  vidit  axe  solem 

Plaudente  siirgere. 

Vgl.  auch  Wackernagel,  KirchenUed  Nr.  123.  Paderborner 
Liederbuch  Nr.  93. 

Der  über  dem  stürmischen  Meer  aufgehende  Morgenstern 
(maris  Stella)  bezeichnet  insbesondere  die  heilige  Jungfrau  als 


Moses.  141 

den  HofFnungsstern  der  mit  den  Wellen  kämpfenden  ScliifFer, 
und  niclit  blos  der  wirklichen  Seefahrer,  sondern  auch  aller 
derer,  die  im  Sturm  des  Lebens  den  himmlischen  Hafen  der 
Kühe  ersehnen.     Das  ist  am   schönsten  ausgedrückt  in  dem 

alten  Hymnus : 

0  Stella'  perftilgida. 
Tu  dira  certamina 
Matris  hiijus  reprime. 

Simonis  navicula , 

Filii  tunicula , 

Ne  scindantur ,  prohibe. 

Portus  navigantium , 
Preces  svpplicantium 
Filioritm  recipe. 

In  der  goldnen  Schmiede  des  Conrad  von  Würzburg, 
Vers  139  f.,  heisst  es,  die  heilige  Jungfrau  leuchte  als  Mor- 
genstern denen,  die  auf  dem  wilden  Lebensmeer  der  grund- 
losen Welt  schweben  und  schütze  sie  vor  dem  Magnetberg 
der  Sünde  und  vor  den  Lockungen  der  Sirenen.  —  2.  Petri 
1,  19.  heisst  es:  ,;Der  Morgenstern  soll  aufgehen  in  euren 
Herzen." 

Moses 

bezeichnet  die  geistige  und  ideale  Seite  des  Judenthums,  wie 
Abraham  die  leibliche;  daher  vorzugsweise  in  ihm  die  pro- 
phetische Mission  des  Judenthums  sich  ausspricht  als  Vor- 
bereitung zum  Christenthum ,  des  alten  Testamentes  als  Knos- 
penhülle des  neuen.  Vermöge  eines  uralten  Herkommens  wird 
Moses  auch  in  Bildwerken  als  ein  idealisirter  Abraham  auf- 
gefasst,  ein  starker,  grosser  Mann,  athletisch  und  mit  mäch- 
tigem Barte  wie  jener,  aber  von  viel  mehr  Feuer  und  Geist, 
von  viel  mehr  Hoheit.  Lisbesondere  ist  er  durch  den  sitt- 
lichen Zorn  ausgezeichnet,  der  aus  seinen  Augen  blitzt.  Es 
ist  etwas  Bewegtes,  höchst  Energisches  und  wie  Flammendes 
an  ihm.  So  fasste  ihn  Michel  Angelo  auf  in  der  berühmten 
Kolossalstatue  in  S.  Pietro  in  vinculis  zu  Eom.     Beschrei- 


14S  Moses. 

bung  von  Rom  III.  2.  234.  Wessenberg,  christl.  Bilder  II.  529. 
Der  Letztere  sieht  mit  Recht  darin  das  Urbild  eines  Prophe- 
ten überhaupt.  Auf  Bildern  werden  öfters,  zumal  in  alten 
Kirchenbildern,  die  Lichtstrahlen  (2.  Mos.  34,  30.  2.  Könige 
3,  7.)  in  Mosis  Augen  sichtbar  ausgedrückt  und  als  Hörner 
aufgerichtet.  Auf  jüngeren  Bildern  kommen  auch  förmliche 
Thierhörner  statt  derselben  vor.  Auf  sehr  alten  Bildern  er- 
scheint Moses  noch  unbärtig.     Waagen,  Paris  229. 

Attribute  des  Moses  sind,  ausser  jenen  Augenstrahlen 
oder  Hörnern,  die  beiden  steinernen  Tafeln  des  Gesetzes.  Vgl. 
den  Artikel  Tafel;  ferner  der  Stab.  Auf  den  alten  Kata- 
kombenbildern ist  er  immer  durch  diesen  Stab  bezeichnet,  mit 
dem  er  die  Quelle  aus  dem  Felsen  schlägt.  Zuweilen  kenn- 
zeichnet ihn  auch  die  Schlange.  Neuere  Ausleger  haben  seinen 
Schlangenstab  mit  dem  des  Aesculap  oder  gar  seine  Schlange 
und  die  grosse  Traube  des  Kaleb  mit  Attributen  des  Dionysos 
verglichen,  was  völlig  unvernünftig  ist,  da  dem  griechischen 
Heidenthum  nichts  so  scharf  und  schroff  verschieden  gegen- 
übersteht, als  gerade  Moses  und  Mosaismus.  —  Dass  übri- 
gens auch  schon  in  sehr  früher  Zeit  die  Combinationslust 
Unziemliches  gewagt,  geht  aus  einem  Miniaturbild  der  Her- 
rad von  Landsberg  in  Strassburg  hervor,  auf  dem  ein  Leib 
mit  zwei  Köpfen,  dem  des  Moses  und  Christus,  die  bei- 
den Testamente  oder  die  ganze  heilige  Schrift  versinnbild- 
lichen soll. 

Moses  ist  allerdings  eine  Personification  des  alten  Testa- 
mentes, wie  Christus  die  des  neuen,  daher  man  beide  zuweilen 
in  diesem  Sinne  neben  einandergestellt  findet.  Moses  bezeich- 
net aber  nur  die  ideale  Seite  des  alten  Judenthums.  Er  steht 
nicht  wie  Abraham,  der  Urpatriarch,  mitten  in  seinem  Volk, 
sondern  als  der  Urprophet  gegenüber  und  über  diesem  Volk 
als  Träger  einer  höheren  Mission.  Er,  das  ihm  von  Gott  auf 
dem  Sinai  überantwortete  Gesetz,  sein  Geist  und  Wirken, 
der  Mosaismus  war  es,  der  nicht  als  das  Judenthum  an  sich, 
sondern  als  die  demselben  von  oben  eingeprägte  höhere  Signa- 
tur dem  Christenthum  zur  welthistorischen  Vorbereitung  diente. 


Moses.  143 

Auf  diese  Weise  wurde  das  alte  Testament  in  tausend- 
fachen Zügen  eine  Prophezeihung  und  ein  Vorbild  des  neuen, 
und  Moses  selbst  ein  Vorbild  Christi.  Moses  fand  sein  Volk 
in  tiefer  Sklaverei  unter  fremder  Herrschaft,  eben  so  Christus. 
Pharao  Hess  bei  Mosis  Geburt  die  jüdischen  Knaben  um- 
bringen, eben  so  Herodes  bei  Christi  Geburt.  Moses  bereitete 
sich  zu  seiner  Sendung  als  Flüchtling  vor,  eben  so  Christus 
in  der  Wüste.  Im  feurigen  Busch  offenbarte  sich  Gott  zuerst- 
dem  Moses,  eben  so  in  der  unbefleckten  Empfängniss,  deren 
Symbol  jener  Busch  geworden  ist.  Mit  der  Kraft  Gottes 
überwand  Moses  die  ägyptischen  Zauberer,  eben  so  Christus 
die  Schriftgelehrten  und  Pharisäer.  Die  Plagen  Aegyptens 
waren  Vorbilder  der  letzten  Plagen  vor  dem  Weltgericht,  wie 
die  Offenbarung  Johannis  sie  beschreibt.  Der  Auszug  der 
Kinder  Israel  aus  Aegypten  ist  das  Vorbild  aller  christlichen 
Pilgerschaft  auf  Erden.  Der  Durchgang  durch's  rothe  Meer 
war  ein  Vorbild  der  Taufe  wie  der  Auferstehung.  Der  Unter- 
gang Pharao's  und  seiner  Schaaren  ein  Vorbild  der  Ver- 
dammniss.  Die  eherne  Schlange,  die  Moses  aufrichtete,  ein 
Vorbild  des  Ej:euzes.  Die  Quelle,  die  er  aus  dem  Felsen 
schlug,  ein  Vorbild  des  heiligen  Blutes  Christi,  am  Kreuz 
vergossen  zur  Erlösung  der  Menschen.  Das  vom  Himmel 
gefallene  Manna  ein  Vorbild  des  Brodtes  im  heiligen  Abend- 
mahl. Der  blühende  Stab  Aarons  ein  Vorbild  des  blühenden 
Stabes  Josephs.  Die  Verklärung  Mosis  auf  dem  Sinai  das 
Vorbild  der  Transfiguration.  Alle  diese  Bilder  aus  dem  alten 
Testament  werden  daher  sehr  oft  in  unmittelbare  Verbindung 
gebracht  mit  den  ihnen  entsprechenden  Bildern  aus  dem  neuen 
Testament  und  gewöhnlich  in  kleinerem  Maassstab  derselben 
zur  andächtigen  und  sinnigen  Vergleichung  beigesellt.  Dies 
geschieht  in  der  griechischen  Kirche  noch  regelmässiger  und 
in  noch  bestimmteren  hergebrachten  Typen ,  von  denen  nicht 
abgewichen  werden  darf,  als  in  der  römischen. 

Ueberhaupt  kommen  Bilder  aus  dem  alten  Testament  in 
der  griechischen  Kirche  öfter  vor,  als  in  der  römischen, 
weil  die  erstere  den  Patriarchen  und  Propheten  gleichen  Rang 


144  "^  Moses. 

zuerkennt  mit  den  christlichen  HeiHgen  und  sie  daher  auch 
als  Altarbilder  gebraucht  mit  Vorsetzung  des  Sanctus.  So 
findet  man  in  griechischen  Kirchen  häufig  den  heiligen  Moses 
als  Altarbild.  In  früheren  Jahrhunderten  des  Mittelalters  war 
dies  auch  in  Frankreich  der  Fall.  Vgl.  Didron^  annales 
III.  108. 

Auf  dem  Sinai  haben  sich  noch  Erinnerungen  an  Moses 
lebendig  erhalten.  So  sollen  die  Mönche  im  Kloster  am  Sinai 
noch  ein  geheimnissvolles  Buch  besitzen,  das  Moses  zurück- 
gelassen, von  dessen  Auf-  und  Zuschlagen  der  Regen  in  der 
Gegend  abhängen  soll.  Von  gewissen  Detonationen  des  Win- 
des glaubt  man,  es  sey  Mosis  Geist,  der,  vom  Sinai  hinab- 
steigend, über  Meer  fliege  und  den  geliebten  Bergen  sein 
Lebewohl  sage.  Ritter,  Erdkunde  XIV.  238.  Man  zeigt  an 
einem  Felsen  noch  den  Abdruck  von  Mosis  Rücken.  Hier 
ging  der  Herr  an  ihm  vorüber,  er  bückte  sich  und  stiess, 
als  er  sich  wieder  erhob ,  an  den  Felsen  an.  Das.  582.  Auch 
des  Mosis  Quelle  ist  noch  zu  sehen,  ein  weisser  Feldspath- 
gang,  der  den  rothen  Granit  durchsetzt.  Das.  601.  Alle 
Stellen,  wo  Moses  gewandelt,  sind  heute  noch  im  Orient  den 
Christen,  Juden  und  Muhamedanern  heilig. 

Die  jüdische  Tradition  nennt  des  Moses  Vater  Amram, 
seine  Mutter  Jochebeth.  Die  Muhamedaner  haben  die  Fabel 
noch  weiter  ausgesponnen.  Da  ist  schon  die  Zeugung  des 
Moses  von  Wundern  begleitet.  Dem  Pharao  wird  geweissagt, 
ein  in  einer  gewissen  Nacht  gezeugtes  Judenkind  werde  ihm 
zum  Verderben  gereichen.  Nun  lässt  er  desselben  Tages  alle 
Juden  zu  einem  Feste  zusammenkommen,  damit  sie  von  ihren 
Weibern  getrennt  sind.  Nur  Amram,  sein  treuer  Thürhüter, 
bleibt  im  Pallast  und  zu  ihm  kommt  seine  Frau.  Im  Augen- 
blick, in  welchem  Moses  gezeugt  wird,  erscheint  ein  strah- 
lender Stern  am  Himmel,  Israels  Rettungsstern.  Pharao 
wüthet  vergebens.  Noch  hoift  er,  das  gefährliche  Kind,  so- 
bald es  geboren,  zu  verderben,  und  befiehlt,  zur  bestimmten 
Zeit  alle  Judenknaben  umzubringen.  Die  Schergen  dringen 
in  Amrams  Haus.    Da  wirft  die  Schwester  des  neugebornen 


Moses.  145 

Moses  diesen  in  der  Angst  in's  Feuer  des  Heerdes.  Als  die 
Mutter  kommt,  liegt  das  Kind  lächelnd  da  und  spielt  mit 
den  Flammen.  Nun  die  Aussetzungs-  und  Findungsscenen. 
Die  Tochter  Pharao's  behält  das  Kind  im  Pallast,  und  der 
alte  Pharao  selber  hat  seine  Freude  daran,  der  kleine  Moses 
sitzt  oft  auf  seinem  Schooss ,  zaust  ihn  aber  beim  Barte  und 
stösst  ihm  die  Krone  vom  Haupte,  v.  Hammer,  Rosenöl 
I.  78  f.  Weil,  bibl.  Legenden  S.  126  f.  Ein  Bild,  wie  Moses 
Pharao's  Krone  mit  Füssen  tritt,  von  Nik.  Poissin  in  England. 
Waagen,  England  I.  505. 

In  diesem  Gegensatz  des  Moses  gegen  das  heidnische 
Königthum  liegt  ein  Gedanke,  der  für  die  ganze  Welt- 
geschichte von  hoher  Bedeutung  ist.  Im  Uebrigen  ist  die 
jüdische  und  muhamedanische  Legende  in  Bezug  auf  Moses 
in  so  alberne  Ausschweifungen  und  Ueb  er  treibungen  gera- 
then,  dass  man  vom  christlichen  Standpunkt  ganz  davon  ab- 
sehen darf. 

Der  Gegensatz  des  von  Moses  verkündeten  Gottesreiches 
(Theokratie)  gegen  das  heidnische  Königthum  spricht  sich 
hauptsächlich  und  durchgängig  im  Gesetz  Mosis  und  in  der 
Einsetzung  des  Priesterthums  aus.  Alles  im  Gesetz  und 
Cultus  der  mosaischen  Juden  ist  auf  Gottesfurcht  gebaut.  Ein 
so  tiefer  Ernst  in  der  Nähe  Gottes,  ja  beim  blossen  Gedanken 
an  Gott  war  keinem  andern  Volk  des  Alterthums  eieren,  in 
deren  Dogmen  und  Culten  vielmehr  immer  etwas  Spielerei 
sich  einmischt.  Die  Gottesfurcht  aber  war  schon  alt  unter  den 
Juden,  schon  von  Abraham  her  dem  Volk  tief  eingeprägt.  Aber 
das  Gesetz  vom  Sinai,  die  theokratische  Verfassung  des  Volkes 
Gottes  und  der  von  Moses  gegründete  Priesterstand  waren 
etwas  Neues.  Sie  sollten  die  Zukunft  verbürgen;  die  alleinherr- 
schende Priesterschaft  sollte  das  Aufkommen  weltlicher  Kö- 
nige verhüten.  Niemand  als  Jehovah  im  Himmel  sollte  König 
seines  auserwählten  Volkes  seyn.  Das  ist  der  Grundgedanke 
der  mosaischen  Gesetzgebung,  und  einer  der  tiefsten  Ge- 
danken, die  je  geschöpft  wurden.  —  Moses  war  ein  Prophet, 
unmittelbar  von  Gott  erweckt;  aber  solche  Erweckungen  waren 

Menzel,  christl.  Symbolik.   II.  ^Q 


146  *  Moses. 

etwas  Seltenes,  seit  Abraham,  Jakob,  Joseph  war  keiner 
mehr  von  Jehovah  der  Ansprache  gewürdigt  worden.  Zudem 
war  inzwischen  das  Volk  viel  grösser  geworden.  Ein  erb- 
licher Priesterstand  schien  also  die  heiligen  Traditionen  am 
sichersten  bewahren  und  das  Volk  leiten  zu  können.  Was 
der  Prophet  nur  einmal  in  Zeiten  der  Krise  auf  ungewöhn- 
liche Weise  leisten  konnte,  sollte  der  Priester  nun  zu  allen 
Zeiten  und  gewöhnlich  leisten.  Wie  aber  dem  Propheten 
der  Geist  Gottes  allein  genügte,  so  musste  dem  Priester 
das  geschriebene  Gesetz  zur  Richtschnur  und  WaiFe  gegeben 
werden. 

Im  mosaischen  Gesetz  offenbart  sich  vorherrschend  die 
Gerechtigkeit  für  das  Zeitliche,  während  in  dem  christlichen 
Evangelium  die  Liebe  zum  Ewigen  führt.  Jenes  Gesetz  ist 
das  harte,  stachlige  Kelchblatt,  aus  dem  die  zarte  Blume  des 
Chris tenthums  hervorbrechen  sollte. 

In  dem  mosaischen  Gesetz  kommen  eine  Menge  Bestim- 
mungen vor,  die  uns  Christen  jetzt  zu  hart  scheinen,  die 
gleichwohl  damals  nöthig  waren.  Das  Christenthum  hat  die 
Offensive  ergriffen,  um  alle  Völker  der  Erde  in  sich  zu  ver- 
einigen. Das  Judenthum  hatte  in  ängstlicher  Defensive  sein 
heiligeres  und  reineres  Princip  zu  schirmen,  um  nicht  im 
Heidenthum  unterzugehen.  Daher  die  vielen  Absonderungs- 
und Reinigungsgesetze,  die  darauf  berechnet  waren,  das  Volk 
vor  jeder  Berührung  mit  den  Heiden,  ihrem  Cultus  und  ihren 
Sitten  zu  hüten.  Viele  andere  Gesetze  Mosis  erscheinen  uns 
fremdartig  oder  unnütz ,  während  sie  für  das  südliche  Klima 
wohlberechnet  waren  und  zum  Schutz  der  Gesundheit  dienen 
sollten.  Das  Princip  ihres  Criminalcodex :  „Aug  um  Aug, 
Zahn  um  Zahn,"  erscheint  uns  freilich  hart,  allein  ehe  mit 
Christo  die  Liebe  in  die  Welt  kam,  musste  die  Gerechtigkeit 
dem  Uebel  steuern.  Rauhere  Zeiten  und  Gemüther  verlangten 
rauhere  Gesetze.  Doch  fehlt  dieser  Rauhigkeit  auch  ein  mil- 
der Gegensatz  nicht.  Wenigstens  innerhalb  des  jüdischen 
Volkes  selbst  musste  zu  gewissen  Perioden  Alles  vergeben 
und  vergessen  seyn.    Das  Halljahr,   oder  je  das  ÖOste  Jahr, 


i 


Mücke.  147 

sollte  Alles,  was  verworren  war,  wieder  entwirren,  alles  Alte 
verjüngen,  jede  Schuld  von  selber  tilgen  etc. 

Dieses  nur  für  die  Juden  berechnete  Gesetz  ist  natür- 
licherweise von  den  Christen  aufgegeben  worden.  Die  Chri- 
sten schienen  seiner  nicht  zu  bedürfen ,  weil  für  sie  eigentlich 
jedes  Jahr  ein  Halljahr  seyn  soll;  weil  die  christUche  Ge- 
meinde zu  jeder  Stunde  so  brüderlich  handeln  soll,  wie 
die  Juden  nur  an  jenem  Halljahr  zu  handeln  verpflichtet 
waren,  wie  der  Christ  nicht  mehr  in  der  Zeitlichkeit,  son- 
dern schon  in  der  Ewigkeit  leben  soll. 

Mit  der  periodischen  Sühne  und  Reinigung  des  Hauses 
Israel  hängen  auch  sehr  genau  die  beiden  Sühnopfer  des 
Sündenbocks  und  der  rothen  Kuh  zusammen.  Auf  einen 
Bock  wurden  (3.  B.  Mos.  16.)  alle  Sünden  Israels  feierlich, 
durch  eine  allgemeine  Nationalbeichte  niedergelegt,  und  der 
Bock  dann  in  die  Wüste  getrieben.  So  glaubte  das  Volk 
seiner  Sünden  los  zu  werden.  Dieser  Sündenbock  ist  das 
bedeutungsvolle  Vor-  und  zugleich  Gegenbild  des  Lammes 
Gottes ,  das  der  Welt  Sünde  trägt.  Die  rothe  Kuh  (4.  Buch 
Mos.  19.)  galt  ebenfalls  als  Träger  aller  Unreinigkeiten  in 
Israel  und  wurde  geopfert,  dass  mit  ihr  alle  Unreinigkeit 
getilgt  werde.  Sie  scheint  das  Sinnbild  des  Götzendienstes 
gewesen  zu  seyn,  wie  das  goldne  Kalb. 

Mücke. 

Dieses  kleinste  unter  den  geflügelten  Thieren  erscheint 
in  jüdischen  Legenden  als  ein  Diener  Gottes,  von  ihm  ge- 
sandt, um  mächtige  Weltherrscher  zu  bestrafen  und  durch 
das  Bewusstseyn  ihrer  Ohnmacht  zu  beschämen.  Eine  Mücke 
soll  dem  Nimrod  zur  Strafe  für  seinen  Königsübermuth,  eine 
andere  dem  Titus,  zur  Strafe  für  die  Zerstörung  Jerusalems 
in  die  Nase  und  von  da  in's  Hirn  gekrochen  seyn  und  sie 
wahnsinnig  gemacht  haben.  Bochart,  hieroz.  H.  568.  —  In 
den  christlichen  Legenden  kommen  zuweilen  Mückenschwärme 
im  Dienste  von  Heiligen  vor.    Das  Gebet  des  heiligen  Jacob 

10* 


148  Mühle. 

von  Nislbi  erweckte  einen  ungeheuren  Mückenschwai^m ,  der 
den  Perserkönig  Sapor  und  sein  ganzes  Heer  mit  Elephan- 
ten  und  Rossen  in  die  Flucht  schlug.  Ein  ähnlicher  Schwärm 
kam  zu  Gerunda  in  Spanien  aus  dem  Grabe  des  heiligen 
Narcissus,  und  vertrieb  und  tödtete  die  Franzosen,  die  es 
plündern  wollten.  Nach  Mariani  rer.  hispan.  Mückenschwärme 
Avölbten  sich  über  der  heiligen  Rosa  von  Lima  zum  Schleier, 
der  sie  vor  der  Sonne  schützte,  und  sangen  mit  ihr  zum 
Lobe  Gottes.     Görres,  Mystik  11.  223. 

Mühle, 

In  altdeutschen  Liedern  zu  Ehren  Maria's  wird  dieselbe 
unter  andern  auch  mit  einer  Müllerin  verglichen,  die  das 
Korn  Gottes  gemahlen  hat  zum  Himmelsbrodte.  Mone,  An- 
zeiger V.  41.  W.  Grimm,  Conrads  goldne  Schmiede  S.  XL  VI. 
Unziemlich  sind  die  mehrfach  vorkommenden  Bilder  einer 
Mühle,  in  die  der  Heiland  oben  einsteigt  und  aus  der  unten 
die  Hostie  hervorkommt.  Die  Religionsspötter  des  vorigen 
und  jetzigen  Jahrhunderts  haben  solche  Abnormitäten  benutzt, 
um  das  heilige  Sakrament  überhaupt  zu  verhöhnen.  —  Eine 
Mühle  ist  Attribut  des  heiligen  Kentigern,  weil  er  bewirkte, 
dass  eine  des  Sonntags  nie  in  Gang  kam,  wenn  man  auch 
die  Räder  dem  Stoss  des  Wassers  öffnete.  P.  Abraham,  Judas 
in.  156.  Es  gibt  noch  mehr  Mühlenheilige,  St.  Gildas,  Abt 
in  der  Bretagne,  segnete  einmal  eine  Mühle,  dass  derselben 
das  Mehl  nie  ausgehen  konnte.  29.  Januar.  —  St.  Winoch, 
ein  alter  Mönch,  sollte  für  einen  andern  die  Handmühle 
drehen,  betete  aber  nur,  und  die  Mühle  ging  von  selbst. 
Erst  als  der  andere  Mönch  ihn  belauschte,  stand  die  Mühle 
still.     Surius  zum  6.  November. 

Mühlstein, 

Attribut  derjenigen  Heiligen,  die  mit  einem  Mühlstein  am 
Halse  in's  Wasser  geworfen  ihr  Martyrium  erlitten.     So  der 


Mühlstein.  149 

heilige  Agathopidus,  Calixtus,  Florianus,  Quirinus,  Panta- 
leon,  Theodulus,  die  heilige  Aurea,  Theodosia  etc.  Am  be- 
rühmtesten ist  die  heilige  Christina,  die  auch  unzähligemal 
auf  Kirchenbildern  mit  dem  Mühlstein  gemalt  ist.  Sie  war 
die  Tochter  eines  vornehmen  Römers  und  wurde  von  ihm 
in  einem  Thurme  am  Bolsenersee  eingesperrt  mit  zwölf 
Mägden  und  vielen  goldnen  Götzenbildern.  Da  sie  aber  be- 
dachte, diese  Götzen  seyen  lebloses  Metall,  so  wandte  sie 
sich  an  den  unsichtbaren,  aber  lebendigen  Gott  des  Himmels, 
durch  unmittelbare  Eingabe  des  heiligen  Geistes.  Die  Mägde 
verriethen  ihre  Andacht  und  ihr  grausamer  Vater  Hess  ihr, 
als  sie  nicht  widerrufen  wollte,  das  Fleisch  mit  Haken  aus 
dem  Leibe  reissen.  Sie  nahm  ein  Stück  ihres  Fleisches  und 
bot  es  dem  Vater  mit  den  Worten  dar:  „Hier,  du  Wolf, 
verzehre  das  Fleisch,  das  du  selbst  gezeugt  hast."  Hierauf 
wurde  sie  mit  einem  Mühlstein  in  den  See  versenkt;  aber 
der  Stein  schwamm  oben,  und  Christus  trat  zu  ihr  und  taufte 
die  auf  dem  Steine  Sitzende  mit  dem  Wasser  des  See's: 
„Du  sollst  hinfort  nach  mir  Chris tina  heissen."  Ihren  Vater 
holte  der  Teufel.  Die  Römer  steckten  sie  nun  in  einen 
glühenden  Ofen ,  wo  sie  aber  lieblich  sang.  Man  schnitt  ihr 
die  Zunge  aus,  aber  sie  sang  fort.  Man  warf  sie  in  einen 
Thurm  voll  Schlangen,  aber  die  Schlangen  neigten  sich  vor 
ihr.  Endlich  wurde  sie  mit  zwei  Pfeilen  erlegt.  25.  Juli. 
Ihr  Bett  soll  die  Gabe  gehabt  haben,  jeden  Kranken,  der 
darin  schlief,  zu  heilen,  und  jeden  Heiden  zu  bekehren.  — 
Ihre  Legende  wurde  poetisch  wiedergegeben  in  Rousseau's 
Legenden  S.  43. 

Wie  sie  zum  Götzendienst  geschleppt  wird,  malte  Paul 
Veronese  in  Venedig.  Wie  sie  den  Mühlstein  als  Attribut 
an  der  Hand  hält,  malte  Schoreel,  eines  der  schönsten  und 
berühmtesten  Bilder  der  ehemals  Boisseree'schen  Sammlung:. 
Eine  Christina  (blosse  Figur)  malte  auch  Lucas  von  Leyden 
(in  der  Münchner  Pinakothek),  Guercino,  gest.  von  Read. 


150  Mund. 


Mund. 


Ein  Schwert  im  Munde  Gottes.  OfFenb.  Joh.  1,16.  Goldne 
Fäden,  aus  dem  Munde  von  Betenden  zum  Himmel  aufstei- 
gend, bedeuten  die  Gebete.  In  Miniaturen,  s.  Waagen, 
Paris  322.  Ein  Schloss  im  Munde  ist  Attribut  des  heiligen 
Raymundus,  den  die  Ungarn  auf  diese  Weise  marterten  (im 
Jahr  1240).  Feurige  Beredsamkeit  bewirkt  dem  Munde  das 
Brennen  mit  glühenden  Kohlen  durch  den  Seraph.  Jesaias 
6,  6.  —  Auf  Bildern  des  16ten  und  Anfang  des  ITten  Jahr- 
hunderts kommen  oft  knieende  Frauen  vor ,  denen  der  Mund 
mit  einem  Tuch  verbunden  ist.  Das  sind  Bildnisse  solcher 
Frauen,  die  schon  vor  Stiftung  des  Denkmals  gestorben 
waren.  Ist  das  Denkmal  von  einem  Herrn  errichtet,  der 
eine  erste  Frau  überlebte  und  der  eine  zweite  noch  lebend 
besitzt,  so  hat  jene  auf  dem  Bilde  den  Mund  verbunden, 
diese  frei. 

Mutter. 

Wenn  die  Kirche  als  Mutter  aller  Gläubigen  aufgefasst 
wird,  so  ist  unter  der  Mütterlichkeit  nicht  blos  die  mütter- 
liche Liebe  und  Zucht  verstanden,  sondern  mit  Beziehung 
auf  die  Maria  auch  die  Jungfräulichkeit  noch  innerhalb  der 
Mütterlichkeit.  Denn  die  Kirche  soll  den  jungfräiilichen  Cha- 
rakter nie  aufgeben. 

Im  alten  Testament  wird  die  mütterliche  Sorge  um  die 
Kinder  Israel  vorzugsweise  der  Rahel  zugewiesen.  Vgl.  den 
Art.  Rahel.  Sodann  ragt  die  Mutter  der  Maccabäer  durch 
ihre  Standhaftigkeit  hervor,  die  sich  in  der  christlichen  Le- 
gende von  der  heiligen  Felicitas  mit  ihren  sieben  Söhnen 
und  von  der  heiligen  Symphorosa,  die  gleichfalls  mit  sieben 
Söhnen  das  Martyrium  erlitt,  abspiegelt. 

Von  der  heiligen  FeHcitas,  „die  standhafte  Mutter"  von 
sieben  Söhnen,  die  alle  vor  ihren  Augen  als  Christen  den 
grausamsten  Martyrertod  erduldeten ,  während  man  sie  selber 


i 


\ 


Mutter.  151 

in  Oel  sott,  im  Jahr  160,  10.  Juli,  haben  wir  eine  berühmte 
Darstellung  von  Raphael.  Vgl.  Wessenberg,  christl.  Bilder 
II.  396.  Vasari  III.  2.  322.  Als  geistliches  Schauspiel  ist 
sie  behandelt  von  dem  Franzosen  Causin  und  nach  ihm  von 
Andreas  Gryphius.  —  Als  sie  im  Kerker  des  letzten  Kindes 
genass  und  vor  Schmerzen  schrie,  rief  man  ihr  zu:  „Wie 
wirst  du  erst  unter  der  Marter  schreien!"  Aber  sie  antwor- 
tete :  „Heute  leidet  die  Natur  in  mir,  morgen  aber  Christus." 
Und  so  gab  sie  auch  unter  der  Marter  keinen  Schmerzens- 
laut  von  sich.  Man  hat  sie  die  christliche  Niobe  genannt. 
Noch  verwandter  ist  sie  der  Mutter  der  Maccabäer.  Rous- 
seau hat  sie  in  seinen  Legenden  S.  16.  besungen.  —  Die 
heilige  Symphorosa  wurde  zu  Tivoli  bei  Rom  unter  Hadrian 
als  Christin  ertränkt,  und  ihre  sieben  Söhne  wurden  gespiesst, 
der  älteste  am  Halse,  der  zweite  an  der  Brust,  und  so  fort. 
18.  Jiüi. 

Sophia  mit  ihren  drei  Töchtern,  Fides,  Charitas  und 
Spes,  ist  allegorisch  die  Weisheit  als  Mutter  der  Tugenden 
Glaube,  Liebe,  Hoffnung. 


n 


Nabel. 

Der  mangelnde  Nabel  ist  auf  alten  Kirclienbildern  das 
ausschliessliclie  Kennzeichen  Adams  und  Eva's ,  weil  sie  allein 
geschaffen  und  nicht  wie  andere  Menschen  geboren  wurden. 

Nachfolge    Christi. 

Als  Jesus  dem  Knechte  des  Hauptmanns  von  Kapernaum 
geholfen,  heilte  er  des  Petrus  Schwieger,  Besessene  und 
allerlei  Kranke,  und  ging  dann  an  den  See  Genezareth,  um 
hinüberzufahren.  Viel  Volk  begleitete  ihn.  Da  sprach  ein 
Schriftgelehrter,  durch  den  Anblick  seiner  Wunderthaten  er- 
griffen: „Herr,  ich  will  dir  folgen,  wo  du  hingehst!^  Aber 
Jesus  traute  seinem  schnellen  Eifer  keine  Ausdauer  zu  und 
sprach:  „Die  Füchse  haben  Gruben,  die  Vögel  unter  dem 
Himmel  haben  Nester,  aber  des  Menschen  Sohn  hat  nicht, 
da  er  das  Haupt  hinlege."  Noch  Einer  wollte  ihm  folgen, 
aber  erst  seinen  Vater  begraben.  Da  sprach  Jesus:  „Folge 
mir  und  lass  die  Todten  ihre  Todten  begraben."  Matth. 
8,  19  ff.    Jener  eilende  Schriftgelehrte,   der  mehr  will,  als 


Nacktheit.  15^ 

er  kann,  contrastirt  mit  diesem  Zaudernden,  der  noch  etwas 
Anderes  zu  thim  hat,  wenn  er  auch  sonst  den  besten  Willen 
hat.  Beide  stellen  zwei  Seiten  der  christlichen  Gemeinde  dar. 
In  dem  herrlichen  Wort:  „Lass  die  Todten  ihre  Todten 
begraben"  liegt  aber  die  edelste  Erhebung  der  Seele  über 
alle  irdische  Noth  und  Sorge,  es  ist  der  schlagendste  Aus- 
druck des  himmlischen  Heimwehs,  der  verächtlichste  Blick 
auf  die  Kerkerwände  dieses  Erdenlebens. 


Nachtigall. 

In  einem  schönen  Hymnus  des  heiligen  Bonaventura  (bei 
Fortlage  S.  250)  wird  die  Seele  des  Frommen  mit  ihrer 
Sehnsucht  nach  dem  Himmel  einer  Nachtigall  verglichen ,  die 
in  der  Nacht  aus  Sehnsucht  nach  dem  Lichte  singend  stirbt. 
—  Des  frommen  Wettgesanges  einer  Nachtigall  mit  der  hei- 
ligen Rosa  von  Lima  gedenkt  Görres,  Mystik  I.  474. 

Nachtraben 

sollen  die  irrenden  Seelen  gestorbener  Gotteslästerer  seyn, 
welche  verdammt  sind ,  immer  im  Fluge  ein  Kreuz  zu  machen 
und  so  lange  zu  fliegen,  bis  sie  am  heiligen  Grabe  in  Jeru- 
salem Ruhe  gefunden.     Dänische  Volkssagen  von  Thiele. 

Nacktheit 

ist  in  der  christlichen  Vorstellungs weise  keineswegs  das  Sinn- 
bild des  Unschuldszustandes ,  sondern  vielmehr  der  Erbsünde, 
der  forterbenden  Schuld  der  ersten  Menschen  im  Paradiese. 
Daher  verlangt  die  Kirche  ein  keusches  Vermeiden  alles 
Nackten  im  Leben  wie  im  Bilde,  und  bildet  somit  den 
schärfsten  Gegensatz  gegen  das  classische  Heidenthum.  Wo 
sie  die  Nacktheit  auf  Kirchenbildern  duldet ,  da  ist  immer  die 
Sünde  nicht  weit,  z.  B.  bei  Pothifars  Weib,  Bathseba,  Susanna. 
Dagegen  verlangt  der  Teufel  zu  seinem   Cultus  Nacktheit^ 


154  Nägel. 

z.  B.  bei  den  Hexenfahrten  und  Hexensabbathen.  Wenn  auch 
in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Christenheit  Erwachsene  nackt 
getauft  wurden  (vgl.  Augusti,  Denkw.  VII.  55.),  so  geschah 
es  doch  mit  grosser  Decenz.  Auf  alten  Bildern  sieht  man 
immer  nur  den  Kopf  aus  einer  Kufe  hervorragen,  die  den 
Täufling  umschliesst.  Vgl.  Waagen,  Paris  208.  215.  Noch 
viel  weniger  durften  heilige  und  göttliche  Personen  nackt 
erscheinen.  Christus  am  Kreuz  war  bekleidet.  Viele  Legen- 
den melden  die  Wunder,  die  geschahen,  um  bei  Martyrien 
den  Anblick  des  nackten  Heiligenleibes  zu  verhüllen.  Die 
Heiligen  Agnes,  Maria  von  Aegypten  etc.  deckte  ihr  Haar; 
beim  Anblick  der  nackten  heiligen  Epistene  erblindeten  die 
53  Zuschauer  allzumal.  Surius  zum  5.  November.  Vom  hei- 
ligen Vincent  sagt  die  Legende,  er  habe  sich  selbst  nie  nackt 
sehen  wollen  und  sich  daher  immer  nur  im  Dunkeln  aus-  und 
angekleidet.  —  Erst  in  den  letzten  drei  Jahrhunderten  ist 
mit  dem  antiken  Geschmack  auch  die  Nacktheit  in  die  Kirchen- 
bilder gekommen  und  haben  die  Maler  christliche  Kirchen- 
wände missbraucht,  um  einem  rein  antiken  und  heidnischen 
Bedürfniss  nach  schönen  nackten  Gestalten  zu  genügen,  wozu 
sie  sich  nicht  etwa  nur  des  Adam  und  der  Eva,  der  Bath- 
seba  etc.,  sondern  auch  der  ehrwürdigsten  christlichen  Heiligen 
bedienten,     Vgl.  die  Artikel  Magdalena,  Sebastian. 

Nägel. 

Auf  den  ältesten  Crucifixen  sind  vier  Nägel,  je  einer  in 
einer  Hand  und  in  einem  der  neben  einander  stehenden  Füsse 
des  Heilands  eingeschlagen.  Auf  den  spätem  nur  drei ,  indem 
ein  Nagel  durch  beide  übereinandergelegte  Füsse  geht.  Die 
Dreizahl  wurde  beliebt,  wo  die  Nägel  nicht  am  Crucifix 
selbst,  sondern  getrennt  unter  den  Passionswerkzeugen  vor- 
kommen, vielleicht  mit  Beziehung  auf  die  heilige  Dreieinig- 
keit, vielleicht  nur  der  einfacheren  Gruppirung  wegen.  Man 
sieht  sie  oft  concentrisch  über  dem  Herzen  Jesu  als  Symbole 
seiner  Passion.    Auch  in   den  Fenstern  gothischer  Kkchen 


Naim.  155 

haben  oft  in  der  Rosettenform  drei  concentrische  Radien  die 
Gestalt  von  Nägeln. 

Nägel  sind  auch  das  Attribut  vieler  Heiligen ,  sofern  diese 
mit  Nägeln  zu  Tode  gemartert  wurden.  So  tragen  die  Hei- 
ligen Dagobert,  Epimachus,  Severus  auf  Bildern  den  Nagel 
ihres  Martyriums  in  der  Hand.  Der  heilige  Julianus  Eme- 
senus  und  die  h.  Engratia  im  Kopf,  der  h.  Pantaleon  in  den 
über  dem  Kopf  angenagelten  Händen,  der  h.  Bassus  einen 
Nagel  in  jedem  Fusse. 

N  a  i  n, 

der  Jüngling  von.  Unter  den  Heilungen  Jesu  nimmt  die 
Erweckung  des  todten  Jünglings  von  Nain  eine  der  schönsten 
Stellen  ein  (Lucas  7.).  Von  überwältigender  Rührung  ist  die 
Scene,  wie  ihm  der  Leichenzug  begegnet  und  wie  er  die  in 
Schmerz  aufgelöste  Mutter  mit  dem  himmlischen  Tröste  be- 
grüsst;  „Weine  nicht!"  und  wie  er  dann  zu  dem  Jüngling 
spricht:  „Stehe  auf!'^  und  der  Todte  sich  aufrichtet  und  redet 
und  seiner  Mutter  in  die  Arme  sinkt.  Alle  Anwesenden  aber 
kam  eine  Furcht  an  und  sie  priesen  Gott.  —  Den  tiefen 
Eindruck  dieser  schönen  Erzählung  haben  die  Rationalisten 
mit  Einem  Worte  zu  vernichten  getrachtet,  indem  sie  an- 
nahmen ,  der  Jüngling  von  Nain  sey  nur  scheintodt  gewesen 
und  Jesus  habe  das  vermittelst  seiner  medicinischen  Kennt- 
nisse bemerkt  und  ihn  ohne  irgend  ein  W^under  wieder  zum 
Leben  gebracht ,  diese  Kur  aber  betrügerisch  für  ein  gött- 
liches Wunder  ausgegeben.  So  z.  B.  Paulus  in  seinem  Leben 
Jesu.  Man  kann  sich  wohl  keine  nichtswürdigere  Bibeler- 
klärung denken,  wie  diese! 

Den  tieferen  Sinn  dieses  Wunders  begreift  man  erst, 
wenn  man  erwägt,  wie  durch  das  ganze  Heidenthum  ein 
tragischer  Zug  ging,  in  einer  gewissen  Verzweiflung  an  der 
ewigen  Gerechtigkeit  und  einer  gänzlichen  Unkenntniss  der 
ewigen  Liebe.  Das  ganze  heidnische  Alterthum  kannte  nur 
jenen   Schmerz,    den   Schiller    in    den   berühmten   Worten 


156  Nebel. 

aussprach:  ;,Das  ist  das  Loos  des  Schönen  auf  der  Erde.^ 
Die  schönste  adeligste  Jugendblüthe  der  Menschheit  war,  nach 
dieser  antiken  Ansicht,  einem  finstern  Verhängniss  verfallen. 
Für  den  Tod  des  schönen  Achilles,  des  edeln  Sigfrit  gab  es 
keinen  Trost,  nur  eine  blutige  Rache.  Dieser  tragischen 
Härte  des  Heidenthums ,  diesem  stoischen  Schmerz  des  Fata- 
lismus trat  nun  zum  erstenmal  der  liebevolle  Trost  des  Chri- 
stenthums  entgegen  und  zwar  ausdrücklich  in  der  Erweckung 
des  Jünglings  von  Nain. 

Die  Erweckung  wurde  gemalt  von  Zuchero.  Das  Bild, 
gestochen  vonMatham,  ist  eine  reiche  Composition;  der  Zug 
hält  unter  dem  Stadtthor,  die  Bahre  ist  zu  des  Heilands 
Füssen  gestellt  und  der  Jüngling  erwacht  eben,  und  blickt, 
die  Hände  faltend,  staunend  auf  Jesum;  die  Mutter  kniet 
noch.  Auf  einem  andern  Bilde  desselben  Meisters,  gestochen 
von  Thommassin ,  hat  der  Jüngling  noch  die  Augen  geschlos- 
sen und  sperrt  widerwärtig  den  Mund  auf.  Das  schönste 
Bild  malte  Neher  in  Stuttgart.  Hier  haben  alle  Figuren  den 
wahrsten  und  ergreifendsten  Ausdruck,  und  das  Ganze  macht 
einen  unbeschreiblich  rührenden  Eindruck. 


Nebel, 

Sinnbild  der  Verdunkelung  und  Verschleierung,  die  dem 
Sünder  den  Anblick  des  Heiligen  raubt.  So  vertrieb  Petrus 
Teutonicus,  Camaldulenser  in  Etrurien,  die  Feinde,  die  sein 
Kloster  stürmen  wollten,  durch  einen  Nebel,  in  dem  sie  sich 
verirrten.  Eben  so  wurde  deP  heilige  Petitus  seinen  Feinden 
durch  einen  Nebel  entrückt. 


Nicodemus, 

ein  reicher  Jude  und  Mitglied  des  Synedriums ,  fühlte  sich  in 
seiner  redlichen  Seele  angesprochen  von  dem,  was  er  von  Jesu 
vernahm;  während  er  anderseits  seiner  hohen  Stellung  wieder 
Rechnung  trug  und  ein  öffentliches  Bekenntniss  aus  vornehmer 


Nicodemus.  157 

Eücksicht  vermied.  Er  kam  daher  nur  heimlich  und  bei 
Nacht  mit  Jesus  zusammen,  um  sich  über  das  Verhältniss 
seiner  Mission  zum  bisherigen  mosaischen  Gesetze  belehren 
zu  lassen.  Dieses  Gespräch  bringt  Joh.  3.  Das  Resultat 
aber  ist,  dass  das  Gesetz  nur  negativ  wirkt,  strafend  die 
Sünde,  abwehrend  das  Böse,  während  der  Messias  positiv 
das  Gute  bringt  und  dem  Menschen  ein  neues  Herz  gibt. 
Ausdrücklich  sagt  hier  Jesus:  er  sey  nicht  gekommen,  die 
Welt  zu  richten  (was  schon  der  alte  Jehovah  gethan),  son- 
dern dass  die  Welt  durch  ihn  selig  werde.  Wer  an  ihn 
glaube,  der  werde  nicht  gerichtet,  wer  nicht  an  ihn  glaube, 
der  sey  schon  gerichtet.  Der  Gegensatz  des  Christenthums 
zum  Judenthum  ist  hier  auf's  Schärfste  aufgefasst. 

Nicodemus  wird  in  einer  Erzählung  von  Wessenberg 
(Nicodemus,  2te  Aufl.  1846)  hauptsächlich  in  dem  Sinne  ge- 
rechtfertigt, sofern  man  ihm  vorgeworfen  hat,  er  habe  doch 
zu  wenig  Muth  bewiesen,  indem  er  nur  heimlich  zu  Christo 
gekommen  sey  und  sich  nicht  offen  zu  ihm  bekannt  habe. 
Er  sagt,  Nicodemus  habe  auf  diese  Weise  der  christlichen 
Sache  mehr  gedient,  als  wenn  er  offen  aufgetreten  wäre, 
weil  er  sich  dadurch  der  Mittel  seines  Einwirkens  beraubt 
hätte.  Kein  Bruder  solle  über  den  Andern  richten,  sondern 
an  den  Werken  soll  man  sie  erkennen.  —  Das  ist  wohl  wahr. 
Inzwischen  wirft  es  doch  einen  starken  Schatten  auf  die 
Pharisäer  und  Schriftgelehrten,  dass  der  einzige  Mann  unter 
ihnen,  der  sich  dem  Christenthum  ergibt,  so  zag  und  vor- 
sichtig ist.  Wir  sahen  das  alte  Prophetenthum  vertreten  durch 
Johannes  den  Täufer  in  kühner,  grossartiger  Freiheit.  Das 
Pharisäerthum  hat  doch  etwas  an  sich,  was  ihm  eine  solche 
Erhebung  nie  erlaubt.  Wir  sahen  in  Matthäus  einen  ver- 
achteten Zöllner,  der  dem  Herrn  am  hellen  Tage  folgte  und 
der  erste  Evangelist  wurde.  Nicodemus,  geistig  viel  höher 
stehend  und  nicht  minder  frommer  Anhänger  des  Herrn,  ist 
doch  noch  zu  sehr  in  die  Falten  seines  vornehmen  Amts- 
gewandes gewickelt,  um  uns  so  frei  zu  erscheinen  und  den 
Christen  brüderlich  anzusprechen. 


158  Nimbus. 


Nimbus, 

die  Ausstrahlung  des  göttlichen  Lichtes  und  heiligen  Feuers 
aus  den  heiligen  Personen,  insbesondere  aus  ihrem  Haupte, 
der  Strahlenkreis,  der  sie  umgibt.  Er  verhält  sich  in  der 
christlichen  Yorstellungsweise  und  Kunst  keineswegs  wie  etwa 
der  Sonnennimbus  der  heidnischen  Sonnengötter,  worunter 
die  Sonnenscheibe  selbst  gemeint  ist.  Vielmehr  drückt  der 
christliche  Nimbus  die  Macht  des  Geistigen  im  Leiblichen 
aus,  die  den  Leib  gleichsam  überfluthet  und  über  ihn  hinaus 
strahlt,  das,  was  die  neuere  Physiologie  den  Nervengeist 
oder  das  magnetische  Fluidum  zu  nennen  pflegt.  An  den 
Augen  hat  man  von  jeher  diese  geistige  Uebermacht  zuerst 
wahrgenommen.  Daher  die  erste  nimbusartige  Erscheinung, 
deren  das  alte  Testament  erwähnt,  die  Strahlen  sind,  die  dem 
Moses  aus  den  Augen  gingen,  als  er  aus  Gottes  Nähe  vom 
Sinai  herabkam.  2.  Mos.  34,  29.  An  vielen  Heiligen  hat  man 
eine  Phosphorescenz ,  eine  magische  Erleuchtung  des  ganzen 
Körpers  in  den  Momenten  heiliger  Ekstase  wahrgenommen. 
Görres,  Mystik  H.  310. 

Der  Nimbus  ist  aber  zugleich  Auszeichnung,  Kennzeichen 
der  Heiligkeit ,  darum  wurde  er  schon  von  Durandus  (rationale 
I.  3.)  mit  der  Krone  des  Lohnes  identificirt ,  deren  Buch  der 
Weisheit  5,  17.  gedacht  ist.  Vgl.  die  Ai-tikel  Jungfrau  und 
Krone,  in  welchen  erklärt  ist,  wie  die  heilige  Macht  der 
Jungfräulichkeit  den  Kranz  und  die  Krone  zum  Zeichen  hat. 
Das  ist  aber  eben  die  Jungfräulichkeit ,  ohne  die  es  gar  keinen 
Heiligen  gibt,  das  ist  die  Macht  des  reinen  Lichts,  die  durch 
den  undurchsichtigen  Körper  eben  so  strahlt,  wie  sie  mitten 
im  Sturme  ruhig  und  unauslöschlich  verharrt. 

In  der  Kirchenmalerei  erscheint  der  Nimbus  ausseror- 
dentlich vielgestaltig.  Die  griechische  Kirche  erlaubt  ihren 
Malern,  ja  schreibt  ihnen  vor,  den  Nimbus  bei  allen  Per- 
sonen anzubringen,  denen  eine  dämonische  Macht  innewohnt, 
sey  es  auch  nur  die  böse.    Hier  wird  der  Nimbus  lediglich 


l 


I 


Nimbus.  159 

das  Kennzeichen  eines  aus  dem  gemeinen  Kreise  der  Natur 
heraustretenden  höheren  Wesens.  Daher  nicht  blos  Judas 
Ischarioth ,  sondern  auch  der  Teufel  selber  und  der  höllische 
Drache  den  Nimbus  trägt.  Didron,  manuel  p.  252.  Demnach 
kommt  hier  auch  allen  Patriarchen  und  Propheten  des  alten 
Testamentes  der  Nimbus  zu.  Daselbst  p.  133.  Ganz  anders 
die  abendländische  Kirche,  die  den  Nimbus  als  Heiligenschein 
ausschliesslich  auf  die  göttlichen  Personen  und  auf  die  christ- 
lichen Heiligen  einschränkt.  Die  griechische  Kirche  sucht 
indess  den  Unterschied  durch  die  Farben  auszudrücken.  Judas 
z.  B.  hat  einen  schwarzen  Nimbus.    Didron,  man.  p.  234. 

Der  eigentliche  Nimbus  umkleidet  nur  das  Haupt,  die 
Gloria  nennt  man  dagegen  den  Glanz ,  der  die  ganze  Figur 
oder  auch  eine  Gruppe  von  Figuren  umgibt.  Ist  dieser  Glanz 
mandelförmig,  was  der  Länge  der  aufrecht  stehenden  Figur 
entspricht,  so  heisst  er  in  Italien  mandorla^  in  Deutschland, 
wo  die  Mandeln  wenigstens  ehemals  seltner  vorkamen,  ver- 
glich man  diese  längliche,  oben  und  unten  zugespitzte  Glorie 
lieber  mit  einem  Fisch,  dem  Symbol  Christi.  Diese  Form 
war  besonders  auf  kirchlichen  Sigillen  beliebt.  Die  sogenannte 
aureola  ist  das  Nämliche  und  hat  diesen  Namen  nur  von  der 
Goldfarbe.  Vgl.  Didron^  annales  I.  6.  12.  Ist  die  Fischform 
in  der  Mitte  getheilt,  so  heisst  sie  Fischblase ,  weil  der  Fisch 
eine  aus  einem  grössern  und  kleinern  Theil  zusammengesetzte 
Blase  hat.  Vgl.  Kreuser,  Kirchenbau  I.  551.  Diese  Form 
erscheint  unter  mancherlei  Abänderungen:  1)  als  eine  Mandel, 
die  so  quer  durchgeschnitten  ist,  dass  der  obere  Theil  um 
zwei  Drittel  grösser  ist,  als  der  untere;  2)  als  eine  Fischblase, 
ganz  in  derselben  Weise,  nur  dass  beide  Theile  sich  selbst- 
ständig abrunden  und  nicht  mehr  so  fest  aneinander  hängen  j 
3)  in  der  Form  der  Zahl  8,  als  zwei  übereinandergeschobene 
Kreise.  Diese  Form  kommt  sehr  oft  auf  altdeutschen  Bildern 
des  Weltgerichts  vor,  indem  Christus  den  blauen  Himmels- 
kreis zur  Lehne  des  Hauptes,  den  grünen  Erdkreis  aber 
zur  Stütze  der  Füsse  und  beide  zugleich  doch  auch  zur 
Glorie  hat. 


160  Nimbus. 

Die  den  ganzen  Leib  umschliessende  grosse  Glorie  kommt 
in  der  Regel  nur  den  drei  höchsten  göttlichen  Personen  und 
der  Gottesmutter  zu ;  dagegen  der  kleinere  Nimbus  um's  Haupt 
allen  Heiligen.  Die  Glorie  lässt,  vermöge  ihrer  Grösse  und 
ihrer  Bestimmung ,  eine  ganze  Figur  einzunehmen ,  auch  eine 
weite  ornamentale  Ausdehnung  zu:  1)  die  Ausstrahlung  einer 
Sonne  in  lange  glänzende  Strahlen,  z.  B.  die  Glorie  um's 
heilige  Sakrament  des  Altars  in  den  grossen  spanischen 
Monstranzen,  ganz  aus  Diamanten  zusammengesetzt;  2)  die 
Flammenglorie,  wenn  statt  der  graden  und  feinen  Sonnen- 
strahlen dickere  und  zackige  Flammen  den  Rand  bilden, 
besonders  häufig  an  Marienbildern ;  3)  der  Regenbogen,  wenn 
der  Rand  weder  aus  Strahlen  noch  Flammen,  sondern  aus 
drei  oder  sieben  parallelen  Farbenreihen  gebildet  wird,  was 
oft  in  alten  Miniaturen  vorkommt. 

Der  Nimbus  um  das  Haupt  muss  immer  ein  einfacher  seyn, 
weil  er  sonst  das  Haupt  zu  sehr  belasten  und  gegen  den 
-übrigen  Körper  zu  schwerfällig  erscheinen  lassen  würde ,  was 
in  der  That  zuweilen  der  Fall  ist  bei  Christus-  und  Marien- 
bildern, deren  Nimbus  in  allzu  lange  und  schwere  goldene 
Strahlen  ausgeht ,  und  bei  Heiligenbildern ,  deren  Nimbus  zu 
massiv  und  schwer  wie  ein  Mühlstein  auf  ihren  Häuptern 
lastet.  Doch  kann  andrerseits  auch  die  Leichtigkeit  des 
Tragens  übertrieben  werden.  Die  Kirchenmaler  haben  in 
den  verschiedenen  Jahrhunderten  mit  gewissen  Moden,  den 
Nimbus  zu  tragen,  gewechselt.  Auf  den  ältesten  Bildern 
stehen  die  heiligen  Köpfe  en  face  mitten  in  der  goldenen 
Scheibe,  die  mehr  hinter  ihnen  liegt,  als  von  ihnen  getragen 
wird.  Indem  die  Köpfe  nach  und  nach  mehr  Bewegung  an- 
nahmen und  sich  im  Profil  zeigten,  erhob  sich  auch  der 
Nimbus  und  legte  sich  als  dünne,  nur  in  der  Quere  gesehene 
Scheibe  über  ihr  Haupt  oder  gar  nur  als  feiner  Goldreif  wie 
ein  Kranz  um  dasselbe.  Auf  manchen  Bildern  nun  nimmt 
dieser  Nimbus  etwas  Kokettes,  Barettartiges  an,  was  keines- 
wegs zur  Heiligkeit  stimmt.  Die  Scheibe  wurde  dick  und 
schwebte  wie  eine  Pelzmütze  über  dem  Kopf  (vgl.  Didron, 


A 


Nimbus.  161 

icon.  p.  104.) ,  oder  der  Reif  wurde  immer  zarter  und  enger 
und  schwebte  nur  noch  wie  ein  Ring  über  den  Köpfen. 
EndHch  verschwand  der  Nimbus  ganz.  Schon  im  16ten  Jahr- 
hundert wurden  viele  Heilige  ohne  Nimbus  dargestellt,  indem 
die  Maler  sich  darauf  verliessen,  dass  die  Genialität,  die  sie 
in  die  Apostelköpfe  gelegt,  den  Nimbus  entbehrlich  machen 
würde.  Aber  ein  zarter  Lichtnimbus  thut  dem  malerischen 
Effect  gewiss  keinen  Abbruch,  während  die  Anmassung,  Hei- 
lige ohne  Nimbus  darzustellen,  zu  grosser  Verweltlichung  und 
UnUnterscheidbarkeit  der  Heiligen  von  unheiligen  Pathetikern 
geführt  hat. 

Gott  Vater  hat  auf  Kirchenbildern  nicht  selten  ein  gol- 
denes gleichseitiges  Dreieck  als  Nimbus,  hinweisend  auf  die 
Dreieinigkeit.  Zuweilen  gehen  erst  von  diesem  Dreieck 
Strahlen  nach  allen  Seiten  wie  von  einem  Sterne  aus.  Auch 
kommt  ein  Nimbus  Gott  des  Vaters  vor,  in  dem  zwei  solche 
Dreiecke  quer  übereinander  gelegt  sind,  dass  sie  einen  sechs- 
eckigen Stern  bilden.  Didron,  icon.  p.  37.  Oefter  jedoch  ist 
Gott  dem  Vater,  Sohn  und  Geist  der  durchkreuzte  Zirkel 
als  Nimbus  zugesellt  und  ausschliesslich  vorbehalten.  Das 
Kreuz  im  Kreise  bezeichnet  überall  und  immer  eine  der 
Personen  der  heiligen  Dreieinigkeit  und  kann  nie  einem 
Heiligen  zukommen.  Da  aber  der  Fuss  des  Kreuzes  vom 
Kopfe''  selber  auf  dem  Bilde  gedeckt  wird  und  man  nur 
die  beiden  Seitenarme  und  die  Spitze  in  drei  Ausstrahlungen 
gegen  den  Kreis  hin  erblickt,  so  ist  das  Kreuz  hier  zugleich 
Sinnbild  der  Dreieinigkeit.  Auf  Bildern  der  griechischen 
Kirche  stehen  über  den  beiden  Armen  des  Kreuzes  im  Nim- 
bus häufig  die  Worte:  d  a)V,  der  da  ist.  Auf  abendländischen 
Bildern  nie.    Didron,  man.  XLI. 

Christus  trägt  als  zweite  Person  der  Gottheit  den  durch- 
kreuzten Zirkel  als  Nimbus.  Das  Kreuz  wird  mannigfach 
aufgefasst,  häufig  nimmt  es  an  den  vier  Spitzen,  wie  sie  sich 
dem  Kreisrande  nähern,  lilienartige  Ausbiegungen  an.  Oft 
wird  es  nur  durch  leichte  Einbiegungen  des  Kreises  in  den 
vier  Abtheilungen  desselben  angedeutet.     Manchmal  wird   es 

Menzel,  christl.  Symbolik.   II.  H 


162  Nimbus. 

sehr  dick  und  verengt  dadurch  den  Kreis.  Seit  dem  löten 
Jahrhundert  fällt  auf  Christusbildern  der  Nimbuszirkel  öfters 
ganz  weg  und  bleibt  nur  das  Kreuz  allein  übrig,  so  dass 
man  nur  die  höchste  Spitze  desselben  über  dem  Scheitel  des 
Heilands  und  die  beiden  Arme  an  den  Schläfen  desselben 
sieht.  Diese  drei  Kreuzglieder  stellen  sich  dann  aber  ins- 
gemein als  divergirende  Lichtstrahlen  oder  als  convergirende 
Flammen  dar.  Zwischen  ihnen  stehen  zuweilen  die  Buch- 
staben r  —  e  —  X  (König).  Neuere  Maler  haben  des  Heilands 
Haupt  häufig  nur  mit  einem  nebelhaften  Lichtschein,  oder 
mit  einer  massiv  goldnen  Sonne  umgeben.  Auf  Bildern  des 
Weltgerichts  wird  der  Nimbus  des  Heilands  zuweilen  durch 
perspectivische  Engelchöre  angedeutet.  —  Auch  das  Lamm, 
wenn  es  Christum  bedeutet,  hat  den  Nimbus  der  drei  höchsten 
göttlichen  Personen.  Die  Hostie  dagegen  hat  als  Nimbus  eine 
Sonne,  gleichsam  nur  die  Fortsetzung  und  Ausstrahlung  ihrer 
runden  Scheibe. 

Dem  heiligen  Geist  kommt,  mag  er  in  menschlicher  oder 
Taubengestalt  dargestellt  seyn,  stets  der  durchkreuzte  Zirkel 
als  Nimbus  zu. 

Die  Madonna  mit  dem  Kinde  schwebt  entweder  in  einer 
grossen,  ihre  ganze  Gestalt  umgebenden  Glorie,  oder  hat 
den  Nimbus  nm's  Haupt ,  wie  das  heilige  Kind  den  seinigen, 
oder  beide  Nimben  und  die  Glorie  finden  sich  beisammen. 
Oft  ist  die  Glorie  nicht  eine  Sonne,  oder  ein  Flammenkreis 
oder  Regenbogen,  sondern  ein  Kreis  von  Engeln,  auf  altern 
Bildern  auch  ein  Kreis  von  sieben  Tauben,  die  Gaben  des 
heiligen  Geistes  bezeichnend.  Didron^  annales  L  218.  Der 
Nimbus  um's  Haupt  der  Gottesmutter  ist  nie  durchkreuzt, 
sondern  immer  eine  reine  Rundscheibe  oder  ein  Reif,  ein 
Lichtschein,  eine  Sonne,  ein  Kranz  von  Sternen.  Der 
Sternennimbus  kommt  ausser  der  Gottesmutter  nur  noch  dem 
heiligen  Johannes  von  Nepomuk  zu.    Vgl.  den  Artikel  Stern. 

Der  Nimbus  um  das  Haupt  der  Heiligen  ist  immer  nur 
die  runde  Scheibe  oder  der  Reif,  durchgängig  golden,  nur 
wo  der  Unterschied  eines  niedern  Heiligen  von  den  göttlichen 


Noah.  168 

Personen  ausgedrückt  werden  soll,  auch  silbern.  Inschriften 
im  Rande  des  Nimbus  kommen  nur  bei  heiligen  Kaisern  und 
Königen  vor.  Didron,  icon.  p.  77.  Ein  viereckiger,  jedoch 
einfach  goldener  Nimbus  unterscheidet  die  noch  lebenden 
Päpste  und  solche  Personen ,  denen  die  Heiligkeit  noch  nicht 
ertheilt,  aber  vorbehalten  ist.  Daselbst  p.  83.  Einen  blossen 
Nimbus  statt  des  Kopfes  trägt  der  heilige  Felix  und  ist  daran 
auf  Kirchenbildern  kenntlich.  Als  er  nämlich  enthauptet 
worden,  erschien  der  Nimbus  über  dem  Halse,  um  seinen 
Rumpf  als  den  eines  Heiligen  zu  bezeichnen. 

Auf  grossen  Bildern  des  Weltgerichts,  der  himmlischen 
Huldigungen  etc.  gruppiren  sich  häufig  die  Engelchöre  in 
Reigen,  die  als  Glorien  die  heiligen  Personen  umgeben. 
Solche  lebende  Glorien  finden  sich  besonders  oft  in  Kuppeln 
italienischer  Kirchen,  und  auch  Dante  hat  sie  als  Dichter  in 
seiner  Beschreibung  des  Paradieses  vorgebracht.  Auch  aus 
blossen  Wolken  werden  solche  Glorien  gebildet.  Didron^ 
icon.  p.  176.  Raphael  liebte,  in  diese  Glorienwolken  geister- 
haft zarte  Engelköpfe  zu  malen. 

Noah. 

Noah  steht  in  Beziehung  zu  Adam,  wie  die  Wieder- 
geburt des  Menschengeschlechts  zu  dessen  Geburt,  und  wird 
insofern,  wie  schon  die  Mystiker  des  Mittelalters  anerkannt 
haben,  ein  Vorbild  des  Heilands,  seine  Arche  ein  Vorbild 
des  Schiffes  der  Kirche,  seine  Taube  ein  Vorbild  des  heiligen 
Geistes,  die  Sündfluth  selbst  der  Taufe,  der  von  Noah  ge- 
pflanzte Weinstock  des  heihgen  Abendmahls,  seine  Aufdeckung 
durch  Cham  das  ecce  homo.  Vgl.  Rupert.  Tuit.  p.  48.  Auch 
schon  auf  den  alten  römischen  Katakombenbildern  gehört 
Noah,  wie  er,  aus  dem  Kasten  hervorschauend,  die  Taube 
entlässt,  zu  den  Grabsymbolen,  durch  welche  auf  die  Auf- 
erstehung hingewiesen  wird.  Nur  diese  Beziehungen  gehören 
in  die  christliche  Symbolik,  von  der  verbannt  bleiben  muss 
Alles,  was  neuere  rationalistische  Exegeten  ausgeklügelt  haben 

11* 


164  Nuss. 

über  die  Etymologie  des  Namens  Noah  und  dessen  Ver- 
wandtschaft mit  navis,  Neck,  Nix.  Buttmann  (Mythologus 
I.  172  f.)  schämte  sich  nicht,  ihn  wegen  der  Reben  sogar  in 
Verbindung  zu  bringen  mit  dem  griechischen  Bacchus.  Hinter 
all  diesem  gelehrten  Unsinn  verbirgt  sich  immer  nur  Hass 
gegen  die  christliche  Wahrheit  und  das  Trachten,  die  theo- 
logische Jugend  irre  zu  führen. 

In  der  Reihe  der  Patriarchen  ist  Noah  immer  durch  die 
kleine  Arche  kenntlich,  die  er  trägt.  Vgl.  die  Artikel  Arche 
und  Regenbogen. 

Nuss. 

Nussblätter  werden  in  die  Frohnleichnamskränze  gewun- 
den, weil  einmal  ein  Nussbaum,  als  Maria  schwanger  mit 
Joseph  nach  Bethlehem  wanderte,  dieselben  vor  Regen  ge- 
schützt hatte.  Hofmann,  Apokr.  102.  Auf  einem  Nussbaum 
erschien  Maria  zu  St.  Paolo  in  den  Apenninen.  Gumppen- 
berg,  marian.  Atlas  Nr.  342.  Desgleichen  ihr  Bild  im  Innern 
eines  Nussbaums  zu  Castiglione,  daselbst  82.  —  Bei  den  Juden 
und  Heiden  galt  der  Nussbaum  als  Sitz  böser  Dämonen. 
Nach  dem  Talmud  hat  er  an  jedem  Zweige  neun  Blätter  und 
auf  jedem  sitzt  ein  Teufel.  Horst,  Dämonomanie  I.  89. 
Unter  einem  Nussbaume  bei  Benevent  versammeln  sich  die 
Hexen  aus  ganz  Italien.  Mayer,  Neapel  IL  51.  Ein  Nuss- 
baum, in  dem  die  Teufel  hausen,  soll  aus  dem  Grabe  des 
Nero  in  Rom  gewachsen  seyn.  Als  man  ihn  in  die  Tiber 
warf,  setzten  sich  eine  Menge  Raben  darauf.  An  derselben 
Stelle  baute  man  die  Kirche  del  Popolo ,  wodurch  die  Teufel 
verbannt  wurden.  Gumppenberg  Nr.  26.  Keyssler,  Reise  530. 
Bunsen,  Beschr.  von  Rom  HL  3.  210. 


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o 


i. 


Ochs. 

Ochs  und  Esel  im  Stalle  zu  Bethlehem  sind  als  Tag-  und 
Nachtthiere,  als  Repräsentanten  des  guten  und  bösen  Thier- 
reichs  nach  vorherrschend  ägyptischen  und  persischen  Be- 
griffen, aus  dem  heidnischen  Osiris-  und  Mithracultus  gedeutet 
worden,  was  aber  lediglich  nicht  in  die  christliche  Symbolik 
gehört.  Durch  ihre  Anwesenheit  an  der  Krippe  wird  nur 
das  Prophetenwort  von  Jesaias  1,  3.  und  Habacuc  3,  2.  erfüllt. 

Ueber  den  geflügelten  Ochsen  vgl.  den  Artikel  Cherubim. 
Indem  die  vier  geflügelten  Träger  des  göttlichen  Thrones 
aus  Ezechiel  auf  die  vier  Evangelisten,  als  Träger  des  gött- 
lichen Wortes  im  neuen  Bunde  übergingen,  bekam  Lucas 
den  Ochsen  zum  Attribut.  Vgl.  den  Artikel  Lucas.  —  Die 
zwölf  Rinder,  die  das  sogenannte  eherne  Meer  im  Tempel 
zu  Jerusalem  trugen  (1.  Kön.  7,  25.),  sind  auf  die  zwölf 
Söhne  Jakobs  und  vorbildlich  auch  auf  die  zwölf  Apostel 
bezogen  worden,  indem  man  das  eherne  Meer  zugleich  als 
ein  grosses  Taufbecken  auffasste. 

Als  Sinnbild  der  rohen  Verthierung  erscheint  der  zum 
Ochsen  gewordene  König  Nebucadnezar ,  Gras  fressend. 
Daniel  4,  29. 


166  "  Odysseus. 

Heilige ,  die  den  wilden  Ochsen  und  Stieren  vorgeworfen 
wurden:  Blandina,  Julitta,  Marciana,  Perpetua,  Tryphäna, 
Rainerus  etc.  Der  heilige  Saturninus  wurde  von  einem  Stier, 
an  dessen  Schweif  man  ihn  band,  zu  Tode  geschleift.  Die 
Heiligen  Antipas,  Eustachius,  Eleutherius,  Theodata,  Pelagia 
wurden  im  Bauch  eines  ehernen  glühenden  Stieres  (gleich 
dem  Ochsen  des  Phalaris)  verbrannt.  —  Der  heilige  Adalbert 
von  Prag  predigte  einst  vor  den  andächtig  zuhörenden  Rin- 
dern. Oxford  hat  den  Namen  von  einer  schönen  Nonne ,  die 
vor  den  Bewerbungen  des  Königs  Eduard ,  auf  einem  Ochsen 
reitend,  durch  den  Fluss  entfloh.  Zwei  Stiere,  denen  die 
heilige  Thecla  vorgeworfen  wurde,  scheuten  sie  und  thaten 
ihr  nichts.  —  Mehrmals  kommen  in  der  Legende  Ochsen  vor, 
die  vor  einer  verlorenen  oder  durch  Frevler  verworfenen 
Hostie  knieen  und  dadurch  zu  ihrer  Entdeckung  führen. 
Gumppenberg,  marian.  Atlas  Nr.  536.  541. 

Patron  der  Rinder ,  wie  der  Viehzucht  überhaupt  ist  der 
heilige  Leonhard. 

Odysseus. 

In  einem  merkwürdigen  Auto  des  Spaniers  Juan  Perez 
de  Montalevon  ist  Galatea  die  menschliche  Seele,  während 
Polyphem  den  Satan,  Christus  aber  den  Odysseus  vorstellt, 
der  jenen  überwindet  und  Galateen  rettet.  Wiener  Jahrb. 
1822,  HL  29. 

O  e  1 , 

der  reinste  LichtstofF,  aus  der  unschuldigen  Pflanzenwelt  ent- 
nommen, daher  von  jeher  geheiligt.  Zugleich  heilkräftig, 
den  Schmerz  der  Wunden  lindernd,  bedeutet  das  Oel  in  der 
christlichen  Symbolik  zunächst  die  Gnade  Gottes.  Jedoch 
scheint  dem  häufigen  Gebrauch  des  Oels  im  christlichen  Cultus 
vornämlich  auch  die  alte  Erinnerung  an  die  Ringer,  die  sich 
vor  dem  Kampfe  mit  Oel  salbten,  zum  Grunde  zu  liegen. 
Man  gebraucht  das  Oel  zur  Salbung  bei  der  Taufe  und  Fir- 
melung, bei  Sterbenden  (die  letzte  Oelung),  bei  Priesterweihen 


Oel.  167 

und  bei  der  Krönung  der  Könige  (die  Salbung).  Damit  ver- 
bindet sicli  wohl  der  doppelte  Sinn  theils  einer  Uebertragung 
göttlicher  Milde  auf  den  Gesalbten,  theils  einer  Stärkung  zu 
schwerem  Ringen  und  Kämpfen.  Vgl.  Rippel,  Alterthumb 
der  Cäremonien  S.  145.  Das  biblische  Bild  vom  unerschöpf- 
lichen Oelkrug  der  armen  Wittwe  (2.  Kön.  4,  2.)  bezeichnet 
die  Fülle  der  Gnade.  In  der  griechischen  Kirche  hat  das 
Oel  als  Gnadenmittel  die  grösste  Bedeutung.  Am  Palm- 
sonntag wird  das  Oel  für  das  ganze  Reich  in  einem  grossen 
Kessel  vom  Patriarchen  selbst  oder  dessen  Stellvertreter  ge- 
sotten, von  Diaconen  mit  Cypressenzweigen  (Anspielung  auf 
den  Tod  Christi,  da  die  Cypresse  den  Tod  bedeutet)  umge- 
rührt und  mit  einer  grossen  Perlmutterschale  (in  welcher  das 
erste  heilige  Oel  aus  Constantinopel  gebracht  worden  war) 
ausg*eschöpft  und  in  die  Krüge  gefüllt,  in  denen  es  in's 
ganze  Reich  verschickt  wird.  Hier  sieht  man,  welcher  Werth 
auf  eine  im  geweihten  Oele  sich  fortpflanzende  Segenskraft 
gelegt  wird. 

Dieselbe  Idee  wird  auch  in  der  katholischen  Kirche  durch 
die  ewigen  Lampen  ausgedrückt,  die,  vor  dem  Allerheiligsten 
brennend,  nie  erlöschen  dürfen,  und  immerwährend  mit  Oel 
gefüllt  werden.  Damit  verbindet  sich  aber  eine  noch  tiefere 
Idee,  nämlich  die  des  Lichts,  das  aus  dem  Oele,  der  Weis- 
heit ,  die  aus  der  Liebe  fliesst.  Schon  im  Propheten  Zacharias 
4,  3.  findet  sich  ein  schönes  Bild  der  in  der  ewigen  Liebe 
gebornen  Weisheit:  ein  Leuchter  zwischen  zwei  Oelbäumen. 
Vgl.  Offenb.  Job.  11,  4,  wo  die  zwei  Zeugen  Oelbäumen 
verglichen  werden.  Auch  die  Thür  zum  Allerheiligsten  des 
salomonischen  Tempels  war  von  Oelbaumholz.  Vgl.  Kugler, 
Kunstgeschichte  S.  80.  Insbesondere  aber  wird  die  Gnaden- 
mutter mit  einem  Oelbaume  verglichen ,  der  Oel  in  Fülle  hat 
für  alle  Wunden  der  Menschen.  Conrad  von  Megenberg, 
Buch  der  Natur  1482,  Fol.  157. 

Wenn  im  Chrysam  Oel  und  Balsam  die  vereinigten  bei- 
den  Naturen   Christi  bezeichnen   (Rippel  a.  a.  0.   462.),   so 


168  Oel. 

ist  unter  dem  Oele  die  menscliliclie  Natur  verstanden,   als 
der  reinste  irdische  Stoff. 

Sofern  die  göttliche  Gnade  sich  nach  der  Sündfluth  in 
der  Befriedigung  der  Elemente  hewährte  und  Gott  mit  Noah 
einen  neuen  Bund  des  Friedens  einging,  dessen  Zeichen  der 
Regenbogen  wurde,  bedeutet  auch  der  Oelzweig,  den  die 
Taube  Noä  in  die  Arche  zurückbrachte,  zunächst  den  Frieden, 
was  der  älteren  heidnischen  Symbolik  entspricht;  denn  auch 
bei  den  Römern  war  ein  Oelzweig  Friedenszeichen.  Das  hing 
auch  mit  der  Erfahrung  zusammen,  nach  welcher  Oel,  auf 
wildbewegtes  Wasser  gegossen,  dasselbe  alsbald  stillt  und 
ausgleicht.  Als  Friedenssinnbild  muss  auch  der  Oelbaum  auf 
altchristlichen  Kindergräbern  betrachtet  werden.  Vgl.  Beller- 
mann,  Katakomben  von  Neapel  S.  31.  Mit  Bezug  auf  Psalm 
128,  3,  wo  Kinder  um  den  Tisch  her  mit  Oelzweigen  ver- 
glichen werden. 

St.  Nonnosus ,  Probst  zu  Monte  di  8.  Süvestro  in  Toscana, 
bewirkte  einmal  nach  einer  schlechten  Oelerndte  blos  durch 
sein  Gebet,  dass  sich  alle  leeren  Oelgefässe  des  Klosters  mit 
köstlichem  Oel  füllten.  2.  September.  Oel  triefte  von  den 
Fingern  der  heiligen  Luitgardis.  Von  den  Reliquien  und  Gräbern 
sehr  vieler  Heiligen  floss  heilsames  Oel.  Vgl.  Görres,  Mystik 
n.  47.  Nieremherg,  hist.  nat.  419.  423  f.  St.  Pantaleon  wurde 
als  Märtyrer  an  einen  Oelbaum  gebunden,  der  sich  mit 
Früchten  anfüllte.  —  St.  Narcissus,  Bischof  von  Jerusalem 
im  3ten  Jahrhundert,  bewirkte  einst,  als  beim  grossen  Oster- 
fest das  Oel  zu  den  Lampen  fehlte,  durch  blosses  Gebet, 
dass  Wasser  statt  des  Oeles  brannte.  Drei  Bösewichte,  die 
ihn  verleumdeten ,  und  von  denen  einer  sagte ,  wenn  es  nicht 
wahr  sey,  solle  ihn  Feuer  verzehren,  der  andere,  wolle  er 
an  einer  scheusslichen  Krankheit  sterben,  und  der  dritte, 
wolle  er  blind  werden,  wurden  durch  Erfüllung  dessen,  was 
sie  gesagt,  bestraft,  indem  einer  verbrannte,  der  andere 
erkrankte,  der  dritte  blind  wurde.  29.  October.  Eusebius, 
Kirchengesch.  VI.  9. 

Unter  den  Heiligen,   zu   deren  Attributen  hauptsächlich 


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Oel.  169 

das  Oel  gehört,  ist  der  berühmteste  St.  Remigius,  Erzbischof 
von  Rheims,  das  Haupt  der  fränkischen  Kirche  unter  König 
Chlodwig,  nachdem  derselbe  Gallien  erobert  hatte.  Was  die 
Legende  von  ihm  meldet,  ist  Ausdruck  1)  der  weltgeschicht- 
lichen Bedeutung  der  Frankenbekehrung,  die  für  den  Norden 
Europas  eben  so  wichtig  war,  wie  Constantins  Bekehrung 
für  den  Süden.  Als  bei  der  Taufe  Chlodwigs  das  heilige 
Oel  fehlte,  brachte  eine  weisse  Taube  ein  Oelfläschchen  vom 
Himmel,  worin  das  Oel  nie  versiegte,  daher  alle  späteren 
Könige  von  Frankreich  damit  gesalbt  wurden.  Man  findet 
es  abgebildet  im  Journal  des  Luxus  und  der  Moden  1793 
Dezember,  S.  663.  Es  wurde  erst  in  der  Revolution  durch 
das  Conventsmitglied  Roul  auf  öffentlichem  Platze  zu  Rheims 
zerbrochen.  Lamartine,  Geschichte  der  Gironde  LH.  21.  Das 
berühmte  Oelkrüglein  bezeichnet  die  unmittelbare  göttliche 
Weihe  der  christlichen  Frankenkönige,  den  himmlischen  Ur- 
sprung ihrer  Begnadigung  (die  Legitimität  der  Konige  von 
Gottes  Gnaden).  Die  Legende  bezeichnet  2)  den  Stolz  des 
Kirchenmannes,  der  sich  wohl  bewusst  war,  welchen  Dienst  er 
dem  Königthum  leistete.  Er  soll  zu  Chlodwig  bei  der  Taufe 
gesagt  haben:  „Verbrenne,  was  du  bisher  geehrt,  ehre,  was 
du  bisher  verbrannt  hast.^  Die  Legende  bezieht  sich  3)  auf 
die  grossen  Schenkungen,  durch  die  der  neue  fränkische  Staat 
sich  den  Beistand  der  Kirche  erkaufte.  Der  heilige  Remigius 
erhielt  vom  König  Erlaubniss,  so  viel  Land  als  Kirchengut 
zu  behalten,  als  er,  während  der  König  den  Mittagsschlaf 
hielt,  würde  umgehen  können,  und  umging  nun  ein  weites 
Gebiet,  trotzdem  dass  er  sich  unterwegs  noch  mehrmals  auf- 
gehalten sah  und  die  bösen  Nachbarn,  die  ihn  hindern  woll- 
ten, mit  Fluch  belegen  musste.  Weiter  berichtet  die  Legende, 
wie  er  einen  Grenzstein  gelegt,  den  kein  Mensch  von  der 
Stelle  bringen  konnte,  und  wie  Alle,  die  in  das  neue  Eigen- 
thum  der  Kirche  Eingriffe  thun  wollten,  unglücklich  wurden. 
FlodoarduS)  hist.  Rem.  I.  14.  20.  Grimm,  deutsche  Sagen 
Nr.  422,  424.  —  Merkwürdig  ist  Remigius  ferner  als  Feuer- 
banner.   Eine  grosse  Feuersbrunst  in  Rheims   trieb  er  vor 


170  Oelberg. 

sich  her  in  Kugelgestalt  zum  Thore  hinaus.     Flodoard  I.  6. 
Grimm  Nr.  423.    Der  Heilige  wird  am  1.  October  verehrt. 


O  elb  er g, 

üblicher  Name  der  Sculpturen,  namentlich  Steinbilder,  welche 
Christum,  auf  einer  kleinen  Erhöhung  kniend,  darstellen, 
wie  ihm  der  Engel  den  Leidenskelch  darreicht.  Häufig  vor- 
kommend als  abgesonderte  Gruppe  in  und  vor  den  Kirchen. 
Vgl.  Kreuser,  Kirchenbau  I.  147. 

Das  Hauptmotiv  dieser  Scene  ist  die  menschliche  Furcht 
des  Heilands  vor  dem  bevorstehenden  Leiden.  Man  hat  mit 
Recht  bemerkt,  dass  ohne  diesen  echt  menschlichen  Zug  es 
scheinen  könnte,  als  habe  der  Mittler  sein  Leiden  selbst  nur 
als  ein  Scheinleiden  angesehen  und  als  sey  er  in  seiner  gött- 
lichen Natur  über  wirkliches  menschliches  Leiden  erhaben 
gewesen.  Ueberdies  ist  diese  Angststunde  am  Oelberg  die 
nothwendige  Ergänzung  zu  der  Versuchungsscene  in  der 
Wüste.  Dort  wurde  Jesus  versucht  durch  Hoffnung,  hier 
durch  Furcht;  dort  wandte  sich  der  Versucher  an  den  Stolz 
seiner  göttlichen,  hier  an  die  Schwäche  seiner  menschlichen 
Natur.  Olshausen  H.  333.  427.  —  Tief  charakteristisch  ist 
auch  der  Gegensatz  zwischen  dem  angstschwitzenden  Heiland 
und  den  schlafenden  Jüngern,  die  nichts  merken  und  ahnen 
von  Allem,  was  vorgeht. 

Das  alttestamentahsche  Vorbild  der  Scene  ist  das  Ringen 
Gottes  oder  eines  Engels  mit  Jakob.  Nach  der  Tradition 
hiess  jener  Engel  Chamuel,  daher  lässt  die  Legende  (der 
auch  die  meisten  Maler  folgen)  in  jener  Angststunde  den 
Engel  mit  dem  bittern  Kelch  zum  Heiland  hinabsteigen. 
Alt,  Heiligenbilder  S.  40.  Andrerseits  ist  die  Angst  am  Oel- 
berg wieder  das  Gegenbild  der  Verklärung  (Transfiguration) 
Christi.  In  beiden  Scenen  ist  die  Gruppirung  fast  die  näm- 
liche, sofern  Christus  beidemal  nur  drei  Jünger  mit  sich  auf 
den  Berg  nimmt  und  sich,  höher  aufsteigend,  von  ihnen 
absondert.     Bei  der  Verklärung  erschrecken  sie  so,   dass  sie 


Ofen.  171 

auf  ihr  Angesicht  fallen  und  Christus  sie  erst  wieder  auf- 
richten muss;  bei  der  Angstscene  schlafen  sie.  In  beiden 
Fällen  ist  die  doppelte  Natur  Christi  in  ihren  beiden  Brenn- 
punkten aufgefasst ,  bei  der  Verklärung  wird  der  Mensch  ganz 
zum  Gott,  in  der  Angststunde  der  Gott  ganz  zum  Menschen. 
Eins  setzt  das  Andere  voraus. 


Ofen, 

Sinnbild  der  Gefangenschaft  und  Trübsal,  aber  auch  der 
Prüfung  und  Rechtfertigung.  Zunächst  im  alten  Testamente 
Sinnbild  der  ägyptischen  Gefangenschaft,  5.  Mos.  A,  20. 
1.  Kön.  8,  51.  Jer.  11,  4;  sodann  auch  der  babylonischen 
Gefangenschaft,  während  welcher  wirklich  nach  dem  Gebet 
Asariä  47.  dieser  fromme  Jude  in  einem  glühenden  Ofen 
verbrannt  werden  sollte,  aber  durch  sein  Gebet  errettet  wurde, 
indess  das  Feuer  aus  dem  Ofen  herausschlug  und  die  Chal- 
däer  verzehrte;  und  ferner  nach  Daniel  3,  26.  die  drei 
Judenknaben  Sadrach,  Mesach  und  Abednego,  die  alle  drei, 
Gott  lobsingend,  zu  Babylon  im  feurigen  Ofen  unversehrt 
blieben.  —  Auf  den  ältesten  christlichen  Grabbildern  wurde 
nun  der  feurige  Ofen  Sinnbild  der  irdischen  Trübsal,  des 
irdischen  Lebens  überhaupt,  und  die  darin  lobsingenden  drei 
Jünglinge  drückten  die  Freude  über  die  Erlösung  aus  dieser 
Welt  aus.  In  den  römischen  Katakomben  finden  sich  die 
Drei  im  Ofen  in  phrygischen  Mützen  (dem  allgemeinen  Ab- 
zeichen der  Babylonier)  häufig  den  heiligen  drei  Königen 
gegenübergestellt,  die  gleichfalls  die  phrygischen  Mützen 
tragen,  weil  sie  aus  dem  Orient  kommen.  Aringhi,  Born, 
subt.  I.  379.  Bottari,  Born.  sott.  tav.  22.  Vgl.  Kunstbl.  1845, 
S.  226.  In  beiden  stehen  sich  V^^elt  und  Himmel,  Leiden 
und  Erlösung  gegenüber.  Ueber  den  Dreien  im  Ofen  schwebt 
die  Taube  mit  dem  Oelzweig  bei  Bottari  tav.  181.  Aringhi 
IL  311.  Zuweilen  fehlen  die  drei  Jünglinge ,  und  man  sieht 
den  Ofen  allein  mit  drei  Flammen  (Aringhi  I.  531.  549.)  oder 
nur  den   Ofen  mit   drei  Fenstern,   Bottari  I.  tav.  12   (gleich 


172  Ohr. 

dem  Thurm  der  heiligen  Barbara).  —  Die  Drei  im  Ofen  sind 
auch  auf  kirchlichen  Weihrauchgefässen  dargestellt,  indem 
ihr  Lobgesang  im  Feuer  dem  lieblichen  Duft  des  Weihrauchs 
gleichen  soll.    Didron,  annales  I.  309. 

Ein  christlicher  Asaria  war  St.  Rufinus,  der  im  feurigen 
Ofen  unverletzt  blieb,  30.  Juli.  Hieher  gehört  auch  das 
Wunder,  welches  Schillers  ;,Gang  nach  dem  Eisenhammer '^ 
modernisirt  hat.  Die  Legende  berichtet  es  nicht  von  der 
Gräfin  von  Savern,  sondern  von  der  heiligen  Königin  Eli- 
sabeth von  Portugal.  Eir  Gatte  nämlich  wurde  auf  einen 
Pagen,  den  man  verleumdete,  eifersüchtig,  befahl,  ihn  in 
einen  Kalkofen  zu  werfen,  schickte  aber  den  Verleumder 
hinaus,  um  nachsehen  zu  lassen,  ob  sein  Befehl  schon  voll- 
zogen sey,  und  nun  wurde  der  Verleumder  in  den  Ofen 
geworfen,  weil  der  unschuldige  Page,  unterwegs  betend, 
noch  nicht  gekommen  war.  Besungen  von  Bönecke  (Legen- 
den, Leipzig,  Barth  1846,  S.  34.).  Ein  glühender  Ofen  ist 
Attribut  der  heiligen  Pelagia,  weil  sie  darin  verbrannt  wurde. 
Desgleichen  der  h.  Tryphäna  und  des  h.  Rufinus. 

Ohr. 

Sowohl  auf  Kirchenbildern,  als  in  alten  Marienliedern 
findet  sich  die  Vorstellung,  nach  welcher  die  Verkündigung 
durch  das  Ohr  Maria's  geschah,  weil  Gott  sich  ihr  im  Wort 
offenbarte,  ihr  das  Wort  (den  Logos)  mittheilte.  Vgl.  Wacker- 
nagel, Kirchenlied  Nr.  92.  —  St.  Aquilina,  ein  zwölfjähriges 
Mädchen  zu  Byblos,  wurde  unter  Kaiser  Diocletian  als  Chri- 
stin verfolgt.  Man  stach  ihr  glühende  Nadeln  durch's  Ohr 
in's  Hirn,  aber  sie  blieb  standhaft  und  ein  Engel  heilte  sie. 
Endlich  wurde  sie  enthauptet  und  statt  des  Blutes  entfloss 
ihr  Milch.     Man  verehrt  sie  am  12.  Juni. 

Opfer. 

Die  Öpferidee,  die  dem  Christenthum  wesentlich  zu 
Grunde   liegt,    ist   in    den   Artikeln   Christus,    Abendmahl, 


Opfer.  173 

Kreuzigung  sclion  genügend  erörtert  worden.  ,,Die  ewige 
Gerechtigkeit  zu  sühnen,  starb  an  dem  Holze  Gottes  Sohn.'^ 
Das  ist  der  kürzeste  Ausdruck  des  Gedankens,  wobei  nur 
noch  die  Hauptsache,  nämlich  die  Liebe  ausgelassen  ist,  die 
sich  freiwillig  zu  dieser  Sühne  hingibt. 

Es  ist  überflüssig,  nach  Vorbildern  in  der  heidnischen 
Zeit  zu  suchen.  Doch  lag  es  auch  im  Zeitalter  der  classischen 
Studien  nahe,  den  römischen  Ritter  Curtius,  der  zu  Rosa 
todesmuthig  in  den  Abgrund  sprengte,  um  Rom  vom  Ver- 
derben zu  retten,  allegorisch  auf  Christum  zu  beziehen. 

Schon  das  erste  Opfer,  welches  in  der  heiligen  Schrift 
YOrkommt,  ist  ein  Doppelopfer,  dargebracht  von  Kain  und 
Abel,  wovon  das  eine  dem  Herrn  wohl,  das  andere  aber  ihm 
übel  gefällt.  Von  dem  einen  steigt  der  Opferrauch  gerade 
in  die  Höhe,  von  dem  andern  wird  er  am  Boden  zerstreut. 
Das  charakterisirt  alle  Opfer. 

Wohl  gefallen  dem  Herrn  alle  Opfer  reinen  Herzens, 
z.  B.  des  Dankes,  das  Opfer  Noahs  nach  der  Sündfluth;  des 
Gehorsams,  das  Opfer  Abrahams.  Dieses  Opfer  des  Sohnes 
durch  den  Vater  ist  im  alten  Testament  das  Vorbild  des 
höchsten  Opfers,  in  welchem  Gott  der  Sohn  sich  aus  ewiger 
Liebe  zum  Opfer  bringt  dem  Vater,  um  der  ewigen  Gerech- 
tigkeit willen.  In  dem  Wettopfer ,  welches  der  Prophet  Elias 
mit  den  Baalspfaffen  eingeht,  stehen  sich  abermals  das  Gott 
wohlgefällige  und  das  missfällige  Opfer  gegenüber.  In  dem 
Opfer  zu  Lystra  ebenfalls  und  wieder  auf  andere  Weise. 
Denn  wie  Elias  den  Baalspfaffen  gegenüber  die  reine  Lehre 
Mosis  dem  gesammten  diabolischen  Heidenthum  gegenüber 
siegreich  vertritt ,  so  wollen  die  Pleiden  zu  Lystra  den  christ- 
lichen Aposteln  Opfer  bringen  gleich  heidnischen  Göttern, 
und  dieses  tiefe  Missverständniss  des  Christenthums  wird  nach 
Gebühr  von  den  heiligen  Gottesboten  Paulus  und  Barnabas 
zurückgewiesen. 

Daher  ist  es  eine  Sünde  gegen  den  heiligen  Geist,  im 
heidnischen  Sinne  zu  opfern,  und  die  Legende  kennt  eine 
beträchtliche  Menge  von  Märtyrern,    die  den  Tod  erlitten, 


174  Orgel. 

weil  sie  sich  weigerten^  den  heidnischen  Göttern  zu  opfern, 
oder  vor  deren  Heiligkeit  die  Götzenbilder,  denen  sie  opfern 
sollten,  zusammenstürzten.  Berühmt  in  dieser  Beziehung  ist 
besonders  die  heilige  Bibiana,  die  dem  Jupiter  opfern  sollte, 
aber  lieber  die  Hand  verbrannte,  als  dass  sie  den  Weihrauch, 
den  sie  darin  hielt,  in's  Feuer  gestreut  hätte.  Die  Scene  ist 
gemalt  von  Peter  von  Cortona  (Füssli,  Kupferst.  I.  74.  Huber, 
ni.  323.);  von  Testa  in  Nürnberg  (Waagen,  Deutschland 
I.  208.).  Eine  sehr  berühmte  Statue  der  Heiligen  von  Ber- 
nini, in  Marmor  mit  grossem  Liebreiz  ausgeführt,  befindet 
sich  in  Rom.  Beschreibung  von  Rom  HL  2.  331.  Ramdohr 
ni.  26.  Wessenberg,  christl.  Bilder  H.  536.  Auch  die  hei- 
lige Cyrilla  sollte  den  Götzen  opfern,  blieb  aber  dem  Chri- 
sten thum  treu,  und  hielt,  als  man  ihr  mit  Gewalt  Weihrauch 
in  die  Hand  that  und  dieselbe  über  das  Opferfeuer  ausstreckte, 
die  Finger  fest  verschlossen,  ohne  den  Weihrauch  auszu- 
streuen, so  dass  ihre  Hand  verbrannte.  5.  Juli.  Besungen 
in  Rousseau's  Legenden  S.  188. 

Orgel, 

Attribut  der  heiligen  Cäcilie.  Bei  Herder,  zur  schönen  Li- 
teratur und  Kunst  VI.  67,  findet  sich  eine  Dichtung,  nach 
welcher  ein  Engel  der  Heiligen  die  Orgel  durch  einen  irdischen 
Künstler  soll  haben  anfertigen  lassen,  damit  sie  durch  die 
Töne  derselben  stets  an  die  Musik  der  Engel  erinnert  werde. 
Besser  jedoch  hat  Raphael  die  Heilige  aufgefasst,  wie  sie  die 
Orgel  fallen  lässt,  indem  sie  die  Engel  singen  hört,  die  ir- 
dische Musik  schwindet  vor  der  himmlischen.  (Auf  dem  be- 
rühmten Bilde  in  Bologna.) 

Orpheus, 

der  berühmte  thrakische  Sänger,  dessen  Gesang  zur  Lyra 
die  wilden  Thiere  so  bezauberte,  dass  sie  sich  um  ihn  ver- 
sammelten und  zahm  zu  seinen  Füssen  lagen,  wurde  in  den 


Ostern.  175 

ersten  Jahrhunderten  der  Christenheit  mit  Christo,   als   dem 
guten  Hirten,  identificirt  und  schon  auf  den  altchristlichen  Kata- 
kombengräbern in  Rom  und  in  sehr  alten  Miniaturen  unter  den 
wilden  Thieren  abgebildet.    Aringhi^  Rom.  subt.  1.  547.  563.  577. 
Bosio  p.  239.  627.    Bottari  IL  tab.  63.  71.   d'Agincourt  III.  6.  3. 
Didron^   icon.   p.  346.      Tioining ,   symb.  16.     Piper,   Myth.  I. 
122.   415.     Waagen,    Paris    195.     Kunstblatt   1840.   Nr.  15. 
Christus  =  Orpheus  trägt  auf  diesen  Bildern  noch  in  antiker 
Weise  die  phrygische  Mütze  und  neben  der  Lyra  (zuweilen 
auch  der  Panflöte)   einen  Hirtenstab.     Die  wilden  Thiere  er- 
scheinen hier  zum  erstenmal  wieder  vereinigt  wie  im  verlornen 
Paradiese.    Adams  Sünde  zerriss  auch  den  Frieden  der  Thiere, 
Christus,   als  neuer  Adam,   gibt  ihnen  den  Frieden  zurück. 
Diese  Thiere  bedeuten  aber  auch  die  Menschen  oder  Völker, 
welchen  die  himmlische  Botschaft   oder   die  neue  Lehre  zu 
Theil  wird.     Man  darf  dies  Bild  daher  nicht  verwechseln  mit 
der  Vorstellung,  die  häufig  in  Miniaturen  zu  alten  Psalterien 
vorkommt,  nach  Psalm  8,  7  f.,  wo  Adam  unter  den  Thieren 
sitzt ,  über  welche  Gott  ihm  die  Herrschaft  verliehen.  —  Eine 
Variante  bieten  die  Apokryphen  dar,  nach  denen  das  Christ- 
kind auf  der  Flucht  nach  Aegypten  von   allen  Thieren   der 
Wüste  umringt  und  angebetet  wurde.     Hofmann,  Apokr.  141. 
—   In    einem    schönen   Auto    des   Calderon   rettet    Orpheus 
(Christus)  seine  geliebte  Eui'idice  (die  menschliche  Natur)  aus 
der  Unterwelt  (der  Versündigung  und  Verschuldung).     Sehr 
poetisch  ist   das   Erstaunen  und  der  Schrecken   des  Höllen- 
fürsten aufgefasst,  als  er  zum  erstenmal  die  himmlischen  Töne 
des  nahenden  Orpheus  in  seiner  Höllennacht  vernimmt. 

Ostern, 

die  Feier  der  Auferstehung  des  Herrn.  Das  deutsche  Wort 
ist  beibehalten  worden  von  einer  älteren  heidnischen  Früh- 
lingsfeier, welche  der  Göttin  Eastre,  Eostra,  Ostara  galt  (vgl. 
Grimm,  d.  Myth.  266  f.) ,  worunter  wohl  die  von  Osten  kom- 
mende Sonne  gemeint  war,  von  der  das   Volk  noch  jetzt 


176  Ostern. 

glaubt,  sie  hüpfe  am  Ostermorgen  beim  Aufgang  am  Himmel 
dreimal  vor  Freuden  über  die  Auferstehung  des  Herrn  auf. 
Daher  die  Sitte  an  vielen  Orten,  in  der  heiligen  Osternacht 
auf  die  Berge  zu  steigen  und  dort  die  Ostersonne  aufgehen 
zu  sehen.  Vgl.  Paullini,  zeitverkürzende  Lust  S.  832.  Me- 
moires  de  V acad.  celtique  III.  441.  Grimm,  d.  Myth.  703. 
Kuhn,  märkische  Sagen  S.  311.  E.  Meier,  Sagen  aus  Schwa- 
ben S.  392.  401.  Sommer,  sächs.  Sagen  I.  478.  Heer,  Can- 
ton  Glarus  S.  302. 

Wie  überhaupt  die  Sonne,  als  das  physische  Urlicht,  viel 
und  oft  mit  Christo,  dem  geistigen  Urlicht,  verglichen  wurde, 
so  insbesondere  der  Aufgang  der  Sonne  mit  seiner  Geburt 
und  Auferstehung.  Dieser  Symbolik  entspricht  auch  die  Zeit, 
in  welche  das  Osterfest  fällt.  Der  Frühling  ist  gleichsam 
Morgen  des  Jahres,  wie  der  Winter  dessen  Nacht  gewesen. 
Die  Ostersonne  ist  nach  der  langen  Winternacht  die  eigent- 
liche Morgensonne  des  Jahres ,  mit  der  zugleich  Blumen  und 
Vögel  erwachen  und  alles  Leben  in  der  Natur.  In  älteren 
Zeiten  begann  überhaupt  das  Jahr  mit  Ostern,  mit  dem 
Frühling.  Auch  das  Kirchenjahr  fing  ehemals  mit  dem 
25.  März  an. 

Ostern  ist  zugleich  das  alte  Passahfest  der  Juden,  welches 
in  dieselbe  Zeit  fällt  und  auf  dieselbe  alte  Natursymbolik  zu- 
rückgeführt -werden  kann;  denn  w^enn  a^ch  die  Juden  an 
ihrem  Osterfest  nur  die  Befreiung  ihres  Volkes  aus  Aegypten 
feiern,  so  ist  doch  diese  Erlösung  aus  der  Knechtschaft,  in- 
dem sie  gerade  im  Frühling  gefeiert  wird,  durch  die  Be- 
freiung der  Natur  aus  den  Banden  des  Winters  vorbedeutet. 
Das  Passahfest  der  Juden  ist  fixirt.  Die  christliche  Kirche 
dagegen  machte  aus  Ostern  ein  bewegliches  Fest,  nicht  blos 
um  sich  vom  Judenthum  zu  unterscheiden,  sondern  um  das 
Auferstehungsfest  stets  an  einem  Sonntag  feiern  zu  können, 
was  in  seinem  Begriff  liegt ,  und  die  hohe  Bedeutung  der 
Symbolik  und  der  Bestimmung  der  ältesten  Feste  beweist. 
Vgl.  die  Artikel  Auferstehung  und  Sonntag.  In  Strauss' 
Ejrchenjahr  S.  25.  ist  die  Meinung  ausgesprochen,  durch  die 


I 


Oster  ti.  177 

Beweglichkeit  des  Osterfestes  habe  man  zugleich  die  Starrheit 
des  mosaischen  Systems  durchbrechen  und  zeigen  wollen,  der 
Herr  sey  zu  Ostern  für  die  ganze  Menschheit  auferstanden, 
das  Fest  also  gehöre  der  Menschheit,  nicht  dem  Judenthum 
an.  Darum  wurde  der  erste  Sonntag  nach  dem  ersten  Voll- 
mond nach  der  Tag-  und  Nachtgleiche  im  Frühling  zum  christ- 
lichen Ostertag  gemacht. 

In  der  Symbolik,  welche  sich  an  die  Feier  des  Oster- 
festes anknüpft,  nimmt  das  Osterlamm  die  erste  Stelle  ein. 
Es  ist  das  alte  Opferlamm ,  was  die  Juden  bei  ihrem  Ausgang 
aus  Aegypten  schlachteten  und  assen  und  von  dem  ihr  Passah- 
fest den  Ursprung  genommen.  Es  ist  aber  ausschliesslich  an- 
gewandt auf  Christum  als  das  Lamm  Gottes ,  das  sich  hingab 
für  die  Sünde  der  Menschen.  Vgl.  d.  Art.  Lamm.  Das  Oster- 
lamm ist  gewöhnlich  mit  der  Siegesfahne  geschmückt,  wie 
Christus  selbst  diese  Fahne  ausschliesslich  in  Auferstehungs- 
bildern trägt.  Das  Lamm  wird  mit  der  Sonne  identificirt. 
Im  Brandenburgischen  stellt  man  vor  Sonnenaufgang  am  Oster- 
morgen  ein  Gefäss  mit  Wasser  hin  und  erblickt  dann  darin  im 
Moment  des  Sonnenaufgangs  ein  weisses  Lämmchen.  Temme, 
Volkssagen  der  Altmark  S.  85.  Hier  erkennt  man  am  Deut- 
lichsten, wie  alter  Naturcultus  christlich  umgedeutet  wurde. 

Das  Osterfest  ist  ein  grosses  Lichtfest,  denn  von  ihm  an 
nehmen  die  Tage  zu  und  beginnt  die  hohe  Frühlings-  und 
Sommerzeit,  was  man  schicklich  anwandte  auf  die  Erleuch- 
tung der  Welt  durch  das  Christenthum.  Wie  daher  die  Oster- 
sonne  selbst  ein  Sinnbild  Christi  ist,  so  nicht  minder  das 
Osterfeuer,  das  Osterlicht,  die  Osterkerze,  das  Osteröl.  Noch 
bis  auf  die  neuere  Zeit  wurde  zu  Ostern  auf  Bergen  Feuer 
angezündet.  Man  sprang  darüber,  man  trieb  das  Vieh  rasch 
hindurch,  man  rannte  mit  den  brennenden  Holzstücken  um 
die  Saatfelder.  Man  rollte  ein  feuriges  Rad  vom  Berge  her- 
unter, oder  schleuderte  brennende  Holzscheiben  über  die  Saat- 
felder hinweg,  um  sie  dadurch  zu  weihen  und  vor  Schaden 
zu  hüten.  Man  hob  Brände  und  Asche  vom  Osterfeuer  auf, 
die  gegen  allerlei  Schaden  helfen  sollten.     Grimm,  d.  Myth. 

Menzel,  christl.  Symbolik.  IL  \2, 


178  Ostern. 

S.  581  f.  Frank,  Weltbuch  S.  50.  v.  Haupt,  Panorama  von 
Trier  S.  245.  Heer,  Canton  Glarus  301.  Schmeller,  bayr. 
Wörterbuch  HL  308.  Alsatia,  1851.  S.  120.  Curtze,  Fürstenth. 
Waldeck  S.  404.  Wahrscheinlich  löschte  man  in  älteren  Zeiten 
alles  Feuer  am  Ostersonnabend  aus  und  zündete  es  erst  in  der 
heiligen  Osternacht  mit  der  Morgensonne  wieder  an.  Dieser 
Gebrauch  hat  sich  wenigstens  in  den  Kirchen  erhalten.  Bei 
der  Feier  der  heiligen  Osternacht  werden  alle  Kerzen  gelöscht 
und  erst  am  Morgen  wieder  neu  entzündet,  was  nach  altem 
Glauben  am  heiligen  Grabe  zu  Jerusalem  durch  ein  Wunder 
geschieht.  Der  Glaube ,  dass  am  Ostermorgen  die  Kerzen  in 
den  Kirchen  auf  wunderbare  Weise  durch  Lichter,  die  vom 
Meere  oder  aus  der  Luft  in's  Fenster  schweben,  entzündet 
werden,  kommt  auch  anderwärts  öfter  vor.  Vgl.  Pococke, 
Beschreibung  des  h.  Landes  I.  41.  Schrökh,  Kirchengesch. 
23,  204.  Frank,  Weltbuch  S.  131.  Gumppenberg,  marian. 
Atlas  Nr.  403.     P.  Abraham,  Judas  IV.  144. 

Allgemeine  Sitte  in  der  katholischen  Kirche  ist,  zu  Ostern 
sämmtliches  zum  Kirchengebrauch  bestimmte  Oel  zu  erneuern. 
Das  alte  Oel  wird  bei  dieser  Gelegenheit  verbrannt,  was  man 
„den  Judas  verbrennen"  nennt.  Rippel,  Alterthumb  der  Cä- 
remonien  S.  86.  Ferner  ist  die  grosse  „Osterkerze'^,  auch  das 
„Osterlichf^  genannt,  eine  riesenhafte  Wachskerze,  oft  bunt 
bemalt  und  geputzt,  dazu  bestimmt,  dass  an  ihr  alle  andern 
Kerzen  angezündet  werden,  wobei  auch  das  Volk  herbei- 
strömt ,  sich  segensreiches  Feuer  für  seinen  Heerd  durch  eine 
kleine  Kerze  anzuzünden.  Dieses  „Osterlicht"  brennt  in  der 
Osternacht  zuerst.  Es  wird  mit  der  Feuersäule  verglichen, 
die  den  Juden  bei  ihrem  Ausgang  aus  Aegypten  bei  Nacht 
vorleuchtete.  Rippel  a.  a.  0.  89.  Aber  sie  wird,  um  sie  als 
christlich  zu  bezeichnen,  in's  Taufwasser  gesteckt.  Das.  93. 
Das  neue  zum  Kirchengebrauch  bestimmte  Oel  wird  schon 
am  grünen  Donnerstage  geweiht.    Das.  148. 

Der  Lichtweihe  zu  Ostern  entspricht  die  Wasserweihe. 
Zu  Ostern  wird  alles  Wasser  geweiht,  was  besonders  in  der 
griechischen  Kirche  mit  grösster  Feierlichkeit  geschieht.    Der 


österii.  179 

Patriarch  begibt  sich  zum  nächsten  Fluss  und  segnet  den- 
selben. In  der  römischen  Kirche  wird  nur  das  zum  kirch- 
lichen Gebrauch  bestimmte  Weih-  und  Taufwasser  gesegnet. 
Jedoch  schreibt  man  dem  Osterwasser  auch  für  den  Privat- 
gebrauch einen  höheren  Segen  zu,  als  gemeinem  Wasser, 
und  schöpft  es  daher  unter  alterthümlichen  Feierlichkeiten  am 
Ostermorgen  noch  bei  Licht,  oder  stillschweigend,  gegen  den 
Strom,  durch  eine  jungfräuliche  Hand  etc.,  wobei  sich  ohne 
Zweifel  ältere  heidnische  Erinnerungen  einmischen.  Ygl. 
Grimm,  d.  Myth.  52.  Wigand,  Archiv  VI.  317.  Hanusch, 
slav.  Myth.  S.  294.  Osterwasser  am  Ostermorgen  vor  Sonnen- 
aufgang unbeschrieen  geschöpft,  heilt  alle  Wunden  (Panzer, 
Beitrag  1.  264.),  alle  Krankheiten  (Sommer,  sächs.  Sagen 
I.  148.  V.  Hartwig,  Tirol  340.  Haupt,  Zeitschr.  III.  363.). 
Auch  Osterthau  ist  heilsam.  Kuhn,  norddeutsche  Sagen  S.  374. 
Das  wechselseitige  Bespritzen  der  Jünglinge  und  Mädchen 
mit  Osterwasser,  woraus  ein  muth williger  Scherz  geworden 
ist,  hatte  wohl  ursprünglich  auch  nur  die  Bedeutung  eines 
Segens. 

Zur  Ostersymbolik  gehört  ferner  das  Osterei,  der  Oster- 
ball, der  Osterfladen,  alle  drei  von  runder  Gestalt,  Sinnbilder 
des  Erdenrundes  und  der  mit  Ostern  beginnenden  Erdfrucht- 
barkeit,   aber  im   christlichen  Sinn  angewandt  auf  die  Auf- 
erstehung Christi  aus  dem  Grabe.     Das  Osterei   ist  zunächst 
Sinnbild  des  im  Grabe  verschlossenen  Heilandes.     Das  uralte 
Spiel  mit  Ostereiern  besteht  darin,  dass  zwei  sich  Begegnende 
ihre  buntbemalten  Ostereier   aneinander  zerklopfen,   was  die 
Auferstehung   des  Lebens   aus   dem  Ei  bedeuten  soll.     Oft 
werden   die  Eier  inwendig  ausgehöhlt  und  künstliche  Figür- 
chen  hineingebracht,    das  Christkind   in   der  Krippe,   kleine 
Crucifixe  etc.     Frömmigkeit  und  Witz  haben  sich  in  der  Be- 
malung und  Füllung  der  Ostereier  bisweilen  erschöpft,   und 
dem  Zarten  ist  viel  Geschmackloses  mit  untergelaufen.     Aber 
auch  schon  im  Heidenthum  war  das  Ei  das   sehr  natürliche 
und  nahe  liegende  Sinnbild  des  in  der  winterlich  harten  Erde 
verschlossenen  Lebens,  das  im  Frühjahr  hervorbricht.    Indem 

-     12* 


1^6  Ostern. 

man  die  Ostereier  bunt  bemalte,  dachte  man  bei  der  rothen 
Farbe  vielleicht  an  das  Blut  Christi,  bei  den  vielen  an- 
dern Farben  wohl  aber  nur  an  den  neuen  Frühlingsschmuck 
der  Erde,  die  Blumen.  Vgl.  über  die  Ostereier  Schmeller, 
bayr.  Wörterbuch  II.  244.  Büsching,  wöchentl.  Nachrichten 
I.  244.  Curiositäten  V.  359.  Tobler,  Appenzeller  Sprach- 
schatz 109.  Das  Eierlesen,  der  Eiertanz  sind  Volkslustbar- 
keiten, die  durch  das  Osterei  veranlasst  wurden. 

Der  Osterfladen  ist  ein  grosser  runder  Kuchen ,  den  man 
zu  Ostern  bäckt  und  vormals  auf  die  Berge  trug,  um  ihn 
beim  Sonnenaufgang  zu  verzehren.  W^ahrscheinlich  ein  Sinn- 
bild der  von  Ostern  an  wieder  fruchtbaren  und  Nahrung 
bringenden  Erde. 

Der  Osterball,  mit  dem  Kinder  und  Jungfrauen  zu  Ostern 
spielen ,  dürfte  auch  einer  heidnischen  Frühlingsfeier  entnom- 
men seyn  und  sich  vielleicht  auf  den  Sonnenball  am  Himmel 
zurückführen  lassen,  der  jetzt  seinen  höheren  Rundlauf  be- 
ginnt. Vgl.  Haltaus,  Jahrzeitbuch  S.  238.  Büsching,  wöchentl. 
Nachrichten  I.  71.     Kuhn,  norddeutsche  Sagen  S.  372. 

Da  Ostern  der  Auferstehungsmorgen  des  Herrn  ist,  so 
versteht  es  sich  von  selbst ,  dass  drei  Tage  vorher  der  Char- 
freitag  und  fünfzig  Tage  nachher  Pfingsten  ist.  Der  gesammte 
Oster-  und  Pfingstcyclus ,  beginnend  mit  der  Fastenzeit, 
schliesst  sich  an  die  heilige  Geschichte  an.  Dagegen  scheint 
auf  den  grünen  Donnerstag  mancherlei  Gebrauch  und  Aber- 
glauben aus  einem  älteren  heidnischen  Frühlingsfest  gefallen 
zu  seyn,  bezüglich  auf  die  ersten  Gewitter,  die  ersten  Kräuter, 
die  ersten  Eier  etc. ,  was  hier ,  als  nicht  zur  specifisch  christ- 
lichen Symbolik  gehörig,  übergangen  werden  muss. 


Palme, 

Sinnbild  des  Sieges  schon  im  heidnischen  Alterthum,  nament- 
lich bei  den  Römern.  Mit  Palmzweigen  wurde  der  heim- 
kehrende Sieger  empfangen  und  begleitet.  So  wurde  auch 
Christus  bei  seinem  Einzug  in  Jerusalem  mit  Palmen  em- 
pfangen ,  und  der  jährliche  Gedächtnisstag  dieses  Einzuges 
heisst  deshalb  der  Palmsonntag.  Durandus,  rat.  offic.  VI.  47,  9, 
verlangt ,  dass  am  Palmsonntage  das  Volk  sich  schmücke  mit 
Blumen,  Oelzweigen  und  Palmen.  Die  Blumen  sollen  die 
Tugenden  des  Heilandes  bedeuten,  die  Oelzweige  sein  Amt 
als  Fried ebringer,  die  Palmen  seinen  Sieg  über  Satan.  Sofern 
das  Fest  in  den  ersten  Frühling  fällt,  macht  es  den  Sieg 
der  grünen  Vegetation  über  den  unfruchtbaren  Winter  zum 
Vorbild  eines  höheren  geistigen  Sieges.  Palma  heisst  über- 
haupt die  Knospe,  der  junge  Spross,  daher  die  sogenannten 
Palmkätzchen  oder  Weidenblüthen ,  die  wir  im  Norden  am 
Palmsonntag  statt  der  echten  Palme  pflücken,  immer  doch 
dasselbe  bedeuten.  Auf  die  Wiedergeburt  im  Frühling  be- 
zieht sich  auch  das  Symbol  des  Phönix,  welches  mit  dem 
der  Palme  innig  verbunden  erscheint.     Der  Phönix  nämlich, 


182  Palme, 

der  sich  selbst  verbrennt  und  dadurch  verjüngt,  sitzt  auf  der 
Palme  in  altchristlichen  Grabgemälden  der  Katakomben.  Vgl. 
Bunsen,  Beschr.  von  Rom  I.  399.  So  auch  auf  Mosaiken 
und  andern  christlichen  Denkmälern.  Boldetti  p.  200.  Buo^ 
narruoti  tob,  6.  1.  Bellermann,  Katakomben  von  Neapel  S..  59. 
Der  Sinn  ist:  durch  den  Sieg  über  Tod  und  Hölle  im  Mar- 
tyrium wird  die  Wiedergeburt  im  ewigen  Leben  erworben. 

Der  Palmbaum  neben  Christo  auf  Katakombenbildern  bei 
Aringhi  I.  295 ,  297.  Christus  selbst  heisst  palma  hellatorum 
in  einer  Hymne  des  heiligen  Augustinus  (bei  Königsfeld,  lat. 
Hymnen  S.  30.). 

In  Dante's  Paradies  (IX.  41.)  heisst  es  vom  Kreuze: 
Palme  des  Sieges,  die  mit  beiden  Händen  gewonnen  wird 
(weil  palma  auch  die  flache  Hand  heisst  und  Ciiristus  mit 
ausgebreiteten  Armen  an's  Kreuz  geschlagen  war).  Zwei 
über  das  Kreuz  gelegte  Palmzweige  vereinigen  beide  Sinn- 
bilder, das  Kreuz  und  die  Palme,  kommen  daher  sehr  oft 
vor.  Auf  einer  alten  christlichen  Grablampe  bei  Aringhi  I.  517. 
sieht  man  eine  Palme,  über  der  zwei  Tauben  schweben  und 
unter  der  zwei  Tauben  sitzen,  umher  ein  Kranz  von  Wein- 
trauben und  Oelzweigen.  Dies  bedeutet  die  Freuden  des  Pa- 
radieses, die  durch  den  Sieg  über  das  Irdische  errungen  wer- 
den sollen.  Palmen  in  der  Hand  der  Engel  und  Märtyrer 
kommen  in  eben  dieser  Bedeutung  unzähligemal  auf  christ- 
lichen Bildern  vor.  Vgl.  Munter,  christl.  Sinnbilder  I.  31. 
Papst  Innozenz  HI.  hatte  eben  den  heiligen  Franz  von  Assisi 
als  einen  Wahnsinnigen  abgewiesen,  als  er  im  Traume  eine 
ungeheure,  die  ganze  Welt  überschattende  Palme  erblickte, 
in  welcher  die  Macht  und  der  Sieg  des  Franziskanerordens 
vorbedeutet  wurde. 

Hieran   knüpft   sich   noch    eine  weitere  Bedeutung   der 
Palme.      Wie    sie  nämlich   auf  das   Paradies    oder   auf   den* 
Himmel  hinweist,  so  soll  sie  auch  aus  diesem  stammen.     Die 
Araber  haben  ein  Sprichwort:  „Ehret  eure  Muhme,  die  Palme." 
Dies  ist  so  zu  erklären :   die  Palme  soll  erst  am  sechsten  Tage 


Palme.  183 

der  Schöpfung  aus  der  Erde  gemaclit  worden  seyn,  die  von 
derjenigen  übrig  blieb,  aus  welcher  Gott  den  Adam  bildete. 
Sie  ist  also  eine  Schwester  oder  Verwandte  der  Menschen. 
Nach  einer  andern  muhamedanischen  Sage  entstand  die  Palme 
auf  der  Insel  Ceylon,  auf  welche  Adam  aus  dem  himmlischen 
Paradiese  heruntergefallen  war,  und  zwar  aus  den  Thränen, 
die  Adam  damals  aus  Reue  vergoss.  Sie  ist  also  ein  Kind 
des  Menschen,  den  Menschen  verwandt.  Nach  beiden  Sagen 
unterscheidet  sich  die  Palme  hauptsächlich  dadurch  von  an- 
dern Bäumen,  dass  sie  mittelbar  oder  unmittelbar  noch  aus 
dem  Paradiese  stammt.  Etwas  Aehnliches  findet  sich  nun 
auch  in  dem  apokryphischen  Evangelium  von  der  Geburt 
Maria  und  der  Kindheit  Jesu  (20  und  21.)  Hier  heisst  es: 
;, Während  einer  Ruhe  auf  der  Flucht  nach  Aegypten  neigte 
sich  ein  hoher  Palmbaum  zum  Christkind  herab,  um  ihm 
seine  Früchte  darzubieten ,  und  zugleich  entsprang  aus  seiner 
Wurzel  eine  klare  Quelle.  Da  befahl  das  Cliristkind  aus 
Dankbarkeit  einem  Engel,  einen  Zweig  dieser  Palme  in  den 
Himmel  zu  tragen,  und  hier  im  Himmel  wuchs  aus  demsel- 
ben Zweige  ein  ungeheurer  Baum ,  die  Wonne  aller  Heiligen, 
die  in  den  Himmel  kommen.'^  Also  auch  hier  erscheint  die 
Palme  als  einer  höheren,  idealen,  himmlischen  Vegetation  ' 
zugehörig.  Ob  Raphael  an  jene  Legende  dachte,  als  er  die 
Madonna  unter  einer  Palme  malte,  steht  dahin.  Gewiss  ist, 
dass  Juden ,  Christen  und  Muhamedaner  (wie  die  Buddhisten) 
in  ihren  Visionen  vom  Himmel  immer  vorzugsweise  Palmen 
um  die  himmlischen  Städte,  in  den  himmlischen  Gärten  und 
an  den  himmlischen  Bächen  wachsen  sahen. 

In  den  Reden  von  Hellsehenden  (Basel  1824.  S.  18.)  findet 
sich  eine  schöne  Vision,  die  hieher  gehört.  Die  Seherin  er- 
blickt eine  unendliche  Menge  Palmen  im  Himmel,  die  alle 
bestimmt  sind,  noch  als  Siegeszeichen  von  sterblichen  Men- 
schen dereinst  empfangen  zu  werden,  und  die  Heiligen  im 
Himmel  fragen :  Werden  wir  diese  Menge  von  Palmen  auch 
los  werden?  Unter  dem  Namen  eines  himmlischen  Palmen- 
hains (coeleste  palmatum)  erschien  eine  Sammlung  schöner  alt- 


184  Palme. 

katholisclier  Hymnen.  Dass  die  Pfeiler  im  Innern  gothischer 
Kirchen  einem  Palmenhain  verglichen  werden,  ist  bekannt, 
und  die  Kirche  ist  gewissermassen  ein  Vorbild  des  Paradieses, 
unter  deren  Palmen  die  Frommen  einst  den  ewigen  Frieden 
finden  werden.  —  Einen  ähnlichen  Gedanken  wollten  auch 
die  muhamedanischen  Baumeister  ausdrücken,  denn  die  hohen 
Minarets  mit  den  kleinen,  in  gewissen  Abstufungen  um  die- 
selben laufenden  Galerieen  und  mit  der  kleinen  zugespitzten 
Kuppel  oben  sollen  Palmbäume  seyn  mit  ihren  Knoten  und 
mit  dem  Palmkopf  oben. 

Conrad  von  Megenberg  vergleicht  in  seinem  Buch  der 
Natur  (1475)  die  weibliche  Palme  mit  der  Jungfrau  Maria. 
Wie  nämlich  die  Palme  ohne  unmittelbare  Berührung  durch 
einen  blossen  Hauch  der  männlichen  Blüthe  befruchtet  werde, 
so  sey  auch  die  Madonna  durch  den  heiligen  Geist  auf  un- 
körperliche Weise  schwanger  worden. 

Zwei  kreuzweis  übereinander  gelegte  Palmbäume  bilden 
das  Kreuz  Christi  auf  einem  Bild  in  der  Kirche  St.  Paolo 
fuori  delle  muri  bei  Rom.  Ein  kleiner  Palmbaum  mit  einem 
daran  gehefteten  Christus ,  als  Crucifix  in  der  Hand  eines  Hei- 
ligen, bezeichnet  den  heiligen  Bruno  von  Cöln,  den  Stifter 
des  Karthäuserordens.  —  An  eine  Palme  mit  den  über  den 
Kopf  gehobenen  Händen  angenagelt  erscheint  der  heilige  Pan- 
taleon,  auf  andere  Art  angenagelt  der  heilige  Paphnutius.  — 
Aus  dem  Halse  des  Bischofs  ürsicinus  von  Ravenna  sollen 
nach  seiner  Enthauptung  Palmzweige  hervorgesprosst  seyn. 
Ein  Kleid  von  Palmblättern  bezeichnet  in  der  christlichen 
Kunst  immer  den  heiligen  Einsiedler  Paulus.  Aus  dem  Grabe 
des  heiligen  Johannes  in  puteo  wuchs  eine  fruchtreiche  Palme. 
Acta  SS.    30.  März. 

Ein  sehr  berühmter  Palmenheiliger  ist  St.  Onuphrius. 
Dieser  Einsiedler  in  Aegypten  lebte  wie  ein  wildes  Thier, 
war  auch  ganz  mit  Haaren  bedeckt  und  machte  sich  ein  Kleid 
aus  Palmblättern.  Dreissig  Jahre  lang  lebte  er  von  den  Früch- 
ten des  Palmbaumes  unter  dem  er   seine  Wohnung  aufge- 


Palme.  185 

schlagen,  dreissig  weitere  Jahre  speisten  ihn  die  Engel.  In 
sechzig  Jahren  sah  er  Niemanden,  als  den  heiligen  Paphnutius, 
der  ihn  kurz  vor  seinem  Tode  fand  und  nachher  begrub. 
2.  Juni  (im  4ten  Jahrhundert).  Herder  hat  die  Legende  in 
Verse  gebracht  (zur  schönen  Lit.  VI.  41.),  aber  mit  einer 
höchst  unpoetischen,  platt  rationalistischen  Wendung,  indem 
er  den  greisen  Einsiedler  zu  Paphnutius  sagen  lässt:  „Eile 
hinweg ,  Menschen  sind  geschaffen  nur  für  Menschen !  ^ 
Schöner  ist  der  Schlussgedanke  des  Gedichts.  Tasso  sollte 
mit  dem  Lorbeer  auf  dem  Capitol  als  Dichter  gekrönt  wer- 
den, starb  aber  zuvor  im  Kloster  St.  Onufrio,  in  dessen 
Garten  eine  berühmte  alte  Palme  wuchs,  und  die  Palme  des 
Heiligen  gewährte  ihm  mehr,  als  der  Lorbeer  Apoll o's. 

Ein  berühmtes  Bild  des  haarigen  Einsiedlers,  wie  ein 
Engel  ihn  speist,  malte  Schäufelein  in  Annaberg.  Kunstbl. 
1831.  S.  235.  Waagen,  Deutschland  L  196.  Andere  Bilder 
von  Dürer  s.  von  Rettberg,  Nürnberger  Briefe  S.  159,  von 
Muziano,  gest.  von  Gort. 

Auf  Münzen  und  Siegeln  findet  man  oft  Bischöfe,  Aebte, 
Aebtissinnen  mit  Palmen  in  den  Händen,  wo  an  ein  Mar- 
tyrium nicht  entfernt  gedacht  werden  kann.  Papebroch 
glaubte  daher,  die  Palme  bezeuge  wenigstens  eine  entfernte 
Theilnahme  ihrer  Träger  an  den  Kreuzzügen,  durch  Geld- 
beiträge etc.  Allein  Reuter  hat  in  seiner  Abhandlung  über 
diese  Art  von  Palmzweigen  (Nürnberg  1802)  nachgewiesen, 
dass  die  Palmen  auch  auf  Münzen  und  Siegeln  von  welt- 
lichen Herren,  Kaisern  und  Königen,  getragen  werden  und 
nichts  anderes  als  ein  Sinnbild  weltlicher  Gerichtsbarkeit  und 
Regierung  sind.  Schon  Hergot  in  seiner  geneal.  diplom. 
Habsburg.  I.  100.  identificirt  in  dieser  Beziehung  die  Palme 
mit  dem  baculus  und  der  virga  potestatis.  Da  inzwischen  in 
der  älteren  Symbolik  jede  Abweichung  ihr  besonderes  Motiv 
hat,  so  dürfte  immer  noch  zu  ermitteln  übrig  bleiben,  ob 
nicht  die  Palme ,  wenn  auch  immer  ein  Sinnbild  der  Gerichts- 
barkeit oder  Regierung,   wie  die  Ruthe  oder   der  Scepter, 


186 


Pan. 


sich  doch  auf  eine  gewisse  Gattung  von  Besitz   oder  Herrn- 
recht insbesondere  bezogen  haben  mag. 

Pan. 

Zur  Zeit  des  Todes  Jesu  hörten  Schiffer  auf  dem  adria- 
tischen  Meere  bei  der  Insel  Paxos,  unfern  von  Corfu,  eine 
Stimme  rufen:  „Der  grosse  Pan  ist  gestorben!'^  und  ein  ge- 
waltiges, wie  von  Vielen  ausgehendes  Seufzen.  Plutarch, 
vom  Verfall  der  Orakel  17.  Pan  bedeutete  bei  den  Alten 
nicht  blos  den  Hirtengott,  sondern  auch,  was  der  Name 
anzeigt,   das  All. 

Panther. 

Nach  dem  Glauben  des  Mittelalters  hat  dieses  wilde  Thier 
im  Mai  einen  so  süssen  Wohlgeruch,  dass  ihm,  alle  andern 
Thiere  nachlaufen.  Deshalb  ist  es  mit  der  Mutter  Gottes 
verglichen  worden,  die  durch  den  Wohlgeruch  ihrer  Tugen- 
den die  Seelen  an  sich  zieht.  W.  Grimm,  goldne  Schmiede 
S.  XLV.  In  einem  altdeutschen  Thierbuch  wird  er  aus  dem- 
selben Grunde  mit  Christo  selbst  verglichen.  Graff,  Diutiska 
in.  23.  In  einem  altdeutschen  Gedicht  wird  er  mit  einem 
Priester  verglichen,  weil  er  sieben  Farben  an  sich  habe,  wie 
der  Priester  an  seinem  Ornat.  Haupt,  Zeitschr.  I.  120.  —  Bei 
Daniel  7.  kommt  ein  pantherartiges  Thier  vor,  welches  die 
macedonische  Monarchie  bedeutet.  Vgl.  Bochart,  hieroz.  I.  789. 
Züllich,  Offenb.  Joh.  IL  187.    Didron,  man.  119. 


Papagei. 

Man  glaubt  gewöhnlich,  der  Papagei,  der  sich  nicht 
selten  auf  älteren  Bildern  der  heiligen  Familie  findet,  sey 
eine  blosse  Spielerei  der  Maler,  allein  es  knüpft  sich  an  ihn 
eine  ganz  bestimmte  Symbolik,  die  Konrad  von  Würzburg 
in  seiner  goldnen  Schmiede,   Vers  1850  f.,    erörtert.     Wie 


\ 


Paradies.  187 

nämlich,  sagt  er,  der  Sittig  (Papagei)  im  schönsten  Gras- 
grün glänzt  und  doch  nicht  wie  gemeines  Gras  beregnet 
wird,  sondern  sich  immer  trocken  hält,  so  gebar  die  heilige 
Jungfrau  Maria  uns  den  ewigen  Frühling  und  blieb  doch 
unbefleckte  Jungfrau.  Dieser  Papagei  findet  sich  unter  an- 
dern auf  einem  Bild  der  heiligen  Familie  von  Johann  van 
Eyck.  Das  Christkind  auf  dem  Schooss  der  heiligen  Mutter 
spielt  mit  dem  Vogel.  Schnaase,  niederl.  Briefe  343.  Vgl. 
den  Catalog  des  Wiener  Belvedere  S.  220.  Auf  einem  Stich 
Albrecht  Dürers  gesellen  sich  zum  Papagei  noch  ein  Affe 
und  ein  Schmetterling,  wohl  als  Sinnbilder  des  Teufels  und 
der  Seele.     Vgl.  Heller,  A.  Dürer  n.  2.  425.  7. 

Pappelbaum, 

Attribut  der  heiligen  Gudula,  wuchs  an  ihrem  Grabe  zu  Harn 
und  ein  Vogel  sang  in  den  Zweigen  schön.  Als  aber  ihre 
Reliquien  nach  Moorssel  gebracht  wurden,  erblickte  man  am 
andern  Morgen  jenen  Pappelbaum  mit  dem  Vogel  vor  der 
Kapelle  daselbst  und  war  er  zu  Ham  verschwunden.  Wolf, 
deutsche  Märchen  Nr.  262. 


Paradies. 

Paradesa  bedeutet  im  Sanskrit  schönes  Land  und  war 
auch  Name  der  königlichen  Gärten  in  Persien.  Der  Name 
dieser  späteren  künstlichen  Paradiese  wurde  nun  auf  das  ur- 
sprünglich natürliche  übertragen,  nämlich  auf  den  Garten  in 
Eden ,  in  welchen  Gott  den  ersten  Menschen  Adam  versetzte 
und  hier  das  erste  Weib,  die  Eva,  aus  seiner  Rippe  entstehen 
liess.  Nach  dem  1.  B.  Mosis  2.  waren  viele  Bäume  in  dem 
Garten ,  lustig  anzusehen  und  voll  köstlicher  Früchte.  Auch 
sammelte  Gott  alle  Thiere  um  Adam,  dass  er  ihnen  Namen 
gebe.  Der  tiefste  Frieden  waltete  in  dieser  paradiesischen 
Natur,  und  die  ersten  Menschen  waren  voll  Unschuld.  Der 
Garten  lag  im  Morgen  (1.  B.  Mos.  2,  8.),   er  war  selbst  der 


188  Paradies. 

Morgen  der  ganzen  Schöpfung.  Es  war  noch  keine  Feindschaft 
unter  den  Thieren ,  der  Pardel  lag  friedsam  bei  den  Böcken, 
Jesaias  11,  6,  der  Säugling  bei  der  Otter,  das.  11,  8.  Vgl. 
Theophilus  von  Antiochien  an  den  Autolykos  II.  27.  Rösler, 
Bibliothek  I.  237.  Die  Thierwelt  musste  den  ersten  Frieden 
der  Natur  theilen.  Auch  wohnt  ja  dieser  Friede  heute  noch 
unter  den  Thieren  auf  von  Menschen  nie  betretenen  Inseln. 
Weltumsegler  staunten,  dass  sich  dort  die  Vögel  auf  ihre  Hand 
und  auf  ihre  Flintenläufe  setzten.  Vgl.  Condamosta,  afrikan. 
Reise  1446.  Die  Volkssage  setzt  auch  in  einsamen  Thälern 
ein  solches  Paradies  der  Thiere  voraus.  So  in  den  Alpen 
(Otte,  Schweizersagen  S.  60.  149,  Grimm,  Mährchen  I.  388.). 

In  der  Beschreibung  des  Paradieses  im  zweiten  Capitel 
des  ersten  Buches  Mosis  fällt  zuerst  auf,  dass  die  Bäume  ohne 
Regen  vom  blossen  Thau  wachsen.  Man  hat  daraus  geschlos- 
sen, die  Atmosphäre  der  Erde  habe  damals  eine  andere  Be- 
schaffenheit gehabt,  als  jetzt,  und  das  Paradies,  wie  es  ohne- 
hin in  die  Zeit  vor  der  grossen  Fluth  fällt,  bezeichne  eine 
Stufe  der  Vegetation  und  Animalisation,  die  längst  überflözt 
ist.  Insbesondere  glaubt  man,  wenn  in  allen,  auch  den 
eisigen  Zonen  der  Erde  jetzt  noch  versteinerte  Pflanzen  und 
Thiere  gefunden  werden,  die  nur  in  einem  tropischen  Clima 
fortkommen  können,  so  beweise  dies,  dass  die  Erde  ehemals 
ringsum  eine  gleichförmigere  und  schwülere  Atmosphäre  ge- 
habt habe,  in  welcher  der  Gegensatz  von  Trockenheit  und 
Regen,  Kälte  und  Gewitter  noch  nicht  entwickelt  war;  und 
das  würde  dann  mit  der  regenlosen  Vegetation  des  Paradieses 
übereinstimmen.  Es  handelt  sich  von  einer  Zeit  der  Sabbath- 
ruhe  für  die  ganze  Natur,  in  der  die  grossen  meteorologischen 
Gegensätze  und  Prozesse  noch  so  wenig  entwickelt  waren, 
als  ein  feindlicher  Gegensatz  in  der  Thier-  und  Menschen- 
welt hervorgetreten  war. 

Linne ,  der  grosse  Botaniker,  hielt  das  Paradies  für  einen 
Urberg,  und  glaubte,  es  sey  der  erste  Berg  gewesen,  der 
sich  über  die  Gewässer,  die  einst  die  ganze  Erde  bedeckt, 
erhoben  habe,   und  auf  ihm   seyen  alle  Pflanzen  und  Thiere 


Paradies.  ISO 

vereinigt  gewesen,  um  sich  erst  nach  und  nach,  wenn  das 
Wasser  weiter  abfloss ,  zu  verbreiten.  Sofern  der  Gipfel  mit 
Schnee  bedeckt,  das  Ufer  aber  sehr  heiss  gewesen,  hätten 
sich  hier  auch  alle  Climate  und  Wärmegrade  beisammen  ge- 
funden, so  dass  alle  Arten  von  Thieren  daselbst  hätten  exi- 
stiren  können.     De  telluris  habitabilis  incremento,  1743. 

Begreiflicherweise  hielt  man  sich  an  das  nächste  Land, 
das  Palästina  im  Osten  liegt,  und  versetzte  das  Paradies  nach 
Mesopotamien  zwischen  Euphrat  und  Tigris  (Nieremberg ,  hist, 
nat.  498.).  Bald  aber  glaubte  man,  tiefer  in  die  indischen 
Gebirge  zurückgehen  zu  müssen,  und  als  Bernier  zum  ersten- 
mal das  schöne  Thal  Kaschmir  entdeckte,  glaubte  man  dort 
auch  das  alte  Paradies  gefunden  zu  haben,  welcher  Meinung 
noch  Herder  und  Eichhorn  huldigten.  Buttmann  glaubte,  es 
noch  weiter  östlich  in  den  Himalaja  versetzen  zu  müssen. 

Andere  schoben  es  nach  dem  Westen  und  Norden  vor, 
was  durchaus  der  Richtung  widerspricht,  welche  die  Bibel 
selbst  angibt,  und  der  Natur  der  Sache,  da  nur  das  asiatische 
Hochland  den  Vorzug  ansprechen  darf,  zuerst  aus  der  Fluth 
hervorgetreten  zu  seyn  und  die  ersten  Bevölkerungen  aus- 
gesendet zu  haben.  De  Lisle  (lettre^  London  1777)  sucht  das 
Paradies  im  Kaukasus,  Schulthess  in  Syrien,  Reland  in  Ar- 
menien. Noch  abentheuerlicher  waren  die  Vermuthungen 
Rudbecks,  das  Paradies  sey  in  Schweden,  und  Hasse's,  es 
sey  an  der  Ostsee  in  Preussen  zu  suchen.  Sie  gingen  von 
übertriebener  Vorliebe  für  ihre  Pleimath  aus  und  Hessen  sich 
durch,  einige  Nachrichten  der  Alten  von  den  glückseligen 
Hyperboreern  im  Norden  verleiten.  Noch  unlängst  hat  Henne 
in  Bern  behauptet,  das  Paradies  sey  in  der  Schweiz  gewesen 
und  von  da  aus  sey  das  ürvolk  mit  der  Urcultur  ausgegangen. 
Link  in  Berlin  verlegte  das  Paradies  nach  Afrika,  und  glaubte, 
die  ersten  Menschen  seyen  Neger  gewesen  und  hätten  sich 
erst  in  den  andern  Welttheilen  gebleicht  und  veredelt,  wie 
auch  die  Urschweine,  Urpferde,  Urrinder  schwarz  oder  grau 
seyen  und  erst  durch  die  Cultur  weiss  oder  farbig  würden. 
Autenrieth  suchte  das  Paradies  auf  den  Inseln  der  Südsee,  eben 


190  Paradies. 

so  willkührlicli.  Columbus  glaubte  es  an  den  reizenden  Küsten 
Südamerika's  wiedergefunden  zu  haben. 

Nachdem,  wie  schon  Herodot  meldet,  in  altägyptischer 
Zeit  Afrika  umschifft  worden  war,  und  sobald  man  seit  Ari- 
stoteles die  runde  Gestalt  der  Erde  aus  den  Mondsfinster- 
nissen etc.  erkannt  hatte,  theilte  man  sie  in  Zonen  ein  und 
nahm  demnach  eine  zvsreite  gemässigte  Zone  auf  der  südlichen 
Erdhälfte  an,  entsprechend  der,  auf  welcher  wir  wohnen. 
Eratosthenes  dachte  sich  diese  Antichthon  (Gegenerde)  ge- 
nannte glückliche  Zone  als  eine  grosse  Insel,  wie  auch  die 
damals  bekannte  nördliche  Zone  als  eine  In-sel  im  Weltmeer 
angesehen  wurde.  Vielleicht  trug  man  auch  die  Vorstellungen 
von  den  Aethiopen  und  Makrobiern,  welche  das  frühere 
Heidenthum  als  höchst  glückliche  und  treffliche  V^esen  im 
tiefsten  Süden  gesucht  hatte,  auf  diese  Gegenerde  über.  Da- 
her bei  einigen  Kirchenvätern  der  Glaube,  dass  das  Paradies 
im  Antichthon  liege.  Vgl.  Cosmas^  topogr.  Christ.  147.  Schau- 
bach, Geschichte  der  Astronomie  S.  283.  und  Alexander  von 
Humboldt ,  Untersuchungen  über  die  historische  Entwicklung 
der  geographischen  Kenntnisse  von  der  neuen  Welt  IL  82. 
Auch  Dante  versetzt  dahin  das  Paradies  und  sagt  (picrgatorio 
I.  22.),  Adam  und  Eva  haben  hier  einst  die  Strahlen  des 
südlichen  Kreuzes  gesehen ,  was  ihre  Nachkommen ,  aus  dem 
Paradiese  auf  die  andere  rauhe  Nordseite  der  Erde  vertrieben, 
nie  mehr  sehen  könnten.  Dante  dichtet,  als  Lucifer,  der 
erstgeborne  Engel,  sich  Gott  gleichstellen  wollte  und  deshalb 
aus  dem  Himmel  gestürzt  wurde,  fiel  er  in  den  Mittelpunkt 
der  Erde  und  blieb  darin  liegen:  durch  diese  Erschütterung 
wurden  aber  auf  zwei  entgegengesetzten  Seiten  der  runden 
Erde  zwei  Berge  emporgehoben,  auf  der  einen  Seite  der 
Berg  des  Paradieses,  auf  der  andern  der  Berg  Zion.  Beide 
stehen  sich  gegenüber  wie  Adam  dem  Christus,  oder  wie 
die  Geburt  der  Wiedergeburt  (Dante  von  Kopisch  S.  132 
zum  34sten  Gesang  der  Hölle). 

Auch  in  dieser  schönen  Allegorie  bleibt  das  Paradies 
immer  noch  auf  der  Erde,  und  Dante  unterscheidet  davon 


Paradies.  191 

ausdrücklich  den  Himmel  über  der  Erde,  hoch  in  den  astra- 
lischen  Sphären.  Uebrigens  erklären  sich  die  im  Mittelalter 
öfter  in  geistlichen  Dichtungen  wiederkehrenden  „Reisen  in's 
Paradies"  aus  der  Voraussetzung,  man  werde  dasselbe  jen- 
seits des  Meeres  finden.  So  die  berühmte  Reise  des  heiligen 
Brandanus. 

Jesaias  65,  17  f.  verkündet  den  neuen  Himmel  und  die 
neue  Erde.  Damit  ist  ausdrücklich  im  Gegensatz  gegen  das 
durch  Adams  Fall  verlorene  Paradies  das  durch  den  Messias 
wiedereroberte  gemeint.  Es  ist  dem  ersten  Paradies  voll- 
kommen ähnlich,  wie  die  durch  Christus  gereinigte  Mensch- 
heit der  vor  dem  Falle  noch  reinen  Menschheit  Adams. 
Jesaias  legt  besondern  Werth  auf  den  wiederhergestellten 
Frieden  unter  den  Thieren;  aber  das  bedeutet  nur  sinnbildlich 
die  wiederhergestellte  Harmonie  wie  im  Menschen  selbst,  so 
in  der  ihn  umgebenden  Natur.  Das  Paradies  ist  nur  der 
Reflex  der  darin  wohnenden  sündenlosen  Menschen.  Des 
Menschen  Unschuld  und  innere  Harmonie  macht  die  Erde 
zum  Paradiese ,  seine  innere  Zerrissenheit ,  seine  Leidenschaft 
und  Sünde  dagegen  verdunkelt  sie,  erzeugt  in  ihren  Elementen 
und  Creaturen  feindliche  Gegensätze,  Zerstörungstriebe  und 
Verderben. 

Diese  symbolische  Auffassung  des  Paradieses  ist  die  allein 
richtige.  Ohne  sie  würde  die  Frage  nach  dem  Ort  des  ersten 
Paradieses  nur  eine  müssige  seyn.  Auch  der  Unterschied  zwi- 
schen dem  alten  Paradies  auf  Erden  und  dem  künftigen  Paradies 
etwa  über  der  Erde  fällt  für  die  symbolische  Bedeutung  weg; 
denn  das  künftige  Paradies  ist  nur  die  in  Christo  wiederher- 
gestellte Unschuld  Adams,  also  das  wiedergewonnene  oder 
nur  erneute  alte  Paradies.  Es  ist  die  neue  Erde,  nur  weil 
die  alte  in  ihr  erneuert  ist.  Es  ist  mit  dem  Himmel  ver- 
bunden, wie  auch  schon  das  erste  Paradies  es  war,  wo  Gott 
unmittelbar  mit  den  Menschen  verkehrte.  Es  ist  aber  volk- 
reicher geworden  und  dem  zahllosen  Volk  der  Seligen  ist 
das  neue  Jerusalem  zur  Wohnung  darin  erbaut. 

Rupert  von  Deutz  hat  die  einfachste  Erklärung  gegeben^ 


193  Paradies. 

indem  er  das  Paradies  mit  der  Kirche  identificirt.  Bup.  Tuit. 
op.  p.  419.  Die  durch  Christo  geläuterte,  durch  Christo 
geeinte ,  mit  Gott  versöhnte  und  auf  ewig  verbundene  Mensch- 
heit ist  zugleich  die  Kirche  und  das  Paradies. 

Die  Sehnsucht  nach  dem  Freudenort  der  Gerechten  und 
das  ästhetische  Bedürfniss,  alles  Schöne  auf  das  Paradies 
überzutragen,  hat  in  den  bildlichen  und  poetischen  Darstel- 
lungen desselben  doch  zunächst  immer  die  Vorstellung  eines 
schönen  Gartens  und  jenes  ersten  reinen  Schöpfungsmorgens 
der  Genesis  festgehalten. 

Was  die  malerische  Ausführung  betrifft,  so  ist  die  Land- 
schaftsmalerei erst  spät  in  Uebung  gekommen.  Vorher  be- 
gnügte man  sich,  das  Paradies  durch  den  Apfelbaum  mit  der 
Schlange  zu  bezeichnen.  Wie  das  Bild  beschaffen  war, 
welches  mit  Edelsteinen  in  einen  Teppich  gestickt  war,  das 
Paradies  darstellte  und  zu  Madain  von  Omar  erbeutet  und 
zerstückt  wurde ,  wissen  wir  nicht  mehr  (Schnaase,  Geschichte 
der  Kunst  III.  247.).  Der  ausgezeichnetste  Maler  des  Para- 
dieses war  Johannes  Breughel,  von  der  Zartheit  seiner 
Pflanzengebilde  der  Sammetbreughel  genannt.  Er  malte  es 
ausserordentlich  oft  und  mit  verschiedenen  Staffagen,  bald 
mit  der  Erschaffung  der  Thiere,  bald  mit  der  des  Adam 
oder  der  Eva  etc.  Immer  aber  ist  die  Staffage  Nebensache 
und  die  Landschaft  Hauptsache,  die  er  in  einem  so  hellen 
und  lachenden  Lichte  malt,  dass  dadurch  die  Feier  und 
Wonne  der  jungen  Natur  auf's  Glücklichste  ausgedrückt  er- 
scheint. Eben  so  glücklich  vermeidet  er  in  der  grünen,  über- 
reichen Vegetation  das  Wildnissartige  wie  das  geleckt  Zierliche 
einer  Gartenanlage ,  und  mischt  vielmehr  Wald  und  Blumen- 
wiese in  harmonischen  Uebergängen.  Solche  Bilder  findet 
man  von  ihm  in  Dresden,  in  der  Gallerie  Esterhazy  in 
Wien,  im  Haag,  in  Pommersfelden  (Waagen,  Deutschland 
I.  140.),  in  Paris  (Waagen  547.),  im  Pallast  Doria  zu  Rom 
(Beschreibung  von  Rom  HL  3.  551.  555.  560.).  Schnaase 
(niederl.  Briefe  S.  25)  sagt  sehr  schön ,  Breughels  Bilder  sähen 
aus,  als  ob  das  vollendete  Blatt,  ja  der  Stamm  der  Bäume 


Paradiesi.  19g 

selbst  nur  Knospe,  nur  der  erste  smaragdgrün  emporschiessende 
Trieb  wären,  so  jugendfrisch  ist  Alles  daran.  Es  ist  das  Bild 
eines  ewigen  Mai's.  Arnim  hat  in  Ariels  Offenbarungen 
S.  163  ein  artiges  Sonett  auf  ein  Paradiesesbild  Breughels 
in  Wien  gedichtet. 

Unter  den  Italienern  war  es  Tintoretto,  der  auf  dem 
grössten  Oelbild,  welches  existirt,  von  74  Fuss  Breite  und 
30  Fuss  Höhe ,  zu  Venedig  das  Paradies  zu  malen  unternahm. 
Es  ist  mehr  durch  seine  Grösse  und  durch  den  Namen  des 
Künstlers,  als  durch  seinen  innern  Zauber  ausgezeichnet. 
Berühmt  ist  ein  Bild  des  Paris  Bordone  zu  Treviso  (Wessen- 
berg,  christl.  Bilder  II.  337;  aber  in  Kuglers  Gesch.  der 
Malerei  I.  318.  für  sehr  schwach  erklärt).  Desgleichen  ein 
iigurreiches  Frescobild  von  Milocco  in  der  Kuppel  einer  Kirche 
zu  Turin  (Miliin  I.  272.). 

Im  Allgemeinen  herrscht  entweder  die  Landschafts  -  oder 
die  Thiermalerei  vor.  Dass  die  letztere,  wenn  sie  die  im 
Paradiese  versammelten  Thiere  in  grossen  Gruppen  vordrängt, 
einen  heiligen  Eindruck  weniger  hervorzurufen  im  Stande 
ist,  als  die  erstere,  versteht  sich  von  selbst.  Auch  weist  die 
Bibel  den  Thiermalern  für  ihren  besondern  Zweck  die  Arche 
Noä  an.  Das  Paradies  Hesse  sich  wohl  noch  anders  malen, 
als  es  bisher  von  meist  frühern  Landschaftsmalern  dargestellt 
worden  ist.  Namentlich  vermisst  man  noch  das  tropische 
Element.  Die  vorhandenen  Bilder  haben  alle  noch  zu  viel 
nordische  Kühle  und  eine  zu  einfache  Vegetation.  Es  ist 
indess  schwer ,  die  tropische  Gluth  und  Fülle  mit  dem  Naiven 
und  Heiligen  zu  verbinden. 

Unter  den  dichterischen  Auffassungen  des  Paradieses 
stehen  zwei  Hymnen  des  heiligen  Augustinus  oben  an. 
Königsfeld,  Hymnen  S.  22.  32.  Die  weitläufigste  Beschrei- 
bung findet  man  im  apokryphischen  Buch  Henoch ,  aber  ohne 
viel  Phantasie.  Die  üppigste  und  darum  unwürdigste  be- 
liebten die  Juden  und  Muhamedaner  zu  ersinnen.  Diesen 
Auffassungen,  in  denen  der  Himmel  entweiht  wird,  Schau- 
platz  der  gemeinsten  sinnlichen  Freuden   zu  werden,   steht 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  j^3 


194  Paradies. 

die  christliche  immer  würdig  gegenüber,  selbst  wo  unschul- 
dige Naivetäten  bei  Malern  oder  Dichtern  unterlaufen.  Dante 
drückt  in  seinem  grossen  Gedicht  durch  Alles ,  was  in  seinem 
Paradiese  körperlich  und  sinnlich  wahrnehmbar  erscheint, 
doch  immer  nur  Geistiges  und  Tugenden  aus.  Die  altitalie- 
nischen Maler  deuten  die  schöne  Landschaft  auch  nur  mit 
wenig  Grün  an,  drücken  aber  das  Paradiesische  desto  zarter 
in  den  verklärten  Mienen  der  Seligen  aus.  Signorellis  schönes 
Bild  in  Orvieto  zeigt  nur  Engel,  die  über  Selige  Blumen 
streuen.  Der  tiefste  Gedanke,  vor  dem  alle  Erinnerungen 
irdischer  Freude  verschwinden,  und  das  Geistige  imperatorisch 
hervortritt,  ist  in  der  Lehre  enthalten,  nach  welcher  das 
Schauen  Gottes  der  Seligkeiten  höchste  ist. 

Im  Paradiese  convergirt  gleichsam  alles  Räumliche  zum 
Auge  Gottes  und  wird  eben  so  das  Zeitliche  wunderbar  zu- 
sammengedrängt. Davon  die  schöne  Legende  vom  Mönch 
Felix,  wovon  ein  altdeutsches  Gedicht  in  einer  Gothaer 
Handschrift.  Grimm,  altd.  Wälder  IL  70.  Coloczaer,  Codex 
Nr.  10.  Paulli,  Schimpf  und  Ernst,  1595,  Nr.  536.  Genthe, 
Dichtungen  des  Mittelalters  IL  273. 

Der  Mönch  Felix  las  in  der  heiligen  Schrift  (Psalm  90,  4. 
2.  Petri  3,  8.) ,  dass  die  Seligkeit  im  Himmel  Alles  übertreffe, 
was  der  Menschen  Auge  und  Ohr  sich  vorstellen  könne; 
daran  zweifelnd,  hörte  er  einen  Vogel  (aus  dem  Paradiese) 
wunderherrlich  singen  und  hörte  ihm  die  ganze  Nacht  zu. 
Als  die  Morgenglocke  läutete ,  kehrte  er  in's  Kloster  zurück, 
aber  Niemand  erkannte  ihn,  es  waren  hundert  Jahre  ver- 
flossen. —  Dieselbe  Legende  wird  in  Montanus,  Vorzeit  von 
Cleve  IL  257.  vom  Mönch  Erpho  im  Kloster  Siegburg  erzählt. 
Ganz  dasselbe  erzählt  Wolf  in  den  niederl.  Sagen  Nr.  148. 
von  einem  Mönch  des  Klosters  Afflighem.  Desgleichen  Cor- 
nerus  (chron.  ad  annum  834)  vom  jungen  Grafen  Bringus, 
der  an  seinem  Hochzeittage  verschwand.  Vgl.  auch  v.  Schack, 
dramat.  Lit.  d.  Spanier  IL  510,  die  Sage  vom  heiligen  Amarus. 

Derselbe  schöne  Gedanke  wiederholt  sich  im  Volksliede 
von  des  Commandanten  Tochter.    Vgl.  des  Knaben  Wunder- 


Paradies.  195 

hörn  I.   64.     Der  Commandant  von  Grosswardein  hatte   ein 
Töchterlein  j  Therese ,  die  stand  früh  auf  und  pflückte  Blumen 
in  ihres  Vaters   Garten.     Da   sie   die  Blumen  so   schön  im 
Thaue  glänzen  sah,  gedachte  sie:  ;,Wer  mag  wohl  der  Blumen 
Meister  seyn,    der  sie  so   schön  hat  aus   der  Erde  wachsen 
lassen?   ich  hab'  ihn  so  lieb,  dürft'  ich  ihn  einmal  schauen!^ 
Ihr  Vater  aber  verlobte  sie  an   einen  vornehmen  Edelmann, 
worüber  sie  sehr  betrübt  war.     Da  kam,  als   sie   wieder   im 
Garten  war,   Jesus  zu  ihr  und  steckte  einen  Ring  an  ihre 
Hand  und  sagte:  „Du  sollst  meine  Braut  seyn.*'    Die  Jung- 
frau wurde  roth  vor  Freude,   brach  eine  Rose  ab  und  gab 
sie  ihrem  himmlischen  Bräutigam.    Er  aber  führte  sie  an  der 
Hand   und  sprach:    „Ich  will   dir  nun  auch   meines  Vaters 
Garten  zeigen.'^     Und  er  führte  sie  in's  Paradies  und  zeigte 
ihr,  wie  viele  tausend  schönere  Blumen  dort  blühten  und  die 
Vögel  lieblich  von  den  Bäumen  sangen.    Voller  Freude  ging 
sie  von  Blume  zu  Blume  und   die  Zeit  ward  ihr  nicht  lang. 
Da  sagte  Jesus  zu   ihr:    „Komm  jetzt,   denn  ich  will   dich 
wieder  heimführen."    Er  begleitete  sie  bis  vor  die  Stadt  und 
schied  von  ihr.     Als  sie   an's  Thor  gekommen   war,   hielten 
sie  die  Wächter  auf,  und  frugen,  wer  sie  wäre?     Sie  sagte, 
sie  sey  des  Commandanten  Tochter.    Die  Wächter  aber  sag- 
ten: „Der  Commandant  hat  keine  Tochter."    Als  sie  vor  die 
Herren   der   Stadt  gebracht  wurde,   sagte   sie,   dass   sie  vor 
zwei  Stunden  erst  herausgegangen  wäre;  aber  Niemand  kannte 
sie,   und  endlich  fand  man  in  einer  Schrift,  dass  vor  hun- 
dert  und  zwanzig  Jahren    eine  Braut,   des   damaligen 
Commandanten    Tochter,    verloren  gegangen  sey.     Als   die 
Jungfrau    dies  hörte,   ward   sie   bleich,   wollte  nicht   Speise 
noch  Trank  mehr  nehmen,  als  allein  das  heilige  Sakrament, 
und   als    ihr   der   Priester    dasselbe   gereicht,    verschied   sie. 
Büsching,  Volkssagen  S.  163.     Bechstein  erzählt    im  Sagen- 
schatz des  Thüringerlandes  III.  182.  dieselbe  Sage  von  einer 
Braut  zu  Benzhausen  in  Thüringen. 

Nahe  verwandt  damit  ist  das  schöne  Volkslied  von  „des 
Sultans  Töchterlein"  im  Wunderhorn  I.   15,    etwas    ausge- 

13* 


Id6  iParadiesvogrel. 

dehnter  in  einem  fliegenden  Blatt,  das  Docen  (Miscell.  I.  267.) 
wieder  abdrucken  liess.  Hier  bewundert  des  Sultans  Tochter 
einmal  in  ilirem  Garten  die  Schönheit  der  Blumen  und  möchte 
gern  „den  Meister  der  Blumen"  kennen  lernen.  Da  erscheint 
ihr  Jesus j  spricht  liebreich  mit  ihr,  ladet  sie  in  seinen  himm- 
lischen Garten  ein  und  wirbt  sie  zur  Braut.  Das  nämliche 
Lied  kommt  auch  in  Hoffmanns  horae  helg.  H.  (altholländ. 
Volksheder)  Nr.  26,  in  Weyden,  Colins  Vorzeit  S.  272,  in 
Mohnike's  altschwed.  Volksl.  S.  205  vor.  —  Auch  in  einer 
thüringischen  Volkssage  bei  Bechstein  IV.  187.  ohne  den 
Namen  Jesu.  Ein  Mädchen  findet  in  der  Waldschlucht  bei 
Schweina  einen  hellstrahlenden  Jüngling,  der  sie  in  seinen 
Garten  führt  und  ihr  einen  Strauss  Blumen  pflückt.  Heim- 
kehrend, kennt  sie  Niemand,  es  sind  lange,  lange  Jahre 
vergangen,  und  müde  schläft  sie  auf  einem  Stein  für  immer 
ein ,  am  Busen  den  Blumenstrauss  von  funkelnden  Edelsteinen. 
Den  Namen  Paradies  erhielt  die  Vorhalle  der  Kirchen. 
Hier  findet  man  in  der  Regel ,  wenigstens  in  altern  Kirchen, 
ein  Bild  des  Sündenfalls  im  Paradiese  zum  Spiegel  für  die 
noch  nicht  Getauften  oder  Büssenden,  die  in  der  Vorhalle 
bleiben  mussten  und  noch  nicht  in's  Innere  der  Kirche  zu- 
gelassen waren.  Kreuser,  Kirchenbau  I.  123.  Missbräuchlich 
ist  der  Name  auf  die  entferntesten  Bänke  im  Theater,  wo 
der  Pöbel  sitzt,  übergegangen. 

Paradiesvogel. 

Dieser  von  den  frommen  Spaniern  auf  Neu -Guinea  ent- 
deckte Vogel,  der  prächtigeres  Gefieder  als  jeder  andere 
trägt,  wurde  von  ihnen  für  unmittelbar  aus  dem  Paradiese 
stammend  gehalten.  Auch  fabelte  man,  er  lebe  nur  von 
Düften,  leuchte  bei  Nacht  und  fliege  unaufhörlich,  da  er 
keine  Beine  habe  zum  Sitzen.  Menestreji,  symb.  p.  740  f. 
Nieremherg ,  Jiist.  nat.  211.  Magellans  Reise,  v.  Bürk  S.  261. 
Ein  Symbol  des  paradiesischen  Schwebens  in  ewiger  Wonne. 


Passions  Werkzeuge.  107 


Passionsblume. 

Als  die  Spanier  nach  Amerika  kamen,  fanden  sie  daselbst 
diese  Blume   und   gaben   ihr   sogleich   den   Namen  Passiflora 
oder  Passionsblume,    weil    auf  wunderbare   Weise    in  ihrer 
Blüthe  die  Passionswerkzeuge   dargestellt   sind.     Der  rothge- 
düpfelte  Nectarienkranz   gleicht  dem  blutigen  Dornenkranze ; 
die   fünf  Staubfäden   gleichen   den  fünf  Wundenmalen,   der 
Fruchtknoten   dem  Kelch,    der  Griffel   der  Geisselsäule ,    die 
drei  Narben  den  drei  Nägeln,  das  Blatt  der  Lanze,  die  Ran- 
ken  der   Geissei.     Nach   einer   alten  Legende   soll  aus    dem 
vom  Kreuze  des  Heilands   herabträufelnden  Blute   eine  wun- 
derbare neue  Pflanze  gewachsen  seyn.     Damit  hat  man  nun 
die  Passionsblume  in   Verbindung  gebracht.    Pauline  Klein  in 
ihren  schönen  Parabeln   hat   in  diesem  Sinne  die  Blume   be- 
sungen.    Auch  liebt  man  in  Vignetten  zu  Erbauungsbüchern 
die  Passionsblume   anzubringen,   wie   sie   zu  den  Füssen  des 
Kreuzes  an    demselben  hinaufrankt.     In   Stehlings  jüngstem 
Gericht   S.  17  wird  die  Schöpfung  dieser  Blume  sinnig  der- 
jenigen des  Pfaues  gegenübergestellt,  das  geistig  Tiefste  dem 
sinnlich    Schönsten. 


Passionswerkzeuge: 

Das  Kreuz,  die  Leiter,  die  Lanze,  der  lange  Stab  mit 
dem  Essigschwamm,  die  Säule,  an  der  Christus  gegeisselt 
worden,  die  Geissei,  der  Dornenkranz,  der  Rohrstab,  der 
Hammer  und  die  drei  Nägel,  der  heilige  Rock  und  drei 
Würfel,  die  Inschrift  über  dem  Kreuz:  I  N  R  I,  der  Hahn 
Petri ,  die  Laterne  der  Schaarwache  im  Garten ,  der  Leidens- 
kelch des  Engels.  Man  findet  diese  Erinnerungszeichen  an 
das  Leiden  Christi  zuweilen  nach  Art  der  altrömischen  Tro- 
phäen einfach  um  das  Kreuz  her  gruppirt.  Die  Johanniterinnen 
von  Toulouse  trugen  sie  in  kleinen  Abbildern  an  Schnüre 
gereiht  von    der  Brust    herabhängend.     Auf  vielen  Bildern 


198  Patriarchen. 

werden  sie  von  Engeln  getragen  und  zwar  hauptsächlich 
1)  in  Visionen,  die  dem  Christkind  vorschweben,  als  Traum 
des  schlafenden  Christkinds;  häufig  auch  einzeln,  z.  B.  das 
Christkind  betrachtet  sinnend  das  Kreuz  oder  den  Dornen- 
kranz;  2)  auf  Bildern  des  Weltgerichts.  Indem  Christus  als 
Weltrichter  thront,  umgibt  ihn  ein  Kreis  von  Engeln,  welche 
seine  Passionswerkzeuge  tragen,  um  Zeugniss  zu  geben  vom 
Erlösungswerke.  So  auf  dem  grossen  Bilde  des  Weltgerichts 
zu  Danzig  und  oft  wiederholt. 

