HAROLD B. T \ - :''-" A.RY
BRIGHAM Y( ERSITY.
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Christliche
8 n m 6 0 f i &.
Von
Wolfgang Menzel.
— «T^Ü*^-»~
Zweiter Th e iL
REGENSBURG.
Verlag von G. Joseph Manz.
1854.
HAROLD B. LFH LIBRARY
BRIGHAM YOijiNG ÜNIVEiiSIT'a
PROYÜ, UTAH
Vf
Labyrinth,
Sinnbild der Welt mit ihren Irrgängen und Verführungen.
Picinelli) fnundus symb. 11. 66. Die Seele irrt durch das La-
byrinth der Welt, wird aber von Christo an einem langen
Faden aus der Ferne geleitet. Herrn. Hugo^ pia desideria^
Antv. 1624. p. 135. — Die sogenannten Labyrinthe in den
Kirchen sind (wie die Irrgänge in Gärten) künstlich ver-
schlungene Lineamente für die Bittgänge, zu dem Zweck
angelegt, auch in engem Räume einen längeren Weg durch-
messen zu können. Kreuser, Kirchenbau L 146.
L a m e c h.
Derjenige Nachkomme Kains, von welchem nach Gen.
4, 18 f. alle heidnischen Culturvölker im Gegensatz gegen
das fromme Hirtengeschlecht Seths abstammen. Dieser Ge-
gensatz der Völker vor der Sündfluth ist Vorbild des nach-
sündfluthlichen. Lamech macht sich auf zweierlei Weis^ be-
merklich, einmal dadurch, dass er zwei Weiber nimmt. Somit
stellt er sich an die Spitze aller der Völker, die sich der
1*
4 tjam^ck.
Vielweiberei ergeben und insofern auch grösserer Corruption
ausgesetzt sind. In der ganzen Reibe der Patriarchen von
Seth bis Noah kommt kein ähnlicher Fall vor. Nur Kains
Geschlecht treibt Vielweiberei. Lamech gilt ferner wegen
Gen. A, 23. und 24. als der Erfinder des Schwertes und, so-
fern er in diesen Versen das Schwert besang, als der erste
Dichter. Hier treten also Krieg und Dichtkunst als neue
Momente der Cultur hervor, die sich in Kains ackerbauen-
dem Geschlecht entw^ickelt, während Seths Geschlecht der
frommen Hirteneinfalt treu bleibt. Der Sinn obiger Verse
ist: Lamech ist von einem Jüngling beleidigt worden und
hat ihn mit dem Schwert erschlagen, und freut sich, dass,
wie schon Kain die ihm von Abel widerfahrene Belei-
digung gerächt, er mit noch schärferer Waffe die ihm wi-
derfahrene bestraft hat. Die Lust des Schwerts, die Lust
der Rache ist es, was jenes erste Lied auf Erden preist.
Vgl. Herder, zur Theol. VH. 195. Lamech zeugt sofort mit
seinen beiden Weibern den Jabal, der die ersten Hütten
baut, den Jubal, der das Geigen und Pfeifen erfindet, und
den Tubalkain , der in Erz und Eisen Meister ist ; also lauter
Repräsentanten der höheren Cultur und im Gegensatz gegen
Seths einfaches Hirtengeschlecht. Das ist derselbe Gegensatz,
der noch lange nach der Fluth abermals hervortritt zwischen
den gebildeten Aegyptern, Phöniziern, Syriern und Baby-
loniern einer-, und den israelitischen Hirten andrerseits.
Buttmann hat sich in seinem Mythologus I. 164. viel Mühe
gegeben, in dem Jubal den Apollo, im Tubalkain den Vul-
kan und die erzkundigen Teichinen (die griechischen Berg-
gnomen) wieder zu erkennen, indem er meint, die Genesis
sey sehr spät abgefasst, in einer Zeit, wo die Juden schon
den Apollo und Vulkan kannten. Eine willkührliche Wort-
spielerei. Kains kunstreiches Geschlecht bedeutet die ganze
Cultur der alten Welt und ihre Corruption in einem gedräng-
ten ,und doch erschöpfenden Vorbilde. Gegenüber der so
grossen Bedeutung sind jene Namenanklänge etwas ganz
Gleichgültiges.
Lamm. 5
Mit dieser Symbolik steht eine andere im Widerspruch.
Das Speculum hum. salvat. 20. fig. 2. macht den Lamech , so-
fern er von seinen beiden Weibern gegeisselt wird, zum Vor-
bilde der Geisselung des Heilandes, indem das eine Weib
das Judenthum, das andere das Heidenthum bedeuten soll.
Doch kommt in der Bibel selbst von dieser Geisselung La-
mechs nichts vor, und nur Comestors hist. scholast. 28. er-
wähnt einer schlechten Behandlung Lamechs durch seine
Weiber. Vgl. Piper, Myth. I. 150.
Lamm,
Sinnbild des Heilandes als das stumme Opferlamm, Jesaias
53, 7. Als das Lamm, das der Welt Sünde trägt. Joh. 1 , 29.
OfFenb. Joh. 5, 6. Christus opferte sich für die Menschheit
und verglich bei der Einsetzung des heiligen Abendmahls
seinen Leib und sein Blut mit dem des Osterlammes, welches
vorher zu derselben Osterzeit die Juden zu schlachten und
zu essen pflegten. Vgl. 1. Kor. 5, 7. 1. Petri 1, 19. lieber
dieses Osterlamm der Juden kann man vergleichen, was
Bochart (hier. I. 551.) darüber zusammengetragen hat. Das
Osterlamm der Juden hat eine symbolische Beziehung zu
dem Widderzeichen am Himmel um die Tag- und Nacht-
gleiche des Frühlings und stimmt mit Lammopfern überein,
die auch die Heiden darbrachten. Gleichwohl ist Sinn und
Bedeutung des christlichen Lammsymbols himmelweit ver-
schieden vom jüdischen und heidnischen. In Griechenland
werden noch jetzt zu Ostern Lämmer gegessen. Ausland
1841. Nr. 9. Die förmliche Anbetung des Lammes wurde
als eine zu heidnische und zweideutige Sitte im 7ten Jahr-
hundert von der Kirche untersagt. Augusti, Denkw. XH. 364.
In der Offenbarung Johannis 21, 23. wird Christus als
Lamm zugleich identificirt mit dem reinsten Lichtquell, mit
der Sonne der Geisterwelt; denn es heisst hier vom neuen
Jerusalem, daselbst werde keine Sonne mehr scheinen, son-
dern der Seligen Leuchte werde allein das Lamm seyn.
6 Lamm.
Sofern das Lamm in der Offenbarung Johannis 5, 6. am
Weltende als der höchste Weltrichter thront , trägt es sieben
Hörner j welches sind sieben Geister Gottes. Das ist in christ-
licher Anwendung das himmlische Widderzeichen, welches
nach dem langen Winter des Erdenlebens endlich den ewigen
Frühling bringt. Die männliche Natur und die Hörner (Sinn-
bild der Stärke) kommen dem allmächtigen Richter über die
Lebendigen und Todten zu. Dennoch ist der gewaltige Wid-
der immer nur das sanfte Opferlamm, und der Grundgedanke
bleibt, dass der Richter zugleich das Opfer und als Opfer
der Erlöser ist. Das Lamm öffnet das Buch der sieben Sie-
gel und wird vom ganzen Himmel angebetet. Das gross-
artigste Bild dieser Anbetung des Lammes durch die himm-
lischen Heerschaaren und Chöre der Heiligen ist das auf dem
berühmten Genter Altar. Li der Jesuitenkirche zu Rom be-
findet sich ein Bild, auf welchem nicht nur der Himmel, son-
dern auch die Hölle an dieser Anbetung Theil nimmt. Das
Lamm nur von Engeln allein angebetet, malte Coyper. Vier
Engel um das Lamm auf einem alten Schnitzwerk in St. Gallen,
Didron, icon. p. 330.
Widder und Lamm tragen, wenn sie den Heiland be-
deuten, immer den Kreuznimbus (■ — h, der nur den drei
Personen der Dreieinigkeit zukommt. Didron, man. 46.
man. 245. Zuweilen trägt das Lamm (statt der Widderhör-
ner) auf dem Kopfe ein Kreuz. Äringhi, Roma sott. I. 295. 425.
Bosio, p. 335. Oder die heilige Namenschiffre Christi J_ ,
das. I. 293. ^
Mit dem rechten Vorderfusse pflegt das Lamm Gottes
einen langen Kreuzstab zu tragen, Aringhi H. 295. Didron,
icon. 46. Twining , symb. pl. 9. Noch öfter hängt an diesem
Stabe eine Fahne, das ist dieselbe Siegesfahne, die Christus
in den Auferstehungsbildern zu tragen pflegt. Twining, pl. 10.
Didronj ic. 332. Ausnahmsweise trägt der Widder einen
Krummstab (Hirtenstab), Aringhi L 557.
Oefters steht das Lamm Gottes auf einem Felsen, aus
dem vier Flüsse strömen (die vier Evangelien). Didron, ic.
p. 68. 327. 333. Bosio, Roma sott. 63.
Das Lamm hat einen Kelch vor sich, Twining, pl 10.'
Auf neuern Bildern fliesst oft aus einer Brustwunde des Lam-
mes Blut in den Kelch.
Das Lamm und ein Löwe halten einen Altar. Twining,
pl 12. Der Löwe ist ein Sinnbild des Heilandes, wie das
Lamm, und bedeutet die Allmacht, wie jenes die göttliche
. Liebe ; doch kommt in einer Hymne des Prudentius bei Fort-
lage, christl. Gesänge 34., das Lamm auch als Ueberwinder
des reissenden Löwen (der Welt) vor.
In einem Lorbeerkranze steht das Lamm (als ein Zeichen
des Sieges). Twining, pl. 9.
Auf den ältesten christlichen Grabdenkmalen der Kata-
komben steht öfters das Lamm Gottes unter zwölf andern
Lämmern (den Aposteln). Aringhi I. 307. Twining, pl. 53.
Auch einmal nur unter sechs Lämmern , Bosio 63. Der Hirt
unter den zwölf Lämmern , Didron, ic. 335. Twining, pl. 53.
Die zwölf Lämmer allein mit verschiedenen Symbolen,
Aringhi I. 277.
Weil nach Joh. 1 , 29. 36. Johannes der Täufer auf Je-
sum hinwies: „Siehe, das ist das Lamm Gottes!^ wird er
sehr oft mit dem Lamme zugleich abgebildet. Das Lamm
muss dann immer durch Nimbus oder Kreuz und Fahne als
das göttliche erkennbar seyn. Die neueren Bilder , auf denen
das Kind Johannes nur mit einem gewöhnlichen Lamme spielt,
lassen die Bedeutung des letzteren in Zweifel. Noch weniger
sind die modernen Nebeneinanderstellungen des Christkindes
mit einem Lamme , mit dem es spielt oder auf dem es reitet,
zu rechtfertigen. In der alten Kirchenmalerei wurde das
Lamm nie neben Christus gestellt, sondern man findet ent-
weder das Lamm oder den Gottmenschen allein. Zu der
modernen Spielerei gehören auch viele Herrnhuterlieder , in
denen die Liebe zum Lamm allzu kindisch wird.
Als Spielerei darf auch eine alte Sculptur des 4ten Jahr-
hunderts angesehen werden, in welcher Scenen aus dem alten
S Lampe.
Testament durch lauter Lämmer gespielt werden. Moses als
Lamm öffnet den Felsen, empfängt das Gesetz etc.; Christus
als Lamm wird von Johannes, der auch ein Lamm ist, ge-
tauft etc. Didrorij ic. 337. Sinniger ist, was die heilige Hilde-
gard auf die scholastische Frage: von welchem Thier die
Felle waren , die Gott den ersten Menschen als Kleider gab ?
antwortete. „Vom Lamm,^ erwiederte sie, „das sich zuerst
opferte.'^ Nieremberg ^ hist. nat. 66.
Alle Gerechtfertigten und Seligen werden als Lämmer oder
Schafe bezeichnet und ausdrücklich von den Böcken , als den
Bösen und Verdammten, unterschieden. Matth. 25, 32. Auch
herrschte der Glaube, der Teufel könne die Gestalten aller
Thiere annehmen, nur nicht die des Lammes. MajoU, dier,
canic. 1691. p. 406. — Deshalb schreibt die Legende auch
den natürlichen Lämmern eine gewisse Pietät zu. Das Bis-
thum Lavant wurde da gegründet, wo Schafe im Walde ein
Muttergottesbild gefunden und andächtig umkniet hatten.
Staffier, Tirol IL 461. Der heilige Franciscus hatte ein
Lamm um sich, das immer vor der Hostie niederfiel. Der
heilige Sentius bewirkte, dass der Wolf das Lamm, das er
schon im Rachen hatte, friedlich zu ihm brachte. Acta SS,
25. Mai.
Ein Lamm ist Attribut der heiligen Hirtin Genoveva.
Ein Lamm auch der heiligen Agnes (s. diesen Artikel).
Das Lamm bildet einen sinnbildlichen Gegensatz zum
Schwein. Während es gewürdigt wurde, Sinnbild Gottes
selbst zu werden, ist das Schwein dasjenige Thier, in welches
der Teufel am liebsten fährt. Dem entspricht auch der alte
Volksglaube, der noch jetzt überall herrscht, dass es etwas
Gutes bedeute, wenn man Schafen begegne, etwas Böses
aber, wenn Schweinen.
Lampe,
Sinnbild der Wachsamkeit. Die fünf klugen Jungfrauen
warten auf den Herrn, bleiben wach, halten ihre Lampen
Lanze. 0
mitOel gefüllt und brennend, daher sie der Herr bei seiner
Ankunft um Mitternacht zu sich nimmt und hinter ihnen die
Thüre schliesst , die nun die fünf andern , thörichten Jung-
frauen im Finstern nicht mehr öffnen können, weil sie das
Oel verschüttet und das Licht haben ausgehen lassen. — Mit
Bezug hierauf brennt in jeder katholischen Kirche, in welcher
das Sanctissimum im Tabernakel aufbewahrt ist, eine ;, ewige
Lampe", die auch an das ewige, von Jungfrauen gehütete Feuer
der Vesta im alten Rom erinnert. Die Jungfräulichkeit steht
auch in den Legenden in genauer Beziehung zum unzerstör-
lichen Licht. Vergebens blies der Teufel mit vollen Backen,
um die Lampe der heiligen Genoveva von Paris auszulöschen,
ihre Jungfräulichkeit schützte das Licht. Dasselbe wird von
St. Gudula ausgesagt. Auch die Lampe am Grabe des Apo-
stels Thomas brannte im heftigsten Winde und auch ohne
Oel. Pauliini, Luststunden S. 329. Dasselbe gilt von Lam-
pen des St. Tozzo, des St. Adelelmus, Acta SS. 11. 55. 1058;
von einer Lampe zu St. Michael de camissa bei Grenoble.
Gervas. Tilher. IIL 9. Eine ewige Lampe über dem h. Gre-
gor brannte ohne Oel im Wasser. Binterim, Denkw. IV.
1. 121. Vgl. das Leben des h. Constantinus zum 23. Septem-
ber, dessen Lampe auch mit Wasser, statt mit Oel brannte.
Derselben Symbolik gehört der Sonnenstrahl an, der
unverrückt und unverletzt durch Glas bricht, als Sinnbild
der unbefleckten Empfängniss.
Lanze.
Die Lanze, womit Christus am Kreuz in die Seite ge-
stochen wurde, war als Reliquie besonders dem kriegerischen
Volke der Deutschen heilig, zu dessen Reichskleinodien sie
gehörte. Otto Fris. chron. VL 18. Obgleich von einem Feinde
Christi geführt, diente diese Lanze doch dem grossen Erlö-
sungswerke, und indem sie den heiligen Leib aufbrach,
öffnete sie der Welt die Fülle der Gnade. Daher sie in
einer altlateinischen Hymne angerufen wird: Dulcis hasta.
10 Lanze.
Zabuesnlg I. 48. Der die Lanze führte, war nach der Le-
gende St. Longlnus, ein römischer Centurio, der sich am
Kreuze Christi bekehrte und als Märtyrer enthauptet wurde,
15. März. Man hat den Namen von der langen Lanze selbst
entlehnt. Vgl. Hofmann, Apokr. 380.
Die Lanze ist Attribut vieler Heiligen, weil sie mit einer
solchen durchbohrt wurden. So die Apostel Matthäus, Mat-
thias und Thomas, St. Aurea, Canut, Coronatus, Demetrius,
Donatian, Emmeran, Eulogius, Euphemia, Gengulph, Lam-
bert, Johannes de Goto.
Christus mit drei Lanzen in der Hand, eine sehr eigen-
thümliche Vorstellung auf einem Bilde des Fiesole (Kugler,
Berliner Museum S. 21.), bezieht sich auf die Legende, nach
welcher Christus einmal die Erde wiegen der drei Hauptlaster:
Hoffahrt, Wollust und Geiz, mit jenen Speeren vertilgen
wollte, aber durch die Fürbitte der heiligen Jungfrau zur
Schonung bewogen wurde, indem sie ihm den heiligen Domi-
nicus und den heiligen Franciscus als Helden darstellte, die
fähig seyen, die Erde von jenen Lastern zu befreien.
In einer schönen Legende der Kaiserchronik wird erzählt,
wie eine Schaar tapferer Jungfrauen im Kampf gegen die
Heiden in Spanien den Tod des grossen Roland gerächt
haben, und wie dann alle ihre in den Boden gesteckten Lan-
zen in Blätter und Blüthen ausgeschlagen seyen. — Im Ti-
turel und Parcifal spielt die ewig blühende Lanze des Am-
fortas eine grosse Rolle; doch ist dieses Symbol der Templeisen
wohl nicht christlichen Ursprungs.
Eine räthselhafte Symbolik liegt in der Verbindung der
Lanze mit der Trennung zweier Verlobten. S. Gallicanus,
ein vornehmer Römer, sollte die Tochter Kaiser Constantins
des Grossen heirathen dürfen , wenn er die Feinde , die schon
drei grosse Siege gewonnen, zurückschlagen würde. Es gelang
ihm mit Hülfe eines Engels , der ihm eine himmlische Lanze
reichte. Nun widmete er sich aber zum Danke auch dem
Himmel allein, holte seine kaiserliche Braut nicht ab, son-
dern schenkte allen seinen Sklaven die Freiheit, gab alle
Laster. 11
seine Güter auf und diente den Kranken in einem Spital, bis
er unter Kaiser Julian den Martyrertod erlitt. 26. Juni. Lat.
Schauspiel von der Nonne Roswitha. Dem entspricht noch
eine andere Legende. St. Poppo, in Flandern gebürtig und
Ritter, zog mit in's heilige Land, wollte dann, heimgekehrt,
heirathen, sah aber in der Hochzeitnacht eine himmlische Er-
scheinung, die ihn davon abbrachte, und wurde Mönch und
Abt zu Stablo, im 11. Jahrhundert. 25. Jan. Einst im Felde
glänzte seine Lanze wie ein Licht und diente ihm statt der
Fackel. Acta SS, H. 640.
Laster.
Nach altem kirchlichen Herkommen wird das unermess-
liche Heer der Laster auf sieben Hauptlaster reduzirt, die
den sieben Haupttugenden und Gaben des heiligen Geistes
gegenüberstehen. Sie sind: ira^ superhia, gula^ invidia, venus,
avaritia, pigritia. Doch kommen auch Abweichungen in der
Reihenfolge und in den Namen vor. In einem altdeutschen
Gedicht bei Graff, Diutiska 1. 292 f heissen sie: vrasheit,
unkusche , gritekeit , zorn , nit , tracheit , hoffart. Giotto
malte sieben Tugenden und sieben Laster; die erstem: Hoff-
nung, Liebe, Glaube, Gerechtigkeit, Massigkeit, Festigkeit,
Klugheit — die letztern: Verzweiflung, Neid, Unglaube, Un-
gerechtigkeit, Zorn, Unbeständigkeit, Dummheit. Vgl. Kunst-
blatt 1837. Nr. 63. 92. Auf dem Regensburger Teppich sind
es: Demuth, Freigebigkeit, Keuschheit, Geduld, Massigkeit,
Festigkeit, Liebe — Hoffahrt, Geiz, Wollust, Zorn, Ge-
frässlgkelt, Unstetigkelt, Hass. Das. 1846. S. 166. Vgl. Mone,
Schauspiele des Mittelalters I. 326 f.
Auf diesem berühmten Teppich haben die Laster Thier-
gestalten unter sich , deren Charakter Ihrem Wesen entspricht
und auf denen sie reiten. Der Stolz sitzt auf einem Rosse,
der Zorn auf einem Eber, die Unkeuschheit auf einem Bären,
die Unstetigkelt auf dem Esel, die Gefrässigkelt auf dem
Fuchs , der Geiz auf dem Wolf, der Hass auf dem Drachen.
12 Laster.
Doch kommen anderwärts auch andere Thiere vor und die
Laster selbst erscheinen als Thiere, der Fuchs z. B. nicht als
Sinnbild der Gefrässigkeit, sondern der Arglist, der Tiger
als Sinnbild der Grausamkeit, der Affe als Sinnbild der Scham-
losigkeit etc. In einer Kirche zu Mexiko sind es: Kröte,
Schlange, Bock, Tiger, Schildkröte, Pfau und Schwein.
Ausland 1838. S. 95.
Vasari malte in der Kuppel des Domes von Florenz die
sieben Laster von den verschiedenen Engelchören besiegt;
der Neid wird als Schlange, der Zorn als Bär, die Faulheit als
Kameel, die Völlerei als Cerberus, der Geiz als Kröte, die
Wollust als üppiges Weib, die Hoffahrt als Lucifer dargestellt.
Jordaens gab ihnen in einem Bilde (Katalog der Gal. von
Salzdahlum S. 7) die Gestalt heidnischer Gottheiten, so dass
Mars den Zorn, Venus die Wollust, Juno den Stolz, Bacchus
die Völlerei, Silen die Faulheit, Ceres den Geiz (?) und
eine Furie den Neid vertrat. Der Duc de Conte besang die
sieben Laster als schöne, aber frivole Frauen. In einem
komischen Gedicht des Schotten Dunbar , der im löten Jahr-
hundert schrieb , tanzen sie vor dem Teufel ein Ballet. Bou-
terwek , VII. 99. Oefter erscheinen sie als viele Köpfe eines
Ungeheuers, oder auch als Früchte, die auf einem Baum
(dem Baum der Erkenntniss) wachsen.
Da die Laster den Weg zur Hölle führen, sind sie nicht
nur als sieben Heerstrassen zur Hölle in Clarus, span. Lite-
ratur H. 233., aufgefasst, oder stürzen nach der Handschrift
des Johannes Climacus im Vatican (Bunsen, Beschreibung
von Rom IL 2. 355.) von der Himmelsleiter herab, oder
ziehen als sieben abscheuliche Thiere die Welt oder Mensch-
heit in Gestalt eines Heuwagens, auf den sich die Sünder
drängen und von dem sie herabfallen und zermalmt werden
(Bild von Bosch) , sondern auf Bildern des Weltgerichts wer-
den häufig auch die Verdammten in sieben Gruppen geschie-
den, nach den Lastern, welche sie in die Hölle geführt
haben. Auch Michel Angelo hat sie in seinem Weltgericht
angebracht.
Lasiei*« 13
Die Laster werden auf Bildern der Verdammniss , aber
auch anderwärts durch ihre Folgen und durch die Physiogno-
mie charakterisirt , die sie dem Menschen aufprägen. So der
Schlemmer durch den dicken Bauch, der ]^ eidische durch
Verzerrung des Mundes und der Augen etc. Hier ist überall
Grundgedanke, dass durch Laster die ursprünglich engel-
mässige Schönheit des Menschen, das Ebenbild Gottes, ent-
stellt und geschändet wird. Es gibt jedoch auch eine gleissende
Schönheit des Lasters , die in Versuchungsbildern hervortritt,
immer aber etwas Unheimliches hat und dem äusserlich schö-
nen, innerlich aber verbrannten Sodomsapfel gleicht.
Uebrigens verhalten sich die Laster zum Teufel nur wie
Theile und Glieder zum Ganzen. Daher in so vielen Teufels-
frazzen, wie sie in der Kirchenmalerei vorkommen, das Be-
streben der Maler erkennbar wird, den Ausdruck und das
Sinnbildliche vieler Laster in einer monströsen Gestalt zu
vereinigen. Zuweilen werden die sieben Köpfe des apoka-
lyptischen Drachen als die sieben Laster unterschieden.
Die Laster stehen in einer vorherrschenden Beziehung
zum Schlangensymbol. Sie sind Drachen, Drachenköpfe oder
werden durch die lauernde, listige Schlange, wenigstens durch
Schlangenhaar angedeutet. Nicht sowohl die hässliche, nur
peinigende und das Laster strafende Furie, als vielmehr die
süsslächelnde , feinzüngelnde, wunderschöne Medusa mit den
in ihrem üppigen Haar ringelnden Schlangen stellt uns das
Laster, die Sünde in ihrer verführerischen und zugleich häss-
lichen Eigenschaft dar.
Correggio malte die Laster als nackte Frauen mit Schlan-
genhaaren, von denen die Menschen verführt und gefesselt
werden , und auf einem andern Bilde als Ungeheuer , die von
den Tugenden unter den Fuss getreten werden. Waagen,
England I. 463. Mantegna malte die Laster als Satyrn,
Kentauren, Affen, die von den Tugenden unter der Gestalt
antiker Götter , der Minerva (Weisheit) , Diana (Keusch-
heit) etc. vertrieben werden. Das Bild befindet sich in
Paris.
14 Lazarus.
Laster und Tugenden werden öfter durch die fünf tliö-
richten und klugen Jungfrauen symbolisirt. Vgl. Kreuser,
Kirchenbau II. 143 f. Sie erscheinen aber auch als Ama-
zonen im Kampfe miteinander, z. B. in der Handschi'ift des
Herrad von Landsberg zu Strassburg. Desgleichen im Für-
stensaal zu Regensburg. Kunstbl. 1 846. S. i ß6. In dem Ge-
dicht Anticlaudianus von Alanus ab insulis. So reihen sich
auch in dem altfranzösischen Gedicht des Huon de Meri vom
Antichrist (vgl. Blankenburg, Zusätze I. 10.) die Laster als
Amazonen unter die Fahnen des Antichrist, wobei jedem
Laster sein besonderes charakteristisches Attribut zukommt.
Ein ähnliches altfranzösisches Gedicht von Ruteboeuf, s. hi-
stoire lit. de la France XX. 753. Mantegna malte die Laster
siiegend auf einem Bilde in England, und besiegt auf einem
andern im Louvre. Waagen, Kunst in England I. 127. Auf
Handzeichnungen des Michel Angelo zielen die Laster nach
einer Scheibe. Passavant, England S. 236.
Retzsch lässt auf einem Bilde den Teufel mit dem Men-
schen um des letzteren Seele Schach spielen. Unter den
Schachfiguren des Teufels ist Satan selbst der König , Wollust
die Königin; Faulheit, Zorn, Stolz, Falschheit, Geiz, Un-
glaube sind die Offiziere ,, Zweifel die Bauern. Unter den
Schachfiguren des Menschen ist die Seele der König, Reli-
gion die Königin, sind Hoffnung, Glaube, Friede, Demuth,
Unschuld, Liebe die Offiziere und Gebete die Bauern. Vgl.
Kunstblatt 1828. Nr. 16.
Lazarus,
Bruder der Martha und Maria, Besitzer des reichen Hauses
zu Bethania, wo der Heiland mit seinen Jüngern öfters
gastfrei aufgenommen wurde, fiel einst in eine tödtliche
Krankheit, als der Heiland jenseits des Jordan in der Nähe
sich aufhielt, in der Gegend, wo Johannes vormals getauft
hatte. Er war dahin vor den Juden, die ihm nachstellten,
geflüchtet. Die Schwestern schickten zu ihm und Hessen ihm
l
Lazarus. 15
sagen, dass^ihr Bruder so krank geworden sey. Er erwie-
derte, die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre
Gottes, und blieb zwei Tage, wo er war. Dann erst sagte
er zu den Jüngern: „Lazarus, unser Freund, schläft, ich
gehe, dass ich ihn wecke/^ Die Jünger verstanden es vom
gewöhnlichen Schlafe und sagten: wenn Lazarus schlafe,
werde er wohl von selbst gesund werden, und Jesus brauche
sich nicht in Gefahr zu setzen, dass er wieder unter die
Juden gehe, die ihn eben erst hart bedroht hatten. Jesus
aber sagte: „Lazarus ist todt. Das ist geschehen, damit ihr
glauben sollt. Lasst uns zu ihm ziehen!^ Der ungläubige
Thomas meinte, es werde ihr Verderben seyn, doch sollten
sie den Meister nicht verlassen und mit ihm sterben. — Als
Jesus nach Bethanien kam , war Lazarus todt und roch schon ;
die Verwandten waren im Trauerhause versammelt und Martha
sagte ihm mit der Miene des Vorwurfs: „Herr, wärest du
da gewesen (auf unsre erste Nachricht gekommen), mein Bru-
der wäre nicht gestorben.^^ Doch fügte sie innig hinzu: „Ich
weiss auch noch, dass, was du bittest von Gott, das wird
dir Gott geben.^ Jesus antwortete: „Er soll auferstehen."
Martha zweifelte noch einmal, und sagte: „Ja, am jüngsten
Tage." Jesus aber sprach : „Ich bin die Auferstehung und
das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, ob er
gleich stürbe." Auch Maria kam und sank ihm weinend
zu Füssen: „Ach, Herr, wärest du dagewesen, so wäre
unser Bruder nicht gestorben." Da ergrimmte der Herr und
betrübte sich. Den Ewigen wandelte eine menschliche Rüh-
rung an. Er ging mit den Andern hinaus zum Grabe, betete
und rief: „Lazare, komm heraus!" Da erhub sich der Todte
in seinen Grabtüchern und trat hervor. Und Alle, die es
sahen, glaubten an Jesum. Andere aber gingen hin und
sagten es den Pharisäern, und Kaiphas und die Priester, durch
das grosse Wunder erschreckt, sannen, Jesum zu verderben.
Daher verbarg sich der Heiland bis zu Ostern, da seine Zeit
gekommen war. Ev. Joh. 11.
Fünf Momente sind in dieser Erzählung von besonders
16 Leben.
tiefer Bedeutung: 1) der Irrthnm und Heldensinn des Apostels
Thomas, 2) das echt weibliche Benehmen Martha's, 3) der
tiefe Liebesschmerz Maria's, 4) die Rührung des Heilandes,
5) das Gebet vor der Auferweckung. Mit Recht hat schon
Herder IX. 133. 138. darauf aufmerksam gemacht, wie hier
Alles auf das christliche Begräbnis« überhaupt anwendbar ist,
und wie kein süsserer Trost für Leidtragende zu schöpfen ist,
als aus diesem schönen Kapitel des Evangeliums Johannis.
Der arme Lazarus bei Lucas 16, dessen Schwären die
Hunde lecken, ist ein Bild des menschlichen Elends über-
haupt, daher auch ihm zu Ehren alle Siechen im Mittelalter
Lazarusbrüder und die Krankenhäuser noch heute Lazarethe
heissen. Im Grunde genommen aber ist auch der andere
Lazarus, der durch Christum aus dem Grabe wieder aufer-
weckt wird, ein verwandtes Sinnbild. Das ganze Leben ist
gewissermassen ein Sterben, die Welt ein Grab, woraus nur
Christus erlöst. In diesem Sinne wird der arme Lazarus bei
Lucas in Abrahams Schooss erhoben, weil er fromm gelebt,
und sieht unter sich im ewigen Feuer den gottlosen Reichen ;
der andere Lazarus aber steht von den Todten wieder auf, um
sich an des Heilands Seite zu setzen, die im christlichen
Sinne dasselbe bedeutet, was im jüdischen Abrahams Schooss.
Also knüpft sich an den gleichen Namen im Gleichniss von
dem einen und in der Geschichte des andern derselbe Grund-
gedanke der Heilung, Genesung, Wiederbelebung. Der erste
Lazarus ist Patron der Lazarethe, der zweite Patron der
Gräber. Ausserordentlich oft findet er sich abgebildet auf
den altchristlichen Gräbern der Katakomben in Rom, und
zwar immer als eine kleine mumienhafte Figur, die der viel
grössere Heiland berührt.
Leben.
Das gemeine menschliche Leben ist insofern eigentlich
der Tod, als es stets dem Tode entgegensieht. Das wahre
und ewige Leben ist erst in der Heiligkeit, und darum ist
I
F
Legio fulminatrix. 17
Christus ;,der Weg, die Wahrheit und das Leben'^, Joh. 14-, 6.,
und Fürst des Lebens, Apostelg. 3, 15. — Diesem wahren
Leben gegenüber ist das irdische nur ein vergänglicher Rauch,
die Existenz eines Graslebens, das bald welkt, ein Kerker,
«
ein Jammerthal etc. Aber auch eine Schule, ein Tiegel der
Läuterung, eine Goldprobe der Geduld und des Glaubens.
Vgl. d. Art. Hiob. — Eine gute Charakteristik der Lebens-
alter in Thiergestalten zu Annaberg in Sachsen. Vgl. Waa-
gen, Deutschland I. 30.
Legio fulminatrix«
Nach Dio Cassius 71. 9. war Kaiser Marcus Aurelius im
Kriege mit den Quaden an der Donau einst in grosser Noth,
vom Feinde eingeschlossen und bei grosser Dürre ohne Wasser.
In seinem Heer aber war eine einzige Legion, die aus lauter
Christen bestand. Diese sogenannte thebaische Legion betete,
und alsbald bildete sich über ihren Häuptern eine schwere
Regenwolke und goss erquickende Ströme über das ganze
Heer aus. Als aber die Quaden angriffen und ein grosses
Blutbad unter den heidnischen Römern anzurichten anfingen,
fuhren aus der schwarzen Wolke Blitze und Hagel hervor
und zerschmetterten die Feinde , die von der christlichen Le-
gion verfolgt und vernichtet wurden. Die Legion erhielt
davon den Ehrennamen der „blitzenden^. Die Legende
fügt hinzu, die Legion habe später sollen zum Hei-
denthum abschwören, habe sich dessen geweigert und sey
in Wallis bei Sitten in Masse zum Martyrertod verurtheilt
worden, unter ihrem Anführer St. Mauritius. Vgl. Murer ^
Helvetia sancta p. 19. Gfrörer, Kirchengesch. 1. 309. Rett-
berg I. 94 f Mauritius wird als schwarzer Mohr , aber schön
und in goldner Rüstung mit einer Fahne gemalt. In der
schwarzen Farbe des Ritters liegt vielleicht eine uns nicht
mehr erkennbare Symbolik. Sie contrastirt auffallend mit
dem Feuer und Blitz.
Menzel, christl. Symbolik. II. 2
18 Leib.
St. Gereon^ ein anderer Anführer der thebaischen Legion,
soll später in Köln den Martyrertod erlitten haben, wird daher
in dem berühmten Bilde von den heiligen drei Königen in
Köln mit einer Fahne an der Spitze der thebaischen Legion
der heiligen Ursula, die ihrerseits an der Spitze der 11000
Jungfrauen steht, gegenübergestellt. Vgl. Friedrich Schle-
gels Werke VI. 155. Er ist Patron von Köln. 1. Mai. 10. Oc-
tober. Die Gegenüberstellung der heiligen Ritter und hei-
ligen Jungfrauen ist passend und entspricht dem ästhetischen
Bedürfniss, die Heiligen und Seligen nach Stand und Ge-
schlecht eben so in besondere Chöre einzutheilen , wie die
Engel nach ihren Potenzen.
Leib.
Der menschliche Leib ist das Letzte und Edelste in der
sichtbaren Schöpfung Gottes und soll nach dem zeitlichen
Tode am jüngsten Tage für die ganze Ewigkeit wieder auf-
erstehen. Diese beiden Grundgedanken beweisen, welch
hoher Werth im Christenthum auf den Leib gelegt ist und
wie irrig mithin die manichäische Ansicht war, die im Leib-
lichen das böse Princip erkannte. Nach Mani besteht der
Sündenfall nur darin, dass die himmlische Seele nach dem
leiblichen Daseyn gelüstet und im Leibe eingefangen wird,
die Erlösung daher auch nur in der Befreiung von der Leib-
lichkeit durch eine freiwillige Jungfräulichkeit aller Menschen,
die jede neue Zeugung unmöglich macht, also durch einen
Selbstmord der ganzen Menschheit. Vgl. Baur, manich. Relig.
118. 181. Nach christlichem Begriff soll der Leib nicht als
ein Fremdes, Teuflisches zerstört, sondern als das uns von
Gott selbst angelegte eigenste Kleid nur heilig und rein ge-
halten , und wenn es durch Sünde verunreinigt worden , durch
Busse wieder geläutert und verklärt werden. Die christliche
Ascese ist daher auch nicht als Tödtung des Fleisches, son-
dern nur als Reinigung desselben durch Busse zu verstehen.
Die Verdammung alles Leiblichen veranlasste auch den
Leichnam. 19
Zweifel an der menschlichen Natur Christi. Man half sich
damit, dass man sagte, Gott habe zwar unmöglich in einen
wirklichen irdischen Leib eingehen können, jedoch einen
Scheinleib angenommen. Das war der Doketismus, die äl-
teste Ketzerei im Christenthum. Vgl. Philo von Gfrörer
U. 369. Natürlicherweise fällt damit auch das Leiden Christi
und somit aller Ernst des Erlösungswerkes hinweg, und
Christus spielt in seinem Scheinleibe nur eine Comedie.
Nur wo das Leibliche auf Kosten der Seele gepflegt
wird, erscheint es verdammlich. Dieser Cultus der Leiblich-
keit wird ausgedrückt durch die babylonische Hure, die mit
dem Taumelkelch in voller üeppigkeit auf dem Drachen
reitet. Nur diese grobe Sinnlichkeit hat zu ihrem Ausgang
Tod und Verwesung, und wird in diesem Betracht gerne
das Leibliche als ein übertünchtes Grab aufgestellt, als eine
lachende Maske, hinter der ein Geripp mit Würmern und
Schlangen sich verbirgt.
Die Leiblichkeit, in der wir dereinst auferstehen werden,
ist eine Entkleidung von jener groben Sinnlichkeit und doch
immer noch leibliches Wesen und Gestalt, nach der Phy-
siognomik unserer geistigen Eigenthümlichkeit. „Gesäet wird
der natürliche Leib, aber auferstehen wird der geistige Leib.''
1. Korinth. 15, 44. „Der irdische Leib ist ein schwerer Buss-
sack, aber der Leib im Himmel ein edel königliches Kleid,
lichter denn die Sonne, schneller denn der Augenblick, ge-
füger denn die Luft." David von Augsburg in Pfeiffers My-
stikern L 385.
Leichnam.
Des Herrn Leichnam in Bildern der Abnahme vom Kreuz
und der Grablegung, ferner in den pieta genannten Kirchen-
bildern , in denen der Leichnam im Schoosse der Mutter ruht,
oder auch im Schoosse Gott des Vaters, oder von Engeln
betrauert wird, -^ erscheint am würdigsten, wenn er auch
noch im Tode die Liebe ausdrückt, in der er sich in den
2*
so Leichnam.
Tod gegeben, und wenn man das ewige Leben in diesem
abgestorbenen Leibe ahnen muss. Tadelnswerth sind dagegen
die allzu berechneten Bilder, die nur ein tiefes Studium der
Anatomie verrathen sollen , und die im Tode nur das Widrige
aujffassen, die Bleifarbe, die Steifigkeit der Glieder etc. Welche
schreckliche Leiden man auch dem Leichnam ansieht, so hat
er doch siegreich die Leiden überwunden.
Eine Leiche, halbverwest und von Schlangen durch-
krochen, kommt als Sinnbild des Todes oft auf altern deut-
schen Grabdenkmalen vor. Waagen, Kunst in Deutschland
L 261. Am berühmtesten ist das Grabdenkmal des Land-
grafen Wilhelm von Hessen in Marburg, das ihn oben im
Harnisch daliegend , unten als von Schlangen zerfressene
Leiche zeigt. Fiorillo I. 439. Eben so das Grab eines Herrn
von Wöllwarth in Lorch. Auf dem berühmten „Triumph
des Todes" von Orcagna finden drei lebende Könige auf der
Jagd drei Königsleichen. Vasari, von Schorn L 298.
Die sogenannten Magdalenetten oder Beuerinnen (gefal-
lene Mädchen, die sich bekehrten) wurden geschoren und
mussten sich als lebendige Leichen hinlegen, eine Todten-
messe über sich lesen und die Todtenglocke läuten lassen.
Helyot HL 451. — Die Nonnen eines Klosters am Nil sahen
die gegenüberwohnenden Mönche immer nur als Leichen.
Aphthonius, der heilige Abt des Klosters, Hess, wenn man
ihm von jenseits das Zeichen gab, die gestorbenen Nonnen
in einem Kahn mit Palmzweigen abholen und diesseits be-
graben. Leben der Altväter 1725.
Die Leichen der ELeiligen werden gewöhnlich erkannt
an einem wunderbaren Wohlgeruch, oder es fliesst ein hei-
lendes Oel von ihnen, oder Milch statt des Blutes, oder sie
leuchten. Sie schwimmen stromaufwärts, sie können durch
keine Gewalt von der Stelle bewegt werden. Sie werden in
der Verborgenheit entdeckt durch wunderbare Beleuchtung,
durch Anbetung der Thiere etc. Ihre Heiligkeit wird erkannt
durch Genesung von Kranken bei ihrer Berührung oder blos
in ihrer Nähe. Daher werden die Wunder der Heüigen in
i
Leichnam. Sl
den Actis SS. eingetheilt in solche, die sie im Leben, und
in solche , die sie nach dem Tode als Leichen oder Reliquien
verrichtet haben.
Zuweilen wurde eine Leiche, um Zeugniss abzulegen,
die Unschuld zu retten, den Schuldigen zu bezeichnen, durch
einen Heiligen im Grabe wieder aufgeweckt. So vom heiligen
Macarius, Fridolin, Stanislaus.
Euchadius (Eochad) irischer König und Heide, wurde
durch seine fromme und schon christliche Tochter Cinna auf
den heiligen Patrik aufmerksam gemacht und sehnte sich sehr
nach ihm auf seinem Todtenbette. Ehe aber der Heilige kam,
war der König schon todt. Da weckte ihn der Heilige auf,
taufte ihn, gab ihm die letzte Oelung und liess ihn wieder
einschlafen.
St. Gregorius erhielt den Namen Thaumaturga wegen
seiner grossen Wunderthaten. Ein boshafter Jude w^oUte ihn
foppen, stellte sich todt und liess sich zu ihm hintragen, um
zum Leben wieder aufgeweckt zu werden. Der Heilige aber
warf seinen Mantel über ihn und der Jude war nun wirklich
todt und erwachte nicht mehr. — Auch Johannes Capistranus
wurde einmal , als er auf seiner Missionsreise predigte , durch
einen hussitischen Studenten geneckt, der sich todt stellte
und sich von seinen Kameraden zu ihm hintragen liess, da-
mit er, weil er doch ein Wundermann sey, ihn von den
Todten erwecke. Aber der Heilige sprach: „Er bleibe bei
den Todten , ewig ! " Nun lachten die Hussiten und meinten,
ihr Kamerad werde aufstehen und mitlachen, aber er war
todt. P. Abraham, Judas IV. 142.
Um den Sterbenden streiten sich ein Engel und ein
Teufel, der erstere zu Häupten, der andere zu Füssen des
Sterbelagers. Die vollendete Leiche aber wird von Engeln
oder von Teufeln übernommen.
Eine schauerliche Begebenheit erzählt Cornerus, chron.
ann. 1045. Eine Zauberin lag im Tode. Da bat sie ihren
Sohn und ihre Tochter, welche sie hatte Mönch und Nonne
werden lassen , bei ihrem Leichnam zu wachen und denselben
gS Leiden.
gegen die bösen Dämonen zu schützen. Zngleicli befahl sie,
ihren Leichnam fest anzuketten. Zwei Nächte lang schützte
sie der frommen Kinder Gebet gegen die anstürmenden Teufel,
aber in der dritten Nacht wurde der Leichnam auf einem
schwarzen Pferde entführt.
Leiden.
Gottes Sohn litt , um die Menschen zu erlösen. Die Mär-
tyrer litten, um ihren Glauben mit Blut zu besiegeln. Frei-
willig übernommenes Leiden öffnet das Paradies, wie ver-
botene Lust es verschloss. Unfreiwilliges Leiden dient zur
Prüfung, wie das des Hiob, und ist die letzte Strafe der
Verdammten. Wie das Leiden somit auf der unfreiwilligen
Seite den tiefsten Abgrund erreicht, so auf der andern die
heiligste Höhe, auf der es ganz mit dem Begriffe der Liebe
verschmilzt, nach dem schönen Liede:
Ob lieben leiden sey,
Ob leiden lieben sey,
Weiss ich zu sagen nicht etc.
Daher eine eigenthümliche Gabe mancher Frommen, in
Leiden Lust zu finden. Am berühmtesten in dieser Be-
ziehung war Lidwina von Schiedam in Holland. Dieselbe
lebte im löten Jahrhundert, ein krankes, verkrüppeltes Mäd-
chen, das beständig im Bette und angeblich 19 Jahre lang
ohne Speise und Trank zubrachte, contract, bewegungslos,
von Würmern zerfressen, innerlich verfault, in beständiger
Fieberhitze, mit nie endendem Kopfweh, Zahnweh, schlaf-
los etc. , schwamm dennoch in beständiger Seligkeit und er-
heiterte durch ihren Frohsinn die trauernde Umgebung. Denn
die Mutter Gottes erbarmte sich ihrer und hielt häufigen Um-
gang mit ihr, führte sie in langen Visionen in die himm-
lischen Freuden ein, oder sandte ihr wenigstens Engel zur
Unterhaltung mit Geschenken. Als eine grosse Pest aus-
brechen sollte, flehte sie Gott, alle Qualen derselben auf
sie allein zu häufen , und siehe , sie wurde bedeckt mit unge-
Leiter. S3
heuren Pestbeulen, während das Land verschont blieb. Einst
sah sie im Himmel eine noch unvollendete Krone. Es war
die ihrige, und sie war unvollendet, weil ihr noch einige
Verdienste fehlten. Nach 28 jährigem Leiden kam einmal die
Madonna und legte ihr ihren süssduftenden Schleier um das
müde Haupt, worauf sie nur noch sechs Stunden lebte. Als
sie starb, erschien Christus selbst, als Priester angethan, um
ihr die letzten Weihen zu geben, mit unzähligen Heiligen
und Seligen. Sobald sie todt war, strahlte ihr sonst so
kranker Leib in Fülle der Gesundheit und Schönheit. Acta SS.
14. April. Silbert, Legenden I. Gumppenberg, marian. Atlas
Nr. 576. — Die selige Passidea, Nonne von Siena, quälte
sich von Jugend auf, fastete, geisselte sich, wälzte sich in
Dornen und Nesseln, im Winter in Schnee und Eis etc.
Johanna von Carniola vertiefte sich so sehr in das Leiden
der Heiligen, dass sie an jedem Tage die Marter des Heiligen,
dem der Tag geweiht war, mitempfand.
Inzwischen lastet das Leiden mit zu grosser Schwere
auf der Menschheit , als dass man damit spielen könnte. Da-
her auch die kirchliche Kunst den heiligen Gegenstand um
so wahrer auffasst, je mehr sie in Christo, wenn er auf dem
Oelberg kniet und am Kreuz hängt, so wie auch in der
schmerzenreichen Mutter das Leiden in seiner ganzen Bitter-
keit ausdrückt.
Leiter.
Die Himmelsleiter, auf der die Engel vom Himmel zur
Erde niedersteigen , im Traum des Jakob , ist auf Bildern der
Patriarchenreihe dessen Attribut (Didron, ann. L 214) und
kehrt auch in Legenden wieder. Namentlich sah sie St. Ro-
mualdus über seinem Kloster. Auch erschien sie über dem
Kloster Kaltenbrunn, wo sich ein wunderthätiges Marienbild
befindet. Gumppenberg, marian. Atlas H. 308.
Eine Leiter zum Himmel, auf der die Seligen hinauf-
steigen, die Sünder aber hinabfallen, findet sich in der Hand-
schrift des Herrad von Landsberg in Strassburg.
24 Lerche.
Die Leiter ist Attribut der Margaretha von Cortona; die
Staffeln bedeuten ihre Tugenden. So hiess Johannes Climacus,
weil er eine „Himmelsleiter" geschrieben hatte. Als Sinn-
bild für die Wesenreihe (Stufenleiter aller geschaffenen We-
sen) brauchte die Leiter Raimund von Sabunde. Vgl. Galle,
Stimmen aus d. Mittelalter S. 8.
Die Leiter gehört zu den Passions Werkzeugen, weil die
Schergen bei der Kreuzigung des Heilandes mittelst einer
Leiter auf das Kreuz steigen mussten.
Die Leiter ist Attribut des heiligen Emmeran und der
heiligen Perpetua, weil dieselben an eine gebunden waren,
als sie den Martyrertod litten.
Eine Madonna von der Leiter wird zu Verona verehrt,
weil sie hier einen Scaliger (Herrn von Verona aus dem Ge-
schlecht, das die Leiter in Namen und Wappen trug) von
einer Krankheit heilte. Gumppenberg H. 322.
Die Engelsleiter steht in inniger Beziehung zu der Stu-
fenleiter der Planeten, auf welcher nach heidnischer Lehre
die Seelen vor der Geburt aus dem Aether zur Erde nieder -
und nach dem Tode wieder hinaufsteigen. Porphyrius de ab-
stin. 14, 16. Cel^is bei Origenes 6, 22. Vgl. v. Bohlen,
Genesis 283. Allein wäre das Bild auch aus der Planeten-
und Aeonenlehre entlehnt , so hat es doch eine specifisch
christliche Bedeutung erlangt.