Patriarchen. 

Darunter  versteht  man  1)  die  zehn  Erzväter  in  abstei- 
gender Linie  von  Adam  und  Seth  bis  auf  Noah  vor  der 
Sündfluth,  und  2)  die  Erzväter  von  Noah  und  den  Juden, 
insbesondere  von  Abraham  an  bis  Joseph.  Von  da  an  ver- 
lieren sich  die  physischen  Väter  in  der  Menschenmenge  und 
nur  noch  die  geistigen  treten  als  Propheten  in  ihrer  höhern 
Bedeutung  hervor. 

Die  zehn  Propheten  vor  der  Sündfluth  haben  einen  my- 
thischen, riesenhaften  Charakter,  sind  aber  als  Prototypen 
der  Menschheit  aufzufassen.  In  der  dunkeln  Geschichte  dieser 
zehn  Patriarchen  sind  drei  Momente  festzuhalten : 

1.  Der  titanenhafte  Typus ,  indem  schon,  durch  das  hohe 
Lebensalter  der  Patriarchen  selbst  eine  grossartigere  Leibes- 
beschaffenheit derselben  angedeutet  ist,  die  aus  der  Vermi- 
schung der  Kinder  Gottes  mit  den  Menschentöchtern  hervor- 
gegangenen Wesen  aber  ausdrücklich  die  Gewaltigen  hiessen. 
Der  jüdische  Talmud  und  die  muhamedanischen  Fabeln  haben 
das  ganze  vorsündfluthliche  Geschlecht  zu  Riesen  gemacht 
und  unter  andern  einen  riesenhaften  Zahn,  aus  dem  sich 
Abraham  später  eine  Bettstatt  machte,  für  den  des  in  der 
Sündfluth  mitbegrabenen  Riesen  Og  gehalten.  Ohne  Zweifel 
trug  das  Auffinden  riesenhafter  Thierknochen  schon  im  hohen 
Alterthum  dazu  bei,  an  ein  in  der  Sündfluth  begrabenes 
Eiesengeschlecht  glauben  zu    machen.     Das  1.  Buch  Mosis 


Patriarchen.  100 

selbst  deutet,  wie  gesagt,  nur  den  gigantischen  Typus  an, 
ohne  besondern  Werth  darauf  zu  legen.  Ihm  kommt  es  nicht 
auf  das  leibliche,  sondern  nur  auf  das  sittliche  Verhalten 
jener  ersten  Generationen  an. 

2.  Die  Corruption.  Dies  ist  im  1.  Buche  Mosis  das  wich- 
tigste Moment,  weil  dadurch  die  nachfolgende  Sündfluth 
erklärt  wird.  Das  Verderben  der  Menschen  ist  die  natürliche 
Folge  des  Sündenfalls.  Der  durchgehende  Gedanke  ist,  dass 
alle  Erstgeburt  verderben  muss,  und  dass  erst  aus  dem  Jüngern 
Geschlecht  wieder  der  Retter  und  Erlöser  hervorgeht.  So 
verdirbt  der  erste  Mensch  Adam  und  sein  Gegenbild  erscheint 
erst  im  Erlöser  Christus.  Die  ganze  vorchristliche  Zeit  fällt 
in  die  dunkle  Sündenseite ;  erst  die  nachchristliche  Zeit  in  die 
helle  Seite  der  Erlösung.  Wie  das  von  der  ganzen  Welt- 
geschichte gilt,  so  wieder  im  Einzelnen.  Der  erstgeborne 
Kain  verdirbt,  der  gute  Same  wird  nur  fortgepflanzt  im 
nachgebornen  Seth.  Die  ganze  erste  Generation  bis  zur  Fluth 
verdirbt ,  und  der  gute  Same  wird  nur  fortgepflanzt  in  Noah. 
In  demselben  Sinne  ist  später  Esau  verdorben  und  der  jüngere 
Jakob  wird  Erbe  des  Segens.  Das  Verderben  der  Erstgeburt 
ist  ein  tief  durch's  ganze  alte  Testament  durchgreifender 
Gedanke. 

3.  Das  summarische  Vorbild  der  ganzen  spätem  Welt- 
geschichte. Wie  in  einem  engen  Spiegel  drängt  sich  in  der 
Geschichte  der  ersten  zehn  Patriarchen  das  ungeheure  Bild 
des  Weltschicksals  zusammen.  Wenn  auch  nur  in  der  kür- 
zesten Andeutung  ist  doch  Alles  schon  in  diesem  Vorbild 
enthalten ,  was  später  sich  in  weitem  Raum  und  langgedehnter 
Zeit  entfaltet.  Die  klugen  Söhne  Kains,  Erfinder  der  Künste 
und  Waffen ,  die  Bastarde  von  Gott  und  Mensch ,  die  Gewal- 
tigen der  Erde,  was  sind  sie  anders,  als  die  Vorbilder  aller 
spätem  Cultur  und  aller  spätem  politischen  Corruption?  Läge 
nicht  dieses  Vorbildliche  in  ihnen,  so  müsste  man  sich  wun- 
dern, warum  sie  nicht  roher  aufgefasst  erscheinen.  Wozu 
die  Künste  in  einer  so  frühen  Zeit?  Der  durchgreifende 
Gedanke  ist ,  dass  die  Völkermassen  in  dieselbe  Sünde  fallen, 


200  St.  Paulus. 

wie  die  ersten  Eltern ,  indem  sie  vom  Baume  der  Erkenntniss 
essen  und  hochmüthig  und  gottlos  werden  durch,  ihr  Wissen, 
durch  ihren  Dünkel ,  sie  brauchten  Gott  nicht  mehr  und  seyen 
sich  selber  genug. 

Die  jüngeren  Patriarchen  von  Noah  und  zumal  von 
Abraham  an  sind  bereits  in  einzelnen  Artikeln  behandelt. 
Sie  vertreten  theils  ausschliesslich  das  Judenthum,  wie  na- 
mentlich Abraham,  theils  gehen  sie  in  den  Prophetencharakter 
über  als  messianische  Vorbilder,  wie  Joseph.  Die  jüdischen 
Patriarchen  und  Propheten,  wozu  sich  auch  noch  die  heid- 
nischen Sibyllen  gesellen,  bilden  heilige  Heerschaaren  des 
alten  Testaments  und  werden  in  diesem  Sinne  auf  Kirchen- 
bildern häufig  zur  linken  Seite  den  zur  rechten  stehenden 
Aposteln,  Kirchenvätern  und  Heiligen  gegenübergestellt,  denn 
das  neue  Testament  hat  immer  die  rechte,  das  alte  die 
linke   Seite. 

Zu  den  Sibyllen  gesellte  die  Kirchenbildnerei  des  Mittel- 
alters auch  weibliche  Patriarchinnen  und  Prophetinnen,  die 
Eva,  Sarah,  Rebekka,  Rahel,  die  Mirjam,  Deborah,  Rahab, 
Balkis  (Königin  vonSaba),  Susanna,  Ruth,  Judith,  Esther. 

St.    Paulus, 

der  grosse  Apostel,  der  erst  nach  dem  Tode  Jesu  sich  be- 
kehrte, dann  aber  allen  andern  Jüngern  desselben  durch  seinen 
feurigen  Geist  und  grossartiges  Wirken  voranleuchtete.  Er 
war  den  Heiden  zum  Licht  gesetzt,  Apostelgesch.  13,  47. 
Er  vor  Allen  war  Bekehrer  und  Erleuchter  jenes  unermess- 
lichen  Völkerkreises  gebildeter  und  mächtiger  Pleiden,  die 
um  das  kleine  Palästina  lagerten.  Vor  ihm  hatte  man  immer 
noch  geglaubt,  das  Christenthum  sey  eigentlich  doch  nur  eine 
jüdische  Nationalangelegenheit;  selbst  Petrus  wollte  den  Be- 
kehrten aus  dem  Heidenthum  neben  der  Lehre  des  Heilands 
auch  noch  das  Gesetz  des  alten  Testamentes  aufdringen. 
Paulus  aber  vertrat  das  Christenthum  als  Weltreligion,  als 
Erlösungsmittel  für  alle  Völker,  unabhängig  vom  Mosaismus. 


y 

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I 


Bt.  Paulus.  201 

Diesem  letzteren  blieb  jedoch  sein  hoher  Werth  als  Vorbe- 
reitungsstufe für  das  Christenthum  und  als  Schutzwehr  gegen 
die  Gnosis,  die  als  das  andere  Extrem  des  Judaismus  von 
der  Heidenseite  her  die  christliche  Lehre  zu  beirren  drohte. 
Darum  arbeiteten  Paulus  und  Petrus ,  wenn  auch  in  verschie- 
denen Richtungen,  dennoch  einmüthig  und  brüderlich  an 
demselben  heiligen  Werke,  und  die  Kirche  hat  ihr  brüder- 
liches Zusammenstehen  zum  Hauptsinnbild  ihrer  eignen  Kraft 
und  Einheit  gemacht,  worin  zugleich  die  Weltstellung  der 
chi^istlichen  Kirche  zum  Judenthum  und  Heidenthum  ausge- 
drückt wird. 

Nach  altem,  geheiligten  Gebrauch  der  Kirche  steht  Paulus 
rechts  und  Petrus  links,  sogar  auf  dem  Stuhl  und  Siegelring 
des  Papstes.  Molani,  hist.  imag.  p.  304.  Der  Vorrang  des 
Paulus  wird  ex  immortalitate  hergeleitet.  Petrus  diente  dem 
noch  im  Leben,  wandelnden  Christus ,  Paulus  dem  schon  auf- 
erstandenen. Petrus  fasste  ihn  mehr  von  seiner  menschlichen, 
Paulus  von  seiner  göttlichen  Seite.  Durandi,  rationale  VH.  44.  6. 

Nach  des  Nicephorus  Kirchengeschichte,  Paris  1630,  L 
2.  37,  war  Paulus  klein,  gebückt  und  kahl.  Diese  Schilde- 
rung (vielleicht  hervorgegangen  aus  dem  Bestreben,  den  Geist 
auf  Kosten  des  Leibes  zu  preisen  und  den  heidnischen  Ge- 
lüsten nach  Anbetung  schöner  Körper  keine  Nahrung  mehr 
zu  geben)  entspricht  dem  nicht,  was  uns  die  Apostelgeschichte 
von  dem  ritterlichen  Charakter  des  Apostels  (schon  als  Saulus) 
meldet.  Jedenfalls  hat  die  kirchliche  Kunst  nur  seine  apo- 
stolischen Eigenschaften  ausgedrückt,  indem  sie  ihn  gross, 
gerade  und  edel  darstellte.  Raphael  in  seinem  berühmten 
Bilde  stellt  ihn  dar,  Avie  er  zu  Athen  den  Philosophen  pre- 
digt, auf  sich  selbst  stehend,  fest  wie  eine  Säule  und  strahlend 
von  göttlicher  Geisteskraft.  Gewöhnlich  geben  die  Künstler 
diesem  Apostel  eine  dem  Heiland  nicht  ganz  ungleiche  Kopf- 
bildung, gescheiteltes  und  rollendes  Haar,  einen  etwas  län- 
geren Bart  und  etwas  ältere  Züge.  Seine  Attribute  sind  ein 
Buch  (das  Wort  Gottes)  und  ein  Schwert.  Das  Schwert 
deutet  auf  sein  Martyrium ,  sofern  er  enthauptet  wurde,  wird 


202  St.  Paulus. 

aber  auch  symbolisch  bezogen  auf  die  Kraft  seines  Geistes 
und  seiner  Rede.  Durandus  (rat.  I.  3.  16.)  sagt:  Mucro  furor 
Pauli,  Über  est  conversio  SaulL  Zuweilen  hat  Paulus  auch 
zwei  Schwerter,  vielleicht  um  jenen  Doppelsinn  damit  aus- 
zudrücken ,  oder  als  Pendant  zu  den  beiden  Schlüsseln  Petri. 
Wie  diese  Schlüssel  Himmel  und  Hölle  aufschliessen ,  so  ent- 
sprechen die  beiden  Schwerter  dem  Schutz  der  Gerechten 
und  dem  Schrecken  der  Verdammten.  —  Ein  weiteres  Attribut 
des  Apostels  ist  das  vas  electionis.  Man  findet  es  auf  der 
bronzenen  Thüre  der  Peterskirche.  Abgebildet  bei  Ciampini, 
vet,  monum.  musiva,  tab,  19.  Paulus  trägt  das  Schwert  in  der 
Rechten,  ein  Buch  in  der  Linken.  Zu  seinen  Füssen  rechts 
aber  steht  ein  durchsichtiges  Blumengef ass ,  in  dem  man  einen 
kleinen  Löwen  als  Wurzel  der  Blumen  erblickt,  die  lilien- 
artig hervorwachsen  und  auf  die  sich  eine  Taube  von  oben 
(der  heilige  Geist)  herabsenkt.  Ciampini  bezieht  dieses  selt- 
same Sinnbild  auf  Apostelgesch.  9,  15,  wo  Gott  den  Apostel 
sein  auserlesenes  Gefäss  nennt.  Mit  Recht;  doch  dürfte  ins- 
besondere der  Löwe  die  Kraft,  die  Blumen  die  Schönheit 
und  die  Taube  die  Heiligkeit  der  paulinischen  Beredsamkeit 
bezeichnen.  —  Auch  Wolf  und  Lamm  kommen  als  paulinische 
Attribute  vor  in  den  Miniaturen  der  Herrad  von  Landsberg 
zu  Strassburg.  Sie  bedeuten  den  Saulus  vor,  den  Paulus 
nach  der  Bekehrung. 

Die  bedeutsamsten  Hauptscenen  im  Leben  des  Paulus 
sind  oft  auf  Kirchenbildern  und  von  den  grössten  Meistern 
gemalt  worden.  Vor  allen  seine  Bekehrung,  wie  aus  dem 
wilden  Christenverfolger  Saulus  der  feurigste  Apostel  des 
Christenthums  Paulus  wird.  Der  Tag  dieser  Bekehrung  wird 
von  der  Kirche  besonders  gefeiert  am  25.  Januar.  Die  Dar- 
stellung der  Scene  entsprach  vollkommen  dem  gewaltigen 
Genie  des  Michel  Angelo,  auf  dessen  Bilde  Saulus,  von  der 
Erscheinung  Christi  in  den  Wolken  und  nicht  von  einem 
gemeinen  Blitze  geblendet,  niederstürzt.  Vasari,  deutsch  von 
Schorn  und  Förster  V.  353.  Nicht  minder  dem  Genie  des 
eben  so  gewaltigen  Rubens^   auf  dessen  Bilde  zwar  zu  viele 


i 


St.  Paulus.  20S 

Figuren  vorkommen,  eine  ganze  Caravane,  der  allgemeine 
Schrecken  aber,  das  Zusammenstürzen  von  Mann  und  Ross 
vor  der  Macht  Gottes  mit  ergreifender  Wahrheit  dargestellt 
erscheint.  Vgl.  Waagen,  Kunst  in  England  II.  355.  Passa- 
vant, Reise  in  England  154.    Carus  II.  76. 

Der  Bekehrung  folgt  die  dreitägige  Blindheit  des  Paulus 
und  die  von  Rubens  gezeichnete  Scene,  wie  ihn  Teufel  schlagen. 

Dann  die  Erhebung  zum  Apostelamte  und  dessen  wun- 
dervolle Ausübung,  unterbrochen  von  Leiden  und  Gefahren. 

Unter  den  Bildern  aus  dem  Leben  des  Apostels  Paulus 
sind  am  berühmtesten  die  in  den  Tapeten  von  Raphael:  die 
Bekehrung ,  Paulus  im  Kerker ,  Blendung  des  Elymas ,  Opfer 
zu  Lystra,  Predigt  zu  Athen.  Die  letztere  ist  eines  seiner 
Meisterwerke,  die  Macht  des  Geistes  und  Wortes  in  dem 
Prediger  lässt  sich  nicht  grossartiger  und  begeisterter  auffassen. 
Ygl.  Passavant,  England  38.  Auf  dem  Kerkerbilde  ist  das 
Erdbeben  allegorisch  dargestellt  durch  einen  Riesen  unter 
der   Erde. 

Die  Blendung  des  Elymas  ist  das  Gegenbild  zur  Blendung 
des  Paulus  selbst.  Des  ungläubigen  Saulus  vermeintes  Besser- 
wissen endet  in  unschädlicher  Blindheit,  auf  dass  sein  Auge 
hell  werde,  die  ganze  Wahrheit  zu  erkennen  und  fortan  im 
reinsten  Lichte  zu  wandeln.  Der  vorher  mit  der  Wahrheit 
bekannte,  innerhalb  der  Kirche  heimische,  aber  durch  Sünde 
das  Licht  sich  selber  verdunkelnde  Christ,  der  Verräther  am 
Christenthum  wird  mit  ewiger  Blindheit  geschlagen.  Das 
ist  der  Unterschied  der  äussern  Feinde  und  der  Innern  Ver- 
räther der  Kirche. 

Unter  den  Predigtscenen  ist  die  vornehmste  die  Predigt 
zu  Athen  in  dem  schon  erwähnten  bewunderungswürdigen 
Bilde  von  Raphael.  Das  ist  das  Gegenbild  zu  der  Predigt 
des  Knaben  Jesu  unter  den  Pharisäern  und  Schriftgelehrten 
im  Tempel  zu  Jerusalem.  Denn  es  ist  der  Areopagus,  es 
ist  eine  Versammlung  der  erfahrensten  und  geistreichsten 
Hellenen,  es  ist  die  Blüthe  der  antiken  heidnischen  Weisen, 
vor  denen  der  Apostel  zum  erstenmal  das  neue  Heil  verkündet. 


^04  St.  Paulus. 

Im  Tempel  zu  Jerusalem  waren  es  die  Weisen  des  alten 
Gesetzes,  hier  sind  es  die  der  classischen  Vorwelt.  Wie 
aber  die  Juden  schon  im  alten  Testament  die  Messiasidee ,  so 
hatten  jene  gelehrten  Heiden  in  Athen  wenigstens  ,jden  Altar 
des  unbekannten  Gottes'%  in  dessen  Errichtung  eine  dunkle 
Ahnung  eines  erst  künftig  zu  verkündenden  Gottes  lag,  vor 
dem  alle  andern  verschwinden  sollten.  Dieses  Altars  gedenkt 
auch  Tansanias ,  Attika  I.  1.  Philostratos  im  Leben  des 
Apollonius  VI.  2.  Lukian,  Philopatris  13.  —  Der  Maler 
Lesueur  malte  die  zweite  unter  den  berühmten  Predigten 
des  Paulus,  die  zu  Ephesus,  die  so  gewaltig  war,  dass  die 
Philosophen  selber  die  Bücher  ihrer  falschen  Weisheit  her- 
beischleppten und  verbrannten. 

Das  Gegenbild  dazu  ist  die  Predigt  des  Paulus  und  Bar- 
nabas  zu  Lystra  und  das  Opfer,  welches  ihnen  die  Heiden 
daselbst  bringen  wollten,  indem  sie  Götter  in  ihnen  sahen 
und  sie  als  Götter  anbeteten.  Hier  ist  der  Unterschied 
des  Christengottes  von  den  Heidengöttern  am  schärfsten  aus- 
gedrückt. Diese  Scene  aber  ist  wieder  ein  Abbild  der  Ver- 
suchung Christi  durch  den  Teufel  in  der  Wüste.  Der  Teufel 
zeigt  dem  Heiland  die  Herrlichkeit  der  Welt ,  damit  er  durch 
sie  geblendet  werde,  von  Gott  abzufallen,  wie  Lucifer.  Die 
Heiden  thun  unbewusst  und  in  gutem  Willen,  nur  in  ihrer 
alten  Täuschung  befangen,  etwas  Aehnliches,  indem  sie  heid- 
nische Ehren  auf  christliche  Apostel  häufen. 

Unter  den  Leidensscenen ,  die  der  Apostel  erlebte ,  steht 
oben  an  die  Befreiung  aus  dem  Kerker  durch  das  Erdbeben, 
eines  der  erhabensten  Wunder  in  der  Apostelgeschichte.  Die 
Tiefe  der  Erde  selbst  sträubt  sich  gleichsam,  den  Mann 
Gottes  in  ihre  unterirdischen  Kerker,  in  ihr  finsteres  Gestein 
aufzunehmen,  ihn,  der  dem  hohen  Himmel  angehört.  Das 
Gegenbild  dazu  ist  daher  die  Entzückung  des  Paulus  bis  in 
den  dritten  Plimmel.  Poussin  hat  diese  Erhebung  in  den 
Himmel  sehr  schön  und  wundervoll  in  einem  Gemälde  dar- 
gestellt. Drei  grosse  Engel  tragen  den  Heiligen  wie  im  Sturm 
empor.    Landon^  annales  II.  72. 


Pax.  205 

Die  Begebenheit  auf  der  Insel  Malta  gehört  ebenfalls  zu 
den  am  häufigsten  gemalten  Kirchenbildern  aus  dem  Leben 
des  Paulus.  Eine  Schlange  hing  sich  an  ihn.  Man  sah  das 
als  einen  Beweis  an,  dass  er  ein  Mörder  seyn  müsse,  den 
die  Rache  der  Götter  verfolge,  weil  er,  kaum  dem  Schiffbruch 
entronnen ,  von  einem  giftigen  Thiere  angefallen  werde.  Aber 
er  schleuderte  die  Schlange  in's  Feuer  und  blieb  unversehrt. 
Siegreich  schreitet  der  Heilige  aus  der  Umdrohung  von  Tod 
und  Teufel  her.  Weder  die  Tiefe  des  Meeres,  noch  die 
Schlangen  der  Tiefe  können  ihm,  dessen  Heimath  die  obere 
Welt  des  Lichtes  ist ,  wehe  thun ,  und  die  Thorheit  und  Ver- 
leumdung der  blinden  Menge  wird  beschämt.  Ein  Sinnbild 
zum  Trost  aller  Gerechten  in  grossen  und  kleinen  Gefahren 
und  unter  den  Vorurtheilen  des  Haufens.  —  Man  zeigt  noch 
die  Höhle  auf  der  Insel  Malta,  wo  Paulus  das  Wunder  voll- 
brachte, und  kleine  Steine,  die  hier  gefunden  werden  und 
von  denen  das  Volk  glaubt,  sie  helfen  gegen  Schlangenbiss. 

Ein  apokryphisches  Buch  von  den  Thaten  des  Paulus 
hat  schon  Eusebius  als  falsch  verworfen.  Eben  so  hat  man 
ihm  fälschlich  einen  Briefwechsel  mit  dem  römischen  Philo- 
sophen Seneca  angedichtet  (Rösler,  Bibliothek  d.  Kirchen- 
väter IV.  372.).  Endlich  auch  eine  Offenbarung  (wie  die  des 
Johannes)  und  eine  Vision,  die  aus  jener  entlehnt  scheint 
und  im  Uten  Jahrhundert  im  südlichen  Frankreich  verfasst 
wurde.  Paulus  macht  hier,  wie  Dante,  eine  Reise  durch 
Himmel  und  Hölle.  Es  zeugt,  besonders  in  den  Höllen- 
scenen,  von  sehr  lebendiger  Phantasie,  weshalb  es  Ozanam 
in  s.  Dante  S.  317  hat  abdrucken  lassen. 

Pax, 

eine  kleine,  meist  silberne  Metallplatte,  die  der  Messe  lesende 
Priester  unter  dem  agnios  Dei  küsst  und  dann  dem  Admini- 
stranten  mit  den  Worten  pax  tecum  gleichfalls  zum  Kusse 
reicht,  wird  nicht  wie  das  Agnus  Dei  mit  dem  Lamme,  son- 
dern mit  verschiedenen  andern  Darstellungen  geschmückt,  bald 


206  Pech. 

in  Kelief ,  bald  in  Email ,  bald  in  Niello.  Eine  Pax  mit  einer 
berühmten  Krönung  Maria  von  Maso  Finiguerra  wird  im  Mu- 
seum zu  Florenz  gezeigt.  Vgl.  Waagen,  Kunst  in  England 
I.  130. 

Pech, 

ein  Material  der  irdischen  und  höllischen  Martern,  und  ge- 
wissermassen  dem  Teufel  verwandt  durch  die  Schwärze  und 
durch  das  zähe  Ankleben.  Der  heilige  Vitus  wurde  in  einem 
Pechkessel  gesotten,  aus  dem  heraus  er  aber  fromm  und 
lieblich  sang.  St.  Potamynäa,  eine  durch  ihre  körperliche 
Schönheit  berühmte  Jungfrau,  wurde  im  3ten  Jahrhundert 
als  Christin  gemartert  und  ward  ganz  langsam  Zoll  bei  Zoll 
in  einen  Kessel  voll  siedenden  Peches  getaucht.  Eusebius, 
Kirchengesch.  VI.  5.     7.  Juni. 

St.  Amantius,  Bischof  von  Kodez  (f  825),  verwandelte 
gestohlenen  Honig  in  Pech,  und  als  er  dem  Eigenthümer 
zurückgegeben  war,  wieder  in  Honig.  Surius  zum  4.  No- 
vember. Das  Pech  wird  hier  dem  Honig  entgegengesetzt, 
wie  höllisches  Element  dem  himmlischen.  In  deutschen  Volks- 
sagen und  Kindermärchen  bildet  dagegen  Gold  den  Gegensatz 
zu  Pech.  Die  Kinder  kommen  durch  ein  Goldthor  in  den 
Himmel,  durph  ein  Pechthor  in  die  Hölle.  Oder  das  gute 
Kind  bekommt  ein  Goldkleid,  das  böse  ein  Pechkleid. 

Pelikan, 

der  bekannte  Vogel,  der,  die  Mitte  haltend  zwischen  Schwan 
und  Storch,  im  Wasser  lebt  und  sich  von  Fischen  nährt, 
daher  seine  weisse  Brust  zuweilen  von  Fischblut  geröthet  ist. 
Diese  Thatsache  erhielt  eine  poetische  Deutung.  Nach  Epi- 
phanius,  Physiologus  8,  tödtet  das  Weibchen  ihre  Jungen 
durch  ihre  Liebkosungen,  das  Männchen  aber  kommt  dazu, 
reisst  sich  mit  dem  Schnabel  die  eigne  Brust  auf  und  lässt 
sein  Blut  auf  die  todten  Jungen  rinnen,  die  dadurch  wieder 
lebendig  werden.     Vgl.  Isidorusj  etymol.  XII.  7.     St.  Augu- 


¥ 


Perle.  S07 

stinus  zum  lOlsten  Psalm,  den  von  Tychsen  herausg.  Phy^ 
siologus  Syrus,  Eustathius  etc.  Man  findet  die  älteren  Quel- 
len beisammen  in  Bocharti  hieroz.  11.  301.  Vgl.  den  alt- 
deutschen Physiologus  in  der  Massmann'schen  Ausgabe  der 
Quedlinburger  Nationalbibliothek  III.  322.  und  viele  andere 
altdeutsche  Schriftquellen,  gesammelt  in  Grimms  Vridanc 
S.  LXXXV.  Die  Quellen  weichen  nur  darin  ab,  dass  in 
einigen  das  Weibchen,  und  nicht  das  Männchen,  die  Gross- 
muth  übt ,  und  den  Jungen  Schuld  gegeben  wird ,  sie  hätten 
das  Männchen  vorher  getödtet.  Diese  Abweichungen  sind 
Nebensache.  Die  Hauptsache  ist  die  symbolische  Anwendung. 
Schon  die  Kirchenväter  nämlich  und  nachher  das  ganze  christ- 
liche Mittelalter  erkannte  in  dem  Pelikan,  der  sein  Blut  ver- 
giesst  für  seine  Jungen,  ein  Symbol  des  Heilandes  am  Kreuz. 
So  auch  Dante  in  s.  Paradiese  25,  38. 

In  diesem  Sinne  ist  der  Pelikan  auch  unzähligemal  auf 
Kirchenbildern  angebracht  worden.  Vgl.  Piper,  Mythologie 
der  christl.  Kunst  I.  463.  Twiningj  symb.  pl.  21.  22.  89.  Auch 
auf  dem  berühmten  Genter  Altar,  im  Freiburger  Münster  etc. 
Nach  Loretto  wurde  ein  Pelikan  von  Gold  gestiftet,  dessen 
Blut  durch  Rubinen  bezeichnet  ist.    Keyssler ,  Reise  S.  895. 

Perle, 

das  kösthchste  Kleinod,  daher  Sinnbild  der  Seligkeit,  die 
mehr  werth  ist  als  alle  Schätze  der  Erde.  Gleichniss  vom 
Kaufmann,  der  Alles  hingab  um  eine  Perle.  Matth.  13,  45. 
Angewandt  in  der  Legende  von  Barlaam  und  Josaphat.  Der 
reiche  König  Indiens,  Josaphat,  zeigt  dem  heiligen  Barlaam 
alle  seine  Schätze;  dieser  aber  weist  auf  Christus  hin,  als  auf 
die  Perle ,  die  alle  diese  Schätze  aufwiegt.  Auf  griechischen 
Bildern  dargestellt,  Didron,  man.  p.  209.  Die  Perle  bedeutet 
auch  das  Wort  Gottes  und  alles  Heilige,  daher  bei  Matth.  7,  6. 
geboten  wird;  „Du  sollst  die  Perle  nicht  vor  die  Säue 
werfen." 

Schon  die  Alten  glaubten,  die  Perle  entstehe  durch  den 


208  Perseus. 

Thau  vom  Himmel,  welchen  die  Muschel,  aus  dem  Meer 
emporsteigend  und  über  der  Oberfläche  des  Wassers  sich  öff- 
nend, im  Mondschein  empfange  (Ammian.  Marcellinus  23,  6.), 
oder  durch  Wirkung  des  Blitzes  (Tzetzes,  chil.  XI.  375.)?  oder 
durch  einen  Regentropfen  nach  arabischem  Glauben  bei  Bo- 
chart,  hieroz.  IL  681.  Man  wandte  den  Umstand,  dass  die 
Muschel,  obgleich  im  Wasser  lebend,  doch  unberührt  vom 
Wasser  durch  himmlischen  Einfluss  die  Perle  empfange,  auf 
die  unbefleckte  Empfängniss  Maria  an.  PicineUij  mundus 
symb.  442. 

Die  Perle  ist  bei  den  Muhamedanern  ein  Sinnbild  be- 
lohnter Demuth.  Ein  Regentropfen  fiel  in's  Meer  und  ver- 
glich demüthig  seine  Kleinheit  mit  der  Unermesslichkeit  des 
Ozeans.  Da  bewirkte  Gott,  dass  das  Tröpfchen  in  eine 
Muschel  fiel  und  eine  kostbare  Perle  wurde.  Saadi.  Nach 
einer  andern  muhamedanischen  Legende  sind  die  Perlen  aus 
Eva's  Reuethränen  entstanden.  —  Thomas  von  Canterbury 
trug  einmal  Brosamen  den  Armen  zu;  als  ihm  der  König 
begegnete  und  nachsah,  was  er  trage,  waren  die  Brosamen 
in  Perlen  verwandelt.  Corneri  chron.  ad  annum  1171  bei 
Eccard   IL   745. 

P  e  r  s  e  u  s  , 

der  mythische  Heros,  der  die  gefesselte  Andromeda,  Tochter 
des  Kepheus,  befreite,  und  die  Alles  zu  Stein  verwandelnde 
Medusa  tödtete,  wird  in  einem  Auto  des  Calderon  mit  Christus 
verglichen,  Andromeda  mit  der  menschlichen  Seele,  Phineus 
(Bruder  des  Kepheus)  mit  dem  Teufel,  die  Medusa  mit 
dem  Tode. 

Pest 

gehört  unter  die  ägyptischen  Plagen,  als  göttHche  Strafe, 
bedeutet  aber  auch  das  Wehe  der  irdischen  Welt  überhaupt, 
im  Gegensatz  gegen  die  Gesundheit,  die  uns  erst  in  der  bes- 
sern Welt  zu  Theil  werden  soll.     Denn  die  irdische  Welt  ist 


t>est.  209 

durch  Sünde  verpestet.  Durch  die  erste  Sünde  kam  die  erste 
Krankheit  und  der  Tod  in  die  Weh.  In  diesem  Sinne  ist  der 
arme  Lazarus  im  Evangelium  eine  Personihcation  der  leidenden 
Menschheit  überhaupt,  desgleichen  der  kranke  Hiob  auf  dem 
Mist.  Andrerseits  aber  ist  auch  wieder  der  hülfreiche  Pfleger 
und  Arzt  in  der  Pest  ein  Nachfolger  des  Welterlösers.  Zu 
diesen  gehören  vorzugsweise  die  beiden  grossen  Pestheiligen, 
St.  ßochus  und  St.  Karl  Borromäus. 

St.  Rochus,  zu  Montpellier  im  13ten  Jahrhundert  ge- 
boren, hatte  schon  bei  der  Geburt  ein  rothes  Kreuz  auf  der 
Brust  und  hielt  die  Fasten  an  der  Mutterbrust.  Zwanzig 
Jahre  alt,  kam  er  nach  Italien,  diente  in  einem  Hospital  und 
zeichnete  sich  durch  Pflege  der  Pestkranken  aus,  von  denen 
er  nicht  nur  nicht  angesteckt  wurde,  sondern  die  er  durch 
Berührung  und  Gebet  heilte.  Dann  diente  er  in  Rom  selbst; 
hier  aber  überfiel  ihn  die  Pest;  man  warf  ihn  vor  die  Thür, 
er  kroch  fort  bis  zu  einer  Bauernhütte,  und  lebte  hier,  von 
Allen  verlassen,  ausser  von  einem  treuen  Hunde,  der  ihm 
täglich  ein  Brodt  brachte.  Als  er  geheilt  war,  warf  man 
ihn,  indem  man  ihn  für  einen  Spion  hielt,  in  den  Kerker. 
Hier  starb  er  und  verrieth  seine  Heihgkeit  durch  einen  Glanz, 
der  sich  von  ihm  verbreitete.  16.  August  1327.  Man  betet 
zu  ihm  zur  Pestzeit.  Lat.  Hymnen  s.  Coeleste  palmetum  p.  492. 
Ein  Spottgebet  an  ihn,  von  einem  Ehemann,  der  ihn  bittet, 
ihn  auch  von  der  Pest,  d.  h.  einem  bösen  Weibe,  zu  befreien, 
von  Francesco  di  Lemene.  Ital.  Anthologie  II.  110.  Die 
Eochuscapelle  bei  Bingen.  Im  Campanerthal  in  den  Pyre- 
näen zeigt  man  noch  jetzt  einen  Epheu,  den  der  Heilige  ge- 
pflanzt haben  soll,  und  von  dem  sich  die  Wallfahrer  Blätter 
pflücken.     W.  von  E.,  Reise  I.  149. 

In  Hospitälern  ist  er  oft  als  Patron  gemalt.  Immer  im 
Pilgerkleide,  Pilgerhut  und  Stab,  von  einem  Hündchen  be- 
gleitet, das  ein  Brodt  trägt.  Bilder  aus  seiner  Legende  in 
der  Jakobskirche  zu  Antwerpen.  Burckhardt,  belg.  Städte 
S.  90,  und  von  Abel  Pugol  in  S.  Sulpice  zu  Paris.  Wie 
er  die  Madonna  um  Abwendung   der  Pest  knieend   anfleht, 

Menzel,  christl.  Symbolik.  IL  14 


Sic  JPesi 

malte  David  zu  Marseille  und  Annibal  Caracci  in  England. 
Passavant  270.  Wie  er  für  die  Kranken  betet,  malte  auch 
Rubens  zu  Aalst.  Wie  er  die  Pestkranken  pflegt  und  heilt, 
malte  Procaccini  in  Dresden ,  Tintoretto  in  der  Gallerie  Lich- 
tenstein. Mit  zwei  Kjndern  malte  ihn  Andrea  del  Sarto  in 
Florenz.  Wie  er  Almosen  austheilt,  Annibal  Caracci  in 
Dresden. 

Wie  der  Hund  seine  Wunde  leckt,  malte  Spagnoletto  im 
Escm-ial;  mit  dem  Hunde  in  einer  schönen  Landschaft  malte 
ihn  auch  Mostaert,  gest.  von  Sadeler.  Wie  ein  Engel  seine 
Wunde  heilt,  malte  Schiedone  im  Pallast  Doria  und  Annibal 
Caracci  in  England  (Passavant  204.  271.).  Ein  unziemliches 
Bild  dagegen  malte  Tintoretto,  nämlich  die  Ankunft  des 
Heiligen  im  Himmel,  wo  Gott  Vater  selbst  ihn  umarmt.  Va- 
sari  V.  60. 

ßorromeo  ist  eine  alte,  am  Lago  maggiore  begüterte 
Familie,  von  welcher  die  Inseln  dieses  See's  die  borromeischen 
heissen,  die  durch  ihre  Schönheit  so  berühmte  Isola  bella  und 
Isola  madre.  Der  berühmteste  des  Geschlechts  war  Carlo 
Borromeo,  Erzbischof  von  Mailand  und  Cardinal  (f  1584), 
ausgezeichnet  durch  seine  frommen  Stiftungen,  durch  den 
Edelmuth,  mit  dem  er  bei  der  grossen  Pest  in  Mailand  per- 
sönlich Hülfe  und  Trost  ertheilte  und  keine  Gefahr  scheute, 
durch  strengsten  Lebenswandel  und  Kasteiungen  etc. ,  haupt- 
sächlich aber  durch  den  unermüdlichen  Eifer  und  die  Art 
und  Weise ,  mit  denen  er  der  Reformation  entgegenarbeitete, 
indem  er  der  katholischen  Welt  die  Tugend  und  strenge  Sitt- 
lichkeit zurückgeben  wollte,  deren  lüderHche  Verscherzung 
die  Reformation  hervorgerufen  hatte.  Nach  der  Volkssage 
bannte  er  die  Pest  in  eine  Marmorsäule  zu  Mailand,  wo  sie 
noch  jetzt  an  einer  Beule  zu  sehen  ist.  Keyssler,  Reise  S.  279. 
—  Im  Dom  zu  Mailand  ist  ihm  eine  prächtige  Grabkapelle 
errichtet  mit  silbernen  BasreHefs,  die  sein  Leben  darstellen. 
Vgl.  MilUn,  Lombardie  I.  82  f.  Zu  Arona  am  Ufer  des  Lago 
maggiore  steht  seine  Statue  von  Erz  und  Erzplatten,  ß6  Fuss 
hoch,  das  Piedestal  46  Fuss,  zusammen  112  Fuss.     Miliin 


St.  Petrus.  SU 

I.  478.  Wie  er  die  Pestkranken  tröstet,  ist  sehr  oft  gemalt 
worden.  —  Unter  den  Dichtern  hat  Manzoni  in  s.  promessi 
suosi  ein  sehr  ideales  Bild  von  dem  Heiligen  entworfen.  Auch 
in  Eousseau's  Legenden  S.  55  wird  sein  Edelmuth  besungen, 
und  von  Pyrker. 

In  einer  Pest  findet  auch  die  berühmte  Prozession  von 
Echternach  ihre  Erklärung.  St.  Willibrord,  ein  Angelsachse, 
kam  im  8ten  Jahrhundert  nach  den  Niederlanden  und  wurde 
Bischof  von  Mastricht.  Er  ist  Apostel  der  Friesen.  Zu  Ech- 
ternach bei  Trier  ist  er  begraben,  7.  November.  Bis  auf 
diesen  Tag  wird  zu  seinem  Grabe  gewallfahrtet,  und  zwar 
im  Tanz,  indem  die  Pilger  einander  anstossen  und  je  zwei 
Schritte  vorwärts  und  wieder  einen  hinter  sich  springen.  Nach 
den  Mem.  de  V  acad.  celtique  III.  454.  und  Bertholet,  hist.  de 
Luxembourg  II.  177,  rührt  die  Sitte  aus  einer  grossen  Pest- 
zeit her,  in  der  die  Menschen  von  Tanzwuth  befallen  wur- 
den (der  St.  Veitstanz  im  14ten  Jahrhundert),  welche  nirgends 
als  an  diesem  Grabe  geheilt  werden  konnte.  Noch  jetzt  wie- 
derholen die  katholischen  Gemeinden  der  Eifel  unter  ihren 
Pfarrern,  jede  mit  ihrer  Fahne,  den  feierlichen  Tanz. 

Petersilie. 

Als  die  schöne  und  fromme  Nonne  Maria  Coronel  den 
Nachstellungen  des  üppigen  Königs  Pedro  von  CastiUen  entfloh 
und  sich ,  nur  leicht  mit  Erde  zugedeckt ,  im  Garten  verbarg, 
grünte  aus  dieser  Erde  durch  ein  Wunder  so  dicht  und 
reichHch  Petersilie,  dass  des  Königs  Bücke  getäuscht  wurden. 
P.  Abraham,  Judas  11.  93. 

St.    Petrus, 

Fürst  der  Apostel,  zorniger  Eiferer,  der  dem  Malchus  das 
Ohr  abhaut,  Gründer  der  Kirche,  Führer  der  Schlüssel, 
Wächter  am  Thore  des  neuen  Jerusalem,  ist  dieser  grosse 
Apostel  das  irdische  Nachbild  des  Engelf  ürsten  Michael ,  des 

14* 


^12  St.  Petrus. 

kriegerischen  Erzengels,  der  den  Drachen  überwindet,  der 
den  Abgrund  verschHesst  und  das  Paradies  bewacht.  Vgl. 
Durandi,  rationale  VII.   12. 

Und  doch  ist  derselbe  Apostelfürst  auch  wieder  Träger 
des  specifisch  Menschlichen.  Denn  wie  er  trutziger  als  an- 
dere Apostel  ist,  so  auch  wieder  verzagter  nach  dem  Spruch: 
„Des  Menschen  Herz  ist  ein  trutzig  und  verzagtes  Ding." 
Nur  in  ihm,  der  da  sündigt  und  bereut,  der  da  schwach  ist 
und  kleingläubig  und  doch  wieder  stärker  als  Andere  und  treu 
bis  zum  Tode,  stellte  die  menschheitliche  oder  volksthümliche 
Seite  der  Kirche  sich  dar,  die,  von  unten  her,  den  Geist  von 
oben  empfängt.  Darum  ist  er  nicht  trotz  seiner  Schwächen, 
sondern  kraft  derselben  Fürst  der  sichtbaren  Kirche  auf 
Erden.  Nicht  das  Hirn  im  Kopfe,  sondern  das  Herz  in  der 
Brust  ist  ausersehen  zum  Grundstein  des  Tempels.  Weil 
Petrus  schwach  genug  war,  sagt  Durandus  VII.  8.  sehr  schön, 
Gott  dreimal  zu  verläugnen,  war  er  auch  stark  genug,  die 
Herrschaft  seiner  Kirche  über  drei  Welttheile  zu  erstrecken,  was 
durch  die  ihm  gewidmeten  drei  Jahresfeste  bezeichnet  wird. 

Petra  heisst  auf  griechisch  der  Fels.  Darum  sprach 
Christus:  „Du  bist  Petrus,  und  auf  diesen  Felsen  Avill  ich 
meine  Kirche  bauen  und  die  Pforten  der  Hölle  sollen  sie 
nicht  überwältigen.  Und  will  dir  des  Himmelreichs  Schlüssel 
geben.  Alles,  was  du  auf  Erden  binden  wirst,  soll  auch  im 
Himmel  gebunden  seyn,  und  Alles,  was  du  auf  Erden  lösen 
wirst,  soll  auch  im  Himmel  los  seyn."  Matth.  16,  18.  So 
hoher  Ehren  erklärte  der  Herr  den  für  würdig,  der  sich  klein- 
gläubig erwies,  als  er  zu  ihm  über  das  Meer  schreiten  sollte, 
der  sich  gegen  Malchus  im  Zorn  übereilte,  der  den  Herrn 
dreimal  verläugnete,  der  einschlief,  als  er  für  den  Herrn 
wachen  sollte,  der  lange  von  einem  irdischen  Reich  des  Herrn 
träumte  und  lange  nicht  begreifen  konnte,  es  sey  nicht  von 
dieser  Welt,  der  endlich  auch  nach  dem  Tode  des  Heilandes 
noch  im  Widerspruch  mit  Paulus  die  starren  Satzungen  des 
Judenthums  festhalten  wollte.  Alle  diese  Fehler  und  Mensch- 
lichkeiten hielten  den  Herrn  nicht  ab ,  gerade  Petro  das  Amt 


St.  Petrus.  213 

der  Schlüssel  anzuvertrauen  und  gerade  auf  ihn  seine  Kirche 
zu  gründen.  Der  Sinn  ist:  Da  ihr  Alle  Menschen  seyd  und 
Engel  nicht  zu  seyn  vermöget  (sind  doch  auch  Engel  gefallen  I), 
so  wollet  ihr  Alle,  die  ihr  Christen  seyd,  Priester  und  Laien, 
jenem  wahren  Menschen  Petro  gleichen,  dann  w^erdet  ihr  genug 
gethan  haben.  Vermöget  ihr  die  Schwächen  der  Menschen 
nicht  abzulegen,  so  reiniget  euch  durch  Reue  und  Busse. 

So  war  Petrus  ein  ganzer  Mensch,  voll  Fehler,  aber  doch 
stets  bereit,  sich  zu  bessern,  und  voll  Muth  zum  Guten.  Und 
so  repräsentirt  er  die  gesammte  Christenheit,  sonderlich  der 
tapfern  abendländischen  Völker,  deren  erster  Hirt  er  seyn 
sollte.  Keine  himmlische  Reinheit  ansprechend,  war  er  seiner 
menschlichen  Schwäche  bei  aller  Kraft  sich  wohl  bewusst  und 
demüthigte  sich.  Daher  Hegt  es  auch  noch  im  Geist  seiner 
Kirche,  nicht  sowohl  mit  Engelsreinheit  zu  prahlen,  als  Sün- 
den zu  vergeben. 

Im  Mittelalter  wurde  diese  menschliche  Seite  des  Apostel- 
fürsten klar  erkannt  und  sinnig  hervorgehoben.  Seit  der 
Reformation  haben  sich  in  einem  gewissen  eiteln  Dünkel 
Viele  von  ihm  abgewendet,  als  wenn  er  blos  eine  judaistische 
Auffassung  des  Christenthums  gegenüber  der  reineren  des 
Paulus  vertreten  hätte.  Ueberhaupt  hat  man  einen  Riss 
zwischen  diesen  beiden  grossen  Aposteln  gemacht,  nachdem 
die  Kirche  vorher  mit  besserm  Recht  ihre  Brüderlichkeit, 
wechselseitige  Ergänzung  und  Unzertrennlichkeit  festgestellt 
und  ihr  Gedächtniss  am  gleichen  Tage  zu  feiern  geboten 
hatte. 

Um  den  Gegensatz  zwischen  Petrus  und  Paulus  richtig 
zu  würdigen,  ist  nothwendig,  einen  andern  Gegensatz,  den 
zwischen  Petrus  und  Simon  Magus,  in's  Auge  zu  fassen. 
Indem  Petrus  die  Strenfye  und  Aeusserlichkeit  des  mosaischen 
Gesetzes  nicht  ganz  aufgeben  wollte,  war  dies  nicht  Eng- 
herzigkeit oder  Verstocktheit,  sondern  er  wurde  dazu  aufge- 
fordert durch  eine  Uebertreibung  auf  der  anderen  Seite.  Die 
Heidenchristen  nämlich  theilten  sich  in  solche,  die  ihre  alt- 
heidnische  Bildungiin  frommer  Hingebung  ganz  vom  Christ- 


214  St.  Petrus. 

liehen  Geist  durchdringen  Hessen ,  und  in  solche ,  die  in  Kraft 
ihrer  heidnischen  Bildung  das  Christenthum,  wenn  sie  es  auch 
aufnahmen,  eigenmächtig  umzubilden  und  mehr  oder  weniger 
zu  paganisiren  trachteten.  War  nun  Paulus  vorzugsweise 
der  Apostel  jener  erstgenannten  bessern  Heidenchristen,  so 
trat  dagegen  Simon  Magus  als  Vertreter  der  zuletzt  Gerann- 
ten auf,  und  dürfte  daher  auch,  wie  geschehen  ist,  wenn  er 
auch  nicht  in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit  den  spä- 
teren Gnostikern  steht,  doch  als  Vater  der  Gnosis  aufgefasst 
werden,  als  derjenigen  Tendenz  im  Christenthum,  die  notorisch 
zum  Heidenthum  reagirte.  Gegen  diese  Tendenz  aber  waren 
begreiflicherweise  die  Judenchristen  zunächst  berufen,  zu  pro- 
testiren.  Sollte  nicht  die  christliche  Lehre  in  gnostischen 
Mythus,  die  christliche  Praxis  in  theatralische  Magie  aufge- 
löst werden,  so  musste  daran  erinnert  werden,  dass  beide  in 
Moses  und  den  Propheten  wurzeln.  Deshalb  ist  es  nach  der 
Apostelgeschichte  gerade  Petrus,  der  den  Zauberer  Simon 
bekämpft  und  überwindet. 

Petrus  steht  auf  Kirchenbildern  immer  links,  Paulus 
rechts.  Petrus  zeigt  eine  kürzere,  gedrungenere  Gestalt, 
Paulus  eine  längere ,  idealere.  Jener  hat  krauses  Haar 
(krauses  Haar,  krauser  Sinn),  seit  dem  Ende  des  Mittelalters 
wurde  er  ältlicher  und  mit  einer  Glatze  gemalt.  Paulus  hat 
schlichtes  Haar  und  einen  längeren  Bart.  Petrus  verräth  in 
seinen  Mienen  verschlossenen  Zorn,  Paulus  ist  sanfter.  Jener 
trägt  seine  ganze  Menschlichkeit  zur  Schau,  dieser  erhebt 
sich  höher.  Petrus  ist  auch  als  Apostel  noch  immer  ein 
Fischer,  Paulus  hat  etwas  von  einem  Redner  und  Gelehrten. 
Vgl.  den  petrinischen  Typus  nach  Nicephorus  Calixtus,  wie 
er  den  Kirchenbildern  zu  Grunde  gelegt  wurde,  bei  Didron, 
man.  p.  300:  Petrus  non  crassa  corporis  statura  fuit,  sed  me- 
diocri;  capilli  crispi  et  densi^  oculi  quasi  sanguine  respersi  et 
nigri,  super cilia  suhlata.  Nasus  non  in  acumen  desinens,  sed 
pressus  imusque  magis. 

Den  kahlen  Kopf,  den  Petrus  übrigens  erst  in  späteren 
Bildern,  nicht  in  den  ältesten,  erhalten  hat,  suchte  man  sym- 


St.  Petrus.  215 

bolisch  zu  deuten.  Der  altrömische  Janus,  von  dem  der 
Monat  Januar  den  Namen  hat,  stand  gleichsam  an  der  Pforte 
(janua)  des  Jahres,  eben  so  wie  Petrus  an  der  Pforte  des 
Himmels,  dessen  Schlüssel  er  führt.  In  dieselbe  Zeit  der 
Wintermitte  fielen  die  Saturnalien,  das  Fest  des  kahlen  Sa- 
turnus.  Im  Winter  ist  die  Erde  selber  kahl.  Man  glaubte 
daher,  auf  den  heiligen  Petrus  sey  im  Kalender  übertragen 
worden,  was  vorher  von  Saturn  und  Janus  gegolten  habe, 
wie  denn  Petrus  mit  Paulus  vereint  allerdings  die  ersten  bei- 
den Jahresmonate  beherrscht.  Aber  gerade  die  späteren  Maler, 
die  den  heiligen  Petrus  kahl  malten,  haben  schwerlich  an 
eine  Vergleichung  mit  Saturnus  gedacht,  sondern  mehr  die 
Tonsur,  als  das  allgemeine  Kennzeichen  des  Priesterstandes, 
im  Sinne  gehabt,  wie  sie  denn  auch  den  Abel  in  der  Tonsur 
malten. 

Attribute  des  heiligen  Petrus  sind:  1)  die  beiden  Schlüssel 
des  Himmels  und  der  Erde,  wozu  auf  älteren  Bildern  zu- 
weilen noch  ein  dritter  für  die  Hölle  kommt.  Vgl.  d.  Art. 
Schlüssel.  Diese  Schlüssel  sind  Attribute  aller  Nachfolger 
Petri  auf  dem  römischen  Stuhle  geblieben,  wie  der  Felsen 
Sinnbild  der  Kirche.  Als  Vorgänger  der  Päpste  erscheint 
Petrus  selbst  zuweilen  im  päpstlichen  Ornat  mit  dreifacher 
Krone.  So  auf  einem  alten  Bilde  in  Köln.  Kunstbl.  1841. 
S.  50.  2)  Der  Hahn.  Derselbe  kennzeichnet  den  Petrus 
schon  auf  den  ältesten  Katakombenbildern,  nach  Matthäus 
26,  75:  „Ehe  der  Hahn  krähen  wird,  wirst  du  mich  drei- 
mal verläugnen." 

Die  am  meisten  charakteristischen  Situationen,  in  denen 
Petrus  auf  Kirchenbildern  erscheint,  sind  ferner:  1)  der  Fisch- 
zug. Petrus  hat  lange  vergebens  gefischt,  da  heisst  ihn  der 
Herr  sein  Netz  noch  einmal  auswerfen  und  es  wird  übervoll 
von  Fischen.  Damit  ist  gemeint:  eigne  Kraft  thut's  nicht, 
was  ihr  vermöget,  das  vermöget  ihr  allein  durch  den  Herrn. 
Unter  den  Fischen  aber  sind  Seelen  gemeint,  die  durch  die 
heihge  Taufe  gerettet  werden.  2)  Das  Wandeln  über  Meer. 
Petrus  geht  aus  dem  Schiff  dem  über  das  Meer  wandelnden 


216  St.  Petrus. 

Heiland  entgegen,  sinkt  aber  unter,  weil  er  zweifelt,  und  die 
Hand  des  Herrn  nur  kann  ihn  retten.  Darunter  ist  wieder 
die  Unzulänglichkeit  des  Menschen  verstanden,  dem  Gott 
allein  die  Stärke  verleiht.  Sofern  aber  das  Schiff  die  Kirche 
bedeutet,  wird  hier  das  Verhältniss  des  Herrn  zur  sichtbaren 
Kirche  und  ihren  Lenkern  sehr  deutlich  bezeichnet.  —  3)  Die 
Befreiung  des  gefangenen  Petrus  durch  einen  lichten  Engel 
aus  Kerkernacht  und  Ketten.  Vorbild  der  Befreiuns:  der 
Kirche  aus  dem  Heidenthum,  und  jedes  frommen  Christen 
aus  der  Qual  des  Lebens.  Baphael  malte  diese  Scene  in  den 
Stanzen  im  Vatican  an  die  Wand  unterhalb  eines  Fensters, 
also  im  ungünstigsten  Schatten,  aber  mit  solcher  Meisterschaft, 
dass  der  Lichteffect  der  Engelserscheinung  seine  volle  Wir- 
kung behält.  —  4)  Die  Fusswaschung.  Petrus  allein  will 
sich  vom  Herrn  nicht  die  Füsse  waschen  lassen,  missver- 
stehend die  Liebe  als  zu  weit  getriebene  Selbsterniedrigung. 
Damit  wird  aller  menschliche  Hochmuth  auf's  Tiefste  be- 
schämt und  sonderlich  der  Stolz  des  Priesterthums  zur  wah- 
ren Demuth  hingewiesen.  —  5)  Die  verkehrte  Kreuzigung 
Petri.  Nach  alter  Tradition  bat  Petrus,  als  er  gekreuzigt 
werden  sollte,  man  möge  ihn  kopfunter  kreuzigen,  ,weil  er 
sich  für  unwürdig  hielt,  aufrecht  wie  der  Heiland  selbst  zu 
sterben.  Diese  letzte  Demuth  im  Sterben  bewies,  wie  tief 
ihn  jede  Anwandlung  von  Stolz  reute,  dem  er  sich  hin- 
gegeben. 

In  der  Peterskirche  zu  Rom,  der  nach  ihm  benannten 
grossen  Mutterkirche  des  Abendlandes,  befindet  sich  als  Re- 
liquie sein  Stuhl  (von  antiker  Arbeit)  in  einem  Ueberzug  von 
vergoldeter  Bronze.  Daher  heisst  der  päpstliche  Thron  der 
Stuhl  Petri.  Petri  Stuhlfeier  am  18.  Februar  bezieht  sich  da- 
gegen auf  den  Bischofssitz  des  Apostels  zu  Antiochia.  —  Auch 
die  Ketten,  mit  denen  Petrus  im  Kerker  gefesselt  war,  sind 
in  Rom  (in  der  Kirche  S.  Pietro  in  vincoli)  aufbewahrt  und 
ist  ihnen  am  1.  August  ein  Fest  gewidmet,  Petri  Kettenfeier. 
Beschreibung  von  Rom  HL  2.  235.  Sein  Hauptfest  ist  aber 
seine  und  Pauli  Todesfeier ,  29.  Juni,     An  diesem  Tage  wird 


Pfau.  217 

seine  sehr  alte  Statue  in  der  Peterskirche  festlich  geschmückt. 
V.  Martens,  Italien  II.  575.  Ein  besonderes  Heiligthum  hat 
er  zu  S.  Pietro  in  grado,  wo  er  zuerst  den  italienischen  Bo- 
den betrat,  und  in  S.  Pietro  in  montorio,  wo  er  gekreuzigt 
wurde.     Beschreibung  von  Rom  III.  3.  619. 

In  Venedig  heisst  ein  Fisch  'pasce  san  Piero  (Zeus  Faber^ 
Linne) ,  weil  er  schwarze  Flecken  hat.  Es  sollen  die  Spuren 
der  Finger  des  Apostels  seyn,  der  in  dem  Fische  den  Zins- 
o-roschen  örefunden  und  ihn  dann  wieder  in's  Meer  sreworfen. 
V.  Martens,  Italien  II.  366. 

Pfau, 

Sinnbild  der  Unsterblichkeit,  weil  sein  Fleisch  unverweslich 
bleiben  soll.  Augustinus,  de  civit.  Dei  21,  4.  Deshalb  sehr 
oft  auf  altchristlichen  Gräbern  angebracht.  Aringhi  II.  59. 
287.  303.  317.  Botlari  I.  52.  Mit  dem  Lamme  verbunden, 
Aringhi  II.  328.  Boldetti  36.  Mit  dem  Kreuz,  d' Agincourt, 
tab.  6.  Auf  der  Weltkugel ,  BottariUl.  184.  Twining,  symh. 
pl.  21.  Aus  einem  Becher  trinkend  (Unsterblichkeit,  gewonnen 
durch  das  Blut  Christi),  das.  pL  88.  Ein  sehr  grosser  rad- 
schlagender Pfau  an  die  Wand  eines  Grabgewölbes  gemalt, 
welches  voller  Todtenköpfe  hängt.  Bellermann ,  Katakomben 
von  Neapel  tab.  2.  Wenn  nach  Munter,  christl.  Sinnbilder  92, 
die  Thomaschristen  in  Asien  einen  Pfau  auf  dem  Kreuz  zum 
Sinnbild  hatten ,  so  kann  der  Pfau  hier  auch  als  Sinnbild  von 
Indien  gelten,  wo  er  herstammt.  Man  hat  in  den  bunten 
Federn  des  Pfau's  ein  Sinnbild  und  eine  Verheissung  des 
ewigen  Frühlings  sehen  wollen,  was  viel  zu  gesucht  ist. 

Conrad  von  Megenberg  im  Buch  der  Natur  s.  v.,  sieht 
im  Pfau  das  Sinnbild  eines  Bischofs.  Die  saphirne  Brust 
soll  den  Glauben  bedeuten ;  der  Schweif  stellt  die  Unterthanen 
vor;  dass  er  jährlich  die  Federn  wechselt,  bedeutet,  er  ziehe 
einen  neuen  Menschen  an  etc.,  nicht  sehr  geistreich. 

Die  altdeutschen  Maler  gaben  häufig  den  Engeln  Pfauen- 
federn in  die  Flügel,  ohne  Zweifel  nur  der  Schönheit  wegen. 


218  Pfeil. 

So  auf  dem  berühmten  Danziger  Weltgericht  der  Engel  Mi- 
chael, so  in  einer  Verkündigung  des  Johann  van  Eyck  der 
Engel  Gabriel  etc. 

Ein  Pfau  flog  dem  heiligen  Liborius  voran  und  zeigte 
ihm  den  Weg  nach  Paderborn,  daher  er  sein  Attribut  ist, 
und  man  ihm  an  seinem  Fest  in  Prozession  einen  Pfauen- 
schweif voranträgt.  Christi.  Kunstsymbole  S.  139.  Otte,  Kunst- 
archäol.  2te  Aufl.  134.  —  Als  Stephan  der  Heilige  einst  den 
Mönch  Günther  aus  Böhmen  zwingen  wollte,  von  einem  ge- 
bratenen Pfau  zu  essen,  machte  dieser  den  Pfau  lebendig, 
dass  er  davonflog.     Weber,  Möncherei  I.  262. 

Gleichwohl  ist  der  Pfau  auch  Sinnbild  des  Stolzes.  Nach 
der  muhamedanischen  Sage  soll  er  im  Paradiese  lieblich  ge- 
sungen, aber  seine  Stimme  verloren  haben,  sobald  er  mit 
der  Schlange  und  dem  ersten  Elternpaar  zugleich  aus  dem 
Paradiese  verbannt  wurde.  Er  bedeutet  hier  die  Eitelkeit  der 
Eva,  oder  überhaupt  den  Hochmuth  Adams  und  Eva's.  — 
Ein  frommer  Diener  bekehrte  einen  sündhaften  Herrn  durch 
ein  Gleichniss  vom  Pfau.  Als  er  ausgeschickt  war,  einen 
Esel  zu  kaufen,  kam  er  wieder  und  brachte  keinen,  indem 
er  sich  vertheidigte,  er  habe  keinen  Esel  mit  einem  Pfauen- 
schweif gefunden.  „Aber,"  sagte  der  Herr,  „gibt  es  denn 
Esel  mit  Pfauenschweifen?"  „Nein,"  antwortete  der  Diener, 
„aber  so  gewiss  der  Esel  keinen  Pfauenschweif  hat,  so  ge- 
wiss hat  ein  sündhaftes  Leben  kein  seliges  Ende."  Judas  der 
Erzschelm  von  Pater  Abraham  a  St.  Clara  HI.  427. 

Pfeil. 

Pfeile  des  göttlichen  Zorns  kommen  vor  5.  B.  Mos.  32,  42. 
Auf  einem  alten  Miniaturbild  jagt  Gott  die  ersten  Menschen 
aus  dem  Paradiese ,  indem  er  wie  Apollo  Pfeile  auf  sie 
schiesst.  Didron,  icon.  p.  121.  Auch  der  Tod  in  der  Offen- 
barung Johannis  6,  8.  wird  gewöhnlich,  auf  einem  fahlen 
Pferde  reitend,  mit  Pfeil  und  Bogen  dargestellt.  Desgl.  im 
alten  Hymnus  horrenda  mors.    Königsfeld,  lat.  Hymnen  S.  246, 


r 


Pferd.  219 

Der  Pfeil  bedeutet  aber  auch  die  geistige  Waffe  in  Gottes 
Dienst.  „Gott  hat  mich  zu  seinem  reinen  Pfeil  gemacht  und 
mich  in  seinen  Köcher  gesteckt,"  heisst  es  bei  Jes.  49,  2. 

Unter  den  Heiligen,  die  mit  Pfeilen  getödtet  wurden, 
sind  am  berühmtesten  der  heilige  Sebastian  und  die  h.  Ur- 
sula mit  ihren  11,000  Jungfrauen,  ferner  der  h.  Edmund, 
Lambertus,  Petrus  Thomas;  desgleichen  die  neuentdeckte,  in 
Italien  hochverehrte  h.  Filumena.  Vom  h.  Philemon  sagen 
die  acta  SS.  zum  8.  März,  die  auf  ihn  geschossenen  Pfeile 
seyen  in  der  Luft  hängen  geblieben.  Der  h.  Otto  von  Bam- 
berg schmiedete  die  Pfeile,  die  zu  einem  Kriege  bestimmt 
waren ,  für  den  Bau  einer  Kirche  zu  Nägeln  um.  Alle  diese 
Heiligen  haben  den  Pfeil  zum  gewöhnlichen  Attribut.  —  Ein 
durch  den  Kopf  geschossener  Pfeil  bezeichnet  den  heiligen 
Jacob  von  Bergamo ,  den  die  Arianer  auf  diese  Art  tödteten. 
4.  Mai. 

Abu  Naovas,  ein  tyrannischer  König  in  Arabien,  ver- 
folgte die  Christen  und  liess  einst  einen  ihrer  ungenannten 
Heiligen  (wie  den  heiligen  Sebastian),  an  einen  Baum  ge- 
bunden, mit  einem  Pfeilregen  beschiessen.  Aber  kein  Pfeil 
traf,  bis  der  Heilige  dem  König  sagte:  „Schiesse  du  selbst 
einmal  im  Namen  meines  Gottes!-'  Als  der  König  dies  that, 
traf  ihn  der  Pfeil  in's  Herz.  Dieses  Wunder  bekehrte  alle 
Schützen,  nur  den  König  nicht,  der  alle  Jene  in  einer  Grube 
verbrennen  liess.     Herbelot. 


Pferd- 

Das  Pferd  tritt  in  der  heihgen  Schrift  nirgends  bedeut- 
sam hervor,  ausgenommen  in  der  Offenbarung  Johannis  Cap.  6. 
Hier  treten  vier  Rosse  mit  vier  schrecklichen  Reitern  als  Per- 
sonificationen  des  göttlichen  Zornes  und  Vollstrecker  der  gött- 
lichen Gerichte  auf.  Zuerst  das  weisse  Pferd  mit  dem  ge- 
krönten Reiter,  der  den  Bogen  führt,  der  auszieht  und 
überwindet.  Zweitens  das  rothe  Ross  und  der  Reiter  darauf 
mit  dem  Schwert,  der  den  Frieden  von  der  Erde  nimmt  und 


220  Pferd. 

bewirkt,  dass  die  Menschen  sich  unter  einander  erwürgen. 
Drittens  das  schwarze  Ross  und  der  Reiter  mit  der  Waage. 
Viertens  das  fahle  Pferd  mit  dem  Tod  als  Reiter,  dem  die 
Hölle  nachfolgt.  Diese  vier  Pferde  sind  schon  vorgesehen 
beim  Propheten  Zacharia  1 ,  8.  Der  auf  dem  weissen  Pferde 
ist  der  himmlische  Richter,  Christus;  der  auf  dem  rothen 
ist  der  Krieg;  der  auf  dem  schwarzen  wird  als  Hunger  er- 
klärt. Das  fahle  Pferd  kann  auch  scheckigt  oder  gesprenkelt 
heissen,  was  man  auf  die  Pestbeulen  bezogen  hat.  Vgl. 
Züllich,  Offenb.  Joh.  H.  51.  Andrerseits  bezieht  man  die 
vier  Rosse  auf  die  Theile  der  Welt,  aus  denen  die  Strafe 
kommt:  der  weisse  Reiter  kommt  vom  Himmel,  der  rothe 
von  der  Erde,  der  schwarze  vom  Meer,  der  fahle  vom  Ab- 
grund. Die  Waage  des  dritten  Reiters  wird  von  Züllich  S.  60 
auf  die  Kaufmannschaft  bezogen  und  auf  den  Handel,  den 
das  Meer  vermittelt.  Darauf  beziehen  sich  auch  die  Worte 
des  Engels  Offenb.  Joh.  6,  6,  die  vom  Maass  und  Preise 
handeln.  Demnach  würde  der  dritte  Reiter  Rächer  des  Be- 
trugs und  Eigennutzes  seyn,  und  die  vier  Reiter  würden  Be- 
zug nehmen  auf  die  vier  Hauptlaster  der  Menschen:  Gott- 
losigkeit, bestraft  vom  weissen  Reiter;  Mord-  und  Blutgier, 
Gewaltthat,  bestraft  vom  rothen;  Betrug  und  Arglist,  bestraft 
vom  schwarzen;  Sünden  gegen  den  Körper,  Wollust,  Völ- 
lerei, bestraft  durch  den  fahlen.  Ueber  alte  Abbildungen 
dieser  Reiter  vgl.  Didron^  man,  p.  242.  Schopenhauer,  Joh. 
van  Eyck  I.  144.  Ein  berühmtes  Bild  des  jüngeren  Palma 
in  Venedig. 

Todes  -  und  Teufelsrosse  kommen  in  der  deutschen  Volks- 
sage ausserordentlich  häufig  vor.  Wer  kennt  nicht  das  Teu- 
felsross,  auf  dem  Dietrich  von  Bern,  Thedel  von  Wallmoden, 
Lenore  und  ihr  todter  Reiter  davonritten  ?  Indess  liegen  diesen 
Volkssagen  wohl  mehr  heidnische  als  christliche  Erinnerungen 
zu  Grunde.  Ueber  den  Pferdefuss  des  Teufels  vgl.  d.  Ar- 
tikel Teufel.  Agnes  a  Jesu,  ein  wildes  Mädchen,  schloss  mit 
dem  Teufel  einen  Bund  und  setzte  sich  zu  ihm  auf  sein 
schwarzes,  flammendampfendes  Rossj  wurde  aber  von  einem 


Pferd.  2äl 

Engel  geschützt  und  vor  eine  Klosterpforte  geleitet,  an  welcher 
der  Teufel  und  sein  Ross  Abschied  nehmen  mussten.  Agnes 
ward  im  selbigen  Kloster  die  frömmste  Nonne. 

Unter  den  Heiligen  erscheinen  besonders  der  heilige  Apo- 
stel Jakob  der  ältere,  der  h.  Georg  und  h.  Martin,  überdies 
die  heiligen  Könige  und  Ritter  zu  Ross.  Den  Martjrrertod 
diu-ch  Rosse ,  an  deren  Sch^veif  sie  gebunden  wurden ,  erlitten 
der  heihge  Quirinus,  Gobdeleas.  St.  Hippolyt,  Schüler  des 
heiligen  Laurentius,  dessen  Leiche  er  auch  zur  Erde  bestattete, 
wurde  dann  selbst  als  Christ  verfolgt  und  von  Pferden  zu  Tode 
geschleift  oder  zerrissen ,  sofern  er  zugleich  an  zwei  angebun- 
den wurde,  unter  Kaiser  Decius  im  3ten  Jahrhundert.  12.  Mai, 
13.  August.  Prudentius  hat  ihn  in  lateinischen  Hexametern 
besungen.  Fahridi  thes.  150  f . ,  übersetzt  von  Sibert.  Vgl. 
Jacobi,  Werke  I.  77.  82.  Seine  Marter  ist  gemalt  zu  Brügge 
in  einem  sehr  berühmten  Bilde  von  Hemling.  Passavant, 
England  S.  365.  Schnaase,  Briefe  S.  334.  Desgleichen  von 
Heim  zu  Paris,  Kunstbl.  1822.  Nr.  76.  Ein  anderes  berühm- 
tes Bild,  ein  Nachtstück  von  Novarette  im  Escurial,  zeigt  ihn, 
wie  er  mit  seinen  Gefährten  den  heiligen  Laurentius  bestattet. 
—  St.  Florian,  ein  besonders  in  Oestreich  (im  Stift  seines 
Namens)  hochverehrter  Heihger,  der  daselbst  unter  Diocle- 
tian  den  Martyrertod  erlitt,  indem  ihn  wilde  Rosse  zu  Tode 
schleifen  mussten.  4.  Mai.  Besungen  ist  sein  Tod  von  Pyrker, 
gemalt  von  Schulz  in  München.  Kunstbl.  1837.  S.  37.  Weil 
die  über  seinem  Grabe  erbaute  Kapelle  von  einem  Bösewicht 
angezündet,  aber  nachdem  der  Brandstifter  plötzlich  Todes 
verblich,  sogleich  wieder  erbaut  wurde,  hat  man  ihn  zum 
Schutzpatron  gegen  Feuersgefahr  gemacht.  Vgl.  Rettberg, 
Kirchengesch.  I.  156.  St.  Irene  wurde  als  Kind  von  ihrem 
Vater  Regulus  mit  dreizehn  andern  jungen  Mädchen  in  einen 
Thurm  verschlossen,  um  ihre  wunderbare  Schönheit  zu  hüten. 
Allein  ein  Engel  besuchte  sie  und  bekehrte  sie  zum  Christen- 
thum.  Als  der  Vater  es  erfuhr,  wüthete  er  und  Hess  sie  an 
den  Schweif  eines  Rosses  binden.  Aber  sie  blieb  unversehrt, 
das  Ross  trat  den  bösen  Vater  todt;  als  ihn  jedoch  die  Tochter 


^^2  Pferd. 

wieder  erweckte,  bekehrte  er  sich.  Doch  erlitt  sie  bald  dar- 
auf den  Martyrertod  durch  das  Schwert.  Im  Iten  Jahrhun- 
dert.    5.  Mai. 

Als  der  heilige  Andreas  von  Pferden  durch  die  Strassen 
geschleift  wurde,  betete  er  kopfüber  liegend,  so  andächtig, 
dass  ein  panischer  Schrecken  über  das  Volk  kam  und  Alles, 
zu  seinen  Füssen  niederstürzend,  mit  ihm  betete.  Nach  der 
apokryphischen  Apostelgeschichte  des  Abdias. 

Der  eitle  Petrus  Consalvus  ritt  einst  geputzt  vor  Damen 
und  liess  das  Ross  courbettiren,  als  es  ihn  aber  in  den  Koth  warf 
und  die  Damen  ihn  auslachten,  schämte  er  sich  so,  dass  er  sich 
bekehrte  und  ein  Heiliger  wurde.     P.  Abraham ,  Judas  I.  8. 

Pferde  sollen  im  Wettlauf  siegen,  wenn  man  sie  mit 
Wasser  aus  dem  Krug  des  heiligen  Hilarion  besprengt.  In 
Neapel  werden  die  Pferde  am  17.  Januar  zur  Kirche  des 
heiligen  Antonius  getrieben  und  dort  mit  Weihwasser  be- 
sprengt und  eingesegnet,  um  sie  vor  Schaden  im  nächsten 
Jahr  zu  hüten,  v.  Martens,  Italien  II.  570.  In  Deutschland 
aber  ist  St.  Leonhard  Patron  der  Pferde,  wie  alles  zahmen 
Viehes. 

St.  Charalampius  wurde  unter  Kaiser  Severus  als  Christ 
verfolgt,  als  ihn  aber  ein  Heide  schlagen  wollte,  fielen  dem- 
selben die  Hände  ab,  und  als  ihn  ein  Anderer  anspeien 
wollte,  wurde  demselben  der  Hals  umgedreht.  Gleichwohl 
half  ihm  das  nichts ,  denn  man  marterte  ihn  doch  noch  so 
grässlich,  dass  sogar  ein  Pferd  mit  menschlicher  Stimme  zu 
reden  anfing  und  den  Henkern  ihre  Grausamkeit  vorwarf. 
Acta  SS.     10.  Februar. 

St.  Severus  von  Avranches,  Bischof  im  6ten  Jahrhundert, 
hütete  als  Kjiecht  die  Pferde  eines  Herrn  und  schenkte  einmal 
eines  der  Pferde  einer  armen  Frau,  ohne  dass  die  Zahl  der 
Pferde  verringert  wurde.  1.  Februar.  Er  hinterliess  einen 
Stab,  der,  in  die  Erde  gesteckt,  zu  einem  grossen  Baum  er- 
wuchs. Derselbe  ist  so  heiHg,  dass  sich  kein  Vogel  auf  ihn 
setzt,  oder  er  stirbt,  und  dass  jeder  Unreine,  der  ihn  berührt, 
unsinnig  wird. 


I 


iPfingsten.  ^SS 

Pfingsten, 

7i€VTi]xoaT7j ,  der  fünfzigste  Tag  nach  Ostern,  beschliesst  die 
heilige  Dreizahl  der  grossen  christlichen  Freudenfeste  (Weih- 
nachten ,  Ostern ,  Pfingsten) ,  weshalb  auch  auf  den  Sonntag 
unmittelbar  nach  Pfingsten  das  Fest  der  heiligen  Dreieinigkeit 
fällt.  Zu  Weihnachten  wird  im  Sohne  der  Vater  verherr- 
licht, zu  Ostern  hat  der  Sohn  sein  göttliches  Werk  vollbracht, 
Pfingsten  gehört  dem  heiligen  Geiste.  Es  ist  die  Feier  der 
Ausgiessung  des  heiligen  Geistes  über  die  Gemeinde. 

Alttestamentalisches  Vorbild  des  Festes  war  die  Gesetz- 
gebung auf  dem  Berge  Sinai,  so  wie  im  altheidnischen  Natur- 
cultus  das  Darbringen  der  ersten  Feldfrüchte,  die  um  diese 
Zeit  reifen.  Die  Erstlinge  des  Ackers  dienten  auch  noch 
für  die  Christen  zum  Sinnbild  der  Erstlinge  der  Geistes- 
früchte ,  die  der  heilige  Geist  in  der  Gemeinde  erweckt.  Auch 
der  Blumen,  die  in  dieser  Jahreszeit  in  Fülle  aufgehen,  be- 
dient man  sich  bei  der  Feier  des  Festes  als  Sinnbilder  der 
christlichen  Tugenden.  Vgl.  den  Artikel  Blumen.  Dagegen 
stammen  eine  Menge  ländlicher  Pfingstgebräuche  offenbar 
noch  aus  dem  Heidenthum  und  sind  ihrer  unschuldigen  Art 
wegen  im  Christenthum  beibehalten  worden,  ohne  eine  spe- 
cifisch  christliche  Deutung  zuzulassen.  So  der  Pfingstritt, 
der  Aufzug  des  Maigrafen  und  der  Maibraut,  der  Umzug 
mit  dem  Pfingstochsen,  der  sogenannte  Pfingstlümmel  und 
Pfingstschläfer,  das  Pfingstschiessen  (Vogelschiessen)  etc., 
worüber  man  in  Grimms  deutscher  Mythologie  S.  746  f.  und 
in  Kuhns  märkischen  Sagen  S.  314  f.  ausführlichere  Nach- 
richt findet.  In  allen  diesen  Gebräuchen  spricht  sich  die 
Freude  des  Volkes  über  die  Wiederkehr  des  Sommers  und 
des  neuen  Jahressegens  in  Ackerbau  und  Viehzucht  aus. 

Zur  Symbolik  der  Kirchenbilder,  auf  welchen  die  Aus- 
giessung des  heiligen  Geistes  zu  Pfingsten  dargestellt  wird, 
ist  zu  bemerken,  dass  sie  stets  die  freudig  aufgeregte  und 
begeisterte  Versammlung    der  Apostel  und  Jünger  in  einem 


SS4  Pflug. 

Gebäude  darstellen.  Dabei  darf  die  heilige  Jungfrau  als 
Wittwe  im  dunkelblauen  Kleide  und  weissen  Schleier  nie- 
mals fehlen.  Die  Flamme  der  Begeisterung  wird  in  herkömm- 
licher und  durchaus  zulässiger  Weise  in  wirklichen  Flammen 
dargestellt,  die  von  oben  auf  die  Zungen  oder  Scheitel  der 
Jünger  fallen.  Man  hat  in  neuerer  Zeit  diese  Flammen  als  zu 
grobsinnlich  wegklügeln  wollen  und  ohne  sie  eine  Versamm- 
lung mit  begeistertem  Ausdruck  für  ausreichend  gefunden. 
Dabei  fehlt  nun  aber  immer  das  wahre  charakteristische  und 
altkirchliche  Merkmal.  Eben  so  ist  altes  Herkommen,  den 
heiligen  Geist  in  Gestalt  einer  Taube  über  der  Versammlung 
schweben  zu  lassen.  Auch  sie  hat  man  wegdisputiren  wollen. 
Sogar  Wessenberg  in  seinen  christlichen  Bildern  II.  226. 
erklärt  sich  gegen  die  Taube,  die  jedoch  als  ein  uralt  aner- 
kanntes und  würdiges  Symbol  hier  um  so  weniger  fehlen 
darf,  als  sie  wesentlich  die  Jüngerversammlung  zu  Pfingsten 
charakterisirt  und  von  jeder  andern  Versammlung  Begeister- 
ter  deutlich  unterscheidet. 


Pflug, 

Attribut  des  heiligen  Isidorus,  des  Schutzpatrons  aller  Bauern. 
Als  der  harte  Herr  dieses  Bauern  ihn  einmal  zwang,  ein 
steinhartes  Feld  zu  ackern,  that  es  für  ihn  ein  Engel  mit 
einem  Gespann  schneeweisser  Rinder.  Acta  SS.  15.  Mai.  Der 
heilige  Ecianus  pflügte  mit  Hirschen,  der  h.  Jacobus  von 
Tarentaise  mit  einem  Bären,  der  h.  Kentigern  spannte  einen 
Wolf  und  einen  Hirsch  zugleich  an  seinen  Pflug.  —  Eine 
glühende  Pflugschaar  ist  Attribut  der  heiligen  Kunigunde, 
weil  sie  zum  Beweis  ihrer  Keuschheit  die  Feuerprobe  bestand. 

Pharao, 

der  mächtige  Aegypterkönig ,  ist  im  alten  Testament  Perso- 
nification  der  Staatsgewalt  gegenüber  der  von  Gott  geheiligten 
Gemeinde,    und    des    Heidenthums   gegenüber    dem    reinen 


Pharisäer.  226 

Glauben,  also  auch  für  die  Christen  Vorbild  der  weltlichen 
Macht  in  ihrer  kirchenfeindhchen  Tendenz.  In  den  römischen 
Katakomben  findet  sich  ein  altchristliches  Bild,  auf  welchem 
der  Untergang  Pharao's  im  rothen  Meere  dem  Einzug  des 
Heilands  in  Jerusalem  gegenübergestellt  ist.  Bottari  I.  tav.  40. 
Da  es  ein  Grabbild  ist,  scheint  der  Gegensatz  von  Hölle  und 
Himmel  gemeint  zu  seyn,  wenigstens  von  Zeitlichkeit  und 
Ewigkeit.  Die  welthche  Macht  geht  mit  der  Zeit  unter,  die 
göttliche  währt   ewig. 

Pharisäer 

und  Schriftgelehrte  sind  als  alttestamentalische  Vorbilder  der 
Bureaukraten ,  Gelehrten,  Schulmänner  und  Literaten  zu  be- 
trachten, die  heute  noch  neben  der  Kirche  das  grosse  Wort 
führen  und  den  Menschensohn  hassen  oder  verachten,  die 
mit  der  weltlichen  Macht,  mit  dem  weltlichen  Gesetz,  mit 
dem  weltlichen  Wissen  dem  göttlichen  trotzen.  Der  phari- 
säische Dünkel  wurzelte  hauptsächlich  1)  in  der  zähen  Nationa- 
lität, im  Stockjudenthum ,  das  nichts  Neues,  Fremdartiges, 
etwa  gar  vom  Himmel  Kommendes  in  seinem  Bereich  dulden 
will;  2)  in  dem  Herkommen  und  Gesetz,  dessen  privilegirte 
Wächter  und  Ausleger  sie  waren;  3)  in  der  Schulweisheit, 
vermöge  deren  sie  sich  allen  andern  Wesen  weit  überlegen 
glaubten. 

Christus  trat  schon  als  Kind  mitten  unter  diese  Herren 
im  Tempel  und  —  belehrte  sie,  die  staunend  dem  göttlichen 
Knaben  horchten.  Darin  liegt  ausgesprochen,  dass  es  zum 
Begreifen  der  höchsten  Weisheit  nicht  grauhaariger  Gelehr- 
samkeit, sondern  nur  eines  kindlichen  Sinnes  bedarf.  Schöner 
kann  die  ewige  Weisheit  nicht  über  die  zeitliche  triumphiren, 
als  hier  das  Kind  über  die  Greise. 

Der  Knabe  Jesus  unter  den  Schriftgelehrten  im  Tempel, 
ein  berühmtes  Bild  von  Leonardo  da  Vinci,  erst  vor  Kurzem 
aus  Rom  nach  London  verkauft.  Jesus  erscheint  auf  dem- 
selben in  höchster  Milde  und  Schönheit  den  charaktervollen 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  j[^ 


236  Pharisäer. 

und  aufgeregten  Köpfen  der  Alten  gegenüber.  Kunstblatt 
1832,  Nr.  66.  Kugler,  Mal.  I.  162.  Passavant,  England 
S.  13.  Ein  anderes  berülimtes  Bild  von  Mazzolino  in  Berlin 
ist  durch  den  Humor  in  den  Pharisäerköpfen  berühmt.  Kugler, 
Berl.  Mus.  1.  75.  Auf  einem  Bilde  von  Garofalo  in  Paris 
erscheint  Jesus  schon  viel  zu  sehr  zum  Jüngling  erwachsen. 
Auf  einem  von  Landi  (gest.  von  Persichini)  ist  die  Scene 
"wie  ein  Inquisitorium  aufgefasst,  die  arglistigen  Pharisäer 
stellen  dem  Knaben  verfängliche  Fragen.  Auch  das  ist  nicht 
die  richtige  Auffassung.  Die  Befangenheit  und  das  giftige 
Aushorchen  trat  erst  ein,  als  Christus  schon  erwachsen  war. 
Dem  Knaben  gegenüber  drückten  sie  mehr  nur  Verwunde- 
rung und  Ueberraschung  aus. 

Später  sind  es  hauptsächlich  listige  Ausforschungen  und 
Unterstellungen,  durch  welche  die  Pharisäer  den  Heiland 
versuchen,  ihr  Müthchen  an  ihm  kühlen,  ihn  ad  absurdam 
führen  oder  dahin  bringen  wollen,  dass  er  sich  dem  Gesetz 
und  der  weltlichen  Gewalt  gegenüber  compromittire.  Aber 
überall  schreitet  er  siegreich  durch  ihre  Spinnenweben  hin- 
durch. Nichts  charakterisirt  die  Nichtigkeit  des  irdischen 
Wissens  so  tief,  als  diese  Anmassung  schwacher  Menschen, 
den  ewigen  Geist,  der  sich  ihnen  offenbart,  auf  die  Probe 
stellen  zu  wollen.  Die  berühmtesten  dieser  Proben,  in  denen 
die  Pharisäer  beschämt  worden,  sind  der  Zinsgroschen  und 
die  Ehebrecherin  vor  Christo.     Vgl.  diese  Artikel. 

Die  Pharisäer  stehen  ferner  in  einem  bedeutsamen  Gegen- 
satz zu  den  Zöllnern  und  Samaritern.  Wie  der  Pharisäer 
der  Vornehmste  und  Hochgeachtetste  in  Israel,  so  ist  der 
Zöllner  der  Geringste  und  Verachtetste.  Wie  der  Pharisäer 
der  Inhaber  der  reinen  Lehre,  des  reinen  Gesetzes,  der 
Gerechte  schlechthin  ist,  so  der  Samariter  der  Abgefallene, 
der  im  Irrthum  Befangene,  der  Häretiker.  Nun  zeigt  aber 
die  heilige  Schrift  in  mehreren  Beispielen,  wie  jene  Zöllner 
und  Samariter  bessere  Menschen  sind  als  die  Pharisäer,  ein 
offenes  Herz  haben  für  das  Rechte  und  Gute,  mitleidig  dem 
leidenden  Nebenmenschen  beispringen  und  trotz  ihres  geringen 


Phönix.  227 

Bildungsgrades  die  himmlisclie  Offenbarung  früher  erkennen, 
als  die  stolzen  Pharisäer,  deren  Herz  sich  gegen  die  Leiden 
des  Nebenmenschen,  wie  gegen  das  Heil  von  oben  verstockt. 
Man  pflegt  daher  zu  sagen,  die  Pharisäer  haben  das  Gesetz 
ohne  die  Liebe,  den  Buchstaben  ohne  den  Geist;  sie  halten 
die  vorgeschriebenen  Ceremonien  ein,  aber  nicht  die  höhere 
sittliche  Pflicht. 

Wenn  man  in  neuerer  Zeit  gern  die  Pharisäer  als  heuch- 
lerische Pfaffen  und  Scheinheilige  hat  charakterisiren  wollen, 
so  entspricht  das  nicht  ihrem  ursprünglichen  Begriff  in  der 
heiligen  Schrift;  denn  in  dieser  vertreten  sie  vielmehr  die 
Classe  im  alten  Jerusalem,  die  wir  heutzutage  die  Bureau- 
kratie,  die  Juristen  und  die  Schulmänner  nennen  würden. 

St.    Philippus, 

der  Apostel,  dessen  Attribut  auf  Kirchenbildern  der  lange 
Kreuzstab  ist,  um  ihn  als  wandernden  Bekehrer  zu  bezeichnen. 
Am  häufigsten  aber  malte  man  ihn  in  der  Handlung  begriffen, 
die  Apostelgeschichte  8,  38.  aufgezeichnet  ist,  indem  er  näm- 
lich den  schwarzen  Kämmerling  tauft.  Die  Quelle,  an  der 
es  geschah,  wird  noch  im  Morgenlande  gezeigt.  Pococke 
U.  68.  An  derselben  Stelle  sollen  Weintrauben  ohne  Kern 
gewachsen  seyn,  mit  Beziehung  auf  den  Eunuchenstand  des 
getauften  Mohren.  ISieremherg,  hist.  nat.  473.  Weil  der  Tag 
des  Apostels  der  1.  Mai  ist,  hat  die  gelehrte  Paganomanie, 
die  alles  Christliche  auf  heidnischen  Mythus  zurückführen 
möchte,  in  dem  Mohren  das  schwarze  Erdreich  und  in  dem 
Täufer  den  Frühlingsregen  wiedererkennen  wollen. 

Phönix, 

Sinnbild  des  auferstandenen  Heilands.  Schon  die  heidnischen 
Griechen  und  Römer  hegten  eine  grosse  Verehrung  gegen 
den  fabelhaften  Vogel  Phönix,  verglichen  ihn  aber  mit  der 
sich  ewig  neugebärenden  Zeit,  sofern  sie  glaubten,  der  Vogel 

15* 


228  Phönix. 

verbrenne  sich ,  wenn  er  alt  werde ,  in  seinem  eigenen  Neste 
und  werde  dadurch  wieder  jung  und  schöner,  als  vorher. 
Herodot  IL  73.  fand  die  Kunde  von  ihm  zuerst  in  Aegypten. 
Dahin  komme  der  Vogel  alle  fünfhundert  Jahre  einmal  aus 
Arabien,  sey  gross  wie  ein  Adler,  aber  purpurfarben  und 
golden,  und  bringe  seinen  Vater  in  den  Sonnentempel,  um 
ihn  hier  in  Myrrhen  zu  bestatten.  Des  Selbstverbrennens 
und  Verjüngens  gedenkt  erst  Plinius,  Naturgeschichte  X.  2. 
Hier  wird  der  alte  Phönix  nicht  mehr  in  Myrrhen  einbalsa- 
mirt  und  begraben,  sondern  macht  sich  ein  Nest  aus  Wohl- 
gerüchen und  verbrennt  sich.  Die  Fabel  wird  nun  oft  von 
alten  Autoren  wiederholt,  worüber  man  die  Schrift  Feiners 
„vom  Phönix '%  München  1850,  und  Pipers  christl.  Myth.  1. 
446  f.  nachlesen  kann.  Begreiflicherweise  eignete  sich  der 
sich  selbst  opfernde  und  verjüngende  Purpurvogel  auf's  Treff- 
lichste zu  einem  Sinnbild  des  sich  für  die  Menschheit  opfernden 
und  auferstehenden  Heilands.  Er  wurde  daher  schon  in  den 
ersten  Jahrhunderten  der  Christenheit  in  diesem 'Sinne  auf- 
gefasst,  und  Epiphanius  (Ancorat.  c.  85.  H.  89.)  lässt  den 
Phönix  nach  drei  Tagen  aus  der  Asche  des  Nestes  wieder- 
erstehen, wie  Christum  am  dritten  Tage  aus  dem  Grabe. 
Seitdem  wird  die  Vergleichung  von  vielen  Kirchenvätern  und 
christlichen  Dichtern  wiederholt.  Sonderlich  besitzen  wir  noch 
ein  lateinisches  Gedicht  de  phoenice  von  Lactantius,  wonach 
im  Phönix  das  Mysterium  der  Zeugung  des  Sohnes  durch 
den  Vater,  der  doch  im  Sohne  er  selbst  bleibt,  personi- 
ficirt  wird. 

At  foriunatae  sortis  fiUque  volucrem , 
Cui  de  se  nasci  praestitit  ipse  Dens. 

Foemina  sitj  vel  mas ,  seu  neutrum ,  seu  sit  iitruniqiie , 
Felix ,  quae  Veneris  foeäera  nulla  colit. 

Mors  Uli  Venus  est:  sola  est  in  morte  voluptasj 
Ut  possit  nasci,  haec  appetit  ante  niori. 

Ipsa  sibi  proles  j.  suiis  est  pater  et  suus  haeres , 
Nntrix  ipsa  sui ,  semper  alumna  sibi. 
Mit  dem  aus  Weihrauch   und  Myrrhen   gebildeten  edeln 
Neste,  in  dessen  reinen  Flammen  der  Phönix  verjüngt  wird, 


Phönix.  229 

wurde  folgerecht  Maria  verglichen.  Conrad  von  Würzburg, 
goldne  Schmiede,  herausg.  von  Grimm  S.  XXXIV  und  12. 
Vgl.  auch  Sepp,  Heidenthum  I.  288. 

Im  Griechischen  hat  der  Palmbaum  und  der  Vogel 
Phönix  denselben  Namen  (potvi^,  woher  auch  der  des  Landes 
Phönizien  kommt.  Der  Palmbaum  legt  alle  Monate  ein  Blatt 
ab  und  ersetzt  es  durch  ein  neues.  Auch  fabelte  man,  er 
verjünge  sich  aus  seiner  Asche.  Zugleich  ist  er  Baum  des 
Sieges  und  in  vielen  andern  Beziehungen  ein  Sinnbild  Christi. 
Vgl.  den  Artikel  Palme.  Daher  findet  man  diesen  Baum  und 
Vogel  in  den  altchristlichen  Grabbildern  und  Sarkophagen 
mit  einander  verbunden,  mit  Bezug  auf  Psalm  92,  13:  ;,Der 
Gerechte  wird  grünen  wie  ein  Palmbaum  (oder  Phönix).'^ 
Vgl.  Piper,  christl.  Myth.  I.  459  f.,  wo  Alles  über  jene  alten 
Bildwerke  gesammelt  ist.  Auf  einem  vatikanischen  Sarkophage 
steht  Christus  zwischen  zwei  Palmbäumen  und  auf  dem  Wipfel 
des  einen  sitzt  der  Vogel  Phönix.  Aringhi  I.  295.  Bosio 
p.  63.  Bottari  I.  tav.  22.  Eben  so  auf  alten  Mosaiken  in 
Rom.  Ciampini  II.  61.  147.  Auf  Gräbern  soll  der  Phönix 
den  begrabenen  Christen  das  ewige  Leben  verheissen,  was 
sie  durch  Christo  gewonnen  haben. 

In  der  spätem  kirchlichen  Kunst  seit  dem  13ten  Jahr- 
hundert findet  man  den  Phönix  nicht  mehr  mit  Palmen,  desto 
öfter  aber  mit  dem  Pelikan  verbunden.  Hier  bedeutet  dann 
der  Phönix  eben  so  ausschliesslich  die  Auferstehung,  wie  der 
Pelikan  den  Opfertod.  Vgl.  Piper  a.  a.  O.  463,  wo  der 
einschlagenden  Bildwerke  an  den  Portalen  der  Lorenzkirche 
in  Nürnberg,  des  Magdeburger  Doms  etc.  gedacht  ist.  Oefters 
befindet  sich  zwischen  dem  Phönix  und  Pelikan  ein  Löwe  in 
der  Mitte,  von  dem  Piper  keine  andere  Erklärung  gibt,  als 
S.  466:  ;,Der  Löwe  des  Abgrunds,  der  einen  Menschen 
zerreisst.'^  So  nämlich  sah  er  ihn  selbst  an  der  ^wiederher- 
gestellten'^ Kathedrale  zu  Lund,  und  sofern  der  Löwe  hier 
einem  Christusbilde  gegenübersteht,  mag  er  auch  das  Ab- 
gründliche bedeuten.  In  andern  Fällen  jedoch  ist  unter  dem 
Löwen,  der  zwischen  dem  Phönix  und  Pelikan  steht,   ohne 


280  Phönix. 

Zweifel  der  Löwe  Simsons  gemeint.  So  wenigstens  steht  er 
deutlich  zwischen  beiden  an  der  Kirche  zu  Caen.  Twining, 
Symbols,  pl.  21. 

Vom  Chol,  einem  sagenhaften  Vogel  der  Juden,  heisst 
es :  Als  Adam  und  Eva  vom  verbotenen  Apfelbaume  gegessen, 
thaten  alle  Thiere  das  Gleiche  und  wurden  dadurch  böse  und 
sterblich,  wie  die  Menschen;  nur  der  Vogel  Chol  ass  nicht 
mit  und  blieb  daher  unsterblich.  Eisenmenger  I.  371.  829. 
Kraft,  jüd.  Sagen  S.  11.  —  Eine  andere  jüdische  Sage  vom 
Phönix  (in  Herders  Werken  zur  schönen  Lit.  und  Kunst 
IX.  S.  25):  „In  Mitte  des  Paradieses  standen  die  wunder- 
barsten Bäume  der  Welt ,  der  Baum  der  Erkenntniss  und  der 
Baum  des  Lebens.  Von  diesem  zu  essen  war  den  Menschen 
erlaubt;  von  jenem  zu  kosten  war  ihnen,  um  ihrer  Kindheit 
willen,  verboten.  Der  einzige  Phönix,  damals  noch  der 
König  des  ganzen  gefiederten  Reichs ,  er  nur  nistete  in  diesen 
Zweigen  und  ass  von  ihnen  unsterbliche  Götterspeise.  Als 
Eva  lüstern  zum  Baum  der  Erkenntniss  trat  und  kosten  wollte, 
da  war's,  als  furchtbar  auf  dem  Baum  der  geflügelte  Zeuge 
der  Wahrheit  seine  Stimme  erhob  und  also  sprach:  „Betro- 
gene, wo  irrest  du  hin?  was  zu  erblicken  öffnest  du  die 
Augen?  Dich  nackt  zu  sehen,  wirst  du  weise;  dich  arm  zu 
fühlen,  willst  du  Göttin  werden!"  —  Aber  Eva's  Blick  hing 
an  der  täuschenden  Frucht  und  am  listigen  Verführer;  sie 
übertrat  des  Herrn  Gebot ,  und  hörte  des  weissagenden  Vogels 
Stimme  nicht.  Als  über  alle  Geschöpfe  des  Paradieses  der 
Tod  kam,  sonderte  Gott  den  treuen  Vogel  aus,  fortan  auf 
ewige  Zeit  ein  Zeuge  der  Wahrheit.  Zwar  musste  auch  er 
mit  allen  Lebendigen  den  Sitz  der  Unschuld  räumen;  König 
der  Vögel,  die  jetzt  einander  bekriegten,  wollte  er  selbst 
nicht  mehr  seyn;  seinen  einst  glücklichen,  ruhigen  Thron 
nahm  ein  Raubvogel  ein,  der  blutgierige  Adler.  Auch  die 
Unsterblichkeit  konnte  ihm  fortan  in  der  dickeren  giftigen 
Erdenluft  anders  nicht  als  durch  Verwandlung  werden.  Aber 
durch  eine  Verwandlung,  die  nach  Jahrhunderten  erst,  und 
schnell  und  herrlich  dann  ihn  wieder  verjüngt.    Wenn  seine 


Pilatus.  231 

Stunde  nahet ,  ist  ihm  vergönnt ,  in's  Paradies  zu  fliegen ;  vom 
Baum  des  Lebens  und  vom  .Erkenntnissbaum  bricht  er  sich 
dort  die  dürren,  alten  Zweige,  in  deren  Flamme  sich  seine 
Glieder  lösen.  Die  Zweige  vom  Baume  der  Weisheit  bringen 
ihm  Tod,  die  Flamme  vom  Baume  des  Lebens  neue  Jugend. 
Dann  zieht  er  wieder  in  seine  Wüste  zurück,  und  trauert 
um  das  Paradies;  der  schöne,  einzige,  selten  gesehene,  noch 
seltener  befolgte  Vogel  unsterblicher  Wahrheit." 

Pilatus, 

der  berühmte  römische  Statthalter  in  Jerusalem,  der  bei  völ- 
liger Gleichgültigkeit  gegen  die  Händel,  welche  die  Juden 
unter  sich  hatten,  und  trotz  der  Ueberzeugung,  dass  Christus 
unschuldig  sey,  denselben  doch  aus  politischen  Rücksichten 
dem  Hasse  des  jüdischen  Volkes  aufopferte  und  kreuzigen 
liess.  Das  Vorbild  aller  weltlichen  Herren,  die  sich  indifferent 
gegen  das  Heilige  verhalten.  Die  christliche  Legende  von 
Pilatus  erhielt  eine  dreifache  Ausbildung,  indem  sie  zuerst 
von  Römern,  dann  von  Galliern,  endlich  von  Deutschen  auf- 
genommen wui-de.  Vgl.  Mone,  Anzeiger  1835,  S.  421.  1838, 
S.  526. 

Was  zuerst  die  biblische  Auffassung  betrifft,  so  ist 
der  Contrast  des  gefangenen  Erlösers  vor  dem  weltklugen 
Römer  von  hoher  Schönheit.  Dem  Stellvertreter  der  römischen 
Weltherrschaft  gegenüber  sagt  Christus  auf  die  Frage,  ob  er 
der  Juden  König  sey:  „Mein  Reich  ist  nicht  von  dieser  Welt." 
Ev.  Joh.  18,  26  f.  Nach  den  andern  Evangelien  spricht  Chri- 
stus: „Ich  bin  in  die  Welt  gekommen,  dass  ich  die  Wahrheit 
zeugen  soll."  Da  fragt  Pilatus  blasirt :  „Was  ist  Wahrheit?"  — 
aber  der  Sinn  ist  derselbe.  Pilatus  erkennt  seine  Unschuld 
und  Reinheit,  will  die  Verantwortung  seiner  Hinopferung 
nicht  übernehmen,  mag  aber  auch  die  Juden  nicht  allzusehr 
reizen  und  überlässt  daher  ihnen  selbst  die  Sache  in  der  Art, 
dass  er,  indem  er  der  Ostersitte  gemäss,  an  der  ein  Ver- 
brecher begnadet  zu  werden  pflegt,  ihnen  die  Wahl  zwischen 


Pilatus. 

Christus  und  dem  Mörder  Barabbas  lässt,   welchen  sie  sich 
freibitten  wollen.     Zugleich  wäscht  er  sich  die  Hände,    d.  h. 
sagt  sich  sinnbildlich  von  aller  Schuld  frei ,  wenn  sie  Christum 
nicht  wählen,  Matth.  27,  24.    Dass  Pilatus  den  Juden  nachge- 
geben, wurde  ihm  durch  die  treue  Anhänglichkeit  belohnt,  die 
ihm  Herodes  seitdem  widmete ,  da  sie  vorher  Feinde  gewesen 
waren.    Lucas  23,  12.    Pilatus  wollte  jeden  Anlass  vermeiden, 
die  ohnehin  zu  Empörungen  geneigte  jüdische   Provinz  auf- 
zustacheln.    Als   ihr   Statthalter  hatte   er  das   Interesse,    die 
Ruhe  zu  erhalten.  —  Matth.  27,  19.  ist  der  Frau  des  Pilatus 
gedacht,  die  ihn  bat,  er  solle  Christum  schonen,  weil  sie  im 
Traume  seinetwegen  geplagt  und  gewarnt  worden  sey.    Diese 
Frau  heisst  bei  Nicephorus  1.  30.   und   im  Evangelium  Nico- 
demi 2.  Procia  oder  Claudia  Procula. 

Die  sogenannte  acta  Pilati  oder  die  Protokolle  des  Ver- 
hörs Christi  vor  Pilatus  bilden  den  ersten  Theil  des  apokry- 
phischen  Evangeliums  Nicodemi,  und  sind  schon  sehr  alt, 
schon  von  Eusebius  (Kirchengesch.  I.  9.)  als  falsch  erkannt. 
Als  poetisch  ist  darin  zu  bemerken,  dass  wie  Christus  zu 
Pilatus  eintritt,  alle  Bilder  auf  den  Fahnen  sich  vor  ihm 
neigen.  Im  Uebrigen  enthalten  die  Acten  nur  eine  langwei- 
lige Paraphrase  des  Evangeliums  Johannis  und  eckelhafte 
Zänkereien  der  Juden  über  die  angeblich  uneheliche  Ab- 
stammung Christi.  Vgl.  Borberg,  Apokryphen  I.  287.  Winer, 
bibl.  Realwörterbuch  s.  v.  Pilatus. 

In  der  spätem  Legende  ist  der  Gedanke  durchgeführt, 
dass  sich  indifferent  gegen  das  Heilige  verhalten,  schlimmer 
sey,  als  es  offen  anfeinden.  Die  kalte  Weltklugheit,  die  ein 
vorübergehendes  zeitliches  Interesse  wichtiger  nimmt ,  als  das 
ewige  Heil,  kann  nicht  stark  genug  verdammt  werden.  Der 
unbarmherzige  Tyrann  Herodes,  der  grausame  Mörder  der 
unschuldigen  Kindlein,  ist  daher  dem  wahren  Christen  nicht 
so  verdammlich  und  verhasst,  wie  der  glatte,  kühle  Diplomat 
Pilatus. 

Das  schwedische  Volksbuch  von  Judas  Ischarioth,  welches 
in   Hagens    Germania    VI.    144   f.     mitgetheilt    ist,    enthält 


Pilatus. 

Folgendes:  In  der  Nacht,  in  welcher  Judas  erzeugt  \Yurde, 
hatte  Liboria,  seine  Mutter,  so  ängstliche  Träume  und  eine 
solche  Furcht  befiel  sie,  dass  sie  zu  ihrem  Manne  Rüben  sagte, 
Avenn  sie  einen  Sohn  bekäme,  würde  sie  ihr  ganzes  Leben 
lang  traurig  bleiben.  Er  wollte  es  ihr  ausreden ;  als  sie  aber 
wirklich  den  Judas  gebar,  entsetzte  sich  auch  der  Vater 
selbst  vor  seinem  Anblick.  Beide  Eltern  beschlossen,  dieses 
schreckliche  Kind  von  sich  zu  thun,  und  setzten  es  in  einem 
kleinen  Kasten  in's  Wasser.  Es  schwamm  zur  Insel  Scharioth. 
Hier  fand  es  die  Königin ,  die  längst  sich  ein  Kind  gewünscht 
hatte,  gab  es  für  das  ihrige  aus  und  erzog  es  fürstlich. 
Nachher  bekam  sie  selbst  noch  einen  Sohn  und  bereute  bit- 
terlich, den  Judas  angenommen  zu  haben,  denn  dieser  plagte 
ihren  eigenen  Sohn  auf  alle  Art,  und  als  sie  ihm  einmal  im 
Zorne  sagte,  dass  er  nicht  ihr  Sohn,  sondern  nur  ein  Findel- 
kind sey,  brach  die  ganze  Teufelsgewalt  in  ihm  hervor  und 
er  erschlug  den  Sohn  der  Königin.  Darauf  entfloh  er  und 
nahm  Dienste  beim  Pilatus.  Da  sah  Pilatus  einmal  reife 
Aepfel  in  Rubens  Garten  und  wünschte  davon.  Judas  stieg 
über  den  Zaun,  holte  die  Aepfel  und  schlug  seinen  Vater, 
der  es  wehren  wollte,  todt,  nahm  aber  nachher  seine  eigne 
Mutter  zur  Frau.  Als  beide  erkannten,  wer  sie  seyen,  rieth 
die  fromme  Mutter  dem  gottlosen  Sohne,  sich  um  Trost  an 
Jesum  zu  wenden ,  der  damals  aufgetreten  war ,  und  so  wurde 
Judas  Jesu  Jünger,  um  ihn  zu  verrathen.  Das  Uebrige  nach 
der  heiligen  Schrift. 

Pater  Abraham  a  St.  Clara  hat  in  seinem  humoristischen 
Werke  über  „Judas  den  Erzschelm'^  diese  Legende  benutzt. 
Sie  findet  sich  auch  in  einem  lateinischen  Gedicht  des  Mittel- 
alters, abgedruckt  in  Mone's  Anz.  VII.  532.  Hier  heisst  die 
Mutter  Cyborra. 

Schon  sehr  früh  bildete  sich  die  Sage  aus,  Pilatus  habe 
sich  aus  Verzweiflung  selbst  umgebracht.  Euseh.  II.  7.  Oro^ 
sius  hist  VII.  5.  Freculfi  cJiron.  II.  1.  12.  Vgl.  Mone,  An- 
zeiger 1835,  S.  422.  Wie  die  Sage  nach  Gallien  hinüber- 
geleitet wird ,  zeigt  am  besten  das  chron.  S,  Aegidii  in  Leibnit, 


S34  Pilatus. 

Script,  rer.  Brunsv.  III.  Hier  lieisst  es,  Pilatus  sey  zu  Rom 
von  Kaiser  Caligula  bedroht  und  bedrängt  worden,  habe  sich 
deshalb  umgebracht  und  der  Kaiser  habe  seine  Leiche  in  die 
Tiber  werfen  lassen,  aber  die  bösen  Geister  hätten  seine 
Leiche  besessen  und  im  Tiber  Ueberschwemmungen  und 
Ungewitter  erregt,  bis  man  die  Leiche  wieder  herausgenommen 
und  in  die  Rhone  gebracht  habe  bei  Vienne;  als  sie  aber 
auch  hier  Sturm  und  Ungewitter  erregte,  habe  man  sie  in 
die  Alpen  in  irgend  einen  tiefen  Brunnen  versenkt.  Vgl. 
Döbeneck,  Volksglauben  IL  117.  Dagegen  die  Lokalsage 
von  Vienne  (Mylius,  Reise  I.  2.  257.)  bemerkt,  Caligula  habe 
den  Pilatus  in  einen  Thurm  gesperrt ,  in  dem  er  sich  gehenkt 
habe.  Der  Thurm  heisst  Pilatusthurm  und  steht  noch.  Die 
Sage  von  der  Tiber  wiederholt  sich  in  einer  alten  Freiburger 
Handschrift.    Mone,  Schauspiel  des  Mittelalters  I.  59. 

Von  Gallien  verbreitete  sich  die  Sage  nach  der  deutschen 
Schweiz.  Jener  Brunnen  in  den  Alpen,  wohin  die  Leiche 
von  Vienne  aus  versenkt  wurde,  ist  der  See  auf  dem  Pilatus- 
berge bei  Luzern.  Wenn  man  etwas  in  diesen  See  wirft,  soll 
er  aufbrausen  und  ein  Ungewitter  erzeugen,  immer  noch  die 
alte  Eigenschaft  der  Leiche,  wie  im  Tiber  und  Rhone.  An 
den  Felsen  umher  zeigt  man  Spuren  der  Teufelsklauen,  in- 
dem die  Teufel  des  Pilatus  Leiche  jährlich  am  Charfreitagc 
in  eisernen  Ketten  aus  dem  See  herausschleppen  und  auf 
einen  Thron  setzen,  auf  dem  er  sich  die  Hände  wäscht. 
Conr.  Gessneri  descr.  montis  Pilati.  Zürich  1555.  Kircheri 
mundus  subter'r.  VIII.  4.  2.  Kornmann ^  mons  Veneris  394. 
Nieremberg,  hist.  nat.  432.  Berckenmeyer ,  Antiquit.  I.  317. 
Dass  man  gerade  diesen  Berg  auswählte,  hat  einen  etymo- 
logischen Grund,  der  Berg  heisst  püeatus  wegen  des  Nebel- 
hutes, den  er  zu  tragen  pflegt.  —  In  einer  Romanze  von 
Reithart  in  den  Alpenrosen  1832,  S.  320,  wird  auf  eine  sehr 
empfindsame  Weise  die  Seele  des  armen  Pilatus  aus  dem 
wüsten  Bergsee  befreit  und  steigt  zu  den  Seligen  empor; 
durchaus  sagenwidrig. 

Man  hat   eine  in  lateinischen  Hexametern  geschriebene 


Pilatus.  235 

Legende  von  Pilatus,  die  auch  im  13ten  Jahrhundert  in  alt- 
deutsche Verse  gebracht  wurde,  jedoch  in  dieser  Form  nicht 
vollendet  auf  uns  gekommen  ist.  Vgl.  Mone,  Anzeiger  1835, 
S.  424.  Vilmar,  Nationallit.  S.  208.  Dieselbe  Legende  steht 
auch  im  altdeutschen  Passional  (herausg.  von  Hahn  1845, 
S.  81).  Nach  dieser  Legende  war  Pilatus  von  dem  deutschen 
König  Atus  mit  der  Pila,  Tochter  eines  einsam  im  Walde 
wohnenden  Müllers,  gezeugt,  brachte  aber  nachher  den  recht- 
mässigen Sohn  des  Königs,  seinen  Bruder,  um,  und  wurde 
von  seinem  Vater  nach  Rom  geschickt  als  Geissei.  Auch 
hier  lud  er  Blutschuld  auf  sich  und  wurde  nach  dem  Pontus 
geschickt,  die  dortigen  Barbaren  zu  bezwingen,  daher  er 
Pontius  zubenannt  wurde.  Als  er  sich  hier  durch  Tapferkeit 
und  Grausamkeit  ausgezeichnet,  schickte  man  ihn  in's  heilige 
Land,  die  Juden  im  Zaume  zu  halten.  Hier  nun  ward  er 
Schuld  am  Tode  des  Erlösers,  was  ihn  nachher  so  reute,  dass 
er,  nach  Ronc^  zurückgekehrt,  sein  Leben  freiwillig  im  Tiber 
endete.  Aber  sein  Geist  fand  keine  Ruhe  und  erregte  im 
Fluss  solche  Ueberschwemmungen ,  dass  man  den  Leichnam 
aufsuchte  und  aus  dem  Tiber  über  Meer  in  die  Rhone  führte. 
Nun  tumultuirte  er  aber  dermassen  auch  in  der  Rhone,  dass 
man  sich  endlich  entschloss,  ihn  in  einen  tiefen  See  in  den 
Alpen  auf  dem  nach  ihm  benannten  Pilatusberge  bei  Luzern 
zu  versenken,  wo  er  nun  noch  immer  haust  und  böse 
Wetter   erregt. 

Zu  der  Annahme,  er  sey  aus  Deutschland  gekommen, 
gab  der  Söldnerdienst  der  Germanen  in  den  römischen  Le- 
gionen Veranlassung,  zumal  da  die  in  Jerusalem  stationirte 
Legion  wahrscheinlich  Deutsche  unter  sich  zählte.  Daher 
auch  die  mancherlei  Spottreden  über  die  Westphalen,  die 
eigentlich  Christum  sollen  gekreuzigt  haben. 

Die  abyssinischen  Christen  haben  den  Pilatus  als  Heiligen 
in  ihrem  Kalender  (19.  Juni),  weil  sie  seine  Unschuld  am 
Tode  Jesu  voraussetzen.    Harris  Schoa  H.  107. 

Christus  vor  Pilatus,  gemalt  von  Tintoretto  in  Venedig. 
Ein  berühmtes  Bild  von  Schiavone  ist  gestochen  von  Groensvelt 


236  Pilger. 

und  Henriquez  (Waagen,  England  I.  325.  509.  Passavant, 
England  275.).  Ein  Bild  von  Holbein  d.  Aelt.  in  der  Pina- 
kothek in  München,  von  Quintin  Messis  in  Antwerpen.  Das 
Bild  von  Rembrandt  ist  seiner  erstaunlichen  Hässlichkeit  wegen 
berühmt  (im  Pallast  Esterhazy  in  Wien.  Kugler,  Mal.  II.  180.). 
Ein  Bild  von  Honthorst  in  Lucca,  von  Smirke  (Fiorillo  V. 
795.).    Ein  grosses  Bild  von  Hensel  (Kunstbl.  1835,  S.  18). 

Das  poetische  Motiv  sollte  in  diesen  Bildern  immer  seyn 
der  Contrast  des  himmlischen  Reichs  in  Christo  mit  dem 
von  Pilatus  vertretenen  römischen  W^eltreich. 


Pilger. 

Pilgerstab  und  Muscheln  am  breiten  Hut  nebst  Kürbis- 
flasche kennzeichnen  die  heiligen  Pilger.  Allen  andern  steht 
voran  der  heilige  Apostel  Jakobus  der  Aeltere.  Zu  den  be- 
rühmtesten und  kirchlich  am  meisten  gefeierten  sodann  der 
heilige  Rochus,  zugleich  Patron  der  Pestkranken,  da  die 
Pilger  zum  heiligen  Grabe  häufig  von  der  Pest  befallen  wor- 
den ,  auch  der  h.  Sebaldus ,  Gallus ,  Maternus ,  die  h.  Brigitte 
von  Schweden.  —  Weil  der  Erzengel  Raphael  mit  Tobias 
wanderte,  kommen  auch  ihm  die  Pilgerattribute  zu,  eigen- 
thümlich  verbunden  mit  den  Engelflügeln. 

P  i  e  t  a 

(pietas),  der  italienische  Kunstausdruck  für  Bilder,  welche 
den  Leichnam  des  Heilands  gewöhnlich  auf  dem  Schoosse 
seiner  Mutter  liegend,  seltener  auch  auf  dem  Schoosse  Gott 
des  Vaters  oder  allein  von  Engeln  beweint  darstellen.  Wie 
der  Name  sagt,  ward  hier  das  tiefste  Mitleid,  der  herbste 
Schmerz  über  den  Tod  des  Heilands  ausgedrückt,  soll  der 
Beschauer  zur  thränenreichsten  Andacht  gerührt  werden. 
Solche  Bilder  sind  in  Menge  und  von  den  berühmtesten 
Meistern  gemalt  worden. 

Ueber  die  Leiche  des  Heilands  ist  schon  in  den  Artikeln 


Plaguen.  287 

Chi'istus,  Kreuzigung  und  Leichnam  gesprochen  worden.  Viele 
Maler  haben  die  schwere  Aufgabe,  die  Spur  des  göttlichen 
Geistes  und  Lebens  im  gestorbenen  Menschenleibe  zu  zeigen, 
zu  lösen  mit  mehr  oder  minder  Glück  versucht,  andere  sich 
dagegen  mehr  die  Aufgabe  gestellt,  nur  eine  seltene  Kunst- 
fertigkeit zu  zeigen,  z.  B.  die  grösste  Naturtreue  in  der 
Anatomie  des  todten  Leibes,  die  abschreckendste  Wahrheit 
in  der  Auffassung  des  Todes,  oder  die  Meisterschaft  des 
Pinsels  in  der  Darstellung  des  Leichnams  in  schiefer  Lage 
und  in  der  Verkürzung.  Das  Alles  ist  Missbrauch.  Ein 
echtes  Kirchenbild  darf  nie  auf  solche  Effecte  ausgehen ,  son- 
dern muss  den  todten  Heiland  in  einfach  natürlicher  Lage, 
in  möglichster  Ruhe,  in  heiligem  Schlummer  darstellen.  Alles, 
was  zu  gewaltsam,  zu  menschlich  gemein  dabei  wäre,  würde 
den  heiligen  Eindruck  schwächen  oder  stören. 

Die  schmerzenreiche  Mutter,  die  den  Sohn  todt  auf  dem 
Schoosse  hält,  wird  am  besten  ganz  in  seinen  Anblick  und 
in  ihren  Schmerz  versunken  aufgefasst,  in  tiefster  Trauer 
weinend.  Aber  ihr  Schmerz  darf  nicht  gemein  werden,  muss 
immer  eine  heilige  Würde  behaupten.  Weniger  zu  empfehlen 
ist  der  hoffnungsreiche ,  wohl  gar  stolze  Auf  blick  der  Mutter, 
indem  sie  sich  über  das  Opfer  durch  den  hohen  Preis  des- 
selben tröstet.  Das  Magnificat  und  der  Siegesblick  der  thro- 
nenden Maria  eignet  sich  nicht  für  Pieta  -  Bilder. 

Zu  vermeiden  dürften  auch  die  kleinern  Zärtlichkeiten 
seyn,  die  man  dem  Leichnam  erweist,  z.  B.  das  Ausziehen 
der  Dornen  aus  dem  Haar,  die  Küsse,  die  ihm  von  den 
Angehörigen  oder  von  Engeln  aufgedrückt  werden.  Die 
feierliche  Ruhe  des  Bildes  wird  dadurch  gestört. 

Plagen. 

Die  zehn  ägyptischen  Plagen ,  womit  Pharao  und  Aegyp- 
tenland  heimgesucht  werden,  bis  Moses  mit  den  Kindern 
Israel  frei  entlassen  wird  (2.  Mos.  Kap.  8  — 11.),  kehren  wie- 
der als  letzte  sieben  allgemeine  Schrecken  und  Verderbnisse 


238  '  Plagen. 

des  Menschengeschlechts  vor  dem  Weltende  in  der  Offenba- 
rung Johannis,  Kap.  8.  Die  ägyptischen  Plagen  sind:  1)  die 
Verwandlung  des  Wassers  in  Blut,  2)  die  Unzahl  von  Frö- 
schen ,  3)  von  Läusen,  4)  von  Ungeziefer,  5)  das  Viehsterben, 
6)  die  Blattern,  7)  Hagel,  8)  Heuschreckensch wärme,  9)  Ver- 
wandlung des  Tages  in  Nacht,  die  sogenannte  ägyptische 
Finsterniss,  10)  Tod  der  Erstgeburt.  —  Die  apokalyptischen 
sieben  Plagen  sind:  1)  Verbrennung  des  dritten  Theils  der 
Erde,  2)  Verwandlung  des  dritten  Meertheils  in  Blut,  3)  Ver- 
wandlung des  dritten  Wassertheils  in  tödtlich  bittere  Wer- 
muth,  4)  Verfinsterung  des  dritten  Theils  an  Sonne,  Mond 
und  Sternen,  5)  der  Brunnen  des  Abgrunds,  aus  dem  eine 
Wolke  von  Heuschrecken  kommt,  6)  die  vier  schrecklichen 
Reiter,  welche  Tod  und  Verderben  unter  die  Menschen  bringen 
(vgl.  den  Artikel  Pferd) ,  7)  der  siebenköpfige  Drache.  Dem 
entspricht  auch  wieder  das  Ausgiessen  der  sieben  Zornschalen 
durch  die  Racheengel  im  16.  Kapitel  der  Offenbarung  Jo- 
hannis. Sie  giessen  Pest,  Blut,  Feuer,  Finsterniss,  Dürre, 
Gewitter  und  Erdbeben  aus. 

Der  Grundgedanke  bleibt  hier  immer,  dass  die  Menschen 
als  höhere,  von  Gott  geschaffene  Wesen  gleichwohl  der  Ge- 
walt der  niederen  Natur,  den  nichtswürdigsten  Thieren  und 
rohesten  Elementarmassen  unterliegen  müssen,  weil  sie  durch 
eigene  Verschuldung,  durch  ihre  Sünde,  durch  freiwillige  Ver- 
thierung  und  Verwilderung  das  höhere  Recht  mit  der  höheren 
Würde  verloren  haben.  Sie  werden  nun  durch  dieselben  Ele- 
mente, über  die  sie  die  Herrschaft  hätten  führen  sollen,  be- 
straft. Jene  Plagen,  unter  denen  sie  erliegen,  sind  nichts 
anderes  als  eine  grosse  Revolution  der  Natur  gegen  den  Men- 
schen als  unwürdigen  Herrn  der  Natur. 

Der  heilige  Augustinus,  serm.  8.  de  decem  plagis,  bezog 
die  zehn  Plagen  auf  die  zehn  Gebote.  Weil  ihr  Menschen 
die  zehn  Gebote  Gottes  nicht  gehalten,  darum  sind  jene  zehn 
Plagen  über  euch  gekommen. 


Predigt.  239 


Platane, 

Attribut  des  heiligen  Basiliscus,  weil  der  Pfahl,  an  dem  er 
angenagelt  wurde,  sobald  das  heilige  Blut  auf  ihn  träufelte, 
wieder  zu  grünen  begann  und  ein  grosser  schöner  Baum 
wurde.     Acta  SS.     3.  März. 


Predigt. 

Der  Heiland  selbst  ist  der  Logos,  das  Wort,  das  Evan- 
gelium eine  Verkündigung  des  Wortes.  Der  Heiland  selbst 
predigte,  wie  schon  die  Propheten  ihn  verkündet  hatten  und 
wie  hinwiederum  die  Gabe  der  Predigt  durch  Ausgiessung 
des  heiligen  Geistes  auf  seine  Jünger  überging.  Christus  als 
Prediger  auf  dem  Berge  oder  im  Schiff  vor  der  am  Ufer  ver- 
sammelten Menge  ist  eine  der  Situationen,  in  der  wir  ihn 
uns  am  häufigsten  vorzustellen  gewohnt  sind.  Nach  ihm 
schwebt  der  Apostel  Paulus  uns  fast  ausschliesslich  als  Pre- 
diger vor,  so  oft  wir  an  ihn  denken. 

Das  Sinnbild  der  Predigt  ist  die  flammende  Zunge. 
Vgl.  d.  Art.  Pfingsten.  Auch  die  Taube,  weil  diese  den  hei- 
ligen Geist  bedeutet.  Daher  über  Kanzeln  so  oft  die  Taube 
angebracht  wird. 

Die  Entgeistung  und  Abgestorbenheit  der  griechischen 
Kirche  bewährt  sich  hauptsächlich  in  der  Abwesenheit  wie 
im  ausdrücklichen  Verbot  der  Predigt.  Das  andere  Extrem 
ist  bei  einigen  aus  dem  Protestantismus  hervorgegangenen 
Sekten  die  ausschliessliche  Geltung  der  Predigt  und  die  Con- 
centration  des  Cultus  in  eitles  und  willkührliches  Geschwätz, 
welches  der  Eine  übt  und  die  Andern  anhören. 

St.  Eomanus  von  Antiochia  wurde  unter  Diocletian  ver- 
folgt und,  nachdem  man  ihm  die  Zunge  ausgeschnitten,  er- 
würgt, 280,  18.  November.  Er  predigte  noch  ohne  Zunge, 
wie  der  lateinische  Dichter  Prudentius  in  seinem  lans^en 
Hymnus    auf  ihn    {Fabricii   thes.    p.  145.)    sagt:      Christum 


240  Predigt. 

loquenti  nunquam  lingua  defuit.  Der  heilige  Aigulf,  Abt  zu 
Lyron,  wurde,  nachdem  sein  Kloster  von  Mummolus  ausge- 
plündert worden,  gefangen  mit  den  übrigen  Mönchen  auf  ein 
Schiff  gebracht,  und  fuhr  noch  fort,  zu  predigen,  obgleich 
man  ihm  die  Zunge  ausgeschnitten  hatte.  Surius  zum  3.  Sep- 
tember. —  St.  Eaymundus  nonnatus,  der  Ungeborne,  weil 
er  aus  Mutterleib  geschnitten  Avar,  predigte  zu  Algier  den 
Christensklaven  und  suchte  auch  die  Muselmänner  zu  be- 
kehren. Da  legte  ihm  der  Dey  spöttisch  ein  Schloss  vor  den 
Mund ,  aber  Raymund  predigte  dennoch  fort  und  wurde  bald 
darauf  ausgelöst.  31.  August.  Besungen  von  Böneke.  St.  Leo- 
degar,  Bischof  von  Autun,  wurde  von  dem  fränkischen  Ma- 
jordom Ebroin  verfolgt,  der  ihm  die  Zunge  ausschneiden  und 
die  Augen  mit  einem  Bohrer  ausziehen  liess.  Gleichwohl 
predigte  Leodegar  auch  ohne  Zunge  noch  fort.    2.  October. 

Beda  von  Rovigo,  ein  italienischer  Heiliger  des  9ten  Jahr- 
hunderts, predigte  zuweilen  allein,  aber  statt  der  Menschen 
kamen  die  Engel,  ihm  zuzuhören.  Die  Kirche  verehrt  ihn 
am  10.  April.  In  Kosegartens  Legenden  kommt  unter  de 
Namen  „das  Amen  der  Steine"  ein  Gedicht  vor,  in  welchen, 
der  blinde  Beda  von  einem  ruchlosen  Knaben  angeblich  an 
einen  Ort  geführt  wird,  wo  viele  Menschen  auf  ihn  wai  x 
sollen,  wo  aber  wirklich  nur  eine  menschenleere  Steinwüste  ist. 
Da  predigt  der  Heilige  und  die  Steine  rufen  von  allen  Seiten 
Amen,  auf  dass  erfüllt  werde,  was  geschrieben  steht :  „Wenn 
die  Menschen  schweigen,  werden  die  Steine  reden." 

St.  David,  Erzbischof  von  Meneve  in  Walhs,  aus  alt- 
walhsischem  Königsgeschlecht  entsprossen,  wurde  ein  grosser 
Prediger.  Als  seine  Mutter  mit  ihm  schwanger  ging  und 
einmal  in  eine  Kirche  trat,  verstummte  der  Prediger,  zum 
Zeichen,  dass  der  Sohn,  den  sie  gebären  würde,  alle  Redner 
der  Welt  übertreffen  sollte.  Seine  Beredsamkeit  war  nachher 
auch  wirklich  so  gross,  dass  die  Erde  unter  seinen  Füssen 
sich  hob  und  einen  Hügel  unter  ihm  bildete.  Er  starb  544. 
1.  März.  —  St.  Vitus  ist  auf  Kirchenbildern  daran  kenntlich, 
dass  er,  an  der  Folterleiter  hängend,   dennoch  den  Schmerz 


Priestei*.  241 

überwindet  und  dem  Volke  mit  feuriger  Eede  predigt.  Petrus 
Gonzalez  predigte  unter  einem  heftigen  Gewitter  im  Freien, 
aber  die  Stelle,  wo  er  mit  seiner  kleinen  Gemeinde  stand, 
blieb  sonnenhell  und  trocken.  Als  St.  Angelus  predigte,  fielen 
ihm  Rosen  und  Lilien  aus  dem  Munde. 

St.  Chrysostomus  hat  den  Namen  von  dem  goldnen 
Munde,  d.  h.  von  seiner  heiligen  Beredsamkeit. 

Einander  entgegenstehende  Bilder  des  christlichen  Prie- 
sterthums  sind:  der  Prediger  in  der  Wüste,  den  Niemand 
hören  will ,  und  —  der  gottvergessene  Priester ,  der  aus 
Menschenfurcht  schweigt,  wo  er  reden  sollte,  und  den  das 
Sinnbild  des  „stummen  Hundes*'  schändet. 

Priester. 

Die  Priesterweihe  ist  voll  Symbolik.  Indem  alle  anwe- 
senden Priester  den  zum  Priester  zu  Weihenden  die  Hände 
auf  das  Haupt  legen,  bezeichnen  sie  ihn  als  ihren  künftigen 
Bruder  und  theilen  ihm  gleichsam  den  Vorschmack  dessen 
mit,  was  ihm  schliesslich  durch  die  Handauflegung  des  Bi- 
schofs zu  Theil  werden  soll.  Indem  ferner  der  Bischof  ihm 
zum  erstenmal  die  Priestergewande  reicht  und  vor  Allem  ihm 
die  Stola  kreuzweis  über  die  Brust  legt,  schmückt  er  ihn 
nicht  nur  mit  dem  hohen  Vorrecht,  sondern  beladet  ihn  auch 
mit  der  schweren  Pflicht  seines  Amtes.  Indem  er  ihm  drit- 
tens die  Hände  mit  Chrysam  salbt,  reinigt  und  weiht  er  die- 
selben zur  Ertheilung  der  Sakramente.  Indem  er  alsdann 
ihm  das  Brod  und  den  Kelch  überreicht,  befähigt  er  ihn 
zum  Sakrament  des  Altars,  zum  Opfer  für  die  Lebendigen 
und  die  Todten.  Hierauf  folgt  die  Handauflegung  des  Bi- 
schofs auf  das  Haupt  des  neuen  Priesters,  wodurch  ihm  der 
heilige  Geist  mitgetheilt  und  seiner  neuen  Amtswürde  und 
Gewalt  das  Siegel  aufgedrückt  wird.  Zum  Schluss  gibt  er 
ihm  den  Friedenskuss.  Vgl.  Rippel,  Alterthum  d.  Cäremo- 
nien  236  f.     Binterim,  Denkw.  L  1.  471  f. 

Menzel,  christl.  Syiiibolilt.    11.  j^ß 


Mt  Priester. 

In  der  Priesterkleidung  ist  ebenfalls  Alles  mehr  oder 
weniger  symbolisch.  Das  priesterliche  Urkleid  ist  offenbar 
die  alba  (das  weisse  Priesterhemd)  mit  langen  und  weiten 
Aermeln.  Es  erhebt  den  Priester  über  die  bunte  Gemeinde 
zu  einem  höheren  Wesen  gleich  den  Engeln  und  Seligen, 
die  weisse  Kleider  tragen  zum  Zeichen  ihrer  Reinheit,  als 
Kinder  des  Lichts.  Schon  in  den  ältesten  Katakombenbildern 
finden  wir  dieses  priesterliche  Hemde.  Das  zweite  Haupt- 
kleid des  Priesters  ist  sodann  die  stola  (orarium),  die  sich 
über  der  Brust  kreuzt  und  hinten  über  die  Schulter  fällt, 
bedeutend  die  Last  des  Kreuzes  und  das  Joch  des  Herrn. 
Wenn  die  Alba  den  Priester  als  dem  Lichtreich  oben  näher 
stehend  bezeichnet,  so  verweist  ihn  die  Stola  dagegen  auf 
seine  schwere  Pflicht  auf  Erden  und  mahnt  ihn,  das  Kreuz 
zu  tragen,  wie  Christus.  Das  dritte  Hauptstück  der  Kleidung 
ist  das  cingulum^  der  Gürtel,  das  Sinnbild  der  Zucht,  Keusch- 
heit, Sittenstrenge  und  Ascese,  so  wie  der  heiligen  Kraft  im 
Widerstand  gegen  alle  böse  Verlockung.  —  Die  übrigen  Klei- 
dungsstücke sind:  amictus  oder  humerale ,  Umschlagetuch  um 
die  Schultern,  Halskragen  oder  Kapuze;  planeta^  penula,  ca- 
sulum^  pallium,  der  Mantel;  das  schwere  Messgewand,  bedeckt 
mit  Stickereien,  zuweilen  mit  Gold  und  Juwelen;  manipulus 
oder  sudarium,  ein  am  linken  Arm  getragenes  Tuch  zum  Ab- 
trocknen; endlich  die  dalmatica,  ein  ärmelloses  Hemde,  das 
ursprünglich  die  Diaconen  trugen,  nachher  aber  kurze  und 
weite  Aermel  erhielt  und  über  der  Alba  getragen  wird.  — 
Dazu  kommt  noch  die  Tonsur,  die  an  den  Dornenkranz  des 
Heilandes  erinnern  soll,  und  die  Calotte,  das  Mützchen  zu 
ihrer  Bedeckung.  Vgl.  Binterim ,  Denkw.  I.  200  f.  Kreuser, 
Kirchenbau  H.  147  f.  Der  lange,  schwarze,  zugeknöpfte 
Talar,  die  gewöhnliche  Tracht  der  Priester  im  Privatleben, 
ist ,  wie  auch  das  Barett  oder  der  breite  Hut,  eine  Auszeich- 
nung des  Standes  ohne  tiefere  symbolische  Bedeutung. 


Propheten.  243 


Propheten. 

Prophet  heisst  wörtlich  interpres^  Dolmetscher,  Verkün- 
diger der  göttlichen  Befehle.  Samuel  hatte  eine  Schule  der- 
selben gegründet,  Knaben  wurden  von  Jugend  auf  zum 
Dienste  Gottes  erzogen,  und  unter  ihnen  wählte  Gott  sich 
aus,  welchen  er  würdigen  wollte,  seine  Befehle  auszurichten. 
Aber  auch  ausserhalb  dieser  Schule  suchte  Gott  seine  Pro- 
pheten, wie  bisher.  Amos  z.  B.  war  ein  Hirt,  und  kein  ge- 
lehrter Prophetenschüler. 

Die  Prophetenschule  erscheint  immer  auf's  Innigste  ver- 
bunden mit  dem  Hohenpriesterthum,  so  oft  das  Priesterthum 
selbst  seines  Berufes  sich  bewusst  ist,  wie  unter  Samuel, 
Ahia,  Jojada.  Wo  aber  das  Priesterthum  gesunken  ist  und 
Baalsdienst  herrscht,  steht  der  Prophet  allein.  Ein  Gegen- 
satz zwischen  Propheten  und  Priester,  wie  später  zwischen 
Christus  und  Pharisäern ,  findet  sich  damals  noch  nicht.  Der 
Prophet  steht  immer  den  Priestern  zur  Seite  oder  für  die- 
selben einerseits  dem  fremden  Baalsdienst,  andrerseits  den 
bösen  Königen  gegenüber. 

Die  Propheten  stellen  das  Gewissen  des  Volkes  dar,  dem 
die  Gebote  Gottes  dann  am  lebhaftesten  vorschweben,  wenn 
sie  am  frechsten  übertreten  werden.  Wo  Fürst,  Volk  und 
entartete  Priester  im  Uebermuth  des  Glücks  von  Gott  ab- 
fallen, oder  in  der  Noth  verzagen,  da  treten  die  Propheten 
auf  und  ermahnen  hier  zur  Keue,  Busse  und  Besserung,  dort 
zur  Fassung,  zur  frohen  Hoffnung.  Wie  die  Zunge  an  der 
Waage,  zeigen  sie  das  Rechte  an,  ob  das  Volk  auf  die  Seite 
des  Trotzes  oder  des  Verzagens  neige.  Immer  stellen  sie 
das  Gleichgewicht  her. 

Die  Macht  der  Wahrheit,  die  sich  in  ihnen  ausspricht, 
wird  noch  erhöht  durch  ihre  persönliche  Demuth  und  Be- 
scheidenheit. In  völliger  Anspruchslosigkeit,  ja  mit  Auf- 
opferung sagen  sie  die  Wahrheit,  und  setzen  sich  dadurch 
der  Verfolgung,  zuweilen  sogar  dem  Tode  aus. 

16* 


|44  Propheten. 

Das  Wunderbare  aber  an  den  Propheten  ist  ihre  stete 
Hinweisung  auf  die  Zukunft.  Alle  übereinstimmend  verkün- 
digen dem  Volk  Israel  für  seine  Sünden  die  Gerichte  Gottes, 
aber  nach  dieser  Busse  eine  herrliche  Wiedergeburt,  den  Sieg 
des  Reiches  Gottes  und  die  Ausdehnung  desselben  über  alle 
Völker  auf  Erden  durch  einen  neuen  König  von  Zion.  Wie 
schon  in  den  Büchern  Mosis,  der  Richter  und  der  Könige 
überall  sich  deutlich  aussprach,  dass  Gott  die  Kinder  Israel 
einem  ihnen  selbst  verborgenen  Ziele  entgegenführe,  und  die 
Art,  wie  er  ihre  vorübergehenden  älteren  Generationen  be- 
handelte, sich  nur  durch  diesen  Hinblick  auf  die  Zukunft 
erklären  lässt,  so  verstärkt  sich  das  Ahnungsvermögen  der 
Propheten  gleichsam  in  dem  Maasse,  in  welchem  sie  dem  Ziele 
näher  rücken,  und  immer  deutlicher  und  bestimmter  wird  der 
Messias  verkündet,  ja  es  werden  die  unzweideutigsten  Kenn- 
zeichen desselben  vorausgesagt.  Er  wird  vom  Stamme  Da- 
vids seyn,  er  wird  zu  Bethlehem  geboren  werden,  er  wird 
einer  Jungfrau  Sohn  seyn. 

Den  Propheten  selbst  war  es  mehr  oder  weniger  unbe- 
wusst,  dass  der  Messias,  den  sie  verkündeten,  weit  über  ihre 
altjüdische  Vorstellungsweise  hinausreichen  würde.  Sie  dach- 
ten sich  einen  König  Juda's,  der,  noch  weiser  und  mächtiger 
als  Salomo,  alle  Reiche  der  Welt  unter  seinen  Scepter  ver- 
einigen würde.  Sie  dachten  noch  nicht  an  ein  geistiges  Reich, 
wie  es  Christus  stiftete.  In  demselben  Irrthum  waren  auch 
später  noch  die  Apostel  selbst  befangen. 

Aber  das  ist  gerade  das  Erhabene  der  heiligen  Schrift, 
dass  sie  Gottes  Führungen  enthüllt,  wie  sie  sich  nach  und  nach 
in  ihrem  gesammten  Verlauf  erkennen  lassen,  ohne  dass  die 
jedesmaligen  Propheten,  deren  sich  Gott  zu  seinen  Absichten 
bedient,  selber  wissen,  wozu  sie  gebraucht  werden;  und  dass 
die  Absicht  Gottes  immer  eine  viel  grossartigere  ist,  als  selbst 
die  besten  seiner  Diener  begreifen.  Denn  wie  ärmlich  würde 
sich  der  Messias,  den  sie  als  weltbeherrschenden  Judenkönig 
sich  dachten,  neben  dem  wahren  Messias  ausnehmen,  dessen 
Reich  nicht  von  dieser  Welt  ist?    Und  wie  unmöglich  würde 


I 


Propheten.  S45 

es  den  Juden,  als  solchen,  gewesen  seyn,  sich  alle  Völker 
zu  unterwerfen;  während  der  Cultus  aller,  auch  der  fernsten 
Erdenvölker,  um  die  alleinige  Burg  Zion  her  sich  ganz  na- 
türlich durch  die  allmählige  Verbreitung  der  christlichen  Lehre 
und  Heiligung  erklärt. 

Man  theilt  die  Propheten,  welche  nach  EHas  und  Elisa 
in  der  Zeit  des  tiefsten  Verfalls  und  des  Exils  auftraten,  in 
die  vier  grossen  und  zwölf  kleinen  ein.  Von  jedem  derselben 
ist  uns  ein  Buch  erhalten,  doch  gehören  die  erzählenden 
Bücher  Daniel  und  Jonas  mehr  der  Geschichte  an,  während 
die  andern  sämmtlich  Lehren  und  Visionen  enthalten. 

Die  vier  grossen  Propheten  sind  Jesaias,  in  dem  die  er- 
habenste Begeisterung;  Jeremias,  in  dem  die  tiefste  Klage; 
Ezechiel,  in  dem  die  kühnste  visionäre  Phantasie,  und  Da- 
niel, in  dem  die  heiterste  Hoffnung,  gleichsam  die  ewige 
Jugend  des  Volkes  Gottes  mitten  im  tiefsten  Elend  sich 
aussprechen. 

Man  hat  in  ihm  die  vier  Temperamente  vsdederzuerkennen 
geglaubt ,  in  Jesaias  das  cholerische ,  in  Jeremias  das  melan- 
cholische, in  Ezechiel  das  sanguinische  und  in  Daniel  das 
phlegmatische.  Auch  vier  Altersstufen,  sofern  Daniel  als 
aufblühender  Jüngling,  Jeremias  als  hinwelkender  Greis,  die 
beiden  andern  mehr  in  männlichen  Jahren  gedacht  wurden. 
Nach  dem  byzantinischen  Typus  erscheint  Ezechiel  älter  als 
Jesaias.     Kunstbl.  1832.  S.  10. 

Die  Propheten  sind  ,. Gottes  Mund",  aber  ihr  mensch- 
liches Wesen  contrastirt  mannigfach  mit  ihrer  Mission.  Elias 
ist  allzu  feurig,  allzu  zornig;  deshalb  mahnt  ihn  Gott  zur 
Milde,  indem  er  ihm  nicht  im  Sturmwinde,  nicht  im  Gewitter, 
sondern  im  sanften  Säuseln  erscheint.  Jonas  ist  allzu  gerecht 
und  will  die  schuldigen  Bewohner  von  Ninive  bestraft  sehen; 
aber  Gott  mahnt  ihn  zur  Milde,  indem  er  ihn  beschämt. 
Jeremias  ist  ein  milder,  idyllischer  Charakter,  aber  in  den 
schrecklichen  Tagen  des  Gerichts  muss  auch  der  Schwache 
erstarken;  gerade  ihm  wird  die  Aufgabe,  Prophet  zu  seyn 
in  der  Jammerzeit, 


246  Propheten. 

Die  Propheten  sind  häufig  von  Malern  in  einer  Reihe 
zusammengestellt  worden,  nicht  selten  gegenüber  den  Apo- 
steln, als  Vertreter  des  alten  Testaments  gegenüber  dem  neuen, 
wobei  wieder  insbesondere  die  vier  grossen  Propheten  den 
vier  Evangelisten  gegenüberstehen.  Häufig  sind  den  Pro- 
pheten symmetrisch  nebengeordnet  die  Sibyllen.  Die  Sibyllen 
sind  sämmtlich  Frauen  und  Heidinnen,  welche  Christum  ver- 
kündigen, während  die  Propheten,  die  dasselbe  thun,  sämmtlich 
Männer  und  Juden  sind.  Die  berühmteste  Zusammenstellung 
der  Propheten  und  Sibyllen  ist  die  von  Michel  Angelo  in  der 
sixtinischen  Kapelle.  Beide  sind  im  grossartigsten  Style,  sta- 
tuarisch, voll  Kraft  und  Leben  aufgefasst  in  übermensch- 
licher Hoheit. 

Wo  sich  Propheten  und  Apostel  gegenüberstehen,  unter- 
scheiden sie  sich  nach  byzantinischer  Regel  dadurch,  dass 
die  Propheten  stets  (wie  die  Juden  in  ihren  Synagogen)  mit 
bedecktem,  die  Apostel  stets  (wie  die  Christen  in  ihren  Kir- 
chen) mit  unbedecktem  Haupt  erscheinen.  Kugler,  Kunst- 
gesch.  S.  385.  Die  grossen  und  kleinen  Propheten  haben 
insgemein  Schriftrollen  in  der  Hand,  wegen  der  Bücher,  die 
sie  hinterlassen  haben,  die  Apostel  dagegen  häufig  gebundene 
Bücher.  In  der  griechischen  Kirchenmalerei  kommen  den 
Propheten  Heiligenscheine  zu,  in  der  abendländischen  nicht. 
Didron,  man.  p.  309.  Die  Propheten  tragen  Schuhe,  die 
Apostel  Sandalen.     Kreuser,  Kirchenbau  H.  85. 

Unter  den  grossen  Propheten  hat  Jesaias  die  Säge,  Je- 
remias  die  Ruthe,  Ezechiel  ein  Thor  mit  Thürmen,  Daniel 
die  babylonische  Mütze  und  zwei  Löwen  zum  Attribut.  Unter 
den  kleinen:  Abdias  wegen  1.  Könige  18,  4.  Wasserkrug  und 
Brodt,  Amos  Hirtenstab  und  Schaf  (Amos  1,  1.),  Jonas  den 
Wallfisch,  Malachias  einen  Engel  (Mal.  3,  1.),  Zacharias  den 
Tempelbau,  Joel  einen  Löwen,  Nahum  Bergspitzen,  über  die 
er  schreitet  (Nah.  2,  1.).  Die  übrigen  werden  nur  durch  die 
Form  des  Bartes  und  durch  die  Inschriften  unterschieden, 
Stellen  aus  ihren  Büchern  enthaltend,  die  sich  auf  den  Mes- 
sias und  die  Geburt  durch  die  Jungfrau  beziehen.    Das  sind 


Psalmen.  247 

in  der  griechischen  Kirche  unabänderliche  Typen.  Didron, 
man.  p.  136  f.  Daher  findet  man  auch  häufig  die  zwölf  Pro- 
pheten gruppirt  um  Marien  mit  dem  göttlichen  Kinde.  In 
einer  Gothaer  Handschrift  sind  sie  auf's  Zierlichste  in  dem 
Laubwerk  angebracht,  welches  ein  Bild  der  Verkündigung 
umgibt.  Rathgeber,  Annalen  S.  40.  Auf  einem  Bild  von 
Eberwin  vertheilen  sich  je  drei  Propheten  unter  einen  Evan- 
gelisten in  der  Umgebung  der  heiligen  Jungfrau.  Kunst- 
blatt 1841.  S.  414. 

Dies  gilt  nur  von  den  Propheten,  die  mit  ihren  Schrift- 
rollen den  Aposteln  gegenüberstehen.  Zu  den  Propheten 
gehören  aber  noch  die  grossen  Gesetzgeber,  Könige  und 
Helden  Juda's  und  die  Propheten,  die  nicht  selbst  geschrieben 
haben.  Sie  sind  mit  ihren  Attributen :  Moses  kenntlich  durch 
langen  Bart,  Hörner  und  Gesetzestafeln;  Aaron  durch  die 
Priesterkleidung  und  den  blühenden  Stab;  Josua  durch  krie- 
gerische Rüstung;  Gideon  desgleichen  und  durch  das  Fell; 
Hiob  durch  den  Misthaufen;  David  durch  Krone,  Purpur- 
mantel und  Harfe;  Salomon  durch  jugendliche  Schönheit  und 
königliche  Pracht,  auch  durch  den  Tempelbau  oder  Löwen- 
thron; Elias  durch  den  Raben,  das  Schwert  (nach  1.  Könige 
19,  1.)  und  den  feurigen  Wagen;  Elisa  durch  den  zweiköpfigen 
Adler  (2.  Könige  2,  9.).  —  Sehr  oft  Averden  diesen  Propheten 
auch  heroische  Frauen  aus  dem  alten  Testament  als  Prophe- 
tinnen zur  Seite  gestellt  (wie  die  Sibyllen  den  Schriftpro- 
pheten). Darunter  Debora,  die  Königin  von  Saba,  Ruth, 
Judith,  Susanna.  Da  ihre  Zahl  nicht  ausreicht,  haben  sie 
die  Künstler,  z.  B.  Sürlin  in  den  Ulmer  Chorstühlen,  durch 
Frauen  ergänzt,  die  eigentlich  nicht  zu  den  Propheten,  son- 
dern zu  den  Patriarchen  gehören,  Sara,  Rebekka,  Rahel. 

Psalmen. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  mich  über  die  Herrlichkeit  des 
Psalters  auszubreiten.  Nur  die  symbolische  Beziehung  darf 
hier  nicht  übergangen  werden,  in  welcher  die  alten  Psalmen 


S48  Psalmen. 

zur  christlichen  Gemeinde  stehen.  Die  Psalmen  des  alten 
Testamentes  enthalten,  wenn  auch  in  friedlicher  Zeit  unter 
den  Königen  verfasst  oder  gesammelt,  doch  wesentlich  die 
Erinnerung  an  die  lange  Wanderung  des  Volkes  Gottes  durch 
die  Wüste,  an  die  Schrecken  der  Verfolgung,  an  die  Gefahren 
der  Verführung  und  Gottesvergessenheit,  an  den  Zorn  und 
die  Gerichte  Gottes,  an  die  Reue,  Busse  und  überschweng- 
liche Dankbarkeit  für  die  wiedergeschenkte  Gnade  Gottes. 
Auch  unter  seinen  Königen  und  im  anscheinend  sichern  Be- 
sitze des  gelobten  Landes,  erscheint  das  Volk  Gottes  immer 
noch  als  ein  Wandervolk,  jeden  Augenblick  in  Gefahr,  wieder 
in  fremde  Gefangenschaft  entführt  zu  werden ,  aus  der  ägyp- 
tischen in  die  babylonische.  Und  wirklich  wurde  dem  Volk 
der  heilige  Boden  unter  den  Füssen  entrissen  und  der  Tempel 
zerstört,  und  es  wandert  noch  jetzt  ruhelos  durch  die  Welt. 
Dieses  alte  Volk  Gottes  aber  dient  insofern  nur  zum  Vorbild 
auch  für  die  Christenheit.  Denn  auch  wir  sind  nur  Pilger 
auf  Erden,  auch  wir  sind  Menschen,  leicht  der  Verführung 
anheimfallend,  trutzig  im  Glück,  verzagt  im  Unglück,  und 
haben  tausendmal  Gott  in  tiefster  Noth  um  Hülfe  anzuflehen, 
und  tausendmal  ihm  für  unsre  Rettung  und  seine  gnädige 
Führung  zu  danken. 

Daher  das  Psalmensingen  in  der  christlichen  Kirche  bei- 
behalten und  der  ganzen  spätem  Hymnologie  zu  Grunde 
gelegt  worden  ist.  Unser  Kirchengesang  klingt  fort  in  Psal- 
mentönen, unsre  Kirchenmusik  wiederholt  diese  Grundtöne, 
den  gellenden  Nothschrei  der  misshandelten  Natur,  den  tiefen, 
wühlenden  Schmerz  des  Gerechten,  das  innerste  Erbeben  der 
schuldvollen  Seele,  die  Innigkeit  des  kindlichen  Hülferufes, 
die  Hingebung  in  Gottes  Willen ,  die  Wonne  der  Rettung  und 
Erlösung,  die  heisse  Gluth  des  Dankes  und  das  hohe  Wogen 
der  Siegsgesänge,  wie  sie  die  Psalmen  uns  darbieten.  Nie 
wurde  das  menschliche  Gemüth  tiefer  getroffen,  höher  erhoben 
in  Gram  und  in  Lust.  Was  sie  uns  aber  vorzugsweise  heilig 
machen  muss,  ist,  dass  es  sich  in  ihnen  nicht  um  ein  indivi- 
duelles Interesse,  sondern  um  die  Leiden  und  Freuden,  Ver- 


I 


Psalmen.  249 

sündigungen  und  Rettungen  eines  ganzen  Volkes  handelt. 
Jede  persönliche  Eitelkeit,  jeder  Egoismus  verschwindet  von 
vorn  herein  vor  der  Grösse  des  Schicksals,  das  hier  seinen 
schrecklichen  Donner  entrollt. 

Gleichwohl  ist  die  christliche  Kirchenmusik  in  den  Psal- 
men und  ihrer  Nachahmung  nicht  erschöpft.  Sie  geben  doch 
nur  die  alttestamentliche  Auffassung,  sie  kehren  die  mensch- 
liche Seite  hervor,  die  sich  zu  Gott  wendet.  Dem  kommt 
nun  eine  auf  das  neue  Testament  gegründete  Musik  entgegen, 
die  mehr  die  himmlische  Seite  festhält,  und  in  der  minder 
die  Donner  vom  Sinai  als  der  Harfenton  vom  Altar  des 
Lammes  und  Stimmen  der  Engel  in  der  Höhe  wiederklingen, 
in  der  die  heilige  Beruhigung  des  neuen  Testamentes  sich 
über  die  nächtlichen  Stürme  des  alten  ausbreitet  wie  das 
Licht  einer  grossen  Morgensonne. 


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Quelle, 

Sinnbild  des  ewigen  Lebens,  weil  sie  nie  versiegt,  aber  auch 
Sinnbild  der  Genesung,  Wiedergeburt,  weil  das  Quellwasser 
heilkräftig  wirkt,  endlich  Sinnbild  der  Heilslehre.  Schon  im 
ersten  Paradiese  war  eine  Quelle,  aus  der  die  vier  para- 
diesischen Ströme  flössen.  1.  B.  Mos.  2,  10.  Diese  Quelle 
kehrt  wieder  im  neuen  Jerusalem,  Offenb.  Joh.  22,  1.  Das 
ist  der  Urquell  des  ewigen  Lebens  im  Himmel.  Vgl.  Eu- 
pertus  Tuit.  22.  Bruder  David  von  Augsburg,  von  Pfeifler 
edirt  in  Haupts  Zeitschr.  XX.  31.  Auf  dem  berühmten  Genter 
Altar  zertheilt  sich  dieser  himmlische  Urquell  in  sieben  Strah- 
len, das  sind  die  sieben  Geister  Gottes  und  Gaben  des  hei- 
ligen Geistes.  Vgl.  Joh.  4,  14,  wo  Christus  spricht:  wem 
er  das  Wasser  des  ewigen  Lebens  gebe,  der  werde  ewiglich 
nicht  dürsten.  Auf  einem  berühmten  Eyck'schen  Bilde  in 
Madrid  entspringt  diese  Quelle  des  ewigen  Lebens  neben  dem 
thronenden  Christus,  dem  das  Lamm  zu  Füssen  liegt  und  den 
Apostel  und  Propheten  umgeben.  In  dem  Wasser  der  Quelle 
aber  schwimmen  Hostien  in  ein  Becken  hinab,  vor  dem  Papst 
und  Kaiser,  Geistliche  und  Laien  (d.  h.  die  ganze  Christen- 
heit) knieen.     Passavant,  christl,  Kunst  in  Spanien  S.  126. 


Quelle.  251 

Diese  Beziehung  der  Hostien  auf  die  Quelle  des  Lebens 
fällt  zusammen  mit  der  Auffassung  der  Seitenwunde  des 
Heilandes  am  Kreuz  als  der  Urquelle  des  neuen  christlichen 
Heiles.  Schon  die  Quelle,  welche  Moses  in  der  Wüste  aus 
dem  Felsen  schlug,  wird  als  Vorbild  der  Seitenwunde  Christi 
und  seines  welterlösenden ,  aller  Seelen  Durst  stillenden  Blut- 
vergiessens  genommen.  So  ist  auch  das  in  den  altchrist- 
lichen Grabbildwerken  der  römischen  Katakomben  sehr  oft 
wiederholte  Sinnbild  des  Mosesstabes,  der  die  Quelle  an- 
schlägt, zu  verstehen.  Dem  Verstorbenen  wird  durch  den 
Quell  ein  neues  Leben,  ein  frisches  Hervorspringen  aus  dem 
steinernen  Grabe  verheissen,  aber  nur  unter  der  christlichen 
Bedingung ,  d.  h.  durch  das  Verdienst  des  Todes  Jesu.  Vgl. 
Aringhi,  Roma  subt.  1.  319,  323,  539,  571,  613  f. 

Auch  wird  die  Quelle  des  Lebens  speciell  als  das  Wort 
Gottes  aufgefasst.  Eine  Quelle  mit  den  Zeichen  der  vier 
Evangelisten  (auf  Miniaturen,  Waagen,  Paris  S.  239.)  be- 
deutet die  vier  Evangelien,  verglichen  mit  den  vier  Flüssen 
des  Paradieses.     Vgl.  den  Artikel  Fluss. 

Sofern  Christus  das  Wasser  des  Lebens  (aqua  vitae) 
heisst,  wird  Maria  als  die  Quelle  gedacht,  aus  der  es  fliegst, 
als  fons  piirifatis^  auch  als  fons  amoriS)  fons  Jacob.  Auf 
einem  griechischen  Bilde  bei  Didron,  annales  I.  213,  erscheint 
die  Mutter  Gottes  als  Brunnenheilige  über  einer  Quelle,  aus 
welcher  von  einer  Seite  Patriarchen,  Könige  und  Fürsten, 
von  der  andern  Kranke  und  Elende  trinken.  Eine  Inschrift 
bezeichnet  die  Quelle  als  die  des  Lebens.  Es  gibt  auch 
mehrere  Gnadenorte,  Mariabronn  genannt,  wo  ein  wunder- 
thätiges  Marienbild  in  einer  Quelle  gefunden  worden. 

Eine  grosse  Anzahl  heilig  gehaltener  Quellen  leitet  ihren 
Ursprung  von  Heiligen  her,  die  sie  auf  wunderbare  Weise 
hervorspringen  Hessen,  sey  es,  um  Nothleidenden  zu  helfen, 
sey  es  nur,  um  ihre  Heiligkeit  kund  zu  geben.  Vgl.  die 
Register  der  Acta  SS.  s.  v.  fons.  Sie  wiederholen  das  Wunder 
des  Moses ,  zuweilen  aber  lassen  gemarterte  Heilige  eine 
Quelle    nur   entspringen,    um   grossmüthig   deu  Durst   ihrer 


S53  Quelle. 

eigenen  Peiniger  zu  löschen,  z.  B.  der  heilige  Venantius, 
oder  um  die  heidnischen  Mitgefangenen  zu  taufen.  Zum 
Beweis  der  Heiligkeit  entspringen  Quellen  da,  wo  das  abge- 
schlagene Haupt  eines  Märtyrers  hinfällt,. oder  wo  er  seinen 
Stab  in  die  Erde  steckt. 

Eine  Quelle  in  der  Höhle  des  heiligen  Servulus  bei 
Triest  duldet  keine  Unreinigkeit ,  weil  der  Heilige  hier  in 
Jünglingsreinheit  lebte.  Jede  Verunreinigung  heiliger  Quel- 
len ist  ein  Frevel  nach  der  christlichen  Anschauung  nicht 
minder,  wie  nach  der  altern  heidnischen;  denn  wenn  auch 
das  Wasser  an  sich  nicht  heilig  ist,  so  hat  es  doch  seine 
Weihe  entweder  durch  das  Heilige  oder  als  ein  von  Gott 
zum  Heil  der  Menschen  geschaffenes  Element,  das  derselbe 
nicht  zum  Unheil  werden  lassen  soll.  Eine  der  ältesten 
Kirchen  in  Schleswig  ist  die  zu  Sieversted.  Hier  taufte  der 
heilige  Poppo  die  ersten  Christen  in  einer  Quelle.  Nachher 
kam  einmal  ein  Reiter,  Hess  sein  Ross  aus  der  Quelle  trin- 
ken und  wünschte,  das  Ross  möchte  das  Wasser  verunrei- 
nigen, zum  Hohne  des  Heiligen.  Das  Ross  that  es  auch, 
konnte  aber  sammt  dem  Reiter  nicht  mehr  von  der  Stelle, 
bis  letzterer  gelobte,  sich  selbst  taufen  zu  lassen  und  den 
Christen  hier  eine  Kirche  zu  bauen.     MüUenhoflP  Nr.  536. 

Die  christliche  Wahrheit  im  Kampf  mit  der  Täuschung, 
Lust  und  Gewalt  der  Welt  wird  verglichen  mit  dem  reinen 
Brunnquell,  gegen  den  ein  überschwemmter  Fluss  anströmt. 
Archippus,  ein  frommer  Knabe,  pflegte  eine  Heilquelle,  die 
da  entstanden  war,  wo  der  Apostel  Johannes  einmal  gepre- 
digt hatte.  Da  leiteten  die  Heiden  aus  Schadenfreude  den 
nahen  Fluss  Chrysus  herbei,  um  durch  das  wilde  Wasser 
desselben  die  Heiligkeit  des  Brunnens  auszutilgen;  aber  das 
inständige  Gebet  des  Knaben  rief  den  Engel  Michael  herbei, 
der  die  anstürmenden  Wasserwogen  mit  der  Hand  aufhob  und 
ein  Erdbeben  bewirkte,  in  dessen  Folge  sich  eine  Erdschlucht 
öffnete,  wohinein  der  Fluss  in  einem  grossen  Wirbel  seitdem 
zu  verschwinden  verdammt  war.    Surius  zum  29.  September. 


p 

r 


II 


Rabe, 

Sinnbild  des  Todes,  weil  er  vom  todten  Aase  lebt.  Die 
Juden  fabeln,  der  Rabe  habe  das  erste  Grab  auf  Erden  ge- 
graben für  seine  Jungen.  Das  habe  ihm  Adam  abgesehen 
und  dadurch  gelernt,  wie  er  den  Leichnam  Abels  beerdigen 
solle.  Tendlau,  jüdische  Sagen  S.  179.  Nach  einer  andern 
jüdischen  Fabel  war  der  Rabe  ursprünglich  weiss,  wurde  aber 
schwarz  zur  Strafe,  weil  er  sich  in  der  Arche  Noä  paarte. 
Eisenmenger,  entdecktes  Judenthum  I.  448.  Auch  fabeln  sie, 
der  Rabe,  den  Noah  aus  der  Arche  fliegen  Hess  und  der 
nicht  wiederkam,  weil  er  sich  auf  die  schwimmenden  Thier- 
leichen  setzte,  lebe  heute  noch.  Rupert  von  Deutz  hat  ihn 
mit  dem  ewigen  Juden  verglichen  und  überhaupt  im  Raben, 
der  sich  zum  Aase  der  vorsündfluthlichen  Zeit  gesellt  und 
im  Schmause  desselben  allein  Wohlgefallen,  ein  Symbol  des 
Judenthums  erkannt,  welches  auch  dann  noch  immer  rück- 
wärts verliebt  in  die  Vergangenheit  blicke ,  nachdem  das  neue 
Heil  in  Christo  aufgegangen  sey.  Rupert.  Tuitensis  p.  44. 
Ein  schönes  Sinnbild!  Die  Taube  hat  längst  den  Oelzweig 
gebracht,  Noah  mit  den  Seinen  hat  die  Arche  verlassen,  die 


254  Rabe. 

Erde  trocknet,  die  Wolken  verziehen  sicli,  Gott  spannt  am 
Himmel  den  Regenbogen  aus  zum  Zeichen  der  Sühne  und 
des  neuen  Bundes,  aber  der  Rabe  ist  nicht  dabei,  er  verweilt 
immer  noch  in  den  Sümpfen,  die  von  der  Sündfluth  zurück- 
geblieben, bei  den  faulenden  Aesern.  —  Das  grösste  Fest- 
essen aber  erwartet  der  Todtenvogel  noch  nach  der  Offen- 
barung Johannis  19,  17,  wo  der  auf  der  Sonne  stehende 
Engel  alle  Yögel  zusammenrufen  soll,  um  das  Fleisch  der 
Könige  zu  fressen.  Dieses  Schreckensbild  aus  der  Apokalypse 
entspricht  genau  jenem  Bild  aus  der  Sündfluth. 

Der  Rabe  ist  auch  Sinnbild  des  Teufels ,  weil  der  Teufel 
den  Seelen  Verstorbener  nachstellt,  wie  der  Rabe  deren 
Leibern.  In  vielen  Legenden  versuchen  Teufel  in  Raben- 
gestalt heilige  Einsiedler  zu  necken,  z.  B.  die  Heiligen  Bo- 
nifacius  und  Macarius,  oder  fliegen  aus  dem  Leibe  der 
Besessenen,  nachdem  sie  von  Heiligen  gebannt  worden,  in 
Rabengestalt  aus.  Auf  einem  altdeutschen  Bilde,  das  sich 
früher  in  Unterlimburg  bei  Schwäbisch  Hall  befand,  jetzt 
aber  in  Stuttgart  ist,  wird  der  Teufel,  der  sich  als  Rabe 
beim  Evangelisten  Johannes  eingeschlichen,  vom  zürnenden 
Adler,  dem  gewöhnlichen  Begleiter  dieses  Apostels,  gepackt 
und  in  die  Augen  gehackt.  Der  heilige  Augustinus  bezeichnet 
den  Raben  als  teuflisches  Thier  schon  deshalb ,  weil  er  immer 
cras  (morgen,  morgen,  nur  nicht  heute!)  rufe  und  dadurch 
die  Menschen  zur  Faulheit  verführen  wolle.  Draudius,  Com- 
mentar  zu  SoUnus  HI.  23. 

Gott  erweist  seine  unerschöpfliche  Gnade ,  indem  er  auch 
so  schlechte  Thiere  leben  lässt  und  ernährt.  Hiob  39,  3. 
Psalm  147,  9.  Lucas  12,  24.  Auch  bedient  er  sich  zuweilen 
gerade  solcher  Thiere,  wie  sie  in  Wüsten  nicht  besser  vor- 
kommen, zu  Boten  seiner  Huld.  Schon  der  Prophet  Elias 
wurde  in  der  Wüste  durch  einen  Raben  gespeist,  1.  Kön. 
17,  6.  Eben  so  der  heilige  Einsiedler  Paulus.  Nachkommen 
des  Raben,  der  dem  h.  Benedikt  Brodt  brachte,  sollen  noch 
auf  dem  Monte  Cassino  leben.  So  werden  auch  zu  Lissabon 
am  Grabe  des   h.  Vincenz  vier  Raben  unterhalten,   weil  sie 


Rad.  255 

einst  seine  Leiche  über  Meer  begleiteten.  Nieremberg ^  hist. 
nat.  p.  388.  Wenn  einer  stirbt,  findet  sich  immer  wieder 
ein  neuer  ein.  Berckenmeyer,  kur.  Antiquarius  S.  17.  —  Die 
Stadt  Ravenna  soll  den  Namen  von  unzähligen  Raben  haben, 
welche  sich  jährlich  am  Feste  des  Ortsheiligen  St.  Apollinaris 
vor  der  Stadt  zu  versammeln  pflegten,  und  denen  man  ein 
todtes  Pferd  zum  Frasse  hinlegte.  Nieremherg ,  de  miraculis 
naturae  I.  4.  p.  389.  ■ —  In  dem  altdeutschen  Gedicht  vom 
heiligen  Oswald  kommt  ein  Rabe  vor,  der  demselben  einen 
Brief  bringt.  Ein  Rabe  mit  einem  Ring  im  Schnabel  ist 
Attribut  der  heiligen  Ida,  weil  ein  Rabe  ihr  den  Trauring 
entwendet  hatte ,  ihr  Gatte  aber  sich  einbildete ,  sie  habe  ihn 
einem  Liebhaber  gegeben,  und  sie  aus  Wuth  in  einen  Ab- 
grund stürzte. 

St.  Meinrad,  ein  Graf  im  Saulgau  (aus  dem  Geschlecht 
der  Zollern) ,  entsagte  der  Welt  und  begab  sich  als  Einsiedler 
in  den  „finstern  Wald"  im  nachmaligen  Kanton  Schwyz. 
Einst  fand  er  ein  Nest  von  jungen  Raben,  schonte  und  pflegte 
sie.  Als  nun  einige  Zeit  nachher  Räuber  ihn  überfielen  und 
ermordeten,  flogen  jene  Raben  über  ihm  und  er  rief  sie  zu 
Zeugen  an.  Die  Raben  aber  folgten  den  Mördern  nach  und 
Hessen  nimmer  von  ihnen  ab  mit  Hauen  und  Kratzen.  Da 
nun  das  umwohnende  Landvolk  die  Raben  des  Heiligen  wohl 
kannte  und  jene  Bösewichte  mit  zerstörtem  Gesicht  und  voll 
Bestürzung  sich  fliehend  der  Raben  erwehren  sah,  vermuthete 
es  Arges,  hielt  sie  fest,  entdeckte  und  bestrafte  den  Mord. 
23.  Januar.  Ein  altes  Lied  darauf  in  des  Knaben  Wunder- 
horn  in.  170.  Die  Legende  ausführlich  in  Murer,  Helvetia 
sancta  p.  123.  üeber  dem  Grabe  des  Heiligen  wurde  das 
berühmte  Kloster  Einsiedeln  erbaut,  noch  jetzt  ein  grosser 
Wallfahrtsort. 

Rad. 

Ueber  die  rotirende  Kraft  als  Sinnbild  götthcher  All- 
macht, die  flammenden  und  äugen  vollen  Räder,  vgl.  die 
Artikel  Cherubim  und  Engel.    Derselben  Symbolik  gehört 


^56  Räuber. 

das  Kreuz  im  Zirkel,  gleichsam  die  Speiche  eines  Rades 
darstellend,  als  ausschliessliches  Attribut  der  höchsten  Per- 
sonen der  Dreieinigkeit  an.  Der  Kreis  bedeutet  die  Welt, 
das  Kreuz  Gott,  das  ganze  Zeichen  die  Allherrschaft  Gottes 
in  der  Welt. 

Dieses  heilige  Zeichen  wird  in  Spanien  mit  dem  Rade 
der  heiligen  Katharina  identificirt.  Ein  zackiges  Rad,  unter 
welchem  die  h.  Katharina  den  Martyrertod  leiden  sollte, 
welches  aber  dabei  zersprang,  ist  das  allbekannte,  unzählige- 
mal  auf  Bildern  wiederholte  Attribut  dieser  Heiligen.  In 
Spanien  gibt  es  aber  mit  besondern  Wunderkräften  ausge- 
rüstete Menschen,  die  in  die  Zukunft  sehen  und  Kranke 
heilen  können,  die  sogenannten  saludadores,  welche  behaupten, 
diese  Gabe  komme  ihnen  vom  Radzeichen  jener  Heiligen, 
welches  irgend  einem  Theil  ihres  Körpers  nicht  auswendig, 
wohl  aber  inwendig  eingeprägt  sey.  Torquemada^  flores  1577, 
p.  159.  Hier  scheint  auf  das  Rad  der  Heiligen  etwas  von 
der  höheren  Kraft  der  ganz  ähnlichen  höheren  Signatur  des 
dreieinigen  Gottes  übertragen  zu  werden. 

Vom  heiligen  Bernhard  berichtet  die  Legende,  er  habe 
einmal  den  Teufel  gezwungen,  ihm  als  Felge  in  seinem  zer- 
brochenen Rade  zu  dienen.  Panzer,  Beitrag  zur  deutschen 
Myth.  S.  116.  Ein  Rad  ist  Attribut  des  heihgen  Donatus 
und  des  h.  Pantaleon,  die  damit  gerädert  wurden.  Das  Rad 
des  Letztern  w^andte  sich  gegen  die  umstehenden  Heiden  und 
rollte  zermalmend  über  sie  hin. 

Das  Rad  im  Wappen  des  Erzbisthums  Mainz  stammt 
vom  Erzbischof  Willigis ,  der  eines  Radmachers  Sohn  war  und 
es  in  sein  Wappen  setzte  mit  den  bescheidenen  Worten: 
„Willigis,  deines  Ursprungs  nicht  vergiss."  Grimm,  deutsche 
Sagen  Nr.  468. 

Räuber. 

Der  zum  Raubthier  verwilderte  Mensch ,  der  Mensch  auf 
der  tiefsten  Stufe  selbstverschuldeter  Verderbniss,  ist  gleich- 
wohl   der  Besserung    und    des   Heiles    fähig,    das    Christus 


Räuber.  35t 

gewährt,  indem  er  für  alle  Menschen  gestorben  ist.  Das  lehrt 
das  Beispiel  des  bekehrten  Schachers,  der  mit  Christo  ge- 
kreuzigt wurde.  Es  sind  aber  ihrer  zwei,  und  der  andere 
bekehrt  sich  nicht,  sondern  stirbt  in  seiner  Verstocktheit.  So 
theilt  sich  die  Menschheit  durch  eignen  Willen  und  eigne 
Schuld  auf  den  Wegen  zum  Himmel  und  zur  Hölle. 

Die  Legende  kennt  mehrere  Heilige ,  die  auf  die  Räuber 
wirkten,  wie  Christus  am  Kreuz  auf  den  frommen  Schacher. 
Die  wilden  Naturen  wurden  gezähmt  durch  die  Erscheinung 
heiliger  Milde  und  Liebe.  Das  berühmteste  Beispiel  bot  der 
heilige  Amandus.  Dieser  Heilige,  seines  wahren  Namens 
Heinrich  Seuss  oder  Suso,  1300  zu  Constanz  am  Bodensee 
geboren,  empfing  den  Namen  Amandus  von  seiner  wunder- 
baren Schönheit,  die  so  gross  war,  dass  wilde  Räuber,  die 
ihn  einmal  im  W^alde  überfielen,  vor  ihm  niederknieten  und 
ihm  beichteten.  Gott  selber  aber  soll  ihm  den  Namen  Aman- 
dus gegeben  haben,  weil  Suso,  ganz  erfüllt  von  Gottesminne, 
verdiente,  auch  wieder  von  Gott  absonderlich  geliebt  zu 
w^erden.  Suso  liebte  aber  Gott  zumeist  unter  der  Gestalt  der 
„ewigen  Weisheit",  die  ihn  einst  sichtbar  mit  einem  Kranz 
blühender  Rosen  geschmückt  haben  soll.  Er  selbst  sagt  in 
seiner  Lebensbeschreibung:  „Willst  du  hoher  Minne  pflegen, 
so  sollst  du  zu  einem  holdseligen  Lieb  die  ewige  Weisheit 
nehmen."  Sein  ganzes  Leben  war  nun  eingenommen  von 
dieser  Liebe,  und  was  er  in  schwäbischer  Sprache  uns  hin- 
terlassen hat,  das  Buch  von  der  ewigen  Weisheit,  das  Buch 
von  dem  neuen  Felsen  und  die  Predigten  (herausgegeben  von 
Diepenbrock,  Regensburg  1829),  athmet  nur  diese  mystische 
Liebe.  Von  ihr  getrieben,  schrieb  er  sich  den  Namen  Jesu 
auf  sein  Herz  mit  so  scharfen  Stichen,  dass  das  Blut  herab- 
rann, und  trug  acht  Jahre  lang  ein  schweres  Kreuz  mit 
Stacheln  auf  dem  Rücken.  Herder  hat  ihn  besungen  und 
Görres  in  der  Vorrede  zu  der  Ausgabe  von  Diepenbrock 
seine  Seelenschönheit  in's  volle  Licht  gestellt.  Die  Kirche 
verehrt  ihn  am  25.  Januar. 

Auch  Alexander,  der  Akömet,  ein  syrischer  Mönch  des 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  j['2' 


258  Räuber. 

5ten  Jahrhunderts,  war  so  fromm  und  beredt,  dass  er  einmal, 
als  er  auf  einer  Keise  unter  die  Räuber  gerieth,  dieselben 
bekehrte  und  sogar  dahin  brachte,  ihr  Raubnest  in  ein  Kloster 
zu  verwandeln.  Er  stiftete  den  Mönchsorden  der  Akömeten 
oder  Schlaflosen,  die  mit  einander  abwechselnd  Tag  und  Nacht 
ununterbrochen  Loblieder  auf  Gott  anstimmten.  Helyot  I. 
294.  Acta  SS.  15.  Januar.  Desgleichen  wurde  der  selige 
Petrus  von  Pisa,  ein  Eremit  des  14ten  Jahrhunderts,  von 
Räubern  überfallen,  bekehrte  sie  aber  und  bewog  sie,  bei 
ihm  zu  bleiben  und  Mönche  unter  ihm  zu  werden.    17.  Juni. 

In  andern  Legenden  tritt  dagegen  die  Räubernatur  in 
ihrer  ganzen  Bösartigkeit  und  Unzähmbarkeit  hervor  und 
contrastirt  damit  die  Reinheit  der  Heiligen.  St.  Colomanus, 
ein  Irländer,  w^ollte  als  Pilger  zum  heiligen  Grabe  wandern, 
wurde  aber  unterwegs  im  Oesterreichischen  für  einen  fremden 
Kundschafter  genommen  und  zwischen  zwei  Räubern  aufge- 
henkt (im  Jahr  1012).  Seine  Heiligkeit  aber  gab  sich  dadurch 
zu  erkennen,  dass  sein  Leib  unversehrt  blieb,  während  die 
beiden  andern  von  den  Raubvögeln  verzehrt  wurden,  und 
dass  der  Baum,  an  dem  er  hing,  mitten  im  Winter  grünte 
und  blühte.  Solches  geschah  zu  Stock erau,  von  wo  aber  der 
Leichnam  nach  Molk  erhoben  und  über  ihm  eines  der  grössten 
Klöster  der  Welt  gebaut  wurde.  —  St.  Gudwalus,  Bischof 
in  England  im  7ten  Jahrhundert,  bewirkte  durch  sein  Gebet, 
als  er  unter  Räuber  fiel,  dass  diese  sich  alle  unter  einander 
selbst  ermorden  mussten.  6.  Juni.  St.  Chariten  wurde  von 
Räubern  gefangen,  aber  eine  Schlange  kroch  in  das  Wein- 
gefäss  derselben  und  vergiftete  sie  alle,  wodurch  der  Heilige 
gerettet  wurde.     Surius  zum  28.  September. 

Wie  nahe  in  der  menschlichen  Natur  die  Verthierung 
zum  Räuber  und  die  Erhebung  zum  Heiligen  in  einem  Aus- 
gangspunkte sich  berühren,  hat  der  Spanier  Tirso  de  Molina 
in  einem  merkwürdigen  geistlichen  Schauspiel  gezeigt,  wie 
man  denn  in  den  spanischen  Autos  und  geistlichen  Dramen 
die  sinnreichsten  Ausdeutungen  der  Legenden  findet.  Er  han- 
delt vom  Einsiedler  Paulus.     Dieser  Fromme   träumt  einmal 


Räuber.  S59 

vom  jüngsten  Gericht  und  dass  er  selbst  unter  den  Verdammten 
sey.  Da  erwacht  er  höchst  erschrocken,  überlegt  aber,  wie 
wenig  er  bei  seiner  grossen  Frömmigkeit  eine  solche  Strafe 
verdient  habe  und  zweifelt  einen  Augenblick  an  Gottes  Ge- 
rechtigkeit. Da  ersieht  der  Teufel  sogleich  seinen  Vortheil 
und  beschleicht  ibn  in  Engelsgestalt ,  indem  er  ihm  verkündet, 
in  Neapel  lebe  ein  gewisser  Enrico,  dessen  Loos  genau  sein 
eignes  seyn  werde,  an  diesem  also  könne  er  sich  spiegeln. 
Paulus  begibt  sich  sofort  nach  Neapel  und  findet  in  jenem 
Enrico  den  gröbsten  Sünder,  wie  er  eben  die  wildesten 
Orgien  feiert.  Dieser  muss  verdammt  werden ,  denkt  Paulus, 
also  auch  ich,  und  wenn  ich  doch  einmal  verdammt  seyn 
soll,  wozu  nützt  mir  das  heilige  Leben?  Er  geht  nun  zwar 
in  die  Wüste  zurück,  aber  nicht  mehr,  um  zu  beten,  sondern 
um  sich  an  die  Spitze  einer  Räuberbande  zu  stellen.  Nun 
treibt  er  es  so  toll  und  noch  toller  wie  Enrico.  Der  Letztere 
aber,  von  dem  Gerichte  verfolgt,  hat  sich  in's  Meer  gestürzt 
und  schwimmt  an  das  Ufer,  wo  Paulus  mit  seiner  Bande 
haust.  Paulus  erkennt  ihn  und  will  sein  alter  ego  prüfen, 
lässt  ihn  daher  an  einen  Baum  binden,  Pfeile  auf  ihn  zielen 
und  ermahnt  ihn  unter  den  Schrecken  des  Todes  zur  Busse. 
Aber  Enrico  lästert  Gott  und  trotzt  dem  Tode.  Da  bindet 
ihn  Paulus  wieder  los  und  erzählt  ihm  seine  Geschichte. 
Beide  setzen  ihr  wildes  Leben  fort,  aber  Enrico  hat  mitten 
unter  Lastern  eine  Tugend  bewahrt,  Treue  und  Ehrfurcht 
vor  seinem  Vater.  Als  er  nun  den  Gerichten  in  die  Hände 
fällt,  und  der  Teufel  ihn  befreien  will  um  seine  Seele,  wird 
er  auf  einmal  fromm,  übergibt  seine  Seele  Gott,  lässt  sich 
hinrichten  und  wird  von  Gott  begnadet.  Paulus  aber  ver- 
sinkt immer  tiefer  in  Greuel,  lässt  sich  auch  durch  eine  Er- 
scheinung Enrico's  nicht  warnen  und  wird  endlich  vom 
Teufel  geholt,  v.  Schack,  span.  Drama  IL  603.  Eine  tief- 
sinnige Lehre:  Der  kleinste  Fehler  führt  den  Frömmsten 
in's  Verderben;  die  geringste  Aeusserung  einer  guten  Ge- 
sinnung kann  auch  den  Lasterhaftesten  noch  retten. 

17* 


260  Rahab. 


R  a  h  a  b , 

die  ßuhlerin  zn  Jericho,  die  den  Juden  mit  List  beistand,  sich 
dieser  Stadt  zu  bemächtigen,  daher  sie  von  allen  Einwohnern 
allein  verschont  und  belohnt  wurde.  Buch  Josua  6,  25.  Das 
Vorbild  der  heiligen  Magdalena,  h.  Afra  und  anderer  Buh- 
lerinnen späterer  Zeit,  die  den  weltlichen  Lüsten  entsagten. 
Heilige  wurden  und  das  Reich  Gottes  förderten.  Dante  im 
9ten  Gesang  des  Paradieses  stellt  sie  dem  Papst  gegenüber, 
welcher,  obwohl  zur  Heiligkeit  berufen,  unheilig  lebe  und 
wirke,  während  sie,  die  Verachtete  und  Verworfene,  zu 
Gottes  Ehren  ungleich  mehr  gethan  habe.  Ihr  Attribut  ist 
ein  Strick.     Kunstbl.  1825,  S.  102. 


R  a  h  e  1. 

Schon  Matthäus  (2,  17.)  bezog  die  Stelle  des  1.  Buches 
Mosis  35,  19,  wo  es  von  der  Rahel  heisst,  sie  beweine  ihre 
Kjnder,  auf  den  bethlehemitischen  Kindermord,  und  erklärte 
hier  eine  alttestamentalische  Prophezeihung  durch  das  neue  Te- 
stament für  erfüllt.  Aber  auch  in  anderer  V^eise  sah  man  in 
Rahel,  wie  in  ihrer  Schwester  Lea,  alttestamentalische  Vorbilder. 
Cyrillus  {Glaphyr.  in  Genesin  4,  135.)  vergleicht  die  Lea  mit  dem 
Judenthum,  die  Rahel  aber  mit  dem  Heidenthum,  weil  in 
dem  letztern  das  Christenthum  tiefere  Wurzeln  geschlagen  und 
bessere  Früchte  getragen  habe.  Ferner  bilden  sie  denselben 
Gegensatz,  wie  später  Martha  und  Magdalena.  Lea  ist  die 
minder  schöne,  aber  brave  und  nützliche  Hausfrau,  Rahel 
ist  schöner  und  geistiger,  dem  beschaulichen  Leben  und  den 
Idealen  zugewendet.  So  contrastiren  sie  als  die  zwei  Haupt- 
richtungen des  Lebens  neben  der  berühmten  Mosesstatue  des 
Michel  Angelo.  Vasari  V.  343.  Bunsen,  Beschr.  von  Rom 
III.  2.  235.  An  den  Chorstühlen  des  ülmer  Münsters  hält 
Lea  ein  hölzernes  V^erkzeug  (Stössel  in's  Butterfass  ?) ,  Rahel 
aber   eine  steinerne  Säule.    In  Dante's  Fegfeuer  27.  pflückt 


Rauch.  261 

sich  Lea  Blumen,  um  sich  schöner  zu  machen  (die  Werk- 
heiligkeit), während  Rahel  ungeschmückt ,  durch  sich  selbst 
schön ,  keinen  Blick  vom  Spiegel  (der  göttlichen  Betrachtung) 
abwendet. 

Es  scheint  jedoch,  man  müsse  nach  Jesaias  31,  15  — 17. 
Rahel  noch  höher  fassen  als  Vorbild  der  schmerzensreichen 
Mutter.  Am  Grabe  Raheis,  nur  eine  Stunde  von  Jerusalem, 
erscheint  ihr  Geist  und  wehklagt  über  das  Schicksal  ihrer 
Kinder,  d.  h.  der  Kinder  Israel  zur  Zeit  der  babylonischen 
Pleimsuchung.  Aber  der  Herr  spricht  zu  ihr:  „Lass  dein 
Weinen,  denn  deine  Kinder  werden  wiederkommen.^  Das 
lässt  eine  Beziehung  auch  auf  den  Jammer  der  christlichen 
Welt  und  auf  die  Verheissung  der  himmlischen  Heimath  zu. 

R  a  p  h  a  e  1, 

unter  den  Erzengeln  vorzugsweise  der  Schutzengel  für  die 
Unschuld,  daher  umherwandernd  in  der  Welt,  um,  wo  es 
Noth  thut,  zu  helfen.  Raphael  war  es,  der  den  jungen  To- 
bias begleitete  und  ihn  sowohl  als  seine  Eltern  nach  harter 
Prüfung  glücklich  machte.  Er  wird  daher  auch  als  Pilger 
gemalt  mit  Reisestab  und  Kürbisflasche,  die  ihn  von  allen 
andern  Engeln,  so  wie  hinwaederum  seine  schönen  Engel- 
flügel von  allen  andern  Pilgern  unterscheiden.  Er  steht  als 
Wanderer  allen  andern  Schutzengeln  voran ,  wae  Michael  als 
Krieger  den  Engeln  des  Schwertes  und  Gabriel  als  Bote 
den  Engeln  der  Verkündigung  und  himmlischen  Herolden. 

Rauch, 

Sinnbild  des  Eiteln  und  Vergänglichen.  Ascendendo  vanesdt, 
indem  er  steigt,  verschwindet  er.  Picinellij  mundus  symb.  78. 
Der  Himmel  (die  sichtbare  Natur)  wird  wie  ein  Rauch  ver- 
gehen. Jesaias  51,  6.  Vor  dem  Papst  wird  ein  Büschel  Flachs 
verbrannt  mit  den  Worten :  Sic  transit  gloria  mundi ,  um  ihn 
zu  mahnen,  seiner  irdischen  Macht  nicht  zu  viel  zu  vertrauen. 


362  Rechts  und  links. 

Einen  ganz  andern  Sinn  hat  der  Weihrauch.  Dieser 
nämlich  durchdringt  die  irdische  Luft  mit  himmlischem  Duft 
und  heiligt  den  Raum.  Er  verbannt  alles  Profane  aus  dem 
Heiligthume.  Er  ist  eine  Weihluft  im  Sinne  des  Weihwassers, 
des  von  den  gew^eihten  Kerzen  ausstrahlenden  Lichts  und  des 
von  den  Glockentönen  durchdrungenen  und  gew^eihten  Raumes. 
Im  alten  Testament  kam  zum  Begriff  des  Heiligen  im  Weih- 
rauch noch  der  des  Verhüllens.  Jehovah  verhüllte  sich  ab- 
sichtlich in  der  ^, Wolke  im  Heiligthume",  w^enn  er  dem 
Hohenpriester  im  Allerheiligsten  erschien.  Auch  der  Engel, 
der  die  Juden  aus  Aegypten  führte,  verhüllte  sich  in  eine 
Wolke.  In  der  Erscheinung  solcher  ausserordentlichen  Wolken 
und  göttlichen  Nebel  erkannten  die  Juden  die  Nähe  Gottes. 
2.  Mos.  40,  35.  2.  Chron.  7,  2.  L  Könige  8,  10.  Jesaias  6,  4. 
Ezechiel  44,  4. 

Der  unterschied  zwischen  dem  Gott  wohlgefälligen, 
gerade  aufsteigenden  Rauch  von  Abels  Opfer  und  dem  Gott 
missf älligcn ,  zerstreuten  imd  niedrig  sich  verkriechenden 
Rauch  von  Kains  Opfer  hat  für  die  christliche  Symbolik  keine 
Bedeutung,  da  wir  Christen  keine  Brandopfer  mehr  kennen. 
Wohl  aber  liegt  darin  ein  allgemeiner,  auch  für  die  Christen 
beherzigenswerther  Sinn,  dass  nämlich  gute  Werke  vollbracht 
seyn  müssen  auch  in  reinem  Gemüth  bei  gutem  Glauben, 
und  dass  sie  todte  Werke  werden,  wenn  sie  mit  unreiner 
Seele  und  bösem  Glauben  unternommen  werden. 

Die  heilige  Zoe  wurde  in  dickem  Rauch  erstickt.  Acta 
SS.  20.  Januar. 


Rechts    und    links. 

Rechts  ist  die  Ehrenseite.  Der  Sohn  sitzt  zur  Rechten 
des  Vaters ,  wie  Jeder  aus  dem  Glaubensbekenntniss  weiss. 
VgL  Psalm  HO,  L  Matthäus  22,  44.  Marcus  12,  i&.  Lucas 
20,  42.  Apostelgeschichte  2,  34.  Eben  so  hatte  schon  beim 
Segen  Jacobs  die  rechte  Hand  den  Vorzug.    1.  B.  Mos.  48,  13. 


Re^en.  363 

Aus  demselben  Grunde  kommt  dem  neuen  Testament  die 
rechte,  dem  alten  die  linke  Seite  zu,  wenn  sie  neben  einander 
gestellt  werden.  Daher  steht  auch  Paulus  rechts  und  Petrus 
links ,  denn  der  letztere  hängt  noch  mehr  mit  dem  Judaismus 
des  alten  Testamentes  zusammen.  Vgl.  Durandi^  rationale 
VII.  44,  6 ,  wo  der  rechten  Seite  die  immortalitas ,  der  linken 
die  mortalitas  zugewiesen  ist,  mithin  dem  Paulus,  der  erst 
nach  dem  irdischen  Tode  des  Heilands  Apostel  wurde,  die 
rechte  Seite,  den  Aposteln  vor  jenem  Tode  aber  nur  die 
linke  gebühre.  Ferner  stehen  unter  den  Heiligen  die  Mär- 
tyrer rechts,  die  Bekenner  links.  Der  Gegensatz  der  beiden 
Seiten  ist  fesgehalten  im  Räume  der  Kirchen.  Nach  ältestem 
abendländischen  Gebrauch  sitzen  die  Männer  während  des 
Gottesdienstes  rechts  vom  Altare,  die  Weiber  links.  Vgl. 
Kreuser,  Kirchenbau  H.  91.  213.  In  der  griechischen  Kirche 
herrscht  dieser  Gebrauch  nicht,  denn  hier  ist  den  Männern 
der  untere  Raum  der  Kirche  ganz  überwiesen,  während  die 
Weiber  auf  der  Emporkirche  sitzen.  In  vielen  protestan- 
tischen Kirchen  ist  das  Verhältniss  umgekehrt,  die  Weiber 
sitzen  unten  und  die  Männer  oben. 

Hier  handelt  es  sich  nur  von  einem  Vorrang  solcher, 
die  im  Uebrigen  gleich  berechtigt  sind.  Aber  auch  der  schrof- 
feste  Gegensatz  des  Guten  und  Bösen  musste  bei  unmittel- 
barer Gegenüberstellung  die  Regel  festhalten,  so  dass  z.  B. 
auf  Bildern  des  Weltgerichts  die  Seligen  sich  stets  rechter 
Hand,  die  Verdammten  linker  Pland  befinden. 


Regen, 

Sinnbild  des  göttlichen  Segens.  Gottes  Worte  sind  Werke. 
Der  Regen  kehrt  nicht  zum  Himmel  zurück,  sondern  wird 
Frucht  auf  Erden,  Jesaias  55,  10.  Als  Sinnbild  der  Werke 
im  Gegensatz  gegen  blosse  Worte  wird  der  Regen  auch  auf- 
gefasst  in  den  Sprichwörtern  Salomonis  25,  14:  „Versprechen 
und   nicht  halten  ist   eine  Wolke  ohne  Regen.  ^  —    In  der 


S64  Regenbogen. 

Legende  wird  oft  von  Heiligen  berichtet,  sie  seyen,  während 
sie  dem  Volke  predigten,  oder  auf  der  Reise  waren,  oder 
im  Freien  ausruhten,  im  heftigsten  Platzregen  trocken  ge- 
blieben. So  die  Henigen  Albinus,  Aidanus,  Bernard,  Ken- 
tigern, Marius,  Nilus,  Odo,  Petrocus  etc.  Vgl.  die  Register 
der  Acta  SS.  sub  voce:  pluvia.  St.  Adalbert  von  Prag  betete 
einmal  in  Böhmen  bei  grosser  Dürre  auf  einem  Berge  und 
auf  einmal  kam  ein  Regen  und  verwandelte  das  ringsum 
dürr  und  wüst  liegende  Land  in  das  schönste  Grün.  — 
St.  Hergeir,  Apostel  in  Schweden,  ahmte  das  Beispiel  des 
Elias  mit  den  Baalspriestern  nach,  indem  er  mit  den  heid- 
nischen Priestern  ein  Wettbeten  einging,  um  Regen  abzu- 
wenden. Die  Priester  wurden  nun  mit  einem  desto  stärkern 
Guss  überschüttet,  er  aber  stand  trocken.  Afzelius,  schwe- 
dische Volkssagen  IL  27. 


Regenbogen, 

Sinnbild  des  Friedens.  Zunächst  des  Bundes  zwischen  Gott 
und  den  Menschen ,  denn  der  schöne  Bogen  steht  im  Plimmel 
wie  ein  Ring,  dessen  andere  Hälfte  in  die  Erde  geht,  und 
bindet  gleichsam  beide  an  einander.  Nach  dem  L  Buche 
Mosis  9,  13— 17.  spricht  der  Herr  nach  der  Sündfluth  zu 
Noah:  „Meinen  Bogen  hab  ich  gesetzt  in  die  Wolken,  der 
soll  das  Zeichen  seyn  des  Bundes  zwischen  mir  und  der 
Erden.  Und  wenn  es  kommt,  dass  ich  Wolken  über  die 
Erde  führe ,  so  soll  man  meinen  Bogen  sehen  in  den  Wolken. 
Alsdann  will  ich  gedenken  an  meinen  Bund ,  dass  nicht  mehr 
hinfort  eine  Sündfluth  komme."  Ein  herrliches  Bild.  Nach 
der  langen  Sturm-  und  Regenzeit  durchbricht  die  Gnaden- 
sonne wieder  das  Gewölk  und  malt  den  schönen  Bogen  auf 
den  dunkeln  Hintergrund  der  fliehenden  Wolken. 

Auf  diese  älteste  Nachricht  des  L  Buches  Mosis  bezieht 
sich  der  Glaube  des  Mittelalters  an  ein  Verschwinden  des 
Regenbogens  vor  dem  Weltende.    Wie  vierzig  Tage  vor  dem 


Regenbogen.  265 

Erscheinen  des  ersten  Regenbogens  die  Sündfluth  eintrat,  so 
soll  vierzig  Jahre  vor  dem  Weltende  der  letzte  Regenbogen 
erscheinen  und  dann  keiner  mehr.  Nach  demselben  Glauben 
bedeuten  von  den  Hauptfarben  im  Regenbogen  das  Blau  die 
erste  Sündfluth,  das  Roth  den  künftigen  Weltbrand.  Ger- 
vasius  Tilber.  I.  24.  Wenn  nun  gleichwohl  nach  der  Offen- 
barung Johannis  4,  3.  Christus  beim  Weltgericht  auf  dem 
Regenbogen  thront,  was  schon  bei  Ezechiel  1,  28.  vorgebildet 
ist,  so  kann  das  entweder  gedeutet  werden:  .,Ich  habe  den 
Bund  gehalten,  den  ihr  gebrochen  habt,'^  oder  es  ist  ein 
neuer  Bund  für  den  neuen  Himmel  und  die  neue  Erde  ge- 
meint. Daher  auch  auf  altdeutschen  Bildern  des  Weltgerichts 
Christus  häufig  auf  zwei  Regenbogen  zugleich  thront,  auf 
dem  neuen  sitzend,  auf  den  alten  tretend.  Schon  auf  den 
ältesten  christlichen  Wandbildern  der  römischen  Katakomben 
thront  Christus  auf  einem  bogenförmig  gewölbten  Schleier 
des  heidnischen  Himmelsträgers  Atlas.  Aringhi  I.  277.  317. 
Zuweilen  haben  die  Maler  den  Bogen  des  alten  Bundes  dem 
Weltrichter  nur  zum  Fussschemmel ,  und  einen  zweiten  Bogen 
des  neuen  Bundes  zum  Thronsitz  gegeben.  Kreuser,  Kirchen- 
bau I.  504.  n.  48.  Auf  einem  Bilde  zu  Padua  ist  Christus 
von  einem  regenbogenfarbenen  Kreise  umgeben,  in  dem  lauter 
Cherubim  schweben.     Kunstblatt  1838,  Nr.  13. 

Damit  hängt  auch  die  Symbolik  der  Regenbogenfarben 
zusammen.  Das  Blau  bedeutet  die  Sündfluth,  das  Roth  den 
künftigen  Weltbrand,  das  Grün  die  neue  Erde.  Gottfried 
von  Viterbo,  am  Schluss  des  2ten  Theils  und  Gilbert  Tilb. 
a.  a.  O.  Man  hat  jedoch  die  drei  Hauptfarben  auch  einfach 
als  Sinnbild  der  heiligen  Dreieinigkeit  gedeutet  und,  wie  es 
scheint,  auch  als  Sinnbild  der  drei  Himmel.  Auf  alten  Mi- 
niaturen, z.  B.  des  berühmten  Psalteriums  der  Stuttgarter 
Bibliothek  Nr.  23,  wird  Gott  gewöhnlich  durch  eine  Hand 
bezeichnet ,  die  aus  einem  oben  am  Himmel  befindlichen  drei- 
fachen und  regenbogenfarbigen  Zirkel  heruntergreift.  Damit 
scheint  eben  so  wohl  die  heilige  Dreieinigkeit  als  der  dreifache 
Himmel  bezeichnet  zu  sejn.     Auch  sofern  der  Regenbogen 


S66  Reich,   das   tausendjährige. 

in  der  Luft  stehend  einen  Fuss  auf  die  Erde,  den  andern 
auf  das  Meer  stellt,  nahm  man  ihn  als  Sinnbild  der  Drei- 
einigkeit. Wegen  der  sieben  Farben  auch  als  Sinnbild  der 
sieben  Geister  Gottes  und  der  sieben  Sakramente. 

Der  Regenbogen  ist  auch  Sinnbild  der  Maria,  weil  sie 
die  Mutter  der  Liebe  und  Versöhnung  ist.  Darum  heisst  sie 
in  den  altkirchlichen  Hymnen  arcus  pulcher  aetheri,  wobei 
arcus  (der  Bogen)  auf  arca  (die  Arche)  anspielt,  beides  Bilder 
der  Sündfluth,  die  auf  Marien  bezogen  werden.  Nakateni, 
coeleste  palmetiitn  p.  249.  Auf  alten  Bildern  kommt  Maria 
zuweilen  vor ,  wie  sie  auf  einem  Regenbogen  thront.  Didron^ 
icon.  269.  Man  erklärt  das  Sinnbild  nicht  blos  als  Zeichen 
des  Friedens  und  der  Versöhnung,  sofern  die  grosse  Fürbit- 
terin  Maria  Himmel  und  Erde  zusammenbindet,  sondern  auch 
als  das  Thor,  durch  welches  sie  die  Seligen  in  den  Himmel 
einführt,  den  „Himmelrinc" ,  wie  es  in  einem  alten  Marien- 
liede  in  Haupts  Zeitschrift  VIII.  282.  heisst,  Maria,  die  uns 
die  Ilimmelpforte  zu  öffnen  gebeten  wird.  Wieder  anders 
fasst  Picinelli  (mundus  symh.  94.)  das  Bild  als  verbum  divinum^ 
humana  carne  vestitum,  sofern  im  Regenbogen  die  himmlische 
Sonne  in  irdischen  Farben  incarnirt  wird,  und  circumdat 
immensum ,  sofern  er  gleichsam  den  ganzen  Himmel  umspannt. 
Aus  Menestrerii  symbol.  p.  613  und  614  ist  noch  hinzuzu- 
fügen: ein  Regenbogen  in  einer  ganz  schwarzen  Wolke,  der 
die  Empfängniss  der  heiligen  Jungfrau  bedeuten  soll,  mit 
der  Devise:  Ex  nigra ^  sed  pura.  Ein  anderer  Regenbogen, 
auf  die  Maria  Magdalena  gedeutet:    Ex  lachrymü  meus  decus, 

Reich,    das   tausendjährige. 

Die  Juden  glaubten,  wie  Jehovah  die  Welt  in  sechs 
Tagen  geschaffen,  am  siebenten  aber  geruht  habe,  so  werde 
auch  die  Weltgeschichte  in  sechs  Jahrtausenden  ablaufen ,  im 
siebenten  aber  der  Messias  kommen  und  tausend  Jahre  lang 
mit  dem  Volke  Gottes  die  Sabbathruhe  feiern.  Vgl.  die 
Citate  aus  dem  Talmud  bei  Züllich,  die  Offenb.  Joh,  IL  369, 


Reich,   das    tausendjährige.  267 

Die  Offenbarimg  Johannis  20,  3.  diente  zur  Verbreitung  der 

bleichen  Ansicht  ancb  unter  den  Christen.  Inzwischen  stimmte 
o 

die  Wiederkehr  des  Satans  nach  Vollendung  der  tausend  Jahre 
und  der  letzte  Kampf  und  Sieg,  wie  ihn  die  Offenbarung 
Johannis  schildert,  mit  der  von  den  Juden  vorausgesetzten, 
nicht  mehr  za  störenden  Sabbathruhe  eben  so  wenig,  wie 
ihr  irdischer  Messias  mit  dem  christlichen ,  ,, dessen  Reich 
nicht  von  dieser  Welt  ist.'^  Deswegen  lehnte  der  heilige 
Augustinus  die  sinnliche  Auffassung  ab,  indem  er  de  civit. 
Bei  20,  2.  sagt:  nur  die  Seelen  der  Heiligen  werden  vorder 
allgemeinen  Auferstehung  tausend  Jahre  lang  mit  Christo 
regieren.  Regnaverunt  cum  Jesu  mille  annis  animae  martyrum 
nonclum  sibi  corporibus  redditis.  Necpie  enim  piorum  animae 
mortuorum  separantur  ab  ecclesia.  —  Welche  umfassende  Ein- 
heit und  innere  Vollendung  auch  dem  Reiche  Gottes  auf 
Erden  noch  zu  Theil  werden  wird,  immerhin  kann  es  sich 
nur  um  „den  Ausdruck  eines  innern  Lebens'^  handeln,  in- 
dem wir  hier  ganz  „auf  ethischem  Gebiete'^  stehen  (Möhler, 
Symbolik  S.  444).  Von  einem  blos  sinnlichen  Wohlleben 
im  tausendjährigen  Reich,  wie  es  die  Juden  träumen,  kann 
also  eben  so  wenig  die  Rede  seyn ,  wne  von  der  gewalt- 
samen Einführung  desselben  im  Sinne  der  Hussiten  und 
Wiedertäufer. 

Die  Juden  träumen  von  einem  tausendjährigen  Reich ,  in 
welchem  ihr  Volk  allein  zuletzt  auf  Erden  herrschen  würde. 
Die  Erde  wird  wieder  Paradies.  In  der  Mitte  steht  der  Baum 
des  Lebens  von  so  ungeheurer  Höhe ,  dass  fünfhundert  Jahre 
nöthig  sind,  um  ihn  abzuschneiden.  Die  Juden  erhalten  die 
Grösse  der  patriarchalischen  Zeit  zurück.  Jeder  wird  200  Ellen 
lang.  Die  Erde  bringt  von  selber  Speisen  aller  Art  und 
Kleider  hervor.  Ein  Waizenkorn  ist  so  gross  wie  zwei 
Ochsennieren;  die  Traube  so  gross,  dass  man  die  einzelnen 
Beeren  wie  Fässer  anzapft.  Alles  ist  nur  Wohlleben  und 
Ueppigkeit.  Die  Weiber  empfangen  und  gebären  an  dem- 
selben Tag  etc.  Eisenmenger,  entdecktes  Judenth.  H.  296  f, 
817  f,    Gfrörer^  Jahrhundert  des  Heils  IL  242, 


S68  Reinigung  Maria. 

Die  christliche  Sekte  der  Chiliasten  oder  Millenarier  ging 
von  einer  ziemlich  unschuldigen  Hoffnung  aus,  verirrte  aber 
nach  und  nach  in  Ausschweifungen,  die  jenen  jüdischen  nur 
wenig  nachgaben.  Sie  hofften  nämlich,  den  vollkommenen 
und  idealen  Zustand  des  Reiches  Gottes  auf  Erden,  wie  er 
am  Ende  der  Zeit  seyn  sollte,  schon  jetzt  herstellen  zu 
können,  wenigstens  insu! arisch ,  eine  kleine  fromme  Gemeinde 
für  sich,  in  der  vollkommene  Gleichheit  und  Brüderlichkeit, 
Gemeinschaft  des  Vermögens  und  allgemeine  gegenseitige 
Liebe  herrschte.  Das  führte  aber  schon  frühe  zu  sinnlicher 
Entartung,  Gemeinschaft  der  Weiber  und  zum  sogenannten 
Adamismus,  indem  man  dem  Adam  vor  dem  Sündenfalle  im 
paradiesischen  Zustande  gleichen  wollte.  Andere  Sektirer 
fassten  die  Sache  noch  rigoristischer.  Sie  wollten  nicht  blos 
für  sich  und  ihre  nächsten  Gesinnungsgenossen  jenes  Frie- 
densreich gründen ,  sondern  die  ganze  Menschheit  mit  Gewalt 
in  diese  Bahn  bringen.  So  war  das  Ziel  der  Hussiten  Her- 
stellung des  Reiches  Gottes  auf  Erden,  aber  das  Mittel: 
Todtschlag  aller  Sünder,  damit  nur  die  Heiligen  allein  übrig 
blieben.  Das  Reich  der  Wiedertäufer  in  Münster  gab  im 
Jahre  1535  ein  abschreckendes  Beispiel  des  communistischen 
Wahnsinns,  zu  dem  der  missverstandene  Chiliasmus  führen 
kann.  Die  Wiedertäufer  th eilten  Güter  und  Weiber  und 
emancipirten  sich  von  jeder  Scham,  weil  sie  sich  für  die  allein 
Heiligen  auf  Erden  hielten,  denen  Alles  erlaubt  sey. 

Reinigung    Maria. 

Da  die  unbefleckte  Jungfrau  keiner  Reinigung  bedurfte, 
so  bezweckte  ihr  Gang  zum  Tempel  nur  die  Darstellung  des 
neugebornen  Kindes  und  die  übliche  Opferung.  Diese  Cere- 
monie  erfolgte  bei  den  Juden  40  Tage  nach  der  Geburt 
eines  Knaben,  80  Tage  nach  der  eines  Mädchens.  Man 
brachte  dabei  dem  Jehovah  ein  Lamm  zum  Opfer,  Aermere 
aber  brachten  zwei  Tauben.  Das  war  zur  Sühne  und  zum 
Ersatz  der  Erstgeburt,  die  dem  Jehovah  als  Opfer  gebührte. 


Reinigung  Maria.  ^69 

In  diesem  althebräisclien  Opfer  aber  war  die  grosse  Opferung 
Christi  vorgebildet ,  so  wie  auch  Lamm  und  Taube  seine  Sinn- 
bilder sind.  Durandij  rat.  VII.  7.  Jamin,  Geschichte  der 
Kirchenfeste  S.  86.  Man  hat  auch  Beziehungen  des  christ- 
lichen Reinigungsfestes  auf  das  altheidnische  gesucht,  wel- 
ches um  dieselbe  Zeit  gefeiert  wurde ,  weil  die  vom  Winter 
schmutzige  Erde  durch  den  Frühlingsregen  gereinigt  und  zur 
Hervorbringung  der  Pflanzen  vorbereitet  wird.  Auch  wurde 
bemerkt,  das  christliche  Fest  sey  im  Jahr  542  nach  einer 
grossen  Pest  eingeführt  w^orden  mit  Beziehung  auf  die  Rei- 
nigung des  Menschengeschlechts  von  diesem  üebel.  Schrökh, 
Kirchengeschichte  XVII.  486.  Indess  sind  diese  symbolischen 
Deutungen  der  Hauptbedeutung  nur  untergeordnet.  —  Alt- 
testamentalisches  Vorbild  der  Darstellung  im  Tempel  ist  die 
Darstellung  des  Samuel  durch  seine  Mutter.  Deshalb  werden 
sie  beide  in  der  alten  bihlia  pauperum  nebeneinander  gestellt. 
Heinecken,  Nachrichten  von  Künstlern  IL  119. 

Lucas  2,  22  f.  bringt  ein  tieferes  poetisches  Motiv  in  die 
Feier,  indem  er  dem  zarten  Kinde  den  hochbetagten  Simeon 
gegenüberstellt,  der  den  Tod  nicht  sehen  sollte,  er  hätte 
denn  zuvor  den  Herrn  gesehen,  und  der  nun  beim  Anblick 
des  göttlichen  Kindes  mit  Entzücken  ausruft:  „Nun  lassest 
du  deinen  Knecht  in  Frieden  fahren!"  Man  weiss  nicht,  wer 
dieser  Simeon  gewesen  ist,  erst  später  hat  man  einen  vor- 
nehmen Priester  aus  ihm  gemacht,  und  ihn  überhaupt  als 
Repräsentanten  des  alten  Priesterthums  im  Gegensatz  gegen 
die  neue  Kirche  aufgefasst ,  sofern  in  dem  alten  Levitenthum 
schon  eine  Ahnung  der  christlichen  Kirche  gelegen,  die  jetzt 
erst  in  Erfüllung  ging.  Nahe  liegt  auch  die  Parallele  zwi- 
schen dem  alten  Simeon,  der  erst  stirbt,  nachdem  er  den 
Herrn  gesehen,  und  Moses,  der  erst  stirbt,  nachdem  er  das 
gelobte  Land  gesehen. 

Die  Scene  ist  sehr  oft  gemalt  worden  und  bietet  zunächst 
dasselbe  Motiv  dar,  wie  die  Anbetung  der  Könige,  indem 
der  malerische  Reiz  hauptsächlich  im  Contrast  des  Kindes 
mit  dem  Greise  liegt.     Doch  ist  der  Ausdruck  des  alten  Kö- 


210  Religion. 

nigSj  der  vor  dem  Christkind  kniet  und  auf  dessen  kahlen 
Scheitel  es  seine  weichen  Händchen  legt,  durchweg  demü- 
thige  Anbetung,  während  der  Ausdruck  Simeons  mehr  freu- 
diges Staunen  und  die  Aufregung  ist,  die  sich  des  hinfäl- 
ligen Greises  bemächtigen  muss,  indem  er  zugleich  Gott  und 
dem  Tode  in's  Gesicht  sieht.  Die  Genialität  dieses  Motives 
ist  wohl  nicht  von  allen  Malern  erfasst  worden.  Insgemein 
geben  sie  dem  Simeon  die  Miene  und  Haltung  eines  zärt- 
lichen Grossvaters ,  der  das  Kind ,  wenn  auch  mit  einer  Bei- 
mischung von  Ehrfurcht,  doch  nur  liebkost,  und  dem  man 
nicht  ansieht,  dass  er  an  den  Tod  denken  soll.  Scheinbar 
besser  sind  die  Darstellungen,  auf  denen  er,  indem  er  das 
Kind  hält,  dankbar  zum  Himmel  emporblickt  (z.  B.  von  Guido 
Reni) ;  allein  wenn  man  erwägt ,  dass  er  Gott  selbst  in  dem 
Kinde  schauen  soll,  so  darf  er  nicht  vom  Kinde  weg  nach 
dem  Himmel  sehen.  Es  ist  schicklicher  und  natürlicher,  dass 
er  ganz  in  den  Anblick  des  Kindes  versunken  bleibt. 

Religion. 

Vgl.  die  Artikel  Glauben  und  Kirche. 

Die  allegorische  Darstellung  der  Religion  gehört  entwe- 
der als  fides  zu  den  christlichen  Tugenden  oder  sie  bedeutet 
die  Autorität ,  die  Geschichte  und  den  Sieg  der  Kirche.  Ins- 
gemein ist  es  eine  verschleierte,  madonnenartige,  weibliche 
Gestalt ,  die  ein  Kreuz  in  den  Armen  hält.  Von  den  Trium- 
phen der  „Kirche",  die  besonders  häufig  im  ITten  Jahrhun- 
dert gemalt  wurden,  unterscheidet  sich  „die  in  den  Künsten 
triumphirende  Religion"  von  Overbek  (vgl.  Kunstbl.  1840. 
S.  431.)  eigentlich  nicht,  sofern  hier  die  Gläubigkeit  und  die 
äussere  Pracht  der  Kirche  zusammenfällt.  Inzwischen  sind 
Selbstbespiegelungen  der  Kunst,  selbst  der  heiligen  Kunst, 
nicht  zu  loben.  Die  Kunst,  die  andachtsvoll  vor  dem  heiligen 
Gegenstande  knieen  soll,  geräth  zu  leicht  in  die  Gefahr,  sich 
nur  wie  Narcissus  in  sich  selbst  zu  verlieben.  Diese  Kunst- 
preisungen  gehören   dem   modernen   Cultus    des  Genius   an 


Richter,   die.  271 

und  schliessen  sich  schon  deswegen  principiell  von  der  hei- 
ligen Kunst  aus ,  sogar  wenn  sie  sich  speciell  auf  die  heilige 
Kunst  beziehen.     Soli  Deo  gloria. 


Richter,   die. 

In  den  ersten  Jahrhunderten  seit  der  Einwanderung 
der  Juden  in  Kanaan  heissen  ihre  obersten  Lenker  Richter 
(Schophtim).  Es  sind  nicht  die  Hohenpriester,  obgleich  sie 
zuletzt  mit  denselben  in  Eli  zusammenfallen ;  vielmehr  stehen 
sie  als  die  weltlichen  Richter  und  Heerführer  neben  den 
Hohenpriestern,  wie  Moses  neben  Aaron,  Josua  neben  Eleazar. 
Es  hat  nicht  immer  Richter  gegeben,  sie  treten  nur  in  kri- 
tischen Zeiten  als  Retter  hervor,  und  es  ist  sogar  einmal  ein 
Weib  (die  Deborah)  Richterin,  zum  Beweise,  dass  hier  immer 
nur  wieder  Erweckte  zu  verstehen  sind,  die  der  Herr  auf- 
ruft, wie  er  früher  den  Abraham,  den  Moses  aufrief.  An 
ein  ununterbrochenes  Amt  ist  dabei  nicht  zu  denken,  eben 
so  wenig  an  eine  Erbfolge.  Der  Versuch  des  Sohnes  Gideons^ 
das  Richteramt  erblich  zu  machen,  misslang  kläglich. 

In  derselben  Zeit  sehen  wir  die  Kinder  Israel  in  fast  un- 
aufhörlichem Streit  mit  ihren  arabischen,  syrischen  und  phöni- 
kischen  Nachbarn,  und  von  denselben  häufig  unterjocht;  die 
Einheit  unter  den  jüdischen  Stämmen  selbst  erscheint  meist  ganz 
aufgelockert,  und  das  Ansehen  der  Stiftshütte  tief  gesunken. 
Massenweise  buhlen  die  Kinder  Israel  mit  den  fremden  Götzen 
und  vermischen  sich  mit  fremden  Weibern,  was  natürlich  ihre 
Selbstständigkeit  untergräbt  und  den  heidnischen  Nachbarn 
den  Sieg  erleichtert.  So  ist  denn  die  grosse  Erhebung  des 
Volkes  unter  Moses  wieder  vergessen ;  die  Erfüllung  der  Weis- 
sagung, die  dem  Abraham  geworden,  die  endliche  Einfüh- 
rung der  Kinder  Israel  in  ihr  verheissenes  Erbe,  der  Besitz 
des  gelobten  Landes  hat  sie  nicht  dankbar  gemacht;  der  Gott 
der  Väter,  der  sich  so  gnädig  an  ihnen  erwiesen,  wird 
nicht  mehr  von  ihnen  geehrt;  fremde  Götzenbilder  erheben 
sich  rings  im  Lande  und  ihnen  dampft  der  Weihrauch.     Die 


27^  Richtschnur. 

grosse  Idee  der  republikanischen  Theokratie  kann  unter  einem 
so  erbärmlichen  Volke  nicht  verwirklicht  werden.  Wie  viele 
Generationen  auch  aufeinander  folgen ,  keine  genügt ;  die 
Gegen w^art  ist  immer  eine  verlorne,  und  nur  der  Blick  in 
die  Zukunft  erfrischt  den  gesunkenen  Muth.  Die  ganze  jü- 
dische Geschichte  ist  ja  nur  Vorbereitung  auf  die  christliche. 
Das  ganze  alte  Testament  ist  nur  die  Verheissung  des  neuen. 
Die  messianische  Idee  ist  der  goldne  Faden ,  der  sich  durch 
das  alte  Testament  fortzieht,  ohne  den  es  keinen  Sinn  hätte. 
Tiefe  Sehnsucht  aus  dem  Schlamme  der  Corruption,  aus  dem 
immerwährenden  Zurücksinken  in's  Heidenthum  ist  der  poe- 
tische Charakter  des  Buchs  der  Richter  und  des  Buchs  Sa- 
muels, wie  der  späteren  prophetischen  Bücher.  Diese  Sehn- 
sucht des  alten  Testamentes  aber  motivirt  das  neue. 

Unsre  wirre  Zeit,  in  der  so  viel  wieder  mit  allen  Arten 
des  Heidenthums  gebuhlt  wird,  das  Verband  der  Christen 
im  Innern  so  tief  gelockert  und  überall  Kampf  ist,  hat  viele 
Aehnlichkeit  mit  jener  alten  Zeit  der  Richter. 

Richtschnur 

oder  Winkelmaass,  Canon,  daher  alles  Gesetzliche,  auf  gil- 
tigen Beschlüssen  der  Concilien  und  Verordnungen  der  Päpste 
Gegründete  in  der  Kirche  canonisch  heisst,  weil  es  den  Gläu- 
bigen Maass  und  Richtschnur  ist. 

Ring, 

Sinnbild  einer  ewigen  Verbindung,  sofern  die  Kreisform  ohne 
Anfang  und  Ende  (die  sich  in  den  Schwanz  beissende  Schlange) 
die  Ewigkeit,  der  Ring  als  Glied  an  der  Kette  aber  die  feste 
Verbindung  bedeutet.  Daher  uraltes  Zeichen  der  ehelichen 
Verlobung,  der  Ring,  den  Braut  und  Bräutigam  gegenseitig 
austauschen.  Binterim,  Denkw.  VI.  2.  114,  irrt,  wenn  er 
unter  dem  Brautring  den  Siegelring,  das  Zeichen  der  Be- 
schliesserin ,  der  künftigen  Hausfrau  versteht.  —  Der  Braut- 


Ritter.  27S 

ring  ist  Attribut  der  heiligen  Katharina  von  Siena,  die  ihn 
vom  Christkind  empfing.  Aucli  der  heiligen  Ida,  die  über 
dem  Haupt  der  Bräute  Christi  (Nonnen)  Ringe  schweben  sah. 
—  Auch  die  geistlichen  Siegelringe  bedeuten  zugleich  die 
Vermählung  des  Bischofs  mit  der  Kirche  und  Kraft  des  Sie- 
gels, die  Herrschaft  und  den  Besitz  des  Amtes.  Der  Papst 
wird  mit  dem  Fischerring  Petri  begabt,  auf  dem  das  Bild 
des  fischenden  Petrus  dargestellt  ist.  Ueber  den  Bing,  den 
der  Doge  von  Venedig  jährlich  in's  Meer  warf,  vgl.  d.  Ar- 
tikel S.  Marcus. 

Drei  ineinander  verkettete  Ringe  sind  Sinnbild  der  hei- 
ligen Dreieinigkeit.  Nur  zwei  übereinander  erhobene  Ringe 
oder  Kreise  bedeuten  Himmel  und  Erde.  Vgl.  die  Artikel 
Dreieinigkeit  und  Nimbus. 

St.  Robert  wurde  Stifter  des  Cisterzienserordens  im  1  Iten 
Jahrhundert.  Als  seine  Mutter  mit  ihm  schwanger  ging, 
träumte  sie,  Maria  erschiene  ihr  mit  einem  Ringe,  um  sich 
mit  ihrem  künftigen  Sohne  zu  vermählen.  Er  widmete  sich 
daher  auch  von  früher  Jugend  auf  gänzlich  der  Himmels- 
königin, und  gründete  im  Wald  Citeaux  in  Burgund  das 
weltberühmte  Kloster,  das  die  Mutter  zahlloser  andrer  wurde, 
1098.  29.  April.  Ein  im  römischen  Colosseum  Ball  spielen- 
der Jüngling  steckte  seinen  Ring,  der  ihn  beim  Spielen  hin- 
derte, einer  in  der  Nähe  stehenden  Statue  der  Mutter  Gottes 
an  den  Finger.  Als  er  ihn  wieder  nehmen  wollte,  krümmte 
sich  der  Finger  und  liess  den  Ring  nicht  mehr  los.  Der 
Jüngling  erkannte  daraus,  er  sey  der  heiligen  Jungfrau  ver- 
lobt und  widmete  sein  übriges  Leben  ihrem  Dienste.  Nach 
Mion  und  Maerland. 

Ritter. 

Ritterlichkeit  ist  eine,  besonders  bei  den  tapfern  abend- 
ländischen Völkern  beliebte  Form,  in  welcher  eine  der  Car- 
dinal tugen  den  (fortitudo)  erscheint.  Schon  im  alten  Testament 
führt  Jehovah  das  Schwert,  Helm,  Harnisch,  indem  er  das 
Böse  bekämpft  und  straft  und  die  bedrängte  Unschuld  rettet. 

Menzel,  christl.  Symbolik.    U.  |3 


274  Ritter. 

Auch  Christus  erscheint  in  einem  spanischen  Auto  des 
Lope  de  Vega  als  ^Kreuzritter'-.  Leviathan  hat  am  Eingang 
aller  Menschen  in's  Leben  eine  Brücke  gebaut  und  lässt  keinen 
herüber,  der  nicht  dem  Bösen  zuschwört.  Alle  Menschen 
thun  das  und  kommen  dadurch  in  seine  Gewalt.  Nur  Maria 
nicht,  vor  der  er  zusammenbebt.  Darauf  rüstet  sich  ihr  Sohn 
als  Kreuzritter  mit  Schild  und  Lanze,  besiegt  den  Leviathan, 
befreit  die  Menschheit  und  baut  eine  andere  Brücke  zum 
Himmel,     v.  Schack,  dram.  Lit.  d.  Spanier  IL  408. 

In  Gassiers  hist.  de  la  chevalerie^  1814,  werden  die  rit- 
terlichen Waffen  also  christlich  gedeutet.  Das  Schwert  be- 
deutet das  Kreuz;  die  Lanze,  ihrer  Geradheit  wegen,  die 
Wahrheit;  der  Helm,  weil  er  die  Augen  deckt  und  zwingt, 
niederzusehen,  die  Demuth;  der  Harnisch  Schutz  gegen  alle 
Laster;  der  Sporn  die  Ehre;  der  Schild  die  Pflicht;  der  Hand- 
schuh endlich  die  Sorge,  nichts  Schlechtes  und  Verbotenes 
anzurühren. 

Ritterliche  Rüstung  kommt  dem  streitbaren  Erzengel 
Michael  zu,  den  heiligen  Helden  St.  Georg,  St.  Moriz, 
St.  Gereon  etc.  Man  findet  sie  in  goldnen  Rüstungen  bei- 
sammen auf  einem  Bild  des  Theodorich  von  Prag  auf  dem 
Schlosse  Karlstein.  Wiener  Jahrb.  27,  39.  Ein  gefesselter 
und  im  Wald  einsam  verschmachtender  Ritter  ist  der  heilige 
Wilhelm.  —    lieber  die  vierzig  Ritter  vgl.  d.  Artikel  Eis. 

Sofern  der  ritterliche  Michael  nur  den  Engeln  vorsteht, 
Georg  aber  fast  immer  nur  einzeln  im  Kampf  mit  dem  Dra- 
chen erscheint,  ist  es  dem  heiligen  Mauritius  (Moriz)  vorbe- 
halten geblieben,  auf  Kirchenbildern  die  übrigen  heiligen 
Ritter  anzuführen.  Denn  er  war  im  Leben  Anführer  der 
thebaischen  Legion  {legio  fulminatrix)  und  wurde  sammt  der 
ganzen  Legion,  da  sie  als  Christen  den  Götzen  nicht  opfern 
wollten,  in  Wallis,  unfern  vom  Genfersee,  hingerichtet.  Erst 
wurde  die  Legion  decimirt,  dann  schlug  man  vollends  alle 
todt.  22.  Sept.  280.  Auf  sein  Grab  wurde  das  berühmte 
Kloster  S.  Maurice  erbaut.  Man  bildet  ihn  ab  als  einen 
Mohren,  schwarz,  aber  schön  und  edel  in  ritterlicher  Rüstung 


Ritter.  275 

mit  der  Fahne  in  der  Hand.  So  malte  ihn  Hermskerk  in  der 
Boisseree'schen  Sammlung.  So  Theodorich  von  Prag  im  böh- 
mischen Schlosse  Karlstein.  Wiener  Jahrb.  27.  40.  Wie  er 
sich  weigert,  den  Götzen  zu  opfern,  und  wie  er  enthauptet 
wird,  malte  De  Marcs  in  München.  —  Die  Schwester  des 
Heiligen,  die  heilige  Fides,  wird  auch  als  Mohrin  gemalt. 
Otte,  Kunstarchäologie  S.  130.  Sofern  der  Heilige  Patron 
von  Magdeburg  ist ,  knüpfen  sich  an  seine  Bilder  noch  merk- 
würdige Sagen.  Als  einst  Erzbischof  Odo  das  Stift  schlecht 
verwaltete  und  auf  keine  Warnung  hörte,  erschien  Christus  mit 
der  thebaischen  Legion  und  befahl  dem  heiligen  Moriz,  sein 
Schwert  zu  ziehen  und  den  bösen  Bischof  zu  enthaupten,  wie 
auch  geschah.  Sommer,  sächs. - thüring.  Sagen  I.  51.  Ein 
Bild  in  Halle  stellt  ihn  bedeckt  mit  Schellen  dar  (wahrschein- 
lich in  einer  Zeit  gemalt,  in  der  Schellen  eine  neue  Mode- 
tracht der  Ritter  waren).  Davon  heisst  er  der  Schellenmoriz. 
Nun  erzählt  aber  das  Volk,  er  sey  der  Bauherr  der  Kirche 
und  so  böse  gewesen,  dass  ihm  seine  fromme  Schwester 
Schellen  angehängt  habe ,  damit  die  Arbeiter  immer  wüssten, 
wann  er  käme.  Derselbe  Schellenmoriz  spielt  auch  eine  Rolle 
in  der  Prozession  am  dritten  Pfingstfeiertag.  Daselbst  S.  75 
und  153. 

Ein  anderer  berühmter  Ritter,  der  heilige  Norbert,  zu 
Xanten  am  Rhein  geboren,  aus  dem  Geschlecht  von  Gennep, 
lebte  sehr  üppig,  bis  ihn  einmal  unterwegs  ein  Ungewitter 
überfiel  und  ein  Blitz  ihn  vom  Rosse  warf,  wie  den  heiligen 
Paulus.  Von  Stund  an  bekehrte  er  sich  und  gründete  im 
dunkeln  Thale  Premontre  das  berühmte  Prämonstratenser- 
kloster  und  einen  neuen  Mönchsorden  nach  seiner  strengen 
Regel.  Weltberühmt  durch  die  strenge  Zucht,  die  er  übte, 
ward  er  nach  Deutschland  zurückgerufen  und  starb  als  Erz- 
bischof von  Magdeburg,  6.  Juni  1134.  Ein  eigenthümhches 
Wunder  geschah  lange  nach  seinem  Tode.  Als  Magdeburg 
protestantisch  geworden,  wünschte  der  Kaiser  die  Reliquien 
des  heihgen  Norbert  heraus,  und  im  dreissigj ährigen  Kriege 
drang  er  auf's  Ernstlichste  darauf  und  drohte  der  Stadt  mit 

18* 


276  Rittersporn. 

seinem  ganzen  Zorn.  Der  Magistrat  war  nun  auch  gern 
bereit,  die  Reliquien,  die  für  Protestanten  keinen  Werth 
hatten,  herauszugeben,  aber  die  Bürgerschaft,  obgleich  pro- 
testantisch, widersetzte  sich,  weil  eine  alte  Sage  ging,  Magde- 
burg könne  nicht  erobert  werden,  so  lange  es  den  heiligen 
Norbert  in  seinen  Mauern  habe.  Endlich  Hessen  sich  die 
Bürger  durch  Zureden,  nicht  so  abergläubig  und  papistisch 
zu  denken,  überreden,  den  Leichnam  ziehen  zu  lassen,  und 
schon  im  nächsten  Jahre  wurde  Magdeburg  erobert  und 
verbrannt. 

Rittersporn, 

Attribut  der  heiligen  Ottilie.  Wer  drei  dieser  Blumen  in 
Jungfernwachs  gewickelt  am  Halse  trägt  und  drei  Messen  zu 
Ehren  der  heiligen  Ottilie  lesen  lässt,  auch  drei  Almosen  in 
ihrem  Namen  ertheilt,  der  wird  von  kranken  Augen  heil. 
Grimm,  d.  Mythol.  auf  der  vorletzten  Seite  der  ersten  Auf- 
lage. Dieser  Aberglauben  stammt  wohl  aus  heidnischen  Er- 
innerungen. Rittersporn  kommt  bei  den  heidnischen  Ge- 
bräuchen vor,  die  sich  an  das  Johannisfeuer  knüpfen.  Zu 
Johanni  endet  der  Siegeslauf  der  Sonne,  der  mit  Weihnach- 
ten begann,  und  fangen  die  langen  Nächte  der  Winterzeit  an. 
Aber  die  Sonne,  obgleich  im  Winter  erblindend,  gelangt  im 
nächsten  Frühling  wieder  zu  vollem  Glänze.  Die  heilige 
Ottilie,  als  Heidin  blind,  wurde  als  Christin  sehend.  Die 
Blume  nun,  die  zu  Johanni  blüht,  sollte  daran  erinnern, 
dass  Blindheit,  Nacht  und  Tod  nicht  ewig  dauern. 

Rock. 

Der  bunte  Rock,  den  Jakob  seinem  geliebtesten  Sohne 
Joseph  hatte  machen  lassen,  der  seiner  Brüder  Neid  erregte 
und  mit  Blut  besprengt  dem  Vater  gebracht  wurde,  ist  alt- 
testamentalisches  Vorbild  des  heiligen  Rockes  unsers  Heilan- 
des, der  den  Schergen  zu  Theil  wurde  und  um  den  sie 
würfelten. 


Rock.  S77 

Nach  den  Apokryphen  ist  der  ungenähte  Rock  des  Hei- 
landes von  der  heiligen  Jungfrau  Maria  schon  auf  der  Flucht 
in  Aegypten  aus  der  reinen  Wolle  eines  Lammes  für  das 
Christkind  gewebt  worden  und  mit  demselben  gewachsen. 
Er  hat  das  heilige  Kind  schon  in  seiner  Jugend  vor  allen 
Elementen  geschützt,  im  brennenden  Ofen  und  im  tiefen 
Wasserbrunnen  lebend  erhalten.  Vgl.  Hofmann,  Apokryphen 
S.  190. 

Als  der  Heiland  am  Kreuz  hing,  wurde  sein  Rock,  wie 
bei  Hinrichtungen  üblich  war ,  den  Kriegsknechten  zur  Beute 
überlassen ;  weil  das  Gewand  aber  ohne  Nath  war,  zertheilten 
sie  es  nicht,  sondern  würfelten,  wer  es  besitzen  solle.  Matth. 
27,  25.  Job.  19,  23.  Hierin  liegt  eine  tiefsinnige  Symbolik. 
Der  Rock  bedeutet  als  äusseres  Kleid  des  Heilandes  die  Kirche, 
die  eben  so  wenig  je  getrennt  und  in  Stücke  zerrissen  wer- 
den soll,  wie  der  heilige  Rock,  und  die  zwar  in  fremde  Ge- 
walt ~  fallen ,  aber  doch  nicht  aus  ihrem  Zusammenhange 
gerissen  werden  noch  die  Eigenschaft,  einziges  Eigenthum 
ihres  ursprünglichen  Herrn  zu  seyn,  verlieren  kann. 

Daran  nun  zu  erinnern,  war  im  Jahr  1844,  als  die  Fluthen 
des  Unglaubens  am  höchsten  wogten  und  unberufene  Scher- 
gen von  allen  Orten  um  das  Erbe  der  Kirche  würfelten ,  die 
rechte  Zeit  gekommen,  und  dadurch  erhielt  die  Ausstellung 
des  zu  Trier  als  hochverehrte  Reliquie  aufbewahrten  heiligen 
Rockes  eine  weltgeschichtliche  Bedeutung.  Mehr  als  eine 
Million  andächtiger  Wallfahrer  knieten  vor  dem  heiligen 
Zeichen,  um  die  zu  beschämen,  die  das  Wesen  selbst  nicht 
mehr  achteten. 

Im  gleichen  Jahr  wurde  die  Geschichte  des  heiligen 
Rockes  ausführlich  beschrieben  von  Marx,  v.  Hammer  und 
Andern.  Von  der  Hagen  aber  gab  das  altdeutsche  Gedicht 
heraus ,  in  welchem  die  Legende  desselben  enthalten  ist. 
Hier  nur  ein  kürzester  Auszug  daraus.  Herodes  soll  befoh- 
len haben ,  den  ihm  verhassten  Rock  in's  Meer  zu  versenken, 
aber  eine  Sirene  brach  den  Steinsarg  auf,  worin  er  ruhte,  und 
nun   spülten  ihn  die  Wellen  an's  Ufer,  wo  ihn  ein  Pilger 


S78  Rohrstab. 

fand.  Als  dieser  aber  die  Blutflecken  nicht  auswaschen  konnte, 
ahnte  er,  dass  es  ein  Kleid  sey,  das  kein  Sünder  tragen 
dürfe  und  gab  es  dem  Meere  zurück.  Ein  Wallfisch  ver- 
schlang den  Rock,  wurde  aber  vom  jungen  Orendel  gefangen. 
Orendel  war  ein  Sohn  des  Königs  Eigel  von  Trier  und  aus- 
gefahren, um  die  schöne  Brida,  die  Herrin  des  heiligen 
Grabes ,  zu  freien.  Allein  er  litt  im  Klebermeer  Schiöbruch, 
entkam  nackt  und  bloss  und  diente  nun  bei  einem  Fischer, 
mit  dem  er  den  Wallfisch  fing.  Mit  dem  Rock  angethan,  hat 
er  übermenschliche  Kraft,  siegt  in  jedem  Kampfe,  gewinnt 
auch  die  schöne  Königin,  erfährt  aber  durch  einen  Engel, 
wessen  das  Kleid  gewesen,  das  er  trage,  und  entsagt  sofort 
allem  irdischen  Glück,  und  sowohl  er  als  Brida  widmen 
sich  dem  Himmel.  So  kam  der  heilige  Rock  nach  Trier. 
Vgl.  die  Sage  vom  heiligen  Rock,  herausg.  von  H.  von  der 
Hagen ,  1844.  Nach  Anderen  war  es  die  heilige  Helena, 
Mutter  Constantins  des  Grossen ,  die  den  heiligen  Rock  nach 
Trier  brachte. 

Ein  schönes  altes  Kirchenlied  lautet: 

Oui  coelos  implet  luviine 
Ornat  quoque  siderihiis 
Et  quem  adorant  aiigeli, 
Vestitu  privant  milites. 

Olli  vestit  volatüia 
Diveraisque  coloribus 
Et  ornat  agros  roseis , 
Ipse  privatiir  vestihus. 

Precamiir  ergo  cernui 
7V  Creator  ein  saeculi , 
Jam  SIC  privatus  vestihus 
Nos  indue  virtutibtis.     Amen. 

Rohrstab, 

Sinnbild  der  Gebrechlichkeit.  Aegypten  soll  wie  ein  Rohr- 
stab zerbrochen  werden.  2.  Könige  18,  21.  Jesaias  36,  6.  — 
Ein  Rohrstab,    dem  Heiland   zum   Spott   als   Scepter  in   die 


Rose.  379 

gebundenen  Hände  gesteckt,  kennzeichnet  ihn  als  Ecce  homo. 
—  Ein  kleines  Kreuz  von  zwei  Rohrstäbchen,  kunstlos  zu- 
sammengebunden, ist  das  gewöhnliche  Attribut  Johannes  des 
Täufers  in  seiner  Kindheit. 


Rose, 

uraltes  Sinnbild  der  Liebe,  daher  in  der  christlichen  Sym- 
bolik vorzugsweise  der  Maria,  als  der  Mutter  der  Liebe  und 
des  Erbarmens  und  der  allgemeinen  Fürbitterin  für  die  Sün- 
der; ferner  Sinnbild  der  Gebete,  die  sich  zum  Rosenkranz 
aneinander  reihen.  Daher  auch  der  Glaube,  dass  der  Teufel, 
als  Princip  des  Hasses ,  keine  Rosen  leiden  könne  und  durch 
den  Geruch  dieser  Blume  aus  Besessenen  vertrieben  werde. 
Görres,  Mystik  IV.  1.  350. 

Inzwischen  hält  die  christliche  Symbolik  vornehmlich  die 
Blutfarbe  der  Rose  fest  und  bringt  die  Blume  in  Verbindung 
mit  dem  allerheiligsten  Blut,  vergossen  von  der  göttlichen 
Liebe,  um  die  Menschen  zu  erlösen.  Zunächst  in  der  spä- 
tem Poesie  der  Jesuiten,  wie  in  den  herrnhutischen  Gesang- 
büchern blühen  aus  dem  Blute  des  Heilandes  die  reichsten 
Rosen  der  Liebe  auf.  Die  Seele  wird  zur  Biene,  die  nach 
der  Seitenwunde  Jesu  wie  zur  süssen  Rose  fliegt.  „Niemand, 
der  die  Dornen  scheut,  geht  in  seine  Rosen  ein."  Herrnhuter 
Gesangbuch  1741.  S.  350.  Unter  den  Rosen,  mit  denen  die 
wichtigsten  Momente  im  Leben  Jesu  in  einem  alten  Kirchen- 
liede  verglichen  werden,  ist  die  letzte  und  schönste  sein  Tod 
am  Kreuz.  Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  157.  Nach  einer 
wahrscheinlich  modernen  Legende  entstand  die  Moosrose  aus 
einem  Tröpfchen  Blut  des  Heilands,  welches  in's  Moos  fiel. 
Blumen,  Leipzig  1847.  S.  94.  —  Auch  dem  Blut  der  Märtyrer 
entblühen  Rosen.  In  dem  schönen  altlateinischen  Hymnus  auf 
die  unschuldigen  Kindlein  heisst  es : 

Ouos  lucis  ipso  in  liinine 
Christi  insecutor  svstulit 
Ccu  turho  nascentes  rosas. 


280  Rose. 

Nach  Herders  Dichtungen  aus  der  morgenländischen  Sage 
kommt  die  rothe  Färbung  der  Rose  von  dem  ersten  Blut  her, 
das  auf  Erden  vergossen  wurde:  ;,Tief  in  der  Mitternacht 
vor  jenem  Frühlingsfeste,  an  welchem  die  ersten  Zwillings- 
söhne des  Menschengeschlechts  dem  Schöpfer  ein  Dankopfer 
bringen  sollten ,  sah  ihre  Mutter  im  Schlaf  einen  wunderbaren 
Traum.  Die  weissen  Rosen,  die  ihr  jüngerer  Sohn  um  seinen 
Altar  gepflanzt,  waren  in  blutige  vollere  verwandelt,  die  sie 
noch  nie  gesehen.  Sie  wollte  die  Rose  brechen,  aber  sie 
zerfiel  vor  ihrer  Hand.  Auf  dem  Altar,  auf  welchem  sonst 
nur  Milch  geopfert  ward,  lag  jetzt  ein  blutiges  Lamm.  Wei- 
nende Stimmen  erhüben  sich  ringsum,  und  eine  Stimme  der 
Verzweiflung  war  in  ihnen,  bis  Alles  sich  zuletzt  in  süsse 
Töne  verlor,  in  Töne,  die  sie  noch  nie  gehört  hatte.  Und 
eine  schöne  Aue  lag  vor  ihr,  schöner  als  selbst  ihr  Jugend- 
paradies ;  und  auf  ihr  weidete  in  ihres  Sohnes  Gestalt  ein  weiss 
gekleideter  Schäfer.  Die  rothen  Rosen  waren  um  sein  Haar, 
und  in  der  Hand  hielt  er  ein  Saitenspiel,  aus  welchem  jene 
süssen  Töne  kamen.  Er  kehrte  liebreich  sich  zu  ihr,  er  wollte 
ihr  nahen  und  verschwand.  Der  Traum  verschwand  mit  ihm. 
Erwachend  sah  die  Mutter  des  Tages  Morgenröthe  wie  blutig 
aufgehen  und  ging  mit  schwerem  Herzen  zum  Opferfest.  Die 
Brüder  brachten  ihr  Opfer,  die  Eltern  gingen  heim.  Am 
Abend  aber  kam  der  jüngere  nicht  wieder.  Angstvoll  suchte 
die  Mutter  ihn ,  und  fand  nur  seine  zerstreute  traurige  Heerde. 
Er  selbst  lag  blutig  am  Altar:  die  Rosen  waren  mit  seinem 
Blute  gefärbt,  und  Kains  Aechzen  schallte  laut  aus  einer 
nahen  Höhle.  Ohnmächtig  sank  sie  auf  des  Sohnes  Leich- 
nam ,  als  ihr  zum  zweitenmal  das  Traumgesicht  erschien.  Ihr 
Sohn  war  jener  Schäfer,  den  sie  dort  im  neuen  Paradiese 
sah,  die  rothen  Rosen  waren  um  sein  Haar;  liebliche  Töne 
klangen  aus  seiner  Harfe ;  also  sang  er  ihr  zu :  ^^Schaue  hinauf 
gen  Himmel  zu  den  Sternen :  weinende  Mutter,  schaue  hinauf. 
Sieh  jenen  glänzenden  Wagen  dort!  er  fährt  zu  anderen 
Auen,  zu  schöneren  Paradiesen,  als  du  in  Eden  sahst;  wo 
die  blutgefärbte  Rose  der  Unschuld  voller  blüht,   und  alle 


Rose.  281 

Seufzer  sich  In  süsse  Töne  wandeln/^  —  Das  Trauragesicht 
verschwand;  gestärkt  stand  Eva  vom  blassen  Leichnam  ihres 
Sohnes  auf.  Und  da  sie  Morgens  ihn  mit  ihren  Thränen  be- 
thaut und  mit  den  Rosen  seines  Altars  bekränzt  hatte,  begruben 
Vater  und  Mutter  ihn  an  Grottes  Altar,  vorm  Angesicht  einer 
schönern  Morgenröthe.  Oft  aber  sassen  sie  an  seinem  Grabe 
zu  Mitternacht,  und  sahen  gen  Himmel  hinauf  zum  hohen 
Sternen  -  Wagen ,  und  suchten  ihren  Schäfer  dort." 

Eva  wird  auch  noch  in  andrer  Weise  mit  der  ersten 
Rose  in  Verbindung  gebracht.  So  lange  sie  in  Unschuld 
lebte,  war  die  Rose  weiss.  Erst  als  sie  in  die  Sünde  fiel 
und  zum  erstenmal  darüber  erröthete,  färbte  sich  auch  die 
Rose  roth.  Blumenwelt,  Halberst.  S.  124.  Der  heilige  Ba- 
silius  brauchte  das  Gleichniss ,  die  Rose  sey  anfangs  dornen- 
los gewesen,  je  mehr  und  länger  aber  die  Menschen  gesün- 
digt hätten,  um  so  mehr  Dornen  seyen  an  ihr  gewachsen. 

Die  Rose  ist  vorzugsweise  der  heiligen  Jungfrau  geweiht. 
Auf  sie  wird  die  Stelle  des  Hohenliedes  2,  2.  bezogen :  „Wie 
die  Rose  unter  den  Dornen ,  so  ist  meine  Freundin  unter  den 
Töchtern."  Maria  heisst  die  Rose  oder  der  Rosenzweig  von 
der  Wurzel  Jesse  oder  Isai  (Davids  Vater,  von  dem  sie 
stammte).  Jesaias  11,  1.     Daher  das  schöne  alte  Kirchenlied: 

Ein  Rose  ist  entsprung^en, 
Von  Jesse  war  die  Art. 

Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  160.  Maria  heisst  die  Rose 
ohne  Dornen.  Das.  Nr.  148.  Conrad  von  Würzburgs  goldne 
Schmiede,  von  W.  Grimm  XXXVH.  Maria  heisst  die  Rose 
aus  Anna's  Schooss.  Paderborner  Liederbuch  Nr.  92.  Ein- 
mal aber  wird  Maria  nur  als  der  Rosenstrauch  und  Christus 
als  die  Rose  selbst  bezeichnet.  Grimm,  altd.  Wälder  H.  1 99. 
—  Besonders  beliebt  war  im  Mittelalter  die  Vorstellung,  Maria 
sitze  im  Rosenhag  oder  Rosenthal.  So  in  Gottfried  von  Strass- 
burgs  Marienliede.  Haupts  Zeitschr.  IV.  520.  Wackernagel, 
Kirchenlied  Nr.  130.  So  ist  sie  gemalt  auf  einem  alten  Bild 
in  Strassburg  in  einer  Rosenhecke  voll  singender  Vögel. 
Waagen,  Deutschland  H.  318.     So  auch  auf  dem  berühmten 


282  Rose. 

Bilde  von  Scliongauer  in  Colmar.  Kunstblatt  1841.  S.  26. 
1846.  S.  170.  Und  auf  einem  Bilde  von  Botticelli,  thronend, 
von  Engeln  mit  Lichtern  umringt,  die  sie  mit  Rosen  kränzen. 
Kugler,  Berliner  Museum  S.  31.     - 

Die  sieben  Freuden  Maria's-  werden  als  sieben  Rosen 
besungen.  Görres,  Volks-  und  Meisterlieder  S.  319.  Eben 
so  alle  ihre  Tugenden  ihr  zum  Rosenkranz  geflochten.  Marian. 
Liederschatz.  Augsb.  1841.  S.  385.  Neben  einem  Muttergottes- 
bild bei  Lucca  wachsen  Rosen,  die  hoch  verehrt  werden, 
weil  einst  hier  ein  stummer  Hirtenknabe  eine  Rose  brach 
und  durch  ihren  Duft  die  Sprache  wieder  bekam.  Gump- 
penberg,  marian.  Atlas  Nr.  338.  Bosa  riibiginosa  ^  die  Rost- 
oder  Weinrose,  soll  die  rostfarbene  Unterfläche  ihrer  Blätter 
von  den  Windeln  erhalten  haben,  die  Maria  einst  auf  dem 
Strauch  trocknete.  —  St.  Joscio ,  Mönch  zu  St.  Omer ,  starb 
in  Ecstase,  weil  er  die  Madonna  so  sehr  liebte;  da  wuchsen 
aus  seinem  Munde  fünf  Rosen  mit  den  Buchsaben  M^  A,  i?,  I,  A. 
Man  hat  in  einem  Bilde  jedem  Buchstaben  noch  einen  Satz 
hinzugefügt,  es  sind  die  Anfänge  fünf  berühmter  Marien- 
gebete: Magnificat  —  Ad  Dominum  —  Eetribue  —  In  con- 
vertendo  —  Ad  te  levavi.  Emmeran,  Glorie  der  Jungfrau 
S.  164. 

Wegen  des  sogenannten  Rosenwunders  ist  die  Rose 
Attribut  der  heiligen  Elisabeth.  Diese  heilige  Fürstin  von 
Hessen  und  Thüringen  pflegte  in  eigner  Person  den  Armen 
und  Kranken  Brodt  zu  bringen.  Ihr  Gemahl  sollte  es  nicht 
wissen.  Als  er  ihr  aber  einmal  mit  dem  Korbe  am  Arm 
begegnete  und  sie  frug ,  was  sie  trage ,  sagte  sie  in  der  Ver- 
wirrung: „Rosen.^  Er  deckte  den  Korb  auf  und  siehe,  es 
waren  Rosen.  Das  Nämliche  berichtet  die  Legende  von  der 
heiligen  Casilda  in  Toledo  und  von  der  heiligen  Rosa  von 
Viterbo.  —  So  brachte  auch  einmal  die  fromme  Frau  Ada 
einen  Aussätzigen  in's  Haus  und  legte  ihn  sogar  in  das  Bett 
ihres  Gemahls,  um  ihn  zu  pflegen.  Als  dieser  Gemahl  aber 
heimkam,  davon  hörte  und  zornig  nach  seinem  Bette  eilte, 
fand  er  es  nur  voll  Rosen.     Thomas  Cantipr.  de  apibus  11.  25, 


^- 


Rose.  283 

Eine  schöne  Rosensage  findet  sich  bei  Montevilla  Bl.  33. 
Zu  Bethlehem  wurde  eine  unschuldige  und  reine  Jungfrau 
verleumdet,  sie  hätte  ihre  Keuschheit  verloren,  und  sollte 
lebendig  in  dürren  Dornen  verbrannt  v^erden.  Als  sie  aber 
in  die  brennenden  Dornen  trat,  erlosch  das  Feuer  und  statt 
der  Flammen  schlugen  blühende  Rosen  aus  den  Dornen. 

Nach  Suqiietj  lacrymae  div.  Magdalenae,  heissen  die  weis- 
sen Rosen  Magdalenenrosen ,  weil  die  vorher  rothen  Rosen 
durch  die  Thränen  der  heiligen  Magdalena  entfärbt  wurden. 

Ein  Korb  mit  Rosen  ist  Attribut  der  heiligen  Dorothea, 
weil  sie  denselben  ihrem  irdischen  Bräutigam  aus  dem  Para- 
diese ihres  himmlischen  Bräutigams  zum  Wahrzeichen  schickte. 
Auf  altdeutschen  Bildern  sind  diese  Rosen  weiss,  auch  trägt 
die  Heilige  einen  Kranz  weisser  Rosen  und  eine  weisse  Rose 
in  der  Hand.     Kunstblatt  1840.  Nr.  98. 

Ein  Kranz  von  rothen  Rosen  schmückt  das  Bild  der 
wunderthätigen  heiligen  Rosalia  in  ihrer  berühmten  Höhle 
bei  Palermo.  Rothe  Rosen  sind  das  Attribut  der  heiligen 
Rosa  von  Lima,  die  ein  Kirchenlied  in  Peru  die  schönste 
Blume  im  schönsten  Garten  der  Erde  nennt.  Die  Legende 
sagt  von  der  Heiligen ,  sie  habe  Rosen  in  die  Luft  geworfen, 
um  sie  Gott  anzubieten,  und  die  Blumen  hätten  sich  in  der 
Luft  in  die  Form  eines  von  einem  Kreise  umgebenen  Kreuzes 
zusammengefügt  (die  Nimbusform  Gottes) ,  zum  Zeichen ,  dass 
Gott  ihr  kindliches  Geschenk  annehme.  —  Als  sich  der  hei- 
lige Franciscus  zur  Busse  in  Dornen  wälzte,  blühten  dieselben 
voller  Rosen.  Berühmtes  Bild  von  Murillo,  vgl.  v.  Quandt, 
Reise  in  Spanien  S.  162.  Als  Kaiser  Ludwig  der  Fromme 
einmal  auf  der  Jagd  bei  Hildesheim  sein  Reliquiarium  mitten 
im  Schnee  des  Winters  an  einen  dürren  Dornstrauch  hing, 
wuchsen  daraus  plötzlich  Rosen.  Der  Strauch  blüht  noch  jetzt. 
Die  uralte  Mauer  einer  Kapelle,  älter  als  der  Dom  von  Hil- 
desheim, ist  absichtlich  da  offen  gelassen,  wo  der  Strauch 
hervorwächst.  Botanische  Literaturblätter.  Regensburg  1830. 
5ter  Band  S.  467. 

Rosen  blühten  mitten  im  Winter  aus  den  Gräbern  der 


S84  Rose. 

heiligen  Acifelus  und  Victoria ,  des  h.  Alexander  Martyr ,  des 
h.  Julianus,  des  oh.  Rufinus.  Eine  weisse  Rose  wurde  in  dem 
Chorstuhle  desjenigen  Chorherrn  oder  Mönchs  gefunden,  der 
bald  sterben  sollte,  zu  Hildesheim,  Lübeck,  Breslau,  Alten- 
burg. V.  Döbenek,  Volksglauben  II.  53.  Harrys,  nieder- 
sächs.  Sagen  I.  42.     Montanus,  Vorzeit  von  Cleve  I.  28. 

Der  Rosensonntag  (Lätare)  hat  seinen  Namen  von  der 
goldnen  Rose,  die  der  Papst  an  diesem  Tage  feierlich  ein- 
weiht und  gewöhnlich  irgend  einem  um  die  Kirche  hochver- 
dienten Fürsten  schenkt,  und  zwar  zur  Erinnerung  an  die 
Befreiung  der  Juden  aus  der  babylonischen  Gefangenschaft, 
die  sie  bekanntlich  der  Gnade  des  Cyrus  verdankten.  Die 
goldne  Rose  gilt  also  dem  Fürsten,  der  sich  jenen  gnaden- 
reichen Cyrus  zum  Muster  nimmt.  Durandi,  rationale  VI. 
53,  9.  Willkührlich  hat  v.  Biedenfeld  in  seinem  Werk  über 
die  Rose  S.  459  die  Ertheilung  der  goldnen  Rose  abgeleitet 
von  einem  Mosaikbild  in  der  Susannenkirche  zu  Rom,  welches 
Karl  den  Grossen  darstellt ,  wie  er  vom  heiligen  Petrus  eine 
mit  Rosen  besäete  Fahne  empfängt. 

In  der  kirchlichen  Baukunst  und  Bildhauerkunst  wird 
die  Rose  zunächst  in  Verbindung  gebracht  mit  dem  Kreuz. 
Das  Kreuz,  das  über  den  gothischen  Thürmen  und  Thürmchen 
sich  am  höchsten  erhebt,  blüht  gewöhnlich  in  runde  Rosen 
aus.  Dieses  Rosenkreuz  ist  sehr  alt.  Vgl.  Aringhi,  Roma 
subt.  1.  381.  Am  reichsten  ausgeführt  ist  es  an  dem  Crucifix 
in  der  Lorenzkirche  zu  Nürnberg.  Wenn  die  Rosen  aus  dem 
Kreuze  herausblühen,  so  hat  das  denselben  Sinn,  wie  das 
Blühen  aus  den  Dornen,  die  höchste  Freude  der  Welt,  die 
aus  den  bittersten  Schmerzen  kommt.  Dagegen  ist  das  von 
der  einen  Rose  ringsumschlossene  Kreuz  (die  Kreuzrose)  das- 
selbe, was  das  Kreuz  im  Kreise,  der  Nimbus  der  drei  höchsten 
göttlichen  Personen.  Auch  in  den  Fensterrosetten  der  go- 
thischen Kirchen  wiederholt  es  sich  oft  und  bezeichnet  immer 
den  Sieg  des  Kreuzes,  die  Herrschaft  der  Kirche  über  die 
ganze  Welt. 

Andere  Fensterrosetten,  namentlich  die  in  dunkler  Rubin- 


Rose.  285 

färbe  glühenden,  die  in  vielen  gothischen  Marienkirchen  vor- 
kommen ,  bezeichnen  die  heilige  Jungfrau  als  die  rosa  mystica. 
Da  die  grössten  Fensterrosen  immer  auf  der  Westseite  der 
Kirchen  vorkommen ,  bilden  sie  vielleicht  auch  einen  symbo- 
lischen Gegensatz  zu  dem  grössten  Schlussfenster  des  Chors 
auf  der  Ostseite.  —  In  das  Stab-  und  Maasswerk  der  Rand- 
verzierungen j  wie  der  Radien  der  gothischen  Fensterrosetten, 
in  denen  bald  mehr  das  Peripherische  (die  Radform),  bald 
mehr  das  Radiale  (die  Sternform)  vorherrscht,  spielen  alle 
geometrischen  Symbole  hinein,  und  wie  das  Kreuz  den  Kreis, 
so  durchbricht  das  Dreieck  die  viereckigen  Formen.  Die 
Rosette  hat  Manches  mit  dem  Nimbus  gemein  und  ist  gleich- 
sam ein  frei  gewordener,  selbstständiger  Nimbus.  Daher 
ahmt  sie  in  ihren  Randverzierungen  die  verschiedenen  Formen 
und  Farben  der  Kronen  und  Kränze  nach,  bald  mehr  die 
Kronen  von  Gold  und  Edelsteinen,  bald  mehr  die  Kränze 
von  Blumen;  in  vielgezacktem  Stab-  und  Maasswerk  aber 
auch  die  Dornenkronen.  Durch  alle  diese  Beziehungen  aber 
geht  die  ursprüngliche  Symbolik  der  Rose  im  Fenster  nicht 
verloren. 

In  vielen  altdeutschen  Kirchen  ist  über  dem  Beichtstuhl 
eine  fünf  blätterige  Rose  angebracht.  Stieglitz,  altd.  Baukunst 
S.  184.  Schon  die  Alten  pflegten  über  ihren  Tafeln  bei 
grossen  Mahlzeiten  eine  Rose  aufzuhängen,  als  Zeichen,  dass 
Alles,  was  hier  in  der  Munterkeit  des  Mahles  geplaudert 
werde,  nicht  weiter  gesagt  werden  solle.  Daher  das  bekannte, 
noch  heute  übliche  Sprichwort:  „Ich  sage  dir  das  nur  sub 
rosa.^  Das  gibt  wohl  auch  für  jene  Rose  des  Beichtstuhls 
die  natürlichste  Erklärung. 

In  Dante's  Paradies  30,  32.  findet  sich  das  schöne  und 
grossartige  Bild  einer  unermesslich  grossen  weissen  Rose, 
die  aus  lauter  Kreisen  von  Engeln  und  Seligen  gebildet  ist. 
Auch  in  den  Reden  von  Hellsehenden,  Basel  1824,  S.  299, 
ist  von  weissen  Rosen  die  Rede,  die  im  Himmel  blühen 
und  einen  ausserordentlichen  Glanz  und  berauschenden  Duft 
haben  sollen. 


286  Rose  von  Jericho. 


Rose    von    Jericho, 

anastatica^  eine  ästige  Staude  mit  kleinen  weissen  Blümchen, 
die  in  den  Winkeln  der  Zweige  wachsen,  also  einer  Rose 
ganz  unähnlich.  Aber  wenn  sie  welk  ist,  zieht  sie  sich  in 
eine  Kugel  zusammen  und  bildet  eine  Art  von  Rose.  Man 
glaubt  von  ihr,  sie  liege  den  Winter  über  unter  dem  Wasser 
und  hebe  sich  im  Frühling  wieder  heraus;  ferner:  sie  könne 
Jahrhunderte  lang  dürr  daliegen,  und  lebe,  wenn  man  sie 
in's  Wasser  lege,  in  voller  Frische  wieder  auf.  Deshalb 
heisst  sie  die  Auferstehungsblume  und  ist  dem  Heiland  ge- 
weiht. Nach  der  Legende  war  sie  vor  Christi  Geburt  noch 
nicht  vorhanden  und  sprosste  zuerst  in  der  Wüste  unter  den 
Tritten  der  heiligen  Jungfrau  auf,  als  sie  mit  dem  göttlichen 
Kinde  nach  Aegypten  floh.  Ihm  zu  Ehren  soll  sie  seitdem 
auch  in  der  heiligen  Christnacht,  wenn  sie  auch  noch  so  alt 
und  welk  ist,  wieder  blühen.  Pilger,  die  zum  heiligen  Grabe 
in  Jerusalem  wallfahrten,  bringen  sie  von  dort  als  heiliges 
Andenken  mit  zurück.  Auch  mir  hat  sie  ein  Pilger  gebracht. 
Vgl.  PrätoriuS)  Saturnalia  p.  82.  Ausland  1841 ,  Nr.  336. 
Schubert,  Reisen  II.  158. 

Rosenkranz. 

Man  verglich  die  Gebete  aus  unschuldsvollem  oder  reui- 
gem Munde  mit  aufblühenden  Rosen.  Daher  eine  Folge  von 
Gebeten  einem  Rosenkranze.  Nach  der  Legende  wurde  ein 
edler  und  frommer  Jüngling  im  Walde  von  Räubern  ermordet, 
seine  letzten  Gebete  aber  pflückte  ihm  ein  Engel  als  zwölf 
weisse  und  drei  rothe  Rosen  vom  Munde  und  wand  daraus 
einen  Kranz,  der  in  kirchlichen  Rosenkränzen  von  Gebet- 
perlen nachgeahmt  wurde.  Dies  der  Ursprung  des  berühmten 
Rosenkranzes.  Binterim,  Denkw.  YII.  1.  104.  Alonso  de 
Tobar  malte  in  Madrid  eine  Allegorie  des  Rosenkranzes, 
die  Gnadenmutter  als  Hirtin,  wie  sie  ihre  Schafe  mit  Rosen 


Rosenkranz.  2S1 

füttert.  Kugler,  Gesch.  der  Malerei  IL  269.  Albrecht  Dürer 
gab  der  Gnadenmutter  selbst  auf  das  Haupt  einen  Rosenkranz^ 
in  einem  Stich.  Heller,  A.  Dürer  H.  2.  4J1.  Die  auf  ihre 
Lieblinge  Rosen  herabstreuende  Madonna  kommt  öfter  vor. 
Domenichino  malte  sie  in  Bologna,  Rosen  auf  die  Märtyrer 
streuend.  Hier  beziehen  sich  die  Rosen  ohne  Zweifel  nicht 
auf  Gebete ,  sondern  auf  die  Wunder  und  das  Blut  der  Mär- 
tyrer. Indess  ist  die  Rose  auch  hier  ein  Sinnbild  des  Ver- 
dienstes ,  welches  aus  den  guten  Werken  erblüht ,  sey  es  der 
Wunden,  sey  es  der  Gebete.  Auf  einem  Bilde  von  Carlo 
Maratti  theilt  die  Madonna  Rosenkränze  unter  Nonnen  aus. 
In  Karl  Försters  Gedichten  I.  349.  findet  sich  eine  schöne 
Legende  vom  Bruder  Cölestin,  welcher  der  Gottesmutter 
täglich ,  so  lange  die  Rosen  blühten ,  einen  Rosenkranz  flocht, 
und  als  sie  verblüht  waren,  täglich  einen  Rosenkranz  betete, 
wofür  sie  ihm  einmal  erschien  und  ihm  einen  unverwelklichen 
Rosenkranz  auf's  Haupt  setzte. 

Der  aus  Gebetperlen  zusammengereihte  Rosenkranz  hat 
die  praktische  Bestimmung,  dem  Theil  des  Volkes,  welches 
nicht  lesen  kann,  als  eine  Art  Handbuch  beim  Beten  zu 
dienen.  Vgl.  Binterim  a.  a.  0.  100.  Der  kleine  Rosenkranz 
heisst  die  Krone  und  enthält  33  kleine  Perlen,  nach  den 
Lebensjahren  des  Heilands,  nebst  fünf  grössern  Perlen,  nach 
den  fünf  Wunden  des  Heilands.  Jede  kleine  Perle  bedeutet 
ein  Ave  Maria,  welches  man  beten  soll,  jede  grössere  ein 
Paternoster.  Der  mittlere  Rosenkranz  zählt  63  kleine  Perlen, 
nach  den  Lebensjahren  der  Maria,  und  sieben  grosse,  nach 
ihren  sieben  Freuden  und  Schmerzen.  Der  grosse  Rosenkranz 
zählt  150  kleine  und  15  grosse  Perlen,  so  dass  auf  je  zehn 
Ave  ein  Paternoster  folgt.  Er  wird  der  Psalter  genannt, 
mit  Bezug  auf  die  150  Psalmen,  gewöhnlich  aber  der  Marien- 
psalter, weil  er  hauptsächlich  aus  Ave's  besteht  und  der 
Maria  geweiht  ist.  Denn  nach  dem  heiligen  Dominicus,  in 
dessen  Orden  der  Rosenkranz  die  erste  grosse  Verbreitung 
fand,  flocht  der  Engel  Gabriel  aus  150  himmlischen  Rosen 
drei  Kränze    für   die  heilige  Jungfrau,    einen   weissen   der 


288  Rost. 

Freuden,  einen  rothen  der  Schmerzen,  einen  goldenen  der 
Glorien.  Diese  zusammen  würden  nun  nachgeahmt  in  dem 
Einen  Gebetrosenkranz  aus  150  Perlen.  Alt,  christl.  Cultus 
S.  63.  Die  Farben  ahmt  man  in  den  Perlen  nach.  Es 
gab  prachtvolle  Rosenkränze  aus  farbigen  Edelsteinen.  Die 
gewöhnlichen  sind  aus  Holz,  Glas,  wohh'iechenden  Stoffen. 
Vgl.  Binterim  a.  a.  O.  118. 

Im  berühmten  Weltgericht  von  Michel  Angelo  werden 
Selige  an  einem  Perlenkranz  in  den  Himmel  emporgezogen. 
Auf  einem  alten  Bilde  in  Ciampinij  vet.  monum.  musiva  tob.  68. 
tragen  die  Seligen  im  Himmel  Ehrenkronen  in  Gestalt  von 
Perlenkränzen.  —  Ueber  die  Literatur  der  Rosenkränze  vgl. 
Grässe,  Lehrbuch  der  Literärgeschichte  H.  2.  1.  398. 

Eine  zweite  Form,  in  welcher  der  Rosenkranz  in  kirch- 
lichen Gebrauch  gekommen,  ist  folgende.  Rosenkranz  heisst 
nämlich  auch  in  der  Kirchenmalerei  die  grossartige  Einrah- 
mung von  Dreieinigkeitsbildern  in  einem  einzigen  grossen 
Rosenkranze,  der  zuweilen  noch  in  kleinere  Rosenkränze  sich 
theilt.  Hier  bedeuten  die  Rosen  das  Band  der  Liebe,  welches 
die  heiligen  Geheimnisse  umschlingt.  Berühmte  solche  Ro- 
senkränze findet  man  noch  in  Nürnberg,  Schwabach.  Der 
ausgezeichnetste  ist  aber  wohl  der  in  Weilheim  im  Württem- 
bergischen. Er  besteht  aus  drei  Kränzen;  der  äussere  ist 
weiss,  der  mittlere  roth,  der  innerste  golden;  jeder  zertheilt 
sich  wieder  in  fünf  Medaillons.  In  der  Mitte  thront  Maria 
mit  dem  Kinde  im  Rosenkranz  unter  Engeln,  oben  erblickt 
man  die  heilige  Dreieinigkeit,  unten  eine  grosse  Anbetung 
der  Priester  unter  dem  Papst  und  der  Laien  unter  dem  Kaiser. 
Die  übrigen  Bilder  beziehen  sich  auf  das  Leben  Jesu  zwischen 
Verkündigung  und  Weltgericht.    Vgl.  Kunstblatt  1840,  S.  416. 

Rost. 

Ein  eiserner  Rost  ist  Attribut  des  heiligen  Laurentius, 
Archidiakon  der  römischen  Kirche  im  3ten  Jahrhundert.  Er 
sollte  unter  Valerian  die  Schätze  derselben  ausliefern,  brachte 


Rothkehlchen.  ^^d 

aber  nur  eine  Menge  Kranker  und  Bettler:  das  seyen  die, 
durch  welche  man  Schätze  im  Himmel  erwerbe.  Der  Kaiser 
liess  ihn  nackt  auf  einem  eisernen  Roste  braten.  10.  August. 
Die  Spanier  rühmen  sich,  er  sey  ihr  Landsmann.  Deshalb 
ehrte  ihn  auch  Philipp  II.  so  hoch ,  indem  er  bei  einem  Sturm 
auf  der  See  gelobte,  wenn  er  davonkäme,  dem  heiligen 
Laurentius  eine  riesenhafte  Kirche  zu  bauen,  die  so  viele 
Quartiere  und  Höfe  haben  sollte,  als  der  Rost  Quadrate.  Diesen 
Wunderbau  führte  er  wirklich  im  berühmten  Escurial  auf. 


Roth, 

die  Königsfarbe,  daher  auf  Kirchenbildern  Gott  Vater  den 
Purpurmantel  trägt  und  eben  so  Christus  in  seiner  königlichen 
Würde.  Roth  ist  aber  auch  die  Blutfarbe  und  darum  die 
Farbe  der  Richter.  Wenn  Christus  im  rothen  Mantel  beim 
Weltgericht  thront,  trägt  er  die  Farbe  in  doppelter  Eigen- 
schaft als  König  und  Richter.  Als  Blutfarbe  ist  Roth  auch 
die  Farbe  aller  Märtyrer.  Daher  die  Kirchen  wie  an  den 
hohen  Freudenfesten  mit  dem  königlichen  Purpur,  so  an  den 
Tagen  der  Märtyrer  mit  der  Blutfarbe  drapirt  werden. 
Kreuser,   Kirchenbau   II.  159. 


Rothkehlchen, 

Von  diesem  friedlichen  kleinen  Vogel  glaubt  man ,  wenn 
er  eine  menschliche  Leiche  im  Walde  finde,  decke  er  sie 
mit  Moos  und  Blumen  zu.  Schmidt,  Anmerkungen  zum 
Shakespeare  S.  422.  Curiositäten  VIII.  241.  Büsching,  Volks- 
sagen S.  396.  —  In  der  Bretagne  glaubt  man,  dieser  Vogel 
habe  sich  auf  den  Dornenkranz  des  Heilands  gesetzt,  und 
mit  seinem  kleinen  Schnabel  die  Dornen  weggepickt,  damit 
Er  weniger  Schmerzen  leide.  Keller,  bretagn.  Volkslieder 
S.  248. 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  jQ 


290  Rufus. 


R  u  f  u  S  , 

der  rothhaarige  Jude  von  abschreckender  Brutalität,  der  auf^^ 
altdeutschen  Bildern  der  Leiden  Christi  häufig  und  fast  regel- 
mässig vorkommt,  wie  auch  in  den  altdeutschen  Passionsspielen. 
Vgl.  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  S.  57.  Devrient, 
Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst  I.  43.  Personification 
des  Judenhasses  gegen  Christum. 

Ruhe  in  Aegypten. 

Kirchenbilder,  Vielehe  diesen  Namen  führen,  zeigen 
Maria,  Joseph  und  das  göttliche  Kind  während  der  Flucht 
nach  Aegypten  im  Moment  des  Ausruhens ,  in  heiterer  Land- 
schaft, voller  Blumen  und  Früchte,  häufig  von  Engeln  um- 
geben. Diese  Bilder  stehen  daher  in  der  Mitte  zwischen  den 
Flucht-  und  Reisebildern  einerseits  und  den  häuslichen  Fa- 
milienbildern andrerseits,  indem  sie  von  beiden  etwas  theilen. 
Ihr  eigentlicher  Zweck  aber  ist,  das  Paradiesische  in  dem 
Innern  der  Jungfrau  und  des  Kindes  auch  äusserlich  an- 
schaulich zu  machen.  Mitten  in  der  Wüste  und  in  der  Angst 
der  Flucht  strömt  paradiesische  Wonne  und  Schönheit  hier 
aus  dem  Innern  aus  und  verbreitet  sich  über  die  Landschaft, 
der  Himmel  küsst  die  Erde  und  Engel  steigen  nieder. 

Weil  aber  Maria  der  Schlange,  die  Eva  verführte,  den 
Kopf  zertrat  und  durch  Christum  das  Paradies  wiedererobert 
wird,  welches  Adam  verloren,  nehmen  die  Maler  in  den 
Bildern  der  „Ruhe  in  Aegypten"  auf  das  erste  Paradies 
Adams  mannigfache  Rücksicht.  Namentlich  soll  die  paradie- 
sische Schönheit  der  Landschaft  und  die  paradiesische  Unschuld 
der  Thiere  andeuten,  dass  das  einst  durch  Adam  verlorne 
Paradies  durch  Christum  wiedergewonnen  worden  sey.  Der 
Apfelbaum,  unter  dem  öfter  die  heilige  Familie  ruht ,  bezieht 
sich  gleichfalls  auf  das  Paradies.  Der  Palmbaum  bedeutet 
den  Sieg  des   Christenthums.     Die   Quelle,   die   am  Baume 


Ruhe  in  Aegypten.  291 

oder  zu  Füssen  des  Christkinds  entspringt,  bedeutet  das  neue 
Heil  der  kranken  Menschheit.  Die  Bilder  sind  wohl  immer 
am  schönsten,  wenn  die  heilige  Familie  darin  allein  vorkommt. 
Grosse  Engelgesellschaften  erscheinen  störend.  Uebrigens  ist 
nicht  immer  klar  zu  unterscheiden,  ob  es  sich  um  heilige 
Familienbilder  im  Garten  neben  dem  Hause  oder  um  eigent- 
liche Fluchtbilder  handelt.  Das  Idyllische  der  Scene  lässt 
hin  und  wieder  auch  eine  geistreiche  Spielerei  zu,  namentlich 
ein  Vorkommen  der  Thiere.  Doch  ist  das  Sonderbare  und 
Phantastische  hier  eben  so  auszuschliessen,  wie  das  Gemeine: 
ein  sonderbares  Thier  in  der  Hand  des  Christkinds  z.  B.  eben 
so,  wie  die  Wasch-  und  Kämmscenen. 

Die  tiefste  Ruhe  drückt  sich  in  den  Bildern  aus,  auf 
denen  das  Christkind  schläft.  Ein  wunderschönes  Kind  auf 
dem  Schooss  der  Mutter  schlafend  malte  Bellini  in  Venedig. 
Auf  einem  Bilde  des  Annibal  Carracci  in  England  beten  Engel 
das  schlafende  Kind  an.  Waagen  H.  60.  Auf  einem  von 
Ludwig  Carracci  in  Dresden  wacht  die  Mutter  bei  dem  schla- 
fenden Kinde  und  blickt  zu  Engeln  empor,  die  ihr  in  einer 
Vision  die  Passionswerkzeuge  zeigen.  Auf  einem  berühmten 
Bilde  von  Murillo  in  Petersburg  (Hand  I.  375.)  schläft  das 
Kind  in  tiefer  Nacht  und  alles  Licht  geht  von  ihm  allein 
aus  und  beleuchtet  die  zärtliche  Mutter  und  den  etwas  ferner 
beim  Matllthier  wachenden  Joseph.  Ueberaus  lieblich  ist  das 
berühmte  Bild  Correggio's,  auf  welchem  das  Kind  schon 
entschlafen  ist  und  die  Mutter  noch  mit  dem  Schlafe  kämpft. 
Wessenberg,  christl.  Bilder  H.  45.  Das  Bild  heisst  Zingarilla, 
weil  die  Madonna  eine  Kopf  binde  hat,  wie  eine  Zigeunerin. 
Kugler,  Mal.  I.  292.  Auf  einem  Bilde  von  Mola  schläft  das 
Kind  und  Joseph,  nur  die  Mutter  wacht  {Crozat  I.  112.). 
Auf  einem  Nachtstücke  von  Rotari  ist  das  Kind,  von  dem 
alles  Licht  ausgeht,  blendend  weiss  (in  Dresden).  Auf  einem 
Bilde  von  Deveria  schläft  Alles,  nur  das  Christkind  wacht, 
sitzt  aber  gar  zu  anspruchsvoll  wie  ein  kleiner  Napoleon  da, 
und  seine  schlafende  Mutter  ist  eine  kokette  Pariserin. 

Die  Bilder,  auf  denen  das  Christkind  wacht,  theilen  sich 

19* 


^9^  Ruhe  in  Aegypteii. 

hauptsächlicli  in  Baum-  und  Quell enbilder.  Auf  jenen  steht 
ein  Baum  im  Mittelgrunde,  unter  dem  die  heilige  Familie 
ruht  und  deren  Früchte  Joseph  oder  Engel  für  das  Kind 
abpflücken.  In  italienischen  Bildern  smd  es  meist  Palmen, 
in  deutschen  meist  Aepfelbäume,  deren  Bedeutung  oben  schon 
erklärt  ist.  Auf  den  Quellenbildern  ruht  man  am  Wasser 
und  wird  eine  Schale  gefüllt  oder  getrunken.  Einige  andere 
Bilder,  bei  denen  Baum  und  Quelle  fehlen,  zeichnen  sich 
aus  durch  das  Phantastische  der  Landschaft,  oder  durch  das 
gar  zu  Natürliche  des  Familienlebens,  gehören  also  eher 
den  Landschafts-  oder  Genrebildern,  als  der  eigentlichen 
Heiligenmalerei   an. 

Eines  der  berühmtesten  Bilder  Raphaels  zeigt  uns  die 
unter  der  Palme  sitzende  heilige  Familie.  Joseph  reicht  dem 
Kinde  Blumen  und  das  Kind  greift  darnach  mit  bezauberndem 
Lächeln.  Li  England,  s.  Passavant,  England  S.  53.  Waagen 
L  316.  Giulio  Romano  malte  Engel,  die  dem  Kinde  einen 
vollen  Dattelzweig  herabbiegen.  Vasari  LLL  2.  412.  Trevisari 
lässt  auf  einem  Bilde  in  Dresden  die  Engel  von  einem  Baume 
Früchte  sammeln,  die  Joseph  im  Mantel  auffängt.  Romanelli 
lässt  sie  gleichfalls  Früchte  sammeln ,  gestochen  von  Chateau. 
Eben  so  Albani,  gest.  von  demselben.  Eben  so  Cagliari  in 
München.  Auf  einem  Bilde  von  Tiro  Ferri ,  gest.  von  Farjat, 
zeigt  die  Madonna  dem  Kinde  eine  Dattel.  Ein^  Menge 
Engel  auf  dem  Baume  unter  der  heiligen  Familie  malte 
Hans  Baidung  im  Münster  zu  Freiburg. 

Auf  einem  Bilde  von  Wierix  reicht  Joseph  dem  Kinde 
eine  Traube.  Engel  pflücken  dem  Kinde  Trauben  auf  einem 
Bilde  von  Anselmi.  Eine  Traube  hebt  das  Kind  empor  auf 
einem  Bilde  von  Lucas  von  Leiden.  Fiorillo  HL  423.  Auf 
einem  von  N.  Poussin  überreichen  ihm  zwei  Engel  kniend 
Milch  und  Honig.  Auf  einem  von  Engelbrechtssen  in  Wien 
überreicht  ihm  ein  Engel  einen  Teller  voll  Kirschen.  Auch 
Mabouse  malte  das  Christkind  mit  Kirschen  (in  Berlin).  Auf 
einem  Bilde  von  C.  Maratti  reicht  Joseph  die  Kirschen  dem 
Kinde.    Das  Kind  mit  dem  Apfel  malte  Bernhard  von  Orley 


Ruth.  293 

in  Berlin ,  mit  den  Birnen  Crivelli  in  Mailand ,  auch  ein  Stich 
von  Dürer. 

Mit  einer  Nelke  malte  das  Kind  Raphael  (Waagen,  Eng- 
land II.  i  5.)  und  Luini  in  der  Karthause  bei  Pavia.  Mit  einer 
Rose  Baroccio  (Huber,  Kupferst.  III.  258.). 

Quellenbilder.  Die  heilige  Familie  ruht  auf  der  Flucht 
und  Maria  schöpft  aus  der  Quelle,  von  Domenichino.  Landon, 
Oeuvres,  pl.  104.  Von  Carraccio,  gestochen  von  Cort.  Joseph 
pflückt  zugleich  hier  dem  Kinde  Kirschen.  Füssli,  Kupferst. 
I.  211.  Von  Correggio  in  Parma,  das  berühmte  Bild  der 
Madonna  della  Cordella  (Schale) ,  weil  sie  die  Schale  hält. 
Hier  pflückt  Joseph  Datteln.  Miliin,  Lombardei  IL  271. 
Von  Claude  Lorrain  eine  Ruhe  am  Bache. 


Ruth, 

die  arme  Aehrenleserin ,  die  Boas  zu  seiner  Gemahlin  und 
zu  hohen  Ehren  erhob,  ist  eine  Personification  der  demüthigen 
und  gottgefälligen  Armuth,  von  der  das  Wort  gilt:  „Wer 
sich  selbst  erniedrigt,  soll  erhöht  werden.^  Rupert  von  Deutz 
bezog  auf  sie  die  Stellen  bei  Jesaias  Cap.  16  und  35,  wo  es 
von  der  Wüste  Moab  heisst,  sie  werde  fruchtbar  werden  und 
das  Heil  der  Welt  werde  von  ihr  kommen.  Denn  Ruth  war 
eine  Moabiterin  und  wurde  Stammmutter  unsers  Heilands. 
Sie  wird  in  der  christlichen  Allegorie  zusammengestellt  mit 
der  Thamar,  der  Sünderin,  aus  deren  ungesetzlicher  Em- 
pfängniss  gleichwohl  das  Heil  der  Welt  hervorging,  denn 
auch  sie  gehört  zu  den  Stammmüttern  des  Heilands.  In  ihr 
ist  poenitentia ,  die  Busse,  wie  in  Ruth  paupertas,  die  Armuth, 
personificirt ,  beides  gleichsam  vorbereitende  Tugenden  des 
Judenthums  und  Heidenthums ,  die  dem  Christenthum  den 
Weg  bereiteten.  Vgl.  den  Artikel  Thamar.  —  Auf  Kirchen- 
bildern hat  Ruth  als  Aehrenleserin  die  Garbe  zum  Attribut, 
woran  sie,  wenn  sie  unter  andern  Frauen  des  alten  Testa- 
mentes vorkommt,  erkannt  wird.  Parva  petit^  ut  magna  re- 
cipiat,  ist  ihre  Devise  bei  PicinelU,  mundus  symbol.  p.  197. 


S94  Ruthe. 


R  u  t  h  e  , 

Sinnbild  des  göttlichen  Zorns.  Als  solche  Zornruthe  braucht 
Gott  Assur,  um  andere  Völker  zu  züchtigen,  Jesalas  10,  5; 
schlägt  aber  nachher  mit  seiner  Zornruthe  Assur  selbt;  das. 
30,  31.  Diese  Zornruthe  kommt  auch  vor  bei  Jeremias  1,  11. 
und  ist  auf  Bildern  das  Attribut  dieses  Propheten.  —  Dagegen 
bedeutet  die  Ruthe  Isai,  d.  h.  das  Reis  aus  dem  Stamm 
Isai  nach  Jesaias  11,  1,  den  Messias,  weil  Christus  aus  dem 
Stamm  Davids,  dessen  Vater  Isai  war,  seine  irdische  Ab- 
kunft leitet.  In  der  christlichen  Bildnerei  und  Dichtkunst 
wird  jedoch  mit  demselben  Recht  unter  der  Ruthe  Isai  oder 
Jesse  vorzugsweise  die  heilige  Jungfrau,  Mutter  des  Heilands, 
verstanden,  und  die  Ruthe  oder  das  Reis  als  Rosenzweig 
aufgefasst.  —  Die  Ruthe  ist  Attribut  des  Propheten  Jesaias. 
Didron,  annales  IV.  67. 


} 


S  a  b  a , 

die  Königin  von,  ist  alttestamentalisclies  Vorbild  der  heiligen 
drei  Könige,  indem  sie  aus  weiter  Ferne  kommt,  um  den 
weisen  König  Salomo  zu  verehren,  wie  jene,  um  das  Christkind 
zu  verehren.  Beide  Bilder  werden  zusammengestellt  in  der 
biblia  pauperum.  Heinecken,  Nachrichten  von  Künstlern  II.  119. 

Sack, 

Attribut  des  b.  Theobald.  Dieser,  ein  Sackträger  zu  Alba 
und  Montf errat,  gab  einst  alles  Mehl,  das  er  im  Sack  trug, 
einem  Armen,  füllte  Sand  hinein  und  siehe,  als  er  es  seinem 
Herrn  brachte,  war  es  wieder  Mehl,  im  12ten  Jahrhundert. 
1.  Juni. 

Säge, 

Attribut  des  Propheten  Jesaias  und  des  Apostels  Simon ,  weil 
beide  zersägt  wurden. 


396  Säule. 


Säule, 

Sinnbild  der  tragenden  Kraft ,  daher  auf  Bildern ,  welche  die 
christlichen  Tugenden  darstellen ,  Attribut  der  fortitudo.  Auch 
Attribut  der  Rahel  im  Gegensatz  gegen  den  Butterstössel  der 
Lea  in  den  Ulmer  Chorstühlen.  Vgl.  Rahel.  Gegensatz  der 
Glaubenskraft  und  der  Weltlichkeit,  der  Tendenz  zum  Eivigen 
und  zum  Vergänglichen.  Nach  der  Offenbarung  Johannis 
21,  14.  standen  auf  den  zwölf  Grundsteinen  des  neuen  Jeru- 
salems die  Namen  der  Apostel.  Dieselben  Namen  stehen 
auf  den  zwölf  Pfeilern  des  Kölner  Domchors.  Im  paulinischen 
Briefe  an  die  Galater  2,  9.  werden  Jakobus,  Kephas  und 
Johannes  Säulen  genannt.  Noch  jetzt  nennt  man  sprich- 
wörtlich wie  die  Apostel  und  Kirchenväter,  so  alle  grossen 
Märtyrer,  Bekenner,  Lehrer  und  Bischöfe  Säulen  der  Kirche. 
Die  sieben  Säulen,  auf  welche  nach  den  Sprichwörtern  Sa- 
lomonis  9,  1.  die  Weisheit  ihr  Haus  erbaut,  werden  auf  die 
sieben  Gaben  des  heiligen  Geistes  bezogen.  Vgl.  Kreuser, 
Kirchenbau  I.  549. 

Die  beiden  berühmten  Säulen  Jachim  und  Boas  am 
Tfempel  Salomo's,  nach  1.  Kön.  7,  21,  haben  dieselbe  Be- 
deutung als  Grundpfeiler.  Will  man  sie  mit  den  Säulen  des 
Herkules,  mit  den  Stützen  des  Himmels  am  Weltende  nach 
heidnischer  Vorstellungsart  vergleichen  (Sepp,  Heidenthum 
I.  148.  154.),  so  hat  das  wenigstens  für  die  christliche  Sym- 
bolik keine  Bedeutung,  so  wenig  wie  die  Anwendung,  welche 
in  der  Freimaurerei  von  jenen  Säulen  gemacht  wird.  —  Die 
Säule,  an  welcher  Christus  gegeisselt  worden,  nimmt  ihren 
Platz  unter  den  Passionswerkzeugen  ein  ohne  eine  besondere 
symbolische  Bedeutung. 

Nach  der  spanischen  Legende  betete  der  heilige  Jakob 
auf  seiner  Reise  durch  Spanien  einst  in  der  Gegend  von 
Saragossa,  als  die  heilige  Jungfrau  ihm  erschien  und  ihre 
Hand  auf  eine  abgebrochene  Säule  legte,  hier  solle  er  ihr 
eine  Kirche  bauen.    Daraus  entstand  die  grosse  Kirche  ünsrer 


Sakramente.  S97 

Lieben  Frau  del  pilar  zu  Saragossa.  Die  Hauptkirche  zu 
St.  Jago  aber  wurde  bezeichnet  durch  einen  darüber  leuch- 
tenden Stern.  Dahin  brachte  man  seine  Leiche  und  baute 
darüber  die  Kirche,  die  der  berühmteste  Wallfahrtsort  im 
Abendlande  wurde.    Cuendias,  Spanien  S.  85. 

St.  Simon  Stylita  führt  diesen  Beinamen,  weil  er  jahre- 
lang zur  Busse  auf  einer  Säule  stand.  Abt  Pietro  von  Perugia 
hielt  durch  sein  Gebet  eine  fallende  Säule  auf. 

Feuersäulen  erschienen  über  den  Heiligen  Briocus,  Cuth- 
bert ,  Gregor ,  um  ihre  Heiligkeit  zu  beurkunden.  Die  Feuer- 
säule, die  Nachts  den  aus  Aegypten  ziehenden  Juden  vor- 
leuchtete, bei  Tage  aber  als  Wolkensäule  erschien,  ist  ihr 
Vorbild.     Vgl.  den  Artikel  Wolke. 

Eine  Säule,  an  welche  Wahnsinnige  gekettet  sind,  ist 
Attribut  des  heiligen  Gregorius  Thaumaturga;  denn  weil 
durch  seine  Wunderkraft  Irre  geheilt  wurden,  pflegte  man 
sie  an  die  ihm  geweihte  Säule  zu  binden.    17.  November. 


Saifenblase, 

zuweilen  auf  modernen  Gräbern  angebracht  als  Sinnbilder 
der  Vergänglichkeit  aller  irdischen  Pracht  und  Freude.  Nur 
passen  die  antiken  Genien ,  die  sie  blasen ,  nicht  auf  christliche 
Denkmäler. 

Sakramente. 

Die  sieben  Sakramente  sind:  haptismus^  die  Taufe  — 
confirmatio^  die  Firmelung  nach  Apostelgesch.  8,  15.  19,  6.  — 
eucharistia j  das  Abendmahl  —  poenitentia,  die  Busse  nach 
Matth.  3,  2.  4,  17.  Marcus  6,  12.  Lucas  9,  6.  —  unctio  extrema, 
die  letzte  Oelung  nach  Marcus  6,  13.  Jakob.  5,  17.  —  ordo, 
die  Priesterweihe  nach  Apostelgesch.  6,  6.  13,  3.  1.  Timoth. 
5,  22.  2.  Timoth.  1,  6.  —  conjugium,  die  Ehe  nach  Ephes. 
5,  32.  —  In  dem  berühmten  Bilde  des  Roger  von  Brügge 
werden  sie  durch  Engel  in  verschiedenfarbigen  Kleidern  per- 
sonificirt,  die  Taufe  weiss  (Sinnbild  des  Reingewordenseyns), 


298         /  Salomo. 

die  Firmelung  gelb  (Farbe  des  Oels),  die  Eucharistie  grün 
(Farbe  der  Hoffnung  und  Verjüngung),  die  Busse  roth 
(Farbe  des  Blutes),  die  letzte  Oelung  schwarz  (Farbe  des 
Todes  und  der  Trauer),  die  Priesterweihe  violett  (Priester- 
farbe), die  Ehe  blau  (Farbe  der  Treue).  Kunstblatt  1843, 
S.  250.  Schon  Dante  verglich  die  Sakramente  mit  den  sieben 
Farben  des  Regenbogens. 

Die  Sakramente  sind  sehr  oft  und  von  berühmten  Mei- 
stern in  sieben  verschiedenen  Bildern  gemalt  worden.  Auf 
einem  der  berühmtesten  von  Nicolas  Poussin  wird  1)  Christus 
getauft,  werden  2)  Kinder  von  einem  Bischof  gefirmelt,  er- 
theilt  3)  Christus  das  Abendmahl ,  weint  4)  Magdalena  büssend 
zu  des  Heilands  Füssen,  empfängt  5)  ein  Sterbender  die 
letzte  Oelung,  ertheilt  6)  Christus  dem  heiligen  Petrus  das 
Amt  der  Schlüssel,  und  wird  7)  Maria  mit  Joseph  vermählt. 
Fiorillo  HI.  135. 

Die  Sakramente  wurden  verglichen  den  sieben  Gaben 
des  heiligen  Geistes  (Jesaias  11,  1.)  und  den  sieben  Geistern 
Gottes  und  Sternen  in  der  Offenbarung  Johannes ,  desgleichen 
mit  dem  siebenarmigen  Leuchter.  Vgl.  Dante  von  Kopisch 
S.  255.  Vivaldo  schrieb  ein  Buch  von  den  Sakramenten  unter 
dem  Titel  des  siebenarmigen  Leuchters.  Etwas  zu  kühn  gibt 
Dante  der  Kirche  die  sieben  Sakramente  als  Häupter  und 
die  zehn  Gebote  als  Hörner.    Dante  von  Kopisch  S.  76. 

Salamander, 

Sinnbild  der  Seelen  im  Fegefeuer,  weil  man  glaubte,  diese 
Thiere  leben  im  Feuer,  ohne  zu  verbrennen.  Conrad  von 
Megenberg  im  Buch  der  Natur  1482,  Fol.  127,  sagt,  es  rei- 
nige sich  im  Feuer  und  werde  darin  immer  schöner. 

Salomo 

nahm  zu  Anfang  seiner  Regierung  einige  gewaltsame  Reini- 
gungsprozesse vor,    durch   Tödtung   seines   Bruders   Adonia, 


Salomo.  299 

der  die  Unverschämtheit  hatte ,  die  schöne  Abisag  zum  Weibe 
zu  verlangen;  ferner  durch  Tödtung  des  gefährlichen  Joab 
und  des  Simei-,  der  als  ein  Nachkomme  Sauls  auf  den  Thron 
hätte  Anspruch  machen  können.  —  Gegen  diese  Grausam- 
keiten, die  ihm  die  Politik  geboten,  und  die  auch  bei  ihm, 
wie  das  Tadelnswerthe  bei  David,  grosse  Tugenden  und 
die  Gnade  Gottes  nicht  ausschliessen ,  sticht  dann  im  3ten 
Capitel  des  ersten  Buchs  der  Könige  die  fromme  Gottesfurcht 
Salomo's  und  sein  wunderbar  schönes  Königsgebet  merk- 
würdig ab.  1.  Buch  d.  Kön.  3,  9.  „So  wollest  du  deinem 
Knecht  geben  ein  gelehrsam  Herz ,  dass  er  dein  Volk  richten 
möge  und  verstehen,  was  gut  und  böse."  Und  Gott  sprach: 
„Weil  du  nicht  um  langes  Leben,  Reichthum  und  Sieg  über 
die  Feinde  bittest,  sondern  um  Verstand,  so  will  ich  dir 
Weisheit  geben." 

Als  Probe  dieser  Weisheit  gibt  das  3te  Capitel  des  ersten 
Buchs  der  Könige  das  berühmte  Urtheil,  durch  welches  Sa- 
lomo erkannte,  welches  von  zwei  um  ein  Kind  streitenden 
Weibern  die  wahre  Mutter  desselben  sey.  Aber  das  Buch 
der  Könige  sagt  weiter,  die  Weisheit  Salomo's  sey  grösser 
gewesen ,  als  die  aller  übrigen  Menschen  in  der  weiten  Welt, 
dazu  habe  er  auch  alle  Dichter  übertroffen,  und  sey  berühmt 
gewesen  unter  allen  Heiden  umher,  und  seiner  Lieder 
waren  1005.  Und  in  der  ganzen  Natur  war  ihm  nichts  ver- 
borgen, er  verstand  Alles  von  Kräutern  und  Bäumen,  von 
allen  Thieren  in  der  Luft,  im  Wasser  und  auf  Erden.  Und 
es  kamen  aus  allen  Völkern ,  zu  hören  die  Weisheit  Salomo's, 
und  von  allen  Königen  auf  Erden. 

Die  jüdische  und  muhamedanische  Legende  hat  noch  viel 
mehr  von  der  Weisheit  Salomo's  gefabelt.  Schon  Josephus 
{antiq,  VIH.  2.)  erwähnt,  Gott  habe  ihm  Macht  über  die 
Dämonen  gegeben.  Nach  v.  Hammers  Rosenöl  I.  147.  und 
Weils  bibl.  Legenden  S.  225  dienten  ihm  alle  guten  und 
bösen  Engel ,  und  alle  Vorsteher  der  Geschöpfe.  Als  Könige 
der  Thiere  erschienen  vor  ihm  ein  Wallfisch,  Adler,  Löwe 
und  eine  Schlange.    Auch  verstand  Salomo  die  Sprache  aller 


SOO  Salomo. 

Thiere  und  redete  mit  ihnen.  Den  bösen  Dschinnen  drückte 
er  sein  Siegel  auf,  um  sie  als  seine  Sklaven  zu  stempeln, 
und  brauchte  sie  zu  allerlei  Diensten,  besonders  zu  Bauten. 
Die  widerspenstigen  bannte  er  unter  den  Grundstein  der 
Gebäude  und  versiegelte  sie,  dass  sie  nimmer  sich  wenden 
konnten.  So  namentlich  beim  Bau  der  Stadt  Tadmor  (Pal- 
myra)  in  der  Wüste.  Oder  er  sperrte  die  Dschinnen  in  Töpfe 
ein  und  versenkte  sie  auf  den  Grund  des  Meeres.  Der  Siegel- 
ring Salomo's  trug  einen  Edelstein ,  worin  die  Worte:  ;, Allah 
ist  Allah  und  Muhamed  sein  Prophet"  eingegraben  waren 
und  mit  dem  er  Alles  zaubern  konnte.  Ausserdem  gab  ihm 
Gott  einen  Wind,  mit  dem  er  fahren  konnte,  wohin  er  wollte. 
Herbelot  s.  v.  Soliman.  —  Nach  derselben  Fabel  war  der 
berühmte  Vogel  Simurgh  (der  Phönix)  Wessir  des  Königs 
Salomo.  Dieser  Vogel  besass  die  höchste  Weisheit  mit  dem 
höchsten  Alter,  indem  er  schon  lange  vor  Erschaffung  Adams 
gelebt  und  den  siebenzig  präadamitischen  Salomonen  als 
Wessir  gedient  hatte.  Vor  den  Menschen  nämlich  wohnten 
Geister  auf  Erden,  von  Königen  beherrscht,  welche  Salomone 
hiessen,  und  von  denen  jeder  tausend  Jahre  lang  regierte, 
zusammen  70,000  Jahre.     Rosenöl  I.  13. 

Die  heilige  Schrift  preist  vorzugsweise  nur  den  Bau  des 
grossen  Tempels  zu  Jerusalem,  den  Salomo  betrieb,  und  dem 
wir  einen  besondern  Artikel  widmen.  S.  Tempel.  Salomo 
regierte  in  vollkommenem  Frieden  und  vermehrte  den  Wohl- 
stand seines  Reichs  auf  alle  Weise ,  unter  andern  auch  durch 
Handel.  Seine  Verbindung  mit  Phönizien  und  Aegypten 
machte  es  möglich,  dass  er  einige  Schiffe  auf  dem  rothen 
Meere  nach  Ophir  (Ceylon)  senden  und  die  Reichthümer 
Arabiens  und  Indiens  von  dort  holen  konnte.  Da  hörte  die 
mächtige  Königin  von  Saba  (im  südlichen  Arabien ,  die  Alter- 
thümer  der  Stadt  sind  erst  in  jüngster  Zeit- entdeckt)  von 
Salomo  und  beschloss,  seine  Weisheit  zu  prüfen.  Sie  selbst 
kam  mit  grossem  Gefolge  zu  ihm  und  versuchte  ihn  mit 
Räthseln  (die  von  der  heiligen  Schrift  nicht  näher  bezeichnet 
sind);    da   er  aber  alle   diese   Räthsel   löste   und  ihm  nichts 


Salomo.  301 

verborgen  war,  was  er  ihr  nicht  gesagt  hätte,  erkannte  sie, 
seine  Weisheit  übertreffe  in  der  Wirklichkeit  noch  weit  Alles, 
was  sie  früher  nur  davon  gehört  hatte,  und  sie  schenkte  dem 
König  die  Reichthümer,  die  sie  mitgebracht,  120  Centner  Gol- 
des, köstliche  Edelsteine  und  Spezereien.  Er  Hess  es  aber 
auch  an  Gegengeschenken  nicht  fehlen.  —  Mit  dieser  ein- 
fachen Erzählung  begnügt  sich  die  heilige  Schrift,  ohne  den 
*  Namen  der  Königin  zu  nennen.  Desto  ausführlicher  handeln 
von  ihr  die  muhamedanischen  Sagen. 

In  der  Bibel  heisst  es  nun  weiter:  Salomon  habe  von 
dem  Golde,  das  ihm  die  arabische  Königin  geschenkt  und  das 
er  noch  durch  Handel  gewann,  sich  einen  prachtvollen  Thron 
mit  zwölf  Löwen,  je  sechs  auf  den  Stufen  einander  gegenüber- 
gestellt, und  viele  andere  herrliche  Sachen  zur  Ausschmückung 
seines  Pallastes  verfertigen  lassen.  Auch  das  haben  nun  die 
muhamedanischen  Sagen  wieder  ausgesponnen.  Da  heisst  es, 
die  zwölf  Löwen  brüllten ,  sobald  sich  ein  böser  Mensch  dem 
Throne  nahte.  Den  Thron  umgaben  ferner  goldne  Bäume 
mit  singenden  Vögeln  von  Edelsteinen  in  den  buntesten  Far- 
ben, Weinstöcke  mit  Trauben  von  Edelsteinen.  Dazu  ver- 
sammelten sich  um  denselben  die  Repräsentanten  nicht  nur 
aller  menschlichen  Reiche  und  Völker,  sondern  auch  des  Thier- 
reichs  und  aller  Thiergattungen ,  und  eben  so  der  Dschinnen, 
oder  Geister.  Vgl.  Klaproth,  as.  Magazin  I.  113.  Curiosi- 
täten  III.  387.     Rosenöl  L  179. 

Mit  diesem  Throne  Salomo's  ist  nicht  zu  verwechseln 
der  sogenannte  Thron  Salomo's  Takut  Soliman  im  Soliman- 
gebirge  oberhalb  Kabul  in  Afghanistan.  Bis  dahin  soll  Sa- 
lomo (nachdem  er  in  der  Wüste  Tadmor  oder  Palmyra  ge- 
gründet und  sein  Reich  weit  nach  Osten  ausgedehnt  hatte) 
gedrungen  seyn  und  von  hier  aus  in  das  ferne  Indien  hinab- 
geblickt haben.     Ritter,  Erdkunde  VIII.   130. 

Alle  muhamedanischen  Fabeln  von  Salomon  hier  wieder- 
zugeben, ist  nicht  wohl  am  Ort.  Firdusi  häufte  sie  in  sie- 
benzig  Folianten  seines  persischen  Suleimaname  zusammen. 
Rosenöl  XV.    Hier  nur  eine. 


B02  Salomo. 

Die  Erbauung  von  Tadmor  (Palmyra).  Als  Salomo 
diese  Stadt  mitten  in  der  Wüste  zu  bauen  beschloss,  fand 
er  unterwegs  einen  Einsiedler,  den  er  frug,  warum  er  sich 
keine  Wohnung  gebaut  habe.  Der  Einsiedler  antwortete: 
„Ich  wollte  es  thun,  aber  als  ich  Steine  nahm,  sagten  die 
Steine:  Lass  uns,  wir  haben  schon  Gräber  gedeckt.  Als 
ich  Bäume  fällen  wollte,  sagten  sie:  Lass  uns,  wir  sind 
vom  Blut  erschlagener  Menschen  durchdrungen.  Als  ich 
Staub  sammelte,  um  Lehm  daraus  zu  kneten,  sagte  der 
Staub:  Lass  mich,  ich  bin  von  Todten.  Da  sah  ich,  dass 
wir  doch  Alle  bald  sterben,  und  hielt  es  nicht  der  Mühe 
werth,  mir  ein  Haus  zu  bauen."  Allein  Salomo  Hess  sich 
dadurch  nicht  abhalten,  Tadmor  zu  erbauen,  und  weil  ihm 
die  Ameisen  zum  Bau  der  schneeweissen  Moschee  die  weis- 
seste Erde  zusammentrugen,  nannte  er  die  Stadt  nach  ihnen 
{tad,  Hügel,  mar,  Ameise).  Auch  die  Dschinnen  halfen  am 
Bau  und  schleppten  die  prachtvollen  Marmor-  und  Granit- 
säulen herbei.     Rosenöl  I.  189. 

Salomo  lebte  ganz  auf  dem  Fuss  eines  morgenländischen 
Despoten,  denen  er  daher  auch  immer  zum  Vorbild  gedient 
hat.  Er  hielt  sich  an  seinem  prachtvollen  Hofe  einen  Harem 
von  700  rechtmässigen  Frauen  und  noch  600  Kebsweiber 
dazu.  1.  B.  d.  Könige  11,3.  Im  Hohenliede  6,  7.  sind  nur 
60  Frauen,  nur  80  Kebsweiber,  dazu  aber  noch  unzählige  Jung- 
frauen angegeben.  Darin  jedoch  unterschied  er  sich  von  fast 
allen  orientalischen  Despoten,  dass  er  nicht  bloss  dem  fleisch- 
lichen Genüsse  lebte,  sondern  auch  geistig  thätig  war  als 
Denker  und  Dichter,  wovon  seine  Sprüche  und  sein  Buch 
der  Weisheit,  so  wie  sein  unübertreffliches  Hohelied  zeugen. 

Als  Salomon  alt  geworden,  erzählt  die  heilige  Schrift, 
habe  er  in  seiner  Weisheit  nachgelassen  und  sich  dem  Ein- 
fluss  seiner  vielen  ausländischen  Weiber  hingegeben,  so  dass 
er  auch  Jehovahs  vergessen,  oder  wenigstens  neben  dem- 
selben auch  die  Götzen  seiner  heidnischen  Weiber  angebetet 
und  ihnen  Tempel  gegründet  habe.  Deshalb  sey  der  Herr 
über   ihn    ergrimmt  worden   und  habe  ihm  noch   am  Ende 


I' 


Salomo.  803 

seiner  so  lange  friedfertigen  Regierung  einen  ruhestörenden 
Feind  in  Hadad,  dem  Edomiter,  erweckt. 

Von  Salomo's  Tode,  der  in  der  heiligen  Schrift  nur  ganz 
einfach  berichtet  wird,  hat  das  Suleimaname  wieder  eine  sehr 
schöne  Sage.  Salomon  ging  wie  gewöhnlich  in  den  Garten, 
die  Blumen  zu  betrachten,  da  sah  er  aus  der  Wand  des 
Tempels  ein  Kraut  hervorwachsen.  Unwillig  frug  er  es,  was 
es  sey?  .Jch  bin  das  Steinbrech,"  antwortete  das  Kraut, 
^^geschaffen,  um  die  festesten  Tempel  und  Burgen  mit  der 
Zeit  zu  zerstören."  Da  schnitt  es  der  König  ab  und  machte 
sich  einen  Stock  daraus,  indem  er  sprach;  „Statt  zu  schaden, 
sollst  du  nützen."  Rosenöl  I.  251.  Bald  aber  begegnete  ihm 
der  Todesengel  selbst  (mit  sechs  Gesichtern,  um  nach  allen 
Weltgegenden  hin  die  zu  sehen,  die  er  holen  wollte),  und 
nachdem  er  den  Salomo  belehrt  über  die  Auferstehung  und 
das  ewige  Leben,  nahm  er  seine  Seele  mit  sich,  Salomon 
aber  blieb  noch  ein  ganzes  Jahr  lang  unverwest  aufrecht 
stehen,  so  dass  man  ihn  noch  für  lebend  hielt,  und  binnen 
dieser  Zeit  bauten,  wie  er  gewünscht  hatte,  die  Dschinnen 
den  Tempel  vollends  aus.  Erst  als  der  Stock  Salomons  zu- 
sammenbrach, fiel  auch  er  selbst,  und  Alles  sah  nun,  dass 
er  todt  sey.     Weil ,  275  f. 

Man  hat  dem  Salomo  auch  viele  apokryphische  Bücher 
zugeschrieben,  so  einen  Psalter,  einen  Schlüssel  Salomonis, 
eine  Geisterbeschwörung.  Vgl.  Fabricü  codex  pseudepigr.  914. 
1052.  1032.  Der  Schlüssel  besonders  wurde  im  ITten  und 
zu  Anfang  des  18ten  Jahrhunderts  bei  den  Alchymisten  sehr 
populär,  indem  darin  die  ganze  verborgene  Naturweisheit  der 
Vorwelt  enthalten  seyn  sollte.  Nach  Herbelot  haben  die  Teufel 
selbst  viele  Zauberbücher  unter  dem  Namen  Salomons  edirt. 
Herbelot  .<?.  v.  Soliman. 

Nachdem  wir  im  Ueberblick  erkannt,  welchen  hohen  Rang 
Salomon  in  der  fabelhaften  Vorstellungsweise  des  Orients  ein- 
nimmt, hebt  sich  die  allegorische  Bedeutung,  die  er  für  die 
abendländische  Welt  hat,  schärfer  und  deutUcher  hervor. 

Salomo,   der  junge  weise  König,   hat  hier  alle  mensch- 


S04  Salomo. 

liehe  Schwäehe  abgestreift  und  wird  das  Ideal  der  irdischen 
Könige,  und  als  Gründer  des  Tempels  ein  Vorbild  Christi 
selber,  des  himmlischen  Königs  und  Herrn.  So  ist  er  auf- 
gefasst  in  der  Handschrift  der  Herrad  von  Landsberg  zu 
Strassburg  (vgl.  Engelhardt  S.  43.).  Vornehmlich  aber  ist 
Salomo  als  Bräutigam  des  Hohenliedes  Vorbild  Christi,  als 
des  Bräutigams  der  Kirche.  Die  zwölf  Löwen  am  Throne 
Salomons  entsprechen  den  zwölf  Aposteln.  Der  Tempel  Sa- 
lomons  ist  Vorbild  der  christlichen  Kirche.  Vgl.  d.  Artikel 
Tempel. 

Ausserdem  aber  ist  Salomon  auch  Vorbild  des  König- 
thums  oder  der  weltlichen  Staatsgewalt  in  ihrem  wahren  und 
allein  zulässigen  Verhältniss  zur  Kirche.  Was  bei  David 
noch  schwankt,  steht  bei  Salomo  fest.  Während  David  vor- 
zugsweise ein  lyrischer  Dichter  war,  war  Salomo  ein  gno- 
mischer. Jener  dichtete  Psalmen,  dieser  Sprüche,  ein  Buch 
der  Weisheit  und  einen  Prediger.  Man  hat  gezweifelt,  ob 
Salomon  selbst  dergleichen  geschrieben.  Darauf  kommt  wenig 
an.  Entweder  die  Bücher  gehören  dem  Kreise  an,  in  wel- 
chem Salomo  unmittelbar  wirkte,  oder  sie  sind  etwas  später 
in  seinem  Sinn  und  Namen  zusammengefasst.  Jedenfalls 
herrscht  in  ihnen  das,  was  man  die  salomonische  Weisheit 
zu  nennen  pflegt,  die  von  einem  König  und  Laien,  also  vom 
Staate  aus  dem  Priesterthum  gebrachte  Huldigung,  dass  alles 
irdische  Ding  eitel  sey,  wenn  es  nicht  im  Dienste  Gottes 
stehe.  Diese  salomonische  Weisheit  ist  gleichsam  das  Ab- 
finden des  neuen  Königthums  mit  dem  Priesterthum,  die 
Versöhnung  Samuels  und  Sauls  in  einer  neuen,  innigen  Ver- 
einigung des  Staats  mit  der  Kirche. 

In  den  Sprüchen  Salomonis  ist  der  Grundgedanke:  Gott 
fürchten  und  seine  Gebote  halten  ist  mehr  denn  alles  Wissen; 
nicht  dem  Irdischen  soll  man  vertrauen,  sondern  Gott  allein. 
—  Im  Prediger  Salomonis  ist  der  Grundgedanke:  Alles  ist 
eitel,  nur  wer  Gott  folgt,  gelangt  zum  Wahren  und  Unver- 
gänglichen. —  Im  Buche  der  Weisheit  Salomonis  wird  zu- 
erst das  Streben  nach  Weisheit  empfohlen,  dann  der  aus  der 


Saloiiio.  305 

Weisheit  fliessende  Segen  gepriesen  und  endlich  der  Gang 
der  ewigen  Weisheit  in  der  jüdischen  Geschichte  nach- 
gewiesen. 

Man  hat  diese  Bücher  späterer  alexandrinischer  Philo- 
sopheme  verdächtigt,  allein  das  kann  nur  mit  Aengstlichkeit 
in  ihnen  gesucht  w^erden.  Ihr  wesentlicher  Inhalt  ist  prak- 
tisch und  erbaulich.  Sie  haben  zugleich  den  grossen  Vorzug, 
die  Menschen  und  Natur  und  Leben  zu  nehmen  wie  sie  sind, 
und  keine  zu  ideale  Voraussetzung  von  der  Perfectibilität  des 
Menschengeschlechts  zu  hegen.  Sie  verlangen  daher  nicht 
zu  viel  vom  Menschen,  muthen  ihm  im  Durchschnitt  keine 
zu  strenge  Ascese  und  Engelsmoral  zu,  sondern  tragen  allen 
menschlichen  Bedürfnissen  und  Schwächen  Rechnung  und  Nach- 
sicht, und  gehen  mehr  darauf  aus,  Vorsicht  vor  der  Sünde  und 
Reue  und  Busse  nachher  zu  predigen,  ohne  zu  zweifeln,  dass 
doch  werde  gesündigt  werden.  Das  ist  auch  die  kirchliche 
Voraussetzung  von  der  Menschlichkeit  des  Laienstandes  im  Ge- 
gensatz gegen  die  manichäische  und  puritanische  Strenge  der 
Sekten,  die  den  Menschen  entweder  zu  hart  anfassen  oder 
lioiFärtig  über  sich  selbst  erheben.  Insofern  nun  ist  Salomo 
auch  Vertreter  der  gesammten  Laienwelt  in  ihrer  natürlichen 
Beschaffenheit  und  Wahrheit  mit  ihren  Ansprüchen  an  die 
Hülfe  der  Kirche. 

Endlich  bietet  Salomo  noch  zwei  Seiten  dar:  1)  als  Rich- 
ter, und  2)  als  Magier.  Das  nach  ihm  sprichwörtlich  genannte 
salomonische  Urtheil  ist  ein  Muster  für  jedes  Laiengericht, 
der  gesunde  Menschenverstand  von  einem  frommen  Könige 
im  Dienst  Gottes  angewandt  zum  Wohl  des  Volkes  und  zum 
Schutz  der  Bedrängten.  Was  die  Magie  Salomo's  betrifft,  so 
ist  kein  Zweifel,  dass  ihm  die  heilige  Schrift  selbst  wenn  nicht 
übermenschliche  Weisheit,  doch  jedenfalls  die  Kenntniss  von 
allem  dem  zuschreibt,  was  sich  sonst  nur  an  ganze  Gattungen 
von  Gelehrten  vertheilt.  Vgl.  1.  B.  d.  Könige  4,  30  f.  Auch 
in  Bezug  auf  das  Wissen  vertritt  Salomo  das  Verhältniss 
des  WeltHchen  zum  Kirchhchen,  der  Philosophie,  Rechts- 
kunde,  Geschichte,   Poesie   und  Naturkunde  zur  Theologie. 

Menzel ,  cliristl.  Symbolik.    U.  OQ 


806  Salz. 

In  gewissem  Sinne  steht  ihm  die  Königin  von  Saba  als  die 
noch  nicht  dem  Heiligen  dienende  Wissenschaft  und  Kunst 
mit  ihren  Rä^hselfragen  gegenüber ,  die  nur  er ,  der  den 
Schlüssel  zu  den  göttlichen  Geheimnissen  hat,  lösen  kann. 
Er  ist  die  Wissenschaft  im  Dienst  des  Herrn  und  erleuchtet 
vom  Herrn,  jene  Königin  vertritt  dagegen  die  noch  wild- 
gewachsene des  Heidenthums.  Indem  die  Muhamedaner  in 
ihren  Legenden  von  Salomo  seine  Weisheit  und  Magie  her- 
vorheben, ihm  den  allmächtigen  Siegelring,  einen  Alles  öff- 
nenden Schlüssel,  einen  Zauberstab  etc.  beilegen,  verleihen 
sie  ihm  so  viel  Macht ,  dass  er  eigentlich  Gott  gleich  steht  und 
seiner  nicht  mehr  bedarf,  was  ganz  gegen  seinen  biblischen 
Charakter  läuft. 

Auf  Kirchenbildern  wird  Salomon  immer  im  königlichen 
Schmuck,  aber  jung  und  ohne  Bart  gemalt.  Zuweilen  hat 
er  den  Tempel  als  Attribut  neben  sich.  Vgl.  Didron,  man. 
p.  127.  137. 

Salz, 

dasjenige  Mineral,  das  sich  auch  in  der  Asche  der  Pflanzen 
und  in  den  thierischen  Körpern  findet,  also  allen  Naturreichen 
gemein  und  überhaupt  die  äusserste  Concentration  des  Le- 
bens im  Stoff  zu  seyn  scheint.  Daher  Sinnbild  der  Quint- 
essenz, des  Ausbundes  aller  Kraft  und  Trefflichkeit.  „Ihr 
seyd  das  Salz  der  Erden,  so  nun  das  Salz  dumm  wird,  wo- 
mit soll  man  salzen?"  Matth.  5,  13.  Lucas  14,  34.  —  Zu- 
gleich schützt  Salz  alle  organischen  Dinge  vor  Verwesung. 
Daher  der  Salzbund  des  Herrn  mit  Israel  so  viel  als  der 
ewige,  unzerstörliche  Bund.  4.  B.  Mose  18,  19.  2.  B.  d.  Chro- 
nik 13,  5.  Dieselbe  Bedeutung  hatte  das  Salz  auch  bei  den 
Alten.  Vgl.  Plutarch,  Tischreden  V.  10.  Hieraus  erklärt 
sich  der  Gebrauch  des  Salzes  als  eines  Sinnbildes  der  heiligen 
Geisteskraft  und  des  ewigen  Lebens  bei  der  Taufe.  Ferner 
beim  Exorcismus.  Alle  bösen  Geister  fliehen  das  Salz,  weil 
in  ihm  die  Kraft  des  heiligen  Geistes  wohnt.  Wie  es  gegen 
die  Verwesung  schützt,   so  auch  gegen  die  Ansteckung  mit 


Samariter.  BOT 

dem  geistig  Bösen.  Vgl.  Görres,  Mystik  IV.  2.  237.  Daher 
nach  den  zahlreichen  Hexensagen  bei  einer  Hexenmahlzeit 
niemals  Salz  erscheint.  Wer,  der  Sache  unkundig,  Salz  ver- 
langt, bewirkt  dadurch,  dass  die  ganze  Versammlung  plötzlich 
verschwindet.  Bodini,  daemonomagia  p.  105.  —  Nach  allge- 
meinem Volksglauben  bedeutet  Salzverschütten  ein  Unglück. 
Man  schreibt  es  daher  dem  Teufel  zu,  der  unsichtbar  das 
Umstossen  verursache.  In  Paris  wirft,  wer  Salz  verschüttet, 
ein  wenig  Salz  hinter  sich  dem  unsichtbaren  Teufel  in's  Auge, 
dann  schadet  es  nichts  mehr.  Ausland  1840.  Nr.  269.  In 
Schottland  warf  man  ehemals  Salz  auf  die  Leichen.  Arndt, 
Nebenstunden  S.  389. 


Samariter, 

der  barmherzige,  gleicht  Christo  selber  und  ist  Vorbild  für 
alle  Christen  in  Bezug  auf  die  guten  Werke.  Priester  und 
Leviten  gehen  mitleidlos  am  Schwerverwundeten  vorüber,  der 
verachtete  Samariter  aber  hält  an,  pflegt  ihn  liebreich,  giesst 
Oel  in  seine  Wunden.  An  diesem  Gleichniss  wird  gezeigt, 
wie  unendlich  viel  höher  die  Liebe  des  neuen  Bundes  über 
dem  Gesetz  des  alten  stehe,  und  wie  zur  Uebung  dieser 
Liebe  alle  Nationen  und  Stände,  auch  die  verachtetsten,  gleich 
berufen  seyen.  Aber  nicht  blos  die  christliche  Humanität 
wird  hier  gegenüber  der  starren  Ausschliesslichkeit  des  Ju- 
denthums,  nicht  blos  die  Berechtigung  aller  Menschen,  Kinder 
Gottes  zu  seyn,  dem  angemassten  Vorrecht  der  Juden  gegen- 
übergestellt, sondern  das  Gleichniss  legt  auch  den  grössten 
Werth  auf  die  guten  Werke  im  Gegensatz  gegen  den  todten, 
unfruchtbaren  Glauben.  Der  Priester  und  Levit  hat  nach 
mosaischem  Begriffe  den  rechten  Glauben,  der  Samariter  nicht. 
Und  doch  wird  der  Samariter  hoch  über  sie  gestellt  kraft  der 
guten  Werke,  die  er  übt.  —  Der  barmherzige  Samariter  ist 
am  häufigsten  für  Hospitäler  gemalt  worden,  um  die  christ- 
liche Tendenz  derselben  zu  charakterisiren. 

20* 


BÖS  Samariterin. 


Samariterin}, 

die,  am  Brunnen.  N  ach  dem  Evangelium  Johannis  4.  Christus 
trifft  an  einem  Brunnen  mit  einer  Samariterin  zusammen  und 
bittet  sie,  da  er  ermüdet  ist,  um  einen  Trunk.  Sie  erstaunt, 
wie  ein  Jude  von  ihr  einen  Trunk  verlangen  kann,  da  ja 
alle  Samariter  den  Juden  für  unrein  gelten,  reicht  ihm  aber 
vergnügt  das  Wasser  und  preist  es,  weil  es  aus  dem  näm- 
lichen Brunnen  ist,  aus  dem  Jakob  einst  die  Schafe  tränkte. 
Christus  aber  erwiedert:  „Erkenntest  du  den,  der  dich  bittet, 
du  bätest  ihn  um  das  Wasser  des  Lebens."  „Bist  du  mehr 
als  unser  Vater  Jakob?"  spricht  das  Weib.  Christus  aber 
spricht:  „Wer  aus  diesem  Brunnen  trinkt,  dürstet  wieder, 
aber  wer  das  Wasser  des  Lebens  getrunken  hat,  dürstet  nicht 
mehr."  Nun  bittet  ihn  das  Weib,  ihr  von  dem  Wasser  des 
Lebens  zu  geben.  Aber  Christus  verlangt,  sie  soll  erst  ihren 
Mann  rufen ,  und  da  sie  das  nicht  kann ,  enthüllt  er  ihr  ihren 
bisherigen  bösen  Lebenswandel,  dass  sie  fünf  Männer  gehabt 
und  mit  dem  sechsten  ein  unerlaubtes  Leben  führe.  Damit 
deutet  er  ihr  an,  dass  das  Wasser  des  Lebens  nur  in  ein 
reines  Gefäss  gefasst  werden  kann,  nicht  in  ein  unreines. 
Das  beschämte  Weib  hat  Trutz  und  Geist  genug,  von  diesem 
Gegenstande  des  Gesprächs  abzuspringen,  und  bittet  ihn,  da 
er  ein  Prophet  zu  seyn  scheine,  ihr  zu  sagen,  wer  Recht 
habe,  die  Juden  oder  die  Samariter?  Er  spricht  sich  gegen 
die  Willkühr  der  Samariter  aus,  die  künstHch  machen  woll- 
ten, was  bei  den  Juden  historisch  geworden,  weist  sie  aber 
auf  eine  höhere  Versöhnung  beider  in  der  Verehrung  des 
wahren  Gottes^  Sie  weiss  schon,  dass  der  Messias  kommen 
soll,  der  da  Christus  heisst.  Er  sagt  ihr:  „Ich  bin's."  Sie 
geht  nun,  ihren  Krug  zurücklassend,  eilend  zu  ihrem  Volk, 
es  herbeizurufen. 

In  dieser  überaus  schönen  Idylle  sind  die  erhabensten 
und  schönsten  Seiten  des  Christenthums  enthüllt.  Schon  der 
Brunnen   Jakobs   deutet    auf  die   ursprüngliche  Einheit  der 


\  ' 


Bamuel.  309 

Juden  und  Samariter  hin,  Christus  aber  knüpft  an  dieses 
Vorbild  die  höhere  Einheit  des  ganzen  Menschengeschlechts. 
Seine  Humanität  fragt  nicht  mehr  nach  rein  und  unrein  im 
jüdischen  Sinn.  Die  Samariter  sind  ihm  so  lieb  als  die  Juden. 
Wichtig  ist  diese  Idylle  aber  hauptsächlich  deshalb,  weil  sie 
in's  Licht  setzt,  dass  Christus  die  Weiber  so  gut  wie  die 
Männer  zum  Reiche  Gottes  befähigt  erkannte.  Die  Juden 
gestatteten  nicht,  ein  Weib  im  Gesetz  zu  unterweisen,  hier 
aber  lässt  sich  Christus  mit  einem  Weibe  in  die  tiefsten  Leh- 
ren ein. 

Samuel 

wurde,  wie  seine  Mutter  gelobt,  dem  Herrn  gewidmet,  daher 
schon  als  Knabe  zum  Hohenpriester  Eli  gebracht.  Während 
Eli's  Söhne  den  ärgsten  Unfug  trieben,  weckte  die  Stimme 
des  Herrn  den  frommen  Knaben  Samuel  und  weihte  ihn  in 
seinen  grossen  Beruf  ein.  Eckhout  malte,  wie  er  als  Kind 
zum  Priester  geweiht  wird  (Waagen,  Paris  587.).  Josua 
Reinolds  malte  ihn  ebenfalls  als  Kind  in  der  ersten  glühen- 
den Begeisterung  des  von  Gott  empfangenen  Berufes  (Waa- 
gen, England  H.  196,  bemerkt  hiezu:  er  scheine  ihm  doch 
weder  ein  rechtes  Kind,  noch  ein  rechter  Prophet), 

Die  Wirksamkeit  Samuels  als  Hoherpriester  beginnt  erst 
nach  der  Rückkehr  der  Lade.  Samuel  rief  ganz  Israel  zusam- 
men und  verkündete  ihm  Erlösung  von  den  Philistern,  wenn 
es  allen  fremden  Götzendienst  abthäte.  Da  wurden  Baalim  und 
Astaroth  verbannt  und  Alles  diente  wieder  nur  dem  Gott  Abra- 
hams, dem  Samuel  ein  grosses  Brandopfer  darbrachte.  Wäh- 
rend dieses  Opfers  stürmte  das  Heer  der  Philister  heran,  aber 
Gott  Hess  gewaltige  Donner  über  sie  rollen  und  sie  erlitten 
eine  furchtbare  Niederlage. 

Samuel  bewirkte  eine  vollkommene  Restauration  der  mo- 
saischen Theokratie,  reinigte  das  Land  von  allem  Schmutz 
des  Heidenthums  und  von  den  Feinden,  und  waltete  ganz 
allein,  ein  Priester,  mitten  unter  dem  republikanischen  Volke. 


310  Samuel. 

Um  sich  her  gründete  er  eine  Prophetenschule  zur  Befestigung 
der  Hierarchie. 

Allein  das  Volk  vermochte  sich  zur  Idee  der  Theokratie 
nicht  zu  erheben;  und  da  es  sah,  dass  Samuels  Söhne  aus 
der  Art  schlugen,  Geschenke  nahmen  und  das  Recht  beug- 
ten, trotzten  sie  dem  Vater  um  der  Söhne  willen  und  ver- 
langten statt  des  regierenden  Priestergeschlechts  einen  König, 
„wie  ihn  alle  Heiden  haben."  Der  Herr  sprach  zu  Samuel: 
„Thue  ihren  Willen  auf  ihre  Gefahr,  denn  sie  haben  nicht 
dich,  sondern  mich  verworfen."  Samuel  aber  stellte  dem 
Volk  noch  einmal  in  einer  sarkastischen  Rede  vor,  wie  thö- 
rieht  es  handle,  den  himmlischen  Herrn  mit  einem  irdischen 
zu  vertauschen,  und  sich  selbst  einen  Tyrannen  zu  setzen, 
der  nur  Böses  thun  werde.     (1.  B.  Sam.  8.) 

Inzwischen  machte  das  Volk  noch  geltend,  dass  es  Krieg 
mit  den  Nachbarn  zu  führen  habe  und  deshalb  einen  Krieger, 
keinen  Priester  zum  Haupt  haben  wolle.  So  wurde  Saul  ihr 
König.  Nun  trat  das  irdische  Königthum  im  ganzen  grellen 
Gegensatz  gegen  die  verschmähte  Theokratie  hervor.  Von 
nun  an  wird  Samuel,  der  in  seiner  Person  das  Hohepriester- 
thum  mit  dem  Prophetenthum  vereinigt,  in  seinen  Kämpfen 
mit  dem  Königthum  Vorbild  jener  grossen  Päpste  und  Bi- 
schöfe, welche  die  christliche  Kirche  rein  erhielten  und  schütz- 
ten gegen  die  laxe  Observanz  und  Gewaltthätigkeit  der  welt- 
lichen Macht. 

König  Saul  trachtete  nicht,  sein  Volk  als  treuer  und 
demüthiger  Diener  Jehovahs  zu  regieren,  sondern  nach  eigener 
Willkühr.  Samuel  verlangte,  der  König  wie  das  Volk  sollten 
dem  höchsten  Herrn  unterworfen  bleiben,  und  seine  Gebote 
halten,  wo  nicht,  so  werde  er  sie  für  ihre  Sünden  strafen, 
und  vor  Allem  für  die  Sünde,  statt  Gottes  einen  Menschen 
zum  König  gemacht  zu  haben.  Zur  Bestätigung  seiner  Worte 
Hess  Gott  donnern  und  regnen,  und  das  Volk  erschrack  sehr 
und  gelobte  dem  Priester  Alles ,  was  er  verlangt  hatte.  Diese 
ergreifende  Scene  ist,  so  viel  ich  weiss,  nie  von  einem  be- 
deutenden Maler  aufgefasst  worden.  —    Saul  aber  trachtete 


\ 


Samuel.  811 

bald,  sich  -von  dem  Priester  zu  emancipiren  und  bestand  die 
Probe  nicht,  auf  die  ihn  dieser  stellte.  Denn  als  Saul  ein 
grosses  Opfer  angesagt  hatte,  als  Vorbereitung  zum  Kampf 
gegen  die  Philister,  kam  Samuel  nicht,  der  das  Opfer  ver- 
richten sollte.  Saul  wartete  sieben  Tage,  dann  opferte  er 
selbst.  Nun  erst  erschien  Samuel  und  machte  ihm  schwere 
Vorwürfe,  dass  er  ihm  in's  Amt  gegriffen.- 

Im  Kampf  wider  die  Philister  beging  Saul  eine  neue 
Uebereilung.  Er  verfluchte  Jeden  und  weihte  ihn  dem  Tode, 
der  etwas  essen  würde,  bis  er  Pache  an  den  Philistern  ge- 
nommen. Dadurch  feuerte  er  die  Wuth  seines  Volkes  an 
und  siegte  wirklich.  Aber  sein  eigener  Sohn  Jonathan  hatte, 
ohne  des  Vaters  Befehl  zu  kennen,  etwas  Honig  gegessen 
und  sollte  nun  sterben.  Das  Volk  zwang  jedoch  den  König, 
sein  unvernünftiges  Wort  zurückzunehmen.  Also  ein  neuer 
Beweis ,  dass  die  Handlungen  und  Worte  der  Könige  nichtig 
und  eitel  sind,  wenn  Gott  nicht  davon  weiss,  wenn  sie  Gott 
dabei  nicht  zu  Pathe  gezogen. 