Lerche.
Sie lobsingt Gott in der Höhe, ohne dass man sie sieht.
Niedrig ist ihr Nest, aber hoch ist ihr Flug. Sie singt nie,
ausser wenn sie sich zum Himmel erhebt. Sie ist also das
Sinnbild eines demüthigen Priesterthums. Ihr lateinischer
Name alauda wurde von Schwenkfeld lauda deum (lobe Gott)
gedeutet. Nach der Legende sollen sich, als der heilige
Franciscus von Assisi starb, alle Lerchen der Umgegend auf
das Dach seiner Hütte gesetzt und ihm gesungen haben, ob-
gleich es schon Nacht war. Die heilige Coleta von Gent
I
Leuchter. 25
war stets von einem Lamm und von einer Lerche begleitet;
ihr Kalendertag zeigt zugleich die Lerchenzeit an, 6. März.
Leuchter.
Der siebenarmige Leuchter im jüdischen Tempel, den
Titus entführte und in seinen Triumphbogen aufnehmen liess,
ist ein Sinnbild der sieben Geister oder Urkräfte Gottes,
Mag dieses Sinnbild auch aus dem Heidenthum entlehnt seyn
und sich vorerst auf die sieben Himmelslichter der Planeten
bezogen haben, so hatte der Leuchter doch schon bei den
Juden eine andere, rein geistige Bedeutung. Vgl. Bahr, Sym-
bolik d. mosaischen Cultus L 412 f. Schon der Prophet Za-
charia 4, 2. 10. fasst den siebenarmigen Leuchter sinnbildlich
auf und nennt ihn die sieben Augen Gottes. In der Offenb.
Joh. 1 , 12. wird er auf die sieben ersten christlichen Ge-
meinden bezogen. Sieben Lampen nebeneinander auf christ-
lichen Grabdenkmalen bedeuten wohl dasselbe, was der sie-
benarmige Leuchter, und weisen auf die Auferstehung zum
jüngsten Gericht hin, w^elches in jener Offenbarung Johannis
verkündet wird. Der siebenarmige Leuchter ist gewöhnliches
Attribut des Zacharias in der Beihe der Propheten.
Der grosse Kronleuchter zu Comburg am Kocher ist ein
^^vergoldeter Beif mit zwölf Laternen, auf denen die zwölf
Apostel abgebildet sind , als die ersten Lichter der christlichen
Kirche. ■ — Zwei Leuchter stehen auf beiden Armen des
Kreuzes auf einem altchristlichen Katakombenbild {Aringhi
I. 381), was sich vielleicht auf das Entzünden des neuen Lichtes
im Geisterreich bezieht, nachdem bei der Kreuzigung der
Sonne und des Monds physisches Licht verdunkelte.
Die grossen Leuchter oder Kerzenträger vor den Altären
heissen Candelaber, ein ganzes Gerüste mit Lichtern heisst ein
Katafalk und kommt besonders im Todtencultus vor. Die Zahl
der Leuchter richtet sich nach dem Bedürfniss, nach der Grösse
der Kirche, nach der höhern Feier.
2Q Leviathan.
In den Leuchterornamenten werden theils allgemeine
christliche, theils specielle Lichtsymbole angebracht, um ihre
Bestimmung zum christlichen Cultus zu bezeichnen. Vor dem
Altar stehend dürfen sie das Sakrament des Altars andeuten
durch Aehren und Weinranken mit Trauben. In der Char-
woche dürfen sie Symbole der Passion tragen. Wann der
Sieg über die Hölle gefeiert wird, dürfen sie als dämonische
Karyatiden karikirt werden, die das siegreiche Licht tragen
müssen. Bei der Feier jungfräulicher Heiligkeit dürfen sie als
Blumen aufgefasst werden , aus denen das Licht hervorbricht.
Leviathan.
Sofern die Juden und Muhamedaner die Erde mit Riesen
und Dämonen bevölkert hatten, dachten sie sich auch die
Sündfluth als die Vernichtung und fortan den Ozean als das
Grab oder den Kerker derselben. Daher die phantastische
Vorstellung einer submarinen Plölle. Vgl. Herder zur Theo-
logie I. 199. VII. 220. 248. Schon Hiob kennt diese Vor-
stellung. Nicht weniger Jesaias 27, 1, bei dem es heisst:
Gottes Schwert habe den Leviathan und die Drachen im
Meere geschlagen. Noch bestimmter heisst es in einer ara-
bischen Fabel (bei Bochart Hierozoicon II. 856.), Leviathan
ßey ein tausendäugiger Ochs, stehend auf einem Fisch, und
tragend einen Stein , auf dem ein Engel stehe , der die Erde
trage. Auch hier liegt der Begriff zu Grunde , dass Leviathan
tief unten hause.
Ferner fabeln die Juden, Gott habe den Leviathan ver-
schnitten, damit er nicht mehr zeuge, und sein Weibchen
geschlachtet und eingesalzen für die Seligen im Himmel , weil
dieses riesenhafte Dämonengeschlecht sonst Meer und Erde
erfüllt haben würde. Eisenmenger I. 401. Am jüngsten Tage
soll der Erzengel Gabriel den auf den Meeresgrund gebun-
denen Leviathan vollends tödten, damit die Seligen neben
dem eingesalzenen Weibchenfleisch auch frisches Fleisch be-
kommen, Eisenmenger IL 874. Bochart (hier, IL 776.) sucht
Licht. S7
im Leviathan das Krokodill nachzuweisen , allein es ist gleich-
gültig, was für ein Thier ihm zum Vorbilde gedient hat.
Alle Sünder, die in der Sündfluth ertranken, sollen
submarine Teufel geworden seyn. Eisenmenger II. 428. So-
fern man sich darunter nur ein Riesengeschlecht vorstellte,
erklärt sich daraus auch die Fabel vom Riesen Og und Audsch.
Og soll die Sündfluth überdauert haben, indem er sich dicht
an die Arche hielt und an ein Einhorn anklammerte (ähnlich
dem einhornigen Fisch in der indischen Sage). Eisenmenger
I. 385. Er soll später die cyclopischen Mauern gebaut haben,
aber mit List erschlagen worden seyn; Abraham machte aus
einem seiner Zähne sich eine Bettstatt. Daselbst 389.
Licht,
Symbol Gottes, als das reinste Element in der Natur; allein
das Licht ist schon eine Erscheinung Gottes, ein Ausfluss
seines Wesens, ein Ausstrahlen aus ihm, daher es häufiger
auf den Sohn und Geist, als auf den Vater angewandt wird,
dem allein Attribute des Unsichtbaren zukommen. Nach
Joh. 1, 18. 1. Timoth. 6, 16. kann den Vater Niemand sehen
als der Sohn, und thront Gott in einem Licht, welches kein
Mensch sehen kann. Der Sohn dagegen strahlt nach Joh.
1, 9. als das Licht in die Welt, und sagt Joh. 8, 12: „Ich
bin das Licht der Welt.^^ Correggio suchte das in einem
berühmten Bilde auszudrücken, auf welchem Christus in
schneeweissem Gewände segnend auf Wolken thront, deren
Hintergrund wieder helles Licht ist, so dass hier gleichsam
Licht aus Licht geboren wird. Vgl. v. V/essenberg, christl,
Bilder I. 278. Das Thronen im Licht und die Lichtaus-
strahlung kommt in Kirchenbildern allen drei Personen der
Gottheit zu. Alle erscheinen in einer Glorie von Licht in
ganzer Figur oder wenigstens der Kopf ist mit einem Licht-
nimbus umgeben. Des Vaters Wirken wird oft blos durch
einen Lichtstrahl ausgedrückt, z. B. auf Bildern der Ver-
kündigung, oder durch eine aus den Wolken hervorgereckte
28 Licht.
Hand, von der Lichtstrahlen ausgehen. Eben so gehen von
der Taube, als dem heiligen Geist, Lichtstrahlen aus, z. B.
auf den Bildern von der Taufe Christi und von Pfingsten.
Derselben Symbolik dient der Goldgrund, auf dem die ältere
Kirchenmalerei die drei göttlichen Personen darzustellen
pflegte. Es soll damit der Himmel, das reine Lichtelement
bezeichnet werden.
Ausser den göttlichen Personen wohnen auch alle Engel
ursprünglich im Licht und gelangen alle Heiligen , Gerechten
und Seligen dahin. Auf einem alten Miniaturbild wird die
Erschaffung der Engel einfach als creatio lucis bezeichnet.
Waagen, Paris 328. Auch der erstgeschaffene Engel hiess
Lucifer (Lichtträger). Alle Heiligen und Frommen werden
als Kinder des Lichts den Bösen als Kindern dieser Welt
entgegengesetzt. Luk. 16, 8. Joh. 12, 36. Buch der Weis-
heit 18, 1.
Dem von Gott ausstrahlenden Lichte steht theils die
uranfängliche Nacht des Chaos, theils die Nacht der Sünde
entgegen. Somit wird das Licht Sinnbild der Schöpfung und
der Erlösung. Wie Gott im Anfang sprach: „Es werde
Licht!" und es ward Licht, so sandte er zum zweitenmal in
die Finsterniss der sündigen Welt das Licht seines göttlichen
Sohnes. Daher feiern die altkirchlichen Hymnen die Geburt
und die Auferstehung des Heilands (Weihnachts- und Oster-
lieder) als einen neuen grossen Schöpfungsmorgen, als den
Aufgang des heiligen Lichtes, wodurch die Gewalt der
finstern Dämonen gebändigt, wodurch den im Dunkeln Irren-
den und Blinden der Weg gezeigt, wodurch dem unfrucht-
baren Acker neuer Segen geweckt wird. Vgl. die schönen
Hymnen des Gregorius, Prudentius, Hilarius, Ambrosius.
Fabricii thes. 785. Fortlage, Kirchengesänge 307. Königs-
feld, lat. Hymnen 2, 6. Schon bei Jesaias 60. ist die Anbetung
des Lichts in diesem Sinne auf's Herrlichste durchgeführt.
Dem entspricht der Cultus der Weihnachts- und Osternacht.
In der heiligen Weihnacht werden unzählige Lichter entzündet,
Licht. 29
in der heiligen Osternacht werden alle Lichter gelöscht und
erst wieder neu entzündet durch einen aus Stein geschla-
genen Funken, entsprechend dem Moment, in welchem
Christus den Grabstein durchbrach. Sepp, Heidenth. I. 211.
Einem alten Volksglauben gemäss entzünden sich die Lichter
am heiligen Grabe in Jerusalem in der Osternacht von selbst.
Vgl. Pococke IL 41. Dasselbe Wunder wird von einer
Kirche in Spanien erzählt. Drei Lichter- (Sinnbilder der
Dreieinigkeit) steigen zu Castilverd in Spanien aus dem Wasser
eines nahen Flusses, schweben in die Kirche und zünden in
der Osternacht die Lichter an. Meremberg , hist. rat. 398.
Weihnachten fällt in die Wintersonnwende, Ostern in
die Frühlingstagundnachtgleiche, jenes Fest in die Zeit, in
welcher das Licht der Sonne in tiefer Winternacht zuerst
wieder zu wachsen beginnt, dieses in die Zeit, in welcher
die Sonne Kraft genug gewonnen hat , um Saaten und Laub
zu wecken. Das natürliche Licht wird hier auf eine schöne
und einfache Weise zum Sinnbild des geistigen Lichtes.
Diese Symbolik hat ihren kirchlichen Ausdruck insbesondere
in der Feier des Erscheinungsfestes am 6. Januar gefunden.
Epistel dieses Tages ist die oben erwähnte Stelle aus Je-
saias 60. An demselben Tage feiert die Propaganda das grosse
Bekehrungsfest der Heiden, weil auch dies ein Erleuchten
des Finstern, ein Beleben des Todten ist. Vgl. Strauss,
Kirchenjahr 134 f.
Die ewige Lampe am Altar der Kirchen ist das Sinnbild
des ewig in der Kirche wohnenden Lichts. Die Zahl der
Altarlichter ist sieben nach den sieben Geistern Gottes, oder
zwölf nach den Aposteln. Die Kirche brennt nur Oel und
Wachskerzen, weil unter allen Stoffen, die Licht erzeugen,
Oel das reinste Produkt der Pflanzen-, Wachs das reinste
der Thierwelt ist. Derselben Symbolik entspricht die weisse
[Oder Lichtfarbe des Priestergewandes, das weisse Kleid der
[Täuflinge und das, was einst die Gerechten im Himmel an-
legen werden. — Heilige Jungfrauen besitzen die Gabe,
30 Licht.
ausgelöschte Lichter durch blossen Hauch oder blosses Gebet
wieder zu entzünden. Das bezeichnet ihr inneres Leben im
Licht, ihre Verwandtschaft mit der Engelsnatur. Vgl. den
Artikel Jungfrau. Die brennende Lampe der klugen Jung-
frauen hängt damit zusammen. Das berühmteste Lichtwunder
ist das der heiligen Genoveva von Paris, deren Kerze sich
in ihrer Hand von selbst entzündete , als einmal ihre Nonnen
im Finstern wandeln mussten. Vincent. Bellov., spec. hist.
XX. 46. Es wiederholt sich aber in den Legenden vieler
andern heiligen Jungfrauen , auch frommer Bischöfe etc. Vgl.
Bagattü) admiranda H. 1. 3. Hieher gehören auch die Licht-
säulen, die über dem betenden heiligen Severinus , über dem
ermordeten heiligen Vulstran, Joannicius, Vedastus, Foil-
lanus etc. schwebten, daselbst HL 1. 1.
Vorzugsweise Erleuchtung schreibt die heilige Schrift
denen zu , welche das erste Licht in die Finsterniss des alten
Heidenthums und Judenthums bringen sollen, daher es Matth.
5, 15. heisst: Solche, die das Licht haben, sollen es nicht
unter den Scheffel stellen, nicht aus Menschenfurcht das
Evangelium verbergen.
Was die Kirchenmaler auf naive Weise durch den Nimbus
oder Lichtschein am Haupt der Heiligen ausdrücken, findet
seine nähere Erläuterung in vielen Legenden von solchen
Heiligen, die sichtbares Licht ausgeströmt haben. Vgl. Görres,
Gesch. d. Mystik H. 316. 323. Es braucht hier nicht erst
erwähnt zu werden, welche Aufmerksamkeit die neuere
Naturwissenschaft den Lichtphänomenen an Somnambulen ge-
widmet hat.
In der kirchenfeindlichsten Absicht ist vor dem Strass-
burger Münster die von dem berüchtigten Jakobinermaler
David modelhrte Statue Guttenbergs aufgerichtet worden,
mit der Inschrift: Fiat lux. Das Licht der modernen Presse
ist hier im Gegensatz gegen die vorgebliche Finsterniss des
Mittelalters aufgefasst zur offenbaren Verhöhnung des heiligen
Lilie. 31
Gebäudes, vor dem die Statue steht. Ueberhaupt ist das
Licht der modernen sogenannten Aufklärung eine Negation
der christlichen Wahrheit und mitlnn eine Verdunkelung,
eine Rückkehr zur Finsterniss des Heidenthums , eben so tief
wurzelnd im Urprincip der Nacht, wie das Christenthum im
Lichtprincip. Nur der Lügner von Anfang an konnte eine
verirrte und verdorbene Generation berücken und dahin brin-
gen, dass sie den Tag Nacht und die Nacht Tag nennt.
Lilie.
Die weisse Lilie ist ein Sinnbild der Unschuld und
Seelenreinheit, daher der Jungfräulichkeit, und vorzugsweise
ein Attribut der heiligen Jungfrau. Auf Bildern der Ver-
kündigung trägt der Engel Gabriel, indem er der heiligen
Jungfrau das Heil verkündet, durchgängig auf Kirchenbildern
einen weissen Lilienstengel. Auf altdeutschen Bildern ist auch
oft neben die Jungfrau ein Glas mit einem Lilienstengel
gestellt , so dass man durch das Glas Stiel und Blätter sehen
kann, ein Sinnbild, das sich auch in dem durch Glas, ohne
dasselbe zu verletzen, diüngenden Sonnenstrahl wiederholt
und die unverletzte Jungfrauschaft bedeutet. Denselben Sinn
haben die Lilien ohne Staubfäden auf einem Bilde der Ver-
kündigung. Waagen, über van Eyk S. 236. Auch hat man
die Stelle des Hohenliedes : „Wie eine Lilie unter den Dornen
ist meine Freundin unter den Töchtern,'^ auf die unbefleckte
Jungfrau bezogen. Vgl. den Ai'tikel Jungfrau. Maria wird
mit der Lilie verglichen in Wackernagels Kirchenliedern
Nr. 123. Man hat noch ein altschwedisches Lilienlied auf
die heilige Jungfrau von Eystein. Vgl. Studach, schwed.
Volksharfe S. 182. Der Ritterorden von der Lihe wurde
gestiftet, als man in einer aufgeblühten Lilie ein kleines
Marienbild fand, dessen wunderthätige Kraft den kranken
König von Navarra heilte. Gumppenberg, marian. Atlas
Nr. 589. Aus dem Munde des Wilhelm von Montpellier
blühte durch das Grab hindurch eine Lilie, worin die Worte:
33 Lilie.
Ave Maria zu lesen waren. Attribute der Heiligen S. 7.
Salaür, ein Blödsinniger, lebte halbnackt im Walde und
spracli nie ein Wort als Ave Maria. Seine Seele war so voll
von Liebe zur heiligen Jungfrau, dass er sich voll Lust auf
Baumzweigen wiegte und das Ave dazu sang. Aus seinem
Grabe spross eine Lilie , auf deren Blättern stand Ave Maria.
Kellers bretagn. Volkslieder S. 242. Clemence de Isaure von
Toulouse gründete jeux ftoreauX) bei denen eine silberne Lilie
zum Preis für das schönste Marienlied ausgesetzt wurde.
Besondere Berühmtheit als Mariensymbole erlangten die
drei Lilien des heiligen Aegidius. Derselbe wird insonderheit
verehrt in Frankreich, wo er St. Gilles heisst. Er lebte im
7ten Jahrhundert als Einsiedler und wurde im Walde von
einer Hindin genährt, daher auch eine solche sein Attribut
ist. Gewöhnlich malt man sie mit einem Pfeil im Leibe, weil
sie so, von einem Jäger verfolgt, zu ihm floh und auf diese
Weise seine Einsamkeit entdeckt wurde. Man rechnet ihn
zu den vierzehn Nothhelfern und macht ihn zum Patron der
ehelichen Fruchtbarkeit. Unter seinen Wundern ist das be-
rühmteste das, wodurch er die Mütterlichkeit der heiligen
Jungfrau erklärte. Er lebte eine Zeitlang als Gärtner, da
kam ein Mönch zu ihm, der an der Möglichkeit zweifelte,
dass die Jungfrau nach der Empfängniss habe Jungfrau blei-
ben können. Aegidius aber schrieb drei Fragen in den Sand,
ob die heilige Jungfrau vor, in und nach der Empfängniss
gleich jungfräulich geblieben sey? und jede Frage wurde
entsprechend durch eine weisse Lilie beantwortet, die plötz-
lich aus dem dürren Sande wuchs. Smets hat diese Legende
in seinen Gedichten S. 72 versificirt. Eine sehr schöne alt-
gothische Kirche hat der Heilige zu Braunschweig. Ln alten
Rolandsliede , das Grimm herausgab, begleitet der heilige
Aegidius Karl den Grossen und Roland in den Kampf in
Spanien und verzeichnet nachher die Geschichte desselben
(dasselbe, was nach der altern Quelle Erzbischof Turpin
thut). Auch hat man ein altdeutsches Gedicht aus dem 12ten
Jahrhundert vom heiligen Aegidius, Archiv für westphäl.
I
Lilie. 33
Alterthumskunde 1826 IL Ein schönes Bild des Heiligen mit
der Hindin von Hemling befindet sich in Brügge (Burkhardt,
belgische Städte S. 158). Soviel von diesem Lilienheiligen.
Der blühende Stab Josephs wird in Kirchenbildern häufig
als Lilienstengel aufgefasst, um seine jungfräuliche Ehe mit
Marien zu bezeichnen. Auch Johannes der Täufer hat öfters
die Lilie bei sich, weil er als Prediger in der Wüste im
Cölibat lebte. Als Symbol der Keuschheit und Seelenrein-
heit ist die Lilie auch Attribut des heiligen Franciscus, des
h. Anton von Padua, des h. Aloysius Gonzaga, des h. Nor-
bert, der h. Gertrudis und vieler andern Heiligen. Eine
Lilie ist eine Lanze des Albertus Siculeus. Drei Lilien-
stengel des Faustinus und Simplicius. Lilien und Rosen
fielen aus dem Munde des heiligen Angelus. Lilien wuch-
sen aus dem Grabe des heiligen Marianus, des Vitalis in
Salzburg, drei aus dem Grabe des heiligen Einsiedlers
Euseus, eine wurde in der Hand der todten heiligen Fran-
cisca gefunden ; eine wuchs aus der Hirnschale des im Walde
unbegraben liegenden heiligen Primus. Valvasor, Krain H.
558. Eine Lilie auf der Weltkugel ist Attribut der heiligen
Kaiserin Kunigunde. Fiorillo I. 237. Auch die Engel tragen
in unzähligen Kirchenbildern Lilien in den Händen als Sinn-
bild ihrer Engelreinheit. Die keusche Susanna heisst wörtlich
Lilie (shtcshan). Sehr schön ist der Hymnus ad SS. virgines:
0 digna lilietis,
caterva coelicis,
Oiiae vivis in viretis
sponsique pascuis.
Nix cana lilioj^iim
albente vellere
et lac eburque florum
te vestit undique. '
Und in dem Hymnus Jesu, Corona virginum:
Oui pergis int er lilia
septis choreis virginum
sponsus decorus gloria*
Menzel, christl. Symbolik. II. 3
34 Lilie.
Auf Bildern des Weltgerichts hat Christus als Richter
häufig im rechten Auge einen Lilienstengel gegen die Seligen,
im linken ein Schwert gegen die Verdammten gerichtet. So
auf dem berühmten Bilde in Danzig, desgleichen auf dem
des Roger von Brügge zu Beaume, auf dem Bilde hinter dem
Altar im Ulmer Münster, auf einem im Schlosse ßaldern
(Kunstbl. 1847, S. 14). Auch auf einigen jüngsten Gerichten
von A. Dürer. Vgl. Heller IL 2. 600. und 781. — Am Sakra-
mentshäuschen des Ulmer Münsters kommen zwei Päpste vor
mit Tiaren, die nicht in drei Kronen abgetheilt sind, sondern
einen ganzen Wald von Lilien aufthürmen.
In einem Hymnus des heiligen Bonaventura wird die
fromme Seele eine „Lilie des öden Thaies" genannt (Fortlage,
christl. Gesänge S. 253), was ziemlich mit der Lilie unter
den Dornen übereinstimmt. — Die Lilie, die im Chorstuhl
des Klosters Corvey gefunden wird, wenn der gewöhnliche
Inhaber des Stuhls sterben soll (Grimm, deutsche Sagen
Nr. 263.), was sich in Hildesheim und Breslau wiederholt
(Gödsche, Sagenschatz S. 23), bezieht sich nicht nur auf
die jungfräuliche Reinheit des Klosterlebens, sondern ist wohl
auch Sinnbild der Wiedergeburt. In südlichen Ländern
blühen die Lilien schon im Frühling, daher die merkwürdige
Darstellung auf einem altchristlichen Bilde in den römischen
Katakomben, auf welchem in der Mitte Christus als guter
Hirte steht, in den vier Ecken aber die Jahreszeiten allego-
risch abgebildet sind. Hier ist nun der Frühling ein Knabe
mit drei Lilien und einem Lämmchen, weil im Frühling die
Lilien blühen und die Lämmer auf die Weide gehen. Aringhi
I. 389. Bottari, tav. 48.
Die schöne Kelchform der Lilie dient auch häufig in der
kirchlichen Ornamentik, bei den Abendmahlskelchen, bei
Taufbecken, als Kanzel, z. B. zu Freiberg in Sachsen. Als
Säulenknauf des idealen salomonischen Tempels, als Licht-
träger im siebenarmigen Leuchter etc.
Die Lilien auf dem Felde, die nicht arbeiten, noch spin-
nen, und die doch von Gott gekleidet werden (Matth. 6; 28.
Limbus. 35
Luk. 12, 27.)? sind nur Stellvertreter für alle Blumen, an
denen sich Gottes Güte eben so erweist.
Limbus,
limhus (Streifen^ Rand), zusammenhängend mit Urnen (Schwelle),
wird insgemein ein Aufenthaltsort der Verstorbenen genannt,
der theils an den Himmel, theils an die Hölle angrenzt.
Nach dem alten Testament war der Vorhimmel der Schooss
Abrahams. Hier sollten die gerechten Judenseelen sich bis
zur allgemeinen Auferstehung befinden. Nach christlichen
Begriffen muss aber dieser Schooss Abrahams wegfallen, da
Abraham selbst mit den andern Patriarchen erst von Christus
(in der Zwischenzeit zwischen seiner Grablegung und Auf-
erstehung) aus der Vorhölle erlöst wurde. Einen soge-
nannten limbus infantum erblickt man häufig als Vorhimmel
auf Bildern des thronenden Gottes oder des Weltgerichts
am untersten Saum des Himmels, erfüllt mit den Seelen
der unschuldigen Kinder, die im bethlehemitischen Kinder-
mord Märtyrer wurden, aber als ungetauft noch nicht in
den Himmel selbst kommen können. Ein anderer limbus
infantum kommt bei Dante (Hölle, 4ter Gesang, vgl. die
Uebersetzung von Kopisch S. 15) am obersten Rande der
Hölle vor, erfüllt mit den Seelen ungetaufter unschuldiger
Kinder und tugendhafter Heiden. Ausserhalb der Hölle, je-
doch unmittelbar über sie, versetzt Dante die indifferenten
Engel, die sich weder für Lucifer, noch auch für Gott ent-
schieden und also nicht werth sind weder der Hölle noch
des Himmels.
Der Limbus , sey er Vorhimmel am untersten Rande des
Himmels, oder Vorhölle am obersten Rande der Hölle, muss
vom Fegfeuer (purgatorium) unterschieden werden , sofern in's
Fegfeuer nur getaufte und erwachsene Christen gehören, die
hier von ihren Sünden geläutert werden, während im Lim-
bus sich nur üngetaufte oder Kinder aufhalten. In dem
berühmten Bilde des Weltgerichts von König Rene ist daher
3*
86 Linsen.
auf sinnige Weise die Vorhölle mit den Kinderseelen einer-
seits von dem Fegfeuer rechts ^ andererseits von der Hölle
links abgetrennt.
Linsen.
Esau verkaufte sein Erstgeburtsrecht dem Jakob um ein
Gericht Linsen. Hier sind die «Linsen nur als Sinnbild des
Geringfügigen zu nehmen im Gegensatz gegen die hohe
Wichtigkeit des Erstgeburtsrechts im Volke Gottes. In der
Naturgeschichte zur Dämpfung des Aberglaubens, Hamburg
1793j S. 62 wird der Volksglaube angeführt, dass dem, der
am Charfreitag Linsen esse, im ganzen Jahr das Geld nicht
ausgehe. Hier ist wohl die runde und platte, dem Gelde
ähnliche Form Grund der Vergleichung.
Löwe,
Sinnbild der Stärke und des Königthums, weil er als König
der Thiere gilt. Daher ein Symbol Christi selber. Schon im
1. B. Mosis 49, 9. wird Juda mit einem jungen Löwen ver-
glichen und im Stamme Juda wird Christus geboren, welcher
daher in der Offenbarung Johannis 5, 5. der Löwe vom Stamm
Juda heisst. Auf Fenstern des Berges Athos schläft der Löwe
zu den Füssen des Christkinds. Didron, icon, 348. Der Löwe,
der sehr oft am Eingang alter Kirchen angebracht ist, gleich-
sam als deren Wächter, bedeutet deren Macht in Christo.
Vgl. Heider, Thiersymb. S. 34. Kreuser, Kirchenbau L 123.
Merk im Kunstbl. 1845, S. 374.
Der brüllende Löwe insbesondere ist ein Sinnbild der
Auferweckung von den Todten. Nach einem alten Physio-
logus, den Origenes in genesin hom.il. anführt, schläft der
neugeborne Löwe drei Tage und drei Nächte (wie Christus
im Grabe), und nach Durandus, rat. offic. VH. rubr. de evang.
weckt der alte Löwe am dritten Tage sein Junges , wie Gott
Vater den Sohn aus dem Grabe. Vgl. auch das altd. Thierbuch
Löwe. ' 37
in GrafFs Diutiska III. 23. und Conrad von Megenberg, Buch
der Natur 1842. fol. 65. Diese Erweckung des jungen Löwen
durch den alten ist auf einem Glasgemälde der Kathedrale von
Bourges abgebildet. Martin et Cahier, les vitreavx de Bourges
pl. 1. Didron, man. p. 145. Noch erhabener ist die Anwen-
dung dieses Bildes in Conrad von Würzburgs goldner Schmiede
502 f., wo der Todesschrei des am Kreuz sterbenden Heilandes
die Todten weckt, wüe der Löwe seine Jungen. Auch in einer
Hymne des Faulbert von Chartres (Königsfeld, lat. Hymnen
S. 106) heisst es :
Christus, invictiis len ,
dum voce tnva personal,
a morte functos excitat.
Andrerseits ist Christus nicht selbst Löwe, sondern Lö-
w^enbändiger und zwar Avieder in Bezug auf die Auferstehung.
In vielen Kirchen nämlich (zu St. Stephan in Wien , Kloster
Neuburg, Freiburg im Breisgau, Löwen, Amiens etc., vgl.
Heider, über Thiersymbolik S. 22, wozu noch die von Bock
in Brüssel in einer eigenen Monographie beschriebenen Bilder
zu Nivelles kommen) reitet Simson auf dem Löwen und bricht
ihm den Rachen auf, worunter nichts anderes zu verstehen
ist, als Christus, der das Grab aufbricht. Vgl. den Artikel
Simson. Der von Simson erschlagene Löwe bedeutet gleich-
w^ohl wüeder Christum selbst, wegen des Honigs in seinem
Rachen. Ein grosser Löwe, von Bienen umschwärmt, ist
Christus , von dessen Tode die Menschen leben : Morte unius
tot millia vivunt. Daher auch in altlateinischen Hymnen
Maria favus Sanisonis heisst, weil sie den honigbringenden
Löwen gebar.
Dem Löwen steht zuweilen das Lamm zur Seite, beide
auf Christum bezüglich, die Allmacht und die Gnade, die
Gerechtigkeit und die Liebe, beide Thiere tragen den Kreuz-
nimbus. Auf sehr alten Miniaturen, vgl. Didron, ic. p. 348.
Heider S. 14. Man findet aber auch den Löwen, der ein
Lamm oder einen nackten kleinen Menschen, oder beide zu-
gleich vor sich hält. Ciampini vet. mon. musiva tob. 17. Das
38 Löwe.
bedeutet wohl die Macht der Kirche, welche die Unschuld
beschützt.
Im Jahr 1130 fand Graf Adalbert von Froburg in der
Schweiz auf der Jagd mitten im Wald an einer Quelle ein
reizendes Weib mit einem Kinde, die sich hier in freund-
licher Waldeinsamkeit zu ergötzen schienen, plötzlich aber auf
einem Wagen, den ein Lamm und ein Löwe zogen, gen
Himmel fuhren. Es war die Madonna mit ihrem Kinde gewe-
sen , und an selber Stelle baute der Graf das Kloster Schön-
thal. Schwab, Ritterburgen der Schweiz IIE. 494.
Ein Sinnbild göttlicher Stärke sind die Löwen am Throne
Salomons, 1. Kön. 10, 19. 2. Chron. 9, 19; oft nachgeahmt
an christlichen Thronstühlen, Heider S. 38, wo die Löwen
die Apostel bedeuten. Kunstbl. 1841. S. 414. Der Löwe ist
der Wächter Gottes bei Jesaias 21 , 8. Desgleichen die Che-
rubim mit dem Löwengesicht bei Ezechiel 1,10. Lisbeson-
dere ist der Löwencherub Begleiter des Evangelisten Marcus,
ein geflügelter Löwe mit dem Nimbus (das Wappen der alten
Republik Venedig). Marcus soll den Löwen haben, weil sein
Evangelium mit dem Löwen der Wüste, Johannes dem Täu-
fer, beginnt. Kreuser, Kirchenbau H. 89.
Als Symbol des Lebens in der Wüste erscheint der Löwe
den frommen Einsiedlern dienstbar. Löwen begruben den
ersten Einsiedler Paulus, als er in der ägyptischen Wüste ge-
storben war, eben so die ägyptische Maria, den heiligen Ono-
frius, den heiligen Macarius (diesen nur eine Zeitlang zur
Busse). Zum heiligen Hieronymus kam ein Löwe, der sich
einen Dorn in den Fuss gestochen hatte , Hess sich von ihm
heilen und blieb fortan bei ihm. Noch einige Beispiele
bei Bagatta, admir. VH. 1. 10. Simeon, der Einsiedler,
lebte im öten Jahrhundert in der Wüste am Berg Sinai
verborgen. Als ihn einst Pilger fanden, und er keine
Lebensmittel hatte, ihnen etwas vorzusetzen, kam ein
Löwe und brachte ihm einen Palmzweig voller Datteln.
Leben der Altväter, 1725. S. 225. Dem heiligen Einsiedler
Löwe. 30
Quiriacus hütete ein Löwe seine Kräuter. Surius zum 29. Sep-
tember. Hieher gehören auch die Löwen im alten Testament,
die im Dienste Gottes den Propheten (1. Kön. 13, 24.) und
die Cuthäer (2. Kön. 17, 25.) zerrissen.
Im altrömischen Keich pflegte man christliche Märtyrer
öffentlich im Amphitheater den Löwen vorzuwerfen, um zu-
gleich dem heidnischen Publikum zum Schauspiel zu dienen.
Von vielen Märtyrern aber sagt die Legende, die Löwen
hätten sie verschont, ihnen demüthig die Füsse geküsst, ja
sogar sie gegen die Heiden vertheidigt. Das gilt vom hei-
ligen Abdon, Aemilianus, Andronicus, Benignus, Blasius,
Cerbonius, Erasmus, Faustinus, Felicianus, Modestus, Pan-
taleon, Pontianus, Primus, Probus, Taracus, Tyrsus, Yitus,
von der heiligen Christina, Daria, Euphemia, Glyconia, Mar-
tina, Prisca, Thekla etc. Anna Almaida, eine spanische Hei-
lige, liess schon als Kind einmal ihren Rosenkranz in eine
Löwengrube fallen , ging arglos zu den Löwen hinunter und
band einen mit dem Rosenkranz, der ihr wie ein Hund folgte.
— Der heilige Malchus, ein christlicher Sklave, entfloh sei-
nem heidnischen Herrn in Mesopotamien und wurde von ihm
verfolgt. In eine Höhle fliehend, ward er von dem darin
befindlichen Löwenpaare verschont, während sein Herr und
dessen Gefährte , als sie zur Höhle kamen , von den Thieren
zerrissen wurden. Leben der Altväter, 1725. S. 113. Der-
selbe musste als Sklave eine Mitsklavin heirathen, deren Mann
aber noch lebte , weshalb er nur in jungfräulicher Ehe mit
ihr lebte, bis beide in einem Mönchs- und Nonnenkloster
ein Asyl fanden. 22. October. Bearbeitet in v. Bülows Zwölf
Legenden zur Nachfolge Christi. — St. Gerasimus, Einsiedler
am Jordan im Öten Jahrhundert, zog einmal einem Löwen
einen Dorn aus demFusse, wofür ihm derselbe nachher aus
Dankbarkeit bis zum Tode diente. Als der Heilige starb,
legte sich der Löwe auf sein Grab und verhungerte. Acta SS.
5. März. Der christliche Androkles. Einen auf dem Löwen
reitenden heiligen Samuel kennt die äthiopische Legende.
Harris, Schoa H. Anhang S. 112.
40 Löwe.
In anderen Legenden werden die Heiligen wirklich von
den Löwen zerrissen , wie schon der Prophet Joel. St. Igna-
tius Theophorus, Bischof von Antiochia, soll das Kind ge-
wesen seyn , welches Jesus unter die Jünger stellte als Sinn-
bild der Demuth: ;,So ihr nicht werdet , wie die Kindlein,
so werdet ihr nicht in den Himmel kommen.^ Er wurde
später zu Smyrna als Christ verfolgt und im Amphitheater
von Löwen zerrissen, w^obei er rief: ;,Bin ich der Waizen
Christi, so werden mich die Zähne des Löwen mahlen, dass
ich ein reines Brod werde. '^ 1. Februar. Acta SS. St. Mar-
cian wurde von einem Löwen geliebkost, aber von einem
Leoparden zerrissen.
Diese grausamen Löwen bedeuten den Teufel, den grim-
migen Feind Christi. Daniel in der Löwengrube kommt
ausserordentlich oft auf christlichen Gräbern vor und bedeutet
hier immer die Erlösung aus den Banden des Todes und des
Teufels. Vgl. d. Art. Daniel. Nach der Legende spielt das
Christkind in der Löwengrube mit den wilden Bestien. Hof-
mann, Apokr. 245. Eben so der jugendliche heilige Vitus.
„Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht,
welchen er verschlinge,^ 1. Petri 5, 8. ^Hilf mir aus dem
Rachen des Löwen," Psalm 22, 22. Christus tritt zuweilen
einen Löwen und einen Drachen unter die Füsse, beides
Sinnbilder des Teufels. So an den berühmten Thüren zu
Nowogrod, in der Kirche Notre Dame zu Chartres etc. Vgl.
Heider S. 31. — Der vom christlichen Herkules besiegte
und der den christlichen Pyramus zerreissende Löwe (Piper I.
407.) sind Künstlerwillkührlichkeiten , die keine Nachahmung,
kaum Beachtung verdienen.
Die häufig in Kirchen vorkommenden Löwenrachen sind
von verschiedener Bedeutung. Unter Säulen und Gebälken
halb erdrückt oder Menschenköpfe im Rachen haltend (zu
Worms) bedeuten sie ohne Zweifel den Teufel, den die Kirche
bändigt oder nur warnend den Sündern vorhält. Vgl. Piper
I. 407. Die vielen an den Kirchthüren angebrachten Löwen-
rachen , z. B. in Florenz , Mainz , Plildesheim etc. , scheinen
Loth. 41
aber anders verstanden werden zu müssen. Heider, S. 21,
glaubt, ,, der Gedanke lag nicht ferne, dass der Teufel selbst
dazu dienen müsse, zum OefFnen der Kirchtbüren behülflicb
zu seyn.^ Mir scheint jedoch, es handle sich hier nur um
die Abwehr feindlicher Gewalten von der Kirche. Der Lö-
wenkopf an Kirchthüren entspricht dem Medusenkopf an den
Rüstungen der Alten, den zungenfletschenden Lallenkönigen
an den Thoren der Schweizer Städte, dem Pferdekopf auf
den Neidstangen bei den alten Germanen, wie er noch jetzt
auf niedersächsischen Häusern in Holz geschnitzt wird etc.
Er ist ein Gegenzauber, der die im bösen Sinne Nahenden
abschrecken soll.
Als Sinnbild der Macht eines grossen Reichs ist der Löwe
Reitthier des Königs Nebucadnezar in Daniels Vision 7, 4.
Didron, man. p. 119. Brüllende Löwen heissen die Fürsten
bei Zephania 3, 3.
Noch dient der Löwe zu einem schönen Symbol bei Je-
saias 65, 25, wo vom Paradiese die Rede ist, in dem einst
der Löwe seine Wildheit verloren haben und wie ein Lamm
Gras fressen wird.
Loth.
Als Sodom und Gomorrha von Gott mit Feuer zerstört
wurden, floh Loth mit seinem Weibe und seinen beiden Töch-
tern. Sein Weib sah sich, dem Verbote zum Trotz, nach
dem Feuer um und wurde in eine Salzsäule verwandelt. Die
Töchter, in's rauhe Gebirg entflohen, glaubten, die ganze
bewohnte Welt sey mit Feuer vertilgt, und es gebe keinen
Mann mehr auf Erden, ausser ihrem Vater. Damit nun das
Menschengeschlecht nicht unterginge, machten die Töchter
ihren Vater trunken und verführten ihn in diesem Zustande,
ohne dass er sich dessen am Morgen erinnerte. Darauf gebar die
älteste den Moab, von dem die Moabiter kommen, die jüngste
den Ammi, von dem die Ammoniter kommen. Eine eben
so voreilige Zeugung, wie die des Ismael, und noch frevel-
hafter; daher Gott die Moabiter und Ammoniter ungnädig
43 St. Lucas.
ansah, und dieselben auch stets verhasste Feinde des auser-
wählten Volkes, der Kinder Abrahams, blieben.
Diese Geschichte hat einen mystischen Sinn. Wie Abra-
ham Prototyp des Glaubens, so Loth des Unglaubens. Wie
in Abrahams Geschlecht der reine Glaube fortlebt, so diver-
giren in Loths Familie die verschiedenen Arten der Skepsis
und der Häresieen. Loth zeugt mit der ungläubigen Rücksicht
die ungläubige Vorsicht. Sein Weib will nicht glauben,
dass der Herr Sodom mit Feuer verderbe, sie will es sehen,
und blickt um , gegen das Verbot. Darum wird sie zur Salz-
säule. Denselben Sinn drückt Christus selbst aus, indem er der
Geschichte Loths gedenkt, Matth. 24, 17. Luc. 17, 31. Das
Salzsymbol erklärt sich daraus, dass die neugierigen Ziegen
und überhaupt das dumme Vieh gern Salz lecken. Die selbst
als echte Tochter Eva's Vorwitz geübt, wird ein Salzfels, an
dem seitdem die vorwitzigen Zungen lecken. Vgl. Rupert.
Tuü. p. 65. — Loths Töchter wollen ebenfalls nicht glau-
ben, dass sie in der Verbannung und einsamen Wüste Nach-
kommenschaft erleben würden, und ihre allzu ängstliche
Zweifelsucht und Vorsorge verführt sie zu einem abscheu-
lichen Verbrechen. Wie ihre Mutter, weil sie nicht glaubt,
zu viel rückwärts, so sehen die Töchter, weil sie nicht glau-
ben, zu viel vorwärts. Wie jene an der Gerechtigkeit Gottes
zweifelt, so zweifeln diese an dem Erbarmen Gottes. Rupert
von Duiz hat sie daher in seinem geistreichen mystischen
Werke mit Recht als die Familie der Häresieen im Gegensatz
gegen Abrahams Glaubenstreue aufgefasst.
St. Lucas.
Man muss mit dem alten Passional, das Hahn 1844 edirt,
S. 325 sagen:
von Luca dem guten Man
nicht viel ich gelesen han,
wie sein Lehen si gewesen.
Er war Anfangs Arzt, weshalb er als Patron der Aerzte
gilt, widmete sich aber nachher ganz der Nachfolge des
Bt. Lucia. 43
Herrn und der edlen Malerkunst, weshalb er auch Patron
der Maler ist. Sonderlich malte er die Madonna so oft , dass
noch jetzt eine grosse Menge christlicher Kirchen im Morgen -
und Abendlande sich rühmen, Bilder von seiner Hand zu
besitzen. Der Heilige ist in hohem Alter, indem man ihn
kreuzigen wollte , aber die Aufrichtung des Kreuzes zu lang-
weilig fand, an einen Oelbaum gehenkt worden. 18. October.
Warum er (nach Stok, Gesellenwesen S. 112.) Patron der
Glaser ist, weiss ich nicht. Wenn Sterbende vom Arzt auf-
gegeben waren, legte man ihnen sogenannte Lucaszettel, d. h.
Gebete zum heiligen Lucas, auf die Brust.
Als Evangelist hat Lucas den geflügelten Ochsen zum
Attribut, theils weil er mit dem Opfer des Zacharias seine
Erzählung beginnt, theils weil Christus selbst gleichsam Opfer-
stier ist. Innozenz, Geheimniss der Messe, übers, von Hurter,
S. 90. Kreuser, Kirchenbau H. 90. Der Ochs heisst des-
halb in Frankreich oiseau de St Luc.
S t. L u c i a ,
eine fromme Jungfrau zu Syrakus im 3ten Jahrhundert,
sollte einen reichen heidnischen Jüngling heirathen , ver-
theilte aber ihren Brautschatz unter die Armen und verlobte
sich Christo allein. Da wurde sie vor Gericht gezogen und
als Christin verdammt. Sie sollte in ein gemeines Freuden-
haus geschleppt werden , aber keine Pferdegewalt , keine an-
gezogenen Stricke brachten sie von der Stelle. Da schleppte
man Holz herbei und umgab sie mit einem Scheiterhaufen,
aber das Feuer Versehrte sie nicht, und es war, als stünde
sie in einem Rosengebüsch. Endlich wurde sie mit dem
Degen durchstochen. Der wichtigste Zug in ihrer Legende
aber ist, sie soll sich, als ihr der Freier aufgedrungen wurde,
ihre Augen, deren Schönheit ihn bezaubert, ausgerissen und
ihm dieselben auf einem Teller übersandt haben. Dieser
Teller mit den Augen ist daher auch ihr Attribut. Die Mutter
Gottes gab ihr dafür neue und noch schönere Augen. Sigebert
44 Lucifer.
von Gemblours hat ihre Marter besungen, Dante im 2ten
Gesang der Hölle sie zum Träger des himmlischen Lichts
oder der Erkenntniss gemacht. Dem entspricht auch ihr
Jahrestag (23. Dezember) , der finsterste im Jahre, von wo
an aber die Tage wieder länger und heller werden und das
Licht des neuen Jahres (in der darauffolgenden Weihnacht)
aufbricht. Dem entspricht endlich auch ihr Name, Lucia von
lux, Licht. Die Heilige bedeutet aber das geistige Licht, und
zwar in seiner Stetigkeit und ünvergänglichkeit , trotz aller
Verdunkelungen und Anfechtungen. In dem chron. Zwifal-
tense der Stuttgarter Bibliothek p. 83. ist sie abgebildet, wie
sechs Menschen und sechs Ochsen vergebens an ihr zerren
und sie nicht von der Stelle bringen. Ein ähnliches Bild zu
Padua, s. Kunstblatt 1838. Nr. IL Dem entspricht das Sinn-
bild des Lampenlichts, welches auch im heftigsten Sturme
nicht erlischt. Sollte nicht auch der Polarstern gemeint seyn,
der am St. Lucientag seinen höchsten Stand am nördlichen
Himmel erreicht, und unter den zwölf Ziehenden die Zeichen
des Thierkreises ?
Lucifer.
Das erste wirkliche Geschöpf Gottes, das nicht mehr wie
das Wort (Logos) oder der Geist und die Weisheit (Sophia)
er selber war, sondern ein zweites, ausser ihm befindliches
Wesen, wurde eben deshalb sein Feind. Der erste Engel
wurde der Teufel.
Jesaias 14, 12. heisst es: „Du bist gefallen, schöner
Morgenstern (Lucifer).'^ Gesenius und die meisten neuern
Erklärer verstehen unter dem Morgenstern nur das babylo-
nische Reich, von dem der Prophet eben handelt. Allein der
Prophet bedient sich offenbar eines den Morgenländern sehr
verständlichen Bildes, wonach eben erst der zu seiner Zeit
gehoffte Sturz Babylons mit dem längst bekannten Sturze Lu-
cifers verglichen wird. Denn wie Lucifer durch seinen Ueber-
muth , durch den Stolz auf seine Schönheit fiel , so auch Ba-
bylon. Ueberdies heisst es Luc. 10, 18, Satan sey wie
I
Lucifer. 45
ein Blitz vom Himmel gefallen. 1 . Timoth. 3 , 6. heisst es :
der Plochmüthige leide des Teufels Strafe. 2. Petri 2, 4.
wird geradezu gesagt, Gott habe die sündigen Engel mit
Ketten der Finsterniss zur Hölle Verstössen, und Epist. Judä 6 :
diese bis zum Gericht in der Finsterniss gehaltenen Engel
hätten ihre Fürstenthümer und himmlischen Häuser verlassen
müssen. Endlich spricht Ev. Joh. 8; 44. Christus selber vom
Teufel j als dem Mörder von Anfang und Vater der Lügen.
Vermöge der eigenthümlichen Verblendung, welche alles
specifisch Christliche für blosse Nachahmung von etwas Heid-
nischem hält, weil es ein Vorbild im alten Heidenthum (wie
ein Afterbild im neuen) hatte, glaubte Bohlen (Genesis 50.)
und viele Andere, die ganze Lehre vom Teufel sey erst
nach dem Exil in's Judenthum gekommen, und nichts weiter
als die Lehre vom persischen Ahriman. Li der That ist
Ahriman, der erstgeborne Engel der Perser, zum Teufel ge-
worden , weil er Gott selbst seyn und allein regieren wollte.
Ganz auf dieselbe Weise empörte sich auch nach der Brah-
minenlehre der erstgeborne Engel Moisasur. Auch der Tita-
nensturz der Griechen gehört hieher.
Allein diese alten Vorstellungen der Heiden enthalten
nur einen Schimmer von christlicher Idee, und schweifen
einseitig aus. Der persische Ahriman verderbt die halbe
Natur und theilt sie in eine böse und gute Hälfte; davon ist
die mosaische und christliche Anschauung weit entfernt, der
vielmehr die ganze Natur gut und als Gottes Werk erscheint.
Der indische Moisasur verführt die übrigen himmlischen Gei-
ster zum Abfall von Gott und dafür müssen sie als Seelen
in Menschen- und Thierleiber übergehen, um abzubüssen.
Auch von dieser Seelenwanderungslehre ist das Christenthum
weit entfernt.