Zum  drittenmal  übereilte  sich  Saul  in  seiner  Eigenmäch- 
tigkeit, als  ihm  Samuel  im  Namen  des  Herrn  gebot,  die 
feindseligen  Amalekiter  und  alle  ihre  Habe  zu  vernichten, 
damit  nichts  von  ihnen  übrig  bleibe.  Saul  schlug  das  Volk, 
konnte  sich  aber  nicht  überwinden,  auch  die  fetten  Heerden 
derselben  zu  vertilgen  und  nahm  sie  als  gute  Beute  mit. 
Samuel  hörte  das  Blöcken  der  Schafe  und  das  Brüllen  der 
Rinder,  und  machte  Saul  bittere  Vorwürfe.  Saul  wollte  das 
erbeutete  Vieh  nun  Jehovah  opfern ,  aber  Samuel  sprach : 
„Gehorsam  ist  dem  Herrn  lieber,  als  Brandopfer."  Saul 
demüthigte  sich  vor  dem  Priester  und  bat  ihn  um  Vergebung; 
aber  Samuel  wandte  sich  im  Zorn  von  ihm.  Saul  suchte  ihn 
dabei  aufzuhalten  und  riss  ihm  einen  Zipfel  seines  Gewandes 
ab.  Da  sprach  Samuel:  „Gott  hat  heute  das  Königthum 
von  dir  gerissen  und  einem  Andern  gegeben,  der  besser  ist 
als  du!"  Allein  auf  Sauls  dringende  Bitte  kehrte  Samuel 
doch  wieder  um,  liess  sich  aber  den  gefangenen  Amalekiter- 
könig  Agag  vorführen  und   hieb   ihn  mit   eigener  Hand  in 


313  Samuel. 

Stücken.  Ein  venetianischer  Dichter,  Carrer,  hat  1819  ein 
Trauerspiel  daraus  gemacht  und  darin  im  kirchenfeindlichsten 
Sinne  den  Samuel  als  ein  priesterliches  Scheusal,  den  Agag 
aber  als  einen  edeln  Märtyrer  aufgefasst. 

Als  Samuel  einst  im  tiefen  Leide  dasass,  darum,  dass  er 
den  Saul  zum  König  gemacht  hatte,  sprach  der  Herr  zu  ihm 
und  befahl  ihm,  einen  Würdigeren  zum  König  zu  salben, 
und  zwar  den  jungen  Sohn  des  Isai  von  Bethlehem.  Samuel 
begab  sich  nach  Bethlehem  und  besah  des  Isai's  Söhne,  der 
Herr  aber  bezeichnet  ihm  den  jüngsten,  David,  als  den  ver- 
heissenen.  Man  musste  ihn  von  der  Heerde  hereinholen,  die 
er  im  Felde  hütete.  Samuel  salbte  ihn,  wie  er  den  Saul 
gesalbt  hatte.  Eine  grosse  Vorbedeutung  liegt  darin,  dass 
der  bessere  König  in  Bethlehem  geboren  ist.  Dort  soll  der- 
einst der  höchste  König  selbst  geboren  werden.  Wie  fromm 
nämlich  auch  David  ist,  so  bleibt  er  als  irdischer  König  doch 
immer  nur  ein  Surrogat  für  den  himmlischen  König.  Gott 
lässt  dem  Volk  einen  irdischen  König,  um  seiner  Schwäche 
willen,  ohne  doch  je  die  Idee  der  Theokratie  aufzugeben. 
So  wie  er  bald  darauf  auch  den  Tempelbau  zulässt,  ohne 
die  Idee  der  unsichtbaren  und  allgegenwärtigen,  darum  keines 
Hauses  bedürftigen  Göttlichkeit  aufzugeben.  Beides ,  der 
König  David  wie  der  Tempel  Salomo's,  sind  nur  proviso- 
rische Vorbilder  des  himmlischen  Königs,  der  einst  aus  Da- 
vids Stamm  entsprossen  soll ,  und  des  himmlischen  Zions  oder 
neuen  Jerusalems ,  des  allgemeinen  Gottesreichs  auf  Erden, 
das  durchaus  nur  noch  Tempel  und  in  dem  Jeder  Priester 
seyn  soll.  Diese  Hinweisung  ist  in  den  Büchern  Samuelis 
deutlich  ausgesprochen. 

Aber  Samuel  starb,  David  war  auf  der  Flucht  und  Saul 
herrschte  noch.  Die  Philister  bekriegten  ihn  auf's  Neue  und 
machten  ihm  grosse  Sorge.  Saul  glaubte  sich  von  Gott  ver- 
lassen und  bewog  die  Hexe  von  Endor,  ihm  den  Geist  Sa- 
muels aus  dem  Grabe  zu  beschwören,  um  sich  Kaths  bei 
ihm  zu  erholen,  bei  dem,  den  er  bis  in  den  Tod  gehasst  und 
verfolgt  hatte.     Aber  der  Geist  Samuels  verkündete  ihm  nur 


Samuel.  318 

Gottes  Zorn  und  nahen  Untergang.  Das  ist  eine  der  gross- 
artigsten Scenen  im  alten  Testament,  und  ein  Vorbild  für 
das  Verhältniss  des  Staats  zur  Kirche.  Denn  wenn  der  Staat, 
um  von  der  Kirche  unabhängig  zu  seyn,  die  Kirche  ganz 
unterdrückt,  ihre  Diener  vertreibt  und  sich  auf  eigne  Hand 
stellt,  alle  Abhängigkeit  von  Gott  verleugnend,  so  kommt  er 
in  seiner  Gottentfremdung  in  Bedrängnisse,  die  ihn  nöthigen, 
angstvoll  noch  nach  dem  blossen  Schatten  der  verlornen  Kirche 
zu  greifen.  Aber  dann  ist  es  zu  spät  und  das  Gericht  des 
Herrn  wird  ohne  Erbarmen  vollzogen,  ehe  ein  frömmeres 
Geschlecht  die  Kirche  wiederfindet. 

Die  Verheissung  ging  in  Erfüllung.  Saul  wurde  in  einer 
grossen  Schlacht  von  den  Philistern  überwunden;  sein  Sohn 
Jonathan  und  mehrere  seiner  andern  Söhne  fielen,  er  selbst 
Hess  sich  von  seinem  Waffenträger  mit  dem  Schwert  durch- 
stechen, worauf  auch  der  Waffenträger  sich  in  sein  Schwert 
stürzte.  So  endete  der  imglückliche  König ,  der  wider  seinen 
Willen  zur  Krone  berufen  Avorden  war  und  sich  ihrer  nicht 
würdig  erwiesen  hatte ,  weil  er  nicht  Gottes  Geboten ,  sondern 
dem  eigenen  Willen  gehorchen  wollte.  Er  verstand  das  Kö- 
nigthum  in  der  Weise,  wie  die  Heiden,  und  sollte  es  doch 
in  einem  ganz  andern  Sinne  verstehen;  denn  ein  Gesalbter 
des  Herrn  bei  den  Juden  sollte  auch  in  der  Furcht  des  Herrn 
leben  und  nicht  selber  Herr  seyn  wollen. 

Saul  eignet  sich  in  vorzüglichem  Grade  zum  Helden 
eines  Trauerspiels.  Deshalb  ist  er  schon  durch  Hans  Sachs, 
dann  durch  Holzwart  (zu  Gabel  in  Böhmen,  vgl.  Jördens 
VI.  346.  Meyer,  Faust  S.  43.)  1571,  ferner  in  einer  Tragödie 
von  1606  (Gottsched,  Vorrath  I.  160.)  und  in  einem  Singspiel 
von  Rolle  auf  die  deutsche  Bühne  gebracht  worden.  Aber 
die  Dichter  standen  alle  schon  auf  dem  Standpunkt  der  mo- 
dernen Staatstheorie  und  konnten  die  Idee  der  Theokratie  und 
den  Charakter  Samuels  nicht  mehr  begreifen. 

Tiefer  fasste  den  Saul  zuerst  Alfieri  auf,  aber  nicht 
glücklich;  denn  er  gibt  ihm  dem  Priester  gegenüber  Recht, 
und  stellt  ihn  als  ein  edles  Opfer  dar.^  Der  Franzose  Soumet 


314 


Saphir. 


behandelte  denselben  Stoff  1822,  dann  wieder  die  Deutschen 
Knebel,  Bock  (1840)  und  Eückert.  Alle  fassen  nur  das  in- 
dividuelle Schicksal  des  Königs  auf  und  stellen  seine  bekla- 
genswerthe  Persönlichkeit  in's  Licht,  ohne  dabei  die  grosse 
Idee  der  Theokratie  zu  würdigen  oder  würdigen  zu  wollen. 
Die  Grösse  Samuels  ist  allen  Dichtern  der  Neuzeit  unerreich- 
bar geblieben. 

Samuel  erscheint  auf  Kirchenbildern  im  vollen  Ornat  des 
Hohenpriesters ,  und  weil  er  schon  als  Kind  vom  Herrn  zum 
Priesteramt  berufen  wurde ,  ist  er  auch  häufig  noch  als  zarter 
Knabe  im  Priesterornat,  aber  voll  prophetischen  Geistes  und 
Feuers  in  den  wunderbar  strahlenden  Augen  gemalt  worden. 
So  von  Josua  Reinolds  und  Eckhout. 

Saphir, 

der  blaue  Edelstein,  Sinnbild  des  blauen  Himmels.  Daher 
sitzt  der  im  Himmel  thronende  Jehovah  auf  einem  Saphir. 
2.  B.  Mos.  24,  10.  Ezechiel  1,  26.  Aus  demselben  Grunde 
war  nach  dem  Titurel  die  Decke  des  Tempels  von  Montsal- 
vaz  von  Saphir.  Bekanntlich  ist  im  altdeutschen  Titurel  des 
Wolfram  von  Eschenbach  der  Tempel  auf  Montsalvaz  das 
Ideal  einer  gothischen  Kirche.  —  Sofern  die  Edelsteine  im 
Brustschild  Aarons  auf  die  zwölf  Söhne  Jakobs,  und  später 
auch  auf  die  zwölf  Apostel  bezogen  wurden,  kommt  der 
himmelfarbige  Saphir  dem  Naphthali  und  dem  heiligen  Petrus 
zu.     Didron,  annales  V.  222. 


Sarg. 

Die  Heiden  pflegten  häufig  ihre  Todten  zu  verbrennen 
oder  den  wilden  Thieren  zur  Speise  auszusetzen.  Der  Christ, 
wie  der  Jude  begräbt  seine  Todten.  Der  Mensch,  der  vom 
Staube  genommen  war,  soll  wieder  zu  Staub  werden.  Die 
Erde,  der  Gott  Odem  einbhes,  soll  wieder  Erde  werden,  wenn 
der  Odem  von  ihr  weicht.  Darum  heisst  der  Leib  des  Menschen 


Schacher.  315 

die  irdische  Hülle  seiner  Seele  nicht  in  Bezug  auf  sein  kurzes 
Leben  auf  der  Erde ,  sondern  in  Bezug  darauf,  dass  er  aus 
der  Erde  genommen  ist.  —  Dass  bei  der  hiedurch  bedingten 
Beerdigung  der  christHchen  Leichen  ein  Sarg  gebraucht  wird, 
hat  nur  zum  Zweck,  die  Leiche  auch  noch  im  Tode  vor 
fremder  Berührung,  insbesondere  aber  vor  dem  heidnischen 
Verschlungenwerden  durch  Thiere  zu  schützen  und  den  ein- 
fachen Verwesungsprozess  derselben  zu  sichern. 

Dem  Sarg,  der  unter  die  Erde  verborgen  werden  soll, 
kommt  demnach  auch  nur  Zweckmässigkeit  in  Stoff  und 
Form,  aber  Iteine  Symbolik  zu.  Nur  auf  dem  Wege  zum 
Grabe  pflegt  man  ihn  zu  schmücken  und  in  den  Grüften  der 
Fürsten  und  Vornehmen,  wo  er  gar  nicht  unter  die  Erde 
kommt.  Alsdann  werden  den  Wappen ,  Namen  etc.  zuweilen 
Symbole  zugefügt,  wie  sie  auch  bei  Grabdenkmalen  vor- 
kommen. Hinweisungen  auf  Tod  und  Unsterblichkeit,  oder 
Allegorien  der  Tugenden,  durch  die  der  Verstorbene  sich 
auszeichnete.  Wenn  aber  schon  an  Grabdenkmälern  allzu 
viel  Prunk  dem  Ernst  des  Todes  und  Gerichtes  nicht  selten 
widerspricht,  so  gilt  das  noch  mehr  vom  Schmuck  der  Särge, 
der  einem  unmittelbaren  Putz  der  Leiche  noch  näher  kommt. 
Wo  die  Kunst  den  Gräbern  naht,  kann  sie  sich  nicht  genug 
einer  edlen  Einfachheit  befleissigen. 

In  der  Legende  der  Heiligen  kommt  oft  vor,  dass  Särge 
mit  heiligen  Leibern  stromauf  schwimmen.  Der  Sarg  des 
heiligen  Bartholomäus,  obgleich  schwer  von  Blei,  schwamm 
doch  über  das  Meer  nach  Sicilien.  Der  Leib  der  h.  Priscilla 
liegt  zu  Laibach  in  einem  gläsernen  Sarge,  der  des  h.  Pau- 
linus  in  Trier  schwebte  frei  in  der  Luft.  v.  Haupt,  Pano- 
rama von  Trier  S.  210. 

Schacher. 

Von  den  beiden  Schachern,  zwischen  denen  Christus 
gekreuzigt  wurde,  hat  man  eine  ausführliche  Legende  in  den 
apokryphischen  Evangelien.     Nach  dem  Evang,  Infant.  Christi 


316  Schacher. 

arah,  cap.  23.  hiess  der  bessere  Schacher  TItus ,  der  schlimme 
aber  Dumachus.  Sie  trafen  schon  bald  nach  der  Geburt 
Christi  mit  demselben  zusammen,  als  seine  frommen  Eltern 
ihn  nach  Aegypten  retteten.  Dumachus  wollte  die  Reisen- 
den ausplündern,  Titus  aber  hielt  ihn  ab.  Im  apokryphischen 
Evangel.  Nicodemi  cap.  9.  heisst  der  bessere  Schacher  Dis- 
mas ,  der  böse  Gesmas.  Nach  demselben  Cap.  26.  wurde 
der  erstere  am  Kreuze  dadurch  bekehrt,  dass  der  Schatten 
des  Heilands  auf  ihn  fiel.  Dieser  Schacher,  den  der  Herr 
nach  Lucas  23 ,  39.  selber  in's  Paradies,  berief,  wird  als  hei- 
liger Dismas  und  als  Patron  der  zum  Tode  verurtheilten  Ver- 
brecher verehrt.  In  ihm  ist  die  christliche  Reue  personificirt, 
der  da  Gnade  widerfährt.  Künstlichere  Erklärungen,  wie 
wir  sie  bei  Sepp,  Heidenthum  III.  5,  finden,  wonach  Christus 
den  Sem,  der  gute  Schacher  Japhet,  der  böse  Cham  bedeuten 
soll,  haben  keinen  Werth  für  die  christliche  Anschauung. 

Auf  einem  alten  Bilde  in  Braunschweig  wird  dem  Gismas 
und  Jesmas  (guten  und  bösen  Schacher  am  Kreuz)  noch  der 
Barabbas  zugesellt,  der  Schacher,  der  freigegeben  wurde, 
damit  Christus  gekreuzigt  werde.  Fiorillo  II.  62.  Diese  Zu- 
sammenstellung ist  sinnig;  denn  Barabbas,  der  vom  Pöbel- 
wahne frei  erklärte,  bildet  einen  Gegensatz  zu  dem  von  Christo 
gerechtfertigten  Schacher. 

Auf  Kirchenbildern  unterscheidet  sich  die  Kreuzigung 
der  beiden  Schacher  von  der  des  Heilandes  häufig  dadurch, 
dass  sie  nur  angebunden,  nicht  angenagelt  sind,  und  dass 
ihr  Kreuz  nur  die  Form  eines  ~Y  hat.  Man  wollte  damit 
nur  ihre  Unterordnung  ausdrücken  und  den  Heiland  aus- 
zeichnen. Auf  altdeutschen  Bildern  sieht  man  nicht  selten 
die  Seelen  der  Schacher  aus  ihrem  Munde  fahren  in  Gestalt 
kleiner  Kinder.  Die  Seele  des  guten  Schachers  wird  von 
einem  Engel,  die  des  bösen  von  einem  Teufel  in  Empfang 
genommen.     d^Agincourt^  sculpt.  133,  154,  155. 


gchaum.  817 


Schafe, 

Sinnbild  der  Frommen,  Avie  Böcke,  Sinnbild  der  Gottlosen. 
Die  Böcke  sollen  von  den  Schafen  gesondert  werden.  Matth. 
25,  32.  Das  verlorne  Schaf,  das  vom  guten  Hirten  gesucht 
und  zurückgebracht  wird,  ist  Sinnbild  der  verirrten  Seele; 
Wölfe  in  Schafskleidern,  Sinnbild  der  Heuchler  und  falschen 
Propheten.  Matth.  7,  15.  Schafe  sind  ferner  Attribute  des 
Propheten  Amos,  als  eines  Hirten,  desgleichen  der  heiligen 
Hirten  Drogo,  Florens,  Magnus,  Wendelin,  Genofefa,  Re- 
gina etc.     Vgl.  die  Artikel  Hirt  und  Lamm. 

Schatten. 

Ungewöhnliche  und  widernatürliche  Schatten  verkünden 
schwere  Verhängnisse  und  sind  durch  Gottes  Zulassung  be- 
wirkt, um  den  ungläubigen  Hochmuth  zu  überzeugen.  So  das 
Zurücklaufen  des  Schattens  an  der  Sonnenuhr  des  Ahas. 
2.  B.  d.  Kön.  20,  11.  Sirach  48,  26.  —  In  den  spanischen 
Auto's  bedeuten  die  Schatten  allezeit  die  Sünde,  v.  Schack, 
dramat.  Lit.  d.  Spanier  H.  401 ,  HI.  267.  —  Im  Nassauischen 
glaubt  das  Volk,  wenn  es  stürmt,  erscheine  der  Schatten  des 
heiligen  Lubentius  in  der  Lahn  und  stille  den  Sturm.  Des- 
halb nennt  es  auch  den  sanften  Wind  einen  Lubentiwind. 
Henninger,  Nassau  und  s.  Sagen  III.  78.  Durch  den  Schatten 
des  Heilandes  am  Kreuz,  der  auf  ihn  fiel,  wurde  der  gute 
Schacher  bekehrt.     Evang.  Nicodemi  c.  26. 

Schaum, 

Sinnbild  des  Nichtigen,  Werthlosen,  auch  des  Unreinen  und 
Schlechten.  Mehrmals  wird  in  der  heiligen  Schrift  das  Gleich- 
niss  vom  Silber  gebraucht,  welches  erst  ein  reines  Gefäss  gibt, 
wenn  der  Schaum  beim  Schmelzen  weggefegt  ist.  Sprichw. 
Salomonis  25,  4.  Jesaias  J,  22.  25.  Das  bedeutet  den  Menschen, 


818  Schauspieler. 

der  sich  vom  Unrath  der  Sünde  reinigen  soll.  Vom  Schaum 
des  Meeres  gilt  dasselbe.  Die  Gottlosen  sind  gleich  dem 
Meere,  das  Unrath  auswirft.    Jesaias  57,  20. 

Schauspieler. 

Der  grösste  Schauspieler  in  der  Welt  ist  der  Teufel,  denn 
er  liebt  es,  sich  in  allen  möglichen  Formen  zu  verstellen,  um 
die  Menschen  zu  täuschen  und  zu  berücken.  Die  Maske  ist 
Symbol  der  Lüge.  Das  leichtsinnige  Volk  der  Mimen  und 
Histrionen  zählte  im  Beginne  des  Christenthums  zu  dessen 
erbittertsten  Feinden,  denn  als  die  Kirchen  sich  zu  füllen  be- 
gannen, wurden  die  Theater  leer.  Das  damalige  Verhältniss 
wird  durch  eine  schöne  Legende  klar.  Genesius,  ein  römischer 
Possenreisser  unter  Kaiser  Diocletian,  äffte  auf  der  Schau- 
bühne die  christlichen  Ceremonieen  nach,  wurde  aber  plötzlich, 
indem  er  in  der  Rolle  eines  kranken  Christen  auf  dem  Sterbe- 
bette die  letzte  Beichte  ablegen  sollte,  vom  heiligen  Geist 
ergriffen,  beichtete  wirklich  alle  seine  Sünden  und  wurde  ein 
Christ,  wofür  er  den  Tod  litt.    25.  August. 

Seheiterhaufen, 

auf  Kirchenbildern  das  Attribut  unzähliger  Heiligen ,  die  den 
Feuertod  erlitten.  Einzelne  werden  dabei  durch  besondere 
Umstände  gekennzeichnet,  z.  B.  ein  Engel  löscht  das  Feuer 
der  heiligen  Columba,  Regen  das  der  h.  Martina,  St.  Fruc- 
tuosus  singt  auf  dem  Scheiterhaufen.  Das  Feuer  theilte  sich 
und  wich  nach  allen  Seiten  aus,  um  den  h.  Polykarpus  zu 
verschonen.  An  einen  Baum  gebunden  kniet  die  h.  Afra. 
Zwischen  zwei  Bäumen  über  dem  Feuer  hängt  die  h.  Augusta. 
Zwischen  drei  Pfählen  brennt  die  h.  Anastasia.  Mit  der  Dor- 
nenkrone auf  dem  Haupte  brennt  der  h.  Theodorus  Thyro. 
Von  Thieren  umgeben  die  h.  Thekla. 


i 


Schenkungen.  319 


Schenkungen. 

Nehmen,  rauben,  erobern  war  das  Princip  der  grossen 
Weltreiche  im  alten  Heidentlium ;  Festhalten  war  das  Princip 
des  Judenthums ;  Geben  wurde  erst  das  Princip  des  Christen- 
thums.  Gott  selbst  gab  sich  den  Menschen  hin,  und  Alle, 
die  Christo  nachahmen,  müssen  den  Vorschmack  der  Seligkeit 
schon  auf  Erden  im  Geben  finden.  „Geben  ist  seliger  als 
nehmen.  —  Liebe  deinen  Nächsten  wie  dich  selbst."  Wem 
Gott  gegeben,  der  gebe  wieder  seinem  Nächsten,  denn  wir 
sind  nicht  Eigenthümer,  nur  Verwalter  im  Namen  des  ewigen 
Gebers.  Daher  vom  Anfang  der  Kirche  an  das  unablässige 
Ausströmen  aus  ihr  von  geistigen  und  leiblichen  Wohlthaten 
für  die  Bedürftigen.  Daher  die  Wechselwirkung,  die  Schen- 
kungen an  die  Kirche,  um  wieder  durch  die  Kirche  die 
wirksamste  Anwendung  zu  finden.  Daher  die  unzählbaren 
Heiligen  und  Frommen,  die  Alles,  was  sie  hatten,  den  Armen 
gaben.  Daher  endlich  der  hohe  Werth,  der  schon  im  Evan- 
gelio  auf  das  Scherflein  auch  der  ärmsten  Wittwe  gelegt  wird. 
Denn  das  Kleinste,  was  die  freie  Liebe  gibt,  ist  mehr  werth, 
als  viel,  was  ungern  gegeben  wird. 

Li  keiner  Legende  ist  der  innere  Liebesdrang,  der  da 
geben  möchte  und  nicht  hat,  die  Seligkeit  des  Gebens  bei 
der  bittersten  Armuth,  naiver  und  lebendiger  aufgefasst,  als 
in  der  Legende  der  heiligen  Zitta.  Sie  war  eine  Magd  in 
Lucca,  verrichtete  die  schwersten  Arbeiten ,  lebte  hart,  wurde 
wegen  ihrer  Einfalt  oft  ausgelacht,  war  aber  eine  grosse 
Heilige.  Sie  schöpfte  aus  einem  Brunnen  für  einen  Armen 
Wein  statt  Wasser.  Sie  gab  von  ihres  Herrn  Vorräthen  den 
Armen,  und  die  Vorräthe  blieben  doch  dieselben.  Sie  ver- 
schenkte sogar  ihres  Herrn  Rock,  und  der  Rock  fand  sich 
wieder.  Für  jeden  Missethäter,  der  hingerichtet  wurde,  betete 
sie  drei  Tage  lang.     Sie  starb  am  27.  April  1272. 


320  Scheuer. 


Scheuer, 

Attribut  des  heiligen  Ansovinus  und  der  h.  Brigitta,  weil  die- 
selben leere  Scheuern  durch  ihr  Gebet  mit  Korn  anfüllten. 


Schiff, 

altes  Sinnbild  der  Kirche.  Die  Kirche  selber  stellt  ein  Schiff, 
der  Chor  die  Cajüte,  der  Thurm  den  Mast,  die  Strebepfeiler 
Ruder  dar.  Das  Kreuz  gilt  bald  als  Anker,  bald  als  Mast, 
die  Siegesfahne  mit  dem  Kreuz  als  Segelstange.  Cyprianus 
Hymne  bei  Fortlage  S.  115.  In  einem  Auto  des  Lope  de 
Vega  wird  die  Vergleichung  sinnig  durchgeführt.  Das  Schiff 
der  Kirche  trägt  das  Kreuz  als  Mast,  darauf  den  Kelch  als 
Wimpel,  drei  verschiedenfarbige  Masten  als  Glaube,  Liebe, 
Hoffnung,  die  Passionswerkzeuge  als  Tackelwerk,  das  heilige 
Grab  als  die  heilige  Fracht  auf  dem  Verdeck  und  St.  Petrus 
führt  das  Steuerruder,  v.  Schack,  dramat.  Lit.  der  Spanier 
II.  405. 

Sofern  die  Kirche  gleich  einem  Schiff  auf  stürmischem 
Meere  in  der  Menschheit  schwimmt  und  immer  neuen  Ge- 
fahren ausgesetzt  ist,  aber  doch  die  Verheissung  der  sichern 
Landung  hat ,  wird  sie  mit  der  Arche  Noä  verglichen.  Darin 
liegt  zugleich  die  Lehre:  Extra  ecclesiam  nulla  salus.  Ringsum 
ist  Sündfluth  und  Tod ,  nur  im  Schiff  der  Kirche  ist  Rettung. 
Hiebei  ist  von  besonderer  Wichtigkeit  Matth.  8,  24.  Christus 
schläft  im  Schiff,  während  seine  Jünger  ob  des  Sturmes  ver- 
zagen. Erwachend  ruft  er:  „Ihr  Kleingläubigen!"  und  stillt 
das  Meer.  Sie  hätten  an  ihn  glauben  sollen,  auch  wenn  er 
nicht  erwacht  wäre.  Vgl.  den  Artikel  Gergesener  Säue,  wo 
die  tiefere  Symbolik  dieser  Begebenheit  erklärt  ist.  Die  Säue, 
vom  Teufel  besessen,  müssen  in  die  Tiefe  des  Meeres  ver- 
sinken, weil  sie  der  Tiefe  angehören,  als  ihrer  eigenthchen 
Heimath,  während  das  Schiff,  wenn  auch  von  Gefahren  um- 
ringt, der  himmlischen  Heimath  sicher  zusegelt.    Das  Symbol 


Schiff.  3^1 

ist  im  Mittelalter  zu  einer  sehr  ausführliclien  Legende  aus- 
gesponnen worden.  Der  heilige  ßrandanus  schifft  sich  mit 
seinen  Mönchen  ein ,  um  das  Paradies  zu  erreichen ,  fährt  um 
die  ganze  Erde  und  besteht  eine  Menge  Gefahren,  schaut 
eine  Menge  wunderbarer  Dinge,  in  denen  sinnbildlich  der 
Weg  des  Christen  durch's  Leben ,  der  Weg  der  Kirche  durch 
die  Welt  charakterisirt  ist.  Acta  SS.  Maß  111.  602.  Bearbeitet 
in  einem  altfranzösischen  Gedicht.  Vgl.  Keller,  altfranzösische 
Sagen  IL  1.  und  als  deutsches  Volksbuch  gedruckt,  Basel  149L 
In  dieser  Legende  wird  einmal  das  Schiff  des  Heiligen  von 
unzähligen  Teufeln  bestürmt,  die  ringsum  das  Meer  erfüllen. 

Der  kürzeste  Auszug  des  Symbols  ist  auf  Gräbern,  alt- 
christlichen Lampen,  Ringen  das  Schiff  mit  dem  Kreuz  als 
Anker,  auch  das  Schiff  mit  der  Taube,  ferner  Christus  auf 
einem  Delphin  (christliche  Anwendung  eines  antiken  Motivs). 
Vgl.  Munter,  Sinnbilder  I.  99.    Piper,  christl.  Myth.  L  218  f. 

Auf  christlichen  Gräbern  hat  das  Schiffsymbol  den  beson- 
dern Sinn  eines  glücklichen  Hinüberschiffens  in  die  Seligkeit. 
Schon  die  Alten  glaubten ,  die  Seelen  der  Verstorbenen  wür- 
den von  Charon  auf  einem  Kahn  über  den  Styx  gefahren. 
Diese  Vorstellung  wurde  im  Christenthum  um  so  mehr  bei- 
behalten, als  noch  der  neue  Begriff  des  Schiffs  der  Kirche 
hinzukam,  in  welchem  man  dem  ewigen  Verderben,  wie  in 
der  Arche  Noä  der  Sündfluth  entgehen  sollte.  Daher  in  den 
Grabbildern  der  Katakomben  zu  Neapel,  herausgegeben  von 
Bellermann  S.  31,  Christus  als  Steuermann.  Vgl.  Boldetti 
p.  345.  360.  362.  372.  Hier  kommt  namentlich  auch  die 
Taube  als  Sinnbild  des  heiligen  Geistes  auf  dem  Mast  des 
Seelenschiffes  vor.  Walz  im  Kunstblatt  1840.  Nr.  16.  ist  ge- 
neigt, bei  diesem  Schiffe  auf  Grabdenkmälern  nur  an  die 
glückliche  Ueberschiffung  aus  dem  einen  Leben  in's  andere 
oder  in  den  Hafen  der  Ruhe  zu  denken ;  allein  offenbar  haben 
die  frommen  Christen,  die  einander  jenes  Schiff  auf  das  Grab 
setzten,  darunter  zunächst  das  Schiff  der  Kirche  verstanden, 
in  dem  allein  im  Tode  Rettung  sey.  Ganz  verschieden  von 
jenen   Gräbersymbolen   erscheint    das    von    Teufeln   besetzte 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  91 


S22  Schiff. 

Schiff  am  Grabe  des  heiligen  Dagobert  zu  St.  Denis;  das 
ist  noch  ganz  der  Nachen  des  Charon.  Die  Teufel  wollen 
den  armen  König  in  die  Hölle  fahren,  aber  Engel  kommen, 
ihn  zu  retten.    Vgl.  Piper  1.  229. 

Wieder  ganz  eigenthümlich  ist  das  Schiffsymbol  der 
Manichäer.  Diese  nämlich  hielten  den  Mond  für  das  Schiff, 
welches  sich  periodisch  mit  den  gereinigten  Seelen  der  From- 
men anfülle,  um  sie  von  der  Erde  in  den  Himmel  zu  be- 
fördern.   Baur,  manichäische  Systeme  S.  231. 

Das  Schiff  der  Kirche  kommt  auch  als  Luftschiff  vor. 
Nach  einem  schönen  alten  Weihnachtsliede  fuhr  es  vom  Him- 
mel herab  und  ankerte  auf  der  Erde,  indem  es  uns  den 
Heiland  brachte.  Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  119.  Ein 
merkwürdiges  Bild  zu  Weilheim  stellt  das  Schiff  der  Kirche 
gleichfalls  in  der  Luft  schwebend  dar,  wie  es  ein  auf  der 
Erde  stehender  Mann  zu  entern  versucht.    Fiorillo  I.  311. 

Auch  Maria  kommt  auf  dem  Schiff  der  Kirche  fahrend 
vor,  theils  als  Retterin  aus  Stürmen,  theils  als  Fischerin  der 
Seelen.    Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  177. 

Ein  sehr  gutes  Gleichniss  vom  Schiffe  ist  folgendes.  Eine 
alte,  sehr  reiche  Dame  fuhr  aus  Holland  ab.  Als  nun  auf 
dem  Meer  ein  gewaltiger  Sturm  tobte  und  man  das  Schiff 
erleichtern  musste,  warf  sie  willig  alle  ihre  Kisten,  Güter 
und  Schätze  in's  Meer,  um  nur  noch  die  wenigen  ihr  übrigen 
Lebensjahre  zu  fristen.  Aber  nicht  einen  Heller  hatte  sie  je 
zum  Opfer  bringen  wollen,  um  sich  das  ewige  Leben  im 
Himmel  zu  erkaufen.    P.  Abraham,  Judas  H.  40. 

Das  Schiff  als  Attribut  von  Heiligen.  Die  heilige  Mag- 
dalena fuhr  mit  den  Ihrigen  nach  Marseille  und  ging,  nachdem 
das  Schiff  versunken  war,  zu  Fuss  mit  ihnen  weiter.  Die 
heilige  Ursula  fuhr  mit  ihren  vielen  Jungfrauen  zu  Schiffe 
auf  dem  Rhein ,  als  sie  vom  Ufer  her  durch  die  Plunnen  mit 
Pfeilen  getödtet  wurden.  St.  Restituta  wurde  in  einem  Schiffe 
verbrannt.  Gegen  den  Strom  schifften  ohne  Ruder  eine  Menge 
heiliger  Leichname,  z.  B.  der  des  h.  Emmeranus  zu  Regens- 
burg,   des  h.   Melanins,    Werenfridus    etc.     Vgl.   Fluvius  in 


Schlaf.  828 

den  Registern  der  Acta  SS.  St.  Castor,  Patron  von  Coblenz, 
rettet  ein  sinkendes  Schiff. 

St.  Andres  von  Slagelse,  ein  dänischer  Heiliger,  pilgerte 
nach  Jerusalem  und  wollte  sich  auf  dem  Rückweg  zu  Joppe 
einschiffen,  hörte  aber  erst  eine  Messe  und  unterdess  fuhr 
das  Schiff  ab.  Ein  unbekannter  Reiter  aber  nahm  ihn  mit 
auf  sein  Pferd,  und  als  der  entschlafene  Heilige  erwachte, 
befand  er  sich  daheim  und  erst  lange  Zeit  nachher  kamen 
seine  Reisegefährten  mit  dem  Schiffe  an.  Dänische  Volks- 
sagen von  Thiele. 

Patron  der  Schiffer  ist  im  Abendlande  ausser  St.  Elmo 
(vgl.  den  Artikel  Elmsfeuer)  hauptsächlich  der  heilige  Nicolaus 
von  Bari,  der  schon  bei  Lebzeiten  Schiffe  im  Sturme  rettete 
und  trocknen  Fusses  über  die  Wellen  schreiten  konnte.  In 
der  Levante  St.  Phokas.  Dieser  Gärtner  in  Sinope  wurde 
unter  Kaiser  Diocletian  verfolgt.  Die  Schergen  kamen  in 
sein  Haus ,  ohne  ihn  zu  kennen ,  und  er  bewirthete  sie  gastfrei. 
Bei  Nacht  aber  grub  er  sich  selber  sein  Grab  und  gab  sich 
des  Morgens  seinen  Gästen  als  den  an,  den  sie  suchten, 
worauf  er  enthauptet  und  begraben  wurde.  Die  Schiffer  des 
schwarzen  Meeres  ehren  ihn  als  ihren  Patron,  denn  er  er- 
scheint ihnen  in  Stürmen  und  lenkt  das  Schiff,  oder  weckt 
die  Schlummernden  in  Gefahren;  weshalb  sie  ihn  auch  bei 
ihren  Mahlzeiten  als  unsichtbaren  Gast  ansehen  und  ihm 
Speise  und  Trank  vorsetzen.  Dieselben  kauft  dann  Einer  ab 
und  schenkt  das  Geld  den  Armen.  Eine  sehr  schöne  Sitte. 
Surius  zum  22.  September.  Die  Gartenscene  hat  Börnecke 
besungen.  Legenden,  Leipzig  1846.  H.  415.  In  der  Türkei 
gelten  auch  die  heiligen  Siebenschläfer  als  Patrone  der  Schiffer 
und  werden  oft  auf  Schiffen  abgebildet ,  weil  es  am  Schlüsse 
des  Koran  heisst,  sie  seyen  in  ein  Schiff  gestiegen. 

Schlaf. 

Die  heilige  Schrift  macht  unter  den  berühmten  Schläfern, 
deren  sie  gedenkt,   einen  genauen  Unterschied,   soferne  der 

21* 


S24  Schlaf. 

Unschuldige  im  Schlafe  gesegnet  oder  durch  einen  wunder- 
baren Traum  erfreut  wird,  den  Schuldigen  aber  im  Schlafe 
Unheil  überfällt  oder  wenigstens  böse  Träume  ängstigen. 
Selig  ist  der  erste  Schlummer  Adams,  denn  er  erwacht  im 
Anblick  der  neugeschaffenen  Eva  im  Paradiese.  Selig  ist 
der  Schlaf  des  Jakob,  denn  die  Engel  steigen  auf  der  Him- 
melsleiter zu  ihm  nieder.  Selig  schläft  das  Jesuskind,  der 
tiefste  Frieden  Gottes  bezeichnet  den  Schlaf  des  Heilands  auf 
dem  Schüfe  während  des  Meersturmes.  Unheilvoll  aber  ist 
der  Schlaf  Noah's,  weil  er  vorher  im  Weingenuss  gesündigt; 
der  Schlaf  des  Simson,  weil  er  sich  von  der  Delila  bethören 
liess;  der  Schlaf  des  Pharao  und  des  Holofernes,  weil  sie 
das  Volk  Gottes  bedrohten. 

Unter  den  Heiligen  kommt  das  Attribut  des  Schlafes 
vorzugsweise  den  sogenannten  Siebenschläfern  zu.  Sieben 
Jünglinge  von  Ephesus  (Maximian ,  Malchus ,  Martinian ,  Dio- 
nysius,  Johannes,  Serapion  und  Constantin)  versteckten  sich 
als  verfolgte  Christen  in  einer  Höhle ,  wurden  darin  entdeckt 
und  auf  Befehl  des  Kaisers  Decius  zugemauert,  27.  Juli. 
Nach  180  oder  196  Jahren  im  5ten  Jahrhundert  wurden 
Steine  daselbst  gebrochen,  wodurch  ein  Loch  in  die  Höhle 
geöffnet  wurde  und  die  Sonne  hinein  schien.  Da  erwachten 
die  Schläfer,  glaubten,  sie  hätten  nur  eine  Nacht  geschla- 
fen ,  und  schickten  einen  von  ihnen  aus ,  um  ihnen  vorsichtig 
Brodt  zu  holen.  Wie  erstaunte  nun  dieser,  als  er  ringsum 
das  Land  voll  Kirchen  und  Kreuze  fand!  Ihn  selbst  aber 
staunte  man  wegen  seiner  fremden  und  alterthümlichen 
Tracht  an.  Nachdem  sie  Alles  erfahren  hatten,  schliefen  sie 
wieder  ein.  Die  Legende  wurde  syrisch  verfasst  und  von 
Gregor  von  Tours  (de  gloria  martyrum  I.  95.)  in's  Lateinische 
übersetzt.  Vgl.  Photius  S.  1400.  Eutychius.  Alsemanni,  hihi, 
Orient,  1.  336.  Acta  SS.  Jul.  VI.  375.  700  Jahre  später  er- 
wachten sie  noch  einmal.  Eduard  der  Heilige,  König  von 
England,  sass  1065  bei  Tisch  und  lachte.  Als  man  ihn  frug, 
warum  er  lache,  erwiederte  er,  er  habe  gesehen,  wie  die 
sieben  Schläfer  sich  im  Schlafe  umgewandt  hätten.    Man  liess 


Schlange.  885 

nachsehen  und  es  fand  sich  wirklich  so.  Das  deutete  man  auf 
die  grossen  Veränderungen  der  Zeit,  die  Eroberung  Englands 
durch  die  Normannen,  den  Investiturstreit  und  die  Kreuzzüge. 
Hygderij  polychronicon  bei  Gate  15.  Script,  p.  283. 

Muhamed  hat  die  Legende  auch  in  den  Koran  aufge- 
nommen und  den  sieben  Schläfern  noch  einen  treuen  Hund 
beigegeben.  Sie  ist  sehr  phantastisch  ausgebildet  in  den  per- 
sischen Mährchen  des  1001  Tages  (494ster  Tag  f).  Der 
Wiederauferstandene  heisst  hier  Dschemlicha  (d.  i.  Jamblichus). 
Die  schöne  Legende  wurde  von  Moreto  in  einem  Auto  auf 
die  spanische  Bühne  gebracht  (v.  Schack,  dramat.  Lit.  der 
Spanier  III.  344.).  In  der  Ambrosiuskirche  zu  Mailand  sind 
die  Schläfer  auf  einem  sehr  alten  Bilde,  angeblich  aus  dem 
lOten  Jahrhundert,  abgebildet.    Miliin  I.  218. 

Der  Sinn  dieser  Legende  ist  sehr  einfach.  Die  Schläfer 
sind  Unschuldige  und  Verfolgte.  Gott  erbarmt  sich  ihrer, 
indem  er  ihnen  mitten  in  einer  Welt  von  Mord  und  Greuel 
die  süsse  Ruhe  des  Schlummers  gewährt.  Sie  sind  Zeugen 
seiner  ewigen  Güte,  des  Schutzes,  der  die  Unschuld  doch 
Irgendwo  mit  Heiligkeit  und  Unverletzlichkeit  umkleidet, 
wenn  auch  die  Welt  sie  auszurotten  tobt.  Und  sie  knüpfen 
auf  sinnige  Weise  die  erste  Jugend  der  Christenheit,  in  der 
sie  lebten,  an  die  ferne  Zukunft  an,  in  der  die  Christenheit 
sich  wieder  läutern  soll.  Dass  solche  junge  fromme  Zeugen 
aus  frühester  Vergangenheit  noch  leben  und  einmal  wieder 
erwachen  sollten,  musste  dem  Volke  ein  freudiger  Glaube 
seyn,  und  darum  waren  die  sieben  Heiligen  so  populär.  Die 
von  Strauss  (Kirchenjahr  S.  306)  versuchte  Erklärung,  die 
mit  Beziehung  auf  den  27.  Juni,  als  dem  Tag  der  Heiligen, 
an  den  Stillstand,  beziehungsweise  Schlaf  der  Sonne  denkt, 
ist  nicht  glücklich. 

Schlange, 

Sinnbild  der  Bosheit  wegen  ihres  Schleichens  und  wegen 
ihres  Giftes,  zugleich  Sinnbild  der  Verführung  wegen  ihrer 
glänzenden  Schönheit  und  zierlichen  Beweglichkeit.    Mit  allen 


826  Schlangle. 

diesen  Eigenschaften  erscheint  die  Schlange  im  Paradiese, 
indem  sie  die  Eva  verlockt,  das  Gebot  des  Herrn  zu  über- 
treten und  vom  Apfel  zu  essen.  Sie  wird  im  1.  Buche  Mosis 
selber  nicht  Teufel  genannt ,  dass  sie  aber  denselben  darstelle, 
bev^eist  Buch  der  Weisheit  2,  24.  Johannes  8,  44.  Apostel- 
geschichte 12,  9.  Eigentlich  ist  sie  nur  das  Werkzeug  des 
Teufels.  Nach  Jesaias  11,  8.  ruhte  im  Paradiese  die  Otter 
friedlich  neben  dem  Säugling.  Sie  wurde  erst  vom  Teufel 
besessen  und  dadurch  schädlich.  Dies  drückt  das  1.  Buch 
Mosis  3,  14.  dadurch  aus,  dass  Gott  die  vorher  mit  Füssen 
begabte  Schlange  verflucht,  zur  Strafe  fortan  auf  dem  Bauche 
zu  kriechen.  In  den  Mährchen  des  Mittelalters  und  in  Volks- 
sagen tritt  überall  der  Volksglaube  hervor,  wonach  die 
Schlange  alle  Sprachen  verstehe,  und  wer  Schlangenfleisch 
esse,  werde  dieser  Gabe  theilhaftig.  Andrerseits  wurde  es 
Volksglaube,  die  giftigste  Viper  greife  doch  niemals  einen 
nackten,  sondern  immer  nur  bekleidete  Menschen  an,  in 
Erinnerung  an  das  Paradies,  aus  dem  sie  verbannt  worden. 
Isidor  XII.  4.     Vincent.  Bellov.  spec.  nat.  XX.  14. 

Die  um  den  Baum  ringelnde  Schlange  ist  allgemeines 
Sinnbild  1)  des  Paradieses,  w^enn  es  an  Raum  gebricht,  etwas 
mehr  davon  darzustellen,  aber  auch  2)  der  von  der  Sünde 
umstrickten  Welt,  der  Menschheit.  • —  Auf  Bildern  des  Sün- 
denfalls hat  die  Schlange  zuweilen  einen  Jungfrauen-  oder 
einen  Jünglingskopf,  oder  auch  beide  zugleich.  Diese  selt- 
same Symbolik  erklärt  sich  aus  der  jüdischen  Fabel,  nach 
welcher  Eva ,  ehe  sie  noch  das  Weib  Adams  wurde ,  mit  der 
Schlange,  in  welcher  der  männliche  Teufel  Sammael  verborgen 
war,  Adam  aber  eben  so  mit  der  Teufelin  Lilith  gebuhlt  haben 
soll.  Eisenmenger,  entdecktes  Judenthum  I.  371.  Gfrörer, 
Kirchengeschichte  I.  80.  Darauf  nun  bezieht  sich  der  mensch- 
liche Doppelkopf  der  Schlange.  Der  Jungfrauenkopf  ist 
Lilith,  der  Jünglingskopf  Sammael;  auf  einem  italienischen 
Miniaturbild  der  Pariser  Bibliothek  hat  die  Schlange  beide 
Köpfe,  um  Adam  und  Eva  zugleich  zu  verführen.  Didron^ 
icon.    p.    81  j    annales    1,    74.      Twining,    symboU^    pl.    76. 


Schlange.  827 

Auch  Conrad  von  Megenberg  im  Buch  der  Natur  1482, 
Fol.  123,  erwähnt  das  Menschengesicht  der  Schlange.  Auf 
einigen  Bildern  dieser  Art  fällt  auf,  dass  der  Jungfrauenkopf 
der  Schlange  dem  Kopf  der  Eva  selber  ähnlich  ist.  Sollte 
damit  nicht  Eva's  eigne  Seele  gemeint  seyn,  in  die  das  Gift 
der  Verführung  eingeschlichen,  und  objectiv  aufgefasst  wird? 
Auf  einem  Bild  des  chron.  Zwifalt.  in  der  Stuttgarter  Bibliothek 
p.  56  ist  auch  die  Seele  der  sterbenden  Maria  nur  als  ein 
ihr  ganz  ähnlicher  Kopf  gemalt. 

Eine  andere  Erklärung  gab  Munter  (christl.  Sinnbilder 
U.  46.),  indem  er  das  Menschengesicht  der  Schlange  auf  die 
zahlreichen  und  besonders  im  alexandrinischen  Zeitalter  der 
ersten  christlichen  Jahrhunderte  weit  verbreiteten  Bilder  des 
ägyptischen  Agathodämon  zurückfülirte.  Dagegen  aber  lässt 
sich  einwenden,  dass  jener  Agathodämon,  als  Personification 
der  Weltseele  in  Gestalt  einer  Schlange  mit  Menschen-  oder 
auch  Löwenkopf  und  Nimbus,  immer  nur  eine  gute  Bedeu- 
tung hatte  und  folglich  nicht  auf  die  anerkannt  böse  Para- 
diesesschlange angewandt  werden  konnte.  Nur  ausserhalb 
der  orthodoxen  Kirche,  bei  den  gnostischen  Ophiten,  wurde 
in  ganz  antibiblischer  und  wüderchristlicher  Weise  das  natür- 
liche Verhältniss  umgekehrt  und  die  Schlange  des  Paradieses 
als  Agathodämon  aufgefasst,  der  vom  höchsten  Gott  abge- 
sandt worden  sey,  dem  Adam  die  Erkenntniss  zu  gewähren, 
die  ihm  der  niedere  Erden-  und  Judengott  untersagt  habe. 
Vgl.  Neander,  gnostische  Systeme  S.  245.  Darum  beteten 
die  Ophiten  auch  die  Schlange  förmlich  an. 

Die  Schlange  des  Paradieses  ist  das  Böse  selbst,  kann 
also  nie  eine  gute  Bedeutung  haben.  Eine  nur  äusserliche 
Verwandtschaft  hat  sie  daher  mit  den  in  heidnischen  Mythen 
vorkommenden  Drachen  und  Lindwürmern,  die  unter  dem 
Baume  der  Hesperiden,  des  goldnen  Vliesses,  unter  den 
Lindenbäumen  des  deutschen  Heldenbuchs  etc.  von  frommen 
Helden  erschlagen  werden.  Inzwischen  hat  das  gar  keinen' 
Innern  Zusammenhang  mit  der  christlichen  Idee ,  heiligen  Ge- 
schichte und  Symbolik,   und  es  ist  vollkommen  überflüssig, 


B28  Schlange. 

davon  in  einem  Werk  über  specifisch  christliclie  Symbolik  zu 
reden.  Der  Paradiesesbaum  mit  der  Schlange  ist  bisher  von 
den  Erklärern  nur  deshalb  so  oft  auf  den  Hesperidenbaum 
bezogen  worden,  weil  es  ihnen  darum  zu  thun  war,  die 
Selbstständigkeit  und  Eigenthümlichkeit  der  christlichen  Ideen- 
welt in  Zweifel  zu  ziehen  und  das  Christliche  überall  aus 
heidnischen  Wurzeln  herzuleiten;  da  doch  alle  Vergleichungs- 
punkte darauf  hinauslaufen,  dass  dieselbe  Giftschlange  eine 
schlimme  Bedeutung  in  den  heidnischen  Mythen  annahm, 
wie  in  der  ganz  davon  verschiedenen  und  unabhängigen 
christlichen  Geschichte;  eine  zufällige  Uebereinstimmung,  die 
ganz  natürlich  ist ,  weil  an  der  Schlange  hier  wie  dort  immer 
die  nämlichen  gefährlichen  Eigenschaften  wahrgenommen 
wurden. 

Während  in  heidnischen  Mythen  immer  ein  männlicher 
Heros  die  Schlange  überwindet,  hält  ganz  unbekümmert 
darum  und  ohne  Kenntniss  dieser  heidnischen  Symbolik  das 
1.  Buch  Mosis  die  Vorstellung  von  „des  Weibes  Samen ^ 
fest,  welcher  der  Schlange  den  Kopf  zertreten  soll,  1.  Buch 
Mos.  3,  15.  Diese  Hervorhebung  des  weiblichen  Elementes 
stellt  der  Sünderin  Eva  die  Mutter  des  Erlösers,  Maria, 
gegenüber,  der  ersten  Schuld  auf  Erden  die  erste  wieder 
rein  himmlische  Unschuld  auf  Erden.  Deshalb  ist  es  in  der 
kirchlichen  Bildnerei  allezeit  Maria,  welche  den  Kopf  der 
Schlange  tritt,  unter  deren  Fuss  sie  sich  windet,  gewöhnlich 
den  Apfel  im  Maul,  der  sie  speciell  als  die  Schlange  des 
Paradieses  bezeichnet.  So  in  der  Lorenzkirche  zu  Nürnberg 
und  öfter.  Fiorillo  I.  259.  Zuweilen  ist  der  Apfel  im  Maul 
der  Schlange  auch  die  Weltkugel  selbst,  was  den  nämlichen 
Sinn  hat,  denn  indem  die  Schlange  die  ersten  Eltern  ver- 
führte, hat  sie  die  ganze  Welt  verführt.  Das  Zertreten  des 
Schlangenkopfs  durch  Maria  hat  sein  alttestamentalisches  Vor- 
bild in  der  Enthauptung  des  Holofernes  durch  Judith.  Marian. 
Liederschatz,  Augsb.  1841,  S.  118. 

Ursache  und  Folge  der  Sünde  wird  häufig  contrastirt 
in    den  Bildern  der  verführenden    und    der   überwundenen 


Schlange.  329 

Schlange,  oder  der  von  der  Schlange  verführten  und  ver- 
derbten Menschheit.  Ersteres  geschieht,  indem  man  dem  von 
der  Schlange  umwundenen  Apfelbaum  des  Paradieses  das 
Kreuz  Christi  gegenüberstellt,  zu  dessen  Füssen  sich  die 
Schlange  unter  Dornen  krümmt.  Letzteres  wird  bezeichnet 
durch  eine  Schlange,  die  sich  durch  ein  menschliches  Gerippe 
windet,  wie  sie  vordem  durch  den  fruchtreichen  Baum  sich  w^and. 
Solche  Gerippe  mit  Schlangen  finden  sich  öfter  auf  Gräbern. 

Ein  schönes  Auto  von  Calderon  (la  serpiente  de  Metal) 
stellt  den  Kampf  Mosis  mit  Belphegor  (dem  Satan)  und  Idolo- 
latria  (dem  personificirten  Götzendienst)  dar,  die  sein  Volk 
verführen.  Als  ihnen  alle  Mittel  fehlschlagen,  Verlockung, 
das  goldne  Kalb ,  die  Waffen  der  Amalekiter  etc. ,  ergrimmen 
sie  und  schicken  die  feurige  Schlange  in's  Lager  Israels.  Da 
richtet  Moses  die  eherne  Schlange  auf  und  alle  Wunden  wer- 
den unschädlich.  Staunend  fragen  Belphegor  und  Idololatria, 
wie  das  möglich  sey?  Da  sagt  Moses:  ;,Die  Sünde  ist  ein 
Gift ,  wer  dessen  Wirkung  an  den  Sündern  heilen  will ,  muss 
die  Gestalt  des  Sünders  annehmen,  ohne  an  der  Sünde  Theil 
zu  haben. ^  Das  deutet  auf  Christum,  der  Menschengestalt 
annahm,  um  die  Menschen  von  den  Bissen  der  höllischen 
Schlange  zu  heilen.  Um  das  Bild  noch  deutlicher  zu  machen, 
erblickt  man  im  Hintergrunde  auf  dem  Hügel,  auf  dem  das 
goldne  Kalb  gestanden,  plötzlich  das  Crucifix.  v.  Schack, 
dramatische  Literatur  der  Spanier  HI.  270.  Das  ist  die  einzig 
passende  Erklärung  des  Schlangensymbols  bei  Moses,  mit 
Bezug  auf  Joh.  3,  14,  wo  die  eherne  Schlange  als  Christus 
gedeutet  ist.  Dagegen  haben  Alle  geirrt,  welche  dabei  wieder 
an  den  Agathodämon  denken  zu  müssen  glaubten,  oder  an 
die  Heilsschlange  des  Asklepios,  der  bei  den  Griechen  Gott 
der  Aerzte  w^ar. 

Durch  den  Spruch:  ;,Seyd  klug  wie  die  Schlangen  und 
ohne  Falsch  wie  die  Tauben"  (Matth.  10,  14.)  wird  der  Christ 
ermahnt,  dem  bösen  Geist  in  Hinsicht  auf  Erkenntniss  nicht 
nachzustehen,  nur  aber  nicht  durch  bösen  Sinn  und  Willen 
das  Wissen  zu  missbrauchen ,  sondern  sich  in  Gesinnung  und 


330  Schlangre. 

That  immer  nur  vom  heiligen  Geist  (der  Taube)  inspiriren 
zu  lassen.  Schlange  und  Taube  stehen  sich  hier  geradezu 
als  Teufel  und  heiliger  Geist  gegenüber.  —  Die  Vergleichung 
mit  Dan,  einem  der  zwölf  Söhne  Jakobs  (1.  B.  Mos.  49,  17.) 
hat  eine  einfach  ethnographische  Bedeutung  für  die  jüdischen 
Stämme  und  keinen  Bezug  auf  christliche  Symbolik.  Das 
häufig  auf  alten  Kirchen  des  europäischen  Südens  vorkom- 
mende Steinbild  eines  Weibes,  an  deren  Brust  Schlangen 
saugen ,  ist  dagegen  der  altern  heidnischen  Symbolik  entlehnt, 
in  welcher  die  in  der  Erde  lebende  Schlange  auch  das  Ele- 
ment der  Erde  bedeutete,  und  stellt  lediglich  eine  Personi- 
fication  der  Erde  dar.     Vgl.  Piper,  christl.  Mythol.  II.  67. 

Die  Schlange  über  dem  Kelche,  Attribut  des  Evangelisten 
Johannes,  wird  erklärt  als  Gift,  welches  er  einmal  ohne 
Schaden  im  Kelche  getrunken  habe.  Es  lässt  sich  jedoch 
nicht  leugnen ,  dass  sich  gerade  in  dieses  Sinnbild  jene  schon 
bezeichneten  gnostischen  Vorstellungen  gemischt  haben  kön- 
nen, die  den  Agathodämon  in's  Christenthum  übertrugen. 
Und  vielleicht  gerade  weil  bei  diesem  Evangelisten  Johannes 
allein  die  Deutung  der  Mosesschlange  auf  Christum  vorkommt, 
wurde  Werth  darauf  gelegt,  ihm  die  Schlange  zum  Attribut 
zu  geben.  Allein  die  ganz  abgeschmackte  und  nichtswürdige 
Weise,  in  welcher  die  modernen  Erklärer  bei  christlichen 
Symbolen  stets  zunächst  an  geistlose  Nachahmung  oder 
Adoption  heidnischer  Symbole  denken,  ist  hier  so  wenig  als 
anderswo  anwendbar.  In  Böttigers  kleinen  Schriften  I.  93  ff. 
wird  mit  einem  fast  lächerlichen  Aufwand  von  Gelehrsamkeit 
die  Agathodämon -Hypothese  in  Bezug  auf  den  Kelch  mit  der 
Schlange  durchgeführt.  Wenn  hier  die  Schlange  allerdings 
etwas  mehr  zu  bedeuten  scheint,  als  das  physische  Gift, 
welches  Johannes  unschädlich  getrunken ,  so  doch  gewiss  nicht 
den  Agathodämon  oder  gar  die  mystische  Schlange  des 
Dionysos.  Man  muss  vielmehr  jenes  Gift  geistig  und  ganz 
so  verstehen,  wie  das  oben  erwähnte  Sinnbild  von  der 
Schlangenweisheit,  mit  Taubensinn  vereint,  nämlich  als  die 
ihres   Gifts    beraubte  Schlange    der   Erkenntniss.     Alsdann 


* 


Schlange.  331 

behält  die  Legende  Recht,  welche  vom  Gift  spricht,  aber 
auch  die  Symbolik  behält  Recht,  die  in  der  Schlange  nichts 
Böses  mehr  sieht.  Der  Evangelist  Johannes  aber  ist  der 
weiseste ,  geistreichste  unter  allen  Evangelisten.  Auf  ihn  passt 
vor  allen  die  Schlangenklugheit  mit  der  Taubeneinfalt.  Es  ist 
nicht  unbedeutsam,  dass  vom  heiligen  Bernhard  von  Clairvaux 
dieselbe  Legende  vom  Kelch  und  von  der  Schlange  erzählt 
wird.  Dieser  Heilige  war  einer  der  weisesten  und  zugleich 
mildesten  des  Mittelalters. 

Die  Schlange,  welche  der  Apostel  Paulus  auf  der  Insel 
Malta  in's  Feuer  schleuderte,  ist  wieder  einfach  Sinnbild  des 
Bösen.  Apostelgesch.  28,  1.  Steine  aus  der  Grotte,  worin 
es  geschah,  sollen  gegen  Schlangenbiss  helfen.  Niebuhr, 
Reise  I.  19.  —  Auch  der  Apostel  i^ndreas  soll  durch  sein 
Gebet  eine  riesenhafte  Schlange  besiegt  haben.  Nach  der 
Apostelgeschichte  des  Abdias. 

Schlangen  sind  das  Attribut  vieler  Heiligen  in  dreifacher 
Beziehung.  Erstens  nämlich  solche  Schlangen,  denen  die 
heiligen  Märtyrer  vorgeworfen  wurden,  die  aber,  ihre  Heilig- 
keit respectirend ,  dieselben  unverletzt  Hessen,  so  die  Heiligen 
Didymus,  Paternus,  Phocas,  die  Heiligen  Anatolia,  Christina, 
Thecla.  Zweitens  Schlangen,  die  durch  ihre  Grösse  oder 
Menge  eine  Gegend  beunruhigten,  aber  von  Heiligen  ver- 
trieben wurden,  wobei  darauf  Rücksicht  zu  nehmen  ist,  dass 
in  einigen  Fällen  diese  Schlangen  wohl  nur  symbolisch  zu 
verstehen  sind  und  nicht  wirkliche  Schlangen,  sondern  die 
alten  heidnischen  Priester,  Druiden  etc.  bedeuten,  die  von 
christlichen  Bekehrern  vertrieben  wurden.  So  war  einer  der 
berühmtesten  Schlangenvertreiber  der  heilige  Patricius  (Patrik), 
Apostel  von  Irland.  Nach  der  Legende  bannte  er  alle  Schlan- 
gen des  Insellandes  auf  das  Vorgebirge  Cruachanaigle ,  von 
wo  sie  sich  in's  Meer  hinabstürzen  mussten.  Der  heilige 
Romanus  zu  Rouen  überwältigte  dagegen  eine  einzige,  aber 
ungeheuer  grosse  Schlange ,  indem  er  ihr  sein  Skapulier  um- 
warf. Andere  heilige  Schlangenvertreiber  waren  St.  Magnus, 
Julius,  Hilarius  von  Arles,  wiederum  in  Gallien  als  Gegner 


33S  Schleier. 

der  heidnischen  Druiden.  —  Drittens  Schlangen,  welche  sich 
gleich  andern  wilden  Thieren,  von  der  Macht  des  Heiligen 
bezwungen,  frommen  Einsiedlern  dienend  unterordneten. 
St.  Aemilianus  oder  Millan  wurde  als  Einsiedler  unter  Schlan- 
gen, als  seiner  einzigen  Gesellschaft,  lebend,  die  ihm  aber 
nichts  zu  Leide  thaten ,  über  hundert  Jahre  alt.  St.  Josephus 
Anchieta  lebte  im  wilden  Walde,  zähmte  giftige  Schlangen 
und  wilde  Vögel,  die  sich  auf  seine  Arme  setzten  etc.  Nie^ 
remberg ,  hist.  nat.  205.  St.  Verdiana,  eine  fromme  Jungfrau 
in  Etrurien,  lehte  30  Jahre  lang  einsam  in  einer  Zelle  mit 
zwei  grossen  Schlangen,  die  sie  durch  das  Kreuzeszeichen 
gezähmt  hatte,  im  13ten  Jahrhundert.  1.  Februar.  Eben  so 
der  Einsiedler  Goderich.  Dem  Stabe  des  Abts  Heldrad 
folgten  alle  Schlangen  von  Novalese.  Görres,  Mystik  H.  225. 
Als  Räuber  den  heiligen  Chariton  gefangen  hielten,  kroch 
eine  Schlange  in  ihre  Weinflasche  und  vergiftete  den  Wein, 
dass  alle  umkamen  und  der  Heilige  frei  wurde.  Surius  zum 
28.  September. 

Schleier, 

Sinnbild  der  Verhüllung ,  der  Zucht  und  Schamhaftigkeit ,  da- 
her kein  Frauenzimmer  in  der  Kirche  ohne  Schleier  erscheinen 
soll.  2.  Korinth.  11,  5.  Vgl.  Binterim,  Denkw.  VI.  2.  151. 
Daher  auch  die  Einweihung  der  Nonnen  mit  dem  Schleier, 
desgleichen  der  Bräute.  Wittwen  aber  mussten  immer  ver- 
schleiert gehen ,  und  auf  Kirchenbildern  ist  deshalb  die  ält- 
liche und  weissverschleierte  Gottesmutter  stets  als  Wittwe 
kenntlich.  —  Nach  der  Legende  brachte  der  heilige  Geist  in 
Taubengestalt  der  heiligen  Adelgunde  selbst  den  Nonnen- 
schleier, woran  man  sie  auf  Bildwerken  erkennt. 

Der  Schleier  erhielt  aber  auch  die  Bedeutung  des  Mantels 
als  Schutzmittel.  —  Wenn  auf  Sicilien  der  Aetna  Feuer  aus- 
wirft und  Lavaströme  die  Stadt  Catanea  bedrohen,  wird  aus 
den  Mauern  derselben  in  feierlicher  Prozession  der  Schleier 
der  heiligen  Agathe  getragen,  der  das  Feuer  abwehrt.  Die 
Heilige  war  im  Martyrium  auf  glühenden  Kohlen  gewälzt, 


SchlüsseL  838 

aber  ihr  Schleier  nicht  verbrannt,  sondern  nur  vom  Feuer 
geröthet  worden.  Seitdem  besass  er  die  Kraft,  jedem  Feuer 
zu  widerstehen.  Auch  im  Schwarzwald  ist  die  Heilige  wirksam. 
Die  sogenannte  Wanne  ist  ein  alter  Krater  ganz  nahe  bei 
der  Stadt  Villingen ;  er  soll  einmal  einen  Feuerstrom  durch's 
Thor  der  Stadt  ergossen  und  diese  in  Brand  gesteckt  haben. 
Seitdem  hat  man  (wie  am  Aetna)  das  Bild  der  heiligen 
Agathe  am  Thor  aufgestellt ,  die  vor  dem  vulkanischen  Feuer 
schützt.  Schnezler,  bad.  Sagenbuch  I.  446.  Auch  der 
Schleier  der  heiligen  Emerita  in  der  Schweiz  blieb  unver- 
sehrt, als  sie  selbst  auf  dem  Holzstoss  verbrannt  wurde. 
Diese  ünverbrennlichkeit  des  Schleiers,  die  auch  schon  in 
alten  römischen  Sagen  von  einer  Vestalin  vorkommt,  charak- 
terisirt  die  heilige  Macht  der  Jungfräulichkeit.  Vgl.  den 
Artikel  Jungfrau.  Für  unverbrennlich  galt  auch  der  Schleier 
der  heiligen  Ludmilla,  mit  dem  diese  Fürstin  von  Böhmen 
auf  Antrieb  ihrer  heidnischen  Schwiegertochter  Drahomira 
erdrosselt  worden  war.     16.  September. 

Die  heilige  Bova,  Aebtisin  zu  Rheims,  aus  königlichem 
Geblüte ,  war  so  schön ,  dass  ein  Grosser  des  Reichs  sie  hei- 
rathen  und  mit  Gewalt  entführen  wollte;  als  er  aber  ihren 
Schleier  berührte,  verdorrte  ihm  der  Arm  und  wurde  nicht 
eher  gesund,  als  bis  er  feierlich  entsagte  und  selber  Mönch 
wurde.  Die  Kirche  verehrt  sie  am  24.  April.  Die  heilige 
Franchea  wollte  einmal  über  einen  Fluss,  fand  keine  Fähre, 
breitete  aber  nur  ihren  Schleier  aus,  setzte  sich  und  zwei 
Nonnen  darauf  und  fuhr  mit  ihnen  getrost  hinüber.  —  Der 
heiligen  Adelgunde  brachte  eine  Taube  vom  Himmel  selbst 
den  Nonnenschleier  herab,  30.  Januar. 

Schlüssel, 

Sinnbild  des  Besitzes  und  der  Amtsgewalt  gleich  dem  Scepter 
und  Hirtenstabe.  Der  Schlüssel  Davids  oder  der  Schlüssel 
zum  Hause  David  bei  Jesaias  22,  22.  und  Offenb.  Joh,  3,  7. 
ist  alttestamentalisches  Vorbild  der  Schlüssel  Petri ,  das  Haus 


334  Schlüssel. 

David  Vorbild  der  christlichen  Kirche ,  des  Gottesreichs ,  des- 
sen Hut  auf  Erden  dem  heiligen  Petrus  anvertraut  ist.  Bei 
Matthäus  16,  17.  spricht  der  Herr  zu  Petro:  ^Ich  will  dir  des 
Himmelreichs  Schlüssel  geben.  Alles,  was  du  auf  Erden 
binden  wirst,  soll  auch  im  Himmel  gebunden  seyn,  und  Alles, 
was  du  auf  Erden  lösen  wirst,  soll  auch  im  Himmel  los  seyn.^ 
Darum  sind  zwei  Schlüssel,  einer  des  Himmels,  der  andere 
der  Erde,  Attribut  des  heiligen  Petrus  und  aller  seiner  Nach- 
folger auf  seinem  Stuhl  in  Rom.  Schon  auf  sehr  alten  christ- 
lichen Bildern,  Aringhi,  Roma  suht.  I.  293.  Ein  Schlüssel 
ist  von  Gold,  der  andere  von  Silber.  Kreuser,  Kirchenbau 
n.  100.  Selten  hat  Petrus  auch  noch  einen  dritten  Schlüssel, 
nämlich  zu  denen  des  Himmels  und  der  Erde  auch  noch  den 
der  Hölle.  So  auf  einem  Mosaikbild  bei  Ciampini,  tob.  77. 
Allein  dieser  dritte  Schlüssel  kommt  nach  der  Offenbarung 
Johannis  20,  1.  vielmehr  dem  heiligen  Erzengel  Michael  zu. 
Nach  derselben  1,  19.  hat  der  Herr  selber  den  Schlüssel  der 
Hölle  und  des  Todes. 

Marienschlüssel  oder  Himmelschlüssel  heisst  die  Schlüssel- 
blume, primula  veris^  weil  sie,  im  Frühling  zuerst  auf  blühend, 
gleichsam  das  ganze  Blumenreich  des  Frühlings  aufschliesst. 
Himmelschlüssel  heisst  Maria  selbst  in  einem  altdeutschen 
Marienliede  bei  Haupt,  Zeitschr.  VIH.  282,  weil  sie  durch  die 
Geburt  des  Heilands  der  Menschheit  das  Thor  zum  Himmel 
öffnete. 

Schlüssel  sind,  wie  Stäbe,  Zeichen  der  bischöflichen 
Kirchengewalt,  daher  Attribut  mehrerer  heiligen  Bischöfe, 
z.  B.  des  heiligen  Servatius ,  Benignus ,  und  Wappen  mehrerer 
Bisthümer,  z.  B.  von  Regensburg,  Minden,  Bremen,  Genf.  Der 
heilige  Hippolytus  führt  den  Schlüssel  nur  als  Kerkermeister. 

Hubertusschlüssel  hi essen  die  Zeichen,  die  man  mit  eiser- 
nen Hörnlein  dem  Vieh  aufbrannte,  um  es  vor  Schaden  zu 
hüten.  Journal  von  und  für  Deutschland  HL  500.  Ohne 
Zweifel  bedeutete  hier  der  Schlüssel ,  dass  das  gesegnete  Vieh 
verwahrt  seyn  sollte,  wie  wenn  es  im  verschlossenen  Raum 
gehütet  würde.  —  Ein  Schlüsselbund  im  Maul  eines  Fisches 


Schmach.  385 

ist  Attribut  des  heiligen  Benno,  Bischofs  von  Meissen.  Als 
dieser  nämlich  als  Anhänger  Gregors  VII.  unter  Kaiser 
Heinrich  IV.  flüchten  musste ,  warf  er  die  Schlüssel  zu  seiner 
Kirche  in  die  Elbe.  Als  er  aber  wiederkam,  fand  er  sogleich 
die  Schlüssel  wieder  im  Bauch  eines  grossen  Fisches,  den 
man  gefangen  hatte,   16.  Juni. 

Schmach 

vor  der  Welt  müssen  Alle  leiden,  die  Gott  dienen.  Gottes 
Sohn  selbst  wurde  den  Juden  zur  Schau,  zum  Spott  und 
Hohne  ausgestellt  im  Purpiu'mantel ,  mit  der  Dornenkrone 
und  dem  Rohrscepter.  Vgl.  Ecce  homo.  Viele  Heilige  such- 
ten daher  freiwillig  die  Schmach  auf,  um  sich  durch  harte 
Prüfungen  im  Glauben  zu  stärken.  St.  Simon  Salus  oder 
Stultus,  ein  Syrer  des  6ten  Jahrhunderts,  stellte  sich  frei- 
willig thöricht  und  wahnsinnig,  um  von  den  Kindern  und 
vom  Pöbel  verspottet  und  misshandelt  zu  werden  und  dadurch 
seine  christliche  Geduld  zu  erproben.  1.  Juli.  Auch  Andreas 
Salus  oder  Stultus,  ein  Heiliger  des  lOten  Jahrhunderts  in 
Constantinopel,  stellte  sich  aus  Demuth  wahnsinnig  und  Hess 
sich  von  aller  Welt  verhöhnen  und  verspotten,  schlief  in 
einem  Hundestall  etc.,  verkündete  aber  einem  Knaben,  dem 
Einzigen,  der  ihn  nicht  verspottete,  er  werde  Bischof  wer- 
den, und  blieb,  als  er  einst  zur  See  war  und  das  Schiff 
scheiterte,  von  der  ganzen  Mannschaft  allein  am  Leben. 
Lieblich  contrastiren  mit  dem  Schmutz  und  Elend  seines  Le- 
bens seine  Visionen,  in  denen  er  das  Paradies  mit  den  herr- 
lichsten unbekannten  Pflanzen  und  Vögeln  sah  und  durch 
drei  Himmel,  der  eine  durch  ein,  der  andere  durch  zwei, 
der  dritte  durch  drei  Kreuze  bezeichnet,  zum  Thron  des 
Messias  emporstieg.  Auch  hatte  er  sich  eine  wunderliche 
Naturphilosophie  gebildet.  Doch  theilt  sein  Biograph  Nice- 
phorus  nur  wenige  Bruchstücke  daraus  mit,  die  Entstehung 
des  Eegens,  des  BHtzes,  der  Engel  und  Teufel  betreflend, 
und  auch  Phantasieen  über  das  Weltende  und  den  Antichrist. 


336  Schmetterlinge. 

Acta  SS.  28.  Mai.  ~  Gleicher  Schmach  unterzog  sich  be- 
kanntUch  auch  der  grosse  Franciscus  von  Assisi  und  Johannes 
de  Deo  in  Spanien.  • 

Ein  weibhches  Beispiel  gleicher  Art  ist  Agatha  a  Cruce, 
eine  spanische  Nonne  des  16ten  Jahrhunderts.  Sie  litt  in  ihrer 
Jugend  grosse  Noth  und  Verfolgung,  wurde  auch  noch  im 
Kloster  verleumdet,  mehrmals  Verstössen  und  unschuldig  der 
allgemeinen  Verachtung  preisgegeben,  blieb  aber  immer  stand- 
haft und  geduldig  und  suchte  die  Leiden,  die  ihr  wider  Willen 
angethan  wurden ,  noch  durch  die  zu  übertreffen,  die  sie  frei- 
willig litt,  indem  sie  sich  auf  alle  Art  kasteite  und  acht  Jahre 
lang  sich  nicht  einmal  den  Schlaf  gönnte.  Görres,  Gesch. 
der  Mystik  I.  421. 

Schmetterlinge 

haben  in  der  christlichen  Symbolik  nicht  ursprünglich  die 
Bedeutung  der  altgriechischen  Psyche.  Da  indess  ihre  Ent- 
puppung ein  gutes  Sinnbild  der  Auferstehung  des  Leibes  ist, 
so  findet  man  sie  zuweilen  auch  auf  christlichen  Gräbern  an- 
gebracht, offenbar  entlehnt  aus  dem  heidnischen  Alterthum. 
—  Weisse  Schmetterlinge  kommen  jährlich  aus  dem  Grabe 
des  heiligen  Torpes,  Acta  SS.  17.  Mai.  Schmetterlinge  um- 
kreisen in  grosser  Menge  das  Sterbebett  des  heiligen  Vinzenz 
Ferrer.  Görres,  Mystik  IL  224.  Darunter  sind  aber  nicht 
Seelen  Verstorbener  zu  verstehen,  sondern  diese  theilnehmen- 
den  Thiere  erscheinen  nur  der  Magie  unterworfen,  welche 
die  Nähe  des  Heiligen  auf  die  Natur  übt.  In  der  Legende 
der  heiligen  Rosa  von  Lima  wird  eines  weiss  -  und  schwarz- 
gefleckten Schmetterlings  gedacht,  der  sie  in  der  Jugend  um- 
flogen habe,  zum  Zeichen,  dass  sie  eine  Dominicanerin  (in 
schwarz  und  weisser  Tracht)  werden  würde. 

Schmied. 

Gott  selbst  heisst  in  altdeutschen  Dichtungen  „der 
Schmied  vom   Oberlande",   d.  h.  der  Schmied  im  Himmel, 


Schmuck.  ^37 

der  alle  Werke  schafft.  Vgl.  Grimm,  Com:ad  von  Würz- 
burgs  goldne  Schmiede  S.  XXVII.  —  Patron  der  Schmiede 
ist  der  heilige  Eligius,  der  einmal  einem  lahmen  Pferde  das 
verlorne  Bein  wieder  anheilte  (Bild  von  Imola  in  Berlin, 
Kugler  I.  105.).  Oft  wiederholt  sich  in  Volkssagen,  dass 
ein  frommer  Schmied  mit  seiner  glühenden  Zange  dem  Teufel 
die  Nase  abzwickt.  Diese  Sagen  wm-zeln  in  folgender  Le- 
gende. Apelles,  der  Mönch,  schmiedete  einmal  als  Kloster- 
schmied ,  da  erschien  ihm  der  Teufel  in  Gestalt  eines  schönen 
Weibsbildes  und  wollte  ihn  verführen,  aber  er  zwickte  ihm 
mit  einer  glühenden  Zange  in  die  Nase,  und  der  Teufel 
schrie  dermassen  vor  Schmerz,  dass  alle  Mönche  zusammen- 
liefen und  das  Wunder  sahen.  Seitdem  erhielt  der  Heilige 
die  Gabe,  glühendes  Eisen  ohne  Schaden  mit  der  Hand  an- 
zurühren.    Leben  der  Altväter,  1725.  S.  78. 

Schmuck. 

Man  soll  sich  zur  Ehre  Gottes  schmücken,  wie  Gott  selbst 
bei  der  Schöpfung  die  Erde  für  den  Menschen  schmückte  und 
Alles  wohl  machte.  Daher  das  Gebot  des  hochzeitlichen  Klei- 
des und  die  Verwerfung  dessen,  der  da  zur  Feier  kommt 
und  jenes  Feierkleides  entbehrt.  Der  Kirche  ist  Schmuck 
nicht  nur  erlaubt,  sondern  geboten,  denn  sie  ist  das  Haus 
des  Herrn. 

Nur  der  Schmuck  im  Dienst  des  Teufels,  der  Sinnlich- 
keit, der  Verführung,  des  Stolzes  ist  verdammlich.  Daher 
die  heilige  Magdalena  ihre  Seiden-  und  Sammtgewande,  ihr 
Goldgeschmeide  und  ihre  Perlen  mit  ihren  Sünden  von  sich 
wirft,  um  in  der  Wildniss  als  einsame  Büsserin  zu  leben. 
Derselbe  Contrast  tritt  hervor  in  der  Legende  von  der  St.  Pe- 
lagia  meretrix.  Dieses  überaus  schöne  Frauenzimmer  zu  An- 
tiochia  ritt  einst  im  goldnen  Kleide  und  in  Schuhen,  die  mit 
Edelsteinen  geschmückt  waren ,  mit  offenen  Brüsten  und  Per- 
len im  Haar  lachend  bei  der  Kirche  vorüber,  in  der  eben 
die  Bischöfe  zu  einem  Concil  versammelt  waren.    Da  drückten 

Menzel,  christl.  Symbolik.  II.  22 


838  Schnee. 

die  Bischöfe  ihren  Aerger  aus ;  Nonus  aber  sagte  nur '.  ,, Was 
tadelt  ihr  dieses  schöne  Weib,  dass  sie  sich  für  die  Männer 
so  kostbar  und  mit  so  vieler  Mühe  ziert?  Thut  sie  nicht  mehr, 
als  wir  thun,  die  wir  unsre  Seelen  eben  so  mühevoll  für 
Christus  schmücken  sollten?"  Darauf  hörte  Pelagia  seine 
Predigt  mit  an,  und  wurde  tief  erschüttert  durch  den  Ge- 
danken, dass  sie  einst  für  all  ihr  Thun  würde  Rechenschaft 
ablegen  müssen.  Von  Stund  an  war  sie  bekehrt  und  der 
Teufel  wich  von  ihr  in  Gestalt  eines  greulichen  schwarzen 
Hundes,  sich  auf's  Bitterste  beschwerend,  von  dem  schö- 
nen Weibe  scheiden  zu  müssen.  Nachdem  sie  getauft  war, 
zog  sie  männliche  Gewände  an,  suchte  die  Stätte  auf,  wo 
Christus  gelitten,  widmete  sich  ihm  zur  Braut  und  wohnte 
als  Einsiedler  unter  dem  Namen  Pelagius  auf  dem  Oel- 
berge.  Erst  nach  ihrem  Tode  erkannte  man  ihr  Geschlecht. 
8.  October. 

Schnee, 

wegen  seiner  reinen  Aveissen  Farbe  und  zugleich  wegen  seiner 
Kälte  Sinnbild  der  jungfräulichen  Reinheit  und  Keuschheit, 
insonderheit  der  Jungfrau  aller  Jungfrauen.  So  wird  der 
Schnee  gedeutet  in  altdeutschen  Marienliedern.  Vgl.  Conrad 
von  Würzburgs  goldne  Schmiede,  herausg.  von  W.  Grimm, 
S.  XXXVII.  Auch  fällt  der  Schnee  vom  hohen  Himmel, 
daher  die  marianischen  Devisen:  Mihi  candor  ab  alto  — 
Meus  est  ab  origine  candor.  So  ist  denn  auch  der  Schnee, 
der  nach  der  Legiende  wunderbarerweise  mitten  im  Sommer 
ein  Feld  bei  Rom  genau  so  weit  bedeckte,  als  der  Raum 
der  darauf  erbauten,  noch  jetzt  prangenden  Kirche  Maria 
maggiore  einnehmen  sollte,  ursprünglich  nur  ein  Sinnbild 
der  Jungfräulichkeit  der  Gebenedeiten.  Dem  Papst  Liberius 
war  dieselbe  im  Traum  erschienen  und  hatte  eine  Kirche  von 
ihm  verlangt ,  wozu  sie  den  Platz  ihm  anwies ,  und  am  Mor- 
gen zeigte  sich  eben  dieser  Platz  mit  Schnee  bedeckt,  alles 
andere  Land  umher  aber  grün.  Da  baute  jener  Papst  ihr 
die  berühmte  Kirche  und  gründete    das  Fest  Maria  Schnee- 


Schnee.  839 

feier  am  5.  August.  Diese  „Maria  zum  Schnee,  Notre  Dame 
aux  nieges'^  wird  seitdem  auch  in  vielen  andern  Ländern  ver- 
ehrt und  war  hauptsächlich  geeignet  für  Kapellen  in  hohen 
Alpenregionen,  daher  auch  ihr  Cultus  auf  dem  Rigi  in  der 
Schweiz.  Die  nördlichste  Kirche  der  Gnadenmutter,  die  man 
kennt,  liegt  tief  im  Schnee  Sibiriens  zu  Abalak  imfern  von 
Tobolsk.  Hier  befindet  sich  ein  wunderthätiges  Bild  von  ihr, 
zu  dem  man  aus  weiter  Ferne  wallfahrtet. 

Strauss,  Kirchenjahr  S.  143,  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  auf  die  kalte  und  schneereiche  Jahreszeit  zwischen  dem 
6.  und  17.  Januar  so  viele  Tage  heiliger  Einsiedler  fallen  und 
bezieht  darauf  ihr  ascetisches  Leben.  Das  stimmt  ganz  mit  der 
alten  Symbolik  des  Schnee's  in  den  Marienliedern  überein. 

Das  Sinnbild  der  Aehren  und  Trauben  im  Schnee  hat 
man  in  gleicher  Weise  auf  die  segensreiche  Geburt  Christi 
aus  dem  Schooss  der  keuschesten  Jungfrau  zu  erklären.  Das 
Sinnbild  einer  Rose  im  Schnee  gilt  dagegen  von  der  heiligen 
Jungfrau  selbst,  sofern  sie  aus  der  keuschen  Ehe  der  lange 
unfruchtbar  gebliebenen  Anna  stammte. 

St.  Eulalia  von  Barcellona  wurde  als  Christin  verfolgt 
und  mit  Fackeln  gebrannt,  die  aber  an  ihrem  zarten  Leibe 
erloschen.  Nach  vielen  andern  Martern  wurde  sie  nackt  an's 
Kreuz  geschlagen,  aber  ein  Schnee  {niXj  nach  einer  andern 
Lesart  eine  Wolke,  nubes)  fiel  und  verhüllte  sie  vor  den 
Augen  der  Wächter.  Acta  SS.  12.  Februar.  Das  ist  ein 
sehr  schönes  Wunder.  Die  Keuschheit  der  gottgeweihten 
Jungfrau  verwandelt  sich  reell  in  ihr  Symbol,  den  Schnee, 
um  sie  zu  schirmen. 

Barbanaria,  eine  fromme  Jungfrau,  glühte  von  solchem 
heiligen  Liebesfeuer,  dass  sie  sich  im  Schnee  wälzte,  wie  aus 
gleicher  Ursache  der  heilige  Franciscus.  Görres,  Mystik 
IL  29.  —  Der  irische  Abt  Berach  verwandelte  den  Schnee 
auf  den  Dächern  der  Frevler  in  Feuer,  dass  ihre  Häuser 
verbrannten.  Acta  SS.  15.  Februar.  Ueber  dem  heiligen 
Petrus  von  Alcantara  blieb,  wenn  er  im  Freien  wandelte 
oder  meditirte,    der  fallende   Schnee   hängen,    ohne  ihn  zu 

22* 


S4d  Schöpfungr,   die. 

berühren,  und  bildete  ein  Dach  über  ihm.  —  Das  Grab  des 
heiligen  Servatius  grünt  auch  im  Winter  und  wird  nie  mit 
Schnee  bedeckt.     Gregor,  Turon.  hist.  Franc.  II.  5. 

Dem  Wunder  des  Schneiens  mitten  im  Sommer  steht 
das  Wunder  des  Grünens  und  Blühens  mitten  im  Winter 
gegenüber  und  bezieht  sich  ebenfalls  auf  die  Maria  und  be- 
sonders auf  ihre  gnadenreiche  Geburt;  denn  in  der  Geburts- 
stunde des  Heilandes  sollen  nach  dem  Volksglauben  die 
Bäume  blühen,  wenn  auch  der  tiefste  Schnee  liegt.  Vgl. 
den  Artikel  Weihnachten. 

S  chöp  f  ung,   die. 

Die  mosaische  Schöpfungslehre  unterscheidet  sich  von 
allen  heidnischen  dadurch,  dass  sie  einen  allmächtigen  und 
allgütigen  Gott  voraussetzt,  welcher  schon  vor  der  Welt  exi- 
stirt  und  die  Welt  aus  Nichts  hervorbringt ,  wde  ein  Künstler 
das  Kunstwerk,  mit  dem  Wohlgefallen  des  Meisters,  dem 
sein  Werk  gelungen  ist,  und  sofern  er  lebende  Wesen  nach 
seinem  Bilde  schafft,  mit  der  Liebe  eines  Vaters,  dem  das 
Wohl  seiner  Kinder  am  Herzen  iiegt.  Noch  weiter  unter- 
scheidet sich  die  mosaische  Schöpfungslehre  dadurch,  dass 
sie  sich  nach  Zeit  und  Raum  möglichst  beschränkt,  sich  an 
das  Wirkliche,  des  Menschen  nächste  Umgebung  hält,  und 
von  Allem  absieht ,  was  etwa  der  Zeit  nach  vor  der  Schöpfung 
der  Erde  könnte  gewesen  seyn,  oder  was  im  Raum  weit  über 
die  Erde  hinaus  liegt. 

Die  heidnischen  Schöpfungslehren  kennen  den  väterlichen 
Schöpfer  nicht.  Sie  sind  entweder  pantheistisch ,  oder  poly- 
theistisch oder  dualistisch. 

Der  Pantheismus  der  Inder  sieht  in  der  Welt  nur  den 
auseinandergefallcRen  Gott,  den  aus  der  Einheit  des  Geistes 
in  die  Vielheit  der  Materie  emanirten  Gott,  der  seiner  Zeit 
sich  aus  der  meder  verschwindenden  Materie  in  seine  geistige 
Einheit  zurückziehen  soll.  Ja  nach  dieser  Lehre  ist  Gott 
durch  seine  eigene  Sünde  gezwungen,  aus  der  ewigen  Ruhe 


Schöpfung,  die.  341 

in  die  Bewegung  und  Mannigfaltigkeit  der  Materie  wie  in 
einen  Kerker  zur  Strafe  einzugehen,  um  sich  durch  Busse 
wieder  zu  reinigen.  Ein  Grundgedanke ,  der  beiden  indischen 
Systemen,  dem  des  Brahma,  wie  des  Buddha,  zu  Grunde 
lieg-t.  Deshalb  ist  in  dieser  Lehre  auch  der  Mensch  nicht 
absolut  verschieden  von  Gott,  sondern  er  wird  durch  ange- 
strengte Busse  selber  Gott  gleich,  und  sofern  die  Inder  ihren 
Pantheismus  mit  Polytheismus  verbinden  und  eine  Menge 
Götter  als  einseitige  Emanationen  des  göttlichen  Urwesens 
annehmen,  zweifeln  sie  nicht,  dass  der  Mensch  durch  Busse 
sich  über  alle  diese  Götter  erheben  und  dem  höchsten  Wesen 
näher  als  sie  kommen  könne.  Ja  auf  dieser  Voraussetzung 
beruht  der  dem  Brahmanismus  aufgepfropfte  Buddhaismus 
ganz  wesentlich;  denn  da  Brahma,  durch  seine  Phantasie 
(die  Maja)  verführt,  seine  göttliche  Ruhe  aufgab,  um  die 
Bilder  seiner  Einbildungskraft  zu  verwirklichen,  und  aus  der 
Geisteswelt  in  die  Sinnenwelt  heraustrat,  konnte  der  Rückweg 
in  die  ewige  Ruhe  des  Geistes  nur  durch  die  strengste  Busse 
und  tiefste  Contemplation  des  Menschen  gefunden  werden, 
d.  h.  im  Buddha,  der  im  Gegensatz  gegen  Brahma  nicht  von 
der  Gottheit  sich  erniedrigt  zur  Menschheit  und  Thierheit, 
sondern  sich  aus  der  letztern  wieder  zur  Gottheit  erhebt. 
Jenes  ist  der  sündigende  Gott,  dieses  der  erlösende  Mensch. 
Es  leuchtet  ein,  dass  diese  etwas  complicirte  Vorstellungs- 
weise erst  in  einer  spätem  Zeit  entstehen  konnte,  in  welcher 
das  Menschengeschlecht  schon  weit  aus  der  Kindlichkeit  her- 
ausgetreten war,  und  in  welcher  sich  einerseits  der  philoso- 
phirende  Hochmuth  des  Menschen,  andrerseits  auch  das  böse 
Gewissen  und  die  Erfahrung  im  Laster  schon  geltend  gemacht 
hatten.  Die  mosaische  Lehre  erscheint  ungleich  kindlicher 
und  wahrer. 

Der  Polytheismus  hat  überall  wenig  über  die  Schöpfung 
reflectirt.  Es  genügte  ihm,  die  wichtigsten  Elemente  und 
Naturkräfte  einzeln  zu  vergöttern  und  in  dieser  Vergötterung 
zu  personificiren.  Die  auf  diese  Weise  vermenschlichten 
Götter  liess  man  andre  zeugen,  unter  denen  man  sich  wieder 


343  Schöpfung^,  die. 

entsprechende  Personificationen  der  Naturreiche  dachte.  Dies 
war  bekanntlich  die  Lehre  der  Griechen.  Da  ist  zuerst 
Uranus  der  Himmel  und  Gae  die  Erde.  Die  zeugen  mitein- 
ander den  Chronos,  die  Zeit.  Diese  zeugt  den  Zeus  (Aether), 
die  Here  (Luft),  den  Poseidon  (Meer)  etc.  Aus  andern  Zeu- 
gungen gehen  dann  auch  die  Götter  von  mehr  moralischer 
Bedeutung  hervor.  Ueberall  entsteht  hier  die  ganze  Natur  in 
einer  immerwährenden  Weiterzeugung;  von  einem  alleinigen 
Gott,  der  Alles  aus  Nichts  macht,  ist  nicht  die  Rede,  noch 
weniger  von  einem  liebenden  Vater.  Denn  der  Mensch  selbst 
wird  nach  dieser  Lehre  nur  verstohlen  und  wider  Willen  des 
herrschenden  Gottes  Zeus  von  dem  untergeordneten  Titanen 
Prometheus  geschaiFen,  Zeus  ärgert  sich  darüber,  straft  den 
Titanen  dafür,  und  stellt  sich  zu  dem  Menschen  in  ein  iro- 
nisches und  durchweg  gemüthloses  Verhältniss. 

Der  Dualismus,  der  sich  am  entschiedensten  in  Persien 
aussprach,  nahm  eine  durchgängige  Zweiheit  in  der  Gott- 
heit wie  in  der  Welt  an.  Die  gute  Hälfte  Gottes,  Ormuzd, 
schuf  auch  die  gute  Welthälfte,  die  böse,  Ahriman,  die 
böse.  Hier  heisst  es  also  nicht,  wie  in  der  Genesis,  Alles, 
was  Gott  gemacht  hatte,  war  gut;  sondern  das  Gute  war 
von  Anfang  an  mit  Bösem  verschmolzen,  und  der  Teufel 
erhielt  schon  bei  der  Schöpfung  gleiches  Recht  mit  Gott. 

Ferner  gefielen  sich  die  heidnischen  Systeme  des  Orients 
in  einem  ausserordentlichen  Luxus  der  Zeit-  und  Raumbe- 
stimmungen. Sie  nahmen  eine  Menge  Welten  und  Welt- 
geschichten vor  der  unsern  an.  Vielmal  war  die  Welt  schon 
untergegangen  und  eine  neue  an  ihre  Stelle  getreten,  ehe 
die  unsere  an  die  Reihe  kam.  Dieser  Erstreckung  der  Zeit 
entsprach  auch  eine  des  Raumes.  Man  thürmte  über  unserer 
Erde  eine  Menge  Himmel  als  Wohnsitze  höherer  Geister  oder 
untergeordneter  Götter  auf.  Von  allem  diesem  Luxus  weiss 
unsere  Genesis  nichts.  Sie  beginnt  mit  dem  ersten  Tag  auf 
Erden  und  kennt  vor  ihm  nichts,  und  sie  beschreibt  die  Erde, 
über  der  sich  der  Himmel  wie  ein  Zelt  ausdehnt ,  ohne  in  die 
Tiefe  der  Vorwelt  irgend  eindringen  zu  wollen. 


Schöpfung:,  die.  343 

Man  sieht,  dass  der  tiefpoetische  Gedanke  des  ersten 
Erwachens  der  schönen  Welt  aus  der  Nacht  des  Nichts,  das 
Feierhche  des  ersten  Morgenwehens  der  Schöpfung  nur  in 
unserer  Genesis  erfasst  ist,  während  alle  andern  Kosmogo- 
nieen  ihn  haben  fallen  lassen.  Man  sieht  ferner,  dass  die 
mosaische  Lehre  allein  es  ist,  die  in  jenem  ersten  Erwachen 
das  Unschuldige,  die  jungfräuliche  Reinheit  der  Natur  aner- 
kennt, in  der  unbefangenen  Weise,  in  welcher  jede  reine 
und  gesunde  Seele  die  Schönheit  der  Schöpfung  anerkennen 
und  bewundern  muss.  Gegen  diese  so  natürliche  und  liebens- 
würdige Auffassung  erscheinen  die  erwähnten  heidnischen  Auf- 
fassungen alle  roh,  oder  durch  finstere  Nebengedanken  getrübt. 
Anstatt  der  Erde  ihren  schönen  Morgen,  den  Menschen  ihr 
erstes  kindliches  Erstaunen  über  das  wundervolle  Werk  der 
Schöpfung  zu  gönnen,  beginnen  sie  schon  mit  dem  vollen  Be- 
wusstseyn  alles  Weltelends,  nicht  mit  kindlichen,  sondern  mit 
Greisesgefühlen. 

Schon  aus  diesem  innern  Grunde  macht  die  Genesis 
darauf  Anspruch ,  die  ältere  und  reinere  Tradition  zu  bewah- 
ren ,  während  alle  andern  Schöpfungslehren  erst  späteren  Ur- 
sprungs und  durch  spätere  Erfahrungen  getrübt  erscheinen, 
und  keineswegs  mehr  das  kindliche  Bewusstsein  der  ersten 
Erdenbewohner  bewahren. 

Der  ästhetische  Grundcharakter  der  Genesis  ist  auch  in 
andern  biblischen  Büchern  festgehalten.  Jeder  neugeborne 
Mensch  soll,  dem  ersterschaffenen  gleich,  kindlich  das  Wun- 
der der  Welt  anstaunen  und  kindlich  dem  gütigen  Schöpfer 
eines  so  schönen  Werkes  danken.  So  heisst  es  im  8ten  Psalm : 
„Was  ist  der  Mensch,  dass  du  an  ihn  dachtest,  und  ihn  er- 
schufest und  in  diese  schöne  Welt  setztest?'  Wie  grell  sticht 
dagegen  die  Lehre  der  Inder  ab ,  die  statt  dieser  demüthigen 
Gottesfurcht  und  kindlichen  Freude  eine  greisenhafte  Welt- 
verachtung und  ihr  nil  ädmirari  voranstellen! 

Im  Stufengang  der  mosaischen  Schöpfungslehre  durch 
die  sechs  Tage,  denen  die  Sabbathsruhe  des  siebenten  folgt, 
ist  mit  weiser  Oekonomie  Alles  ausgedrückt,  was  der  kindliche 


844  Schöpfung,   die. 

Mensch  zu  wissen  braucht.  In  drei  Tagen  wird  das  Feste 
gefestet,  in  drei  weitern  Tagen  wird  das  Leben  in  den  ge- 
schaffenen Elementen  erregt  und  bewegt.  Im  allgemeinen 
Licht,  das  schöpferisch  aus  der  uralten  Nacht  bricht ,  sondert 
sich  die  Feste  des  Himmels,  als  Fussboden  Gottes,  von  der 
Feste  der  Erde,  als  dem  Fussboden  des  Menschen.  In  den 
besondern  Lichtern  der  Sonne  und  des  Mondes,  die  später 
hervortreten,  sondert  sich  die  grünende  und  von  lebenden 
Geschöpfen  erfüllte  Erde  vom  Meere,  in  dem  gleichfalls  das 
Lebendige  wimmelt.  Zum  Element  des  Aetherlichtes  ver- 
halten sich  Sonne,  Mond  und  Sterne  als  darin  gleichsam 
lebende  Geschöpfe,  wie  sich  die  Fische  und  Vögel  zu  dem 
flüssigen  Element  des  untern  und  obern  Wassers,  des  Meeres 
und  der  Luft,  und  wie  sich  die  Pflanzen  und  Thiere  zur 
Erde  verhalten.  In  dieser  dreifachen  Gliederung  der  sechs 
Tage  ist  mit  weiser  ästhetischer  Oekonomie  alles  Wesentliche 
zusammengefasst.  Am  siebenten  Tage  ruht  Gott  aus  und 
freut  sich  seines  Werkes.  Die  Wechselbeziehung  der  ir- 
dischen Tage  zu  den  Schöpfungs tagen  hat  eine  Art  von  in- 
nerer Nothwendigkeit ,  sobald  die  Schöpfung  als  das  Werk 
eines  grossen  Meisters  aufgefasst  wurde.  Die  Kinder  Gottes 
werden  dadurch  erinnert ,  in  ihren  kleinen  Werken  nach  ihren 
bescheidnen  Kräften  den  Vater  nachzuahmen,  um  Gutes  zu 
wirken  und  der  Arbeit  mehr  Zeit  zu  widmen ,  als  der  Ruhe ; 
aber  auch  nicht  in  zäher  Hast  unaufhörlich  schaflPen  zu  wol- 
len, sondern  zur  rechten  Zeit  auszuruhen  und  zu  betrachten 
und  zu  prüfen,  was  sie  gethan  haben. 

Auf  die  Versuche,  die  mosaische  Schöpfungsgeschichte 
aus  der  Physik  zu  erklären,  können  wir  uns  hier  nicht  ein- 
lassen. Nur  des  einen  wollen  wir  seiner  Sinnigkeit  wegen 
gedenken.  Es  ist  der  Versuch  von  Heinrich  Steffens  in  seiner 
Anthropologie,  Breslau  1822.  Er  geht  von  der  Hypothese 
aus ,  unsere  Erde  sey  zuerst  ein  Mond ,  dann  ein  Comet  ge- 
wesen, ehe  sie  ein  Planet  geworden,  und  nimmt  nun  an, 
die  zwei  ersten  Schöpfungstage  fallen  in  die  Mondperiode. 
Die  Erde  war,  sagt  er,  ein  Metallkern  und  breitete  als  ersten 


Schöpfung,  die.  345 

Gegensatz  von  sich  das  Element  der  Luft  um  sich  aus ;  dann 
bildete  sich  das  AVasser  zwischen  beiden.  Das  Wasser  aber 
warf  sich  auf  die  von  der  Sonne  abgekehrte  Seite  und  das 
Land  trat  hervor  auf  der  andern,  der  Sonne  zugekehrten 
Seite,  weshalb  wir  noch  jetzt  die  Südhälfte  der  Erde  voll 
Wasser ,  die  Nordhälfte  voll  Land  sehen.  Nun  ging  aber  am 
dritten  Schöpfungstage  die  Erde  in  die  Cometenperiode  über. 
Der  unbändige  Trieb  der  Vegetation  strebte  hinauf  zur  Sonne, 
riss  gegen  das  Gesetz  der  Schwere  die  irdischen  Stoife  an 
sich  und  breitete  sie  als  Zweige  der  Sonne  entgegen;  ja  riss 
die  Erde  selbst  aus  ihren  Angeln,  brach  das  Gesetz,  durch 
welches  sie  bisher  als  Mond  gezwungen  war,  der  Sonne  nui* 
eine  Seite  zuzukehren ,  begann  sich  zu  drehen  u^d  stürzte 
auch  zugleich  in  einer  Cometenbalm  der  Sonne  selber  zu. 
Die  Sonne  aber,  die  vorher  nur  eine  dunkle  Erde,  ein  Planet 
war,  -wurde  jetzt  erst  Sonne.  Unsere  Vegetation  und  die  Licht- 
kraft der  Sonne  riefen  sich  Avechselseitig  hervor.  Deshalb 
konnte  die  Bibel  sagen,  die  Sonne  sey  später  entstanden,  als 
die  Pflanzenwelt,  und  was  vorher  unsinnig  schien,  erhält  nun 
einen  schönen  Sinn.  In  der  Sonnennähe  erreichte  die  Vege- 
tation ihre  höchste  Ueppigkeit;  in  der  Sonnenferne  versank 
sie  wieder  in  Nacht  und  Eis.  (I.  233.)  Um  aber  zu  erklären, 
wie  auch  der  Mond  erst  so  spät  entstand,  sagt  Steffens  I.  259, 
der  Mond  sey  aus  der  Erde  geboren  worden,  und  zwar  durch 
einen  Act  der  Zeugung  zwischen  dem  männlichen  und  weib- 
liehen  Erdprincip ,  die  sich  in  den  ersten  Regungen  der  Thier- 
und  Pflanzemvelt  bethätigt  hätten.  Die  Meteorsteine  seyen 
fortwährend  solche  Erdkinder  in  kleinerem  Maasstabe.  Allein 
die  Erdrevolutionen,  die  Wehen  der  Schöpfung  Avaren  damit 
noch  nicht  beendigt.  Erst  als  im  Menschen  ein  Wesen  ge- 
schaffen wurde,  in  dem  alle  Elemente  und  Naturkräfte  in 
vollkommenster  Harmonie  erschienen  und  dessen  Schönheit 
Gott  selbst  zu  seinem  Ebenbilde  machte,  war  das  Ziel  er- 
reicht, jeder  Streit  ruhte,  die  Erde  war  Paradies.  Und  nur 
Aveil  die  ersten  Menschen  sündigten,  konnten  die  durch  Har- 
monie gefesselten  Naturkräfte   wieder   ausbrechen  und  wurde 


346  Schöpfung,  die. 

die  Sündfluth  nothwendig.  Der  Grundgedanke,  dass  alle 
Naturvorgänge  sich  auf  das  sittliche  Wesen  des  Menschen 
beziehen,  ist  sehr  poetisch.  Steffens  schliesst  daraus  ferner, 
dass  es  nur  Ein  menschliches  Urpaar  gegeben  haben  könne, 
weil  die  Harmonie  der  Elemente  und  die  EbenbildHchkeit 
Gottes  keiner  Mehrheit  von  Individuen  bedurft  habe.  Das 
Auseinanderfallen  der  Racen  erklärt  er  aber  II.  415.  conse- 
quent  durch  die  Sünde,  welche  die  Menschen  wieder  unter 
die  Naturgewalt  habe  fallen  und  von  derselben  verschieden 
modificiren  lassen. 

In  der  Schöpfungsgeschichte  der  Bibel  wurde  die  Stelle : 
„Gott  sprach:  es  werde  Licht,  und  es  ward  Licht,"  schon 
von  dem  Jleiden  Longinus  in  seiner  Abhandlung  vom  Erha- 
benen ihrer  Erhabenheit  wegen  bewundert.  Haydn  hat  sie 
in  seiner  grossen  Composition  „die  Schöpfung"  durch  Töne 
zu  versinrJichen  gesucht,  die  in  rascher  Steigerung  machtvoll 
aus  der  Stille,  wie  das  Licht  aus  der  Nacht  hervorbrechen. 

Parallelstellen  zur  mosaischen  Schöpfungslehre  sind  in 
der  Bibel  der  104te  Psalm,  der  die  ganze  Schöpfungsgeschichte 
kurz  zusammenfasst,  und  das  Buch  Hiob,  Cap.  38. 

Poetische  Umschreibungen  der  Genesis  kommen  viele 
schon  frühzeitig  vor.  Einer  abyssinischen  Genesis  wird  ge- 
dacht in  Harris'  Eeise  nach  Schoa,  IL  Anhang  58.  Latei- 
nische Umschreibungen  mit  geringer  Abweichung  schon  von 
Tertullian  (Bahr,  christl.  Dichter  18.),  von  Juvencus  (27.),  von 
Hilarius  von  Arles  (34.),  von  Victor  (62,  auch  in  Fahricii 
thes.l.mi.),  Dracontius  {Fahr.  353.),  Avitus  (Fahr.  367.). 

Die  Schöpfung  wurde  im  Mittelalter  als  geistliches  Schau- 
spiel dargestellt,  in  England  in  einem  Stück,  das  sieben  Tage 
lang  spielte  und  dadurch  die  Schöpfungstage  nachahmte. 
V.  Schack,  span.  Drama  I.  51.  Ein  spanisches  Stück  von 
Calderon  fasst  Gott  •  den  Vater  als  Orpheus  auf,  überaus 
phantastisch  (das.  III.  264.).  Orpheus  tritt  aus  einer  Him- 
melskugel, spielt  und  singt,  da  erwachen  die  zu  seinen  Füssen 
schlummernden  Tage,  der  eine  mit  der  Fackel  des  Lichts, 
der  andere  die  Gewässer  vom  Lande  scheidend,   der  dritte 


BchöpfuniT)  die.  847 

Blumen  und  Früchte  streuend  etc. ;  endlich  erwacht  auch  die 
menschliche  Natur  und  dankt  knieend  dem  Orpheus.  Dieser 
kehrt  in  die  Himmelskugel,  aus  der  er  im  Anfang  hervor- 
gekommen, zurück,  und  die  menschliche  Natur  bleibt  auf  der 
schönen  Erde,  im  Paradiese.  Da  kommt  Satan  und  der  Neid 
in  Gärtnerstracht  und  verlockt  die  menschliche  Natur  zum 
Apfelbiss.  Sogleich  verschwindet  das  Paradies,  die  Tage 
ziehen  wieder  weiter,  aber  der  erste  hält  statt  der  Fackel  ein 
Flammenschwert,  der  dritte  theilt  statt  der  Blumen  und  Früchte 
Disteln  und  Dornen  aus.  Die  menschliche  Natur  wird  in  die 
Hölle  geschleppt;  da  kommt  Orpheus  wieder  und  spielt  vor 
dem  schrecklichen  Charon,  dass  er  ihn  einlasse,  die  mensch- 
liche Natur  zu  befreien.  Charon  weigert  sich,  bis  Orpheus 
sich  zum  Opfer  erbietet  und  sich  von  Charon  tödten  lässt. 
Nun  kommen  die  sieben  Tage  wieder  und  jammern,  bis 
plötzlich  Orpheus  auf  einem  Schiffe,  dessen  Mast  das  Kreuz 
trägt,  wieder  erscheint  und  die  befreite  menschliche  Natur 
(Euridice)  mit  sich  führt.  —  Die  Schöpfung  wurde  auch  von 
dem  Spanier  Azevedo  als  Epos  behandelt.  Velasquez,  span. 
Dichtkunst  S.  395.     Desgleichen  von  Saluste  de  Bartas. 

In  Miltons  verlornem  Paradiese  ist  die  Schöpfung  sehr 
malerisch  aufgefasst,  namentlich  die  Schöpfung  der  Thiere 
Das  Krokodil  steht  zweifelnd  da,  ob  es  das  Wasser  oder  die 
Erde  zu  seinem  Elemente  wählen  soll.  Behemoth,  das  grösste 
Thier,  reisst  sich  mühevoll  aus  dem  Schlamme.  Die  Vögel 
rauschen  auf,  ein  unzählbares  Heer  etc.  Eben  so  glücklich 
ist  Haydn  in  seiner  musikalischen  Auffassung  gewesen ,  wenn 
auch  ein  wenig  Spielerei  hier  mit  unterläuft. 

Die  Schöpfung  in  Gemälden  darzustellen,  ist  freilich  eine 
schwere  Aufgabe,  weil  sich  das  Grosse  nicht  wohl  in's  Kleine 
zusammendrängen  lässt.  Doch  lassen  sich  einzelne  Momente 
der  Schöpfung  wohl  in  ein  klares  Bild  fassen. 

Erster  Moment:  Der  Geist  Gottes  schwebt  über  der 
Tiefe.  Phantastisches  Bild  des  Engländers  Martin.  Gott 
Vater  erscheint  hier  als  ein  riesenhafter  Ossianischer  Nebel- 
geist im  Halblicht  der  Wolken.    Vgl.  Kunstbl.  1825.  S.  238. 


348  Schöpfung,  die. 

Ein  ähnliches  Bild  von  Gudin  (das.  1844.  S.  376.)  l'ässt  nur 
die  Gestalt  aus  und  bezeichnet  das  göttliche  Wesen  nur 
durch  die  Lichtwirkung  allein.  Viel  naiver  fassten  die  alten 
Maler  den  Gegenstand  auf.  Auf  Glasmalereien  namentlich 
findet  man  die  Schöpfungsmomente  durch  Kugeln  bezeichnet, 
die  Gott  Vater  als  Greis  oder  Kaiser  vor  sich  hält.  Die 
erste  Kugel  ist  weiss  und  farblos  (Licht),  die  zweite  blau 
(Wasser),  die  dritte  farbig  (Scheidung  der  Elemente),  die 
vierte  blau  mit  Sternen  (Sternhimmel),  die  fünfte  grün  (die 
Erde).  Vgl.  d.  Artikel  Kugel.  In  einem  französischen  Mi- 
niaturbilde steht  Gott  Vater  mit  Sonnennimbus  und  Reichs- 
apfel vor  einem  Wasser,  über  das  eine  Taube  zu  ihm  fliegt. 
Am  Wasser  bildet  sich  eine  Landschaft.  Bidron^  icon.  p.  452. 
Auf  einem  andern  Miniaturbild  in  Turin  sitzt  Gott  Vater  auf 
der  Sonne  und  hält  in  der  Hand  die  Erdkugel.  Miliin,  Reise 
durch  Savoyen  I.  281.  Naive  Darstellungen  aller  Schöpfungs- 
tage in  Mosaiken  zu  Venedig.  Kunstbl.  1831.  Nr.  32.  Auch 
im  Dom  zu  Orvieto  und  im  Campo  Santo  zu  Pisa.  Die  über 
dem  Wasser  als  heiliger  Geist  schwebende  Taube,  die  ver- 
schiednen  Kugeln  des  Himmels  und  der  Erde,  dann  die  be- 
sondere Schöpfung  von  Sonne  und  Mond,  von  Kräutern  und 
Bäumen,  von  Thieren  und  Menschen  wiederholen  sich  am 
öftesten.  Auch  die  grösseren  Maler  des  16ten  Jahrhunderts 
behielten  die  naiven  Motive  noch  bei.  Raphael  malte  Gott 
als  einen  lebhaft  bewegten  Greis  mit  genial  zurückgewor- 
fenem Haar,  schwebend  in  den  Lüften,  wie  er  Sonne  und 
Mond  gleichsam  gewaltsam  mit  beiden  Händen  anpackt.  Das 
ist  seiner  Würde  nicht  ganz  angemessen  und  erinnert  mehr 
an  einen  italienischen  Baumeister,  der  mit  Heftigkeit  und 
Zorn  seine  Werke  beschleunigt ,  etwa  an  Michel  Angelo,  Ra- 
phaels  Zeitgenossen. 

Die  Schöpfung  der  Pflanzenwelt  fällt  mit  den  lieblichen 
Abbildungen  des  Gartens  Eden  zusammen.  In  dieser  Dar- 
stellung zeichnete  sich  der  sogenannte  Sammet  -  Breughel  be- 
sonders aus.  Die  Schöpfung  der  Thiere  wurde  von  Thier- 
malern  benutzt  zu  Darstellungen  aller  Art  von  Thieren. 


Schriftgelehrte  und  Pharisäer.  '    849 

Man  brachte  die  neue,  geistige  Schöpfung,  die  mit  der 
Ausgiessung  des  heihgen  Geistes  begann ,  in  Verbindung  mit 
jener  ersten  Schöpfung  und  stellte  namentlich  den  (in  Tauben- 
gestalt) über  dem  Wasser  schwebenden  heiligen  Geist  mit 
dem  gleichfalls  als  Taube  über  den  Aposteln  und  Jüngern 
schwebenden  heiligen  Geist  zu  Pfingsten  zusammen.  Waa- 
gen, Kunst  in  Paris  S.  345. 


Schriftgelehrte  und  Pharisäer, 

die  alttestamentalischen  Vorbilder  aller  gegen  die  christliche 
Weisheit  sich  erhebenden,  aus  weltlicher  Macht  und  welt- 
lichem Verstände  hervorgehenden  CoUegien  und  Facultäten, 
überhaupt  der  Menschenweisheit  gegenüber  der  Gottesweisheit. 
Sie  kommen  übrigens  in  verschiedenartige  Berührung  mit 
dem  Heiland.  Den  im  Tempel  lehrenden  Knaben  begrüssen 
sie  mit  Staunen  und  Ehrfurcht,  dem  vollendeten  Meister  aber 
grollen  sie  nachher  und  trachten  ihn  arglistig  zu  versuchen, 
endlich  wirken  sie  wesentlich  mit  zu  seinem  Verderben.  — 
Christus  als  Knabe  unter  den  Gelehrten  im  Tempel  hat  das 
schöne  Motiv  in  dem  Gegensatz  der  himmlischen  Weisheit, 
die  sich  in  einem  Kinde  offenbart,  gegen  die  irdische  Weis- 
heit, die  in  einer  Vielheit  von  Männern  und  Greisen  vertreten 
wird.  Es  ist  nicht  der  Gegensatz  zwischen  Wahrheit  und 
Lüge.  Es  ist  daher  auch  von  Malern  falsch  und  ungerecht, 
wenn  sie  in  die  Mienen  der  Schriftgelehrten  Arroganz  oder 
Bosheit  legen.  Diese  erste  Zusammenkunft  des  Erlösers  mit 
den  Schriftgelehrten  war  eine  unschuldige  und  friedfertige. 
Sie  verdammten  ihn  nicht,  sie  staunten  nur  über  ihn  und 
hörten  ihm  mit  Theilnahme  zu.  Wenn  nun  auch  die  schlechten 
Elemente,  die  unter  ihnen  waren,  durch  die  Maler  in  ihren 
Mienen  ausgedrückt  werden  dürfen ,  so  darf  doch  das  Wohl- 
wollen und  die  gute  Meinung  nicht  fehlen  und  sollte  sogar 
vorherrschen.  Eben  so  wenig  dürfen  die  Gelehrten  komisch 
aufgefasst  werden.  —  Am  meisten  beschämt  erscheinen  die 
Schriftgelehrten  und  Pharisäer  bei   der  Erklärung  des  Zins- 


350  Schuh. 

groschen,  bei  dem  Urtheil  über  die  Ehebrecherin.  Am  er- 
bittertsten aber  bei  der  Verurtheilung  Jesu  und  am  schaden- 
frohsten bei  der  Kreuzigung. 


Schuh, 

Mittel  und  Sinnbild  des  irdischen  Wandels.  Wer  sich  dem 
Heiligen  und  Himmlischen  naht,  bedarf  dieses  Mittels  nicht 
mehr  und  muss  daher  auch  das  Sinnbild  ablegen.  Moses 
zieht,  als  er  vor  Gott  im  feurigen  Busche  kniet,  seine  Schuhe 
aus,  „denn  hier  ist  heiliges  Land.^  1.  B.  Mos.  3,  5.  Alle 
Muhamedaner  ziehen  vor  den  Moscheen ,  auch  alle  Inder  vor 
ihren  Tempeln  die  Schuhe  aus.  Unser  nordisches  Clima  leidet 
die  Entblössung  der  Füsse  nicht  und  im  Christenthum  ist  die 
innerliche  Demuth  das  Wesen,  wobei  das  äussere  Zeichen 
nicht  wesentlich  ist.  Doch  ist  es  geheiligtes  Herkommen,  die 
göttlichen  Personen  auf  Kirchenbildern  immer  unbeschuht  zu 
malen  und  auch  den  Aposteln  nur  Sandalen  zu  geben,  im 
Gegensatz  gegen  die  beschuhten  Propheten. 

Auch  die  Todten  dürfen  nach  christlichem  Gebrauch 
keine  Schuhe  tragen.  Augustinus,  serm.  de  sanct.  42,  6.  Hier 
ist  offenbar  ein  scharfer  Gegensatz  des  Christenthums  gegen 
das  ältere  Heidenthum  ausgedrückt,  weil  in  letzterem  aus- 
drücklich die  Beschuhung  der  Todten  verlangt  wurde.  Die 
Heiden  nämlich  glaubten,  ihre  Todten  kämen  in  eine  mate- 
rielle, sinnliche  Welt,  brauchten  Fährgeld,  um  über  den 
Todtenfluss  zu  schiffen,  Schuhe,  um  auf  den  steinigen  Wegen 
der  Unterwelt  nicht  zu  ermüden,  wohl  gar  ein  Ross,  um  zu 
reiten,  daher  geopferte  Rosse  mit  ihnen  begraben  wurden, 
W^affen ,  sogar  Nahrungsmittel  für  die  Reise  etc.  In  Deutsch- 
land findet  man  noch  viele  alte  Heidengräber  mit  solchen 
Utensilien  für  die  Todtenreise  gefüllt.  In  der  Grafschaft 
Henneberg  nennt  man  noch  jetzt  jedes  Begräbniss  den 
„Todtenschuh" ,  zum  Beweise,  für  wie  wichtig  man  in  frühern 
Zeiten  die  Beschuhung  der  Todten  hielt.  Dagegen  lehrt  die 
christliche  Kirche,   die  Todten  bedürfen  all  dergleichen  Mit- 


Schuh.  B51 

gaben  niclit,  sie  stehen  in  Gottes  Hand  und  können  sich 
nicht  mehr  mit  irdischen  Mitteln  helfen ,  sondern  nur  noch 
mit  Busse  im  Reinigungsorte. 

Der  alte  sinnbildliche  Gebrauch,  wenn  man  irgendwo 
ungastlich  aufgenommen  worden  ist  oder  sonst  über  Frevel 
zu  klagen  hat,  beim  Weggehen  den  Staub  von  den  Schuhen 
zu  schütteln,  wurzelt  in  derselben  Symbolik.  Es  wird  näm- 
lich damit  ausgedrückt:  „Ich  hätte  diesen  Weg  zu  euch 
Gottlosen  gar  nicht  antreten  sollen,  er  ist  vergebens,  er  ist 
zum  Unheil  ausgeschlagen,  darum  reinige  ich  meine  Schuhe 
vom  Staub  wieder,  als  hätte  ich  den  Weg  gar  nicht  gemacht.*' 

Der  Schuh  war  bei  den  Alten  auch  ein  Symbol  der 
Herrschaft.  Darauf  bezieht  sich  auch  Psalm  60,  10:  „Auf 
Edom  werfe  ich  meinen  Schuh."  Doch  scheint  es,  der  mit 
dem  Kreuz  gestickte  bischöfliche  Schuh  und  päpstliche  Pan- 
toffel ist  nur  insofern  zugleich  Sinnbild  der  Herrschaft,  als 
er  die  Fusstapfen  des  heiligen  Petrus  und  die  apostolische 
Mission,  „den  Fleiss  für  die  Heerde  Christi"  bedeutet.  Rippel, 
Alterthumb  der  Cäremonien  S.  270.  Denselben  Sinn  scheint 
mir  der  „Frauenschuh"  oder  „Marienschuh"  zu  haben,  die 
blumenartige  Steinverzierung  auf  den  Spitzen  gothischer 
Thürme  .und  Thürmchen.  Diese  Form,  eine  bauchige,  rund- 
geschlossene, in  der  Mitte  sich  ein  wenig  öffnende  Blume 
darstellend,  eignet  sich  in  vorzüglichem  Grade  für  die  gothische 
Steinornamentik,  der  offenere  Formen  und  zerbrechlichere 
Ausstrahlungen  ungünstig  wären,  entspricht  aber  zugleich  der 
natürlichen  Form  der  bekannten  Blume  „Frauenschuh",  cy- 
pripedium  vulgare,  und  lässt  daher  auch  eine  höchst  sinnige 
Beziehung  auf  die  Gottesmutter  zu ,  deren  Wandel  auf  Erden 
die  Kirche  gründete,  so  dass  ihre  Fusstapfen,  der  höchsten 
Spitze  der  Kirche  aufgedrückt,  theils  den  heiligen  Ursprung 
der  Khche,  theils  die  ewige  Herrschaft  und  Fürsorge  der 
Gottesmutter  innerhalb  der  Kirche  bezeichnet.  Vgl.  Kreuser, 
Kirchenbau  1.  174.  H.  355.  564,  w^o  jedoch  diese  Symbolik 
noch  nicht  erschöpfend  genug  behandelt  ist. 

Schuhe  als  Heiligenattribute.     Die  Heiligen  Eutropius, 


Schwalben. 

Sergius  und  Sozon  erlitten  das  Martyrium  durch  Nägel,  die 
man  ihnen  in  die  Füsse  schlug.  Der  heilige  Anthemus  von 
Nicomedien  und  Basiliskus  durch  glühende  Metallschuhe. 
Schuhe  in  der  Hand  getragen  kennzeichnen  die  heilige  Hed- 
wig, die  als  Fürstin  aus  Demuth  immer  barfuss  ging  und  als 
ihr  Gemahl,  Heinrich  der  Bärtige  von  Schlesien,  ihr  befahl, 
Schuhe  zu  tragen,  dieselben  nur  in  der  Hand  trug. 

Bei  Stintebüll  am  Meeresufer  stand  das  Bild  des  heiligen 
Pancratius  mit  goldenen  Pantoffeln.  Die  stahl  ein  Dieb ,  aber 
auf  dem  Meer  ergriff  ihn  ein  Sturm  und  schleuderte  seinen 
Leichnam  an  demselben  Ufer  aus,  wo  das  Bild  stand.  Daher 
das  Sprichwort:  Pancratius  holt  seine  Pantoffeln  wieder. 
Müllenhoff,  holst.  Sagen  Nr.  158. 

Schwalben. 

Nach  schwedischem  Volksglauben  zwitscherten  die  Schwal- 
ben bei  der  Kreuzigung  des  Heilands  voll  Mitleid:  Hugswala^ 
swala,  swala  hom^  tröste,  kühle,  kühle  ihn;  deshalb  sind  sie 
dem  Volke  heihg.    Afzelius ,  schwedische  Volkssagen  HI.  243. 

—  Eine  gute  Bedeutung  haben  die  Schwalben  auch  in  den 
Legenden.  Der  heilige  Einsiedler  Gutlach  w^ar  immer  von 
ihnen  umgeben.  Auch  der  heilige  Franciscus  von  Assisi  be- 
fahl ihnen  einmal ,  stille  zu  schweigen  und  seine  Predigt  zu 
hören,  und  sie  hörten  ihm  andächtig  zu.  Dasselbe  berichtet 
die  Legende  vom  heiligen  Aldelrandus  und  Gandolphus. 

Schwan, 

Attribut  der  Heiligen  Cuthbert,  Lutger  und  Hugo,  weil 
sich  zu  diesen  ein  wilder  Schwan  gesellte  und  ihnen  diente. 

—  Ein  Schwan  aus  dem  Paradiese  soll  einmal  über  Henoch 
geflogen  seyn  und  eine  Feder  aus  seinem  Flügel  haben  fallen 
lassen,  mit  welcher  Henoch  sein  apokryphisches  Buch  schrieb. 


i 


\ 


Schwebet!.  35S 


Schwarz, 

Farbe  der  Nacht,  Negation  des  Lichts,  mithin  Sinnbild  und 
Farbe  des  Teufels.  Die  Hölle  ist  ewige  Nacht,  nur  erhellt 
durch  die  Flammen  der  Qual.  Der  Teufel  ist  durch  und 
durch  schwarz ,  so  weit  er  nicht  andere  Farben  braucht ,  den 
Menschen  zu  betrügen.  —  Als  Negation  des  Lichts  wurde 
Schwarz  auch  zur  Farbe  des  Todes  und  der  Trauer  über  den 
Tod,  jedoch  mit  Einschränkung.  Die  ältesten  Christen  gaben 
(Binterim ,  Denkw.  VL  3.  407.)  ihren  Todten  weisse  Kleider, 
wie  sie  einst  erscheinen  sollten  als  Gerechte  beim  Weltgericht. 
Die  schwarze  Kleidung  erweckte  ihnen  die  Besorgniss,  mit 
dem  Tode  sey  alles  Leben  erloschen,  aus  und  vorbei.  Das 
Schwarz  schien  ihnen  die  Hoffnung  der  Auferstehung  und 
himmlischen  Reinheit  aufzuschliessen.  Daher  ist  auch  die 
schwarze  Trauertracht  nur  auf  die  Verlassenheit  der  Hinter- 
bliebenen zu  beziehen  und  als  blosse  Familienklage  zu  ver- 
stehen, keineswegs  darf  die  schwarze  Farbe  auf  den  Todten 
bezogen  werden. 

Schweben. 

Heiligkeit,  zumal  die  heilige  Ecstase  entbindet  von  den 
gewöhnlichen  Gesetzen  der  Natur,  auch  vom  Gesetz  der 
Schwere.  Daher  das  Wandeln  der  Heiligen  trocknen  Fusses 
über  das  Wasser.  Daher  auch  das  freie  Schweben  vieler 
Heiligen  in  der  Luft,  ein  Sicherheben  gleich  dem  Herab- 
schweben der  Engel.  Frei  in  die  Luft  erhoben  wurden  wäh- 
rend des  Betens  der  heilige  Albert,  Bernhard,  Dominicus, 
Franz  Xaver ,  die  heilige  Agnes  von  Böhmen ,  die '  h.  Luit- 
gardis ,  die  h.  Therese.  Als  der  h.  Franciscus  von  Assisi  und 
die  h.  Klara  einmal  im  Gebet  einander  gegenüber  knieten, 
wurden  beide  in  dieser  Stellung  in  die  Luft  erhoben.  Der 
h.  Petrus  von  Alcantara  war  besonders  berühmt  wegen  seines 
Freischwebens  in  hoher  Luft.    Vgl.  Görres,  Mystik  H.  515  if. 

Mendel,  Christi.  Symbolik.    II.  23 


^  Schwein. 

Die   gedachten  Heiligen  sind  auf  Kirchenbildern   durch  ihr 
Schweben  gekennzeichnet. 


Schwein, 

Personification  der  Bestialität  überhaupt,  der  äussersten  kör- 
perlichen Unreinigkeit  im  Gegensatz  gegen  die  höchste  sittliche 
Reinheit ,  daher  Sinnbild  der  in  Sinnenlust  verthierten  Götzen- 
diener, aber  auch  eine  stereotype  Gestalt  der  unreinen  Geister 
(Teufel)  und  der  Verdammten. 

Nach  Psalm  80,  14.  verwühlen  wilde  Säue  den  Weinberg 
des  Herrn,  Sinnbilder  der  Wollust,  Roheit  und  Gewalt. 
Nach  den  Sprichwörtern  Salomo's  11,  22.  gleicht  ein  Weib 
ohne  Zucht  einer  Sau  mit  goldnem  Halsband.  Nach  Steills 
Ephemeriden  H.  109.  erschien  einem  Schwelger  eine  unge- 
heure Heerde  Schweine ,  vor  der  er  sich  nicht  mehr  zu  retten 
wusste.  Die  Erscheinung  verschwand  und  er  bekehrte  sich. 
Dem  heiligen  Antonius  erschien  der  Teufel  in  Gestalt  eines 
Schweins,  Sinnbild  der  Sinnlichkeit,  die  er  überwand.  Dem 
Grafen  Raymund  von  Gascogne  erschien  nach  Froissards  Be- 
richt der  Teufel  als  eine  grosse,  hagere  und  unfläthige  Sau, 
so  grausenhaft ,  dass  seine  Hunde  vor  ihr  flohen  und  er  selbst 
vor  Entsetzen  starb.  —  Sepp  (Heidenthum  I.  411.)  bezieht 
das  Wort:  „Man  soll  die  Perle  nicht  vor  die  Säue  werfen'^ 
auf  die  Götzendiener.  Es  lässt  mannigfache  Deutung  zu. 
Der  Grundgedanke  bleibt  aber,  die  Diener  des  göttlichen 
Wortes  sollen  es  nicht  missbrauchen  und  gemein  machen  zur 
Schadenfreude  seiner  Feinde. 

Was  die  Erklärer  bisher  nicht  beachtet  haben,  aber  hier 
am  meisten  in's  Gewicht  fällt,  ist  die  Verdammniss,  die  sich 
an  das  Schwein  knüpft.  Gerade  in  dem  Umstände,  dass  es 
Symbol  zugleich  der  Sünde  und  der  Verdammniss,  der  Ur- 
sache und  Wirkung  ist,  liegt  ein  tiefer  Sinn.  Christus 
verdammt  die  unreinen  Geister,  in  die  Säue  zu  fahren. 
Matth.  8,  28.  Auf  einem  altchristlichen  Bilde  befinden  sich 
in  einem  Schiffe  voll  Seelen  Verstorbener  auch   Schweine. 


Schweisstuch.  355 

dC  Agincourt ,  sculptures^  tah.  29.  Offenbar  als  Verdammte.  In 
einer  guten  alten  Legende ,  die  uns  Wendunmuth  IV.  Nr.  287. 
aufbewahrt,  kommt  der  Teufel  als  Schwein  zu  einem  Hei- 
ligen, um  ihn  zu  necken.  Der  Heilige  aber  erkennt  ihn 
wohl  und  ruft  ihm  zu:  „Schäme  dich,  der  du  als  Lucifer 
einst  der  schönste  Engel  warst  und  jetzt  zum  Schweine  ge- 
worden bist.'^  Tiridates,  König  von  Armenien,  wollte  die 
heilige  Jungfrau  Ripsime  verführen  und  Hess  sie ,  da  sie  sich 
weigerte,  grausam  hinrichten.  Dafür  wurde  er  nach  der 
Legende  bei  Nicephorus  VIII.  35.  in  ein  Schwein  verwandelt. 
Der  verlorne  Sohn  in  der  Parabel  musste,  nachdem  er  alles 
Gut  in  Lüderlichkeit  vergeudet,  die  Schweine  hüten.  Das 
hat  denselben  Sinn,  seine  Werke  folgten  ihm  nach.  Die 
Früchte  seiner  Laster  umgaben  ihn  als  Schweine.  Hiebei  ist 
noch  zu  bemerken ,  dass  auch  schon  auf  altägyptischen  Wand- 
bildern bei  Darstellungen  des  Todtengerichts  die  Seele  eines 
Verdammten  die  Gestalt  eines  Schweines  hat.  Wimmer,  Ge- 
mälde von  Afrika  IL  382. 

Wenn  gleichwohl  in  der  Legende  auch  Schweine  vor- 
kommen, die  sich  vor  den  Heiligen  beugen,  so  wird  damit 
nur  die  Macht  der  Heiligkeit  in  einem  hohen  Grade  ausge- 
drückt. So  heisst  es  in  Gumppenbergs  marian.  Atlas  1.  87, 
ein  Schwein  sey  vor  einem  im  Gebüsch  verborgenen  Marien- 
bilde niedergekniet  und  habe  dadurch  zur  Entdeckung  des- 
selben geführt.  Ein  Eber,  der  im  Amphitheater  gegen  den 
heiligen  Andreas  losgelassen  wurde,  wich  vor  demselben 
scheu  zurück.  Ein  von  Jägern  verfolgter  Eber  floh  zum 
heiligen  Einsiedler  Emilion  und  suchte  seinen  Schutz,  daher 
er  Attribut  dieses  Heiligen  geworden  ist. 

Schweisstuch. 

Nach  der  Legende  reichte  die  heilige  Veronica ,  Matrone 
zu  Jerusalem ,  dem  Heiland  auf  seinem  schweren  Gange  nach 
Golgotha  ihr  Tuch,  dass  er  sich  Schweiss  und  Blut  abtrocknen 
konnte,  und  siehe,   es  bildete  sich   davon  unverzüglich  sein 

23* 


856  ^chwdisstuch. 

Angesiclit  in  dem  Tuche  ab.  4.  Februar.  Einige  glauben, 
sie  sey  das  blutflüssige  Weib  gewesen,  welches  durch  ihren 
Glauben  geheilt  w^orden ,  daher  die  Weiber  sie  in  allen  Men- 
strualleiden  anrufen.  Das  Tuch  kam  mit  Titus  nach  Rom. 
Titus  selbst  soll  durch  den  blossen  Anblick  desselben  vom 
Aussatz  geheilt  worden  seyn.  Nach  Andern  brachte  es  die 
heilige  Veronica  selbst  nach  Rom  und  heilte  damit  den  kranken 
Tiberius.  Das  Tuch  ist  in  St.  Peter  aufbewahrt  und  wird  dem 
Volke  jährlich  einmal  gezeigt.  —  Man  hat  den  Namen  der 
Heiligen  durch  vera  icon  (das  wahre  Bild  unsers  Heilands) 
erklären  wollen.    Vgl.  W.  Grimm,  Christusbilder  S.  5. 

In  den  Kirchen  wird  das  Schweisstuch  mit  dem  Kopf 
insgemein  auf  die  Rückseite  der  Predella  ( AltarstafFel) ,  meist 
schwebend  von  Engeln  getragen ,  gemalt.  Beim  Umgang  um 
die  Altäre  wird  das  Bild  berührt  und  ein  Kreuz  vor  die 
Stirn   gemacht. 

Die  Veronica  kommt  einigemal  auf  grössern  Darstellungen 
der  Kreuzschi eppung  vor.  Noch  öfter  wird  sie  gemalt,  wie 
sie  das  Tuch  mit  dem  Kopf  emporhält.  Das  reizendste 
Bild  der  Heiligen  in  dieser  Art  ist  das  bewunderte  Werk 
des  Kölner  Meisters  Wilhelm ,  ehemals  in  der  Boissereeschen 
Sammlung,  jetzt  in  München  (Kunstbl.  1833,  S.  39.  Passa- 
vant, England  408.).  Einer  schönen  Veronica  mit  dem 
Schweisstuch  von  Hemling  in  Brügge  gedenkt  Schnaase  in 
den  niederl.  Briefen  S.  354.  Einer  von  Albri  in  Madrid 
Viardot  17. 

Nach  einer  Sage  bei  Beda  opp.  HI.  p.  365.  Colon.  1688 
wurde  das  heilige  Schweisstuch  nach  der  Auferstehung  Christi 
von  einem  Juden  gestohlen.  Als  er  starb,  Hess  er  seinen 
beiden  Söhnen  die  Wahl,  welcher  das  Tuch,  welcher  das 
übrige  reiche  Vermögen  erben  wolle.  Der  nun  das  Geld 
nahm,  wurde  arm;  der  aber  das  Tuch  behielt,  reich.  Später 
entstand  unter  den  Erben  Streit  über  das  Tuch,  und  der 
Chalif  Moawia  befahl,  seine  Echtheit  und  wem  es  gebühre, 
durch's  Feuer  zu  erproben.  Man  legte  es  also  in's  bren- 
nende Feuer.    Da  flog  es  auf  und   einem  frommen  Christen 


Schwert.  357 

in  den  Schooss.    Seitdem  wurde  es  in  Jerusalem  aufbewahrt 
und   hochverehrt. 

Schwere. 

Dante  sah  in  der  Schwere  das  Princip  der  Materie  über- 
haupt, mithin  auch  des  Bösen.  Darum  versetzte  er  den 
Lucifer  in  den  Mittelpunkt  der  Erde,  in  den  Schwerpunkt 
aller  Anziehungskraft.  Im  Himmel  sah  er  dagegen  überall 
nur  leichtes  und  immer  leichteres  Bewegen  und  Schweben, 
je  reiner  die  Geister,  um  so  freier  durchdringen  sie  Raum 
und  Zeit,  ohne  irgend  von  einem  Band  der  Schwere  mehr 
gehalten  zu  seyn.  —  Inzwischen  ist  das  nicht  die  Voraus- 
setzung in  der  Legende.  Hier  erscheint  nämlich  die  Heilig- 
keit als  ein  Princip,  welches  schlechthin  über  alle  Naturgesetze 
erhoben  und  von  ihnen  frei  ist,  so  zwar,  dass  die  Heiligkeit 
nicht  blos  gegen  das  gewöhnliche  Naturgesetz  die  Schwere 
zu  überwinden,  sondern  auch  hervorzubringen  vermag.  Die 
Heiligen  machen  sich  nicht  nur  leicht ,  sondern  auch  zuweilen 
schwer.  Die  Leiche  des  heiligen  Wenzeslaus  wurde,  indem 
man  sie  zum  Begräbniss  trug,  unterwegs  vor  einem  Kerker 
so  schwer,  dass  man  sie  durch  keine  Gewalt  mehr  weiter 
bringen  konnte,  bis  alle  Gefangenen  aus  jenem  Kerker  frei 
gelassen  wurden.  Da  wurde  auch  der  Sarg  des  königlichen 
Heiligen  wieder  ganz  leicht.  —  Agnes  von  St.  Angelo,  Schwe- 
ster der  heiligen  Clara ,  der  Freundin  des  heiligen  Franciscus 
im  13ten  Jahrhundert,  wurde  aus  dem  Kloster  St.  Angelo 
gerissen,  um  wider  ihren  Willen  zu  heirathen.  Als  sie  aber 
einen  Fluss  überschreiten  sollte ,  wurde  sie ,  trotz  ihrer  zarten 
Gestalt,  so  schwer,  dass  Niemand  sie  von  der  Stelle  bringen 
konnte.  Da  musste  ihr  grimmiger  Oheim  ihr  die  Rückkehr 
in's  Kloster  gestatten.     Helyot  VH.  214. 

S  0  h  w  e  r  t , 

Sinnbild  der  göttlichen  Allmacht  und  Gerechtigkeit,  im  alten 
Testament  auch  sehr  oft  des  göttlichen  Zorns,    Das  Schwert 


358  Schwert. 

des  Herrn  ist  trunken  vom  Blut  seiner  Feinde  und  frisst  ihr 
Fleisch.  5.  Mos.  32,  42.  Jesaias  34,  5.  66,16.  Ezechiel  21,  5. 
Dasselbe  Schwert  reicht  von  der  Erde  bis  zum  Himmel  und 
häuft  um  sich  die  Todten.  Buch  der  Weisheit  18,  16.  —  Auch 
Christus  spricht:  „Ich  bin  nicht  gekommen,  Frieden  zubrin- 
gen, sondern  das  Schwert."  Matth.  10,  34.  In  der  Offen- 
barung Johannis  geht  ihm  ein  Schwert  aus  dem  Munde,  was 
unzähligemal  gemalt  ist.  Jedoch  ist  auf  vielen  Bildern  das 
Schwert  nur  gegen  die  Verdammten  gerichtet,  daneben  aber 
geht  eine  Lilie  aus  seinem  Munde  und  richtet  sich  gegen  die 
Seligen.  Vgl.  den  Artikel  Lilie.  Auf  einem  Bilde  im  Klo- 
ster Heilsbronn  führt  Gott  der  Vater  beim  Weltgerichte  das 
Schwert,  der  Sohn  aber  hält  ihn  bittend  auf,  während  der 
heilige  Geist  als  Taube  auf  der  Schneide  des  Schwertes  sitzt. 
Waagen,  Kunst  in  Deutschland  I.  304.  Eine  etwas  zu  ge- 
wagte und  der  Würde  der  heiligen  Dreieinigkeit  nicht  ganz 
angemessene  Auffassung.  —  Vom  Schwerte  der  Gerechtigkeit 
in  Gottes  Hand  abgeleitet  sind  alle  Schwerter  der  Würge-  und 
Strafengel.    Vgl.  den  Artikel  Michael. 

In  der  Brust  der  Gnadenmutter  hat  das  Schwert  nur  die 
Bedeutung  des  Schmerzes.  „Ein  Schwert  wird  durch  deine 
Seele  gehen,"  sagt  der  alte  Simeon  zu  ihr  bei  Lucas  2,  35. 
Dieses  Schwert  wird  oft  in  ihrem  Herzen  steckend  gemalt, 
auch  statt  des  einen  sieben  Schwerter,  um  ihre  sieben 
Schmerzen  zu  bezeichnen. 

Als  Attribut  der  Heiligen  bedeutet  das  Schwert  immer 
die  Enthauptung,  durch  welche  die  betreffenden  Heiligen  das 
Martyrium  erlitten.  Doch  wird  damit  beim  heiligen  Apostel 
Paulus  nicht  blos  das  Martyrium,  sondern  auch  das  Schwert 
des  Geistes,  die  Ritterlichkeit  seines  Glaubens  ausgedrückt. 
Darum  führt  Paulus  auch  auf  manchen  Bildern  zwei  Schwerter. 
Das  Schwert  als  Attribut  der  Enthauptung  führen:  St.  Ale- 
xander, Anthemus,  Artemius,  Cajus,  Constantius,  Cornelius, 
Cyprianus,  Desiderius,  Evaristus,  Evasius,  Felix,  Firmius, 
Flavianus,  Gereon,  Irenäus,  Martinus,  Pancratius,  Sixtus, 
Stanislaus,  Urbanus,  Victor  und  viele  Andere.    Ein  Schwert 


Scorpion.  350 

im  Kopf:  Petrus  Martyr  und  Thomas  Beket;  im  Halse: 
St.  Aquilinus  und  Lucia ;  in  der  Brust :  St.  Accursius ,  Euphe- 
mia,  Placida,  Sophronia.  Zwischen  den  Zähnen :  St.  Juvenalis. 
Ein  Schwert  durch  die  Bibel  gestossen,  ohne  sie  zu  verletzen, 
ist  Attribut  des  heiligen  Bonifacius.  —  Zwei  Schwerter  durch- 
stechen den  Bischof  Friedrich  von  Utrecht.  —  St.  Abdon  und 
Senon  sind  zwei  Märtyrer,  die  mit  demselben  Schwerte  hin- 
gerichtet wurden ,  daher  man  sie  auf  Gemälden  gemeinschaft- 
lich ein  Schwert  halten  sieht  und  daran  erkennen  kann.  Eben 
so  das  weibliche  Paar  St.  Elenara  und  Sponsaria. 

Zwei  Schwerter  kreuzweis  durch  die  Hand  gestossen 
kennzeichnen  den  heiligen  Franciscus,  den  Bruder  Pacifico 
vor  seiner  Bekehrung  mit  diesem  Zeichen  in  einer  Vision 
erblickte.    Ozanam,  Franziskanerdichter  S.  107. 

Scorpion, 

Sinnbild  des  Bösen,  sofern  es  weh  thut,  giftig  und  beissend 
zugleich,  der  teuflischen  Qual.  „Ihre  Qual  war  wie  eine  Qual 
vom  Scorpion."  Offenb.  Joh.  9,  5.  Rehabeam  drohte  den 
Juden:  „Mein  Vater  hat  euch  mit  Geissein  gestrichen,  ich 
aber  werde  euch  mit  Scorpionen  streichen."  Hier  sind  scharfe 
Geissein  mit  eisernen  Spitzen  gemeint,  die  aber  nur  wegen 
der  grossen  Qual ,  die  sie  verursachen ,  und  wegen  der  Krüm- 
mung Scorpionen  hiessen.  1.  Kön.  12,  11.  Die  Gestalt  des 
Scorpions  gehört  zu  denen,  die  bei  Teufelsfrazzen  angewandt 
werden.  Biesenhaft  in  der  Hölle  der  Juden,  Eisenmenger 
n.  345.  Ein  Teufel  entweicht  in  Scorpionsgestalt  aus  einem 
Besessenen.  Bathgeber,  Gothaisches  Museum  S.  231.  —  Ein 
Scorpion  ist  Attribut  des  Franciscus  von  Fabriano,  der  einen 
solchen  im  Abendmahl  trank,  aber  durch  eine  Ader  wieder 
herausliess  (16.  Mai).  —  Die  Stelle  bei  Lucas  11,  12:  „So  er 
um  ein  Ei  bittet,  der  ihm  einen  Scorpion  dafür  böte,"  ist 
wahrscheinlich  durch  die  eirunde  Form  der  im  Süden  oft 
schon  sehr  grossen  Scorpione  zu  erklären.  Vgl.  Rosenmüller, 
Morgenland  V.  184.    Der  Gegensatz  ist  sehr  schön.    Im  Ei 


360  St.  Sebastian. 

schlummert  das  Leben,  daher  es  Sinnbild  nicht  nur  der  Ge- 
burt, auch  der  Wiedergeburt  ist  (Osterei).  Im  Scorpion 
dagegen  einigt  sich  der  bittere  Tod  mit  dem  Gift  der  Hölle, 
der  Bosheit  des  Teufels. 


St.    Sebastian, 

ein  römischer  Jüngling ,  den  Kaiser  Diocletian  sehr  lieb  hatte, 
aber  als  Christen  hinrichten  und  zwar  nackt  an  einen  Baum 
gebunden  mit  Pfeilen  erschiessen  Hess ,  20.  Januar.  Das  Volk 
glaubt,  dass  an  diesem  Tage  der  Saft  in  die  Bäume  trete, 
weil  er  vom  Blut  des  Heiligen  warm  werde.  Zur  Erinne- 
rung an  den  Baum  des  Lebens,  der  ohne  das  Blut  Christi 
und  der  Heiligen  nicht  hätte  wachsen  können.  Vgl.  den 
Artikel  Baum.  Deshalb  ist  der  heilige  Sebastian  am  Baum 
ein  Nachbild  Christi  am  Kreuz  und  verhält  sich  zu  Christo 
in  der  Kirchensymbolik  und  Malerei,  wie  St.  Barbara  zur 
Maria.  Daher  auch  die  grosse  Verbreitung  seines  Namens 
und  Cultus.  —  In  den  letzten  Jahrhunderten  hat  freilich  ein 
sehr  unheiliges  Motiv  die  häufige  Darstellung  seiner  Marter 
veranlasst.  Indem  die  Maler  immer  tiefer  in  die  heidnische 
Empfindungsweise  versanken,  trachteten  sie  heidnische  Nudi- 
täten  in  die  keusche  Kirche  Gottes  einzuführen,  und  Seba- 
stian, ein  nackter  Jüngling  in  der  Blüthe  des  Lebens,  schien 
ihnen  vorzugsweise  geeignet,  ihre  Meisterschaft  im  schönen 
Fleisch  zu  zeigen. 

Sechs, 

eine  heilige  Zahl.  Gott  schuf  die  Welt  in  sechs  Tagen  und 
ruhte  am  siebenten.  Daher  der  jüdische  Glaube,  die  Welt 
werde  sechs  Jahrtausende  der  Arbeit  haben,  denen  dann  das 
siebente  als  das  der  Ruhe,  als  das  sogenannte  tausendjährige 
Reich  folgen  werde.  Vgl.  den  Artikel  Reich.  —  Am  sechsten 
Tage  wurden  die  Menschen  geschaffen ;  in  der  sechsten  Stunde 
sollen  sie  gesündigt  haben;  daher  knüpft  sich  auch  die  Er- 
lösung an  die  Sechszahl,   denn   im   sechsten  Monat  fand  die 


Seele.        ^  361 

Verkündigung  Mari'ä  und  in  der  sechsten  Stunde  der  Tod  Jesu 
statt,  und  auch  die  Himmelfahrt  Maria  wird  am  sechsten 
Tage  angenommen.  Vgl.  Kornmann ^  mons  Veneris  p.  96.  — 
Die   Sechs   wird   auch    durch    den   griechischen    Namenszug 

Christi  ^<;  ausgedrückt,  gewöhnlich  ^  .  Die  sechs  Flü- 
gel der  Seraphim,  die  Gegenüberstellung  von  je  sechs  Pro- 
pheten, Aposteln,  Sibyllen  etc.  haben  w^eniger  in  der  Zahl 
Sechs,  als  in  der  Verdoppelung  der  heiligen  Drei  und  in 
der  Theilung  der  heiligen  Zwölf  ihre  Bedeutung.  Herkömm- 
lich sind  sechs  Weinkrüge  bei  der  Hochzeit  zu  Cana. 

Die  Zahl  666  in  der  Offenbarung  Johannis  13,  18.  hat 
eine  schlimme  Bedeutung  als  die  „Zahl  des  Thiers'^  oder  des 
Antichrist.  Ich  halte  nicht  für  nöthig,  die  unzähligen  Er- 
klärungsversuche hier  zu  registriren.  Eine  gute  Uebersicht 
enthält  Züllich,  Offenb.  Joh.  IL  233  f.  Alle  diese  Erklä- 
rungen gehen  von  einem  einseitigen  Standpunkt  aus,  haben 
nur  eine  gewisse  Periode  der  schon  vergangenen  Weltge- 
schichte im  Sinne  oder  sind  ketzerisch  und  in  absichtlicher 
Feindschaft  gegen  die  Kirche  ausgeklügelt.  Man  darf  wohl 
einfach  bei  der  Grundbedeutung  der  Sechszahl  stehen  bleiben, 
welches  ist  die  Zahl  der  vollendeten  Arbeit  und  des  Maasses, 
in  dem  zugleich  die  Sünde  voll  wird,  die  also  auch  auf  das 
Weltende  und  den  Antichrist  am  besten  passt.  Dreimal  sechs 
aber  ist  eine  Potenzirung,  die  sich  zum  dreimal  Sieben  der 
höchsten  und  reinsten  Geisterwelt  (Dreieinigkeit  und  sieben 
Geister  Gottes)  verhält  wie  der  Septimenaccord  zur  Octave, 
der  Nächste  am  Heiligen  als  der  dem  Heiligsten  Feindseligste. 
Der  Antichrist  in  dieser  dreimal  unheiligen  Zahl  entspricht 
als  der  Letzte  dem  Lucifer  als  dem  Ersten.  Zwischen  Beide 
erscheint  das  ganze  Uebel  dieser  Welt  eingerahmt. 

Seele. 

Auf  Kirchenbildern  des  Mittelalters  wird  die  Seele,  ge- 
trennt vom  Körper,  vor  der  Geburt  (auf  Bildern  der 
Verkündigung)  oder  nach  dem  Tode  (beim  Tode  Maria,  der 


B6S  Seele. 

Schacher  am  Kreuz  etc.)  durchgängig  in  Gestalt  der  kleinen, 
nackten,  geschlechtslosen  Kinder  dargestellt.  Vgl.  den  Ar- 
tikel Kind.  Ausnahmsweise  tritt  in  dem  handschriftlichen 
chron.  Zwifalt.  der  Stuttgarter  Bibliothek  pag.  56  aus  der 
todten  Maria  die  Seele  als  Kopf  und  Spiegelbild  des  todten 
Kopfes  hervor.  —  In  den  allegorischen  Werken  des  16ten 
und  17ten  Jahrhunderts,  in  denen  das  Verhältniss  der  mensch- 
lichen Seele  zu  Christo  wie  ein  Roman  zweier  Liebenden 
aufgefasst  zu  werden  pflegte,  nahm  die  christliche  Seele  so 
ziemlich  das  Wesen  der  griechischen  Psyche  aus  dem  be- 
kannten Gedicht  des  Apulejus  an.  Ein  geistliches  Schauspiel: 
Psyche  schrieb  in  diesem  Sinn  der  Dichter  Birker  im  ITten 
Jahrhundert.  Das  schönste  christliche  Gedicht  dieser  Art  sind 
die  'pia  desideria  von  Hugo,  Antw.  1624.  Doch  auch  schon 
viel  früher  kommen  Gedichte  und  Schauspiele  von  der 
„minnenden  Seele"  vor.  Vgl.  Mone,  Schauspiele  des  Mittel- 
alters I.  131.  Christus  ist  hier  immer  der  himmlische  Geliebte, 
die  Seele  die  irdische  Liebende,  er  vollkommen  und  rein, 
daher  auch  ruhig  und  fest,  sie  dagegen  schwach,  thöricht, 
eifersüchtig,  unruhig  und  voll  Fehle,  aber  auch  voll  Reue. 
Das  eigentlich  älteste  Vorbild  dazu  ist  das  Hohelied  Salomonis, 
aber  in  der  Zeit  der  Renaissance  wurde  je  mehr  und  mehr 
der  Roman  des  Apulejus,  die  Liebe  zwischen  dem  himm- 
lischen Amor  und  der  irdischen  Psyche  maassgebend. 

Auch  der  „verlorne  Sohn"  ist  Personification  der  irrenden 
Seele.  Nicht  minder  der  Ritter,  der  sich  in  den  „Venusberg" 
locken  lässt.  Prüfungsreisen  der  Seele  durch  die  Welt  siehe 
V.  Schack,  dramatische  Lit.  der  Spanier  H.  403.  500.  In 
andern  Dichtungen  und  Bildwerken  kommt  die  Seele  als  eine 
arme  Bettlerin  vor,  mager,  verhungert  und  in  Lumpen,  im 
Gegensatz  gegen  den  Leib,  der  in  Gestalt  eines  Esels  fürst- 
lich gepflegt,  verehrt  und  geliebkost  wird.  Eicones  mysticae 
Oraeij  Francof.  1620.  Aehnlich  in  einem  altdeutschen  Gedicht, 
handschriftlich  zu  Gotha.  Rathgeber,  Annalen  58.  In  Höllen- 
bildern bekommt  die  Seele  zuweilen  Thiergestalt,  entsprechend 
dem  Laster,  das  zu  ihrer  Verdammniss  führte. 


Segen.  363 

Die  Seele  ist  das  kleine  Nachbild  der  ganzen  Menschheit. 
Wie  diese  zwischen  Gott  und  Satan ,  so  steht  die  vom  Körper 
scheidende  Seele  zwischen  den  Schutzengeln  und  dem  Teufel, 
der  sie  zu  entführen  trachtet.  Wieder  insbesondere  ist  die 
Seele  das  kleine  Nachbild  des  Volkes  Gottes  im  alten,  der 
Kirche  im  neuen  Bunde.  Namentlich  die  Braut  des  Hohen- 
liedes wird  bald  im  Grossen  als  Kirche ,  bald  im  Kleinen  als 
Seele  aufgefasst. 

Die  Eigenschaften  der  christlichen  Seele  sind  wesenthch 
Schwäche,  Uebereilung  und  Sünde,  Rettungs-  und  Erlösungs- 
bedürfniss ,  Demuth  und  Hingebung  an  Gott.  Auf  Irren  und 
Bereuen  und  Zurückgeführt-  und  Erlöstwerden  durch  eine 
höhere  Hand  läuft  hier  Alles  hinaus ,  indem  von  vorn  herein 
die  Hoffahrt  der  „eigenen  Gerechtigkeit^  ausgeschlossen  bleibt. 
Erst  eine  ganz  dem  christlichen  Glauben  entfremdete  Zeit 
konnte,  indem  sie  Gott  leugnete,  den  Menschen  als  das 
höchste  Wesen  von  jeder  Erlösungsbedürftigkeit  emancipiren. 

Segen. 

Der  Segen  wird  im  Namen  Gottes  ertheilt,  also  auch 
mit  Ehrfurcht  vor  Gott,  daher  stehend  und  mit  entblösstem 
Haupte.  Der  allgemeine  Segen,  Vielen  zugleich  ertheilt,  wird 
durch  eine  Bewegung  der  Arme  und  Hände  in  der  Luft  ge- 
geben; der  persönliche  Segen,  dem  Einzelnen  ertheilt,  durch 
unmittelbares  Auflegen  der  Hände  auf  den  Kopf,  wobei  der 
Gesegnete  kniet.  Der  allgemeine  Segen  wurde  im  mosaischen 
Ritus  durch  Ausstrecken  beider  Hände  ertheilt ,  3.  Mos.  9,  22. 
Auch  Christus  erhob  beide  Hände ,  Lucas  24,  50.  Nachher 
wurde  der  Segen  mit  einer  erhobenen  Hand  üblich ,  und  zwar 
segnet  der  Priester  in  der  griechischen  Kirche,  indem  er  mit 
den  Fingern  den  Namenszug  Jesu  Christi  nachbildet  durch 
den  geraden  Zeigfinger  (I),  den  gebogenen  Mittelfinger 
(C  —  S),  den  gekreuzten  Daumen  und  Goldfinger  (X)  und 
den  gebogenen  kleinen  Finger  (C  =  S),  d.  h.  JS  CHS. 
Der  römische  Priester  dagegen  segnet,  indem  er  den  Daumen, 


364  Seidenwurm. 

Zeige  -  und  Mittelfinger  gerade  in  die  Höhe  streckt ,  die  zwei 
letzten  Finger  aber  einschlägt,  zu  Ehren  der  Dreieinigkeit. 
Binterim,  Denkw.  YJI,  2.  330  f.    Vgl.  den  Artikel  Hand. 


Seidenwurm. 

In  einem  altdeutschen  Marienliede  wird  das  Christkind 
im  verschlossenen,  jungfräulichen  Leibe  der  Maria  mit  dem 
Seidenwurm  verglichen,  der  in  einem  undurchdringlichen 
Seidengespinnst  verborgen  lebt.   Haupt,  Zeitschrift  VHI.  280. 

S  en  f  k  or  n, 

ein  kleiner  Same,  aus  dem  ein  grosses  Kraut  wächst,  daher 
bei  Matthäus  13,  31  f.  das  Himmelreich  mit  dem  Senfkorn 
verglichen  wird,  welches  als  der  kleinste  aller  Samen  zu 
einem  grossen  Baume  gedeiht,  unter  dem  die  Vögel  des 
Himmels  wohnen.  Die  Vögel  bedeuten  Seelen,  ein  Baum 
mit  Vögeln  kommt  in  den  Dichtungen  des  Mittelalters  sehr 
oft  als  Sinnbild  des  wiedergewonnenen  Paradieses,  mit  den 
Seelen  der  Seligen  vor.  Unter  dem  Baum  aber  ist  der  Baum 
des  Lebens  gemeint.  Vgl.  den  Artikel  Baum.  Der  Ueber- 
gang  von  der  Kleinheit  zur  Grösse  aber  bezieht  sich  auf  das 
Wachsthum  des  Heiles  in  den  Menschen ,  auf  das  Wachsthum 
der  Kirche  vom  kleinen  Anfang.  Auch  ist  darin  die  Distanz 
zwischen  der  Krippe  zu  Bethlehem  und  dem  über  allen 
Himmeln  thronenden  Lamme  der  Offenbarung  Johannis  aus- 
gedrückt. —  Muhamed  verglich  das  Senfkorn  mit  dem  mensch- 
lichen Herzen,  in  dem,  wie  klein  es  immer  ist,  doch  der 
unendliche  Gott  wohnen  kann.  Tholuk,  Blüthensammlung 
S.  201.  Eine  muhamedanische  Deutung,  die  auch  der  Christ 
gelten  lassen  muss. 

Sense, 

Sinnbild  des  Abmähens,  also  des  Todes,  wie  die  Sichel. 
Daher  Attribut  des  Todes  auf  Grabmälern,    Häufig  erscheint 


Sibyllen.  365 

der  Tod  als  Gerippe ,  eine  Sense  in  der  Hand.  —  Auf  einem 
Bilde  zu  Padua  führt  Christus  beim  Weltgericht  eine  Sense 
in  der  Hand.  Kunstbl.  1838.  S.  50.  Nach  der  Offenbarung 
Johannis  14,  4.  soll  es  nur  eine  Sichel  seyn.  —  Die  Sense 
ist  Attribut  des  heiligen  Albert  von  Ogna,  der  einmal  als 
Arbeiter  in  der  Erndte  einen  Stein,  den  ihm  boshafte  Leute 
hingelegt  hatten,  mit  der  Sense  leicht  durchschnitt. 


Seraphim, 

nach  Jesaias  6,  2.  über  dem  Thron  des  Herrn  stehende  Engel. 
Jeder  hat  sechs  Flügel,  zwei,  um  damit  das  Antlitz,  zwei, 
um  damit  die  Füsse  zu  bedecken,  und  zwei,  um  damit  zu 
fliegen.  Es  sind  also,  wie  andere  Engel,  wirkende  Kräfte 
Gottes  gemeint.  Das  Sichbedecken  aber  erklärt  sich  aus  der 
morgenländischen  Sitte,  sich  vor  dem  Herrscher  aus  Demuth 
zu  verhüllen.  Gesenius,  Commentar  zu  Jesaias  I.  258.  Die 
Verhüllung  kann  aber  auch  in  dem  Sinn  verstanden  werden, 
wie  die  „Wolke  im  Heiligthum"  als  das  Geheimnissvolle  der 
Gottheit.  Man  hat  sich  Mühe  gegeben ,  den  Namen  mit  dem 
ägyptischen  Serapis  in  Verbindung  zu  bringen,  was  aber 
völlig  unzulässig  ist,  da  die  mosaischen  Engel  principiell  von 
den  heidnischen  Göttern  der  Aegypter  verschieden  sind ,  was 
immerhin  Aehnliches  auch  in  ihren  beiderseitigen  Flügelattri- 
buten oder  auch  in  ihren  Gewalten  und  Heilkräften  liegen  mag. 

Sibyllen. 

Wie  das  ganze  alte  Testament  nur  die  Vorbereitung  zum 
neuen  war,  so  weisen  namentlich  alle  Propheten  mit  grösster 
Bestimmtheit  auf  den  kommenden  Messias  hin.  Sie  entzün- 
deten gleichsam  die  Morgenröthe,  aus  welcher  die  neue  Sonne 
hervortrat.  Getrennt  und  unabhängig  von  ihnen  machte  sich 
aber  jener  geheimnissvolle  Zug  zum  Christenthum  auch  im  Hei- 
denthum  geltend,  aber  hier  viel  bewusstloser  und  verborgener. 
Nur  wie  im  magnetischen  Schlafe  träumen   die  heidnischen 


866  Sibyllen. 

Sibyllen  von  dem  fernen,  fremdartigen  Reiche  Gottes,  das 
auf  Erden  erscheinen  soll. 

Sie  stehen  als  Thürhüterinnen  an  der  Schwelle  des  Chri- 
sten thums,  als  Vertreterinnen  der  Ahnung  des  Christlichen 
im  Heidenthum,  neben  den  Propheten,  als  den  Vertretern 
der  christlichen  Offenbarung  im  Judenthmn.  Schon  der  Ge- 
schlechtsunterschied drückt  diesen  Gegensatz  sehr  passend  aus. 

Die  Heiden  kannten  schon  längst  Sibyllen,  ohne  alle 
Beziehung  auf  das  Christenthum ,  als  Seherinnen,  Verkün- 
derinnen der  Zukunft.  Man  hat  den  Namen  abgeleitet  von 
Jabulah  (Trägerin)  oder  Kibil  (empfangen),  und  mit  Kabbalah 
und  der  alten  Göttin  Kybele  in  Verbindung  gebracht.  Der 
Sinn  ist  immer:  das  Weibliche,  welches  göttliche  Eingebungen 
empfängt  und  mittheilt. 

Varro  nahm  (bei  LactantiuSy  div.  inst.  I.  6.)  zehn  Sibyllen 
an:  1)  die  persische,  2)  die  libysche,  3)  die  delphische,  4)  die 
kimmerische,  5)  die  erythräische ,  6)  die  samische,  7)  die 
cumanische,  8)  die  hellespontische,  9)  die  phrygische,  10)  die 
tiburtinische.  Dieselben  Namen  nennt  auch  der  Scholiast  des 
Plato  (Phädrus,  ed.  Bekher  IL  315.).  Vgl.  Photius,  quaest. 
amphil.  160.  in  Montfaucon^  bibl.  Coislin.  p.  347.  Mai^  script. 
vet.  nov.  collect.  I.  praef.  XXXVIII.  Suidas  kennt  die  zehn 
Sibyllen  auch,  s.  v.  Eben  so  der  heilige  Hieronymus,  adv. 
Jovianum  I.  14.  —  Aelian,  var.  hist.  XII.  35,  nimmt  zwar 
nur  vier  Sibyllen  an,  sagt  aber.  Andre  nehmen  zehn  an.  — 
Pausanias,  X.  12,  lässt  nur  vier,  Solinus,  IL  10,  nur  drei, 
Martianus  Capeila,  II.  159,  nur  zwei,  Plinius,  Natarg.  VII.  33. 
XIII.  27,  nur  eine  gelten.  Was  diese  Sibyllen  für  das  äl- 
tere Heidenthum  geleistet,  so  wie  die  berühmten  sibyllinischen 
Bücher  in  Rom,  die  alle  Weisheit  der  Zukunft  in  sich  ent- 
hielten und  bei  denen  man  in  böser  Zeit  Rath  zu  holen  pflegte, 
gehen  uns  hier  nichts  an. 

Unter  den  zehn  genannten  Sibyllen  aus  rein  römischer 
Erinnerung  steht  die  tiburtinische  in  nächster  Beziehung  zum 
Christenthum  und  erlangte  bei  weitem  den  grössten  Ruhm. 
Das  ist  die  Sibylle,  die,  von  Kaiser  Augustus  um  die  Zukunft 


Sibyllen.  367 

befragt,  demselben  in  einer  Vision  die  Gnadeiwnutter  mit  dem 
göttlichen  Kinde  zeigte,  in  der  Stunde,  in  welcher  Christus 
geboren  wurde.  Legenda  aurea,  cap.  6.  de  nativ.  Dominu 
Vgl.  Piper,  christl.  Mythol.  I.  480,  und  unsern  Artikel  Ära 
coeli.     Diese  Sibylle  heisst  Albunea. 

Jene  zehn  Sibyllen  der  Römer  wurden  aber  aus  der 
jüdischen  und  orientalischen  Erinnerung  ergänzt,  und  ins- 
besondere wurde  unter  den  drei  Sibyllen,  die  desfalls  im 
Mittelalter  den  älteren  zehn  noch  hinzugefügt  wurden,  die 
Königin  von  Saba  hervorgehoben.  In  einem  altdeutschen 
Schauspiel  steht  sie  ausschliesslich  als  Vertreterin  des  Heiden- 
thums  dem  König  Salomo ,  als  dem  Vertreter  des  Judenthums 
gegenüber,  beide  aber  weisen  auf  den  Heiland  hin,  sie  als 
Sibylle,  er  als  Prophet.  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters 
I.  307.  Diese  Königin  von  Saba  hat  auch  grosse  Bedeutung 
in  der  Legende  vom  heiligen  Kreuz.  Vgl.  d.  Artikel  Kreuz. 
Sie  heisst  bei  den  Muhamedanern  Balkis,  als  dreizehnte  Si- 
bylle Nichaula. 

Diese  beiden  Sibyllen,  die  abendländische  und  morgen- 
ländische, bilden  die  Anhaltspunkte  der  ganzen  Sibyllenschaft, 
wie  sie  in  die  christliche  Legende  und  Kunst  eingetreten  ist. 
In  dem  altdeutschen  Volksbuch  „Von  der  Sibyllen  Weis- 
sagung'^ ist  ihre  Legende  und  das  Typische  ihrer  Kleidung 
und  ihrer  Attribute  schon  vollkommen  ausgebildet.  Die  ihnen 
zugeschriebenen  Weissagungen '  in  griechischen  Hexametern 
sind  1852  von  Friedlieb ,  Professor  in  Breslau,  in's  Deutsche 
übersetzt  worden. 

Wir  gehen  nun  die  einzelnen  Sibyllen  durch: 

1.  Die  persische  Sibylle  —  Sambethe,  nach  dem 
Scholiasten  des  Plato  und  Suidas  auch  die  chaldäische  ge- 
nannt, soll  schon  mit  in  der  Arche  und  eine  Schwiegertoch- 
ter des  Noah  gewesen  seyn,  wodurch  das  Sibyllenthum  oder 
heidnische  Prophetenthum  in  gleiches  Alter  und  gleiche  Be- 
rechtigung gesetzt  wird  mit  dem  aus  Sems  Greschlecht  erwach- 
senden jüdischen  Prophetenthum.  Ihrer  Prophezeihungen 
auf  Christum  gedenkt  Augustinus   de  civ.  Lei  8.     Im  alten 


368  Sibyllen. 

Volksbuch  von  der  Sibyllen  Weissagung  ist  sie  charakterisirt 
durch  den  goldnen  Schleier.  Auf  altfranzösischen  Bildern 
trägt  sie  eine  Laterne  (als  Verkünderin  des  Lichts).  Didron, 
man.  p.  152.  Michel  Angelo  malte  sie  in  der  sixtinischen 
Kapelle  als  die  älteste  Sibylle  auch  sehr  alt,  doch  immer 
noch  als  ein  mächtiges  hohes  Weib.  Dagegen  malte  sie 
Guercino  auf  dem  Capitol  voll  Lieblichkeit.  Eben  so  Guido 
Reni  in  Florenz  (Kunstblatt  1836.  S.  86.)  und  in  England 
(Waagen  IL  220.)  Memling  malte  sie  im  flämischen  Costüm 
zu  Brügge.     Viardot  313. 

2.  Die  libysche  Sibylle  wurde  nach  dem  alten  Volks- 
buch im  himmelblauen  Kleide  und  mit  einem  Rosenkranz 
(um  die  Jungfrau  Maria  vorzubedeuten),  desgleichen  mit  einer 
Fackel  in  der  Hand  gemalt  (um  Christum,  das  Licht  der 
Welt,  vorzubedeuten).  Andere  geben  ihr  einen  Lorbeerkranz 
und  eine  zerrissene  Kette  (die  Bande  des  alten  Judenthums 
oder  Heidenthums).  Ihr  Name  ist  Elissa,  was  auch  der 
Name  der  karthagischen  Dido  ist.  In  der  That  ist  sie  auf 
diese  grosse  Königin,  die  zuerst  das  Licht  der  Bildung  nach 
Libyen  trug,  zurückzuführen. 

3.  Die  delphische  Sibylle  (Daphne,  Herophyle,  Manto, 
Artemis,  Diana)  soll  Apollopriesterin  gewesen  seyn  und  nach 
Suidas  noch  vor  Trojas  Untergang  gelebt  haben.  Unter  dem 
Namen  Herophyle  sagte  sie  Trojas  Ende  vorher  {Isidor,  or. 
VIII.  8,  also  wie  Cassandra).  Diodor,  IV.  68,  macht  sie  zur 
Daphne,  Apollo's  Geliebten,  oder  Manto,  Tochter  des  Tire- 
sias.  Clemens  Alexandr.,  ström,  I.  p.  304,  meldet  von  ihr, 
die  Musen  selbst  hätten  sie  erzogen.  Nach  ihrem  Tode  sey 
ihr  Gesicht  in  den  Mond  übergegangen  und  über  ihrem  Grabe 
seyen  Kräuter  gewachsen,  von  deren  Genuss  die  Thiere  ge- 
wisse Zeichen  in  den  Eingeweiden  empfingen ,  aus  denen  man 
orakle.  Nach  dem  Volksbuch  ist  sie  schwarz  gekleidet  und 
trägt  ein  Hörn.  Das  scheint  sich  auf  das  Mondliche  ihres 
Wesens  zu  beziehen. 

Unter  den  Sibyllen  Michel  Angelo's  in  der  sixtinischen 
Kapelle  ist  die  delphische  die  jüngste  und  schönste.    Sie  ver- 


1 


Sibyllen.  36d 

tritt  den  schönsten  und  geistreichsten  Cultus  im  classischen 
Alterthum,  nämlich  den  des  Apollo.  Sie  ist  der  träumerische 
Mond  neben  dieser  Sonne  der  heidnischen  Geisterwelt. 

4.  Die  kimmerische  Sibylle  -wird  Demophile,  Dei- 
phobe,  auch  Symmachia  genannt,  heisst  öfter  auch  die  cu- 
mäische  und  wird  mit  der  cumanischen  verwechselt.  Man 
gibt  ihr  einen  Blumenkranz  in's  frei  hinabwallende  Haar  und 
einen  Lorbeerzweig  nebst  Buch  in  die  Hand.  Ihre  Symbolik 
und  Legende  ist  nicht  ausgebildet.  Sie  sollte  von  Rechts 
wegen  Vertreterin  des  nordischen  Heidenthums  seyn,  wie  die 
delphische  des  Hellenenthums. 

5.  Die  erythräische  Sibylle,  Herophyle.  Nach  So- 
linus  n.  10.  und  Pausanias  X.  12.  heisst  sie  Herophyle  und 
war  Priesterin  des  Apollo  zu  Troja;  sie  lebte  aber  auch  zu 
Samos,  im  Hellespont,  zu  Delphi  und  bei  den  Erythräern,  da- 
her Pausanias  die  verschiedenen  Sibyllen  dieser  Orte  identi- 
ficirt.  Martianus  Capella  H.  159.  unterscheidet  die  troische 
Herophila  von  der  erythräischen  Symmachia. 

Die  Attribute  dieser  Sibylle  sind  ein  schlechtes  Kleid 
(als  Vorbild  der  Asceten) ,  ein  Himmelsglobus,  auf  dem  ihr 
Fuss  steht  (Verachtung  der  heidnischen  Weisheit),  ein  Schwert 
in  der  einen.,  ein  Lamm  in  der  andern  Hand. 

6.  Die  samische  Sibylle,  Phyto  (nach  Suidas)  oder 
Pytho  und  Phemonoe,  wird  als  Priesterin  dargestellt,  auf  ein 
blosses  Schwert  tretend ,  in  einer  Hand  Rosen ,  in  der  andern 
Dornen. 

7.  Die  cumanische  Sibylle  (von  Cumä)  ist  für  die 
Römer  die  älteste  und  berühmteste,  sofern  von  ihr  die  be- 
rühmten sibyllinischen  Bücher  herrührten,  die  in  Rom  als 
höchste  Heiligthümer  und  Palladien  des  Staats  bewahrt  wurden. 
Eine  viel  spätere  Sage  bei  Justinus  Martyr,  cohort.  ad  Gr.  37. 
p.  33.  c,  macht  sie  zu  einer  Babylonierin  und  Tochter  des 
Berosus ,  die  aber  nach  Italien  gekommen  sey.  Auf  sie  wird 
bezogen,  was  in  der  berühmten  vierten  Ecloge  Virgils  als 
cumäische  Weissagung   mitgetheilt  wird:     „Die   goldne  Zeit 

Mendel,  christl.   Symbolik,  11,  24 


870  Sibyllen. 

kehrt  zurück,  und  ein  neues  Geschlecht  steigt  vom  Himmel 
herab;  ein  neugeborner  Knabe  macht  dem  eisernen  Geschlecht 
ein  Ende  und  neu  erblüht  die  Welt." 

Nach  dem  Volksbuch  trägt  die  Sibylle  von  Cumä  ein 
goldnes  Gewand  und  ein  Buch  in  der  Hand,  ein  anderes  auf 
den  Knieen.  In  den  Heures  et  Anne  de  France  die  Krippe  des 
Heilandes.  Didron,  man.  p.  152.  Domenichino  malte  ihr  sehr 
schönes  Bild  als  Seitenstück  zu  seinem  berühmten  Johannes 
im  Pallast  Borghese.  Hier  blickt  sie  schwärmerisch  zum 
Himmel  auf. 

8.  Die  hellespontische  Sibylle  trägt  ein  Purpurkleid 
und  in  der  Hand  einen  Rosenzweig.  Sie  soll  zu  Solons  Zeit 
geweissagt  haben.  Nach  Suidas.  Nach  dem  Volksbuch  ist 
sie  schlecht  und  bäurisch  gekleidet. 

9.  Die  phrygische  Sibylle  heisst  Phaennis ,  soll  unter 
Antiochus  dem  Grossen  gelebt  haben.  Sie  wird  sehr  jung 
gemalt,  mit  rothem  Kleide,  in  der  Hand  eine  brennende 
Lampe  und  eine  Geissei,  den  Segen  und  das  Leiden  des 
Heilands  zu  bezeichnen.  Auf  dem  grossen  Glasfenster  zu 
Notre  Dame  de  Brou  trägt  sie  eine  Fahne  (der  Auferstehung). 
Didron )  icon.  p.  317. 

10.  Die  tiburtinische  Sibylle,  Albunea.  Die  Sibylle 
von  Tibur,  die  dem  Kaiser  August  im  Augenblick,  da  Christus 
geboren  wurde,  denselben  im  Arm  der  Gnadenmutter  in  einer 
Vision  am  offenen  Plimmel  als  den  künftigen  Herrn  der  Welt 
zeigte.  Vgl.  d.  Artikel  Ära  coeli.  Auf  einem  Bilde  von 
Hemling  ist  die  Vision  des  August  mit  den  heiligen  drei 
Königen  sinnig  verbunden  und  auf  das  Hauptbild  der  Geburt 
Christi  bezogen.  Die  Huldigung  des  römischen  Kaiserreichs 
und  des  gesammten  Abendlandes  gesellt  sich  hier  zur  Hul- 
digung der  drei  morgenländischen  Weltreiche ,  oder  Persiens, 
Syriens  und  Aegyptens.  Auf  einem  Bilde  des  Johann  von 
Leyden  in  Wien  trägt  die  Sibylle  ein  Rosagewand  mit  grü- 
nem Schatten  und  umher  wird  die  deutsche  Reichsfahne 
entfaltet. 


Sibyllen.  Stl 

11.  Die  europäische  Sibylle  ist  nach  dem  Volksbuch 
als  Fürstin  prächtig  gekleidet  und  hält  in  der  Hand  einen 
Brief.     Wo  und  wann  sie  lebte,  ist  ungewiss. 

12.  Agrippina,  die  einzige  unter  den  Sibyllen,  welche 
schwarz  als  Mohrin  gemalt  wird.  Da  sie  zugleich  geistreich 
und  voll  Adel  ist ,  erscheint  sie  als  ein  sehr  poetisches  Motiv 
für  Maler.  Man  gibt  ihr  ein  Purpurkleid  und  eine  Fackel 
in  die  Hand.  Die  Fackel  der  Sibyllen  deutet  immer  auf  ihre 
Gabe,  in  das  Dunkel  der  Zukunft  hinein  zu  leuchten.  Sie 
tragen  wie  der  Morgenstern  die  Fackel  dem  Helios,  so  die 
ihrige  dem  Heiland  voran,  den  sie  verkündigen. 

13.  Nichaula,  eine  Königin,  soll  dem  König  Salomo 
von  Christo  und  der  Madonna  und  von  der  ganzen  Welt- 
geschichte bis  zum  Weltende  geweissagt  haben.  Sie  ist,  nur 
unter  anderm  Namen,  die  berühmte  Balkis,  Königin  von  Saba. 
Die  älteren  Quellen  kennen  sie  nicht.  Sie  ist  mit  den  beiden 
vorletzten  Sibyllen  erst  später  im  Volksbuch  „der  Sibyllen 
Weissagung"  zu  den  altern  zehn  hinzugekommen. 

Man  hat  noch  zwölf  verschiedene  W^eissagungen  der  zwölf 
Sibyllen  von  Christo.  Vgl.  Mehring  S.  425.  Sie  dienen  als 
Devisen  zu  ihren  Bildern.  Die  persische  Sibylle  spricht: 
„Es  wird  ein  lieblicher  Fürst,  von  einer  jungfräulichen  Mutter 
geboren,  auf  einem  Esel  reiten,  der  allen  Gefallenen  Heil 
bringen  wird.     Nur  Er  wird  die  Orakel  errathen." 

Die  libysche  Sibylle  spricht:  „Tage  werden  kommen, 
da  der  ewige  König  die  fröhliche  Saat  bestrahlen  und  alle 
Sünde  von  den  Menschen  hinwegnehmen  wird;  denn  er  wird 
seine  Glieder  niederlegen  in  den  Schooss  der  Königin  der 
Welt." 

Die  delphische  Sibylle  spricht:  „Wonne  wird  alle  Her- 
zen durchbeben,  wenn  der  herrlichste  aller  Propheten  ohne 
Mann  empfangen  und  geboren  seyn  wird.  Das  ist  über- 
natürlich; doch  vermag  es  auch  nur  der,  der  aller  Dinge 
Herr  ist." 

Die  kimmerische  Sibylle  spricht:  „Eine  schöne  Jungfrau 
wird  den  Herrn   der  Heerschaaren  mit  ihrer  Milch  säugen 

24* 


S7ä  Sibyllen. 

und  ein  Stern  über  seinem  Haupte  leuchten,  zu  dem  die 
Weisen  wallfahren  werden.'^ 

Die  samische:  ;,Bald  wird  der  fröhliche  Tag  die  schwar- 
zen Schatten  verjagen;  der  Geringste  wird  die  verschlossen- 
sten Bücher  der  Propheten  offen  sehen  und  verstehen  und 
den  König  der  Lebendigen  mit  eigenen  Händen  betasten,  den 
eine  Jungfrau  gebären  wird." 

Die  cumanische:  ^Viel  habe  ich  geweissagt,  höret  das 
Letzte  von  Allem,  was  ich  sage:  Der  König,  der  da  Frieden 
bringt  über  die  ganze  Welt,  wird  das  keuscheste  und  schönste 
Mädchen  zur  Mutter  sich  erwählen." 

Die  hellespontische :  „Ich  sah  eine  Jungfrau,  hochge- 
ehrt vor  allen  Wesen,  weil  sie  ein  hellstrahlendes  Kind  ge- 
bar, das  die  Welt  in  Frieden  regieren  soll." 

Die  phrygische:  „Weil  unser  Leib  von  Sünden  ist, 
sandte  Gott  sein  eignes  Kind  in  den  Leib  einer  Jungfrau, 
um  allen  gehäuften  Schlamm  der  Sünden  mit  einmal  aus- 
zufegen." 

Die  europäische :  „Eine  Jungfrau  wird  das  ewige  Wort 
gebären  und  es  wird  wandeln  über  Thäler  und  Gebirge. 
Von  den  Sternen  wird  er  kommen  und  der  Aermste  seyn, 
welcher  der  König  der  Welt  ist." 

Die  tiburtinische ,  die  Agrippa  und  die  erythräische  spre- 
chen nur  unbedeutende  oder  ganz  ähnliche  Dinge. 

Wenn  auch  zuweilen  nur  im  dunklen  Umriss,  liegen 
doch  in  den  Sibyllen  die  Charaktere  der  heidnischen  Völker 
und  Zeiten  angedeutet,  welche  die  Welt  erfüllten  und  die 
Weltgeschichte  bildeten  vor  Christo,  und  zugleich  drücken  sie 
die  Stellung  jener  Völker  und  ihres  Geistes  zum  werdenden 
Christenthum  aus.  Diese  Symbolik  tritt  mehr  oder  weniger 
bestimmt  hervor  zuerst  in  der  persischen  oder  chaldäischen  Si- 
bylle, die  man  nach  dem  Standpunkt  der  heutigen  Wissenschaft 
die  arische  nennen  müsste,  sofern  sie  die  Cultur  des  ältesten 
Menschenreichs  auf  dem  Hochland  zwischen  Indien  und  Iran 
bezeichnet,  die  uralte  Weisheit  der  Vedas  und  des  Zendavesta. 
Die  libysche  Sibylle,  die  Karthagerin  Elissa  mit  dem  meer- 


Sibyllen.  373 

blauen  Kleid  und  dem  Rosenkranz ,  der  vielleicht  den  Kranz 
der  Colonieen  am  Mittelmeer  bedeutet,  und  mit  der  zerbro- 
chenen Kette,  charakterisirt  die  See-  und  Handelsmacht  der 
Phöniker  und  die  erste  abendländische  Cultur.  Die  delphische 
dann  den  Apollocultus  und  alle  geistigen  Blüthen  des  Hel- 
lenenthums.  Die  kimmerische  in  ihrem  Blumenkranz  und 
wallenden  Haar  (Sinnbilder  der  Jungfräulichkeit)  und  mit  dem 
Lorbeerzweig  des  Ruhmes  die  noch  rohen,  aber  sittenreinen 
Helden  Völker  des  Nordens.  Die  erythräische  mit  den  Attri- 
buten des  Elends,  auf  die  Weltkugel  tretend,  bedeutet  viel- 
leicht die  Verderbniss  der  römischen  Kaiserzeit,  und  die  sa- 
mische  mit  blossem  Schwert  die  Greuelkämpfe  der  Völker- 
wanderung. Darum  folgt  ihr  als  siebente  die  cumanische, 
die  auf  den  Erlöser  vom  eisernen  Zeitalter  und  Wiederbringer 
des  goldnen  hinweist.  Hierauf  die  wunderbare  Erscheinung 
der  hellespontischen  Sibylle  bald  im  Königs-,  bald  im  Bauern- 
kleide, aber  mit  dem  Rosenzweige,  vielleicht  vorbedeutend 
die  constantinische  Zeit,  in  welcher  Byzanz  den  Purpur  be- 
zeichnet, die  bäuerische  Tracht  aber  die  deutschen  Völker, 
die  sich  zum  Christenthum  bekehrten.  Die  phrygische  Sibylle 
mit  der  Fahne  entspräche  sofort  dem  bekanntlich  von  Phry- 
gien  hergeleiteten  jungen  Reich  der  Franken,  und  die  tibur- 
tinische  dem  durch  Karl  den  Grossen  neuverjüngten  Reich 
der  Römer,  d.  h.  dem  Reich  Christi  in  Rom.  Die  drei  letzten 
Sibyllen  aber  würden  folgerecht,  die  europäische  die  nun- 
mehr gesicherte  Herrschaft  des  Christenthums  in  Europa,  die 
schwarze  Agrippina  die  noch  zu  bekehrenden  Welttheile  voll 
farbiger  Menschen,  und  Nichaula  endlich,  die  sabäische  Kö- 
nigin, die  zuerst  dem  Vorbild  Christi  in  Salomon  nahe  trat, 
alle  heidnische  Weisheit  der  mosaischen  vermittelnd,  würde 
auf  die  dereinstige  geistige  Vermählung  aller  Völker  in  Christo 
hinweisen.  Somit  wäre  ein  welthistorischer  Cyclus  in  den 
Sibyllen  angedeutet,  aber  auch  nur  angedeutet. 

Aeltere  christliche  Bilder,  welche  eine  Sibylle  darstellten, 
sind  nirgends  aufgefunden  worden.  Die  ganze  Vorstellung 
ist   späteren  Ursprungs  und  gehört  eigentlich   erst   der  Zeit 


374  Sibyllen. 

an,  in  welcher  die  christliche  Kunst  ihrer  Vollendung  ent- 
gegenging. Die  Sibyllen  erhielten  erst  ihre  grosse  Bedeu- 
tung für  die  Kunst ,  als  sie  die  symmetrische  Ergänzung  der 
alten  Propheten  wurden.  Dazu  gehörte  aber  schon  eine  gross- 
artige Gesammtanschauung  der  christlichen  Symbolik  vom 
künstlerischen  Standpunkt  aus. 

In  folgender  Symmetrie  stehen  sich  zu  Loretto  die  Sta- 
tuen der  Propheten  und  Sibyllen  von  della  Porta  gegenüber, 
und  zwar: 

1)  gegen  Norden: 

Jesaias  —  die  Sibylla  Hellespontica , 
Daniel  —  die  Sibylla  Phrygia, 
Amos     —  die  Sibylla  Tiburtina; 

2)  gegen  Westen: 

Jeremias  —  die  Sibylla  Libyca, 
Ezechiel  —  die  Sibylla  Delphica; 

3)  gegen  Süden: 

Malachias  —  die  Sibylla  Persica, 
David         —  die  Sibylla  Cumana, 
Zacharias  —  die  Sibylla  Erythräa; 

4)  gegen  Osten: 

Moses     —  die  Sibylla  Samia; 
Balaam  —  die  Sibylla  Kimmeria. 

Die  Auswahl  ist  ziemlich  willkührlich. 

Die  grossartigste  Zusammenstellung  der  Sibyllen  mit  den 
Propheten  findet  sich  an  der  Decke  der  sixtinischen  Kapelle 
in  den  berühmten  Fresken  von  Raphael.  Beide  erscheinen 
hier  colossal. 

Michel  Angelo  gab  ihnen  eine  übermenschliche  Hoheit, 
aber  mit  abstossender  Strenge;  Raphael  machte  sie  dagegen 
zu  Idealen  der  Schönheit  und  Anmuth.  Das  Rechte  dürfte 
in  der  Mitte  liegen.  Michel  Angelo  bildete  sie  zu  wild  auf- 
geregt ;  dieser  gar  zu  wenig  aufgeregt.  Ihr  Antlitz  muss  stets 
Geist  strahlen;  aber  mehr  den  empfangenen  als  den  eigenen 
Geist ;   und  ihre  Seele  muss  in  einer  freudigen  und  schönen 


Sibyllen.  375 

Aufwallung  sich  ausdrücken,  nicht  in  wilden  Blicken,  noch 
weniger  aber  in  ruhigem  Behagen. 

Die  Kleidung  der  Sibyllen  darf  sich  der  Nationalität  an- 
schmiegen, der  sie  angehören,  muss  aber  einen  mehr  oder 
weniger  priesterlichen  Charakter  haben;  doch  siiid  ihnen  her- 
kömmlich bunte  Farben  und  etwas  Phantastisches  gestattet, 
um  das  Heidnische  ihres  Wesens  zu  bezeichnen.  Ihr  Attribut 
ist  (wie  bei  den  Propheten)  eine  Schriftrolle ,  denn  sie  haben 
Bücher  hinterlassen.  Sehr  oft  haben  sie  Zettel  mit  Sprüchen 
bei  sich,  die  aber  zu  wenig  charakteristische  Unterschiede 
darbieten.  Vgl.  Piper,  christl.  Myth.  I.  496.  In  den  Htures 
d'  Anne  de  France  und  in  altfranzösischen  Kirchen  tragen  die 
Sibyllen  Attribute  der  Geburt  und  Passion  Christi,  zum  Be- 
weise, dass  sie  dieselbe  prophezeiht  haben,  neben  allge- 
meinen Attributen.  Nämlich :  die  persische  trägt  eine  Laterne, 
die  libysche  eine  Kerze,  die  erythräische  eine  weisse  Rose, 
(Verkündigungssymbol) ,  die  cumanische  eine  Krippe ,  die  sa- 
mische  eine  Wiege,  die  kimmerische  ein  Trinkhorn,  die  eu- 
ropäische ein  Schwert,  die  tiburtinische  eine  Hand  (womit 
Christus  den  Backenstreich  bekam),  Agrippa  die  Geissei,  die 
delphische  Sibylle  den  Dornenkranz,  die  hellespontische  das 
Kreuz,  die  phrygische  die  Siegesfahne  (der  Auferstehung). 
Didron^  man.  p.  152. 

Die  Sibyllen  stehen,  wie  schon  bemerkt,  auf  Kirchen- 
bildern oft  den  Propheten  gegenüber.  Alsdann  haben  sie 
heidnische  Genien  über  sich,  die  Propheten  aber  jüdische 
Engel.  Piper  a.  a.  0.  I.  368.  Auch  stehen  die  einzelnen 
Sibyllen  in  der  Reihe  gewöhnlich  durch  antike  Säulen  von- 
einander gesondert,  was  gleichfalls  ihren  heidnischen  Ursprung 
bezeichnet.  —  Nicht  selten  dienen  die  Sibyllen  als  Karya- 
tiden, als  lebendige  Pfeiler,  desgleichen  als  Randverzierungen, 
um  die  heilige  Geschichte  einzurahmen.  Das,  was  sie  ver- 
kündet haben  und  was  wirklich  geschehen  ist,  bildet  die  Mitte 
des  Bildes ,  in  den  Rahmen  aber  kommen  sie  selbst  aus  dank- 
barer Anerkennung.  So  in  Kirchen,  so  in  Miniaturbildern 
der  alten  Evangelienbücher.     Wo  nicht  alle  Sibyllen  Platz 


376  Sichel. 

haben,  genügt  es  an  zweien,  wie  an  zwei  Propheten.  Vgl. 
Piper  a.  a.  0.  498.  —  In  dem  Triumphzuge  Christi  von  Ti- 
tian  (gestochen  von  Andreani)  tragen  die  Sibyllen  Fahnen. 
Ueberhaupt  kommen  sie  viel  häufiger  im  Gefolge  und  Um- 
kreis gleichsam  in  ornamentalem  Sinn,  als  in  selbstständiger 
Bedeutung  auf  Bildern  vor. 

Zu  den  eigenthümlichsten  Bildern  gehören  die  Holz- 
schnitzereien in  dem  Thron  oder  Stuhl  des  Abtes  von  Maul- 
bronn. Hier  hat  Christus  zwei  auf  ihn  hinweisende  Sibyllen 
zur  Seite,  die  rechts  wächst  aus  einer  Blume,  die  links  aus 
einem  Löwenkopf  hervor,  lieber  der  Sibylle  rechts  von 
Christo  schwebt  ein  gefiederter  Vogel  mit  Teufelsfrazze,  über 
Christo  eine  scheusslich  gebildete  Fledermaus,  über  der  Si- 
bylle links  ein  vierfüssiges  Höllenthier.  An  dem  vor  dem 
Stuhle  befindlichen  Pult  stehen  in  den  beiden  Ecken  rechts 
ein  Löwe,  links  ein  Drache,  von  denen  jeder  Flammen  speit, 
die  sich  in  kunstreichen  Verschlingungen  über  das  ganze  Bild 
verbreiten  und  in  der  Mitte  vereinigen.  In  diesen  Flammen 
sitzen  wie  im  Laube  Affen,  Eidechsen,  Vögel  etc.  Unten 
aber  nimmt  die  Mitte  ein  Jäger  mit  Armbrust  und  ein  Hirsch 
ein  und  mahnt  eine  Bandinschrift  zur  Uebung  der  Tugend; 
der  Jäger  soll  also  wohl  die  Laster  erlegen,  womit  gleichsam 
die  ganze  Welt  erfüllt  ist? 

Sichel, 

das  Werkzeug  der  Erndte.  Nach  der  Offenbarung  Johannis 
14,  14  f.  mäht  Einer  gleich  dem  Menschensohne  mit  der 
Sichel  alles  Korn ,  und  ein  Engel  mit  der  Hippe  allen  Wein 
von  der  Erde.  Das  ist  ein  Sinnbild  des  letzten  Gerichts, 
worin  sich  die  sündige  Menschheit,  zur  Erndte  reif,  indem 
im  Korn  ihr  Leib,  im  Wein  ihr  Blut  geopfert  wird,  in  einem 
grossartigen  Bilde,  „das  letzte  Abendmahl  des  Herrn",  ab- 
spiegelt. Schon  vorbedeutet  beim  Propheten  Joel  3,  18.  — 
Eine  Sichel  ist  Attribut  des  heiligen  Eusebius,  weil  ihm  mit 
einer  solchen  der  Kopf  abgeschnitten  wurde,  und  der  heiligen 


Sieben.  377 

Notburga,   weil   sie  als  Magd  auf  dem  Felde  ihre  Sichel  an 
einen  Sonnenstrahl  aufhing. 

Sieben. 

Die  Zahl  Sieben  war  schon  den  ältesten  Heidenvölkern 
heilig  als  die  sogenannte  jungfräuliche  Zahl  der  Pythagoräer, 
die  aus  keiner  andern  hervorgeht  durch  Theilung,  und  als 
die  sogenannte  Pyramidalzahl ,  in  der  die  Zahlen  drei  und 
vier  innig  verbunden  sind,  weil  die  Pyramide  vier  Dreiecke 
zu  Seiten  hat.  Ferner  als  die  Zahl  der  Wochentage  und 
Planeten,  deren  man  bis  in's  vorige  Jahrhundert  nur  sieben 
zählte.  Ich  will  hier  nicht  alle  ausserhalb  der  christlichen 
Symbolik  liegenden  Beziehungen  der  Zahl  Sieben  verzeichnen, 
sondern  auf  christlichem  Boden  bleiben. 

Im  alten  Testament  sind  es  die  sechs  Schöpfungstage  mit 
dem  darauf  folgenden  Ruhetag  oder  Sabbath,  welche  die  erste 
Woche  bilden  und  die  Heiligkeit  der  Siebenzahl  zunächst 
feststellen.  Die  Zahl  kehrt  wieder  in  der  geistigen  Schö- 
pfung, sofern  der  heilige  Geist  sich  wesentlich  in  sieben  Ga- 
ben vertheilt.  Dem  entsprechen  die  sieben  Sakramente,  die 
sieben  Bitten  des  Vaterunsers ,  die  sieben  letzten  Worte  des 
Heilands  am  Kreuz,  die  sieben  Engel  (Tobias  12,  15.)?  sieben 
Tugenden,  sieben  Himmel.  Besonders  deutlich  tritt  die  Hei- 
ligkeit der  Zahl  in  der  Offenbarung  Johannis  hervor  in  den 
sieben  Engeln  (8,  6.),  Gemeinden  (1,  4.),  Siegeln  (5,  1.),  Po- 
saunen (8,  2.),  Fackeln  (5,  4.),  was  auf  den  siebenarmigen 
Leuchter  im  Tempel  zu  Jerusalem  hinweist.  Dazu  die  sieben 
Freuden  und  Schmerzen  Maria's. 

Aber  auch  das  Dämonische  äussert  sich  gerne  in  der 
Siebenzahl.  Den  sieben  guten  Geistern  stehen  sieben  böse, 
den  sieben  Himmeln  sieben  Höllen,  den  sieben  Tugenden 
sieben  Laster  gegenüber.  Das  Thier  mit  sieben  Köpfen  in 
der  Offenbarung  Johannis  13,  1,  das  Weib,  sitzend  auf  den 
sieben   Bergen,    das.    17,   9,    hat    gleichfalls    die    schlimme 


378  Siegel. 

Bedeutung  des  weltlichen  Reichs,  des  verderbten  Jerusalems 
und  Roms  zur  Heidenzeit. 

Etwas  Symbolisches  liegt  in  der  Siebenzahl  an  sich  für 
das  christliche  Bewusstseyn  eigentlich  nicht.  Es  ist  nur  die 
Ziffer ,  die ,  indem  sie  gerade  und  ungerade  Zahlen  verbindet 
und  zwischen  Yiel  und  Wenig  die  Mitte  hält,  in  der  Natur 
selbst  sehr  häufig  die  Gliederungen  und  Emanationen  gewisser 
Urkräfte  bezeichnet,  z.  B.  die  sieben  Farbenstrahlen  im  Regen- 
bogen oder  Spectrum,  die  sieben  Töne  etc.,  sich  also  auch 
am  besten  eignet,  um  nach  ihr  höhere  Gliederungen  und 
geistige  Emanationen  zu  zählen. 

Davon  hängt  auch  der  Werth  der  Zahlen  70  und  72  ab. 
Vgl.  Sepp,  Heidenthum  I.  66.  Das  ist  die  durchschnittliche 
Zahl  der  menschlichen  Lebensjahre. 

Siegel. 

Die  Stirnen  der  Gerechten  werden  versiegelt,  Offenb. 
Joh.  7,  3.  Das  ist,  gleich  der  Ehrenkrone,  die  göttliche 
Signatur  im  Gegensatz  gegen  das  Kainszeichen,  den  sichtbar 
aufgedrückten  Fluch.  —  Signatur  ist  der  symbolische  Sinn 
des  Siegels,  Yerschliessung  der  gewöhnliche,  wie  in  den 
sieben  Siegeln  des  Buchs,  im  Siegel  des  Abgrunds  etc. 

S  i  m  e  o  n, 

der  Hohepriester,  der  das  Christkind  bei  der  Darstellung  im 
Tempel  empfängt  und  sich  selig  preist,  in  seinem  hohen 
Alter  ihn  noch  sehen  zu  können.  Vgl.  den  Artikel  Rei- 
nigung Maria.  Nach  dem  apokryphischen  Evangelium  Nico- 
demi war  er  es,  der,  bald  nach  jener  Scene  sterbend, 
zuerst  im  Hades  die  Geburt  des  Herrn  verkündete.  Hof- 
mann, Apokr.  S.  419. 


Simon  Magus.  379 


Simon    Magus, 

der  berüchtigte  Zauberer,  den  nach  Apostelgeschichte  8.  der 
heüige  Petrus  mit  der  Kraft  des  wahren  Gottes  beschämte 
und  überwand,  wie  einst  Moses  die  Zauberer  des  Pharao. 
Dieser  Simon  ist  aufzufassen  als  Vertreter  des  gesammten 
Heidenthums  in  dessen  Naturdämonismus  und  Vertrauen  auf 
Kräfte,  die  das  Geschöpf  sich  anmasst  gegenüber  dem  Schöpfer. 
Dem  stand  nichts  so  scharf  entgegen  als  wie  der  alte  Mosais- 
mus  selbst ,  so  auch  die  dem  Mosaismus  noch  näher  stehende 
Auffassung  des  Christenthums ,  wie  sie  in  Petro  hervortritt. 
Wenn  Petrus  wegen  eines  einseitigen  Uebergewichts ,  das  er 
dem  jüdischen  Element  geben  will,  von  Paulus  zurechtge- 
wiesen wird,  so  dient  andrerseits  wieder  Simon,  Petrum  zu 
rechtfertigen. 

Simon  liess  sich  in  einen  Wettstreit  mit  Petrus  ein,  ob 
er  mit  seinem  heidnischen  Zauber,  oder  Petrus  mit  dem  hei- 
ligen Geist  stärker  sey.  Als  er  aber  gen  Himmel  fahren 
wollte,  bewirkte  Petrus,  dass  er  herabstürzte.  In  der  apo- 
kryphischen  Apostelgeschichte  des  Abdias  ist  seine  Prahlerei 
noch  näher  detaillirt.  Da  macht  er  Bildsäulen  lebendig,  lässt 
eine  Sense  ohne  Mann  das  Feld  mähen,  geht  durch  Felsen 
durch,  lässt  Bäume  plötzlich  aus  der  Erde  wachsen  etc.  Er 
hetzt  dämonische  Hunde  auf  Petrum,  der  ihnen  aber  geweihtes 
Brodt  vorhält,  worauf  sie  verschwinden.  Seine  Geliebte,  He- 
lene, liess  er  einmal  zu  allen  Fenstern  eines  Thurmes  zugleich 
herausschauen.  Er  behauptete,  es  sey  die  berühmte  antike 
Helena  von  Troja  {Epiphanius,  haer.  21.  2.),  und  sie  sey  die 
höchste  Göttin,  so  wie  er  selbst  der  höchste  Gott.  Er  gilt 
als  der  erste  Urheber  der  Gnosis,  oder  der  in  das  Christen- 
thum  übergetragenen  Aeonenlehre.  Vgl.  Baur,  Manichäer 
S.  468  ff.  Schon  Irenäus,  HI.  praef.,  nennt  ihn  pater  omnimn 
haereticorum. 

Simon  Magus  hat  aber  auch  noch  eine  zweite  Bedeutung. 
Weil  er  nämlich  dem  Petrus   die  Gabe  des  heiligen  Geiste^ 


380  Simson. 

für  Geld  abkaufen  wollte  (Apostelgesch.  8,  8.),  wird  der 
Schacher  mit  geistlichen  Aemtern  und  Würden  nach  ihm 
Simonie  genannt. 


Simson, 

alttestamentalisches  Vorbild  Christi,  als  der  allüberwindende 
starke  Held,  aber  auch  als  der  Verrathene  und  Leidende. 
Ein  sehr  beliebtes  Sinnbild  war  im  frühern  Mittelalter  Simson, 
der  dem  Löwen  den  Rachen  aufbricht,  bedeutend  den  Heiland, 
wie  er  sein  Grab  oder  aber  die  Thore  der  Hölle  aufbricht, 
Sinnbild  und  Verheissung  der  Auferstehung.  ^  Wir  haben  dieses 
Bildes  schon  im  Artikel  „Löwe^  gedacht.  Es  kommt  beson- 
ders über  Kirchthüren  sehr  oft  vor  in  französischen,  wie  in 
deutschen  Kirchen.  Bock,  eglise  de  Nivelle,  1860.  ip.  66.  Didron^ 
man.  p.  104.  Heider,  über  Thiersymbolik  S.  22.  Die  Art, 
wie  Simson  auf  dem  Löwen  mit  einem  Fusse  kniet,  während 
er  den  andern  in  siegesgewisser  Nachlässigkeit  herabhängen 
lässt  und  mit  beiden  Händen  den  weiten  Rachen  des  LöVen 
aufreisst ,  ist  typisch ,  kehrt  auf  allen  Bildern  wieder  und  ist 
genau  die  nämliche  Attitüde,  welche  wir  auf  den  Mithras- 
bildern  finden,  nur  dass  es  auf  diesen  letzteren  kein  Löwe, 
dem  der  Rachen  aufgerissen,  sondern  ein  Stier  ist,  dem  der 
Dolch  in  den  Nacken  gestossen  wird.  Nichts  ist  daher  auch 
wahrscheinlicher,  als  dass  jener  Typus  des  christlichen  Sim- 
son von  den  zahlreichen,  namentlich  auch  in  Deutschland 
und  Frankreich  verbreiteten  Mithrasbildern  entnommen  ist. 
Ja  jener  Mithrascultus  der  spätem  Römerzeit  selbst  war  ein 
Mysteriendienst ,  welcher ,  gleich  dem  des  Orpheus ,  das  Chri- 
stenthum  vorbereiten  half,  die  Lehre  von  einem  grossen  Opfer 
zum  Heil  der  Welt.  —  In  dem  Gerippe  des  Löwen,  den 
Simson  getödtet  hatte,  nisteten  Bienen,  daher  das  berühmte 
Räthsel  Simsons :  „Süsses  kommt  vom  Starken. ^^  Das  wurde 
folgerecht  Sinnbild  der  christlichen  Kirche,  die  gleich  einem 
Bienenstock  im  Grabe  Christi  ihren  Ursprung  und  ihre  Hei- 
math gefunden. 


Simson.  881 

Aber  auch  andere  Umstände  im  Leben  des  Simson  wer- 
den auf  Christum  bezogen.  Rupertus  Tuit.  p.  254  f.  hat  sie 
zuerst  sinnig  zusammengestellt.  Simson  wurde  von  einer 
vorher  unfruchtbaren  Mutter  auf  wunderbare  Weise  verkündet 
und  geboren,  wie  Christus.  Simson  hatte  ein  Weib  genom- 
men, das  aber  unredlich  gegen  ihn  handelte  und  das  er  ver- 
stiess  und  einem  Andern  überliess;  damit  ist  nach  Rupert 
von  Deutz  die  Synagoge,  das  Judenthum  gemeint,  welches 
aufgegeben  werden  musste,  um  das  Christenthum  in  die  W^elt 
einzuführen.  Simson  band  dreihundert  Füchsen  die  Schwänze 
zusammen  und  Feuerbrände  daran  und  jagte  sie  in  die  Ge- 
treidefelder der  Philister.  Unter  den  Füchsen  sind,  nach 
Rupert,  die  bösen  Dämonen  im  Menschen  und  unter  dem 
Getreide  die  bösen  Werke  gemeint,  die  sich  selbst  wieder 
zerstören  müssen.  Simson  schlug  die  Philister  mit  einem 
Eselskinnbacken  und  liess  aus  dem  Zahn  dieses  Backen- 
knochens eine  Quelle  entspringen.  Damit  sind  nach  Rupert 
die  Knochen  und  Reliquien  der  Heiligen  gemeint,  aus  denen 
Quellen  des  ew^igen  Lebens  entspringen.  Simson  trägt  die 
Thore  von  Gaza  auf  den  Berg.  Darunter  versteht  Rupert 
das  Aufsteigen  Christi  aus  der  Hölle  in  den  Himmel,  quia 
resurgendo  claustra  inferni  abstuUt  et  ascendendo  coelorum  regna 
penetravit.  Ihm  folgt  Didron  (manuel  p.  104.),  indem  er  hier 
an  das  Aufsprengen  der  Höllenpforten  denkt.  Christus  sprengte 
diese  Pforten,  um  die  Patriarchen  zu  befreien.  Hierauf  nun 
bezieht  sich  das  Sinnbild  der  Thore  von  Gaza.  Bock  dagegen 
und  Heider  a.  a.  0.  sind  geneigt,  die  Thore  auf  das  Grab 
Christi  und  dagegen  den  aufgerissenen  Löwenrachen  auf  die 
Aufsprengung  der  Hölle  zu  beziehen.  —  Simson  wurde  von 
Delila  verrathen,  dem  entspricht  der  Verrath  des  Judas.  Er 
wurde  geschoren,  das  ist  Vorbild  der  priesterlichen  Tonsur. 
Endlich  riss  Simson  das  Haus  ein  und  begrub  sich  unter  dessen 
Trümmern,  das  bedeutet  den  alten  Judentempel,  das  Judenthum 
selbst,  aus  dessen  Ruinen  die  christliche  Kirche  erstanden  ist. 

Sehr  eigenthümlich  ist  Simson  auf  den  Chorstühlen  im 
Kloster  Maulbronn  in  Holz  geschnitzt,   nämlich  mit  langen, 


38S  Singen. 

auf  den  Rücken  herabwallenden  Haaren  (dem  Zeichen  seiner 
Stärke)  wie  ein  Weib,  und  auf  dem  Löwen,  dem  er  den 
Rachen  aufreisst,  einfach  reitend.  Gegenüberliegtauf  einem 
andern  Bilde  das  Einhorn  im  Schoosse  der  Jungfrau,  also 
auch  hier  bedeutet  Simson  Christum. 


Singen 

ist  immer  ein  Ausdruck  der  Andacht,  ein  Gebet,  Lob, 
Dank  etc.  des  Geschöpfes  gegen  den  Schöpfer.  Gott  singt 
nie,  nur  Engel  und  die  Menschen  singen  in  Andacht  vor 
Gott.  Der  Gesang  der  Engelchöre  und  der  frommen  Men- 
schen ist  gleichsam  eine  Harmonie  der  Sphären  im  geistigen 
Sinn,  ausdrückend  die  Anbetung  im  Kreis  um  eine  göttliche 
Mitte  und  die  innige  Gemeinschaft  der  Heiligen.  Für  die 
Seligen  im  Himmel  wusste  man  keine  würdigere  Beschäfti- 
gung, als  Singen  zum  Lobe  Gottes.  Im  Gesang  geht  so  die 
ganze  Seele  auf,  dass  man  eigentlich  immerwährend  Gott 
lobsingen  sollte,  daher  man  auch  im  frühern  Mittelalter  in 
grossen  Klöstern ,  z.  B.  zu  Corvey  in  Westphalen ,  zu  Bangor 
in  England  etc.,  einen  immerwährenden  Gesang  einführte, 
der  nie  aufhörte,  Tag  und  Nacht,  Jahr  aus  Jahr  ein,  und 
in  dem  die  Mönche  stets  abwechselten.  —  Heiligen  kommt 
als  besonderer  Vorzug  die  Gabe  der  Jubilation  oder  des 
Gesanges  zu.  Maria  von  Oegnies  z.  B.  sang  in  der  frommen 
Ekstase  in  unvergleichlich  schöner  Weise.  Görres,  Gesch.  der 
Mystik  n.  71.  Nirgends  wird  die  Verwandtschaft  des  Men- 
schen mit  den  Engeln  deutlicher,  als  in  dieser  Gabe  der 
Engelzungen. 

In  dem  ekstatischen  Gesang  schwebt  der  Fromme  gleich- 
sam schon  im  himmlischen  Element  und  das  irdische  ficht 
ihn  nicht  mehr  an.  Der  Gesang  der  drei  Männer  im  feurigen 
Ofen  ist  hiefür  schon  ein  Vorbild  aus  dem  alten  Testamente. 
Von  vielen  Heiligen  sagt  die  Legende,  sie  haben  noch  nach 
dem  Tode  fortgesungen ;  z.  B.  der  heilige  Nicasius  sang  noch 
fort ,  als  ihm  der  obere  Theil  des  Kopfes  abgeschlagen  worden 


i 


Sirene.  383 

war.  Die  Mönche,  die  auf  Diocletians  Befehl  in  grosser 
Menge  zugleich  lebendig  verbrannt  wurden ,  sangen  unter  der 
Qual,  und  man  hörte  ihre  Stimmen  noch  fortsingen  in  un- 
sichtbarem Chore,  als  die  Leichen  längst  in  Asche  zerfallen 
waren.  —  Vom  heiligen  Cedmon  sagt  die  Legende,  er  habe 
im  Schlafe  die  schönsten  Lieder  gesungen. 

Sirene. 

Die  Alten  verstanden  unter  der  Sirene  ein  verführeri- 
sches Frauenzimmer  mit  Vogelfüssen,  welches  durch  seinen 
Gesang  die  Schiffer  verlockt,  aber  immer  zu  deren  Verderben. 
Die  Neuern  verstehen  unter  demselben  Namen  ein  verführe- 
risches Frauenzimmer,  das  durch  seinen  Gesang  in's  Verderben 
lockt,  aber  nicht  mit  Vogelfüssen,  sondern  mit  einem  Fisch- 
schwanze,  Wesen,  welche  die  Alten  nicht  Sirenen,  sondern 
Tritonen  nannten. 

In  der  christlichen  Symbolik  kommt  die  fischgeschwänzte 
Sirene  als  Sinnbild  der  sinnlichen  Verführung  vor,  ganz  so 
wie  es  schon  bei  Porphyrius  im  Leben  des  Pythagoras  39. 
heisst:  „Sirenen  sind  Begierden,  die  zur  Sünde  locken,  die 
zum  Verderben  führt."  Als  Sinnbild  der  Verlockung  kommt 
die  Sirene  vor  in  den  Miniaturen  der  Herrad  von  Landsberg 
in  Strassburg,  herausg.  von  Engelhardt  S.  45.  Die  Sage 
kennt  auch  eine  angebliche  Sirene  in  Afrika,  die,  vorn  ein 
wunderschönes  Weib,  hinten  aber  Schlange,  Jeden  zur  Liebe 
reize ,  und  den ,  der  sich  verführen  lasse  und  in  ihren  Armen 
ruhe,  von  hinten  her  mit  dem  an  ihrem  Schlangenschweif 
befindlichen  Schlangenrachen  zerfleische.  Chrysostomi  orat.  5. 
Pierii,  hierogl.  135.  Unter  den  Werken  Albrecht  Dürers 
kommt  eine  sehr  phantastische  Sirene  mit  Rennthiergeweih 
und  grünem  Fischschwanz  vor,  einen  Leuchter  tragend. 
Heller,  A.  Dürer  H.  1.  95.  Es  ist  wohl  damit  die  durch 
Sinnegenuss  flüchtigere  Zeit  gemeint,  die  des  Menschen  Lebens- 
licht rascher  brennen  macht. 

Auf  christlichen  Bildwerken    findet   man  noch  Sirenen 


384  Sirend. 

mit  Vogelf üssen ,  jedoch  seltener  und  nur  in  alten  fran- 
zösischen  Kirchen,  wo  antiker  Einfluss  sie  erklärt,  z.  B.  in 
St.  Denys  und  Rouen.  Lenoir,  Munum.  de  Ja  France,  p?.  28. 
Langlois,  Stalles  de  la  cathedr.  de  Rouen,  pl.  9,  10,  11. 

Im  frühern  Mittelalter  kommt  auch  eine  ganz  andere 
Deutung  des  Sirenensinnbildes  vor.  Man  findet  namentlich 
auf  Taufbecken  die  fischschwänzige  Sirene  mit  Delphinen 
gesellt.  Rathgeber,  Gothaisches  Museum  S.  303.  Auf  Grab- 
bildern der  Katakomben  Seepferde  mit  Fischschwänzen.  Bel- 
lermann, Katakomben  von  Neapel,  Tab.  3.  4.  Das  entspricht 
vollkommen  dem  antiken  Todtencultus ,  in  w^elchem  Delphinen 
und  Tritonen  als  Sinnbilder  einer  glücklichen  Hinüberfahrt 
der  Seele  über  den  Styx  nach  Elysium  galten.  Diese  alte 
Symbolik  aber  traf  zusammen  mit  den  specifisch  christlichen 
Vorstellungs weisen  von  Christo,  dem  Seelenfischer,  und  vom 
heiligen  Element  der  Taufe.  Demnach  kann  die  Sirene  auf 
Taufbecken  und  das  Seepferd  auf  christlichen  Gräbern  auch 
nicht  mehr  auf  die  Verführung  durch  Sinnenlust  Bezug  haben, 
sondern  nur  noch  auf  die  Wiedergeburt  durch  die  heilige 
Taufe  und  auf  die  Hoffnung  der  Auferstehung.  Der  nämlichen 
Symbolik  entspricht  die  fischschwänzige  Sirene  mit  einem 
Jungen,  welches  sie  säugt,  im  Münster  zu  Basel,  desgleichen 
im  Münster  zu  Freiburg  im  Breisgau.  Vgl.  Waagen,  Kunst 
in  Deutschland  H.  255.  Püttmann,  Kunstschätze  S.  100. 
Oefter  hält  die  Sirene  in  Kirchen  einen  Fisch  in  der  Hand. 
Nach  Piper,  christl.  Mythologie  I.  390,  ;,liegt  es  nahe,  diesen 
Fisch  für  das  Bild  der  Seele  zu  nehmen,  die,  von  den  W^ogen 
der  Welt  umhergetrieben,  von  der  Sirene  sich  hat  fangen 
lassen."  Dies  ist  aber  keine  gute  Auslegung.  Kreuser 
(Kirchenbau  H.  46.)  hat  viel  mehr  Recht,  indem  er  das 
Sinnbild  auf  die  Wiedergeburt  durch  die  Taufe  bezieht.  Diese 
Erklärung  erhält  eine  weitere  Bestätigung  durch  die  Bilder 
in  Basel  und  Freiburg,  auf  denen  der  ihr  Junges  säugenden 
Sirene  ein  Ritter,  der  mit  einem  Greifen  und  andern  Unge- 
heuern kämpft,  gegenübersteht,  und  durch  ein  Bild  der 
Sirene  im  Münster  zu  Zürich,  der  ein  menschenverschlingender 


Smaragd.  S85 

Löwe  gegenübersteht.  Piper  sieht  in  der  Sirene  die  Sünde, 
im  Löwen  und  in  jenen  Ungeheuern  die  Strafe.  Man  wird 
jedoch  nach  dem,  was  bisher  erörtert  worden,  annehmen 
müssen,  dass  die  Sirene  mit  dem  Fisch  oder  mit  dem  Jungen 
allein  in  guter  Bedeutung  Sinnbild  der  Wiedergeburt  und 
Auferstehung,  mit  Einem  Wort  des  Himmels,  der  menschen- 
verschlingende Löwe  aber  und  die  Ungeheuer  allein  in  schlim- 
mer Bedeutung  Sinnbilder  der  Verdammniss  und  Hölle  seyen. 
Unzweifelhaft  ist  die  doppelte  Symbolik  der  christlichen 
Sirene  aus  der  Verwechslung  des  Sirenen  -  mit  dem  Tritonen- 
typus  der  Alten  hervorgegangen  und  einzig  aus  ihr  zu  er- 
klären. Die  schlimme  Bedeutung  der  christlichen  Sirene  (als 
Verlockung)  erklärt  sich  aus  der  Erinnerung  an  die  vogel- 
füssige  Sirene  der  Alten;  die  gute  Bedeutung  (als  Wieder- 
geburt) aus  der  Erinnerung  an  die  iischschwänzigen  Tritonen» 

Sklaven. 

Während  gefesselte  Sklaven  am  Piedestal  von  Königen 
und  Feldherren  ein  sehr  gewöhnliches  Attribut  sind,  sind 
dagegen  auf  Kirchenbildern  befreite  Sklaven  das  Attribut  der 
Heiligen  Vincenz  de  Paula,  Johannes  de  Matha  und  Petrus 
Nolasco,  weil  diese  frommen  Männer  ihr  Leben  der  Los- 
kaufung von  Sklaven  widmeten. 

Smaragd, 

der  bekannte  kostbare  grüne  Edelstein ,  bezeichnete  im  Amts- 
schildlein der  Hohenpriester  den  Stamm  Levi,  d.  h.  den 
Priesterstamm;  auch  ist  er  Symbol  des  Evangelisten  Johannes. 
Didroriy  annales  V.  222.  Beides  mit  Bezugnahme  auf  die 
Vorstellung,  nach  welcher  der  Smaragd  von  kühler  Natur 
seyn  und  Jeden,  der  ihn  trägt,  keusch  machen  soll.  Nicols, 
von  Edelsteinen  s.  v.  Der  Priester  Johannes  soll  deshalb 
ein  Bett  von  Smaragd  gehabt  haben.  Corneri^  chron.  ad 
annum   1203.      Dem  König    von   Aragonien    zersprang    ein 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  25 


386  Sodom  und  Gomorrha. 

kostbarer  Smaragd  im  Ringe,  weil  er  seine  Begierden  nicht 
massigen  konnte.  Bayle  s.  v.  Renon.  Vgl.  Cardanus,  von 
wimderb.  Sachen  S.  855.  Der  in  der  Offenbarung  Johannis 
4,  3.  erwähnte  Smaragd  im  Regenbogen  hat  nur  eine  orna- 
mentale Bedeutung. 


S  o  d  o  m    und    Gomorrha, 

sprichwörtlicher  Inbegriff  der  äussersten  gesellschaftlichen 
Verderbniss,  Gottlosigkeit  und  Verthierung  der  Menschen, 
aber  auch  Vorbild  der  Hölle.  An  dem  sichtbaren  Beispiel 
der  auf  die  Schuld  folgenden  Strafe,  des  die  greuelvollsten 
Sünden  unmittelbar  züchtigenden  Feuerregens,  wurde  gezeigt, 
wie  auf  alle  Frevel  der  Menschen  die  Verdammniss  im  Feuer  der 
Hölle  warte. 

Sohn,    der   verlorne. 

Nach  Lucas  15.  warfen  die  Pharisäer  und  Schriftgelehrten 
Jesu  vor,  dass  er  mit  Zöllnern  und  Sündern  umgehe.  Da 
antwortete  er  ihnen  mit  drei  Gleichnissen ,  um  ihnen  zu  sagen, 
dass  alle  Menschen,  ob  auch  sündig,  doch  Kinder  Gottes 
seyen,  und  dass  dem  liebenden  Vater  wohl  zieme,  sich  auch 
der  sündigen  Kinder  zu  erbarmen.  Erstes  Gleichniss  vom 
verlornen  Schaf,  das  der  Hirt  sucht.  Zweites  Gleichniss  vom 
verlornen  Groschen,  den  das  arme  Weib  sucht.  Drittes 
Gleichniss  vom  lüderlichen  Sohn,  der  Alles  verprasst,  was 
ihm  sein  Vater  gegeben,  ihn  leichtsinnig  verlässt  und  endlich 
so  in's  Elend  geräth,  dass  er  die  Säue  hüten  muss.  Da  er- 
kennt er  sein  Unrecht  und  kehrt  heim,  den  Vater  um  Ver- 
gebung zu  bitten,  und  dieser  nimmt  ihn  liebreich  auf.  Der 
ältere  Sohn  aber,  der  schon  allein  zu  erben  gehofft  hatte, 
wird  neidig;  aber  der  Vater  spricht:  „Freue  dich,  dein  Bru- 
der war  todt  und  ist  wieder  lebendig  worden." 

Dieser  verlorne  Sohn  ist  Vorbild  und  Spiegel  aller  Men- 
schen, die  sich  durch  die  Sünde  verlocken  lassen  und  erst 
im  Elend  bereuen  und  erkennen  lernen,    dass   nur   Gottes 


Sonne.  387 

Gnade  sie  erretten  kann.  In  kurzem  Auszug  die  Geschichte 
der  menschlichen  Seele  überhaupt,  denn  die  Meisten  lehrt 
erst  die  Noth  beten.  Zugleich  erscheint  aber  im  Gleichniss 
vom  verlornen  Sohn  die  göttliche  Gnade  im  herrlichsten 
Lichte,  ein  Verzeihen  und  Erbarmen,  welches  hoch  erhaben 
■  steht  über  der  Missgunst  des  altern  gerechten  Sohnes.  Unter 
diesem  gerechten  Sohn  ist  das  Judenthum,  sind  die  Bekenner 
des  alten  Gesetzes  gemeint,  deren  Treue  am  Hause  Gottes 
durch  Lieblosigkeit  befleckt  war.  Unter  dem  verlornen  Sohn 
ist  dagegen  das  Heidenthum  verstanden,  dessen  der  Herr 
sich  erbarmt.  Es  ist  derselbe  Gegensatz  wie  zwischen  Lea 
und  Rahel,  Martha  und  Magdalena.  Insbesondere  aber  wie 
zwischen  dem  Pharisäer  und  barmherzigen  Samariter.  Denn 
wer  Liebe  beweist,  ist  in  Gottes  Augen  mehr,  als  wer  blos 
das  Gesetz  achtet,  und  Gott  liebt  den  reuigen  Sohn  mehr, 
als  den,  der  nie  fehlte,  aber  keine  Liebe  hat. 

Das  Leben  d-es  verlornen  Sohnes  wurde  oft  in  Bilder- 
reihen dargestellt  als  ein  Lehrbuch  in  Bildern  für  junge 
Leute  zu  ihrer  Warnung. 

Sonne, 

Urquell  alles  sinnlich  wahrnehmbaren  Lichts ,  daher  Sinnbild 
jenes  Urquells,  von  dem  alles  geistige  Licht  kommt. 

Sinnbild  Gottes.  Gott  ist  Sonne  und  Schild.  Psalm 
84,  12.  Die  Sonne  erhellt  alle  Finsternisse  und  weckt  überall 
Leben.  Sie  scheint  über  Gute  und  Böse,  omnihus  idem.  So 
der  Schöpfer  und  Erhalter  aller  Wesen.  Sie  ist  zu  lichtstark, 
als  dass  ein  menschliches  Auge  ihren  Glanz  ertragen  könnte, 
suo  se  lumine  condit.  Wenn  sie  aufgeht,  schwinden  alle  Sterne, 
extinguit  lumine  lumen.  Sie  hat  zuweilen  zwei  Nebensonnen, 
est  tarnen  unus,  der  Eine  Gott  in  drei  Personen. 

Die  Sonnenwirkung  ist  auch  das  älteste  und  vornehmste 
Sinnbild  der  unbefleckten  Empfängniss.  Wie  der  Sonnen- 
strahl durch  Glas  dringt,  ohne  es  zu  zerbrechen,  so  befruchtet 
Gott  den  Leib  der  Maria,  ohne  Schaden  ihrer  Jungfräulichkeit: 

25* 


388  Sorne. 

transitj  non  frangit  —  non  vij  sed  virtute.  Wie  die  Sonnen- 
wärme in  der  Erde  nichts  zerstört,  sondern  sie  nur  mit 
Kräutern  und  Blumen  ziert,  so  schmückte  Gott  die  heilige 
Jungfrau  mit  der  Geburt  des  göttlichen  Kindes :  non  gravat 
et  gravüat  —  ornat,  non  onerat.  PiccinelU^  mundus  symb. 
p.  14.  19.  Daher  malte  Raphael  seine  berühmte  Madonna, 
von  Foligno  mit  dem  Kinde  in  einer  Sonne,  deren  Schein 
über  die  Erde  fällt.  Auch  eine  Sibylle  hatte  in  der  Stunde, 
in  der  Christus  geboren  wurde,  eine  Vision,  in  welcher  sie 
Mutter  und  Kind  in  einer  Sonne  sah.  Hofmann,  Apokryphen 
S.  110.  Ein  alter  Kupferstich  zeigt  Mutter  und  Kind  in  einer 
dreifachen  Sonne  mit  Beziehung  auf  die  heilige  Dreieinigkeit. 
Heinecken,  neue  Nachrichten  I.  390.  —  Die  alten  Maler 
liebten  auf  Bildern  der  Empfängniss  einen  Sonnenstrahl  an- 
zubringen, der  durch's  Fenster  in  Maria's  Zimmer  fällt.  So 
auf  dem  schönen  Bilde  des  Johann  van  Eyck  aus  der  Bois- 
ser^e'schen  Sammlung.  Auf  vielen  Bildern  geht  der  Sonnen- 
strahl von  der  Hand  Gottes  oder  von  der  Taube  (als  Sinnbild 
des  heiligen  Geistes)  aus,  und  zuweilen  schwebt  darin  ein 
kleines  Kind ,  worunter  aber  nicht  das  leibliche  Kind,  sondern 
nur  die  Seele  des  noch  nicht  empfangenen  Heilands  zu  ver- 
stehen ist.     Vgl.  den  Artikel  Kind. 

Abgesehen  von  dem  besondern  Nimbus,  den  Gott  um 
das  Haupt  trägt  (ein  Dreieck  oder  ein  Kreuz  im  Zirkel), 
wird  die  Gottheit  bezeichnet  durch  Sonnenstrahlen,  die  von 
diesen  Nimben  ausgehen,  oder  durch  einen  grossen  Sonnen- 
kreis (gloria),  der  Gott  oder  die  göttlichen  Personen,  auch 
Maria  mit  dem  Kinde  umgibt ,  und  bald  in  zarteren  Strahlen, 
bald  in  zackigen  Flammen  auseinandergeht. 

Die  Sonne  ist  auch  ein  Sinnbild  des  Himmels ,  der  reinen 
Lichtwelt,  in  der  Gott  und  die  Engel  und  Seligen  leben. 
Nach  der  Offenbarung  Johannis  21,  23.  wird  im  neuen  Jeru- 
salem das  leuchtende  Lamm  die  Stelle  der  Sonne  vertreten 
und  alle  Seligen  in  seinen  ewigen  Glanz  einhüllen.  Deshalb 
kommt  auf  Kirchenbildern  zuweilen  eine  Sonne  als  Sinnbild 
des  Himmelreichs  überhaupt  vor.    Auf  dem  alten  Symbolen- 


Sonne.  889 

reichen  Bilde  hinter  dem  Altar  des  Ulmer  Münsters  gehen 
die  Verdammten  in  den  Höllenrachen,  die  Seligen  aber  in 
eine  grosse  Sonne  ein.  Dasselbe  wiederholt  sich  auf  einem 
Stich  Albrecht  Dürers.    Heller,  A.  Dürer  II,  2.  781. 

Christus  als  Sonne.  Die  Sonne  der  Geisterwelt  trat  in 
die  umnachtete  Welt  ein  in  der  heiligen  Weihnacht,  in  der- 
selben Stunde,  in  welcher  die  physische  Sonne  in  ihrem 
Wintersolstitio  steht  und  von  w^o  an  sie  sich  aus  ihrem  tiefsten 
Stande  wieder  höher  und  höher  hebt,  die  Tage  verlängert, 
Frühling  und  Sommer  herbeiführt.  Wenn  daher  auch  in 
früherer  heidnischer  Zeit  in  derselben  Solstitialzeit  die  Geburt 
des  neuen  Jahressonnengottes  gefeiert  wurde,  dies  natalis 
invicti  (sc.  solis),  so  hat  doch  die  christliche  Weihnachtsfeier 
eine  ganz  andere,  rein  geistige  Bedeutung,  und  das  Solare 
ist  hier  nur  Symbol.  Christus  erleuchtet  und  befruchtet  auf 
geistige  Weise  die  Menschheit,  wie  die  Sonne  auf  leibliche 
Weise  die  Erde.  Man  hat  die  Opfer,  welche  die  heiligen 
drei  Könige  dem  neugebornen  Heilande  darbringen:  Gold, 
Myrrhen  und  Weihrauch,  als  alte,  der  Sonne  heilige  Symbole 
erkannt.  Man  hat  auch  das  Osterlamm  auf  den  Sonnenstand 
im  Zeichen  des  Widders  bezogen.  Auf  dem  berühmten  alt- 
deutschen Bilde  der  Boisseree'schen  Sammlung,  auf  welchem 
das  Christkind  vom  heiligen  Christoph  durch's  Wasser  ge- 
tragen wird ,  geht  im  Hintergrunde  die  Sonne  auf.  Wie  aber 
Christum  überall  die  aufgehende  Sonne  bezeichnet,  so  Jo- 
hannes den  Täufer  die  niedergehende,  daher  auch  sein  Tag 
in  das  der  heiligen  Weihnacht  entgegengesetzte  Sommer- 
solstitium  fällt.  Er  ist  nämlich  Sinnbild  des  durch  das  Chri- 
stenthum  bekehrten  und  überwundenen  Judenthums.  —  Die 
heilige  Schrift  selbst  bezeichnet  Christum  als  Sonne.  Bei 
Maleachi  4,  2.  wird  tröstend  auf  ihn  hingewiesen,  der  auf- 
gehen werde  als  Sonne  der  Gerechtigkeit.  Bei  Lucas  1,  78. 
heisst  er  der  Aufgang  aus  der  Höhe.  In  einer  ambrosiani- 
schen  Hymne:  O  sol  salutis!  und  in  einer  andern:  Splendor 
paternae  gloriae  etc.  Die  Vergleichung  mit  der  Sonne  wieder- 
holt sich  in  unzähligen  Weihnachts-,   Oster-  und  überhaupt 


390  Sonne. 

Morgenliedern.  Vgl.  auch  Conrad  von  Würzburg,  goldne 
Schmiede,  von  W.  Grimm  XLVIII.  Pfeiffer,  deutsche  My- 
stiker I.  375.  Paderborner  Liederbuch  Nr.  84.  —  Als  Symbol 
des  Heilands  umgibt  die  Sonne  seinen  Namen  (Zeichen  der 
Jesuiten  und  ihrer  Missionen),  desgleichen  die  Hostie,  daher 
man  vielen  Monstranzen  die  Form  von  strahlenden  Sonnen 
gegeben  hat.  Hieher  gehört  auch  das  schöne  Sinnbild  der 
Sonne,  die  in  unzähligen  Scherben  eines  zerbrochenen  Spie- 
gels, in  jeder  sich  ganz  abspiegelt,  integer  in  fragmentis. 
Auf  constantinischen  Münzen  kommt  noch  der  antike  Sonnen- 
gott in  Verbindung  mit  dem  Kreuze  vor,  was  als  ein  Sieg 
des  Christenthums  über  den  heidnischen  Sonnencultus  gedeutet 
werden  kann,  wohl  einfacher  aber  als  eine  Naivetät  und 
unschuldige  Beibehaltung  eines  alten  Herkommens  erklärt 
wird,  ganz  so  wie  etwa  der  Flussgott  Jordan  auf  alten  Bildern 
von  der  Taufe  Christi.    Vgl.  Piper,  christl.  Mythol.  I.  96  f. 

Der  Manichäismus  identificirte  förmlich  die  Sonne  mit 
Christo ,  als  die  reinste  Concentration  des  Lichts  in  der  ganzen 
Welt,  und  damit  des  guten  Princips  und  des  Göttlichen  über- 
haupt, und  gründete  darauf  eine  wunderliche  Moral,  die  den 
Menschen  Pflanzenkost  gebot  und  sie  gleichsam  selber  zu 
Pflanzen  machen  wollte ,  weil  in  den  Pflanzen  allein  das  von 
den  Dämonen  gebundene  Licht  aus  der  Finsterniss  der  Erde 
wieder  frei  und  erlöst  werden  könne.  Vgl.  Baur,  manichäische 
Relig.  S.  195.  236. 

Conrad  von  Megenberg  im  Buch  der  Natur  1482,  Fol.  23, 
vergleicht  die  Mutter  Gottes  mit  der  Sonne,  weil  sie  der 
ganzen  Welt  Gnade  und  Segen  spende.  Alles  erleuchte, 
Alles  durchwärme ,  die  Wolken  an  sich  ziehe  und  fruchtbaren 
Regen  daraus  giesse  (gute  Werke  der  Frommen),  die  Saaten 
in  der  Erde  w^ecke  (die  Tugenden  der  Menschen)  etc.  So 
wird  die  Gnadenmutter  auch  in  alten  Kirchenliedern  mit  der 
gnadenreichen  Sonne  verglichen.  Wackernagel,  Kirchenlied 
Nr.  123.  Ein  schwarzes  Madonnenbild  in  Madrid  ist  merk- 
würdig durch  den  Glanz  der  Sonne ,  die  es  als  Nimbus  um's 
Haupt  trägt.    Gräfin  d'Aunoi,  Reise  H.  115. 


Sonne.  391 

Die  Sonne  als  Attribut  von  Heiligen.  Eine  Sonne  wird 
über  dem  Haupt  des  heiligen  Columban  schwebend  gemalt, 
weil  seine  Mutter,  als  sie  mit  ihm  schwanger  war,  geträumt, 
sie  gebäre  eine  Sonne.  An  einer  Sonne  auf  der  Brust  ist 
überall  auf  Kirchenbildern  der  heilige  Thomas  Aquinas 
kenntlich.  Ein  Kreuz  in  der  Sonne  kennzeichnet  den  heiligen 
Ignatius  Loyola,  dem  es  in  einer  Vision  erschien,  wie  ein 
Basrelief  in  Turin  zeigt.  Miliin,  Reise  in  Savoien  I.  270. 
Den  Namen  Jesu  (I  H  S)  in  einer  Sonne  erblickte  St.  Vin- 
centius  Ferrerius.  Dasselbe  Zeichen  ist  Attribut  des  heiligen 
Bernardinus  von  Siena.  Demselben  klagte  einmal  ein  Drechs- 
ler, welcher  Schachbrette,  Würfel  etc.  verfertigte,  er  habe 
gar  keinen  Absatz  mehr,  weil  alle  Leute  in  des  Heiligen 
Predigt  liefen  und  nicht  mehr  spielen  wollten.  Da  malte 
Bernardin  eine  Sonne  mit  dem  Namen  Jesu  und  sagte  zu 
ihm,  er  solle  künftig  nur  solche  Zeichen  machen.  Molani, 
hist  imag.  p.  284.  Seitdem  wurde  dieses  Symbol  wirklich 
das  Abzeichen  aller  Jesuitenmissionen,  als  die  Sonne,  die  in 
die  Nacht  des  Heidenthums  leuchten  sollte.  —  Ueber  das 
Symbol  der  Sonnenblume  vgl.  den  Artikel  Johannes  der 
Evangelist. 

St.  Ivo,  bretagnischer  Priester  im  14ten  Jahrhundert, 
lebte  sehr  fromm  und  als  Wohlthäter  und  Advocat  der  Armen, 
Einst  speiste  er  eine  Menge  Menschen  von  einem  kleinen 
Stückchen  Brodt.  Einmal  besuchte  ihn  Christus  selbst  in 
Bettlergestalt  und  ass  mit  an  seinem  Tisch ,  verschwand  aber 
plötzlich  in  vollem  Glänze  seiner  Majestät.  Ein  andermal,  als 
Ivo  die  Hostie  bei  der  Messe  erhob,  umgab  sie  ein  Sonnen- 
nimbus. Er  starb,  unverwandt  die  Augen  auf's  Crucifix  ge- 
heftet. 27.  October.  Wie  ihm  Arme  ihre  Klagen  schriftlich 
überreichen,  malte  Peter  von  Cortona  in  Eom.  Ramdohr 
ni.  261.     Er  ist  Patron  der  Juristen. 

Das  berühmte  Wunder  Josua's,  der  während  einer 
Schlacht  die  Sonne  stille  stehen  hiess,  und  dem  sie  wirklich 
noch  so  lange  leuchtete,  bis  er  die  Feinde  überwunden  hatte, 
ist  bekanntlich  ein  Stecken-  und  Paradepferd  der  Rationalisten 


392  Sonne. 

und  Religionsspötter  geworden ,  die  daraus  den  Beweis  haben 
herleiten  wollen ,  es  stecke  doch  allerlei  Unwahrheit  und  kin- 
discher Unverstand  in  der  Bibel,  weil  die  Sonne  ja  überhaupt 
nicht  laufe,  sondern  immer  still  stehe  und  nur  die  Erde  um 
sich  laufen  lasse.  Inzwischen  ändert  dieser  astronomische 
Einwurf  an  dem  Wunder  gar  nichts ,  denn  es  läuft  auf  eines 
hinaus,  ob  die  Sonne  nur  scheinbar  und  die  Erde  wirklich 
still  gestanden  oder  umgekehrt.  Der  scheinbare  Sonnenlauf 
wird  überall  in  der  Bibel  anerkannt,  nicht  blos  im  Buch 
Josua.  Die  Stellen  sind  am  sorgfältigsten  gesammelt  bei 
Elccioli,  almagest,  II.  480.  In  neuerer  Zeit  erklärt  man  das 
Wunder  Josua's  aus  der  Anfangsstelle  eines  alten  Liedes  als 
eine  poetische  Redensart.  Allein  wir  stehen  hier  auf  dem 
Boden  der  Wunder.  Man  darf  keines  willkührlich  herausreissen. 

Der  Engel  in  der  Sonne,  der  nach  der  Offenbarung  Jo- 
hannis  19,  17.  alle  Vögel  herbeiruft,  um  die  Könige  der  vom 
Zorn  Gottes  niedergeschmetterten  Völker  zu  fressen,  dürfte 
wohl  einigen  Einfluss  geübt  haben  auf  die  Vorstellungsweisen 
der  Gnostiker,  die  den  unten  in  den  finstern  Tiefen  ächzen- 
den Teufeln  das  Bild  Christi  als  Gegenstand  unerreichbarer 
Sehnsucht  in  der  Sonne  zeigen.  Die  Beziehung  der  Sonne 
zu  den  Verdammten  und  Teufeln  entspricht  hier  der  Beziehung 
.derselben  zu  Christus. 

Wenn  Sonne  und  Mond  neben  einander  vorkommen ,  so 
bedeuten  sie  als  die  in  der  sichtbaren  Natur  vorwaltenden 
Gestirne  diese  Natur  selbst.  So  in  ihrer  Verbindung  mit  dem 
Crucifix.  Beim  Tode  Jesu  nämlich  wurden  beide  Gestirne 
des  Tages  und  der  Nacht  verfinstert  und  trauerten  mit  der 
ganzen  Natur  um  den  Heiland.  Deshalb  wurden  Sonne  und 
Mond  im  Mittelalter  häufig  zur  Rechten  und  Linken  des 
Heilands  am  Kreuz  gemalt,  mit  dem  Ausdruck  der  Trauer, 
indem  man  sich  in  den  frühesten  Jahrhunderten  noch  der 
herkömmlichen  Gestalten  der  heidnischen  Sonnen-  und  Mond- 
götter (Helios  und  Selene,  Phöbus  und  Luna)  bediente,  später 
aber  Gesichter  in  die  Sonnen-  und  Mondscheibe  hineinmalte 
und  denselben  Thränen  und  leidende  Züge  gab.    Auf  den 


,c^ 


^ 


Sonnenstrahl.  39S 

berühmten  Miniaturen  der  Herrad  von  Landsberg  in  Strass- 
burg  trocknet  sich  die  Sonne  mit  der  Hand  die  weinenden 
Augen.  Waagen,  Kunst  in  Deutschland  H.  360.  Auf  Mi- 
niaturen des  8ten  und  9ten  Jahrhunderts  fahren  die  antiken 
Lichtgötter  noch,  Sol  mit  dem  Viergespann  von  Rossen,  Luna 
mit  dem  Zweigespann  von  Rindern  dem  Crucifix  zu.  Didron, 
icon.  p.  89.  Dieser  ganze  Kreis  von  bildlichen  Darstellungen 
ist  mit  der  grössten  Gelehrsamkeit  behandelt  in  Pipers  christl. 
Mythol.  n.  116  f.  Später  wurde  die  naive  Weise  verlassen 
und  Sonne  und  Mond  erhielten  die  Bedeutung  und  die  Attri- 
bute von  fides  und  spes,  Glauben  und  Hoffnung.  Auch  wurde 
neben  das  Crucifix  zur  Rechten  Maria  mit  dem  Sonnen-, 
Magdalena  mit  dem  Mondnimbus  gestellt.  So  auf  einem 
Wiener  Miniaturbild.  Fiorillo  I.  50.  Bei  den  Manichäern 
wurden  dagegen  Sonne  und  Mond,  jene  als  Christus,  dieser 
als  Sophia  gepaart.    Vgl.  Baur  S.  233. 

Christus  tritt  als  Weltrichter  auf  Sonne  und  Mond  in 
der  Lorenzkirche  in  Nürnberg.  Das  bezeichnet  ihn  als  Herrn 
der  sichtbaren  Welt.  Doch  findet  man  auf  Bildern  des  Welt- 
gerichts auch  wieder  die  Sonne  zur  Rechten  seines  Hauptes, 
den  Mond  zur  Linken ,  ganz  so  wie  neben  dem  Crucifix ; 
denn  nach  der  Offenbarung  Johannis  6,  12.  verfinstern  sich 
beide  Gestirne  auch  beim  Weltgericht,  wie  vorher  beim  Tode 
Christi.  Hier  steht  noch  insbesondere  die  Sonne  zur  Rechten 
in  Beziehung  mit  den  Seligen,  der  Mond  zur  Linken  aber 
mit  den  Verdammten. 


Sonnenstrahl, 

Sinnbild  der  ausströmenden ,  in  Wirksamkeit  tretenden  Kraft 
Gottes,  wie  die  Sonne  selbst  Sinnbild  Gottes  ist.  Daher  auf 
fast  allen  Bildern  der  Verkündigung  ein  durch  das  Fenster 
einfallender  Sonnenstrahl.  —  In  der  Legende  der  Heiligen 
deutet  der  Sonnenstrahl  die  Verbindung  an,  in  welcher  der 
Heilige,  wenn  er- auch  niedern  Standes,  ja  in  Knechts-  und 
Magdgestalt  auf  Erden  wandelt,    dennoch   mit  dem  Himmel 


Sonnenstrahl. 

und  seiner  Macht  und  Herrlichkeit  steht.  Am  öftesten  wie- 
derholt sich  die  Legende  vom  Sonnenstrahl,  an  welchen  ein 
Heiliger  seinen  Hut,  Handschuh,  Mantel  etc.  aufhängt.  Zu- 
weilen geschieht  es,  um  in  einem  besondern  Fall  das  Wort 
des  Heiligen  zu  bekräftigen  oder  seine  Unschuld  und  Hei- 
ligkeit zu  bewähren.  Ausserdem  aber  als  etwas  Gewöhn- 
liches, das  nur  gemeinen,  sündigen  Menschen  ungewöhnlich 
erscheint.  Es  verhält  sich  mit  den  Sonnenstrahlen  wie  mit 
dem  Licht.  Sie  stehen  in  einem  ganz  eigenthümlichen  Ver- 
hältniss  zur  Jungfräulichkeit ,  sie  gehorchen  der  Unschuld  und 
geben  sie  zu  erkennen.  Vgl.  die  Artikel  Jungfrau  und  Licht. 
Am  berühmtesten  ist  die  heilige  Notburga,  eine  fromme 
demüthige  Magd,  die,  als  sie  einmal  des  Sonntags  mähen 
sollte,  zum  Beweise,  wie  gottlos  eine  solche  Forderung ,  den 
Feiertag  zu  entheiligen,  sey,  ihre  Sichel  an  einem  Sonnen- 
strahl aufhing.  In  gleicher  Weise  hing  die  heilige  Milburga 
ihren  Schleier  auf,  die  h.  Gudula  ihren  Handschuh;  den 
Handschuh  auch  die  h.  Kunigunde.  Haupt,  Bamberger  Le- 
genden 57.  Eben  so  der  h.  David  in  Schweden,  der  aber 
diese  Gabe  verlor ,  blos  weil  er  einmal  achtlos  eine  Kornähre 
zertrat.  Afzelius  H.  86.  Metten  an  der  Donau  wurde  von 
Karl  dem  Grossen  da  gestiftet,  wo  er  gesehen  hatte,  wie  ein 
frommer  Einsiedler  seine  Axt  an  einem  Sonnenstrahl  aufhing. 
W.  Müller ,  Donau  I.  96.  In  Mörtl's  Sagen  aus  dem  Bayer- 
wald 89.  heisst  der  Einsiedler  Utto.  In  den  Actis  SS.  und 
Heiligenkalendern  wiederholt  sich  dasselbe  Sinnbild  oft. 
St.  Goar,  von  dem  die  bekannte  Stadt  am  Rhein  den  Namen 
hat,  hing  seinen  Hut  an  einem  Sonnenstrahle  auf,  St.  Florens 
vor  König  Dagobert  seinen  Mantel,  St.  Amatus  und  Amabilis 
ihre  Handschuhe  etc.  Bischof  Lucian  pilgerte  nach  Rom, 
sich  dort  zu  rechtfertigen ,  und  hing  sein  von  der  Reise  nasses 
Kleid  am  nächsten  Sonnenstrahl  auf.  —  Heidut ,  der  frömmste 
Mann  in  Pulsnitz  in  der  Lausitz,  konnte  seine  Kleider  be- 
liebig an  den  Sonnenstrahlen  aufhängen.  Das  ärgerte  den 
Teufel,  der  sich  ihm  daher  einmal  in  der  Kirche  sichtbar 
machte,  wie  er  gerade  die  Sünden  der  Gemeindeglieder  auf 


Sonnabend.  395 

eine  Bockshaut  schrieb,  die  zu  kurze  Haut  aber  mit  den 
Füssen  weiter  ausspannen  wollte  und  darüber  hinter  sich  fiel, 
mit  einer  so  lächerlichen  Geberde,  dass  Heidut  darüber  lachen 
musste.  Von  Stund  an  aber  konnte  Heidut  seine  Kleider  nicht 
mehr  an  einen  Sonnenstrahl  aufhängen,  seine  Heiligkeit  war 
dahin.  Darüber  erboste  er  sich,  fluchte  und  wurde  völlig 
ruchlos,  bis  ihn  der  Teufel  holte.  Seitdem  befand  er  sich 
bei  der  nächtlichen  wilden  Jagd ,  bis  ihn  ein  frommer  Mönch 
in  eine  Fichte  bannte,  aus  der  er  noch  zuweilen  bei  Nacht 
sein  Jagdhorn  tönen  lässt.  Gräve,  Volkssagen  der  Lausitz 
S.  120. 

Sonnabend. 

Die  Feier  dieses  Tages  bezieht  sich  auf  die  des  Sonntags. 
Wie  die  Sonne  Christum  bedeutet,  so  der  Sonnabend,  aus 
dem  die  Sonne  hervorgeht,  Marien,  aus  der  Christus  her- 
vorging. Die  Legende  von  dem  Marienbild  in  Constantinopel, 
welches  Sonnabends  seinen  Schleier  gelüftet  habe,  um  anzu- 
deuten, man  solle  ihr  diesen  Tag  heiligen,  wurde  nicht 
Ursache  der  marianischen  Sonnabendfeier,  die  in  einer  viel 
tiefern  Symbolik  begründet  ist.  Sinniger  als  jene  Legende 
ist  die  Tradition,  nach  welcher  am  Ostersonnabend  unmittel- 
bar nach  dem  Tode  des  Heilands  auch  sein  eigner  Jünger 
an  seiner  Auferstehung  gezweifelt  und  nur  seine  Mutter  im 
Glauben  nicht  gewankt  habe.  Demnach  sey  an  diesem  Sonn- 
abend auch  der  christliche  Glaube  ausschliesslich  in  Marien 
concentrirt  gewesen.  Sehr  sinnig  ist  auch  die  Deutung  des 
Sonnabends  als  des,  nach  altjüdischem  Begriff  zur  Buhe  be- 
stimmten Samstags.  Die  Buhe  und  Stille  dieses  Tages  ent- 
spricht der  himmlischen  Buhe  und  Milde  Maria's.  Bippel, 
Alterthumb  der  Cäremonien  S.  436.  Während  der  grossen 
Judenverfolgungen  im  Mittelalter  legte  man  besondern  Werth 
darauf,  Kirchen  Unsrer  Lieben  Frau  gerade  auf  den  Trüm- 
mern zerstörter  Synagogen  zu  erbauen,  räumlich  das  aus- 
drückend, was  zeitlich  der  ihr  geweihte  Sonnabend  im  Gegen- 
satz gegen  den  alten  Judensabbath  bedeutete.    In  Begensburg 


396  Sonntag. 

nannte  das  Volk  die  über  der  alten  Synagoge  errichtete 
Kirche  ausdrücklich  „zur  schönen  Maria^,  um  damit  den 
Contrast  gegen  das  hässliche  Judenthum  zu  bezeichnen. 

Nach  dem  Volksglauben  muss  an  jedem  Sonnabend  die 
Sonne  scheinen,  wenn  auch  nur  kurz,  und  zwar,  weil  an 
diesem  Tage  die  Gnadenmutter  auf  der  Flucht  nach  Aegypten 
die  Wäsche  des  heiligen  Kindes  wusch  und  auf  einem  Dorn- 
strauch trocknete.  Christussagen,  Erfurt,  S.  9.  Nach  einer 
andern  eben  so  schönen  Legende  geht  die  Gnadenmutter  alle 
Freitage  durch's  Fegfeuer,  da  küssen  die  armen  Seelen  den 
Saum  ihres  Kleides  und  weinen  ihn  nass.  Daher  muss  Sonn- 
abends die  Sonne  scheinen,  um  ihn  wieder  zu  trocknen. 
Grimm,  Mährchen  III.  253. 

Sonntag. 

Die  Juden  feierten  ihren  Sabbath  am  letzten  Tag  in  der 
Woche,  als  dem  Ruhetage  nach  gethaner  Arbeit.  Die  Christen 
feiern  den  Sonntag  an  dem  ersten  Tage  der  Woche,  im  Hinblick 
auf  das  Werk,  welches  erst  beginnt  und  zu  dem  sie  sich  stärken. 
Das  hängt  genau  mit  dem  Gegensatz  der  beiden  Solstitien 
zusammen.  Johannes  dem  Täufer  gehört  die  Sommersonnen- 
wende, von  wo  an  die  Nachtseite  des  Jahres  hereinbricht, 
Christo  aber  die  Wintersonnenwende,  von  wo  an  die  Licht- 
seite des  Jahres  ihre  Herrschaft  beginnt.  Der  Täufer  ist 
letzter  Vertreter  des  überwundenen  Judenthums,  mit  ihm 
sinkt  es  in  die  Nacht.  Christus  aber  führt  dem  ewigen  Licht 
und  Tag  entgegen. 

Nicht  am  letzten  Schöpfungstage ,  dem  Sabbath ,  sondern 
am  ersten,  dem  Sonntag,  sprach  Gott:  „Es  werde  Licht !^ 
Und  wiederum  an  einem  Sonntag  ward  Christus ,  das  Licht 
aller  Geister,  in  die  Welt  geboren.  Und  wieder  an  einem 
Sonntag  stieg  er  auf  von  den  Todten ,  und  wieder  an  einem 
Sonntag  ward  der  heilige  Geist  ergossen.  Vgl.  Bupertus 
TuitensiSy  de  divin.  offic.  HI.  16.  Rippel,  Alterthumb  der  Cä- 
remonien  S.  425.     Strauss  in   seinem  Kirchenjahr  S.  19.  27 


Sonntag.  397 

macht  darauf  aufmerksam,  wie  der  christliche  Sonntag  mit 
seinen  mannigfachen  beweglichen  und  unbeweglichen  Festen 
und  Octaven  das  starre  Einerlei  des  jüdischen  Sabbaths  durch- 
brochen und  auch  in  dieser  Beziehung  das  todte  Gesetz  zu 
lebendiger  Freiheit  geläutert  habe. 

Manch«  volksthümliche  Namen  einzelner  Sonntage  er- 
klären sich  aus  besondern  Umständen.  So  der  Palmsonntag 
von  den  Palmen,  mit  denen  man  sich  an  diesem  Tage  zum 
Andenken  an  den  Einzug  Christi  in  Jerusalem  schmückt.  Der 
Augensonntag  von  den  Anfangsworten  des  Psalmes  Oculi  mei. 
Der  weisse  Sonntag,  der  erste  nach  Ostern,  von  den  weissen 
Kleidern  der  Täuflinge.  Der  Todtensonntag  (laetare),  vom 
sogenannten  Todaustreiben  (man  warf  ein  Sinnbild  des  Todes 
oder  eigentlich  Winters  in's  Wasser).  Der  Eosensonntag  von 
der  goldnen  Rose,  die  der  Papst  an  diesem  Tage  einweiht. 
Der  schwarze  Sonntag  (Judica) ,  weil  er  für  einen  Unglücks- 
tag gehalten  wurde.  Der  goldne  Sonntag,  der  auf  einen 
Quatember  folgt  (Haltaus,  Jahrzeitbuch  S.  254.). 

Bei  den  ältesten  Christen  hatte  der  Sonntag  mehr  Stun- 
den, als  jeder  andere  Tag,  indem  man  noch  der  verlängerten 
Feier  wegen  einige  Nachtstunden  hinzurechnete.  Binterim, 
Denkw.  V.  1.  138. 

Der  Sonntagsbuchstabe  des  Jahres  erklärt  sich  aus  der 
Zählung  aller  Tage  des  Jahres  vom  1.  Januar  an  nach  Buch- 
staben, aber  nur  von  A  bis  G,  Fällt  nun  der  erste  Sonntag 
im  Jahr  auf  A,  oder  B,  oder  C  etc.,  so  muss  auch  jeder 
andere  Sonntag  desselben  Jahres  auf  denselben  Buchstaben 
fallen. 

Was  die  Sonntagsfeier  betrifft,  so  findet  auf  sie  noch 
das  alttestamentalische  Sabbathgebot :  „Du  sollst  den  Feiertag 
heiligen,"  seine  Anwendung,  jedoch  mit  der  Einschränkung, 
die  nach  Matthäus  12,  5.  im  neutestamentahschen  Sinne  ge- 
boten ist,  sofern  Christus  selbst  eine  übertriebene  pharisäische 
Strenge  der  Sabbathfeier  in  allen  Fällen  verwarf,  wenn  da- 
durch gute  Werke  verhindert  werden  könnten.  Nur  gemeines 
Tagewerk  zu  eigenem  Nutzen  ist  verboten.    Dafür  dient  zum 


398  Sophia. 

schönsten  Sinnbild  die  Sichel  der  heiligen  Notburga.  Als 
die  Frau  dieser  heiligen  Leibeigenen  dieselbe  zwingen  wollte, 
an  einem  Sonntag  Gras  zu  mähen,  hing  sie  ihre  Sichel  an 
einen  Sonnenstrahl  auf,  zum  Zeichen,  dass  Gott  selbst  an 
diesem  Tage  ihre  Arbeit  nicht  wolle. 


Sophia, 

der  griechische  Name  der  Weisheit,  personificirt  in  den 
Sprichw.  Salomonis  8 ,  22  f. ,  Weisheit  Sah  7 ,  22  f. ,  Sirach 
1 ,  1  f. ,  24 ,  8  f. ,  wo  sie  zugleich  charakterisirt  ist ,  als  das 
Wesen,  was  zuerst  bei  Gott  war  vor  allen  andern  Dingen 
und  was  er  sodann  offenbarte  durch  den  heiligen  Geist.  So- 
fern nun  der  Geist  im  Hebräischen  (ruah)  gleichfalls  ein 
Femininum  ist,  so  wurde  von  den  Gnostikern  Sophia  mit 
dem  heiligen  Geist  identificirt  und  als  das  Urweib  genommen, 
welches  Gott,  als  dem  Urmann,  beigesellt  gewesen,  eine  Hä- 
resie, die  ihre  Erklärung  in  den  orientalischen,  insbesondere 
indischen  Vorstellungen  von  einem  dualistischen,  mannweib- 
lichen Weltprincipe  findet.  Daher  auch  die  Manichäer,  wie 
die  Gnostiker,  die  Sophia  in  diesem  falschen  Sinne  auffassten, 
weil  auch  sie  orientalischen  Pantheismus  in  das  Christenthum 
übertrugen.  Vgl.  Neander,  gnostische  Systeme  S.  212.  232. 
Baur,  manichäische  Relig.  219.  Dessen  Dreieinigkeit  I.  157. 
Die  Brahminen  in  Indien  lehren,  das  höchste  Wesen,  Brahma, 
sey  zuerst  ganz  allein  in  der  Welt  gewesen,  und  seine  Ein- 
bildungskraft sey  als  die  Göttin  Maja  aus  ihm  herausgetreten 
und  habe  ihm  in  ihrem  geheimnissvollen  Schleier  die  Bilder 
der  künftigen  Schöpfung  enthüllt.  Diese  Vorstellung  ging 
offenbar  vom  Orient  in  die  gnostische  Deutung  der  ange- 
führten salomonischen  Stellen  über. 

Nach  der  Lehre  des  Gnostikers  Valentinus  war  Sophia 
unter  allen  Aeonen  oder  göttlichen  Urkräften  die  letzte  (der 
Drang  des  Wissens),  wollte,  sich  über  alle  andern  Aeonen 
wegsetzend,  unmittelbar  in  das  unerforschliche  Wesen  Gottes 
eindringen  und  mit  ihm  eins  werden,  wurde  aber  für  diesen 


Sophia.  399 

Frevel  bestraft,  in  ihre  Schranken  zurückgewiesen  und  gebar 
hier,  als  Frucht  ihrer  unzeitigen  Begierde,  die  Achamoth. 
Diese  nun  war  der  Geist,  der  über  den  Wassern  schwebte, 
der  Schöpfer,  der  aus  dem  Chaos  die  irdische  Weit  hervor- 
rief, in  sie  übertragend  ihren  Innern  Zwiespalt  und  ihre  heisse 
Begierde.  Die  ganze  sichtbare  Natur  ist  nach  dieser  Lehre 
das  Produkt  einer  irregeleiteten  Begierde.  Die  Welt  hat 
keinen  Vater,  sondern  nur  eine  Mutter.  Nicht  ein  männ- 
licher Gott ,  sondern  nur  ein  Weib ,  das  wieder  nur  von  einem 
Weibe  ohne  Mann  geboren  ist,  hat  sie  hervorgebracht.  — 
Der  Gnostiker  Bardesanes  erlöste  die  Achamoth,  indem  er  sie 
mit  Christo,  dem  in  ihre  Finsterniss  von  Gott  hinabgesendeten 
Lichtprincip,  vermählte  und  sogar  im  Crucifix  mit  ihm  identi- 
ficirte ;  denn  in  der  Kirche  des  Bardesanes  wurde  ein  gekreu- 
zigter Hermaphrodit  angebetet,  auf  der  einen  Seite  Christus 
mit  der  Sonne,  auf  der  andern  ein  Weib  (Achamoth)  mit 
dem  Mond.  —  Die  Ophiten  Hessen  dieselbe  Achamoth,  des 
himmlischen  Lichts  unkundig,  in  die  Finsterniss  fallen  und 
dort  den  Jaldabaoth  als  Herrn  der  niedern  Welt  gebären, 
der  sechs  andere  Geister  zeugt.  Sie  ist  seitdem  der  Aether, 
er  mit  den  sechs  Geistern  der  Planetenhimmel.  Auch  hier 
tritt  Christus  erlösend  ein.  —  Der  Name  Achamoth  soll  eine 
heftige  Begierde,  besonders  der  Schwangern,  bedeuten.  Solche 
Personificationen  der  ungöttlichsten  Menschentriebe  nun  woll- 
ten die  Gnostiker  dem  Christen thum  als  göttliche  Wesen 
octroyiren. 

In  die  Symbolik  der  Kirche  hat  sich  nichts  von  diesen 
Irrlehren  verirrt.  Zwar  kann  man  die  naive  Vorstellung  des 
ersten  Schöpfungstages  auf  Glasgemälden  der  mittelalterlichen 
Kirchen  insoweit  hieher  beziehen,  als  Gott  Vater  vor  der  noch 
ungeschaiFenen  Welt  als  vor  einer  glänzend  weissen  leeren 
Kugel  steht,  die  man  als  Spiegel  seiner  Contemplation  dem 
Schleier  der  Maja  ähnHch  glauben  könnte.  Indess  haben 
die  ehrsamen  altdeutschen  Meister  bei  den  Glaskugeln  wohl 
nur  an  die  erste  Lichtwelt  gedacht  vor  der  Scheidung  der 
Elemente  und  Gestirne. 


400  Sperling:. 

Eine  andere  Personification  der  göttlichen  Weisheit  ist 
die  heilige  Sophia ,  eine  römische  Matrone ,  die  mit  ihren  drei 
Töchtern,  Fides,  Caritas  und  Spes,  den  Martyrertod  litt. 
Obgleich  als  historische  Person  den  Heiligen  zugezählt,  hat 
sie  doch  zugleich  allegorische  Bedeutung.  Ihr  Tag,  der 
15.  Mai,  fällt  zusammen  mit  der  Zeit  des  ersten  Trinitatis- 
sonntags  und  bringt  Glaube,  Liebe  und  Hoffnung  insofern 
in  Beziehung  auf  die  Dreieinigkeit,  die  passive  Drei  in  der 
Menschheit  (wurzelnd  in  der  Weisheit)  gegenüberstellend  der 
activen  heiligen  Drei  in  der  Gottheit.  Vgl.  Strauss,  Kirchen- 
jahr S.  285. 

Sperling, 

der  geringste  unter  den  Vögeln  und  von  denen  doch  keiner 
ohne  Willen  Gottes  auf  die  Erde  fällt.  Matth.  10,  29.  Luc. 
12,  6.  Also  Sinnbild  des  Proletariats,  der  geringsten  und 
elendesten  Menschen ,  die  dennoch  unter  Gottes  Schutz  stehen 
und  einen  Vater  an  ihm  haben.  —  Sperlinge  sind  Attribut 
des  heiligen  Remigius ,  weil  sie  sich  zahm  um  ihn  sammelten. 
Ein  Sperling  ist  auch  Attribut  des  heiligen  Dominicus,  weil 
der  Teufel  ihn  in  der  Gestalt  dieses  Vogels  zu  ärgern  suchte. 

Spiegel, 

Sinnbild  der  reinsten  Aufnahme  und  Wiedergebung  des  Em- 
pfangenen, daher  Attribut  der  christlichen  Tugenden  veritas 
und  prudentia.  Vorzugsweise  aber  Sinnbild  der  Jungfrau 
Maria  und  ihrer  unbefleckten  Empfängniss.  Gott  Vater  spie- 
gelte in  ihrer  Jungfräulichkeit  sein  Ebenbild  im  Sohne.  Ma- 
rian.  Liederschatz.  Augsb.  1841.  S.  25.  289.  Conrad  von 
Würzburg,  goldne  Schmiede,  herausg.  von  Grimm,  S.  XXXI. 
V.  Schack,  dram.  Lit.  d.  Spanier  IL  414.  Maria  heisst  darum 
auch  Spiegel  der  Weisheit,  Spiegel  der  Wonne.  Wacker- 
nagel, Kirchenlied  S.  XV.     Haupt,  Zeitschr.  IV.  523. 

Wie  der  Leib  Christi  in   der  Hostie   sich  vervielfältigt, 
wird  verglichen  mit  der  Sonne,  die  in  jedem  kleinsten  Stück 


Spiegrel.  401 

eines   zerbrochenen  Spiegels   immer  dasselbe   ganze  Sonnen- 
bild spiegelt,  integer  in  fragmentis.     Menetreji,  symb.  p.  152. 

Nach  der  pantheistischen  Lehre  der  alten  Inder  war  die 
Natur  selber  der  Spiegel  Gottes.  Einige  Anklänge  dieser 
Lehre  ffinjxen  in  die  Gnosis  der  ersten  christlichen  Jahrhun- 
derte  über.  Der  Demiurg  der  Ophiten  spiegelt  seinen  Gottes- 
hass  in  der  Finsterniss  ab  und  aus  diesem  Spiegelbild  ent- 
steht Satan.  Andere  Gnostiker  lassen  den  Adam  in  einen 
Spiegel  schauen,  den  ihm  der  Demiurg  vorhält,  in  sich  selbst 
verliebt  werden  und  dadurch  seine  himmlische  Natur  verlieren. 
Vgl.  meine  mytholog.  Forschungen  und  Sammlungen  S.  27  f. 
Neander,  gnostische  Systeme  S.  216.  224. 

Die  Raskolniks  (altgläubige  Russen)  bedienen  sich  nie 
eines  Spiegels,  weil  sie  ihn  für  eine  dämonische  Erfindung 
halten.  Sie  haben  davon  eine  schöne  Sage.  Ein  Mönch  las 
in  der  heiligen  Schrift  die  Worte:  „Bittet,  so  wird  euch  ge 
geben."  Zweifelnd,  ob  das  wörtlich  zu  nehmen  sej,  und 
doch  auch  nicht  geneigt,  die  Autorität  der  heiligen  Schrift 
zu  missachten,  beschloss  er,  die  Wahrheit  jener  Worte  zu 
erproben,  ersann  sich  etwas  Ausserordentliches ,  und  ging  hin 
zum  Czaar,  ihn  bittend,  er  möge  ihm  seine  Tochter  geben. 
Der  Hof  wusste  sich  vor  Staunen  kaum  zu  fassen.  Die  Prin- 
zessin aber  sagte,  sie  wolle  die  Seinige  werden,  wenn  er  ihr 
ein  Ding  verschaffe,  in  dem  sie  sich  ganz  naturtreu  vom 
Kopf  bis  zu  Füssen  besehen  könne.  Die  Spiegel  waren 
nämlich  damals  noch  nicht  erfunden.  Der  Mönch  entfernte 
sich  ziemHch  bestürzt,  denn  wo  sollte  er  so  ein  Ding  finden? 
Inzwischen  stiess  er  auf  einen  gefangenen  Dämon,  den  er 
unter  der  Bedingung  frei  Hess,  dass  er  ihm  jenes  Ding  ver- 
schaffe. Da  machte  der  Teufel  den  Spiegel  und  der  Mönch 
trug  ihn  zur  Prinzessin  hin.  Diese  musste  nun  Wort  halten 
und  die  Seinige  werden.  Aber  der  Mönch,  als  er  auf  diese 
Weise  erfuhr,  wie  die  Worte  der  heihgen  Schrift  ihn  nicht 
betrogen  hätten,  sondern  die  lautere  Wahrheit  enthielten, 
bewunderte  die  Grösse  Gottes  und  begnügte  sich  damit,  sie 
erkannt  zu  haben,   ohne  von  dem  Mittel  der  Hölle,  die  ihm 

Menzel,  Christi.  Symbolik.    II.  26 


4d^  Spinne. 

dabei  gedient,  weiter  Gebrauch  zu  machen.  Der  schönen 
Braut  freiwillig  entsagend,  ging  er  zurück  in  seine  klöster- 
liche Einsamkeit.  Die  Prinzessin  aber  fürchtete  den  dämo- 
nischen Zauber  nicht  und  bediente  sich  des  Spiegels,  was 
alle  andern  Frauen  und  Mädchen  nachahmten.  Vgl.  Morgen- 
blatt 1827.  S.  771. 

Nach  einer  schönen  Legende  in  Steills  Ephemeriden 
(28.  März)  sah  die  eben  so  reizende  als  leichtsinnige  Maria 
Villana,  als  sie  eben  prächtig  geschmückt  zu  einem  Tanze 
ging,  im  Vorübergehen  ihr  Bild  im  Spiegel  zur  Teufelsfrazze 
entstellt,  bekehrte  sich  von  Stund  an  und  wurde  eine  Heilige. 

Dagegen  zeigte  sich  nach  der  Legende  dem  heiligen 
Tommasuolo  einmal  die  ganze  Passion  Christi  im  Spiegel. 
Vasari,  Leben  der  Künstler  II.  140.  Ein  Spiegel  ist  auch 
Attribut  des  heiligen  Geminianus,  weil  man  darin,  wenn  er 
ihn  gegen  sein  Herz  hielt,  das  Bild  einer  Jungfrau,  d.  h.  der 
Jungfräulichkeit  seines  Herzens  sah. 

Der  Spiegel  der  Wahrheit  wird  auch  oft  zum  Scherz 
gebraucht,  um  Eitelkeit  und  Thorheit  zu  beschämen.  So  in 
dem  Mährchen,  in  welchem  die  Mädchen  sich  eines  solchen 
Spiegels  bedienen,  um  ihren  Liebhaber  kennen  zu  lernen, 
und  darin  gerade  den  Schönsten,  der  Allen  am  meisten  ge- 
fallen hat,  mit  zwei  mächtigen  Eselsohren  prangen  sehen. 
So  kaufte  einmal  ein  König  einen  ganz  gemeinen  Spiegel, 
gab  ihn  aber  für  einen  Zauberspiegel  aus,  in  dem  er  Jeden 
in  seiner  wahren  Gestalt  sehen  könnte,  und  nun  wollte 
keiner  seiner  HÖflins-e  sich  ihn  vorhalten  lassen. 


'ö' 


Spinne, 

Sinnbild  des  bösen  Triebes,  der  aus  Allem  Gift  saugt,  im 
Gegensatz  gegen  die  Biene,  die  aus  Allem  Honig  saugt. 
Eine  Spinne  über  dem  Kelch  ist  Attribut  des  heihgen  Nor- 
bert und  des  heiligen  Bernhard  von  Constanz,  weil  diesen 
beim  heiligen  Sakrament  eine  giftige  Spinne  in  den  Kelch  fiel, 
den  sie  gleichwohl  ohne  Schaden  austranken.  —   Die  Tarantel, 


Bprache.  40^ 

die  grösste  Spinne  im  südlichen  Italien,  deren  Stich  eine  nur 
mit  dem  Tode  endende  Tanzwuth  erzeugen  soll,  empfing  diese 
verderbliche  Gabe  nach  dem  apulischen  Volksglauben  durch 
den  Fluch  eines  Priesters ,  der  die  Monstranz  bei  einem  Hau- 
fen Tanzender  vorbeitrug,  ohne  dass  diese  auf  ihn  geachtet 
und  das  Heiligthum  geehrt  hätten.  Naturgeschichte  zur  Däm- 
pfung des  Aberglaubens.    Hamb.  1793.    S.  102. 

Spinnengewebe  vergleicht  Jesaias  59,  5.  6.  mit  nutz- 
losem, schlechtem  Treiben.  Dagegen  ist  der  sogenannte  flie- 
gende Sommer,  die  in  der  Luft  herumfliegenden  silberweissen 
Spinnweben,  nach  dem  Volksglauben  der  letzte  Rest  der  Fä- 
den, in  welche  der  weisse  Schleier  der  Maria,  indem  er  ihr 
bei  ihrer  Himmelfahrt  entfiel ,  von  den  Winden  zerrissen  und 
aufgelöst  wurde.  —  Spinnweben  dienen  in  der  Legende  auch 
oft  zum  Schutz  der  Heiligen.  St.  Truterca,  eine  Jungfrau 
zu  Verona  im  7ten  Jahrhundert,  wurde  von  dem  Fürsten 
Oswald  mit  Liebe  verfolgt,  hatte  sich  aber  Christo  allein 
ergeben  und  in  eine  Höhle  geflüchtet,  in  der  sie  durch  Spinn- 
weben verborgen  wurde,  als  der  Fürst  sie  suchte.  5.  Mai. 
Durch  dasselbe  Wunder  wurde  St.  Caninus  und  Felix  von 
Nola  gerettet.  In  muhamedanischen  Legenden  wird  dasselbe 
von  der  Flucht  des  Königs  David  (und  Muhamed)  erzählt. 

Sprache. 

Gott  verwirrte  die  Sprache  der  Menschen  beim  Thurm- 
bau  zu  Babylon ,  und  verlieh  den  Aposteln  und  Jüngern  Jesu 
die  Gabe,  alle  Sprachen  zu  reden  bei  dör  Ausgiessung  des 
heiligen  Geistes,  ja  er  machte  sogar  in  ausserordentlichen  Fäl- 
len Thiere  reden,  um  den  Unglauben  und  die  Verstocktheit 
der  Menschen  zu  beschämen,  wie  den  Bileam  durch  seine 
Eselin.  Darin  liegt  die  Lehre,  dass  die  conventionelle  Sprache, 
wenn  sie  sich  von  der  göttlichen  Wahrheit  entfernt,  in  Trug 
und  Nebel  zerfährt,  während  in  jener  Wahrheit  selber  die 
Kraft  liegt,  sich  auch  auf  ganz  unconventionelle  Weise  gegen 
alle  gemeinen  Gesetze   der  Natur  auszudrücken.     Nirgends 

26* 


404  Staat. 

tritt  das  Wunder  so  energisch  dem  Gewohnheitsdünkel  der 
Menschen  entgegen  und  schneidet  so  scharf  in  ihre  Vorur- 
theile  und  in  ihre  Selbsttäuschung,  in  ihr  falsches  Sicher- 
heitsgefühl ein.  Das  Wunder  aber  ist  zugleich  dasjenige,  was 
sich  am  häufigsten  wiederholt  hat  und  in  den  Ekstasen  from- 
mer Seherinnen  noch  heute  wiederholt.  Dass  die  Gabe  der 
Sprache  eine  andere  Quelle  hat,  als  die  Conventionelle  Sprach- 
übung in  den  Schulen,  erhellt  schon  aus  den  gewöhnlichsten 
Wahrnehmungen  bei  Somnambulen. 

Auch  die  babylonische  Sprachverwirrung  dauert  gewis- 
sermassen  noch  fort  im  bellum  omnium  contra  omnes  in  den 
gottvergessenen  und  gottverlassenen  Wissenschaften. 

An  die  Stelle  der  durch  Gottes  Zulassung  redenden  Thiere 
sind  aber  in  unsern  Tagen  die  redenden  Tische  getreten,  die 
nichts  von  Gott  wissen,  eine  Uebertragung  der  Besessenheit 
vom  Menschenfleisch  auf  das  Holz,  ganz  im  Charakter  einer 
Zeit,  die  statt  der  Thierkräfte  nur  noch  Eisen,  Holz  und 
Wasserdampf  braucht  und  überall  den  lebendigen  Organismus 
durch  todten  Mechanismus  ersetzt.  Die  anorganische  Natur 
wird  auf  diese  Weise  zum  riesenhaft  vergrössernden  Hohl- 
spiegel der  organischen  und  der  Dämonismus,  der  ursprünglich 
concentrirt  war  im  ersten  gefallenen  P^ngel  Lucifer,  nachher 
sich  an  die  Menschheit  machte  und  in  den  Thieren  sich  aus- 
breitete, nimmt  jetzt  seine  ungeheuerlichste  Ausdehnung  auch 
auf  die  nicht  athmenden  Kreaturen.  Das  ist  die  Ausgiessung 
des  unheiligen  Geistes, 

S  t  a  a  r. 

Der  sogenannte  Rosenstaar  {sturnus  rosus)  ist  in  Arme- 
nien als  Heuschreckentödter  sehr  beliebt  und  geehrt.  Von 
ihm  geht  die  Sage,  er  erscheine  sogleich,  wo  eine  Flasche 
mit  Wasser  aus  der  St.  Jacobsquelle  am  Ararat  aufgestellt 
werde.  Die  Pilger  holen  sich  daher  solches  Wasser  und 
stellen  es  aus,  sobald  sie  verheerende  Heuschreckenzüge 
merken.    Moriz  Wagner,  Reise  zum  Ararat  S.  183. 


Stab.  405 


Stab, 

Werkzeug  und  Sinnbild  1)  der  Unterstützung,  Sicherung, 
Stärkung  =  Wanderstab:  „Ob  ich  schon  wandelte  im  fin- 
stern  Thal,  fürchte  ich  mich  nicht,  denn  du  bist  mein  Stecken 
und  Stab,"  Psalm  23,  4;  2)  der  Hut  und  des  Schutzes  = 
Hirtenstab,  Bischofstab,  Scepter;  3)  der  Bestrafung  —  Stock. 
Daher  bei  Zacharias  11,7.  das  Gleichniss  vom  Stabe  Sanft 
und  Stabe  Wehe.  In  dem  Zauberstabe,  wie  er  z.  B.  dem 
Moses  verliehen  war,  liegen  alle  diese  Begriffe  beisammen. 

Anders  verhält  es  sich  mit  dem  Symbol  des  blühenden 
Stabes.  Ein  alter,  dürrer  Stab,  der  auf  wunderbare  Weise 
wieder  grünt  und  blüht,  ist  Sinnbild  der  Jungfrau  Maria, 
welche  gebar  und  doch  Jungfrau  blieb ,  und  mit  Bezug  hier- 
auf Sinnbild  des  Priesterthums,  welches,  obgleich  in  jung- 
fräulicher Keuschheit  verharrend,  doch  die  schönsten  Blüthen 
für  die  Menschheit  entfalten  und  die  reichsten  Früchte  tra- 
gen soll.  Daher  die  symbolische  Identität  der  beiden  blühen- 
den Stäbe  des  Aaron  und  Joseph.  Nach  4.  B.  Mosis  17,  8. 
sollte  derjenige  der  zwölf  Stämme  das  Priesterthum  erhalten, 
dessen  dürrer  Stab  grünen  würde.  Da  grünte  von  zwölf 
Stäben  nur  der  Stab  des  Stammes  Levi,  der  Stab  Aarons, 
und  davon  leitet  sich  die  Priesterwürde  im  Stamm  Levi  her. 
Ganz  eben  so  grünte  dem  apokryphischen  Evangelium  zufolge 
der  Stab  Josephs,  als  Maria  dem  vermählt  werden  sollte, 
dessen  dürrer  Stab  grünen  würde.  Die  Beziehung  des  älteren 
Stabes  auf  den  jüngeren  Avurde  getragen  durch  die  in  den 
Propheten  lebendige  Vorstellung  von  der  Ruthe  Jesse,  d.  h. 
dem  Zweig  aus  dem  Stamme  Isai's,  aus  dem  die  Rose  Maria 
sprossen  sollte.  Eine  der  Lieblingsvorstellungen  des  Mittel- 
alters. Vgl.  Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  118.  Der  blühende 
Stab  Josephs,  indem  er  den  des  Aaron  nur  wiederholt,  be- 
zeichnet die  Maria  selbst  in  doppelter  Weise:  1)  weil  sie  als 
die  schönste  Rose  der  Welt  aus  dem  dürren  Stab  des  Juden- 
thums  sprosste,  wie  der  heilige  Leib  Jesu  Christi  auferstehen 


406  Stab. 

wird,  der  alte  Tempel  Davids  aber  zerbrechen  muss;  2)  weil 
sie,  eine  keusche,  unfruchtbare  Jungfrau,  dennoch  Mutter 
wurde.  —  Im  Verlauf  der  Zeiten  hat  sich  eine  jüdische  und 
daran  anknüpfend  eine  christliche  Legende  von  diesem  wun- 
derbaren Stabe  ausgebildet,  die  ihn  unmittelbar  aus  dem  Pa- 
radiese herleitet.  Der  fromme  Seth,  heisst  es,  empfing  einen 
Zweig  aus  dem  verlornen  Paradiese  und  erbte  ihn  fort  auf 
Henoch,  Noah,  Abraham,  Joseph,  Moses  und  Aaron,  David 
und  in  dessen  Geschlecht  bis  zum  Jüngern  Joseph,  dem  Manne 
Maria's.  Vgl.  Hofmann,  Apokryphen  S.  60.  Auf  Bildern, 
in  denen  die  Propheten  mit  der  Gottesmutter  in  Beziehung 
kommen,  hat  Aaron  immer  den  blühenden  Stab.  Vgl.  Didron, 
man.  p.  94.  100.  290.  An  der  goldnen  Pforte  zu  Freiberg 
in  Sachsen  trägt  auch  Abraham  den  sprossenden  Stab,  als 
Zeichen,  dass  aus  seiner  Nachkommenschaft  Maria  hervor- 
gehen werde. 

Der  blühende  Stab  kommt  auch  mehreren  Heiligen  zu, 
sofern  ihre  dürren  Stäbe  grün  ausschlugen,  um  ihre  Heilig- 
keit zu  beurkunden.  St.  Tresanus,  Priester  zu  Avenay  in 
der  Champagne  im  6ten  Jahrhundert,  war  sehr  fromm.  Einst 
schlief  er  im  Freien  und  steckte  seinen  Stab  neben  sich  in 
die  Erde.  Als  er  erwachte,  war  ein  grosser  Baum  daraus 
erwachsen,  unter  dem  eine  Quelle  hervorströmte,  die  gegen 
Fieber  hilft.  7.  Februar.  Aehnliche  Wunder  berichtet  die 
Legende  vom  heiligen  Fingar,  Melorus  etc.  Mehr  nur  der 
Dichtung  gehören  die  blühenden  Lanzen  der  fränkischen 
Jungfrauen  an,  von  denen  die  Kaiserchronik  berichtet.  Um 
Kolands  Tod  zu  rächen,  zogen  diese  Jungfrauen  mit  Karl 
dem  Grossen  gegen  die  Heiden,  die  da  vor  ihnen  flohen, 
und  als  die  Jungfrauen  ihre  Lanzen  in  die  Erde  steckten, 
begannen  sie  zu  grünen  und  zu  blühen.  —  Das  Blühen  des 
Stabes  bei  einer  Wahl  kehrt  wieder  in  der  Legende  vom 
heiligen  Johann,  dem  Lamme.  Derselbe  war  ein  Gutsherr  und 
baute  selbst  das  Feld,  als  .ein  Engel  in  Pilgergestalt  ihm 
verkündete,  er  sey  zum  Bischof  von  Tongern  gewählt,  631. 
Der  erstaunte  Johann  sagte;   Gewiss  so  wenig,  als  dieser  Stab 


Stammbaum.  407 

blüht.  Da  grünte  und  blühte  der  Stab  und  wurde  ein  grosser 
Apfelbaum  mit  Aepfeln,  die  noch  jetzt  in  den  Niederlanden 
unter  dem  Namen  der  Johannisäpfel  bekannt  sind.  Wolf, 
niederl.  Sagen  Nr.  141. 

Als  Reliquien  geniessen  besonders  lebhafte  Verehrung 
der  Wanderstab  des  heiligen  Rochus  zu  Bordeaux  (Memoires 
de  V  acad.  celtique  IV.  271.)  und  der  des  heiligen  Magnus  zu 
Füssen,  der  jährlich  um  die  Felder  getragen  wurde,  um  sie 
vor  Ungeziefer  zu  schützen.  Der  Stab  des  heiligen  Severus, 
eines  Bischofs  in  der  Normandie,  leidet  keine  unreine  Nähe. 
Ein  Unreiner,  der  ihn  berührt,  wird  wahnsinnig;  ein  Vogel, 
der  sich  auf  ihn  setzt,  muss  sterben.  Acta  SS.  1.  Februar. 
Ein  viele  Uebel  heilender  Stab  des  heiligen  Cyriacus  wird 
geschildert  in  Nieremherg  ^  hisf.  nat.  429. 

Stall. 

Der  Stall,  in  welchem  Christus  geboren  wurde,  hat  sym- 
bolische Bedeutung.  Er  steht  nicht  nur  als  schlechteste  Erden- 
wohnung im  grellsten  Contrast  mit  dem  Herrn  des  Himmels, 
sondern  charakterisirt  namentlich  auch  die  thierische  Seite 
des  Menschlichen,  indem  der  Herr,  niedersteigend  zur  Erde, 
die  Menschen  nicht  allein,  sondern  in  Gemeinschaft  mit 
Thieren  finden  musste.  Zugleich  ist  der  Stall  ein  Gegen- 
bild des  Paradieses ;  wie  in  diesem  die  Thiere  noch  unschul- 
dig mit  den  unschuldigen  Menschen  in  aller  Freiheit  lebten, 
so  sind  dagegen  im  Stall  die  Thiere  eingesperrt,  gleiche  Noth 
leidend  wie  die  Menschen. 

Stammbaum. 

Eine  besonders  in  der  Glasmalerei  der  hohen  gothischen 
Kirchenfenster  sehr  beliebte  Darstellung  ist  die  des  Stamm- 
baumes Christi.  Ein  vielverzweigter  Baum  wächst  aus  dem 
unten  liegenden  Jesse  (Isai,  Davids  Vater)  heraus  und  bildet 
mit  seinen  Aesten   die  Rahmen  zu  Vignetten,   in  denen  die 


408  Staub. 

Lebensgeschichte  des  Heilandes  in  mehr  oder  weniger  Bil- 
dern vollendet  wird.  Die  Zweige  des  Baumes  verhalten  sich 
hier  zu  den  Vignetten  des  Lebens  Jesu  wie  die  Einrahmungen 
der  grossen  Eosenkränze.     Siehe  d.  Art.  Rosenkranz. 

Staub, 

Sinnbild  der  Nichtigkeit  alles  Leiblichen.  Vgl.  d.  Artikel 
Asche  und  Erde.  Staub  ist  Erde.  Der  Mensch  wird  vom 
Staube  genommen  und  wieder  zu  Staub.  Daher  sich  mit 
Staub  bestreuen  ein  Zeichen  der  Trauer,  ein  Sich  vorbereiten 
auf  den  eigenen  Tod.  Josua  7,  6.  1.  B.  Sam.  4,  12.  2.  Buch 
Sam.  1,  2.  —  Andrerseits  preist  wieder  ein  schöner  Hymnus 
des  Pater  Venerabilis  den  Staub,  der  so  hoch  erhoben  wor- 
den, dass  alle  Engel  zu  ihm  schauen,  nämlich  in  der  Mensch- 
werdung des  Heilandes.    Vgl.  Fortlage,  chrlstl.  Gesänge  S.  31. 

Stein, 

Sinnbild  des  Festen,  Unumstösslichen  in  der  Gründung  der 
christlichen  Kirche.  Christus  selbst  nennt  sich  den  Stein,  den 
die  Bauleute  verworfen  haben  und  der  doch  zum  Eckstein 
geworden  ist,  worauf  auch  schon  bei  den  Propheten  hinge- 
wiesen wird.  Psalm  118,  22.  Jesaias  28,  16.  Matth.  21,  42. 
Marcus  12,  10.  Lucas  20,  17.  Apostelgesch.  4,  11.  Sodann 
gründet  Christus  seine  Kirche  auf  Petrus,  das  ist  der  Fels 
oder  Stein.  —  Christus  wird  ferner  mit  einem  Stein  verglichen, 
sofern  aus  dem  Gestein  die  Quelle  fliesst.  Moses,  der  an  den 
Felsen  schlägt,  dass  eine  frische  Quelle  hervorspringt,  wurde 
Vorbild  Christi,  der  sein  Blut  vergiesst  als  Quell  aus  dem 
eigenen  Leibe,  um  die  kranke  Menschheit  zu  heilen.  Weil 
aus  Christo  aber  auch  das  Feuer  der  Liebe  und  göttlichen 
Weisheit  in  die  Welt  leuchtet,  vergleicht  ihn  ein  Hymnus 
des  Prudentius  auch  mit  dem  Feuerstein.  Fortlage,  christl. 
Gesänge  S.  121. 

Ein  Stein  im  Gewand   oder   in   der  Hand   des  heiUgen 


stein.  409 

Stephanus  bedeutet  auf  alten  Bildern,  dass  er  gesteinigt 
worden.  So  auf  dem  berühmten  Genter  Altar.  Denselben 
Tod  erlitt  schon  Jeremias,  der  Apostel  Jacobus  minore  Ti- 
motheus ,  an  den  Paulus  seine  Briefe  schrieb ,  und  viele  Hei- 
lige. Die  heilige  Appia  wurde  gesteinigt,  nachdem  sie  mit 
halbem  Leibe  war  in  die  Erde  eingegraben  worden.  —  Der 
heilige  Hieronymus  wird  oft  mit  einem  Stein  gemalt,  mit 
dem  er  sich  zur  Busse  auf  die  Brust  schlug.  Fiorillo 
II.  423. 

Viele  Steine  sind  Heliquien  geworden  durch  die  Fuss- 
spuren  von  Heiligen,  die  sich  in  dieselben  eingedrückt  haben. 
Vgl.  Majoli^  defens.  imag.  77. 

Steine  des  Anstosses  und  Aergernisses  sind  Sinnbilder 
der  Störrigkeit  und  Unbeugsamkeit,  die  sich  dem  Heiligen 
nicht  unterwerfen  will  und  das  Heil  verschmäht.  So  die 
Steine,  die  der  heilige  Patricius  verfluchte.  Nieremberg.  hist. 
nat.  444. 

St.  Albert  von  Ogna  ist  der  Heilige,  der  den  festen 
Stein  trennt,  den  zerbrochenen  wieder  zusammenfügt.  Dieser 
Heilige  des  12ten  Jahrhunderts  lebte  als  armer  Bauer  und 
wurde  auf  dem  Felde  oft  von  seinen  Kameraden  geneckt. 
Einmal  legten  sie  ihm  einen  Stein  in's  Gras ,  aber  seine  Sense 
schnitt  ihn  leicht  mitten  durch.  Ein  andermal  machte  er  ein 
Glas,  das  ein  Mädchen  zerbrochen  hatte,  durch  sein  Gebet 
wieder  ganz.  Als  er  sterben  wollte  und  der  Priester  mit  dem 
Sakrament  zu  lange  ausblieb,  kam  eine  Taube  geflogen  und 
brachte  ihm  die  Hostie. 

Der  einsam  auf  einem  Stein  im  Meer  büssende  Heilige 
ist  St.  Gregor  auf  dem  Stein.  König  Marcus  hinterliess  einen 
Sohn  und  eine  Tochter,  die  in  verbotener  Liebe  zusammen 
den  Gregorius  zeugten.  Das  Kind  wurde  ausgesetzt  und 
trieb  auf  dem  Meere,  wurde  jedoch  wunderbar  erhalten.  Als 
Gregorius  herangewachsen  war,  fand  er  seine  Mutter,  ohne 
sie  zu  kennen,  als  Wittwe  und  ward  ihr  zweiter  Gemahl. 
Sobald  er  aber  entdeckte,  wer  sie  sey,  verliess  er  den  Thron 


410  St.  StephanuB. 

und  lebte  siebzehn  Jahre  lang  auf  einem  aus  dem  Meer 
vorragenden  Felsen,  an  den  er  sich  hatte  anketten  lassen. 
Den  Schlüssel  zum  Schloss  der  Kette  aber  warf  er  in's  Meer. 
Da  erscholl  zu  Rom,  als  der  Papst  gestorben  war,  eine  Stimme 
vom  Himmel,  man  solle  den  frommen  Büsser  auf  dem  Steine 
zum  Papst  wählen.  Indem  man  ihn  suchte  und  fand,  brachte 
auch  ein  Fisch  den  Schlüssel  zu  der  Kette,  und  Gregor,  von 
seiner  Sünde  durch  schwere  Busse  gereinigt,  wurde  Papst. 
Auch  seine  Mutter  fand  er  wieder  und  ertheilte  ihr  Abso- 
lution. —  Es  ist  ungewiss,  ob  diese  Legende  an  Papst 
Gregor  I.  anzuknüpfen  ist,  doch  wohl  eher  als  an  einen 
späteren.  Die  Legende  steht  in  den  Gestis  vom.  Nr.  81.  Die- 
selbe Geschichte  wird  aber  auch  vom  Einsiedler  Barsissa 
und  vom  Jacobus  Eremita  erzählt.  Die  beste  deutsche  Be- 
arbeitung des  Gregor  ist  die  in  Versen  von  Hartmann  von 
Aue,  handschriftlich  in  Strassburg,  herausg.  von  Lachmann. 
Vgl.  dazu  Lachmanns  Nachträge  in  Haupts  Zeitschr.  V.  32  f. 
Dazu  das  deutsche  Volksbuch.  Eine  alte  lateinische  Legende 
in  Hexametern  aus  einer  Münchner  Handschrift  in  Haupts 
Zeitschr.  H.  486.  Vgl.  über  die  Verbreitung  der  Sage  Grässe, 
Literaturgesch.  H.  2.  2.  984. 

St.  Liborius ,  ein  frommer  französischer  Bischof  des  4ten 
Jahrhunderts,  gilt  als  Patron  gegen  Steinschmerzen.  Als  seine 
Reliquien  nach  Paderborn  gebracht  wurden,  flog  ein  Pfau 
voraus  und  zeigte  den  Weg.  28.  Mai.  Sein  Attribut  ist  ein 
Buch,  auf  dem  kleine  Steine  liegen,  und  ein  Pfau.  Otte, 
Kunstarchäol.  2.  134. 

St.    Stephanus, 

Protomartyr j  der  erste  unter  den  heiligen  Märtyrern,  der 
daher  auch  auf  allen  Kirchenbildern,  auf  denen  sie  unter 
den  himmlischen  Heerschaaren  vorkommen,  ihre  Reihen  an- 
führt. Er  wurde  als  Jünger  Christi  zu  Jerusalem  gesteinigt 
und  betete  sterbend  für  seine  Mörder.  Apostelgesch.  7,  59. 
Er  wird  am  26.  Dezember  gefeiert,   als   der  erste  Märtyrer, 


Sterne.  411 

der  im  Himmel  wiedergeboren  wurde,  nachdem  am  Tage 
vorher  Christus  auf  Erden  geboren  worden.  Durandi,  ratio- 
nale  VII.  21.  Dieser  Tag  heisst  in  alten  Kalendern  der  grosse 
Pferdstag,  und  man  Hess  an  diesem  Tage  den  Pferden  zur 
Ader,  was  auf  den  Heiligen  jedoch  keinen  Bezug  hat,  son- 
dern aus  einer  älteren  heidnischen  Gewohnheit  (mit  Beziehung 
auf  das  in  diese  Zeit  fallende  Solstitium  und  die  Rosse  am 
Sonnenwagen)  zu  stammen  scheint.  Dagegen  heisst  der  blut- 
rothe  Carneol  der  Stephansstein  mit  bestimmter  Beziehung 
auf  den  Heiligen,  von  dessen  Blut  er,  indem  es  auf  ihn 
niederrann ,  gefärbt  worden  sejn  soll, 

Sterne. 

Vgl.  die  Artikel  Abendstern  und  Morgenstern.  Der  vom 
Himmel  gefallene  Stern  bedeutet  die  gefallenen  Engel,  der 
sinkende  Stern  die  nahe  Nacht  der  Hölle.  Der  aufgehende 
Stern  ist  dagegen  Verkünder  des  Morgens,  des  neuen  Lichts 
und  Segens,  Sinnbild  des  Heilandes  oder  seiner  Mutter. 

Als  Stern  aller  Sterne,  Abend-  und  Morgenstern  zugleich, 
muss  der  wunderbare  Stern  betrachtet  werden,  welcher  den 
heiligen  drei  Königen  vorleuchtete  zur  Krippe  des  Heilandes 
und  dann  verschwand.  In  früheren  Zeiten  hat  Jedermann, 
dem  Wortlaut  der  heiligen  Schrift  gemäss ,  darunter  nur  einen 
einzigen  und  zwar  neuen  Stern  verstanden,  der  weder  vorher 
dagewesen,  noch  später  wiedergekommen  sey.  Als  sich  aber 
das  Studium  der  Astronomie  erweiterte,  fiel  man  darauf,  den 
Einen  Stern  in  viele  zu  zerlegen  und  eine  Constellation  dar- 
aus zu  machen.  Man  setzte  voraus ,  bei  der  Schöpfung  hätten 
alle  Planeten  wohlgeordnet  beisammen  gestanden,  wie  Wett- 
läufer, wenn  sie  den  Lauf  beginnen  sollten;  nachher  aber 
seyen  ihre  Bahnen  nach  einer  vorausbestimmten  Regel  der- 
gestalt auseinander  gegangen,  dass  nur  noch  hin  und  wieder 
Annäherungen  zwischen  einzelnen  Planeten  (Conjunctionen) 
hätten  vorkommen  können,  die  dann  je  nach  der  Kraft  des 
einzelnen  Planeten  und  der  verbundenen  Kraft  zweier  oder 


413  Sterne. 

dreier  eine  ganz  verschiedene  Wirkung  auf  Erden  hervor- 
gebracht hätten.  Bei  Christi  Geburt  aber  seyen  alle  Planeten 
wieder  zusammengetreten  in  eine  einzige  grosse  Constellation, 
wie  bei  der  ersten  Schöpfung,  denn  die  Welt  sey  jetzt  geistig 
wiedergeboren  worden.  Der  berühmte  Astronom  Kepler  be- 
wies eine  Conjunction  wenigstens  der  Planeten  Satjirn,  Ju- 
piter und  Mars  in  den  Jahren  Roms  747  und  748.  Seitdem 
ist  unendlich  viel  über  diese  Materie  geschrieben  worden,  was 
man  bei  Sepp,  Leben  Jesu  I.  35  ff.,  Ideler,  Chronologie 
IL  410,  Hofmann,  Apokr.  129,  fleissig  verzeichnet  findet. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  in  einer  solchen  Constel- 
lation bei  Christi  Geburt  ein  schöner  symbolischer  Sinn  liegt. 
Das  ganze  Weltgebäude  kehrt  gleichsam  aus  der  Divergenz 
in  die  Convergenz,  aus  der  Disharmonie  in  die  Harmonie 
zurück,  indem  Gott  selbst  Mensch  wird. 

Inzwischen  ist  in  den  Evangelien  nur  von  einem  Stern 
die  Rede ,  der  den  Magiern  nach  Bethlehem  geleuchtet  habe. 
Die  altern  Erklärer  haben  daher  mit  Recht  auch  immer  nur 
das  Bild  des  Einen  Sternes  festgehalten  und  ihn  zunächst 
auf  den  „Stern  aus  Jakob"  bezogen,  der  nach  4.  B.  Mosis 
24,  17.  dereinst  aufgehen  sollte.  Durandi,  rationale  VI.  16. 
Der  Stern  der  Magier  leuchtete  noch  dem  Heidenthum  und 
Judenthum  als  deren  sinkender  Abendstern,  und  war  zugleich 
aufgehender  Morgenstern  des  Christenthums.  Er  steht  daher 
auch  in  der  Mitte  der  beiden  Testamente,  der  sechseckige 
Stern  zwischen  zwei  kunstreichen  Verschlingungen  in  den 
Kirchen  des  Schwarzwaldes  zu  Herrenalb  und  Pforzheim. 
Merz  im  Kunstblatt  1845.  S.  375.  Auch  die  Gaben  der  Ma- 
gier, Gold,  Weihrauch  und  Myrrhen,  stehen  als  Sinnbilder 
der  Sonne  und  Gaben,  die  von  den  Heiden  der  Sonne  dar- 
gebracht wurden,  jetzt  aber  der  neugebornen  Geistersonne 
zu  Bethlehem  dargebracht  werden,  in  Bezug  auf  den  Stern, 
der  als  Morgenstern  der  Sonne  vorhergeht.  Vgl.  Strauss, 
Kirchenjahr  S.  135. 

Uebrigens  darf  man  nicht  unbeachtet  lassen,  dass  der 
Stern  ausschliesslich  den  Magiern  geleuchtet  und  von  dem 


Sterne.  413 

übrigen  Volk  nicht  gesehen  wurde.  Es  war  ein  Stern,  der 
nur  in  ihrer  Nacht  aufging,  ein  geistiges  Licht,  das  nur  für 
sie  sichtbar  am  Himmel  hervortrat.  Nur  sie  waren  gewürdigt, 
in  reiner  Seelen  liebender  Ahnung  und  reiner  Geister  treuer 
Forschung  dieses  heilige  Licht  zu  schauen.  Das  Geheimniss- 
volle jener  Sternerscheinung  wird  noch  jetzt  im  Volksglauben 
geehrt.  Der  Stern  der  Magier  soll  nämlich  in  einem  Brunnen 
verschwunden  seyn,  der  noch  jetzt  gezeigt  wird  und  in  dessen 
Wasserspiegel  der  Stern  noch  immer  sichtbar  werde,  aber 
nur  für  reine  Jungfrauen.    Durandi,  ration.  VI.  16. 

In  der  griechischen  Kirche  wird  der  sogenannte  Asteriscus, 
der  kreuzförmig  durchbrochene  Deckel,  den  der  Pope  über  die 
Hostie  deckt,  als  Sinnbild  des  Sternes  der  Magier  angesehen. 
Mit  eben  diesem  Stern  der  Magier  fällt  auch  das  maria- 
nische  Sinnbild  des  Morgensterns  zusammen,  denn  wie  der 
Morgenstern  die  Sonne  gleichsam  gebiert,  so  Maria  den 
Heiland.  Der  marianische  Stern  ist  aber  zugleich  immer 
Stern  des  Meeres.  Maria  wird  angerufen  als  Stella  maris 
nicht  blos  von  Schiffern  in  Nacht  und  Sturm  (Königsfeld, 
lat.  Hymnen  S.  188),  sondern  auch  von  allen  Angefochtenen 
und  Schwachen,  die  im  Meer  der  Welt  und  Sünde  unter- 
zugehen fürchten,  endlich  auch  von  denen ,  über  welchen  die 
Wiegen  schon  zusammengeschlagen  sind.  So  wird  Maria  als 
Meerstern  angerufen:  „Erlös  uns  aus  der  höllischen  Pein!^ 
Marian.  Liederkranz,  Augsb.  1841,  S.  18.  Unter  dem  Stern 
des  Meeres  wird  aber  in  dieser  Beziehung  nicht  mehr  der 
Morgen-,  sondern  der  Polarstern  verstanden,  der  unverrückbar 
feststeht,  bei  dem  allein  Verlässigkeit  ist. 

Der  merstenie  staete  stat 

so  ander  Sterne  umbegant. 
Bruder  David  von  Augsburg  nach  Pfeiffer  in  Haupts  Zeit- 
schrift IX.  35.  Einigemal  wird  der  Meerstern  auch  mit  dem 
leuchtenden  St.  Elmsfeuer  verglichen,  weil  dessen  Erschei- 
nung anzeigt,  dass  der  Sturm  auf  dem  Meere  sich  bald  legen 
werde.  Potho,  de  mirac.  Mariae  p.  363.  Passional  in  Pfeif- 
fers Marienlegenden  S.  83. 


414  Sterne. 

Zur  Symbolik  des  Meersternes  gehören  zwei  Auslegungen, 
die  aus  falscher  Worterklärung  erwachsen  sind.  Im  Eifer 
der  Liebe  übersah  man  das  Wahrscheinliche  wie  das  Mögliche. 
So  las  man  in  der  Vulgata  1.  Mos.  1,  10:  et  congregationem 
aquarum  vocavit  mdria  (Gott  nannte  die  Sammlung  der 
Wasser  Meer)  das  letzte  Wort  mit  verändertem  Accent  als 
den  Namen  Maria  und  verstand  unter  den  Wassern  die  Ströme 
der  göttlichen  Gnade.  Ferner  bezog  man  die  Worte:  „Und 
Gott  schuf  Himmel  und  Erde"  auf  Joachim  und  Anna ,  „und 
die  Erde  war  wüst  und  leer"  auf  die  Unfruchtbarkeit  Anna's, 
das  Fruchtbarwerden  der  Erde  durch  das  Wasser  auf  die 
Empfängniss  der  Maria,  endlich:  „Es  werde  Licht!"  auf  die 
Geburt  der  Maria.  Vgl.  de  Vega,  theolog.  Mariana  p.  930. 
Dieses  Licht  über  den  Wassern,  welche  die  Erde  befeuchtet 
haben,  ist  maris  Stella.  —  Die  zweite  Erklärung  verwechselte 
die  Uebersetzung  des  hebräischen  Namens  Maria  {mir  =r  Tro- 
pfen, stilla  und  jam  :=  Meer)  stilla  maris  mit  Stella  maris 
und  machte  aus  dem  Meerestropfen  (d.  i.  die  Perle)  einen 
Meeresstern.  Vgl.  Klöder,  zur  Gesch.  der  Marienverehrung 
S.  17. 

Sterngruppen  haben  in  der  christlichen  Symbolik  immer 
die  Bedeutung  von  harmonisch  zusammenwirkenden  Kräften 
im  Dienste  Gottes.  Wie  Lucifer,  der  böse  Engel,  als  Abend- 
stern gedacht  wird,  so  werden  .auch  gute  Engel  unter  dem 
Bilde  von  Sternen  gedacht,  namentlich  wenn  sie  zusammen- 
wirken. Ja  Maria  selbst  ist  als  Stern  Vorbild  der  Engel, 
Königin  der  Engel  wie  der  Sterne.  Darum  trägt  sie  eine 
Krone  von  zwölf  Sternen.  Offenb.  Job.  12,  1.  Wackernagel, 
Kirchenlied  S.  101.  —  Die  zwölf  Sterne,  die  sich  vor  Joseph 
in  dessen  Traumgesicht  neigten ,  sind  zunächst  dessen  Brüder, 
w^erden  aber  auch  auf  die  zwölf  Löwen  vor  dem  Throne 
Salomo's ,  auf  die  zwölf  Thierzeichen ,  durch  welche  die  Sonne 
wandelt,  und  auf  die  Apostel  Christi  bezogen,  dessen  Vorbild 
Joseph  und  dessen  Sinnbild  die  Sonne  ist.  —  Die  sieben 
Sterne  dagegen  an  der  rechten  Hand  des  Herrn ,  nach  Gifenb. 
Job.  1,  16,  sind  von  jeher,  gleich  dem  siebenarmigen  Leuchter, 


Sterne.  415 

auf  die  sieben  Geister  Gottes  oder  auf  die  sieben  Gaben  des 
heiligen  Geistes  bezogen  worden ,  nicht  ohne  Anspielung  auf 
die  sieben  Planeten,  deren  Harmonie  im  materiellen  Raum 
der  Harmonie  in  der  Geisterwelt  zum  Vorbilde  diente.  Vgl. 
Dante,  Fegfeuer  29,  50.  und  30,  1. 

In  den  heidnischen  Zeiten  herrschte  die  Vorstellung,  der 
Zusammenhang  und  die  Ordnung  der  Welt  sey  bedingt  durch 
die  Harmonie  der  sieben  Planeten,  was  man  mit  dem  Sinnbild 
der  siebensaitigen  Lyra  oder  siebenröhrigen  Pansflöte  aus- 
drückte. Jeder  Planet  beherrschte  gleichsam  einen  Ton  und 
unter  den  sieben  Tönen  sollte  stete  Harmonie  seyn.  Diese 
Vorstellung  bildete  sich  weiter  dahin  aus,  dass  die  Planeten 
wirklich  harmonisch  tönten  in  der  sogenannten  Sphärenmusik, 
die  aber  nicht  Jedermann  hören  könne.  Plato,  de  republica  10. 
Cicero^  tuscul,  quaest.  1.  Athenaeus  14,  13.  Plinius,  Naturgesch. 
n.  3.  Macrob.  somn.  Scip.  H.  1.  BiccioUj  almagest.  H.  501. 
Eine  Spur  von  dieser  poetischen  Vorstellung  findet  sich  auch 
im  Buch  Hiob  38,  7:  „Da  mich  die  Morgensterne  mit  einander 
lobten  und  jauchzten  alle  Kinder  Gottes.'^  Ueber  die  Sphären- 
musik findet  man  alles  Nöthige  beisammen  in  einer  derselben 
ausschliesslich  gewidmeten  Monographie  von  Piper.  Die 
christliche  Symbolik  kann  indess  davon  nur  das  Sinnbildliche 
acceptiren ,  sofern  sie  unter  den  harmonisch  tönenden  Sternen 
Engel  oder  Geister  Gottes  versteht.  Je  mehr  Sternenlehre 
in  das  Christenthum  hineingezogen  wurde,  um  so  mehr  kam 
es  in  Gefahr,  in  die  Aeonenlehre  der  späteren  Heiden  aus- 
zuarten, daher  die  Kirche  von  der  Symbolik  der  Sterne  einen 
nur  massigen  Gebrauch  zu  machen  noth wendig  erachtete. 

Dante  versteht  unter  den  vier  grossen  Sternen,  welche 
das  Sternbild  des  südlichen  Kreuzes  bilden,  die  vier  Cardinal- 
tugenden ,  und  lässt  sie  über  dem  Paradiese  auf  der  Südhälfte 
der  Erde  strahlen ;  anderseits  aber  bezeichnet  er  drei  nördliche 
Sterne  als  Glaube,  Liebe,  Hoffnung,  die  dem  aus  dem  Pa- 
radiese gestossenen  Geschlecht  allein  noch  übrig  geblieben. 
Fegfeuer  L  23.  VHL  91.  Sie  bilden  zusammen  ein  Sieben- 
gestirn   von   göttlichen    Kräften    oder   Schutzengeln    in    der 


416  Sterile. 

Menschheit.  Das  entfernt  sich  nicht  von  der  anerkannten 
Symbolik  der  sieben  Sterne  an  der  Rechten  Gottes  und  des 
siebenarmigen  Leuchters.  Dagegen  muss  die  von  Schiller 
beliebte,  durchaus  willkührliche  Vertheilung  der  Sternbilder 
und  Sterne  an  die  Heiligen  des  Kalenders  verworfen  werden. 
Vgl.  Kiccioli)  almag.  I.  746.    Piper  II.  305. 

Dem  primitiven  Sternfall  in  Lucifer  nach  Jesaias  14,  12. 
entspricht  der  allgemeine  Sternfall  am  Weltende,  nach  der 
OfFenb.  Job.  6,  13.  und  Matth.  24,  29.  Es  ist  darunter  aber 
nicht  blos  das  Einstürzen  des  alten  Weltgebäudes,  sondern 
auch  die  von  oben  kommende  Strafe  Gottes  gemeint.  Die 
fallenden  Sterne  sind  zugleich  Kräfte  Gottes,  so  namentlich 
der  Stern,  der  den  Brunnen  des  Abgrunds  öffnet,  Offenb. 
Joh.  9,  1.  Als  Gegenbild  zu  der  Harmonie  der  Sterne  ge- 
rathen  nach  den  sibyllinischen  Weissagungen  (am  Schlüsse 
des  5.  Buchs  derselben)  die  Sternbilder  am  Weltende  in 
Streit  und  kämpfen  mit  einander. 

Sterne  bedeuten,  wenn  sie  als  Attribute  der  Heiligen 
vorkommen,  in  der  Regel  die  ihnen  von  oben  mitgetheilte 
Kraft  des  heiligen  Geistes.  So  der  Stern  auf  der  Brust  des 
heiligen  Bruno,  des  h.  Nicolaus  von  Tolentino,  auf  der  Stirne 
des  h.  Thomas  von  Aquino,  Humbert,  Valentin,  in  der  Hand 
des  h.  Suidbert.  Vor  der  Brust  der  h.  Athanasia,  der,  wäh- 
rend sie  am  Webstuhl  ekstatisch  wurde,  ein  leuchtender 
Stern  auf  die  Brust  fiel  und  darin  verschwand,  desgleichen 
zur  Seite  der  h.  Angela  von  Foligno ,  die  gleichfalls  in  Ekstase 
von  einem  Stern  beleuchtet  wurde. 

Der  berühmte  Wallfahrtsort  Compostella  (campus  stellae) 
in  Spanien  hat  den  Namen  von  dem  Stern,  den  der  heilige 
Apostel  Jacobus  major  auf  seiner  Pilgerschaft  nach  Spanien 
vor  sich  wandeln  sah.  Vgl.  den  Artikel  Jacob.  —  Der  heilige 
Johannes  von  Nepomuk  trägt,  wie  Maria,  einen  Kranz  von 
Sternen  auf  dem  Haupte,  weil  sieben  Lichter,  über  der 
Moldau  schwebend,  die  Stelle  bezeichneten,  wo  sein  heiliger 
Leichnam  unter  dem  Wasser  lag ,  nachdem  ihn  Kaiser  Wenzel 
hatte  von  der  Prager  Brücke  in  den  Fluss  stürzen  lassen. 


Ötieh  41t 


Stieglitz    oder    Distelfink. 

Conrcad  von  Megenberg  im  Buch  der  Natur  1482,  Fol.  83. 
vergleicht  diesen  Vogel,  w^eil  er  von  Disteln  lebt  und  doch 
so  schön  singt,  mit  Christo  selbst.  Das  ist  vielleicht  mit  ein 
Grund,  w^arum  der  Vogel  so  oft  auf  der  Hand  des  Christ- 
kinds gemalt  w^orden  ist.  Von  Correggio  in  Petersburg. 
Hand  I.  136.  Von  Räphael  in  mehreren,  jedoch  zweifel- 
haften Bildern.  Nagler,  Künstlerlex.  XIV.  495  f.  Von  Fr. 
Francia  in  der  Gall.  Giustiniani  in  Rom.  Von  Andrea  del 
Sarto  im  Pallast  Sciarra.  Von  Conegliano,  Morone,  Muzuola^ 
Lippi,  Mazzolino,  Doni,  Nelli,  vgl.  Waagen,  Berliner  Mu- 
seum 1830,  S.  22,  29,  44,  53,  65,  77,  80,  276.  —  Nach  einer 
Dichtung  von  Fr.  Kind  bemalte  Gott  alle  Vögel,  die  er  aus 
Thon  gemacht  hatte.  Zuletzt  blieb  der  Stieglitz  übrig  und 
es  war  keine  Farbe  mehr  da;  Gott  aber  nahm  die  Reste  von 
allen  Farben  und  betüpfelte  ihn  damit,  deswegen  ist  er  so 
bunt.  Die  bunten  Farben  des  Stieglitz  sind  mit  Blutroth  ge- 
mischt, ähnlich  dem  Kleide  Josephs.  Ein  Sinnbild  der  guten 
Werke  und  Tugenden  wie  des  Martyrerthums ,  daher  auch 
aus  diesem  Grunde  zum  Attribut  des  Christkindes  geeignet. 

Stier. 

Der  Stier  hat  wegen  seiner  nützlichen  Dienste  beim 
Ackerbau  und  als  Sinnbild  der  ^Fruchtbarkeit  bei  allen  Völ- 
kern und  von  jeher  eine  gute  und  segensreiche  Bedeutung 
gehabt.  So  auch  im  alten  Testament.  Vgl.  1.  B.  Mos.  33,  14; 
49,  6.  Psalm  22,  13.  Jesaias  34,  7.  Daher  konnte  aus  Babylon 
die  Stierform  der  Cherubim  in  den  alttestamentalischen  Cultus 
übergehen.  Ja  aus  den  Mysterien  des  griechischen  Dionysos 
und  persischen  Mithras,  in  denen  der  Stier  als  Sinnbild  der 
Jahresfruchtbarkeit  jährlich  geopfert  wurde  (entsprechend  dem 
Tode  des  Sommers  im  Herbst),  ging  auch  die  sinnbildliche 
Vergleichung  des  Pleilands  mit  einem  segenbringenden  Stier 

Menzel,   christl.  Symbolik.    II  27 


418  Storch. 

hervor.  Lucas  vero  vitultis  est,  eo  quod  a  Zacharia  sacerdote 
inchoavit  et  Christi  passionem  et  hostiam  specialius  pertractavit. 
Vitulus  enim  est  animäl  Sacerdotum  sacrificiis  aptum.  Compa- 
ratur  etiam  vitulo  propter  duo  cornuaj  quasi  duo  continens 
testamenta^  et  propter  quatuor  pedum  ungulas^  quasi  quatuor 
Evangelistar  um  sententias.  Per  hunc  quoque  figuratur  Christus^ 
qui  fuit  pro  nobis  vitulus  immolatus.  Durandi^  rationale  offlc. 
1.  3,  9. 

Storch, 

Sinnbild  gerechten  Wandels,  weil  er  zur  rechten  Zeit  im 
Jahre  kommt  und  geht.  Jeremias  8,  7.  Nach  einer  dänischen 
Sage  sollen  drei  Vögel  um  Christus  am  Kreuz  geflogen  seyn, 
der  Storchj  weicherrief:  „Stärke  ihn!"  die  Schwalbe,  welche 
rief:  „Kühle  (swale)  ihn!'^  und  der  Kiebitz,  welcher  rief: 
„Peinige  ihn!"  Daher  seyen  jene  ersten  beiden  Vögel  ge- 
heiligt, und  habe  der  Storch  seinen  Namen  erhalten  von: 
„Stärke  ihn!"  der  dritte  Vogel  aber  sey  verflucht.  Gesell- 
schafter 1832,  S.  943.  Als  Schutzpatron  der  Storchnester  in 
den  Dörfern  gilt  der  heilige  Agricolus,  weil  sich  um  diesen 
frommen  Einsiedler  die  Störche  friedlich  zu  sammeln  pflegten. 

S  t  r  a  u  s  s. 

Dieser  Vogel  soll  auf  seinen  Eiern  nicht  brüten ,  sondern 
dieselben  nur  unverwandt  anschauen  und  die  Kraft  seines 
Blickes  die  Jungen  darin  lebendig  machen.  Conrad  von 
Würzburg  in  seiner  goldnen  Schmiede  Vers  528  f.  verglich 
ihn  daher  mit  der  Gnadenmutter,  die  durch  ihren  BHck  die 
Sünder  rettet  und  zur  Wiedergeburt  begnadet.  Nach  einer 
alten  deutschen  Legende  von  der  Kindheit  Christi  legte  der 
Strauss,  den  einer  der  heiligen  drei  Könige  nach  Bethlehem 
mitbrachte  (Kaspar),  zwei  Eier,  aus  denen  ein  Lamm  und 
ein  Löwe  hervorgingen ,  die  bekannten  Sinnbilder  des  damals 
neugebornen  Heilands.  Prätorius,  Saturnalia  p.  363.  — 
Eucherius  dagegen  verglich   den  Strauss  mit  einem  Ketzer^ 


Sünde.  419 


qui  habere  quasi  videtur  sapientiae  pennas,   volare  tarnen  non 
potest,    Pierii)  hierogl.  p.  231. 


Strick, 

Attribut  des  Teufels.  In  den  altdeutschen  und  altfrnnzösischen 
Mysterien  (geistlichen  Schauspielen)  zog  der  Teufel  die  Ver- 
dammten immer  an  einem  Strick  nach  sich,  daher  noch  das 
Sprichwort:  „Der  Teufel  hat  ihn  am  Seil."  Mone,  Schau- 
spiele des  Mittelalters  I.  268.  Wie  in  Christo  die  wahre 
Freiheit,  so  ist  im  Teufel  die  wahre  Knechtschaft.  Christus 
löst,  was  der  Teufel  bindet  und  verstrickt.  Der  Strick  ist 
ferner  Attribut  der  Rahab  (siehe  diesen  Artikel)  und  des  hei- 
ligen Desiderius  von  Vienne,  der  mit  einem  Strick  erwürgt 
wurde. 

Stroh, 

Sinnbild  der  Unfruchtbarkeit,  Werthlosigkeit,  im  Gegensatz 
gegen  Waizen,  daher  auch  alles  nichtswürdigen  und  eiteln 
Treibens  der  Menschen,  ihrer  Weltlust  und  Gottlosigkeit  im 
Gegensatz  gegen  Frömmigkeit  und  gute  Werke.  „Mit  Stroh 
geht  ihr  schwanger,  Strohhalme  gebäret  ihr,  Feuer  wird  euch 
verzehren.'^    Jesaias  33,  1.    Vgl.  47,  14.  und  Maleachi  4,  1. 

Sünde. 

Vgl.  den  Artikel  Laster.  Es  gibt  zweierlei  Sünden,  die 
des  Geistes  und  die  der  menschlichen  Natur,  daher  auch 
zweierlei  Sünder,  die  Geister,  deren  Prototyp  Lucifer  (siehe 
diesen  Artikel) ,  und  die  natürlichen  Menschen ,  deren  Proto- 
typ Adam.  Sofern  aber  der  Mensch  selbst  zweierlei  Wesen 
in  sich  hat ,  neben  dem  natürlichen  das  geistige ,  so  steht  auch 
dem  Adam  ein  Prototyp  der  Geistessünder  gegenüber,  das 
ist  Judas  Ischarioth. 

Nur  für  die  Sünder  der  zweiten  oder  niedern  Art  gibt 
es  Erlösung,  die  Sünde  wider  den  Geist  wird  nie  vergeben. 

27* 


4^0  Sünde. 

Darum  kann  nur  Adams,  aber  nicht  Lucifers  Geschlecht  er- 
löst werden.  Darum  ist  Maria  die  allgemeine  Fürbitterin 
für  die  menschlichen  Sünder,  kann  es  aber  nicht  seyn  für 
die  bösen  Geister.  Darum  kennt  die  heilige  Geschichte  reuige 
Könige  und  Schacher,  den  reuigen  Apostel  Petrus  und  die 
reuige  Magdalena,  aber  keinen  reuigen  Teufel.  Hier  steht 
die  Typik  christlicher  Kunst  und  Poesie  so  fest  wie  das 
Dogma.  Es  kann  daher  auch  nur  durch  gänzliche  Verkommen- 
heit der  christlichen  Idee  und  des  kirchlichen  Bewusstseyns 
erklärt  werden,  dass  Klopstock  sich  erlauben  durfte,  in 
seinem  berühmten  „Messias'*^  in  dem  PJngel  Abadonnah  einen 
reuigen ,  sentimentalen  und  weinerlichen  Teufel  aufzustellen, 
und  dass  man  solche  Verkehrtheit  ein  Jahrhundert  hindurch 
bewundert   hat. 

In  der  kirchlichen  Bildnerei  kommen  die  Sünder  haupt- 
sächlich vor  als  Reuige  und  Betende,  als  Begnadigte,  als 
Büssende  auf  Erden  oder  im  Fegfeuer,  und  als  Verdammte 
in  der  Hölle.  Sie  gruppiren  sich  im  Allgemeinen  nach  den 
sieben  Todsünden  oder  Lastern.  In  grossen  Massen  theilen 
sie  sich  in  Priester  und  Laien,  jene  unter  einem  Papst,  diese 
unter  einem  Kaiser.  Im  Mittelalter  hatte  man  keine  Scheu 
noch  Furcht,  auch  die  Höchstgestellten  als  Sünder  zu  be- 
zeichnen. Keine  cäsareopapistische  Censur  und  Polizei,  keine 
Aufklärung  und  classische  Schule  verbot,  einen  schlechten 
Papst  oder  tyrannischen  Kaiser  in  den  Flammen  der  Hölle 
zu  malen.  Von  den  modernen  „Ankünften  im  Elysium'^, 
welche  der  Cultus  des  Genius  jedem  berühmten,  und  die 
servile  Kunst  jedem  vornehmen  Sünder  vindicirt,  war  damals 
noch  nicht  die  Rede. 

Die  Reue  wird  bezeichnet  durch  Knieen  und  Beten,  die 
Gnade  durch  den  über  die  Sünder  gebreiteten  Mantel  Maria, 
die  Busse  durch  Flammen  ohne  Teufel,  die  Verdammniss 
durch  verzweiflungsvolle  Mienen  und  durch  die  Teufel,  die 
an  den  Unseligen  das  Henkeramt  üben. 

Rubens  malte  die  Prototypen  der  Reue,  Magdalena,  Pe- 
trus, David  und  den  Schacher  knieend  vor  Christo.    Das  Bild 


Sündfluth.  431 

befindet  sich  in  der  Pinakothek  in  München.  Es  ist  mir  nicht 
bekannt,  ob  ausser  den  Bildern  des  Weltgerichts ,  auf  denen 
die  Sünder  vor  dem  Richter  zittern  und  angstvoll  der  Ver- 
dammniss  harren,  umfangreichere  Gruppen  von  reuigen  und 
bussfertigen  Sündern  vor  dem  verzeihenden  Heilande  gemalt 
worden  sind.  Wie  Christus  die  Mühseligen  und  Beladenen 
zu  sich  ruft,  die  Gefangenen  befreit,  die  Todten  erweckt, 
ist  oft  und  schön  gemalt  worden.  Nicht  aber,  wie  sich  die 
Sünder  dieser  Welt  und  Zeit  vor  ihm  beugen. 

Sündfluth. 

Während  die  Schöpfung  im  1.  Buch  Mosis  um  sehr  viel 
anders  erzählt  ist,  als  in  den  heidnischen  Kosmogonien, 
stimmt  dagegen,  was  sie  von  der  Sündfluth  sagt,  mit  unzäh- 
ligen Sagen  anderer  Völker  überein.  Ueberall  heisst  es,  Gott 
habe  die  Menschen  ihrer  Sünden  wegen  ausgetilgt  und  nur 
eine  einzige  fromme  Familie  sey  auf  einem  Schiffe  gerettet 
worden.  Sogar  einzelne  bestimmte  Züge  der  mosaischen 
Erzählung,  z.  B.  vom  Raben  und  von  der  Taube,  kehren  in 
fremden  Völkersagen  wieder. 

Hier  eine  gedrängte  Uebersicht  d.er  heidnischen  Sünd- 
fluthsagen: 

1.  Die  griechische.  Zeus  wollte  das  sündige  Menschen- 
geschlecht vertilgen  und  überschwemmte  es  mit  neuntägigem 
Regen.  Nur  der  fromme  Deukalion  und  sein  Weib  Pyrrha 
retteten  sich  in  einem  Kasten.  Eine  Taube,  die  sie  ausfliegen 
liessen,  kündigte  ihnen  durch  ihr  Ausbleiben  an,  dass  die 
Erde  wieder  trocken  sey.  Ovid^  met.  I.  280  f.  Plutarch,  de 
solat,  animi.  Apollodor  I.  7.  2.  —  Von  untergeordneter  Be- 
deutung ist  die  ogygische  Fluth. 

2.  Die  clialdäische  oder  babylonische.  Der  Gott  Saturn 
oder  Belus  kündigt  dem  König  Risuthras  an,  er  werde  das 
sündige  Menschengeschlecht  durch  eine  Fluth  vertilgen  und 
nur  ihn  wegen  seiner  Frömmigkeit  verschonen.  Er  nahm 
seine  Familie  mit  in's    Schiff  und  sandte  Vögel  aus,    deren 


4S2  Sündfluth. 

Ausbleiben  die  Trockenheit  des  Bodens  verrieth.  Nach  Bero- 
sus  und  Obydenus  bei  Josephus,  arch.  I.  3.  6.  Eusebius^  de 
praep.  ev.  IX.   11.    Cyrillus,  contra  Jul.  I.  14. 