Lucifer ist specifisch biblisch, jüdisch - christlich. Vor
Allem lag es nahe, zu fragen, warum Gott überhaupt das
Böse zugelassen habe? Augustinus, de civ, Dei 14. 11, sagt
einfach: „Gott wollte seinen Geschöpfen Freiheit geben, als
das köstlichste Gut, aber einen freien Willen kann es nicht
46 Lucifer.
geben, wenn er nicht auch böse seyn könnte. Uebrigens
habe das Gott nach seiner Weisheit vorausgesehen.'' Aehn-
lich Basilius in der 9ten Homilie. Der Scholastiker Duns
Scotus hob die Nähe hervor, in welcher Lucifer zu Gott
gestanden; je gottähnlicher er war, desto stärker war auch
für ihn die Versuchung, sich Gott gleich oder an Gottes
Stelle zu setzen (nach der musikalischen Regel des Septimen-
accordes). Thomas von Aquino hebt hervor: die Engel be-
finden sich im Stande der Gnade, nicht im Stande der Busse,
wie die Menschen; ihre Sünde sey also viel unverzeihlicher,
ihr Fall viel tiefer. Zudem könne der Mensch seinen Willen
zügeln und anderswohin lenken, der Engel aber müsse ihn
in der einmal angenommenen Richtung verfolgen, was ihn
nothwendig in's Extrem führe. Der Mensch sey sterblich
und somit zur Aenderung von aussenhtr berufen ; der Engel
aber sey unsterblich und mache sich nur selber zu dem, was
er werde. Vgl. ßaur, Dreieinigkeit IL 770. 782.
Schon der blosse Begriff des Eigenwillens setzt die ganze
Folgerung des Diabolismus voraus. So wie neben dem gött-
lichen noch ein zweiter Wille daseyn darf, wird er ein böser
werden, eben um alle Möglichkeiten der Verschiedenheit vom
göttlichen Willen zu erschöpfen.
Ein erstes Moment des bösen Willens ist der Trotz, das
Unabhängigkeitsstreben, die Lust, allein zu herrschen.
Ein zweites Moment ist die Eitelkeit, die bei Lucifer
insbesondere durch die Realität seines erschaffenen Wesens
genährt wurde, während Gott ihm gegenüber in seiner ur-
sprünglichen Idealität verharrte. Lucifer hielt sich für um
so viel vollkommener, als er körperlicher geworden war;
obgleich hier noch an keine irdische Materie zu denken ist.
Daher identificirte noch Jakob Böhme den Lucifer mit
der Natur, als dem Aeusseren , im Gegensatz gegen Gott , als
das Innere. Das Aeussere aber in seinem härtesten Gegen-
satz gegen das Innere ist Finsterniss, wie das Innere Licht
ist, todte Erstarrung, wie das Innere Leben ist. Daher,
glaubt Böhme, musste Gott durch eine neue Schöpfung den
I
Lucifer. 47
Gegensatz vermitteln , das ist nun die Erde mit den Menschen
in der Mitte zwischen Himmel und Hölle. — Nicht anders
fasste auch der grosse Dante den Lucifer auf, da er ihn, vom
Himmel herabgefallen, in den Mittel- und Schwerpunkt der
Erde sinken und dort bis zum Gericht bleiben lässt. Die
Finsterniss und Schwere contrastiren hier mit dem Licht und
dem leichten Flügelschwung im Himmel. Vgl. Kopisch,
Dante S. 69.
In der berühmten Vision des Ritters Tun dal (Vincent
Bellovac. speculum morale H. 3. 6.) liegt Lucifer gleichfalls
in der Tiefe der Hölle, angefesselt, von unzähhgen kleinen
Teufeln umgeben, die beständig das Feuer unter ihm schü-
ren, um ihn zu plagen; denn in der Hölle waltet so sehr
das Gesetz des Hasses, dass auch die Schüler ihren Meister,
die Unterthanen ihren Herrn, die Kinder ihren Vater be-
ständig hassen und martern müssen. Lucifer hat Menschen-
gestalt, aber von Riessengrösse , und ist rabenschwarz. Wie
Briareus hat er eine Menge Hände, jede mit zwanzig Fingern
und Kj:allen, womit er nach den Verdammten greift, um die-
selben zu fressen.
Bevor aber Lucifer in der Tiefe gefesselt wird, hat er
Macht, die Menschen selbst zu fesseln. In einem Auto des
Lope de Vega liegt die ganze Menschheit gefesselt zu seinen
Füssen, v. Schack, dramat. Lit. d. Span. IL 412.
Die Muhamedaner kennen den gefallenen Lucifer unter
dem Namen Iblis (entstellt aus dem griechischen öiäßolog).
Sie gehen aber in ihren Unterscheidungen des ersten Geister-
reichs noch weiter, als die Juden. Vor der letzten Schöpfung,
sagen sie, war die Erde bereits bewohnt, wenn auch nicht
von Menschen, doch von Dschinnen (Genien) in Riesengestalt.
Dieselben waren keineswegs Teufel , wenn auch keine Engel.
Es herrschten nach einander sieben weise Salomone über sie,
denen allen gemeinsam der allwissende Vogel Simurgh (Phö-
nix) als Wessir diente. Endlich wurden sie übermüthig, und
Gott schickte den Engel Iblis aus, sie zu strafen. Iblis
und die ihm untergebenen Engel siegten und verbannten die
48 Luftspiegelung^.
überwundenen Dschinnen in das äusserste Grenzgebirge der
Erde, Kaf genannt. Nun wurde aber Iblis selber über-
müthig, trotzte Gott und verw^andelte sich mit den Seinen
dadurch in Diws (böse Geister, Teufel, zum Unterschied von
den Dschinnen , Riesen). Gott schuf nun den Adam, in der
Hoffnung, die Menschen würden besser seyn, als Dschinnen
und Diws. Beide letzteren sollten das neue Geschöpf an-
beten. Sükkradsch (siehe Herbelot s. v.), der Fürst der
Dschinnen, that es und huldigte dem Adam, Iblis aber that
es nicht, und wurde deshalb von Gott in die Hölle gestürzt.
Vgl. auch Herbelot s. v. Eblis, und v. Hammer, persische
Redekünste S. 21. — Nach dem jüdischen Sohar war Sam-
mael (Lucifer) ursprünglich ein Seraph mit sechs Flügeln.
Der Engelsturz ist oft in kecken Teufelsgruppen gemalt
worden. Ganz eigenthümlich aber erschemt ein altes grie-
chisches Bild , auf dem die stürzenden Engel oben noch schön
sind, allmählig immer hässlicher und erst unten zu vollen-
deten Teufeln werden. Didron^ man. p. 77. Ganz eben so
malte sie Bos.
Weil Lucifer der Lichtträger heisst , wdrd Christus selbst
der wahre Lucifer genannt, in einer Hymne des Hilarius.
Königsfeld, lat. Hymnen S. 2.
Luftspiegelung.
„Die Pracht der Palläste Babels, die in voller Wirk-
lichkeit vor euch steht, wird wie ein Hauch verschwinden.
Das zarte Luftgebilde , das ihr in der Wüste verschmachtend
hoffnungsvoll vor euch sehet und nicht erreichet, wird den-
noch einmal Wirklichkeit werden. *^ Vgl. d. Art. Jesaias.
i
m
Maccabäer.
Die kriegerischen Bücher der Maccabäer sind von grosser
typischer Wichtigkeit für die christliche Geschichte. Die darin
vorkommenden Helden und Begebenheiten sind nämlich durch-
gängig Vorbilder der spätem Bedrängnisse der Kirche durch
die weltliche Macht. Zugleich sind jene maccabäischen Hel-
den gleichsam die bewaffneten Schutzengel des mosaischen
Gesetzes und der messianischen Verheissung gewesen. Ohne
sie wäre das Judenthum schon vor Christi Geburt unterge-
gangen und aus der Reihe der welthistorischen Erscheinungen
verschwunden.
Es handelt sich um die Schicksale des gelobten Landes
unter den Herrschern aus Alexanders Nachfolge. Nach der
Sage bei Josephus wollte Alexander der Grosse Jerusalem
zerstören, weil es an Persien hing; als ihm aber der Hohe-
priester Jaddu mit den Leviten in feierlichem Zug entgegen-
kam und er in dem ehrwürdigen Greis denselben in der-
selben Tracht wiedererkannte, den er vorher im Traum
gesehen, verschonte er die Stadt, üeberhaupt lag es in seiner
Politik, Alle zu schonen, die sich ihm unterwarfen, und
Menzel, christl. Symbolik. II. <4
50 Maccabäer.
insbesondere alle Culte gewähren zu lassen, die dem persi-
schen widersprachen. Die Begegnung zwischen dem Priester
und Könige ist übrigens typisch für die spätere christliche
Legende, denn sie wiederholt sich in der Art, wie Papst
Leo der Grosse dem Attila entgegentrat.
Palästina war nun dem grossen Reiche Alexanders ein-
verleibt und kam nach seinem Tode unter die Herrschaft
der Seleuciden, während andrerseits auch die Ptolemäer in
Aegypten immer einen Anhang unter den Juden hatten, die
in sehr grosser Zahl zu Alexandria wohnten und daselbst
durch 72 Dollmetscher das ganze alte Testament in's Griechi-
sche übersetzen Hessen, so zwar, dass durch Gottes Fügung
Alle, ohne von einander zu wissen, buchstäblich das Näm-
liche schrieben. Anfangs wurden die Juden gut behandelt
und kamen wieder in grossen Flor.
Nach dem 2. Buch der Maccabäer Kap. 3. (das nur eine
andere Redaction des ersten ist und dieselben, ja noch frühere
Geschichten enthält) wollte König Seleucus Philopator, der
übrigens von Josephus ein grosser Gönner der Juden genannt
wird (Arch. 12. 4. etc.), den im Tempel zu Jerusalem schon
wieder angehäuften Schatz rauben lassen und schickte zu
diesem Behuf seinen Kämmerer Heliodorus hin. Aber als er
an den Gotteskasten trat, siehe da sprengte plötzlich ein
schrecklicher Reiter auf schön geschmücktem Ross gegen ihn
an und des Rosses Vorderhufe stürzten ihn zu Boden. Er
lag nun todt , und nur das Gebet des frommen Hohenpriesters
Onias konnte ihn wieder erwecken. Der König, über das
Wunder erstaunt, verlangte nicht mehr nach dem Tempel-
schatz. — Der Reiter war ein Engel. In goldner Rüstung
edel zürnend hat ihn Raphael in dem berühmten Bilde der
Stanzen gemalt, dazu einen Blitz, der den Frevler nieder-
wirft, zwei Engel zu Fuss mit Strafruthen, und im Hinter-
grunde seltsamerweise den Papst Julius H., auf dessen Befehl
Raphael das Bild malte.
Heliodor ist typisch für die spätere christliche Kirche
und wurde sein Beispiel stets den Kaisern und Fürsten
Maccabäer. 51
entgegengehalten, die sich an den Schätzen und Gütern der
Kirche vergreifen wollten.
Vom frommen Onias heisst es weiter, er sey durch
Jason, der dem König viel Geld zahlte, und dieser wieder
durch Menelaos, der noch mehr zahlte, vom Hohenpriester-
thum verdrängt und im neuen Asyl , in das er sich geflüchtet,
trotz der Heiligkeit des Orts ermordet worden. Auch das
ist typisch für den spätem Cäsareopapismus in der christlichen
Kirche, wenn Priester der Habsucht der Könige das Hei-
lige zum Opfer bringen , um für ihre Personen Kirchenämter
zu erlangen. — Sehr bezeichnend heisst es 2. Maccab. 5, 19:
Gott habe diese Schändungen seines Tempels zugelassen, um
das Volk für seine Sünden zu strafen; Gott habe das Volk
nicht auserwählt um der Stätte willen, sondern die Stätte
um des Volkes willen.
Des Seleucus Nachfolger Antiochus Epiphanes (seit 175
vor Christo) war ein ruchloser Mensch von Natur und hatte
nicht einmal so viel politischen Verstand, die Juden zu
schonen , um sie gegen Aegypten zu benützen. Gleich neuern
orientalischen Despoten Hess er nur Geld zusammenraffen,
um seine Lüste zu befriedigen, und beging treulose Morde
des Volks in Masse, um Revolutionen zuvorzukommen. So
musste sein Feldherr Apollonius mit 22,000 Mann (2. Macc.
5, 24.) die Juden an einem Sabbath zu Jerusalem überfallen
und ein furchtbares Blutbad unter ihnen anrichten, da ihr
Gesetz ihnen nicht erlaubte, sich an dem Tage der Gottes-
ruhe zu wehren. Darauf Hess er den Tempel entweihen,
Schweine darin schlachten, Weiber Unzucht darin treiben
und weihte ihn dem heidnischen Gotte Zeus. Dasselbe ge-
schah auch mit dem Aftertempel zu Garizim.
Der 90jährige Greis Eleazar, ein Schriftgelehrter, sollte
gezwungen werden, Schweinefleisch zu essen, zog es aber
vor, ehrlich zu sterben und wurde erschlagen. 2. Macc. 6.
Unter allen Greueln, die Antiochus beging, ist die Hin-
richtung der Mutter mit sieben Söhnen (2. Macc. 7.) der
schaudervollste. Im ganzen Gebiet der Geschichte kommt
4*
53 Maccabäer.
nichts Entsetzlicheres und Rührenderes vor. Das Schreckliche
wird aber hier überwogen von der Freudigkeit, mit der die
standhafte Mutter und ihre treuen Kinder alle Martern er-
dulden um des Herrn willen, und um für ihn zu zeugen.
Deshalb ist diese Geschichte des alten Testaments typisch
für das ganze christliche Martyrium. Sie wurde zuerst poetisch
umschrieben in einem lateinischen Gedicht des Yictorinus,
Fabricii thes. 445. abgedruckt. Die Mutter heisst Salomonis,
bei Suidas s. v. Antiochus. Spätere nennen sie immer Salome.
Die Marter ist als Trauerspiel behandelt von Houdart de la
Motte. Eben so in Zacharias Werners berühmtem Trauer-
spiel, das zwar nach seiner Art etwas schwülstig und krampf-
haft, doch reich an den edelsten Empfindungen ist. Ein älteres
deutsches Schauspiel von Scharschmidt 1589 kenne ich nicht
näher. — Die Marter wurde gemalt von van Dyck im Quirinal.
Möglichst greuelhaft und henkermässig sind die Todesqualen
der sieben Söhne in byzantinischen Miniaturen dargestellt
(Waagen, Paris 213.) In Blainville's Reise I. 90. wird eines
seltsamen Bildes in der Maccabäerkirche zu Köln gedacht.
Da sieht man die Mutter Salome, wie sie den Antiochus mit
Füssen tritt, und unter ihrem langen Kleide ihre mit Lor-
beeren bekrönten Söhne, vier auf einer, drei auf der andern
Seite. Dort zeigt man auch die Köpfe der Maccabäer als
Reliquien mit Kronen und Juwelen bedeckt.
Als nun Antiochus so wüthete , entfloh der greise Priester
Matathias mit seinen Söhnen aus Jerusalem in die Wüste,
um hier ungestört Gott dienen zu können; denn bei Todes-
Mrafe war verboten worden, ferner noch den Jehovah statt
des Zeus anzubeten, und bei Todesstrafe war befohlen, dass
jeder Jude Schweinefleisch essen soll. Der alte Matathias
aber hatte eine grosse Familie und viele Freunde, deshalb
rieth man ihm , sich dem König zu unterwerfen , der es gewiss
gut aufnehmen würde, wenn ein so angesehener Mann den
übrigen Juden ein Beispiel gäbe. Aber Matathias blieb beim
Gesetz seiner Väter. Da wurde den in die Wüste geflohenen
Juden nachgestellt und wiederum an einem Sabbath, wo sie
1
Maccabäer.
53
sich niclit wehren durften , wurden bei tausend Juden in einer
Höhle umgebracht. Josephus bemerkt hiezu, die Mazedonier
hätten Holz vor die Höhle geschleppt und die darin Ver-
steckten durch den Rauch getödtet , was aber nicht in der
Bibel steht (1. Macc. 2.).
Matathias war sehr alt, stellte sich aber dennoch an die
Spitze eines streitbaren Haufens, zerstörte überall, wo er
hinkam, die heidnischen Altäre und beschnitt die Kinder.
Aber der Tod nahte ihm. Da verordnete er, sein tapferer
Sohn Judas Maccabäus solle an seiner Statt den Befehl füh-
ren und „für das Gesetz eifern und sein Leben wagen für
den Bund der Väter '^.
Nun begann Judas seine Heldenlaufbahn und schlug mit
seinen Getreuen ein Heer des Antiochus nach dem andern.
Wir müssen hier auf 1. Macc. 3 ff. verweisen. Es kam so
weit, dass die tapfern Brüder Jerusalem selbst wieder eroberten.
Als sie den Tempel des Herrn so verwüstet und entheiligt
sahen, zerrissen sie ihre Kleider und bestreuten sich mit
Asche ; dann reinigten sie das Heiligthum und errichteten dem
Herrn einen neuen Altar. König Antiochus aber, mit dem
persischen Krieg beschäftigt, starb vor Gram, als er die
Niederlage seiner Heere im gelobten Lande erfuhr. Für
seinen Sohn Antiochus Eupator belagerte Lysias die heilige
Stadt Jerusalem, konnte sie aber nicht gewinnen. Der Jude
Eleazar tödtete einen der grossen Königselephanten , die da-
mals zum erstenmal den heiligen Boden betraten, indem er
sich unter ihn schlich und ihn von unten erstach. Die Last des
hinstürzenden Elephanten erdrückte ihn, aber er hatte seinen
Landsleuten gezeigt, dass diese Thiere nicht zu fürchten
seyen. 1. Macc. 6, 43.
Nach des Eupator Ermordung kam des Seleucus Sohn
Demetrius Soter auf den Thron und traf ernste Anstalt, den
jüdischen Aufruhr zu überwältigen. Dazu bediente er sich
des treulosen Hohenpriesters Alcimus und des mächtigen
Feldherrn Nicanor. Diesem nun gelang es , den Anhang der
Maccabäer dermassen zu verringern, dass ihm zuletzt nur
54 Maccabäer.
800 Mann blieben, mit denen sie sich ehrlich gegen die unge-
heuere Uebermacht schlugen, bis in einem letzten Verzweif-
lungskampfe der tapfere Judas fiel.
Zu diesen Kämpfen mit Nicanor bemerkt das 2. Buch der
Maccabäer 8, 11: Nicanor habe das ganze jüdische Volk in
die Sklaverei zu verkaufen getrachtet , um mit dem Geld die
damals schon mächtig vordringenden Römer zu beschwichtigen.
2. Macc. 14, 37 ff. wird ferner von einem gewissen Rhazis,
Aeltesten in Jerusalem, erzählt, der sich, um Nicanors Hen-
kern zu entgehen , von einer Mauer herabstürzte und , als er
noch lebte, seine Gedärme sich selber aus dem Leibe riss
und unter seine Verfolger warf, mit den Worten: „Gott
wird sie mir wiedergeben!" Uebrigens ist zu bemerken,
dass 2. Macc. 15. Judas den Nicanor noch überlebt, indem
Nicanor in der Schlacht fällt. Hier heisst es auch, der Pro-
phet Jeremias sey dem Judas erschienen und habe ihm ein
unüberwindliches Schwert dargereicht.
Judas Maccabäus wurde durch ein spanisches Volksbuch
in Spanien ungemein populär, auch von Calderon auf die
Bühne gebracht (v. Schack HL 181.) und von Silveira 1638
in ein Epos. Der spanischen Tapferkeit gefiel dieser Stoff
um so mehr, als jahrhundertelang auch die christlichen
Spanier mit den Sarazenen zu Gottes Ehre hatten streiten
müssen.
Der Kampf war noch nicht zu Ende. An Judas Stelle
trat sein tapferer Bruder Jonathan, unterstützt vom dritten
Bruder Simon, und stellte die verlorne Sache wieder her,
indem er auf's Neue grossen Anhang fand , Jerusalem w^ieder
gewann und zwischen den Ptolemäern und Seleuciden geschickt
zu unterhandeln wusste, so dass beide ihm schmeichelten.
Endlich aber verrieth ihn Tryphon, der Feldherr des jungen
Antiochus Entheus, lud ihn gastlich ein und liess ihn um-
bringen. Simon regierte als Hoherpriester die Juden dennoch
fort, erlitt aber gleiches Loos bei einem Gastmahl durch die
treulosen Ptolemäer. Ihm folgte sein Sohn Johannes Hirca-
nus, der die neue Königsdynastie der Juden gründete, deren
[
Magd. 55
letzter Sprössling Mariamne zur Zeit Christi als Gattin des
Herodes tragisch unterging.
Die Bibel verlässt uns hier. Nur aus Josephus erhellen
die grossen Thaten des Johannes Hircanus, auf die wir hier
nicht näher eingehen. Genug , es gelang , das jüdische Reich
unter eignen Königen wiederherzustellen, die sich haupt-
sächlich durch die Gunst der Römer von der Herrschaft der
Ptolemäer und Seleuciden losrissen, bald aber selbst unter
die Obergewalt der Römer fielen.
So war es denn durch die wunderbare Lenkung Gottes
dahin gediehen, dass das Gesetz Mosis sich im Sturm der
Zeiten hatte erhalten können, trotz zweimaliger Verbannung
und Gefangenschaft des Volkes in Aegypten und Babylon,
trotz der Tempelschändungen und Zerstörungen, trotz der
innern Corruption und dem Abfall zum Heidenthum. Der
goldne Faden war nicht abgerissen, durch alle Gräuel des
Heidenthums windet er sich hindurch , wie eine Wurzel durch
die Finsterniss der Erde, um endlich die Wunderpflanze
an's Licht zu bringen, deren Keim in der dunkeln Wurzel
verborgen lag.
Magd.
Das Vorbild aller Mägde in der Welt ist Maria, als die
„Magd des Herrn '^ , in welcher Eigenschaft sie hauptsächlich
bei der Verkündigung erscheint (ecce andlla dominü). Erst
durch diese Demuth der Magd wird sie gewürdigt, Königin
des Himmels zu werden. Das Jungfräuliche ist hier auf's
Innigste mit der Demuth der Magd verbunden (wie im deut-
schen Wort Mägdlein auch wirklich beide Begriffe zusammen-
fallen). Weil aber weiss die Farbe der Jungfrauen ist, so
erscheint Maria als Magd des Herrn auf Kirchenbildern häufig
im weissen Unterkleide.
Auch viele heilige Jungfrauen haben sich ausgezeichnet
durch ihre Tugenden im harten Magddienste. Als Patronin
der Mägde gilt die heilige Notburga, die selbst ihr Leben
lang eine Magd, aber so heilig war, dass ihr die Natur
56 St. Magdalena.
gehorchte, wie ihrer Königin. Einmal, als sie des Sonntags
im Felde arbeiten sollte, hing sie ihre Sichel an einen Son-
nenstrahl auf zum Beweis, dass man am Sonntag nicht
arbeiten solle. Die heilige Christina wurde als Sklavin in
ein fremdes Land verkauft, bekehrte aber ihre Herrschaft
und das ganze Land. Die heilige Euphemia und Margaretha
von Ungarn waren Königstöchter, die in der Verbannung
fromm als Mägde dienten.
St. Magdalena.
Die symbolische Bedeutung dieser Heiligen kennzeichnet
sie als Personification der wahren Reue und Busse. Nach
Marcus 16, 9. war es Maria Magdalena, welcher Christus sieben
Teufel ausgetrieben hatte, der er auch nach seiner Aufer-
stehung zuerst erschien. Man hält sie für dieselbe nicht
namentlich genannte Sünderin, die nach Lucas 7, 37. Christi
Füsse im Hause des Pharisäers mit kostbaren Salben wusch
und von der er sagte: „Ihr sind viele Sünden vergeben,
denn sie hat viel geliebt.'*^ Vgl. Matthäus 26, 7. Marcus 14, 3.
Man hält sie aber auch für die Maria, Schwester des Lazarus
und der Martha, die nach Joh. 12, 3. dem Heiland, nachdem
er ihren Bruder von den Todten erweckt, ebenfalls die Füsse
salbte und mit ihren Haaren trocknete. Hier beklagt Judas
aus Geiz das Vergeuden der köstlichen Salbe , wie bei Marcus
14, 5. andere Umstehende im Hause des Simon über die
gleiche Verschwendung der Sünderin klagen. Endlich ist es
wieder eine Maria Magdalena, die nach Joh. 19, 25. bei der
Kreuzigung Christi zugegen ist und die nach demselben 20, 1.
zum Grabe Christi kommt. Vgl. Lucas 24, 10. Matth. 28, 1.
und Markus 16, 1 , wo es insbesondere wieder heisst, sie habe
mit den andern Weibern den Leichnam Christi salben wollen.
Obgleich nun aus diesen Daten allerdings nicht mit völliger
Bestimmtheit hervorgeht, dass des Lazarus Schwester auch
die Sünderin gewesen sey, so stimmen doch in beiden die
innige Hingebung an den Heiland, das Weinen, das Benetzen
St. Magrdalena. 57
der Füsse Christi mit ihren Thränen , das Trocknen derselben
mit ihren Haaren und das Attribut des Salbgef asses so genau
zusammen, dass die Kirche keinen Anstand nahm, ihre
Identität zu beglaubigen.
Magdalena war Trägerin einer grossen Idee und konnte
nicht anders aufgefasst werden, ja die Legende musste sogar
noch in viel späterer Zeit folgerecht ihre Geschichte weiter
entwickeln; denn die Idee ist mächtiger und fruchtbarer, als
dass nicht ihr Korn unter der alten Hülse eine neue hervor-
bringen sollte, ehe es zur vollen Reife gediehen ist. In der
heiligen Schrift war klar Sünde und Reue ausgesprochen,
die spätere Legende fügte noch die Busse hinzu. Nur eine
kleinliche und ideenlose Kritik kann die Legende von der
als Einsiedlerin in einer Höhle büssenden Magdalena auf die
von der heiligen Maria von Aegypten zurückführen und einen
Werth auf diese Entdeckung legen. Für die Idee ist das
gleichgültig. Reue und Liebe verlangen die Busse. Magda-
lena kann nicht anders, als büssen, nachdem sie den Heiland
sterben sah am Kreuze.
Albertus Magnus schildert sie als Herrin auf dem präch-
tigen Schlosse Magdalum in Bethanien in all der Pracht, in
der abendländische Dichter des Mittelalters morgenländische
Königinnen darzustellen pflegen. Dazu macht er sie zum In-
begriff aller Schönheit, zu einer zweiten Helena. Wie hier
ihr Reichthum und ihre Schönheit übertrieben hervortreten,
so in der schwedischen Legende, die Mohnike übersetzt hat
(Altschwedische Balladen S. 173), ihre sündige Wollust. Hier
heisst es nämlich, sie sey eines Morgens zur Quelle gegangen,
da sey Jesus ihr begegnet und habe sie um einen Trunk
gebeten. Sie antwortet: „Hätte ich nur eine Silberkanne
hier.^ Er dagegen spricht: „Wärst du nicht so unrein, ich
tränke aus deiner blossen Hand." Sie schwört, nie mit einem
Mann zu thun gehabt zu haben. Er aber sagt ihr, dass sie
mit ihrem Vater, ihrem Bruder und einem Priester drei Kin-
der erzeugt und in's Wasser geworfen habe. Wenn sie aber
Busse thun wolle, so solle ihr vergeben seyn. Die Busse
58 St. Magdalena.
bestand darin, dass sie keine andere Speise essen solle, als
von Lindenblättern, keinen andern Trank trinken, als Thau
von Lindenblättern, in keinem andern Bett schlafen, als auf
Lindenwurzeln. Die gewöhnliche Legende beschuldigt Mag-
dalena so grosser Frevel nicht, sondern nur, dass sie zu
„viel geliebt" habe. Ihr ganzes Wesen war Liebe, nur dass
sich dieselbe zuerst als irdische Liebe zeigte, bis die himm-
lische in ihrem Herzen Platz gewann. Die Legende sagt
aus, ihre Schwester Martha sey zuerst von Johannes dem
Täufer bekehrt worden, Magdalena aber habe noch bei ihrer
Weltlust verharrt, bis sie im Tempel von Jerusalem zum
erstenmal den Heiland gesehen und von seinen Augen ge-
troffen worden sey. Durch diesen einzigen Blick, heisst es
weiter, wurde sie von allem Irrthum der sündigen Natur
geheilt und widmete sich von nun an einzig dem Heilande.
Ja sie übertraf, als eine höhere Natur, obgleich später be-
kehrt , sogleich an Heiligkeit ihre früher nur durch den rauhen
Johannes bekelirte und von Natur niedriger stehende Schwe-
ster Martha. In der Bibel ist der Gegensatz zwischen den
beiden Schwestern noch einfacher gefasst. Martha ist die
gute, aber beschränkte Hausfrau, die, als Jesus Gast im
Hause ist, auf's Eifrigste in der Küche schafft, damit er das
Beste zu essen bekomme, während Magdalena müssig bleibt
und nur an den Lippen des Gastes hängt. Als Martha sie
wegen dieses Müssiggehens tadelt, rechtfertigt sie der Heiland
und spricht: „Sie hat das beste Theil erwählt.'^ Luc. 10, 42.
Durchaus willkührlich ist die Annahme Späterer (vgl.
Kosegarten, Legenden L 131. Borberg, Apokryphen L 585.).
Darnach war Magdalena die Braut Johannes des Evangelisten
und feierte die berühmte Hochzeit zu Cana , auf der Johannes
durch das Wunder der Weinverwandlung bewogen wurde,
die junge Braut zu verlassen und Christo nachzufolgen.
Dadurch auf's Höchste erbittert, soll die Verlassene sich
Ausschweifungen ergeben haben, später aber durch Lazari
Erweckung selbst bekehrt worden seyn.
Die spätere Legende vom Leben der Magdalena nach
St. Magdalena. 59
dem Tode des Heilands lautet : Nach dem Tode der Madonna,
bei der Magdalena zuletzt zugebracht hatte , um ihr zu dienen,
wurde sie mit Martha und Lazarus, ihren Geschwistern, so
wie mit Maximinus und einigen andern frommen Christen
von den Römern zum Spott auf ein leckes Schiff ohne Segel
und Ruder gesetzt (eine Noyade, wie in der französischen
Revolution), aber anstatt unterzusinken, kamen sie wohlbe-
halten nach Marseille. Hier wurde Lazarus, zu Aix Maxi-
minus der erste Bischof. Martha gründete ein Kloster;
Magdalena aber begab sich in ein wildes Gebirge in der
Nähe und widmete sich der einsamen Busse in der Höhle
la Baume. In dieser Höhle wohnte vorher ein Drache, der
auch hervorkam und sie (ein ästhetischer Misston in dieser
so schönen Legende) mit Haut und Haaren verschlang. Ein
Engel zog sie aber lebendig wieder heraus und reinigte die
Höhle von des Drachen Wust. Hier lebte sie nun viele
Jahre, nackt und ohne irgend ein menschliches Wesen zu
sehen , nur von Teufeln oder Engeln besucht. Einst erschie-
nen die Teufel in Gestalt von Engeln und sangen ihr gar
lieblich, verlangten aber, sie solle nicht mehr so viel beten.
Oefters wurde sie von Engeln in den Himmel getragen und
sah dessen Herrlichkeit. Sie büsste so lange in dieser Höhle,
als sie vorher in der Weltlust gelebt hatte. Als ihr der Tod
nahte und sie das Abendmahl zu empfangen wünschte,
brachten die Engel sie nach Aix zum Bischof Maxentius, und
nachdem sie kniend den heiligen Leib von ihm empfangen,
starb sie. Man zeigt zu Aix noch ihren Todtenkopf, dessen
Haut an der Stelle, wo Christus ihre Stirn berührt hat, ganz
frisch ist, und dessen blonde Haare auch, so weit sie Christi
Füsse berührten, noch erhalten sind. Ihre Seele soll von
Engeln gen Himmel getragen worden seyn. 22. Juli.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine besondere Ver-
ehrung, welche der heiligen Magdalena in der Provinz zu Theil
wurde, eine Reaction gegen die Blasphemie der Katharer ge-
wesen ist. Denn diese Ketzersekte, die im elften Jahrhundert
in der Provence gewaltig um sich griff und die berüchtigten
60 St. Magrdalena.
Albigenserkriege veranlasste, gefiel sich in einer rohen Ver-
leumdung, quod M. Magdalena fuit Christi concuhina. Petri
Monachi hist. Albigens. 2 (bei Duchesne sc. hist. Fr. Y. 556.).
Gieseler, Kirchengesch. 11. 547. In der ^natürlichen Geschichte
des grossen Propheten^, einem rationalistischen Roman, der
am Schlüsse des vorigen Jahrhunderts gedruckt wurde, ist
diese Fabel in sentimentaler Weise wieder aufgewärmt worden.
Die Höhle la Baume ist sehr heilig. In der Revolution
alles ihres Schmucks beraubt, wurde sie im Jahre 1814 wie-
derhergestellt, aber 1815 durch die Soldaten des Marschalls
Brune abermals geschändet und beraubt, was die Ermordung
des Marschalls durch das erbitterte Volk nach sich zog.
Alljährlich strömen Pilger zu der Höhle. Im Jahre 1822,
als sie neu geweiht wurde, zählte man auf einmal 40,000
Pilger. Man setzte damals eine liegende Magdalena in Marmor
hinein. Vgl. Friedrich Ludwig „aus der Provence'^ 1845,
S. 249 f. und Histoire de St. Magdeleine. Marseille 1 682. Legende
der heiligen Magdalena von Louise von Bornstedt. Luzern
1845. Als Hauptwerk Clarus, Gesch. der heiligen Magda-
lena 1852.
Das berühmteste Wunder der Heiligen nach ihrem Tode
ist der Sieg, den sie den Dithmarschen und Holsteinern bei
Bornhöved über die Dänen gewährte (kurze Zeit vor dem
Traume Karls von Anjou). Den Erstem erschien Magdalena
(nach Andern eine Wolke) am Himmel und breitete ihren
Schleier über die Sonne, so dass sie nicht mehr geblendet
waren und siegten. Im Park zu Brüssel ist eine Magdalenen-
statue, in einem Buche lesend, von der die Sage geht, sie
schlage jede Nacht ein Blatt des Buches um, und wenn sie
das letzte umschlage, müsse die Welt untergehen. Wolf,
deutsche Märchen S. 298.
Die Heilige hat zahlreiche Verehrer unter den Dichtern
gefunden. Die schönen Hymnen und Litaneien so wie ihr
ganzes Officium finden sich in der schon genannten Marseiller
Historie. Es ist von poetischem Geiste durchdrungen. Wie
in einer musikalischen Fuge kehren hier immer die schönen
I
St. Magdalena. 61
Gedanken -wieder: O Magdalena ^ amore Christi plena, —
Domino gratissima — cui demissa sunt peccata multa^ quoniam
dilexit multum^ — optimam partem elegity — o felix Maria^
quae resurg entern videre meruisti prima etc. Dabei die schöne
Hymne des berühmten Odo von Clugny:
Lauila mater Ecclesia ,
Lauda Christi clementiam etc.
worin ihre Bekehrung, ihre Reue und Demuth vor Christo
in ihrem und Martha's Hause gepriesen wird ; und die andere,
worin die Heihge mit einem Edelstein verglichen wird, der
aus dem Sumpf gerettet wird:
Gemniaque lue et inclita
De luto lud reddita.
Der schöne Gesang: Gaude pia Magdalena etc.
Gaude dulcis advocata^
poenitendi forma data,
miseris post vitia.
Sehr schön ist auch die unter Follens christlichen Liedern
S. 65 übersetzte Hymne: Pone luctum, Magdalene. Es ist» ein
Freudenruf der geretteten Seele von tiefer Innigkeit.
Vier altdeutsche Lieder theilt Uhland in den Volksliedern
I. 846 f. mit. Zwei davon schildern nur die Scene am Grabe.
Zwei andere drücken eine innige Klage aus. Ein lateinisches
Gedicht des berühmten Odo von Clugny erwähnt Bahr in
der röm. Lit. des karoling. Zeitalters S. 127 als nur unbe-
deutend. Altdeutsche Legenden der heiligen Magdalena in
einem alten Passional s. Marienlegenden. Stuttg. 1846, S. VH.
Hahn, alte Passional 1844, S. 366 in Versen. Unter den
Legenden des Hermann von Fritslar (Pfeiffer, deutsche My-
stiker I.) in Prosa. Ein italienisches Leben der Heiligen von
Prierias s. Grässe, Lit. -Gesch. H. 2. 423. Ein altfranzösi-
sches Gedicht aus dem 13ten Jahrhundert in Hist. lit. de la
France XVHI. 831. Der Karmelitermönch Barthelemy dich-
tete, nachdem ihn der Tod seiner Geliebten (sie hiess Mag-
dalena) in's Kloster getrieben, ein französisches Gedicht la
Madelaine au desert de la S. Baume, 1671. Ein anderes
französisches Gedicht Pierre de St. Louis vom Jahr 1700
62 St. Magdalena.
soll viel Possirliches enthalten. Blankenburg, Zusätze zu
Sulzer U. 61.
Auch Petrarca hat die Heilige in einem lateinischen Ge-
dicht besungen. Desgleichen deutsch der Jesuit Salas in Die-
penbrocks geistl. Blumenstrauss S. 187. Auch der poetische
Jesuit Spee, ,.Spiegel der Maria in der Magdalena." Ein
Gedicht nach Sarbievius in Silberts Dom h. Sänger S. 120.
Dann von Wessenberg in dessen 5,Magdalena, Constanz 1824"
und sämmtl. Dichtungen III. 305.
Dramatisch wurde besonders häufig in den alten Oster-
spielen die Auferstehungsscene und die Begegnung des Hei-
landes als Gärtner mit der Magdalena dargestellt. So in
altenglischen Schauspielen, s. Grässe, Lit.- Gesch. II. 2. 1047,
und in altdeutschen, s. Mone, Schauspiele des Mittelalters I.
14. 56. II. 171. Hier wird auf eine sinnreiche Weise Mag-
dalena mit der Eva verglichen. Wie Eva und Adam im Pa-
radiese versucht wurden, Adam aber von der Eva sich ver-
führen Hess, so wird hier Magdalena = Eva allein verführt
aus Aveiblicher Schwäche, Christus = Adam aber bleibt stand-
haft und besiegt die Hölle. In Magdalenens Rede wird ge-
zeigt, wie tief durch Eva's Schuld die Menschheit gesunken
ist, und wie ihr dem allein reinen Christus gegenüber nichts
als Busse, Reue und Thränen übrig sind. Zugleich contrastirt
Magdalenens Leichtsinn hier mit dem Sakrament der Ehe,
indem das Osterspiel mit der Hochzeit zu Cana beginnt.
Unter den neueren Dichtern, welche den Gegenstand
mit Geist und besonderer Liebe behandelt haben, steht allen
ein lateinischer Dichter des 17ten Jahrhunderts voran, der
freilich, Aveil er lateinisch schrieb und ein Jesuit war, ver-
gessen ist. Wir haben so viel Schönes in ihm gefunden,
dass wir uns erlauben, hier an ihn zu erinnern. Der Jesuit
Pat^r Justus Sautel gab 1673 zu Ingolstadt divae Magddlenae
ignes sacri et piae lachrimae heraus, worin er das Andenken
der Heiligen in unzähligen lateinischen Distichen feierte. Es
sind theils Epigramme, theils Elegieen. Ueberall herrscht
der classische Geschmack vor, so dass Magdalena eine Diana
St. Magdalena. 63
genannt wird, mit Amor lange Gespräche hält, und dass auch
andere antike Götter herbeigezogen werden, Neptun angerufen
wird, keinen Sturm auf dem Meere zu erregen, so lange die
Heilige darüber fährt, Thetis ihr die Wellen glätten muss etc.
Indessen finden sich unter sehr vielen Künsteleien auch echt
poetische Dichtungen. Schön ist z. B. S. 104 die Klage Mag-
dalenens, indem sie der Wolke nachblickt, in der Christus
gen Himmel gefahren. Unter den vielen Gedichten, die sie
als eine zum Fels versteinerte Niobe imd ihre Thränen in
eine Quelle verwandelt bezeichnen, findet sich ein sehr schönes
S. 228. Sie betrachtet im Spiegel einer Quelle den nächt-
lichen Sternenhimmel, hier unten scheint Alles so vergäng-
lich, ein dahinrieselndes Gewässer, dort oben Alles so fest
und ewig. Aber sie besinnt sich, auch die Sterne werden
vergehen und nichts ist ewig, ausser Gott, der ganze Himmel,
der sich in dem kleinen Wasser spiegelt, ist nicht mehr, als
der Spiegel selbst.
Et vagus est fluctus, vaya sunt et sidera, nunquam
Uaerent perpetuo rivus et astra loco.
Gar lieblich ist auch das Gedicht S. 250. Eine Biene um-
schwärmt sie in ihrer Höhle, sie verjagt sie. Warum? ruft
die Biene, ich will dich ja nicht stechen, dir nur Honig
bringen. Ich weiss es wohl, antwortet Magdalena, aber eben
deshalb entfliehe , denn ich verlange nichts Süsses , mir ziemt
nur Bitteres.
In Wilh. Gerhards Uebersetzungen serbischer Volkslieder
(Gedichte IV. 215.) kommt eine „flammende Maria" vor.
Das ist Magdalena, so genannt, weil ihr Jahrestag, der
22. Juli, gerade in die grösste Jahreshitze fällt.
Magdalena ist Patronin aller reuigen Sünderinnen, vor-
züglich derer, die zu viel geliebt haben. Daher auch die
bekehrten Freudenmädchen sich Magdalenetten nennen. Der
Orden der Magdalenetten wurde im 13ten Jahrhundert ge-
stiftet, es durften nur gefallene Mädchen eintreten. Bei der
Aufnahme mussten sie wie todt daliegen und man hielt über
ihnen die Exequien. Helyot, Kloster- und Ritterorden HI.
64 St. Magdalena.
426 f. — Nonnen, die ihr Gelübde nicht gehalten, versetzte
der Volksglaube zur Busse in den bleichen Mond und sah
in den Mondilecken Magdalenens Thränen. Vgl. Mond.
Bis hieher haben wir in der Heiligen ausschliesslich eine
Personiflcation der Eeue und Busse erkannt. Allein es knüpft
sich an sie auch noch eine tiefere Symbolik an, die in der
Geschichte Magdalenens von Clarus näher entwickelt, aber
schon sehr alt und in der Kirche herkömmlich ist. Magda-
lena bedeutet nämlich das Heidenthum, wie ihre Schwester
Martha das Judenthum im Verhältniss zum Christenthum.
Clarus sagt S. 103: „Durch die Hinweisung auf die Alle-
gorie soll nur die Uebereinstimmung der altern Kirchenlehrer
in Bezug auf die Identität der drei Marien noch näher, als
bisher geschehen, dargelegt werden. Jene Lehrer geben zu
erkennen, wie der Sohn Gottes, nachdem er den Kathschluss
gefasst, in der Gestalt eines sündigen Menschen in der Welt
zu erscheinen, ganz eigentlich gewollt, dass das mit ihm als
Braut zu vereinigende Heidenthum durch Maria Magdalena
dargestellt würde, welche aber mit der Sünderin und Maria
von Bethanien eine und dieselbe Person ist. Diesen alten
Lehrern zufolge war dieses von sieben bösen Geistern beses-
sene und den Leidenschaften des Fleisches hingegebene Weib
der Typus des Heidenthums, das, dem Cultus der Dämonen
hingegeben, durch die ungeheuersten Abgöttereien besudelt
war. Magdalena, die Sünderin in der Stadt, stellte die ab-
göttischen Verirrungen des Heidenthums in der grossen Stadt
der Welt dar, welche mit kirchenschänderischen Tempeln und
allen Arten von Verbrechen, die der Cult der falschen Götter
hervorgerufen, angefüllt ist. Die verschiedenen Erzählungen
der Salbungen bei den Evangelisten Matthäus, Marcus und
Johannes, sowie die Gänge Magdalenens zum Grabe, sind
diesen Lehrern zufolge eben so viele Züge derselben Alle-
gorie. Die Uebereinstimmung der Väter in dieser Allegorie
ist eine Bestätigung ihrer einheUigen Meinung über die Schuld-
barkeit der heiligen Maria Magdalena. Schwerhch könnten
alle diese Väter dieses Weib als das Abbild des dem unge-
St. Magdalena. 63
heuersten Aberglauben hingegebenen Heidenthums betrachten,
wenn sie dasselbe als Jungfrau, als unschuldig, ja nur als
eine ehrbare Frau betrachtet hätten. Ueber die Rolle, welche
Magdalena in jenem Bilde spielt, sind alle Lehrer ganz über-
einstimmender Meinung. Nur über die Anzahl der Salbungen
und der Frauen, welche dieselben verrichtet, sind sie, wie
wir gesehen, verschiedener Meinung. Aber Alle, welche
von diesen Allegorieen gesprochen haben, d. h. fast alle
heiligen Lehrer, stimmen darin überein, dass sie Magdalenen
als die Sünderin unter dem Namen Mariens von Bethanien,
als das Abbild des abgöttischen Heidenthums betrachten. —
Maria hat in der That nicht allein die Unordnungen des
Heidenthums in ihrem Sündenleben dargestellt, sondern durch
die Salbung, welche sie in Simons Hause am Heilande vor-
nahm, die Huldigungen, welche es, einmal bekehrt, seinem
Bräutigam bis an's Ende der Zeiten darbringen würde; oder
vielmehr, wir finden in den verschiedenen Umständen, welche
diese Salbung begleiteten, die Geschichte der beiden Völker,
die Untreue und Verwerfung der Juden und die Annahme
der Heiden ausgedrückt. Auf diese Weise deuten die heiligen
Kirchenlehrer das Vorbild. Damit ist zugleich dargethan, wie
sie keinen Unterschied zwischen der Sünderin und Marien
von Bethanien anerkannten."
Das Heidenthum wird in Magdalena bezeichnet im Ge-
gensatz gegen aas Judenthum, als dessen Vertreter erstens
Judas sich über Magdalenens Verschwendung beklagt, indem
sie das Salbgefäss zerbricht, und zweitens Martha sich der
Werkthätigkeit befleissigt und über Maria's müssiges Still-
sitzen zu Jesu Füssen sich beschwert. „Die geschäftige
Martha stellt die Geschäftigkeit des alten Gesetzes vor, dessen
Propheten, Priesterthum und Opfer die Welt nur auf die
Ankunft des Messias vorbereiten sollten. Dieses Gesetz ehrte
Gott durch fleischliche Opfer. So wollte auch Martha durch
leibliche Speise den Erlöser erfreuen. Maria, welche zu
seinen Füssen sass und in Ehrerbietung seine Worte hörte,
war eine würdige Darstellung des neuen Gesetzes. Sie ver-
Menzel, christl. Symbolik. II. 5
66 St. Magdalena.
ehrt besonders die Menschheit, welche durch die Füsse dar-
gestellt wird. Diese Verehrung ist ein Gott besser gefallendes
Opfer, als alle Opfer des alten Bundes. Zu Jesu Füssen
sitzend hört sie seine Lehre, weil sie ihn als ihren einzigen
Meister und Lehrer verehrt. Martha aber begehrte, ihre
Schwester solle ihr in ihren Beschäftigungen beistehen. Die
ersten Juden, welche an Christum glaubten, wollten die zum
Christenthum bekehrten Heiden ebenfalls zur Beobachtung
des jüdischen Ceremonialgesetzes nöthigen. Als Maria nicht
folgt, klagt Martha es dem Herrn; dieser weist sie zurecht,
denn um Gott zu gefallen, um zum Heile zu gelangen, ist
nicht erforderlich, so viele im Gesetze enthaltene Vorschrif-
ten zu befolgen." Das Gleichniss, welches der Heiland den
über die Unwürdigkeit Magdalenens murrenden Juden ent-
gegenhält, drückt den Sinn vollkommen aus. „Jesus erzählt
das Gleichniss von den beiden Schuldnern, d. h. den Juden
und Heiden. Der Gläubiger ist Gott. Die Heiden sind die
tiefer Verschuldeten. Beide aber sind gleich unfähig, zu
zahlen, und können Gott nur durch Annahme der Gnade be-
friedigen, die er beiden durch den Glauben an Jesum Chri-
stum anbot."
Gar zart ist die Auffassung einer eigenthümlichen und
wie uns scheint früher noch nicht bemerkten Symbolik. Die
heilige Magdalena befindet sich nämlich immer zu Jesu Füssen.
Sie salbt seine Füsse, benetzt sie mit Thranen und trocknet
sie mit ihrem Haar; sie sitzt, während Martha kocht und
bratet, als demüthige Schülerin zu des Heilands Füssen; sie
umfasst auf Golgatha das Kreuz zu seinen Füssen. Auch
das bezieht der Verfasser auf die Demuth der Heiden vor
Christo im Gegensatz gegen den Trotz, mit dem ihm die
Juden begegneten.
Tief bedeutsam erscheint der Umstand, dass unter allen
Personen , die sich nach den Evangelien dem Heilande nahen,
Maria Magdalena die Einzige ist, die sich um ihres eigenen
Seelenheiles willen an ihn wendet. Schon das allein weist
ihr einen hohen Eang in der heiligen Geschichte an.
St. Magdalena. 67
Eben so sinnig wird das berühmte noli me längere ge-
deutet. Das Judenthum besass den Heiland im Fleisch und
erkannte ihn nicht, das Heidenthum stand ihm fremd und
erkannte ihn. Indem aber das Heidenthum sich mit voller
Liebe dem Christenthum hingab, war es im Begriff, unwill-
kührlich dem mächtigen alten Zug des Sinnlichen, der in ihm
lag, zu folgen, und das wehrt Christus ab, indem er als
Gärtner der freudig überraschten Magdalena zuruft : „Kühre
mich nicht an!" S. 177. Herr Clarus hätte an dieser Stelle
vielleicht etwas mehr Gewicht in die sinnliche Seite des Hei-
denthums überhaupt legen sollen.