3.  Die  indische,  a)  Gott  Brahma  verwandelte  sich  in 
einen  kleinen  Fisch  und  liess  sich  von  Menü,  dem  frommen 
König,  fangen  und  in  ein  Glas  setzen.  Das  Glas  wurde  aber 
bald  zu  klein;  man  musste  den  immer  wachsenden  Fisch  in 
einen  Teich  setzen,  in  den  grossen  Fluss  Ganges,  endlich 
in's  Meer.  Da  sagte  der  Fisch :  mit  ihm  wüchse  das  Gewässer 
und  werde  die  ganze  sündige  Welt  vertilgen,  Menü  aber 
solle  sich  auf  ein  Schiff  setzen  und  an  das  Hörn  des  Riesen- 
fisches anbinden.  So  geschah  es,  und  Menü  schwamm  jahre- 
lang mit  dem  Fisch  in  unendlichen  Gewässern  herum,  bis  er 
am  Berg  Himawan  ausgesetzt  wurde.  Nach  der  Mahabharata. 
Vgl.  Bopp ,  Sündfluth.  —  b)  Der  Gott  Wischnu  verfährt  ganz 
auf  dieselbe  Weise  mit  dem  frommen  Salyavrata.  Hier  ist 
besonders  hervorgehoben,  dass  alle  Thiere  und  Pflanzen  mit 
in's  Schiff  genommen  werden.  Nach  dem  Bhagavatam.  Vgl. 
auch  Paullinus,  brahm.  Götterlehre  S.  190,  wonach  Wischnu 
nicht  als  der  die  Menschen  strafende,  sondern  vielmehr  als 
der  rettende  Gott  erscheint,  indem  die  Fluth  durch  böse 
Dämonen  bewirkt  wird.  Vgl.  Rhode,  Hindu  H.  134.  Höfers 
indische  Gedichte  I.  39.  Eine  noch  besondere  Sündfluthsage, 
die  sich  lediglich  auf  die  Insel  Ceylon  bezieht,  in  Ritters 
Erdkunde  von  Asien  IV.  238. 

4.  Die  chinesische.  Der  Herr  des  Himmels  und  der  Erde 
zürnte  den  sündigen  Menschen  und  vertilgte  sie.  Nur  Niu-va 
allein  bezwang  das  Gewässer  durch  ein  Holz  (das  Schiff) 
und  durch  einen  fünffarbigen  Stein  (den  Regenbogen).  Win- 
dischmann ,  die  Philosophie  im  Fortschritt  der  Weltgeschichte 
I.  80.    Vgl.  Ritter,  Erdkunde  von  Asien  I.  158. 

5.  Die  japanische.  Gott  zerschmetterte  die  Welt  durch 
Blitze  und  ersäufte  sie  im  Regen.  Nur  eine  fromme  Familie 
wurde  auf  Nipon  (Japan)  gerettet.  Montanus,  niederl.  Ge- 
sandtschaften S.  435. 

6.  Die  russische.     Die  Erde   steht  auf  vier  Wallfischen. 


Sündfluth.  423 

Als  der  erste  starb,  entstand  die  Sündfluth.  Wenn  wieder 
einer  sterben  wird,  wird  es  eine  zweite  Fluth  geben.  W.  Mül- 
ler, Russland  S.  210. 

7.  Die  lithauische.  Pramzimas,  der  Herr  der  Welt,  sah, 
dass  die  Menschen  verderbt  seyen,  und  sandte  zwei  Riesen 
unter  sie,  Wandu  und  Weja  (Wasser  und  Sturm),  sie  zu 
vertilgen.  Als  nun  fast  alle  Menschen  ersoffen  waren,  und 
nur  noch  einige  auf  einem  Berggipfel  sich  hielten,  warf  er 
ihnen  mitleidig  eine  Schale  von  den  Nüssen  zu ,  die  er  eben 
ass.  Auf  diesem  Schiff  retteten  sie  sich.  Sie  hatten  aber 
keine  Kinder;  da  tröstete  sie  der  Regenbogen  (Linxmine)  und 
sagte  ihnen,  sie  sollten  über  die  Gebeine  der  Erde  springen. 
Das  thaten  sie  und  aus  den  Steinen,  über  die  sie  sprangen, 
wurden  Menschen.    Hanusch,  slav.  Mythologien  S.  234. 

8.  Die  nordische.  Aus  des  grossen  Riesen  Ymers  Blut 
entstand  das  Meer  und  überschwemmte  das  Land  so,  dass 
alle  andern  Riesen  darin  umkamen.  Nur  Bergelmir  mit 
seinem  Weib  entkam.    Edda,  Grimm  Myth.  2te  Aufl.  S.  526. 

9.  Die  keltische.  Als  der  See  von  Llion  (in  England) 
ausbrach  und  die  Welt  überschwemmte,  entkam  nur  der 
fromme  Nevydd,  indem  er  ein  Schiff  baute  und  darin  je  ein 
Paar  von  allen  Thieren  aufnahm.  Der  Gott  Hü  aber  zog 
das  Schiff  in  Ochsengestalt  durch  die  Fluth.  Mone,  Heiden- 
thum  n.  492.    San  Marte,  Artursage  S.  201. 

10.  Die  afrikanische.  Alle  meerschwein-  und  wallfisch- 
artigen  Meerthiere  sollen  Abkömmlinge  der  in  der  Sündfluth 
ertrunkenen  Menschen  seyn.    Robertson,  die  Fantees  in  iVfrika. 

1 1 .  Die  grönländische.  Der  einzige  noch  übrige  Mensch 
schlug  mit  seinem  Stock  auf  die  Erde,  da  kam  ein  Weib 
heraus  und  mit  ihr  bevölkerte  er  die  Erde  auf's  Neue.  Cranz, 
Historie  von  Grönland  I.  246. 

12.  Die  mexikanische.  Gott  vertilgte  die  bösen  Menschen, 
nur  der  fromme  Coxcox  und  sein  Weib  retteten  sich  auf 
einem  Kahn.  Sie  hatten  nachher  stumme  Kinder,  bis  eine 
Taube  die  Kinder  verschiedene  Sprachen  lehrte.  Clavigero 
1.  344.     Prescott,   Eroberung  von  Mexiko  H.  435.     Beides 


4-34  Sündfiuth. 

nach  deutscher  Uebersetzung.  Der  Letzte  erwähnt  noch  einer 
andern  Sage,  derzufolge  der  Gerettete  Tazpi  hiess  und  sein 
Schiff  mit  Thieren  aller  Art  anfüllte,  auch  wie  Noah  Vögel 
aussandte,  jedoch  statt  des  Raben  einen  Geyer  und  statt  der 
Taube  einen  Colibri. 

13.  Nordamerikanische  Sagen,  ä)  Die  Koloschen  glau- 
ben, der  erste  Erdenbewohner  habe  alle  Kinder  seiner  Schwe- 
ster durch  eine  Sündfluth  vertilgt,  diese  aber  habe  einen 
glühenden  Stein  gegessen  und  sey  davon  mit  dem  Stammvater 
der  künftigen  Menschen  schwanger  worden.  Ausland  1837, 
Nr.  360.  b)  Die  Hundsripp- Indianer  glauben,  die  Sündfluth 
sey  durch  einen  Zudrang  grosser  Fische  entstanden  und  der 
einzige  Mensch,  Chapewee,  habe  sich  in  einem  Schiff  gerettet, 
in  das  er  alle  Arten  von  Thieren  mit  aufnahm.  Auch  er 
schickte  zwei  Thiere  aus,  aber  statt  des  Raben  den  Biber, 
statt  der  Taube  die  Bisamratte.    Franklin,  zweite  Reise  S.  309. 

14.  Die  guianische.  Die  Macus -Indianer  glauben,  ein 
Mann  und  ein  Weib  seyen  allein  übrig  geblieben  und  hätten 
die  Welt  neu  bevölkert,  indem  sie  Steine  in  Menschen  ver- 
wandelten. Schomburgk,  Reise  S.  35.  Die  Tamanaquon  am 
Orinoko  glauben  das  Nämliche,  hier  entstehen  aber  die  neuen 
Menschen  aus  den  Kernen  der  Mauritiapalme ,  die  sie  hinter 
sich  werfen.     Daselbst. 

15.  Die  hay tische.  Ein  Kazike  erschlug  im  Zorn  seinen 
Sohn,  hob  aber  dessen  Gebeine  in  einer  Kürbisflasche  auf. 
Nachher  fand  er  Fische  darin  und  holte  sich  so  oft  Fische, 
als  er  wollte.  Seine  neugierigen  Brüder  aber  öffneten  einmal 
den  Kürbis ,  da  fielen  Fische  aller  Art  heraus ,  immer  grösser, 
endlich  Wallfische  und  das  ganze  unendliche  Meer,  so  dass 
von  der  Erde  nur  wenige  Inseln  und  Bergspitzen  blieben. 
Wash.  Irwing,  Columbus  S.  160. 

16.  Die  brasilianische.  Ein  einziger  Mann,  Tamanduare, 
mit  seiner  Familie,  blieb  auf  dem  Gipfel  eines  Baumes  ge- 
rettet und  bevölkerte  die  Erde  neu.  Prinz  zu  Wied,  Reise 
n.  59.    Lery,  Reise  S.  281.  ; 

Schon  wegen  dieser  allgemeinen  Verbreitung  der   Sage 


Sündfluth.  4S5 

über  die  ganze  Erde  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass  nur 
eine  lokale  Ueberschwemmung  gemeint  sey.  Die  Bibel  selbst 
sagt  ausdrücklich,  die  Fluth  habe  fünfzehn  Ellen  hoch  über 
den  höchsten  Bergen  gestanden.  Das  war  keine  lokale  Fluth. 
Mit  Recht  haben  daher  die  Naturforscher  an  eine  grosse  Kata- 
strophe gedacht.  Whiston  und  Steffens  dachten,  freilich  sehr 
willkührlich ,  an  einen  Kometen,  der  das  Wasser  der  Erde 
an  sich  gezogen  und  dann  zurückgeschnellt  haben  soll.  Da- 
von steht  nichts  in  der  heiligen  Schrift  und  ist  auch  kein 
ähnliches  Beispiel  in  der  Naturgeschichte  bekannt.  Andere 
glaubten,  die  Erdachse  habe  sich  plötzlich  geändert  und  dem 
Meere  einen  ungeheuren  Stoss  gegeben,  dass  es  über  das 
Land  hergefluthet  sey.  Weit  sinniger  ist  die  Vermuthung 
Hugi's  (über  die  Gletscher  1843.  S.  202.)  Derselbe  nimmt 
an,  die  Ausdehnung  und  Zusammenziehung  der  Atmosphäre 
sey  in  einer  früheren  Bildungsperiode  der  Erde  noch  weit 
grösser  gewesen,  wie  jetzt.  Das  Ausdünsten  der  Erde,  die 
Wolkenbildung  und  dann  der  wässerige  Niederschlag  aus 
derselben  sey  viel  gewaltsamer  gewesen.  Daher  die  Mög- 
lichkeit des  völligen  Untertauchens  der  Erde  unter  den  vom 
Himmel  strömenden  Kegen.  Damit  stimmt  eine  Erschei- 
nung überein,  die  man  an  den  kleinen  Planeten  Pallas  und 
Ceres  wahrgenommen  hat.  Diese  haben  nämlich  eine  At- 
mosphäre, die  sich  zuweilen  in's  Ungeheure  ausdehnt  und 
dann  wieder  klein  zusammenzieht.  Stellt  man  sich  darunter 
Wolken  vor,  so  muss  deren  Entleerung  in  Regengüssen  die 
Oberfläche  der  Planeten  ganz  unter  Wasser  setzen. 

Jedenfalls  sind  grosse  Fluthen  über  die  Erde  gegangen, 
sonst  würden  nicht  so  viele  organische  Reste  früherer  Erd- 
perioden überschwemmt  und  begraben  worden  seyn.  Deshalb 
ist  die  Erklärung  v.  Bohlens  (Genesis  104)  ganz  unstatthaft, 
dass  nämlich  nicht  einmal  von  einer  lokalen  ausserordentlichen 
UeberschAvemmung  die  Rede  seyn  könne,  sondern  dass  die 
Vorstellung  der  Sündfluth  wahrscheinlich  nur  von  den  jährlich 
sich  wiederholenden  Frühlingsüberschwemmungen  herschreibe, 
die  man  in  vergrössertem  Maassstabe   auf  die  Vorzeit  über- 


4S6  Sündfluth. 

tragen  habe.  Eben  so  wenig  Werth  ist  ciarauf  zu  legen, 
dass  der  Name  Sündfluth  eigentlich  Sintvluot  (grosse  Fluth) 
heisse.     Die  Sünde  wird  damit  nicht  hinweginterpretirt. 

Die  Genesis  legt  alles  Gewicht  auf  diese  Sünde.  Nur 
um  ihretwillen  erfolgt  die  Fluth.  Gott  will  das  verderbte 
Geschlecht  austilgen  und  nur  den  frommen  Noah  mit  seiner 
Familie  erhalten,  dem  er  daher  befiehlt,  die  Arche  zu  bauen 
und  mit  den  Seinen,  sowie  mit  je  einem  Paar  aller  Thier- 
arten  hineinzugehen.  Dann  lässt  er  vierzig  Tage  lang  regnen 
und  alles  Lebendige  vergeht  in  der  Ungeheuern  Fluth,  welche 
15  Ellen  über  den  höchsten  Bergen  steht.  Erst  nach  150  Ta- 
gen nimmt  das  Gewässer  wieder  ab,  und  die  Arche  strandet 
auf  dem  Gipfel  des  Berges  Ararat.  Da  sendet  Noah  einen 
Raben  aus,  zu  prüfen,  ob  es  Zeit  sey,  auszusteigen.  Der 
Rabe  kommt  nicht  wieder  (weil  er  auf  Aas  sitzt).  Noah 
schickt  eine  Taube  aus,  die  nicht  Fuss  fassen  kann  und 
wiederkommt.  Dann  eine  zweite  Taube,  die  mit  einem  Oel- 
blatt  zurückkehrt,  zum  Zeichen,  dass  die  Erde  wieder  grüne. 
Nach  sieben  Tagen  schickt  er  die  dritte  Taube  aus,  die  nicht 
wiederkommt.  Nun  erst  befiehlt  ihm  der  Herr  selbst,  aus- 
zusteigen. Noah  gehorcht,  die  Arche  entleert  sich,  um  die 
Welt  neu  zu  bevölkern.  Ein  Dankopfer  raucht  zum  Himmel, 
Gott  segnet  den  Noah  und  lässt  den  Regenbogen  erscheinen, 
zum  Zeichen,  dass  fortan  Friede  sey  zwischen  Plimmel  und 
Erde,  zwischen  dem  versöhnten  Gott  und  der  bestraften 
Menschheit:  „Und  wenn  es  kommt,  dass  ich  Wolken  über 
die  Erde  führe,  so  soll  man  meinen  Bogen  sehen  in  den 
Wolken.  Alsdann  will  ich  gedenken  an  meinen  Bund  zwi- 
schen mir  und  euch,  dass  nicht  mehr  hinfort  eine  Sündfluth 
komme." 

Die  Sündfluth  ist  das  alttestamentalische  Vorbild  des 
Weltendes,  denn  auch  dieses  soll  durch  colossale  Entartung 
der  Menschen  herbeigeführt  werden. 

Die  Sündfluth  und  Geschichte  Noahs  hat  verhältniss- 
mässig  nicht  viele  poetische  Bearbeiter  gefunden.  Ein  latei- 
nisches Gedicht  von  Alcinus  Avitus   s.  in  Fabricü  thes.  392. 


Sündfluth.  427 

Vor  hundert  Jahren  schrieb  der  Schweizer  Bodmer  sein  grosses 
Epos  „die  Noachide^' ,  eine  sehr  wässerige  Nachahmung  des 
Messias  von  Klopstock,  worin  endlos  langweiUg  alle  lang- 
geschnäbelten,  kurzgeschnäbelten ,  breitgeschnäbelten ,  spitz- 
geschnäbelten  etc.  Vögel  verzeichnet  sind,  wie  sie  in  die 
Arche  spazieren.  Ein  neuer  französischer  Dichter,  Alfred 
de  Vigny,  hat  sich  besser  darauf  verstanden,  die  Effecte  zu- 
sammenzudrängen. Auch  der  deutsche  Dichter  Andreas  Was- 
serburg, der  1834  in  Mainz  eine  Sündfluth  in  poetischer  Prosa 
herausgab,  hat  in  der  Ausmalung  der  Schreckensscenen,  z.  B. 
eines  Löwen,  der  sich  angstvoll  zu  den  Menschen  rettet,  eine 
reiche  Phantasie  bewährt.  Friedrich  ^  Schlegel  besang  die 
Freude  der  Errettung,  das  Opfer  und  den  Dank  Noahs  (am 
Schluss  des  lOten  Bandes  seiner  Werke).  Das  ist  schön  und 
bibhsch.  Aber  Salomon  Gessner  besang  den  Tod  zweier  un- 
bekannten Liebenden  in  der  Sündfluth,  Semin  und  Semira. 
Solche  sentimentale  Abgeschmacktheiten  hat  man  lange  be- 
wundert. Sie  sind  schriftwidrig.  In  der  Sündfluth  ist  kein 
unschuldiges  Liebespaar  umgekommen.  Da  war  Niemand 
rein,  als  die  sich  in  die  Arche  gerettet  hatten. 

Unter  den  gemalten  Sündfluthbildern  muss  man  die, 
welche  die  Schrecken  der  empörten  Natur  malen,  von  denen 
unterscheiden,  welche  nur  vorzugsweise  die  Todesangst  der 
Menschen  malen.  Die  letzteren  sind  bei  weitem  zahlreicher. 
Unter  den  ersteren  stehen  oben  an  die  Bilder  des  Engländers 
Martin,  der  es  liebt,  die  Natur  im  Grossen  und  in  ihren 
Schrecken  aufzufassen,  bei  der  Schöpfung,  beim  Untergang 
Sodom  und  Gomorrha's,  Babels  und  Ninive's,  beim  Welt- 
gericht etc.  Er  malte  den  Abend  vor  der  Sündfluth  unge- 
mein grossartig.  Die  Elemente  selbst  sind  es,  die  hier  mit- 
einander ringen,  die  Menschen  verlieren  sich  nur  in  kaum 
sichtbarem  Ameisengewühl.  Die  Blitze  zucken  furchtbar, 
erlöschen  aber  gleichsam  in  dem  allübervviegenden  Wasser, 
und  dienen  nur,  die  Schwärze  der  dichtherabhän ölenden  Wol- 
ken  zu  beleuchten  und  den  Anblick  des  allgemeinen  Grabes 
noch  schauerlicher  zu  machen.     Dazwischen  haben  aber  noch 


4S8  Sündfluth. 

Sonne  und  Mond  Platz  gefunden,  beide  zugleich  am  düstern 
Horizont  ihre  glühenden  Augen,  wie  todesmatt,  aufzuschlagen. 
Auf  einem  zweiten  Bilde  stellte  Martin  die  Stillung  der  Ge- 
wässer dar,  am  Morgen  nach  der  Fluth.  Kunstblatt  1835. 
S.  175.    1840.  S.  224. 

Unter  den  Bildern  der  zweiten  Gattung  steht  oben  an 
das  von  Nik.  Poussin  in  Paris.  Es  hat  engeren  Raum,  bringt 
uns  daher  die  Menschen  näher;  doch  bleibt  die  Landschaft 
auch  hier  noch  die  Hauptsache,  der  tiefe  Wolkenhimmel, 
von  einem  Blitz  durchzuckt,  unheimliche  Felsen  zur  Seite 
und  schon  wettergebeugte  und  halb  entwurzelte  Bäume. 
Schon  hat  der  Tod  seine  meisten  Opfer  verschlungen.  Den 
Ueberlebenden  schwindet  die  letzte  Hoffnung,  Einer  klam- 
mert sich  an  einen  Kahn  in  dem  Augenblick,  wo  derselbe 
einem  Abgrund  zustürzt.  Eine  Mutter  reicht  ihr  Kind  einem 
Manne ,  der  es  nicht  erlangen  kann ,  und  die  Fluth  reisst  sie 
hinweg.  Bedeutungsvoll  kriecht  auch  die  aus  ihrem  Versteck 
getriebene  Schlange  den  Berg  hinauf. 

Noch  grässlicher  malte  Girodet  zu  Paris  (1804).  Mit 
höchster  Anstrengung  hat  ein  Mann  seinen  alten  Vater  zu 
einem  Baum  emporgetragen  und  hält  ihn  noch  auf  dem 
Rücken,  indem  er  mit  einer  Hand  sich  an  den  Baum  klam- 
mert und  mit  der  andern  sein  schon  todtmattes  Vi^eib  mit 
zwei  Kindern  nachzieht;  da  schlägt  ein  Blitz  in  den  Baum 
und  Alle  stürzen  in  die  Fluth  {Landoiij  ann.  XHI.  j??.  5.). 
Aehnliche  Grässlichkeiten  rühmte  Vasari  (H.  1.  88.)  an  einem 
Bilde  von  Uccello,  z.  B.  ein  schon  vom  Wasser  dickgeschwol- 
lenes todtes  Kind;  einen  Raben,  der  einer  Leiche  die  Augen 
aushackt  etc.  Geistreich,  wenn  auch  unwahrscheinlich,  ist 
dabei  der  erbitterte  Kampf  zweier  Reiter  mitten  im  Wasser. 

Der  Engländer  West  malte  den  Moment,  wo  schon  Alles 
todt  ist.  Man  sieht  nur  in  der  Ferne  ganz  dunkel  durch  den 
Regen  die  Arche.  Im  Vordergrunde  aber  hängen  noch  die 
Leichen  einer  ertrunkenen  Familie  in  den  Zweigen  eines 
Baumes;  bereits  schwarzblau  und  grässlich  entstellt  und  von 
drei   grossen  Schlangen  umwunden,    die   sich    auf  denselben 


Sündfluth.  429 

Baum  retteten.  Zur  Seite  aber  flattert  die  weisse  Taube,  die 
Botin  besserer  Zukunft. 

Am  wenigsten  Eindruck  machen  die  Sündfluthbilder,  die 
nicht  für  sich  stehen,  sondern  nur  einen  Theil  der  gemalten 
Bibel  überhaupt  einnehmen,  daher  im  Kaum  beschränkt  und 
dem  Geist  des  Ganzen  untergeordnet  bleiben.  Unter  diesen 
Bildern  ist  das  grossartigste  das  von  Michel  Angelo  in  der 
sixtinischen  Kapelle,  jedoch  ganz  in  den  Hintergrund  gedrückt 
durch  das  Bild  des  Weltgerichts  in  derselben  Kapelle.  Einen 
ziemlich  schwachen  Eindruck  macht  das  kleine  Sündfluthbild 
in  Raphaels  Logen.  Nur  Studien  ohne  poetische  Tiefe  sind 
die  Sündfluthbilder  von  Giulio  Romano  in  England  (Waa- 
gen I.  477.  Passavant  257.),  Turchi  (l'Orbetto)  in  Paris 
(Waagen  517.),  Domenichino  in  Berlin  (Kugler  I.  131.).  Ein 
Bild  von  Sabatti  in  Brescia.  Auch  von  Bassano,  der  so 
viel  zu  den  ersten  Kapiteln  der  Genesis  gemalt,  sind 
Sündfluthbilder  vorhanden,  in  Madrid,  Paris  und  Florenz. 
Eine  Sündfluth  kommt  auch  unter  den  alten  Mosaiken  der 
Marcuskirche  zu  Venedig  vor. 

Unter  den  französischen  Malern  malten  die  Sündfluth 
noch:  Regnault,  in  zwei  Darstellungen;  Trioson  (Waagen, 
Paris  728.);  Le  Fage,  gest.  von  Audran;  Blaiset,  gest.  von 
Ruotte;   Bernard,  gest.  von  Sadeler. 

Deutsche  und  Niederländer:  L.  Cranach  in  Schneeberg 
(Waagen,  Deutschland  I.  57.),  Joh.  Breughel  in  Kassel,  Cor- 
nelius von  Plarlem  in  Salzdalen,  Cassiers  in  Brüssel,  Jakobs 
in  München.  Kunstblatt  1825.  Nr.  53.  Romberg.  Ein  be- 
rühmter figurenreicher  Holzschnitt  von  Melchior  Lorch. 

Die  Motive  sind  gewöhnlich :  das  Erklettern  eines  Bau- 
mes, die  Flucht  auf  einem  Pferde,  das  Heraufziehen  eines 
Kindes  oder  sterbenden  Weibes ,  das  Zurückstossen  des 
Schwächern  durch  den  Stärkeren,  die  fruchtlose  Anstrengung, 
die  verzweifelnde  Resignation.  Seltener  kommt  eine  mehr 
nuancirte  Charakteristik  vor,  der  Unterschied  der  Tempera- 
mente, Stände,  des  Glücks  etc.,  das  verschiedenartige  Be- 
nehmen des  Reichen  und  Armen,  Geizigen  und  Verschwenders, 


480  Susanna. 

des  Schlemmers,  des  Tartuffe,  des  Tyrannen,  des  Wüstlings, 
der  übermüthigen  Hetären  etc. 

Mathäi  in  Dresden  1805  malte  die  Gruppe  zweier  Lie- 
benden, nach  Gessners  Dichtung.  Eine  Gruppe  sich  Ret- 
tender malte  Court  1823  (Kunstbl.  Nr.  62.).  Eine  andere  Li- 
beri in  Bergamo,  dem  es  übrigens  nur  auf  die  nackten  Figuren 
ankam.  Eine  andere  Danhauser  in  Wien.  Ein  grässliches 
Motiv  wählte  Ysendyk  in  einem  Bilde  zu  Antwerpen  (Kunst- 
blatt 1831.  Nr.  40.),  nämlich  einen  Mann,  der,  schon  von 
einer  Schlange  umwunden,  doch  noch  ein  Mädchen  zu  retten 
bemüht  ist.  Kessels  formte  eine  berühmte  Gruppe  in  Mar- 
mor, einen  Mann,  der  Weib  und  Kind  zu  sich  erhebt, 
A.  Eeumont,  röm.  Briefe  II.  284.     Kunstbl.  1838.  S.  112. 

Mehr  allegorisch  ist  ein  Bild  der  Mistress  Cosway.  Ein 
alter  Mann  steht  halb  in  einem  Wolkenbruch,  von  dem  kalt 
und  blaugrau  der  unendliche  Regen  niederströmt  auf  ein 
bronzeartig  mit  schaudervoller  Miene  daliegendes  Weib. 
Fiorillo  V.  688. 

Von  Michel  Angelo  an,  der  in  seinem  Sündfluthbilde 
liebevolle  Rettungsscenen  malte,  haben  die  meisten  Maler 
den  Fehler  begangen,  das  in  der  Sündfluth  untergegangene 
sündige  Geschlecht  viel  zu  edel,  human  und  sich  Einer  für 
den  Andern  aufopfernd  aufzufassen.  Sie  hätten  vielmehr  die 
Corruption,  den  Egoismus,  die  Roheit,  die  Verthierung  und 
Verteufelung  hervorblicken  lassen  sollen. 

S  u  s  a  n  n  a, 

hebräisch  Shushan,  LiUe,  Vorbild  der  heihgen  Jungfrau ,  so- 
fern sie  während  der  babylonischen  Gefangenschaft  mitten  in 
dem  üppigen  Babel  fleckenlose  Keuschheit  bewahrt  und  die 
ganze  Reinheit  des  Volkes  Gottes  gleichsam  in  sich  concen- 
trirt,  wie  die  Lilie  unter  den  Dornen.  Zugleich  Gegenbild 
der  Eva,  welche  umgekehrt  mitten  im  Paradiese  durch  Sünde 
sich  verunreinigte. 


Synagoge.  431 


Synagoge. 

Verl.  d.  Artikel  Judenthum  und  Kirche.  Im  Mittelalter 
stellte  man  gerne,  insbesondere  an  Kirchenthüren,  der  allego- 
rischen Figur  der  Kirche  oder  christlichen  Religion  die  der 
Synagoge  oder  des  Judenthums  gegenüber.  Die  letztere 
immer  als  ein  Weib  mit  verbundenen  Augen,  deren  Scepter 
zerbrochen  ist  und  der  die  Krone  vom  Haupte  fällt.  Der 
Sinn  ist:  als  Christus  geboren  ward  und  seine  grosse  Kirche 
gründete,  hatte  das  Judenthum  seinen  Zweck  erreicht,  seine 
Prophezeihungen  waren  in  Erfüllung  gegangen,  es  musste 
jetzt  dem  Christenthum  Platz  machen.  Der  alte  Tempel 
musste  zerbrochen  werden.  Das  wollten  aber  die  verstockten 
Juden  nicht  anerkennen,  und  deshalb  fristet  die  Synagoge, 
noch  ihr  Leben,  aber  nm-  als  Gespenst  des  zerstörten  Tem- 
pels. So  wird  sie  auch  in  altdeutschen  Mysterien  aufgefasst. 
Vgl.  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  II.  170. 


TafelnMosis. 

Die  beiden  steinernen  Tafeln,  das  gewöhnlichste  Attribut 
des  Moses,  die  Gesetzestafeln,  die  er  von  Gott  selbst  auf 
dem  Berge  Sinai  empfing,  werden  auf  Kirchenbildern  immer 
so  gemalt,  dass  die  erste  Tafel  rechts  die  Zahlen  I — III 
(die  drei  ersten,  die  Pflichten  gegen  Gott  betreffenden  Gebote 
unter  den  zehn  Geboten),  die  zweite  links  die  Zahlen  IV  —  X 
(Gebote,  die  Pflichten  gegen  die  Menschen  betreflfend)  enthält. 
Sie  werden  durchgängig  wie  zwei  Thür-  oder  Fensterflügel 
dicht  beieinander  und  oben  jede  für  sich  im  Rundbogen  ab- 
gerundet gemalt.  Dieselbe  Form  wiederholt  sich  oft  in  go- 
thischen  Verzierungen  an  Fenstern  und  Rosetten. 

Tanne, 

Attribut  des  heiligen  Landolin,  der  zu  Ettenheimmünster  eine 
uralte,  hohe,  von  den  heidnischen  Alemannen  verehrte  Tanne 
fällte  und  zu  einem  Kreuze  machte,  aber  von  den  Heiden 
erschlagen  wurde.  Tannen  sind  überhaupt  Sinnbilder  der 
zuerst  in  den   deutschen   Urwald   eindringenden  Bekehrung. 


Tanne.  433 

Die  berühmteste  war  zu  Thann  im  Elsass.  Die  älteste  deutsche 
Legende  lässt  den  Jünghng  von  Nain,  den  der  Heiland  vom 
Tod  auferweckte,  unter  dem  römischen  Namen  Maternus, 
vom  Apostel  Petrus  selber  gesendet,  an  Ehein  und  Mosel 
wandern,  um  die  damals  noch  heidnischen  Eömer  und  Gal- 
lier, sowie  ihre  deutschen  Nachbarn  zu  bekehren.  Er  starb 
zu  Eley  im  Elsass,  seine  beiden  Gefährten,  Eucharius  und 
Valerius,  aber  eilten  nach  Rom  zurück,  wo  ihnen  der  heilige 
Petrus  seinen  eigenen  Bischofsstab  mitgab,  dessen  Berührung 
den  todten  Maternus  wieder  auferweckte.  Selbiger  Stab  wurde 
zu  Köln  aufbewahrt,  dann  erhielt  eine  Hälfte  davon  Wien, 
von  wo  sie  nach  Prag  kam.  Eucharius  wurde  der  erste, 
Valerius  der  zweite  Bischof  von  Trier,  Maternus  aber  der 
erste  in  Köln  und  Tongern.  Er  lebte  noch  so  viele  Jahre, 
als  er  Tage  im  Scheintode  gelegen  hatte,  und  starb  zu  Köln, 
seine  Leiche  aber  kam  nach  Trier.  Die  Kirche  verehrt  ihn 
am  4.  September.  Vgl.  Rettberg  I.  74.  Königshafen,  Elsass. 
Chronik  S.  269.  Weil  er  als  Gründer  der  Kirchen  von  Trier, 
Köln  und  Utrecht  (Tongern)  gilt,  trägt  er  auf  Bildern  als 
Attribut  eine  Kirche  mit  drei  Thürmen,  oder  eine  Bischofs- 
mütze auf  dem  Kopf  und  zwei  andere  in  den  Händen.  — 
In  Stöbers  Elsass.  Sagenbuch  S.  38  wird  noch  folgende  Le- 
gende von  Maternus  erzählt.  Dieser  diente  einst  dem  greisen 
Bischof  Theobald,  der  früher  ein  Ritter  gewesen  war,  sich 
aber  dem  geistlichen  Stande  gewidmet  hatte,  nachdem  seine 
geliebte  Braut  vom  Blitz  erschlagen  worden  war.  Als  der 
alte  Theobald  starb,  bat  er  den  jungen  Maternus,  künftig 
seinen  Ring  zu  tragen.  Der  Ring  aber  Hess  sich  nicht  von 
der  Leiche  abziehen,  der  Finger  brach  ab,  und  Maternus 
barg  Ring  und  Finger  im  Knauf  seines  Pilgerstabes.  Da 
schlief  er  im  Elsass  unterwegs  bei  einer  hohen  Tanne  ein, 
an  die  er  seinen  Stab  lehnte.  Als  er  aber  erwachte,  war 
der  Stab  mit  der  Tanne  verwachsen  und  Hess  sich  nicht  mehr 
losreissen.  Ein  Graf  ritt  herbei  und  erkundigte  sich;  da 
wurde  entdeckt,  dass  des  Grafen  Schwester  die  vom  Blitz 
erschlagene  Braut  Theobalds  gewesen,  dass  sie  unter  derselben 

Menzel,  christl.  Symbolik.  II.  28 


434  Tanz. 

Tanne  erschlagen  worden  sey,  und  dass  nur  deshalb  der  Eing 
und  Finger  nicht  mehr  von  der  Tanne  wichen.  Der  Graf 
Hess  zu  ihrem  Andenken  hier  einen  Münster  bauen:  das  ist 
der  berühmte  Wallfahrtsort  Thann  im  Elsass.  Je  am  1.  JuH, 
dem  Theob aidstage,  werden  hier  drei  hohe,  ganz  mit  Spanen 
ausgefüllte  Tannen  verbrannt,  deren  Kohlen  vom  Volk  wie 
heilsame  Reliquien  aufbewahrt  werden. 

Tanz. 

Im  Gegensatz  gegen  das  Heidenthum,  welches  mit  seinem 
Cultus  eine  Menge  theils  anmuthiger,  Freude  ausdrückender, 
theils  orgiastiseher  und  wahnsinniger  Tänze  verband,  weist 
die  christliche  Kirche  den  Tanz  ausschliesslich  in  das  welt- 
liche Gebiet  zurück.  Sie  unterlässt  auch  bei  den  Lobpsalmen 
die  alttestamentalischen  Freudensprünge  der  Mirjam  und  des 
David.  Der  berühmte  sogenannte  religiöse  Tanz  der  Wall- 
fahrer zu  Echternach  bei  Trier  am  Grabe  des  heiligen  Willibrord 
ist  eigentlich  nur  ein  Yorschreiten  mit  zwei  Schritten,  worauf 
ein  Schritt  wieder  zurückgemacht  wird,  und  stösst  keines- 
wegs die  ßegel  um,  sondern  bestätigt  sie  vielmehr,  denn 
dieses  feierliche  Schreiten  zum  Grabe  des  Heiligen  bewahrt 
nur  die  Erinnerung  an  den  St.  Veitstanz,  der  einst  in  jenen 
Gegenden  grassirte  und  auf  keine  andere  Weise  geheilt  wer- 
den konnte,  als  dadurch,  dass  sich  die  unwillkührlichen  Tänzer 
jenem  wunderthätigen  Grabe  nahten,  an  welchem  ihre  böse 
Bezauberung  sich  brach.  Memoires  de  V  acad.  Celtique  III.  454. 
Calmet  II.  366.  Also  bewahrt  die  kirchliche  Feier  in  diesem 
sogenannten  Tanze  der  Pilger  nur  das  Andenken  an  einen 
durch  die  Kirche  besiegten  dämonischen  Tanz. 

Abgesehen  von  der  kirchlichen  Anerkennung  des  unschul- 
digen Laientanzes,  hat  doch  die  kirchliche  Anschauungsweise 
nie  verfehlt,  das  Dämonische  in  der  Tanzwuth  als  solches 
anzusehen  und  zu  verdammen.  Vor  Allem  in  den  falschen 
heidnischen  Culten,  wofür  der  Tanz  der  verführten  Kinder 
Israel  um  das  goldne  Kalb  Prototyp  ist.    Sodann  den  ver- 


Taube.  435 

führerischen  Tanz,  wofür  die  Tochter  des  Herodes,  deren 
Tanz  den  Tod  des  Täufers  veranlasste,  als  Prototyp  gilt. 
Charakteristisch  für  die  christliche  Kunst  aber  ist  insbeson- 
dere, dass  sie  selbst  den  Engeln  und  Seligen  im  Himmel 
nur  zu  schweben,  aber  nicht  zu  tanzen  erlaubt,  während 
sie  sehr  ausgebildete  Todtentänze,  Hexen-  und  Teufelstänze 
kennt. 

Taube. 

Die  weisse  Taube,  deren  glänzender  Flug  am  Himmel 
jedes  Auge  erfreut,  die  vielleicht  schon  in  sehr  früher  Zeit 
zu  Botschaften  (als  Brieftaube)  benützt  wurde,  die  zugleich 
so  sanft  ist,  dass  man  sprichwörtlich  sagt,  sie  habe  keine 
Galle,  bot  sich  von  selbst  zur  Vergleichung  dar  1)  mit  den 
vom  Himmel  als  Boten  Gottes  kommenden  Engeln,  und  dem- 
gemäss  überhaupt  mit  den  reinen  Geistern ;  2)  mit  dem  reinen 
Urgeist  selbst,  dem  heiligen  Geist  als  dritter  Person  in  der 
Gottheit;  sodann  aber  auch  3)  sofern  im  Wesen  der  Taube 
das  weibliche  Element  vorherrscht,  mit  der  Königin  der  Engel, 
Maria,  und  der  Eeinheit  und  Gattenlosigkeit  wegen  4)  mit 
den  seligen  Seelen,  insbesondere  auch*  sofern  dabei  an  die 
Taubenopfer  der  Juden  gedacht  wurde,  mit  den  Märtyrern. 

Die  natürliche  Taube,  die  Noah  aus  der  Arche  fliegen 
Hess  und  die  mit  einem  Oelzweig  wiederkam,  dadurch  an- 
zeigend, dass  unter  den  Wässern  der  Sündfluth  das  grüne 
Land  wieder  hervorzukommen  anfange,  ist  ein  Vorbild  aller 
himmlischen  Boten  oder  Engel,  die  der  frommen  und  leiden- 
den Menschheit  die  Nähe  des  himmlischen  Friedens  verkünden. 
Dass  der  Oelzweig  schon  bei  den  Heiden  ein  Sinnbild  des 
Friedens  war,  ist  hier  weniger  erheblich,  als  die  Vorstellung 
der  nach  der  Sündfluth  hervortretenden  neuen  Erde.  So  wie 
dem  Noah  zu  Muthe  war,  als  er  nach  der  langen  Wassersnoth 
endlich  das  ersehnte  Ufer  fand,  so  ist  jedem  Frommen  zu 
Muthe,  der  nach  des  Lebens  Stürmen  zum  himmlischen 
Frieden  gelangt.  Darum  herrscht  schon  auf  den  ältesten 
christlichen  Gräbern  in  den  römischen  Katakomben  das  Bild 

28* 


486  Taube. 

der  Taube  vor,  die  mit  einem  Oelzweig  zu  dem  aus  einem 
engen  Kasten  herausschauenden  Noah  heranfliegt  und  hier 
nichts  anderes  bedeutet  als  den  Engel,  der  dem  Verstorbenen 
die  himmlische  Seligkeit  verheisst.  Das  Nämliche  bedeu- 
teten die  über  den  Gräbern  der  Longobarden  und  Franken 
aufgehangenen  Taubenbilder.  Paulus  Diac.  V.  34.  Gregor. 
Tur.  de  gloria  mart.  I.  72.     Binterim,  Denkw.  VI.  3.  501. 

Wie  die  Taube  den  Engel,  so  bedeutet  der  Rabe  den 
Teufel.  Beide  contrastiren  in  dieser  Weise  schon  in  der 
Arche  Noä,  aber  auch  sonst  überall  in  der  christlichen  Sym- 
bolik. Der  sinnreiche  Ruprecht  von  Deutz  erkennt  in  der 
Arche  die  durch  das  Christenthum  gerettete  Menschheit  (das 
Schiff  der  Kirche),  weshalb  die  Taube  mit  der  seligen  Ver- 
heissung  dahin  zurückkehrt,  in  den  Aasen  der  auf  den  Wäs- 
sern der  Sündfluth  schwimmenden  Thiere,  auf  denen  der 
Rabe  zurückbleibt,  um  sich  mit  dem  ecklen  Frasse  zu  er- 
götzen, erkennt  Rupert  das  Juden thum.  Sofern  aber  von 
Noah  drei  Tauben  entsandt  werden,  erkennt  Rupert  in  der 
ersten,  die  alsbald  wieder  zurückkehrt,  die  heilige  Taufe,  in 
der  zweiten,  die  mit  dem  Oelzweig  zurückkehrt,  die  heilige 
Priesterweihe,  in  der* dritten  endlich,  welche  gar  nicht  mehr 
zurückkehrt,  den  seligen  Tod  und  Uebergang  in  die  himm- 
lische Freude.  Eupert  Tuit.  p.  44.  In  einem  Hymnus  des 
Sedulius  wird  die  Taube  Noä  einfach  aufgefasst  als  die  Ten- 
denz zum  Himmel,  der  Rabe  als  die  zur  Hölle.  Fortlage, 
christliche  Gesänge  S.  46.  In  diese  Symbolik  gehört  auch 
eine  schöne  morgenländische  Sage ,  in  welcher  die  Taube  Noä 
wirklich  mit  dem  Paradiese  in  Verbindung  kommt.  Herder 
theilt  sie  in  Folgendem  mit:  „Acht  Tage  hatte  der  Vater 
der  neuen  Welt  auf  die  Wiederkunft  des  trägen  Raben  ge- 
wartet, als  er  auf's  Neue  seine  Schaaren  um  sich  rief,  Kund- 
schafter auszuwählen.  Schüchtern  flog  die  Taube  auf  seinen 
Arm  und  bot  sich  an  zur  Sendung.  »Tochter  der  Treue, ^^ 
sprach  Noah ,  »du  wärest  mir  wohl  eine  Dienerin  guter  Bot- 
schaft; wie  aber  willst  du  deine  Reise  thun,  und  dein  Ge- 
schäft vollenden?     Wie,   wenn  deine  Flügel  ermattet,  und 


Taube.  437 

dich  der  Sturm  ergreift,  und  wirft  dich  in  die  trübe  Welle 
des  Todes  ?  Auch  scheuen  deine  Füsse  Schlamm,  und  deiner 
Zunge  widert  unreine  Speise.*  —  >)Wer,*  sprach  die  Taube, 
^vgibt  dem  Müden  Kraft  und  Stärke  genug  dem  Unvermö- 
genden? Lass  mich,  ich  werde  dir  gewiss  eine  Dienerin 
guter  Botschaft.*  Sie  entflog  und  schwebte  hin  und  her,  und 
nirgends  fand  sie ,  wo  sie  ruhen  könnte ;  als  schnell  der  Berg 
des  Paradieses  sich  vor  ihr  erhob  mit  seinem  grünenden 
Wipfel.  Ueber  ihn  hatten  nichts  vermocht  die  Wasser  der 
Sündfluth;  und  der  Taube  war  die  Zuflucht  zu  ihr  unver- 
boten. Freudig  eilte  sie  und  flog  hinan  und  liess  demüthig 
sich  am  Fuss  des  Berges  nieder.  Ein  schöner  Oelbaum 
blühte  da:  sie  brach  ein  Blatt  des  Baumes,  eilte  gestärkt 
zurück  und  legte  den  Zweig  auf  des  schlummernden  Noah 
Brust.  Er  erwachte  und  roch  daran  den  Geruch  des  Para- 
dieses. Da  erquickte  sich  sein  Herz :  das  grüne  Friedenblatt 
erquickte  die  Seinigen,  bis  ihm  sein  Retter  selbst  erschien, 
bekräftigend  der  Taube  gute  Botschaft.  Seitdem  dann  ward 
die  Taube  Dienerin  der  Liebe  und  des  Friedens.  Wie  Silber 
glänzen  ihre  Flügel,  sagt  das  Lied;  ein  Schimmer  noch  vom 
Glanz  des  Paradieses,  das  sie  auf  ihrer  Wanderschaft  er- 
quickte." 

Eine  gar  liebliche  Vorstellung  ist  auch  die  Taube  in 
einem  schwedischen  VolksHede.  Als  Botin  des  Himmels  ruft 
sie  alle  Vorübergehenden  zu  Jesu  Eeich,  aber  vergebens,  nur 
eine  fromme  Jungfrau  folgt  ihr  und  stirbt  als  Braut  des  Herrn 
geschmückt.     Afzelius,  schwed.  Volkssagen  IH.  32. 

Tauben  erscheinen  sehr  oft  als  Engel  in  den  Heiligen- 
legenden. Die  heilige  Columba  (Taube)  erhielt  diesen  Namen 
von  einer  weissen  Taube,  die  bei  ihrer  Taufe  zu  ihr  flog, 
ihr  einen  Kuss  gab  und  wieder  verschwand.  Tauben  brach- 
ten der  im  Kerker  verschmachtenden  h.  Katharina  Nahruns:. 
Eine  Taube  brachte  der  h.  Ida  von  Löwen  die  heiHge  Hostie. 
Eine  Taube  brachte  der  h.  Adelgunde  den  Nonnenschleier 
vom  Himmel  herab.  Eine  Taube  brachte  dem  h.  Remigius 
das  berühmte  Oelfläschchen  vom  Himmel  her,   aus  dem  alle 


438  Taube. 

Könige  von  Frankreich  gesalbt  wurden.  Eine  Taube  setzte 
sich  dem  h.  Cunibert  unter  der  Messe  auf  den  Kopf.  Surius 
zum  12.  November.  Eben  so  der  h.  Katharina,  während  sie 
mit  den  Philosophen  stritt.  Didron^  icon.  440.  Eine  Taube 
zeigte  den  Ort  an,  wo  die  h.  Ursula  begraben  lag,  daher 
man  ihr  auf  Kirchenbildern  eine  Taube  zu  Füssen  malt. 
St.  Romana,  eine  römische  Jungfrau  im  4ten  Jahrhundert, 
verliess  ihre  Eltern,  Hess  sich  auf  dem  Berge  Soracte  vom 
Einsiedler  St.  Sylvester  taufen  und  wurde  selbst  eine  Ein- 
siedlerin in  einer  Höhle  bei  Todi;  als  sie  starb,  rief  eine 
Taube,  vom  Himmel  kommend,  ihre  Seele  zum  Himmel. 
Acta  SS.  23.  Februar.  Besungen  von  Bönecke,  Legenden 
1846.  n.  445.  Der  h.  Einsiedlerin  Georgia  bei  Clermont  in 
Frankreich  folgten,  als  sie  zu  Grabe  getragen  wurde,  unzäh- 
lige Engel  in  Taubengestalt.     Acta  SS.    15.  Februar. 

Um  das  Herz  des  Michael  Scotus  stritten  eine  Taube 
und  ein  Rabe.  Grimm,  irische  Elfenm.  XXXVI.  Auf  Bil- 
dern von  Sterbenden  vertritt  überhaupt  die  Taube  sehr  oft 
des  Engels ,  der  Rabe  des  Teufels  Stelle.  ■ —  Als  Engel  muss 
man  auch  die  Tauben  denken ,  die  sich  nach  vielen  örtlichen 
Legenden  bei  Kirchenbauten  betheiligen.  Der  heilige  Pirmi- 
nius  Hess  durch  einen  gewissen  Adalbert  ein  Kloster  bauen. 
Adalbert  hieb  sich  mit  der  Axt  in's  Bein,  eine  Taube  trug 
einen  blutigen  Span  davon  und  Hess  ihn  in  eine  tiefe  Felsen- 
schlucht fallen.  Da  erkannte  der  Heilige,  man  müsse  die 
Klöster  nicht  in  schöne  und  freie  Gegenden,  sondern  in  tiefe 
Schluchten  bauen  und  baute  das  Klösterlein  PfäfFers  tief  in 
jener  Schlucht,  wo  eine  Heilquelle  entspringt.  Die  Taube 
mit  dem  blutigen  Span  im  Munde  ist  noch  das  Wappen  von 
Pf  äffers.  Wyss,  Sagen  I.  217.  Pirminius'  Hauptstiftung 
war  Reichenau,  vgl.  Rettberg  IL  51.  AehnHche  Legenden 
bei  Panzer,  Beitrag  zur  deutschen  Mythol.  I.  223  f. 

Den  Uebergang  vom  Symbol  der  Engel  zu  dem  des 
heiHgen  Geistes  bilden  die  Tauben,  die  bei  Bischofswahlen 
und   grossen  kirchlichen  Ereignissen  entscheidend    auftreten 


Taube.  439 

und  grossen  Kirchenvätern  und  Kirchenfürsten  berathend  zur 
Seite  stehen.  Um  ihn  bei  der  Wahl  als  Bischof  nach  dem 
Willen  Gottes  zu  bezeichnen,  flog  eine  Taube  auf  das  Haupt 
des  heiligen  Fabianus  (Eusebius  VI.  29.),  Euortius  (Surius 
7.  September),  Polycarpus,  Hilarius,  Maurilius,  Severus  von 
Ravenna  etc.  Der  heilige  Geist  als  Taube  sass  auf  der 
Schulter  des  h.  Gregor  des  Grossen,  des  h.  Cölestinus,  h.  Ba- 
iiilius ,  h.  Augustinus ,  h.  Thomas  von  Aquino ,  h.  Athanasius, 
h.  David,  Petrus  von  Alcantara  etc.  St.  Veremundus,  Abt 
zu  Hjracha  in  Navarra,  speiste  einmal  während  einer  Hun- 
gersnoth  3000  Menschen  blos  durch  den  heiligen  Geist,  in- 
dem eine  weisse  Taube  vom  Himmel  herabflog  und  sich  von 
einem  Kopf  auf  den  andern  setzte.  Jeden  aber  sättigte,  den 
sie  berührt  hatte.     8.  März  1092. 

Die  sieben  Geister  Gottes  nach  Jesaias  11,  1.  und  Offen- 
barung Johannis  5,  6.  werden  auf  Miniaturen  und  Glasbil- 
dern des  12ten  bis  14ten  Jahrhunderts  gewöhnlich  als  sieben 
Tauben  dargestellt,  zwischen  denen  Christus  thront.  Didron^ 
icon.  297.  Sieben  Tauben  umschweben  das  Haupt  des  Hei- 
landes, oder  seine  ganze  Figur,  oder  sein  Herz  allein,  oder 
die  Gnadenmutter  mit  dem  Kinde.  Twining^  Symbols,  pl.  27.  28. 

Der  heilige  Geist  in  seiner  Einheit  als  dritte  Person  der 
Gottheit  schwebte  bei  der  Taufe  Christi  als  Taube  über  ihm, 
nach  den  Evangelien  Matthäi  3,  16,  Marcus  1,  10,  Lucas 
3 ,  22 ,  Johannes  1 ,  32.  Die  christliche  Kunst  war  daher 
berechtigt,  die  Taube  auch  als  Personification  des  heiligen 
Geistes  auf  den  Bildern  1)  der  heiHgen  Dreieinigkeit,  2)  der 
Schöpfung,  3)  der  Verkündigung ,  4)  auf  Pfingstbildern ,  und 
5)  auf  Bildern  anzuwenden ,  die  den  Gegensatz  zwischen  dem 
heihgen  Geist  und  dem  bösen  Geist  ausdrücken. 

Zunächst  wurde  die  Taube  in  der  Bedeutung  des  heiligen 
Geistes  auf  Taufbecken,  sodann  auch  auf  Kanzeln  gesetzt, 
um  gleichsam  dem  Täufling,  wie  dem  Prediger  die  Gabe  des 
heiligen  Geistes  mitzutheilen.  Auch  auf  Altären  wurde  eine 
Taube  aufgestellt  und  auf  Altartücher  gestickt.     Molani^  hist. 


440  Taube. 

imag.  55.  In  der  Handschrift  der  Herrad  von  Landsberg  zu 
Strassburg  hat  der  heilige  Geist  als  Taube  sechs  Flügel, 
nämlich  noch  zwei  am  Kopf  und  zwei  an  den  Füssen,  sera- 
phimartig. Abgebildet  bei  Twining,  symb,  pl.  61.  Die  Taube 
aus  der  Hand  Gottes  (in  Wolken)  entlassen,  das.  pl.  2. 
Strahlen  ausgiessend  aus  dem  Schnabel,  pl.  24.  Zwischen 
den  vier  evangelischen  Flüssen,  pl.  25.  An  Christi  Ohr, 
pl.  24.  Auf  dem  Kreuz  sitzend,  pl.  4.  In  einer  Hostie  auf 
dem  Kreuze  an  der  Stelle,  wo  der  Leib  Christi  hängen 
sollte,  pl.  7.  Lauter  sinnreiche  Bilder,  die  das  Verhältniss 
des  heiligen  Geistes  zu  Gott  dem  Sohne  ausdrücken.  Dahin 
gehören  auch  speciell  noch  die  zwölf  Tauben  in  der  Bedeu- 
tung der  vom  heiligen  Geist  erfüllten  Apostel  Christi,  pl.  58. 

Auf  den  Dreifaltigkeitsbildern  hat  man  im  früheren  Mit- 
telalter den  heiligen  Geist  in  Jünglings-,  Mannes-  oder  Grei- 
sengestalt dem  Vater  oder  Sohn  ähnlich  gemalt ,  später  aber, 
um  ihn  charakteristischer  zu  unterscheiden,  allgemein  die 
Taubengestalt  vorgezogen.  In  der  Bedeutung  des  heiligen 
Geistes  hat  die  Taube  stets  (wie  Gott  Vater  und  Sohn  und 
wie  das  Lamm  als  Sohn)  das  Kreuz  im  Zirkel  als  Nimbus, 
und  schwebt  auch  meist  in  einer  sonnengleich  strahlenden 
Glorie.  Während  auf  Bildern,  welche  den  heiligen  Geist  in 
menschlicher  Gestalt  bilden,  demselben  die  dritte  Stelle  zu- 
kommt, nimmt  die  Taube  zwischen  Vater  und  Sohn  die  Mitte 
ein,  indem  sie  nicht  selten  beide  zart  mit  den  Flügerspitzen 
berührt.  Auf  Bildern ,  welche  die  Krönung  der  Maria  durch 
die  heilige  Dreieinigkeit  darstellen,  schwebt  die  Taube  über 
dem  Haupt  der  Jungfrau  in  derselben  Weise  segnend  wie 
auf  den  Verkündigungsbildern,  und  beide  Auffassungen  stehen 
in  Bezug  aufeinander,  wie  Verkündigung  und  Erfüllung. 

Der  nach  1 .  B.  Mosis  1 ,  2.  über  den  Wassern  schwe- 
bende Geist  wurde  in  der  älteren  Malerei  der  Mosaiken  und 
Miniaturen  immer  als  Taube  gemalt.  So  in  der  Marcuskirche 
zu  Venedig.  Vgl.  Kunstblatt  1831.  Nr.  82.  und  Waagen, 
Kunstwerke  in  Paris  S.  345. 


Taube.  441 

Ganz  allgemein  herrscht  der  Gebrauch ,  auf  Pfingstbil- 
dern  die  Taube  über  der  begeisterten  Versammlung  schweben 
zu  lassen.  Vgl.  d.  Artikel  Pfingsten,  wo  ich  mich  bereits 
gegen  v.  Wessenberg  ausgesprochen  habe,  der  die  Taube  auf 
diesen  Bildern  wegwünscht.  Mir  scheint  es,  sie  gehöre  hin- 
ein, um  die  Versammlung  von  jeder  andern  zu  unterscheiden 
und  weil  die  Taube  ein  ganz  unverfängliches,  uralt  gehei- 
ligtes Symbol  ist.  Auf  einem  schönen  alten  Bilde  zu  Baldern 
gehen  von  der  Taube  Strahlen  aus,  die  in  Flammenfunken 
enden  und  auf  die  Häupter  der  Apostel  fallen.  Kunstblatt 
1847.   S.  14. 

Der  Gegensatz  gegen  den  Teufel  wird  abweichend  in 
einem  merkAvürdigen  alten  Miniaturbild  durch  eine  Taube  mit 
Pfauenschweif  ausgedrückt,  die  eine  grosse  bunte  Schlange 
beisst.  Waagen,  Paris  273.  Dass  hier  die  Schlange,  und 
nicht  wie  gewöhnlich  der  Rabe  den  Gegensatz  zur  Taube 
bildet,  bezieht  sich  wohl  auf  die  Ermahnung:  „Seyd  klug 
wie  die  Schlangen  und  ohne  Falsch  wie  die  Tauben."  Matth. 
10,  14.  Der  bunte  Pfauenschweif  soll  vielleicht  das  Viel- 
wissen, die  Klugheit  bezeichnen,  worin  der  heilige  Geist 
der  alten  Schlange  gleicht,  ohne  ihre  Bosheit.  —  Auf  dem 
salomonischen  Throne  sass  eine  goldne  Taube,  die  einen 
Habicht  unter  sich  hatte,  Sinnbild  des  Volkes  Gottes,  nach- 
dem es  die  Aegypter  (deren  Sinnbild  der  Habicht  war)  über- 
wunden hatte.  Augusti,  Denkw.  XH.  345.  Derselbe  leitet 
davon  die  zu  Pfingsten  üblichen  Vogelschiessen  her.  Durch 
den  heiligen  Geist  wird  der  böse  Raubvogel  der  Hölle  be- 
siegt, deshalb  schiesst  das  Volk  am  Pfingstmontag  auf  einen 
hoch  an  einer  Stange  befestigten  Raubvogel.  —  Mit  dieser 
Symbolik  hängt  zusammen,  dass  der  Teufel  aller  Thiere  Ge- 
stalt annehmen  kann,  nur  nicht  die  der  Taube  (MajoU^  dies 
canic.  1691.  p.  406.),  und  dass  die  Russen  zwar  Tauben  in 
Menge  halten  und  mit  grosser  Liebe  pflegen,  aber  niemals 
essen.    Kohl,  Petersburg  I.  130. 

Wir  gehen  nun  zur  marianischen  Symbolik  über.  Das 
Columbarium ,    das   gewöhnlich  silberne   Gefäss ,    worin  im 


443  Taube. 

früheren  Mittelalter  das  Sakrament  des  Altars  aufbewahrt 
wurde,  hatte  Taubengestalt.  Binterim,  Denkw.  II.  2.  147. 
Kugler,  Kunstgeschichte  S.  380.  Hier  kann  unter  der  Taube 
nicht  der  heilige  Geist,  sondern  muss  die  Gottesmutter  ver- 
standen werden,  .die  den  heiligen  Leib  in  sich  getragen. 
Maria  wird  sehr  oft  mit  einer  Taube  verglichen.  Maria,  die 
sündenlose ,  heisst  die  Taube  ohne  Galle.  Conrad  von  Würz- 
burg, goldne  Schmiede  Vers  570,  herausgegeben  von  Grimm 
S.  XXXVII,  wo  noch  anderer  altdeutscher  Marienlieder  ge- 
dacht ist,  die  dasselbe  Bild  gebauchen.  Augustinus,  contra 
Faust.  XII.  20,  vergleicht  Marien  der  Taube  Noä,  die  zur 
Arche  zurückgekehrt  sey,  um  nicht  auf  Unreines  zu  treten 
(wie  der  Rabe  that). 

Unsre  Liebe  Frau  soll  nach  Gumppenberg,  marian.  Atlas 
Nr.  597,  sich  selbst  in  Gestalt  einer  Taube  zu  Erfurt  auf  den 
zum  Kreuz  gebrochenen  und  in  die  Erde  gesteckten  Stab  eines 
alten  Weibes  gesetzt  haben,  zum  Wahrzeichen,  dass  hier 
eine  Kirche  gegründet  werden  solle.  Nach  demselben,  Nr.  71, 
und  Weber,  Tirol  III.  372,  sollte  zu  Schnals  in  Tirol  der 
Mutter  Gottes  eine  Kirche  gebaut  werden,  aber  die  Zimmer- 
leute hieben  sich  mit  den  Aexten  selber  und  verwundeten  sich. 
Da  trugen  Tauben  die  blutigen  Späne  auf  den  St.  Georgen- 
berg, zum  Wahrzeichen,  dass  man  die  Kirche  dort  oben 
bauen  solle.  Das  hier  befindliche  Muttergottesbild  wird  in 
Ehesachen  angerufen;  auch  steht  eine  Linde  dabei.  Tauben 
umflogen  den  Platz,  wo  der  Madonna  eine  Kirche  gebaut 
werden  sollte,  zu  Messina,  Gumppenberg  Nr.  91,  und  ent- 
deckten ein  Bild  derselben  in  einer  Höhle  von  Navarra,  das. 
Nr.  498.  —  Der  heilige  Benno  sah  einst,  wie  Tauben  aus 
Körnern  den  Namen  Maria  zusammensetzten;  an  derselben 
Stelle  baute  er  das  Kloster  Altenzell.  Weber,  Möncherei 
I.  106.  —  Zu  Dronghen  bei  Gent  wird  ein  wunderthätiges 
Marienbild  verehrt,  das  einst  aus  Unwillen  eine  Kirche,  in 
der  es  nicht  geachtet  wurde,  verlassen  hatte  und  durch  vor- 
ausfliegende Tauben  den  Ort  bezeichnen  Hess,  wo  es  auf's 
Neue   aufgerichtet    seyn   wollte.      Wolf,    deutsche   Märchen 


Taube.  443 

Nr.  296.  —  Annibal  Carracci  malte  die  Flucht  nach  Aegyp- 
ten  in  der  Art,  dass  Tauben  der  heiligen  Familie  voran- 
fliegen. 

Die  Taube  ist  ferner  ein  Sinnbild  der  Seele.  Vögel  über- 
haupt wurden  als  Seelen  Verstorbener  genommen ,  die  Taube 
insbesondere  aber  als  die  Seele  selig  Verstorbener.  So  kom- 
men sie  auf  den  ältesten  Christengräbern  in  den  Katakomben 
vor,  und  zwar  neben  dem  schon  beschriebenen  Sinnbild  der 
Taube  Noä,  die  damit  nicht  verwechselt  werden  darf.  In 
der  Bedeutung  von  Seligen  picken  die  Tauben  nach  Frucht- 
körben, welche  die  himmlischen  Früchte  eines  gerechten 
Wandels  auf  Erden  und  die  Freuden  der  Seligkeit  darstellen. 
Aringhij  Borna  subt.  1.  281.  283.  II.  101.  Tauben,  die  an 
einer  Weintraube- picken  oder  an  einem  Becher,  bei  Twining 
pl.  86,  bedeuten  wohl  die  Seelen,  die  durch  das  Blut  Christi 
selig  geworden  sind.  In  den  Gräbern  der  Katakomben  ist 
der  Taube  oft  der  Palmzweig  zugesellt,  als  Zeichen  der  durch 
den  Martyrtod  ersiegten  Seligkeit.  Vier  Tauben  um  eine 
Palme  auf  einer  Lampe  bei  Bottari  III.  tah,  209.  scheinen 
auf  den  Sieg  des  Lichts  in  den  vier  Evangelien  gedeutet 
werden  zu  müssen,  und  haben  keine  Beziehung  auf  das 
Martyrium,  das  sonst  gewöhnlich  durch  die  Palme  bezeich- 
net wird. 

In  vielen  Legenden  scheidet  die  reine  Seele  des  Heiligen 
in  Taubengestalt  aus  seinem  Leichnam.  So  schwebte  die  Seele 
des  heiligen  Polycarpus  aus  dem  Scheiterhaufen,  auf  dem  er 
verbrannt  worden,  zum  Himmel  auf;  desgleichen  die  Seele 
der  heiligen  Eulalia.  So  schwebte  die  Taube  aus  dem  Munde 
der  sterbenden  h.  Scholastica.  Aus  dem  Grabe  des  h.  Adrian, 
Potitus,  Wilhelm  etc.  Vgl.  die  Register  der  Acta  SS.  sub 
voce  columba.  Zum  Grabe  des  h.  Medardus  flogen  zwei 
Tauben  und  bald  darauf  flogen  ihrer  drei  davon,  denn  die 
Seele  des  Heiligen  hatte  sich  zu  ihnen  gesellt.  Viele  Tauben 
mit  Blumen  im  Munde  flogen  zum  sterbenden  Alessio  Fal- 
conieri  (Bild  des  Peter  von  Cortona),  wahrscheinlich  Selige, 


444  Taube. 

die  ihn  willkommen  hiessen  im  Jenseits.  Aus  dem  Meer,  wo 
ein  Schiff  versunken  ist,  erheben  sich  nach  spanischem  Volks- 
glauben die  seligen  Seelen  der  Ertrunkenen  als  Tauben  und 
fliegen  zum  Himmel.    Clarus,  span.  Lit.  I.  262. 

Vögel  auf  einem  Baume  singend  waren  ein  durch  das 
ganze  Mittelalter  beliebtes  Bild  für  die  Seligen  im  Paradiese. 
Dasselbe  Bild  noch  bestimmter  ausgedrückt  sind  die  auf  dem 
Baum  Peridiroion  nistenden  Tauben,  die  vollkommen  sicher 
sind  vor  den  umher  lauernden  Drachen,  weil  der  blosse 
Schatten  des  Baumes  diesen  Drachen  tödtlich  ist.  Nach  Isi- 
dorus  bei  Conrad  von  Megenberg  s.  v. 

In  der  Legende  der  heiligen  Columba  von  Beate  lernen 
wir  dem  Namen  wie  dem  Wesen  nach  eine  Taubenseele 
kennen ,  einen  unschulds vollen  Engel  unter  den  Teufeln ,  eine 
weisse  Taube  flatternd  im  Sturm  der  Welt.  Diese  berühmte 
Nonne  von  Perugia  war  geboren  im  Jahre  1467.  Während 
sie  getauft  wurde,  flog  eine  weisse  Taube  herbei,  daher  ihr 
Name.  Schon  als  Kind  fastete,  betete  sie,  kasteite  sich,  hatte 
Visionen.  Christus  erschien  ihr  und  ihm  gelobte  sie  sich  zur 
Braut.  Als  man  sie  zu  einer  andern  Heirath  zwingen  wollte, 
wehrte  sie  sich  standhaft  und  entfloh.  Die  Teufel  verfolgten 
sie  und  erweckten  rings  um  sie  her  Ungewitter,  aber  kein 
Blitz,  kein  Wind,  kein  Regentropfen  berührte  das  fromme 
Mädchen.  Freche  Jünglinge  überfielen  sie  und  wollten  ihr 
Gewalt  anthun ;  als  ^sie  sie  aber  entblössten  und  unter  ihrem 
Gewände  ihren  schönen  jugendlichen  Leib  durch  den  Stachel- 
gürtel und  eiserne  Ketten,  die  sie  sich  zur  Fleischestödtung 
angelegt,  zerfetzt  fanden,  wichen  sie  entsetzt  von  ihr.  Endlich 
fand  sie  Ruhe  in  einem  Kloster  zu  Perugia,  wo  sie  viele 
Wunder  that.  Kranke  heilte,  mit  Dämonen  kämpfte  und  von 
Christo  und  den  Heiligen  besucht  wurde.  Ihre  einzige  Speise 
soll  das  heilige  Abendmahl  gewesen  seyn.  Der  Zufall  wollte, 
dass  einmal  der  ruchlose  Papst  Alexander  VI.  nach  Perugia 
kam ,  dem  Columba  in  Demuth  den  Fuss  küsste.  Man  dente 
sich  den  Contrast  seiner  Laster  und  ihre  Unschuld.    Columba 


Taube.  445 

starb,  wie  sie  vorausgesagt  hatte,  im  33sten  Jahre,  um  Christo 
zu  gleichen.    Acta  SS.  20.  Mai. 

In  der  Lyoner  Kunstausstellung  von  1846  fand  sich  ein 
hübsches  Bild  von  Etex,  darstellend  Adam  und  Eva,  wie 
sie  eine  todte  Taube  staunend  und  im  ahnungsvollen  Schrecken 
betrachten,  weil  es  das  erste  todte  Wesen  ist,  welches  sie 
sehen.  Dem  liegt  die  symbolische  Bedeutung  der  Taube  zu 
Grunde.  Indem  Adam  und  Eva  ihre  Unschuld  verloren, 
starb  sinnbildlich  die  Taube.  Doch  ist  das  Motiv  zu  senti- 
mental für  den  kirchlichen  Ernst. 

Die  sieben  Tugenden ,  die  man  im  Mittelalter  der  Taube 
zuschrieb,  haben  nur  die  Zahl  von  den  sieben  Gaben  des 
heiligen  Geistes  entlehnt,  nicht  das  Wesen.  Auch  lassen  sie 
sich  nicht  auf  die  heilige  Jungfrau  beziehen,  noch  auf  die 
Seligen.  Sie  gehören  rein  der  natürlichen  Taube  an.  1)  Si 
hat  der  galten  niht.  2)  Si  enizet  deheines  botiches  (Aas)  niht^ 
noch  enkeines  wurmes.  3)  Si  fuoret  (speiset,  nährt)  sich  mit 
dem  Samen:  diu  besten  körn  weit  si^  diu  hosten  verwidert  si 
(verschmäht  sie).  4)  Ir  sanges  pfleget  si  niuwan  (nur)  kumende 
unde  wuoffende  (seufzend  und  jammernd).  5)  Si  ziuhet  ouch 
vil  emzige  fremediu  jungide.  6)  Si  lU  gerne  bt  dem  wazzer, 
daz  si  den  schate  gesehen  mege^  swene  si  der  habech  vähen  wiL 
7)  In  den  steinen  oder  in  den  holn  machet  si  ir  nest.  In  Haupts 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  1,  287.  von  Pfeiffer  mit- 
getheilt  aus  der  Münchener  Pergamenthandschr.  39.  aus  dem 
12ten  Jahrhundert. 

Zwei  Täubchen  in  einem  Korbe  stellen  das  Opfer  im 
Tempel  dar  auf  allen  Bildern  der  Reinigung  Maria  oder 
Opferung.  Sie  werden  als  Sinnbild  der  ehelichen  Liebe  und 
Treue  aufgefasst.  Die  gleichfalls  in  Körbeu  gefangenen  Tauben 
der  Verkäufer  im  Tempel  bedeuten  dagegen  die  weltliche 
Habgier  in  der  Kirche,  dasselbe  was  die  Simonie.  Vgl.  den 
Artikel  Simon  Magus. 


446  Taubstumm. 


Taubstumm. 


•  Der  heilige  Avitus,  ein  frommer  Möncli  des  6ten  Jahr- 
hunderts aus  Orleans,  ging  aus  Demuth  in  die  Wildniss  und 
lebte  als  Einsiedler.  Da  kamen  einmal  bei  Nacht  zwei  taub- 
stumme Brüder  zu  ihm,  arme  Hirten,  die  sich  ihre  erloschenen 
Fackeln  bei  seiner  Lampe  wieder  anzünden  wollten.  Der 
Heilige  gestattete  es  ihnen,  zündete  ihnen  aber  zugleich  ein 
noch  schöneres  Licht  des  Geistes  an,  indem  er  ihnen  die 
Sprache  wiedergab.    Die  Kirche  verehrt  ihn  am  17.  Juni. 

Taufe. 

Der  deutsche  Name  kommt  schwerlich  her  vom  hebräi- 
schen tafa  (in  der  Bedeutung  von  Untertauchen),  sondern 
vom  deutschen  teufen,  vertiefen,  in  die  Tiefe  thun,  d.  h. 
gleichfalls  untertauchen. 

Die  allgemeinste  Bedeutung  der  Taufe  ist  Abwaschung, 
Reinigung  von  alter  Befleckung  und  Herstellung  des  ur- 
sprünglich Reinen  und  Schönen,  woran  sich  aber  auch  der 
Begriff  des  Eingehens  in  ein  ganz  neues  Element  knüpft. 
Durch  die  Taufe  wurde  das  alte  Heidenthum  und  Judenthum 
vom  Menschen  abgewaschen,  aber  der  Mensch  trat  zugleich 
in  ein  ganz  neues  Element  ein,  indem  er  Christ  wurde. 

Die  Abwaschung  im  Taufwasser  tilgt  nicht  die  Sünde 
des  Getauften,  denn  die  letztere  kann  nicht  durch  Was- 
ser, sondern  nur  durch  das  Blut  des  Heilands  abgewaschen 
werden.  Darum  heisst  es:  Johannes  tauft  mit  Wasser, 
aber  Christus  mit  Feuer,  Matth.  3,  11.  Die  Taufe  ist  aber 
unerlässliche  Bedingung  des  Christenthums.  Christus  gebot, 
alle  Völker  zu  taufen  im  Namen  Gottes  des  Vaters,  des 
Sohnes  und  des  heiligen  Geistes,  Matth.  28,  18.  Wer  nicht 
getauft  ist,  kann  auch  nicht  in  den  Himmel  kommen,  mit 
einziger  Ausnahme  der  Märtyrer,  die  in  dem  Blut  getauft 


Taufe.  447 

sind,  das  sie  für  Christum  vergossen  haben.  Ungetauft  ge- 
storbene Kinder  können  nicht  in  den  Hinamel  kommen,  aber 
auch ,  weil  sie  nur  die  Erbsünde ,  nicht  aber  eine  persönliche 
Sünde  an  sich  haben,  nicht  in  die  Hölle,  daher  ist  ihnen 
der  Limbus  vorbehalten.  Da  die  Abwaschung  jedenfalls  nicht 
körperlich,  sondern  geistig  zu  verstehen  ist  und  das  körper- 
liche Waschen  insofern  nur  symbolisch  ist,  konnte  die  Kirche, 
wie  sie  gethan,  zuletzt  mit  der  Besprengung  des  Täuflings 
sich  genügen  lassen,  während  früher  ein  völliges  Unter- 
tauchen verlangt  wurde.  Aber  auch  dieses  Untertauchen  hatte 
nur  die  symbolische  Bedeutung  des  gänzlichen  Eingehens  in 
ein  neues  Element ,  die  Verwandlung  der  Seele  in  den  christ- 
lichen Fisch,  der  von  nun  an  im  Element  des  heiligen  Geistes 
lebt.  —  Alttestamentalisches  Vorbild  der  Abwaschung  durch 
die  Taufe  ist  die  Sündfluth. 

Durch  Abwaschung  der  Erbsünde  wird  gleichsam  für 
den  Täufling  der  paradiesische  Zustand  vor  dem  Sündenfall 
wiederhergestellt.  Darum  soll  der  Täufling  nackt  seyn,  wie 
die  ersten  Eltern  im  Paradiese.  Dies  bezeichnet  den  Zustand 
der  Unschuld,  zugleich  aber  auch  die  allgemeine  Gleichheit 
vor  Gott  nach  Galater  3,  28:  „Hier  ist  kein  Jude,  noch 
Grieche,  kein  Knecht,  noch  Freier,  kein  Mann,  noch  Weib, 
ihr  seyd  allzumal  Einer  in  Jesu.^  Das  ist  die  Gemeinschaft 
des  heiligen  Geistes,  der  als  Taube  über  dem  Taufwasser 
schwebt  wie  über  den  ersten  Wassern  der  Schöpfung.  Für  die 
Schicklichkeit  wurde  in  den  ältesten  Zeiten  gesorgt  durch 
tiefe  und  enge  Tauf  brunnen  oder  Taufkessel.  Als  das  Unter- 
tauchen aufhörte  und  das  Besprengen  genügte,  bedurfte  es 
auch  der  Nacktheit  nicht  mehr. 

Da  die  Erbsünde  in  dem  Sündenfall  unserer  ersten  Eltern 
im  Paradiese  wurzelt,  und  dieser  aus  Verführung  der  Eva 
durch  den  Teufel  hervorging,  so  kann  die  Erbsünde  auch 
nicht  abgewaschen  werden  ohne  feierliche  abrenuntio  diaboli 
im  Namen  des  Täuflings,  wenn  er  noch  Kind  ist,  durch  die 
Pathen,    In  den  ersten  Jahrhunderten  entsagte  man  aber  bei 


448  Taufe. 

der  Taufe  nicht  blos  dem  Teufel,  sondern  auch  den  Götzen, 
dem  Heidenthum  und  dessen  verführerischen  Reizen.  Und 
dreimal  hauchte  der  Priester  in  die  Augen  und  Ohren  des 
Täuflings,  um  sein  Gesicht  und  Gehör  zu  stählen  gegen  die 
Verlockungskünste  des  Satans  und  der  Welt. 

Auch  in  den  Taufzeiten  lag  Symbolik.  Sofern  man 
nämlich  in  den  früheren  Zeiten  die  Erwachsenen  in  Masse 
taufte,  nachdem  sie  zuvor  im  Glauben  unterrichtet  worden 
waren,  wählte  man  zu  Tauftagen  die  Oster-  und  Pfingst-, 
später  auch  Weihnachtszeit  (Epiphania,  14  Tage  nach  Weih- 
nachten) aus,  also  gerade  die  Zeit,  in  welcher  sich  entweder 
(zu  Ostern  und  Pfingsten)  die  Erde  vom  Schmutz  des  Winters 
reinigt  und  das  neue  paradiesische  Kleid  des  Frühlings  an- 
zieht, oder  (Epiphania)  in  die  dunkelste  Nacht  des  Winters 
das  neue  Licht  des  Jahres  einbricht  und  ein  neues  Leben 
beginnt.  Die  geistige  Geburt  in  der  Taufe  entspricht  hier 
der  Geburt  Christi.  Der  6.  Januar  als  Christi  Tauftag  und 
allgemein  christliches  TaufFest  ist  zugleich  das  Fest  des  neuen 
Lichtes  und  folgt  auf  den  Geburtstag  Christi. 

In  den  älteren  Zeiten  wurde  der  Täufling  dreimal  unter- 
getaucht. Damit  ahmte  man  die  drei  Tage  nach,  welche 
Christus  im  Grabe  zubrachte.  Die  Taufe  löscht  das  frühere 
Leben  gleichsam  aus  und  bereitet  den  Menschen  zur  Aufer- 
stehung in  einem  neuen  Leben  vor.  Auch  mussten  die  Täuf- 
linge gen  Osten  gewendet  stehen,  um  von  da  gleichsam  das 
neue  Licht  zu  empfangen,  so  wie  man  vormals  auch  gern 
die  Todten  nach  Osten  schauend  begrub,  von  wannen  die 
Sonne  sie  zur  Auferstehung  wecken  sollte. 

Das  Taufwasser  erhielt  die  Bedeutung  von  Licht ,  Wort, 
Geist,  als  dem  neuen  heiligen  Element,  in  welchem  der 
Getaufte  leben  soll.  Das  Taufwasser  wird  zu  Ostern  feierlich 
geweiht,  und  zwar  steckt  man  die  grosse  Osterkerze  brennend 
in  das  Wasser  zum  Zeichen,  dass  alle  Weihen  von  Christo 
ausgehen  sollen.  Auch  theilt  der  Priester  das  Taufwasser  in 
vier  Theile  nach  den  vier  Flüssen  des  Paradieses,  nach  der 


Taufe.  44d 

Vierzahl  der  Evangelien,  in  welche  Geist  und  Wort  Gottes 
sich  theilen.    Rippel,  Alterthumb  der  Cäremonien  S.  89.  92. 

Man  theilt  die  Ceremonien  der  Taufe  ein  in  solche, 
welche  der  eigentlichen  Taufhandlung  vorangehen,  auf  die- 
selbe vorbereiten  und  dieselbe  versinnbilden ,  —  dahin  ge- 
hören: Die  Bekreuzung:  „Empfange  das  Zeichen  des  Kreuzes 
auf  der  Stirne  und  der  Brust,  nimm  an  den  Glauben  an  die 
himmlische  Lehre ,  und  wandle  unbefleckt ,  damit  du  von  nun 
an  ein  Tempel  Gottes  seyn  kannst!^  Das  Salz,  das  in  den 
Mund  gelegt  wird:  „Nimm  hin  das  Salz  der  Weisheit,  es 
gedeihe  dir  zum  ewigen  Leben!"  Das  Bestreichen  der  Sinne 
mit  Staub  und  Speichel:  „Epheta,  d.  i.  werde  geöffnet!" 
(Heilung  des  Taubstummen.)  Oel ,  w^omit  Brust  und  Schulter 
gesalbt  werden:  „Ich  salbe  dich  mit  dem  Oele  des  Heils, 
damit  du  das  ewige  Leben  erhaltest!"  Milch  und  Honig  ist 
wenigstens  jetzt  nicht  mehr  üblich.  Zu  den  dem  Taufacte 
vorangehenden  Handlungen  gehören  ferner  der  Exorcismus, 
die  abrenuntiatio  Satanae^  das  Bekenntniss  des  Glaubens,  jetzt 
durch  die  Pathen  im  Namen  des  Täuflings  abgelegt.  Die 
nachfolgenden  Ceremonien  sind:  Die  Salbung  mit  Chrysam; 
das  Darreichen  eines  weissen  Tuches  (Erinnerung  an  die  alte 
Sitte  —  weisses  Kleid  bis  zum  weissen  Sonntag) :  „Empfange 
dieses  weisse  Kleid  und  bringe  es  unbefleckt  vor  den  Richter- 
stuhl unsers  Herrn  Jesu  Christi,  damit  du  das  ewige  Leben 
erlangest!"  Das  Darreichen  einer  brennenden  Kerze :  „Nimm 
diese  brennende  Kerze,  sey  untadelhaft  in  Bewahrung  der 
Taufgnade  und  halte  die  Gebote  Gottes  u.  s.  w."  Endlich 
spricht  der  Taufende:  „Ziehe  hin  im  Frieden  und  der  Herr 
sey  mit  dir!    Amen." 

Salz  ist  Sinnbild  des  Unverweslichen  und  Unsterblichen, 
der  Geisteskraft,  des  heiligen  Geistes  selbst.  Vgl.  den  Arti- 
kel Salz.  Oel  sänftigt  die  wilden  Leidenschaften  des  natür- 
lichen Menschen.  Man  hat  indess  auch  an  das  Salböl  der 
Ringer  gedacht,  die  sich  zum  Kampf  salben.  Weiter  der 
Gebrauch  von  Milch  und  Honig,  die  man  dem  Täufling  zu 
kosten  gab,  als  Vorschmack  des  Paradieses,  zu  dem  ihm  durch 

Menzel,  christt.  Symbolik.    II.  29 


450  Taufe,         ' 

die  Taufe  die  erste  Anwai^tschaft  gegeben  wurde.  Man  hat 
dabei  auch  an  die  Süssigkeit  des  göttlichen  Wortes  gedacht, 
doch  liegt  obige  Erklärung  näher.  Die  Täuflinge  trugen  vor- 
mals .  auch  brennende  Kerzen  in  der  Hand,  als  nunmehr 
geistig  Erleuchtete. 

Ausführlicher,  als  es  hier,  wo  nur  von  der  Symbolik 
die  Rede  ist,  geschehen  konnte,  findet  man  alle  Taufcere- 
monien  abgehandelt  in  Binterims  Denkw.  im  ersten  Bande, 
wo  auch  der  kirchlichen  Vorkehrungen  gegen  Missbrauch  der 
Taufe  und  der  häretischen  Ausschweifungen  und  Sonderbar- 
keiten umständlich  gedacht  ist.  Wir  bemerken  hier  nur:  dass 
1)  sofern  nur  ein  vernunftbegabtes  Wesen  glaubens-  und  selig- 
keitsfähig ist,  keine  Monstra,  thierähnliche  Missgeburten  etc. 
getauft  werden  können.  Dass  2)  sofern  die  erste  Taufe  vor 
Ertheilung  der  übrigen  Sakramente  vollkommen  ihrem  Zweck 
entspricht,  eine  zweite  Taufe  nicht  nur  überflüssig,  sondern 
auch  gottlos  ist.  Dass  3)  sofern  die  Taufe  eine  Einweihung 
in  ein  christliches  Leben  im  Diesseits  ist,  auch  keine  Todten 
getauft  werden  dürfen.  Dass  endlich  4)  Wasser  das  Haupt- 
element der  Taufe  seyn  und  bleiben  muss,  dem  Salz,  Oel, 
Chrysam,  Milch  und  Honig  wohl  symbolisch  assistiren  können, 
was  aber  nicht  durch  irgend  einen  andern  beliebigen  Stoff 
ersetzt  werden  kann.  (Die  Manichäer  z.  B.  tauften  wider- 
kirchlich mit  Oel.) 

Um  von  den  Ausschweifungen  der  Sekten  hier  nur  eine 
zu  erwähnen,  so  hatten  die  gnostischen  Markosianer  den 
seltsamen  Gebrauch,  das  Tauffest  zugleich  als  Hochzeitsfest 
zu  feiern.  Sie  bildeten  sich  nämlich  ein ,  der  Täufling  werde 
mit  einem  unsichtbar  anwesenden  Engel  verheirathet  und  da- 
durch Bürger  der  Engelwelt.  Die  Täuflinge  waren  damals 
meist  Erwachsene ,  und  es  lässt  sich  nicht  leugnen ,  dass  diese 
Vermählung  mit  dem  Engel  einen  gewissen  zarten  poetischen 
Reiz  gehabt  haben  mag;  allein  die  Seele  kann  nur  mit  Christo 
vermählt  werden,  mit  keinem  andern  Wesen,  und  die  gno- 
stische  Engellehre  ist  nur  eine  versteckte  Vielgötterei  gewesen. 
Vgl.  Neander,  Kirchengesch.  I.  539.  —  Am  gröbsten  haben 


Taufe.  451 

die  Lappländer  die  Taufe  aufgefasst,  indem  sie  dieselbe  nach 
jeder  schweren  Krankheit  an  sich  wiederholen  lassen.  Leems 
Nachrichten  von  den  Lappen  1771,  S.  219. 

Der  Volksaberglaube,  der  sich  an  die  Taufe  knüpft, 
schliesst  mancherlei  Symbolik  in  sich,  die  nicht  immer 
christlich,  oft  unschuldig  und  naiv,  hin  und  wieder  aber 
auch  ein  Rest  von  uralten  heidnischen  Vorurtheilen  ist.  Wenn 
der  Taufzug  über  ein  Wasser  fährt,  soll  man  Brodt  in's 
Wasser  werfen.  Grab  des  Aberglaubens  V.  306.  Dieser  ge- 
wiss sehr  alte  Brauch  scheint  ein  Opfer  für  die  heidnische 
Gottheit  (den  Nix)  im  Wasser  zu  seyn,  um  ihn  zu  versöhnen. 
Man  soll  nicht  Knaben  und  Mädchen  in  demselben  Taufwasser 
taufen,  weil  sie  sonst  später  in  Unehren  zusammenkommen. 
Temme,  Sagen  der  Altmark  S.  87.  Das  ist  ein  kirchenfeind- 
liches ,  rohes  Vorurtheil.  Das  erste  Kind ,  das  in  einem  neuen 
Taufstein  getauft  wird,  bekommt  die  Gabe,  Geister  zu  sehen. 
Grimm,  deutsche  Myth.  Anhang  vom  Aberglauben  Nr.  996. 
In  Esthland  gibt  man  den  kleinen  Mädchen  Ringe  mit  in  die 
Taufe,  damit  sie  bald  heirathen.  Ausflug  nach  Esthland  1830, 
S.  315.  So  lange  ein  Kind  nicht  getauft  ist,  soll  man  im  Hause 
das  Feuer  nicht  löschen.  Schwedischer  Aberglaube  bei  Grimm, 
deutsche  Myth.  2te  Aufl.  S.  569.  Wenn  ein  Kind  unter  der 
Taufe  weint,  wird  es  nicht  alt.   Grab  des  Aberglaubens  IV.  249. 

Die  Taufe  Christi  hat  auf  Bildwerken  ihre  besondere 
Symbolik.  —  Johannes  der  Täufer  war  der  letzte  altjüdische 
Prophet  und  hatte  als  solcher  die  Aufgabe,  im  Namen  und 
Sinn  dieses  alten  Prophetenthums  vor  dem ,  den  es  von  jeher 
verkündet,  als  er  endlich  kam,  das  bisher  nur  provisorisch 
verwaltete  Amt  niederzulegen,  nachdem  er  den  Messias  ver- 
kündet und  eingeführt.  Der  tiefe  Ernst  und  die  ascetische 
Strenge  dieses  letzten  Propheten  sollten  die  sündige  Welt 
mahnen,  welchem  feierlichen  Augenblick  sie  entgegensehen 
und  wie  sie  sich  vorbereiten  müsse.  Dass  er  an  den  Jordan 
ging,  um  in  dem  heiligen  Flusse  alle  die  zu  taufen,  die  ihn 
hörten,  hatte  zum  Zweck  die  sinnbildliche  Reinigung  der 
Seelen,   die  das  neue  Heil  empfangen  sollten,  und  zugleich 

29* 


453  Taufe. 

die  Wegwaschung  aller  alten  heidniscli  -  jüdischen  Erinne- 
rungen. Diese  Taufe  war  aber  das  Gegenbild  der  Sündfluth. 
Wie  nämlich  in  der  Sündfluth  Wasser  die  Erde  von  der  ver- 
ruchten Menschheit  reinigte;  so  sollte  das  Wasser  in  der 
Taufe  eine  bessere  Menschheit  erzeugen. 

Das  alte  Prophetenthum  war  nichts  als  Verkündigung 
des  Messias  gewesen.  Dem  entsprach  der  Ausspruch  des 
Täufers:  ^Nach  mir  wird  kommen^  der  vor  mir  gewesen  ist, 
denn  er  war  ehe  denn  ich.  Das  Gesetz  ist  durch  Mosen  ge- 
geben,  aber  die  Gnade  und  Wahrheit  durch  Jesum  Christum." 
Das  heisst,  vorher  wandelte  die  Menschheit  im  Irrthum,  ein 
strenges  Gesetz  musste  sie  zügeln  und  Wahrheit  ahnten  sie 
nur  durch  die  Propheten.  Jetzt  ist  der  Irrthum  der  Wahrheit 
und  das  Gesetz  der  Gnade  gewichen.  Ferner  sagt  der  Täu- 
fer: ;,Ich  taufe  euch  mit  Wasser,  aber  Er  wird  euch  mit 
Feuer  und  dem  heiligen  Geiste  taufen.  ^^* 

Als  Christus  zu  Johannes  in  die  Wüste  am  Jordan  kam, 
verlangte  auch  er  von  ihm  getauft  zu  werden.  Der  sünden- 
lose Messias  bedurfte  einer  solchen  Reinigung  gleich  den 
übrigen  Menschen  nicht;  allein  es  galt,  der  heiligen  Taufe 
die  sündfluthliche  Bedeutung  der  Gesetzesstrenge  zu  nehmen 
und  ihr  die  neutestamentalische  der  Begnadigung  zu  geben, 
wie  Petrus  sagt  1.  Brief  3,  20.  Vgl.  auch  Ezechiel  36,  25. 
Zum  zweitenmal,  wie  Tertullian  sagt  (von  der  Taufe  3.)? 
schwebte  der  Geist  Gottes  über  dem  Wasser;  wie  einst  über  dem 
Wasser  der  Geburt,  so  jetzt  über  dem  der  Wiedergeburt;  wie 
einst  der  schaffende,  so  jetzt  der  erlösende  Geist.  Deshalb  hat 
die  Kirche  den  Gedächtnisstag  der  Taufe  Christi  auf  den  Tag 
Epiphania  (6.  Januar)  verlegt,  an  welchem  die  zwölf  finstersten 
Nächte  des  Jahres  endigen  und  die  Sonne  neugekräftigt  ihren 
Lauf  beginnt,  indem  von  nun  an  die  Tage  immer  länger  werden. 

Zugleich  bezieht  sich  diese  Zeitbestimmung  auch  auf  den 
Wandel  Christi  auf  Erden  selbst,  denn  wie  die  Sonne  vom 
Tag  Epiphania  an,  so  beginnt  Christus  sein  Amt  mit  der 
Taufe.    Sie  ist  seine  Inauguration,  seine  Einweihung  in's  Amt. 

Nach  Ev.  Matth.  3,  14.  weigerte  sich  Johannes,  Christum 


Taufe.  453 

zu  taufen,  da  er  eher  nöthig  hätte,  von  ihm  getauft  zu 
werden.  Aber  Christus  antwortete:  „Es  gebührt  uns,  alle 
Gerechtigkeit  zu  erfüllen."  Das  kann  heissen:  ich  w^ill  mich 
wie  alle  andern  Menschen  unter  das  Gesetz  stellen;  oder:  ich 
will  die  ganze  Periode,  in  der  das  Gesetz  herrschte,  vollen- 
den, um  die  neue  Periode  der  Gnade  einzuführen. 

Als  aber  Jesus  in's  Wasser  gestiegen  war  und  Johannes 
ihn  taufte,  schwebte  der  Geist  Gottes  über  ihm  in  Gestalt 
einer  Taube  und  eine  Stimme  aus  der  Höhe  rief:  „Das  ist 
mein  lieber  Sohn,  an-  dem  ich  Wohlgefallen  habe."  Indem  aber 
der  vom  Vater  gesendete  Sohn  bei  der  Taufe  durch  die  Taube 
(den  heiligen  Geist)  verkündet  wurde,  war  dieses  Erscheinungs- 
fest zugleich  die  Offenbarung  der  heiligen  Dreieinigkeit. 

Nach  Job.  1,  29.  sagte  Johannes  zu  seinen  Jüngern  mit 
Bezug  auf  Christus:  „Sehet,  das  ist  das  Lamm  Gottes,  das 
der  Welt  Sünde  trägt,"  womit  er  seinen  hohen  Messiasberuf 
am  einfachsten  bezeichnete.  Bedeutsame  Sinnbilder,  die  Taube 
und  das  Lamm.  Wie  nach  der  Sündfluth  die  Friedenstaube, 
so  erscheint  auch  hier  die  Taube  als  Sinnbild  der  Gnade, 
nachdem  die  Schrecken  der  Gerechtigkeit  erfüllt  sind.  Wie 
nach  der  langen  Gefangenschaft  in  Aegypten  das  Opferlamm 
die  Wallfahrt  zum  gelobten  Lande  verkündet ,  so  hier  wieder 
nach  der  Kerkerfinsterniss  des  Heidenthums  und  Judenthums 
weist  das  Lamm  den  Weg  zum  Himmel. 

Auf  Bildern  der  Taufe  Christi  ist  entweder  die  Erschei- 
nung der  heiligen  Dreieinigkeit  oder  die  Beziehung  auf  die 
Erlösung  der  Menschen  durch  die  Demuth  und  Erniedrigung 
des  Heilands  die  Hauptsache.  Ln  erstem  Fall,  besonders 
auf  altern  Bildern ,  fehlt  die  Taube  und  wenigstens  die  Hand 
Gottes  nie,  wenn  nicht  der  Himmel  mit  allen  seinen  Heer- 
schaaren  sich  aufthut.  Im  letztern  Fall  tritt  die  himmlische 
Parthie  mehr  zurück  und  die  menschliche  in  den  Vordergrund. 
Das  wird  vornehmlich  ausgedrückt  durch  das  Sinnbild  des 
Hirsches,  der  aus  dem  Jordan  trinkt,  während  Christus  von  Jo- 
hannes getauft  wird.  Der  Hirsch  bedeutet  die  nach  dem  christ- 
lichen Heil  dürstende  Menschheit.    Vgl.  den  Artikel  Hirsch. 


454  Taufe. 

Auf  altern  Miniaturen  und  Mosaiken  ist  Gott  Vater  nur 
durch  eine  Hand  angedeutet ,  die  aus  den  Wolken ,  oder  aus 
dem  dreifachen  Kreise  (den  drei  Himmeln,  vgl.  den  Artikel 
Regenbogen),  oder  aus  einem  Kranz  von  Sternen  (Didron, 
icon.  p.  210.)  herunterlangt,  auf  Christum  zeigend  und  zu- 
gleich gleichsam  die  Taube  entlassend.  Auf  spätem  Bildern 
präsentirt  sich  dagegen  oft  Gott  Vater  in  voller  Herrlichkeit, 
umringt  von  den  himmlischen  Chören.  Dadurch  wird  aller- 
dings die  Aufmerksamkeit  von  der  Taufe  unten  im  Jordan 
abgezogen;  allein  wenn  die  Offenbarung  des  dreieinigen 
Gottes  dargestellt  werden  will,  so  darf  das  Taufbild  nicht 
als  blos  menschliches  Genrebild  aufgefasst  werden. 

Die  Taube  erscheint  in  der  gewöhnlichen  Weise  als 
Symbol  des  heiligen  Geistes  mit  dem  durchkreuzten  Nimbus, 
aus  dem  Schnabel  excentrische  Strahlen  ausgiessend.  Sehr 
ausnahmsweise  giesst  sie  eine  Urne  mit  Wasser  auf  Christum 
aus  in  einem  Basrelief  der  Königin  Theudelinde  zu  Monza 
bei  Mailand.    Miliin,  Reise  in  der  Lombardei  I.  586. 

Christus  wird  bei  der  Taufe  im  Jordan  auf  altern  Bil- 
dern nicht  nackt,  sondern  mit  dem  Königsmantel  bedeckt 
gemalt,  weil  er  hier  ein  integrirender  Theil  der  sich  zum 
erstenmal  offenbarenden  Dreieinigkeit  ist.  Vgl.  Didron^  man. 
p.  163,  wo  jedoch  diese  Motivirung  noch  nicht  erkannt  ist. 
Auf  Bildern  der  griechischen  Kirche  steht  Christus  auf  einem 
viereckigen  Stein ,  aus  dessen  Seiten  vier  Schlangen  züngeln. 
Didron,  man.  XLIV.  164.  165.  Die  Erklärung  der  Schlangen 
fehlt.  Die  Schlangen  können  jedoch  hier  schwerlich  etwas 
Anderes  bedeuten,  als  was  die  vier  Flüsse,  die  auf  andern 
Bildern  so  oft  aus  dem  Felsen  fliessen ,  auf  welchem  Christus 
steht,  nämlich  die  vier  Evangelien  oder  die  vier  Cardinal- 
tugenden.  Die  Schlange  scheint  hier  lediglich  in  der  Be- 
deutung als  Heilsschlange  genommen  werden  zu  müssen.  — 
In  der  neuen  Malerei  hat  man  von  der  Symbolik  abstrahirt 
und  vielmehr  Charakteristik  und  physiognomischen  Ausdruck 
in  die  Bilder  gelegt.  Daher  die  zahllosen  genreartigen  Bilder 
von    der    Taufe   Christi,    in    denen   vor   einem    malerischen 


Taufe.  455 

Hintergrunde,  ein  reizendes  Ufer  darstellend,  der  fast  ganz 
nackte  Heiland,  eine  weissglänzende  Jünglingsgestalt,  von 
dem  gebräunten  Johannes  getauft  wird.  Christus  zeigt  auf 
diesen  Bildern  durchgängig  die  ganze  tiefe  Demuth  der 
menschlichen  Natur,  die  Hingebung  und  Selbsterniedrigung 
im  Gegensatz  gegen  die  ältere  Auffassung  auf  den  Bildern, 
die  vorzugsweise  an  die  Epiphanie  der  Dreifaltigkeit  dachten. 
Für  den  Kunsthistoriker  hat  die  naive  Auffassung  des 
Jordanflusses  auf  den  ältesten,  noch  der  Heidenzeit  nahe- 
stehenden Bildern  einiges  Interesse,  was  jedoch  für  die  christ- 
liche Symbolik  durchaus  gleichgültig  ist.  Der  Jordan  wird 
nämlich  noch  in  antiker  Weise  als  männlicher  Flussgott  dar- 
gestellt. Didrori)  man.  p.  163.  Noch  seltsamer  sind  die  zwei 
Knaben  mit  der  Ueberschrift  Jor  und  Dan.,  die  grosse  Urnen 
ausgiessen  und  gemeinschaftlich  den  Fluss  bedeuten  sollen. 
Didrony  icon.  p.  210.  Wichtiger  für  die  christliche  Symbolik 
sind  dagegen  die  Fische,  die  unter  dem  Wasser  zu  dem  ge- 
tauften Heiland  schwimmen.  Didron,  icon.  p.  542  (auf  Mi- 
niaturen des  14ten  Jahrhunderts).  Sie  bezeichnen  nämlich 
die  künftigen  Christen,  die  der  Taufe  theilhaftig  werden  sollen. 
Auf  neuern  Bildern  kommt  dagegen  viel  Volk  vor ,  was  sich 
mit  Christo  von  Johannes  taufen  lässt,  den  Vordergrund 
ausfüllt,  aber  die  heilige  Handlung  der  Taufe  Christi  selber 
doch  eigentlich  nur  stört.  In  der  Zeit,  in  welcher  die  Kirchen- 
malerei profanirt  wurde,  suchten  die  Maler  in  den  Gruppen 
schöner  Männer  und  Frauen  am  Ufer  des  Jordan  rein  welt- 
liche Effecte.  Davon  unterschied  sich  jedoch  Baphael  mit 
seinem  durchaus  symbolisch  gehaltenen  schönen  Bilde  in  den 
Logen.  Hier  nämlich  schweben  und  knien  in  tiefer  Andacht 
Engel  hinter  dem  Täufer  Johannes,  w^ährend  der  Heiland 
selbst  von  allerlei  sündigem  Volk  umgeben  ist.  Christus  er- 
scheint somit  hier  ganz  in  seiner  Menschheit,  der  Täufer  aber 
in  der  Fülle  des  ihm  von  Gott  verliehenen  Prophetenamtes. 
—  Auf  einem  Bilde  von  Schoreel  (Johann  van  Eyck  von 
Joh.  Schopenhauer  IL  70.)  zeichnet  sich  bei  der  Taufe  Christi 
die    reizende    Gruppe   dreier    Frauen    aus,    die   zur   Taube 


456  Taufe. 

emporblicken  und  unter  denen  man  Glaube,  Liebe  und  Hoff- 
nung verstehen  könnte. 

In  der  biblia  pauperum  ist  das  alttestamentalische  Vorbild 
der  Taufe  Christi  der  Durchgang  der  Kinder  Israel  durch's 
rothe  Meer  und  die  Tragung  der  grossen  Weintraube  durch 
Josua  und  Caleb.  Heinecken,  Nachrichten  von  Künstlern 
II.  121.  Sinnige  Symbole,  wesentlich  verschieden  von  dem 
alttestamentalischen  Vorbild  der  allgemeinen  Christentaufe 
(der  Sündlluth),  und  vielmehr  bezüglich  auf  das  Leiden  und 
Sterben,  dem  sich  der  Messias  durch  seine  Menschwerdung 
unterzog. 

In  der  Kirche  St.  Johannes  in  fönte  zu  Ravenna  ist  der 
getaufte  Heiland  von  den  zwölf  Aposteln  umgeben.  Auf  einem 
byzantinischen  Miniaturbild  sind  alle  zwölf  Apostel  dargestellt, 
wie  sie  das  Sakrament  der  Taufe  verrichten.  Waagen,  Paris 
S.  215.  Sonst  kommt  nur  St.  Thomas  häufig  als  Täufer  des 
Mohren  vor.  Symbolisch  ist  die  Taufe  des  grossen  Christoph 
durch  das  Christkind,  welches  er  trägt.  Er  bedeutet  nämlich 
die  rohe,  aber  gutartige  Kraft  der  heidnischen  Völker,  die 
das  Heil  empfingen.  Vgl.  den  Artikel  Christoph.  Symbolisch 
scheint  auch  die  Legende  der  heiligen  Nothburga  aufgefasst 
werden  zu  müssen,  die,  nachdem  sie  neun  Kinder  zugleich 
geboren,  ihren  Stab  in  die  Erde  steckte  und  dadurch  eine 
Quelle  erweckte,  in  deren  Wasser  sie  die  Kinder  taufte. 
Acta  SS.  26.  Januar.  —  Eine  der  merkwürdigsten  Tauf- 
legenden ist  die  des  heiligen  Gelasius  von  Heliopolis.  Derselbe 
wollte  zur  Verhöhnung  der  Christen  die  Ceremonien  der 
Taufe  unter  possenhaften  Geberden  an  sich  vollziehen  lassen, 
als,  indem  das  Wasser  auf  ihn  floss,  der  heilige  Geist  über 
ihn  kam  und  er  plötzlich  ein  wahrer  Christ  wurde,  wofür 
er  durch  das  Schwert  den  Tod  litt,  im  3ten  Jahrhundert 
27.  Februar.  —  St.  Maurus,  Eremit  zu  Hui  in  den  Nieder- 
landen, wurde  todt  geboren,  daher  sein  Name  {mortuus  natus)j 
aber  durch  die  Taufe  lebendig.  Bei  einer  Ueberschwemmung 
blieb  die  Kirche,  in  der  sein  Grab  ist,  von  rings  umstehen- 
dem Wasser  unberührt.     15.  Januar, 


Taufsteln.  457 


Taufstein.    " 

Man  tauft  entweder  in  Taufbrunnen,  Taufsteinen  oder 
in  Taufbecken,  die  in  den  Stein  eingelassen,  oder  von 
(meist  metallenen)  Taufständern  getragen  werden.  In  den 
ältesten  Zeiten  des  Christenthums  waren  ausserhalb  der 
Kirchen  eigene  Taufhäuser  (Baptisterien)  erbaut,  in  denen 
getauft  wurde,  w'eil  in  die  Kirche  selbst  noch  keine  Unge- 
tauften  eingehen  durften.  Diese  Baptisterien  waren,  wegen 
der  Menge  von  Täuflingen  in  den  Zeiten  der  grossen  Bekeh- 
rungen, ziemlich  umfangreich  und  wurden  hoch  gebaut,  so 
dass  sie  von  den  thurmlosen  Kirchen  unabhängigen  Thürmen 
glichen.  Als  später  die  Taufsteine  wenigstens  in  die  Vor- 
hallen der  Kirchen  verlegt  wurden,  entstanden  auch  die 
Thürme  an  den  Kirchen  selbst,  indem  gleichsam  die  Bapti- 
sterien in  sie  einrückten.  Vgl.  Kreuser,  Kirchenbau  I.  161. 
Der  Taufstein  gehört  auf  die  linke  Seite  der  Vorhalle  von 
der  Eingangsthür  aus.  Doch  finden  Ausnahmen  statt.  Zuletzt 
ist  er  bis  nahe  vor  den  Altar  gerückt. 

Das  Taufbecken  variirt  in  allen  Formen  von  der  flachen 
Schaale  bis  zum  vertieften  Becher,  und  die  Taufsteine  und 
Ständer  entsprechen  diesen  Formen  als  deren  Unterlage.  Das 
Becken  ist  kreisrund  oder  rosettenf örmig ,  sechs-  und  acht- 
eckig. Der  Taufstein,  meist  becherförmig,  hat  vier  Seiten 
nach  den  vier  Paradiesesflüssen ,  Cherubim  und  Evangelisten, 
die  ihm  daher  oft  als  Karyatiden  dienen,  oder  acht  Seiten 
(zu  Reutlingen  mit  den  Bildern  der  sieben  Sakramente  und 
der  Taufe  Christi) ,  oder  zwölf  Seiten  nach  den  zwölf  Apo- 
steln und  zwölf  Rindern  am  ehernen  Meer  im  Tempel  zu 
Jerusalem.  Zuweilen  führen  sieben  Stufen  zum  Taufbecken 
empor,  bedeutend  die  sieben  Gaben  des  heiligen  Geistes. 
Binterim,  Denkw.  TL  1.  81. 

Ueber  dem  Taufstein  schwebt  häufig  die  Taube,  wie  bei 
der  Schöpfung  der  heilige  Geist  über  den  Wassern,  wie  die 
Taube  über  der  Taufe  Christi,   Symbol  der  durch  die  Taufe 


458  Tempel. 

bewirkten  geistigen  Geburt.  Unter  dem  Tauf  stein  als  dessen 
Karyatide  oder  Träger  kommt  oft  der  Hirsch  vor,  als  Symbol 
des  Durstes  nach  dem  Wasser.  Am  Taufbecken  selbst  der 
Fisch,  als  Symbol  des  Christen.  Auch  die  Sirene,  als  Symbol 
der  Wiedergeburt.  Vgl.  die  Artikel:  Hirsch,  Fisch,  Sirene. 
Ausser  der  Taufe  Christi  werden  auf  Taufbecken  deren 
alttestamentalische  Vorbilder  dargestellt:  1)  der  Durchgang 
der  Kinder  Israel  durch's  rothe  Meer  und  2)  der  Durchgang 
Josua's  durch  den  Jordan.  So  in  Hildesheim.  Vgl.  C.  För- 
ster, Geschichte  der  deutschen  Kunst  I.  95. 

Tempel. 

Der  von  Salomo  in  Jerusalem  erbaute  Tempel  der  Juden 
verhält  sich  zur  christlichen  Kirche,  deren  Ideal  das  „neue 
Jerusalem'^  ist,  wie  Moses  und  die  Propheten  zu  den  Evan- 
gelien, wie  das  alte  zum  neuen  Testament,  wie  Judenthum 
zu  Christenthum  überhaupt. 

Salomo  machte  es  sich  zu  einer  der  wichtigsten  Ange- 
legenheiten seines  Lebens ,  den  Tempel  zu  bauen,  wobei  ihm 
David  durch  Sammlung  grosser  Schätze  vorgearbeitet  hatte. 
Die  Israeliten  waren  damals  noch  in  der  Baukunst  ungeübt, 
aber  König  Hiram  von  SiÜon  sandte  dem  König  Salomo 
die  geschicktesten  Arbeiter  und  Cedern  und  Tannen  vom 
Libanon  in  Fülle.  Da  erhob  sich  nun  unter  Gottes  Zulassung 
äder  Tempel.  Salomo  selbst  war  sich  darüber  klar,  dass  die 
Gottheit  nicht  in  einem  Hause  wohnen  könne,  und  dass  der 
Tempelbau  nur  den  Zweck  habe,  dem  Volk  Israel  einen 
symbolischen  Mittelpunkt  zu  geben.  Denn  2.  Buch  d.  Chro- 
nica 2,  6.  sagt  er:  „Wer  vermag  es,  Gott  ein  Haus  zu  bauen? 
Denn  der  Himmel  und  aller  Himmel  Himmel  mögen  ihn 
nicht  versorgen!'^ 

Hieraus  geht  wohl  zur  Genüge  hervor ,  dass  die  Ansicht 
irrig  ist,  welche  hinter  dem  Cultus  des  Jehovah  geheimen 
Sabäismus  oder  Sterndienst  wittert,  und  die  drei  Theile  der 
Stiftshütte  auf  die  drei  Weltreiche,  den  siebenarmigen  Leuchter 


Tempel.  459 

auf  die  Planeten,  die  zwölf  Schaubrodte  auf  die  Monate  etc. 
bezieht  (v.  Bohlen,  Genesis  LXXV,  der  den  Cultus  der  Juden 
vom  ägyptischen  herleitet). 

Der  Tempel  Salomo's  war  nur  60  Ellen  lang,  20  breit, 
30  hoch.  Das  Langschiff  ohne  Zweifel  nach  dem  Zelt  der 
Stiftshütte  geformt,  das  Allerheiligste  wie  dort  durch  einen 
Vorhang  vom  übrigen  Räume  getrennt,  ungefähr  wie  später 
der  Chor  der  christlichen  Kirchen.  Nur  die  Vorhalle  wird 
120  Ellen  hoch  angegeben,  also  thurmartig,  und  davor  stan- 
den zwei  grosse  Säulen  (Jachin  und  Boas,  d.  h.  fest  und 
stark,  genannt).  Josephus  weicht  in  seiner  Darstellung,  an- 
tiq.  83,  etwas  von  der  biblischen  1.  Buch  d.  Könige  6.  und 
2.  Buch  d.  Chronika  2  —  5.  ab.  Ohne  Zweifel  blieb  die  zelt- 
artige Stiftshütte  der  Typus,  nach  dem  der  Tempel  gebaut 
wurde,  und  traten  nur  Modificationen  hinzu,  die  von  den 
Gewohnheiten  der  Baumeister  herrührten.  Da  diese  aber 
keine  Aegypter,  sondern  Phönizier  waren,  so  muss  man  an 
den  syrischen,  babylonischen  und  persischen  Styl  weit  eher, 
als  an  den  ägyptischen  denken.  Ganz  bestimmt  lässt  sich 
aber  aus  den  vorhandenen  Beschreibungen  der  Styl  nicht 
mehr  ermitteln,  wie  oft  es  auch  versucht  worden  ist.  Es 
blieben  immer  einige  Ungewissheiten  übrig,  z.  B.  über  die 
Bedachung,  über  die  Stellung  der  Säulen  am  Eingang,  ob 
sie  frei  standen  oder  nicht?  über  die  Fenster  etc.  Die  be- 
rühmtesten Monographieen  des  Tempels  sind  von  Villalpan- 
dus,  Leo,  Capellus,  Lightfoot,  Lund,  Sturm,  Wood,  Hirt, 
V.  Meyer  (Blätter  f.  höhere  Wahrheit  IX.),  Stieglitz  (Gesch.  d. 
Baukunst),  v.  Grüneisen  (Kunstbl.  1831.  Nr.  73  f.),  Schnaase 
(Gesch.  d.  bild.  Künste,  dazu  Merz  im  Kunstbl.  1844.  Nr.  97.), 
Romberg  (Gesch.  d.  Baukunst  L  24.). 

In  der  Bibel  selbst  ist  die  Höhe  der  beiden  Säulen  am 
Eingang  verschieden  angegeben,  18  Ellen  im  Buch  der  Kö- 
nige, 35  in  dem  der  Chronik.  Ob  sie  in  der  Vorhalle  ein- 
gemauert waren  oder  wie  Obelisken  frei  standen,  ist  ebenfalls 
streitig.  Doch  wissen  wir,  sie  waren  von  Erz,  inwendig 
hohl,   auswendig  mit  einer  Schnur  umwunden  und  oben  mit 


460  Tempel. 

einem  Knauf  geziert,  an  dem  viele  Reifen  und  Granatäpfel 
ausgeschnitzt  waren.  Vor  dem  Tempel  befanden  sich  zwei 
grosse  Vorhallen,  eine  für  das  Volk,  eine  für  den  Priester. 
Um  des  Tempels  Dach  lief  oben  eine  Altane  ringsherum, 
wie  aber  das  Dach  geformt  war ,  weiss  man  nicht.  Inwendig 
war  der  ganze  Tempel  mit  Schnitzwerk ,  und  zwar  mit  Che- 
rubimen,  Palmen  und  Blumenwerk  von  Holz  ausgeschmückt, 
und  das  Holz  war  über  und  über  vergoldet. 

Zu  den  Heiligthümern  des  Moses,  der  Bundeslade,  dem 
Armleuchter  etc.,  die  in's  Allerheiligste  gebracht  wurden, 
kamen  nun  noch  einige  neue,  von  Salomon  verfertigte,  na- 
mentlich das  berühmte  eherne  Meer,  ein  grosses  Waschgefäss, 
10  Ellen  weit,  von  zwölf  ehernen  Rindern  getragen,  deren 
Köpfe  ringsherum  nach  aussen  schauten.  Dazu  zehn  Stühle 
und  zehn  eherne  Kessel,  Töpfe,  Schaufeln,  Becken,  noch 
mehrere  grosse  Leuchter  etc. 

Für  die  christliche  Kirche  scheinen  hauptsächlich  in  jenem 
Tempel  Salomo's  Vorbilder  gewesen  zu  seyn:  1)  die  Längen- 
form der  Kirche  und  die  Trennung  des  All  erheiligsten  oder  des 
Chores  vom  übrigen  Raum ;  2)  die  hohen  Eingangshallen  mit 
den  Säulen,  woraus  Thürme  wurden;  3)  die  Bundeslade,  die 
zum  Altar  wurde ;  4)  das  eherne  Meer ,  das  zum  Taufbecken 
wurde,  5)  die  Weihrauchgefässe.  —  Schon  frühzeitig  wurde 
der  Tempel  Salomo's  idealisirt,  vom  Propheten  Ezechiel  Kap. 
40  —  43,  eben  so  im  altdeutschen  Gedicht  vom  Titurel,  er- 
örtert von  Boisseree. 

Von  den  Freimaurern  ist  König  Hiram  zum  Urmeister 
der  Baukunst  gemacht  worden,  und  die  Sage,  er  sey  beim 
Tempelbau  erschlagen  worden  von  den  Gesellen,  die  gleichen 
Lohn  mit  ihm  verlangten,  motivirt  eine  der  Hauptceremo- 
nieen  in  der  Maurerei,  nämlich  das  Suchen  des  verlornen 
Meisters  im  Sarge.  Aber  der  deistische  Tempel  der  Maurer 
ist  der  christlichen  Kirche  noch  mehr  entgegengesetzt,  als 
der  alte  Judentempel.  Abbe  Barruel  beschuldigt  die  fran- 
zösische Maurerei,  die  bekanntlich  in  vielerlei  ausschweifen- 
den Dingen  sich  gefiel,  in  dem  höheren  maurerischen  Grade 


Tempel.  461 

der  sogenannten  Rosenkreuzer  ausdrücklich  Voltaire's  berüch- 
tigte Parole:  Ecrasez  V infame!  (d.  h.  den  Heiland  und  die  ganze 
christliche  Religion)  adoptirt  zu  haben,  mit  der  bestimmten 
Erklärung,  Hirams  Gott,  für  den  er  den  Tempel  baute,  sey 
der  alte  Jehovah,  sein  Mörder  aber  sey  der  auf  Jehovahs 
Ansehen  neidische  Christus  gewesen.  Der  Rosenkreuzer  Auf- 
gabe sey  daher,  des  Meisters  Mord  an  Christo  und  dem  ge- 
sammten  Christenthum  zu  rächen. 

Der  christlichen  Symbolik  gemäss  musste  der  alte  Tempel 
in  Jerusalem  zerstört  werden ,  sobald  in  Christo  die  Hoffnung 
des  neuen  Jerusalems  aufging,  wie  es  nach  der  Offenbarung 
Johannis  wieder  erbaut  werden  wird.  Das  ist  in  einem  an- 
dern Bilde  die  Reinigung  des  Tempels,  wie  sie  der  Heiland 
selber  vornahm  in  der  Austreibung. 

Als  der  Tempel  fertig  war,  gab  Gott  sein  Wohlgefallen 
daran  zu  erkennen,  indem  er  ihn  ganz  mit  einer  Wolke  aus- 
füllte, so  dass  die  Priester  selbst  dadurch  hinausgedrängt 
wurden.  Diese  Wolke  im  Heiligthum  ist  das  einzige  Bild 
der  Gottheit,  das  je  in  den  Tempel  kam,  entsprechend  der 
Wolke,  die  vor  Moses  einherzog.  Die  Rationalisten  nehmen 
natürlich  nichts  anderes  an,  als  dass  es  eine  von  den  Prie- 
stern selbstgemachte  Weihrauchwolke  gewesen  sey. 

Die  Leviten  waren  so  begeistert  und  so  durchdrungen 
von  Andacht,  dass  sie  beim  Dankliede  alle  wie  Ein  Mann 
sangen.  2.  B.  d.  Chron.  5,  13.  Auch  Salomo  stimmte  ein 
langes  und  tiefempfundenes  Danklied  an,  1.  B.  d.  Könige  8, 
worin  Vers  53  besonders  der  Gedanke  hervortritt,  dass  Gott 
seinen  heiligen  Willen  durch  das  Volk  Israel  in  jener  Vorzeit 
nur  insofern  habe  erreichen  können ,  als  er  es  von  allen  andern 
Völkern  abgesondert  habe;  während  diese  exclusive  und  de- 
fensive Methode  nach  Christi  Geburt  mit  einer  gerade  umge- 
kehrten wechselt ,  nämlich  mit  der  Eröffnung  und  Mittheilung 
des  Heiles  an  alle  Völker  auf  Erden. 

Bei  der  Einweihung  des  Tempels  brachte  Salomo  ein 
ungeheures  Brandopfer,  bei  dem  22,000  Rinder  und  120,000 
Schafe    bluteten.      Nur    diese  Opfer    erinnern   noch   an   die 


46S  TempeL 

heidnische  Vorwelt,  sonst  ist  im  Gottesdienst  der  Juden  schon 
sehr  viel  Christliches.  Die  lang  angehaltenen  feierlichen  Po- 
saunentöne scheinen  aus  dem  Hirtenleben  vom  Hirtenhorn 
entlehnt  zu  seyn.  Sie  entsprechen  dem  Schauerlichen  und 
Geheimnissvollen  des  Allerheiligen  und  der  Stimmung  der 
jüdischen  Gemüther,  die  in  der  Furcht  vor  Gott,  wie  in  der 
Innigkeit  des  Gebets  in  eine  Tiefe  zurückgeht,  von  der  die 
heidnischen  Hymnen  noch  kaum  etwas  ahnen  lassen. 

Austreibung  der  Käufer  aus  dem  Tempel.  Die 
erste  Handlung  Jesu ,  als  er  in  Jerusalem  eingezogen ,  war, 
dass  er  zum  Tempel  ging,  „und  trieb  heraus  alle  Verkäufer  und 
Käufer  und  stiess  um  der  Wechsler  Tische  und  die  Stühle 
der  Taubenkrämer,  und  sprach  zu  ihnen:  Es  steht  geschrie- 
ben: Mein  Haus  soll  ein  Bethaus  heissen,  ihr  aber  habt  eine 
Mördergrube  daraus  gemacht.^  Matth.  21,  12.  13.  Nach  Jo- 
hannes 2,  15.  machte  er  sich  eine  Geissei  aus  Stricken  und  trieb 
die  Verkäufer  sammt  ihren  Schafen  und  Ochsen  hinaus,  ver- 
schüttete den  Wechslern  das  Geld  und  stiess  ihre  Tische  um. 
Die  Juden  staunten  über  solche  Kühnheit  und  verlangten 
ein  Zeichen  von  ihm,  dass  er  Solches  thun  dürfe.  Da  sprach 
er:  „Brechet  diesen  Tempel,  und  ich  will  ihn  in  drei  Tagen 
wieder  aufrichten."  Sie  verstanden  den  Tempel  von  Stein, 
er  aber  meinte  seinen  Leib. 

Die  ganze  Handlung  ist  nur  sinnbildlich  zu  verstehen. 
Im  Vorhof  des  Tempels  trieben  sich  zur  Osterzeit  die  Händler 
und  Wechsler  um,  weil  die  von  allen  Seiten  zum  Tempel 
strömenden  Juden  nicht  alle  eigne  Opferthiere  mitbringen 
konnten  und  sich  hier  erst  welche  kauften.  Dieser  Schacher 
war  eine  Entheiligung  des  Tempels.  Christus  wollte  aber 
nicht  den  alten  Judentempel  reinigen,  sondern  trieb  alle  an- 
dern gemeinen  Opfer  hinaus,  weil  er  selbst  jetzt  als  das 
erhabenste  Opfer  in  den  Tempel  einzog.  Die  Handlung  hat 
zugleich  eine  Beziehung  auf  das  Sakrament  des  heiligen  Abend- 
mahls. Die  Geissei,  die  er  schwang,  bedeutet  die  Geissei  der 
Busse  vor ;  die  Händler  und  Krämer  bedeuten  die  bösen  Ge- 
danken, die  aus  Herz  und  Sinn  hinaus  müssen,  ehe  das  hei- 


Teufel.  463 

lige  Sakrament  genossen  werden  kann.  Zugleich  ist  dadurch 
ganz  im  Allgemeinen  auch  das  Verhältniss  der  ewigen  Ge- 
rechtigkeit zur  ewigen  Gnade  ausgedrückt.  Ehe  die  Gnade 
im  Mittlertode  ihr  höchstes  und  heiligstes  Werk  beginnt,  muss 
der  starke  und  eifrige  Gott  der  Gerechtigkeit  noch  einmal  in 
seiner  ganzen  Strenge  walten. 

Christus  weint  beim  Anblick  der  Stadt  und  des  Tempels, 
die  da  sollen  zerstört  werden.  Das  Gegenbild  zu  dieser  schö- 
nen Scene  ist  die  Vergleichung  des  Heilands  selbst  mit  dem 
Tempel,  der  da  gebrochen  wird,  Joh.  2,  19:  ;,ßrechet  den 
Tempel  ab,  in  drei  Tagen  will  ich  ihn  wieder  aufrichten.'^ 
Der  zerbrochene  Tempel  hat  hier  eine  sehr  verschiedene  Be- 
deutung als  Steintempel  Salomo's  und  als  Leib  des  Gott- 
menschen. Die  ganze  Grösse  des  Opfers  ,wird  ausgedrückt 
indem  der  lebendige  Tempel  zur  Sühne  gebrochen  wird  für 
den  todten. 

Teufel. 

Der  Name  kommt  wohl  einfach  vom  griechischen  Siä- 
ßoXog  im  neuen  Testament  her,  und  nicht  weder  von  den 
persischen  Dews,  noch  von  dem  deutschen  Wort  Dieb  oder 
Tiefe.  Dem  Begriffe  nach  ist  im  Teufel  allerdings  alles  Böse 
personificirt,  wie  in  Gott  alles  Gute;  weil  aber  Gott  allein 
Schöpfer  und  Herr  der  Welt,  der  Teufel  nur  ein  Geschöpf 
ist,  so  stehen  sich  nur  Engel  und  Teufel,  gute  und  böse 
Geister  auf  gleicher  Stufe  gegenüber,  keineswegs  aber  Gott 
und  der  Teufel  in  dem  Sinn,  wie  im  Glauben  der  alten  Perser 
Ormuzd  und  Ahriman,  das  gute  und  böse  Weltprincip,  sich 
in  die  Weltherrschaft  theilten.  Als  Häresieen  auch  im  Chri- 
stenthum  eine  Gleichstellung  des  Teufels  mit  Gott  aufbrach- 
ten ,  trat  die  Kirche  diesem  Irrthum  entgegen ,  indem  sie  fest- 
stellte :  Alles  sey  von  Gott  gut  geschaffen,  und  was  böse  sey, 
sey  es  nur  geworden.  Der  Teufel  sey  daher  nicht  das  bös^ 
Princip  von  Ewigkeit,  selbstständig  Gott  gegenüberstehend, 
sondern  nur  der  von  Gott  gut  geschaffene,  aber  durch  eigne 


464  Teufel. 

Sünde  gefallene  Engel.     Concil,  Bracarense  I.   cap.  5.     Epi- 
phanius  11.  2. 

Der  Teufel  verhält  sich  daher  zu  Gott  nicht  wie  eine 
gleiche  Macht,  sondern  nur  wie  der  rebellische  Knecht. 
Er  ist  auch  gegen  Gott  absolut  ohnmächtig,  und  nur  relativ 
mächtig  durch  die  Menschen,  deren  er  Meister  wird.  Er 
greift  Gott  nur  indirekt  an  durch  Verführung  der  Menschen. 
Er  ist  feig  gegen  Gott,  scheu  vor  ihm  sich  verbergend  wie 
die  Schlange  vor  dem  Adler.  Ihm  wird  der  Kopf  zertreten, 
wie  der  Schlange.  Im  offenen  Kampf  wird  er  ohne  Mühe 
besiegt  und  vom  Erzengel  Michael  in  den  Abgrund  gestürzt. 
Das  Böse  vermag  dem  rein  Guten  nirgends  Stand  zu  halten. 
Jeder  Engel  vertreibt  jeden  Teufel.  Schon  der  Name  Gottes 
und  das  Kreuzeszeichen  haben  die  Macht,  ihn  zu  vertreiben. 
Auch  die  Glocken  kann  er  nicht  hören.  Vor  allem  Heiligen 
und  specifisch  Kirchlichen  ist  er  beständig  auf  der  Flucht. 
Ein  Löwe  vor  dem  Sünder,  ist  er  eine  Maus  vor  dem  Gerechten. 
Rupert.  Tuit.  p.  266.  Nur  in  den  Gebieten ,  die  ausserhalb 
der  Religion  liegen,  in  den  Sinnen  und  Leidenschaften  der 
Menschen  wirkt  er  mächtig  und  mit  allen  Reizen  und  Ver- 
lockungen des  alten  Heidenthums.  Darum  ist  er  „Fürst  dieser 
Welt".  Joh.  12,  31.  14,  30.  2.  Korinth.  4,  4.  Seine  unge- 
heure Macht  beruht  auf  der  Sünde  der  Menschen.  Wie  er 
Eva  zur  Sünde  verlockte,  so  auch  alle  Kinder  Eva's  durch 
Sinnenreiz  und  durch  Erweckung  gottloser  Neigungen  und 
Leidenschaften.  Mit  diesen  Mitteln  trachtet  er  unablässig,  die 
Menschen  von  der  Kirche  abwendig  und  des  Heils  verlustig 
zu  machen,  das  in  der  Erlösung  lag.  Wie  nach  Gottes  Willen 
alle  Menschen  möglichst  den  reinen  Engeln  verwandt  werden 
sollen,  so  will  der  Teufel  sie  vielmehr  sich  ähnlich  machen. 
Darum  will  er  auch  alle  Christen  wieder  zu  Heiden  machen. 
Ein  Christ  in  diesem  Leben  ist  ihm  so  verhasst,  wie  ein 
Engel  oder  Seliger  in  jenem.  Er  trachtet,  alle  Menschen 
diesseits  in  die  Tempel  der  falschen  Götzen  und  jenseits  in 
die  Hölle  zu  locken. 

Seiner  Tücke  gegen  den  Menschen  liegt  aber  nicht  blos 


Teufel.  465 

die  Absicht  zu  Grunde,  mittelst  der  Menschen  Gott,  als  deren 
Vater,  zu  kränken,  sondern  auch  Neid.  Nachdem  er  selbst 
als  gefallener  Engel  in  ewiger  Finsterniss,  unbefriedigter  Gier, 
ohnmächtiger  Wuth  die  Lust,  Gott  gleich  seyn  zu  wollen, 
büssen  muss ,  will  er  nicht  leiden ,  dass  der  schwache  Mensch, 
dem  er  sich  weit  überlegen  weiss,  glücklicher  seyn  soll,  als  er. 
Der  Teufel  beneidet  dem  Menschen  die  Gnade  Gottes  und 
sucht  ihn  derselben  eben  so  unwürdig  zu  machen,  als  er  es 
selbst  ist.  Gelingt  es  ihm,  so  wird  ihm  die  einzige  Befrie- 
digung zu  Theil,  die  für  ihn  möglich  ist,  nämlich  die  Scha- 
denfreude an  den  Qualen  der  Verdammten.  Und  wie  dem 
Teufel  alles  Schöne  und  Reizende  in  der  irdischen  Natur 
dient,  um  den  noch  unschuldigen  Menschen  zur  Sünde  zu 
verführen,  so  dient  ihm  wieder  alles  Hässliche  und  Schreck- 
liche in  der  Natur,  den  gefallenen  Menschen  zu  martern. 

Dies  sind  die  Grundzüge,  die  uns  bei  der  näheren  Er- 
örterung der  an  den  Teufel  geknüpften  Symbolik  leiten 
müssen. 

Vor  Allem  ist  daher  das  Sinnbild  des  fallenden  Sternes 
festzuhalten.  Der  Teufel  war  ein  von  Gott  geschaffener  guter 
Engel,  nur  durch  eigene  Schuld  fiel  er  aus  dem  Himmel  in 
die  Hölle.  Vgl.  Lucas  10,  18.  und  den  Artikel  Lucifer.  Aus 
diesem  Fall  erklärt  sich,  warum  der  Teufel  lahm  gedacht  wird. 
Vgl.  Sepp,  Heidenthum  L  62.  Man  braucht  dabei  nicht  an  den 
gleichfalls  vom  Himmel  gefallenen  und  lahmen  Hephästos  der 
alten  Griechen  zu  denken.  Beim  christlichen  Teufel  ist  die 
Lahmheit  durch  den  Fall  noch  viel  besser  motivirt  und  hilft 
zugleich  die  Ohnmacht  des  Teufels  bezeichnen.  In  den  Zeiten 
alter  Barbarei  wurden  Sklaven,  wenn  sie  zu  Handarbeiten 
geschickt  waren,  von  ihren  Herren  absichtlich  gelähmt,  damit 
sie  nicht  fliehen  konnten.  Einen  solchen  lahmen,  grollenden 
Knecht  erkennen  wir  in  dem  nordischen  Völundur.  Etwas 
Verwandtes  damit  hat  nun  auch  der  lahme  Teufel,  als  grol- 
lender und  rebellischer  Sklave  Gottes.  —  Das  Hinken  wird 
in  späteren  Bildwerken  gewöhnlich  dadurch  motivirt,  dass 
der  Teufel  neben  einem  Menschen  -  noch  einen  Pferdefuss  hat. 

Menzel,  christl.  Symbolik.  11.  30 


466  Teufel. 

Dieser  Huf  kann  auf  das  Thierische  im  Teufel  im  Allgemeinen 
bezogen  werden ,  und  ist  vielleicht  nur  aus  dem  Bocksfuss  der 
Satyrn  entstanden.  Jedoch  hat  er  vielleicht  auch  eine  nähere 
Beziehung  zu  den  Pferdeopfern  und  Mahlzeiten  von  Pferde- 
fleischj  die  das  altdeutsche  Heidenthum  so  sehr  charakterisirte, 
dass  nach  der  Bekehrung  nichts  so  streng  verboten  und  als 
Teufelscultus  verpönt  war,  als  das  Pferdefleischessen,  der  Ge- 
brauch der  Pferdeköpfe  zur  Zauberei  etc.  Der  Pferdefuss 
des  Teufels  könnte  demnach  allgemeines  Attribut  des  vor- 
christlichen Heidencultus  seyn. 

Der  Engelsturz  ist  auf  vielen  Bildern  dargestellt,  meist 
jedoch  nur  um  die  Meisterschaft  des  Malers  in  kühnen  Kör- 
perstellungen zu  beurkunden.  Zuweilen  sind  die  Fallenden 
oben  noch  Engel  und  werden  erst  unten  zu  Teufeln. 

Der  Fall  ist  aber  nicht  nur  einer  aus  der  Höhe  in  die 
Tiefe,  sondern  auch  aus  dem  Licht  in  die  Finsterniss.  Ver- 
finsterung charakterisirt  den  Teufel  hauptsächlich.  Darum 
wird  er  durchgängig  schwarz  gemalt  und  gilt  die  Nacht  als 
sein  Aufenthalt.  Seine  schwarze  Farbe  lässt  rothe  Gluth 
durchblicken,  die  Farbe  des  Feuers  und  Blutes,  Das  sind 
und  bleiben  seine  Grundfarben.  Wenn  er  im  Mittelalter  und 
namentlich  in  deutschen  Bildwerken ,  so  wie  in  den  Proto- 
kollen der  Hexenprocesse  häufig  als  grün  bezeichnet  wird, 
so  liegt  dem  die  heidnische  Erinnerung  an  elbische  Wesen 
(Genien  der  Pflanzenwelt,  Feld-  und  Waldminnen,  nor- 
dische Silvanen  und  Satyrn)  zu  Grunde  und  nichts  Christ- 
liches. Ueber  die  grünen  Teufel  vgl.  Fiorillo  I.  293.  307. 
V.  Quandt,  Reise  in  Spanien  S.  115.  Grimm,  d.  Myth.  1015. 
Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  H.  27.  Auf  sehr  alten 
Miniaturen  hat  der  Teufel  Menschengestalt  in  grauer  Farbe. 
Waagen,  Paris  S.  209.  Später  aber  wird  er  immer  schwarz 
gemalt  als  schwarzer  Rabe,  Affe,  Bock,  Hund,  als  schwarze 
Katze,  Fliege,  Kröte  etc. 

Wie  Feind  alles  Lichts  ist  der  Teufel  auch  Feind  alles 
Lebens,  daher  „der  Mörder  von  Anfang'^  (Joh.  8,  44.);  ;,der 
brüllende  Löwe/^  der  da  sucht,  wen  er  verschlinge  (1.  Petri 


Teufel.  467 

5 ,  8.)-  Schlimmer,  als  der  Tod,  der  nur  den  Leib  vernichtet, 
will  er  auch  die  Seele  morden.  Das  Leben  in  der  Verdamm- 
niss  selbst  ist  eigentlich  kein  Leben,  sondern  nur  ein  unauf- 
hörliches Sterben.  Der  Teufel  kann  nur  tödten,  nicht  lebendig 
machen.  Deshalb  sind  auch  alle  theils  altjüdischen,  theils 
mittelalterlichen  Sagen  von  Teufelszeugungen  auf  heidnische 
Vorstellungen  zurückzuführen  und  passen  nicht  auf  den  Teufel 
in  seiner  Bedeutung  für  das  Christenthum.  Dagegen  wird 
die  Unfruchtbarkeit  des  Teufels,  wenn  auch  in  einem  rohen 
Bilde ,  doch  klar  und  deutlich  in  der  talmudistischen  Legende 
von  der  Castration  des  Leviathan  durch  Jehovah  ausgedrückt. 
Vgl.  den  Art.  Leviathan.  Auch  die  Hexenprozesse  erkennen 
noch  insofern  die  Unfruchtbarkeit  des  Teufels  an,  als  sie  meist 
voraussetzen,  der  mit  den  Hexen  buhlende  Teufel  raube,  aus 
Mangel  an  eigener  Potenz,  dieselbe  den  Männern.  Damit 
hängt  zusammen,  dass  aller  vom  Teufel  vorgespiegelte  Ge- 
nuss  nichtig  ist.  In  unzähligen  Volkssagen  heisst  es,  wer 
einer  Hexenmahlzeit  anwohne,  und  reichlich  zu  schmausen 
und  zu  trinken  wähne ,  finde  sich  nachher  leeren  Magens  und 
unbeschreiblich  nüchtern  und  hungrig,  oder  er  erkenne,  dass, 
was  er  für  köstliche  Speise  gehalten,  Knochen,  Aas  und  Un- 
flath  gewesen  sey.  Reizende  Weiber,  die  den  Bethörten  zu 
sich  gelockt,  verwandeln  sich  in  das  Aas  eines  Pferdes  etc. 
Aus  demselben  Grunde  kann  der  Teufel  auch  als  Säemann 
nach  dem  Evangelium  Matth.  13,  27.  nur  Unkraut  säen.. 
Darum  ist  ihm  auch  die  unfruchtbare  Wüste  zur  eigentlichen 
Wohnung  angewiesen.  Hier  berührt  sich  die  christliche  Vor- 
stellungsweise mit  der  heidnischen.  Wie  Ahriman,  das  böse 
Princip  des  Parsismus,  in  den  Steppen  von  Turan,  so  haust 
Typhon,  das  böse  Princip  der  alten  Aegypter,  in  der  Sand- 
wüste. Die  Juden  schickten  ihren  berühmten  Sündenbock 
als  Opfer  für  den  Teufel  in  die  Wüste.  In  der  Wüste  ver- 
suchte der  Teufel  den  Heiland  und  unzählige  heilige  Ein- 
siedler. 

Aus   dem  gleichen  Grunde  kann  es  auch  für  die  christ- 
liche Vorstellungsweise  keinen  weiblichen  Teufel  geben.    Was 

30  * 


468  Teufel. 

davon  in  den  altjüdischen  und  spätem  Fabeln  vorkommt, 
muss  Alles  auf  heidnische  Vorstellungen  von  verführerischen 
Nymphen,  Nixen,  Eiben  etc.  zurückgeführt  werden.  Nach 
christlichem  Begriff  ist  alles  Weibliche,  Mütterliche  vom  ste- 
rilen Teufel  selbst  ausgeschlossen  und  nur  den  Teufelsanbe- 
terinnen, Zauberinnen  und  Hexen,  als  greuliche  Verirrung 
der  menschlichen  Natur,  zugewiesen. 

Wenn  nun  gleichwohl  der  Bock,  das  üppigste  und  un- 
züchtigste Thier,  vorzugsweise  in  die  Teufelsgestalt  übergeht 
und  der  Teufel  der  Unzucht  als  einer  der  vornehmsten  gilt, 
so  ist  damit  doch  nicht  eine  gesunde  Vermehrung  der  Leiber, 
wie  beim  Vieh,  sondern  nur  ein  Mord  der  Seele  durch  das 
Laster  des  Leibes  gemeint.  Der  Teufel  bedient  sich  nur  der 
im  Menschen  selbst  liegenden  groben  Sinnentriebe,  um  seine 
Seele  zu  verderben.  Schon  die  heilige  Schrift  nennt  ihn 
„das  Thier '^  Das  Thierische  im  Menschen  wurde  in  dieser 
Beziehung  von  den  Alten  hauptsächlich  in  den  bocksfüssigen 
Satyrn  personificirt.  Piper,  christl.  Myth.  I.  404  f.,  hat  daher 
nicht  Unrecht,  wenn  er  die  Bocksgestalt  des  christlichen  Teu- 
fels auf  jene  alte  Satyrgestalt  zurückführt.  Eben  so  oft  wie 
die  Form  des  Bocks  kommt  die  des  Schweins  vor  für  das 
Teuflische,  was  in  der  Sinnlichkeit  liegt.  —  Die  Lust  am 
Tode  dagegen,  die  innerste  Wonne  des  Teufels,  wird  per- 
sonificirt in  dem  aasliebenden  Raben,  dem  Galgenvogel. 

Unfruchtbar,  nur  tödtend,  nicht  belebend,  als  reine  Ne- 
gation kann  der  Teufel  auch  alle  Wonnen,  womit  er  ver- 
führt, nicht  wirklich  erzeugen,  sondern  nur  aus  der  gemeinen 
Sinnenwelt  borgen  und  den  schönen  Schein  hinzulügen.  Des- 
halb war  Lügen  sein  Handwerk  von  Anbeginn.  Er  leugnet 
einerseits  die  göttliche  Wahrheit  und  bethört  andrerseits  die 
Menschen  mit  nichtigen  Einbildungen.  Er  besticht  durch 
Sophismen  ihren  Verstand ,  damit  sie  das  Wahre  in  falschem 
Lichte  sehen,  und  er  besticht  durch  Verblendung  ihre  Sinne, 
däss  sie  was  Koth  ist,  vergoldet  sehen,  und  Genüsse,  die  das 
gemeinste  Thier  mit  den  Menschen  theilt,  für  Seelenwonne 


Teufel.  469 

halten.  Als  Lügner  und  listiger  Verführer  hat  er  vorzugs- 
weise die  Schlangengestalt. 

In  seiner  principiellen  Polemik  gegen  die  göttliche  Wahr- 
heit ist  er  aber  nicht  blos  schlauer  Lügner  und  Sophist ,  son- 
dern auch  frecher  Lästerer,  indem  er  da,  wo  ihm  sein  Schlan- 
genbiss  gelungen,  sich  nicht  mehr  genirt,  sondern  in  colossaler 
Frechheit  seinen  Gotteshass  auslässt,  bellend  und  zähneflet- 
schend gegen  Gott,  wie  ein  böser  Hund  gegen  die  ihm  un- 
erreichbare Sonne.  Weil  ihm  aber  gelingt,  viele  Menschen 
zu  verführen  und  von  Gottes  Wegen  abzulocken,  ist  er  zu- 
gleich schadenfroher  Spötter.  Die  grösste  Frechheit  wird  an 
ihm  ausgedrückt  durch  die  Gestalt  des  Nilpferdes,  Krokodils, 
Schweines,  Wolfes,  Hundes,  Spott  durch  die  des  Fuchses 
und  Affen. 

Ausser  der  Sinnlichkeit  ist  es  hauptsächlich  Eitelkeit  und 
Hoffahrt,  durch  die  er  die  Menschen  beherrscht.  Darin  spie- 
gelt sich  seine  eigene  Hoffahrt,  die  aber  immer  karikirt 
erscheint,  weil  er  zu  keinem  Stolz  innerlich  berechtigt  ist, 
weil  alle  seine  Macht,  Gott  gegenüber,  doch  nur  Ohnmacht, 
alle  seine  Herrlichkeit,  den  Menschen  gegenüber,  doch  nur 
Schein  und  Lüge  ist.  Die  alten  Maler  drückten  diese  Eigen- 
schaft des  Teufels  ziemlich  naiv  durch  die  Affengestalt  und 
durch  Attribute  menschlicher  Eitelkeit,  Putz,  Pfaufedern, 
Schmetterlingsflügel  (so  auf  dem  berühmten  Weltgericht  in 
Danzig)  aus.  Die  modernen  Versuche ,  den  Teufel  als  König 
der  Unterwelt  in  einer  gewissen  plutonischen  Erhabenheit  zu 
zeigen,  mussten  alle  missrathen,  weil  ihm  principiell  jede 
Würde  abgeht. 

Der  Teufel  bleibt  immer  ein  Knecht,  ein  untergeordnetes 
Wesen,  das,  nachdem  es  den  Dienst  Gottes  verlassen,  sich 
zum  Dienst  des  Menschen  erniedrigt,  um  den  Menschen  durch 
Kriecherei,  Schmeichelei  und  reelle  Dienste  zu  gewinnen. 
Dieses  Knechtische  im  Teufel  ist  vorzugsweise  das  Hündische 
an  ihm.     Daher  er  so  oft  als  „schwarzer  Hund^  erscheint. 

Weil  der  Teufel  nur  Böses  will  und  Böses  thut,  kommen 
ihm  die  Attribute  alles  Bösen  in  der  Welt  zu,  wohin  auch 


470  Teufel. 

das  Gegentheil  von  allem  Gesunden,  Heitern,  Klaren,  Schö- 
nen und  den  Sinnen  Wohlgefälligen  zu  rechnen  ist.  Wie  Gott, 
die  Engel,  Heiligen  und  Seligen  ewig  im  Licht  sind,  so  der 
Teufel  immer  in  Nacht  und  Finsterniss;  wie  jene  ewig  in 
Wonne,  so  dieser  ewig  in  Qual,  und  wie  jene  Wonne  ge- 
währen, so  gewährt  dieser  nur  Qual.  Wie  jene  in  Schön- 
heit strahlen,  so  vereinigt  dieser  in  sich  alles  Hässliche.  Wie 
jene  in  himmlischen  Harmonieen  und  Wohlgerüchen  lehen, 
deren  Nachahmung  Musik  und  Weihrauch  der  Kirchen  sind, 
so  gibt  der  Teufel  nur  Misstöne,  greulichen  Lärm  von  sich 
und  lässt,  wie^  das  Sprichwort  sagt,  überall  einen  Gestank 
zurück.  Wie  jene  von  der  Kunst  in  ewiger  Ruhe  oder  in 
sanfter  heiliger  Bewegung  aufgefasst  werden,  so  dieser  in 
gewaltsam  zurückgehaltener  oder  losgelassener  Gier  und  mehr 
als  thierischer  Wildheit.  Ueberall  erscheint  der  Teufel  und 
sein  Reich  als  das  Gegenbild  zum  Himmelreich  und  zur  Kirche. 
Vgl.  d.  Artikel  Hexensabbath. 

Es  gibt  jedoch  auch  eine  teuflische  Schönheit.  Was  die 
klugblickende  graziöse  Schlange  nur  sinnbildlich  bezeichnet, 
das  zeigt  sich  oft  in  der  vollendeten  Schönheit  von  Männern 
und  Frauen,  die  dämonische  Zaubermacht  eines  Don  Juan, 
einer  Circe.  Wenn  sich  aber  der  Teufel  auch  aller  Meister- 
formen des  Schöpfers  zu  seinen  Werken  bedienen  kann,  so 
geht  ihm  doch  dabei  immer  der  Zauber  der  Unschuld  ab, 
der  jeden  andern  Zauber  überwiegt.  In  der  diabolischen 
Schönheit  liegt  immer  etwas  Unheimliches,  was  den  Bewun- 
derer anfremdet  und  erschreckt ,  er  weiss  nicht  warum  ?  Das 
ist  die  Abwesenheit  der  Unschuld.  Die  alten  Maler  wussten 
auch  diese  Eigenthümlichkeit  des  teuflischen  Wesens  auf  eine 
naive  Weise  auszudrücken.  Sie  duldeten  nämlich  nicht,  dass 
der  Teufel,  mochte  er  auch  noch  so  schön  als  Mensch  gemalt 
seyn,  ein  ganzer  Mensch  seyn  durfte.  Irgendwo,  wenn  auch 
nur  ganz  versteckt,  musste  etwas  Thierisches  an  seiner  Ge- 
stalt hervorblicken,  ein  Hörn,  ein  Huf,  eine  Kralle,  wenig- 
stens ein  spitziges  Ohr,    Schotti,  physica  cur.  p.  336. 

Eben  so  trügerisch,   wie  die  Schönheit,   ist   auch   der 


Teufel.  471 

Reichthum  des  Teufels,  seine  Schätze  sind  nur  Blendwerk. 
Wenn  er  Gold  schenkt,  wird  es  zu  Laub,  Asche,  Koth. 
Wenn  er  Mahlzeiten  gibt,  findet  man  zuletzt,  dass  man  von 
todten  Pferden,  Baumrinden,  Tannzapfen  etc.  gegessen  hat. 
So  durchgängig  in  den  deutschen  Volkssagen.  Die  Hexen, 
denen  er  ganz  besonders  zugethan  ist,  bleiben  trotz  seiner 
Gunst  beständig  bettelarm. 

Nach  alter  Ueberlieferung  darf  der  Teufel  aller  Thiere 
Gestalt  annehmen ,  nur  nicht  die  des  Lammes  und  der  Taube 
{Majoli,  dies  canic.  p.  406.),  weil  diese  die  Unschuld  bedeuten. 

An  die  Stelle  des  Erhabenen  tritt  beim  Teufel  das  Maass- 
lose, Ungeheure.  Wie  alles  Guten,  Wahren  und  Schönen, 
so  ist  er  auch  alles  Maasses  und  aller  Harmonie  Erbfeind. 
Darum  hat  er  im  Gegensatz  gegen  die  gesunde  und  schöne 
Schöpfung  Gottes  sich  selbst  zum  Urbild  aller  Missgeburten 
karikirt.  In  ihm  spiegelt  sich  alles  Unnatürliche  und  Ver- 
kehrte. Eben  deshalb  springt  aber  auch  bei  ihm  das  Schreck- 
liche alsbald  wieder  in's  Lächerliche  um,  daher  der  uner- 
schöpfliche Humor,  der  in  der  volksthümlichen  Behandlung 
des  Teufels  in  Sagen  und  Schauspielen  niemals  fehlt. 

Die  Maler  haben  von  jeher  darin  übereingestimmt,  in 
den  Teufelsgestalten  Extreme  des  Dicken  und  Dünnen,  Kur- 
zen und  Langen,  Riesenhaften  und  Zwerghafteri,  Plumpen 
und  vielgliedrig  Gerenkten  etc.  darzustellen,  w^obei  sie  mehr 
oder  weniger  auf  entsprechende  Thierformen  Rücksicht  nahmen. 
Dickteufel  z.  B.  wurden  gerne  in  die  Kröten-,  Schildkröten-, 
Schwein-,  Wallross-  und  Nilpferdform  gebracht.  Dünnteufel 
in  die  Affen-,  hauptsächlich  aber  Insektenform.  Die  Kunst 
ging  jedoch  weit  über  die  Thierform  hinaus  in  die  äusserste 
Karikatur.  Wie  mit  der  ganzen  Gestalt,  so  verfuhren  sie 
auch  mit  einzelnen  Gliedmassen,  die  widernatürlich  vergrös- 
sert,  verlängert  und  aus  der  menschlichen  Form  in  die  thie- 
rische  übersetzt  w^urden.  Dabei  mögen  die  thierköpfigen 
Götzen  der  Aegypter  hin  und  wieder  zum  Vorbild  gedient 
haben.   Vom  hundsköpfigen  Anubis,  von  der  schweinsköpfigen 


472  Teufel. 

Nephthys  bis  zu  den  Teufeln  der  christlichen  Bilder  ist  nur 
ein  leiser  Uebergang.  Dass  die  Satyrn  der  Griechen  und 
Römer  in  die  Teufelsform  übergingen,  ist  schon  erwähnt. 
Seltner  findet  sich  die  Form  des  Kentaur  oder  Pferdmenschen. 
Vgl.  Piper,  christl.  Myth.  I.  374.  Sie  war  noch  eine  Erin- 
nerung der  ersten  christlichen  Jahrhunderte  an  das  eben  be- 
siegte Heidenthum,  und  kehrte  erst  in  Dante's  grossem  Ge- 
dicht wieder,  als  man  von  Neuem  die  classischen  Dichter 
studirte.  Dante  holte  noch  mehr  groteske  Figuren  der  heid- 
nischen Welt  herbei,  um  damit  seine  christliche  Hölle  zu 
bevölkern,  den  Minotaur,  Cerberus  etc. 

Teuflische  Bildungen  des  Kopfs.  Thierkopf  auf  einem 
Menschenleib.  Ein  vielköpfiges  Thier  (der  Drache  in  der 
Offenbarung  Johannis ,  ähnlich  der  antiken  Hydra).  Ein 
monströser  Dickkopf  auf  dünnem  Hals  und  kleinem  Leibe. 
Tückischer,  in  Hals  und  Buckel  vergrabener  Koboldkopf. 
Lang  vorgestreckter  Kopf  mit  Geierhals.  Den  teuflischen 
Kopf  bezeichnen  gewöhnlich  die  Hörner  des  Bocks  oder  we- 
nigstens kleine,  nur  über  der  Stirne  angedeutete  Satyrhörn- 
chen, zuweilen  auch  der  Hahnenkamm.  Daher  auch  dann, 
wenn  der  Teufel  als  Junker  erscheint,  sein  Barett  mit  einer 
Hahnenfeder  geziert  ist,  die  sich  wie  ein  Hörn  krümmt  und 
die  zugleich  den  höllischen  Hahn  bezeichnet.  —  Auf  alt- 
deutschen Bildern  hat  der  Teufel  zuweilen  grosse,  aber  schief 
gestellte  Ohren,  was  von  bösen  und  heimtückischen  Pferden 
entlehnt  ist.  —  Die  Augen  des  Teufels  sind  gewöhnlich 
gross,  grimmig,  lechzend,  roth  unterlaufen  oder  flammen- 
werfend. Am  scheusslichsten  entstellt  aber  ist  sein  Mund, 
der  immer  mehr  oder  weniger  zum  verschlingenden  Rachen, 
zum  verkniffenen  Schnabel,  gierigen  Rüssel  etc.  wird.  Es 
gibt  einen  Fisch  vom  scheusslichsten  Ansehen,  der  den  zähne- 
vollen Rachen  nie  zuschliesst.  Das  ist  ein  gutes  Bild  des 
ewig  auf  Raub  lauernden  Teufels.  Gerade  der  Mund,  der 
am  Menschen  die  geistigste  Feinheit  ausdrückt,  ist  am  Teufel 
das  am  meisten  Beleidigende  und  Zurückstossende.  Bald  tritt 
das  Gebiss,    bald  mehr   die  lechzende  Zunge  hervor,    die 


TeufeL  473 

schlangenartige  Pfeilzunge  oder  insektenartige  Mandibeln  und 
phantastische  Fresswerkzeuge. 

Nach  einem  Gesetz,  welches  schon  in  der  antiken  Sculptur 
angedeutet  erscheint  und  in  den  Costumen  verschiedener  Zeiten 
und  Völker  wiederkehrt,  correspondiren  Bauch  und  Hinter- 
theil,  Schultern  und  Kniee  mit  dem  Kopf.  Daher  die  Wie- 
derholung teuflischer  Gesichter  an  diesen  Theilen,  oder  we- 
nigstens das  Feuerspeien  des  Teufels  von  unten  und  oben. 
Die  Gleichstellung  des  unedelsten  Theils  am  Körper  mit  dem 
edelsten  ist  für  die  Teufelsform  besonders  charakteristisch. 
Vgl.  Didroriy  man.  p.  276.  Daher  auch  der  Kuss,  den  die 
Hexen  dem  Teufel  auf  dem  Bloxberg  hinterwärts  geben. 
Horst,  Zauberbibl.  HI.  371  f. 

An  den  Schultern  trägt  der  Teufel  insgemein  Fleder- 
mausflügel, doch  kommen  auch  Geierflügel  vor  und  phan- 
tastische Insektenflügel.  Hände  und  Füsse  sind  häufig  thie- 
rische  Krallen.  Wenn  der  Teufel  in  schöner  Menschengestalt 
verführen  will,  lässt  er  doch  unter  dem  Gewand  gewöhnlich 
den  verrätherischen  Pferdehuf  oder  Vogelkrallen  blicken. 
Eben  so  charakteristisch  ist  für  den  Teufel  der  Schwanz, 
dem  die  naiven  Maler  gewöhnlich  eine  Pfeilspitze  geben,  um 
ihn  von  gemeinen  Afl'enschwänzen  zu  unterscheiden.  Endlich 
gibt  man  dem  Teufel  eine  zottige ,  borstige  Haut  oder 
Schuppen. 

Wo  es  gilt,  die  Teufel  klein  zu  malen,  z.  ß.  wie  sie 
aus  dem  Munde  von  Besessenen  fahren,  oder  einem  Ver- 
führten in's  Ohr  flüstern,  so  werden  sie  als  Raben,  zuweilen 
auch  als  schwarze  Insekten  dargestellt  wie  Ameisen  und  Scor- 
pionen.     Vgl.  Rathgeber,  Gothaisches  Museum  S.  144.  231. 

Wo  es  dagegen  gilt,  den  Obersten  der  Teufel  in  voller 
Macht  zu  zeigen ,  tritt  die  Form  des  Drachen  ein ,  wie  in  der 
Offenbarung  Johannis.  Im  Drachen  sind  gleichsam  alle  Thier- 
formen  in  ihrer  höchsten  Potenz  concentrirt ,  die  der  Quadru- 
peden  im  Rachen  und  in  den  Füssen,  die  der  Vögel  in  den 
Flügeln,  die  der  Amphibien  im  Leib  und  in  den  Schuppen, 
die  der  Insekten  im  Schwanz. 


474  Teufel. 

Malern  und  Diclitern  ist  ein  weiter  Spielraum  vergönnt, 
die  Teufelscharaktere  im  Einzelnen  auf's  Mannigfachste  auszu- 
malen. Jedoch  sollen  sie  sich  in  Acht  nehmen,  nicht  in  eine 
unsinnige  Willkühr  auszuschweifen,  in  welcher  das  specifisch 
Teuflische  verloren  geht.  Von  dieser  Art  sind  schon  die  alten 
Miniaturbilder  aus  dem  12ten  Jahrhundert  gewesen,  denen 
antike  sogenannte  Gryllen  zum  Vorbild  gedient  zu  haben 
scheinen:  Teufel  mit  Krokodilskopf,  Vogelschnabel,  Gesicht 
am  Bauch  und  Schlangenkopf  am  Schwänze  etc.  Didron^ 
icon.  p.  283.  Auch  spätere  Maler,  wie  Bosch,  Callot,  der 
Höllenbreughel  etc.,  sind  in  der  humoristischen  Freiheit  zu 
weit  gegangen  und  haben  den  Teufeln  selbst  die  Formen 
lebloser  Gegenstände  gegeben,  um  komische  Effecte  zu  er- 
zielen, wobei  aber  das  specifisch  Dämonische  verloren  geht. 
Das  passt  vortrefflich  zu  den  Satyren  von  Rabelais,  aber  nicht 
in  Bilder,  deren  Hintergrund  immer  der  kirchliche  Ernst  blei- 
ben soll.  Auch  schon  der  grosse  Dante  wird  in  den  Teufels- 
namen „Schlimmkralle,  Nebelschwanz,  Schindsau,  Wirrwarr, 
Wirrbart  etc.'^  zu  lustig.  Vgl.  Dante  von  Kopisch  S.  83. 
Auch  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  I.  198. 

Dasjenige  Glied,  an  welchem  der  Teufel  von  der  Le- 
gende, Volkssage  und  Dichtung  gleichsam  mit  Gewalt  in's 
Reich  des  Komischen  hineingezogen  wird,  ist  die  Nase.  In 
wie  vielen  Legenden  und  Sagen  wird  dem  vorwitzigen  Teufel 
nicht  von  einem  heiligen  oder  klugen  Schmiede  (dem  heiligen 
Dunstan,  dem  Schmied  von  Apolda  etc.)  die  Nase  abgezwickt ! 
Eben  so  komisch  erscheinen  auf  unzähligen  Bildern  die  Teufel, 
die  auf  ihrer  eigenen  langen  Nase  Flöte  oder  Dudelsack  spie- 
len, ein  besonders  bei  den  deutschen  Malern  sehr  beliebtes 
Motiv.  Es  ist  die  Frage,  ob  dieser  Vorstellung  nicht  altheid- 
nische Erinnerungen  zu  Grunde  liegen.  Inzwischen  ist  sie 
christlich  zu  rechtfertigen  durch  die  Situation,  in  welche  der 
Teufel  nothwendig  jedesmal  kommen  muss,  wenn  er  in  seiner 
knechtischen  Ohnmacht  sich  an  das  unantastbar  Heilige  wagt. 
Der  Spott  über  den  Teufel  in  der  Blüthezeit  des  Mittelalters 
war  ein  Zeichen  des  Glaub ensmuthes    und  eines   gesunden 


Teufel.  475 

Volkslebens;  die  Teufelsangst,  mit  der  die  Reformation  be- 
gann, das  Zeichen  vom  Gegentbeil. 

Christliche  Vorstellungen,  die  sich  mit  altheidnischen 
Erinnerungen  an  elbische  Wesen  und  Zauberei  berühren, 
sind  die  Wolf-  und  Fuchs-,  die  Kukuks-  und  Fliegen-, 
endlich  auch  die  Rüben-  und  Wurzelgestalt  des  Teufels.  Als 
Wolf  bezeichnet  der  christliche  Teufel  den  hungrigen  All- 
verschlinger,  wie  in  der  nordischen  Edda.  Als  Fuchs  den 
arglistigen  Weltbetrüger,  wie  im  altdeutschen  Reinecke.  Als 
Kukuk  den  neckischen,  foppenden  Dämon.  Als  Fliege  den 
unverschämten  Belästiger.  Als  Alraun  (Wurzelmännlein)  das 
personificirte  Miasma  und  Gift  der  Verwesung  in  der  finstern 
Erde,  das  allem  höhern  Leben  feindlich  und  verderblich  ist, 
aber  auch  über  alle  Schätze  im  Innern  der  Erde  gebietet. 

Im  Ulmer  Münster  ist  an  den  Geländern  der  Treppe 
zum  Sakramentshäuschen  allerlei  höllisches  Gewürm  ange- 
bracht, welches  eidechsenartig  daran  auf-  und  abgleitet.  Dazu 
auf  der  Schwelle  des  Sakramentshäuschens  selbst  ein  Teufel, 
der  sich  zwischen  zwei  Löwen,  die  gleichsam  hier  als  Wächter 
erscheinen,  in  höchster  Angst  windet  und  krümmt  und  nicht 
loskommen  zu  können  scheint.  Damit  sind  ohne  Zweifel,  wie 
mit  den  teuflischen  Frazzen,  die  in  andern  Kirchen  so  oft 
unter  Capitälen,  Balken  und  sonst  aus  dem  Versteck  hervor- 
lauschen, nur  die  bösen  Gedanken  gemeint,  die  den  Menschen 
auch  in  der  Kirche,  mitten  unter  den  heiligsten  Eindrücken 
befallen.  In  der  Legende  des  heiligen  Macarius  von  Alexan- 
drien  kommen  viel  solche  kleine,  mehr  insektenartige,  als 
ungeheuerliche  Teufel  vor,  die  mitten  in  der  Kirche  während 
des  Gottesdiepstes  sichtbar  werden,  den  Lässigen  böse  Ge- 
danken in's  Ohr  flüstern.  Andere  schläfrig  machen,  einen 
Dritten  zum  Lachen  reizen  oder  sonst  in  der  Andacht  stören. 

Die  Classification  der  Teufel  ist  ursprünglich  keine  andere, 
als  die  der  Laster.  Weil  das  Böse  Gegenbild  des  Guten  ist, 
so  theilt  sich  der  gefallene  ürgeist  Lucifer  gegenüber  der 
heiligen  Dreieinigkeit  in  einer  unheiligen  Dreiheit  und  emanirt, 
gegenüber  den  sieben  Geistern  Gottes,  in  sieben  unreinen 


476  Teufel. 

Geistern ,  den  Prototypen  der  Hauptlaster.  Der  als  gefallener 
erster  Engel  Lucifer  heisst ,  ist  zugleich  der  Satan ,  der  Teufel 
par  excellencej  Fürst  der  Finsterniss  und  Hölle.  Als  Gegen- 
bild der  Dreieinigkeit  erscheint  er  dreiköpfig  im  Mittelpunkt 
der  Erde,  in  der  tiefsten  Tiefe,  bei  Dante,  auch  in  alten 
Miniaturen.  Didrorij  man.  p.  78;  dessen  icon,  p.  544.  —  Der 
einem  Götzen  entlehnte  Beelzebub  und  der  thierische  Leviathan 
sind  nur  andere  Bezeichnungen'  für  dasselbe  böse  ürwesen. 

Alle  untern  Rangordnungen  müssen  aus  dem  Wesen  des 
Bösen  herfliessen  und  die  verschiedenartigen  Laster  personi- 
ficiren,  gegenübergestellt  den  Tugenden.  Man  hat  auch  zehn 
Hauptteufel  unterschieden  als  Gegner  der  zehn  Gebote.  Zu- 
lässig sind  auch  die  Unterscheidungen  von  ausserordentlichen 
Teufeln,  die  in  ausserordentlichen  Lastern  und  Tollheiten  der 
Menschen  wirksam  erscheinen.  So  schuf  das  Reformations- 
zeitalter, in  dem  überhaupt  der  Teufel  seinen  Triumph  feierte, 
ganz  neue  Teufel,  entsprechend  den  damals  aufkommenden, 
die  menschliche  Gesellschaft  verpestenden  Lastern  und  Miss- 
bräuchen, als  da  waren:  der  Sauf-,  Fress-,  Hof-,  Schul-, 
Jagd-,  Spiel-,  Fluch-  und  Hosenteufel,  bezüglich  auf  die 
lüderlichen  Sitten  und  phantastischen  Trachten,  die  damals 
aufkamen.  Von  dieser  Art  ist  auch  der  beim  russischen  Volk 
gegenwärtig  sehr  populäre  „ Geldteufel '%  der  zugleich  eine 
Personification  der  habgierigen  russischen  Beamtenwelt  ist. 
Vgl.  Kohl,  Russland  L  137.  —  Nicht  unfein  ist  in  Lessings 
berühmtem  Fragment  von  Faust  die  Classification  der  Teufel 
nach  der  Schnelligkeit  ihres  Wirkens.  —  Durchaus  unzulässig 
ist  die  Classification  der  Teufel  nach  den  Elementen  und 
Naturreichen.  Indem  man  antike  Naturgötter  zu  Teufeln 
machte  oder  auch  die  nordische  Eiben-  und  Zwergenwelt  in's 
Teuflische  übersetzte  (wie  z.  B.  Theophrastus  Paracelsus  that), 
griff  man  zu  weit  in's  heidnische  Gebiet  über  und  dehnte 
den  Begriff  des  Teuflischen  zu  weit  aus.  Nur  in  den  gei- 
stigen Elementen,  nur  in  den  geschichtlichen  Reichen  wirken 
Dämonen.  Daher  den  Engeln  der  Völker,  den  Schutzengeln 
und  Patronen  der  Genossenschaften  und  Stände  auch  Teufel 


Teufel.  477 

gegenüberstehen,  die  in  den  Lastern  dieser  Völker  und  Stände 
liauptsäclilich  thätig  sind.  Nach  einer  alten  Legende  vertheilte 
der  Teufel  seine  sieben  Töchter ,  die  Hauptlaster,  unter  die 
Hauptclassen  der  Menschen,  nur  die  Buhlerei  blieb  übrig 
und  wurde  daher  allen  gemein.  Görres,  Mystik  III.  698. 
Man  muss  die  in  einem  Laster  wirksamen  Teufel  noch  von 
den  einer  besondern  Tugend,  oder  einem  Sakrament  feind- 
lichen Teufeln  unterscheiden.  So  steht  neben  dem  Teufel 
der  Unzucht  ausdrücklich  noch  ein  ehefeindlicher  Teufel,  den 
uns  das  Buch  Tobias  kennen  lehrt. 

Es  würde  mich  doch  wohl  zu  weit  führen,  wenn  ich 
den  Versuch  machen  wollte,  hier  in  längern  Aneinander- 
reihungen jene  Legionen  und  Cohorten  zu  verfolgen,  die  ihre 
schwarzen  Spuren  in  der  Weltgeschichte  hinterlassen  haben. 

Auch  das  Vorkommen  der  Teufel  in  der  heiligen  Ge- 
schichte kann  ich  hier  nicht  im  Einzelnen  aufzählen.  Es  ist 
bekannt  genug  und  auf  allen  Kirchenbildern,  auf  denen 
biblische  Scenen  mit  dem  Teufel  vorkommen,  vom  Sünden- 
fall bis  zum  Weltgericht  verständlich. 

Da  der  Teufel  nichts  schaffen,  sondern  nur  zerstören 
kann,  so  ist  er  auch  als  Säemann  in  der  biblischen  Parabel 
nur  Säer  des  Unkrauts.  Deshalb  macht  ihn  die  Volkslegende 
auch  zum  Säemann  aller  Ketzer  und  Unruhestifter.  Er  raffte 
z.  B.  einmal  die  Schwenkfelder  von  der  Erde  auf,  that  sie 
in  einen  Sack  und  wollte  sie  zur  Hölle  führen,  der  Sack 
stiess  aber  an  den  Spitzberg  in  Schlesien,  da  fielen  die  Ketzer 
heraus  und  existiren  noch  in  der  Umgegend.  In  gleicher 
Weise  säte  er  böse  Junker  in  der  Lausitz. 

Der  Teufel  ist  Erfinder  des  Würfelspiels.  Die  bösen 
Folgen  dieses  Spiels  sind  daher  in  einem  altitalienischen  Bilde 
geistreich  aufgefasst  in  fünf  Köpfen,  welche  die  Zahl  5  im 
Würfel  ausdrücken.  Die  vier  äussern  Köpfe  gehören  Ver- 
dammten an  und  haben  Mienen  voll  Verzweiflung,  der  mittlere 
gehört  dem  Teufel  an  und  lacht  schadenfroh.  —  In  solchen 
symbolischen  und  allegorischen  Anwendungen  haben  Poesie 
und  Kunst  noch  einen  unendlichen  Spielraum. 


478  Thamar. 

In  Bildern,  die  sich  auf  Heiligenlegenden  beziehen,  ist 
der  Teufel  oft  stehendes  Attribut.  Als  Versucher  finden  wir 
ihn  bei  den  Heiligen  Antonius ,  Macarius,  Romualdus,  Victo- 
rinus,  bei  der  heiligen  Katharina  von  Siena  etc.  Auf  einsamem 
Felsen  im  Meer  wird  der  heilige  Martinianus  vom  Teufel 
versucht.  In  Christi  Gestalt  der  heilige  Martin  und  der 
h.  Potitus.  Auf  dem  Meer  wird  das  Schiff  des  h.  Marcus, 
auch  das  des  h.  Brandanus  von  Teufeln  umdroht. 

Besiegt  liegt  dei*  Teufel  überwunden  zu  den  Füssen  des 
Erzengels  Michael  und  des  ritterlichen  heiligen  Georg.  Gefes- 
selt folgt  er  der  h.  Digma,  Juliana,  dem  h.  Cyriacus  und 
Norbert.  Gebunden  liegt  er  zu  Füssen  der  h.  Genoveva  und 
muss  ihr  das  Licht  halten.  Auch  dem  h.  Dominicus  muss 
er  das  Licht  halten ,  das  ihm  bis  auf  die  Finger  brennt.  Der 
h.  Gudula  versucht  er  vergebens  das  Licht  auszublasen.  Der 
h.  Bartholomäus  zwingt  ihn,  Christum  zu  bekennen.  Der 
h.  Dunstan  zwickt  ihn  bei  der  Nase.  Sehr  viele  Heilige  treiben 
Teufel  aus,  die  in  Gestalt  von  Raben  davonfliegen. 

Thamar, 

das  alttestamentalische  Vorbild  der  äussern  Schmach,  welcher 
das  Christentlium  so  oft  unterzogen  worden  ist  und  sich  frei- 
willig unterzogen  hat,  um  seine  höhere  Mission  zu  vollbringen. 
Indem  Thamar  durch  uneheliche  und  sogar  blutschänderische 
Geburt  gleichwohl  die  Stammmutter  Davids,  der  Maria  und 
des  Heilands  wurde,  wird  damit  ausgedrückt,  dass  Gott,  in- 
dem er  seinen  eingebornen  Sohn  als  Heiland  der  Welt  gerade 
in  diesem  Schmutz  des  Judenthums  und  in  der  Gesetzwidrig- 
keit einer  sündigen  Umarmung  die  irdischen  Wurzeln  schlagen 
liess,  nur  das  Uebel  dieser  Welt  gleichsam  mit  der  Wurzel 
ausheben  und  nicht  sowohl  den  Weisen  und  Gerechten,  als 
vielmehr  den  Verlornen  und  Verachteten,  den  Ausgestossenen 
und  Parias  die  Erbarmung  und  Erlösung  bringen  wollte.  Die 
Legitimität  nach  dem  äussern  Gesetz,  der  starren  Gerechtig- 
keit   des   Mosaismus,    hatte   keinen   Werth    mehr    für   den 


Thau.  y  479 

All  erbarmer,  der  nicht  das  einseitige  Volkswohl  der  Hebräer, 
sondern  die  Erlösung  des  gesammten  menschlichen  Geschlechts 
wollte  und  darum  sich  gerade  am  liebsten  an  die  Elenden 
und  Heiden  wandte,  und  seine  Apostel  unter  Zöllnern  und 
Sündern  wählte.  Noch  specieller  ist  Thamar  das  Vorbild  der 
Sünderin  Magdalena,  die  dem  Heiland  geistig  so  nahe  stand, 
wie  Thamar  durch  die  Abstammung.  Rupert  von  Deutz  hat 
Thamar  und  Ruth  zusammengestellt  als  poenitentia  und  pau- 
pertas^  die  beiden  Vorbedingungen  alles  christlichen  Heils. 
Seine  Deutung  der  Geschichte  Thamars  ist  sehr  sinnreich. 
Er  sieht  in  Thamar  selbst  die  Busse ;  im  Judas  das  Erbarmen  ; 
in  Ring,  Schnur  und  Stab,  die  sie  zum  Pfand  erhält,  Glaube, 
Liebe  und  Hoffnung;  in  dem  Bock,  den  sie  zum  Preis 
empfängt,  das  Lamm  Gottes  oder  die  Erlösung;  in  den  beiden 
Zwillingen  endlich  den  Gegensatz  von  Judenthum  und  Hei- 
denthum,  so  zwar,  dass  Serah  mit  dem  rothen  Faden  an  der 
Hand,  der  zuerst  zum  Vorschein  kommt,  aber  doch  das  Recht 
der  Erstgeburt  wieder  verliert,  das  Judenthü-m,  Perez  da- 
gegen das  anfangs  zurückgesetzte  Heidenthum  bedeutet,  in 
welchem  das  Ghristenthum  segensreicher  wirkte  und  von  dem 
es  viel  umfassender  und  gehorsamer  anerkannt  und  aufge- 
nommen wurde,  als  vom  Judenthum.     Eupertus  Tuit.  p.  97. 

Thau, 

Sinnbild  des  Segens,  der  vom  Himmel  kommt.  Wie  der 
nächthche  Thau  die  Erde  befruchtet,  so  kam  alle  Frucht  des 
geistigen  Lebens  durch  Maria  von  oben.  Das  ist  vorgebildet 
in  dem  Thau,  der  auf  Gideons  Fell  niederfiel.  Vgl.  den 
Artikel  Gideon.  —  Conrad  von  Megenberg  im  Buch  der 
Natur  1482,  Fol.  25.  leitet  den  Thau  von  den  Sternen  her, 
wodurch  noch  vor  dem  Aufgang  der  Sonne  die  Aecker  be- 
feuchtet werden,  und  vergleicht  diese  Sterne  mit  den  Heiligen. 


480  Thiere. 


T  h  i  e  r  e, 

Sinnbilder  der  Leidenscliaften  und  auseinandergehenden  Men- 
schensinne. Im  Paradiese  lebten  alle  Thiere  in  Harmonie 
und  thaten  einander  nichts  zu  Leide.  Vgl.  den  Artikel  Pa- 
radies. Erst  nach  dem  Sündenfall  der  Menschen  wurden  die 
Thiere  wild  und  feindeten  einander  an,  wie  Kain  den  Abel. 
Die  seitdem  unter  den  Thieren  entzündete  Gier  und  Wuth 
correspondirt  mit  der  durch  den  Sündenfall  in  Adam  zer- 
störten Harmonie  der  menschlichen  Seelenkräfte  und  deren 
Gegeneinandertoben.  Im  künftigen  Paradiese  aber  sollen  die 
Thiere  zu  dem  alten  Frieden  zurückkehren.  Jesaias  65,  25. 
Deshalb  nahmen  schon  die  ältesten  Christen  im  römischen 
Keich  den  antiken  Orpheus,  dessen  Gesang  die  wildesten 
Thiere  zähmt,  zum  Vorbild  Christi.  Dem  gefallenen  Adam 
unter  den  auseinanderlaufenden  *Thieren  des  Paradieses  steht 
hier  der  neue  Adam  unter  den  wieder  vereinigten  gegenüber. 
Vgl.  den  Artikel  Orpheus.  Nach  den  apokryphischen  Evan- 
gelien liefen,  als  die  heilige  Familie  nach  Aegypten  floh,  in 
der  Wüste  alle  Thiere  herbei,  um  in  friedlicher  Eintracht 
das  Christkind  anzubeten.  Hofmann,  Apokr.  S.  141.  So 
sammeln  sich  auch  alle  Thiere  der  Arche  Noä  in  einem  lieb- 
lichen Garten  um  die  Mutter  mit  dem  göttlichen  Kinde  in 
einem  alten  Kölner  Volksliede.  V^eyden,  Kölns  Vorzeit 
S.  268.  Die  Gabe,  den  Thieren  ihre  paradiesische  Fried- 
samkeit  zurückzugeben,  wohnt  auch  vielen  Heiligen  inne. 
Der  Mensch  übt  eine  magische  Gewalt  über  die  Thiere;  er 
theilt  ihnen  seinen  Gottesfrieden  mit,  wie  das  Gegentheil. 
Begreiflicherweise  sind  es  in  der  Legende  zumeist  Einsiedler 
im  wilden  Wald  und  in  den  Wüsten,  oder  in  unbekannte 
Wildnisse  eindringende  ßekehrer,  denen  sich  die  Thiere 
dienend  zugesellen.  Der  heilige  Didymus,  ein  ägyptischer 
Einsiedler  des  4ten  Jahrhunderts,  besass  Gewalt  über  alle 
giftigen  Thiere,  so  dass  ihn  keines  verletzen  und  er  jedes, 
wie  er  wollte,  anfassen,   treten  oder  tödten  konnte.    Leben 


Thiere.  481 

der  Altväter  1725,  S.  93.  Der  heilige  Godrik  war  sechzig 
Jahre  lang  Einsiedler  und  war  stets  von  wilden  Thieren 
umgeben,  die  ihm  gehorchten.  Acta  SS.  21.  Mai.  Desgleichen 
der  heilige  Marianus  in  Gallien  im  5ten  Jahrhundert.  Vincent. 
Bellov.  spec.  hist.  XX.  18.  Der  h.  Lucas  der  Jüngere  in 
Griechenland,  Acta  SS.  7.  Februar.  St.  Aventinus,  4.  Februar. 
Attracta,  eine  königliche  Jungfrau  in  Irland,  floh  die  Ehe, 
wurde  eine  Heilige ,  tödtete  einen  furchtbaren  Drachen  durch 
das  Zeichen  des  Kreuzes,  führte  ein  durch  die  Uebermacht 
des  Feindes  in  einer  engen  Gegend  eingesperrtes  Heer  sicher 
durch  einen  See,  der  unter  ihren  Füssen  austrocknete,  und 
belud  ein  andermal  die  wilden  Hirsche,  die  ihrem  Winke 
gehorchten ,  mit  Holz ,  das  sie  ihnen  mit  keinem  andern  Bande 
aufband,  als  mit  ein  Paar  von  ihren  Haaren,  die  sie  sich  zu 
diesem  Behufe  ausriss.  Acta  SS.  9.  Februar.  Die  Legende 
von  Irland  (Hibernia  sacra)  und  die  der  ersten  Apostel  in 
den  deutschen  Urwäldern  (Germania^  Helvetia,  Bavaria  sacra) 
sind  besonders  reich  an  Thieren  aller  Art,  die  den  Heiligen 
sich  zugesellt,  ihnen  zugehört  und  Dienste  geleistet  haben. 
—  In  der  Legende  des  heiligen  Franciscus  tritt  in  besonderer 
Liebenswürdigkeit  die  christliche  Toleranz  gegen  die  Thiere 
hervor,  die  der  jüdischen  strengen  Scheidung  von  reinen  und 
unreinen  Thieren  entgegengesetzt  ist.  Der  heilige  Franciscus 
fasst  die  Thiere  durchgängig  als  Mitgeschöpfe  des  Menschen 
in  ihren,  wenn  auch  nur  niederen  Verwandtschaftsgraden 
und  Sympathien  auf,  und  empfiehlt  deren  milde  und  gütige 
Behandlung.  —  Patron  der  Hausthiere  ist  der  heilige  Anto- 
nius, in  dessen  Kirche  zu  Rom  dieselben  je  am  17.  Januar 
eingesperrt  werden.  In  Deutschland  wird  der  heilige  Leonhard 
als  Patron  der  Viehzucht  insbesondere  verehrt. 

St.  Julianus  von  Vienne,  ein  Märtyrer  des  3ten  Jahr- 
hunderts ,  wurde  enthauptet ,  sein  Haupt  ruht  in  seiner  Kirche 
zu  Vienne,  in  welcher  alle  wilden  Thiere,  sie  seyen  noch  so 
unbändig,  zahm  werden,  so  wie  sie  hineinkommen.   28.  August. 

Auf  Kirchenbildern  sind  die  Thiere  im  Paradiese,  in  der 
Arche  Noä,   um   den   christlichen   Orpheus  versammelt.     Zu 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  31 


48^  Thierkreis. 

den  einzelnen  Heiligen  gesellen  sich  in  der  Regel  auch  nur 
einzelne  Thiere.  Vgl.  die  Artikel  Bär,  Hirsch  etc.  Verschie- 
dene -wilde  Thiere  umgaben  die  Heiligen  Blandina,  Euphemia, 
Thekla,  denen  sie  vorgeworfen  werden  sollten,  von  denen 
sie  aber  geschont  wurden.  Arzt  der  wilden  Thiere  war  der 
heilige  Blasius,  zu  dessen  Höhle  kranke  Thiere  kamen,  um 
sich  heilen  zu  lassen. 


Thierkreis, 

Sinnbild  des  Universums,  der  sichtbaren  Welt,  deren  Kreis 
er  umschreibt.  Daher  als  Thron  Gottes  gebraucht,  wie  der 
Regenbogen,  und  gleich  diesem  auch  als  der  Ring,  der 
Himmel  und  Erde  verbindet.  So  namentlich  auf  Bildern  der 
Schöpfung,  nicht  ohne  eine  astrologische  Beziehung  auf  den 
Einfluss,  den  die  Himmelskörper  üben.  So  im  Campo  Santo 
zu  Pisa,  in  den  nach  Raphaels  Zeichnungen  verfertigten  Mo- 
saiken der  S.  Maria  del  popolo  etc.  Vgl.  Piper,  christl.  Myth. 
H.  293.  —  Sehr  oft  findet  sich  der  Thierkreis  an  kirchlichen 
Fa^aden  und  Portalen  des  12ten  und  13ten  Jahrhunderts. 
Vgl.  Bocky  eglise  de  Nivelles  p.  14.  An  der  Domkirche  zu 
Cremona  bewegen  sich  die  Thierzeichen  im  Thierkreise  wie  in 
Prozession  von  der  Rechten  zur  Linken.  Wiener  Jahrb.  XL. 
Anzeigeblatt  S.  41.  Das  dürfte,  wie  Piper  a.  a.  0.  292. 
richtig  bemerkt,  ein  den  antiken  Tempeln  entlehntes  Motiv 
seyn,  da  sich  auf  diese  die  Zwölfgötter  mit  Thierzeichen 
und  Monaten  identisch  in  einer  Bogenstellung  finden  (z.  B. 
auf  der  Ära  Borghese  im  Louvre).  Später,  als  die  grossen 
Kirchenuhren  aufkamen,  wurde  der  Thierkreis  gewöhnlich 
mit  diesen  (über  dem  Portal  der  Kirche)  verbunden,  wodurch 
er  seine  ursprünglich  rein  kalendarische  Bedeutung  wieder 
erhielt.  Inzwischen  wurden  die  Thierzeichen  doch  auch  sinn- 
bildlich auf  die  zwölf  Apostel ,  als  Patrone  der  zwölf  Monate, 
bezogen.  An  einem  Reliquienkasten  in  der  Schlosskirche  zu 
Quedlinburg  sind  die  zwölf  Apostel  bogenförmig  gestellt  und 
über  ihnen  die  Zeichen   des  Thierkreises  angebracht.     Und 


St.  Thomas.  488 

so  öfter,  vgl.  Piper  a.  a.  O.  Wie  sich  heidnische  Astrologie 
mit  christlicher  vermischte,  zeigt  Priscillian,  demzufolge  zwölf 
böse  Dämonen  (die  altheidnischen  Götzen)  den  Leib ,  dagegen 
zwölf  Patriarchen  (christliche  Potenzen)  die  Seele  des  Men- 
schen beherrschen  sollen.  Vgl.  Gfrörer,  Kirchengesch.  II. 
2.  572.  —  Als  ein  durchaus  missrathenes  Sinnbild  göttlicher 
Omnipotenz  ist  die  dreiköpfige  Dreieinigkeit  zu  betrachten, 
die  den  Zodiacus  hält  auf  einem  Bild  aus  dem  16ten  Jahr- 
hundert.    Didron^  icon.  580. 

St.    Thomas, 

der  Apostel,  scheint  etwas  Peripherisches,  ein  Grenzverhält- 
niss,  eine  Fernwirkung  bis  zum  zweifelhaften  Zwielicht  im 
Verhältniss  zum  christlichen  Centrum  auszudrücken.  Er  unter 
allen  Aposteln  allein  ist  der  Schwergläubige ,  der  immer  noch 
zweifelt.  So  will  er  nicht  an  des  Lazarus  Erweckung  glauben. 
Auch  nicht  an  die  Auferstehung  des  Herrn ,  in  dessen  Wunde 
er  erst  die  Finger  legen  muss,  um  sich  zu  überzeugen.  Nach 
der  Legende  zweifelte  er  auch  an  der  Himmelfahrt  Maria, 
bis  sie  ihm  aus  der  Höhe  ihren  Gürtel  herunterwarf.  Didron, 
man.  p.  287.  Wie  unter  den  Planeten  Saturn  am  weitesten 
von  der  Sonne  entfernt  ist,  so  sieht  Thomas  die  geistige 
Sonne  nur  wie  blinzelnd  aus  der  Ferne.  Darum  beherrscht 
er  auch  im  christlichen  Kalender  wie  Saturn  die  Wintermitte. 
Der  21.  Dezember,  der  kürzeste  Tag  im  ganzen  Jahre,  ist 
der  Thomastag.  Man  hat  dieses  kurze  Tageslicht  auf  die 
Kleingläubigkeit  des  Apostels  und  auf  den  Spruch  Christi 
bezogen:  „Selig,  die  da  glauben  und  nicht  sehen."  Strauss, 
Kirchenjahr  S.  98.  Man  muss  indess  die  Zeitferne,  den 
Jahresschluss  in  Verbindung  bringen  mit  der  Raumferne,  den 
räumlichen  Grenzen  der  christlichen  Welt.  Thomas  ist  vor- 
zugsweise Bekehrer  der  entlegensten  Heidenländer,  des  öst- 
lichen wie  des  westlichen  Indiens.  Die  Legende  lässt  ihn 
unter  allen  Aposteln  in  die  weitesten  Fernen  wandern. 

In    der    apokryphischen    Apostelgeschichte    des    Abdias 

31  * 


4B4  St.  Thomas. 

heisst  es :  als  die  Apostel  in  alle  Welt  ausgingen ,  die  Heiden 
zu  bekehren,  sey  Thomas  nach  Indien  gewandert.  Daselbst 
fand  er  einen  König,  der  ihn  zwang,  seine  Tochter  und 
ihren  Bräutigam  einzusegnen,  obgleich  sie  Heiden  und  nicht 
Christen  waren.  Thomas  flehte  den  Segen  des  Heilands  auf 
sie  herab  und  siehe,  als  die  Brautleute  in  ihre  Kammer 
gingen,  sass  Christus  auf  ihrem  Bette  und  sagte,  wenn  der 
über  sie  ergossene  Segen  in  Erfüllung  gehen  solle,  so  müss- 
ten  sie  keusch  leben  und  alles  Zeitliche  hinter  sich  lassen. 
So  thaten  sie  auch.  Der  König  gab  dem  Apostel  Geld,  einen 
herrlichen  Pallast  zu  bauen,  aber  er  gab  das  Geld  den  Ar- 
men und  sagte,  dadurch  werde  ihm  der  schönste  Pallast  im 
Himmel  erbaut.  In  Persien  bekehrte  er  die  edle  ^Vau  Myg- 
donia,  was  man  ihm  aber  sehr  übel  nahm,  und  nachdem  er 
die  goldne  Bildsäule  des  Sonnengottes  auf  ihrem  von  zwei 
Rossen  gezogenen  Wagen  durch  blosses  Gebet  zerschmolzen 
hatte,  wurde  er  von  den  Kriegern  umringt  und  mit  Lanzen 
erstochen,  21.  Dezember.  An  seinem  Grabe  soll  sich  eine 
Lampe  befinden ,  die  ohne  Oel  brennt  und  von  keinem  Sturm 
gelöscht  werden  kann.  Paullini,  Luststunden  S.  329.  Als 
die  Portugiesen  nach  Indien  kamen,  fanden  sie  sogenannte 
Thomaschristen  vor,  die  vom  Apostel  bekehrt  worden  seyn 
sollen,  ohne  seitdem  je  mit  andern  Christen  in  Verbindung 
zu  kommen.  Vom  Abendlande  selbst  aus  meldet  zuerst  Gre- 
gor von  Nazianz  oraL  25 ,  dass  Thomas  wirklich  nach  Indien 
gekommen  sey.  Vgl.  darüber  Ritter,  Erdkunde  V.  601  ff. 
In  Ribadineiras  Legenden  Sammlung  heisst  es,  der  Apostel 
habe  einmal  in  Indien  beim  König  Sagamus  einen  Ungeheuern 
Holzblock ,  den  Niemand  von  der  Stelle  bringen  konnte,  mit 
seinem  Gürtel  leicht  weggezogen.  Darauf  habe  er  ein  Kreuz 
aufgerichtet  und  gesagt,  w^enn  das  Meer  bis  dahin  steigen 
werde,  würden  Männer  aus  dem  Westen  kommen  und  das 
von  ihm  begonnene  Werk  der  Christianisirung  weiter  führen. 
Als  nun  die  Portugiesen  das  erstemal  in's  Land  gekommen, 
sey  das  Meer  wirklich  so  hoch  gestiegen.  Vgl.  Baldäus, 
Beschreibung    von  Malabar    S.   125.   und   Mandelslo,    Reise 


Thränen.  485 

S.  195.  Der  fabelreiche  Reisende  Montevilla  erzählt  (113.), 
eine  Statue  des  Heiligen  in  Indien  diene  als  Orakel,  man 
reiche  ihr  gerichtliche  'Denkschriften  und  wenn  der  Dar- 
reichende unschuldig  sey,  behalte  sie  die  Zuschrift  in  der 
Hand,  wenn  nicht,  lasse  sie  sie  fallen.  Nach  Marco  Polo 
(Bürk  S.  544.)  können  die  Nachkommen  seiner  Mörder  nicht 
in  seine  Kirche  gelangen,  die  Luft  stösst  sie  zurück. 

Thomas  soll  auch  die  heiligen  drei  Könige  im  Christen- 
thum  unterwiesen  und  den  Aethiopier  unter  ihnen  weiss  ge- 
waschen haben.  Die  heiligen  drei  Könige  bedeuten  die  drei 
Welttheile.  Thomas  soll  die  weitesten  Reisen  unter  allen 
Aposteln  gemacht  haben  und  sogar  in  Amerika  gewesen  seyn. 
Man  glaubte  nämlich,  ehe  und  noch  als  Columbus  Amerika 
entdeckte,  die  neue  Welt  hinge  mit  der  alten  zusammen, 
weshalb  man  auch  Amerika  Indien  nannte.  Man  glaubte  in 
dem  mexikanischen  Götzen  Quetzalcoatl  den  heiligen  Tho- 
mas wiederzuerkennen.  Prescott,  Eroberung  Mexiko's  I.  49. 
xAuch  in  Brasilien  fand  man  seine  Spuren.  Nieremberg ,  hist, 
nat.  334. 

Thränen. 

* 

Perlen  im  Traum  gesehen,  bedeuten  Thränen,  aber  die 
Thränen  des  reinen,  wahren  Schmerzes  werden  auch  wieder 
zu  Perlen.  Die  mit  Thränen  säen,  werden  mit  Freuden 
ärndten.  Psalm  126,^  5.  Die  Perlen,  womit  die  Sünderin 
Magdalena  geschmückt  war,  wurden  von  ihr  weggeworfen, 
als  sie  Busse  that ,  und  ersetzt  durch  Thränen ,  die  noch  weit 
kostbarer  waren.  In  den  Thränen  spricht  sich  nicht  nur  der 
tiefste  Schmerz  des  irdischen  Leidens ,  sondern  auch  das  Vor- 
gefühl der  Seligkeit  aus.  Das  leidende  Thier  kann  nur 
heulen.  Der  leidende  Mensch  weint,  weil  er  das  zeitliche 
Wehe  mit  der  ewigen  Wonne  zu  vergleichen ,  bei  dem  einen 
des  andern  sich  zu  erinnern  vermag.  Thränen  sind  ein 
Vorzug.  Es  gibt  Thränen,  die  nur  Heilige  und  Engel  zu 
weinen  vermögen.  Christus  selbst  weinte  im  Anblick  der 
Stadt  Jerusalem,  die  bald  zerstört  werden  sollte.    Die  Gabe 


486  Thron. 

der  Thränen  ist  eine  niclat  minder  adelnde  Auszeichnung  der 
Heiligen,  wie  die  Gabe  der  Jubilation  (des  Gesanges).  Die 
heilige  Maura  und  Maria  de  Oegnies  besassen  beide.  Vgl. 
Görres,  Gesch.  der  Mystik  IL.  74. 

Hiobsthränen  heissen  die  perlenartigen  Früchte  einer  Gras- 
art in  Ostindien,  die  man  auf  Schnüre  anreiht.  Hochstetter, 
populäre  Botanik  I.  81.  621.  Lacrymae  Christi  nennt  man 
den  köstlichen ,  am  Fusse  des  Yesuv  wachsenden  Wein ,  weil 
nach  der  Volkssage  Christus ,  als  ihn  der  Teufel  in  der  Wüste 
versuchte,  von  demselben  hiehergeführt  worden  seyn  soll, 
wo  „die  schönste  Aussicht  der  Welt  ist^,  der  Heiland  aber 
aus  Mitleid  geweint  haben  soll,  dass  dieses  Paradies  der 
Erde  von  so  argen  Sündern  und  Schelmen,  wie  die  Neapo- 
litaner sind,   bewohnt  werde. 

Thron. 

Throne  heissen  Engel  oder  Kräfte  Gottes,  auf  denen 
gleichsam  seine  Macht  ruht.  Vgl.  die  Artikel  Cherubim  und 
Engel.  Flammende  Räder  mit  Augen  und  Flügeln,  die  den 
beweglichen  Thron  oder  Wagen  Gottes  tragen.  Vgl.  Züllich, 
Offenbarung  Johannis  H.  33.  Die  Räder  werden  auch  so 
dargestellt,  dass  je  zwei  kreuzförmig  in  einander  greifen. 
Didroriy  annales  I.  156.  —  Gott  thront  auch  auf  dem  Regen- 
bogen, Christus  als  Weltrichter  auf  dem  doppelten  Regen- 
bogen.    Vgl.  den  Artikel  Regenbogen. 

Der  Thron  Salomo's,  auf  dessen  Stufen  zwölf  Löwen 
standen,  ist  alttestamentalisches  Vorbild  der  Maria,  weil  der 
wahre  Salomo  (Gott  selbst)  sie  zu  seinem  Thron  erkor.  Conrad 
von  Würzburg,  goldne  Schmiede,  Vers  1735  f.  Die  zwölf 
Löwen  stellen  am  marianischen  Thron  die  zwölf  Apostel  dar. 

T  h  ü  r. 

Christus  spricht:  „Ich  bin  die  Thür,  so  Jemand  durch 
mich  eingeht,  der  wird  selig  werden.^    Johannes  10,  9.    Die 


Thtir.  487 

Pforte,  die  zur  Verdammniss  führt,  ist  weit,  die  zum  Leben 
schmal.  Matth.  7,  13.  Ueber  Dante's  Hölle  steht  geschrieben: 
„Wer  durch  mich  eingeht,   lasse  jede  Hoffnung  hinter  sich." 

Insbesondere  wurde  die  Thür  ein  Sinnbild  der  Gnaden- 
mutter und  Gottesgebärerin ,  durch  welche  alles  Heil  in  die 
Welt  gekommen.  So  in  unzähligen  Hymnen:  Tu  regis  alta 
janua  (in  dem  Hymnus:  O  gloriosa  virginum) j  porta,  ex  qua 
mundi  lux  est  orta  (in  dem  Hymnus:  Ave  regina  coelorum), 
felix  coeli  porta  (im  Hymnus:  Ave  maris  Stella),  porta  orien- 
talis  (im  Hymnus:  Salve  virgo  puerpera).  Am  häufigsten  aber 
wird  von  der  heiligen  Jungfrau  Maria  der  Ausdruck  ge- 
braucht: porta  clausa j  mit  Beziehung  auf  Ezechiel  44,  2,  wo 
Gott  durch  die  verschlossene  Pforte  geht,  ohne  dass  sie  sich 
zu  öffnen  braucht.  So  wurde  Maria  durch  Gott  Vater  Mut- 
ter des  Sohnes  und  blieb  doch  Jungfrau.  Vgl.  Conrad  von 
Würzburg,  goldne  Schmiede,  Vers  1786  f.  Wackernagel, 
Kirchenlied  Nr.  94.  Auch  auf  Bildern  kommt  die  verschlossene 
Pforte  Ezechiels  sehr  oft  als  Attribut  der  Maria  vor,  Didron^ 
man.  p.  147;  dessen  annales  I.  214.  Bezug  darauf  nimmt  auch 
die  „goldne  Pforte'*  in  der  Peterskirche  zu  Rom,  die  der  Papst 
nur  einmal  nach  seiner  Wahl  und  sonst  nur  je  an  einem  Jubel- 
jahr mit  einem  goldnen  Hammer  anschlagen  und  öffnen  darf. 

Die  christliche  Kirchenbaukunst  nahm  bei  Anlage  der 
Kirchenthüren  immer  Rücksicht  auf  Symbolik.  Der  byzan- 
tinische und  romanische  Rundbogen  entsprach  der  Form  des 
Regenbogens  und  Thierkreises  und  bildete  gleichsam  ein 
Thor  des  Himmels.  Auch  insbesondere  die  „goldne  Pforte'^ 
wurde  an  Kirchthüren  wiederholt  mit  Bezug  auf  die  heilige 
Jungfrau.  Gerade  über  dem  Bogen  oder  dem  Mittelpfeiler 
zwischen  den  beiden  Thürflügeln  stand  die  göttliche  Mutter 
mit  dem  Kinde.  In  dem  Rande  des  Bogens  wurden  überaus 
oft  die  zwölf  Apostel,  Propheten,  Patriarchen  statuarisch  an- 
gebracht, gleichsam  als  die  Sternbilder  im  christlichen  Zodiacus. 
Die  Hauptthür  der  Kirchen  ist  immer  auf  der  Westseite, 
denn  man  geht  dem  Licht  nach  Osten  entgegen.  —  Der 
gothische  Spitzbogenstyl  verliess  die  Symbolik  des  Himmels- 


488  Thüt. 

bogens,  nahm  aber  in  ihren  reichen  Ornamenten  die  Symbolik 
des  Weinstocks  auf.  Das  Stab  werk  der  gothischen  Portale 
rankte  sich  zur  Weintraube  empor.  Christus  wurde  hier  zu- 
gleich als  die  Thür,  durch  die  man  eingeht,  und  als  der 
Weinstock  betrachtet. 

Dursch  in  seiner  Aesthetik  der  christlichen  bildenden 
Kunst  sagt  vom  Freiburger  Dom  S.  349 :  „Betrachten  wir 
die  christliche  Kirche  als  die  Vermittlerin  des  Heils ,  welches 
der  Sohn  Mariens  der  Welt  bereitet  hat,  so  wird  uns  auch 
die  Bedeutung  der  bildlichen  Darstellung  leicht  einleuchten. 
Beim  Eintritt  in  die  Halle  erscheint  uns  Maria  mit  dem 
Christkinde,  als  Ziel  der  Yerheissung  und  als  Morgenstern 
des  Heils.  Im  Bogenfelde  erblicken  wir  die  Geschichte  Christi 
als  die  Ursache  unseres  Heils  dargestellt,  womit  zugleich  an- 
gezeigt ist,  wo  wir  unser  Heil  suchen  sollen.  Als  Mittelpunkt 
der  heilsamen  Wirksamkeit  Christi  erscheint  uns  hier  Christus 
am  Kreuze  in  grösserer  Dimension,  wie  er  nämlich  für  die 
Sünden  der  Welt  seinem  himmlischen  Vater  gehorsam  war 
bis  zum  Tode  am  Kreuze.  Der  Glaube  an  den  welterlösen- 
den Kreuzestod  Christi  bildet  von  nun  an  eine  Scheidung  in 
der  Welt,  welche  einerseits  durch  die  Seligen,  andererseits 
durch  die  Verdammten  um  das  Kreuz  dargestellt  ist.  Die 
subjective  Scheidung  der  Geister,  welche  hier  der  Glaube 
bildet,  wird  durch  den  Richterspruch  am  jüngsten  Tage  eine 
objective  und  ewig  dauernde.  Die  östliche  Wand  dieser 
Eingangshalle  stellt  uns  daher  die  Wirkungen  des  Christen- 
thums  oder  der  christlichen  Kirche  in  der  Zukunft  dar ,  wäh- 
rend die  plastischen  Werke  der  rechten  und  linken  Wand 
das  Verhältniss  der  alten  Welt,  das  Heiden-  und  Judenthum 
zu  der  Erlösung  versinnbilden.  Die  Einen  erwarteten  in  dem 
Messias  den  Erlöser  der  Welt  und  fanden  in  ihm  ihr  Heil, 
während  die  Andern  sich  von  ihm  abwenden  und  in  Eitelm 
ihr  Heil  suchen.  Diese  bildliche  Darstellung  versinnbildet 
recht  deutlich  die  Universalität  des  Christenthums  und  die 
hohe  Bedeutung  der  christlichen  Kirche,  Vermittlerin  zwischen 
Gott  und  den  Menschen  zu  seyn." 


Thurm.  489 

Die  zwei  Pfeiler  oder  Thürme ,  zwischen  denen  das  Thor 
sich  vertieft,  werden  auf  die  beiden  Säulen  am  Tempel  zu 
Jerusalem  bezogen.  Vgl.  den  Artikel  Säule.  —  Die  beiden 
Thürflügel  entsprechen  den  beiden  Testamenten.  Auf  den 
grossen  Bronzethüren  zu  Florenz  (von  Ghiberti),  zu  Nowo- 
grod  etc.  ist  wirklich  die  ganze  biblische  Geschichte  illustrirt. 
die  des  alten  Testamentes  zur  Linken,  die  des  neuen  zur 
Kechten.  Vgl.  Kunstblatt  1831.  Nr.  13.  Die  beiden  Seiten 
werden  auch  im  Gegensatz  von  Judenthum  und  Christenthum 
aufgefasst,  und  auf  die  eine  Seite  die  allegorische  Figur  der 
Synagoge  (s.  diesen  Artikel),  auf  die  andere  die  der  Kirche 
gestellt.  Oft  auch  findet  man  rechts  die  fünf  klugen,  links 
die  fünf  thörichten  Jungfrauen  dargestellt  (s.  diesen  Artikel). 

In  der  späteren  Gothik  kam  die  Dreizahl  der  Thüren 
auf,  besondei:s  in  Frankreich,  so  dass  nicht  selten  die  ganze 
Westseite  einer  Kirche  von  den  drei  vertieften,  und  auf's 
Prachtvollste  ornamentirten  Thüren  eingenommen  erscheint. 
Der  Dreizahl  liegt  hier  keine  andere  Bedeutung  als  die  der 
Dreieinigkeit  zu  Grunde. 

Ueber  den  Kirchenthüren  wurden  zum  Theil  die  Statuen 
der  Kirchenpatrone  angebracht,  zum  Theil  allgemeine  Sym- 
bole. Unter  diesen  ist  der  Löwe  besonders  merkwürdio^. 
Simson  bricht  den  Kachen  des  Löwen  auf.  Vgl.  d.  Artikel 
Simson.  Ein  Löwe  (Christus)  hütet  die  Pforte.  Zwölf  Lö- 
wen (die  Apostel)  reihen  sich  um  die  Thüre  wie  vor  dem 
Thron  Salomo's  als  Wächter  der  Kirche.  Ein  Löwenkopf 
war  beliebt  als  Thürklopfer  mit  dem  beweglichen  Ringe. 
Vgl.  d.  Artikel  Löwe. 

Thurm, 

Symbol  der  Festigkeit,  Uneinnehmbarkeit,  Unangreifbarkeit, 
„Der  Name  Gottes  ist  der  festeste  Thurm."  Sprichw.  Sal.  18,  10. 
Daher  auch  Sinnbild  der  keuschen  Jungfräulichkeit.  Maria 
wird  der  Thurm  Davids,  der  elfenbeinerne  Thurm  genannt. 
Auch  die  Keuschheit  hat  unter  den  christlichen  Tugenden 


490  Thurm. 

zum  Attribut  den  Thurm.  Kuiistbl.  1821.  S.  178.  Desgleichen 
die  heilige  Barbara,  nicht  blos  weil  sie  in  einen  Thurm  ein- 
gesperrt wurde,  sondern  auch  weil  sie  keusch  und  im  Glau- 
ben felsenfest  war.  Der  Thurm  dieser  Heiligen  hat  drei 
Fenster,  d.  h.  die  Heilige  wurde  durch  den  wahren  Glauben 
an  die  Dreieinigkeit  stark  und  fest.  —  Ein  Thurm  ist  auch 
Attribut  der  heiligen  Leocadia,  weil  sie  aus  einem  herab- 
gestürzt wurde. 

Kirchenthürme  kamen  bei  den  ältesten  Basiliken  noch 
nicht  vor,  sie  entstanden  erst  in  der  karolingischen  Zeit  in 
Frankreich,  und  charakterisiren  die  deutsche  Baukunst  eben 
so,  wie  die  Kuppeln  die  morgenländische.  Den  ersten  An- 
fang zu  Thürmen  machten  die  von  den  Kirchen  gesondert  auf- 
gestellten und  höheren  Baptisterien ,  die  man  nachher  mit 
dem  Schiff  der  Kirche  vereinigte  und  in  deren  Spitze  man 
die  Glocken  aufhing.  Allein  das  Bedürfniss,  die  Glocken 
hoch  zu  hängen ,  damit  sie  weiter  gehört  werden ,  erklärt  die 
Tendenz  der  abendländischen  Baukunst  zu  sehr  hohen  und 
spitzen  Thürmen  nicht  allein.  Offenbar  wirkte  die  Gewöh- 
nung an  die  riesenhaften  Tannen  des  nördlichen  Europa  und 
das  Bedürfniss,  in  den  weiten  Ebenen  des  niedern  Deutsch- 
lands an  den  Kirchthürmen  Anhaltspunkte  der  Orientirung 
zu  haben,  auf  den  Bau  so  hoher  Spitzthürme  ein.  Auch 
finden  wir  die  höchsten  in  den  Niederlanden  und  in  den  Reichs- 
städten der  norddeutschen  Fläche.  Sobald  aber  einmal  aus 
natürlichen  Gründen  so  hohe  Bauten  beliebt  wurden,  suchte 
die  Frömmigkeit  damit  auch  kirchliche  Symbolik  zu  ver- 
binden. Kreuser,  Kirchenbau  I.  565,  erklärt  die  Kreuzform 
im  Grundriss  der  Kirchen  als  Crucifix  und  sieht  demnach  in 
den  beiden  Thürmen,  zwischen  denen  der  Eingang  in  die 
Kirche  auf  der  Westseite  liegt,  die  Nägel  derFüsse,  in  den 
beiden  Seitenthürmen ,  die  sich  zuweilen  finden,  die  Nägel 
der  Hände,  und  in  den  Capellen  des  Chors  die  Dornenkrone. 
Inzwischen  erklärt  das  nicht  genügend  die  Höhentendenz,  die 
vielmehr  als  ein  Aufstreben  der  menschlichen  Sehnsucht,  des 
Gebets  und  der  Tugend  zum  Himmel  empor  gedacht  werden 


Thurm.  491 

muss.  Wie  die  Tugenden  auf  der  Himmelsleiter  wetteifernd 
emporsteigen,  so  die  Thürme  der  gothischen  Kirchen.  Dass 
ihnen  aber  von  oben  die  himmlische  Liebe  entgegenkomme, 
wurde  ausgedrückt  im  Symbol  des  Marienschuhs ,  der  gerade 
immer  die  höchsten  Spitzen  gothischer  Thürme  ziert.  Vgl. 
den  Artikel  Schuh.  Die  sieben  Thürme  zu  Limburg  an  der 
Lahn  können  unbedenklich  auf  die  sieben  christlichen  Tugen- 
den bezogen  werden,  wie  die  häufig  vorkommenden  drei 
Thürme  auf  Glaube,  Liebe  und  Hoffnung,  womit  sich  noch 
der  Begriff  verbindet,  dass  diese  drei  Tugenden  festgegründet 
stehen. 

Die  griechischen  Kirchen  haben  gewöhnlich  drei,  fünf 
oder  dreizehn  Kuppeln,  immer  eine  höhere  und  grössere  in 
der  Mitte  der  anderen;  drei  bedeuten  die  heilige  Dreieinig- 
keit; fünf  Christum  mit  den  vier  Evangelisten;  dreizehn 
Christum  mit  den  zwölf  Aposteln,  v.  Haxthausen,  Studien 
über  Russland  I.  51. 

Zahl,  Höhe  und  Stellung  der  Thürme  zur  Kirche  sind 
ausserdem  conventionell.  Dass  die  Pfarrkirche  nur  einen,  die 
bischöfliche  zwei,  die  erzbischöfliche  drei  Thürme  haben  müsse, 
ist  nicht  feste  Regel.  Fest  steht  dagegen,  dass  die  Bettel- 
klöster statt  des  Thurmes  nur  einen  kleinen  Dachreiter  auf 
dem  gewöhnlich  sehr  hohen  und  breiten  Dach  haben,  die 
Karmeliterkirchen  aber  nur  einen  sehr  hohen  Thurm.  Ueber 
die  UnZuverlässigkeit  der  desfalls  voreilig  angenommenen  Re- 
geln vgl.  Kreuser,  Kirchenbau  I.  171. 

Die  morgenländischen  Kuppeln  bedeuten  das  Himmels- 
gewölbe und  sind  inwendig  gewöhnlich  mit  Scenen  aus  dem 
Himmelreich,  Himmelfahrten,  Engelreigen  oder  Sternen  be- 
malt. Die  abendländischen  Thurmspitzen  enden  in  ein  Kreuz, 
um  auszudrücken,  dass  das  Kreuz  hoch  über  alle  Erde  er- 
hoben ist,  dass  es  Himmel  und  Erde  verbindet,  dass  es,  von 
unten  her  gesehen,  das  Ziel  der  höchsten  Sehnsucht,  von 
oben  her  gesehen ,  der  Ausdruck  des  himmlischen  Erbarmens 
ist.  Der  Wetterhahn  über  dem  Kreuze  hat  die  Bedeutung 
des  Lichtbringers   und  Weckers  der  Völker  aus  dem  alten 


493  Tobias. 

Schlafe  des  Heidenthums ,  beziehungsweise  auch  eines  Er- 
weckers  vom  Schlafe  des  Todes  zur  Auferstehung.  Zuweilen 
ist  auch  das  Standbild  der  Gnadenmutter  auf  den  Thürmen 
erhöht,  z.  B.  über  dem  Mailänder  Dom.  Hier  ist  sie  zuecleich 
Gnadenbringerin  vom  Himmel  her  und  Fürbitterin  der  Men- 
schen von  der  Erde  aus. 

In  den  Steinornamenten  der  durchbrochenen  gothischen 
Kirchthürme  herrscht  die  Symbolik  der  Rosetten  vor,  worin 
die  Formen  von  Kreuzen,  Sternen,  Herzen  verflochten  er- 
scheinen, und  womit  vorzugsweise  wieder  nur  Glaube,  Liebe 
und  Hoffnung  ausgedrückt  wird. 

Tobias. 

Unter  den  Israeliten,  die  von  Salmanassar  nach  Ninive 
geschleppt  wurden,  befand  sich  auch  Tobias  vom  Stamme 
Naphthali;  ein  redlicher  und  wohlhabender  Mann ,  der  Jeder- 
mann Gutes  that  und  auch  den  Muth  hatte,  die  Leichname 
der  Kinder  Israel,  welche  der  König  hatte  tödten  lassen,  gegen 
das  Verbot  heimlich  zu  begraben.  Er  musste  deshalb  flüch- 
ten, kam  aber  nach  Salmanassars  Tode  wieder  und  hielt  ein 
Freudenfest.  Aber  mitten  in  der  Lust  hörte  er,  es  liege  schon 
wieder  ein  Todter  auf  der  Strasse.  Da  wurde  seine  Freude 
zu  Leid,  und  er  fing  das  traurige  Geschäft  des  Begrabens 
wieder  an.  Dargestellt  in  einem  berühmten  Nachtstück  von 
Castiglione  und  in  einem  Stich  von  Bourignon  (Hortense). 
Ermüdet  davon  schlief  er  ein,  da  Hess  eine  Schwalbe  ihren 
Koth  auf  sein  Auge  fallen,  und  er  wurde  blind.  Da  ver- 
liessen  ihn  alle  Freunde,  und  er  wurde  ein  Spott  der  Menschen. 
Sein  Weib  Hannah  ernährte  ihn  redlich  mit  Spinnen,  als  sie 
aber  einmal  eine  verlaufene  Ziege  mit  heimbrachte,  und  er 
das  Meckern  derselben  hörte,  bestand  er  darauf,  fremdes 
Gut  müsse  unangetastet  bleiben,  und  duldete  nicht,  dass  die 
Ziege  geschlachtet  wurde.  Da  wurde  ihm  sein  Weib  böse 
und  warf  ihm  vor,  dass  er  nichts  verdienen  könne.  Rem- 
brandt  hat  diese  Scenen:    wie  er  die  Ziege  bemerkt,   wie  er 


Tobias.'  49S 

das  Weib  tadelt  und  wie  sie  ihm  zürnt,  mehrmals  und  mit 
besonderer  Vorliebe  gemalt;  besonders  schön  ist  die  tiefe 
Dämmerung  des  Zimmers  auf  einem  Bilde  Rembrandts  in 
BerHn.  Kugler  I.  229.  Wie  Tobias  die  Frau  tadelt,  malte 
auch  Victor  in  einem  ausgezeichneten  Bilde  in  England 
(Waagen  II.  568.). 

Tobias  betete  schmerzlich;  dann  zog  ^r  eine  alte  Hand- 
schrift hervor  und  gebot  seinem  jungen  Sohne  Tobias,  die- 
selbe nach  der  Stadt  Rages  zu  einem  alten  Bekannten,  Na- 
mens -Gabel,  zu  tragen,  dem  er  einst  Geld  geliehen,  und  in 
seiner  jetzigen  Noth  ihn  um  Rückgabe  des  Geldes  zu  bitten. 
Beim  Abschied  aber  gab  er  dem  Sohne  noch  Lehren  mit,  welche 
das  unübertroffene  Muster  väterlicher  Ermahnungen  sind. 

Bevor  aber  der  junge  Tobias  noch  abreiste,  erschien, 
von  Gott  gesandt,  der  Engel  Raphael,  gab  sich  für  einen 
gewissen  Azarias  aus  einem  befreundeten  israelitischen  Ge- 
schlecht aus,  und  bot  sich  an,  den  Jüngling  zu  begleiten. 
Wie  der  Engel  in's  Haus  tritt,  malte  Rembrandt  (ehemals  in 
Salzdahlen).  Den  Abschied  des  jungen  Tobias  mit  seinem 
himmlischen  Gefährten  vom  elterlichen  Hause  malte  Murillo 
in  Petersburg  (Hand  I.  378.). 

Unterwegs  an  einem  Flusse  wurde  der  junge  Tobias  durch 
einen  grossen  Fisch  erschreckt ;  aber  der  Engel  hiess  ihn  den 
Fisch  an's  Ufer  ziehen,  und  dessen  Galle  und  Leber  als 
Heilmittel  mitnehmen.  Diese  idyllische  Scene  ist  sehr  oft, 
namentlich  als  Staffage  in  Landschaftsbildern  gemalt  worden; 
zweimal  von  Titian  in  Dresden  und  Venedig,  von  Andrea 
del  Sarto  im  Wiener  Belvedere,  von  Salvator  Rosa  in  Paris 
(Waagen  533),  von  Caravaggio  in  England  (Waagen  H.  313.), 
von  C.  Maratti  (gest.  von  Capelli) ,  von  Rubens,  von  Rem- 
brandt in  England  (Waagen  I.  224.),  von  Eckhout,  ehemals 
in  Salzdahlen,  von  Elzheimer  in  England  und  Cassel,  von 
Waterloo. 

Unterdess  ging  Raphael  für  Tobias  zu  Gabel  und  cas- 
sirte  das  Geld  ein  und  lud  ihn  mit  zur  Hochzeit.  Während 
diese  nun  herrlich  und  in  Freuden  lebten,  sah  es  in  des  alten 


494  I  Tobias. 

Tobias  Hause  gar  betrübt  aus.  Die  Mutter  glaubte  ihren  Sohn 
verloren,  weil  er  so  lange  nicht  wiederkam,  und  sass  täglich 
auf  einem  Berge  am  Wege,  nach  ihm  aussehend.  Da  endlich 
kam  Tobias  mit  dem  Engel,  der  langsam  nachreisenden  Braut 
vorauseilend.  Ihr  Hund  sprang  ihnen  voran,  wedelnd  und 
voll  Freude  zuerst  in's  Haus  laufend.  Da  fuhr  der  Alte  so 
voll  Freuden  auf,  dass  er  in  seiner  Blindheit  sich  stiess ,  die 
Mutter  aber  küsste  den  Sohn  und  weinte  vor  Freude.  Die 
Heimkehr  malte  Dow  (sein  grösstes  Bild,  Passavant,  Eng- 
land 220.)  und  Berghem.  Der  fromme  Sohn  aber  hatte,  auf 
Raphaels  Rath,  nichts  Dringenderes  nach  der  ersten  Begrüs- 
sung  des  alten  Vaters  zu  thun,  als  die  Fischgalle  auf  seine 
blinden  Augen  zu  legen,  wodurch  er  sogleich  wieder  sehend 
wurde. 

Nach  sieben  Tagen  kam  auch  die  schöne  junge  Frau  mit 
Gefolge  und  Schätzen  an.  Da  hatte  des  Engels  Sendung 
ihren  Zweck  erreicht:  die  guten  Menschen  waren  alle  glücklich 
geworden.  Der  alte  und  junge  Tobias  aber  beriethen  sich, 
wie  sie  den  Azaria  belohnen  wollten;  als  sie  ihm  aber  die 
Hälfte  all  ihres  Gutes  anboten ,  antwortete  er :  „Lobet  Gott, 
denn  er  hat  mich  gesendet,  euch  zu  segnen  nach  der  Trübsal ; 
ich  bin  Raphael,  der  sieben  Engel  einer,  die  vor  dem  Herrn 
stehen."  Da  fielen  Vater  und  Sohn  auf  ihr  Angesicht.  Der 
Engel  aber  sprach:  „Fürchtet  euch  nicht,  lobet  und  danket." 
Und  er  verschwand  vor  ihren  Augen.  —  Der  alte  Tobias 
lebte  noch  zweiundvierzig  Jahre  und  sah  Kinder  und  Kindes- 
kinder. 

In  dieser  unübertrefflich  lieblichen  Idylle  wird  der  Sieg 
der  Unschuld  theils  über  das  Unglück,  theils  über  das  dä- 
monisch Böse  verherrlicht.  Da  dies  auf  der  Hand  liegt,  ist 
es  unsinnig,  heidnisch  mythische  Beziehungen  im  Buch  To- 
bias zu  suchen,  z.  B.  in  der  Schwalbe  das  Herbstsymbol,  in 
der  Blindheit  das  Wintersymbol  und  im  Fisch  das  Frühlings- 
zeichen sehen  zu  wollen.  An  dergleichen  hat  der  Verfasser 
des  Buches  gewiss  nicht  gedacht. 

Tobias  ist  eine  Personification  der  Menschheit  überhaupt 


Tod.  495 

unter  dem  gnädigen  Schutze  Gottes,  Seitenstück  zu  Hiob,  in 
dem  dieselbe  leidende  Menschheit  jedoch  mehr  reflectirend 
erscheint.  Hiob  rechtet  mit  Gott  und  wird  mit  Worten  zu- 
rechtgewiesen. Der  alte  und  junge  Tobias  sind  geduldiger, 
und  ihr  Vertrauen  wird  belohnt.  Darum  hat  Hiob  mit  dem 
Teufel  zu  schaffen,  der  dem  jungen  Tobias  zwar  auch  naht, 
aber  dem  Engel,  der  sich  vor  den  Jüngling  stellt,  auf  der 
Stelle  weichen  muss.  Der  alte  Tobias,  der  Verfolgung  leidet, 
weil  er  eine  fromme  Pflicht  gegen  die  Todten  erfüllte,  ist  die 
personificirte  Ehrlichkeit,  und  der  junge  die  personificirte 
Unschuld.  Wo  noch  diese  beiden  Eigenschaften  im  Volke 
leben,  da  ist  Gottes  Engel  auch  nicht  fern  und  hilft  aus  aller 
Noth.  Das  ist  der  schöne  Sinn  des  Buches  Tobias.  —  Unter 
dem  Fisch  aber,  der  da  den  Alten  heilt  von  seiner  Blindheit 
und  den  Jungen  schützt  gegen  die  Macht  des  Teufels,  ist 
Christus  vorgebildet.  Vgl.  d.  Artikel  Fisch.  Tobias  mit  dem 
Fisch  kommt  vor  auf  altchristlichen  Gräbern.  Bellermann, 
Katakomben  von  Neapel  S.  35.  Das  will  sagen:  So  ihr  Christo 
vertrauet,  wird  die  Blindheit  des  Todes  und  die  Macht  der 
Hölle  von  euch  weichen. 

Tod. 

Das  Schreckliche,  das  im  Tode  für  den  natürlichen 
Menschen  liegt,  erkennt  auch  der  Christ  an  und  fordert 
keineswegs  den  Tod  heraus  oder  sucht  ihn  muth willig  auf. 
Selbstmord  ist  eine  schwere  Sünde.  Aber  der  Christ  über- 
windet die  Schrecken  des  Todes  durch  seinen  Glauben  an 
das  Wort:  „Es  wird  gesäet  verweslich  und  auferstehen  un- 
verweslich. ^'^  Christus  hat  den  Tod  überwunden  und  Alle 
berufen  zur  Unsterblichkeit.  Den  Gerechten  und  Reuigen, 
Büssenden,  den  unschuldig  Leidenden,  den  Kämpfenden  hat 
er  das  Paradies  verheissen.  „Ich  habe  einen  guten  Kampf 
gekämpft.''  2.  Timoth.  4 ,  7.  „Der  Tod  ist  verschlungen  in 
den  Sieg.  Tod,  wo  ist  dein  Stachel?  Hölle,  wo  ist  dein 
Sieg?"'    1.  Korinth.  15,  55.    Die  Gottlosen  aber  erwartet  eben 


496  Tod. 

so  gewiss  die  ewige  Verdammniss.  Daher  sie,  wie  schrecklich 
immer  der  Tod  seyn  mag,  doch  lieber  in  ewigen  Tod  gingen, 
als  in  das  ewige  Höllenleben.  „Sie  werden  den  Tod  suchen, 
und  der  Tod  wird  vor  ihnen  fliehen."  Oifenb.  Joh.  9,  6. 
Nicht  umsonst  heisst  Christus  das  ewige  Leben.  Vor  ihm 
vermag  kein  Tod  zu  bestehen.  In  einem  Hymnus  des  Notker 
heisst  es  daher:  „Der  Tod  selber  wurde  getödtet  durch  Christo." 
Fortlage,  lat.  Gesänge  S.  53. 

Die  christlichen  Sterbsakramente  und  Ceremonieen  be- 
ziehen sich  daher  auch  nur  auf  die  Einweihung  zum  neuen 
Leben  nach  dem  Tode.  Dem  Sterbenden  wird  Asche  auf 
das  Haupt  gestreut  zum  Zeichen,  dass  er,  leiblich  aus  Staub 
geboren,  leiblich  auch  wieder  zu  Staub  werden  muss.  Er 
wird  bekreuzigt  und  küsst  das  Crucifix  zur  Erinnerung  an 
das  Leiden  und  Sterben  des  Herrn,  durch  das  er  von  seinem 
eigenen,  weit  kleineren  Leiden  und  weit  minder  bedeutendem 
Sterben  erlö^  werden  soll.  Er  empfängt  in  der  letzten  Oelung 
das  heilende  Oel,  durch  das  er  von  allen  Schmerzen  dieser 
Welt  frei  wird,  und  man  gibt  ihm  eine  brennende  Kerze  in 
die  sterbende  Hand,  als  Sinnbild  des  ewigen  Lebens ,  in  das 
er  eingeht.  Auch  der  Kuss,  den  die  alten  Christen  dem  Ster- 
benden gaben,  war  als  Osculum  Domini  nur  das  Siegel  des 
ewigen  Lebens  in  dem  Herrn.  Vgl.  Binterim,  Denkw.  VI. 
3.  97  ff.  —  Auf  älteren  Kirchenbildern  wird  das  Ausgehen 
der  Seele  aus  dem  Körper  durch  ein  kleines  Kind,  das  aus 
seinem  Munde  hervortritt,  bezeichnet.  Vgl.  d.  Artikel  Kind. 
Auch  streiten  sich  auf  solchen  Bildern  häufig  ein  Engel  und 
Teufel  um  die  ausfahrende  Seele. 

Tod  und  Teufel  werden  zuweilen  einander  gesellt  als 
die  schlimmsten  Feinde  des  Menschen,  die  auf  ihn  lauern, 
der  eine  um  ihn  zeitlich,  der  andere  um  ihn  ewig  zu  ver- 
derben. Beide  erscheinen  schon  verbunden  in  der  oben  an- 
geführten Stelle  von  des  Todes  Stachel  und  der  Hölle  Sieg. 
Im  apokryphischen  Evangelio  Nicodemi  c.  20  —  23.  kommt  Sa- 
tan im  Gespräch  vor  mit  Hades  (der  Hölle)  und  dem  Tode, 
die  alle  ihre  Unmacht,  Christo  gegenüber,  bekennen  müssen. 


Tod.  4*^ 

Auf  einem  berühmten  Stich  von  Albrecht  Dürer  reitet  ein 
biderber  deutscher  Eitter  ernst  und  festen  Sinnes  durch  eine 
Waldwüste,  begleitet  von  zwei  scheusslichen  Gestalten,  deren 
eine  den  Tod,  die  andere  den  Teufel  bedeutet,  die  stumm, 
aber  tückisch  lauernd  hinter  ihm  reiten,  auf  die  er  jedoch 
nicht  achtet.  Heller,  A.  Dürer  IL  2.  502.  Auf  einem  Bilde 
des  Weltgerichts  von  Christophson  tritt  der  Erzengel  Michael 
mit  einem  Fuss  auf  den  Tod ,  mit  dem  andern  auf  den  Teufel. 
Kunstblatt  1843.  S.  231. 

Wie  die  Schlange  Symbol  des  Teufels,  so  ist  der  Apfel 
Symbol  des  Todes,  weil  Adam  und  Eva  im  Apfel  den  Tod 
assen.  Furtmayr  malte  1481  in  einem  Missale  für  den  Erz- 
bischof von >  Salzburg  den  Baum  des  Lebens  und  Todes  in 
einem  Baum,  der  links  die  Aepfel  des  Todes,  rechts  aber 
Hostien  trägt.  Links  steht  Eva  und  lässt  sich  von  der  Schlange 
die  Aepfel  reichen,  um  sie  vielen  knieenden  Menschen  aus- 
zutheilen;  rechts  steht  Maria  und  pflückt  die  Hostien  gleich- 
falls für  eine  knieende  Menge.  Links  sieht  man  mehr  Männer, 
rechts  mehr  Frauen  und  besonders  Nonnen.  Dursch,  Aesthetik 
der  christl.  bildenden  Kunst  S.  486. 

Da  sich  im  christlichen  Glauben  der  Tod  nur  auf  den 
irdischen,  verweslichen  Leib  bezieht,  und  nicht  einmal  den 
unverweslichen  Leib,  geschweige  die  Seele  berührt,  so  konnte 
er  auch  schicklicherweise  durch  den  verwesten  Leichnam  selbst 
oder  durch  das  Gerippe  personificirt  werden.  Das  Schreck- 
liche, das  in  diesem  Anblick  liegt,  widerspricht  der  christlichen 
Vorstellung  nicht,  denn  diese  erkennt  allerdings  die  Schrecken 
des  Todes  an.  Wir  können  daher  die  Ansicht  v.  Wessen- 
bergs,  christl.  Bilder  H.  571,  nicht  theilen,  der  das  Gerippe 
aus  der  christlichen  Bildnerei  verbannt  und  einen  antiken, 
schlafähnlichen  Genius  dafür  eingeführt  sehen  will.  Das  liegt 
ganz  in  der  falschen,  sentimental  modernen  und  mit  dem 
heidnischen  Classicismus  kokettirenden  Grundanschauung  jenes 
Werkes.  Das  Gerippe  ist  überdies  in  uralt  geheiligtem  Ge- 
brauch. Als  solches  wurde  der  Tod  schon  im  12ten  Jahrhun- 
dert aufgefasst.    Vgl.  die  Untersuchungen  in  Grimms  d.  Myth. 

Menzel,  christl.  Symbolik.  II.  32 


498  Tod. 

S.  809.  Das  Gerippe  reitet  auf  einem  Pferde,  entlehnt  von 
dem  Reiter  auf  fahlem  Pferde  in  der  Apokalypse.  Vgl.  den 
Artikel  Pferd.  Oder  auf  einem  Löwen,  z.  B.  cC Agincourtj 
sculpt.  120,  entlehnt  vom  Löwen  des  Simson.  Der  Löwe  als 
das  stärkste  Thier  gleicht  dem  allbesiegenden  Tode,  der  Lö- 
wenrachen insbesondere  dem  Todes  -  und  Höllenschlunde. 
Vgl.  die  Artikel  Löwe  und  Simson.  Der  Tod  trägt  auf 
neueren  Bildern  meist  eine  Sense ,  wobei  man  an  den  antiken 
Chronos  dachte,  was  aber  auch  zu  dem  Bild  der  apokaljrp- 
tischen  Sichel  passt.  Vgl.  d.  Art.  Sichel.  Das  jüngste 
Attribut  des  Todtengerippes  ist  die  Sanduhr,  als  Sinnbild 
des  schnell  vergehenden  Lebens.  Nur  selten  sind  dem  Tode 
Flügel  gegeben.  So  auf  einem  wunderlichen  Bilde  Bandi- 
nelli's,  wo  er  mitten  unter  Gerippen  ein  Buch  zerreisst.  Der 
Maler  gab  ihm  die  Flügel  eigentlich  nur,  um  ihn  als  den 
Begriif  des  Todes  oder  activen  Tödtens  von  den  andern  Ge- 
rippen, als  den  Getödteten,  zu  unterscheiden,  und  das  zer- 
rissene Buch  bedeutet  den  zerrissenen  Lebenslauf.  Zuweilen 
führt  der  Tod  Pfeil  und  Bogen,  was  wieder  an  den  apoka- 
lyptischen Reiter  mahnt.  Vgl.  den  Artikel  Pferd.  So  in  den 
Fresken  des  Crescenzio  zu  Palermo.  Auf  einem  Bilde  von 
Fr.  Frank  in  München  werden  Menschen  und  Thiere  dem 
Tod  wie  einem  Jäger  entgegengetrieben  und  von  seinen  Ge- 
schossen erlegt.  Auf  dem  berühmten  „Triumph  des  Todes-' 
in  den  Fresken  des  Orcagna  im  Campo  Santo  zu  Pisa  ist 
der  Tod  als  gepanzertes  Weib  mit  Fledermausflügeln  und 
Sense  charakterisirt. 

Die  humoristische  Auffassung  des  Todes  ist  vielleicht 
schon  einer  älteren  Vorsteliungsweise  des  deutschen  Heiden- 
thums  entlehnt,  und  namentlich  die  berühmten  Todtentänze 
lassen  sich  auf  den  in  einen  lustigen  und  verführerischen 
Pfeifer,  Vogelsteller  und  Rattenfänger  verkappten  Todesgott, 
der  die  Menschen  durch  sein  Spiel  zu  wilder  Tanzlust  und 
in  die  Unterwelt  verlockt,  zurückführen.  Aber  vom  Heid- 
nischen in  dieser  Vorstellungsweise  abgesehen,  lag  etwas 
darin,   was  auch  der  Christ  adoptiren  konnte.     Der  Tod  ist 


Tod.  499 

nur  dem  zeitlichen,  nicht  dem  ewigen  Menschen  schrecklich. 
Trotz  seiner  fm:chtbaren  Erscheinung  ist  er  wesentlich  ohn- 
mächtig. Deshalb  konnte  er  für  die  cluistliche  Kunst,  für 
das  christliche  Volksfest  und  Schauspiel  eine  komische  Figur 
werden,  wie  es  auch  der  Teufel  wurde. 

In  den  Todtentänzen ,  die  seit  dem  14ten  Jahrhundert 
sehr  häufig  gemalt  wurden,  ist  der  Grundgedanke:  dass  die 
Menschen  nach  der  Pfeife  des  Todes  tanzen  müssen.  Ueberall 
geht  den  Tanzenden  der  Tod  (als  Gerippe)  voran  und  spielt 
ihnen  auf.  In  dem  Berner  Bild  von  Nicias  Manuel  drei  Tode 
mit  Posaunen  und  einer  mit  dem  Dudelsack,  in  den  Icones 
mortis^  Holzschnitten  nach  Holbeins  Todtentanz,  ist  es  ein 
ganzes  Orchester.  Ausser  dem  vorspielenden  Todtengerippe 
führt  aber  jeden  einzelnen  Tänzer  noch  besonders  ein  Ge- 
rippe auf. 

Uebrigens  haben  diese  Todtentänze  ein  moralisirendes 
und  ein  humoristisches  Element  in  sich  aufgenommen.  Die 
Moral  ist:  „Der  Tod,  Strafe  der  Sünde."  Deshalb  geigt  der 
Tod  in  der  Regel  dem  Adam  und  der  Eva  voran,  denen  die 
übrigen  Menschen ,  nachständen  geordnet,  nachfolgen.  Der 
Humor  ist:  „Durch  der  Menschen  Eitelkeit  Avird  der  an  sich 
immer  schreckliche  Tod  doch  beziehungsweise  lächerlich." 
Man  vermuthet,  die  grossen  Pestilenzen  des  14ten  Jahrhun- 
derts hätten  die  erste  Veranlassung  zur  Abbildung  der  Todten- 
tänze an  Kirchhofsmauern  gegeben,  und  in  der  That  konnte 
die  Menschen  wohl  unter  keinen  andern  Umständen  jener 
geniale  Humor  anwandeln.  Man  musste  an  den  Anblick  des 
Todes  in  Masse  sehr  gewöhnt  seyn,  um  sich  mit  dem  Ge- 
danken der  Gleichheit  aller  Stände  zu  trösten  und  um  dem 
Schrecklichen  die  lächerliche  Seite  abzugewinnen. 

Ueber  die  Todtentänze  haben  geschrieben:  Fiorillo, 
Künste  in  Deutschland  IV.  128  f.  Ulrich  Hegner,  Hans 
Holbein  der  Jüngere  S.  296  f.  v.  Rumohr  im  Kunstblatt 
1823.  Nr.  31— 34.  Grüneisen,  das.  1830.  Nr.  22  — 26.  Mass- 
mann, die  Baseler  Todtentänze ,  1847.  Zusätze  dazu  im  Se- 
rapeum  VI.  225.     Ueber  die   französischen  schrieb  Peignot, 

32* 


500  Tod. 

recherches,  Paris  1826.  (Ueber  spanische  vgl.  Clarus,  span. 
Lit.  11.  305,  und  V.  Schack,  span.  Drama  1.  123,  jedoch 
nur  über  Gedichte,  nicht  über  Malereien.)  Vgl.  auch  Grässe, 
Literärgeschichte  11. 1. 146.  Endlich  Wackernagel  und  Haupts 
Zeitschrift  IX. 

Unter  den  grösseren  Gemälden  der  Todtentänze  kennt 
man  in  Deutschland  zwei  zu  Basel,  einen  zu  Bern,  zu  Min- 
den in  Westphalen  (von  1383),  zu  Lübeck  (von  1463),  zu 
Dresden  (in  BasreHef),  Erfurt,  Landshut,  dann  verlorne  zu 
Annaberg,  Braunschweig,  Luzern,  Gandersheim  (Fiorillo  IV. 
127.  142.). 

Das  älteste  Bild  ist  das  in  Kleinbasel  (im  Kloster  Klingen- 
thal) von  1312;  darnach  ist  erst  später,  wahrscheinKch  im 
löten  Jahrhundert,  das  in  Grossbasel  verfertigt  worden,  das 
ganz  dieselbe  Eintheilung  und  Figuration  hat,  aber  viel  be- 
rühmter geworden  ist,  weil  es  zugänglicher  war  und  von  allen 
Fremden  besucht  wurde.  „Der  Tod  zu  Basel"  war  bis  in's 
laufende  Jahrhundert  sprichwörtlich.  Ausser  dass  in  dem 
grossbaseler  Bilde  die  Figuren  etw^as  bewegter  und  die  Reime 
darunter  etwas  neuer  sind,  als  das  kleinbaseler,  gleichen  sich 
beide  völlig  und  ist  demnach  das  grossbaseler  dem  altern  nur 
nachgeahmt.  Beide  enthalten  vierzig  Bilder.  Auf  beiden 
gehen  zwei  Tode  mit  Trompete  und  Pfeife  voraus.  Dann 
holt  je  ein  Tod  den  Papst,  Kaiser,  Kaiserin,  alle  geistlichen 
und  weltlichen  Stände  hindurch  bis  zum  Bauer  und  Kind. 
Nur  dass  im  älteren  Bilde  ein  Cardinal  vorkommt,  wo  das 
jüngere  eine  Königin  setzt,  ein  Bischof,  wo  das  jüngere  eine 
Herzogin,  und  eine  Beguine,  wo  das  jüngere  einen  Krämer 
annimmt.  Auf  dem  älteren  Bilde  macht  der  Tod  weniger 
lebhafte  Sprünge  und  Grimassen,  Alles  ist  in  denselben 
Gruppen  einfacher  und  ernster  gehalten.  —  Noch  mehr  Le- 
ben und  Geist  brachte  Niclas  Manuel  Deutsch  zur  Refor- 
mationszeit in  sein  Berner  Bild;  und  Hans  Holbein  der  Jün- 
gere in  seinen  weltberühmten  Holzschnitt,  obgleich  beide 
ihre  Ableitung  aus  den  Baseler  Bildern  nicht  verleugnen. 
Bei  Fiorillo,  IV.  150,  findet  man  das  lange  Verzeichniss  der 


*  \ 


Tod.  501 

verschiedenen  Ausgaben  des  Holbeinschen ,  und  S.  160  des 
grosbaseler  Todtentanzes ,  S.  164  noch  die  verschiedenen 
Ausgaben  anderweitiger  Todtentänze.  Man  sieht  daraus,  wie 
erstaunlich  beliebt  dieser  Gegenstand  war,  dass  man  ihn  so 
oft  durch  den  Druck  vervielfältigen  musste.  Der  älteste 
Danse  Macabre  in  Frankreich  ist  1485  gedruckt  worden,  der 
älteste  deutsche  Holzschnitt  vom  Todtentanz  schon  1480. 
Die  bei  weitem  geistreichsten  Holzschnitte  sind  die  von  Hol- 
bein (zu  unterscheiden  von  dem  Lützelburger  Blatte).  Vgl. 
darüber  Waagen,  Kunst  in  Deutschland  H.  294.  Das  geist- 
reichste Oelgemälde  ist  das  von  Manuel  in  Bern.  Treffliche 
Holzschnitte  gab  auch  Aldegrever. 

Im  Baseler  Todtentanz  ist  der  Tod  ein  noch  mit  etwas 
Fleisch  überzogenes  Gerippe,  sein  weiter  Mund  scheint  zu 
lachen.  Er  führt  seine  Opfer  zuweilen  ohne  besonders  cha- 
rakteristischen Ausdruck,  zuweilen  fasst  er  sie  schadenfroh  an, 
überrascht  sie  von  hinten,  stellt  ihnen  ein  Bein,  spielt  ihnen 
spöttisch  auf  Zither  und  Geige  vor.  Geistvoll  ist  nur  das 
Bild  der  Dame,  die  sich  im  Spiegel  besieht  und  plötzlich 
darin  das  Bild  des  hinter  ihr  geschlichenen  Todes  erblickt. 
Einem  Lahmen  reisst  er  die  Krücke  weg,  einen  Blinden  führt 
er  in  die  offene  Grube.  Dem  Koch  nimmt  er  den  Bratspiess 
mit  dem  fetten  Huhn.  —  In  den  späteren  Todten tanzen  ver- 
mehren sich  die  witzigen  Beziehungen.  Der  Tod  trägt  als 
Sieger  einen  Kranz,  setzt  sich  die  Papstmütze  auf,  parodirt 
den  Narren  in  Narrentracht  etc.  Ein  Paar  Todtentanzbilder 
kommen  als  Holzschnitte  in  der  alten  Ausgabe  von  Paulli's 
Schimpf  und  Ernst  vom  Jahr  1535,  Blatt  49  und  50  vor. 

Merkwürdig  wegen  der  Costüme  ist  der  Todtentanz  in 
einem  Manuscript  der  Stuttgarter  öffentlichen  Bibliothek  aus 
dem  Nonnenkloster  Plöck  in  O esterreich.  Sehr  phantastisch 
ist  auch  der  Todtentanz  in  Valvasors  Theatr.  mortis.  Auf 
dem  Titelkupfer  reiten  Gerippe  auf  allerlei  Thieren,  dann 
kommt  der  Tod  mit  der  Trommel  und  die  einzelnen  Scenen. 
Zur  Cholerazeit  in  Paris  componirte  man  einen  sehr  geist- 
reichen modernen  Todtentanz, 


502  Todtenkopf. 


Todtenkopf,  » 

Sinnbild  der  menschlichen  Eitelkeit  und  der  Vergänglichkeit 
alles  irdischen  Lebens.  Daher  Attribut  der  Büsser  und  Ein- 
siedler, die  gewöhnlich  in  ihren  Höhlen  unter  dem  einfachen 
Kreuz,  welches  sie  aufgerichtet,  einen  Todtenkopf  liegen 
haben,  das  Kreuz,  um  an  die  Ewigkeit,  den  Todtenkopf, 
um  an  die  Vergänglichkeit  des  Irdischen  zu  denken.  Insbe- 
sondere ist  dieser  Todtenkopf  unter  dem  Kreuz  Attribut  der 
heiligen  Magdalena,  des  h.  Hieronymus,  des  h.  Franciscus. 
Der  heilige  Macarius  fand  einst  in  der  Wüste  einen  Todtenkopf 
und  frug  ihn,  wem  er  angehört  habe?  Da  antwortete  der 
Schädel:  er  sey  vordem  Hoherpriester  gewesen  und  brenne 
jetzt  in  der  Hölle. 

Der  Todtenkopf,  dem  zwei  übereinandergelegte  Bein- 
knochen als  Unterlage  dienen,  wird  noch  immer  vielen  Cru- 
cifixen  zu  Füssen  gelegt.  Nach  der  Legende  lag  Adams 
Todtenschädel  unter  dem  Kreuz  auf  Golgatha.  Dieser  Schädel 
aber  vertritt  die  Stelle  aller  Menschenschädel.  Der  Sinn  ist: 
Durch  das  Kreuz  ist  der  Tod  besiegt  und  sind  alle  Menschen 
zum  ewigen  Leben  auferstanden. 

Bei  der  Betrachtung  des  schönen  und  berühmten  Bildes 
von  Raphael  in  Dresden,  der  sogenannten  Madonna  di  S.  Sisto, 
kann  man  sich  des  Gedankens  nicht  erwehren,  dass  Raphael 
bei  der  Gruppirung  der  Figuren  in  diesem  Bilde  an  das 
Crucifix  mit  dem  Todtenkopf  gedacht  habe.  Die  beiden 
Kinderengel  zu  Füssen  der  Madonna  legen  ihre  Arme  gerade 
so,  wie  man  gewohnt  ist,  die  Beinknochen  unter  dem  Todten- 
kopf liegen  zu  sehen.  Die  Madonna  mit  dem  Kinde  selbst 
stellt  den  Stamm  des  Crucifixes  dar,  der  heilige  Sixtus  und 
Barbara  auf  beiden  Seiten  knieen  dergestalt,  dass  ihre  Köpfe 
mit  dem  der  Madonna  ein  Dreieck  bilden,  wie  die  beiden 
Ende  der  Kreuzarme  mit  dem  Ende  des  Kreuzstammes.  Der 
Sinn,  den  Raphael  dieser  auffallenden  Gruppirung  unterlegte, 
wäre  sonach:     Aus   dem  Kreuze  blüht   die  Rose,   aus   dem 


Todtenkopf.  503 

Tode  das  Leben.  Die  Madonna,  die  das  Kind  trägt,  ist  die 
schönste  Bedeutung,  die  man  dem  Kreuze,  das  den  Erlöser 
trägt,  geben  kann.  —  Ich  fasste  diesen  Gedanken  schon  vor 
dreissig  Jahren  und  schrieb  einen  kleinen  Artikel  darüber 
für  das  damals  von  Schorn  redigirte  Kunstblatt,  der  ihn  aber 
zurückwies.  Dagegen  wurde  der  kleine  Artikel  in  dem  da- 
maligen Leipziger  Conversationsblatt  abgedruckt. 

Im  17ten  Jahrhundert  kamen  christliche  JanuskÖpfe  in 
die  Mode:  Doppelköpfe,  vorn  ein  Christus-,  hinten  ein 
Todtenkopf,  auch  wohl  vorn  ein  junger  Mädchen-,  hinten 
ein  Todtenkopf  etc.  Kugler,  Berliner  Kunstkammer  II.  226. 
Spielereien.  Maria  Stuart  besass  eine  Uhr  in  Form  eines 
Todtenkopfes ,  abgebildet  in  der  illustrirten  Zeitung  1849. 
Nr.  330.     Auch  eine  Spielerei,   aber  sinnig. 

Ein  Todtenkopf  mit  dem  Apfel  im  Munde  und  zuweilen 
von  der  Schlange '  umwunden ,  ist  Symbol  des  Sündenfalles 
und  seiner  schlimmen  Folgen.  Man  trug  vormals  dergleichen 
Köpfe  in  Prozessionen  herum.  Journal  von  und  für  Deutsch- 
land I.  431.  —  Ein  Todtenkopf  mit  Rosen  bekränzt  bezeichnet 
die  heilige  Eadegunde.  Einer  mit  einer  Krone  von  Seraphim 
ziert  das  Grab  der  Königin  Christine  in  der  Peterskirche  zu 
Rom.  Darin  liegt  zu  viel  Anmassung.  Ein  Todtenkopf  mit 
Dornen  umwunden  ist  Symbol  der  Verdammniss,  indem  er 
aussagt,  selbst  noch  im  Tode  dauern  seine  Leiden  fort. 
Aehren  in  einem  Todtenkopf,  so  wie  auch  Bienen  oder  ni- 
stende Tauben  bedeuten  den  Frieden  nach  dem  Tode,  die 
Seligkeit.  Eine  Lilie  im  Todtenkopf  die  Unschuld  und  Hei- 
ligkeit eines  Märtyrers.  —  Der  Schmetterling  auf  dem  Todten- 
kopf bedeutet  die  Seele  (Psyche)  und  ist  ein  antik  heidnisches 
Sinnbild.  Wenn  es  sich  noch  auf  den  ältesten  christlichen 
Gemmen  findet,  so  doch  nur  als  Nachahmung  des  Antiken. 
Auch  auf  moderne  Gräber  ist  dieses  Sinnbild  erst  wieder 
durch  die  classische  Bildung  gekommen. 

Nach  einer  schönen  Legende  sangen  die  Todtenschädel 
der  von  den  heidnischen  Pommern  ermordeten  Christen  zu 
Stargard  das  Gloria  in  excelsis,   Micrälius,  Pommerland  II.  409. 


504  Topf. 


Topf, 

Sinnbild  der  Creatur,  die  der  Schöpfer  aus  Erde  gemacht 
hat.  ,,Soll  der  Topf  sagen:  der  Töpfer  kennt  mich  nicht?-' 
Jes.  29,  16.  Vgl.  auch  Jes.  45,  9.  64,  8.  und  Jer.  18,  6.  — 
Der  zerbrochene  Topf  bezeichnet  ein  Volk,  das  Gott  wieder 
vertilgt,  weil  es  seines  Berufes  sich  unwerth  erwiesen.  Je- 
remias  19,  11.  —  In  der  Legende  trägt  St.  Comgallus 
Milch  in  einem  Topf  ohne  Boden  und  Avird  St.  Agatha  auf 
scharfen  Topfscherben  gewälzt.  Drei  christliche  Jungfrauen, 
St.  Agapa,  Chionia  und  Irene,  wurden  dem  üppigen  Dulci- 
dius  durch  ein  Wunder  entrückt,  und  er  umarmte  statt  ihrer 
nur  Töpfe,  was  die  Nonne  Roswitha  als  geistliches  Schau- 
spiel behandelte,  3.  April.  Patron  der  Töpfer  ist  St.  Goar, 
Patroninnen  die  heilige  Justa  und  Ruffina,  Töpferinnen,  die 
ihre  Töpfe  nicht  zum  Dienst  der  Venus  hergeben  wollten  und 
deshalb  den  Martyrertod  erlitten,  19.  Juli. 

Transfiguration.- 

Dieselbe  hat  für  das  Leiden  des  Herrn  die  Bedeutung, 
wie  die  Taufe  für  sein  Wirken;  es  ist  nämlich  die  von  Gott 
in  einer  Verklärung  empfangene  Weihe  zum  Leiden  und 
Sterben  (Herder,  zur  Theologie  XVI.  232.).  Das  alttesta- 
mentalische  Vorbild  dazu  ist  die  Verklärung  des  Moses  auf 
dem  Sinai,  als  er  das  Gesetz  des  Herrn  empfing  und  sein 
Angesicht  leuchtete  (2.  B.  Mos.  24.).  Die  Wiederholung  der 
Scene  ist  aber  hier  um  so  erhabener,  als  Jesus  hier  nicht 
wie  Moses  ein  Gesetz  blos  empfängt,  um  es  Andern  mitzu- 
theilen,  sondern  als  er  das  Gesetz  an  sich  selbst  vollstrecken 
lassen  will,  an  sich  allein  zur  Sühne  für  Alle. 

Die  Evangelien  erzählen:  Jesus  habe  nur  drei  Jünger 
mit  sich  genommen,  den  Petrus,  den  alten  Jacobus  und  den 
jungen  Johannes,  und  sey  mit  ihnen  auf  einen  hohen  Berg 
gegangen.     Die  Kirchenväter  nehmen   an,   dieser  Berg   sey 


Transfiguration.  503 

der  Thabor  gewesen.  Hieronymus,  epist  17.  Oben  wurde 
Jesus  verklärt  und  sein  Angesicht  leuchtete  wie  die  Sonne. 
Zugleich  erschienen  Moses  und  Elias  und  unterredeten  sich 
mit  Christo.  Petrus  aber  sprach:  „Hier  ist  gut  seyn,  hier 
lasset  uns  Hütten  bauen,  eine  für  Christum,  eine  für  Moses, 
eine  für  Elias."  Da  ergoss  sich  über  sie  eine  Wolke,  und 
eine  Stimme  aus  der  Höhe  sprach:  „Dies  ist  mein  lieber 
Sohn,  an  dem  ich  Wohlgefallen  habe."  Die  Jünger  fielen 
erschrocken  auf  ihr  Angesicht  und  beteten.  Jesus  rührte  sie 
an,  da  war  die  Lichtwolke  und  Moses  und  Elias  verschwunden. 
Die  Jünger  erinnerten  an  die  alte  Sage,  derzufolge  Elias  vor 
den  letzten  Zeiten  erscheinen  soll.  Jesus  aber  sagte :  „Elias 
ist  schon  gekommen,  aber  sie  haben  ihn  nicht  erkannt."  Dar- 
auf verkündete  er  ihnen  sein  nahe  bevorstehendes  Leiden. 

Als  er  den  Berg  herabgekommen  war,  warf  sich  ihm  ein 
Mann  zu  Füssen  und  flehte  ihn  um  Heilung  seines  mond- 
süchtigen oder  von  einem  bösen  Geist  besessenen  Knaben  an. 
Da  trieb  Jesus  den  Teufel  aus  dem  Knaben.  „Warum  konn- 
ten wir  das  nicht?"  fragen  die  Juden.  Und  Christus  ant- 
wortete: „Um  eures  Unglaubens  willen!"  Matth.  17.  Bei 
Marcus  9.  ist  ausführlicher  beschrieben,  wie  der  Knabe  auf 
dem  Boden  sich  wälzte  und  schäumte,  und  wie,  als  Christus 
sprach:  „Alle  Dinge  sind  möglich  dem,  der  da  glaubet,"  der 
Vater  des  Knaben  ängstlich  rief:  „Ich  glaube,  lieber  Herr, 
hilf  meinem  Unglauben!"     Vgl.  Lucas  9. 

Die  Rationalisten  geben  die  himmlische  Verklärung  nicht 
zu,  sondern  behaupten,  Jesus  habe  in  einem  Gewitter  (Bauer, 
hebr.  Mythologie  S.  240),  oder  im  Glanz  der  Morgenröthe 
(Paulus,  Leben  Jesu)  so  gestanden,  dass  die  Jünger  den 
Glanz  für  überirdisch  gehalten  hätten. 

Die  einzig  richtige  Erklärung  dieser  wunderbaren  Scene 
ist  eine  tiefe  mystische  Combination.  Gott  selbst  kommt  in 
der  Wolke  herab  und  verbindet  persönlich  das  alte  und  neue 
Testament,  die  Verheissung  und  die  Erfüllung,  das  Gesetz 
und  die   Gnade.     Wenn  Moses  mehr  auf  die  Schöpfungs- 


506  Transfigruration. 

geschichte  hinweist,  so  Elias  auf  das  Ende  der  Dinge,  Christus 
aber  steht  als  ewig  lebendige  Gegenwart  in  der  Mitte  zwischen 
Vergangenheit  und  Zukunft. 

Aber  auch  in  der  Verbindung  dieser  erhabenen  Verklä- 
rungsscene  mit  dem  düstern  Nachtbild  des  dämonischen  Kna- 
ben liegt  ein  mystischer  Sinn.  Jenes  Nachtbild  umfasst  im 
kürzesten  Ausdruck  alles  Elend  der  vom  Bösen  besessenen 
Welt,  wie  sie  wäre  ohne  das  Heil  der  Erlösung.  Von  un- 
nachahmlicher Wahrheit  und  Schönheit  ist  das  Ringen  der 
tiefsten  Sehnsucht  in  der  Seele  des  Vaters,  bis  sie  zum  Glau- 
ben durchbricht,  dem  die  Gnade  entgegenkommt. 

Diese  mystische  Bedeutung  nun  hat  vor  allen  Malern 
Raphael  in  sein  unsterbliches  Bild  der  Transfiguration  gelegt. 
Es  ist  bekanntlich  ein  Doppelbild,  oben  Christus  im  weissen 
Kleide,  schwebend  leicht  wie  eine  Flamme  in  der  Lichtwolke, 
umgeben  von  Moses  und  Elias,  zu  seinen  Füssen  die  drei 
Jünger;  unten  der  dämonische  Knabe,  umgeben  von  angst- 
vollen Zuschauern  und  Aposteln.  Die  höchste  Herrlichkeit 
und  Wonne  dort,  das  tiefste  Elend,  Rathlosigkeit  und  zit- 
ternde Angst  hier  unten.  Am  besten  fasste  das  Bild  auf 
Friedrich  Schlegel,  Werke  VI.  44.  45. 

In  der  griechischen  Kirche  ist  eine  Darstellung  der 
Transfiguration  herkömmlich,  die  der  tiefen  Idee  wenig  ent- 
spricht. Christus  steht  hier  nämlich  in  einer  Glorie,  die 
durch  sechs  Strahlungen  dergestalt  radförmig  erscheint,  dass 
es  aussieht,  als  läge  er  selbst  auf  dem  Rade.  Die  Strahlen 
bezeichnen  oben  ihn,  Elias  und  Moses,  unten  die  drei  Jünger. 
Didroriy  man.  p.  178.  Das  älteste  bekannte  Bild  der  Trans- 
figuration ist  ein  Miniaturbild  aus  dem  9ten  Jahrhundert. 
Vgl.  Waagen,  Paris  206.  Der  segnende  Christus  in  einer 
Glorie,  Moses  jung  gehalten,  dagegen  unter  den  staunenden 
drei  Jüngern  Johannes  alt  und  bärtig. 

Alttestamentalische  Vorbilder  der  Transfiguration  sind  in 
der  alten  biblia  pauperum:  1)  die  drei  Männer  im  feurigen 
Ofen ;  2)  die  drei  Engel  bei  Abraham.  —  Das  Fest  der  Traus- 


^^-^-"-^     ^^J^UcJ-P^/    SW~  j^.  ^M^S^nr.  ^ 


Treppe.  507 

figuration  ist  am  6.  August,  am  28.  März  jedoch  wird  das 
Andenken  daran  deshalb  gefeiert,  weil  an  diesem  Tage  die 
drei  Jünger  die  Erscheinung,  die  sie  gehabt,  zuerst  verkün- 
deten, nämlich  erst  nach  der  Auferstehung.  Darauf  bezieht 
sich  auch  die  an  diesem  Tage  vorgenommene  Erneuerung 
und  Weihung  des  Abendmahlsweines.  Durand^  rat.  VII.  22. 
Siehe  den  Artikel  Wein. 


Treppe 

oder  Stufenleiter  hat  dieselbe  Bedeutung  wie  die  Leiter. 
Siehe  diesen  Artikel.  Die  Stufenleiter  der  Tugenden,  die 
Treppe  des  Tempels  oder  göttlichen  Thrones  als  Stufenleiter, 
auf  der  die  Heiligen  durch  ihr  Verdienst  emporsteigen.  Vor- 
bild die  Treppe  des  Tempels ,  auf  die  Maria  in  zartem  Alter 
emporsteigt.  Vgl.  Maria.  Eine  Treppe  ist  vorzugsweise 
Attribut  des  heiligen  Alexius.  Dieser  reiche  Jüngling  unter 
Kaiser  Theodosius  verliess  an  seinem  Hochzeittage  die  Braut 
und  das  elterliche  Haus,  lebte  als  Einsiedler  in  der  Wüste 
und  kehrte  dann ,  ganz  abgemagert  und  entstellt ,  so  dass  ihn 
Niemand  kannte,  zurück  und  lebte  als  Bettler  in  strengster 
Busse  noch  jahrelang  unerkannt  unter  der  Treppe  des  Vater- 
hauses. Seine  Legende  ist  mehrmals  bearbeitet  worden , 
lateinisch  in  den  Actis  SS.  Juli  IV.  238.  Vincent.  Bellov. 
XVIII.  43;  in  einem  lateinischen  Gedicht  s.  Hoffmann,  altd. 
Blätter  IL  273 ;  altdeutsch  von  Conrad  von  Würzburg  (Haupt, 
Zeitschrift  III.  534.)  und  einem  Ungenannten.  Vgl.  Altdeutsche 
Dichtungen  von  Meyer  und  Mooyer,  1833,  in  einem  Meister- 
gesang von  Breymyng  1488  (Görres,  Meisterlieder  S.  294), 
neuerdings  noch  in  Romanzen  von  Göthe  und  Krug  von  Nidda. 
Holländisch  in  einem  Volksliede.  Mone,  niederl.  Volkslit.  193. 
Altenglisch  bei  Warton  I.  p.  CXLVI.  Spanisch  von  Moreto 
y  Cabana.  Französisch  in  einem  alten  Gedicht,  Haupt, 
Zeitschrift  V.  299, 


508  Tropfen, 


Tropfen. 

Das  Wassertröpfclien  ist  als  Sinnbild  des  menschlichen 
Lebens  trefflich  aufgefasst  in  zwei  seltsam  schönen  Dichtungen 
von  Graf  Zinzendorf.  Einmal  lässt  er  ein  Tröptiein  himm- 
lischen Thau  in's  Meer  fallen.  Es  jammert,  im  Allgemeinen, 
in  der  Gemeinheit  verschwimmen  zu  müssen;  allein  eine 
Muschel  nimmt  es  auf  und  es  wird  die  köstliche  Perle,  die 
in  den  Besitz  der  Königin  Kleopatra  kommt.  Um  jedoch 
das  arme  Tröpfchen  wieder  an  die  Demuth  zu  erinnern, 
trinkt  jene  Königin  die  Perle  im  Essig  und  das  Tröpfchen 
muss  nun  auf  dem  schmutzigsten  Wege  ausgehen.  —  In  der 
zweiten  Dichtung  befindet  sich  das  bescheidene  Tröpfchen  in 
einem  Sumpf,  wird  aber  von  der  Sonne  aufgesogen  und  in 
eine  Wolke  erhoben.  Von  hier  aus  fällt  es  in  den  Jordan 
und  dient  bei  der  Taufe  des  Heilands,  an  seinem  Leibe  zit- 
ternd vor  Ehrfurcht.  Später  kommt  es  wieder  in  die  Nähe 
des  Heilands  und  sieht  ohne  Neid ,  wie  andere  Tropfen  mehr 
begünstigt  und  in  Wein  verwandelt  werden ;  glücklich  genug, 
dass  es  dem  Heiland  bei  der  Fusswaschung  dient.  Bei  diesem 
Geschäft  reibt  es  sich  der  Heiland  selbst,  ohne  Zuthun  des 
demüthigen  Tröpfleins,  dermassen  ein,  dass  es  in  seine  eignen 
Säfte  übergeht.  Aber  auf  dem  Oelberg  in  der  Angstnacht 
schwitzt  er  es,  mit  Blut  vermischt,  wieder  aus,  und  ein 
Engel  trägt  es  mit  dem  Leidenskelch  empor  zum  Himmel. 
Das  ist  die  bescheidene,  in  christlicher  Demuth  auf  Erden 
geprüfte  Seele. 

Tugenden. 

Vgl.  den  Artikel  Laster.  Nach  altem  kirchlichen  Her- 
kommen zählt  man  sieben  Haupttugenden  gegenüber  den 
sieben  Hauptlastern  und  zwar  oben  an  die  drei  höchsten  Tu- 
genden: fidesj  charitas^  spes  in  Bezug  auf  Gott,  und  sodann 
die  vier  Cardinaltugenden  (von  cardo,  Angelpunkt,  um  den 
sich  Alles  dreht):   prudentia,  justitia,  fortitudo^  temperantia  in 


Tugrenden.  509 

Bezug  auf  das  Verhalten  zu  den  Menschen.  Vincent.  Bellov. 
spec.  morale  I.  3.  7.  Ihnen  entsprachen  im  heiligen  römischen 
Reiche  die  drei  geistlichen  Kurfürsten  mit  den  vier  weltlichen. 
Inzwischen  werden  auch  noch  andere  Tugenden  in  jene  ein- 
geschoben und  die  Reihe  derselben  anders  wiedergegeben. 
In  einem  Tractat  aus  dem  12ten  Jahrhundert  folgen  sich: 
sapientia,  fides,  Caritas^  spes,  pax,  misericordia,  indulgentia^ 
•patientia.  Im  13ten  Jahrhundert  kommen  vor:  Maass,  Keusch- 
heit, Milde,  Sanftheit,  Minne,  Wackerheit,  Demuth.  GrafF, 
Diutiska  I.  281.  294.  Auf  Gemälden,  in  denen  Tugenden 
und  Laster  streiten  oder  einander  wenigstens  gegenüberstehen, 
tritt  der  ira  die  patientia ,  der  superbia  die  humilitas,  der  gula 
die  temperantia,  der  invidia  die  Caritas^  der  venus  die  castitas, 
der  avaritia  die  misericordia^  der  pigritia  die  diligentia  entgegen. 
Wo  die  Tugenden  nur  angebracht  werden,  um  eine  heilige 
oder  auch  weltliche,  namentlich  fürstliche  Person  zu  verherr- 
lichen, werden  auch  hauptsächlich  solche  Tugenden  ausge- 
wählt, die  jene  Person  am  meisten  ausgezeichnet  haben,  ohne 
feste  Regel. 

Wie  den  sieben  Tugenden  die  sieben  Laster  oder  Tod- 
sünden gegenüber ,  so  stehen  ihnen  die  sieben  Wissenschaften 
zuweilen  zur  Seite,  die  intellektuellen  Mächte  neben  den 
moralischen.  So  erscheint  der  heilige  Thomas  von  Aquino 
auf  einem  Bilde  des  Taddeo  Gaddi  in  Florenz  umgeben  von 
vierzehn  schönen  Frauen,  von  denen  eine  Hälfte  die  sieben 
Tugenden,  die  andere  die  sieben  Wissenschaften  darstellt.  — 
Die  sieben  Gaben  des  heih'gen  Geistes  gehen  in  beide,  die  mora- 
lische und  intellektuelle  Reihe  über.  Jesaias  11,  1.  bezeichnet 
sie  als:  Weisheit,  Verstand,  Rath,  Stärke,  Wissenschaft, 
Furcht  des  Herrn.  Zwischen  die  beiden  letztern  wurde  noch 
Gottseligkeit  eingefügt.     Vgl.  Dante,  von  Kopisch  S.  253. 

Wenn  man  die  Laster  vorzugsweise  gerne  in  Thierge- 
stalten  malte,  so  versuchte  man  das  auch  in  Bezug  auf  die 
Tugenden,  doch  hier  mit  viel  mehr  Einschränkung,  weil  das 
Thierische,  indem  es  unter  dem  Menschlichen  steht,  mehr 
zum   teuflischen  Ausdruck    hinneigt,    als    es    fähig   ist,    das 


510  Tugenden. 

Uebermenscliliche  und  Englische  auszudrücken.  Dalier  kom- 
men den  Tugenden  auch  Thiere  nur  sehr  bedingt,  nur  als 
Attribute  zu,  z.  B.  ist  der  Lowe  Attribut  der  fortüudo^  das 
Lamm  der  patientia^  das  Einhorn  der  castitas,  der  Fisch  der 
temperantia.  Vgl.  Didron,  annales  VI.  50.  Kunstblatt  1846, 
S.  166.  Viel  öfter  kommen  Attribute  der  Tugenden  vor, 
wie  folgende:  die  Säule  als  fortitudo ,  der  feste  Thurm  als 
castitaSy  das  Winkelmaass  der  prudeniia,  der  Finger  auf  dem 
Munde  der  obedientia^  die  Geissei  der  temperantia.  Vgl. 
Kunstblatt  1821,  S.  178.  1846,  S.  166.  Auf  einem  schönen 
Bilde  des  Domenichino  kommen  vor:  fides  mit  dem  Kreuze, 
Caritas  mit  Kindern,  spes  mit  aufgehobenen  Armen,  prudentia 
mit  Spiegel  und  Schlange,  justitia  mit  der  Waage,  fortitudo 
mit  der  Säule,  temperantia  mit  dem  Zügel.  Vgl.  Landon^ 
Oeuvres  de  Domenichino  pl.  17  f.  Daselbst  pl.  34  f.  wieder 
eine  andere  Reihe:  fortitudo  mit  Helm,  Schwert,  Löwe  und 
Säule,  temperantia  mit  dem  Einhorn  und  einem  Zügel  für 
das  Kameel,  prudentia  mit  Spiegel,  Schlange  und  Zirkel, 
justitia  mit  Waage  und  Fasces,  unter  ihr  die  Gnade  mit 
offenem   Busen. 

Sehr  oft  bezeichnete  man  die  Tugenden  durch  Beispiele. 
Sieben  Bilder  stellten  die  Ausübung  der  sieben  Tugenden 
dar.  Jacquio  ging  in  der  Zeit  der  Renaissance  so  weit,  für 
die  christlichen  Tugenden  seine  Beispiele  nur  aus  dem  heid- 
nischen Alterthum  herzuholen.  Vgl.  v.  Wessenberg,  christl. 
Bilder  n.  550. 

Die  heilige  Hildegard  sah  die  vier  Cardinaltugenden  als 
vier  Mauern  um  die  Säule  Gottes.  Auch  Dante  (Hölle 
IV.  106.)  verglich  die  sieben  Tugenden  mit  einer  sieben- 
fachen Mauer.  Die  heilige  Hildegard  {Scivias  III.  8.)  sah 
ferner  in  den  Tugenden  die  sieben  Stufen  zur  Heiligkeit. 
Die  altdeutsche  Legende  von  der  heiligen  Martina  deutete 
die  sieben  Tugenden  als  Blumen  im  jungfräuhchen  Kranze 
dieser  Heiligen.     Graff,  Diutiska  IL  138. 


u 


Ulme, 

Attribut  des  heiligen  Zenobius.     Als  seine  Leiche  vor  einer 

dürren    Ulme    vorbeigetragen    wurde,    grünte   sie  plötzlich. 

Man  legte    einen   Zweig    davon  in    seinen  Sarg,  der   nach 

tausend  Jahren  noch  immer  grün  gefunden  wurde.  Keyssler, 
Reise  S.  380.     Görres,  Mystik  II.  59. 


Ungeheuer. 

Unter  dem  Druck  der  Kirchenpfeiler,  Säulencapitäle, 
Treppen  etc.  erblickt  man ,  namentlich  in  gothischen  Kirchen, 
mancherlei  grinsende,  grollende  oder  höhnische  Ungethüme, 
desgleichen  sperren  die  Dachrinnen  Drachenmäuler  auf,  und 
laufen  Schlangen  und  Eidechsen  und  anderes  steinerne  Un- 
geziefer an  Geländern  hinauf.  Kreuser  (Kirchenbau  I.  569.) 
erklärt  diese  Unholde  aus  dem  148sten  Psalm,  wo  es  unter 
anderm  heisst:  „Lobet  den  Herrn,  ihr  Wasser  etc.,  ihr 
Drachen  und  alle  Abgründe,    Feuer,  Hagel,    Schnee,   Eis 


51^  Ung^eheuer. 

und  Sturm,  alle  Thiere  und  alles  Vieh,  Gewürm  und  Ge- 
vögel/'^ Es  scheint  mir  jedoch,  diese  Ungeheuer  vertreten 
hier  nicht  eine  Huldigung  der  Elemente,  sondern  bedeuten 
vielmehr  die  durch  die  Kirche  überwundene  Bestialität  und 
Diabolität,  die  sich  in  die  Winkel  verkriechen  und  auch 
wider  Willen  der  Kirche  sogar  dienstbar  werden  muss. 


-^ 


Veilchen, 

Sinnbild  der  Demuth  bei  hobem  innern  Werth,  daber  in 
alten  Marienliedern  oft  auf  die  beilige  Jungfrau  angewandt. 
Vgl.  Conrad  von  Würzburg,  goldne  Scbmiede  (Vers  67)  von 
Grimm  S.  XLII.  Maria  beisst  die  Violstaude.  Haupt,  Zeit- 
sebrift  Vni.  282.  Das  Violfeld,  das.  IV.  520.  Zu  Dinkels- 
bübl  ist  ein  scbönes  Bild  der  Maria  mit  Veilcben  im  Haar 
und  mit  einem  violetten  Mantel.  Fiorillo  I.  312.  Vgl.  aucb 
den  Artikel  Ametbist.  —  Veilcben  sind  aucb  das  Attribut  des 
sei.  Franciscus  Ovarius,  aus  dessen  Grrab  sie  wucbsen. 

Verkleidung. 

Die  pia  fraus  des  Jakob ,  der  sieb  mit  Fellen  bedeckt, 
um  als  vermeintlicber  Esau  des  Vaters  Segen  wegzusteblen, 
kebrt  in  der  cbristlicben  Legende  nur  in  sebr  veredelter 
Gestalt  wieder,  indem  bier  nur  Verkleidungen  zum  Scbutz 
der  gefäbrdeten  Unscbuld  vorkommen.  Die  berübmtesten 
Legenden  sind  die  von  frommen  Jungfrauen,  die  sieb  im 
Möncbsgewande  verbergen.    St.  Eupbrosyna,  zu  Alexandria 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  33 


514  Verkleidung. 

im  5ten  Jahrhundert,  sollte  heirathen,  entfloh  aber  und  ging 
in  männlicher  Tracht  in  ein  Mönchskloster,  wo  sie  beinahe 
vierzig  Jahre  lang  unerkannt  als  Mönch  lebte.  Ihr  eigner 
Vater  Paphnutius  kam  in's  Kloster  und  hielt  fromme  Ge- 
spräche mit  ihr,  ohne  dass  er  sie  erkannt  hätte.  Erst  im 
Sterben  entdeckte  sie,  wer  sie  sey.  Acta  SS.  11.  Februar. 
Alfonsi  hat  sie  in  einem  italienischen  Epos  1702,  in  kleinen 
Gedichten  haben  sie  Herder  (zur  Lit.  und  Kunst  VI.  75.) 
und  Kosegarten  besungen.  Steinle  hat  ihre  Legende  ge- 
malt (gestochen  von  Schaff  er)  in  Frankfurt.  Wilh.  Füssli, 
Zürich  etc.  II.  139.  —  St.  Apollinaris,  Tochter  des  Kaisers 
Anthemius,  entfernte  sich  freiwillig,  nachdem  sie  nach 
Jerusalem  gewallfahrtet  war,  aus  der  Welt,  wählte  männ- 
liche Kleidung  und  wurde  ein  Mönch.  Der  Ruf  ihrer 
Heiligkeit  in  diesem  Stande  ^  bewog  ihre  Schwester ,  bei  ihr 
Hülfe  zu  suchen.  Sie  trieb  nun  aus  der  Schwester  den  Teufel 
aus,  wurde  aber  beschuldigt,  dieselbe  verführt  zu  haben,  bis 
sie  zu  allgemeinem  Erstaunen  ihr  Geschlecht  und  ihre  wahre 
Herkunft  enthüllte,  5.  Januar.  —  St.  Eugenia,  vornehmer 
Eltern  Kind  in  Alexandria  und  sehr  gelehrt,  entfloh  in  männ- 
licher Tracht  und  wurde  Mönch.  Erst  als  ein  schönes  Weib 
sich  in  ihn  verliebte  und,  von  ihm  verschmäht,  ihn  beschul- 
digte, er  habe  ihr  Gewalt  angethan,  entdeckte  der  angebliche 
Mönch  sein  Geschlecht  und  seine  Unschuld.  Später  erlitt  sie 
in  Rom  den  Martyrertod,  25.  Dezember.  Eines  geistlichen 
Singspiels,  das  sie  verherrlicht,  vom  Jahr  1695,  gedenkt 
Godsched  in  seinem  Vorrath  I.  260.  Weit  berühmter  ist 
Calderons:  El  Joseph  de  las  Mugeres,  worin  sie  als  Lehrerin 
der  Philosophie  in  Alexandrien  beginnt,  gerade  so  über  die 
ewigen  Dinge  nachsinnend,  wie  später  Faust  beiGöthe,  wo- 
durch sie  zur  Bekehrung  geführt  wird.  Vgl.  Schack,  span. 
Lit.  III.  117.  Wiener  Jahrb.  XVHL  35.  -  St.  Marina 
begleitete  ihren  Vater  Eugenius,  als  er  Mönch  wurde,  in 
männlicher  Kleidung  und  wurde  unerkannt  selber  Mönch 
unter  dem  Namen  Marinus.  Da  beschuldigte  man  den  jungen 
Mönch,  ein  Kind  gezeugt  zu  haben,  und  verstiess  ihn.    Er 


Verkündigungr.  515 

nahm  geduldig  die  Schuld  über  sich  und  pflegte  das  Kind. 
Erst  nach  seinem  Tode  erkannte  man  sein  wahres  Geschlecht. 
Surius  zum  5.  Februar.  Die  Legende  wurde  in  einem  alt- 
deutschen Gedicht  behandelt.  Hagen  und  Büsching,  Grundriss 
S.  297.  Auch  niederdeutsch,  herausg.  vonBruns  1798.  Genthe, 
Dichtungen  des  Mittelalters  S.  301.  —  Ganz  dasselbe  berichtet 
die  Legende  von  der  heiligen  Theodora,  11.  September. 

Verkündigung. 

An  die  Verkündigung ,  wie  sie  unzähligemal  auf  Kirchen- 
bildern gemalt  ist,  knüpft  sich  ausserordentlich  viel  Symbolik. 

Maria  selbst  ist  hier  vorzugsweise  die  Magd  des  Herrn 
(ancilla  domini) ,  ihr  Ausdruck  daher  die  tiefste  und  frömmste 
Demuth  bei  der  heitersten  jungfräulichen  Unschuld.  Diesen 
Ausdruck  haben  die  altern  Maler  besser  getroffen,  als  die 
neuern,  die  gern  zu  viel  Selbstbewusstseyn  in  die  Jungfrau 
legten  oder  sie  zu  sehr  erstaunen  und  erschrecken,  ja  selbst 
in  Ohnmacht  sinken  Hessen.  Die  magdliche  Demuth  wird  am 
besten  ausgedrückt  durch  die  über  der  Brust  gekreuzten 
Hände,  das  alte  morgenländische  Zeichen  unbedingter  Hin- 
gebung. Ln  Abendlande  kam  auf  den  Bildern  mehr  die 
gewöhnliche  Geberde  des  Gebetes  auf.  Maria  kniet  und  er- 
hebt die  zusammengelegten  Hände.  Viele  Maler  gaben  ihr 
auch  ein  Gebetbuch.  Sie  lässt  gewöhnlich  das  Haar  lang 
herabwallen,  denn  das  w^ar  die  Tracht  der  Jungfrauen.  Ihr 
Kleid  ist  meist  wie  herkömmlich  blau  (Farbe  des  Himmels,  an 
dem  die  neue  Sonne  aufgehen  soll),  oft  aber  auch  w^eiss,  um 
die  reine  Jungfrau  als  solche  zu  bezeichnen.  So  auf  dem 
berühmten  Genter  Altar.  Ein  Bild  zeigt  sie  im  weissen  Unter- 
kleid mit  dem  Purpurmantel,  wodurch  sinnig  die  Königswürde 
bezeichnet  wird,  die  ihre  Unschuld  umkleidet.  Kunstblatt 
1847,  S.  22.  Seltner  ist  ihr  Kleid  grün,  die  Hoffnung  der 
Welt  bezeichnend. 

Nach  dem  apokryphischen  Vorevangelium  Jacobi ,  so  wie 
im  Evangelium  von  der  Geburt  der  Maria  und  der  Kindheit 

33* 


516  Verkündigung. 

Jesu  überrascht  der  Engel  die  Jungfrau,  als  sie  gerade  Pur- 
purseide für  den  Tempel  webt.  Das  hat  auch  Wernher  in 
seinem  Gedicht  zu  Ehren  der  Jungfrau  Maria  aufgenommen 
und  findet  sich  auch  auf  Gemälden.  Ueberhaupt  zogen  es 
die  Maler  vor ,  ihr  eine  vornehmere  Wohnung  und  Umgebung 
zu  leihen,  als  von  der  Braut  eines  armen  Zimmermanns  zu 
erwarten  war,  und  folgten  hierin  den  Apokryphen.  Das 
Zimmer  der  Verkündigung  ist  daher  oft  sehr  prächtig.  Da 
diese  Pracht  nur  symbolisch  zu  verstehen  ist,  wie  das  Thronen 
Maria's  oft  sogar  im  Stall  von  Bethlehem,  lässt  sich  nichts 
dagegen  einwenden,  nur  alberne  Spielereien  sollen  die  Maler 
vermeiden  und  keine  Katzen  und  Papageien  anbringen  wollen, 
wie  geschehen  ist.  Vgl.  v.  Wessenberg,  christliche  Bilder 
II.  267. 

Ein  besonderes  Attribut  der  Jungfrau  auf  Verkündigungs- 
bildern ist  die  Lilie  ohne  Staubgefässe  im  durchsichtigen 
Glase,  gewöhnlich  zu  ihren  Füssen.  Vgl.  den  Artikel  Lilie. 
—  Auf  altdeutschen  Bildern  erfolgt  die  Verkündigung  zuweilen 
in  dem  „verschlossenen  Garten'^  oder  wenigstens  in  einem 
Zimmer,  das  unmittelbar  an  den  rings  ummauerten  blumen- 
vollen Garten  stösst.  Dieser  Garten  ist  Symbol  der  Jung- 
fräulichkeit und  unbefleckten  Empfängniss. 

Gabriel,  der  Engel  der  Verkündigung,  erscheint  ge- 
wöhnlich in  einem  weissen  Kleide ,  womit  nicht  nur  die  eng- 
lische Reinheit,  sondern  auch  ein  Priesteramt  ausgedrückt 
wird.  Oft  gaben  ihm  die  Maler  ein  wirkliches  Priesterkleid, 
ein  goldenes  Messgewand.  Rathgeber,  Annalen  S.  69.  Ins- 
gemein hat  er  einen  Lilienstengel  in  der  Hand.  Oft  erhebt 
er  die  rechte  Hand  zum  Segen.  Seine  Haltung  ist  die  eines 
heiligen  Boten,  würdig,  ernst,  ruhig.  Nicht  selten  wird  er 
knieend  gemalt,  wie  die  Jungfrau  selbst,  beide  in  tiefe  An- 
dacht versunken.  So  auf  dem  Bilde  von  Garofalo  auf  dem 
Capitol.  Hier  ist  der  Engel  noch  durch  einen  Blumenkranz 
und  durch  ein  reiches  hochzeitliches  Kleid  ausgezeidmet. 
Auch  Nicolaus  von  Pisa  malte  den  Engel  knieend  zu  Orvieto. 
Johann  van  Eyck  gab  ihm  Pfauenfittige ,  deren  viele  Augen 


Verkündigung.  517 

wohl  den  Sternhimmel  bezeichnen.  Inzwischen  sind  es  hier 
Flügel  von  einem  weissen  Pfau.  Dieser  Engel  auf  dem 
Eyck'schen  Bilde  (der  vormaligen  Boisseree'schen  Sammlung) 
schwebt  leicht  und  majestätisch  heran.  Auf  dem  Bild  des 
Hans  Baidung  im  Freiburger  Münster  hat  der  Engel  dagegen 
eine  heftige  Bewegung  und  die  Haare  sträuben  ihm ,  wodurch 
die  Grösse  seiner  Sendung,  das  Ueberwältigende  des  aller- 
heiligsten  Amtes  ausgedrückt  wird.  In  einem  altdeutschen 
Volksliede  kommt  der  Engel  als  Jäger  mit  dem  Hüfthorn 
zur  Jungfrau.  Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  183.  Talvy, 
Volkslieder  S.  378.  Auf  einem  Bilde  zu  Graudenz  trägt  er 
einen  Brief.  Kunstblatt  1835,  Nr.  62.  Solche  naive  Auffas- 
sungen der  altern  Zeit  sind  immer  noch  erträglicher,  als  die 
lüsterne  Koketterie  moderner  Bilder.  So  findet  man  ein 
Frescobild  in  Susa,  auf  dem  der  Engel  mit  Pfeil  und  Bogen 
zur  Maria  kommt,  um  die  sich  eine  Menge  kleiner  Engel 
wie  Eroten  schmiegen.  Lady  Morgan,  Italien  I.  71.  Die- 
selben erotischen  Engel  malte  Nie.  Poussin  auf  einem  Bilde, 
das  sich  jetzt  in  St.  Petersburg  befindet,  und  den  lauschenden 
Joseph  dazu.  Nichts  war  des  heiligen  Gegenstandes  unwür- 
diger.   Vgl.  Hand,  Kunst  in  St.  Petersburg  I.  S.  300. 

Um  noch  deutlicher  zu  machen,  was  der  Engel  verkün- 
det, fällt  auf  den  Bildern  gewöhnlich  durch  das  Fenster  ein 
heller  Sonnenstrahl  auf  die  Jungfrau.  Auf  altern  Bildern 
geht  dieser  Strahl  von  der  Hand  Gottes  aus,  die  aus  den 
Wolken  hervorragt.  Sehr  häufig  schwebt  unter  der  Hand 
im  Strahl  noch  der  heilige  Geist  als  Taube,  und  wieder  unter 
diesem,  ebenfalls  im  Strahl,  ein  kleines  Kind.  Dieses  letztere 
ist  grob  miss verstanden  worden,  als  solle  es  das  fleischliche 
Christkind  seyn,  da  es  doch  nur  die  Seele  des  Sohnes  bedeu- 
tet, die  vom  Himmel  kommt,  noch  ehe  sie  Fleisch  geworden 
ist.  Denn  die  Seele  wurde  in  der  kirchlichen  Kunstsymbolik 
des  Mittelalters  immer  als  kleines  Kind  aufgefasst.  Vgl.  Di- 
droriy  manuel  p.  155.  Zuweilen  hat  dieses  Kind  im  Lichtstrahl 
zur  nähern  Bezeichnung  ein  Kreuz  bei  sich,  daselbst  p.  156. 
Waagen,  Kunst  in  Deutschland  1.  368.    Das  sogenannte  Ei, 


518  Verkündigung. 

in  dem  das  Christkind  auf  dem  Bilde  zu  Constanz  liegt 
(Fiorillo  I.  293.)?  ist  nur  eine  Glorie.  Sofern  Christus  Xöyog 
(das  Wort)  ist ,  richtet  sich  der  vom  Himmel  kommende 
Strahl  auf  einigen  alten  Bildern  nach  dem  Ohr  der  Jungfrau. 
Vgl.  Sepp,  Heidenthum  III.  67.  Auf  einem  Bilde  zu  Bam- 
berg haucht  Gott  Vater  auf  die  Taube,  diese  und  das  Christ- 
kind beide  hauchen  wieder  auf  die  Jungfrau.  Blainville,  Reise 
I.  213.  —  Zu  Kentheim  im  Schwarzwald  steht  ein  Baum  mit 
drei  Aesten  als  Sinnbild  der  Dreieinigkeit  neben  der  Scene 
der  Verkündigung.    Waagen,  Deutschland  II.  233. 

Häufig  haben  sich  Donatoren  auch  auf  Verkündigungs- 
bilder malen  lassen.  Die  Gegenwart  solcher  Andächtiger 
erscheint  jedenfalls  zudringlich  und  unpassend  bei  einem  Vor- 
gang, der  ein  heiliges  Geheimniss  ist  und  den  die  tiefste  und 
ehrfurchtsvollste  Stille  umgeben  soll.  Eben  so  wenig  gehören 
Engel  hieher,  es  ist  an  dem  Einen  Gabriel  genug.  Die 
kleinen  Engel  erinnern  gar  zu  sehr  an  antike  Eroten. 

Dagegen  ist  es  herkömmlich  und  erlaubt,  alttestamen- 
talische  Vorbilder  der  unbefleckten  Empfängniss  mit  den 
Bildern  der  Verkündigung  in  Verbindung  zu  bringen:  der 
versclilossene  Blumengarten,  der  durch  das  Glas  dringende 
Sonnenstrahl,  die  verschlossene  Pforte,  der  feurige  Busch 
Mosis,  die  Ruthe  Aarons,  das  Fell  Gideons  etc.,  worüber 
der  Artikel  Maria  im  Eingang  zu  vergleichen  ist.  Memling 
stellte  in  zwei  Bildern  die  Verkündigung  und  die  Vision  der 
tiburtlnischen  Sibylle  neben  einander  (beide  Bilder  jetzt  in 
Berlin).  Auch  Rebecca  am  Brunnen  gilt  als  Vorbild  der 
Verkündigung,  weil  nach  einer  Apokryphe  die  letztere  vor 
einem  Brunnen  geschehen  seyn  soll.    Hofmann,  Apokr.  S.  69. 

Wenn  man  die  fromme  Einfalt  und  heilige  Andacht  er- 
wägt, mit  der  in  alten  Marienbildern  und  Marienliedern  die 
Verkündigung  behandelt  wird,  so  fühlt  man  sich  beleidigt 
und  empört  durch  die  Auffassung  der  Renaissancezeit,  die 
alles  Christliche  sofort  im  antik  heidnischen  Styl  reprodu- 
ciren  wollte  und  ihm  gerade  dadurch  das  Heilige  nahm.  In 
dem  Gedichte  Sannazars :  De  partu  virginis  (eines  Neapolitaners 


Versuchung  in  der  Wüste.  519 

im  16ten  Jahrhundert,  in  Lateinischen  Hexametern)  antwortet 
die  Madonna  dem  Engel  der  Verkündigung  mit  Worten ,  die 
nichts  weniger  als  heilige  Unschuld  athmen: 

Conceptusne  mihi  tandem,  partusque  futuros 
Sande,  refers?  mene  attactus  perferre  viriles 
Posse  putas?  etc. 
Eben  so   wird   die   fromme  Hingebung   der  Magd  Gottes  zu 
einer  theatralischen  Declamation.     Sie  blickt  zu  den  Sternen 
empor  und  bietet  sich  Gott  selber  an: 

Jam  jam  vince,  p,des;  vince  obsequiosa  voluntas , 
En  adsurn :  accipio  venerans  iiia  jussa ,  tuumque 
Dulce  sacrunt,  Pater  omnipotens. 
Sofern   die  Jungfrau  durch  das  Wort  Gottes   allein,   in 
welchem  der  heilige  Geist  wirkte,  Mutter  geworden  war,  das 
Wort    aber   mit    dem    Ohr    vernommen    wird,    entstand   im 
Mittelalter   die   grobsinnliche  Vorstellung  einer  Empfängniss 
der  Jungfrau  durch's  Ohr.    Ein  Hymnus  des  heiligen  Ephre- 
mius  lautet: 

Gaude ,  virgo,  mater  Christi, 
Olli  per  aitrem  concepisti. 
Bei  den  Maroniten  ist  diese  Vorstellung  Glaubenssatz. 

Versuchung  in  der  Wüste. 

Jesus  bereitete  sich  auf  sein  Lehramt  durch  Einsamkeit 
und  Fasten  in  der  Wüste  vor.  Dieses  Fasten  dauerte  nach 
Matth.  4,  2.  vierzig  Tage  und  vierzig  Nächte.  Man  hat  dies 
in  Parallele  gesetzt  mit  den  vierzig  Jahren,  welche  die 
Israeliten  in  der  Wüste  zubrachten,  ehe  sie  in  das  gelobte 
Land  kamen. 

Nach  so  langem  Fasten  hungerte  den  Gottmenschen  und 
er  fühlte  tief  den  Mangel  der  menschlichen  Natur.  Dies  be- 
nutzte Satan,  ihn  zu  versuchen.  Er  nahte  ihm  mit  einem 
grossen  Stein  und  sprach  höhnisch:  „Bist  du  Gottes  Sohn, 
so  brauchst  du  ja  nur  diesen  Stein  in  Brodt  zu  verwandeln, 
um  deinen  Hunger  zu  stillen."  Da  erwiderte  der  Heiland: 
„Der  Mensch  lebt  nicht  vom  Brodt  allein,  sondern  von  Gottes 


520  Versuchung  in  der  Wüste. 

Wort.'^    Sofern  nun  Jesus  sich  durch  das  Leiden  der  irdischen 
Natur  nicht  ungeduldig  machen  liess,   versuchte  ihn   Satan 
auf  andere  Weise.     Wenn  du  Gottes  Sohn  bist,  gab  er  ihm 
zu  verstehen,    so   kannst   du   dich  auch    an   seiner  Statt  im 
Allerheiligsten    des   Tempels    offenbaren   und   dich    von   den 
Engeln  bedienen  lassen.     Um  ihm  dies  recht  nahe  zu  legen, 
führte   er  ihn   auf  die  Zinne    des   Tempels   von   Jerusalem. 
Aber  Jesus  wollte  nicht  wie  Lucifer  sich  an   Gottes  Stelle 
setzen  und  erwiderte:    „Du  sollst  Gott,  deinen  Herrn,  nicht 
versuchen.'^    Da  führte  ihn  Satan  auf  einen  hohen  Berg  und 
zeigte  ihm  alle  Reiche  der  Welt  und  ihre  Herrlichkeit,  und 
wollte   sie   ihm  geben,    wenn   er   niederfiele    und  ihn,    den 
Teufel,  anbete.     Das  heisst  nun,   Jesus  hätte  handeln  sollen, 
wie  einst  Lucifer  als    erstgeborner  Engel  handelte,   und  die 
Macht   als  Sohn  Gottes  benützen   zur  Usurpation   der  Welt- 
herrschaft im  Grossen,   wobei  unter   den  Reichen   der  Welt 
nicht  blos  irdische,   sondern   das  ganze  Universum  zu  ver- 
stehen ist.     Jesus  aber  erwiderte:    „Hebe  dich  von  mir,    Sa- 
tan! denn  es  steht  geschrieben:  Du  sollst  Gott  allein  dienen.^^ 
Der    Teufel    konnte    die   Demuth    und  Entsagung    des 
Gottmenschen  nicht  begreifen.     Sobald  also    die  Leiden  des- 
selben begannen,  eilte  er  herbei,   ihn  zu  berücken  und  ihm 
vorzustellen,   wie    es  ja   nur    eines   Entschlusses    von   seiner 
Seite  bedürfe,  sich  über  alle  diese  irdischen  Leiden  hinweg- 
zusetzen.    Er  hoffte  sogar,  an  ihm  einen  mächtigen  Bundes- 
genossen wider  Gott  zu  erhalten.    Dies  erscheint  so  natürlich 
im  Wesen  des  Teufels  begründet,   dass   man   die   Sache   als 
Faktum  nehmen  oder  den  Teufel  überhaupt  wegleugnen  muss. 
Die  Rationalisten,  z.  B.  Paulus,  erklären  schlechtweg,  Jesus 
habe   sich  den  ganzen  Vorgang  blos  eingebildet.     Olshausen 
lässt  ihn    als   Faktum,  jedoch   nur   als   ein   inneres,    gelten. 
Das  ist  einerlei,  wenn  nur  das  Faktum  feststeht.    Denn  aller- 
dings existirt  der  Berg,    von  welchem  aus  Jesus  alle  Reiche 
der  Welt  und  ihre  Herrlichkeit  sehen  konnte,   nicht  in  der 
Wirklichkeit,   und  es  bedurfte  für  ihn  auch  nur  des  Gedan- 
kens ,  sich  in  das  Centrum  der  Weltherrlichkeit  zu  versetzen. 


Versuchung  in  der  Wüste.  521 

Indem  der  Satan  den  Gott  im  Gottmenschen  anrief,  handelte 
es  sich  von  dessen  geistigem,  hoch  über  das  Irdische  erha- 
benen Wesen,  und  der  Vorgang  konnte  im  Geisterreich  vor 
sich  gehen,  ohne  darum  weniger  Faktum  zu  seyn. 

Der  Vorgang  ist  von  hoher  W^ichtigkeit  für  die  Lehre 
von  der  doppelten  Natur  Christi.  Erst  sprach  Satan  die 
menschliche  Natur  in  ihrer  Schwäche  und  Bedürftigkeit  an, 
dann  die  göttliche  Natur  in  ihrer  Allmacht,  beide  nach  ein- 
ander versuchend,  sofern  ihm  beide  in  ihrer  wunderbaren 
Verbindung  eine  Seite  darboten,  wo  die  Verführung  an- 
schlagen zu  können  schien. 

Der  Vorgang  durfte  in  der  Erlösungsgeschichte  auf  keine 
Weise  fehlen,  sofern  sie  sich  unmittelbar  an  die  Geschichte 
des  Sündenfalls  anschliesst.  Er  ist  der  Gegensatz  gegen  die 
Versuchung  der  ersten  Eltern.  Die  Menschwerdung  bedingt 
auch  wieder  die  Versuchungsfähigkeit.  Es  ist  undenkbar, 
dass  Satan  darauf  nicht  seinen  Plan  gebaut  haben  sollte.  Mit 
Gott  selbst  konnte  er  nicht  verkehren,  aber  die  Gottheit 
trat  ihm  wieder  menschlich  nahe  in  Christo.  Die  Sünden- 
losigkeit  Jesu  war  nicht  blos  a  'priori  vorhanden,  sie  musste 
sich  erst  im  Leiden  und  Dulden  bewähren,  und  jene  Ver- 
suchung des  Teufels  gehörte  dazu  wesentlich.  Hätte  der 
Teufel  sich  nicht  bemüht,  so  würde  dadurch  von  vorn  herein 
anerkannt,  dass  die  menschliche  Natur  Jesu  blosser  Schein, 
nicht  Wirklichkeit  gewesen  sey. 

Die  Versuchung  wäre  aber  einseitig  gewesen,  wenn  sie 
sich  nur  an  diese  menschliche  Natur  des  Erlösers  gewendet 
hätte  und  nicht  auch  an  die  göttliche.  Die  Führung  auf  den 
Berg ,  um  den  alle  Reiche  der  Welt  sich  lagern ,  hat  den 
tiefsten  Sinn  und  ist  noch  wichtiger  als  die  Brodtversuchung. 
Sie  ist  die  eigentliche  Folie  des  heiligsten  Mysteriums  von 
der  Menschwerdung.  Wie  im  ersten  Act  der  Versuchung 
Christus  dem  Adam  entgegensteht,  so  im  zweiten  dem  Lucifer 
selbst.  Hätte  Lucifer  als  Gottsohn  gehandelt,  wie  Christus, 
so  wäre  die  Menschwerdung  nicht  nothw endig  geworden. 
Da  er  nicht  so   handelte,   musste   Christus  kommen.     Ihre 


533  Versuchung  in  der  Wüste. 

beiderseitige  Begegnung  und  ihr  Streit  um  die  Handlungs- 
weise im  gleichen  Fall  ist  daher  ein  unumgänglicher  Bestand- 
theil  der  heiligen  Geschichte,  in  der  Entwicklung  der  himm- 
lischen Hierarchie,  im  Mysterium  der  Dreieinigkeit  nothwendig 
begründet.  —  Uebrigens  wird  die  Versuchung  durch  den 
Satan  im  Anfang  der  Lehr  Wirksamkeit  des  Heilands  ergänzt 
durch  die  Angst  auf  dem  Oelberg  am  Ende  derselben.  Dort 
war  es  die  Lockung,  sich  der  schweren  irdischen  Mission 
ganz  zu  überheben,  hier  die  natürliche  Menschenfurcht,  durch 
die  der  Heiland  versucht  wurde. 

Die  Neapolitaner  haben  an  die  Versuchung  eine  artige 
Legende  geknüpft.  Der  Teufel,  sagen  sie,  habe  den  Herrn 
auf  den  Vesuv-  geführt  und  ihm  das  reizende  Ufer  umher 
als  den  schönsten  Theil  der  Erde  gezeigt.  Da  habe  Christus 
aber  geweint,  weil  er  vorausgesehen,  dass  dieses  irdische 
Paradies  einst  von  den  schlechtesten  Menschen  werde  bewohnt 
werden.  Aus  seinen  Thränen  aber  seyen  die  Reben  ge- 
wachsen, von  denen  der  köstliche  Wein,  noch  jetzt  Christi 
Thränen  (lacrymae  Christi)  genannt,  erwachsen.  Mayer, 
Neapel  H.   297. 

Die  Versuchung  wurde  oft  gemalt,  vorzugsweise  die  mit 
dem  Steine.  Seltsamerweise  haben  die  Maler  den  Teufel 
immer  in  seiner  abscheulichen  Gestalt  darstellen  zu  müssen 
geglaubt,  obgleich  es  weit  natürlicher  erscheint,  dass  der- 
selbe eine  edlere  Gestalt  gewählt  hat.  Wie  hätte  er  sich  mit 
Hörnern  und  Bocksfüssen  mögen  anbeten  lassen  wollen? 
Wie  hätte  er  sich  der  Herrschaft  über  alle  Reiche  der  Welt 
gerühmt,  wenn  er  in  der  Knechtsgestalt  schwarzer  Verwor- 
fenheit erschienen  wäre?  Indess  wird  die  Sache  um  nichts 
gebessert,  wenn  Domenichino  den  Teufel  als  schlauen  Rabbi- 
ner malt,  oder  Lucas  Cranach  als  Greis  mit  grossem  Bart. 
Lucifer  als  Geisterfürst  in  seiner  Macht  und  Herrlichkeit  und 
doch  zugleich  Verderbniss  ist  immer  schwer  zu  malen ,  gewiss 
am  schwersten  aber  gegenüber  dem  Gottmenschen.  Auf  alten 
Bildern  kommen  drei  Teufel  vor,  wodurch  die  dreifache  Art 
der  Versuchung  selber  bezeichnet  werden  soll.    Didron,  man. 


Verzeihung:.  523 

p.  166.  —  Wie  dem  Heiland  in  der  Wüste,  nachdem  ihn  die 
Teufel  verlassen,  Engel  dienen,  wurde  öfter  und  mit  leich- 
terer Mühe  gemalt,  aber  auch  hier  gab  es  Naivetäten.  So 
tischen  die  Engel  auf  einem  Bild  im  JesuitencoUegium  zu 
Augsburg  dem  Heiland  eine  Last  von  Schüsseln  voll  Speise, 
Obst,  Confituren  nebst  Wein  auf  (Blainville,  Reise  I.  305.)? 
was  jedenfalls  zu  materiell  ist. 

Vorausverkündet  wurde  die  Versuchung  in  Psalm  72,  9: 
„Vor  ihm  werden  sich  neigen  die  in  der  Wüste  und  seine 
Feinde  werden  Staub  lecken.^  Alttestamentalische  Vorbilder 
der  Versuchung  aber  sind  in  der  biblia  pauperum:  1)  Eva's 
Versuchung  durch  die  Schlange ;  2)  die  Verkaufung  der  Erst- 
geburt durch  Esau.    Jacobs  und  Ukert,  Beiträge  I.  87. 

Verzeihung. 

„Vergebet  euren  Schuldigern^^  und  „Liebet  eure  Feinde^ 
sind  die  schwersten  unter  den  christlichen  Geboten,  w^eil  das 
Herz  des  Menschen  gar  verstockt  und  trutzig  ist;  eben  deshalb 
aber  sind  es  die  specifisch  christlichsten  Gebote ,  die  das  Chri- 
stenthum  als  Religion  der  Liebe  am  schärfsten  unterscheiden 
sowohl  vom  Heidenthum  als  Judenthum.  In  dem:  „Herr, 
vergib  ihnen,  denn  sie  wissen  nicht,  was  sie  thun,^  ist  der 
höchste  Adel  des  Christenthums  ausgesprochen.  Wer  nicht 
verzeihen  kann,  ist  des  christlichen  Namens  unwürdig.  Das 
wird  in  einer  der  schönsten  Legenden  erklärt.  St.  Nicephorus 
war  mit  Sapricius,  seinem  ehemaligen  Freunde,  verfeindet 
worden,  und  bat  ihn  um  Verzeihung.  Umsonst,  selbst  als 
Sapricius  als  Christ  zum  Tode  geführt  wurde,  wollte  er  doch 
nicht  verzeihen,  wie  dringend  Nicephorus  auch  bat.  Aber 
kaum  fühlte  Sapricius  die  Marter,  als  er  abschwur  und  sich 
zu  den  Götzen  bekannte.  Denn  wer  nicht  verzeiht,  hat  die 
christliche  Liebe  nicht  und  darum  auch  nicht  den  christlichen 
Muth.  Da  trat  Nicephorus  an  seine  Stelle  und  erlitt  den 
Martyrertod.  Im  3ten  Jahrhundert,  9.  Februar.  Besungen 
von  Bönecke.    Die  Legende  ist  auch  noch  unter  einem  andern 


dU  Vier. 

Gesichtspunkt  charakteristiscli.  denn  Sapricius  Tvar  ein  Priester 
und  Nicephorus  ein  blosser  Laie.  —  Nicht  minder  lehrreich 
ist  folgende  Legende,  l^ir>  Linsiedler  ^ar  so  fromm  und 
heilig,  dass  alle  Tage  ein  Engel  kam  und  ihm  zu  essen 
brachte.  Da  sah  er  einmal  von  "sveitem  einen  armen  Sünder 
zum  Galgen  führen  und  sprach  zu  sich  selbst :  Dem  geschieht 
Recht,  Ton  Stund  an  kam  der  Engel  nicht  mehr.  In  Yer- 
zveiflung  -vreinend  hörte  er  einst  ein  Vogelein  singen  und 
beneidete  es  um  seinen  Frohsinn.  Da  sagte  das  Yögeleinj 
er  solle  bereuen  und  Busse  thun,  dann  werde  Gx>tt  ihm  ver- 
zeihen.  Darauf  kam  auch  der  Entrel  Tvieder  und  £:ab  ihm 
einen  dürren  Ast ,  den  solle  er  tragen ,  bis  drei  grüne  Z\veige 
daran  herrorkommen  \nirden,  und  jede  Xacht  anderswo 
schlafen.  Nun  kam  er  nach  langer  Zeit  einmal  zu  einem 
alten  Weibe,  deren  drei  Sohne  böse  Räuber  waren,  und  bat 
um  Herberge,  Obgleich  sie  ihn  warnte,  blieb  er  doch  und 
schlief  mit  seinem  dürren  Aste  ein.  Da  kamen  die  Räuber 
und  sahen  ihn  schlafen;  als  sie  aber  von  seiner  schweren 
Busse  horten,  wurden  sie  gerührt  und  thaten  selbst  Busse. 
Der  Einsiedler  aber  wachte  nicht  wieder  auf,  und  an  seinem 
Ast  sprossten  drei  grüne  Zweige.  Grimm.  Märchen.  Kinder- 
legenden Xr.  6. 

Vier, 

Sinnbild  des  nach  vier  Seiten  ausgedehnten  Raumes,  der  in 
Tiö"  Jahreszeiten  getheilten  Zeit,  des  in  vier  Altersstufen 
ablaufenden  Lebens,  daher  überhaupt  Sinnbild  dieser  Welt 
im  G^ensati  gegen  die  heilige  Drei,  in  welcher  Gott  über 
der  Welt  srmbolisirt  ist.  Beider  Yerhältniss  zu  einander  wird 
dann  in  der  Sieben,  ihre  beiderseitige  Durchdringung  in  der 
Zwölf  aasgedrückt.  Geometrisch  ist  das  Kreuz  der  Ausdruck 
der  Yierzahl,  sofern  Gott  sich  in  der  Welt  offenbart,  das 
Viereck  aber  bedeutet  nur  die  Welt,  die  den  hohem  Einfluss 
empfängt,  das  Piedestal  Gottes.  Daher  die  Symbc»lik  der 
Tier  Erzengel,  der  vier  Cardinaltugenden ,  der  vier  Evange- 
listen, der  vier  Kirchenväter,  als  der  vier  Träerer,  Karyitiden 


Vier.  525 

oder  Altarseiten  des  Allerheiligsten.  Daher  die  Symbolik  der 
vier  Flüsse  unter  den  Füssen  des  Heilandes.  Was  die  vier 
Weltgegenden,  Elemente,  Winde,  Jahreszeiten,  Weltalter, 
Weltmonarchien  etc.  für  die  Natur-  und  Profangeschichte, 
das  sind  jene  heiligen  Quadraturen  für  die  Kirche  und  die 
heilige  Geschichte.  In  ihnen  breitet  sich  immer  Göttliches 
aus  in  die  Welt.  —  Auf  Kirchenbildern  bedeutet  ein  vier- 
eckiger HeiHgenschein  immer,  dass  der  HeiHge,  der  ihn  trägt, 
noch  lebt.  Die  vier  Seiten  aber  drücken  die  vier  Cardinal- 
tugenden  aus.    Vgl.  Kreuser,  Kirchenbau  II.  123. 

Vierzig  ist  eine  heilige  Zahl,  weil  gewisse  mchtige,  von 
Gott  verhängte  Ereignisse  vierzig  Tage  oder  Jahre  lang 
dauerten.  So  die  Sündfluth  vierzig  Tage,  die  Wanderung 
des  Volkes  Gottes  in  der  Wüste  vierzig  Jahre,  der  Aufent- 
halt Mosis  auf  dem  Sinai  vierzig  Tage ,  das  Fasten  des  Elias 
und  des  Heilandes  eben  so  lange.  Daher  die  Einsetzung  der 
vierzigtägigen  Fasten  vor  Ostern,  früher  auch  vor  Weih- 
nachten. Daher  die  vierzig  Tage  der  Frauen  von  der  Geburt 
bis  zur  Reinigung.  Vgl.  v.  Bohlen,  Genesis  LXIV.  Kreuser, 
Kirchenbau  I.  527.    Alt,  christlicher  Cultus  S.  527. 

In  der  gothischen  Baukunst  hat  das  Viereck  die  Bedeu- 
tung des  Grundsteins,  des  Festen.  Vgl.  den  Artikel  Acht* 
Das  Viereck  geht  unmittelbar  über  in  die  reiche  Sternform 
durch  Uebereckstellung  eines  Vierecks  über  das  andere,  was 
oft  beim  Grundriss  von  Pfeilern,  wie  bei  Fensterrosetten  vor- 
kommt. In  der  Ueberwindung  der  steifen  viereckigen  Form, 
in  der  die  gothische  Baukunst  auf  mannigfache  Weise  sich 
gefällt,  liegt  immer  der  Grundgedanke  einer  Heiligung  der 
Welt  durch  die  Kirche,  einer  Ueberwindung  des  Profanen 
durch  das  Heilige.  Zu  den  geistreichsten  Motiven  dieser  Art 
gehört  die  Querstellung  des  kleinen  Vierecks  im  gerade  stehen- 
den grossen  Viereck  (wie  das  Coeur -Ass  im  französischen 
Kartenspiel)  mit  rundlich  -  blätterartigen  Ornamenten,  die 
sich  über  jede  seiner  vier  Seiten  hinschmiegen.  Das  ist  das- 
selbe malerische  Motiv,  welches  in  der  heraldischen  Malerei 
der  Schiefstellung  des  Wappens  unter  dem  geraden  Helme 


536  St.  Vitus. 

und  der  wunderlich  sich  ausblattenden  Helmdecke  zu  Grunde 
liegt.  Das  Viereck  bildet  in  der  Architektur  immer  den 
Uebergang  vom  Dreieck  in  den  Kreis. 

St.    Vitus 

ist  Prototyp  der  frommen  Jünglinge  im  ersten  verführbaren 
Alter.  Sohn  eines  rohen  heidnischen  Vaters,  wurde  er  vom 
heiligen  Modestus  zum  Christenthum  bekehrt  und  widerstand 
seitdem  jeder  Versuchung  und  jeder  Marter,  durch  die  man 
ihn  von  dem  neuen  Glauben  abwendig  machen  wollte.  Sehr 
schön  ist  in  seiner  Legende  der  Contrast  zwischen  einem 
Tanz  üppiger  Mädchen,  die  ihn  umringen  und  zu  verführen 
suchen,  und  einem  Besuch  vieler  Engel,  die  den  Heiligen 
umgeben,  indem  sein  Vater,  in  seine  Thüre  einstürmend,  von 
dem  Glanz  erblindet.  Dargestellt  in  alten  Gemälden  zu  Mühl- 
hausen am  Neckar.  Ein  kleines  Gefäss  mit  Flammen,  die 
hin  und  wieder  sogar  für  Blumen  angesehen  worden  sind, 
ist  Attribut  des  heiligen  Vitus,  weil  er  in  einen  Kessel  mit 
brennendem  Pech  geworfen  wurde.  Vgl.  Waagen,  Kunst  in 
Deutschland  I.  180.  Die  Blume  kann  aber  auch  beabsichtigt 
seyn  als  Sinnbild  der  jungfräulichen  Tugend. 

Vögel, 

Sinnbilder  1)  der  Güte  Gottes.  „Sie  säen  und  erndten  nicht, 
und  Gott  nährt  sie  doch."  Matth.  6,  26.  Vgl.  d.  Art.  Sper- 
ling. 2)  Der  Seelen.  Nach  Analogie  der  flügeltragenden 
Engel  und  Teufel  dachte  man  auch  die  Seelen  der  Verstor- 
benen geflügelt,  d.  h.  als  leiblose  Schemen  schwebend  und 
von  dem  Gesetze  der  Schwere  frei.  In  diesem  Sinne  wurden 
sie  auch  ganzT  einfach  und  naiv  als  Vögel  gedacht.  Ein 
Baum  mit  singenden  Vögeln  darauf  ist  in  den  altdeutschen 
Dichtungen  häufig  Sinnbild  des  Paradieses  mit  den  Seligen. 
In  deutschen  Sagen  und  Märchen  erscheint  die  Seele  eines 
Verstorbenen  oft  als  Vogel.    Auch  in  der  christlichen  Legende 


Vulkane.  527 

sind  es  oft  Tauben,  in  deren  Gestalt  die  Seele  eines  Heiligen 
dem  Körper  entschwebt.  Vgl.  d.  Artikel  Taube.  Naeh  der 
altdeutschen  Legende  vom  heiligen  Brandanus  gelangte  dieser 
die  weiten  Meere  durchschiffende  Heilige  zu  einer  Insel  voll 
liebhch  singender  Vögel  und  erkannte  in  denselben  gefallene 
Geister,  die  hier  alle  Sonn-  und  Festtage  sich  versammelten, 
um  Gottesdienst  zu  halten. 

In  vielen  Legenden  sammeln  sich  die  wilden  Vögel  um 
einen  heihgen  Einsiedler,  um  seine  Predigt  anzuhören,  um 
ihm  zu  dienen,  oder  um  einen  sterbenden  Heiligen,  um  ihm 
liebhch  zu  singen.  Das  erklärt  sich  aus  der  Magie,  welche 
die  Heiligkeit  aueh  auf  die  unvernünftigen  Geschöpfe  aus- 
übt. Vgl.  d.  Art.  Thier.  St.  Gutlach,  ein  englischer  Ein- 
siedler des  7ten  Jahrhunderts,  lebte  mit  den  Vögeln  so  ver- 
traut, dass  sie  ihn  beständig  in  seiner  Einsamkeit  umgaben, 
alle  zahm  mit  ihm  spielten  und  ihre  Nester  dahin  bauten,  wo 
er  Avollte.  11.  April.  Eben  so  St.  Baldomer,  27.  Februar. 
Desgleichen  St.  Christina  mirabilis,  Jacobus  de  Stephano, 
der  heilige  Franciscus.  Die  Kirche  des  irischen  Heiligen 
Beanus  ist  ein  Asyl  der  Vögel.  Giraldi  Cambrensis  topogr, 
Hiberniae  c.  40.  Auf  das  Grab  der  heiligen  Katharina  von 
Alexandrien  auf  dem  Berge  Karmel  fliegen  jährlich  Vögel 
mit  Oelzweigen  und  feiern  ihren  Todestag.  St.  Juetta,  eine 
Recluse  zu  Huy  in  den  Niederlanden  im  Uten  Jahrhundert, 
lebte  sehr  fromm,  vertrieb  einst  den  Teufel,  der  sich  ihr  in 
Gestalt  eines  furchtbaren  Ungeheuers  in  den  Weg  stellte, 
durch  das  Zeichen  des  Kreuzes.  Als  sie  starb,  hatten  sich 
unzählige  Vögel  um  sie  gesammelt  und  sangen  ihr  das  Sterbe- 
lied.    13.  Januar. 

Vulkane, 

Sinnbilder  des  höllischen  Feuerschlundes.  Unter  der  Voraus- 
setzung, dass  die  Hölle  im  Innern  der  Erde  brenne,  dachte 
man  sich  die  feuerspeienden  Berge  als  ihre  Pforten,  und  die 
Legende  versetzt  z.  B.   den  kirchenfeindlichen  Gothenkönig 


5S8  Vulkane. 

Theodorich  in  das  Feuer  des  Aetna.  Auch  der  Vulkan  Strom- 
boH  gilt  im  Volksglauben  als  ein  solcher  Höllenschlund.  Eben 
so  der  grosse  Vulkan  Hekla  auf  der  Insel  Island,  zu  dem 
nach  der  Sage,  wenn  irgendwo  auf  Erden  eine  Schlacht  ge- 
liefert worden,  die  Todten  in  grossen  Schaaren  über  das  Meer 
herankommen.  Olaus  Magnus^  de  gent.  sept.  II.  3.  Zorg- 
drager,  grönländ.  Fischerei  S.  76. 


1¥ 


Waage, 

Sinnbild  des  Gleichmaasses  und  der  Gerechtigkeit.  Daher 
Attribut  der  Justitia  unter  den  christlichen  Tugenden.  Als 
Verheissung  eines  gerechten  Gerichtes  nach  dem  Tode  auch 
ein  Sinnbild,  das  sich  schon  auf  sehr  alten  christlichen  Grä- 
bern findet.  Bottari  I.  12.  Von  der  Waage  am  Grabe  Kaiser 
Heinrichs  11.  zu  Bamberg  glaubt  das  Volk,  wenn  die  Zunge 
derselben  genau  in  der  Mitte  zu  stehen  komme,  werde  die 
Welt  untergehen.  Grimm,  deutsche  Sagen  Nr.  294.  —  Na- 
türlicherweise fehlt  nun  diese  Waage  auch  nicht  auf  Bildern 
des  Weltgerichts,  und  zwar  wird  sie  dem  Erzengel  Michael 
in  die  Hand  gegeben.  Der  Michaelistag  (29.  September)  fällt 
nahezu  in  die  herbstliche  Tag  -  und  Nachtgleiche  unter 
dem  Himmelszeichen  der  Waage.  Also  auch  in  dieser  Zeit- 
bestimmung liegt  der  Begriff  des  Gerichtes  nach  dem  Tode. 
In  jener  späten  Septemberzeit  sind  alle  Früchte  von  der  Erndte 
eingeheimst,  und  der  Eigenthümer  kann  ihre  Güte  und  ihre 
Fehler  beurth eilen,  die  faulen  wegwerfen,  die  guten  behalten. 
Die  Tag-  und  Nachtgleiche  und  Waage  bedeuten  die  strenge 
Gerechtigkeit  im  Abwägen  und  Ausscheiden  dessen,  was  in 

Menzel,  christl.  Symbolik.    II.  34 


530  Waffen. 

die  lichte ,  und  was  in  die  dunkle  Seite  fällt.  Herbstzeit  und 
Erndte  aber  bedeuten  den  Tod  und  die  Zeit  des  Gerichts. 

Auf  Bildern  des  Weltgerichts  hat  der  heilige  Michael  in 
voller  Rüstung  neben  dem  Schwert  sehr  häufig  noch  die  Waage, 
auf  deren  einen  Schaale  Selige,  auf  der  andern  Verdammte 
sitzen.  So  nimmt  er  die  Mitte  des  grossen  Danziger  Bildes 
ein.  Auf  einem  Bild  in  Nördlingen  bemüht  sich  der  Teufel 
vergebens,  indem  er  einen  schweren  Mühlstein  in  die  hohe 
Schaale  wirft,  die  andere  zu  überwiegen,  in  der  ein  Seliger 
sitzt.  Auf  einem  Bilde  des  Leonardo  da  Vinci  reicht  der 
heilige  Michael  die  Waage  dem  Christkinde.  Landon^  an- 
nales  V.  p?.  1.  In  einer  Hymne  des  Fortunatus  wird  das 
Kreuz  Christi  selber  mit  einem  Waagebalken  verglichen. 
Fortlage,  christl.  Gesänge  S.  112. 

Antoninus  von  Florenz  erhielt  von  einem  Bauer  einen 
Korb  mit  schönen  Aepfeln  und  sagte:  „Vergelt's  Gott!"  Der 
Bauer  meinte,  er  hätte  wohl  etwas  Besseres,  nämlich  ein 
Stück  Geld  verdient.  Aber  der  Heilige  schrieb  das  „Vergelt's 
Gott"  auf  ein  Papier,  Hess  eine  Waage  herbeibringen  und 
wog  das  Papier  gegen  den  schweren  Apfelkorb  ab,  und  siehe, 
das  Papier  war  schwerer.     Silbert,  Legenden  I.  75. 

Die  Waage  des  Peiters  auf  dem  fahlen  Pferde  in  der 
Apokalypse  wird  als  Attribut  des  Kaufmannsstandes  erklärt. 
Vgl.  den  Artikel  Pferd. 

Waffen. 

Die  kriegerische  WafFenrüstung ,  männlicher  Muth  zum 
Streit  und  unerschrockene  Tapferkeit  werden  in  der  heiligen 
Schrift  zum  öftern,  am  ausführlichsten  aber  Epheser  6,  10  ff. 
auf  den  geistigen  Muth  und  Kampf  angewendet. 

Wagen. 

Der  Thron  der  Cherubim,  auf  welchem  Gott  daherfährt, 
ist  zugleich   ein  Wagen,   die  vier  Engel  selbst  werden  zu 


Wallfisch.  531 

rollenden  Rädern.  Vgl.  Züllich,  OfFenb.  Johannis  II.  33.  und 
die  Artikel  Engel,  Thron.  —  Christus  auf  einem  Triumph- 
wagen kommt  in  allegorischen  Bildern  vor.  Titian  malte  ihn 
so  von  den  vier  evangelischen  Thieren  gezogen.  Didron, 
icon.  p.  315,  beschreibt  ausführlich  den  grossen  Triumphzug 
Christi  auf  den  Glasgemälden  zu  Brou.  Voran  gehen  Adam 
und  Eva,  die  Patriarchen ,  Propheten,  dann  folgt  der  Wagen 
des  Heilandes  und  dahinter  die  heiligen  Vertreter  des  neuen 
Testamentes.  Der  Zug  aber  führt  geradewegs  in's  Paradies 
hinein.  —  Noch  öfter  ist  der  Triumphzug  der  Kirche  dar- 
gestellt worden.  Die  Kirche  hat  hier  immer  die  Gestalt  einer 
schönen  und  kräftigen  Matrone  und  das  Kreuz  zum  Attribut. 
Dante  im  29sten  Gesang  seines  Fegfeuers  fasst  sie  etwas  zu 
sehr  im  antiken  Geschmack  auf,  indem  er  den  Wagen  der 
Kirche  vom  Greifen  (dem  Adlerlöwen  Christus)  gezogen  und 
von  Glaube,  Liebe,  Hoffnung,  als  den  drei  christlichen  Hören, 
umtanzt  werden  lässt.  In  den  Fresken  des  Escoreal  malte 
Giordano  denselben  Triumph  der  Kirche,  deren  Wagen  die 
christlichen  Tugenden  und  Gaben  geleiten.  In  der  Münchner 
Pinakothek  sieht  man  sechs  Triumphwagen  der  Kirche,  um- 
geben von  Tugenden,  Evangelisten,  Kirchenvätern  etc.,  die 
als  Besiegte  und  Gefangene  die  gefesselten  Häresieen  mit 
sich  führen,  und  denen  Repräsentanten  aller  Völker  der  Erde 
freudig  und  gehorsam  nachfolgen.  —  Für  solche  Allegorieen 
hat  die  Kunst  noch  weiten  Spielraum,  je  nachdem  es  gilt, 
den  Sieg  des  Christenthums  und  der  Kirche  in  besonderen 
Zeiten  oder  Lebensgebieten  darzustellen,  z.B.  den  Triumph  der 
Kirche  unter  den  Künsten,  unter  den  Wissenschaften,  unter 
der  Barbarei  junger  und  der  Corruption  alter  Völker  etc. 

Ein  feuriger  Wagen  ist  bekanntes  Attribut  des  Prophe- 
ten Elias. 

W  all  f  is  c  h, 

Sinnbild  des  Meeres,  weil  er  das  grösste  im  Meere  lebende 
Thier  ist.  Auf  altchristlichen  Denkmälern  reitet  die  allego- 
rische Figur  des  Meeres  zuweilen  auf  einem  Wallfisch  und 

34* 


532  Wasser. 

wird  dadurch  kenntlich.  Piper,  christl.  Myth.  II.  105.  Der 
grosse  (gewöhnlich  als  Wallfisch  gedachte)  Fisch,  der  den 
Propheten  Jonas  verschlingt,  ist  gleichfalls  Sinnbild  des' 
Meeres  in  dessen  Bedeutung  der  allverschlingenden  Sünde 
und  Weltlichkeit.  Vgl.  d.  Artikel  Meer.  In  den  Legenden 
des  heiligen  Brandanus,  Malo,  Machovius,  Magutus  heisst 
es,  diese  Heiligen  seyen  auf  einer  Meerfahrt  zu  einer  Insel 
gekommen,  auf  der  sie  Messe  gelesen  hätten,  plötzlich  aber 
habe  die  Insel  sich  unter  ihren  Füssen  erhoben  und  sich  als 
einen  ungeheuren  Wallfisch  zu  erkennen  gegeben.  Hier  ist 
der  Wallfisch  verwechselt  mit  dem  Kraken,  der  nach  dem 
Volksglauben  der  Nordseeanwohner  zuweilen  aus  der  Tiefe 
des  Meeres  wie  eine  Insel  auftauchen  soll.  Aber  auch  hier 
ist  das  dem  Sakrament  des  Altars  sich  unterbreitende  Thier 
wieder  nur  Stellvertreter  des  Meeres  selbst. 

Wasser. 

Wie  der  Fisch  den  Christen  bedeutet,  so  dessen  Element, 
das  Wasser,  die  Gemeinschaft  im  Glauben,  das  christliche 
Reich.  Man  kommt  in  dieses  Element  nicht  ohne  die  Reini- 
gung vom  Schmutz  des  Heidenthums,  Judenthums  und  der 
Sünde;  das  Wasser  aber  selbst  ist  Mittel  der  Reinigung. 
Daher  sein  Gebrauch  in  der  heiligen  Taufe  und  als  Weih- 
wasser. In  diesem  Sinn  war  das  in  der  Sündfluth  vom  Himmel 
strömende  Wasser  ein  Mittel  der  Reinigung  und  Vorbild  der 
Taufe. 

Waschungen  vor  einer  heiligen  Handlung  waren  auch 
schon  den  Juden  und  Heiden  geläufig.  Desgleichen  die  be- 
sondere Weihung  des  Wassers  zum  heiligen  Gebrauch.  Man 
schöpfte  das  Wasser  in  heiligen  Nächten,  aus  besonders  hei- 
ligen Quellen,  unter  besonderen  Ceremonieen  etc.  Das  Alles 
hat  aber  nichts  mit  dem  christlichen  Weihwasser  gemein. 
Bei  den  Heiden  galt  das  Wasser  selbst  als  göttlich,  bei  den 
Christen  hat  es  nur  die  symboHsche  Bedeutung  des  reinigen- 
den Elementes.    Man  benetzt  sich  mit  Weihwasser,  um  sinn- 


Wasser.  533 

bildlich  die  Seele  zu  reinigen.  Man  sprengt  Weihwasser  auf 
einzuweihende  neue  Werke,  desgleichen  auf  Leichen,  um  sie 
vor  dem  Einfluss  böser  Mächte  zu  schützen  durch  die  Rei- 
nigkeit.  Das  Weihwasser  wird  zu  Ostern  zu  seiner  Bestim- 
mung eingeweiht  durch  die  hineingesteckte  brennende  Oster- 
kerze.  Binterim,  Denkw.  I.  1.  88.  Vgl.  d.  Art.  Kerze  und 
Licht.  Das  bezieht  sich  zugleich  auf  den  Gegensatz  der 
Wassertaufe  des  Johannes  und  der  Feuertaufe  Christi.  Das 
gemeine  Wasser  hat  gleichsam  blos  negative  Bedeutung  als 
Reinigungsmittel,  indem  es  nur  das  Vorhergehende  abwäscht 
und  entfernt.  Positive  Bedeutung  erhält  es  als  Element  des 
höheren  Lebens,  indem  es  zu  Licht  und  Feuer  (Geist)  wird. 
Das  aber  geschieht  durch  den  Opfer tod,  diu:ch  das  Blut 
Christi.  Daher  die  Verwandlung  des  Wassers  in  Wein  bei 
der  Hochzeit  zu  Cana  das  Vorbild  der  höchsten  Weihe  des 
Christen  durch  den  Genuss  des  heiligen  Abendmahls.  Das 
Sakrament  des  Altars  verhält  sich  zu  dem  der  Taufe  wie 
jenes  in  Wein  verwandelte  Wasser.  —  Man  hat  auch  an  das 
1.  B.  Mosis  1,  6.  bezeichnete  obere  Wasser  im  Gegensatz 
gegen  das  untere  auf  Erden  gedacht  und  den  Durst  nach 
dem  himmlischen  Wasser  als  den  Zug  der  Seelen  nach  oben 
verstanden.  Blätter  für  höhere  Wahrheit  II.  78  f.  Das  ist 
aber  fast  zu  gnostisch.  Man  bleibt  besser  bei  der  specifisch 
christlichen  Symbolik  von  Blut  und  Wein  stehen ,  in  den  das 
gemeine  Wasser  verwandelt  wird. 

Durch  diese  Symbolik  wird  zugleich  der  Irrwahn  der 
Aquarier  beseitigt.  Das  waren  Sektirer  des  2ten  Jahrhun- 
derts, die  nichts  als  Wasser  tranken  und  auch  beim  Abend- 
mahl statt  des  Weins  nur  Wasser  brauchten.  EpiphaniuSj 
haeres.  30,  16.  Irenaeus,  haeres.  V.  1.  3.  Leider  gibt  es  noch 
jetzt  Aquarier  genug  unter  den  wortreichen  Predigern  des 
Rationalismus,  in  deren  Händen  durch  verkehrte  Transsub- 
stantiation  der  Kelch  des  allerheiligsten  Blutes  nur  Wasser 
behält. 