Unter allen weiblichen Heiligen ist wohl die Magdalena,
nächst der Madonna, am häufigsten gemalt worden. Welchen
Einfluss dabei auch die Erbauung gehabt hat, so haben doch
die Künstler häufig genug nur die anständige Gelegenheit be-
nützt, um eine schöne Nudität zu malen, und auch die Kunst-
kenner haben sich häufiger in das schöne Fleisch berühmter
Magdalenenbilder vergafft, als den Geist der Bilder beurtheilt.
Gewissermassen steht Magdalena zwischen der Eva und Ma-
donna. Sie ist eine Eva, die zur Madonna wird. In ihrem
Bilde wird daher der Stofi" von der Eva, der Geist von der Ma-
donna genommen. Deshalb haben viele Maler die Magdalena
nackt, blond, in sinnlicher Schönheit wie die Eva im Para-
diese gemalt, nur mit reuigem und schmerzlichem oder be-
geistertem Ausdruck. In ähnlicher Weise, wie in Johannes
dem Täufer Adam auf höhere Potenz erhoben ist, nur
mit männlich kräftigem Selbstbewusstseyn muthig vorwärts
blickend, wo Magdalena reuig rückwärts blickt. Eine Sym-
bolik dieser Art scheint den Künstlern allerdings vorge-
schwebt zu haben. Aber ihre eigenthche Absicht war,
schönes Fleisch zu malen und sich deshalb bewundern zu
lassen. Nur in zu vielen Magdalenenbildern liegt Sinnenreiz
und Verführung. In diesen und vielen andern, z. B. den
Sebastiansbildern, machte sich ein Bestreben der christlichen
Künstler geltend, dem antik Heidnischen in Darstellungen
nackter Leibesschönheit nachzukommen. Das widerspricht
5*
6d ^t. Magdalena.
aber dem keuschen Sinn des Christenthums überhaupt und
dem Magdalenentypus insbesondere. Denn nur die sündige
Magdalena konnte verführen, nicht die reuige und büssende.
Der Herr selbst, der ihr nach seinem Tode als Gärtner er-
schien und, als sie ihn berühren wollte, zu ihr sprach: Noli
me tangere, hat gewiss nicht gewollt, dass sie durch sinnlichen
Liebreiz verführe. Wenn in ihrem heissen Drange, ihn zu
berühren, auch die sinnliche Gluth des alten Heidenthums
wiedererkannt wird, so ist es doch gerade diese Gluth, welche
Christus ernst und heilig von sich abweist und damit auch
den christlichen Künstlern eine inhaltschwere Lehre ertheilt.
Die entgegengesetzte Ansicht, welche die üppigste Sinnlich-
keit und den verführerischesten Naturreiz in den nackten
Magdalenenbildern vertheidigt und das specifisch Christliche
darin , die Reue eine „krankhafte Fäulniss geistiger und leib-
licher Zustände" nennt, findet man im Kunstblatt von 1846
Nr. 2.
Am häufio;sten sind die Bilder der einsamen Busse in
der Wüste. Magdalena erscheint hier als Vorbild aller Ein-
siedlerinnen im Walde oder in ihrer Höhle, oft ganz nackt
und nur mit ihren langen blonden Haaren bedeckt (worin sich
besonders die Bilder der venetianischen Schule auszeichnen),
zuweilen im schwarzen Trauergewande (von Rubens, siehe
Ramdohr HI. 65., und von Corello, s. Hand, Petersburg
I. 385.), sonst meist im blauen Gewände (von Correggio,
Battoni etc.). Bald steht, bald kniet und betet sie, in Thränen
aufgelöst. Bald liegt sie und liest in einem Buche. Zuweilen
ist sie ■ auch schlafend gemalt (von Lutti und Menendez in
Petersburg, Hand I. 330. 387., von Caravaggio in Rom,
Ramdohr H. 123.). Neben ihr Hegt gewöhnlich ein Todten-
kopf. Zuweilen ist sie in Betrachtung desselben versunken
(von Carlo Dolce, Waagen, England H. 249.). Nur selten
sind ihr Engel zur Gesellschaft gegeben. Sechs Engel um-
geben sie auf einem Bilde von Mantegna zu Paris (Waagen
693); Engel streuen Blumen auf sie, von Cagnacci; ein Engel
bringt ihr die Geissei und Dornenkrone der Busse, von Fran-
if
St. Magfdalena. 69
ceschini in Wien. Zwei Engel sind um sie auf einem Bilde
von Mola in England (Waagen II. 249.).
Im Ausdruck herrscht hier durchgängig das Schmerz-
hafte vor. Doch haben einige Maler davon ganz abgesehen.
In der durch ihren Liebreiz berühmten Magdalena von Bat-
toni zu Dresden bietet sich im himmelblauen Gewände eine
reizende Blondine nachlässig daliegend den Männeraugen dar,
die, wenn sie etwas Heiliges in ihr suchen, doch nur die
Weltlust finden. Sie ist in die heiUge Schrift vertieft, aber mit
Kecht hat man gesagt, sie sehe nur aus, wie Narcissus, der
sich selbst bespiegelt. Sie faltet die Hände , aber der Maler
hatte dabei nur den Zweck, das verführerische Spiel rosiger
Finger zu zeichnen. In Schlegels Athenäum H. 88 f. ist sie
mit den Magdalenen von Franceschini und Correggio ver-
glichen, und Gries hat die beiden ersten in Sonetten be-
sungen (Gedichte I. 214.). Zwei andere Magdalenen von Bat-
toni in Petersburg und Gotha, die letztere in rothem Ge-
wände, die Hände über einem Todtenkopf faltend, ßathgeber,
Gotha 53.
Unter den Bildern, in denen die sinnliche Schönheit den
Ausdruck des Schmerzes weit überwiegt, stehen die von Ti-
tian oben an. Er malte die Heilige oft und zwar immer als
eine üppige wunderschöne Venetlanerin , nackt, nur mit den
weichen Wellen ihres goldenen Haares lieblich überschwemmt
und zugedeckt. So in Venedig (ein schönes , leider sehr ver-
dorbenes Bild, Kunstbl. 1835. Nr. 93) im Pallast Doria in
Rom (Ramdohr IL 131.), in England (Passavant 261. Waa-
gen IL 17.), in Madrid (Viardot 41.), in Neapel und im Pal-
last Durazzo in Genua.
Von wollüstigem Ausdruck sind die üppigen nackten
Magdalenen Furini's in Florenz tmd Wien. Weniger ver-
führerisch, aber auch ganz unerbaulich, glatte und geleckte
Nuditäten sind die vielen nackten Magdalenen von van der
Werff in Dresden, München, Pommersfelden, England (Waa-
gen IL 146.).
Die weltberühmte Magdalena des Correggio in der Ga-
70 St. Magdalena.
lerle zu Dresden hat einen eben so wenig schmerzhaften Aus-
druck, aber ihr geistreiches Gesicht zeigt, dass sie in die
Tiefe der heiHgen Schrift versunken, über dem Herrlichen,
das sie liest, sich selbst und ihren Kummer vergisst. So
viel Geist in den Zügen rechtfertigt die Abwesenheit des
Schmerzes. Von Schlegel, a. a. O., ist sie bei weitem zu
oberflächlich aufgefasst. Ueber dem weichen Haar, das um
die den Kopf stützende Hand quillt, hat er den Ausdruck
vergessen. Bemerkens werth sind die Schicksale dieses Bildes,
indem es für eine grosse Summe gekauft, in Dresden des
goldnen mit Edelsteinen besetzten Rahmens wegen, den es
ehemals hatte, von einem Juden aus der Galerie gestohlen,
bis nach Amsterdam gebracht, dort in einen Schornstein
versteckt, aber glücklich gefunden und wieder zurückge-
bracht wurde.
In den berühmten Bildern des Guido Reni ist die Hei-
lige wieder anders aufgefasst, und zw^ar sah es dieser Maler
darauf ab, das Schöne, Reizende, ja Wollüstige in der Form
mit dem Schmerzlichen und Begeisterten im Ausdruck, wo
möglich auf's Unzertrennlichste zu verbinden. Mit Recht sagt
das Kunstblatt, 1834. S. 136, es sey darin der Gedanke aus-
gedrückt: „Thr'anen machen das Schöne noch schöner." Es
ist hier von dem Bilde im Wiener Belvedere die Rede. Guido
malte derselben noch viele und nicht minder schön, die sich
in München, Paris (Waagen 496. 777, Kolloff 177), Eng-
land (Waagen H. 61. 461.), in Rom (Capitol, Pallast Colonna,
Barberini [Ramdohr H. 66. 309], Pamphih), in der Sammlung
von Lucian Bonaparte, Genua (Pallast Spinola und Brignole)
befinden. Einer der berühmtesten Magdalenenköpfe ist der
in Madrid , der mit dem antiken Niobekopf verglichen wird.
Viardot 59. Mignard malte ebenfalls eine Magdalena so sehr
im Styl des Guido, dass sein Todfeind, der Maler Lebrun,
sich wirklich dadurch betrügen liess und das Bild für einen
Guido erklärte. Fiorillo IH. 189.
Im Ausdruck des innigsten und heiligsten Schmerzes hat
kein Maler den Spanier Murillo übertroffen. Das liegt in
i
i
St. Magrdalena. 71
der Tiefe und Stärke spanischer Gefühle. Seine Bilder be-
finden sich in Sevilla (Kunstblatt 1822. Nr. 79), in Paris
(Kolloff 291. Kunstbl. 1838. S. 382), in der Leuchtenberg'-
schen Galerie, im Pallast Doria zu Rom, in Berlin (Kunst-
blatt 1845. S. 18). In dem letzteren Bilde ist sie in ihrer
Höhle von dem Licht, das vom Kreuze ausgeht, übergössen,
indem sie in glühender Andacht davor kniet. Im Pallast
Doria ist sie nicht mehr jung, aber sehr warm gemalt.
Noch weit schärfer markirt den Schmerz der Spanier Zur-
baran. Sein Bild in Dresden drückt das tiefste Leiden, fast
körperliche Marter aus. Ein Bild aus der Schule von Rubens
in der Sammlung des vormaligen englischen Gesandten in
Stuttgart, Shee, zeigte die Wirkung des Weinens an einer
fleischigen Flamänderin in rothen Augen, Thränenfurchen etc.
auf's Naturwahrste.
Wie Magdalena vom Heiland bekehrt wird und zer-
knirscht vor ihm kniet, malte Zucharo. Füssli, Kup ferst.
L 229.
Allegorische Bilder, wie sie, eine schon erwachsene Jung-
frau, dem kleinen Christkind, das auf dem Schoosse der Mutter
sitzt, den Fuss küsst, malten Johann von Achen (gest. von
Sadeler) und Correggio auf einem sehr berühmten Bilde des
heiligen Hieronymus. Das letzte bewunderte schon Mengs
und besonders Fr. Schlegel, Werke VI. 32. In dem schönen
Kopf der Magdalena drückt sich die süsseste Liebe aus. Ihr
ganzes Wesen ist die anschmiegendste Zärtlichkeit. Vgl. auch
Miliin, Lombardei IL 230 und 232. — Ich halte es für über-
flüssig, aus den unzähligen Magdalenenbildern noch mehrere
hier hervorzuheben, da die erwähnten zur Charakterisirung
hinreichen.
Nur Avenige Maler sind in das andere Extrem gefallen
und haben die Heilige absichtlich hässlich, alt und vom Lei-
den widerlich entstellt gemalt. Die altdeutschen Maler haben
in keuschem Takt das Nackte vermieden und sich eines naiven
Auskunftsmittels bedient. Sie stellen nämlich die Mao^dalena
öfter gerade so vor wie die wilde Else auf dem Titelholz-
12 Magnetberg.
schnitt der alten gedruckten Ausgabe des Heldenbuchs, näm-
lich vom Halse bis zu den Füssen in einen enganschliessen-
den Pelz gekleidet , der aussieht , als sey sie selbst über und
über mit Haaren bewachsen. Doch sieht man an Hals und
Füssen die Grenzen der Bekleidung. So kommt sie vor zwi-
schen sieben Engeln stehend auf einem Altarbild in der Kirche
zu Tiefenbronn. S. die Beschreibung dieser Kirche von
Weber. Karlsruhe 1845. In der Durschischen Sammlung in
Rottweil befindet sich ein Bild, welches die in der Kirche
im Sarge liegende Heilige ganz eben so pelzig zeigt.
Attribut der Heiligen ist das Salbgefäss. Im Stande
der Sünde erscheint sie oft im glänzenden Putz, und viele
Bilder stellen sie in dem Augenblick dar, in welchem sie,
von Reue ergriffen, den kostbaren Schmuck von sich wirft.
Als Büsserin trägt sie häufig ein schwarzes Gewand und hat
ein Crucifix, ein Buch und einen Todtenkopf neben sich in
der Höhle.
Nach Caesarius Heisterb. VIII. 80. steht Magdalena unter
den Chören der Seligen den Wittwen, die heilige Margaretha
dagegen den Jungfrauen vor. In Kirchenbildern ist mir diese
Unterscheidung noch nicht vorgekommen.
Magnetberg,
der fabelhafte Berg im Meer, der alles Eisen der Schiflfe mit
solcher Gew^alt an sich ziehen sollte, dass die Schiffe mit
reissender Schnelligkeit zu ihm hinflogen und an seinem har-
ten Felsen zerschellten, eine sehr beliebte Vorstellung des
Mittelalters. Man machte diesen Berg zum Symbol der Sünde,
an der das Schiff des Lebens zerschellt, mit Bezug auf das
Symbol des Meersterns, das rettende Gestirn der im Meer-
sturm kämpfenden Schiffe = Maria. Conrad von Würzburgs
goldne Schmiede, Vers 146.
I
Mandel 78
M a 1 c h u s,
der Knecht des Hohenpriesters, dem bei der Gefangenneh-
mung des Heilandes im Garten Gethsemane Petrus ein Ohr
abhaut, welches Christus ihm wieder anheilt. In altdeutschen
und französischen Mysterien wird dieser Malchus als äusserst
boshaft aufgefasst, so dass er nicht einmal für seine Heilung
dankt, sondern, dieselbe nur für Zauberei erklärend, den
Heiland noch misshandelt. Mone, Schauspiele des Mittel-
alters n. 165. Er bildet in diesen alten Schauspielen eine
Gruppe mit Barrabas, der, des Heilandes wegen vom Volk
freigesprochen, gleichwohl undankbar den Heiland peinigen
hilft (das. S. 175), und mit dem scheusslichen Rufus. Vgl.
diesen Artikel.
Mandel.
Im heiligen Lande blüht die Mandel um Neujahr, und
auch in unserm Süden ist sie die erste Baumblüthe im Jahre.
Sie wurde daher (gleich der um dieselbe Zeit zum erstenmal
wieder aufsteigenden Sonne) ein Sinnbild Christi, des geistigen
Frühlings. Ihr rosiges Aufblühen an dem vorher dürren und
winterlichen Baume veranlasste die Symbolik der Stäbe
Aarons und Josephs. Vgl. diese Artikel. Der Stab Aarons,
der 4. B. Mos. 17, 8. wirklich als Mandelbaum bezeichnet
wird, bedeutete durch sein Blühen das Priesterthum der Ju-
den, der Stab Josephs aber die in Christo aufblühende christ-
liche Kirche vor. Das Wunder, dass ein dürrer Stab blühen
könne, wurde zum Sinnbild der unbefleckten Empfängniss,
der reinen Jungfräulichkeit der Gebärerin. Aber auch die
Frucht der Mandel diente dieser Symbolik. Christus wurde
gezeugt in Marien, wie der Mandelkern sich in der unver-
letzt bleibenden Schale bildet. Conrad von Würzburg, goldne
Schmiede 432. Die Maler wählten deshalb auch die Mandel-
form {mandorla) zur Glorie oder zum länglichen Lichtnimbus,
der die ganze Gestalt Christi oder Mariens mit dem Kinde
74 Manna.
zu umgeben pflegt. Kunstbl. 1847. S. 134. Bunsen, Beschrei-
bung Eoms m. 3. 669. Die nämliche Form wird übrigens
auch als Fisch gedeutet. S. Fisch.
Der Mandelbaum ist auch Symbol des Crucifixes gewor-
den, weil er, von Natur bittere Früchte tragend, durch Pfro-
pfen, also durch Stechen und Schneiden, dahin gebracht
wird, süsse Früchte zu tragen. PicinelH, mundus symh. 540.
— Ein Mandelbaum ist auch Attribut des heiligen Johannes
Eremita, denn einen solchen Baum, den letzten, der ihm
Schatten gab, hieb jener Einsiedler um, indem er sich auch
der letzten Bequemlichkeit freiwillig beraubte. Acta SS.
23. Februar.
Manna.
In der Wüste fanden die aus Aegypten auswandernden
Juden nichts zu essen und begannen, sich nach den Fleisch-
töpfen Aegyptens zurückzusehnen; da sprach der Herr: „Ich
will euch Brodt vom Himmel regnen lassen." Zuvor aber
noch Hess er Abends ein ganzes Heer Wachteln einfallen,
damit die Israeliten Fleisch hätten. Am Morgen nachher aber
fanden sie die Wüste bedeckt mit Thau, der das Manna in
runden und kleinen Stücken zurückliess und dessen sie sechs
Tage lang in ungeheurer Menge sammelten. Das Manna,
das man jetzt kennt, ist eine Ausschwitzung der Mannaesche,
des Hedysarum Alhagy , auch der Tamariske, bewirkt durch
ein kleines Insekt (Tischendorf, Reise I. 202. Niebuhr,
Beschr. von Arab. 145. Burckhardt, Arab. II. 956. Kup-
pel 190. Ehremberg j Symbol, phys. I. 10. Vgl. noch Martens
Italien II. 66. über die in Italien vorkommende Mannaesche).
Da in der heiligen Schrift nichts von Bäumen erwähnt wird
und eine so grosse Menge Manna auch von den Bäumen nicht
hätte gewonnen werden können, geben sich die rationalisti-
schen Ausleger vergebliche Mühe, die Sache natürlich zu er-
klären. Eben so unnütz sind aber andrerseits die Zusätze
der Juden , die da fabeln , das Manna sey im dritten Himmel
in einer grossen Mühle gemahlen und auf die Erde herab-
Mantel. 75
geschüttet worden; es seyen auch Edelsteine mitgefallen; das
Manna habe den Geschmack aller möglichen Speisen gehabt,
aber keinen Stuhlgang bewirkt etc. Eisenmenger I. 467. 484 f.
— Das Mannalesen war alttestamentalisches Vorbild desBrodt-
brechens im heiligen Abendmahl. Vgl. Ev. Joh. 6, 49. Au-
gustinus in Joann. Tract. 10, 4.
Mantel,
Symbol des Schutzes. EHas fährt auf seinem Mantel über
den Jordan , 2. Kön. 2,8; lässt bei seiner Himmelfahrt den
Mantel fallen für seinen Jünger Elisa, das. 2, 11, und Elisa
fährt gleichfalls auf ihm über den Fluss, das. 2, 14. Das-
selbe wiederholt sich in Legenden: die heiligen Franciscus
de Paula, Hyazinthus und Eaymundus fahren auf ihren Män-
teln über Wasser. Der heilige Elenus schläft in seinem
Mantel unverletzt im Feuer; eben so Petrus Gonzalez. Nach
der Sage von Jon in Müllers Nordischer Sagaenbibliothek wird
Giles am Galgen lebend erhalten durch den Mantel des hei-
ligen Jon, nur die unten heraushängenden Füsse starben ab.
— Das Zerreissen des Mantels bedeutet Aufkündigung des
Schutzes. Als Saul den Samuel am Gewände zurückhalten
will, reisst es Samuel entzwei und sagt: „So hat Gott das
Königreich von dir gerissen." 1. Sam. 15, 27. Als die zwölf
Stämme sich trennen, reisst Ahia seinen Mantel in zwölf
Stücke, 1. Kön. 11, 30. Auch im altdeutschen Pechtsge-
brauch bedeutet der Mantel den Schutz. Uneheliche Kinder
werden legitimirt, indem man sie unter den Mantel nimmt,
weshalb sie Mantelkinder heissen etc. Vgl. Grimm, Rechts-
alterthümer I. 160. Als beim Wartburgkrieg Heinrich von
Ofterdingen in Gefahr kam, barg er sich unter den Mantel
der Landgräfin Sophia.
Man schrieb nun insbesondere der Mutter der Gnaden
einen weiten Mantel zu, den sprichwörtlich gewordenen „Man-
tel der Liebe". In alten Kirchenliedern bittet der Beängstigte,
Maria möge ihn unter ihren Mantel nehmen, Wackernagel,
76 Mantel.
Kirchenlied Nr. 148. Marianischer Liederschatz, Augsb. 1841.
S. 333. Auf Kirchenbildern kommt Maria oft in einem wei-
ten Mantel vor, unter dem viele Betende knieen. et Agincourt,
sculpt. 160. Ja die ganze Christenheit, Papst, Kaiser, Kö-
nige etc. sammeln sich unter ihrem Mantel. So in der Lo-
renzokirche zu Nürnberg (Waagen, Deutschland I. 260.), im
Kloster Heilsbronn (I. 304.). Vgl. auch Kunstblatt 1843.
S. 351. — Ein kleines Nachbild dieses Mantels ist das Kräut-
lein „Frauenmantel" (Alchemüla) mit sehr zierlichen, mantel-
artig gefalteten Blättern. — Auch die heihge Ursula kommt
zuweilen mit einem weiten Mantel vor, unter dem ihre 11,000
Jungfrauen stehen. — In einer Vision der heiligen Gertrudis
zeigte sich die Madonna in weitem Mantel, unter dem eine
Menge wilder Thiere versammelt waren, die gleichwohl von
der Gnadenmutter geliebkost wurden. Daraus erkannte die hei-
lige Seherin, kein Sünder dürfe verzagen. P. Abraham, Judas
II. 470. Das Gnadenbild der schwarzen Gottesmutter im pol-
nischen Kloster Czenstochau erschien, als das Kloster bela-
gert wurde , auf den Mauern und fing die feindlichen Kugeln
mit ihrem weiten Mantel auf. Mickiewicz, slav. Lit. II. 41.
In der heissen Schlacht bei Bornhövede, wo die Deutschen
wider die Dänen stritten, flehte Soltwedel, Bürgermeister von
Bremen, weil es gerade der Magdalenentag war, diese Hei-
lige um Beistand an. Da erschien sie am Himmel und brei-
tete ihren Mantel über die Sonne aus , so dass sie den Deut-
schen nicht mehr in's Gesicht blendete, und sie siegten.
Asmus, Lübecks Volkssagen S. 32. — Ritter Dietrich von dem
Brühl war im Morgenlande gefangen , da gelobte er , der hei-
ligen Magdalena eine Kirche zu bauen, wenn er frei würde,
und sie brachte ihn (in ihrem Mantel) in einer Nacht heim,
wo sein Weib eben mit einem Andern Hochzeit machen
wollte. Montanus, Vorzeit von Cleve I. 331.
Die heilige Elisabeth wob einen kostbaren Mantel , nicht
für sich, sondern um Andere darunter zu wärmen und ihre
Fehler zuzudecken. Als sie starb und gen Himmel empor-
schwebte , umhüllte siok dieser Mantel , und alle Sterne , die
fet. Marcuft. 77
sie unterwegs berührte, blieben daran bangen. Kaesmann,
Gedichte. Offenbach 1821. Wenn auch keine echte Legende,
doch ein schönes Sinnbild. — Der heilige Martin zerschnitt
einmal seinen kostbaren Mantel, um mit der Hälfte desselben
die Blosse eines Armen zu decken. Auf Kirchenbildern sehr
oft gemalt.
Einst stahl der schlafenden Tugend die Bosheit ihren
Mantel und seitdem hängen sich die meisten Laster den Tu-
gendmantel um. Fabel bei F. Abraham, Judas IV. 265.
St. Marcus,
der Evangelist, schloss sich besonders an Petrus an und hat
daher auch im kräftigen Ausdruck etwas mit ihm Verwandtes.
Wie Petrus der Fels ist, so Marcus der Löwe. Auf dem
grossen Obelisken vor der Peterskirche in Rom steht ge-
schrieben: „Und es wird überwinden der Löwe vom Stamm
Juda." Und auf der hohen Steinsäule des Marcusplatzes in
Venedig steht der geflügelte Löwe des Evangelisten. Das
Attribut des Löwen kommt dem Marcus zu, weil sein Evan-
gelium mit Johannes dem Täufer beginnt, „der Stimme des
Rufenden in der Wüste." Im mystischen Sinne bedeutet der
Löwe aber auch die göttliche Kraft im Evangelium. Marcus
wird insgemein, seinem Attribut entsprechend, als ein kräf-
tiger Mann abgebildet, untersetzt, kahl wie Petrus, aber
starkbärtig, mit schönen Augen, aber tiefen Augenbrauen
(nach der legenda aurea).
Nach dem Tode des Heilands kam Marcus nach Aquileja,
wo er viele Menschen bekehrte. Dann ging er nach Alexan-
drien, als Vorstand der ersten christlichen Gemeinde daselbst,
und erlitt das Martyrium, indem er zu Tode geschleift wurde,
25. April. Später holten die Venetianer seinen Leichnam
heimlich ab und brachten ihn in ihre Stadt, als deren Patron
er grosse Verehrung geniesst. Sein Ring, der auf dem Grunde
des Meeres lag, wurde von einem Fisch heraufgeholt. Ein
Fischer brachte ihn dem Senat zum Zeichen, dass Venedig
78 St. Marcus.
niemals durch eine Ueberscliwemmung des Meeres untergehen
soll. Berühmtes Bild von Bordon e. Diese Legende steht im
Zusammenhange mit der jährlichen Vermählung der Republik
Venedig mit dem Meere durch einen hineingeworfenen Ring.
Aber wie die Stadt, so hütet St. Marcus auch die Flotte
Venedigs vor den Stürmen des Meeres. Denn bei einem
wüthenden Sturm soll einst der Heilige hinausgefahren seyn
und ein Schiff voller Teufel, die den Sturm erregten, ent-
deckt und vertrieben haben. Bild von Palma vecchio (Vasari
III. 2. 173.) und von Giorgione (Waagen, England IL 8.).
Nicht minder beschützte er die Venetianer, die im Orient in
die Gew^alt der Muselmänner geriethen. Einem, den die
Türken auf's Grausamste marterten , stand er bei, dass plötz-
lich alle Bande sich lösten und alle Folterwerkzeuge zer-
sprangen. Bild von Tintoretto in Venedig.
Die berühmte St. Marcuskirche zu Venedig gehört zu
den schönsten Werken byzantinischer Baukunst mit überein-
anderstehenden Säulen, orientalischen Kuppeln, heiligem
Dunkel im Innern, ungeheurer Ueberladung von Schmuck
und Mosaiken etc. Vgl. Ausland 1840, S. 236. Gräfin Hahn,
Jenseits der Berge IL 369. Auf dem St. Marcusplatz daselbst
steht eine hohe Säule mit dem Heiligen, eine andere mit
dem geflügelten Löwen (dem Wappen der Stadt). An seinem
Fest wurde ehemals jährlich ein Ochs in seine Kirche geführt
und sein Evangelium, das man dem Ochsen zwischen die
Hörner legte, verlesen. Hielt sich der Ochs ruhig, so war
es ein gutes, w^enn nicht, ein schlimmes Zeichen für die
Republik. Berckenmeyer , kur. Antiquit. I. 18. Auch in
Spanien herrschte die Sitte, die als skandalös am 10. März
1598 durch eine Bulle Clemens VIII. verboten wurde {Nie-
remherg j hist. nat. 397.).
Eines der berühmtesten Wunder des Heiligen ist das,
was er nach seinem Tode verrichtete, indem er einen Sklaven
aus grässlichen Martern, mit denen er eben gequält wurde,
befreite. Er wird daher in Qualen um Schutz angerufen.
Der venetianische Maler Tintoretto malte die erschütternde
Bt. Margaretha. 79
Scene in einem grossen Bilde (Latidon^ annales IX. pl. 13.);
beging aber die Unschicklichkeit, den vom Himmel zum
Schutz des armen Sklaven niedersteigenden Heiligen in vollem
Sturz kopfüber aus dem Himmel herabfallen zu lassen. Das
ist einer von den vielen Belegen , wie arg die Kirchenmalerei
mit den ernsten, würdigen und heiligen Gegenständen um-
gegangen ist, und wie die Maler nach den barokesten Effekten
haschten, ohne melir zu fühlen, was sie der Kirche schul-
dig seyen.
St. Margaretha,
(ihr Name bedeutet die Perle) , die Tochter eines heidnischen
Priesters in Antiochia, wandte sich frühe zum Christenthum,
worüber ihr Vater sehr zornig wurde, seinen Hass auf sie
warf und sie zwang, auf dem Felde die Schweine zu hüten.
Aus ihrer ärmlichen Kleidung aber strahlte ihre Schönheit
dermassen hervor, dass Olybrius, ein Feldherr des Kaisers
Aurelian, sich in sie verliebte und ihr seine Hand antrug,
wenn sie dem christlichen Glauben entsagen wollte. Sie
blieb aber standhaft und wurde deshalb in's Gefängniss
gesetzt. Hier erschien ihr der Teufel in Gestalt eines
Drachen und verschlang sie; allein indem sie das Kreuzes-
zeichen machte, zerplatzte der Drache und sie trat wieder
heraus. Man wollte sie ersäufen, da kam, -weil sie nicht
sterben sollte, ohne vorher getauft zu seyn, der heilige Geist
selbst in Taubengestalt und drückte ihr den Kopf unter das
Wasser. Als sie ihn aber wieder emporhob, konnte sie
nicht mehr untersinken und nicht ertrinken. Sie wurde daher
enthauptet. 20. Juli. Einige haben sie für die Prinzessin
ausgegeben, welche der heilige Georg vom Drachen befreite.
Georg aber ist wörtlich der Ackersmann , der die grüne Saat
aus der Erde befreit. Auch wo die Heilige in keiner Be-
ziehung zum heiligen Georg steht, erscheint sie auf Kirchen-
bildern gewöhnlich in einem grünen Mantel und im Volks-
glauben gilt sie als Schutzheilige aller Geburten, als welche
sie auch unter die vierzehn Nothhelfer aufgenommen ist.
80 Maria.
Insbesondere soll ihr Gürtel Kreisenden helfen. Regis, Ra-
belais II. 35. Schwangere Frauen wallfahrten zu ihrer Kirche
tind bitten sie um schöne Kinder. Marculphus 1741, Nr. 21.
Da inzwischen ihr Fest in die Höhe des Sommers fällt, be-
ruht ihre Beziehung zum Grün der Saaten und zum heiligen
Georg wohl nur auf einer Verwechslung, und sie dürfte eher
mit der Aerndte , als mit der Saat in Verbindung zu bringen
seyn. — Ihre Attribute sind der Drache, das Kreuz und die
Palme (des Sieges wie des Martyriums). Ihr Cultus ist
ausserordentlich verbreitet, wie die vielen Kirchenbilder von
ihr und die vielen nach ihr benannten Kirchen beweisen.
Ueber die grossen Prozessionen, in denen ihr Bild und das
des besiegten Drachen figurirten, vgl. Nicolai, Reise in
Deutschland III. 50. Horst, Zauberbibliothek II. 377. IV. 373.
Sie gehört zu den heiligen Jungfrauen, die sich am häufigsten
in der nähern Gesellschaft der Maria befinden, wie die heilige
Katharina und Barbara, Ursula, Dorothea, Cäcilia etc., in-
dem sie gleichsam die einzelnen Tugenden derselben besonders
personificiren.
Maria.
Maria, die Gebenedeite und Allerseligste , steht im Mittel-
punkt fast unzähliger symbolischer Beziehungen, von denen
Kunst und Poesie der Kirche überall durchdrungen und
erfüllt sind. Um uns darin zu orientiren, müssen wir zuerst
festhalten , dass in Marien allein vor Allen ihres Geschlechtes
die Jungfrau und Mutter identificirt war, das Geheimniss-
vollste in der irdischen Natur, bedingt durch das höchste
aller Wunder, die von oben kamen.
Seit die christliche Kunst aufblühte, war es eine ihrer
höchsten Aufgaben , im Bilde Mariens jene Einheit des Jung-
fräulichen und Mütterlichen auszudrücken, was jedoch nur
den idealistischen, Seelenausdruck suchenden Künstlern an-
nähernd gelang, nicht den naturalistischen. Je unmöglicher
es schien, hier durch Nachbilder das Urbild zu erreichen,
um so mehr nahm man seine Zuflucht zu Vergleichungen
J
Maria. 81
und Sinnbildern. Schon in der griecliisclien Kirche und in
der abendländischen des Mittelalters liebte man, die durch
die Geburt des Heilands unbefleckt gebliebene Jungfräulich-
keit Maria's durch prophetische Sinnbilder zu bezeichnen , die
aus dem alten Testament genommen waren. Solche waren:
der brennende und doch unverletzt bleibende Busch, aus
welchem Jehovah zu Moses redete; — der Stab Aarons, aus
dessen trocknem Holze Blüthen sprossten; — das Fell Gi-
deons , das mitten im Thau trocken blieb ; — die verschlossene
Pforfe bei Ezechiel, durch welche Gott hindurchging, ohne
sie zu öffnen. Diese Sinnbilder findet man vereinigt auf
einem schönen Marienbilde des van Eyck in Brüssel. Kugler,
Gesch. d. Mal. H. 60. Vgl. Didron^ annales IV. 67. Dazu
kommt noch der verschlossene Garten, die verschlossene
Quelle und der versiegelte Brunnen aus dem Hohenliede 4, 12.
Auf altdeutschen Bildern sieht man nicht selten die heilige
Jungfrau in einem rings ummauerten und verschlossenen
schönen Blumengarten sitzen. In Conrad von W^ürzburgs
goldner Schmiede, einem innigen Lobgesang auf die heilige
Jungfrau, kommen noch folgende Sinnbilder vor: der kalte
Kristall, an dem gleichwohl Feuer geschlagen wird; — der
Sittig (Papagei), der vom Regen sterben würde, daher den
Regen beständig flieht und doch auch ohne Regen auf's
Prachtvollste grünt ; — die Mandelschale , welche ganz bleibt,
auch wenn der Kern herausgefallen ist ; — der Vogel Strauss,
der auf den Eiern nicht brütet, sondern sie durch seinen
blossen Blick belebt; — die Lilie, die unter Dornen unver-
letzt bleibt. Im defensorium beatae Virginis von Retza 1425
(Jacobs , Beiträge zur altern Lit. I. 98 f.) werden Sinnbilder
aus den heidnischen Vorstellungskreisen herbeigezogen, die
nur gelehrte Spitzfindigkeit aufsuchen mag. Von solchen
klassischen Liebäugeleien gewinnt das Christenthum nichts.
Da wird des Aristoteles, Aelian und Plinius Naturgeschichte
geplündert, um die alten Fabeln von den Geyern, die ohne
Mann, und von den cappadocischen Stutten, die vom V^ind
Menzel, christl. Symbolik. U. g
^t Maria.
empfangen j ferner die Wunder, welche die Vestalinnen
Aemilia, Claudia und Tuccia in Kraft ihrer Jungfräulichkeit
ausgerichtet , ja sogar die Danae , die durch Zeus im goldnen
Regen befruchtet worden, ohne Scheu auf die heilige Jung-
frau zu beziehen. Auch die gelehrten Jesuiten des 16ten und
17ten Jahrhunderts haben sich nicht immer fern gehalten von
so unpassenden Vergleichungen , indem sie in ihren grossen,
zu Ehren Maria's niedergeschriebenen Sammelwerken mehr
auf Fülle des Stoffs, als auf Reinheit desselben Bedacht
nahmen. Weniger anstössig und sinnreicher sind folgende
Symbole: die Perle, die in der Muschel entsteht, indem ein
Tröpfchen Thau vom Himmel in sie fällt , wenn sie über dem
Wasser sich öffnet, wiihrend alle Tropfen im unendlichen
Meer die Perle zu erzeugen nicht vermöchten; das Einhorn,
welches allen Jägern widersteht und sich nur von einer
reinen Jungfrau fangen lässt; die Palme, die zugleich Früchte
trägt und doch immer noch blüht; der Regenbogen, der
mitten im Regen unverletzt bleibt; der Spiegel, der das Bild
aufnimmt, ohne irgend verletzt zu werden.
Uebrigens behalten die Gegensätze, auf deren Vereini-
gung es ankam, auch in ihrer Trennung eine gewisse Be-
rechtigung, indem Maria in vielen Situationen ihres Lebens
nothwendig vorzugsweise als Jungfrau, in andern als Mutter
aufzufassen war, und andrerseits der Dogmenstreit zu Extremen
führte, die einander gegenseitig einschränken mussten. Wie
schon früher aus dem Kampf gegen die Gnosis, die alle
concreten Gestalten der heiligen Geschichte in Dämonen ver-
flüchtigte, eine Neigung hervorging, die menschliche Natur
in Christo vorwiegen zu lassen , was denn auch die Auffassung
der heiligen Jungfrau mitbetraf, so führten auch noch später
im Mittelalter die vielfach widrigen und bis zur Unanstän-
digkeit prozessmässigen Zänkereien über die unbefleckte Em-
pfängniss in der Kirchenmalerei zwei entgegengesetzte Rich-
tungen herbei, wovon die eine vorzugsweise die Gottesmutter,
die andere eine Menschenmutter darzustellen liebte.
Das Extrem der einen Richtung tritt in der gnostischen
I
t
Maria. 8S
Identificirung Marions mit der Sophia hervor, die sich zu
Christus verhält wie Eva zum Adam.
Das Ave, womit man die heilige Jungfrau anredet, ist
als umgekehrte Eva nicht blos, wie Manche noch meinen,
ein Wortspiel. In der That hat, wenn in Christo wieder-
hergestellt wurde, was durch Adams Schuld verloren ging,
auch Maria ihren Antheil an der Erlösung, wie Eva den
ihrigen am Sündenfall. Wenn aber schon in Christo die
menschliche Natur neben der göttlichen festgehalten und
nicht im gnostischen Dämonismus verflüchtigt werden darf,
so gilt dies noch viel mehr von seiner Mutter. Daher ist es
eine unstatthafte Uebertreibung der Verehrung, die man ihr
widmet, wenn man sie mit der gnostischen Sophia identificirt,
was sogar noch der protestantische Mystiker Jakob Böhme
that (vgl. J. Böhme von Hamberger S. 173), indem er lehrte,
Sophia sey Adams erste Gefährtin gewesen, habe ihn aber
seiner Sündhaftigkeit wegen verlassen, worauf er sich mit
der Eva habe begnügen müssen. Dieselbe Sophia sey aber
als heilige Jungfrau später zu dem neuen Adam Christus
zurückgekehrt. Sie erscheint also hier ganz so, wie die
Asträa der Alten, die ewige Gerechtigkeit, die es unter den
Menschen nicht aushalten konnte und zum Himmel zurückfloh.
Auf-sie beziehen sich Virgils berühmte Verse:
Magnus ab integro saeclortim nascitur ordo.
Jam redit et VirgOj redeiint Saturnia regna;
Jam nova progenies coelo dimittitnr alto.
die als Prophezeihung der Geburt Christi gedeutet wurden
und ganz zu jener Lehre Jakob Böhme's passen. Nicht
minder antiken Vorstellungsweisen (namentlich dem Grund-
begriff) entlehnt ist die Inschrift unter einem Marienbild in
Neapel: Nata^ soror^ conjux eadem genürixque Tonantis,
Keyssler, Heise S. 815. •
Die Vergleichung Maria's mit der Eva ist wesentlich be-
dingt durch die Begriffe des Sündenfalls und der Erlösung.
Dort ist es die Schlange , durch die Eva verf ülirt wird ; hier
6 *
84 Maria.
ist es die Schlange, der Maria's Fuss den Kopf zertritt.
Bilder Maria's, die auf die Schlange oder den Drachen tritt,
waren im Mittelalter sehr beliebt und immer als Gegenbilder
zum Sündenfall. Maria besiegte die alte Schlange aber nur
durch den von ihr Gehörnen. Sie ist keine Amazone, son-
dern die Magd des Herrn. Das wird sehr klar und sinnreich
vorbedeutet beim Propheten Micha 4, 10. und in der Offen-
barung Johannis 12, 1 f. Das Weib, dessen Gewand die
Sonne ist, unter deren Füssen der Mond liegt, dem die Sterne
sich zur Krone zusammenfügen, liegt gleichwohl, indem sie
den Messias gebären soll, in Angst und Notli vor dem ent-
setzlichen Drachen und muss vom Erzengel Michael beschützt
werden, bis zwei Adlerflügel sie entrücken.
Ohne also der hohen Würde der Jungfrau irgend zu
nahe zu treten, ist es schriftmässiger und kirchlicher, das
passive Element in ihrer Wesenheit festzuhalten. Sofern es
gestattet war, den Begriff zu verallgemeinern, konnte man
in ihr gleichsam die gesammte Kirche, oder die Menschheit
als christliche Gemeinde personificirt sehen in ihrem Verhält-
niss zu den höchsten göttlichen Personen. Insofern fand auf
sie Anwendung, was durch die Propheten von Zion, der
Braut Jehova's, geweissagt ist. Die Menschheit wird als
Braut Gottes zum Göttlichen erhoben, wie die Gottheit als
Menschensohn niedersteigt zu den Menschen. Maria wird zum
vergötterten Menschen, wie Christus zum vermenschlichten
Gotte. Wenn aber das Menschliche zu so hoher Würde
gelangen soll, kann es nur geschehen durch Demuth und
Liebe , und sich nur äussern in Fürbitte und Gnade. Es kann
irw dieser seiner Erhebung den weiblichen Charakter niemals
verlieren. Es ist und bleibt das Untergeordnete, Passive,
das nur seiner reinen Unschuld wegen gewürdigt wird, dem
Höchsten sich zu nahen. Insofern ist den Künstlern oft Maria
übergegangen in den Begriff der Rehgion, des Glaubens,
der Gottesminne überhaupt, so wie der ecdesia. Vgl. Kunst-
blatt 1837, S. 167, wo eines Bildes von Signol gedacht wird,
in welchem die Religion am Grabe Christi nichts anderes
I
Maria. 85
ist, als die gewöhnliche Pleta (der todte Christus auf dem
Arme seiner Mutter).
Das passive und weibliche Element in Maria ist häufig
verallgemeinert und überhaupt als das fünfte Element in der
Natur aufgefasst worden, wobei auf ihren Namen (Maria —
mare, Meer) angespielt wurde. Christ, de Vega gab folgende
mystische Deutung ihrer Geburt. Im Anfange schuf Gott
Himmel und Erde, d. i. Joachim und Anna. Die Erde war
wüst und leer, d. i. Anna unfruchtbar, und aus ihren Thrä-
nen entstand das Meer. Gott schwebte über dem Meer, da
wurde Licht , d. i. Maria , Tochter des Meeres (Maria a mari).
Vgl. Augusti, Denkw. III. 5. Die Stelle der Vulgata 1. Buch
Mos. 1, 10: et congregationem aquarum vocavit Maria wurde
in demselben Sinn genommen. Indessen ist es durchaus nicht
nothwendig, eine Identilicirung Maria's mit dem Element des
Wassers (in heidnischer Weise) vorauszusetzen, um ihre Be-
ziehungen zum Meere als Stern des Meeres, als Schutzpatronin
der Schiffer , als Trägerin des Schiffes der Kirche , als Mutter
des Fischers (Christus) zu erklären. Diese Beziehungen sind
sehr unschuldig.
Eben so wenig darf man irgend welche heidnische Na-
tur- und Erdmutter herbeiziehen wollen, um aus ihr die
Gnadenspenderin Maria herzuleiten , wenn sie gleich in vielen
Legenden mit cerealischen Attributen geschmückt wird.
Ein wunderthätiges Marienbild soll der heilige Apostel
Jakob mit nach Spanien gebracht und in einem Thurm zu
Madrid verborgen haben. Hier fand man es erst wieder und
zwar mit Korn umgeben, welches den ganzen Thurm aus-
füllte, als die Christen in der Stadt von den Mauren bela-
gert wurden und Hunger litten. Seitdem wird es als nuestra
sennora de Almunada verehrt. Gräfin d' Aunoi, Reise IL 117.
Aber dadurch wird Maria noch nicht zur Ceres. Albrecht
Dürer hat Marien in einem Garten dargestellt, wo sie um-
geben von der lieblichsten und reichsten Naturfülle erscheint.
Fr. Schlegel, Werke VI. 104. Aber das macht sie so wenig
wie Raphaels berühmte belle jardiniere zu einer Flora oder
86 Maria.
Pomona. Nach v. Martens, Italien II. 602. erzählt sich das
Volk in den Alpen von reizenden Gärten der Madonna hoch
in den Gletschern und unerreichbar. Aber auch darin liegt
nichts Heidnisches, sondern nur ein zarter Ausdruck der
Liebe , die Phantasie des andächtigen Volks im Gebirg will
der seligsten Jungfrau, vor deren Bilde es betet, gleichsam
die rauhe Natur vergüten. Unter den Beziehungen der
Gnadenmutter zur Natur ist eine der reizendsten die Anlage
des berühmten Liebfrauenmilchweinbergs im terrassenförmigen
Halbkreis um den Chor ihrer Kirche zu Worms unmittelbar
am Rhein.
In einem altdeutschen Gedicht wird Maria die Alle Min-
nende genannt und insofern mit der Venus verglichen, nur
dass die Liebe hier im reinsten und höchsten Sinne verstanden
ist. V. Lassberg, Liedersaal IL 6. Der Missdeutung wegen
sind solche Vergleichungen besser zu unterlassen. Noch wei-
ter ist jene schwärmerische^ Liebe zur heiligen Jungfrau ab-
geirrt, die in ihr die eigentliche Einheit der Dreieinigkeit in
einem Verhältniss zu finden meinten, wie ungefähr das der
Göttin Bhawani zu der indischen Trimurti. Die sermones des
Petrus Damianus z. B. erklärten Marien für ungeschaffen,
von Ewigkeit her thronend im Centro der Dreieinigkeit, wo-
durch sie fast noch höher gestellt wird, als die gnostische
Sophia, und wogegen die Kirche die menschliche Natur der
Mutter hervorzuheben einschärfte. Andrerseits musste sich
die Kirche aber auch gegen die andre Uebertreibung der
Antidikomarianiten wenden, die in Marien nur ein gemeines
irdisches Weib sahen.
Am tiefsinnigsten und bescheidensten hat Dante die Jung-
frau aufgefasst:
Vergine madre figlia del tuo figlio ,
Umile ed alta piu che creatura ,
Termine fisso d^ eterno consiglio ,
Tu se'' colei , che V umana natura
NobiUtasti si , che H suo Fattore
Non si sdegnb di farsi tiia f'attiira.
I
1
Maria. 87
Nach Erörterung dieser Gegensätze wird sich das Marien-
ideal der christlichen Kunst deutlich genug herausstellen als
die Verbindung einerseits des Jungfräulichen mit dem Mütter-
lichen, andrerseits des Königlichen und der übermenschlichen
Hoheit mit dem Magdlichen und der tiefsten menschlichen De-
muth, so zwar, dass keine dieser Eigenschaften ausschliesslich
und einseitig vorwaltet, sondern immer auch die andre durch-
blicken lässt. Die ältesten uns erhaltenen Bilder geben nur
den edlen Typus des Gesichtsovals, schöne und regelmässige
Formen bei heiligem Ausdruck, in einer gewissen Allgemein-
heit an. Seit vier Jahrhunderten strebt dagegen die Kunst
mehr nach Individualisirung.
Gleichwie man unter den Christusbildern hauptsächlich
Salvator- und Vesperbilder unterscheidet, von denen die
ersten mehr die göttliche, die andern mehr die menschliche
Natur des Erlösers zur Anschauung bringen, so kann man
auch die Marienbilder in zwei Hauptordnungen eintheilen,
sofern die morgenländischen überall mehr die Himmelskönigin
hervortreten lassen, dagegen im Abendlande sich seit den
letzten vier Jahrhunderten eine Neigung geltend machte, die
menschliche Mutter theils in ihrer Freude und Zärtlichkeit,
pflegend das heilige Kind, ja selbst spielend mit dem Kinde,
theils in ihrem Schmerz als mater dolorosa und betrübte
Wittwe darzustellen. Die morgenländische Kirche hielt immer
ein heiliges Ideal fest, in der abendländischen Welt riss sich
die Kunst von dem Anspruch der Kirche auf Heiligkeit häufig
in dem Grade los, dass Maria auf Bildern wie ein gemeines
Weib, in der Freude nur irdisch lieblich, im Schmerz sogar
hässlich aufgefasst wurde.
In einem Aufsatz über die Bildmalerei der russischen
Kirche im Januarheft des Journals für Volksaufklärung vom
Jahre 1845, mitgetheilt in August von Haxthausens Studien
über Russland HI. S. 102, wird die alte Malerei der griechi-
schen Kirche vorzugsweise die theologische, die neuere und
freiere Malerei der abendländischen Kirche aber die philo-
sophische genannt und hervorgehoben^ wie in jener sich der
88 Maria.
Künstlergeist in tiefster Frömmigkeit und Andacht dem
Hohem unterwerfe, während in dieser der Künstlergeist aus
eigner Macht und in voller Freiheit aus dem Heiligen mache,
was ihm beliebe, und es eben deshalb in's Menschliche und
Gemeine hinabziehe. ;,Die alten Künstler arbeiteten unter
dem Einfluss des Glaubens , fasteten , beteten , beichteten und
nahmen das Abendmahl, um die Heiligenbilder zu vollenden.
Der Pinsel der fremden Schule dagegen malt eine Körper-
schönheit, wie sie die Phantasie des Künstlers sich ausdenkt,
und nicht selten nach einem unheiligen Gegenstand, dessen
Schönheit ihm gefiel." Das gilt ganz vorzüglich von Marien-
bildern, die nur zu oft eine irdische Geliebte des Malers im
Portrait verewigen sollten. Blasius in seiner Reise im euro-
päischen Russland I. 123. macht eine ganz ähnliche Bemerkung.
Er besuchte das grosse Nonnenkloster Kyrillof , wo die Non-
nen Heiligenbilder malen, und erzählt von ihnen: „Man kann
a priori nicht geneigt seyn, Erzeugnisse von künstlerisch
vollkommen ungebildeten russischen Mädchen , die von Kind-
heit auf von jedem lebendigen geistigen Impuls abgeschnitten,
ohne Kenntniss des mannigfach gestalteten Lebens, auf ihre
engen Klostermauern beschränkt geblieben sind, mit der Pe-
riode einer äusserlich frei entwickelten Kunstepoche zu ver-
gleichen. Aber hier kann man mit Ueberzeugung sagen: Was
kein Verstand der Verständigen sieht, das übt in Einfalt ein
kindlich Gemüth. Was die Schöpfer der neudeutschen Hei-
ligenmalerei mit Mühe zu erreichen meist vergeblich gestrebt
haben, das leisten die russischen Nonnen, die es meist nicht
einmal zu einem geläufigen Lesen und Schreiben gebracht
haben." Das sind Worte eines „aufgeklärten" Naturforschers.
Gewiss enthalten sie eine tiefe Wahrheit. Sie bezeichnen
das Heilige , was der gebildetste Verstand vergebens sucht und
was sich dem kindlichen Herzen von selber offenbart.
Heiligkeit ist das erste Erforderniss eines Marienbildes,
Huld das zweite.
Die Vermittlung, in der sich Königin und Magd wie
Mutter und Jungfrau berühren, liegt in der weiblichen Huld,
Maria. 89
in dem gratia plena, einer Eigenschaft, die der Maria immer
und überall treu bleibt, sie mag nun älter oder jünger, in
Freud oder in Leid, auf dem Thron des Himmels oder im
Stalle zu Bethlehem gemalt werden. In dieser Beziehung
ist von vorzüglicher Wichtigkeit, dass sie als regina angelorum
alle Lieblichkeit der Engelwelt in ihrer Weiblichkeit vereinigt.
Auf den ältesten Bildern der Katakomben , Mosaiken und
Miniaturen erscheint Maria als Jungfrau ohne Kind, den Kopf
verschleiert, beide Arme betend erhoben mit schönen und
regelmässigen Gesichtszügen, d' Agincourt sculpt. 12. Aringhi
n. 209. 353. Bottari tav. 153. Waagen, Paris 197. Also
wesentlich als Fürbitterin. Das bleibt auch fürderhin die
wesentlichste Funktion der Gebenedeiten , Mutter der Gnaden
und Fürbitterin für die sündigen Menschen zu seyn bei Gott,
damit er Gnade für Recht ergehen lasse. Denn sie ist ganz
Liebe im Gegensatz gegen die Gerechtigkeit, ganz die Milde
des neuen Bundes im Gegensatz gegen die Härte des Gesetzes.
Darum heisst sie mater gratiae, Kose ohne Dorn, Taube ohne
Galle (überall in den alten Marienliedern). Insofern ist auch
ihr Attribut der weite „Mantel der Liebe", unter dem sie
die reuigen Sünder schützt. Vgl. den Ai'tikel Mantel. Der
Grundtext aller Marienbilder ist ora pro nobis. Als die All-
erbarmerin ist sie auf vielen Bildern dargestellt. Fra Bar-
tholomeo malte sie mitten unter Pestkranken , die zu ihr beten
und denen sie Heilung spendet (in der Leuchtenb ergischen
Gallerie). Van Dyk malte sie, ihre Huld der vor ihr knien-
den Sünderin Magdalena, dem verlornen Sohne und dem
reuigen David zuwendend (im Berliner Museum). Salvator
Rosa in einem grossen Bilde zu Mailand, wie sie die Seelen
aus dem Fegfeuer erlöst.
Wenn die fromme Einfalt des Mittelalters ihr inniges
Vertrauen zur heiligen Jungfrau zuweilen auch in naiver
Weise ausdrückt, gibt das dem Unglauben der Neuzeit noch
kein Recht zu dem Spott, den sie so gerne darüber ergiesst.
Eine so unschuldige Naivetät drückt das berühmte Bild des
Martin Schön in Colmar aus, auf dem Maria eine Anzahl
90 Maria.
Menschen vor dem Zorn der himmlischen Heerschaaren be-
schützt. Eben so ein sehr altes Votivbild in der Johannes-
kirche zu Hamburg, auf dem Maria ihre Brust entblösst und
den Heiland bei den Brüsten, die ihn gesäugt, um Gnade
für die Hamburger anfleht, die er um ihrer Sünden willen
strafen will. Dasselbe Motiv wiederholt sich auf einem spä-
tem Bilde von Rubens, üebrigens ist nicht zu läugnen,
dass jenes Vertrauen auf die Fürsprache in einigen, nament-
lich spätem Legenden missbräuchlich zu Gunsten einer laxen
Observanz geltend gemacht worden ist. — Sehr eigenthümlich
ist eine Vorstellung, die uns in den sibyllinischen Büchern
aufbewahrt ist. In den letzten Zeiten soll nämlich auf der
alsdann schon ganz verödeten Erde Maria noch die zur sieben-
fachen Busse verurth eilten Menschen hüten, der letzten Sün-
der letzte Trösterin. Friedlieb , sibyll. Weissagungen S. 157.
Als der allgemeinen Fürbitterin ist es Maria's Amt auch
beim Weltgericht, zur Rechten ihres göttlichen Sohnes stehend,
ihm die Schaaren der Seligen zuzuführen und ihm in ihrem
Namen für das Heil zu danken, welches ihnen geworden
ist , damit eine milde Bitte verbindend für die auf der andern
Seite stehenden Verdammten. Zugleich steht sie in der himm-
lischen Hierarchie zur Rechten ihres Sohnes den Engeln vor,
während ihm zur Linken Johannes der Täufer den Seligen,
Heiligen, Patriarchen und Propheten vorsteht. Ihr ordnen
sich die überirdischen, von jeher Unsterblichen unter, dem
Täufer Alle , die als Menschen geboren und gestorben waren.
Didron, manuel p. 264. 268. Und zwar kommt ihr dieser
Vorzug wegen ihrer Reinheit und Jungfräulichkeit zu, als
worin die W^esenheit der Engelsnatur besteht. Man hat ein
berühmtes Bild von Murillo, worin Engel und Menschen
gemeinschaftlich die Jungfräulichkeit Maria's anbeten. Waa-
gen, Paris S. 635.
Als regina angelorum ist Maria in vielen Kirchenbildern
ausschliesslich mit Engeln verbunden und im Kreise derselben
verehrt, umsungen, von ihnen getragen etc. Rubens malte
sie gross und königlich unter einem unendlichen Gewimmel
Maria. 91
kleiner Kinderengel. Landon, annales V. 57. Dante in seinem
Paradies 32. lässt sie mitten in einer grossen weissen Rose
unter Engeln thronen. In Haupt und Schnellers wendischen
Volksliedern I. 281. wird sie (nach einer volksthümlich naiven
Vorstellung) von Engeln umtanzt und tanzt selber mit.
Um sie als Königin des geistigen Himmels (der Engel
und Seligen) zu bezeichnen , gibt man ihr Attribute , die vom
sichtbaren Himmel entlehnt sind. Dazu berechtigt die Stelle
in der Offenbarung Johannis 12, 1, in welcher sie erscheint
als ein Weib mit der Sonne bekleidet , den Mond unter ihren
Füssen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen.
Der Sonnennimbus bildete sich erst in der Malerei des löten
und ITten Jahrhunderts zu der ovalen, die ganze Figur um-
schliessenden Flammenglorie aus, in der wir seitdem auf so
unzähligen Bildern und Münzen die Gottesmutter erblicken.
Der Mond zu ihren Füssen wurde schon von den deutschen
Rittern , wie später wieder in den Türkenkriegen als Sinn-
bild des überwundenen Heidenthums aufgefasst, ganz so wie
andrerseits die Schlange, der sie den Kopf zertritt. Daher
ist es das Wappen und Kennzeichen des deutschen Ordens
in Preussen und Lievland; das riesengrosse Wandbild zu
Marienburg, dem Hauptsitz des deutschen Ordens, zeigt Maria
auf dem halben Monde stehend. In Ungarn und Oesterreich
wurde mit noch bestimmterer Beziehung auf den türkischen
Halbmond die Gottesmutter (oder auch ein Kreuz) auf den
Halbmond gepflanzt als Zeichen des Sieges über die Türken.
— Zu den zwölf Sternen um's Haupt fügten spätere Maler
sehr oft einen dunkelblauen Mantel mit Sternen besät. Auf
einem schon modernen Bilde zu Landshut trägt Maria ausser
dem Sternennimbus noch einen Rosenkranz auf dem Haupt
fund einen Lilienstrauss in der Hand. Kunstbl. 1836, S. 15.
iln der Dominicanerkirche zu Breslau trägt sie ein grünes
Gewand mit gelben Sternen und Aehren. Engel halten ihr
das purpurne Obergewand und vor ihr blühen zwei Tulpen.
Fiorillo I. 167. Das Bild, welches die Jahreszahl 1300 trägt,
will offenbar die Gottesmutter als Königin des Himmels und
§3 Maria.
der Erde zugleich bezeichnen. — Auf einem Bild von Rubens
in der Münchner Pinakothek hat Maria Adlersflügel und tritt
der Schlange auf den Kopf, nach dem schon erwähnten Bild
in der Offenbarung Johannis. Die Adlerflügel bedeuten hier,
wie immer , den göttlichen Geist. — Anstatt des Mondes und
der Schlange ist es oft auch die Weltkugel, auf welche die
Grottesmutter als auf ihren Fussschemmel tritt. So auf dem
oben genannten Landshuter Bilde. So auf einem von Maratti.
Waagen , England IL 4. Auch kommt sie thronend auf dem
Regenbogen vor, als dem Bogen des Friedens. Didron,
icon, p. 269.
Den zwölf Sternen im Kranze Maria's entsprechen die
zwölf Löwen am salomonischen Thron , auf welchem sie sitzt.
Bild von Eberwein. Kunstblatt 1841, S. 414. Als Thron
Salomons wird sie selbst bezeichnet in der lauretanischen
Litanei. Die Zwölfzahl kann sich sowohl auf die Apostel,
als auf die Propheten beziehen.' Das Mittelalter liebte, die
Gottesmutter mit den Propheten zu umgeben, die von der
Geburt des Messias geweissagt haben. Gewöhnlich hat jeder
Prophet neben seinem Attribut noch eine Inschrift, die jene
Weissagung aus seinem Buch im alten Testament enthält. In
der griechischen Kirche sind dieselben vorgeschrieben. Didron^
manuel p. 147. 290 f. Dessen annales IV. 67.
Die Litaneien und alten Marienlieder enthalten eine Menge
Sinnbilder, die sich auf die königliche Würde Maria's beziehen,
zunächst Beziehungen auf ihre Abstammung von König David :
die Ruthe oder Rose vom Stamm Jesse, der Thurm Davids,
der elfenbeinerne Thurm , der Thron Salomo's , der hohe Ce-
dernbaum. Aus der Ruthe haben altdeutsche Mariensänger die
Wünschelruthe gemacht, die alle Wünsche erfüllt, den Zauber-
stab, der Alles hervorruft. Conrad von Würzburg 6. nennt sie
die „Himmelskaiserin". Dem Deutschen genügte die Königin
nicht, weil ihm die kaiserliche Würde höher stand. Altdeutsche
und niederländische Maler geben ihr die kostbarsten phantasti-
schen Kronen von Juwelen und Blumen. Eine dreifache Krone
hat sie zu Loretto als Tochter, Gemahlin und Mutter Gottes.
*»•
l
Maria. 93
Das leitet in die Symbolik hinüber, die in ihr eine
Personification der Kirche erkennt. Die mit drei Kronen
(gleich dem Papst) geschmückte Himmelskönigin , die vor
Gott kniet und seinen Segen empfängt (Bild zu Padua,
s. Kunstblatt 1838. Nr. 18.)) ist nichts anderes als die Kirche
selbst. Auch die einfache Krone ist auf die Kirche, als Braut
Christi, bezogen und als Brautkranz aufgefasst worden. In
diese Symbolik gehört auch das Bild von Quintin Messis,
welches die Verklärung Maria's darstellt, zu ihren Füssen die
allegorischen Gestalten des alten Bundes, der Legende etc.
Vgl. Schnaase, nieder! Briefe S. 283. Dahin gehören auch
die oft vorkommenden Bilder der unter den vier Kirchen-
vätern thronenden Maria.
Uebrigens herrscht die grösste Mannigfaltigkeit in den
Beziehungen zur Gottesmutter, daher sie thronend gemalt
wird wie unter Engeln und Erzengeln, so unter allen Hei-
ligen des neuen Testamentes, Patriarchen, Propheten und
Sibyllen des alten. Louis de Vargas malte ein seltenes Bild,
auf dem sie ausschliesslich in Beziehung gesetzt ist zu den Pa-
triarchen, indem sie Adam und Eva zu trösten scheint. Das
Bild befindet sich in Sevilla. An die Huldigungen, welche
Maria von himmlischen Heerschaaren und biblischen Gruppen
empfängt, reihen sich die allegorischen Huldigungen von
ganzen Ländern, Provinzen, Ständen und Privaten. Auf
( einem berühmten Bilde des van Thulden, z. B. im Belvedere
zu Wien, empfängt sie die Huldigung aller niederländischen
Provinzen, die durch schöne Frauen dargestellt sind.
Sehr viele Marienbilder sind Stiftungen. Der Stifter, der
noch einen besondern Schutzpatron hatte, liess diesen neben
die heilige Jungfrau malen; dazu auch wohl eine Schutz-
patronin und Patrone der Frau und Kinder, der besondern
Kirche oder Kapelle, in w^elche das Bild gestiftet wurde etc.
So entstanden zufällige Heiligengruppen um die thronende
Maria her, was man in der Kunstwelt Conversationen
nennt. Sie sind am sinnreichsten, wenn in den dargestellten
Heiligen besondere Tugenden personificirt erscheinen. Vgl.
94 Maria.
d. Art. Barbara. Auf solchen Bildern sitzt Maria mit ihrem
Kinde gewöhnlich unter einem goldnen Baldachin, oder in
einem Thronsessel , der einem sich öffnenden Portale gleicht.
Dem entspricht die Symbolik der Namen, die sie in den Li-
taneien erhält: porta orientalis, janua codi) portus naufra-
gorurriy arcus aetheris.
Von tiefer Bedeutung ist ein Contrast in den Bildern,
welche die niedrigste Stufe des Menschlichen und die höchste
der himmlischen Verklärung im Marienleben darstellen. Die
frommen Maler geben nämlich der in dem Himmel zu den
höchsten Ehren erhobenen, von der Dreieinigkeit selbst ge-
krönten Maria die Demuth der Magd, während sie auf Bil-
dern der Geburt Christi mitten in dem schlechten Stalle und
unter die armen Hirten hinein die Mutter mit dem Kinde in
königlicher Pracht mit der Krone malen.
Maria in der Herrlichkeit wird oft mit Schmuck allzusehr
überladen, was noch mehr zu tadeln ist, wenn das Costüm
geschmacklos gewählt ist. Dahin gehören die im Anfang des
vorigen Jahrhunderts aufgekommenen Madonnen in steifgol-
denem juwelenbedeckten Reifrock mit wollenweisser Frisur.
Wenn Liebe und Andacht der Gläubigen das Urbild alles
Schönen nicht reich genug schmücken können, so darf doch
das Metall der edlen Würde des Ausdrucks keinen Eintrag
thun. Aus demselben Grunde müssen auch die allzu spie-
lenden Zierrathen, in denen ein Schein von Koketterie liegt,
vermieden werden. Als Grenze mag hier bezeichnet seyn,
was Hubert van Eyck in dem wunderlieblichen Bilde Maria's
auf dem Genter Altare sich erlaubt hat. Die Jungfrau kniet
hier in holdseligster Anmuth, scheint laut aus dem Gebet-
buch zu lesen, wie die halbgeöffneten Lippen verrathen,
und trägt einen königlichen Mantel mit Juwelen besetzt und
eine Krone von Juwelen, aus welcher Rosen, Lilien, Schnee-
glöckchen etc. blühen , und aus diesen Blüthen werden kleine
Sonnen gleichsam ausgeduftet und schweben leuchtend über
dem schönen Kopfe. Das Süsseste von jungfräulichem Reiz,
was erdacht werden kann , aber auch nur in dieser Situation,
Maria. ^5
im Moment der Verkündigung statthaft. Das Bild muss als
Auffassung eines einzigen Momentes gedacht werden. Ein
immerwährender Putz dieser Art würde Marien nicht ge-
ziemen. Sie ist hier nicht die ewige Königin, sondern Braut,
was man nur einmal ist.
lieber die vielen schwarzen Marienbilder, die sehr
häufig gerade wegen Wunderthätigkeit und Alter am meisten
verehrt sind, hat der Unglaube und die Blasphemie der
neueren Zeiten die unsinnigsten Vermuthungen zu Tage ge-
fördert und sich insbesondere darin gefallen, sie auf heid-
nische Göttinnen, die schwarze Diana zu Ephesus, die Aphro-
dite Melanis etc. zurückzuführen. Die Sache verhält sich,
wie ein tüchtiger Naturforscher (v. Martens, Italien III. 27.)
bemerkt, sehr einfach. Die Bilder sind aus dunklem Holz
geschnitzt. Es sind meist alte Holzbilder. So auch das auf
dem Montserrat, v. Rochau, Reiseleben I. 103. Wenn auch
flache Gemälde von dunkler Farbe vorkommen, so erklären
sich dieselben theils als Copien solcher altern dunklen Holz-
bilder, an denen keine Aenderung oder Verschönerung vor-
genommen werden durfte, theils aus der Nationalität der
Maler und der Gemeinden, für die sie bestimmt waren. In
Abyssinien sind alle Marienbilder, wie die Bilder anderer
Heiligen von dunkler Gesichtsfarbe, weil es die Farbe des
Volkes selbst ist. Nur in diesem Sinne ist die Stelle des
Hohenhedes 1, 4: „Ich bin schwarz, aber schön," hieher zu
beziehen. Aus demselben Grunde widmen die Negersklaven
in Brasilien ihre Verehrung vorzugsweise einer schwarzgemal-
ten Madonna. Spix und Martins, Reise IL 469.
In Bezug auf die Farbensymbolik der Marienbilder ist
der berühmte Rosenkranz von Burgkmaier in Augsburg merk-
würdig. Auf demselben kommt nämlich Maria siebenmal und
jedesmal in einem andersfarbigen Gewände vor, als Königin
der Armen blau , der Büsser braun , der Propheten gelb , der
Apostel lackroth, der Märtyrer hochroth, der Beichtiger grün,
der Jungfrauen weiss. Vgl. Kunstbl. 1846. S. 186. Inzwi-
schen genügt dieses Schema nicht. Blau charakterisirt die
96 Maria.
heilige Jungfrau als Königin der Armen nur deshalb, weil
sie Königin des Himmels und Blau die Farbe des Himmels
ist. Zuweilen ist das blaue Gewand mit Sternen besät, na-
mentlich wenn die heilige Jungfrau zugleich auf dem Halb-
mond steht. Zuweilen, jedoch selten, trägt sie ein hellblaues
Unter- und dunkelblaues Obergewand, z. B. auf dem Schloss
Karlstein in Böhmen. Wiener Jahrb. 27, 45. Waagen, Deutsch-
land I. 310. Insgemein ist ihr Obergewand rosenfarbig (als
Morgenröthe am Himmel, aus welcher die Sonne kommen
soll) oder purpurfarben (als Königsmantel), zuweilen auch
golden (die Sonne am Himmel bezeichnend). Auch ihr Un-
tergewand ist zuweilen roth , gemäss der nämlichen Symbolik.
Insbesondere liebte ihr Raphael diese Farbe zu geben, wo-
bei der zufällige Umstand einwirkte , dass die schönen Alba-
neserinnen, unter denen er seine Modelle wählte, rothe
Kleider trugen, wie noch heute. Auch grüne Unterkleider
und grüne Mäntel kommen auf Marienbildern in Italien zu-
weilen vor, bald mit blau, bald mit roth verbunden, vor-
zugsweise auf Bildern der Heimsuchung, sofern grün Farbe
der Hoffnung ist. Ausschliesslich weiss gekleidet erscheint
Maria immer nur in specifisch jungfräulicher Bedeutung, auch
wenn sie das göttliche Kind trägt. Auf einem Bilde des
Prok. Abel in Stuttgart ist sie jung, fast noch kindlich wie
ein Mädchen von kaum vierzehn Jahren gemalt, während sie
das Kind auf den Armen hat, und ihre holde Gestalt wird
erhöht durch einen prachtvollen Nimbus mit langen gol-
denen Ausstrahlungen. Auch als Königin der Jungfrauen
ist sie weiss. Oft hat sie bei der Himmelfahrt ein weisses
Unterkleid mit dem blauen Sternenmantel mit Bezug auf ihre
ewige Jungfräulichkeit, was zugleich einen schönen Sinn er-
hält in Hinsicht auf den weissen Schleier, den sie als Wittwe
trug. Die kaum noch im dunkelblauen Kleide mit weissem
Schleier als ältliche Matrone starb , wird bei der Himmelfahrt
wieder jung und freudig , und ihr Schleier wird zum weissen
Jungfrauenkleide.
In den kindlichen und mädchenhaften Bildern Maria's
I
ji
Maria. 97
Hegt stets die Tendenz, sie als angehende Gottesbraut, als
Vorbild der Nonnen zu bezeichnen. Ihre Einführung in den
Tempel ist schon in den Apokryphen nicht anders verstanden.
Das Fest Maria Opferung am 21. November hat keine andere
Bedeutung. Sie opfert Gott ihre Jungfrauschaft. Es ist das
specifische Nonnenfest. Nach dem apokryphischen Vorevan-
gelium Jakobi wird Maria von Jugend auf dem Dienst des
Herrn im Tempel gewidmet , und zeigt sich dessen so würdig,
dass sie nicht nur von überirdischer Schönheit strahlt, son-
dern auch an Verstand und Heiligkeit Allen überlegen ist.
Nach dem Evangelium von der Geburt der Maria stieg sie
schon als kleines Kind , als sie in den Tempel gebracht wurde,
allein die Stufen desselben hinauf. Ihre Hauptbeschäftigung
im Tempel war. Purpurdecken für denselben zu sticken, was
sie symbolisch als Königin bezeichnet. Hier heisst es auch
ausdrücklich, d^ss sie ihre Jungfrauschaft dem Herrn geweiht
habe. Nach der muhamedanischen Legende (Herbelot, s. v,
Mirjam) stammt sie von Aarons priesterlichem Geschlecht und
lebte im Tempel eingeschlossen, wie in einem Harem Gottes,
und man fand häufig die herrlichsten Früchte bei ihr, auch
ausser der Jahreszeit, welche ihr Gott unsichtbar schenkte.
Im Koran, 3te Sure, heisst ihr Vater nicht Joachim, sondern
der Priester Amram.
Unter den Tempeljungfrauen am purpurnen Vorhang
nähend malte sie reizend Guido Reni in Loretto, Paris und
Petersburg.
Maria als virgo virginum ist oft auf Bildern einzig von
Jungfrauen umgeben. Von zehn gekrönten Jungfrauen auf
einem alten Bilde im Kloster Heilsbronn. Waagen, Deutsch-
land I. 306. Von Brautjungfern, die ihr den Kranz bringen,
aus Eycks Schule zu Ronen. Rathgeber, Annalen S. 86. Unter
lauter Jungfrauen im Wiener Belvedere , Fiorillo I. 273. Auf
dem Blumenteppich des Paradieses vom Cölner Meister Ste-
phan. Kugler, Berliner Museum S. 146. Als Schäferin von
Llorente zu Sevilla, dem pintor de las pastores. In einem
altdeutschen Mariengruss (Haupts Zeitschr. VIII. 281.) heisst
Menzel, christl. Symbolik. U. *7
98 Maria.
es gar schön: ;,Sey gegrüsst, du grüner Sammet der Wiese,
auf dem Niemand weiden darf, als Engel und Jungfrauen.'^
Immer herrscht bei der Jungfrau das Milde und Demü-
thige vor , sie ist vorzugsweise ancilla domini. Allein sie hat
auch Momente der Siegesfreude, das Magnificat. Sie durfte
sogar im Sinne des ritterlichen Mittelalters auch bewaffnet
und als Amazone auftreten. Als die Stadt Sicli in Sicilien
von den Sarazenen belagert wurde, erschien sie herrlich auf
weissem Ross, in weissem Gewände mit weissen Waffen, eine
Krone auf dem Haupt, und stürzte sich mit der siegreichen
Lanze über die Feinde, die entsetzt davonflohen. Ihr Ross
aber drückte seine Spur in einen Stein, der noch jetzt hoch
verehrt wird. Gumppenberg, marian. Atlas Nr. 512. So
kriegerisch tritt sie auch in einem spanischen Schauspiel auf.
Ausland 1832. S. 268.
Das Gegenbild dazu ist die berühmte vierge aux rochers
des Leonardo da Vinci, die heilige Jungfrau von finstern
Felsen umwölbt, die Lilie unter den Dornen, und die „schmer-
zenreiche Mutter'^ unter dem Kreuz.
An die Mütterlichkeit Maria's knüpfen sich übrigens ihre
höchsten Eigenschaften, denn als die vollkommenste aller
Jungfrauen wurde sie doch nur gewürdigt, die Mutter Gottes
zu werden, und als Mutter trat sie erst in den höchsten Stand
ein, während sie sich dadurch den tiefsten Leiden unterzog. Die
Gottesmutterschaft ist bezeichnet in Sinnbildern der Litaneien :
arca foederis ^ janua coeli, speculum justitiae , templum trinitatis^
favus Samsonis (der Honig, der vom Löwen kam). An die
Mütterlichkeit knüpfen sich die sieben Freuden und die sieben
Schmerzen Maria. Die Freuden sind: die Verkündigung,
Heimsuchung, Geburt, Darbringung im Tempel, Wieder-
findung des Knaben Jesu im Tempel, Auferstehung und
Himmelfahrt Christi. Doch fügt man auch die Anbetung der
heiligen drei Könige und die Himmelfahrt Maria ein. Vgl.
Marian. Liederschatz. Augsburg 1841. S. 328. Die sieben
Schmerzen sind: der Abschied vom Sohne, die Dornenkrö-
nung, die Kreuzigung, der Essig- und Gallentrank, der Tod
J
Maria. 99
Jesu, die Grablegung oder Pieta (die Leiche des Sohnes auf
dem Schoosse der Mutter). Doch fügt man auch die Be-
schneidung, die Flucht nach Aegypten und das Verlorengehen
des Knaben Jesu ein. Vgl. Marian. Liederschatz S. 156 f.
Klüden, Geschichte d. Marienverehrung S. 63. Das Freuden-
fest fällt auf den 23. September, das Schmerzen- oder Maria
Ohnmachtfest auf den Freitag vor dem Palmsonntag. Die
Freuden werden mit sieben Rosen verglichen. Görres, Mei-
sterlieder S. 319. Die Leiden mit sieben Schwertern, wozu
die Stelle bei Lucas 2, 35. Veranlassung gab. Zu Aufkirchen
in Tirol sieht man ein Bild Maria's mit sieben Köpfen , worin
ihre sieben Schmerzen unterschieden werden. Weber, Tirol
n. 117. Jedenfalls eine unziemliche Künstlerfreiheit.
Die schmerzenreiche Mutter, mater dolorosa^ erscheint auf
Bildern stets als Wittwe in dunkelblauem Kleide mit weissem
Schleier, ältlichen Gesichts, kummervoll, aber edel und gott-
ergeben, entweder unter dem Kreuze nach dem berühmten
Liede (stabat mater dolorosa juxta crucem lacrymosa) oder
den todten Christus auf dem Schoosse haltend (die sogenannte
pieta). Die Maler haben die Situation mannigfach verändert;
bald blickt sie nur im Brustbild weinend gen Himmel , wäh-
rend ein Schwert ihr durch's Herz geht, bald betrachtet sie
den Dornenkranz in ihrem Schooss, bald lehnt sie gleich
der religio am Kreuz. Auf einem bewundernswürdigen Bilde
des spanischen Malers Cano zu Granada kniet Maria ganz
einsam in tiefer Trauer und betet. Passavant, Kunst in Spa-
nien S. 105.
Maria's Tod. Aus der Stelle bei Lucas 2, 35 : „Und es
wird ein Schwert durch deine Seele dringen,^ die nur sym-
bolisch zu verstehen ist, leiteten Einige die Fabel ab, die
heih'ge Jungfrau habe den Martyrertod durch Enthauptung
erlitten, wie Origenes, homil. 17. in Lucam^ erwähnt. Die
Apokryphen berichten, sie sey im Frieden entschlafen, und
zwar in Gegenwart sämmtlicher Apostel, die auf Gottes An-
trieb, ohne zu wissen warum, aus den entferntesten Gegen-
den alle wieder in Jerusalem zusammenkamen , um ihrem
7*
100 Maria.
heiligen Sterben anzuwohnen und sie zu bestatten. Die Le-
gende ist ausführlich enthalten in einem alten Buch de trän-
situ Mariae. Vgl. ßinterim, Denkw. V. 1. 427. Dasselbe
enthält das altdeutsche Gedicht von Maria Himmelfahrt in
Haupts Zeitschrift VHI. 174.
Mit Recht haben sich die frommen altdeutschen Maler
bemüht, im Tode Maria überhaupt den schönsten Tod, die fried-
lichste, ruhigste, glücklichste und zugleich edelste Art, zu ster-
ben, auszudrücken. Auch ist es ehrwürdiges Herkommen, die
Sterbende mit der brennenden Kerze in der Hand und durch
die Apostel mit allen Sterb Sakramenten der Kirche versehen,
zu malen. Sie liegt dabei immer auf einem Ruhebett unter
einem Thronhimmel. Nur ein Bild des Martin Schongauer
aus Wettenhausen, jetzt in München, weicht ab, indem es
sie im Gebete knieend sterben lässt. Sie trägt hier den weissen
Wittwenschleier und zugleich das langwallende Haar der
Jungfrauen. Abgebildet in Otte's Handbuch der Kunstarchäo-
logie zu S. 218. Vgl. V. Rettberg, Briefe S. 81.
Auf vielen alten Kirchenbildern steht am Bette Mariens
im Moment ihres Sterbens der Heiland und empfängt ihre
unsterbliche Seele, die in Gestalt eines kleinen Kindes aus
ihrem Munde kommt. Das ist schon byzantinisch. Vgl. Di-
drorij man. p. 286. So ist der Tod dargestellt auf einem sehr
alten Mosaikbild in Maria Maggiori. Bunsen, Beschr. von Rom
IH. 2. 284. Eben so auf einer Menge von altdeutschen Bil-
dern. ■ — Inzwischen wurde der Leichnam der Gottesmutter
von den Aposteln bestattet. Auf ihren Schultern trugen sie
sie zu Grabe , fanden aber nachher das Grab offen und voller
Blumen (Zeichen der Jungfräulichkeit und Tugend), während
die Jungfrau selbst gen Himmel fuhr. Vgl. d. Art. Himmel-
fahrt. Schon Gregorius Turon., de gloria martyrum I. 4.,
lehrte, Christus sey am Tage nach ihrer Beerdigung zum
zweitenmal vom Himmel herabgekommen, um ihren Leib ab-
zuholen und im Himmel mit der schon vorangegangenen Seele
wieder zu vereinigen. Das wurde durch eine Vision der hei-
ligen Elisabeth bestätigt. Vincent. Bellov, spec. hist. VH. 80. —
Maria. 101
Auf einem Glasgemälde des 13ten Jahrhunderts betet die Seele
Maria's, in Kindesgestalt auf den Armen des göttlichen Sohnes
getragen , noch zum Abschied den schönen , todt vor ihr aus-
gestreckten jungfräulichen Leib an, mit dem Ausdruck des
Erstaunens, sich getrennt von ihm zu sehen. Didron, aU"
nales III. 170. Auf Miniaturen in Paris kommt die Seele auch
als eine Büste vor, die über die Leiche emporsteigt. Vgl.
Waagen, Paris S. 276, 277, 286.
Auf den ältesten Bildern der Kirche ist der allzu schmerz-
hafte Ausdruck Maria's eben so vermieden, wie der allzu
freudige oder lächelnd huldvolle. Diese schärferen Marki-
rungen eines einseitigen, den andern ausschliessenden Aus-
druckes kamen erst später auf, indem sich der alte Typus
der Marienbilder zugleich mehr individualisirte und mannig-
fache Physiognomien annahm. Dasselbe gilt in Bezug auf
das Alter. Die frühesten Bilder hielten die unbestimmte Mitte
zwischen Ernst und Freundlichkeit, zwischen göttlicher Hoheit
und gemeiner Menschlichkeit, zwischen Jungfräulichkeit und
Mütterlichkeit, zw^ischen Jugend und Alter. Die späteren
dagegen gingen in die Extreme auseinander, so dass zu-
letzt die grössten Verschiedenheiten einander gegenüberstan-
den, eine fast verführerische Lieblichkeit gegenüber dem
hässlichsten Schmerzausdruck im Gesicht einer alten Frau.
Vergleicht man den schönen und heiligen Typus der
ältesten Marienbilder in den Katakomben , Mosaiken und Mi-
niaturen, so muss man bekennen, derselbe lasse eine künst-
lerische Durch- und Ausbildung zu, die, ohne ihm etwas
von seiner Heiligkeit und von seinem bestimmten typischen
Charakter zu nehmen, allen Erfordernissen der Kunst ge-
nügen können. Darum ist es ein Irrthum, das Verlassen
jenes ehrwürdigen alten Typus und die Individualisirung der
Marienbilder seit dem löten, noch mehr seit dem 16ten Jahr-
hundert als einen grossen Fortschritt der Kunst zu preisen.
Nur dadurch, dass die meisten Maler jenen alten Typus doch
wenigstens nicht ganz aufgaben, sondern sich demselben immer
'wieder annäherten, hat sich überhaupt der Begriff eines kirch-
lOä Maria.
liehen Marienbildes und das Ansehen desselben erhalten kön-
nen, sonst würde die Kirchenmalerei ganz zur weltlichen Con-
versationsmalerei entartet seyn.
Es war falsch , jenen alten Typus in irgend welche Na-
tionalphysiognomie hineinziehen zu wollen und uns schöne
Römerinnen, Florentinerinnen, Venetianerinnen, am Ende gar
Zigeunerinnen als Madonnen zu malen. Es war eben so
falsch, ja häufig sogar sündhaft, sie einem lebenden Portrait
nachzubilden. Gab es doch Kirchenfürsten, die sich nicht
entblödeten, ihre Maitressen als Madonnen portraitiren zu
lassen; und zu viele Maler wählten zum Modell ihre sehr
irdischen Geliebten. Das Interesse aber, welches das künst-
lerische Auge an den schönen Gesichtsformen, Augen, Haaren,
Teint, Tracht und Schmuck einer irdischen Schönen nimmt,
sollte nie verwechselt werden dürfen mit der Andacht, zu
der ein Marienbild auffordert. In dieser Beziehung bedurfte
und bedarf die Kirchenmalerei einer strengen Reinigung und
Säuberung. Alles, was an weltliche Koketterie und an die
irdische Weiberlust der Künstler erinnert, muss dem Heiligen
fern bleiben. Wenn einer der grössten Maler der Madonna
die röthlichen und wolligen Haare seiner irdischen Geliebten
gibt und darum von allen Kunstkennern bewundert wird, so
ist es doch eine Entweihung des heiligen Gegenstandes, solche
persönliche Liebhabereien auf ihn zu übertragen und den alten
Typus der Marienbilder so Villkührlich zu verfälschen.
In gleicher Weise unziemlich ist das gemein Natürliche,
wenn Maria, aller Hoheit und Heiligkeit entbehrend, zwar
als ein unschuldiges und ehrliches, aber doch nur als ein
gemeines Bürgermädchen oder wie eine ganz gewöhnliche
Hausfrau und Mutter dargestellt wird. In solcher Gemeinheit
haben sich nur zu viele Künstler gefallen, sey es, dass sie selbst
kein höheres Ideal kannten und achteten, sey es, dass sie es
als Stümper in der Kunst nur nicht zu erreichen wussten.
Die Maler sind in der gänzlichen Trivialisirung der heiligen
Geschichte den Rationalisten lange vorangegangen. In der
That kann ein Bretschneider, Paulus etc. von der Mutterschaft
4
Maria. 103
Marla's nicht ordinärer denken, wie Andrea del Sarto, der
berühmte Italiener, der noch einer frömmern Zeit angehörte
und doch nirgends die Mutter Gottes, sondern überall nur eine
gemeine, wenn auch immerhin hübsche und zärtliche Mutter
gemalt hat. Das ist noch für eine charitas zu wenig ideal,
geschweige für eine Maria.
Wenn nur die Heiligkeit nicht vermisst wird , sind
Nuancen im Ausdruck nicht nur erlaubt, sondern nach Um-
ständen auch geboten. Der freudenreichen Maria ziemt die
Freundlichkeit der Bilder Fiesoles , Leonardo da Vincis , Sas-
soferratos (dessen Madonna vorzugsweise mater amabilis heisst) ;
der schmerzenreichen dagegen der mehr wehmüthige Aus-
druck, den ihr Fra Bartholomeo gegeben. Doch behauptet
vor jenem lieblichen Lächeln und vor jener Wehmuth die
Heiligkeit den Vorrang.
Diese Heiligkeit erscheint in den ältesten Marienbildern
in doppelter W^eise ausgedrückt, durch Hoheit der Gestalt
und Miene, die ein höheres W^esen verkündet, und zugleich
durch die andächtige Geberde der bittend erhobenen Hände.
Diese Bitte ist voll Demuth und zugleich Hoheit. Sie ist
Fürbitte, die ganze Haltung hat etwas Priesterliches. Die
älteren italienischen Meister, Fr. Francia, Perugino und An-
dere, behielten noch viel von diesem Typus bei, namentlich
die betende Stellung bei der ruhigen Klarheit und gleichsam
Göttlichkeit der Miene. Erst später theilten sich die Künstler,
und die Einen suchten das Pleilige nur noch im Ausdruck
einer rein menschlichen Andacht und Zerknirschung, die An-
dern nur im Ausdruck einer Geisteshoheit und Genialität, bei
dem die Demuth fehlte. Der grösste und berühmteste Marien-
maler, Raphael, hielt in seiner Jugend noch die ältere fromme
Weise seines Meisters Perugino fest, malte aber nachher in
viel freierer Weise seine Madonnen meist in's Liebliche, in
holdlächelnde Jungfrauen und seelenvolle zärtliche Mütter,
und endlich in ein weibliches Ideal aus , in welchem der aus
dem dunklen Auge blitzende Geist, der in der sinnreichen
Stirne gewitterhaft zuckende Gedanke^ das auf den beredten
104 Maria.
und fast trotzigen Lippen zurückgehaltene Wort nur noch
Anbetung fordert, aber keine mehr leistet, während zugleich
eine warme Sinnlichkeit , eine geheime Gluth ihre vollen
italienischen Formen einzunehmen scheint. Hier vermissen
wir neben der Hoheit und dem Zauber des Schönen gerade
das Heilige und den Ausdruck der Demuth. Daher auch die*
Begeisterung, mit welcher diese Bilder im Jahrhundert des
Unglaubens gepriesen wurden, die Andacht ganz ausschloss.
Vielen anderen , überaus frommen Marienmalern , namentlich
spanischen und deutschen, ging jener Zauber des Schönen
ab, und ihren heiligen Frauen mangelte der Liebreiz. Man
thut am Besten, gar nicht nach den Meistern der Bilder zu
fragen , sie gar nicht aus dem Gesichtspunkt der Kunstkenner-
schaft anzusehen, sie vielmehr alle als unvollkommene Copien
eines unerschöpflich schönen und unerreichbar heiligen Urbil-
des zu betrachten und, was dem Maler gefehlt hat, durch die
eigne Andacht zu ersetzen, wie Andrea d' Auria. Dieser fromme
Mönch nämlich rettete ein Marienbild, welches einem vor-
nehmen Besteller in hohem Grade missfallen hatte, und nahm
es zu sich, und siehe, in den Händen des w^ahren und an-
dächtigen Verehrers gedieh das vorher hässliche Bild zu wun-
dervoller Schönheit. Maier, Neapel L 135.
In demselben Maass, in welchem die Künstler die alt-
herkömmliche Heiligkeit in der Jungfrau Maria verliessen und
ihr eine freiere Bewegung und weltlichere Miene gaben , än-
derte sich auch die Gruppirung der Mutter mit dem göttlichen
Kinde. Auf den 'ältesten Bildern der Kirche steht das Kind
vor der Mutter und wird von ihr gehalten. Später trägt sie
es stehend auf den Armen, dann sitzend auf dem Schooss,
und zuletzt wird das Kind schlafend, spielend etc. in den
mannigfachsten Situationen von der Mutter abgetrennt.
Eine Menge wunderthätiger Marienbilder, an eine be-
stimmte Oertlichkeit gebunden, hat auch besondere Attribute.
Viele derselben wiederholen sich. So kennt man in Deutsch-
land und Frankreich gemeinschaftlich sehr viele „Unsre Liebe
Frauen zur Eiche, zur Linde etc.'', weil auf solchen Bäumen
Maria. 105
das Bild der Gottesmutter gefunden wurde. Aus demselben
Grunde heissen so viele heilige Orte Mariabronn, sofern hier
die Gottesmutter im Wasser erschien oder eine Quelle zum
Gesundbrunnen weihte. In Gebirgen kommen öfter Marienbil-
der in Felsen vor, das berühmteste, Notre dame de la Balme
an der oberen Rhone, „Maria zum Schnee^^, hat einen weit
verbreiteten Cultus. Vgl. d. Artikel Schnee. Eine Menge
Marienkirchen und Kapellen kommen auf Bergen vor und
führen in den deutschen Gebirgen meist den Namen „Maria-
hülf^ in Hinsicht auf die Kranken, die dort Hülfe finden.
In südlichen Ländern steht sie oft in Verbindung mit der
Vegetation. Auf der Insel Chios wird ein Marienbild hoch
verehrt, das in Myrthen gefunden w^urde. Rho et Bovius IL
L 20. Zu Sozopolis ein anderes, dem stets köstlicher Balsam
aus der Hand träufelt. Gfrörer, Kirchengesch. III. L 99.
So führen eine unzähhge Menge Marienbilder besondere Na-
men von dem Ort, wo, oder den besonderen Umständen, unter
denen sie gefunden wurden. Eine reiche Sammlung dieser
Namen findet man in Gumppenbergs marianischem Atlas.
Andere Gnadenbilder der Gottesmutter tragen den Namen
von ihren Eigenschaften und von der Art ihrer Hülfe. So Unsre
Liebe Frau zum Tröste , zum Siege {della vittoria) , zum Frie-
den (della pace), zum Erbarmen, zur Geduld, zur Hoffnung etc. ;
oder von den Reliquien der Gottesmutter, oder von beson-
deren Wundern , die sie hier verrichtet. So Unsre Liebe Frau
vom Schleier, von den Haaren, von der Milch, vom Gürtel etc.
Unsre Liebe Frau vom Briefe zu Messina, weil man hier
einen Brief von ihr gefunden haben will; von der Pest zu
Padua, weil sie hier die Pest vertrieb.
Erscheinungen der Gnadenmutter kennzeichnen viele Hei-
lige in der kirchlichen Bildnerei. Unter einem Rosenregen
erscheint sie dem heiligen Franciscus. Ihren Gürtel reicht sie
dem h. Apostel Thomas. Malen lässt sie sich vom h. Apostel
Lucas. Das Messgewand reicht sie dem h. Ildefons. Vom
h. Knaben Piermann Joseph nimmt sie einen Apfel an. Die öfter
vorkommende Lactation, das Wunder der Brustreichung, das
106 Maria.
dem heiligen Bernhard, Alanus a rupe und Anderen wider-
fahren, dürfte aus einer nur bildlichen Redeform erst in die
wirkliche Bildnerei übertragen worden seyn und überschreitet
in der sinnlichen Darstellung die Schranken des Schicklichen.
In den Kreis unschicklicher Bezeichnungen gehören auch
viele scholastische Spitzfindigkeiten, welche die Natur und
namentlich die unbefleckte Empfängniss der heiligen Jung-
frau betreffen und die bekanntlich im Jahrhundert der Auf-
klärung zum Gegenstand rohester Witzelei gemacht worden
sind. — Von lieblicher Naivetät ist dagegen wieder die Le-
gende , in der Maria als freundliche Wirthin erscheint. Zwei
fromme Mönche verirrten sich auf der Wallfahrt nach Loretto
zur heiligen Hütte der Gebenedeiten. Da im Walde fanden sie,
ohne sie zu erkennen , dieselbe Hütte und wurden darin von
der heiligen Jungfrau selbst, gleichfalls ohne sie zu kennen,
freundlich bewirthet. P. Abraham, Judas IV. 121.
Eben so zahlreich sind die Bildwunder der Gnadenmutter.
Hier nur einige der merkwürdigsten und seltensten. Als die
Heiden einst am Berg Athos ein Fest feierten, schwamm ein
Marienbild an's Ufer. Da riefen alle heidnischen Götterbilder:
„Die Mutter Gottes kommt, fallt vor ihr nieder!" Und alle
Götterbilder stürzten nieder und das Volk mit. Alle Heiden
bekehrten sich, und der Berg wurde der heiligste in ganz
Griechenland und ist es heute noch. Fallmerayer, Orient
IL 18. Als die Heiden in Russland einfielen, trug der hei-
lige Hyacinthus eine Statue der Gnadenmutter über das
Wasser des Borysthenes trockenen Fusses (16. August).
Einem frommen Landmädchen erschien einst die Gnaden-
mutter mit dem Kinde, wurde von ihm auf's Liebreichste
bedient und liess ihm zum Andenken ihr Bild in dem Wasser
zurück, in dem sie das Kind gebadet. Immer schwebte das
Bild auf dem Wasserspiegel, liess sich aber nie ergreifen.
Dietrich, Braga VL 1. Wetzel, Gedichte S. 101. In Turin
verehrt man ein Marienbild , das von einem Blinden entdeckt
wurde, während kein Sehender es gefunden hatte. Gump-
penberg, marian. Atlas I. 120, Daselbst Nr. 259. wird ein
^
Maria. 107
Marienbild in Lüttich erwähnt, durch dessen Anbetung Rupert
von Duiz aus einem Dummkopf ein weiser Mann wurde.
Zu Oesede bei Osnabrück ist ein Marienbild, das jede
reine Jungfrau tragen kann , aber centnerschwer wird , wenn
eine unkeusche es berührt. Auch eine Alabasterstatue der
Maria zu Ettal, von Engelhänden gemacht, wird um so schwerer,
je mehr der gesündigt hat, der sie aufhebt. Schrank, bayr.
Reise S. 71. Zu Stein in Böhmen erbleicht ein Marienbild,
so oft ein Sünder in die Kirche tritt. Kaltenbäk S. 172. Das
Bild der schönen Maria bei Scharten bleibt immer rein und
kann nie befleckt werden. Das. S. 119. • Als ein Marienbild
im Wisperthal in Wallis von einem Bösewicht mit Koth be-
worfen wurde, fuhr es hoch am Felsen empor und blieb fortan
unerreichbar. Einem, der sich an einem Strick von oben zu
dem Bild herablassen wollte , wurde der Strick zuletzt faden-
dünn, so dass er um Gotteswillen bat, ihn wieder aufzu-
ziehen. Grimm, d. S. Nr. 347. Zu dem Marienbild auf der
Eiche in Maria Taferl sollen einmal die Engel in Prozession
gewallfahrtet seyn. Kaltenbäk S. 189. Als ein Madonnen-
bild am Ufer der Nordsee ausgeworfen war, konnte kein
Schiff vorbei , bis man dem Bild eine Kapelle errichtet hatte.
Wolf, niederl. Sagen Nr. 169. 170. In der Franciscanerkirche
zu Prag hielt ein Marienbild den Dieb fest, der es berauben
wollte. Kaltenbäk S. 101.
Wenn im Passeier -Thale in Tirol ein Kind todt geboren
wird oder ungetauft stirbt , tragen es die Eltern zum Mutter-
gottesbild in Trens und legen es vor dem Bilde nieder. Da
schlägt das Kind die Augen wieder auf, und in diesem Mo-
mente wird es getauft. Gleich darauf stirbt es, ist aber nun
selig. Beda Weber, Passeier S. 152.
Anna Dulliker, eine arme Wittwe in Zofingen in der
Schweiz, erflehte zur Pestzeit 1519 für sich und ihre Kinder
vor einem kleinen Bildhüsly (Muttergottesbild in einer Ka-
pelle) Gesundheit und erhielt sie. Bald darauf wurden in
der Reformation alle Bilder zerstört; aus Dankbarkeit aber
rettete die arme Wittwe jenes Bild und schleppte es mühsam
108 Maria.
fort , und als sie einmal ausruhte und ihr Kind Blumen suchte,
fand es unter dem Bilde ein Geldstück, und da sie weiter nach-
suchte, kam ein grosser Schatz zu Tage, der sie auf immer
von Sorgen befreite. Das Bild aber brachte sie glücklich
nach Sursee, wo es noch hoch verehrt wird. Hormayr, Ta-
schenbuch von 1835. S. 302.