Wie  das  ruhige,  reine,  heilende  Wasser  Sinnbild  der 
Reinigung  von  Sünden,  des  specifisch  christlichen  Elementes 


534  Wasser. 

wurde,  so  dagegen  das  dunkle,  wildbewegte  Meer  Sinnbild 
der  Welt,  ihrer  Sünde  und  Gefahr.  Vgl.  d.  Artikel  Meer. 
Damit  hängt  die  Symbolik  des  gefahrlosen  Schreitens  über 
das  Meer  zusammen.  Christus  selbst  wandelt  auf  dem  Meere, 
d.  h.  er  ist  erhaben  über  die  Leidenschaften  der  Welt,  wie 
über  das  natürliche  Gesetz  der  Schwere.  Ihn  kann  die  dunkle 
Tiefe  nie  erfassen,  der  im  Gegensatz  gegen  Lucifer  nicht 
als  der  fallende  Engel,  sondern  als  der  die  Menschheit  zu 
sich  erhebende  Gott  vom  Himmel  kam.  Das  Evangelium 
vom  Wandel  Christi  über  das  Wasser  fällt  auf  den  vierten 
Sonntag  nach  Epiphania,  weil  um  diese  Zeit  die  Sonne  in's 
Zeichen  des  Wassermanns  tritt.  Strauss,  Kirchenjahr  153. 
Damit  aber  wäre  wahrhaftig  die  Symbolik  des  Wandels  über 
das  Wasser  nicht  erschöpft.  Es  handelt  sich  nicht  von  der 
Anwendung  der  christlichen  Idee  auf  den  Kalender,  sondern 
auf  die  Menschheit.  Im  Wandel  Christi  soll  sich  nicht  der 
Wandel  des  Jahres,  sondern  der  Wandel  der  Christen  spiegeln. 
Alttestamentalisches  Vorbild  ist  Elias ,  der  auf  seinem  Mantel 
über  das  Wasser  des  Jordan  fährt.  Nachbilder  sind  fast  zahl- 
lose Heilige,  von  denen  die  Legende  sagt,  sie  seyen  trocknen 
Fusses  über  das  Wasser  gegangen.  So  St.  Aidanus,  Hya- 
cinthus,  Maurus,  Petrus  von  Alcantara,  Salinianus  etc., 
St.  Aldegund,  Maria  Magdalena,  die  aegyptische  Maria  etc. 
St.  Wolfgang  fuhr  über  die  Donau  im  Wagen.  Am  lehr- 
reichsten sind  die  Fälle,  in  denen  die  Stärke  des  Glaubens 
im  Wandel  über  das  Wasser  erprobt  wird.  Petrus  tritt  aus 
dem  Schiff,  um  dem  auf  dem  Meer  wandelnden  Heiland 
entgegenzugehen,  sein  Glauben  ist  aber  nicht  stark  genug, 
weshalb  er  untersinkt  und  nur  vom  Heiland  wieder  empor- 
gezogen wird.  In  gleicher  Weise  erzählt  die  rheinische  Le- 
gende von  der  heiligen  Ritza,  sie  sey  täglich  bei  Coblenz  über 
den  Rhein  gegangen,  bis  sie  einmal  ein  Zweifel  angewandelt 
habe.  Nun  habe  sie  sich  auf  einen  Stab  stützen  wollen,  sey 
aber  im  Wasser  alsbald  eingesunken.  Da  habe  sie  den  Stab 
vertrauensvoll  von  sich  geworfen  und  sey  nun  wieder  so  sicher 
wie  vorher  über  den  Fluss  geschritten. 


Weide.  535 


Weg. 


„Ich  bin  der  Weg,  die  Wahrheit  und  das  Leben,"  spricht 
Christus.  Joh.  14,  6.  Durch  Christum  allein  führt  der  Weg 
zum  Himmel,  und  nur  seine  Mutter  wird  gleichfalls  als  via 
vitae  aufgefasst.  —  Nach  alter,  sich  sehr  oft  wiederholender 
Vorstellung  ist  der  W^eg  der  Tugend  von  dem  des  Lasters 
verschieden.  Jener  ist  eng,  steil,  beschwerlich  und  gefährlich, 
führt  aber  zu  den  Freuden  des  Himmels;  dieser  ist  breit, 
bequem,  lustig,  führt  aber  zu  den  Qualen  der  Hölle.  Jeder 
Christ  steht  daher  in  seiner  Jugend  wie  Herkules  am  Scheide- 
wege und  soll  gleich  diesem  den  gefährlichen  Pfad  dem  be- 
quemen vorziehen.  —  Im  Zeitalter  der  Eenaissance  wurde 
der  Weg  zur  Tugend  sehr  häufig  auf  Titelkupfern  schlängelnd 
einen  Berg  hin  auf  geleitet  zu  einem  Tempel,  eine  zu  antike 
und  magere  Vorstellung.  Dagegen  findet  man  unter  den  Vi- 
sionen der  heiligen  Elisabeth  von  Schönau  eine  von  sieben 
Wegen,  die  nach  demselben  Berggipfel  führen,  jeder  von 
einer  andern  Farbe ,  so  dass  sie  unter  einander  die  Harmonie 
der  Farben  ausdrücken  als  Sinnbilder  der  sieben  Tugenden. 

Weide, 

Sinnbild  des  Evangeliums,  denn  wie  die  Weide  gesund  bleibt, 
wenn  ihr  noch  so  viele  Zweige  abgeschnitten  werden,  so  ver- 
liert auch  das  Evangelium  nichts,  wenn  es  auch  allen  Völkern 
mitgetheilt  Ynvdi,  Ilermae  pastor  bei  Hefele,  patr.  apost.  III. 
similif.  8.  p.  402.  Die  Weidenkätzchen ,  die  am  Palmsonntag 
zu  blühen  pflegen,  dienen  überall  im  mittlem  Europa  statt 
der  Palmen ,  die  an  diesem  Tag  im  Süden  gebraucht  werden. 
—  Eine  hohle  Weide  ist  Attribut  der  heihgen  Edigma.  Diese 
fränkische  Prinzessin,  floh  aus  Frömmigkeit  in  schlechten 
Kleidern  nach  Deutschland  und  lebte  Jahre  lang  in  einer 
hohlen  Weide  zu  Prück  zwischen  München  und  Augsburg. 
Nach   ihrem  Tode  floss   aus   der  Weide   ein  heilbringendes, 


586  Weihnachten. 

vielgesuchtes  Oel.     Acta  SS.    26.  Februar.  —    Die  Trauer-    i 
weide   lässt  ihre  Zweige  aus   tiefer  Betrübniss  niederhängen,     " 
seitdem  sich  die  römischen  Schergen  solcher  Zweige  bedien- 
ten, um  den  Heiland  zu  geissein.    Grimm,  d.  Sagen  Nr.  345. 
G.  Wetzel,  Gedichte  S.  99. 

Weihnachten. 

Die  Symbolik  der  Weihnacht  beruht  wesentlich  auf  der 
Vergleichung  Christi,  des  geistigen  Lichts,  mit  der  Sonne. 
Vgl.  d.  Artikel  Sonne.  Daraus  allein  erklärt  sich  das  Her- 
überragen von  noch  vielen  Gebräuchen  und  mancherlei  Aber- 
glauben aus  der  heidnischen  Sonnenfeier  in  die  christliche 
Weihnachtsfeier.  Hier  tritt  zum  Begriff  des  Lichts  noch  der 
des  Werdens  hinzu.  Es  ist  der  Anbruch  des  neuen  Lichts 
in  der  finstersten  Nacht  des  Heidenthums,  der  im  Aufgang 
der  neuen  Jahressonne  in  der  finstersten  Wintermitte  versinn- 
bildlicht Avird.  Strauss,  Kirchenjahr  S.  100.  sagt  sehr  wahr: 
„Sonnenwende!  Es  ist  als  bebe  mit  ihr  etwas  Unaussprech- 
liches durch  die  ganze  Natur,  und  Alles,  was  lebt,  scheint 
von  ihm  ergriffen  zu  werden,  Sonnenwende  im  Winter! 
Heimlich,  verborgen,  und  doch  mächtig!  Darf  man  von 
einer  Feier  der  Natur  reden ,  so  ist  sie  vor  allen  andern  Natur- 
gef ühlen  mit  diesem  Worte  zu  bezeichnen.  Ist  es  nicht ,  als 
wenn  Alt  und  Jung  in  jeder  Ader  und  jedem  Nerv  sie  em- 
pfände und  als  wenn  sie  durch  jede  Muskel  zucke?  Dabei 
liest  etwas  Geheimnissvolles  darin.  Die  Sonnenwende  ist 
schon  geschehen  in  der  Stille  der  Nacht,  und  man  sieht  es 
noch  nicht.  Man  merkt  nur  den  Stillstand.  Man  weiss,  dass 
mitten  in  der  längsten  Nacht  das  Licht  zu  einem  neuen  Lauf 
geboren  ist;  aber  es  kündigt  sich  nur  dadurch  an,  dass  die 
Nächte  nicht  länger  und  die  Tage  nicht  kürzer  werden.  Jene 
nehmen  noch  nicht  ab  und  diese  nicht  zu.  Es  ist  Stillstand 
der  Sonne ,  Solstitium.  Im  Sommer  ereignet  sich  Aehnliches, 
aber  der  stillstehende  Tag  zerstreut  die  Sinne  durch  die  Menge 
der  erleuchteten  Dinge.     Indess  im  Winter  ist  dem  innern 


Weihnachten.  587 

Sinne  ein  weiterer  Raum  vergönnt,  und  er  ahnt  und  gewahrt, 
was  im  Verborgenen  vorgeht.  Man  vernimmt  gleichsam  den 
gewakigen  Kampf  der  Kräfte  der  Natur.  Die  Erde  befindet 
sich  in  der  Sonnennähe,  aber  ihre  Finsterniss  ist  noch  so 
mächtig,  dass  das  neue  Licht  der  Sonne,  das  an  sie  heran- 
zittert, noch  nicht  durchdringen  kann.  Es  währt  lange,  bis 
man  den  Sieg  zu  gewahren  vermag.  Zwölf  Tage  wenigstens 
dauert  der  Kampf,  die  Nachwirkung  der  alten  Nacht  und 
die  Ausführung  des  Sieges,  den  das  neue  Licht  errungen, 
das  beharrliche  Sträuben  der  besiegten  Dunkelheit,  in  dem 
sie  Stich  hält  und  den  Stand  behauptet,  und  der  leise,  stille, 
zuversichtliche  Fortschritt  des  Lichts.  Indess  Sonne,  Licht, 
Leben  sind  nichtsdestoweniger  Sieger.  Das  macht  uns  schon 
der  Stillstand  gewiss.  Eben  das  Stillstehen  der  bisher  immer 
wachsenden  Nacht  und  des  immer  mehr  absterbenden  Tages 
gibt  uns  die  Bürgschaft,  dass  etwas  Neues  vorgegangen  ist, 
dass  eine  andere  Macht  aufgetreten,  dass  ein  Kampf  begon- 
nen, und  eine  Neugeburt  im  Werke  ist.  Das  Licht  ist  wie- 
derum geboren,  ein  neues  Jahr  beginnt  durch  den  Zufluss 
frischer  Kräfte  aus  der  Sonnennähe,  und  die  Sonne  wird  den 
Sieg  davontragen.  Kurz,  w^as  ist  dieses  Mittwintergefühl 
anderes  als  die  Ahnung,  keine  Noth  sey  so  gross,  dass  nicht 
von  oben  herab  Hülfe  werde,  und  kein  Fluch  so  schwer,  dass 
ihn  nicht  der  Segen  überwinde?  Nunmehr  erwacht  man  voll- 
ständig zu  dem  wahren  Neuen;  die  Ahnungen  der  vier  frühe- 
ren Wochen  sind  erfüllt,  und  die  Erinnerungen  aus  den  vo- 
rigen Jahren  haben  uns  nicht  umsonst  geleitet.  Das  ist  die 
heimliche  Freude  und  die  feierliche  Hoffnung  in  dem  Still- 
stand der  Nächte  im  Mittwinter." 

Schon  den  Heiden  war  die  Wintersonnenwende  ein  all- 
gemeines hohes  Freudenfest.  Man  fasste  es  zugleich  als  eine 
Feier  der  Befreiung  auf,  der  durch  das  neue  Licht  und  Le- 
ben von  den  Fesseln  des  Winters  befreiten  Natur.  Daher 
die  berühmten  Saturnahen  der  Römer,  an  denen,  so  lange 
das  Fest  dauerte,  alle  Sklaven  frei  waren.  Auch  noch  heute 
und  unter   uns    lebt    diese  Vorstellungsweise    fort.      Li   die 


538  Weihnachten. 

Weihnachtsperiode,  die  bis  zum  Dreikönigsfeste  währt,  fällt 
der  Sylvestertag,  an  welchem  die  Weiber  das  Eegiment  haben 
sollen,  und  der  PfefFertag,  an  welchem  die  Kinder  mit  Wacli- 
holderruthen  umhergehen  und  die  Erlaubniss  haben,  damit 
Erwachsene  zu  schlagen.  Als  eigentliches  Kinderfest  wurde 
jedoch  Weihnachten  erst  in  der  christlichen  Zeit  gefeiert,  so- 
fern das  neugeborne  Christkind  die  ganze  Kinderwelt  mit 
seinem  Ruhm  gleichsam  sympathetisch  überstrahlt. 

Der  Aberglaube,  nach  welchem  in  der  heiligen  Weih- 
nacht die  Bäume  blühen  und  Früchte  tragen  und  die  unver- 
nünftigen Thiere  menschlich  reden  sollen,  enthält  eine  Mah- 
nung an  das  durch  die  Geburt  Christi  wiedergefundene 
Paradies,  dürfte  jedoch  auch  noch  auf  heidnische  Vorstel- 
lungsweisen zurückgeführt  werden  können.  Den  letzteren 
gehören  jedenfalls  die  Vorbedeutungen  und  Wahrsagungen 
der  heiligen  Christ-  und  Neujahrsnacht,  überhaupt  der  zwölf 
Nächte  nach  Weihnachten  an,  die  mannigfachen  Erfor- 
schungen der  Träume  in  dieser  Zeit,  die  magische  Bräu- 
tigamsschau. Auch  die  an  der  Decke  aufgehangene  (immer- 
grüne) Mistel  in  England,  die  Tanne  oder  Fichte  mit  Lichtern 
besteckt  als  Weihnachtsbäume  in  Deutschland,  entstammen 
wohl  älterem  heidnischen  Cultus.  Die  reichen  Presepien 
(Krippel)  in  Italien,  die  auch  in  Deutschland  eingedrungen 
sind,  führte  zuerst  der  heilige  Franciscus  von  Assisi  zum 
Andenken  an  die  Krippe  des  Heilandes  ein,  sie  erinnern  aber 
doch  auch  an  ähnliche  schon  ältere  Gebräuche,  z.  B.  an  die 
Adonisgärtchen  der  Griechen  und  an  die  Frucht-  und  Thier- 
körbe  der  indischen  Priwithi,  Vorbilder  des  neuen  Jahres- 
segens. Ueber  diese  Krippel  vgl.  Rippel,  Alterthumb  der 
Cäremonieen  S.  39.  Fr.  Brun,  Landschaftsstudien  S.  234. 
V.  Martens,  Italien  II.  569. 

Die  specifisch  christliche  Symbolik  unterscheidet  zuerst 
die  nur  einmal  erfolgte  Geburt  des  Gottmenschen  von  der 
jährhch  sich  wiederholenden  scheinbaren  Wiedergeburt  der 
Sonne,  und  bezeichnet  diese  Einzigkeit  in  der  Zeit  durch  den 


Weihnachten.  539 

Stern  der  Weisen.  Vgl.  d.  Artikel  Stern.  Er  wird  damit 
der  Mittel  -  und  Wendepunkt  der  ganzen  Weltgeschichte  an- 
gedeutet. Vorher  war  Alles  Nacht,  nachher  wird  Alles  Tag. 
Der  Stern  der  Weisen  geht  als  Morgenstern  der  neugebornen 
Sonne,  Christus,  vorher;  aber  me  dieser  Stern  nur  einmal 
existirte  und  einzig  in  seiner  Art  war,  so  ist  es  auch  die 
Geistessonne  Christus.  Damit  wird  aller  ältere  Sonnencultus 
der  Heiden  bei  Seite  geschoben  und  in  ein  nur  untergeord- 
netes Verh'altniss  zur  christlichen  Weihnachtsfeier  gesetzt.  — 
Legende  und  Sage  haben  die  Bedeutung  jenes  Zeitpunktes, 
von  welchem  an  wir  jetzt  1854  Jahre  zählen,  noch  ausge- 
schmückt. Wie  beim  Tode,  so  soll  auch  bei  der  Geburt 
Christi  die  Natur  in  ungewöhnlicher  Bewegung  gewesen  seyn. 
Obgleich  es  Winter  war,  sollen  alle  Weinberge  von  Engaddi 
geblüht  haben.  Nieremherg ,  hist.  nat,  473.  Eine  Menge 
Schlangen  sollen  durch  die  Luft  geflogen  seyn  (die  aufge- 
regte Hölle).  Prätorius,  Weihnachtsfrazzen  335.  Das  Orakel 
zu  Delphi  soll  verstummt,  die  Säule  des  Romulus  (Roms 
Gründer)  durch  einen  Blitz  zerschmettert,  die  römischen  Ge- 
setztafeln erloschen  seyn  etc.  Vgl.  auch  den  Artikel  Pan.  — 
Tiefer  begründet  indess  ist  die  gerade  entgegengesetzte  Sym- 
bolik ,  nach  welcher  zur  Zeit  vor  Christi  Geburt  unter  Kaiser 
Augustus  auf  der  ganzen  Erde  der  vollkommenste  Frieden 
herrschte.     Vgl.  Sepp,  Leben  Jesu  I.  6. 

Das  Wunder,  wonach  es  in  der  Geburtsstunde  des  Hei- 
landes mitten  im  Schnee  des  Winters  Frühling  wird  und  alle 
Bäume  blühen,  steht  in  einem  gewissen  symbolischen  Zusam- 
menhange mit  dem  Wunder  der  Maria  ,.zum  Schnee".  Vgl. 
d.  Art.  Schnee.  In  seinen  Studien  über  Russland  theilt  Herr 
V.  Haxthausen  H.  258  eine  schöne  bucharische  Legende  mit: 
„Als  Mirjam  vierzehn  Jahre  alt  war,  ging  sie  in  einen  Wald, 
um  an  einer  Quelle  zu  baden.  Da  erschien  ihr  der  Engel 
Gabriel  und  verkündigte  ihr,  sie  würde  den  Propheten  Isai 
gebären,  den  alle  heihgen  Männer  der  Vorwelt  angekündigt 
hätten.  Da  antwortete  sie :  »Wie  soll  ich  ein  Kind  gebären, 
da  ich   nie    einen  Mann  erkannt  habe?^^     Aber  der  Engel 


540  Weihnachten. 

Gabriel  legte  ihr  das  Geheimniss  der  Menschwerdung  aus, 
und  hauchte  sie  dreimal  an.  Und  das  Wort  wurde  wahr! 
Als  nun  die  Stunde  der  Niederkunft  nahte,  da  ging  Mirjam 
hinaus  in  den  Wald,  wo  ihr  der  Engel  erschienen  war,  und 
setzte  sich  unter  den  Baum,  wo  er  gestanden  hatte.  Da  kam 
ihre  Zeit,  und  sie  gebar  einen  Sohn.  Es  war  aber  tiefer 
Winter,  und  Schnee  bedeckte  die  Erde  und  alle  Bäume.  Kaum 
aber  schlug  das  Kind  die  Augen  auf,  so  schlug  der  ganze 
W^ald  in  Blättern  aus,  die  Rosen  blühten,  und  alle  Vögel 
erwachten  aus  dem  Winterschlafe  und  zwitscherten  zum  Him- 
mel ein  Loblied  hinauf,  nahebei  entsprang  plötzlich  eine 
Quelle  etc." 

Auf  Kirchenbildern  sind  die  gewöhnlichen  Attribute  der 
Geburt  Christi  folgende:  1)  Der  Stall  mit  Ochs  und  Esel 
an  der  Krippe  wird  auf  den  Bildern  der  griechischen  Kirche 
stets  als  Höhle  in  einem  Berge,  auf  den  abendländischen  aber 
als  ein  Haus  oder  als  eine  Hütte  aufgefasst,  weil  im  Orient 
häufig  die  Stallungen  für  Karavanen  in  Felsen  gehauen  sind, 
im  Abendland  aber  die  Ställe  gezimmert  werden.  Didron^ 
man,  p.  158.  2)  Der  Stern  über  dem  Stalle.  3)  Maria,  sitzend 
mit  dem  Kinde,  oft  sogar  thronend  und  mit  der  Krone,  weil 
sie  gerade  durch  ihre  Erniedrigung  bis  in  den  Stall  zur  Kö- 
nigin des  Himmels  erhoben  wird.  Eine  andere  Bilderreihe 
fasst  die  heilige  Jungfrau  mehr  nur  als  menschliche  Mutter 
auf;  man  sieht  sie  hier  als  Wöchnerin  im  Bett  liegen,  das 
Kind  wird  von  dienenden  Frauen  gewaschen  etc.  Diese 
menschliche  Auffassung  hatte  ihren  Grund  wohl  in  der  Op- 
position gegen  die  unbefleckte  Empfängniss.  Sie  schickt  sich 
für  den  heiligen  Gegenstand  nicht.  Das  Hebammen-  und 
Waschgefolge  gehört  nicht  hieher.  4)  Der  fromme  Joseph, 
der  gleichsam  als  Priester  administrirt  und  anbetet.  Auch 
ihn  hat  die  spätere  Malerei  so  natürlich  und  kleinbürgerlich 
als  möglich  aufzufassen  gesucht,  aber  unmerklich  in  den  ehr- 
lichen Zimmermann  etwas  wie  Ironie  gelegt.  Er  kann  nicht 
streng  priesterlich  genug  gedacht  werden,  wenn  es  nicht  um 
seine  Würde  gethan  seyn  soll. 


Weihnachten.  541 

Dies  sind  die  nothwendigen  Staffagen  und  Attribute.  Zu 
ihnen  gesellen  sich  aber  noch  5)  die  das  Gloria  singenden 
Engel  und  6)  die  anbetenden  Hirten.  Ein  schöner  Contrast 
zwischen  den  lichten  Kindern  des  Himmels,  die  aus  der  Nacht 
von  oben  herabkommen,  und  den  rauhen,  aber  naturwüch- 
sigen und  unverdorbenen  Kindern  der  Berge. 

Die  Lieder  dieser  Engel  und  Hirten  Hegen  allen  Weih- 
nachtsliedern (französisch  noels)  zu  Grunde.  Dieselben  sind 
rein  lyrisch,  kirchliche  Hymnen  und  VolksHeder,  oder  dra- 
matisirte  Singspiele,  wobei  die  Engel  und  Hirten  im  Gesang 
abwechseln.  Man  hat  ganze  ländliche  Idyllen  und  allego- 
rische Schauspiele  damit  verbunden.  Ihre  Tendenz  ist  aber 
immer  das  Gloria  in  excelsis  Deo !  und  das  fromme  Erstaunen 
über  das  grösste  aller  Wunder,  dass  der  Heiland  der  Welt, 
Gott  selber,  der  Herr  aller  Himmel,  sich  erbarmend  in  einen 
menschlichen  Mutterleib  und  in  einen  Stall  herablässt:  Quem 
terraj  pontus^  sidera  etc.  in  dem  herrlichen  Hymnus  des  For- 
tunatus.  Das  Grösste  und  das  Kleinste,  Höchste  und  Nie- 
drigste, das  Universum  und  die  Krippe  berühren  sich  hier 
im  lieiHgsten  Mysterium,  in  dessen  Preisung  insonderheit  die 
Marienliederdichter  deutscher  Nation  im  Mittelalter  uner- 
schöpflich waren. 

Bilder  von  Christi  Geburt  haben  öfter  kleinere  Bilder 
zur  Seite,  auf  denen  die  alttestamentalischen  Weissagungen 
dieser  jungfräulichen  Geburt  und  die  bekannten  Sinnbilder 
der  unbefleckten  Empfängniss  dargestellt  sind.  Vgl.  d.  Ar- 
tikel Maria.  Desgleichen  die  sibyllinischen  Weissagungen 
und  vor  allen  die  Vision  der  tiburtinischen  Sibylle.  Vgl. 
den  Artikel  Sibyllen.  Hieher  gehören  auch  die  berühmten 
Verse  Virgils  in  den  Eklogen  IV.  4: 

«Die  Jungfrau  kommt,  es  kommt  die  Wiederkehr  der  goldnen  Zeit, 
Ein  neues  Geschlecht  entsteigt  dem  hohen  Himmel. 
Heil  dem  Knaben,  der  das  eiserne  Zeitalter  beendet  und  das  goldne 

wieder  beginnt!" 


54^  Weihrauch. 

Weihrauch, 

ein  Harz,  welches  den  köstlichsten  Wohlgeruch  verbreitet, 
indem  es  verbrannt  wird.  Ueber  die  Pflanze,  von  der  es 
kommen  soll,  vgl.  Humboldt,  Kosmos  H.  443.  Eitter,  Ara- 
bien I.  363.  Weihrauch  wurde  schon  von  den  Heiden  zum 
Opfer  verbrannt  und  ist  auch  im  christlichen  Cultus  immer 
noch  das  Symbol  eines  Gott  wohlgefälligen  Opfers.  Der 
reinste  und  edelste  Stoff  der  Natur  verbrennt  hier  zu  einem 
süssen  Duft,  der  zum  Himmel  emporsteigt.  Darin  liegt  die 
Andeutung  auf  den  Opfertod  des  Heilandes  selbst.  Epheser 
5 ,  2.  Vgl.  d.  Artikel  Phönix.  Weihrauch  ist  aber  auch  ein- 
fach Sinnbild  der  zum  Himmel  aufsteigenden  Gebete. 

Die  silbernen  Gefässe  mit  durchlöcherten  Deckeln,  worin 
der  Weihrauch  verbrannt  wird  und  die  an  Ketten  nach  allen 
Seiten  geschwungen  werden,  sind  oft  sehr  kostbar  gearbeitet. 
Gewöhnlich  haben  die  darauf  angebrachten  Bildwerke  eine 
symbolische  Beziehung.  Dahin  gehören  der  Phönix,  die  drei 
Männer  im  feurigen  Ofen,  deren  Gesang  aus  dem  Feuer 
heraus  dem  süssen  Duft  des  brennenden  Weihrauchs  gleicht. 
—  Es  handelt  sich  aber  hier  nicht  blos  vom  Opfer,  welches 
Sfleichsam  die  Natur  dem  höchsten  Wesen  über  der  Natur 
darbringt,  sondern  auch  von  einer  Heiligung  der  Natur  durch 
das  im  Weihrauch  sich  offenbarende  höhere  Element.  In 
diesem  Sinne  wurde  die  „Wolke  im  Heiligthum"  von  den 
Juden  aufgefasst.  Gott  offenbarte  sich  dem  Hohenpriester 
in  der  Stiftshütte  nur  in  der  Weihrauchwolke.  Seine  Nähe 
wurde  durch  die  Wolke  verkündet.  Der  Gebrauch  des  Weih- 
rauchs bei  christlichen  Weihungen  hat  den  nämlichen  Sinn. 
Der  Raum  wird  durch  den  Weihrauch  auf  besondere  Weise 
geheiligt,  die  gemeine  Luft  gleichsam  in  himmhsche  Luft 
verwandelt. 

Wein, 

gleichsam  Feuer  im  Wasser,   daher  Sinnbild   des  Göttlichen 
im  L*dischen,   der  Auserwählten  unter  den  Berufenen,   des 


Wein.  543 

himmelverwandten  Adels  unter  der  an  der  ii'disclien  Scholle 
klebenden  Gemeinheit.  Schon  die  Juden  verglichen  sich  als 
Volk  Gottes  mit  dem  Wein;  später  wurde  das  Sinnbild  aus- 
schliesslich dem  Christenthum  vindicirt.  Der  heidnische  Wein- 
cultus  in  den  Dionysusmysterien  lässt  nur  sehr  entfernte  Be- 
ziehungen auf  die  jüdische  und  christliche  Symbolik  zu. 
Allerdings  sahen  auch  die  heidnischen  Griechen  im  Wein 
etwas  Göttliches,  aber  nicht  als  Sinnbild  einer  höheren  gei- 
stigen Kraft,  sondern  als  unmittelbar  begeisternden  oder  mit 
dem  Gott  erfüllenden  Trank. 

Die  Juden,  die  sich  von  der  Gottheit  kein  Bild  machten 
und  den  Naturdienst  verachteten,  ehrten  gleichwohl  die  Rebe 
als  ein  heiliges  Symbol.  Ist  gleich  die  goldne  Rebe,  welche 
die  Römer  (nach  Tacitus)  im  Tempel  zu  Jerusalem  fanden, 
erst  spät  vom  König  Herodes  dahin  gestiftet  worden  und 
mögen  die  Trauben  von  violetten  Edelsteinen  (Amethysten) 
an  Salomons  Thron  auch  nur  Dichtung  seyn,  so  erhellt  doch 
aus  vielen  Stellen  des  alten  Testamentes,  dass  die  Rebe 
wirklich  in  hoher  Achtung  bei  den  Hebräern  stand.  Sie  er- 
scheint zum  erstenmal  unmittelbar  nach  der  Sündfluth.  Je- 
hovah  gibt  den  Menschen  gleichsam  zum  Ersatz  für  das 
Uebel,  das  er  ihnen  durch  das  Wasser  zugefügt  hat,  den 
Wein.  Als  eine  ganz  neue  Naturerscheinung  steht  der  Wein 
in  Verbindung  mit  dem  Regenbogen,  der  ebenfalls  vor  der 
Sündfluth  noch  niemals  gesehen  worden  war.  Und  beide 
sind  Pfänder  der  göttlichen  Gnade,  Bundeszeichen  zwischen 
Gott  und  den  Menschen. 

Die  Juden  sahen  im  Weinstock  ein  Sinnbild  ihres  eigenen 
auserwählten  Volkes.  Wie  die  Rebe  vor  allen  Pflanzen,  so 
sollte  das  Volk  Gottes  vor  allen  Völkern  ausgezeichnet  seyn, 
ein  kleines,  niederes,  kriechendes  Gewächs,  und  doch  unter 
allen  das  edelste.  Zwar  scheint  zunächst  das  Land,  der  Grund 
und  Boden,  das  Eigenthum  und  Haus  durch  das  Sinnbild 
des  Weinstocks  bezeichnet.  Josua  und  Kaleb,  die  in  das 
gelobte  Land  vorausgehen ,  bringen  aus  demselben  die  riesen- 
grosse  Traube,   die  sie  an  einer  Stange  auf  den  Schultern 


544  Wein. 

tragen  müssen ,  als  ein  Sinnbild  des  segensreichen  Landes  mit. 
Der  Prophet  Micha  sagt:  „Jeder  wird  unter  seinem  Wein- 
stock wohnen^^  (der  das  Haus  rings  umrankt).  Der  Segens- 
spruch: „Ein  Weinstock  soll  vor  deiner  Thüre  wachsen!'^ 
ist  noch  jetzt  unter  den  Juden  üblich.  Psalm  128,  3.  wird 
unter  dem  das  Haus  umrankenden  Weinstock  insbesondere 
die  Frau  verstanden.  Doch  dachte  man  sich  unter  dem  Sinn- 
bild hauptsächlich  das  heilige  Volk  selbst,  sofern  es  in  seiner 
Niedrigkeit  erhöht  werden  soll. 

Schön  ist  der  Triumph  des  Weinstocks  nach  jüdischer 
Tradition  von  Herder  dargestellt :  „  Am  Tage  der  Schöpfung 
rühmten  die  Bäume  gegen  einander,  frohlockend  ein  jeglicher 
über  sich  selbst.  ^^Mich  hat  der  Plerr  gepflanzt/^  so  sprach 
die  erhabene  Ceder;  ^^Festigkeit  und  Wohlgeruch,  Dauer  und 
Stärke  hat  er  in  mir'  vereint/^  ^^Jehovahs  Huld  hat  mich 
zum  Segen  gesetzt  ,^^  so  sprach  der  umschattende  Palmbaum ; 
^)Nutzen  und  Schönheit  hat  er  in  mir  vermählt.*^^  Der  Apfel- 
baum sprach:  »W^ie  ein  Bräutigam  unter  den  Jünglingen, 
prange  ich  unter  den  Bäumen  des  Paradieses.^^  Und  die 
Myrthe  sprach:  »Wie  unter  den  Dornen  die  Rose,  stehe  ich 
unter  meinen  Geschwistern,  dem  niedrigen  Gesträuch.'^'^  So 
rühmten  Alle,  der  Oel-  und  Feigenbaum,  selbst  die  Fichte 
und  Tanne  rühmten  sich.  —  Der  einzige  Weinstock  schwieg 
und  sank  zu  Boden.  ^>Mir,<^  sprach  er  zu  sich  selbst,  »scheint 
Alles  versagt  zu  seyn.  Stamm  und  Aeste,  Blüthen  und  Frucht; 
aber  so,  wie  ich  bin,  will  ich  noch  hoffen  und  warten.^^  Er 
sank  darnieder,  und  seine  Zweige  weinten.  Nicht  lange 
wartete  und  weinte  er;  siehe  da  trat  die  Gottheit  der  Erde, 
der  freundliche  Mensch  zu  ihm.  Er  sah  ein  schwaches  Ge- 
wächs, ein  Spiel  der  Lüfte,  das  unter  sich  sank  und  Hülfe 
begehrte.  Mitleidig  richtete  er's  auf  und  schlang  den  zarten 
Baum  an  seine  Laube.  Froher  spielten  anjetzt  die  Lüfte  mit 
seinen  Reben,  die  Gluth  der  Sonne  durchdrang  ihre  harten, 
grünenden  Körner,  bereitend  in  ihnen  den  süssen  Saft,  den 
Trank  für  Götter  und  Menschen.  Mit  reichen  Trauben  ge- 
schmückt neigte  bald  der  Weinstock  sich  zu  seinem  Herrn 


Wein.  545 

nieder,  und  dieser  kostete  seinen  erquickenden  Saft  und 
nannte  ihn  seinen  Freund.  Die  stolzen  Bäume  beneideten 
jetzt  die  schwanke  Ranke:  denn  viele  von  ihnen  standen 
schon  entfruchtet  da;  er  aber  freute  sich  seiner  schlanken 
Gestalt  und  seiner  harrenden  Hoffnung.  Darum  erfreut  sein 
Saft  noch  jetzt  des  Menschen  Herz  und  hebt  empor  den 
niedergesunkenen  Muth  und  erquickt  den  Betrübten.'^ 

In  der  christlichen  Symbolik  geht  dieser  alte  Adel  des 
Weinstocks  vom  Volke  Gottes  auf  die  christliche  Gemeinde 
über,  und  zwar  erhält  das  Sinnbild  des  Weinstocks  hier  erst 
seine  volle  Bedeutung  durch  die  Vergleichung  des  Weines 
mit  dem  Blute  Christi.  Christus  sagt  zu  den  Aposteln :  „Ich 
bin  der  Weinstock,  mein  Vater  ist  der  Winzer"  —  und  ein 
andermal:  „Ich  bin  der  Weinstock,  ihr  seid  die  Reben. '^  In 
mehreren  Parabeln  vergleicht  er  den  Weinberg  mit  seiner  Kirche 
oder  Gemeinde.  Ein  guter  und  treuer  Arbeiter  im  Weinberge 
ist  ein  guter  Christ.  1)  Parabel  von  den  treulosen  Winzern, 
welche  in  des  Herrn  Abwesenheit  dessen  Söhne  erschlagen; 
2)  Parabel  von  den  zwei  Söhnen,  von  denen  der  eine  zu 
arbeiten  verspricht,  aber  faul  ist,  der  andere  nichts  verspricht, 
aber  thätig  ist;  3)  Parabel  von  dem  Winzer,  der  früher  in 
den  Weinberg  kommt  und  mehr  arbeitet,  als  der  später  Ge- 
kommene und  doch  nur  den  gleichen  Lohn  empfängt,  und 
auf  dessen  Vorwurf  der  Herr  antwortet:  „Was  siehst  du 
scheel,  dass  ich  so  gütig  bin?"  Ferner  verwandelt  Christus 
auf  der  Hochzeit  zu  Cana  das  Wasser  in  Wein,  und  endlich 
sagt  er,  indem  er  den  Aposteln  am  letzten  Abendmahl  den 
Wein  austheilt:  „Das  ist  mein  Blut,  für  euch  vergossen  zur 
Vergebung  der  Sünden ! " 

Seitdem  nun  ist  im  christlichen  Glauben  der  Weinberg 
das  Sinnbild  des  christlichen  Gebietes,  des  Bodens,  auf  dem 
allein  das  Seelenheil  wächst,  mit  Einem  Worte  der  Kirche 
geblieben.  Weinreben  und  W^einlaub  wurden  als  christliches 
Symbol  häufig  bei  Verzierungen  angewandt,  in  christlichen 
Kirchen  als  Randverzierung,  an  heiligen  Gefässen  etc.  Trauben- 
Menzel,  Christi.  Symbolik.  IL  35 


546  Wein. 

kränze  auf  den  alten  christlichen  Grabbildern,  die  Aringhi 
abgebildet  hat :  ein  Traubenkranz  um  das  Christkind,  um  der 
guten  Hirten,  um  eine  Palme  (als  Sinnbild  des  christlicher 
Sieges).  Auch  Tauben  (das  Sinnbild  des  heiligen  Geistes^ 
kommen  in  Verbindung  mit  Trauben  vor. 

Christus  insbesondere  wurde  als  Weinstock  aufgefasst  mii 
zwölf  Trauben,  nach  der  Zahl  seiner  Apostel.  Didron^  man 
p.  208.  228.  Im  speculum  humanae  salvationis  wurde  sein( 
Geburt  auf  den  aus  Herodot  bekannten  Traum  der  Mandan( 
bezogen,  die  einen  ganz  Asien  überschattenden  Weinstocl 
gebar.  Vgl.  Piper,  christi.  Myth.  I.  151.  In  alten  Hymner 
wird  das  Crucifix  zum  Weinstock :  „An  des  Kreuzes  Aester 
blüht  rother  Wein.'^  Wackernagel,  Kirchenlied  Nr.  109.  Au; 
einem  Stich  des  C.  de  Mallery  hängt  Christus  statt  am  Kreus 
an  einer  Weinrebe.  Das  Nämliche  bedeutet  die  Kelterung 
Auf  einem  seltsamen  Bild  des  Mainardi  zu  Cremona  wirc 
Christus  gekeltert  und  die  Kirchenväter  fangen  das  Blut  aL< 
Wein  auf.  Das  Sakrament  des  Altars  wird  gewöhnlich  be 
zeichnet  durch  Aehren  und  Weintrauben  (Brodt  und  Wein 
Leib  und  Blut  des  Herrn).  Auf  den  alten  Holzschnitten  det 
deutschen  Polydorus  Virgilius,  Augsburg  1537.  S.  3,  steh 
Christus  zwischen  einem  Kornfeld  und  W^einberg.  —  Au 
altchristlichen  Sarkophagen  begegnen  uns  oft  Reben,  Trau 
ben,  Kelterungen,  was  wohl  nicht  auf  die  irdischen  Leider 
der  Verstorbenen  in  den  Gräbern  selbst,  sondern  auf  da^ 
Leiden  und  Sterben  Jesu  Christi  zu  beziehen  ist,  aus  derr 
die  Verstorbenen  die  Hoffnung  ihrer  Erlösung  schöpfen.  Vgl 
über  diese  Bildwerke  Piper,  christi.  Myth.  I.  212  f. 

Eine  Traube  ist  auch  Attribut  der  Abigail.  Die  für  di( 
Sünden  ihres  Mannes  bei  dem  siegreich  und  zornig  heran- 
nahenden David  um  Verzeihung  flehende  Abigail  ist  eine 
Personification  der  Reue  und  Busse.  Ihre  Vermählung  mii 
David  ein  Vorbild  der  innigen  Verbindung,  welche  die  be- 
gnadete Seele  mit  Christo  eingeht.  Deshalb  hat  ihr  Sürlir 
in  seinen  berühmten  Chorstühlen  des  ülmer  Münsters  Brod1 


Wein.  547 

und  Weintrauben  in  die  Hand  gegeben,  die  hier  nicht  blos 
die  Gaben  bedeuten,  die  sie  dem  auf  dem  Marsch  hungern- 
den David  zur  Labung  anbietet,  sondern  die  als  Vorbilder 
des  heiligen  Abendmahls  genommen  werden  müssen. 

Ueber  die  Verwandlung  des  Wassers  in  Wein  vgl.  den 
Artikel  Wasser.  Der  Begriff  des  Adels  im  Wein,  der  vom 
Volke  Gottes  auf  die  christliche  Gemeinde  überging,  wurde 
im  Mittelalter  wiederum  enger  concentrirt  im  Priesterstande. 
Daher  nur  den  Priestern  der  Kelch  im  heiligen  Abendmahl 
vorbehalten  blieb.  Dem  entspricht  die  schon  alttestamenta- 
lische  Symbolik  der  Herlinge  und  bitteren  Trauben.  5.  Mos. 
32,  32.  Jesaias  5,  2.  Jeremias  31,  29.  Darunter  sind  nämlich 
die  verstanden,  die  das  Wort  Gottes  kennen  und  bei  denen 
es  dennoch  nur  bittere  Früchte  trägt,  die  zum  Adel  gehören 
und  die  dennoch  gemein  bleiben,  dasselbe,  was  die  Miethlinge 
im  Gegensatz  gegen  den  guten  Hirten  =:  unwürdige  Priester. 

Man  bezog  den  Wein  des  Abendmahls  auch  auf  das 
Wasser  der  Taufe.  Durch  dieses  sollte  die  allen  Menschen 
angeborne  Erbsünde,  durch  den  Wein  aber  die  persönliche 
Sünde  des  Individuums  gleichsam  abgewaschen  werden.  In 
den  ersten  Jahrhunderten  der  Christenheit  pflegte  man  Wasser 
unter  den  Wein  des  Abendmahls  zu  mischen,  weil  man 
überhaupt  im  Morgenlande  den  Wein  nie  ungemischt  trank. 
Da  nun  drei  Elemente  im  Abendmahl  vorhanden  waren,  Brodt, 
Wein  und  Wasser ,  so  deutete  man  dies  auf  die  Dreieinigkeit. 
Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  alle  Streitigkeiten  einzugehen, 
die  in  der  christlichen  Kirche  über  die  Bedeutung  und  den 
Genuss  des  Abendmahlsweins  ausgebrochen  sind.  Nur  so  viel 
werde  hier  bemerkt:  Die  katholische  Kirche  blieb  stets  bei 
der  altherkömmlichen  Vermischung  des  Weins  mit  kaltem 
Wasser;  —  die  griechische  Kirche  nimmt  dazu  warmes 
Wasser;  —  die  längst  untergegangene  Sekte  der  Enkratiten 
nahm  nur  Wasser  ohne  Wein;  —  die  armenische  Kirche 
nahm  nur  Wein  ohne  Wasser  und  wurde  deshalb  verdammt. 
Aber  zur  Zeit  der  Heformation  in  Deutschland  nahmen  alle 

35* 


548  Wein. 

Lutheraner  und  Reformirten  den  armenischen  Gebrauch  wieder 
auf,  und  bei  ihnen  wird  der  Wein  im  Abendmahl  stets  ohne 
Wasser  ausgetheilt.  Alle  Christen  trinken  den  Abendmahls- 
wein aus  dem  Kelch,  die  Griechen  allein  trinken  ihn  aus 
einem  Löffel. 

Insgemein  bedient  man  sich  beim  Sakrament  des  Altars 
des  rothen  Weins,  wodurch  das  Blut  Christi  am  deutlichsten 
versinnlicht  wird.  Nur  die  mailändische  Kirche  zog  den 
weissen  Wein  vor  und  erhob  den  Gebrauch  desselben  zum 
Gesetz.  Dies  erklärt  sich  vielleicht  aus  dem  Umstände,  dass 
der  gewöhnliche  rothe  Wein  in  der  Lombardei  etwas  Schwar- 
zes ,  Dickes  und  Dintenartiges  hat.  W^enigstens  motivirte  die 
Mailänder  Kirche  den  Vorzug,  den  sie  dem  weissen  Weine 
gab,  damit,  derselbe  sey  reiner. 

Das  Sinnbild:  „Trauben  von  den  Dornen  lesen"  (Matth. 
7,  16.)  entspricht  der  W^esenheit  des  Christenthums  in  dop- 
pelter Weise,  sofern  Christus  himmlische  Wonne  allen  Gläu- 
bigen erkaufte  durch  bittere  Schmerzen  unter  der  Dornenkrone, 
und  sofern  das  Christenthum  ein  glückseliges  W^einland  ist  im 
Vergleich  mit  der  dornigen  Wüste  des  Heidenthums.  Das 
ist  schon  vorgebildet  in  der  grossen  Weintraube,  die  nach 
4.  Mos.  13,  24.  Josua  und  Caleb  aus  dem  gelobten  Lande  in 
die  Wüste  zurückbrachten,  in  der  damals  noch  das  Volk 
Gottes   umirrte. 

Eine  Weintraube  ist  häufig  Attribut  der  heiligen  Jung- 
frau. Das  Kind  auf  ihrem  Schoosse  greift  darnach  auf  alt- 
deutschen Bildern  von  Memling,  Burgmayer.  Das  bezieht  sich 
auf  den  künftigen  Opfertod  des  Heilands.  Aus  dem  Grabe 
der  heiligen  Maria  Magdalena  wuchs  eine  Weinrebe.  Das 
bezieht  sich  auf  ihre  Thränen,  wie  auf  ihre  guten  Werke. 

St.  Felix  von  Nola  lag  als  Christ  im  Kerker,  da  holte 
ihn  ein  Engel  ab,  seinem  halb  entseelten,  in  eine  Wüste  ent- 
flohenen Bischof  Maximus  beizustehen.  Ringsum  war  nichts, 
aber   auf  des  Heiligen  Gebet  wuchs    eine   Traube  an   den 


Wein.  549 

Dornen  und  diente  dem  heiligen  Maximus  zur  Labung, 
14.  Januar.  —  Der  heilige  Einsiedler  Hilarius  pflückte  einmal 
mit  seinen  Schülern  Trauben  ab,  bewirkte  aber,  dass  seitdem 
noch  viel  mehr  Trauben  in  dem  Weinberge  wuchsen,  als 
vorher.  Leben  der  Altväter  1728,  S.  28.  —  St.  Gonsalvo 
schlug  mit  seinem  Stabe  Wein  aus  einem  Felsen.  Der  hei- 
lige Wigbert  zu  Fritzlar  drückte  eine  Traube  in  den  Abend- 
mahlskelch, als  kein  Wein  da  war,  und  bekam  reichlich 
Wein.  Der  heilige  Excelsus  wurde  erschlagen  und  unter 
einem  Weinfass  im  Keller  begraben.  Dieses  Fass  wurde  nie- 
mals leer  und  dadurch  entdeckte  man  den  heiligen  Leichnam. 
Aber  weder  in  der  ihm  geweihten  Kirche  St.  Excelso  bei 
der  Engelsburg  in  Rom,  noch  sonst  w^o  ist  das  Fass  wieder- 
zufinden. Dem  heiligen  Macarius  wurde  eine  grosse  schöne 
Traube  geschickt,  er  gab  sie  einem  andern  Mönche,  dieser 
wieder  einem,  bis  sie  an  den  heiligen  Macarius  zurückkam, 
zum  Beweis  ihrer  allseitigen  Enthaltsamkeit.  Silbert,  Le- 
genden IL  398. 

Patron  des  Weinbaues  ist  der  heilige  Urban,  Bischof 
von  Langres  im  öten  Jahrhundert,  der  sich  einst  während 
einer  Christenverfolgung  in  Weinbergen  versteckte,  seitdem 
aber  selbst  Hüter  der  Weinberge  wurde,  dieselben  vor  Hagel 
beschützt,  desgleichen  auch  noch  den  Wein  im  Keller  vor 
Schaden  bewahrt.  An  seinem  Tage  (25.  Mai)  beobachtet 
man  sorgfältig  das  Wetter.  Ist  es  hell,  so  wird  der  nächste 
Wein  gut,  wenn  trübe,  schlecht.  Vgl.  Molani^  hist.  imag. 
286  f.  Frank,  Weltbuch  S.  51.  Haltaus,  Jahrzeitbuch  S.  105. 
Curiositäten   IV.    220.     Journal    von    und    für   Deutschland 

I.  423.  III.  149.  Man  hat  ihn  mit  dem  Papst  Urban  I.  ver- 
wechselt und  diesem  zuweilen  auch  die  Traube  als  Attribut 
gegeben ,  aber  mit  Unrecht.  Noch  unpassender  ist  die  Ver- 
wechslung des  Bischofs  und  Weinpatrons  mit  dem  Mönch 
Urbanus   in   einem   Gedicht   von   Fr.  Kind   (Legenden  1846, 

II.  496.).  Dieser  Urbanus  hörte  einen  Vogel  aus  dem  Para- 
diese singen,  folgte  ihm  nur  auf  eine  Stunde,  und  als  er 
heimkehrte,  waren  Jahrhunderte  verflossen. 


550  Weiss. 

Die  protestantischen  Weingärtner  in  Stuttgart  haben  einen 
Becher,  zierlich  von  Rebholz  geschnitzt,  der  den  Heiligen 
darstellt,  wie  er  eine  Butte  trägt.  Die  Butte  ist  von  Silber 
und  dient  als  der  Becher.  Jährlich  beim  Fest  der  Wein- 
verbesserungsgesellschaft kreist  dieser  Becher  herum  und  ist 
schon  reich  mit  silbernen  und  goldnen  Ehrenmedaillen  und 
ähnlichen  Geschenken  behangen.  In  der- Stuttgarter  Stifts- 
kirche findet  sich  noch  die  Statuette  des  Heiligen,  ganz 
überlaubt  von  Reben,  die  er  segnet. 


Weiss, 

Farbe  der  Reinheit,  daher  werden  die  Gerechten  im  Himmel 
dereinst  weisse  Kleider  bekommen.  Offenb.  Joh.  3,  4.  18. 
6,  11.  Diese  weissen  Kleider  sind  rein  gewaschen  im  Blut 
des  Lammes ,  daselbst  7,  14.  Das  heisst ,  durch  den  Opfertod 
Christi  ist  die  Befleckung  der  Sünde  von  den  Menschen  ge- 
nommen. Dieser  Symbolik  gemäss  gab  man  in  den  ersten 
Jahrhunderten  der  Christenheit  den  Täuflingen  nach  der 
Taufe  weisse  Kleider.  Eben  so  den  Todten  im  Sarge.  Du- 
randi,  rat.  VH.  35.  42.  Binterim,  Denkw.  VI.  3.  387.  Aus 
demselben  Grunde  bekam  auch  der  Priester  das  weisse  Ober- 
kleid {alba). 

Weiss  ist  auch  das  Kleid  Gottes  selbst  in  der  Offenb. 
Joh.  1,  14.  wie  des  Lammes  und  der  Taube  (Sohn  und  hei- 
liger Geist),  hier  nicht  blos  als  Farbe  des  Lichts,  sondern 
hauptsächlich  als  Farbe  der  vollkommensten  Reinheit.  Daher 
ist  auch  auf  Bildern  der  Verkündigung  der  Engel  Gabriel 
stets  weiss  gekleidet.  Und  die  heilige  Jungfrau  selbst  trägt, 
wo  sie  nicht  als  Mutter  und  Himmelskönigin  das  rothe  und 
blaue  tragen  muss ,  das  weisse  Kleid ,  hauptsächlich  als  Jung- 
frau vor  ihrer  Verlobung  mit  Joseph  und  wieder  nach  ihrem 
Tode  bei  der  Himmelfahrt.  So  malte  sie  Murillo  in  Sevilla. 
Man  darf  hiebei  nicht  blos  an  das  weisse  Grabtuch  denken. 
Die  Symbolik  liegt  hier  tiefer. 


f 


Weltende.  551 

St.  Godoleva,  die  fromme  Gemahlin  Bertulfs,  eines 
Grossen  in  Flandern,  wurde  von  diesem  erwürgt,  weil  er 
sie  los  seyn  wollte,  um  besser  seinen  Lüsten  nachgehen  zu 
können.  Wo  sie  starb,  wurde  der  Boden  schneeweiss,  zum 
Zeichen  ihrer  Unschuld,  und  blieb  weiss.    6.  Juli. 

Am  weissen  Sonntag  haben  in  den  ältesten  Zeiten  des 
Christenthums  die  Neophyten  (die  zu  Ostern  Getauften)  das 
heilige  Abendmahl  empfangen  und  in  weissen  Kleidern  einen 
Umzug  gehalten. 

W  e  1  t- 

In  einem  altdeutschen  Gedicht  in  von  der  Hagens  Ge- 
sammtabentheuern  70.  erscheint  Frau  Welt  vorn  verführerisch 
schön,  hinten  aber  als  scheussliche  Verwesung.  In  diesem 
Doppelsinn  wird  die  Welt  überall  bald  als  die  babylonische 
Hure,  Frau  Yenus  im  Berge,  bald  wieder  als  ein  stürmisches 
Meer,  als  eine  öde  Wüste,  als  ein  reissendes  Thier  etc.  auf- 
gefasst.  Das  i^ttribut  der  verführerischen  Weltseite  ist  in 
der  Regel  der  Taumelkelch. 


Weltende. 

Die  Apokalypse  ist  das  grosse  Gegenbild  zur  Genesis. 
Wie  dem  lieblichen,  sonnenhellen  Morgen  eine  schreckliche 
Gewitternacht  oder  dem  linden  Frühling  die  Sturm-  und 
Eiszeit  des  Winters,  so  steht  hier  der  hoffnungsreichen  Schö- 
pfung die  grimmige  Zerstörung,  der  freudenvollen  Geburt 
der  jammervolle  Tod  entgegen.  In  sieben  Tagen  schuf  der 
Herr  Himmel  und  Erde ,  eine  gleiche  Zahl  von  Schalen  seines 
Zorns  giessen  die  Engel  aus,  um  dieselbe  Welt  wieder  zu 
verderben.  Am  ersten  Schöpfungstage  schied  der  Herr  das 
Licht  von  der  Finsterniss  und  Hess  in's  Chaos  den  ersten 
Strahl  von  Licht  und  Leben  fallen.  Statt  dessen  wird  am 
jüngsten  Tage  ein  ungeheurer,  allzerstörender  Blitz  vom 
Herrn  ausgehen  und  durch  die  ganze  Welt  sclilagen.     Bei 


552  Weltende. 

der  Schöpfung  festete  Gott  am  Himmel  die  Sterne ,  am  Welt- 
ende werden  alle  diese  Sterne  in  einem  grossen  Regen  nieder- 
fallen. Bei  der  Schöpfung  schied  Gott  die  Elemente  und  liess 
in  jedem  besondere  Creaturen  gedeihen,  und  gab  die  Erde 
den  Menschen  zur  Wohnung;  am  Weltende  werden  alle 
Elemente  vergiftet,  Berge  geschmolzen,  alle  W^ohnungen 
zerstört,  alles  Leben  vertilgt.  —  Vorbilder  dieser  letzten 
Weltschrecken  sind  die  Plagen  in  Aegypten,  worüber  schon 
im  Artikel  Plagen  gehandelt  ist. 

Beinahe  in  allen  Kirchen  wurde  im  deutschen  Mittelalter 
am  Eingang  der  Sündenfall  mit  Adam  und  Eva,  im  Chor 
das  Weltgericht  nach  der  Offenbarung  Johannis  gemalt.  Auch 
sind  uns  ungewöhnlich  viel  altdeutsche  Gedichte  vom  Anti- 
christ und  vom  Weltende  erhalten.  Schon  Grimm  (deutsche 
Mythol.  158.)  erkennt  in  dieser  Vorliebe  für  die  apokalypti- 
schen Vorstellungen  den  Wiederschein  einer  nahe  verwandten, 
altern  und  heidnischen  Anschauung,  wie  sie  noch  vollständig 
in  der  Voluspa,  dem  ältesten  Liede  der  Edda,  erhalten  ist. 
Alle  feindlichen  Mächte  erheben  sich  wider  die  Götter,  alle 
Elemente  stürmen  heran,  das  Meer  steigt  empor,  die  Erde 
gibt  alle  Todten  wieder,  der  Himmel  bricht  ein  und  Surtur 
mit  seinen  Schaaren  stürzt  aus  der . Feuerwelt  herunter,  die 
ganze  alte  Welt  zu  verbrennen. 

Wie  die  ältere  mit  der  christlichen  Vorstellungsweise  sich 
durchdrang,  sehen  wir  aus  Muspilli,  dem  Bruchstück  eines 
oberdeutschen  Gedichts  aus  dem  9ten  Jahrhundert,  aufge- 
funden in  einer  Emmeraner  Handschrift  der  Münchner  Biblio- 
thek durch  Schmeller  und  von  ihm  edirt  1832.  Es  ist  in 
Stabreimen  gedichtet  und  beweist  die  frühe  allgemeine  Gel- 
tung der  Alliteration.  Das  Ganze  war  eine  Schilderung  des 
Weltendes ,  die  Apokalypse  durchdringend  mit  Vorstellungen 
der  Voluspa.  Muspilli  selbst  ist  Muspelheim,  das  Feuerland, 
der  Antichrist  Surtur,  Elias  Thor.  Aus  dem  Umstand,  dass 
Elias,  obgleich  siegend,  doch  schwer  verwundet  wird,  erkennt 
man  die   alte   Göttersage.   —    Auch    in    einem   Gedicht   des 


Weltende.  553 

Ambraser  Liederbuchs  S.  375  heisst  es,  dass  Elias  am  jüng- 
sten Tage  kommen  werde.  In  einer  angelsächsischen  Homilie 
wird  der  Antichrist  unmittelbar  mit  Thor  und  Wodan  in 
Verbindung  gebracht.    Grimm,  deutsche  Mythol.  773. 

Altdeutsche  Gedichte  vom  Antichrist  s.  in  HofFmanns 
Fundgruben  IL  131.  Haupts  Zeitschrift  VI.  369.  Diemers 
deutsche  Gedichte  1849. 

Eine  im  Ganzen  wenig  phantasiereiche  Dichtung:  „Die 
fünfzehn  Zeichen  des  jüngsten  Gerichts/  kommt  in  zwei  Re- 
dactionen  schon  im  12ten  Jahrhundert  vor.  Haupt,  Zeitschr. 
III.  526.  Beide  haben  aus  dem  heiligen  Hieronymus  geschöpft, 
in  dessen  uns  erhaltenen  V7erken  aber  das  Gedicht  nicht 
vorkommt.  Pfeiffer  hat  in  Haupts  Zeitschrift  I.  117.  das  alt- 
deutsche Gedicht  von  den  fünfzehn  Zeichen  aus  einer  Münchner 
Handschrift  mitgetheilt.  Darin  heisst  es:  An  einem  Sonntag 
wird  ein  solcher  Schall  und  Ruf  ergehen,  dass  das  Meer 
erschrecken  und  verschwinden  wird.  Am  andern  Tage  aber 
wird  das  Meer  wiederkommen  und  sich  hoch  erheben  wie  eine 
Mauer.  Am  dritten  Tage  verschwindet  das  Wasser  wieder; 
am  vierten  sterben  alle  zurückgebliebenen  Fische;  am  fünften 
vertrocknet  Alles;  am  sechsten  sterben  alle  Landthiere;  am 
siebenten  alle  Vögel;  am  achten  vergehen  alle  Palläste  und 
Häuser;  am  neunten  stürmen  die  vier  Winde  gegen  einander 
und  reissen  alle  Bäume  aus;  am  zehnten  erheben  sich  72  Winde 
und  stürzen  die  Berge  um,  dass  Alles  eben  wird;  am  elften 
erlöschen  die  Gestirne ;  am  zwölften  sterben  die  letzten  Men- 
schen; am  dreizehnten  stehen  aber  alle  Todten  wieder  auf; 
am  vierzehnten  kommen  sie  alle  zusammen  und  erkennen  sich 
wieder;  am  fünfzehnten  stürzt  das  Feuer  vom  Himmel,  um 
die  Erde  zu  läutern.  —  Die  andere  Redaction,  s.  das  latein. 
Gedicht  einer  Breslauer  Handschrift  in  Haupts  Zeitschrift 
ni.  523,  weicht  nur  wenig  ab.  Die  bedeutendste  Abweichung 
ist,  dass  die  Auferstehung  erst  nach  der  Feuerläuterung  er- 
folgt. Aehnlich  in  Volksliedern.  Vgl.  Wunderhorn  III.  195. 
Körner,  Volkslieder  S.  297.    Grässe,  Literärgeschichte  5.  Band, 


554  Weltende. 

S.  151.  Ein  Gedicht  von  den  fünfzehn  Zeichen  schrieb  auch 
der  Spanier  Berceo.    Viardot  I.  119. 

In  sehr  ausschweifender  Weise  wird  das  Weltende  in 
den  jüdischen  und  muhamedanischen  Fabeln  behandelt.  Merk- 
würdig erscheint,  dass  der  Talmud  einige  Beziehungen 
enthält,  die  in  der  christlichen  Legende  fehlen,  obgleich  sie 
weit  mehr  der  christlichen  als  jüdischen  Symbolik  entsprechen. 
So  die  Sage  von  dem  ersten  der  zehn  Zeichen,  die  dem 
Weltende  vorhergehen  werden,  bei  Eisenmenger,  entd.  Juden- 
thum  II.  696.  Es  werden  nämlich,  wenn  der  Welt  Ende 
naht,  drei  trugvolle  Könige  herrschen,  die  Alles  verwirren, 
und  um  diese  Zeit  wird  sich  ein  Mensch  von  der  äussersten, 
scheusslichsten  Ilässlichkeit  sehen  lassen.  Das  ist  offenbar 
das  Gegenbild  zu  den  heiligen  drei  Königen  und  zur  Geburt 
des  Heilands ,  als  des  Schönsten  unter  allen  Menschen.  Jene 
talmudistische  Fabel  gleicht  einem  schwarzen  Spiegel ,  in  dem 
ein  böser  Dämon  wohnt,  der  aber  durch  höhere  Macht  ge- 
zwungen wird ,  in  seinen  Bilderreihen  dem  Evangelium,  wenn 
auch  nur  in  Verzerrungen ,  zu  folgen.  —  Phantastisch  ist  die 
lithauische  Voi'stellung  von  neun  Nebensonnen,  die  vor  dem 
jüngsten  Tage  sollen  sichtbar  werden.  Vgl.  Hanusch,  slav. 
Myth.  S.  273.  Das  Verschwinden  des  Regenbogens  soll  dem 
Weltende  als  sicheres  Zeichen  vorhergehen.  Vgl.  den  Artikel 
Regenbogen.  Das  ist  das  Friedens  -  und  Bundeszeichen.  Die 
Menschen  haben  den  Bund  gebrochen  und  der  Friede  Gottes 
weicht  von  der  Erde. 

In  neuerer  Zeit  hat  Stehling  ein  „jüngstes  Gericht^  ge- 
dichtet, worin  die  Welt  nicht  in  der  Fülle  ihrer  Kraft  und 
Sünde  durch  Gottes  Zorn  zerstört,  sondern  gleichsam  nur  an 
Alter  und  Entnervung  abstirbt,  wie  eine  alte  Uhr  stockt  und 
stehen  bleibt.  Die  Sonne  läuft  nicht  mehr ,  das  Meer  trocknet 
aus.  Als  letzter  Mensch  bleibt  der  ewige  Jude  übrig.  Da 
brausen  Meteore  hervor  und  stecken  die  Erde  in  Brand.  Der 
Jude  stürzt  hinein.  Die  verbrannte  Erde  bleibt  als  Schlacke 
zurück,  in  der  Satan  nunmehr  bequem  seine  Residenz  auf- 
schlagen will.    Da  eröffnet  Gott  das  Weltgericht ,  aUe  Todten 


Weltgericht.  555 

stehen  auf;  der  Tod  selbst,  der  entwichen  war,  kommt 
zurück ,  um  —  Satan  zu  tödten  und  stirbt  dann  selbst.  Zum 
Schluss  allgemeine  Amnestie  und  Versammlung  der  Menschen 
in  einer  neuen  Welt  ohne  Uebel.  —  Obgleich  diese  Dichtung 
in  der  That  sehr  viel  Schönes  und  Ergreifendes  enthält,  ist 
sie  doch  unkirchlich. 

Zweckmässig  fällt  das  Andenken  an  das  Weltende  und 
Weltgericht  (Evangelium  Matth.  24,  15  f.)  auf  den  letzten 
Sonntag  des  Kirchenjahres  im  Spätherbst,  wenn  auch  dem 
jährlichen  Naturleben  sein  winterliches  Ende  naht.  Vgl.  Mone, 
Schauspiele  des  Mittelalters  I.  265.  Strauss,  Kirchenjahr 
S.  374.  378. 

Weltgericht. 

Das  „jüngste  Gericht^^  oder  Weltgericht  erfolgt  nach  dem 
Weltende,  wenn  die  Todten  wieder  auferstehen.  OfFenb. 
Joh.  20,  13.  Seine  Darstellungen  an  der  Hinterwand  der 
Kirchen  gegenüber  dem  Eingang  waren  im  Mittelalter  sehr 
beliebt.  In  der  Vorhalle  begann  die  kirchliche  Wandmalerei 
mit  dem  Sündenfall  und  endete  hinter  dem  Altar  mit  dem 
W^eltgericht ,  gleich  der  heiligen  Schrift.  In  der  griechischen 
Kirche  wird  das  Bild  des  Weltgerichts  in  die  Vorhalle  hin- 
ausgerückt ,  was  sie  wesentlich  von  der  abendländischen  unter- 
scheidet. Die  Wandgemälde  w^aren  umfangreich,  denn  es  galt 
hier,  Himmel,  Erde  und  Hölle  mit  einem  Blick  zu  übersehen. 

Die  gewöhnliche  Eintheilung  dieser  Bilder  ist:  Oben 
Christus  im  Himmel,  in  der  Mitte  der  Erzengel  Michael  mit 
der  Waage,  unten  das  Thal  Josaphat,  in  dem  die  Todten 
auferstehen:  rechts  sodann  die  aus  den  Gräbern  bis  zum 
Himmel  aufsteigenden  Seligen  unter  Führung  der  heiligen 
Jungfrau,  links  die  aus  den  Gräbern  in  den  Höllenrachen 
verurtheilten  und  vom  Teufel  in  Empfang  genommenen  Un- 
seligen. 

Der  untere  Theil  des  Gemäldes,  die  Grundlage  des 
Ganzen,  ist  das  Thal  Josaphat,  nach  Joel  3,  7.  Vgl.  2.  Chron. 
20,  26.   Zachar.  14,  4.    Ausführliche  Beschreibungen  desselben 


556  Weltgericht. 

in  Görres  Volksbücliern  S.  257.  Phüonis  magiologia  p.  411. 
Auf  den  Bildern  ein  gewöhnlicher  Kirchhof,  dessen  Gräber 
sich  aufthun  und  aus  dem  die  Todten  bald  als  Gerippe ,  bald 
schon  mit  Fleisch  umkleidet ,  bald  in  vollendeter  Lebensfülle 
hervorgehen.  Viele  Maler  haben  in  der  Abstufung  der  Yer- 
wesungsgrade  und  in  der  Treue  der  anatomischen  Details  ein 
Verdienst  gesucht,  welches  dem  eigentlichen  Geist  und  In- 
teresse des  Gegenstandes  fern  liegt.  Näher  liegt  demselben 
aber  die  Physiognomik,  das  Staunen,  die  Freude  und  der 
Schrecken  der  aus  den  Gräbern  Aufwachenden.  Hiebei  haben 
die  Maler  darauf  zu  achten,  dass  der  Richter  gegenwärtig 
ist  und  dass  die  Ehrfurcht  vor  ihm  alle  Privatempfindungen 
der  Auferstandenen  beherrschen  und  zurückdrängen  muss. 
Weder  die  Seligfrohen,  noch  die  Verzweifelten  dürfen  sich 
geberden ,  als  ob  der  Herr  nicht  dabei  wäre.  Auch  Personal- 
satyre,  Porträts  von  Gegnern  etc.  hier  anzubringen,  halten 
wir  für  nicht  erlaubt  und  des  grossen  Gegenstandes  für  nicht 
würdig.  Der  Maler  selber  soll  von  Ehrfurcht  gegen  den 
Herrn  durchdrungen  seyn.  Begreiflicherweise  gehören  auch 
unschickliche  Nuditäten  nicht  in  die  Kirche.  Die  Naivetät 
des  Mittelalters  nahm  es  damit  nicht  zu  genau,  jedoch  sind 
Freiheiten  wie  die  in  der  Kathedrale  zu  Albi  unter  allen 
Umständen  unstatthaft. 

Richter  beim  "Weltgericht  ist  nicht  der  Vater,  sondern 
der  Sohn.  Joh.  5,  22.  Vorbild  des  letzten  Richteramts  ist 
sein  Austreiben  der  Verkäufer  aus  dem  Tempel.  Auf  den 
Bildern,  welche  diese  Scene  darstellen,  steht  Christus  mit 
der  Geissei  in  der  Mitte  und  hat  rechts  das  Heiligthum  des 
Tempels,  links  die  Käufer,  was  dem  Gegensatz  von  Himmel 
und  Hölle  auf  den  Bildern  des  Weltgerichts  entspricht.  Vor- 
bild des  Weltgerichts  ist  auch  Psalm  110,  6.  Mystisches  Bild 
des  richtenden  Christus  ist  das  thronende  Lamm  in  der 
Apokalypse.  Der  das  Opfer  war,  ist  auch  der  Richter.  Das 
Lamm  Gottes ,  das  der  Welt  Sünde  trägt ,  in  welchem  Gottes 
Leben  sich  hingab  in  des  Menschen  Tod,  auf  dass  es  die 
Menschen   fähig  mache   zum  Antheil   am  göttlichen   Leben, 


Weltgrericht.  557 

der  Gekreuzigte  allein  kann  richten  über  die  Lebendigen  und 
Todten.  Darum  ist  Christus  auf  Bildern  des  Weltgerichts 
von  einem  Halbkreis  von  Engeln  umgeben,  welche  die  Pas- 
sionswerkzeuge tragen.  Der  Blick  des  ewigen  Richters  ist 
streng  und  schrecklich  für  die  Verdammten.  In  dem  schönen 
Hymnus:  Jucundantur  et  laetantur  heisst  es  im  7ten  Verse: 

Timc  qvi  einn  pvpuyertmt ,  cernent  omnes  impii 

Throno  iyneo  subnixiim  specie  terribili 

Mox  occvlta  sivgvlornm  ctinctis  patent  cordium. 

Diesen  alldurchdringenden  schrecklichen  Blick  des  Rich- 
ters pflegen  die  alten  Maler  nur  durch  das  aus  dem  linken 
Auge  hervorstehende  Schwert  auszudrücken,  wogegen  sie  aus 
dem  rechten  Auge  eine  Lilie  hervorgehen  lassen.  Das  Schwiert 
ist  den  Verdammten,  die  Lilie  den  Seligen  zugewendet.  So 
auf  dem  berühmten  Danziger  Weltgericht,  auf  dem  Bild 
hinter  dem  Altar  des  ülmer  Münsters,  im  Hospital  zu  Beaune. 
Das  Schwert  ist  gew^öhniich  glühendrotlj.  Vgl.  die  Artikel  Lilie 
und  Schwert.  Auf  einem  Bild  zu  Kentheim  gehen  dem  W^elt- 
richter  zwei  Schwerter  aus  dem  Munde.    Kunstbl.  1840,  S.  402. 

Christus  thront  auf  dem  Regenbogen.  Vgl.  diesen  Artikel. 
Er  hat  gewöhnlich  den  purpurnen  Königsmantel  über  dem 
blossen  Leibe  und  segnet  mit  der  rechten  Hand  die  Seligen, 
während  er  mit  der  linken  die  Verdammten  abweist.  Seine 
Füsse  stützt  er  auf  die  W  eltkugel.  Vgl.  den  Artikel  Kugel. 
Am  Portal  der  Lorenzkirche  in  Nürnberg  stützt  er  die  Füsse 
auf  Sonne  und  Mond.  Auf  Bildern  des  W^eltgerichts  in  der 
griechischen  Kirche  pflegt  zu  des  Heilands  Füssen  ein  Feuer- 
strom zu  entspringen ,  der  sich  nach  links  zu  den  Verdamm- 
ten wendet.  Auch  Giotto  hat  diesen  Feuerstrom  noch  zu 
Padua  gemalt.  Kunstblatt  1832,  Nr.  4.  In  dem  weissen 
Gewölk,  aus  dem  der  Regenbogen  hervorgeht,  erblickt  man 
die  unschuldigen  Kinder.  Vgl.  den  Artikel  Limbus.  Unterhalb 
des  Gewölkes  aber  die  posaunenden  Engel ,  w^elche  die  Todten 
erwecken. 

In  der  Mitte  unmittelbar  unter  dem  Fusse  des  Heilands 
tritt  auf  den  Bildern  der  abendländischen  Kirche  in  der  Regel 


558  Weltgericht. 

der  Erzengel  Michael  in  riesenhafter  Grösse  als  Vollstrecker 
des  göttlichen  Urtheils  hervor,  in  der  griechischen  Kirche 
steht  aber  zwischen  dem  Richter  und  Michael  noch  das  Kreuz, 
zu  dessen  beiden  Seiten  Adam  und  Eva  knieen.  Das  Kreuz 
steht  hier  als  Baum  des  Lebens  an  der  Stelle  des  Erkenntniss- 
baumes in  den  Bildern  des  Sündenfalls,  und  der  Sündenfall 
selbst  wird  als  die  erste  Ursache  bezeichnet,  die  das  Welt- 
gericht überhaupt  veranlasste.  Auf  einem  altdeutschen  Bilde 
in  der  Abel'schen  Sammlung  in  Stuttgart  hält  der  auf  dem 
Regenbogen  thronende  Gott  Vater  den  Sohn  am  Kreuz  vor 
sich,  der  wie  auf  den  Kreuzigungsbildern  die  Sonne  zur 
Rechten,  den  Mond  zur  Linken  hat.  Das  ist  ein  Triumph 
des  Kreuzes  im  Weltgericht,  und  der  Richter  selbst  erscheint 
noch  unmittelbar  als  der  Gekreuzigte. 

Michael  ist  gewöhnlich  sehr  gross ,  eine  riesenhafte  Figur 
in  der  Mitte,  vor  der  die  andern  in  den  Hintergrund  zurück- 
schwinden. Er  trägt  den  goldnen  Harnisch  mit  langem 
Schwert  und  eine  grosse  Waage ,  auf  deren  sinkender  Waag- 
schale ein  Seliger,  auf  deren  aufsteigender  ein  Verdammter, 
gewöhnlich  schon  in  Gesellschaft  von  Teufeln,  sitzt.  Das 
Sinken  der  Waagschale  zur  rechten  Seite  bedeutet  hier  immer 
das  Uebergewicht  der  göttlichen  Gnade,  so  dass  der  Teufel 
trotz  seiner  Gewalt  doch  eigentlich  im  Nachtheil  bleibt.  Vgl. 
die  Artikel  Michael  und  Waage.  Auf  Bildern  der  griechischen 
Kirche  steht  dagegen  unter  dem  Heiland  das  Kreuz,  neben 
dem  Adam  und  Eva  knieen,  und  erst  unter  diesem  kommt 
Michael. 

Zur  Rechten  des  Heilands  steht  oder  kniet  die  fürbittende 
Maria.  Ln  Campo  Santo  zu  Pisa  sitzt  sie  ausnahmsweise  als 
Mitrichterin  neben  dem  Heiland,  um  die  Gnade  neben  der 
Gerechtigkeit  zu  bezeichnen ,  beide  in  die  gleiche  Glorie  ein- 
gehüllt und  von  den  zwölf  Aposteln  umgeben.  Kunstblatt 
1835,  Nr.  96  f.  Insgemein  aber  beugt  sie  sich  von  der 
rechten  Seite  demüthig  vor  dem  allein  thronenden  Sohne.  Auf 
einem  Bilde  von  Aldegrever  (Berliner  Museum  von  Kugler 
S.  176)   ist   ihr  Gewand,    wie  auch   das  des  ihr  gegenüber- 


Weltgericht.  559 

stehenden  Täufers  vom  Winde  verweht,  eine  Bewegung,  die 
sich  für  den  Himmel  und  für  die  Ruhe  des  Gerichts  nicht 
schickt.  —  Maria  hat  die  Apostel  zur  Seite,  wie  der  Täufer 
auf  der  andern  Seite  die  Propheten.  Maria  führt  den  Zug 
der  aufsteigenden  Seligen  an  oder  weist  auf  sie  hin ,  empfiehlt 
sie  der  Gnade  des  Sohnes.  Im  Mittelalter  deuteten  die  Maler 
den  Himmel  oder  das  neue  Jerusalem  auf  der  rechten  Seite 
des  Bildes,  wie  auf  der  linken  die  Hölle  ausdrücklich  an. 
Bald  als  eine  Stadt,  bald  nur  als  einen  Tempel,  bald  als 
eine  Sonne  (im  Ulmer  Münster).  Auf  dem  Danziger  Welt- 
gericht empfangen  die  nackten  i\.uferstandenen  auf  der  rechten 
Seite  des  Bildes  von  Engeln  weisse  Kleider.  Die  alten  Maler, 
■welche  die  Seligen  in  naiver  und  demüthiger  Freude  malten, 
thaten  am  besten.  Die  Neuern  legen  oft  zu  viel  Prätension 
in  sie  hinein ,  oder  denken  nur  daran ,  hübsche  nackte  Figuren 
zu  gruppiren.  Auf  dem  berühmten,  durchaus  im  antiken  Geist 
aufgefassten  Weltgericht  des  Michel  Angelo  entbehren  die 
Seligen  jenes  specifisch  christlichen  Ausdrucks  von  Heiligkeit 
und  inniger  Andacht,  ohne  den  man  sie  sich  gar  nicht  vor- 
stellen kann.  Die  Märtyrer  zeigen  ihre  Wunden  vor,  wie 
rebellische  Prätorianer,  die  Lohn  erzwingen  wollen.  Noch 
grob  sinnlicher  als  hübsche  Fleischmassen  sind  sie  im  Welt- 
gericht von  Rubens  gemalt.  Cornelius,  dem  man  nachsagt, 
er  habe  in  seinem  Bild  in  der  Münchner  Ludwigskirche  den 
Michel  Angelo  nur  raphaelisiren  wollen,  zeigt  in  seinen  Se- 
ligen eine  zu  wehmüthige ,  kühle  Sentimentalität ,  die  in  ihrer 
Anständigkeit  doch  zu  sehr  die  innige  Wonne  vermissen  lässt. 
Da  ist  die  kindliche  Einfalt  der  Seligen  bei  Fiesole  doch 
ansprechender.  Am  wenigsten  sind  die  modernen  Auffassungen 
zu  billigen,  in  denen  Privat-  und  Familieninteressen  voran- 
gestellt und  selige  Gruppen  gemalt  werden,  die  das  frohe 
Wiedersehen  von  Verwandten  und  irdischen  Geliebten  aus- 
drücken. Man  darf  im  Himmel  nicht  blos  die  Erde  wieder- 
finden wollen. 

Auf    der   linken    oder   Schwertseite    des    Richters   steht 
Johannes   der   Täufer  mit    den  Propheten  und  Patriarchen, 


560  Weltgrericht. 

das  alte  Testament  vertretend,  wie  Maria  das  neue,  auf  der 
Nachtseite  der  Welt  und  Geschichte,  wie  jene  auf  der  Tag- 
seite. Wie  Maria  den  Uebergang  des  Menschen  zum  Engel 
und  zu  Gott  selbst  bezeichnet,  so  Johannes  in  seinem  Thier- 
fell  gleichsam  den  in  der  alten  vorchristlichen  Barbarei  er- 
folgten Uebergang  des  Menschen  zum  Thicr  und  zum  Teufel. 
Er,  Johannes,  ist  die  höchste  und  vollendetste  Blüthe,  zu 
der  die  Menschheit  auf  der  Nachtseite  gedieh,  so  wie  Maria 
die  höchste  Blüthe  der  Menschheit  auf  der  Lichtseite  ist. 

Zwischen  Johannes  oben  und  den  Verdammten  unten 
findet  keine  Verbindung  statt,  Sie  stehen  nur  auf  der  näm- 
lichen Seite,  sind  aber  getrennt  durch  die  Wolkenschicht, 
durch  die  posaunenden  Engel  und  durch  Engel  mit  Schwer- 
tern, welche  das  Aufsteigen  der  Verdammten  zum  Himmel 
abwehren.  Nur  vom  linken  Fuss  des  Richters  selbst  aus 
findet  in  den  Bildern  der  griechischen  Kirche  eine  Verbin- 
dung mit  der  Hölle  statt  durch  den  Feuerstrom,  der  von 
ihm  ausgeht.  Zuweilen  wird  auch  Michael  in  der  Mitte  mit 
der  höllischen  Parthie  noch  speciell  verbunden ,  indem  erden 
Drachen  unter  sich  stösst. 

Dem  himmlischen  Jerusalem  gegenüber  auf  der  linken 
Seite  bis  in  die  linke  Ecke  des  Bildes  hinab  liegt  die  Hölle, 
in  den  altern  Bildern  meist  der  offene,  riesenhafte  Rachen 
eines  drachenartigen  Thiers,  in  dessen  Flammen  schwarze 
Teufel  die  nackten  Verdammten  hineinschleppen.  W^ie  in 
der  Physiognomie  der  Verdammten  Reue,  Verzweiflung, 
Schrecken  und  der  Ausdruck  der  verschiedenartigen  Laster, 
um  derentwillen  sie  verurtheilt  worden,  die  Aufgabe  des 
Malers  sind,  so  in  den  Physiognomien  und  Gestalten  der 
Teufel  höllische  Bosheit,  Schadenfreude,  Grausamkeit.  Man 
wird  unter  den  altern  Bildern  kaum  eines  finden,  auf  dem 
nicht  auch  ein  Papst,  Cardinal,  Bischof,  Kaiser  oder  König 
in  die  Flammen  der  Hölle  kämen.  Das  war  nichts  weniger, 
als  Satyre,  sondern  zeigte  in  echt  kirchlichem  Sinn  den  so 
oft  vorkommenden  Unterschied  zwischen  dem  Stand  und 
der  Person,   der   Pflicht  und  der  Leistung.     Uebertreibung, 


Weltgericht.  561 

Abslchtlichkcit ,  Satyrc  und  ein  demokratisches  Princip  liegt 
aber  ohne  Zweifel  in  dem  Bilde  zu  Kamersdorf  hei  Bonn, 
auf  welchem  die  Hölle  ausschliesslich  mit  vornehmen  Herren 
und  Damen,  der  Himmel  eben  so  ausschliesslich  mit  Armen 
und  Arbeitern  erfüllt  wird.  Vgl.  Schnaase  im  Taschenbuch 
vom  Rhein  1847,  S.  207. 

Es  ist  nicht  noth wendig,  auf  Bildern  des  Weltgerichts 
der  Hölle  einen  Mittelpunkt  zu  geben  in  einem  thronenden 
Höllenfürsten,  der  sich  (wie  namentlich  das  grosse  Bild  von 
Cornelius  beweist)  in  seiner  untergeordneten  Stellung  zum 
Hauptbilde  immer  kleinlich  ausnimmt.  Orcagna  suchte  ihm 
auf  dem  Bild  im  Campo  Santo  zu  Pisa  mehr  Bedeutung  zu 
geben,  indem  er  nach  allen  Seiten  Flammenstrahlen  von  ihm 
ausgehen  liess.  Rubens  gab  ilim  Drachengestalt  mit  vielen 
Köpfen,  die  nach  allen  Seiten  die  Verdammten  aufschnappen. 
Es  genügt,  indem  das  Hauptinteresse  auf  die  Verdammten 
gelenkt  wird,  nur  untergeordnete  Teufel  als  deren  Schergen 
und  Henker  zu  malen.  Gar  zu  viel  Humor  in  diese  hinein- 
zulegen, schickt  sich  wegen  des  Ernstes  nicht  wohl,  der  die 
Bilder  des  Weltgerichts  umkleiden  soll.  Wenigstens  darf  der 
Maler  nicht  auf  lächerliche  Effecte  ausgehen,  die  den  Haupt- 
eindruck des  ganzen  Bildes  verwischen.  Doch  ist  der  Humor 
nicht  zu  missbilligen,  der  in  den  Teufeln  die  Engel  äffen 
lässt.  Auf  einem  altdeutschen  Bilde  im  Besitz  des  Herrn 
Ephorus  Hassler  in  Ulm  ahmen  posaunende  Teufel  höhnisch 
das  Posaunen  der  Engel  nach.  Wie  allzu  lustige  Dinge,  so 
sollen  auch  allzu  grässliche  hier  vermieden  werden.  Einige 
Maler  haben  es  darauf  abgesehen,  die  abscheulichsten  körper- 
lichen Martern  an  Verdammten  zu  zeigen.  Fehlerhaft,  weil 
unkirchlich  und  unbiblisch,  ist  der  heidnische  Charon  auf 
Michel  Angelo's  berühmtem  Bilde.  Hier  sieht  man  keine 
Auferstehung  im  Thal  Josaphat,  sondern  Charon  führt  die 
Todten  auf  einem  Kahn  über  den  Styx. 


Menzel,  chrUtl.  Symbolik.    II.  36 


562  Widder. 


Widder. 

Das  Lamm  Gottes  kommt  auf  Bildwerken  auch  als  Widder 
vor,  denn  es  ist  ein  männliches  Lamm,  und  die  Hörner  be- 
deuten die  göttliche  Kraft.  Vgl.  den  Artikel  Hörn.  Ein 
Widder  mit  sieben  Hörnchen  und  sieben  Augen  empfängt  von 
Gott  das  Buch  mit  den  sieben  Siegeln.    Twiningj  symb.  pl.  11. 

Wind, 

Sinnbild  der  Sünde ,  theils  wegen  des  wilden  Daherstürmens, 
theils  wegen  des  leeren  Inhalts.  ,, Unsere  Sünden  führen  uns 
dahin  wie  der  Wind.'^  Jesaias  64,  6.  „Wer  Wind  säet,  wird 
Sturm  erndten.^^  Hosea  8,  7.  Inzwischen  erscheinen  die  Winde 
auch  als  Strafen  Gottes,  und  werden  insofern  von  Engeln 
regiert.  Offenb.  Joh.  7,  1.  —  Piper  (christl.  Myth.  IL  433  f.) 
hat  mit  vielem  Fleiss  die  altchristlichen  Bildwerke  verglichen, 
auf  denen  Winde  vorkommen.  Dabei  wurde  gewöhnlich  die 
antike  Eintheilung  und  Benennung  der  Winde  zu  Grunde  ge- 
legt, die  Flügelgestalten  der  heidnischen  Windgötter  schwan- 
den aber  zu  blasenden  Köpfen  zusammen ,  die  am  häufigsten 
in  den  vier  Ecken  eines  Bildes  vorkommen,  um  die  vier 
Hauptrichtungen  des  Windes  zu  bezeichnen.  Zuweilen  blasen 
sie  auch  auf  Hörnern  oder  mit  Blasebälgen.  —  Die  sogenannte  , 
Windrose  ist  wie  der  Zodiakus  und  später  die  Uhr  an  Kirchen 
nur  für  bürgerliche  Zwecke  angebracht. 

Wohlgeruch, 

Sinnbild  der  Seligkeit.  Wie  die  bösen  Dämonen  sich  überall 
durch  den  unheimlichen  Geruch  verrathen,  so  bezeichnet  ein  \ 
Wohlgeruch  die  Nähe  der  guten  Geister.  Durch  Wohlgeruch 
macht  sich  der  Zustand  der  Heiligkeit,  besonders  in  Gebet 
und  Ekstase ,  bemerklich.  Hauptsächlich  aber  erst  beim  Tode 
der  Heiligen.     In    den  Legenden   kommt   der  Wohlgeruch 


Wolf.  563 

überwiegend  erst  zur  Erscheinung  beim  Tode  und  an  den 
Gräbern  und  Reliquien^  weil  der  vollendete  Zustand  der  Selig- 
keit damit  angedeutet  wird.  In  diesem  Sinne  genoss  grosse  Be- 
rühmtheit Hesdin,  ein  Kloster  der  Clarissinnen.  Wenn  hier  eine 
Nonne  sterben  sollte,  durchdrang  vierzehn  Tage  vorher  das 
Kloster  ein  herrlicher  Wohlgeruch.  P.  Abraham  a  St.  Clara, 
Judas  II.  293. 

Wolf, 

Vertreter  der  wilden  Thiere  im  Gegensatz  gegen  das  Lamm, 
als  den  Vertreter  der  zahmen  Thiere.  Im  Paradiese  ruhen 
beide  friedlich  beisammen.  Jesaias  11,  6.  65,  25.  Daher  auch 
Sinnbild  des  Antichristenthums  im  Juden-  und  Heidenthum 
in  demselben  Sinne,  in  welchem  das  Lamm  Sinnbild  des 
Christenthums  ist.  In  der  Handschrift  der  Herrad  von  Lands- 
berg in  Strassburg  hat  der  heilige  Apostel  Paulus  einen  Wolf 
und  ein  Lamm  zum  Attribut;  das  erste  bezeichnet  ihn  als  Saulus 
vor,  das  andere  als  Paulus  nach  der  Bekehrung.  Dieselbe 
Symbolik  liegt  auch  dem  „Wolf  im  Schafskleide '^  zu  Grunde, 
worunter  unchristliche  und  gottlose  Menschen  verstanden 
werden,  die  das  Gewand  des  Priesters  tragen,  oder  sich  be- 
sonders fromm  anstellen.  Auch  die  alte  äsopische  Fabel  vom 
Lamme,  welches  unten  am  Bache  trinkt,  und  von  dem  oben 
am  Bache  trinkenden  Wolfe  beschuldigt  wird,  es  trübe  ihm 
das  Wasser,  leidet  eine  christliche  Anwendung,  zumal  in 
unsern  Tagen,  in  denen  die  Kirche  wieder  oft  genug  be- 
schuldigt worden  ist,  dem  Staate  das  Wasser  zu  trüben, 
während  sie  aufopfernd  beflissen  war,  ihn  von  den  schon 
vorhandenen  revolutionären  Elementen  zu  reinigen. 

In  der  Legende  und  demzufolge  auf  Kirchenbildern  sind 
Wölfe  sehr  oft  Attribute  von  Heiligen,  denn  des  Wolfes 
Wildheit  wird  durch  die  Nähe  des  Heiligen  überwunden  und 
in  Lammesnatur  umgewandelt.  Vom  heiligen  Cadocus  sagt 
die  Legende  zum  24.  Januar,  er  habe  zwei  reissende  Wölfe, 
die  ihn  angriffen,  in  Steine  verwandelt.  Noch  viel  öfter  aber - 
werden  die  Wölfe  von  Heiligen  gezähmt,  begleiten  sie  fortan 

36* 


564  Wolke. 

und  leisten  ihnen  Dienste.  St.  Hugo  zwang  einen  Wolf,  ihm 
die  Schafe  zu  hüten.  St.  Woldus  im  Kloster  Altenburg  zwang 
den  Woff  j  der  den  Klosterhund  zerrissen  hatte ,  fortan  selber 
dessen  Dienst  zu  verrichten.  St.  Wilhelm  von  monte  ver- 
gine  zwang  einen ,  der  seinen  Esel  zerrissen ,  statt  dessen  die 
Steine  zum  Klosterbau  herbeizutragen,  25.  Juni.  St.  Simprecht 
zwang  einen,  ein  geliebtes  Kind  unverletzt  zurückzubringen. 
St.  Ronan  und  St.  Bernhard  von  Tironio  desgleichen  ein  Schaf, 
St.  Vedastus  eine  Gans,  St.  Marcus  der  Einsiedler  ein  Wid- 
derfell. Auch  St.  Remaclus  bediente  sich  eines  Wolfes  beim 
Klösterbau.  Der  h.  Antonius  führte  einen  Wolf  zum  h.  Paulus 
in  der  Wüste.  Dem  h.  Franciscus  folgte  ein  zahmer  Wolf, 
zwei  der  h.  Radegundis.  St.  Torellus,  ein  Einsiedler  von 
Poppio  in  Toskana,  einer  der  rauhesten  Heiligen,  trug  nur 
ein  Fell  mit  Schweinsborsten,  schlief  auf  Dornen  unter  einem 
Haselbusch,  fastete,  geisselte  sich  etc.  Sein  einziger  Umgang 
war  ein  Wolf,  den  er  gezähmt  hatte.  Er  starb  am  16.  März 
1282.  —  Auch  kennt  die  Volkssage  einsame  Kapellen,  in  die 
ein  Lamm  vor  dem  Wolf  geflüchtet  und  wohin  auch  der 
Wolf  ihm  nachgefolgt ,  von  der  Heiligkeit  des  Ortes  ergriffen 
aber  ruhig  wie  im  Paradiese  bei  ihm  liegen  geblieben  sey. 

Wolke, 

Sinnbild  des  für  den  Menschen  verschleierten,  geheimniss- 
vollen Gottes.  D\q  „Wolke  im  Heiligthum'^  zeigte  die  Nähe 
Gottes  an,  2.  B.  Mos.  33,  9.  Vgl.  den  Artikel  Weihrauch. 
Daher  ist  auch  auf  alten  Miniaturen  eine  aus  Wolken  hervor- 
gereckte Hand  das  häufigste  Sinnbild  der  göttlichen  Allmacht. 
Die  Wolken  am  Himmel  sind  die  natürlichste  Verschleierung 
des  unsichtbaren  Himmels.  Daher  sie  von  den  Malern  der 
Himmelfahrt,  des  Weltgerichts  etc.  in  der  Regel  als  Grenze 
zwischen  Himmel  und  Erde  aufgenommen  werden.  Doch  unter- 
scheidet sich  der  christliche  Himmel  in  der  Malerei  von  dem 
antiken  Olymp  stets  dadurch,  dass  seine  heiligen  Gestalten  frei 
in  den  Wolken  schweben  und  nicht  nur  von  Wolken  umgeben 


Wundenmale.  565 

auf  einem  Berggipfel  ruhen.  —  Sofern  die  Wolke  fruchtbaren 
Regen  ausgiesst,  wurde  sie  Sinnbild  der  guten  Lehren,  wie 
der  guten  Werke.  Episcopi  nubes  sunt,  qui  et  verbis  praedi- 
cationis  pluunt^  sagt  Gregor  der  Grosse  (IV.  epist.  38).  Viele 
ähnliche  Stellen  aus  Augustinus  sind  gesammelt  bei  Kreuser, 
Kirchenbau  II.  37.  Die  himmlische  Sonne  (Maria)  zieht  den 
irdischen  Sinn  als  Wolke  zum  Himmel  empor  und  macht  ihn 
fruchtbar  mit  dem  Regen  der  guten  Werke.  Conrad  von 
Megenberg,  Buch  der  Natur  1482,  Fol.  23.  —  Das  Gewölk, 
auf  welchem  Christus  thront,  ist  von  den  Künstlern  zuweilen 
flammenartig  gezackt  worden.  Vgl.  Passavant,  Kunst  in  Spa- 
nien S.  73. 

Wüste, 

Gegenbild  des  paradiesischen  Gartens,  daher  Vorbild  der 
Hölle  und  Sinnbild  der  gottverlassenen  Menschheit.  Auch 
mitten  in  den  grössten  Städten  und  unter  zahllosen  Menschen 
gibt  es  Geisteswüsten.  So  ist  nach  Jesaias  40,  3.  der  „Pre- 
diger in  der  Wüste"  zu  verstehen.  —  Wie  Christus  und 
Maria,  wo  sie  immer  wandeln,  unter  ihren  Füssen  Blumen 
sprossen  machen  und  ein  Paradies  um  sich  verbreiten,  so 
wird  umgekehrt,  wo  der  Teufel  wandelt.  Alles  zur  Wüste. 
Daher  alle  bösen  Geister  in  die  Wüste  gebannt  werden,  die 
Wüste  Aufenthalt  vom  Teufel  ist.  Wie  Christus  selbst,  so 
wurden  nach  der  Legende  die  Einsiedler  in  der  Wüste  vom 
Teufel  versucht.  In  demselben  Sinn  ist  die  Wüste  eine  Probe 
des  wahren  Glaubens.  Der  Mensch  wird  in  die  Wüste  dieser 
Welt  gestossen,  um  seine  Treue  zu  bewähren,  auf  dass  er, 
dem  Heiland  nachfolgend ,  die  Teufel  verjage  und  die  Engel 
kommen,  ihm  zu  dienen,  oder  dass  er  wenigstens  wie  Hagar 
für  ihr  verschmachtendes  Kind  das  Erbarmen  des  Engels 
erfahre. 

Wundenmale. 

Unter  den  fünf  Wundenmalen  des  Heilands  nimmt  die 
breite  Seiten  wunde ,  durch  den  Lanzenstich  erzeugt ,  die  Mitte 


566  Wundenmale. 

ein  zwischen  den  zwei  obern  und  zwei  untern  durcli  die 
Nägel  hervorgebrachten  kleinen  Stichwunden.  Christus  selbst 
ist  auf  Kirchenbildern  mit  diesen  Wundenmalen  überall  dar- 
gestellt, wo  es  sich  vom  Zeitpunkt  nach  der  Kreuzigung 
handelt,  Scenen  nach  der  Himmelfahrt  nicht  ausgenommen. 
Im  Himmel  selbst  noch  zeigt  der  Sohn  dem  Vater  die 
Wundenmale.  Auf  Miniaturen,  vgl.  Waagen,  Paris  317. 
Am  absichtlichsten  werden  die  Wunden  angebracht  in  den 
Bildern,  die  den  heiligen  Thomas  darstellen,  wie  er  nicht 
glauben  will,  der  Herr  sey  auferstanden,  und  dieser  ihn  den 
Finger  in  die  Seitenwunde  legen  heisst. 

Das  Wunder  der  Stigmatisation  wird  am  augenfälligsten 
gemacht  in  den  vielen  Bildern,  auf  welchen  der  gekreuzigte 
Heiland  mit  seinen  fünf  Wunden  dem  in  Ekstase  liegenden 
heiligen  Franciscus  von  Assisi  in  der  Luft  erscheint  und 
Strahlen  aus  allen  fünf  Wunden  in  die  Seite,  Hände  und 
Füsse  des  Heiligen  von  denen  des  Heilands  ausgehen.  Wie 
wenn  die  Wolke  von  oben  sich  zum  Meere  herabsenkt  und 
dieses  von  unten  zur  Wolke  hinaufstrebt  und  beide  in  ein- 
ander wirbeln,  so  zeigt  sich  hier  in  den  höhern  Gebieten 
des  geistigen  Lebens  eine  Begegnung  des  Obern  und  Untern, 
ein  Rapport  der  Andachtsgluth  mit  ihrem  Gegenstande,  wobei 
die  Nachfolge  Christi  im  Geist  sich  auch  leiblich  zu  erkennen 
gibt  und  vornehmlich  durch  sympathetische  Einprägung  der 
Wundenmale.  Das  ist  die  Stigmatisation,  die  zuerst  dem 
heiligen  Franciscus  widerfuhr,  dann  aber  auch  vielen  andern 
Heiligen ,  der  h.  Katharina  von  Siena ,  Ida  von  Löwen  etc. ; 
noch  in  neuerer  Zeit  der  berühmten  Nonne  von  Dülmen. 
Vgl.  Görres,  Mystik  H.  410  f.  Blätter  aus  Prevorst  H.  54. 
Ennemoser,  Geschichte  des  Magnetismus  S.  195  f. 

Auf  einem  alten  Bilde  in  Gorkum  sind  die  fünf  Wunden 
am  Heiland  selber  deutlich  als  Rosen  gemalt. 

Die  Seitenwunde  des  Heilands  wurde  verglichen  mit  der 
Wegnahme  der  Rippe  aus  der  Seite  des  schlafenden  Adam. 
Augustinus  {de  civit.  Dei  XXH.  17.)  sagt,  wie  Eva  aus  Adams 
Seite,   so   ging  die  Kirche  aus  Christi  Seite  hervor.     Auch 


Wurm.  567 

die  aus  dem  Felsen  springende  Quelle  des  Moses  diente  zum 
Vorbild  der  Seitenwunde.  Beide  Vergleichungen,  die  Eippe 
wie  die  Quelle,  sind  in  der  biblia  pauperum  gebraucht. 
Heinecken,  Nachrichten  von  Künstlern  II.  25.  Ein  sehr 
sinniges  Vorbild  der  Seitenwunde  enthält  eine  Erzählung  des 
evangel.  infant.  arah.  c.  35.  Judas  Ischarioth  war  als  Knabe 
besessen  und  wurde  von  dem  gleichfalls  noch  sehr  jungen 
Heilande  geheilt,  stiess  ihn  aber  zuvor  in  die  Seite,  an  die- 
selbe Stelle,  wohin  später  Longinus  mit  der  Lanze  stach. 

In  der  christlichen  Poesie  werden  die  fünf  Wunden  mit 
Rosen  verglichen.  Erst  die  spätem  Herrnhuterlieder  haben 
eine  Menge  von  andern  Vergleichungen  dafür  gebraucht,  die 
keineswegs  immer  glücklich  gewählt  waren.  Insbesondere 
wurde  die  Seitenwunde  missbraucht  zu  Vorstellungsweisen, 
wie  die  von  einer  Grotte,  worin  man  bade,  von  einem  Bette, 
worin  man  ruhe,  von  einem  honigvollen  Bienenstock,  von 
einem  Nest  etc. 

Wurm, 

Sinnbild  der  Reue,  des  bösen  Gewissens.  „Ihr  Wurm  wird 
nicht  sterben.'^     Jesaias  66,  24.    Marcus  9,  44. 


Ysop, 

ein  kleines,  unscheinbares  Kraut,  das  an  Mauern  wächst, 
dem  aber  eine  reinigende  und  heilende  Kraft  einwohnt,  wes- 
halb es  von  den  Juden  symbolisch  zu  Sprengwedeln  im 
Tempel  benutzt  wurde.  2.  Mos.  12,  22.  3.  Mos.  14,  4.  Auch 
brauchte  man  es  bei  Entsiindigungen  und  Sühnen,  Psalm  51,  9. 
Wegen  seiner  Bitterkeit  reichte  man  es  dem  Heiland  am 
Kreuz  mit  dem  Schwamm  (nach  Andern  w^aren  es  Myrrhen). 
Es  dient  nun  nicht  blos  wegen  seiner  Bitterkeit  zum  Sinnbild 
des  bittern  Leidens  und  Sterbens,  sondern  auch  wegen  seiner 
ünscheinbarkeit  zum  Sinnbild  der  messianischen  Demuth,  so- 
fern der  Messias  als  Gott  menschliche  Natur  annahm  und 
sich  den  Leiden  derselben  unterzog.  Weil  aber  der  Ysop 
nach  1.  Kön.  5,  13.  aus  den  Mauern  herauswächst  und  die- 
selben mit  seinen  Wurzeln  allmählig  zerstört,  verglich  man 
ihn  mit  dem  Heiland,  der  nach  und  nach  im  harten  Gestein 
des  menschlichen  Herzens  Platz  greift  und  dessen  Wüste  zum 
Garten  Gottes  macht.  Hugo  de  S.  Victore,  de  sacram.  I.  7. 
Vincent.  Bellov.  spec.  nat.  X.  168, 


z 


Zahl. 

Was  von  Zahlensymbolik  und  Mystik  im  diristlichen 
Gebrauche  vorkommt,  ist  unter  den  einzelnen  Zahlen  be- 
merkt. Im  ^allgemeinen  tritt  diese  Zahlenmystik  in  der 
Kirche  zurück  und  nur  in  den  Sekten,  nach  dem  Vorgang 
der  kabbalistischen  und  astrologischen  Systeme  der  Juden 
und  Heiden  mehr  hervor.  Die  christliche  Kirche  legt  der 
Zahl  nur  Bedeutung  bei,  sofern  die  heilige  Wesenheit  sich 
nur  in  dieser  und  keiner  andern  Zahl  offenbart,  aber  sie 
macht  nichts  heilig  blos  deshalb,  weil  es  sich  in  eine  be- 
stimmte Zahl  schickt.  Das  ist  der  Unterschied  zwischen  der 
kirchlichen  Zahlensymbolik  einerseits  und  der  häretischen  und 
heidnischen  andrerseits. 

In  Volksliedern,  Nachtwächtersprüchen  etc.  ist  öfters  die 
Reihenfolge  der  Zahlen  biblisch  gedeutet  worden:  Eins  ist 
Gott ,  zwei  sind  Tafeln  Mosis ,  drei  sind  Patriarchen ,  vier 
Evangelisten ,  fünf  Wunden  Christi ,  sechs  Weinkrüge  von 
Cana,  sieben  Sakramente,  acht  Seligkeiten,  neun  Engelchöre, 
zehn  Gebote,  elf  tausend  Jungfrauen,  zwölf  Apostel.  Ziska, 
Volksmärchen  S.  95,  dessen  Volkslieder  1844.  S.  35. 


570  Zahn. 


Zahn. 


Simson  liess  aus  einem  Zahn  des  Eselskinnbackens,  mit 
dem  er  die  Philister  erschlagen  hatte,  eine  Quelle  fliessen. 
Darin  sieht  Rupert  von  Deutz,  op.  p.  256,  ein  Sinnbild  aller 
heiligen  Reliquien  (der  Knochen  der  Heiligen)  und  ihrer 
Wunder.  —  Ein  von  einer  Zange  gehaltener  Zahn  ist  At- 
tribut der  heiligen  Apollonia,  weil  man  ihr  als  Märtyrerin 
die  Zähne  ausriss.  Sie  wurde  daher  auch  Schutzpatronin 
gegen  Zahnweh.  Auch  der  heiligen  Augusta  wurden  die 
Zähne  ausgerissen.    27.  März. 

Zange, 

als  Marterinstrument  Attribut  vieler  Heiligen ,  die  mit  Zangen 
zerrissen  wurden,  des  heiligen  Felicianus,  Pelagius,  der  hei- 
ligen Agatha,  Charitina,  Christina,  Macra,  Martina.  Als 
Handwerkszeug  Attribut  der  Heiligen  Apelles,  Baldomer  und 
Elysius,  welche  Schmied,  Schlosser  und  Goldschmied  waren. 
Auch  Attribut  des  heiligen  Dunstan ,  der  den  Teufel  mit  der 
Zange  an  der  Nase  packte. 

Zehn, 

heilige  Zahl  bei  den  Juden ,  wie  auch  bei  den  Heiden.  Vor- 
zugsweise die  runde  Zahl ,  Princip  des  Decimalsystems.  Vgl. 
Bahr,  mosaischer  Cultus  I.  175  f.  v.  Bohlen,  Genesis  S.  67. 
Die  Mystik  der  Zahl  10  ist  am  weitesten  getrieben  worden 
in  der  jüdischen  Kabbalah.  Darin  spielen  die  drei  obern  und 
die  drei  untern  Kräfte  (3  -|-  7  =  10)  oder  Sephiroth  die  Haupt- 
rolle. Vgl.  Blätter  für  höhere  Wahrheit  IV.  107.  Das  geht 
aber  die  christliche  Symbolik  nichts  an.  Wir  haben  von  Moses 
nur  adoptirt  die  zehn  Gebote  und  die  zehn  Plagen  Aegyptens, 
von  Abraham  aber  den  Zehnten,  den  er  zuerst  an  den  Priester 
Melchisedek  gab.     1.  B.  Mosis  14;  20.    5.  B.  Mosis  14,  22. 


ZlnsgrroBChen,  der.  571 


Ziegel, 

Attribut  des  heiligen  Eusebius  von  Samosata,  weil  ihn  die 
Arianer  mit  einem  Ziegel  steinigten.  Auch  des  heiligen  An- 
tonius von  Padua,  weil  der  Ziegel ,  auf  dem  er,  fälschlich 
angeklagt,  vor  Gericht  kniete,  zu  wackeln  anfing  und  sich 
nie  wieder  fest  machen  liess.     P.  Abraham,  Judas  I.  397. 

Zinsgroschen,  der. 

Als  Jesus  nach  Jerusalem  gekommen  war  und  das  allge- 
meinste Aufsehen  erregte,  beriethen  sich  die  Schriftgelehrten, 
Pharisäer  und  Sadducäer,  wie  sie  ihn  beschämen  und  in  der 
Meinung  des  Volkes  vernichten  wollten.  Da  traten  zuerst  die 
Pharisäer  heuchlerisch  an  ihn  heran,  rühmten  und  priesen 
ihn  und  stellten  ihm  die  verfängliche  Frage:  ob  man  noch 
ferner  dem  römischen  Kaiser  Zins  zahlen  solle  (oder  ob  es 
schon  an  der  Zeit  sey ,  sich  etwa  unter  seiner  Herrschaft  für 
unabhängig  zu  erklären)?  Hätte  er  gesagt,  man  solle  den 
Römern  nicht  mehr  zinsen.  So  hätten  sie  ihn  als  Rebellen 
denuncirt.  Hätte  er  aber  gesagt,  man  solle  zinsen,  so  hätten 
sie  ihn  beim  Volke,  das  von  ihm  die  politische  Befreiung  und 
weltliche  Emancipation  hoffte,  verdächtigt.  Jesus  aber  sprach: 
,,Zeiget  mir  einen  Zinsgroschen!"  und  als  er  ihn  erhielt,  frug 
er:  „Wessen  ist  das  Bild  darauf?"  Die  Pharisäer  antwor- 
teten: „Des  Kaisers."  „Nun  also,"  sprach  Jesus,  „so  gebet 
dem  Kaiser  was  des  Kaisers,  und  Gott  was  Gottes  ist." 
Matth.  22,  15  f.  Marc.  12,  13.  Lucas  20,  19.  —  Das  ist  das 
Fundament  der  christlichen  Lehre  vom  Verhältniss  des  Staats* 
zur  Kirche. 

Das  berühmteste  Bild  vom  Zinsgroschen  ist  das  von  Ti- 
tian  in  Dresden.  Jesus  überrascht  eben  die  Pharisäer  mit 
seiner  Erklärung ,  indem  er  sie  ruhig  und  fest  mit  der  ganzen 
Ueberlegenheit  seines  Geistes  und  doch  ohne  alle  Ostentation 
anblickt,    sie    aber    die    getäuschte    Ei:wartung    ausdrücken. 


572  Zügel. 

Während  sie  hofften,  ihn  zu  berücken,  sehen  sie  sich  selbst 
beschämt,  und  die  höhnische  Freude  erscheint  auf  einmal  als 
verschmitzte  Dummheit.  Die  Pharisäer  haben  übrigens  hier 
von  Natur  edel  angelegte  und  nur  durch  ihre  Laster  corrum- 
pirte  Gesichter  (vgl.  Mosen,  Dresdner  Gal.  32.).  Ein  Bild 
von  Prete  Genovese  im  Pallast  Durazzo  in  Genua  fasst  den 
ersten  Moment  der  Frage  auf  und  legt  in  die  Gesichter  der 
Pharisäer  die  lauernde  Schadenfreude. 

Ein  Bild  des  Zinsgroschen  malte  auch  Rubens  schön  und 
grossartig,  aber  viel  zu  theatralisch.  Während  Titian  auf  die 
geistreichste  Weise  die  feine  Hand  des  Heilandes  nur  dem 
Zinsgroschen  nähert,  ohne  ihn  zu  berühren,  lässt  Rubens  ihn 
den  Zinsgroschen  mit  Pathos  in  die  Höhe  heben  und  decla- 
miren:  „Gebt  dem  Kaiser  etc.^  Nach  dem  Kunstblatt  1823. 
Nr.  72.  scheint  sich  dieses  Bild  in  Königsberg  zu  befinden. 

Zügel, 

Attribut  der  temperantia,  dadurch  unter  den  christlichen  Tu- 
genden kenntlich.  Das  wilde  Ross  der  Begierde  wird  gezügelt. 

Zunge. 

,,Ein  kleines  Glied  und  richtet  grosse  Dinge  an.  Ein  klein 
Feuer  und  welchen  Wald  zündet  es  an?  Ein  Feuer,  eine 
Welt  voll  Ungerechtigkeit.  Alle  Thiere  und  Meerwunder 
werden  gezähmt ,  aber  die  Zunge  kann  kein  Mensch  zähmen, 
das  unruhige  Uebel  voll  vom  tödtlichen  Gifte. '^  Jacobi  3, 
5  —  8.  —  Bei  der  Ausgiessung  des  heiligen  Geistes  empfingen 
die  Jünger  feurige  Zungen,  auf  vielen  Bildern  fallen  Flämm- 
chen  gleich  feurigen  Zungen  auf  sie  nieder.  Das  ist  die  von 
jener  Erbsünde  rein  gewordene,  nur  noch  dem  göttlichen 
Wort  dienende  Zunge.  Wer  von  Gottes  Geist  voll  ist,  be- 
darf nicht  einmal  der  irdischen  Zunge.  Der  heilige  Aigulf 
und  der  h.  Romanus  predigten  noch  fort,  die  h.  Christina 
sang  noch  fort,   obgleich  ihnen  die  Zunge  ausgerissen  war. 


Zwölf.  573 

Auch  dem  h.  Livinus  wurde  die  Zunge  ausgeschnitten,  und 

dem  h.  Placidus. 

• 

Zwei. 

Der  Dualismus  tritt  in  der  christlichen  Symbolik  bei 
weitem  hinter  der  Trinität  zurück.  In  der  Regel  handelt  es 
sich  hier  nur  von  einem  massenhaften  Gegensatz  des  Him- 
mels und  der  Erde  oder  des  Himmels  und  der  Hölle,  der 
Tugenden  und  Laster,  des  Reiches  Gottes  und  der  Welt,  des 
Christenthums  und  Heidenthums  (oder  Judenthums)  etc. ;  oder 
um  eine  Parallele,  das  alte  Testament  neben  dem  neuen,  die 
Propheten  neben  den  Aposteln.  Darauf  wird  denn  auch  in 
der  Baukunst,  wo  der  Gegensatz  zweier  Seiten  oder  die  Zu- 
sammenfügung zweier  Glieder  symbolisch  gedeutet  werden 
soll,  Rücksicht  genommen.  Thürflügel  z.  B.  stellen  das  alte 
und  neue  Testament  dar.  An  den  durch  die  Pforte  geschie- 
denen Seiten  stehen  die  klugen  Jungfrauen  hier,  die  thörichten 
dort.  Vgl.  Kreuser,  Kirchenbau  I.  520.  Die  Zweiheit  wird 
auch  oft  durch  Kreuzung  ausgedrückt.  So  sind  die  beiden 
Schlüssel  Petri  stets  über  das  Kreuz  gelegt. 

Zwölf, 

eine  heilige  Zahl  bei  den  Christen,  wie  bei  den  Juden  und 
Heiden.  Sie  eignet  sich  für  eine  Menge  von  Verhältnissen, 
indem  sie  eine  gewisse  Mitte  zwischen  viel  und  wenig  ein- 
nimmt und  hauptsächlich,  weil  sie  mit  den  zwei  Hauptzahlen 
drei  und  vier  zugleich  dividirt  werden  kann.  Sie  findet  sich 
daher  in  Naturverhältnissen,  wie  in  geschichtlichen  und  in 
Religionssystemen,  ohne  dass  darum  ihr  Vorkommen  hier  von 
ihrem  Vorkommen  dort  abgeleitet  zu  werden  braucht.  Die 
zwölf  Monate  z.  B.  sind  vielleicht  auf  die  zwölf  Hauptgötter 
der  Heiden,  aber  schon  nicht  mehr  auf  die  zwölf  Stämme 
der  Juden,  und  nur  mit  symbolisir ender  Absichtlichkeit,  aber 
keineswegs  aus  einer  innern  Nothwendigkeit  auf  die  zwölf 
Apostel  zu  beziehen.     Die  Zwölf  als  Grundzahl  des  neuen 


574  Zwölt 

JervsaJcm  ncist  mof  die  .^^postel  zurück.  Oöenb.  Joh.  21.  12 
Die  ricnmdirwaiizig  Aeltesten  derselben  Offenbarung  sind  zu- 
sanuncngeMimi  «b  den  r^olf  Söhnen  Jacobs  des  alten  Testa- 
ments und  »OS  den  Äwolf  Aposteln  des  neuen .  nach  Ditrandi, 
raL  L  3^  &  —  Für  christliche  Symbolik  bedeutsam  ist  die 
Muhiplicaition  der  3  mit  der  4  in  der  12.  Drei  ist  nemlich 
die  Zahl  der  GotÜi^,  xier  die  Zahl  der  TVelt,  die  somit  in 
der  Zwölf  sich  ToUkommen  durchdringen.  Vgl.  Bahr,  mo- 
suscher  Cnhus  L  201  t  Diese  Durchdringung  ist  zu  unter- 
adieidcn  tosbl  ihrer  blossen  Addirung  beider  in  der  Zahl 
Sdwn» 


Heiligen-Register.  "^0 


Abdon,   siehe  Löwe  Th.  IL  S.  39. 

Schwert  359. 
Accursius,  Schwert  IL  359. 
Ada,  Rose  IL  282. 
Adalbcrt    von    Prag-,     Keule    474. 

Ochs  IL  166.    Regen  264. 
Adelehiius,  Lanze  IL  9. 
Adelgunde,   Fhiss   299.      Schleier 

IL  332.     Taube  437. 
Adelheid,  Eis  232.     Hirsch  405. 
Adelrand,  Schwalbe  IL  352. 
Adjutor,  Kette  474. 
Adrian,  Ambos  53.    Erdbeben  25L 

Hand  370.    Taube  IL  443. 
Aegidius,  Hirsch  405.   Lilie  IL  32. 
Aemilianus,    Balken    104.      Baum 

119.  Löwe  IL  39.   Schlange  332. 
Aeolus,  Rose  IL  284. 
Afra,  Baum  120.     Feuer  282. 
Agapa,  Topf  IL  504. 
Ag-apitus,  Feuer  282. 
Agatha,    Aussatz   95.     Brust   158. 

Feuer    284.      Schleier    IL    332. 

Topf  504.    Zange  570. 
Agatha  a  Crucc,  Schmach  IL  336. 
Agathon,  Kreuz  534.     Kuss  538. 


Agathopidus,  Mühlstein  IL  149. 
Agilolf,  Falke  267. 
Agnafletis,  Kohlen  503. 
Agneda,  Brust  159. 


Schwan 


Agnes 

Agnes    von    St.   Angelo, 

IL  357. 
Agnes  von  Böhmen,  schweben  IL 

353. 
Agnes  a  Jesu,  Pferd  IL  220. 
Agnes    a  Monte  Pulciano,   Abend- 
mahl 12. 
Agnes  von  Venosa,  Feuer  283. 
Agricolus,   Storch  IL  418. 
Aidanus,  Baum  120.  Regen  IL  264. 

Wasser  534. 
Aigulf,  Predigt  IL  240.  Zunge  572. 
Albanus  a  rupe,  Brust  158. 
Albanus,  Kopf  506. 
Albert,  der  Einsiedler,  Brodt  153. 

Hase  374. 
Albert  von  Ogna,  Abendmahl   12. 

Glas  336.    Sense  IL  365.    Stein 

409. 
Albert  Siculius,  Lihe  IL  33. 
Albert  von  Vercelli,  Messer  IL  126. 
Albinus,  Regen  IL  264. 
Aldegunde,  Wasser  IL  534. 


*)  Es  sind  darunter  auch  einige  wenige  Namen  von  niclit  heilig,  sondern  nur  selig 
Gesprochenen,  ihrer  Bedeutung  in  der  Legende  und  Kirchenmalerei  wegen  auf- 
genommen worden. 


576 


Heiligen- Regist  er. 


Alena,  Arm  82. 

Alesio  Falconieii,  Taube  IL  443. 

Alexander,    Alter   52.      Kopf  505. 

Rose  IL  284.     Schwert  358. 
Alexander  der  Papst,  Kette  474. 
Alexander  der  Akömet,  Räuber  IL 

257. 
Alexander  von  Haies,  Hostie  418. 
Alcxius,  Treppe  IL  507. 
Aleydis,  Abendmahl  12. 
Aloysius  Gonzaga,  Lilie  IL  33. 
Amabilis,  Sonnenstrahl  IL  394. 
Amadeus,  Handschuh  372. 
Amalberga,  Fisch  290. 
Amandus,  Räuber  IL  257. 
Amanlius,  Pech  IL  206. 
Amatus,  Sonnenstrahl  IL  394. 
Ambrosius,    Bienen    131.     Geissei 

321.    Kirchenväter  489. 
Ambrosius  von  Sicna,  Braut  150. 
Ammon,  Drache  211. 
Anastasia,  Brust  158.     Feuer  282. 
Anastasius,  Hand  371. 
Anatolia,    Fackel    266.     Schlang-e 

IL  331. 
Anatolius,  Kohlen  504. 
Andreas,  Apostel  59.   Pferd  IL  222. 
Andreas    von    Sales ,    Hagel    365. 

Schmach  IL  335. 
Andromarus,  blind  138. 
Andronicus,  Löwe  IL  39. 
Angela  von  Foligno,  Abendmahl  12. 

Auge  93.    Hostie  419.    Schwere 

IL  416. 
Angelus,  Beil  123.   Fisch  191.    Li- 
lie IL  33.    Predigt  241. 
Anna  62. 

Anna  Almeida,  Löwe  IL  39. 
Ansovinus,  Korn  509.    Scheuer  IL 

320. 
Anthemus,  Schuh  IL  352.  Schwert 

258. 
Antipas,  Ochs  IL  166. 
Antonia,  Fass  269. 
Antoninus,  Waage  IL  530. 
Antonius  der  Grosse  67. 
Antonius  von  Padua,  Bienen  130. 

Esel  255.  Fisch  290.  Frosch  302. 
-^  Hostie  420.    Lihe  IL  33.   Thiere 

481.    Ziegel  571. 
Apelles,  Schmied  IL  337.  Zange  570. 
ApoUonia,  Zahn  IL  570. 
Apollinaris,  Keule  474.    Korn  508. 

Rabe  IL  255. 
Apollinaris,  Verkleidung-  IL  514. 
Appia,  Stein  IL  409. 


Aquilina,  Ohr  IL  172. 
Aquilinus,  blind  137.    Schwert  IL 

359. 
Arcadiua,  Keule  474. 
Ariadne,  Fels  279. 
Arnold,  Drache  211.    Fisch  292. 
Arnulfus,  Baum  120. 
Artemius,  Schwert  IL  359. 
Athanasia,  Stern  IL  416. 
Athanasius,  Cypresse  199.    Taube 

IL  439. 
Attracta,  Hirsch  406.  Thiere  IL  481. 
Aug-usta,  Zahn  IL  570. 
Augustinus,  Feig-e  278.    Herz  390. 

Kirchenväter  491.   Taube  IL  439. 
Aurea,  Lanze  IL  10.  Mühlstein  149. 
Austerberla,  Fluss  299. 
Auxilius,  Ameise  54. 
Aventinus,  Thiere  IL  481. 
Avitus,  taubstumm  IL  446. 


Babolenus,  Mauer  IL  115. 

Balbina,  Kette  474.     Kropf  533. 

Baldomer,  Vogel  IL  527.  Zange  570. 

Balthasar  499. 

Barbanaria,  Schnee  IL  339. 

Barbara  105. 

Barlaam,  Hand  371. 

Bartholomäus,  Apostel  110. 

Bartholomäus  Cerverini,  Kreuz  522. 

Basilius,  Kopf  505.    Taube  IL  439. 

Basiliscus,  Baum  119.  Platane  IL 
239. 

Basilissa,  Brust  158. 

Basilius,  Delphin  208. 

Basolus,  Bär  103. 

Bassus,  Nagel  IL  155. 

Bavo,  Baum  119. 

Beanus,  Vögel  IL  527. 

Beata,  Kette  474. 

Beatrix,  Herz  390. 

Beatus,  Drache  211. 

Beda,  blind  137.    Predigt  IL  240. 

Bellanda,  Kerze  473. 

Benedek,  Beutel  127.    Brücke  154. 

Benedikt,  Adler  34.  Beil  123.  Dor- 
nen 208.  Glas  336.  Heuschrecken 
392.    Kelch  469.    Rabe  IL  254. 

Benedikta,  Kreuzigung  528. 

Benignus,  Fahne  267.  Hund  424. 
Löwe  IL  39.    Schlüssel  334. 

Benno  von  Meissen,  Fisch  292. 
Schlüssel  IL  335. 


\ 


Heiligen-Register. 


577 


Benno  von  Osnabrück,  Heuschrek- 

kcn  392. 
Berach ,  Schnee  II.  339. 
Bercarius,  Beil  123. 
Bernhard,  Bienen  131.    Brust  158. 

Eiche  229.   Hase  374.    Hund  424. 

Maria  II.  106.    Rad  256. 
Bernhard    von    Constanz,     Spinne 

IL  402. 
Bernhard  von  Tironio,  Wolf  IL  564. 
Bernhardin,  IHS  444.  Sonne  IL  341. 
Berlulf,  Adler  34.     Blitz   140. 
Bibiana,  Hand  371.    Opfer  IL  174. 
Bieuzy,  Kopf  504. 
Blandina,  Ochs  IL  166.    Thier  482. 
Blasius,  Hals  367.  Hechel 375.  Kerze 

473.    Löwe  IL  .39.    Thiere  482. 
Bonaventura,  Abendmahl  12.  Engel 

249. 
Bonifacius,  Buch  159.    Fuchs  304. 

Rabe  IL  254. 
Bonifacius  von  Russland,  blind  138. 
Bonizella,  Biene   130. 
Borromeo,  s.  Carlo. 
Bova,  Schleier  IL  333. 
Brandanus,  Fisch  290.  Geruch  333. 

Schiff  IL  321.    Vog-el  527. 
Brig-ida,  Aug-e  94.  Ente  250.   Feuer 

284.    Fuchs  303.    Gans  310. 
Brigitla,    Geruch   334.     Herz   389. 

Kopf  505.    Kranz  510.    Pilger  IL 

236.    Scheuer  320. 
Briocus,  Säule  IL  297. 
Britius,  Kohlen  503. 
Britta,  Dornen  208. 
Bruno,  Esel  256.  Fluss  299.  Kreuz 

522.    Palme  IL  184.    Stern  416. 


Cadocus,  Wolf  IL  563. 

Cäcilia  163.    Armuth  84.    Bad  102. 

Engel  249.    Orgel  IL  174. 
Cajus,  Schwert  IL  358. 
Calistratns,  Delphin  204. 
Calixtus,  Mühlstein  IL   149. 
Caninus,  Spinne  IL  403. 
Canut,  Lanze  IL   10. 
Capitoleon,  Auge  94. 
Capistranus,  Fahne  267.  Kreuz 522. 

Leichnam  II.  21. 
Caprarius,   Fuss  308. 
Carlo  Borromeo,  Pest  IL  210. 
Carterius,  Engel  249. 
Casilda,  Rose  IL  282. 

Menzel,  christl.  Symbolik.  II. 


Caspar  499.     Strauss  IL  418. 
Cedmon,  singen  IL  383. 
Cerbonius,  Bär  102- 
Ceroyra,  Bär  102. 
Chalcedonius,  Kopf  505. 
Charalampius,  Pferd  IL  222. 
Charitas  338.    Granate  359. 
Charilina,  Feuer  282.   Zange  IL  570. 
Charilon,  Räuber  IL  258.  Schlange 

332 
Chris tina,  Eiche  229.    Löwe  IL  39. 

Magd56.  Mühlstein  149.  Schlange 

331.    Zange  570.    Zunge  572. 
Christina  mirabihs,  Vögel  IL  527. 
Christoph   174. 

Chrysanthus,  Fackel  266.  Kette  474. 
Chrysogonus,  Fisch  290. 
Clara,  Crucifix    199.    Dreieinigkeit 

214.  Herz  389.  Monstranz  IL  138. 

schweben  353. 
Clareta,  blind  138. 
Clemens,  Acker  62. 
Cletus,  Blut  145.    Geld  325. 
Cölestinus,  Glocke  342.    Taube  IL 

439. 
Coleta,   Aussatz  95.     Geruch  333. 

Lerche  IL  24. 
Colganus,  Fisch  291. 
Colomanus,  Baum  119.    Ente  250. 

Geburt  314.    Gürtel  362.   Räuber 

IL  258. 
Columba,    Bär    102.      Feuer   282. 

Finger  285. 
Columba  von  Rieti,  Abendmahl  12. 

Taube  IL  444. 
Columban,  Bär  102.    Blumen   142. 

Kette  474.    Sonne  IL  391. 
Comgallus,   Fisch   291.     Milch  IL 

132.    Topf  504.      ' 
Conon,  Fuss  305. 
Conrad,  Fisch  291. 
Conrad  von  Constanz,   Kelch  469. 
Conrad,  Cardinal,  Finger  285. 
Constantius,  Lampe  IL  9.    Schwert 

358. 
Corbinianus,  Adler  34.    Bär  103. 
Cornelius,  Schwert  IL  358. 
Corona,  Baum  120. 
Coronatus,  Lanze  IL  10. 
Cosmas  undDamianus,  Büchse  160. 

Krankheit  510. 
Cospianus,  Geld  325. 
Cuanus,  Hirsch  406. 
Cunibert,  Taube  IL  438. 
Cuthbert,  Adler  34.    Säule  IL  297. 

Schwan  352. 

37 


578 


Heiligen-Register. 


Cyprianus  200.    Schwert  IL  358. 
Cyriacus,  Drache  211.    Stah  IL  407. 

Teufel  478. 
Cyrilla,  Hand  371.    Opfer  IL  174. 


Dagobert,  Na^el  IL  155. 
Damianas,  Büchse  160. 
Dardulacha,  Kohlen  503. 
Daria,  Löwe  IL  39. 
David,  Bienen  131.  Handschuh  372. 

Predigt  IL  240.  Sonnenstrahl  394. 

Taube  439. 
Demetrius,  Lanze  IL  10. 
Deodatus,  Kropf  534. 
Desiderius,  Schwert  IL  358.  Strick 

419. 
Didymus,  Schlange  IL  331.   Thiere 

480. 
Digma,  Teufel  IL  478. 
Dionysius,  Kopf  506. 
Dismas,  Schacher  IL  316. 
Domicilla,  Kessel  473. 
Dominica,   Abendmahl    12.     Seele 

IL  475. 
Dominicus,  Biene  131.    Brust  158. 

Geburt  315.    Hund  424.     Kerze 

473.   Kind  477.  Sperling  IL  400. 

Teufel  478. 
Domitian,  Drache  211. 
Domno,  Kopf  505. 
Donatianus,  Lanze  IL  10. 
Donatus,  Bär  103.  Blitz  140.  Drache 

211.    Glas  336.   Kelch  470.    Rad 

IL  256. 
Dorothea,    Apfel  71.      Braut   150. 

Rose  IL  283. 
Drogo,  Hirl  407. 
Dunstan,  Teufel  IL  478.  Zange  570. 


Ecianus,?Hirsch  406.    Pflug  IL  224. 

Edeltrudis,  Hals  368. 

Edigma,  Baum  119.    Weide  IL  535. 

Editha,  Mond  IL  136. 

Edmund,  Geburt  314.  Pfeil  IL  219. 

Eduard,    Baum    120.      Kelch   470. 

Kropf  533. 
Elenara   und    Sponsaria,    Schwert 

IL  359. 
Elenus,  Mantel  IL  75. 
Eleutherius,  Aussatz  95.    Ochs  IL 

166. 


Eligius,  Gold  346.  Schmied  IL  337. 
Elina,  Finger  285. 
Ehp,  Kopf  506. 

Elisabeth,  Armuth  84.    Aussatz  95. 
Korb  508.     Krone   532.     Mantel 
IL  76.    Rose  282. 
Elisabeth  von  Portugal,  Ofen  IL  172. 
Elmo  235. 

Elysius,  Zange  IL  570. 
Enicrita,  Schleier  IL  333. 
Emmeran,  Fluss  299.  Lanze  IL  11. 

Leiter  24.    Schift'  322. 
Emilion,  Schwein  IL  355. 
Engratia,  Asche  86.    Nagel  IL  155. 
Enora,  Brust  158.    Milch  IL  132. 
Enseus,  Lilie  IL  33. 
Epimachus,  Nagel  IL  155. 
Epiphanius,  Auge  94. 
Epistene,  blind  138.    Nacktheit  IL 

154. 
Erasmus,   Drache  211.    Elmsfeuer 

236.    Gedärme   319.     Kette  474. 

Löwe  IL  39. 
Ethelwald,  Adler  34.    Fahne  267. 
Eudoxia,   Abendmahl  12.     Drache 

212.    Hostie  422. 
Eugendus,  Geruch  334. 
Eugenia  256.    Verkleidung  IL  514. 
Eugenius,  Keule  474. 
Eulalia,   Kreuzigung  528.     Taube 

IL  443. 
Eulogius,  Aussatz  95.  Lanze  IL  10. 
Euortius,  Taube  IL  439. 
Euphemia,  Bär  102.  Erdbeben  251. 

Lanze  IL  10.  Löwe  39.  Magd  56. 

Schwert  359.  Thiere  482. 
Euphrasia  258. 

Euphrosyna,  Verkleidung  IL  513. 
Eusebia,  blind  138. 
Eusebius,    Glas   336.     Keule  474. 

Sichel  IL  376.    Ziegel  571. 
Eustachius,   Crucifix    199.     Hirsch 

406.    Ochs  IL  166. 
Eutropia,  Fackel  266. 
Eutropius,  Baum  199.    Fuss  305. 
Evaristus,  Schwert  IL  358. 
Evasius,  Brunnen  156.  Schwert  IL 

358. 
Evermarus,  Hirsch  406. 
Excelsus,  Wein  IL  549. 


Fabianus,  Taube  IL  439. 
Falconia,  Kreuzigung  528. 


Heiligren -Regist  er. 


579 


Fausta,  Kessel  473. 

Fauslinus,  Lilie  IL  33.   Löwe  39. 

Felieianus,  Hirsch  405.  Löwe  IL  39. 
Zan^e  570. 

Felicitas,  Geburt  315.  Kiiss  540. 
Mutter  II.  150. 

Felix,  Hirsch  406.  Kopf  506.  Nim- 
bus II.  163.  Schwert  358.  Spinne 
403.    Wein  549. 

Feng-ar,  Hirsch  406. 

Fiacre ,  Gärtner  309. 

Fides,  Glaube  338. 

Fides,  Mohrin  IL  275. 

Filumena,  Pfeil  IL  219. 

Fina,  Blumen  142. 

Fingar,  Stab  IL  406. 

Finianus,  Finger  285. 

Fir.mius,  Schwert  IL  358. 

Flavianus,  Schwert  IL  258. 

Flores.  Hirt  407.  Sonnenstrahl 
IL  394. 

Florentius,  Bär  103. 

Florianus,  Feuer  284.  Mühlstein 
IL  149.     Pferd  221. 

Florus ,  Adler  34. 

Foillanus,  Licht  II.  30. 

Franchea,  Schleier  IL  333. 

Francisca,  Engel  249.  Lilie  IL  33. 
Monstranz   138. 

Franciscus  von  Assisi,  Armulh86. 
Aussatz  94.  Crucifixl98.  Dornen 
208.  Eiche  229.  Engel  249.  Fuchs 
303.  Hase  374.  Kind  477.  Krippe 
529.  Lamm  IL  8.  Lerche  24.  Pal- 
me 182.  Rose  283.  Schwalbe  352. 
schweben  353.  Schwert  359.  Thie- 
re  481.  Vögel  527.  Wolf  564. 
Wunden  566. 

Franciscus  a  cruce,  Kreuz  521. 

Franciscus  von  Fabriano,  Scorpion 
IL  359. 

Franciscus  de  Grotli,  blind  138. 

FranciscusOvarius,  Veilchen  IL 5 13. 

Franciscus  de  Paula,  Geld  325. 
Mantel  IL  75. 

Franciscus  von  Sales,  Dornen  209. 
Herz  390. 

Franz  Xaver,  Erdbeben  251.  Kreuz 
522.    schweben  IL  353. 

Fridolin,  Leichnam  IL  21. 

Friedrich  von  Utrecht,  Schwert  IL 
359. 

Frinnius,  Bär  103. 

Frontasius,  Kopf  506. 

Fructuosus,  Feuer  283.    Hase  374. 

Fulbert,  Brust  158. 


G 


Gabriel  308. 
Galla,  Bart  HO. 
Gallicanus,  Lanze  IL  10. 
Gallus,  Bär  103-    Pilger  IL  236. 
Gandolf,  Schwalbe  IL  352. 
Gaucherius,  Glocke  342. 
Gebhard,  Fluss  299. 
Geminianus,  Erdbeben  251.    Spie- 
gel IL  402. 
Genesius,  Schauspieler  IL  318. 
Gengulf,  Lanze  IL  10. 
Genoveva,    Engel   249.     Hirt   407. 

Lamm  IL  8.  Lampe  9.  Teufel  478. 
Genoveva,  Hirsch  405.  ' 

Genulf,  Fuchs  304. 
Georg  325. 

Georgia,  Taube  IL  438. 
Gerardesca,  kniecn  495. 
Gerasimus,  Löwe  IL   39. 
Gereon,  Brunnen  156.  legio  IL  18. 
Gcrius,  Bär  103. 
Gerlach,   Asche  86.     barfuss    108. 

Baum  119. 
Germanus,  Mauer  IL  115. 
Gertrud,  Lilie  IL  33.    Maus  116. 
Gertrud    von    Osten ,     Brust    158. 

Herz  389. 
Gervasius,  Keule  474. 
Gildas,  Mühle  IL  148. 
Glyconia,  Löwe  IL  39. 
Goar,    Hirsch    405.     Sonnenstrahl 

IL  394.    Topf  504. 
Gobdeleas,  Pferd  IL  221. 
Gobinate,  Bienen   131. 
Godcrich,  Schlange  IL  332.  Thiere 

481. 
Goericus,  Auge  94. 
Gonsalvus,  Fels  279.   Wein  IL  549. 
Gottfried  von  Amiens,  Hund  424. 
Gotthard,  Fluss  299. 
Gregor    der    Grosse,    Hostie    418. 

Kirchenväter  492.    Lampe  IL  9. 

Taube  439. 
Gregor  von  Agrigent,  Kohle  504. 
Gregor  von    Ostia,   Heuschrecken 

392. 
Gregor  auf  dem  Stein,  Fisch  292. 

Stein  IL  409. 
Gregor    Thaumaturga,    Berg    125. 

Leichnam  IL  21.    Säule  297. 
Guanora,  Grab  356. 
Gualterius,  Fisch  291. 
Gudula,    Baum    119.     Engel   249. 


37 


« 


580 


Heiligten -Register. 


Haar  365.    Lampe  IL  9.    Pappel 

187.     Sonncnslrahl  394.     Teufel 

478. 
Gudwalus,  Räuber  IL  258. 
Gutlach ,  Schwalbe  IL  352.    Vögel 

527. 


H 


Hadrianus,  Delphin  204. 

Hedwig-,  barfuss   108. 

Heinrich,  Fing-er  285.    Handschuh 

374. 
Heldrad,  Schlange  IL  332. 
Helena,  Kreuz  511. 
Helenus ,  Kohlen  504. 
Hemiternius ,  Kopf  505. 
Hergeir,  Reg-en  IL  264. 
Hermann  Joseph,    Apfel  71.    Beil 

123. 
Hermene^ild,  Beil  122. 
Herväus,  Frosch  302. 
Hieronymus    488.      Löwe    IL    38. 

Stein  409.    Todtenkopf  502. 
Hieronymus  von  Nami,  Herz  390. 
Hih\rion,  Drache  211.    Geruch  334. 

Pferd  IL  222. 
Hilarius,  Fluss  299.     Schlange  IL 

331.     Taube  439.    Wein  549. 
Hildegunde,  Baum  120.  Engel  249. 

Kamm  466. 
Hippolyt,  Pferd  IL  221.    Schlüssel 

334. 
Hormisdas ,  Kameel  466. 
Hubertus,  Crucifix  149.  Hirsch  405. 

Hund  424.    Schlüssel  IL  334. 
Hugo,  Blitz  140.    Schwan  IL  352. 

Wolf  564. 
Humbert,  Bär  103.    Stern  IL  416. 
Hyacinthus  .  Auge  94.    Hagel  365. 

Mantel  IL  75.    Maria  106.    Was- 
ser 534. 
Hymcrius,  Glocke  342. 


Jacob  430.    Säule  IL  296. 

Jacob  von  Bergamo,  Pfeil  IL  219. 

Jacob  von  Cerquelo,  Frosch  302. 

Jacob  de  Marchia,  Kelch  469. 

Jacob  martyr ,  Hand  370. 

Jacob  von  Nisibi,  Bad  102.  Mücke 

IL  147. 
Jacob  deStephano,  Vögel  IL  527. 


Jacob  von  Tarantaise,  Bär  103. 
Pflug  IL  224. 

Jamblichus,  Siebenschläfer  IL  325. 

Januarius,  Baum  120.  Blut  145. 
Erdbeben  252. 

Ida  von  Löwen,  Abendmahl  12. 
Auge  93.  Braut  149.  Dreieinig- 
keit 215.  Fisch  290.  Hahn  367. 
Taube  IL  437.     Wunden  566. 

Ida  von  Toegcnburg ,  Hirsch  405. 
Rabe  IT.  255. 

Ignatius  Loyola,  Herz  389.  I  H  S 
444.    Sonne  IL  391. 

Ignatius  Theophorus,  Löwe  IL  24. 

Ildefons,  Maria  IL  105. 

Imelda,  Hostie  422. 

Injuriosus,  Grab  356. 

Innas,  Pinnas,  Rimmas,   Eis  232. 

Joannicius  ,  Licht  IL  30. 

Jodocus,  Eiche  229. 

Johanna  von  Carniola,  Leiden  IL  23. 

Johanna  a  cruce,  Braut  149. 

Johanna  von  Jesu  Maria,  Kreuz  521. 

Johanna  von  Valois,  Herz  389. 

Johannes  Chrysostomus ,  Bienen 
131.  Haar  364.  Kuss  538.  Pre- 
digt IL  241. 

Johannes  Climacus,  Leiter  IL  24. 

Johannes  Damascenus,  Hand  370. 

Johannes  de  Deo,  Christus  194. 
Dornen  208.  Glocke  342.  Schmach 
IL  336. 

Johannes  Elemosinarius ,  Beutel 
127. 

Johannes  Eremita,  Wandel  IL  74. 

Johannes,  der  Evangelist,  449. 

Johannes  de  Goto,  Lanze  IL  10. 

Johannes,  das  Lamm,  Stab  IL  406. 

Johannes  de  Matha,  Hirsch  406. 
Kette  474.    Sklave  IL  385. 

Johannes  von  Nepomuk,  Brücke 
155.     Stern  IL  416. 

Johannes  von  Paranense,  Baum  120. 

Johannes  in  puteo,  Brunnen  156. 
Palme  IL  184. 

Johannes  von  Rheims,  Drache  211. 

Johannes  Silentiarius,  Finger  285. 

Johannes  der  Täufer ^445. 

Josaphat,  Beil  122. 

Joscio ,  Rose  IL  282. 

Joseph  456.    Stab  IL  405. 

Irenäus,  Schwert  IL  358. 

Irene,  Pferd  IL  221. 

Isidorus,  Bienen  131.  Pflug  IL  224. 

Juetta,  Vögel  IL  527. 

Julia  von  Corsika,  Kreuzigung  528. 


Heiligren-Regrister. 


581 


Julia  Falconieri,  Hoslio  422. 
Juliana,  Kessel  473.  Teulel  II.  478. 
Juliana  von  Löwen,  Mond  II.  136. 
Jiilianus,  Delphin  204.   Gehurt  314. 
Julianus  von  Emesa,  Nagel  II.  155. 
Julianus  hospitalor,  Hirsch  406. 
Julianus  von  Vienne,  Thüre  IL  481. 
Julitta,  Ochs  IL  166. 
Justa,  Sonne  IL  391. 
Justina200.  Einhorn  231.  Feuer283. 
Juvenalis,  Schwert  IL  359. 
Ivo,  Sonne  IL  391. 


Katharina    von    Alexandrien    467. 

Rad  IL  256.   Taube  437.  438. 
Katharina  von  Genua,  Bad  102. 
Katharina  Riccia,  Braul  149. 
Katharina  von  Siena  468.    Wunden 

566. 
Keiwing-,  Amsel  58. 
Kellach,  Hirsch  406. 
Kentigern,  Engel  249.    Hirsch  406. 

Mühle  IL  148.  Pflug:  224.  Regen 

264. 
Kümmerniss  535. 
Kunigunde,  Feuer  283.  Handschuh 

372.    Lilie  IL  33.   Pflug-  224. 


Lambert,  Lanze  IL  10.    Pfeil  219. 
Landolin,  Tanne  IL  432. 
Landrada,  barfuss  108.   Kreuz  522. 
Laurentius,  Armuth  84.  Falke  267. 

Rost  IL  288. 
Lazarus  von  Constantinopel,  Hand 

371. 
Leodegar,  Predigt  IL  240. 
Leon,  Drache  211. 
Leonhard,  Kerker  472.  Ochs  IL  166. 

Pferd  222.    Thiere  481. 
Leufridus,  Beil  123. 
Libaria,  Erdbeben  251. 
Liberata,  Bart  HO.  Kreuzigung  528. 
Liborius,  Buch  159.    Stein  IL  410. 
Lidwina.  Abendmahl  13.  Brust  158. 

Dorn  '208.     Geruch   333.     krank 

509.    Leiden  IL  22. 
Lindamus,  Frosch  302. 
Livinus,  Zunge  573. 
Long-inus ,  Lanze  IL  10. 
Lubentius,  Schalten  IL  317. 


Lucas  IL  42. 

Lucas  Casalius,  blind  137. 

Lucas  junior,    Angel   61.     Thiere 

IL  481. 
Lucia,  Auge  94.   blind  135.   IL  43. 
Lucianus,  AbcndmahlS.  Kelch  469. 

Kopf  505.   Sonnenstrahl  IL  394. 
Ludger,  Hund  424.  Schwjin  IL  352. 
Ludrnilla,  Schleier  IL  333. 
Ludovicus,  Auge  94. 
Luitgarde,   blind   137.    Braul  149. 

Crucifixl98.  Herz  389.  schweben 

IL  353. 
Lulroinus,  Adler  34. 
Lupita,  Kohlen  503. 
Lupus,  Hostie  422.    Kelch  469. 


M 


Macarius,  Flasche  294.  Kameel466. 

Kuh  534.  Leichnam  IL  21.  Löwe 

38.    Rabe  254.    Todlenkopf  502. 

Wein  549. 
Macharius,  Aussalz  95- 
Machovius,  Wallfisch  IL  532. 
Macra,  Zange  IL  570. 
Magdalena  IL  56. 
Magdalena  de  Pazzis,  Dornen  208. 

Herz  389. 
Magnus,  Bcärl03.  Fuss306.  Schlau- 

ge  IL  331.    Stab  407. 
Magutus,  Wallfisch  IL  532. 
Malchus,  Löwe  IL  39. 
Male,  Wallfisch  IL  532. 
Marcellus,  Drache  211. 
Marciana,  Mauer  IL  115.  Ochs  166. 
Marcianus ,  Löwe  IL  40. 
Marculfus,  Hase  375. 
Marcus,  Evangelist,  IL  77. 
Marcus    Eremita,    Abendmahl    12. 

Haar  364.     Wolf  564. 
Margaretha  IL  72.  79. 
Margare tha  von  Cortona,  Auge  93. 

Leiter  IL  24. 
Margaretha  von  Ravenna,  blind  137. 
Margaretha  von  Tiferno,  Herz  389. 
Margaretha  von  Ungarn,  Magd  IL  56. 
Maria   von   Aegyplcn,   Fluss    299. 

Haar  364.  Mohr  IL  134. 
Maria  de  Corona,  Asche  86. 
Maria  von  Oegnies,  singen  IL  382. 

Thränen  486. 
Maria,  die  Sängerin,  Bohnen  148. 
Maria  Villana,  Braut  149.    Spieg-cl 

IL  402. 


582 


Heiligen -Register. 


Marianus,  Lilie  IL  33-   Thiere  481. 
Marianus  Scotus,  Finger  285. 
Marien,  die  drei  IL   110. 
Marina,   Kerze   473.    Verkleidung- 

IL  514. 
Marius,  Regen  IL  255. 
Martha,  Drache  211. 
Martina,  Adler  34.  Kranz  141.  Feuer 

282.    Löwe  IL   39.    Milch  131. 

Zange  570. 
Martinianus,  Delphin  204. 
Martinus  IL  HO. 

Maternus,  Pilg^erIL236.  Tanne  433. 
Matthäus  IL  114. 
Matthias  IL  115. 
Maura,  Thränen  IL  486. 
Maurilius,  Taube  II.  439. 
Mauritius,  Fahne  267.    leg-io  II.  17. 

Mohr  134.    Ritter  274. 
Mauritius  von  Angers,  Fisch  292. 
Maurontus,  Bienen  131. 
Maurus,  Drache  2n .  Wasser  IL  534. 
Maximius,  Bcär  103. 
Maximus,  Dornen  208.    Fels  280. 
Mechtilde,  Haar  365. 
Medardus,  Adler  34.  Taube  II.  443'. 
Meinhard,   Geruch  333.     Rabe  IL 

255. 
Melanins,  Fluss  299.  Schiff  IL  322. 
Melchior  499. 

Meles,  Fisch  290.    Kohle  503. 
Meletius,  Harnisch  373. 
Menodora,  Feuer  282. 
Mercurialis,  Drache  211. 
Merulus,  Kranz  510. 
Michael  IL  127.  530. 
Michelina,  Aussatz  95. 
Milburga,  Gans  310.    Sonnenstrahl 

IL  394. 
Miletus,  Hirsch  406. 
Modestus  Löwe  II.  39. 
Modomoc,  Bienen  130. 
Molva,  Fisch  291. 
Monica,  Gürtel  361. 
Moyses,  Messer  IL  126. 


N 


Narcissus,   Kreuz  534.    Mücke  IL 

148.    Oel  168. 
Nestor,  Kreuzig-ung-  528. 
Nicasius,  Kopf  505.    Maus  IL  116. 

singen  382. 
Nicephorus,  Bär  103.    Verzeihung- 

IL  523. 


Nicolaus,  Acker  62.  Apfel  73.  Beu- 
tel 127.   Brodt  153.    Buch  160. 

Nicolaus  von  Tolentino,  Stern  IL 
416. 

Nicomedes,  Keule  474. 

Nilus,  Regen  IL  264. 

Nonna,  Altar  51. 

Nonnosus,  Oel  IL  168. 

Norbert,  Blitz  140.  Kelch  469.  Rit- 
ter IL  275.  Spinne  402.  Teufel 
478. 

Notburga,  Arm 82.  Handschuh  372. 
Mag-d  IL  55.    Sonnenstrahl  394. 


Odilo,  Aussatz  95.    Glas  336. 

Odo,  Regen  IL  264. 

Omer,  blind  139. 

Onufrius  ,  Blatt  133.    Löwe  IL  38. 


Palme  184. 
Orini 


ra, 


Hase  374. 
krank  509. 


.„.,  Fluss  299. 
Osanna,  Braut  149. 
Ositha,  Kopf  506. 
Oswald,  Arm  83.   Hand  371.   Rabe 

IL  255. 
Otho,  Falke  267. 
Ottilia,  Auge  94.  blind  136.  knieen 

495.    Rittersporn  IL  276. 
Otto    von    Bamberg-,    Aussalz    95. 

Pfeil  IL  219. 


Pachomius ,  Geruch  334.   Krokodil 

531. 
Pancratius,  Schuh  IL  352.   Schwert 

358. 
Pantaleon,  Baum  119.  Löwe  IL  39. 

Mühlstein  149.    Nagel  155.    Oel 

168.    Rad  256. 
Paphnutius,  Berg-werk  125.    Palme 

IL  184. 
Parascius,  Drache  211. 
Pardulf,  Balken  104. 
Parthemius,  Hund  424. 
Paschahs,  Abendmahl  12. 
Passida,  Leiden  IL  23. 
Paternus,  Schlange  IL  33L 
Patricius,  Bad  102.  Leichnam  IL  21. 

Schlange  331. 
Paula,  Asche  86.    Bart  HO.    Herz 

389. 
Paulinus,  Sarg  IL  315- 


Heiligen -Register. 


588 


Paulus  200.    Wolf  IL  564. 
Paulus    Eremita,    Beg^räbniss    122. 

Blatt  133.  Löwe  IL  38.  Palme  184. 
Pclagia,  Feuer  282.   Ochs  IL  166. 
Pelag-ia  meretrix,  Schmuck  IL  337. 
Pelag-ius,  Zange  II.  570. 
Perpetua,  Kuss  540.    Leiter  IL  24. 

Ochs  166. 
Perroneta,  Eis  232. 
Petitüs,  Nebel  IL  156. 
Petrocus,  Regen  IL  264. 
Petrus  IL  211. 
Petrus    von    Alcantara,     Eis    232. 

Schnee  IL  339.     schweben  353. 

Taube  439.    Wasser  534. 
Petrus    Gonzalez,    St.    Elmo   236. 

Fisch    291.     Koth    509.     Mantel 

IL  75.    Pferd  222.    Predigt  241. 
Petrus  Martyr,  Kopf  505.    Schwert 

IL  359. 
Petrus  Nolasco,  Singen  IL  385. 
Petrus  von  Perugia,  Säule  IL  297. 
Petrus  von  Pisa,   Räuber  IL  258. 
Petrus  Teutonicus,  Nebel  IL  156. 
Petrus  Thomas,  Pfeil  IL  219. 
Philemon,  Pfeil  IL  219. 
Philippus,  Apostel  IL  227. 
Philippus  Neri,  Herz  390. 
Phocas,  Gärtner  309.  Schill' IL  323. 
Photis,  Baum  120. 
Pirminius,  Taube  IL  438. 
Placida,  Schwert  IL  359. 
Placidius,  Kopf  506. 
Placidus,  Acker  62.    Zunge  IL  573. 
Polycarpus,  Blut  146.    Feuer  282. 

Taube  IL  443. 
Pontianus,  Löwe   IL  39. 
Poppo,  Handschuh  372.    Lanze  IL 

11.    Quelle  252. 
Potamynäa,  Kessel  474.  Pech  IL  206. 
Potitus,  Taube  IL  443. 
Primus,  Hirsch  405.    Lilie  IL  33. 

Löwe  39. 
Prisca,    Adler    34.      Kamm    466. 

Löwe  IL  39. 
Priscilla,  Sarg-  IL  315. 
Probus ,  Löwe  IL  39. 
Procopius,  Hand  371. 
Proculus ,  Kopf  506. 
Prudentiana,  Braut  149. 


Quirinus,    Kette   474.      Mühlstein 
IL  149.    Pferd  221. 


Radegunde,    Todtenkopf    IL    503. 

Wolf  564. 
Rainald,  Fisch  302.    Kuss.  538. 
Rainer,  Ochs  IL  166. 
Raymund,   Mantel   IL   75.     Mund 

150.     Predigt  240. 
Regina,  Schaf  IL  217. 
Regiswinde,  Kind  476. 
Regula,  Kopf  506. 
Regulus,  Frosch  302. 
Rejul,  Hirsch  406. 
Remaclus,  Wolf  IL  564. 
Remedius,  Bär  103. 
Remigius,  Flasche  293.  Oel  IL  169. 

Sperling  400. 
Restituta,  Feuer  282.    Schiff  IL  323. 
Reynold,  Hammer  368. 
Rhodanus,  Hirsch  406. 
Richard,  Brodt  153. 
Richarius,  Asche  86. 
Rigobert,  Gans  310. 
Ripsime,  Braut  150.     Schwein  IL 

355. 
Rita,  Bienen  131. 
Ritter,  vierzig,  Eis  232. 
Rilza,  Wasser  IL  534. 
Robert,  Ring  IL  273. 
Rochus,    Hund    424.      Korb    508. 

Kreuz  522.    Pest  IL  209.    Pilger 

236.     Stab  407. 
Romana,  Taube  IL  438. 
Romanus,  Aussatz  95.    Predigt  IL 

239.    Schlange  331.    Zunge  572. 
Romuald,  Kuss  538.   Leiter  IL  23. 
Ronan ,  Wolf  IL  564. 
Rosa  von  Lima,  Baum  119.    Braut 

149.    Dornen    208.     Hahn    367. 

Mücke  IL  148.     Nachtigall  153. 

Rose  283.    Schmetterling  336. 
Rosalia,    Gebet   312.     Kranz   510. 

Rose  IL  283. 
Ruchtrud,  Hirsch  405. 
Ruffma,  Topf  IL  504 
Rufinus,  Ofen  IL  172.    Rose  284. 
Rufus,  Beil  122. 
Ruphillus,  Drache  211. 


Quintinus,  blind  136. 

Quiriacus,  Hand  370.   Löwe  IL  39. 


584 


Heiligen -Register. 


S 


Sabas,  Apfel  73. 

Sabinus,  Adler  34.  blind  137. 
Hand  370. 

Salaür,  Lilie  II.  32. 

Salinianus,  Wasser  IL  534. 

Salvator  ab  horta,  KT3hlen  503. 

Samson,  Fuchs  303. 

Samuel,  Löwe  IL  39. 

Salurninus,  Fels  280. 

Salyrus,  Hostie  422. 

Savinus,  Kette  474. 

Seholastica,  Taube  IL  443. 

Sebaldus,  Eis  23L  Glas  336.  Pil- 
ger IL  236. 

Sebastian,  Baum  120.  Pfeil  IL 
319.  360. 

Secundus,  Abendmahl  12.  Begräb- 
niss  122.    Engel  249. 

Sentius,  Lamm  IL  8. 

Serapion,  Fels  280.    Harnisch  373. 

Serenicus,  Bienen  131. 

Sergius,  Engel  249.  Fuss  305. 
Glas   336. 

Servatius,  Adler  34.  Feuer  284. 
Schlüssel  IL  334.    Schnee  340. 

Servulus,  Quelle  IL  252. 

Severianus,  Adler  34. 

Severinus",  Drache  211.  Heu- 
schrecke 392.  Kerze  473.  Licht 
IL  30. 

Scverus,  Nngel  IL  155.  Pferd  222. 
Stab  407.     Taube  439. 

Sibylla,  blind  137. 

Siebenschläfer  IL  324. 

Sigismund,  Fuss  308. 

Silanus,  Fisch  291. 

Simeon,  Bischof,  Kreuzigung  528. 

Simeon,  Einsiedler,   Löwe  IL  38. 

Simon  Stylites,  Drache  212.  Säule 
IL  297. 

Simon  Salus,  Schmach  IL  335. 

Simplicius,  Lilie  IL  33. 

Simprecht,  Wolf  IL  564. 

Sira,  Hund  424. 

Sixtus,  Schwert  IL  358. 

Sophia  IL  151.  400. 

Sophronia,  Begräbniss  122.  Blu- 
men 142.     Schwert  IL  359. 

Sozon,  Fuss  305. 

Spensippus,  Blut  145. 

Spes  IL  335. 

Stanislaus,  Adler  34.  Leichnam 
IL  21.    Schwert  358. 


Stephana,  Braut  149.     Herz  390. 
Stephanus,   Abendroth    15.     Hand 

371.   IL  410. 
Suibert,  Beil  123.    Stern  IL  416. 
Sura,  Geld  325. 
Sylvanus,  Fels  280. 
Symphorosa,  Mutter  IL  151. 
Synclctica,  13raut  149» 


Taracus,  Löwe  IL  39. 

Taria,  blind  137. 

Telcsphorus,  Keule  474. 

Thecla,  Löwe  IL  39.  Schlange  331. 

Schnee  482. 
Theobald,  Sack  IL  295. 
Theodata,  Ochs  IL  166. 
Thcodora,    Feuer   282.     Krokodill 

531.     Verkleidung  IL  515. 
Theodorus,    Drache   211.     Fackel 

266.    Fisch  292. 
Theodosia,  Mühlslein  IL  149. 
Theodosius,    Brunnen    156.     Korn 

509. 
Theodolus,  Fackel  266.    Mühlstein 

IL  149. 
Theodula,    Baum   120.      Cypresse 

200. 
Therese,  Herz  389.     schweben  IL 

353. 
Thomas,   Apostel,    Lampe    IL   9. 

Maria  105.  483. 
Thomas  von   Aquino,    Baum    119. 

Kelch  470.    Sonne  IL  391.   Stern 

416.    Taube  439.   Tugenden  509. 
Thomas  Becket,  Kopf  505. 
Thomas    von    Villanuova,    Beutel 

127. 
Tiburtius,  Kohle  503. 
Timotheus,    Drache    211.      Keule 

474. 
Tomasus,  Krug  534. 
Tommasuolo,  Spiegel  IL  402. 
Torellus,  Wolf  H.  564. 
Torpes,  Schmetterling  IL  336. 
Tozzo,  Lampe  IL  9. 
Tresanus,  Stab  IL  406. 
Trochymus ,  Buch  94. 
Trudbert,  Kreuz  534. 
Trutorca,  Spinne  IL  403. 
Tryphäna,   Brust    158.     Milch   IL 

132.    Ochs  166.     Ofen  172- 
Tyrsus,  Löwe  IL  39. 


Heil  igen -Regist  er. 


585 


U 


Ulrich,  Buch  160.     Fisch  291. 
Urbanas,  Schwert  IL  358. 
Urbanus    von   Langros,    Wein    II. 

549. 
Ursicinus,   Hals   368.      Palme    II. 

184. 
Ursicius,  Kopf  506. 
Ursula,  Fahne  267.     legio  II.    18. 

Mantel  76.    Pfeil  219.   Schiff  322. 

Taube  438. 
Ursula  Bonicasa,  Braut  149.    Herz 

389. 
Ursus,  Fahne  267.    Kopf  506. 


Valentin,  Stern  II.  416. 
Valerius,  Flasche  296. 
Vedastus,  Licht  IL  30.    Wolf  564. 
Venantius,  Fahne  267.    Quelle  IL 

252. 
Veneranda,  blind  138. 
Veremundis,  Taube  IL  439. 
Verdiana,  Schlang^e  IL  332. 
Verena,  Kamm  466. 
Veronica,   Eng-el   249.     Schweiss- 

tuch  IL  355. 
Verona,  Dame  208. 
Victor,  Kopf  506.     Mohr  IL  134. 

Schwert  358. 
Victorinus,   Altar  52.     Fahne  267. 

Hand  371.     Mörser  IL   133. 
Vincentius,  Rabe  IL  254. 
Vincentius   Ferrer,    Schmelterhng" 

IL  336.    Sonne  391. 


Vincentius  de  Paula,  Sklave  IL  385. 
Vitalls,  Keule  474.    Lilie  IL  33. 
Vitus,    Adler   34.     Erdbeben   251. 

Kessel  473.    Kind  476.   Löwe  IL 

39.    Predigt  240.  526. 
Vulstran,  Licht  IL  30. 


W 

Walburgis,  Aehre  37.    Flasche  293. 

Waltger,  Kuh  534. 

Wendelin,  Hirt  407.     Kind  476. 

Wenzeslaus,  Schwere  IL  357. 

Wereburga,  Gans  310. 

Werenfridus,  Schiff  IL  322. 

Wigbert,  Wein  IL  549. 

Wilgefortis,  Bart  110. 

Wilhelm  der  Grosse,  Harnisch  373. 

Wilhelm    von    Montpellier,    Lilie 

IL  31. 
Wilhelm    von    Tours,    Hand    371. 

Kohle  503. 
Wilhehn  de  monte  verg-ine,   Wolf 

IL  564. 
Willehard,  Glas  336. 
Willibrord,  Pest  IL  211.   Tanz  434. 
Winoch,  Mühle  IL   148. 
Woldus,  Wolf  IL  564. 
Wolfgang:,    Beil    122.      Berg    125. 

Fluss  299. 


Zeno,  Krone  532. 
Zenobius,  Ulme  IL  511. 
Zitta,  Schenkungen  IL  319. 
Zoe,  Baum   120.    Rauch  IL  262. 


Menzel,  christl.  Symbolik.    ÜK-  Aiil 


38 


Berichtigungen. 
I.    Theil. 

Seite  17  Zeile  9  von  oben  lies  Abraham  statt  Adam 

S.   18  Z.  2  V.  0.  1.  Ar'mghi 

S.   44  Z.   2   V.  o.  1.  Matterhorn 

S.  61  Z.  6  V.  unten  1   der  Herrad  st.  des  (wiederholt  auf  S.  168-  277.  470.  475.  517.  526.) 

S.  96  Z.  5  V.  0.  1,  Taland 

S.  105  in  der  Note  Z.  4  v.  o.  I.  Coxcie 

S.  143  im  Artikel  Blut  Z    4  v.  o.  1.  schreit  st.  steigt 

S.  183  Z.  4  V.  u.  1.  wie  st.  für 

S.  185  Z.  s  V,  11.  1.  Traum 

S.  227  in  der  Mitte  I.  faunisch  st.  launisch  ,  und  Landon  st.  Laudon 

S.  231   in  der  Mitte  1.  Einhörnern  st.  Eichhörnchen 

S.  247  Z.  12   V.  o.  I.  Gabriel  st.  Raphael 

S.  271  in  der  Mitte  1    Widmann 

S.  280  Z.  9  V.  o.  1.  Martinstobel 

S.  291  Z.  4  V.  o.  1.  Peter  st.  Pater 

S.  302  in  der  Mitte  1.  Besessene  speien 

S.  318  in  der  Mitte  l-  Sannazar 

S.  334  Z.  2  V.  u.  1.  Schmelier 

S.  399  Z.  1  V.  0.  1.  den  Geist  st.  das  Fleisch 

S.  407  Z.  2  V.  u.  1.  Florens 

S.  412  in  der  Mitte  1.  Hahn,  Gedichte 

S.  428  Z.  8  V.  u.  1.  Weihnachten  st.  Wintersonnenwende 

S.  520  Z.  11  V.  u.  1.  R  St.  X 

S.  530  Z.  13  V.  0.  1.  Vintler 


J_l..  O.     XI  13  1  X. 

ociic  11*  ^c.ic  4  von  oben  lies  der  Herrad  (auch  S.  23  unten) 
S.  33  Z.  12  V.  o.  1    mit  der  Lampe  statt  ist  eine  Lanze 
"ilitte  1.  Almcida 


n.    Theil. 

Seite  14  Zeile  4 

S.  33  Z.  12  V.  o 

S.  39  in  der  Mitte  i.  Aimcida 

S.  89  in  der  Mitte  1.  Marienlieder 

S.  143  Z    8  V.  u.  1.  denselben 

S.  145  Z.  9  V.  o.  1.  Poussin 

S.  183  Z.  1  V.  u.  1.  palmetum 

S.  211  Z.  3  V.  o.  1.  sposi 

S.  226  in  der  Mitte  1.  absurdum 

S.  234  1.  der  und  dem  Tiber,  mascuL 

S.  267  Z.  9  V.  u.  1.  abzuschreiten 

S.  291  Z.  9  V.  o.  1.  im  st.  ein 

S.  296  in  der  Mitte  1.  Jachin 


Druck  von  C.  Fr.  Meyer  ia  Weissenburg. 


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the  original  date  stamped. 


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