Eichel, ein Dorf am Main, entstand um eine einsame
Kapelle, „Maria zur Eiche", als Wallfahrtsort. Hier floh einst
ein Lamm vor einem Wolf in die Kapelle , lief, als der Wolf
nachstürzte, schnell zurück und riss im Laufen den Strick
der Thüre mit sich fort, so dass diese zufiel und der Wolf
gefangen war. Daher das Sprichwort : „In Eichel fängt das
Schaf den Wolf '^ Schnetzler, bad. Sagenbuch IL 647. Das-
selbe geschah zu Seebach, Bechstein, Sagenschatz d. Thü-
ringerlandes IL 151.
Ungemein phantastisch ist die Erscheinung der „schönen
Maria '^ zu Regensburg. Im Jahre 1519 predigte Hubmeir
daselbst so eindringlich gegen die Juden und so feurig für
die Mutter Gottes, dass sich des Volkes ein unwiderstehlicher
Drang bemächtigte, die Juden aus der Stadt zu jagen, ihre
Synagoge niederzureissen , diese unreine Stätte zu weihen und
auf ihr der „schönen" Maria eine Kirche zu erbauen. Auch
vom Lande drängte sich Alles herbei, Opfer zu bringen, und
Viele liessen ihre letzten Kleider in der Kirche zurück, weil
sie nichts Anderes hatten, es für sie zu opfern. Gemeiners Re-
gensb. Chronik IV. 352 f. Hormayr, Taschenb. 1843. S. 176.
Einen eigenthümlichen Reiz hat das Marienbild in der
Stephanskirche zu Wien, das vorzugsweise von Dienstboten
bekränzt und verehrt wird. Carus, Mnemosyne S. 137.
Als der Mönch Tutelo von Metz die Madonna malte,
stand sie unvermerkt hinter ihm und leitete seine Hand. Maler
Pomis in Graz hatte sie so schön gemalt , dass er mehr Geld
für das Bild forderte, als ausbedungen war. Da erblindete
er, die Madonna selbst aber malte das unvollendete Bild
fertig und machte ihn dann wieder sehend. Kaltenbäk, Ma-
riensagen S. 143,
Maria. 109
Den unendlichen Reichthum der Wunder und der sym-
bolischen Beziehungen Marias, der sich durch viele Jahr-
hunderte und über alle Länder vertheilt, an Einen Ort und
in Eine Feier zu concentriren , ist unmöglich. Nur die grie-
chischen Christen haben es versucht auf dem Berg Athos, der
voller Kirchen und Klöster ist. Hier hat Maria von ihrer
Geburt bis zu ihrer Himmelfahrt auf jeder Stufe ihres Wan-
dels, ferner nach jeder ihrer Tugenden, Freuden und Schmer-
zen, und nach den hervorragendsten Wundern, die sie ver-
richtet, besondere Altäre und einen besondern Cultus, so wie
auch die Farben und Formen ihrer Bekleidung und Aus-
schmückung auf's Mannigfaltigste empfangen. Didron, annales
IV. 83 f. — In Loretto, wo das von Engeln aus dem hei-
ligen Lande an die apulischen Küsten getragene Haus der
Maria verehrt wird, herrscht wenigstens in den an ihrem
Altar niedergelegten Weihgeschenken eine unendliche Man-
nigfaltigkeit von symbolischen und historischen Beziehungen.
— Auch bei den grossen Marienfesten und den dabei Statt
findenden Prozessionen befleissigt man sich, namentlich im
Süden Europa's und Amerika's, die Gnadennmtter in den
mannigfachsten Beziehungen zu verehren und ihr die reich-
sten Attribute beizulegen. Jeder Stand, jede Zunft zieht
mit besonderen Emblemen und Sinnsprüchen auf. Eine eigen-
thümliche Erscheinung dabei ist der „marianische Liebhaber'^,
ein Jüngling, der sich dem Dienst Maria's ausschliesslich
gewidmet hat und in der köstlichsten Kleidung und Aus-
schmückung an der Prozession Theil nimmt , in welchem die
kindliche, volksthümliche Liebe zur heiligsten Mutter sich
personificirt.
An die verschiedenen Frauentage oder Feste Maria's im
Jahr, so wie an die täglichen Andachten und Hören ver-
theilen sich die vornehmsten Erinnerungen an ihr Leben, wie
die wichtigsten symbolischen Züge. Die Sänger der Marien-
lieder haben allezeit mit den Malern gewetteifert , sie zu ver-
herrlichen und den ganzen Reichthum der christlichen Poesie
zu entfalten, der durch die All erseligste bedingt ist.
110 Marien, die drei.
Schliesslich noch das Anagramm ihres Namens:
M — Mater misericordiae.
A — Advocata adßictorum.
R — Ref'uglmn redeuntium.
I — Juventrix indtdgentiae,
A — Amica angelorum.
Der minder erheblichen, zum Theil abgeschmackten
Wort- und Sinnbildspielereien, wie sie einmal im sieben-
zehnten Jahrhundert Mode wurden und daher auch alles
Kindische einer Modesache, unwürdig eines heiligen Gegen-
standes, annahmen, glaube ich hier nicht näher gedenken zu
müssen. Sie verhalten sich wie der modische Putz der Reif-
röcke und gepuderten Frisuren, womit man gleichfalls die
Gnadenmutter ausstatten zu müssen wähnte.
Marien, die drei.
Die drei Marien, die nach Marcus 16, 1. Weihrauch und
Wohlgerüche zum heiligen Grabe bringen, sind Maria Mag-
dalena; Maria, Schwester der heiligen Jungfrau und Gattin
des Kleophas ; Maria Salome , Mutter der Apostel Jakob und
Johannes. Vgl. Didron^ memoires II. 113. Sehr oft bildlich
dargestellt , am schönsten an dem heiligen Grab in Reutlingen,
abgebildet in den Jahrbüchern des Württemb. Alterthums-
vereins 1847. Hier stehen die drei Marien in wunderbarer
Schönheit und Heiligkeit über dem Grabe , neben ihnen aber
Johannes der Evangelist. Vgl. auch Görres, Meisterlieder S. 317.
St. Martin,
der berühmteste Heilige in Frankreich, war ein heidnischer
Krieger, als ihm einmal ein armer Bettler ohne Kleid im
harten Winter begegnete. Sogleich schnitt er seinen Mantel
mitten entzwei und reichte von seinem Ross herab dem Bettler
die Hälfte. Dieser aber war Christus selbst, oder Christus
erschien ihm doch gleich darauf mit dem halben Mantel an-
gethan in den Wolken und sagte: „Was du dem armen
i
St. Martin. 111
Manne gethan, das hast du mir gethan.^ Da bekehrte sich
Martin zum Christenthum , und wurde ein grosser Heiliger.
Als Bischof von Tours übte er grossen Einfluss auf die Chri-
stianisirung Galliens, bekehrte viele Heiden, zerstörte Tem-
pel etc. Man erzählt viele kleine Wunder von ihm. Einmal,
als er Messe las, schv^ebte die Hostie auf und glänzte über
seinem Haupt, wie eine Sonne. Einen Aussätzigen heilte er
durch einen Kuss. Ein Hase flüchtete zu ihm vor den Hunden.
Als er einen heiligen Baum der Heiden fällen Hess, stellte
er sich auf die Seite, wo der Baum hinfallen sollte, machte
aber nur das Kreuz und der Baum fiel auf die andere Seite.
Als er, von einem Heiden verwundet, ganz allein liegen
blieb, pflegte ihn ein Engel. Der Teufel erschien ihm in
Gestalt des Jupiter, der Venus und anderer Götter und
Göttinnen , ja endlich in der Gestalt Jesu selbst , entfloh aber,
als Martinus, den Betrug merkend, die Wundenmale suchte.
Als er vor Valentinian erschien, glaubte dieser als Kaiser
wohl sitzen bleiben zu dürfen, aber auf einmal wurde ihm
der Stuhl glühend heiss und geschwind stand er auf. Einst
sah er Christen beten am Grabe eines vorgeblichen Heiligen ;
aber auch hier bewährte sich sein Scharfblick: er zwang
die Seele des hier Begrabenen, sich zu stellen, und sie ge-
stand, einem Strassenräuber und nicht einem Heiligen ange-
hört zu haben. Als er starb, hörte sein Freund Bischof
Severin in Köln aus weiter Ferne mit seinen Mönchen den
Gesang der Engel. Wo die Leiche des Heiligen durch's Land
geführt wurde, grünte und blühte Alles, wie im Frühling,
obgleich er am 11. November starb.
Unter den Reliquien des Heiligen genoss die höchsten
Ehren sein gallischer Rock mit Kaputze (cappa). Dieses Kleid
wurde an seinem Fest in Prozession herumgetragen und die
Träger hiessen capellani, der Ort, wo es aufbewahrt wurde,
capeUa, Davon gingen die Namen Capeliane und Capelle auch
auf andere Kirchen und Heiligthümer über. Die merovingischen
Könige trugen die Cappa in Schlachten, um den Sieg zu erringen.
Vgl. Legenda aurea, ed. Graesse p. 759. Du Cange, glossar, U. 211.
11^ St. Mairtin.
Das Ansehen dieses Heiligen war so gross, dass ihm
allein unter denen , die nicht martyres, sondern nur confessores
waren, eine Octave oder Festwoche gewidmet wurde. Durandi^
rat. offic. VII. 37. Dieses Ansehen erklärt sich hinreichend
aus dem wichtigen Einfluss, den er auf die Bekehrung Gal-
liens und auf die Consolidirung der Kirche in Frankreich
übte, wie denn auch die Hauptzüge in seiner eben mitge-
theilten Legende die Hauptgegensätze des Christenthums und
Heidenthums, der Kirche und des weltlichen Kaiserthums,
der guten Werke und des menschlichen Elends, der wahren
Heiligkeit und der Scheinheiligkeit betreffen, so dass Martin
recht im Centro der kirchlichen Idee und des kirchlichen
Lebens steht.
Sankt Martins Sommer nennt man in England einen
schönen Spätherbst. Shakespeare, Heinrich VI. erster Theil,
Act I, Scene 2. Le mal de St Martin ist die Trunkenheit,
weil man im Spätherbst den neuen W^ein trinkt. Leroux,
dict. comique s. v. Uebrigens unterscheidet man den Todestag
des Heiligen, 11. November, als Martinus frigidus vom 4. Juli,
seiner Ordination und Kirchweihe , der Martinus calidus heisst.
Otte, Kunstarchäol. S. 136.
Es ist indess kein Zweifel, dass von Seiten der Neube-
kehrten viel Heidnisches in seinen Cultus aufgenommen wurde.
Sein Fest im Spätherbst fällt mit einem altern grossen Jahres-
fest der Heiden zusammen, an welchem der Abschied der
guten Jahreszeit und der Beginn des V^inters gefeiert wurde.
In der griechischen Kirche beginnt von Martini an ein vierzig-
tägiges Fasten. Das Volk pflegt daher an diesem Tage noch
einmal sich recht voll zu essen und zu trinken. In der
abendländischen Kirche wurde nun zwar dieses Fasten auf-
gehoben, aber die Völlerei nichts desto weniger am Martins-
tage beibehalten, wahrscheinlich in Folge einer altern heid-
nischen Gewohnheit, an diesem Tage zu schwelgen. Vgl.
Strauss, Kirchenjahr S. 30. 377. Alt, christl. Cultus S. 527.
Insbesondere ass man und isst man noch am Martinsabend
die Martinsgänse (wie denn die Gänse um diese Zeit am
St. Martin. 118
wohlschmeckendsten sind). Die noch im Volk, sonderlich bei
den Kindern üblichen Martinslieder wurden von Armen ge-
sungen, die vor den Thüren der Kirchen um Speise und
Trank baten, um das Fest mitfeiern zu können. In Nord-
deutschland bäckt man an diesem Tage die sogenannten
Martinshörner, ein Gebäck in Hornform, was man auf die
Trinkhörn er des altdeutschen Donnergottes bezogen hat, die
auf heidnischen Runenkalendern den Martinstag bezeichnen.
Nach der nordischen Olaf Tryggvasons Saga 24. gebot König
Olaf bei einem grossen Heidenfeste, den Becher nicht mehr
zu Ehren des Gottes Thor, sondern des heiligen Martin zu
leeren. Ich glaube hier das Heidnische in der Martinsfeier
nicht weiter verfolgen zu sollen, und verweise auf Marks
Geschichte des Martinsabends und Simrocks Martinslieder.
Martinus wird als Bischof gemalt oder als Ritter auf
weissem Rosse mit dem Mantel. Auch erkennt man ihn an
der mit Sonnenstrahlen über seinem Haupte schwebenden
^ostie, die wohl nicht blos aus einem Vorfall in seiner Le-
gende zu erklären ist, sondern seine grosse Bedeutung für
die Kirche überhaupt andeuten soll, mahnend an die über
Christo bei der Taufe schwebende Taube und an die Worte:
„Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.''
Ein seltsames Bild in der Kathedrale zu Chartres stellt den
Heiligen nackt mit der Bischofsmütze und gefalteten Händen
in einer grossen Glorie dar. Didron, icon. p. 128. Das be-
deutet aber nur seine Seele, denn Seelen wurden immer als
nackte kleine Kinder dargestellt.
Nach der Legende ist einmal der Teufel dem heiligen
Martin erschienen und hat die Gestalt des Heilands selber
angenommen, um ihn desto gewisser zu täuschen und irre
zu führen ; aber Martin erkannte sogleich an der Ueberladung
mit königlichem Purpur in des falschen Heilands Gewandung
und an der gravitätischen Majestät desselben, wen er vor
sich habe , und bannte ihn von dannen. Judas von P. Abra-
ham IV. 395.
Menzel, christl. Symbolik. II. 3
114 St. Matthäus.
St. Matthäus,
der Evangelist, war ursprünglich ein Zöllner, bis der Herr
ihm zurief: „Folge mir!" Er gehört also der moralisch nie-
drigsten Schicht der Gesellschaft an, er repräsentirt die ganze
Menschheit überhaupt, die durch den Messias aus ihrer Nie-
drigkeit erhoben werden sollte, sofern sie ihm zu folgen
bereit und willig war. Daher ist des Matthäus Gepräge auf
Kirchenbildern ein einfaches. Er sieht nicht stolz, nicht
majestätisch, aber treu, verständig, ehrlich aus. Sein Attribut
ist ein geflügelter Mensch, zum Unterschied von dem geflü-
gelten Löwen, Ochsen und Adler der drei andern Evangelisten.
Vgl. den Artikel Cherubim und Evangelisten. Das Attribut des
Menschen kommt ihm zu, weil sein Evangelium mit der Stamm-
tafel Christi beginnt; im mystischen Sinne aber um so mehr,
als er selbst die für das Christenthum empfängliche, durch
dasselbe erhobene und geläuterte gemeine Menschheit personi-
ficirt. Ein zu Kentheim befindliches Bild gibt dem geflügelten
Menschen neben dem Evangelisten sieben Augen, was nicht
im ursprünglichen Begriff liegt, sondern von der Engelnatur
der Cherubim entlehnt ist. Vgl. Kunstblatt 1840, S. 402.
In der Apostelgeschichte des Abdias ist ausführlich von
des Matthäus Schicksalen nach Jesu Tode gehandelt. Er ging
zu den Parthern und verrichtete viele Wunder und Bekeh-
rungen, überwand die Magier etc. Einst schickte man zwei
Drachen wider ihn aus , die aber zu seinen Füssen einschliefen.
Die von ihm bekehrte schöne Prinzessin Iphigenia wurde von
dem grausamen Heidenkönig Hirtacus begehrt. Als sie ihn
verschmähte , Hess er den Heiligen am Altar mit dem Schwert
durchstossen. 21. September. Nach einer andern Nachricht ist
er gesteinigt, nach einer dritten gekreuzigt worden. Hirtacus
wollte darauf auch Iphigeniens Kloster in Brand stecken,
allein das Feuer ergriff seinen eigenen Pallast und er brachte
sich in der Verzweiflung selber um. In altdeutschen Versen hat
die Legende das alte Passional, herausg. von Hahn 1844, S. 295.
Mauer. 115
St. Mathias,
der Apostel , predigte nach Jesu Tode in Galiläa und wurde
von den Juden gesteinigt. 24. Februar. In dem altdeutschen
Passional (herausgegeben von Halm, S. 312) w^ird eine wun-
derliche Legende von Mathias erzählt. Da heisst er Judas,
ist das ausgesetzte Kind des Rüben und der Cyborea, kommt
später in des Pilatus Dienst , wird dessen Liebling , erschlägt
unter einem Apfelbaum seinen Vater, der ihm die Aepfel
nehmen wollte, ohne ihn zu kennen, heirathet sodann seine
eigne Mutter, ohne sie zu kennen, und erfährt jetzt erst,
wie Alles gekommen ist. Da thut er Busse und folgt Christo
nach. Sein Attribut ist ein Stein.
Mauer,
Sinnbild der trennenden Gewalt im Räume, des Schutzes.
Sofern aber das Böse nie zum Schutz gereichen kann, stürzen
die festesten Mauern ein, die es sich aufgerichtet. So die
Mauern von Jericho vom blossen Posaunenschall der Gläu-
bigen. In gleicher Weise stürzen die Kerkermauern, in der
St. Paulus eingeschlossen ist, durch ein Erdbeben ein, oder
werden die , in denen Petrus gefangen sitzt , durch den Engel
geöffnet. Der heilige Germanus stiess zu Bajeux mit dem
blossen Fusse eine dicke Mauer ein, als man die Gefangenen
nicht freigeben wollte, um die er bat. Babolenus, Abt zu
St. Maur de Faussez in Frankreich im 7ten Jahrhundert,
lebte so fromm, dass nach seinem Tode die Mauer, die sich
zwischen seinem Grabe und dem Grabe der Madonna in der
nahen Kirche Unsrer Lieben Frau befand, unmerklich ver-
schwand und sein Grab dicht neben das ihrige rückte. 26. Juni.
Dagegen entstehen auch wieder plötzlich Mauern zum
Schutz der Heiligen. St. Marciana, eine fromme mauritanische
Jungfrau, wurde als Christin verfolgt und sollte von Gla-
diatoren geschändet werden, als sich plötzlich zwischen ihr
8*
116 Maus.
und ihnen eine liohe Mauer aufriclitete. Nachher wurde sie
im Amphitheater den wilden Thieren vorgeworfen , von einem
Stier verschont, aber von einem Leoparden zerrissen. 9. Juni.
Besungen von Bönecke.
Maus,
Attribut der heiligen Gertrud, weil sie die Mäuse, die das
Feld verwüsteten , vertrieben haben soll. Byckel^ hist S. Ger-
trudis 1637. Doch bemerkt Molanus [hist. imag. p. 267.), die
Maus habe in Bezug auf die Heilige auch die Bedeutung des
Teufels. Was sich vom heidnischen Aberglauben an den
Cultus der heiligen Gertrud knüpft, will ich hier übergehen.
Auch der heilige Nicasius wird als Vertreib er der Mäuse
verehrt. Rockenphilosophie 11. 81.
Auch in der christlichen Legende haben die Mäuse zu-
weilen eine gute Bedeutung. So verdankt der berühmte
Wallfahrtsort Andechs seinen Ruhm eigentlich den Mäusen;
denn nachdem die dort aufbewahrten heiligen Reliquien zur
Humienzeit abhanden gekommen waren und nicht mehr ge-
funden werden konnten, zerrten Mäuse das Verzeichniss und
den Nachweis derselben aus ihrer unterirdischen Wohnung
herbei. — Bekanntlich sind auch das Wahrzeichen der Stadt
Lübeck einige Mäuse, die unter dem Tafeltuch des Abend-
mahls hervorsehen.
^ M e e r ,
Sinnbild der irdischen Welt, des niedern Natürlichen, worin
wir versinken und dem ewigen Tode verfallen , wenn uns der
Glaube und Gottes Gnade nicht retten. Dieses Versinken
im Meer traf die ganze sündige Menschheit in der Sündfluth.
Auf diese Symbolik bezieht sich auch das rettende Schiff der
Kirche, nachgebildet der Arche Noä. Desgleichen die herr-
lichen Stellen im Evangelio, die eine, die uns den Heiland
ruhig schlafend im Schiffe zeigt, während die Jünger des
schrecklichen Sturmes auf dem Meere wegen verzagen (Matth.
Meer. 117
8, 23.) ,* die andere , in welcher der Heiland über den See
wandelt und Petrus ihm aus dem Schiff entgegenkommt , aber
plötzlich in Furcht geräth und aus Mangel an Glauben eben
untersinken will, als Christus ihm zuruft: ^^Kleingläubiger !^
und ihn rettet. Matth. 14, 30.
Der Durchgang durch's rothe Meer wurde im christlichen
Sinne als Vorbild der Taufe genommen. Die Wolken- und
Feuersäule wurde dargestellt durch die grosse Osterkerze,
und diese steckte man zur Weihe des Taufwassers in's Wasser.
Rippel, Alterthumb der Cäremonien S. 93. Man dachte beim
rothen Meere auch an die fünf Wunden des Heilands , durch
welche die Menschheit erlöst worden. Fortlage, christliche
Gesänge S. 88. Schon Jesaias 51, 10. bezog den Durchgang
durch das rothe Meer auf den Pilgerweg durch die Trübsal
der Welt zum himmlischen Zion. Daher findet sich dieser
Durchgang häufig auf den altchristlichen Gräbern der Kata-
komben. Aringhi I. 331. Auch neben der Himmelfahrt des
Elias, d' Ägincourt, sculpt 22. — Man darf auch nicht ver-
gessen, dass dem Durchgang Mosis durch das rothe Meer
unmittelbar das herrliche Sieges- und Danklied (2. Mos. 15.)
folgt, welches Vorbild der Psalmen wurde, wie das himm-
lische Hallelujah.
Das rothe Meer soll seinen Namen vom Blut der damals
umgekommenen Aegypter haben. Photius bemerkt (Ausgabe
von 1611, S. 1323), die Farbe komme von den starken
Morgenröthen her. Ehrenberg fand rothe Kryptogamen in
solcher Menge darin , dass das Wasser davon röthlich schien.
Poggendorf, Annalen 1830, Nr. 4, bestätigt durch Mortagne
in Frorieps neuen Notizen 1844, Nr. 702.
Ueber das sogenannte eherne Meer im Tempel zu Jeru-
salem, ein ungeheurer Reinigungskessel für die Priester,
vgl. Bahr, salom. Tempel S. 231. Rupertus Tuit. 293. ver-
gleicht die zwölf Stiere, die es tragen, mit den Aposteln,
und das Meer selbst mit der Taufe.
Die Schiffer auf dem Meere rufen die heilige Jungfrau
als maris Stella um Schutz an, mit Beziehung auf den Morgen-
118 Melchisedek.
Stern, welcher den Tag bringt, und auf den Stern, welcher
den heiligen drei Königen nach Bethlehem leuchtete, die
Geburt dessen verkündend, durch den die Menschheit aus
dem Angstmeer der Welt erlöst werden sollte. Patron der
Schiffer ist auch St. Elmo. Vgl. den Artikel Elmsfeuer.
Hauptsächlich aber der heilige Nicolaus. — Kirchliche Weihen
des Meeres haben den Zweck, dämonische Gefahr, die in
ihm lauert , zu bannen , und es zum Dienst der Gläubigen zu
weihen. Die grosse Wasserweihe der griechischen Kirche in
St. Petersburg bezieht sich auf die Weihung des Elementes
überhaupt. Die an der Küste der Bretagne hat insbesondere
Abwehr der Gefahr für die Schiffer zum Zweck. Vgl. Aus-
land 1845, S. 516. Die ehemalige Vermählung des Dogen von
Venedig mit dem Meer durch einen Ring, womit jährlich die
Herrschaft Venedigs über das Meer erneuert wurde , hat eine
spezielle Beziehung zum heiligen Marcus, als Patron von
Venedig. Sieh Marcus. — Wen es interessirt, zu wissen, dass
die ältesten christlichen Bildwerke zuweilen noch einen antiken
Triton, einen Greis oder eine Nymphe mit der Krone als
Personification des Meeres brauchten, mag sich in Pipers
Myth. n. 97 f. darüber Raths erholen. Mir scheinen solche
gelehrte Notizen für die christliche Idee unfruchtbar.
Melchisedek,
der Priester, welcher nach 1. B. Mos. 14, 18. dem Abraham
nach dessen siegreicher Rückkehr von Damaskus Wein und
Brodt brachte und dafür den Zehnten von ihm empfing. Ein
Vorbild des Opfers im Abendmahl und des Verhältnisses,
in welchem Kirche und Staat zu einander stehen sollen.
Nach dem Hebräerbrief 7, 2 f. ist Melchisedek „ein König
der Gerechtigkeit , ein König zu Salem (worin man das spä-
tere Jerusalem hat erkennen wollen), d. i. ein König des
Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlecht, und
hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens. Er ist
aber vergleichet dem Sohne Gottes und bleibt Priester in
i
Messe. 119
Ewigkeit^. Als ^ewiger Priester^ ist er auch Psalm HO, 4.
bezeichnet. Er ist mithin Vorbild des königlichen Priester-
thums Jesu Christi und der Kirche in jenem höhern geistigen
und idealen Sinne, welcher alle menschlichen Gebrechen und
Zufälligkeiten des Priesterthums , wie es durch Aaron zu-
nächst im jüdischen Sinne vorgebildet war, ausschliesst.
Die muhamedanische Legende macht den Priesterkönig
Melchisedek, welcher mit Abraham verkehrte, zu dem Enkel
Noah's, der die Leiche Adams mit in die Arche genommen
haben soll. In Herbelots orientalischer Bibliothek heisst es
sub voce: Melchisedek habe die Leiche Adams zu Jerusalem
auf dem Berge Golgatha begraben, wo später Christus
gekreuzigt wurde, und habe alsdann als Einsiedler, nur mit
einem Fell bekleidet, in der Wüste gelebt, ohne je Haar
und Nägel zu schneiden, unablässig nur betend für die
Menschen. Das stimmt keineswegs mit dem 1. Buche Mosis
überein, in welchem Melchisedek als König erscheint und
den Abraham gastlich bewirthet. Doch ist die Sache inso-
fern nicht ganz abzuweisen, als sie wenigstens andeutet,
es habe sich auch unter den Heiden, unabhängig von Abra-
ham, noch ein Rest der altpatriarchalischen Frömmigkeit
erhalten, die von Seth durch Henoch auf Noah vererbt
worden war. In Abraham und Melchisedek berührt sich
gleichsam die Frömmigkeit des alten Urvolkes mit der des
neuen ausschliesslich jüdischen Volkes.
Hierax hielt Melchisedek für den heiligen Geist. Die
gnostische Secte der Melchisedekianer hielt ihn für den Ersten
unter den Engeln, in dem Sinne, wie Christus der Erste unter
den Menschen sey, also noch für höher als Christum. Epi-
phanius Panarion 55. Rösler, Bibliothek der Kirchenväter
VL 171 f. Baur, Dreieinigkeit I. 161.
Messe.
Was in der griechischen Kirche die Liturgie, ist in der
römischen die Messe, der eigentliche Gottesdienst, die heilige
120 Messe.
Handlung, das Opfer, zu dem sicli die Predigt nur als Neben-
sache (als Belehrung der Katechumenen) verhält. Man ver-
einigte sich ursprünglich zum Gottesdienst , nicht um zu reden
und Reden zu hören, sondern um zu handeln. Der Zweck
und die Bedeutung dieser Handlung war und ist , dem Herrn
ein grosses Opfer zu bringen, welches Bittopfer und Dank-
opfer zugleich ist, und wobei die Gläubigen an Gottes Altar
in frühern Zeiten nicht blos Opfer für die Kirche niederleg-
ten, sondern sich die ganze Gemeinde, gleichsam die ganze
Menschheit sinnbildlich Gott zum Opfer darbringt in det
Wiederholung des Opfertodes Jesu Christi für die Menschheit.
Das ist die Wandlung des heiligen Leibes und Blutes durch
den Priester.
Der Name Messe ist hergenommen von den Worten Ite,
missa est, mit denen der Priester die Katechumenen und
Büsser, die noch der Vorbereitung zur Haupthandlung hatten
anwohnen dürfen, unmittelbar vor dieser letzteren entliess
und die Kirche zu verlassen nöthigte. Wenn diese Worte
gesprochen waren, endete die missa catechumenorum und be-
gann die missa fidelium, die eigentliche Handlung, zu der
nur die engere Gemeinde, mit Ausschluss der Katechumenen,
Kinder , Excommunicirten etc. , zugelassen wurde. Andere
Ableitungen des Namens, von dem hebräischen missah (tri-
hutum) , von mittere {sc. preces ad Deum) scheinen zu künstlich
zu seyn.
In den ältesten Zeiten, in denen die Christen verfolgt
wurden und ihren Gottesdienst nur geheim feiern konnten,
wurde die Messe bei Nacht gehalten. Dieser Gebrauch hat
sich noch in der Christmesse bis auf die neuere Zeit erhalten,
musste aber des Missbrauchs wegen abgeschafft werden. Die
Frühmessen kamen in Gebrauch wohl nicht blos deshalb,
weil sie nüchtern begangen werden müssen , sondern auch mit
Beziehung auf den morgendlichen Charakter des Christen-
thums überhaupt. Vgl. den Artikel Morgen. Die verschie-
denen Arten der Messe, je nachdem sie für Lebende oder
Todte, mit besonderer Hervorhebung der Bitte oder des
Messe. 121
Dankes, mit grösserem Pomp oder still gelesen wird , ändern
an ihrem Grundwesen und an dem Typischen ihres Cere-
monials lediglich nichts. Bei Todtenmessen wird die Kirche
schwarz verhangen, an Busstagen violett, an Martyrertagen
roth, vom Dreieinigkeitsfest an bis zum Advent in der Hoff-
nung dessen, der da kommen soll, grün, an Festen des
Herrn und Unsrer Lieben Frau weiss. Vgl. Kreuser, das
heilige Messopfer S. 338. Auch das Messgewand des Priesters
ändert gemäss derselben Symbolik seine Farben. Vgl. Strei-
tenberger, die heilige Messe S. 16. Die missa solemnis oder
publica y Hochmesse, steigert sich an hohen Festen zur missa
aureaj wogegen die missa privata oder familiaris sich auf die
einfachsten Formen und Aeusserlichkeiten einschränkt. Bin-
terim, Denkw. IV. 3. 334 f. Immer aber behält die heilige
Handlung denselben Typus und dieselben Hauptbestandtheile.
Die mannigfache Symbolik bei dieser Handlung ist mo-
tivirt durch mehr als eine Rücksicht. Wir unterscheiden:
1) die Wandlung des Brodtes und Weines in Leib und Blut
des Herrn ; 2) die Ceremonien , durch welche das Leiden und
Sterben des Herrn in seinen einzelnen Gliederungen unter
der Messe sinnbildlich dargestellt wird ; 3) die Stellvertretung
der Gemeinde durch den Priester und die beständige Wechsel-
beziehung zwischen beiden während der heiligen Handlung;
4) die Vorsichtsmaassregeln , durch welche die höchste Rein-
heit der Handlung gesichert wird, die Acte der Waschung,
Beichte, Entsündigung , bevor die sterbliche Hand das Un-
sterbliche berühren darf; 5) die Wahrung des Mysteriums
wodurch alle Profanen von dem heiligen Act entfernt werden ;
6) die stete wechselseitige Verschlingung und Durchdringung
von Dank und Bitte, weil die Gemeinde, ihrem heiligen
Stifter und Erlöser gegenüber, zwischen eine Vergangenheit,
die ewigen Dank erheischt, und eine Zukunft, welche den
Bitten der Leidenden und Armen Gewährung verheisst, in
die Gegenwart hingestellt, nie danken kann, ohne zu bitten,
und nie bitten, ohne zugleich zu danken; 7) die besondere
Angelegenheit der Gemeinde oder des Individuums, wofür,
1S3 Messe.
oder das besondere Interesse des Tages, an dem die Messe
gelesen wird.
Wie allen diesen Beziehungen in der Messe Rechnung
getragen wird, wollen wir in einer kurzen Darlegung des
Messritus zeigen. Zunächst muss als Vorbereitung unterschie-
den werden die Katechumenenmesse , dann die Opferhand-
lung selbst.
Der Priester tritt sein heiliges Amt nüchtern an und
kleidet sich in den priesterlichen Ornat, dessen einzelne Be-
standtheile durch ihre symbolische Bedeutung (s. den Artikel
Priester) ihn an die Wichtigkeit seines Amtes mahnen. Das
eigentliche Messgewand (casulä) war ursprünglich so weit,
dass es den Priester von allen Seiten umschloss und gleichsam
seine irdische Katur ganz mit der Weihe seines Amtes zu-
deckte. Vgl. Kreuser, heiliges Messopfer S. 283.
Die heilige Handlung beginnt mit dem Eintritt des Mess-
priesters in die Kirche, wobei er unter Absingung des Liedes,
welches mit dem Wort Asperges anhebt und dem ÖOsten Psalm
(dem Miserere) entnommen ist, sowohl die Gemeinde als den
Altar mit Weihwasser besprengt. Hierauf allgemeine Bekreu-
zigung. Hersagung (früher Absingung) des 42sten Psalms,
worin David dem Herrn dankt auf seiner Flucht, dass er
ihn von den Feinden errettete. Das Confiteor oder die Beichte,
durch die sich Priester und Volk reinigen und zum heiligen
Opfer vorbereiten. Der Priester klopft dabei dreimal auf die
Brust, wie der Zöllner im Evangelium. Hierauf erhebt sich
der Priester zum Altar, küsst denselben und stimmt zuerst
das Kyrie Eleison (Herr, erbarme dich), dann das Gloria in
excelsis (Ehre sey Gott in der Höhe) an. Wieder küsst er
den Altar (wie jedesmal, wenn er sich vom Volk zum Herrn
wendet , und umgekehrt) , und wendet sich zum Volke , gegen
das er die Arme ausbreitet , und spricht : Dominus vohiscum
(der Herr sey mit euch). Hierauf Gebet des Priesters für
Alle, die sogenannte Collecte, wozu die Gemeinde Amen
sagt. Verlesung der Epistel auf der linken oder Epistelseite
des Altars, So lange die Katechumenen anwesend sind, kann
I
<
i
Messe. 128
das Messbuch nur auf der linken Seite, die dem alten Te-
stament und der Vorbereitung überhaupt entspricht, gebraucht
werden. Am Schlüsse der Epistel spricht das Volk das Deo
gratiaS) der Priester betet das Graduale (Stufengesang), zu-
sammengesetzt aus Dankpsalmen ; bei Todtenmessen das Lied
Dies irae. Sodann bittet der Priester Gott, seinen Mund zu
reinigen , wie er ihn einst dem Jesaias mit glühenden Kohlen
gereinigt, und geht auf die rechte Seite des Altars, wohin
der Ministrant das Messbuch gebracht hat (die Evangelien-
seite, entsprechend dem neuen Testament und der Erfüllung).
Die Gemeinde steht auf, er liest das Evangelium, küsst es
und beräuchert es (bei der feierlichen Messe) mit Weihrauch.
Dann werden die Katechumenen entfernt.
Die Haupthandlung oder der zweite Theil der Messe
beginnt mit dem Credo, an welchem Einige die Katechumenen
noch Theil nehmen lassen, das aber wesentlich schon zum
zweiten exclusiven Theil der Messe gehört. Vgl. Kreuser,
heiliges Messopfer S. 231. Dem Glaub ensbekenntniss folgt
die Opferung. Ehemals brachten die Gläubigen Aehren und
Trauben, Oel, Balsam, Weihrauch, Wachs, Blumen etc.
dar, lauter Gegenstände, die man in der Kirche zum Gottes-
dienst, zur Beleuchtung oder zum Schmuck brauchte. Das
Hauptopfer ist aber Brodt und Wein, über welche jetzt der
Priester (bei der feierlichen Messe) das Weihrauchfass schwingt
mit einem Gebet, worin Michael als Engel der Gerechtigkeit
und Stärke angerufen wird. Vgl. über diese Symbolik den
Artikel Michael. Der Weihrauch wird dann auch geschwun-
gen unter der Gemeinde und über den Gräbern der Todten,
wenn sich solche in der Kirche finden. Alle werden in die
Wolke des Heiligthums eingehüllt. Der Priester aber wäscht
seine Hände, um sie zu reinigen, bevor er den heiligen Leib
berührt, nach Psalm 25; fordert sodann zum Gebet auf,
Orate fratres^ singt die Präfation mit dem sursum cor da ^ der
Erhebung der Herzen nach oben, und das dreimal Heilig
(sanctus). Nun endlich die actio selbst oder das secretum
missae, Canon, auch Stillmesse genannt, nämlich die Wandlung
1S4 Messe.
des Brodtes und Weines und deren Erhebung. Sie beginnt
mit dem Gebet für die Obern der Kirche und des Staats,
dann folgt unter dem Sprechen der Einsetzungsworte die
geheimnissvolle Wandlung mit Anbetung und Erhebung des
Heiligthums. Die ganze Gemeinde fällt auf die Kniee. Das
Glöckchen, welches dazu das Zeichen gibt, indem es die
Wandlung anzeigt, war in den ältesten Zeiten noch nicht in
Gebrauch. Nach der Wandlung folgt unmittelbar das Gebet
für die Verstorbenen in jeder Messe, nicht blos in der
Todten-, Seelen- oder Trauermesse; mit Bezug auf Philipper
2, 10: ;,Im Namen Jesu beugen sich die Kniee aller derer,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."
Ferner Gebet für alle Sünder und Vaterunser. Sodann be-
ginnt die Communion. Der Priester küsst die Patena, kniet
vor dem Brodt, hält es über den Kelch, bricht es in drei
Theile, lässt den einen Theil in den Wein fallen, spricht
das agnus Dei, gibt dem Diakon den Friedenskuss , spricht
das domine ^ non sum dignus, worauf wieder das Glöckchen
ertönt , und geniesst das heilige Sakrament. Nach der heiligen
Plandlung reinigt er Mund, Hände und Gefässe, küsst den
Altar und gibt dem Volk den Segen.
In Bippel, Alterthumb der Cäremonien S. 179 f., wird
umständlich dargethan, wie dieselben Handlungen des Prie-
sters, die als Vorbereitung zum heiligsten Werke, als dem
Altar etc. dargebrachte Huldigungen und als Reinigungen zu
betrachten sind, zugleich auch sinnbildlich die Acte des Lei-
dens und Sterbens Jesu wiederholen. „Wann der Priester
zum Altar mit seinem Messdiener gehet , bedeut , wie Christus
mit seinen Jüngern nach dem Oelberg gangen (die Beugung
beim Confiteor das Knieen auf dem Oelberg im Angstschweiss).
Wann der Priester den Altar küsset, bedeut, wie Judas Christo
den Kuss gab. Wann der Priester zu der Epistel gehet, be-
deut, wie Christus zu Annas geführt worden. Wann der
Priester zum Evangelio gehet, bedeut, wie Christus von Pilato
zu Herodo geführt worden. Nachdem der Kelch zugedeckt
wird, bedeut, wie Christus gekrönt worden. Durch das
I
Messe. 125
Händewaschen will Pilatus seine Unschuld erklären. Da der
Priester sich umwendt und oraie fratres sagt, wird Christus
dem Volk gezeigt: ecce homo. Durch die praefatio wird die
Kreuztragung verstanden. Die stille Mess bedeut die grossen
Schmerzen Christi auf dem Calvariberg. Wann der Prie-
ster dreimal das Kreuz über den Kelch macht, bedeut, wie
Christus mit drei Nägeln an das Kreuz geheftet worden.
Wann der Priester die heilige Hostie aufhebt, bedeut, wie
Christus an dem Kreuz ist aufgerichtet worden. Als der
Priester die heilige Hostie bricht, gibt Christus am Kreuz
seinen Geist auf. Das Fallen der Partikel in den Kelch be-
deut, wie die Seele Christi in die Vorhölle fuhr. Das drei-
malig agnus Dei bedeut des Hauptmanns Bekenntnuss. Wann
der Priester communicirt, bedeut, wie Christi Leichnam in
das Grab gelegt wird. Christi Leib wird abgewaschen und
gesalbt, wann der Priester den Kelch trinkt."
In einer Predigt des Bruder Berthold, welche Mone in
seinen Schauspielen des Mittelalters II. 351 f. mittheilt, heisst
es abweichend: Der Introitus bedeutet die alten Weissagungen
von der Zukunft des Herrn; wenn der Priester mitten vor
dem Altar steht, bedeutet es, Christus ist in der Welt ge-
boren; das gloria in excelsis bedeutet die Anbetung vor der
Krippe; die zwei Altarlichter bedeuten den Stern, 1) wie er
den drei Weisen leuchtet, 2) wie er über der Krippe strahlt.
Beim Verlesen des Evangeliums wird vorausgesetzt, Christus
selber spreche, daher legen alle Anwesenden ihre Stäbe,
Mäntel und tlüte ab, d. h. ihren Streit, ihren Besitz und
ihren Stolz, und stehen in Christi Frieden, Armuth und
Demuth. Bei dem „Dreimal Heihg" ist Christi Einzug in
Jerusalem gemeint. Wenn der Priester die Hostie bekreuzigt,
bedeutet es die Nagelung an's Kreuz, wie die Erhebung der
Hostie die Aufrichtung des Kreuzes. Indem der Priester die
Arme weit auseinander breitet, ahmt er Cliristum am Kreuze
nach. Die Worte des Priesters: per omnia secula seculorum
bezeichnen den Tod Christi, die Antwort des Chors: sed
libera nos a mälo den Schrei der Kreatur bei diesem Tode.
126 Messer.
Unter der communio endlich wird die Himmelfahrt verstanden.
In der Hauptsache bleibt auch hier die Messe Sinnbild des
Opfertodes, nur begreift sie nach Bruder Berthold die ganze
Lebensgeschichte Jesu von den Propheten und der Verkün-
digung an bis zur Himmelfahrt, während sie in der Erklärung
von Rippel sich auf die Passion beschränkt.
Messer,
Attribut Abrahams, wegen der Opferung Isaaks. Desgleichen
des Apostels Bartholomäus, weil derselbe lebendig geschun-
den wurde. Auch des Bischofs Albert von Vercelli und des
Mohren Moyses, weil dieselben durch einen Messerstich den
Martyrertod litten.
Metatron,
vom chaldäischen mattra^ Wache, und wohl nicht griechisch
„Mitthronender", gilt im jüdischen Talmud als der vornehmste
der Engel, zur Rechten Gottes, Engel des Angesichts, Fürst
der Welt etc. genannt. Er ersetzt die Stelle des gefallenen
Lucifer. v. Meyer, in den Blättern für höhere Wahrheit
IV. 189, hat sich Mühe gegeben, zu beweisen, dass unter
ihm eigentlich Christus zu verstehen sey, den somit die Ju-
den anbeten, ohne es zu wissen.
Nach jüdischer Vorstellungsweise soll Henoch der Engel
Metatron gewesen seyn, dem Gott das erste Engelamt an-
vertraute, nachdem Lucifer gefallen war, und der unter den
Patriarchen vor Noah Mensch werden musste, um das Urbild,
das durch Adams Sünde verloren ging, in die Menschheit
zurückzuführen. Elias aber soll der zweite unter den Engeln,
Sandalphon, gewesen seyn, den Gott gleichfalls unter die
Menschen schickte, um als Prophet zu wirken. Beer, Ge-
schichte d. Juden U. 98 f.
I
w
Michael. 121
Michael,
derjenige unter den Erzengeln, der das Schwert der All-
macht und Gerechtigkeit Gottes handhabt, der Wächter des
Himmels und Führer der himmlischen Heerschaaren im
Kampfe mit den Teufeln. Bei Daniel 10, 13 und 21; 12, 1.
erscheint er als Schutzengel der Juden. Nach der Epistel
Judä 9. stritt er mit dem Teufel um die Seele des Moses.
Nach der Offenbarung Johannis 12, 7. wird er den Satan
und seine Heerschaaren überwinden. Daselbst 20, 2. führt
ein Engel, der kein Anderer als Michael seyn kann, den
Schlüssel zum Abgrund, und bindet den Satan. Man glaubte
daher auch, er führe den Schlüssel zum Paradiese und sey
der Engel mit dem Flammensch wert , der Adam und Eva
aus dem Paradiese vertrieben. Auf ihn und seine englischen
Ki'iegsschaaren wurden auch die Beschützer des Elisa bezogen,
2. Kön. 6, 17. Ferner der Würgengel in Aegypten und Führer
der Juden durch's rothe Meer. Vgl. Durandi, rationale VH. 12,
und HofPmann, Apokryphen S. 270. Auf die Feuer- und
Wolkensäule, die den Kindern Israel voranzog, bezieht sich
die Erwähnung des Erzengels Michael in dem Gebet, welches
der Messpriester bei der dreimaligen Schwingung des Weih-
rauchgefässes vor dem heiligen Opfer spricht. Kreuser, heil.
Messopfer S. 253. Es ist eine sinnige Mahnung an die Ge-
rechtigkeit und Stärke des Herrn im Hinblick auf das Opfer
am Kreuz.
Die Traditionen der Juden haben den Engel Michael ein-
seitig aufgefasst als den Genius der jüdischen Nation im
Gegensatz zu den Genien aller andern Nationen, von denen
sie behaupten, sie seyen zwar auch einmal Engel gewesen,
aber alle zu Teufeln geworden, und nur der Engel der jü-
dischen Nation sey ein Engel gebheben. Zugleich sey dieser
Engel Michael der erste und höchste unter allen Engeln
überhaupt. Auch nehmen sie einen immerwährenden Kampf
zwischen den Engeln unter Michaels Anführung und dem
128 Michael.
Teufel an, sofern jeder Krieg und Kampf auf Erden nur die
Abspiegelung eines gleichen im Himmel sey. Vgl. über die
Judenfabeln Gfrörer, Jahrhundert des Heils I. 371, und Eisen-
menger, entdecktes Juden thum I. 850.
Natürlich war es, dass die tapfern Deutschen des früheren
Mittelalters den kriegerischen Erzengel zu ihrem Patron mach-
ten und sein Bild mit grossen goldenen Flügeln auf ihren
Fahnen führten. Als Heinrich I. unter diesem Panier den
grossen Sieg über die Ungarn bei Merseburg erfochten, glaub-
ten diese Heiden, der Gott mit den goldenen Flügeln habe
ihm geholfen, und sie machten nun ihren Götzen auch gol-
dene Flügel, dass sie jenem an Macht gleichkämen. —
Auch die Abyssinier haben den heiligen Michael als Sieges-
fürsten zum Patron der Heere gemacht und führen seine
heilige Lade mit sich in den Krieg. Harris, Eeise nach
Schoa H. 181.
Durch drei Erscheinungen des Engels nach Christi Ge-
burt wurde sein Cultus gewissen O ertlichkeiten vermittelt.
Im 5ten Jahrhundert lebte in Apulien am Vorgebirge Gargano
(das von ihm den Namen erhielt) ein gewisser Garganus. Von
seinen auf dem Berge weidenden Ochsen blieb einer zurück.
Die Knechte, die ihn suchten, fanden ihn in einer Höhle;
der Ochs wollte aber nicht heraus, und aus Aerger schoss
einer der Knechte einen Pfeil auf ihn , der aber zurückprallte
und den Schützen selber traf. Staunend berichteten sie das
Geschehene. Dem Garganus aber erschien der Engel Michael
und sagte ihm, innen in der Höhle sey eine Kirche, seinem
und der übrigen Engel Dienste geweiht. Als bald darauf
die Heiden anstürmten , erbebte der Berg wie einst der Sinai,
Blitze schlugen rings aus ihm heraus und die Heiden wurden
vernichtet. Zum Dank zogen die Christen nun in Prozession
auf den Berg und feierten daselbst am 29. September das
erstemal den Gottesdienst zu Ehren der Engel. Es ist der
MichaeHstag und zugleich das Fest aller Engel. Der Berg
ivurde einer der berühmtesten Wallfahrtsorte im Mittelalter,
nächst Jerusalem, Rom und Compostella.
Michael. 129
Die Erscheinung der Engel auf dem Berge Gargano
malte Salimbene in Florenz. — Hymnen auf seine Erschei-
nung und überhauj)t zur Ehre der Engel s. in coeleste pal-
metum S. 221. 495. Zabue^snig I. 87; III. 231. 297. Sie sind
unbedeutend. Merkwürdiger ist das schöne altdeutsche Pil-
gerlied in Uhlands Volksliedern I. 807, das deutsche Wall-
fahrer auf dem weiten Wege nach Gargano sangen.
Zum zweitenmale offenbarte sich der Engel im 8ten Jahr-
hundert auf dem berühmten Berge St. Michel , einer kaum
ersteifflichen Felsenzacke am Meere bei Eouen in der Nor-
mandie, wo man ihm eine Kirche baute, die gleichfalls einer
der berühmtesten Wallfahrtsorte wurde. Hier, glaubten die
Franzosen, halte der Engel Wache für Frankreich gegen die
Engländer. Mesangere^ dictionnaire p. 178. In den Jahi:en
1457 — 1489 zogen aus Deutschland, im Jahr 1642 aus Frank-
reich grosse Schaaren von Knaben nach dem heiligen Berge.
Nur wenige kamen zurück. Man nannte sie Michaelskinder
und glaubte, sie seyen auf dem Berge geblieben und Engel
geworden. Vgl. Seb. Frank, Chronika der Deutschen S. 161.
Pomarius, s'ächs. Chronik S. 513. Gemeiner, Eegensb. Chronik
ni. 302. Schnurrer, Seuchenchronik I. 373.
Zum drittenmal zeigte sich der Engel während einer
grossen Pest in Rom dem Papst Gregor dem Grossen, indem
er sein Schwert in die Scheide steckte, zum Zeichen, dass
die Pest, deren Würgengel er gCAvesen, jetzt enden werde.
Zum Andenken baute der Papst die Engelsbrücke mit der
Engelsburg , auf deren Spitze seitdem ein grosser Engel von
Erz steht, der das Schwert in die Scheide steckt. Vgl. Alfred
Eeumont, röm. Briefe I. 192.
Die Griechen kennen eine Erscheinung des Engels zu
Chonis in Phrygien und Hestia am Pontus. Vgl. Jamin,
Gesch. d. Kirchenfeste S. 332. Im Abendlande, namentlich
auch in Deutschland gibt es noch viel Michelsberge , wo der
Engel verehrt wird. Auf dem Michelsberge im Zabergau
bewahrte man vor der Reformation eine Feder, die dem Engel
im Kampf mit Satan entfallen seyn soll. Zum Engelsberg
Menzel, christl. Symbolik. II. Q
130 Michael.
im Spessart mit einer Michaelskapelle wallfahrtet das Volk
und sieht daselbst Lichter vom Himmel herabsinken und
Engel gehen. Von Herrlein, Sagen des Spessart S. 156.
Als Besieger des Teufels ist Michael unzähligemal gemalt
worden; insgemein wie er ihn mit der Lanze durchstösst,
mit dem Fuss auf ihn tritt oder ihn fesselt und in den Ab-
grund stürzt. Hohen Ruhm gemessen zwei Bilder dieser Art
von Raphael in Paris. Auf dem einen tritt er dem Teufel
auf den Hals, auf dem andern stösst er ihn mit der Lanze
in den Abgrund. Waagen, Paris 435. 437. Kolloff 238. 242.
Der Contrast der hässlichen Leidenschaft in des Teufels, und
der himmlischen Ruhe in Michaels Gesicht ist hier haupt-
sächlich das poetische Motiv. Das erste Bild ist das schönste,
die Bewegung blitzartig und höchst genial. Das zweite hat
phantastisches Beiwerk, eine brennende Stadt, kleine Teufel,
Verdammte, die Prozession der Bleimäntel aus Dante's Hölle.
An einem Michael, der den Drachen stürzt, von Bonifazio
in Venedig, wird die reizende Mischung von Zartheit und
Kraft in seiner Miene gerühmt. Kunstbl. 1835. S. 394. Das
ist's , was man von ihm auch verlangen muss ; denn die Milde,
wir möchten sagen das Kindliche der Engelsnatur muss immer
im Hintergrunde liegen, und darf sich auch in der stärksten
Aeusserung der Kraft und des gerechten Zornes nicht ver-
leugnen. Das Kraftvolle, Martialische herrscht vor in den
grossen Bildern des Engelsturzes von Rubens in München.
Ausserdem findet sich Michael auf allen Darstellungen
des Weltgerichts. S. dieses. Besonders merkwürdig ist sein
Bild im grossen Danziger Weltgericht. Er hält hier eine
grosse Waage, und wägt einen Seligen gegen einen Ver-
dammten ab. In seinen Flügeln sind lauter Pfauenfedern.
Die Beschreibung bei Fiorillo H. 224. Mit goldnem Har-
nisch, Purpurmantel und grünen Flügeln erscheint er auch
höchst phantastisch auf alten Miniaturen. Waagen, Paris 383.
Auf einem alten Bilde in Nördlingen wägt Michael ein
Kind, das tief hinabsinkt, obgleich der Teufel auf der an-
dern Seite einen schweren Mühlstein in die Waagschale legt.
A
Milch. 131
Waagen, Deutschland I. 357. Mit der Waage kommt Mi-
chael auch vor der Agneskirche zu Rom (Beschreibung von
Rom III. 2. 450.) und auf einem Bilde von Lucas Cranach.
Leonardo da Vinci malte Michael wie er vor dem Christ-
kind kniet, das mit der Waagschale des jüngsten Gerichts
spielt. In Paris. Daselbst ist das Christkind auch von Ug-
gione gemalt, wie es mit der Waage spielt, während Michael
vor ihm kniet. Waagen , 454. Sehr modern und unkirchlich
ist ein Bild von Deverier, welches den Erzengel darstellt, wie
er dem Teufel zwei Seelen, die letzteren in Gestalt schöner
junger Mädchen, entführt.
Michael ist Patron der Ejrchhöfe, z. B. des Michaels-
hofes in Strassburg. Er schützt die Seelen unmittelbar nach
dem Tode, wie einst die des Moses. Nach Vincent. Bellov.
spec. hist. IV. 7. 78. brachte er auch die Seele der Maria zum
Himmel. Vgl. Kj-euser, Kirchenbau II. 76.
Milch.
Das Land, wo Milch und Honig fliesst, ist das gelobte
Land Palästina. Jeremias 11 y 5. Nicht blos von seiner
irdischen Fruchtbarkeit so genannt, sondern auch in Bezug
auf das süsse Heil der Seelen, welches von dort kommen
sollte. Milch und Honig als Gaben bei der Taufe bedeuten
das Paradies, welches durch die Taufe verheissen wird. —
Auf vielen Heiligenbildern fliesst aus dem Halse enthaupteter
Märtyrer Milch statt Blut, zum Zeichen ihrer Heiligkeit und
ihres schon auf Erden paradiesischen Wandels. So floss Milch
aus den Wunden der heiligen Martina, Acta SS. I. 13; aus
dem Halse der heiligen Katharina. Didron, man. p. 375.
Die vielen andern Heiligen, von denen das Gleiche gilt,
findet man in den Registern der Acta SS. — Die Frömmig-
keit der Vorzeit fand eine unschuldige Freude daran, lieb-
liche und süsse Dinge in der Natur mit der Milch Unsrer
Lieben Frau zu vergleichen. So den berühmten herrlichen
Wein bei Worms, der noch heute Liebfrauenmilch heisst.
9*
132 Milch.
So mehrere Kräuter, deren grüne Blätter aufFallenderweise
mit weissen Flecken geziert sind, die schöne Mariendistel,
die rings um Rom die Räume zwischen den Ruinen bedeckt.
So auch hoch im skandinavischen Norden Maria ^Breque (po-
lypodium vulgare), von dem das protestantische Volk noch
immer erzählt, die weissen Flecken auf den Blättern kommen
von der Milch der Maria, von der einmal ein Paar Tröpfchen
auf das Kraut gefallen seyen. Magnusen, lex. myth. p. 361.
Desgleichen eine Nessel mit weissen Flecken nach von der
Hagens Germania VII. 429, worunter vielleicht die Marien-
distel verstanden ist.
Patronin der Milch und der Ammen ist die heilige Enora
in der Bretagne, eine Einsiedlerin, die einst einem armen
Weibe Milch für ihr Kind verschaffte. Ihr Gatte steht in
Beziehung zum segensreichen Wasser , wie sie selbst zur
Milch. Sie war nämlich die Tochter des Königs von Irland.
Ihr Bräutigam war der Prinz Efflam, der sie aber aus Frömmig-
keit schon in der Hochzeitnacht verliess. Unterwegs fand er
König Artur mit einem Drachen kämpfen. Da schlug Efflam
dreimal an den Felsen , dass Quellen hervorkamen, mit deren
Wasser er den erschöpften König erquickte, der nun siegte.
Efflam aber ward ein Einsiedler und erschien Enoren, um
sie zu gleicher Busse zu mahnen. Da wurde sie eine Nonne
und Heilige und Schutzpatronin der Ammen, denn milchlose
Frauen erhalten von ihr Milch. Keller, bretagn. Volkslieder
Nr. 51. Elsässer Neujahrsblätter 1845. 148. Uebrigens ^ägt
die Legende der heiligen Tryphäna vom 31. Januar, auch
die Quelle bei Cyzicus am Hellespont, die an der Stelle ent-
sprang, wo die Heilige von einem Stier niedergestossen und
getödtet worden war, soll bei Weibern und weiblichen Thieren,
die von dem Wasser trinken, die Milch vermehren.
Auch St. Comgallus , ein Heiliger des 6ten Jahrhunderts
in Irland, könnte Patron der Milch seyn, weil auf sein Gebet
für den kranken Bischof Finbarrus nicht nur Milch vom
Himmel regnete, sondern weil er auch Milch in einem Ge-
f äss ohne Boden trug. Auch sah man ihn häufig von milch-
I
Mohren. 183
weissen Schwänen umgeben, die zu ihm kamen, um seiner
Andacht beizuwohnen. 10. Mai.
Milchstrasse.
W. Grimm, goldne Schmiede S. XLV, yermuthet mit
Recht, wenn in altdeutschen Marienliedern die heilige Jung-
frau Himmelstrasse und Himmelpfad, auch Gnadenfluth ge-
nannt werde, so sey damit die Milchstrasse am Himmel
gemeint, die nach uraltem Glauben als Weg der Seelen zum
Himmel galt.
Mittag.
In der heissen Mittagstunde beim höchsten Sonnenstande
liegt etwas Unheimliches. Nach 1. Könige 18, 27. glaubte
man zur Heidenzeit, die Götter schlafen um diese Stunde. Vgl.
Theokrit I. 15. und Kallimachos, Bad der Pallas 72. In Ita-
lien werden in der Mittagstunde die sonst immer offenen
Kirchen geschlossen. Blunt, Ursprung der Ceremonieen S. 98.
Aus ähnlichen Gründen glaubt Strauss, Kirchenjahr S. 63,
die Hagelfeier und den Busstag in der heissen Jahreszeit,
gleichsam in der Mittagszeit des Jahres, in der heimlich
lauerndes Verderben droht, erklären zu müssen.
Mörser,
Attribut des heiligen Victorinus, der in einem solchen mit
Kolben zerstossen wurde.
Mohren.
Nach jüdischer Tradition stammen die schwarzen Mohren
oder Neger vom Cham, dem ruchlosen Sohn Noahs, ab, der
zur Strafe nicht blos wiegen des am Vater begangenen Fre-
vels, sondern auch weil er in der Arche die Keuschheit nicht
bewahrte, schwarz wurde und diese Schwärze auf alle seine
184 Monate.
Nachkommen vererbte. Eisenmenger, entdecktes Judenthum
I. 448. Auch wird der von Noah dem Cham auferlegte Fluch,
dass alle seine Nachkommen Knechte werden sollten , auf die
Negersklaverei bezogen. Einige haben auch schon unter dem
Kainszeichen die schwarze Haut verstehen wollen.
Nach christlichem Begriff aber sind alle Menschen, ohne
Unterschied der Nation und Hautfarbe, zum Heil berufen.
Darum gab man den heiligen drei Königen die symbolische
Bedeutung von Vertretern der drei Welttheile und Haupt-
racen, und führte in der Kirchenmalerei den Gebrauch ein,
den dritten und jüngsten König als Mohren zu malen. Auch
zum Apostel Philipp kam ein Mohr, sich von ihm taufen zu
lassen. Als Mohr in ritterlicher Rüstung wird der heilige
Mauritius, desgleichen der heilige Victor gemalt. Die heilige
Einsiedlerin Maria von Aegypten ist gleichfalls schwarz wie eine
Mohrin, aber nur vom Sonnenbrand der Wüste. Unter den
Sibyllen wurde Agrippina schwarz gemalt , aber die Künstler
haben sich immer bestrebt, Geist und hohen Seelenadel in
dieses dunkle Gesicht zu legen.
Monate.
Jeder Monat hat seinen Aposteltag, jeden Monat be-
herrscht ein Apostel. Diese Aposteltage sind: der 10. Ja-
nuar = Paulus ; der 22. Februar = Petrus ; der 24. Februar,
für den März = Mathias; der 1. Mai, für den April — Philip-
pus; der 1. Mai = Jacobus minor; der 11. Juni =: Barnabas;
der 25. Juli = Jacobus major; der 24. August = Bartholo-
mäus; der 21. September == Matthäus; der 28. October — Si-
mon; der 10. November = Andreas; der 29. Dezember =
Thomas. An die Verbindung der Apostel mit den Monaten
knüpft sich Symbolik. Paulus beginnt die Reihe der Monate,
w^il er der erste unter den Aposteln ist; Petrus waltet unter
dem Zeichen des Wassermanns, weil er über das Meer Christo
entgegenging und ein Fischer war, vielleicht auch weil er
Herr der Kirche und aller Getauften ist; auch wird seine
p
I
Mond. tm
Kahlheit auf den Winter bezogen. Vgl. d. Artikel Petrus.
Jacobus major den Juli, weil er als Pilger der nach dem
Solstitio immer tiefer sinkenden Sonne nach Westen folgte;
Bartholomäus, weil das Abziehen seiner Haut dem Abmähen
der Aerndte von den Feldern glich ; Thomas ist als der Zweifler
der letzte. Bei den übrigen ist die Symbolik weniger klar.
Bei den nicht in die Reihe aufgenommenen Aposteln fällt
auf, dass eine nahe liegende Beziehung nicht auf sie An-
wendung gefunden. So steht der 18. October, als der Tag
des Lucas, in keiner Verbindung mit dem Sternbild des Stieres,
obgleich der Ochs des Lucas Attribut ist; eben so wenig der
25. April als Tag des Marcus mit dem Zeichen des Löwen,
obgleich Marcus den Löwen führt. Ueber einige ganz will-
kührliche Deutungen, z. B. in Jul. Schilleri coelum christ. vom
Jahr 1627, kann man Piper, christl. Mythol. 304 f. vergleichen.
Mond.
Von der Schöpfung bis zum Tode Jesu erscheint der
Mond in der Bibel wie in der Tradition ohne alle symbolische
Beziehung. Sonne und Mond verfinstern sich beim Tode Jesu
und werden auf alten Kirchenbildern desfalls personificirt als
Figuren oder Gesichter, welche weinen und sich verhüllen.
Vgl. d. Art. Kreuzigung. In seltnen Fällen ist auch auf
solchen rein christlichen Darstellungen der Mond noch als
die heidnische Göttin Luna gemalt. — Maria steht auf dem
Halbmond, ist von der Sonne umkleidet und mit Sternen
bekränzt. Das bezeichnet sie einfach als Königin des
Himmels.
Settegast malte in einem modernen Bilde die von En-
geln gekrönte Jungfrau auf dem Monde in der Art, dass
alles Licht von ihr ausgeht und den Mond beleuchtet, der
selbst wieder seinen Schimmer auf die unten liegende dunkle
Erde ausgiesst. Darin liegt etwas zu Sentimentales, wenn sich
auch jener milde Schimmer des Mondlichtes als Hoffnungs-
strahl in der Nacht der Sünde rechtfertigen lässt.
186 Mond.
Erst die Manichäer gaben dem Mond eine besondere
Bedeutung, indem sie ihn als das Schiff bezeichneten, in
welches die Seelen der auf Erden Verstorbenen einsteigen
müssen, um in der Sonne abgeladen zu werden. Epipha-
nius, haeret. 66, 9. Baur, Manichäer 296. Die Sichel- oder
volle Form bezeichnete hier die Leere oder Fülle des Schiffes.
Mit dem Schiff der Kirche wurde der Halbmond auch in
sofern verglichen, als er den Abglanz der Sonne Gottes trägt,
auch wenn es in der übrigen Welt Nacht ist.
Die Lunula (der kleine Halbmond) in der Monstranz,
die zum unmittelbaren Träger der Hostie dient, verhält sich
zu dieser Avie der Mond zur Sonne oder auch wie die Mutter
zum Sohne , der aus ihr hervorgeht , also wie Maria zu
Christus.
. Auch Conrad von Megenberg , in seinem Buch der
Natur verglich den Mond ausführlich mit der Maria: den
Vollmond mit ihrer Schwangerschaft; dass er die Strahlen
der Sonne aufnimmt und doch kühlt, mit ihrer Eigenschaft
als Fürbitterin und Besänftigerin ; dass er uns viel näher steht
als die Sonne , mit dem gleichen Näherstehen Mariens etc. —
Eine sehr heilige Bedeutung hat der Mond auch in der be-
rühmten Vision der heiligen Juliana. Sie sah nämlich eine
Lücke im Vollmond und erkannte daran, dass dem Kalender
noch das Fronleichnamsfest fehle. Als Editha mit dem hei-
ligen Adelstan schwanger war, träumte ihr, sie werde einen
Mond gebären. Auch auf die heilige Magdalena wurde der
Mond bezogen. Schon im 13ten Jahrhundert war es Volks-
glaube, die Flecken im Monde s^yen die Thränen dieser
heiligen Büsserin. Berthold, Predigten 145. Das erinnert
einigermassen an die manichäische Vorstellung. Nach einem
andern, bei Dante erwähnten Volksglauben sind die Mond-
flecken durch Kain und den Dornbusch gebildet, den er
auf dem Rücken trägt. Das ist der Gott missfäUige Dorn-
busch, mit dem er sein Opfer anzündete. Zm' Strafe muss
er nun ewig im Monde einsam zubringen. Dante's Hölle
19, 126. Wir halten hier nur die Vorstellung fest, nach
Monstranz. 137
welcher der Mond ein Ort der Busse, ein Aufenthalt der
Verstorbenen seyn soll.
Auch in anderen Beziehungen erscheint der Mond un-
heimlich. Als Beherrscher der Nacht steht er nach uralt
heidnischem Glauben, der im Aberglauben der Christenheit
fortgedauert hat, allem Zauberwesen vor. Der Einfluss des
Mondscheins ist vielen Dingen verderblich, und weil man
ihm heidnischen, dämonischen Zauber zuschreibt, wafFnet man
sich dagegen auch mit kirchlichen Mitteln. Wenn z. B. ein
ungetauftes Kind vom Mond beschienen wird, muss es mond-
süchtig werden; man eilt daher, es zu taufen. Grimm, d.
myth. Aberglauben Nr. 1034.
Dante verglich in seinem grossen Gedicht durchgängig
den Mond mit der Philosophie, welche ewig zwischen der
matten Erkenntniss der göttlichen Geistersonne und immer
wiederholter Verdunkelung schwankt. Doch lässt er einmal
auch die Nonnen, die auf Erden ihr Gelübde nicht erfüllt,
ihre Trostlosigkeit im bleichen Monde verbergen. Vgl. Dante
von Kopisch S. 493.
Monstranz,
von mönstrare, zeigen, vorzeigen. Monstrantia hiessen früher
auch die Reliquien , wenn sie vom Priester dem Volke gezeigt
wurden, nachher ausschliesslich das kostbare Gefäss, in wel-
chem die Hostie getragen und vorgezeigt wird. Dieses Ge-
fäss hatte vor dem 13ten Jahrhundert auch eine andere Form
und hiess feretrum oder ca-psa , ähnlich den Reliquienkästchen
und wohl häufig durchsichtig. Vgl. Binterim, Denkw. VII,
3. 367 f.
Aus dem Kästchen wurde ein dem Kelch entsprechendes
Thürmchen oder Portal. Vgl. Heller, Lucas Cranach S. 334 f.
Die gothischen Monstranzen dieser Art haben mit ihren Fen-
stern etwas Laternenartiges. Im 16ten und ITten Jahrhun-
dert änderten sie sich wieder und boten dem Volk mehr nur
eine breite Front dar, eine runde, sonnenartige Scheibe, wie
138 Morgren. '
noch jetzt. Dieselbe nahm in den spanischen Kirchen eine
colossale Ausdehnung an und ahmte das Sonnenbild in dem
Glanz zahlloser Brillanten nach. So zu Saragossa, im Es-
corial (dessen Monstranz eine halbe Million Werth hat), zu
Toledo. Pauliini, kur. Cabinet S. 25. Gräfin d'Aunoi, Keise
III. 154. Auch zu Lima in Peru. Tschudi, Peru I. 95.
Desgleichen auch einige in Deutschland, zumal in Prag.
Keyssler, Reise S. 1295.
Die Sonnenform entspricht der runden Form der Hostie
und der allsegnenden Geistersonne, die da ist Christus. Doch
kommt auch die Herzform im Centrum, an einer zweiten
Prager Monstranz, vor. Keyssler a. a. O. Die Rundung für
die Hostie wird zuweilen durch einen Kranz bezeichnet, zu-
weilen auch durch die Verzweigungen eines Baumes (Baum
des Lebens), oder durch die Umrankung von Aehren und
Weinreben (Sinnbildern des heihgen Abendmahls). Solche
Aehren von Diamanten und Trauben von Rubinen bewun-
derte man an der Monstranz im Kloster Banz in Franken.
Eine Monstranz ist das Attribut der heiligen Clara, welche
dieselbe auf Bildern in der Hand trägt, weil sie einst den
Sarazenen, Avelche Assisi stürmen wollten, die Monstranz ent-
gegenhielt und sie dadurch vertrieb. Eine Monstranz, aus
der ein Strahl in ihr Herz geht, bezeichnet die heilige Fran-
cisca Romana.
Morgen.
Der Morgen gehört zur Symbolik der Schöpfung, der
Incarnation und der Auferstehung. Es ist die heilige Zeit
des Werdens, des aufgehenden Lichtes und Heiles, des Sieges
über Nacht und Tod. Dem entspricht der Morgengottesdienst
und das kirchliche Morgenlied, die Frühmette (matutina).
Vgl. Binterim, Denkw. IV. 1. 357. Das schönste Morgenlied
ist der 108te Psalm, sodann der herrliche Hymnus des Pru-
dentius. Fabricii thes. I. 41. 785. Dem Morgen selber dient
zum bildlichen Symbol der Hahn, der ihn durch seinen Ruf
verkündet, und der Morgenstern.
Morgenröthe. 139
Das Christenthum hat einen morgendlichen Charakter
im Gegensatz gegen den abendlichen des Judenthums. Der
Christ feiert den Sonntag , den ersten Schöpfungsmorgen, die
Juden dagegen den letzten, Ruhetag nach vollendeter Schö-
pfung. Ueberall ist das Christenthum Aufgang, Hereinbrechen
des Lichts, Werden und Blühen. Daher die christhchen Haupt-
feste, Weihnachten, Ostern und Pfingsten, alle auf Geburt,
Auferstehung, Emanation hinweisen. Daher auch der ge-
wöhnliche Gottesdienst vorzugsweise Morgengottesdienst ist.
Morgenröthe,
Sinnbild des heiligen Blutes Christi, durch dessen Vergies-
sung die alte Nacht des Heidenthums überwunden und der
Morgen des ewigen Heiles heraufgeführt wurde. Aus diesem
Grunde erscheint auf Bildern der Auferstehung aus dem Grabe
Christus immer in einem rosenfarbnen oder morgenrothen
Gewände. Vgl. Kunstblatt 1823. S. 54. Eine Vision der
heiligen Hildegard von Bingen in ihren Scivias zeigte ihr in
der über die umnachtete Erde gegossenen Morgenröthe das
Blut des Heilandes , ohne das kein Licht in der Welt wäre.
Die Morgenröthe ist aber auch Sinnbild der heiligen Jung-
frau, weil durch sie die Sonne der Geister, Christus, geboren
wurde. Darum ist auf Kirchenbildern ihr Untergewand ge-
wöhnlich morgenroth , was sie als göttliche Mutter bezeichnet.
Das weisse Kleid bezeichnet sie als Jungfrau, das dunkelblaue
als Wittwe, das purpurne als Königin des Himmels. Als sonne-
gebärende Morgenröthe besang sie Conrad von Würzburg in
seiner goldenen Schmiede, Vers 682. Die erste Anspielung
darauf findet sich aber schon im Hohenliede 6, 9. Im Pader-
borner Liederbuch Nr. 113. wird ihre Vergleichung mit der Mor-
genröthe durch ein ganzes Lied sinnreich durchgeführt. Vgl.
auch die schönen alten Kirchenlieder in Wackernagels Kirchen-
lied Nr. 94. 177. und in Haupts Zeitschrift VHI. 280. Unter
Menestriers Symbolen findet sich S. 238 f. die Morgenröthe
mit den Sinnsprüchen: non sine sole — pario^ qui me parit.
140 Morgrenstern.
Vgl. auch PicinelUj mundus Symbol, p. 8. — Bei Jesaias 58, 8.
wird die Morgenröthe mit der Besserung und Erhöhung durch
gute Werke vergHchen.
Morgenstern,
Sinnbild des Heilands , der in die umnachtete Welt den Tag
bringt, jjch bin der Morgenstern," spricht Christus. OfFenb.
Joh. 22, 16. Sofern die Alten sowohl den Abend-, als Mor-
genstern Lucifer (Lichtbringer) nannten, unterscheidet schon
die alte Hymne des Hilarius aus dem 4ten Jahrhundert Chri-
stum als den Morgenstern und wahren Lichtbringer [verus
Lucifer) vom gefallenen Engel Lucifer, der als Abendstern
die Nacht der Sünde und des Todes hereinführt. Königsfeld,
lat. Hymnen S. 2. Indess ist die üblichere Symbolik, Christum
mit der Sonne und dagegen seine Mutter mit dem Morgen-
stern zu vergleichen, weil dieser Stern die nahe Ankunft der
Sonne verkündet. So in der berühmten Hymne : Ave maris
stell üj dei mater alma, atque semper virgo, felix coeli
porta; solve vincla reis, profer lumen coecis etc. Ferner
in der Hymne: Salve mundl domina, coelorum regina, salve
virgo virginum^ Stella matutina etc. Auch in der: Stella
coeli, exstirpavit etc. Am bezeichnendsten aber ist die Hymne
auf die heiligen Eltern der Madonna : 0 hina conjugalis, worin
es heisst:
Tandern screniori
Lux vecta Phosphoro
Explevit ampliori
Utrumqne gaudin :
Concepit Anna prolem
Stupente conjuge.
Cum vidit axe solem
Plaudente siirgere.
Vgl. auch Wackernagel, KirchenUed Nr. 123. Paderborner
Liederbuch Nr. 93.
Der über dem stürmischen Meer aufgehende Morgenstern
(maris Stella) bezeichnet insbesondere die heilige Jungfrau als
Moses. 141
den HofFnungsstern der mit den Wellen kämpfenden ScliifFer,
und niclit blos der wirklichen Seefahrer, sondern auch aller
derer, die im Sturm des Lebens den himmlischen Hafen der
Kühe ersehnen. Das ist am schönsten ausgedrückt in dem
alten Hymnus :
0 Stella' perftilgida.
Tu dira certamina
Matris hiijus reprime.
Simonis navicula ,
Filii tunicula ,
Ne scindantur , prohibe.
Portus navigantium ,
Preces svpplicantium
Filioritm recipe.
In der goldnen Schmiede des Conrad von Würzburg,
Vers 139 f., heisst es, die heilige Jungfrau leuchte als Mor-
genstern denen, die auf dem wilden Lebensmeer der grund-
losen Welt schweben und schütze sie vor dem Magnetberg
der Sünde und vor den Lockungen der Sirenen. — 2. Petri
1, 19. heisst es: ,;Der Morgenstern soll aufgehen in euren
Herzen."
Moses
bezeichnet die geistige und ideale Seite des Judenthums, wie
Abraham die leibliche; daher vorzugsweise in ihm die pro-
phetische Mission des Judenthums sich ausspricht als Vor-
bereitung zum Christenthum , des alten Testamentes als Knos-
penhülle des neuen. Vermöge eines uralten Herkommens wird
Moses auch in Bildwerken als ein idealisirter Abraham auf-
gefasst, ein starker, grosser Mann, athletisch und mit mäch-
tigem Barte wie jener, aber von viel mehr Feuer und Geist,
von viel mehr Hoheit. Lisbesondere ist er durch den sitt-
lichen Zorn ausgezeichnet, der aus seinen Augen blitzt. Es
ist etwas Bewegtes, höchst Energisches und wie Flammendes
an ihm. So fasste ihn Michel Angelo auf in der berühmten
Kolossalstatue in S. Pietro in vinculis zu Eom. Beschrei-
14S Moses.
bung von Rom III. 2. 234. Wessenberg, christl. Bilder II. 529.
Der Letztere sieht mit Recht darin das Urbild eines Prophe-
ten überhaupt. Auf Bildern werden öfters, zumal in alten
Kirchenbildern, die Lichtstrahlen (2. Mos. 34, 30. 2. Könige
3, 7.) in Mosis Augen sichtbar ausgedrückt und als Hörner
aufgerichtet. Auf jüngeren Bildern kommen auch förmliche
Thierhörner statt derselben vor. Auf sehr alten Bildern er-
scheint Moses noch unbärtig. Waagen, Paris 229.
Attribute des Moses sind, ausser jenen Augenstrahlen
oder Hörnern, die beiden steinernen Tafeln des Gesetzes. Vgl.
den Artikel Tafel; ferner der Stab. Auf den alten Kata-
kombenbildern ist er immer durch diesen Stab bezeichnet, mit
dem er die Quelle aus dem Felsen schlägt. Zuweilen kenn-
zeichnet ihn auch die Schlange. Neuere Ausleger haben seinen
Schlangenstab mit dem des Aesculap oder gar seine Schlange
und die grosse Traube des Kaleb mit Attributen des Dionysos
verglichen, was völlig unvernünftig ist, da dem griechischen
Heidenthum nichts so scharf und schroff verschieden gegen-
übersteht, als gerade Moses und Mosaismus. — Dass übri-
gens auch schon in sehr früher Zeit die Combinationslust
Unziemliches gewagt, geht aus einem Miniaturbild der Her-
rad von Landsberg in Strassburg hervor, auf dem ein Leib
mit zwei Köpfen, dem des Moses und Christus, die bei-
den Testamente oder die ganze heilige Schrift versinnbild-
lichen soll.
Moses ist allerdings eine Personification des alten Testa-
mentes, wie Christus die des neuen, daher man beide zuweilen
in diesem Sinne neben einandergestellt findet. Moses bezeich-
net aber nur die ideale Seite des alten Judenthums. Er steht
nicht wie Abraham, der Urpatriarch, mitten in seinem Volk,
sondern als der Urprophet gegenüber und über diesem Volk
als Träger einer höheren Mission. Er, das ihm von Gott auf
dem Sinai überantwortete Gesetz, sein Geist und Wirken,
der Mosaismus war es, der nicht als das Judenthum an sich,
sondern als die demselben von oben eingeprägte höhere Signa-
tur dem Christenthum zur welthistorischen Vorbereitung diente.
Moses. 143
Auf diese Weise wurde das alte Testament in tausend-
fachen Zügen eine Prophezeihung und ein Vorbild des neuen,
und Moses selbst ein Vorbild Christi. Moses fand sein Volk
in tiefer Sklaverei unter fremder Herrschaft, eben so Christus.
Pharao Hess bei Mosis Geburt die jüdischen Knaben um-
bringen, eben so Herodes bei Christi Geburt. Moses bereitete
sich zu seiner Sendung als Flüchtling vor, eben so Christus
in der Wüste. Im feurigen Busch offenbarte sich Gott zuerst-
dem Moses, eben so in der unbefleckten Empfängniss, deren
Symbol jener Busch geworden ist. Mit der Kraft Gottes
überwand Moses die ägyptischen Zauberer, eben so Christus
die Schriftgelehrten und Pharisäer. Die Plagen Aegyptens
waren Vorbilder der letzten Plagen vor dem Weltgericht, wie
die Offenbarung Johannis sie beschreibt. Der Auszug der
Kinder Israel aus Aegypten ist das Vorbild aller christlichen
Pilgerschaft auf Erden. Der Durchgang durch's rothe Meer
war ein Vorbild der Taufe wie der Auferstehung. Der Unter-
gang Pharao's und seiner Schaaren ein Vorbild der Ver-
dammniss. Die eherne Schlange, die Moses aufrichtete, ein
Vorbild des Ej:euzes. Die Quelle, die er aus dem Felsen
schlug, ein Vorbild des heiligen Blutes Christi, am Kreuz
vergossen zur Erlösung der Menschen. Das vom Himmel
gefallene Manna ein Vorbild des Brodtes im heiligen Abend-
mahl. Der blühende Stab Aarons ein Vorbild des blühenden
Stabes Josephs. Die Verklärung Mosis auf dem Sinai das
Vorbild der Transfiguration. Alle diese Bilder aus dem alten
Testament werden daher sehr oft in unmittelbare Verbindung
gebracht mit den ihnen entsprechenden Bildern aus dem neuen
Testament und gewöhnlich in kleinerem Maassstab derselben
zur andächtigen und sinnigen Vergleichung beigesellt. Dies
geschieht in der griechischen Kirche noch regelmässiger und
in noch bestimmteren hergebrachten Typen , von denen nicht
abgewichen werden darf, als in der römischen.
Ueberhaupt kommen Bilder aus dem alten Testament in
der griechischen Kirche öfter vor, als in der römischen,
weil die erstere den Patriarchen und Propheten gleichen Rang
144 "^ Moses.
zuerkennt mit den christlichen HeiHgen und sie daher auch
als Altarbilder gebraucht mit Vorsetzung des Sanctus. So
findet man in griechischen Kirchen häufig den heiligen Moses
als Altarbild. In früheren Jahrhunderten des Mittelalters war
dies auch in Frankreich der Fall. Vgl. Didron^ annales
III. 108.
Auf dem Sinai haben sich noch Erinnerungen an Moses
lebendig erhalten. So sollen die Mönche im Kloster am Sinai
noch ein geheimnissvolles Buch besitzen, das Moses zurück-
gelassen, von dessen Auf- und Zuschlagen der Regen in der
Gegend abhängen soll. Von gewissen Detonationen des Win-
des glaubt man, es sey Mosis Geist, der, vom Sinai hinab-
steigend, über Meer fliege und den geliebten Bergen sein
Lebewohl sage. Ritter, Erdkunde XIV. 238. Man zeigt an
einem Felsen noch den Abdruck von Mosis Rücken. Hier
ging der Herr an ihm vorüber, er bückte sich und stiess,
als er sich wieder erhob , an den Felsen an. Das. 582. Auch
des Mosis Quelle ist noch zu sehen, ein weisser Feldspath-
gang, der den rothen Granit durchsetzt. Das. 601. Alle
Stellen, wo Moses gewandelt, sind heute noch im Orient den
Christen, Juden und Muhamedanern heilig.
Die jüdische Tradition nennt des Moses Vater Amram,
seine Mutter Jochebeth. Die Muhamedaner haben die Fabel
noch weiter ausgesponnen. Da ist schon die Zeugung des
Moses von Wundern begleitet. Dem Pharao wird geweissagt,
ein in einer gewissen Nacht gezeugtes Judenkind werde ihm
zum Verderben gereichen. Nun lässt er desselben Tages alle
Juden zu einem Feste zusammenkommen, damit sie von ihren
Weibern getrennt sind. Nur Amram, sein treuer Thürhüter,
bleibt im Pallast und zu ihm kommt seine Frau. Im Augen-
blick, in welchem Moses gezeugt wird, erscheint ein strah-
lender Stern am Himmel, Israels Rettungsstern. Pharao
wüthet vergebens. Noch hoift er, das gefährliche Kind, so-
bald es geboren, zu verderben, und befiehlt, zur bestimmten
Zeit alle Judenknaben umzubringen. Die Schergen dringen
in Amrams Haus. Da wirft die Schwester des neugebornen
Moses. 145
Moses diesen in der Angst in's Feuer des Heerdes. Als die
Mutter kommt, liegt das Kind lächelnd da und spielt mit
den Flammen. Nun die Aussetzungs- und Findungsscenen.
Die Tochter Pharao's behält das Kind im Pallast, und der
alte Pharao selber hat seine Freude daran, der kleine Moses
sitzt oft auf seinem Schooss , zaust ihn aber beim Barte und
stösst ihm die Krone vom Haupte, v. Hammer, Rosenöl
I. 78 f. Weil, bibl. Legenden S. 126 f. Ein Bild, wie Moses
Pharao's Krone mit Füssen tritt, von Nik. Poissin in England.
Waagen, England I. 505.
In diesem Gegensatz des Moses gegen das heidnische
Königthum liegt ein Gedanke, der für die ganze Welt-
geschichte von hoher Bedeutung ist. Im Uebrigen ist die
jüdische und muhamedanische Legende in Bezug auf Moses
in so alberne Ausschweifungen und Ueb er treibungen gera-
then, dass man vom christlichen Standpunkt ganz davon ab-
sehen darf.
Der Gegensatz des von Moses verkündeten Gottesreiches
(Theokratie) gegen das heidnische Königthum spricht sich
hauptsächlich und durchgängig im Gesetz Mosis und in der
Einsetzung des Priesterthums aus. Alles im Gesetz und
Cultus der mosaischen Juden ist auf Gottesfurcht gebaut. Ein
so tiefer Ernst in der Nähe Gottes, ja beim blossen Gedanken
an Gott war keinem andern Volk des Alterthums eieren, in
deren Dogmen und Culten vielmehr immer etwas Spielerei
sich einmischt. Die Gottesfurcht aber war schon alt unter den
Juden, schon von Abraham her dem Volk tief eingeprägt. Aber
das Gesetz vom Sinai, die theokratische Verfassung des Volkes
Gottes und der von Moses gegründete Priesterstand waren
etwas Neues. Sie sollten die Zukunft verbürgen; die alleinherr-
schende Priesterschaft sollte das Aufkommen weltlicher Kö-
nige verhüten. Niemand als Jehovah im Himmel sollte König
seines auserwählten Volkes seyn. Das ist der Grundgedanke
der mosaischen Gesetzgebung, und einer der tiefsten Ge-
danken, die je geschöpft wurden. — Moses war ein Prophet,
unmittelbar von Gott erweckt; aber solche Erweckungen waren
Menzel, christl. Symbolik. II. ^Q
146 * Moses.
etwas Seltenes, seit Abraham, Jakob, Joseph war keiner
mehr von Jehovah der Ansprache gewürdigt worden. Zudem
war inzwischen das Volk viel grösser geworden. Ein erb-
licher Priesterstand schien also die heiligen Traditionen am
sichersten bewahren und das Volk leiten zu können. Was
der Prophet nur einmal in Zeiten der Krise auf ungewöhn-
liche Weise leisten konnte, sollte der Priester nun zu allen
Zeiten und gewöhnlich leisten. Wie aber dem Propheten
der Geist Gottes allein genügte, so musste dem Priester
das geschriebene Gesetz zur Richtschnur und WaiFe gegeben
werden.
Im mosaischen Gesetz offenbart sich vorherrschend die
Gerechtigkeit für das Zeitliche, während in dem christlichen
Evangelium die Liebe zum Ewigen führt. Jenes Gesetz ist
das harte, stachlige Kelchblatt, aus dem die zarte Blume des
Chris tenthums hervorbrechen sollte.
In dem mosaischen Gesetz kommen eine Menge Bestim-
mungen vor, die uns Christen jetzt zu hart scheinen, die
gleichwohl damals nöthig waren. Das Christenthum hat die
Offensive ergriffen, um alle Völker der Erde in sich zu ver-
einigen. Das Judenthum hatte in ängstlicher Defensive sein
heiligeres und reineres Princip zu schirmen, um nicht im
Heidenthum unterzugehen. Daher die vielen Absonderungs-
und Reinigungsgesetze, die darauf berechnet waren, das Volk
vor jeder Berührung mit den Heiden, ihrem Cultus und ihren
Sitten zu hüten. Viele andere Gesetze Mosis erscheinen uns
fremdartig oder unnütz , während sie für das südliche Klima
wohlberechnet waren und zum Schutz der Gesundheit dienen
sollten. Das Princip ihres Criminalcodex : „Aug um Aug,
Zahn um Zahn," erscheint uns freilich hart, allein ehe mit
Christo die Liebe in die Welt kam, musste die Gerechtigkeit
dem Uebel steuern. Rauhere Zeiten und Gemüther verlangten
rauhere Gesetze. Doch fehlt dieser Rauhigkeit auch ein mil-
der Gegensatz nicht. Wenigstens innerhalb des jüdischen
Volkes selbst musste zu gewissen Perioden Alles vergeben
und vergessen seyn. Das Halljahr, oder je das ÖOste Jahr,
i
Mücke. 147
sollte Alles, was verworren war, wieder entwirren, alles Alte
verjüngen, jede Schuld von selber tilgen etc.
Dieses nur für die Juden berechnete Gesetz ist natür-
licherweise von den Christen aufgegeben worden. Die Chri-
sten schienen seiner nicht zu bedürfen , weil für sie eigentlich
jedes Jahr ein Halljahr seyn soll; weil die christUche Ge-
meinde zu jeder Stunde so brüderlich handeln soll, wie
die Juden nur an jenem Halljahr zu handeln verpflichtet
waren, wie der Christ nicht mehr in der Zeitlichkeit, son-
dern schon in der Ewigkeit leben soll.
Mit der periodischen Sühne und Reinigung des Hauses
Israel hängen auch sehr genau die beiden Sühnopfer des
Sündenbocks und der rothen Kuh zusammen. Auf einen
Bock wurden (3. B. Mos. 16.) alle Sünden Israels feierlich,
durch eine allgemeine Nationalbeichte niedergelegt, und der
Bock dann in die Wüste getrieben. So glaubte das Volk
seiner Sünden los zu werden. Dieser Sündenbock ist das
bedeutungsvolle Vor- und zugleich Gegenbild des Lammes
Gottes , das der Welt Sünde trägt. Die rothe Kuh (4. Buch
Mos. 19.) galt ebenfalls als Träger aller Unreinigkeiten in
Israel und wurde geopfert, dass mit ihr alle Unreinigkeit
getilgt werde. Sie scheint das Sinnbild des Götzendienstes
gewesen zu seyn, wie das goldne Kalb.
Mücke.
Dieses kleinste unter den geflügelten Thieren erscheint
in jüdischen Legenden als ein Diener Gottes, von ihm ge-
sandt, um mächtige Weltherrscher zu bestrafen und durch
das Bewusstseyn ihrer Ohnmacht zu beschämen. Eine Mücke
soll dem Nimrod zur Strafe für seinen Königsübermuth, eine
andere dem Titus, zur Strafe für die Zerstörung Jerusalems
in die Nase und von da in's Hirn gekrochen seyn und sie
wahnsinnig gemacht haben. Bochart, hieroz. H. 568. — In
den christlichen Legenden kommen zuweilen Mückenschwärme
im Dienste von Heiligen vor. Das Gebet des heiligen Jacob
10*
148 Mühle.
von Nislbi erweckte einen ungeheuren Mückenschwai^m , der
den Perserkönig Sapor und sein ganzes Heer mit Elephan-
ten und Rossen in die Flucht schlug. Ein ähnlicher Schwärm
kam zu Gerunda in Spanien aus dem Grabe des heiligen
Narcissus, und vertrieb und tödtete die Franzosen, die es
plündern wollten. Nach Mariani rer. hispan. Mückenschwärme
Avölbten sich über der heiligen Rosa von Lima zum Schleier,
der sie vor der Sonne schützte, und sangen mit ihr zum
Lobe Gottes. Görres, Mystik 11. 223.
Mühle,
In altdeutschen Liedern zu Ehren Maria's wird dieselbe
unter andern auch mit einer Müllerin verglichen, die das
Korn Gottes gemahlen hat zum Himmelsbrodte. Mone, An-
zeiger V. 41. W. Grimm, Conrads goldne Schmiede S. XL VI.
Unziemlich sind die mehrfach vorkommenden Bilder einer
Mühle, in die der Heiland oben einsteigt und aus der unten
die Hostie hervorkommt. Die Religionsspötter des vorigen
und jetzigen Jahrhunderts haben solche Abnormitäten benutzt,
um das heilige Sakrament überhaupt zu verhöhnen. — Eine
Mühle ist Attribut des heiligen Kentigern, weil er bewirkte,
dass eine des Sonntags nie in Gang kam, wenn man auch
die Räder dem Stoss des Wassers öffnete. P. Abraham, Judas
in. 156. Es gibt noch mehr Mühlenheilige, St. Gildas, Abt
in der Bretagne, segnete einmal eine Mühle, dass derselben
das Mehl nie ausgehen konnte. 29. Januar. — St. Winoch,
ein alter Mönch, sollte für einen andern die Handmühle
drehen, betete aber nur, und die Mühle ging von selbst.
Erst als der andere Mönch ihn belauschte, stand die Mühle
still. Surius zum 6. November.
Mühlstein,
Attribut derjenigen Heiligen, die mit einem Mühlstein am
Halse in's Wasser geworfen ihr Martyrium erlitten. So der
Mühlstein. 149
heilige Agathopidus, Calixtus, Florianus, Quirinus, Panta-
leon, Theodulus, die heilige Aurea, Theodosia etc. Am be-
rühmtesten ist die heilige Christina, die auch unzähligemal
auf Kirchenbildern mit dem Mühlstein gemalt ist. Sie war
die Tochter eines vornehmen Römers und wurde von ihm
in einem Thurme am Bolsenersee eingesperrt mit zwölf
Mägden und vielen goldnen Götzenbildern. Da sie aber be-
dachte, diese Götzen seyen lebloses Metall, so wandte sie
sich an den unsichtbaren, aber lebendigen Gott des Himmels,
durch unmittelbare Eingabe des heiligen Geistes. Die Mägde
verriethen ihre Andacht und ihr grausamer Vater Hess ihr,
als sie nicht widerrufen wollte, das Fleisch mit Haken aus
dem Leibe reissen. Sie nahm ein Stück ihres Fleisches und
bot es dem Vater mit den Worten dar: „Hier, du Wolf,
verzehre das Fleisch, das du selbst gezeugt hast." Hierauf
wurde sie mit einem Mühlstein in den See versenkt; aber
der Stein schwamm oben, und Christus trat zu ihr und taufte
die auf dem Steine Sitzende mit dem Wasser des See's:
„Du sollst hinfort nach mir Chris tina heissen." Ihren Vater
holte der Teufel. Die Römer steckten sie nun in einen
glühenden Ofen , wo sie aber lieblich sang. Man schnitt ihr
die Zunge aus, aber sie sang fort. Man warf sie in einen
Thurm voll Schlangen, aber die Schlangen neigten sich vor
ihr. Endlich wurde sie mit zwei Pfeilen erlegt. 25. Juli.
Ihr Bett soll die Gabe gehabt haben, jeden Kranken, der
darin schlief, zu heilen, und jeden Heiden zu bekehren. —
Ihre Legende wurde poetisch wiedergegeben in Rousseau's
Legenden S. 43.
Wie sie zum Götzendienst geschleppt wird, malte Paul
Veronese in Venedig. Wie sie den Mühlstein als Attribut
an der Hand hält, malte Schoreel, eines der schönsten und
berühmtesten Bilder der ehemals Boisseree'schen Sammlung:.
Eine Christina (blosse Figur) malte auch Lucas von Leyden
(in der Münchner Pinakothek), Guercino, gest. von Read.
150 Mund.
Mund.
Ein Schwert im Munde Gottes. OfFenb. Joh. 1,16. Goldne
Fäden, aus dem Munde von Betenden zum Himmel aufstei-
gend, bedeuten die Gebete. In Miniaturen, s. Waagen,
Paris 322. Ein Schloss im Munde ist Attribut des heiligen
Raymundus, den die Ungarn auf diese Weise marterten (im
Jahr 1240). Feurige Beredsamkeit bewirkt dem Munde das
Brennen mit glühenden Kohlen durch den Seraph. Jesaias
6, 6. — Auf Bildern des 16ten und Anfang des ITten Jahr-
hunderts kommen oft knieende Frauen vor , denen der Mund
mit einem Tuch verbunden ist. Das sind Bildnisse solcher
Frauen, die schon vor Stiftung des Denkmals gestorben
waren. Ist das Denkmal von einem Herrn errichtet, der
eine erste Frau überlebte und der eine zweite noch lebend
besitzt, so hat jene auf dem Bilde den Mund verbunden,
diese frei.
Mutter.
Wenn die Kirche als Mutter aller Gläubigen aufgefasst
wird, so ist unter der Mütterlichkeit nicht blos die mütter-
liche Liebe und Zucht verstanden, sondern mit Beziehung
auf die Maria auch die Jungfräulichkeit noch innerhalb der
Mütterlichkeit. Denn die Kirche soll den jungfräiilichen Cha-
rakter nie aufgeben.
Im alten Testament wird die mütterliche Sorge um die
Kinder Israel vorzugsweise der Rahel zugewiesen. Vgl. den
Art. Rahel. Sodann ragt die Mutter der Maccabäer durch
ihre Standhaftigkeit hervor, die sich in der christlichen Le-
gende von der heiligen Felicitas mit ihren sieben Söhnen
und von der heiligen Symphorosa, die gleichfalls mit sieben
Söhnen das Martyrium erlitt, abspiegelt.
Von der heiligen FeHcitas, „die standhafte Mutter" von
sieben Söhnen, die alle vor ihren Augen als Christen den
grausamsten Martyrertod erduldeten , während man sie selber
i
\
Mutter. 151
in Oel sott, im Jahr 160, 10. Juli, haben wir eine berühmte
Darstellung von Raphael. Vgl. Wessenberg, christl. Bilder
II. 396. Vasari III. 2. 322. Als geistliches Schauspiel ist
sie behandelt von dem Franzosen Causin und nach ihm von
Andreas Gryphius. — Als sie im Kerker des letzten Kindes
genass und vor Schmerzen schrie, rief man ihr zu: „Wie
wirst du erst unter der Marter schreien!" Aber sie antwor-
tete : „Heute leidet die Natur in mir, morgen aber Christus."
Und so gab sie auch unter der Marter keinen Schmerzens-
laut von sich. Man hat sie die christliche Niobe genannt.
Noch verwandter ist sie der Mutter der Maccabäer. Rous-
seau hat sie in seinen Legenden S. 16. besungen. — Die
heilige Symphorosa wurde zu Tivoli bei Rom unter Hadrian
als Christin ertränkt, und ihre sieben Söhne wurden gespiesst,
der älteste am Halse, der zweite an der Brust, und so fort.
18. Jiüi.
Sophia mit ihren drei Töchtern, Fides, Charitas und
Spes, ist allegorisch die Weisheit als Mutter der Tugenden
Glaube, Liebe, Hoffnung.
n
Nabel.
Der mangelnde Nabel ist auf alten Kirclienbildern das
ausschliessliclie Kennzeichen Adams und Eva's , weil sie allein
geschaffen und nicht wie andere Menschen geboren wurden.
Nachfolge Christi.
Als Jesus dem Knechte des Hauptmanns von Kapernaum
geholfen, heilte er des Petrus Schwieger, Besessene und
allerlei Kranke, und ging dann an den See Genezareth, um
hinüberzufahren. Viel Volk begleitete ihn. Da sprach ein
Schriftgelehrter, durch den Anblick seiner Wunderthaten er-
griffen: „Herr, ich will dir folgen, wo du hingehst!^ Aber
Jesus traute seinem schnellen Eifer keine Ausdauer zu und
sprach: „Die Füchse haben Gruben, die Vögel unter dem
Himmel haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht,
da er das Haupt hinlege." Noch Einer wollte ihm folgen,
aber erst seinen Vater begraben. Da sprach Jesus: „Folge
mir und lass die Todten ihre Todten begraben." Matth.
8, 19 ff. Jener eilende Schriftgelehrte, der mehr will, als
Nacktheit. 15^
er kann, contrastirt mit diesem Zaudernden, der noch etwas
Anderes zu thim hat, wenn er auch sonst den besten Willen
hat. Beide stellen zwei Seiten der christlichen Gemeinde dar.
In dem herrlichen Wort: „Lass die Todten ihre Todten
begraben" liegt aber die edelste Erhebung der Seele über
alle irdische Noth und Sorge, es ist der schlagendste Aus-
druck des himmlischen Heimwehs, der verächtlichste Blick
auf die Kerkerwände dieses Erdenlebens.
Nachtigall.
In einem schönen Hymnus des heiligen Bonaventura (bei
Fortlage S. 250) wird die Seele des Frommen mit ihrer
Sehnsucht nach dem Himmel einer Nachtigall verglichen , die
in der Nacht aus Sehnsucht nach dem Lichte singend stirbt.
— Des frommen Wettgesanges einer Nachtigall mit der hei-
ligen Rosa von Lima gedenkt Görres, Mystik I. 474.
Nachtraben
sollen die irrenden Seelen gestorbener Gotteslästerer seyn,
welche verdammt sind , immer im Fluge ein Kreuz zu machen
und so lange zu fliegen, bis sie am heiligen Grabe in Jeru-
salem Ruhe gefunden. Dänische Volkssagen von Thiele.
Nacktheit
ist in der christlichen Vorstellungs weise keineswegs das Sinn-
bild des Unschuldszustandes , sondern vielmehr der Erbsünde,
der forterbenden Schuld der ersten Menschen im Paradiese.
Daher verlangt die Kirche ein keusches Vermeiden alles
Nackten im Leben wie im Bilde, und bildet somit den
schärfsten Gegensatz gegen das classische Heidenthum. Wo
sie die Nacktheit auf Kirchenbildern duldet , da ist immer die
Sünde nicht weit, z. B. bei Pothifars Weib, Bathseba, Susanna.
Dagegen verlangt der Teufel zu seinem Cultus Nacktheit^
154 Nägel.
z. B. bei den Hexenfahrten und Hexensabbathen. Wenn auch
in den ersten Jahrhunderten der Christenheit Erwachsene nackt
getauft wurden (vgl. Augusti, Denkw. VII. 55.), so geschah
es doch mit grosser Decenz. Auf alten Bildern sieht man
immer nur den Kopf aus einer Kufe hervorragen, die den
Täufling umschliesst. Vgl. Waagen, Paris 208. 215. Noch
viel weniger durften heilige und göttliche Personen nackt
erscheinen. Christus am Kreuz war bekleidet. Viele Legen-
den melden die Wunder, die geschahen, um bei Martyrien
den Anblick des nackten Heiligenleibes zu verhüllen. Die
Heiligen Agnes, Maria von Aegypten etc. deckte ihr Haar;
beim Anblick der nackten heiligen Epistene erblindeten die
53 Zuschauer allzumal. Surius zum 5. November. Vom hei-
ligen Vincent sagt die Legende, er habe sich selbst nie nackt
sehen wollen und sich daher immer nur im Dunkeln aus- und
angekleidet. — Erst in den letzten drei Jahrhunderten ist
mit dem antiken Geschmack auch die Nacktheit in die Kirchen-
bilder gekommen und haben die Maler christliche Kirchen-
wände missbraucht, um einem rein antiken und heidnischen
Bedürfniss nach schönen nackten Gestalten zu genügen, wozu
sie sich nicht etwa nur des Adam und der Eva, der Bath-
seba etc., sondern auch der ehrwürdigsten christlichen Heiligen
bedienten, Vgl. die Artikel Magdalena, Sebastian.
Nägel.
Auf den ältesten Crucifixen sind vier Nägel, je einer in
einer Hand und in einem der neben einander stehenden Füsse
des Heilands eingeschlagen. Auf den spätem nur drei , indem
ein Nagel durch beide übereinandergelegte Füsse geht. Die
Dreizahl wurde beliebt, wo die Nägel nicht am Crucifix
selbst, sondern getrennt unter den Passionswerkzeugen vor-
kommen, vielleicht mit Beziehung auf die heilige Dreieinig-
keit, vielleicht nur der einfacheren Gruppirung wegen. Man
sieht sie oft concentrisch über dem Herzen Jesu als Symbole
seiner Passion. Auch in den Fenstern gothischer Kkchen
Naim. 155
haben oft in der Rosettenform drei concentrische Radien die
Gestalt von Nägeln.
Nägel sind auch das Attribut vieler Heiligen , sofern diese
mit Nägeln zu Tode gemartert wurden. So tragen die Hei-
ligen Dagobert, Epimachus, Severus auf Bildern den Nagel
ihres Martyriums in der Hand. Der heilige Julianus Eme-
senus und die h. Engratia im Kopf, der h. Pantaleon in den
über dem Kopf angenagelten Händen, der h. Bassus einen
Nagel in jedem Fusse.
N a i n,
der Jüngling von. Unter den Heilungen Jesu nimmt die
Erweckung des todten Jünglings von Nain eine der schönsten
Stellen ein (Lucas 7.). Von überwältigender Rührung ist die
Scene, wie ihm der Leichenzug begegnet und wie er die in
Schmerz aufgelöste Mutter mit dem himmlischen Tröste be-
grüsst; „Weine nicht!" und wie er dann zu dem Jüngling
spricht: „Stehe auf!'^ und der Todte sich aufrichtet und redet
und seiner Mutter in die Arme sinkt. Alle Anwesenden aber
kam eine Furcht an und sie priesen Gott. — Den tiefen
Eindruck dieser schönen Erzählung haben die Rationalisten
mit Einem Worte zu vernichten getrachtet, indem sie an-
nahmen , der Jüngling von Nain sey nur scheintodt gewesen
und Jesus habe das vermittelst seiner medicinischen Kennt-
nisse bemerkt und ihn ohne irgend ein W^under wieder zum
Leben gebracht , diese Kur aber betrügerisch für ein gött-
liches Wunder ausgegeben. So z. B. Paulus in seinem Leben
Jesu. Man kann sich wohl keine nichtswürdigere Bibeler-
klärung denken, wie diese!
Den tieferen Sinn dieses Wunders begreift man erst,
wenn man erwägt, wie durch das ganze Heidenthum ein
tragischer Zug ging, in einer gewissen Verzweiflung an der
ewigen Gerechtigkeit und einer gänzlichen Unkenntniss der
ewigen Liebe. Das ganze heidnische Alterthum kannte nur
jenen Schmerz, den Schiller in den berühmten Worten
156 Nebel.
aussprach: ;,Das ist das Loos des Schönen auf der Erde.^
Die schönste adeligste Jugendblüthe der Menschheit war, nach
dieser antiken Ansicht, einem finstern Verhängniss verfallen.
Für den Tod des schönen Achilles, des edeln Sigfrit gab es
keinen Trost, nur eine blutige Rache. Dieser tragischen
Härte des Heidenthums , diesem stoischen Schmerz des Fata-
lismus trat nun zum erstenmal der liebevolle Trost des Chri-
stenthums entgegen und zwar ausdrücklich in der Erweckung
des Jünglings von Nain.
Die Erweckung wurde gemalt von Zuchero. Das Bild,
gestochen vonMatham, ist eine reiche Composition; der Zug
hält unter dem Stadtthor, die Bahre ist zu des Heilands
Füssen gestellt und der Jüngling erwacht eben, und blickt,
die Hände faltend, staunend auf Jesum; die Mutter kniet
noch. Auf einem andern Bilde desselben Meisters, gestochen
von Thommassin , hat der Jüngling noch die Augen geschlos-
sen und sperrt widerwärtig den Mund auf. Das schönste
Bild malte Neher in Stuttgart. Hier haben alle Figuren den
wahrsten und ergreifendsten Ausdruck, und das Ganze macht
einen unbeschreiblich rührenden Eindruck.
Nebel,
Sinnbild der Verdunkelung und Verschleierung, die dem
Sünder den Anblick des Heiligen raubt. So vertrieb Petrus
Teutonicus, Camaldulenser in Etrurien, die Feinde, die sein
Kloster stürmen wollten, durch einen Nebel, in dem sie sich
verirrten. Eben so wurde deP heilige Petitus seinen Feinden
durch einen Nebel entrückt.
Nicodemus,
ein reicher Jude und Mitglied des Synedriums , fühlte sich in
seiner redlichen Seele angesprochen von dem, was er von Jesu
vernahm; während er anderseits seiner hohen Stellung wieder
Rechnung trug und ein öffentliches Bekenntniss aus vornehmer
Nicodemus. 157
Eücksicht vermied. Er kam daher nur heimlich und bei
Nacht mit Jesus zusammen, um sich über das Verhältniss
seiner Mission zum bisherigen mosaischen Gesetze belehren
zu lassen. Dieses Gespräch bringt Joh. 3. Das Resultat
aber ist, dass das Gesetz nur negativ wirkt, strafend die
Sünde, abwehrend das Böse, während der Messias positiv
das Gute bringt und dem Menschen ein neues Herz gibt.
Ausdrücklich sagt hier Jesus: er sey nicht gekommen, die
Welt zu richten (was schon der alte Jehovah gethan), son-
dern dass die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn
glaube, der werde nicht gerichtet, wer nicht an ihn glaube,
der sey schon gerichtet. Der Gegensatz des Christenthums
zum Judenthum ist hier auf's Schärfste aufgefasst.
Nicodemus wird in einer Erzählung von Wessenberg
(Nicodemus, 2te Aufl. 1846) hauptsächlich in dem Sinne ge-
rechtfertigt, sofern man ihm vorgeworfen hat, er habe doch
zu wenig Muth bewiesen, indem er nur heimlich zu Christo
gekommen sey und sich nicht offen zu ihm bekannt habe.
Er sagt, Nicodemus habe auf diese Weise der christlichen
Sache mehr gedient, als wenn er offen aufgetreten wäre,
weil er sich dadurch der Mittel seines Einwirkens beraubt
hätte. Kein Bruder solle über den Andern richten, sondern
an den Werken soll man sie erkennen. — Das ist wohl wahr.
Inzwischen wirft es doch einen starken Schatten auf die
Pharisäer und Schriftgelehrten, dass der einzige Mann unter
ihnen, der sich dem Christenthum ergibt, so zag und vor-
sichtig ist. Wir sahen das alte Prophetenthum vertreten durch
Johannes den Täufer in kühner, grossartiger Freiheit. Das
Pharisäerthum hat doch etwas an sich, was ihm eine solche
Erhebung nie erlaubt. Wir sahen in Matthäus einen ver-
achteten Zöllner, der dem Herrn am hellen Tage folgte und
der erste Evangelist wurde. Nicodemus, geistig viel höher
stehend und nicht minder frommer Anhänger des Herrn, ist
doch noch zu sehr in die Falten seines vornehmen Amts-
gewandes gewickelt, um uns so frei zu erscheinen und den
Christen brüderlich anzusprechen.
158 Nimbus.
Nimbus,
die Ausstrahlung des göttlichen Lichtes und heiligen Feuers
aus den heiligen Personen, insbesondere aus ihrem Haupte,
der Strahlenkreis, der sie umgibt. Er verhält sich in der
christlichen Yorstellungsweise und Kunst keineswegs wie etwa
der Sonnennimbus der heidnischen Sonnengötter, worunter
die Sonnenscheibe selbst gemeint ist. Vielmehr drückt der
christliche Nimbus die Macht des Geistigen im Leiblichen
aus, die den Leib gleichsam überfluthet und über ihn hinaus
strahlt, das, was die neuere Physiologie den Nervengeist
oder das magnetische Fluidum zu nennen pflegt. An den
Augen hat man von jeher diese geistige Uebermacht zuerst
wahrgenommen. Daher die erste nimbusartige Erscheinung,
deren das alte Testament erwähnt, die Strahlen sind, die dem
Moses aus den Augen gingen, als er aus Gottes Nähe vom
Sinai herabkam. 2. Mos. 34, 29. An vielen Heiligen hat man
eine Phosphorescenz , eine magische Erleuchtung des ganzen
Körpers in den Momenten heiliger Ekstase wahrgenommen.
Görres, Mystik H. 310.
Der Nimbus ist aber zugleich Auszeichnung, Kennzeichen
der Heiligkeit , darum wurde er schon von Durandus (rationale
I. 3.) mit der Krone des Lohnes identificirt , deren Buch der
Weisheit 5, 17. gedacht ist. Vgl. die Ai-tikel Jungfrau und
Krone, in welchen erklärt ist, wie die heilige Macht der
Jungfräulichkeit den Kranz und die Krone zum Zeichen hat.
Das ist aber eben die Jungfräulichkeit , ohne die es gar keinen
Heiligen gibt, das ist die Macht des reinen Lichts, die durch
den undurchsichtigen Körper eben so strahlt, wie sie mitten
im Sturme ruhig und unauslöschlich verharrt.
In der Kirchenmalerei erscheint der Nimbus ausseror-
dentlich vielgestaltig. Die griechische Kirche erlaubt ihren
Malern, ja schreibt ihnen vor, den Nimbus bei allen Per-
sonen anzubringen, denen eine dämonische Macht innewohnt,
sey es auch nur die böse. Hier wird der Nimbus lediglich
l
I
Nimbus. 159
das Kennzeichen eines aus dem gemeinen Kreise der Natur
heraustretenden höheren Wesens. Daher nicht blos Judas
Ischarioth , sondern auch der Teufel selber und der höllische
Drache den Nimbus trägt. Didron, manuel p. 252. Demnach
kommt hier auch allen Patriarchen und Propheten des alten
Testamentes der Nimbus zu. Daselbst p. 133. Ganz anders
die abendländische Kirche, die den Nimbus als Heiligenschein
ausschliesslich auf die göttlichen Personen und auf die christ-
lichen Heiligen einschränkt. Die griechische Kirche sucht
indess den Unterschied durch die Farben auszudrücken. Judas
z. B. hat einen schwarzen Nimbus. Didron, man. p. 234.
Der eigentliche Nimbus umkleidet nur das Haupt, die
Gloria nennt man dagegen den Glanz , der die ganze Figur
oder auch eine Gruppe von Figuren umgibt. Ist dieser Glanz
mandelförmig, was der Länge der aufrecht stehenden Figur
entspricht, so heisst er in Italien mandorla^ in Deutschland,
wo die Mandeln wenigstens ehemals seltner vorkamen, ver-
glich man diese längliche, oben und unten zugespitzte Glorie
lieber mit einem Fisch, dem Symbol Christi. Diese Form
war besonders auf kirchlichen Sigillen beliebt. Die sogenannte
aureola ist das Nämliche und hat diesen Namen nur von der
Goldfarbe. Vgl. Didron^ annales I. 6. 12. Ist die Fischform
in der Mitte getheilt, so heisst sie Fischblase , weil der Fisch
eine aus einem grössern und kleinern Theil zusammengesetzte
Blase hat. Vgl. Kreuser, Kirchenbau I. 551. Diese Form
erscheint unter mancherlei Abänderungen: 1) als eine Mandel,
die so quer durchgeschnitten ist, dass der obere Theil um
zwei Drittel grösser ist, als der untere; 2) als eine Fischblase,
ganz in derselben Weise, nur dass beide Theile sich selbst-
ständig abrunden und nicht mehr so fest aneinander hängen j
3) in der Form der Zahl 8, als zwei übereinandergeschobene
Kreise. Diese Form kommt sehr oft auf altdeutschen Bildern
des Weltgerichts vor, indem Christus den blauen Himmels-
kreis zur Lehne des Hauptes, den grünen Erdkreis aber
zur Stütze der Füsse und beide zugleich doch auch zur
Glorie hat.
160 Nimbus.
Die den ganzen Leib umschliessende grosse Glorie kommt
in der Regel nur den drei höchsten göttlichen Personen und
der Gottesmutter zu ; dagegen der kleinere Nimbus um's Haupt
allen Heiligen. Die Glorie lässt, vermöge ihrer Grösse und
ihrer Bestimmung , eine ganze Figur einzunehmen , auch eine
weite ornamentale Ausdehnung zu: 1) die Ausstrahlung einer
Sonne in lange glänzende Strahlen, z. B. die Glorie um's
heilige Sakrament des Altars in den grossen spanischen
Monstranzen, ganz aus Diamanten zusammengesetzt; 2) die
Flammenglorie, wenn statt der graden und feinen Sonnen-
strahlen dickere und zackige Flammen den Rand bilden,
besonders häufig an Marienbildern ; 3) der Regenbogen, wenn
der Rand weder aus Strahlen noch Flammen, sondern aus
drei oder sieben parallelen Farbenreihen gebildet wird, was
oft in alten Miniaturen vorkommt.
Der Nimbus um das Haupt muss immer ein einfacher seyn,
weil er sonst das Haupt zu sehr belasten und gegen den
-übrigen Körper zu schwerfällig erscheinen lassen würde , was
in der That zuweilen der Fall ist bei Christus- und Marien-
bildern, deren Nimbus in allzu lange und schwere goldene
Strahlen ausgeht , und bei Heiligenbildern , deren Nimbus zu
massiv und schwer wie ein Mühlstein auf ihren Häuptern
lastet. Doch kann andrerseits auch die Leichtigkeit des
Tragens übertrieben werden. Die Kirchenmaler haben in
den verschiedenen Jahrhunderten mit gewissen Moden, den
Nimbus zu tragen, gewechselt. Auf den ältesten Bildern
stehen die heiligen Köpfe en face mitten in der goldenen
Scheibe, die mehr hinter ihnen liegt, als von ihnen getragen
wird. Indem die Köpfe nach und nach mehr Bewegung an-
nahmen und sich im Profil zeigten, erhob sich auch der
Nimbus und legte sich als dünne, nur in der Quere gesehene
Scheibe über ihr Haupt oder gar nur als feiner Goldreif wie
ein Kranz um dasselbe. Auf manchen Bildern nun nimmt
dieser Nimbus etwas Kokettes, Barettartiges an, was keines-
wegs zur Heiligkeit stimmt. Die Scheibe wurde dick und
schwebte wie eine Pelzmütze über dem Kopf (vgl. Didron,
A
Nimbus. 161
icon. p. 104.) , oder der Reif wurde immer zarter und enger
und schwebte nur noch wie ein Ring über den Köpfen.
EndHch verschwand der Nimbus ganz. Schon im 16ten Jahr-
hundert wurden viele Heilige ohne Nimbus dargestellt, indem
die Maler sich darauf verliessen, dass die Genialität, die sie
in die Apostelköpfe gelegt, den Nimbus entbehrlich machen
würde. Aber ein zarter Lichtnimbus thut dem malerischen
Effect gewiss keinen Abbruch, während die Anmassung, Hei-
lige ohne Nimbus darzustellen, zu grosser Verweltlichung und
UnUnterscheidbarkeit der Heiligen von unheiligen Pathetikern
geführt hat.
Gott Vater hat auf Kirchenbildern nicht selten ein gol-
denes gleichseitiges Dreieck als Nimbus, hinweisend auf die
Dreieinigkeit. Zuweilen gehen erst von diesem Dreieck
Strahlen nach allen Seiten wie von einem Sterne aus. Auch
kommt ein Nimbus Gott des Vaters vor, in dem zwei solche
Dreiecke quer übereinander gelegt sind, dass sie einen sechs-
eckigen Stern bilden. Didron, icon. p. 37. Oefter jedoch ist
Gott dem Vater, Sohn und Geist der durchkreuzte Zirkel
als Nimbus zugesellt und ausschliesslich vorbehalten. Das
Kreuz im Kreise bezeichnet überall und immer eine der
Personen der heiligen Dreieinigkeit und kann nie einem
Heiligen zukommen. Da aber der Fuss des Kreuzes vom
Kopfe'' selber auf dem Bilde gedeckt wird und man nur
die beiden Seitenarme und die Spitze in drei Ausstrahlungen
gegen den Kreis hin erblickt, so ist das Kreuz hier zugleich
Sinnbild der Dreieinigkeit. Auf Bildern der griechischen
Kirche stehen über den beiden Armen des Kreuzes im Nim-
bus häufig die Worte: d a)V, der da ist. Auf abendländischen
Bildern nie. Didron, man. XLI.
Christus trägt als zweite Person der Gottheit den durch-
kreuzten Zirkel als Nimbus. Das Kreuz wird mannigfach
aufgefasst, häufig nimmt es an den vier Spitzen, wie sie sich
dem Kreisrande nähern, lilienartige Ausbiegungen an. Oft
wird es nur durch leichte Einbiegungen des Kreises in den
vier Abtheilungen desselben angedeutet. Manchmal wird es
Menzel, christl. Symbolik. II. H
162 Nimbus.
sehr dick und verengt dadurch den Kreis. Seit dem löten
Jahrhundert fällt auf Christusbildern der Nimbuszirkel öfters
ganz weg und bleibt nur das Kreuz allein übrig, so dass
man nur die höchste Spitze desselben über dem Scheitel des
Heilands und die beiden Arme an den Schläfen desselben
sieht. Diese drei Kreuzglieder stellen sich dann aber ins-
gemein als divergirende Lichtstrahlen oder als convergirende
Flammen dar. Zwischen ihnen stehen zuweilen die Buch-
staben r — e — X (König). Neuere Maler haben des Heilands
Haupt häufig nur mit einem nebelhaften Lichtschein, oder
mit einer massiv goldnen Sonne umgeben. Auf Bildern des
Weltgerichts wird der Nimbus des Heilands zuweilen durch
perspectivische Engelchöre angedeutet. — Auch das Lamm,
wenn es Christum bedeutet, hat den Nimbus der drei höchsten
göttlichen Personen. Die Hostie dagegen hat als Nimbus eine
Sonne, gleichsam nur die Fortsetzung und Ausstrahlung ihrer
runden Scheibe.
Dem heiligen Geist kommt, mag er in menschlicher oder
Taubengestalt dargestellt seyn, stets der durchkreuzte Zirkel
als Nimbus zu.
Die Madonna mit dem Kinde schwebt entweder in einer
grossen, ihre ganze Gestalt umgebenden Glorie, oder hat
den Nimbus nm's Haupt , wie das heilige Kind den seinigen,
oder beide Nimben und die Glorie finden sich beisammen.
Oft ist die Glorie nicht eine Sonne, oder ein Flammenkreis
oder Regenbogen, sondern ein Kreis von Engeln, auf altern
Bildern auch ein Kreis von sieben Tauben, die Gaben des
heiligen Geistes bezeichnend. Didron^ annales L 218. Der
Nimbus um's Haupt der Gottesmutter ist nie durchkreuzt,
sondern immer eine reine Rundscheibe oder ein Reif, ein
Lichtschein, eine Sonne, ein Kranz von Sternen. Der
Sternennimbus kommt ausser der Gottesmutter nur noch dem
heiligen Johannes von Nepomuk zu. Vgl. den Artikel Stern.
Der Nimbus um das Haupt der Heiligen ist immer nur
die runde Scheibe oder der Reif, durchgängig golden, nur
wo der Unterschied eines niedern Heiligen von den göttlichen
Noah. 168
Personen ausgedrückt werden soll, auch silbern. Inschriften
im Rande des Nimbus kommen nur bei heiligen Kaisern und
Königen vor. Didron, icon. p. 77. Ein viereckiger, jedoch
einfach goldener Nimbus unterscheidet die noch lebenden
Päpste und solche Personen , denen die Heiligkeit noch nicht
ertheilt, aber vorbehalten ist. Daselbst p. 83. Einen blossen
Nimbus statt des Kopfes trägt der heilige Felix und ist daran
auf Kirchenbildern kenntlich. Als er nämlich enthauptet
worden, erschien der Nimbus über dem Halse, um seinen
Rumpf als den eines Heiligen zu bezeichnen.
Auf grossen Bildern des Weltgerichts, der himmlischen
Huldigungen etc. gruppiren sich häufig die Engelchöre in
Reigen, die als Glorien die heiligen Personen umgeben.
Solche lebende Glorien finden sich besonders oft in Kuppeln
italienischer Kirchen, und auch Dante hat sie als Dichter in
seiner Beschreibung des Paradieses vorgebracht. Auch aus
blossen Wolken werden solche Glorien gebildet. Didron^
icon. p. 176. Raphael liebte, in diese Glorienwolken geister-
haft zarte Engelköpfe zu malen.
Noah.
Noah steht in Beziehung zu Adam, wie die Wieder-
geburt des Menschengeschlechts zu dessen Geburt, und wird
insofern, wie schon die Mystiker des Mittelalters anerkannt
haben, ein Vorbild des Heilands, seine Arche ein Vorbild
des Schiffes der Kirche, seine Taube ein Vorbild des heiligen
Geistes, die Sündfluth selbst der Taufe, der von Noah ge-
pflanzte Weinstock des heihgen Abendmahls, seine Aufdeckung
durch Cham das ecce homo. Vgl. Rupert. Tuit. p. 48. Auch
schon auf den alten römischen Katakombenbildern gehört
Noah, wie er, aus dem Kasten hervorschauend, die Taube
entlässt, zu den Grabsymbolen, durch welche auf die Auf-
erstehung hingewiesen wird. Nur diese Beziehungen gehören
in die christliche Symbolik, von der verbannt bleiben muss
Alles, was neuere rationalistische Exegeten ausgeklügelt haben
11*
164 Nuss.
über die Etymologie des Namens Noah und dessen Ver-
wandtschaft mit navis, Neck, Nix. Buttmann (Mythologus
I. 172 f.) schämte sich nicht, ihn wegen der Reben sogar in
Verbindung zu bringen mit dem griechischen Bacchus. Hinter
all diesem gelehrten Unsinn verbirgt sich immer nur Hass
gegen die christliche Wahrheit und das Trachten, die theo-
logische Jugend irre zu führen.
In der Reihe der Patriarchen ist Noah immer durch die
kleine Arche kenntlich, die er trägt. Vgl. die Artikel Arche
und Regenbogen.
Nuss.
Nussblätter werden in die Frohnleichnamskränze gewun-
den, weil einmal ein Nussbaum, als Maria schwanger mit
Joseph nach Bethlehem wanderte, dieselben vor Regen ge-
schützt hatte. Hofmann, Apokr. 102. Auf einem Nussbaum
erschien Maria zu St. Paolo in den Apenninen. Gumppen-
berg, marian. Atlas Nr. 342. Desgleichen ihr Bild im Innern
eines Nussbaums zu Castiglione, daselbst 82. — Bei den Juden
und Heiden galt der Nussbaum als Sitz böser Dämonen.
Nach dem Talmud hat er an jedem Zweige neun Blätter und
auf jedem sitzt ein Teufel. Horst, Dämonomanie I. 89.
Unter einem Nussbaume bei Benevent versammeln sich die
Hexen aus ganz Italien. Mayer, Neapel IL 51. Ein Nuss-
baum, in dem die Teufel hausen, soll aus dem Grabe des
Nero in Rom gewachsen seyn. Als man ihn in die Tiber
warf, setzten sich eine Menge Raben darauf. An derselben
Stelle baute man die Kirche del Popolo , wodurch die Teufel
verbannt wurden. Gumppenberg Nr. 26. Keyssler, Reise 530.
Bunsen, Beschr. von Rom HL 3. 210.
i
o
i.
Ochs.
Ochs und Esel im Stalle zu Bethlehem sind als Tag- und
Nachtthiere, als Repräsentanten des guten und bösen Thier-
reichs nach vorherrschend ägyptischen und persischen Be-
griffen, aus dem heidnischen Osiris- und Mithracultus gedeutet
worden, was aber lediglich nicht in die christliche Symbolik
gehört. Durch ihre Anwesenheit an der Krippe wird nur
das Prophetenwort von Jesaias 1, 3. und Habacuc 3, 2. erfüllt.
Ueber den geflügelten Ochsen vgl. den Artikel Cherubim.
Indem die vier geflügelten Träger des göttlichen Thrones
aus Ezechiel auf die vier Evangelisten, als Träger des gött-
lichen Wortes im neuen Bunde übergingen, bekam Lucas
den Ochsen zum Attribut. Vgl. den Artikel Lucas. — Die
zwölf Rinder, die das sogenannte eherne Meer im Tempel
zu Jerusalem trugen (1. Kön. 7, 25.), sind auf die zwölf
Söhne Jakobs und vorbildlich auch auf die zwölf Apostel
bezogen worden, indem man das eherne Meer zugleich als
ein grosses Taufbecken auffasste.
Als Sinnbild der rohen Verthierung erscheint der zum
Ochsen gewordene König Nebucadnezar , Gras fressend.
Daniel 4, 29.
166 " Odysseus.
Heilige , die den wilden Ochsen und Stieren vorgeworfen
wurden: Blandina, Julitta, Marciana, Perpetua, Tryphäna,
Rainerus etc. Der heilige Saturninus wurde von einem Stier,
an dessen Schweif man ihn band, zu Tode geschleift. Die
Heiligen Antipas, Eustachius, Eleutherius, Theodata, Pelagia
wurden im Bauch eines ehernen glühenden Stieres (gleich
dem Ochsen des Phalaris) verbrannt. — Der heilige Adalbert
von Prag predigte einst vor den andächtig zuhörenden Rin-
dern. Oxford hat den Namen von einer schönen Nonne , die
vor den Bewerbungen des Königs Eduard , auf einem Ochsen
reitend, durch den Fluss entfloh. Zwei Stiere, denen die
heilige Thecla vorgeworfen wurde, scheuten sie und thaten
ihr nichts. — Mehrmals kommen in der Legende Ochsen vor,
die vor einer verlorenen oder durch Frevler verworfenen
Hostie knieen und dadurch zu ihrer Entdeckung führen.
Gumppenberg, marian. Atlas Nr. 536. 541.
Patron der Rinder , wie der Viehzucht überhaupt ist der
heilige Leonhard.
Odysseus.
In einem merkwürdigen Auto des Spaniers Juan Perez
de Montalevon ist Galatea die menschliche Seele, während
Polyphem den Satan, Christus aber den Odysseus vorstellt,
der jenen überwindet und Galateen rettet. Wiener Jahrb.
1822, HL 29.
O e 1 ,
der reinste LichtstofF, aus der unschuldigen Pflanzenwelt ent-
nommen, daher von jeher geheiligt. Zugleich heilkräftig,
den Schmerz der Wunden lindernd, bedeutet das Oel in der
christlichen Symbolik zunächst die Gnade Gottes. Jedoch
scheint dem häufigen Gebrauch des Oels im christlichen Cultus
vornämlich auch die alte Erinnerung an die Ringer, die sich
vor dem Kampfe mit Oel salbten, zum Grunde zu liegen.
Man gebraucht das Oel zur Salbung bei der Taufe und Fir-
melung, bei Sterbenden (die letzte Oelung), bei Priesterweihen
Oel. 167
und bei der Krönung der Könige (die Salbung). Damit ver-
bindet sicli wohl der doppelte Sinn theils einer Uebertragung
göttlicher Milde auf den Gesalbten, theils einer Stärkung zu
schwerem Ringen und Kämpfen. Vgl. Rippel, Alterthumb
der Cäremonien S. 145. Das biblische Bild vom unerschöpf-
lichen Oelkrug der armen Wittwe (2. Kön. 4, 2.) bezeichnet
die Fülle der Gnade. In der griechischen Kirche hat das
Oel als Gnadenmittel die grösste Bedeutung. Am Palm-
sonntag wird das Oel für das ganze Reich in einem grossen
Kessel vom Patriarchen selbst oder dessen Stellvertreter ge-
sotten, von Diaconen mit Cypressenzweigen (Anspielung auf
den Tod Christi, da die Cypresse den Tod bedeutet) umge-
rührt und mit einer grossen Perlmutterschale (in welcher das
erste heilige Oel aus Constantinopel gebracht worden war)
ausg*eschöpft und in die Krüge gefüllt, in denen es in's
ganze Reich verschickt wird. Hier sieht man, welcher Werth
auf eine im geweihten Oele sich fortpflanzende Segenskraft
gelegt wird.
Dieselbe Idee wird auch in der katholischen Kirche durch
die ewigen Lampen ausgedrückt, die, vor dem Allerheiligsten
brennend, nie erlöschen dürfen, und immerwährend mit Oel
gefüllt werden. Damit verbindet sich aber eine noch tiefere
Idee, nämlich die des Lichts, das aus dem Oele, der Weis-
heit , die aus der Liebe fliesst. Schon im Propheten Zacharias
4, 3. findet sich ein schönes Bild der in der ewigen Liebe
gebornen Weisheit: ein Leuchter zwischen zwei Oelbäumen.
Vgl. Offenb. Job. 11, 4, wo die zwei Zeugen Oelbäumen
verglichen werden. Auch die Thür zum Allerheiligsten des
salomonischen Tempels war von Oelbaumholz. Vgl. Kugler,
Kunstgeschichte S. 80. Insbesondere aber wird die Gnaden-
mutter mit einem Oelbaume verglichen , der Oel in Fülle hat
für alle Wunden der Menschen. Conrad von Megenberg,
Buch der Natur 1482, Fol. 157.
Wenn im Chrysam Oel und Balsam die vereinigten bei-
den Naturen Christi bezeichnen (Rippel a. a. 0. 462.), so
168 Oel.
ist unter dem Oele die menscliliclie Natur verstanden, als
der reinste irdische Stoff.
Sofern die göttliche Gnade sich nach der Sündfluth in
der Befriedigung der Elemente hewährte und Gott mit Noah
einen neuen Bund des Friedens einging, dessen Zeichen der
Regenbogen wurde, bedeutet auch der Oelzweig, den die
Taube Noä in die Arche zurückbrachte, zunächst den Frieden,
was der älteren heidnischen Symbolik entspricht; denn auch
bei den Römern war ein Oelzweig Friedenszeichen. Das hing
auch mit der Erfahrung zusammen, nach welcher Oel, auf
wildbewegtes Wasser gegossen, dasselbe alsbald stillt und
ausgleicht. Als Friedenssinnbild muss auch der Oelbaum auf
altchristlichen Kindergräbern betrachtet werden. Vgl. Beller-
mann, Katakomben von Neapel S. 31. Mit Bezug auf Psalm
128, 3, wo Kinder um den Tisch her mit Oelzweigen ver-
glichen werden.
St. Nonnosus , Probst zu Monte di 8. Süvestro in Toscana,
bewirkte einmal nach einer schlechten Oelerndte blos durch
sein Gebet, dass sich alle leeren Oelgefässe des Klosters mit
köstlichem Oel füllten. 2. September. Oel triefte von den
Fingern der heiligen Luitgardis. Von den Reliquien und Gräbern
sehr vieler Heiligen floss heilsames Oel. Vgl. Görres, Mystik
n. 47. Nieremherg, hist. nat. 419. 423 f. St. Pantaleon wurde
als Märtyrer an einen Oelbaum gebunden, der sich mit
Früchten anfüllte. — St. Narcissus, Bischof von Jerusalem
im 3ten Jahrhundert, bewirkte einst, als beim grossen Oster-
fest das Oel zu den Lampen fehlte, durch blosses Gebet,
dass Wasser statt des Oeles brannte. Drei Bösewichte, die
ihn verleumdeten , und von denen einer sagte , wenn es nicht
wahr sey, solle ihn Feuer verzehren, der andere, wolle er
an einer scheusslichen Krankheit sterben, und der dritte,
wolle er blind werden, wurden durch Erfüllung dessen, was
sie gesagt, bestraft, indem einer verbrannte, der andere
erkrankte, der dritte blind wurde. 29. October. Eusebius,
Kirchengesch. VI. 9.
Unter den Heiligen, zu deren Attributen hauptsächlich
■>
i
Oel. 169
das Oel gehört, ist der berühmteste St. Remigius, Erzbischof
von Rheims, das Haupt der fränkischen Kirche unter König
Chlodwig, nachdem derselbe Gallien erobert hatte. Was die
Legende von ihm meldet, ist Ausdruck 1) der weltgeschicht-
lichen Bedeutung der Frankenbekehrung, die für den Norden
Europas eben so wichtig war, wie Constantins Bekehrung
für den Süden. Als bei der Taufe Chlodwigs das heilige
Oel fehlte, brachte eine weisse Taube ein Oelfläschchen vom
Himmel, worin das Oel nie versiegte, daher alle späteren
Könige von Frankreich damit gesalbt wurden. Man findet
es abgebildet im Journal des Luxus und der Moden 1793
Dezember, S. 663. Es wurde erst in der Revolution durch
das Conventsmitglied Roul auf öffentlichem Platze zu Rheims
zerbrochen. Lamartine, Geschichte der Gironde LH. 21. Das
berühmte Oelkrüglein bezeichnet die unmittelbare göttliche
Weihe der christlichen Frankenkönige, den himmlischen Ur-
sprung ihrer Begnadigung (die Legitimität der Konige von
Gottes Gnaden). Die Legende bezeichnet 2) den Stolz des
Kirchenmannes, der sich wohl bewusst war, welchen Dienst er
dem Königthum leistete. Er soll zu Chlodwig bei der Taufe
gesagt haben: „Verbrenne, was du bisher geehrt, ehre, was
du bisher verbrannt hast.^ Die Legende bezieht sich 3) auf
die grossen Schenkungen, durch die der neue fränkische Staat
sich den Beistand der Kirche erkaufte. Der heilige Remigius
erhielt vom König Erlaubniss, so viel Land als Kirchengut
zu behalten, als er, während der König den Mittagsschlaf
hielt, würde umgehen können, und umging nun ein weites
Gebiet, trotzdem dass er sich unterwegs noch mehrmals auf-
gehalten sah und die bösen Nachbarn, die ihn hindern woll-
ten, mit Fluch belegen musste. Weiter berichtet die Legende,
wie er einen Grenzstein gelegt, den kein Mensch von der
Stelle bringen konnte, und wie Alle, die in das neue Eigen-
thum der Kirche Eingriffe thun wollten, unglücklich wurden.
FlodoarduS) hist. Rem. I. 14. 20. Grimm, deutsche Sagen
Nr. 422, 424. — Merkwürdig ist Remigius ferner als Feuer-
banner. Eine grosse Feuersbrunst in Rheims trieb er vor
170 Oelberg.
sich her in Kugelgestalt zum Thore hinaus. Flodoard I. 6.
Grimm Nr. 423. Der Heilige wird am 1. October verehrt.
O elb er g,
üblicher Name der Sculpturen, namentlich Steinbilder, welche
Christum, auf einer kleinen Erhöhung kniend, darstellen,
wie ihm der Engel den Leidenskelch darreicht. Häufig vor-
kommend als abgesonderte Gruppe in und vor den Kirchen.
Vgl. Kreuser, Kirchenbau I. 147.
Das Hauptmotiv dieser Scene ist die menschliche Furcht
des Heilands vor dem bevorstehenden Leiden. Man hat mit
Recht bemerkt, dass ohne diesen echt menschlichen Zug es
scheinen könnte, als habe der Mittler sein Leiden selbst nur
als ein Scheinleiden angesehen und als sey er in seiner gött-
lichen Natur über wirkliches menschliches Leiden erhaben
gewesen. Ueberdies ist diese Angststunde am Oelberg die
nothwendige Ergänzung zu der Versuchungsscene in der
Wüste. Dort wurde Jesus versucht durch Hoffnung, hier
durch Furcht; dort wandte sich der Versucher an den Stolz
seiner göttlichen, hier an die Schwäche seiner menschlichen
Natur. Olshausen H. 333. 427. — Tief charakteristisch ist
auch der Gegensatz zwischen dem angstschwitzenden Heiland
und den schlafenden Jüngern, die nichts merken und ahnen
von Allem, was vorgeht.
Das alttestamentahsche Vorbild der Scene ist das Ringen
Gottes oder eines Engels mit Jakob. Nach der Tradition
hiess jener Engel Chamuel, daher lässt die Legende (der
auch die meisten Maler folgen) in jener Angststunde den
Engel mit dem bittern Kelch zum Heiland hinabsteigen.
Alt, Heiligenbilder S. 40. Andrerseits ist die Angst am Oel-
berg wieder das Gegenbild der Verklärung (Transfiguration)
Christi. In beiden Scenen ist die Gruppirung fast die näm-
liche, sofern Christus beidemal nur drei Jünger mit sich auf
den Berg nimmt und sich, höher aufsteigend, von ihnen
absondert. Bei der Verklärung erschrecken sie so, dass sie
Ofen. 171
auf ihr Angesicht fallen und Christus sie erst wieder auf-
richten muss; bei der Angstscene schlafen sie. In beiden
Fällen ist die doppelte Natur Christi in ihren beiden Brenn-
punkten aufgefasst , bei der Verklärung wird der Mensch ganz
zum Gott, in der Angststunde der Gott ganz zum Menschen.
Eins setzt das Andere voraus.
Ofen,
Sinnbild der Gefangenschaft und Trübsal, aber auch der
Prüfung und Rechtfertigung. Zunächst im alten Testamente
Sinnbild der ägyptischen Gefangenschaft, 5. Mos. A, 20.
1. Kön. 8, 51. Jer. 11, 4; sodann auch der babylonischen
Gefangenschaft, während welcher wirklich nach dem Gebet
Asariä 47. dieser fromme Jude in einem glühenden Ofen
verbrannt werden sollte, aber durch sein Gebet errettet wurde,
indess das Feuer aus dem Ofen herausschlug und die Chal-
däer verzehrte; und ferner nach Daniel 3, 26. die drei
Judenknaben Sadrach, Mesach und Abednego, die alle drei,
Gott lobsingend, zu Babylon im feurigen Ofen unversehrt
blieben. — Auf den ältesten christlichen Grabbildern wurde
nun der feurige Ofen Sinnbild der irdischen Trübsal, des
irdischen Lebens überhaupt, und die darin lobsingenden drei
Jünglinge drückten die Freude über die Erlösung aus dieser
Welt aus. In den römischen Katakomben finden sich die
Drei im Ofen in phrygischen Mützen (dem allgemeinen Ab-
zeichen der Babylonier) häufig den heiligen drei Königen
gegenübergestellt, die gleichfalls die phrygischen Mützen
tragen, weil sie aus dem Orient kommen. Aringhi, Born,
subt. I. 379. Bottari, Born. sott. tav. 22. Vgl. Kunstbl. 1845,
S. 226. In beiden stehen sich V^^elt und Himmel, Leiden
und Erlösung gegenüber. Ueber den Dreien im Ofen schwebt
die Taube mit dem Oelzweig bei Bottari tav. 181. Aringhi
IL 311. Zuweilen fehlen die drei Jünglinge , und man sieht
den Ofen allein mit drei Flammen (Aringhi I. 531. 549.) oder
nur den Ofen mit drei Fenstern, Bottari I. tav. 12 (gleich
172 Ohr.
dem Thurm der heiligen Barbara). — Die Drei im Ofen sind
auch auf kirchlichen Weihrauchgefässen dargestellt, indem
ihr Lobgesang im Feuer dem lieblichen Duft des Weihrauchs
gleichen soll. Didron, annales I. 309.
Ein christlicher Asaria war St. Rufinus, der im feurigen
Ofen unverletzt blieb, 30. Juli. Hieher gehört auch das
Wunder, welches Schillers ;,Gang nach dem Eisenhammer '^
modernisirt hat. Die Legende berichtet es nicht von der
Gräfin von Savern, sondern von der heiligen Königin Eli-
sabeth von Portugal. Eir Gatte nämlich wurde auf einen
Pagen, den man verleumdete, eifersüchtig, befahl, ihn in
einen Kalkofen zu werfen, schickte aber den Verleumder
hinaus, um nachsehen zu lassen, ob sein Befehl schon voll-
zogen sey, und nun wurde der Verleumder in den Ofen
geworfen, weil der unschuldige Page, unterwegs betend,
noch nicht gekommen war. Besungen von Bönecke (Legen-
den, Leipzig, Barth 1846, S. 34.). Ein glühender Ofen ist
Attribut der heiligen Pelagia, weil sie darin verbrannt wurde.
Desgleichen der h. Tryphäna und des h. Rufinus.
Ohr.
Sowohl auf Kirchenbildern, als in alten Marienliedern
findet sich die Vorstellung, nach welcher die Verkündigung
durch das Ohr Maria's geschah, weil Gott sich ihr im Wort
offenbarte, ihr das Wort (den Logos) mittheilte. Vgl. Wacker-
nagel, Kirchenlied Nr. 92. — St. Aquilina, ein zwölfjähriges
Mädchen zu Byblos, wurde unter Kaiser Diocletian als Chri-
stin verfolgt. Man stach ihr glühende Nadeln durch's Ohr
in's Hirn, aber sie blieb standhaft und ein Engel heilte sie.
Endlich wurde sie enthauptet und statt des Blutes entfloss
ihr Milch. Man verehrt sie am 12. Juni.
Opfer.
Die Öpferidee, die dem Christenthum wesentlich zu
Grunde liegt, ist in den Artikeln Christus, Abendmahl,
Opfer. 173
Kreuzigung sclion genügend erörtert worden. ,,Die ewige
Gerechtigkeit zu sühnen, starb an dem Holze Gottes Sohn.'^
Das ist der kürzeste Ausdruck des Gedankens, wobei nur
noch die Hauptsache, nämlich die Liebe ausgelassen ist, die
sich freiwillig zu dieser Sühne hingibt.
Es ist überflüssig, nach Vorbildern in der heidnischen
Zeit zu suchen. Doch lag es auch im Zeitalter der classischen
Studien nahe, den römischen Ritter Curtius, der zu Rosa
todesmuthig in den Abgrund sprengte, um Rom vom Ver-
derben zu retten, allegorisch auf Christum zu beziehen.
Schon das erste Opfer, welches in der heiligen Schrift
YOrkommt, ist ein Doppelopfer, dargebracht von Kain und
Abel, wovon das eine dem Herrn wohl, das andere aber ihm
übel gefällt. Von dem einen steigt der Opferrauch gerade
in die Höhe, von dem andern wird er am Boden zerstreut.
Das charakterisirt alle Opfer.
Wohl gefallen dem Herrn alle Opfer reinen Herzens,
z. B. des Dankes, das Opfer Noahs nach der Sündfluth; des
Gehorsams, das Opfer Abrahams. Dieses Opfer des Sohnes
durch den Vater ist im alten Testament das Vorbild des
höchsten Opfers, in welchem Gott der Sohn sich aus ewiger
Liebe zum Opfer bringt dem Vater, um der ewigen Gerech-
tigkeit willen. In dem Wettopfer , welches der Prophet Elias
mit den Baalspfaffen eingeht, stehen sich abermals das Gott
wohlgefällige und das missfällige Opfer gegenüber. In dem
Opfer zu Lystra ebenfalls und wieder auf andere Weise.
Denn wie Elias den Baalspfaffen gegenüber die reine Lehre
Mosis dem gesammten diabolischen Heidenthum gegenüber
siegreich vertritt , so wollen die Pleiden zu Lystra den christ-
lichen Aposteln Opfer bringen gleich heidnischen Göttern,
und dieses tiefe Missverständniss des Christenthums wird nach
Gebühr von den heiligen Gottesboten Paulus und Barnabas
zurückgewiesen.
Daher ist es eine Sünde gegen den heiligen Geist, im
heidnischen Sinne zu opfern, und die Legende kennt eine
beträchtliche Menge von Märtyrern, die den Tod erlitten,
174 Orgel.
weil sie sich weigerten^ den heidnischen Göttern zu opfern,
oder vor deren Heiligkeit die Götzenbilder, denen sie opfern
sollten, zusammenstürzten. Berühmt in dieser Beziehung ist
besonders die heilige Bibiana, die dem Jupiter opfern sollte,
aber lieber die Hand verbrannte, als dass sie den Weihrauch,
den sie darin hielt, in's Feuer gestreut hätte. Die Scene ist
gemalt von Peter von Cortona (Füssli, Kupferst. I. 74. Huber,
ni. 323.); von Testa in Nürnberg (Waagen, Deutschland
I. 208.). Eine sehr berühmte Statue der Heiligen von Ber-
nini, in Marmor mit grossem Liebreiz ausgeführt, befindet
sich in Rom. Beschreibung von Rom HL 2. 331. Ramdohr
ni. 26. Wessenberg, christl. Bilder H. 536. Auch die hei-
lige Cyrilla sollte den Götzen opfern, blieb aber dem Chri-
sten thum treu, und hielt, als man ihr mit Gewalt Weihrauch
in die Hand that und dieselbe über das Opferfeuer ausstreckte,
die Finger fest verschlossen, ohne den Weihrauch auszu-
streuen, so dass ihre Hand verbrannte. 5. Juli. Besungen
in Rousseau's Legenden S. 188.
Orgel,
Attribut der heiligen Cäcilie. Bei Herder, zur schönen Li-
teratur und Kunst VI. 67, findet sich eine Dichtung, nach
welcher ein Engel der Heiligen die Orgel durch einen irdischen
Künstler soll haben anfertigen lassen, damit sie durch die
Töne derselben stets an die Musik der Engel erinnert werde.
Besser jedoch hat Raphael die Heilige aufgefasst, wie sie die
Orgel fallen lässt, indem sie die Engel singen hört, die ir-
dische Musik schwindet vor der himmlischen. (Auf dem be-
rühmten Bilde in Bologna.)
Orpheus,
der berühmte thrakische Sänger, dessen Gesang zur Lyra
die wilden Thiere so bezauberte, dass sie sich um ihn ver-
sammelten und zahm zu seinen Füssen lagen, wurde in den
Ostern. 175
ersten Jahrhunderten der Christenheit mit Christo, als dem
guten Hirten, identificirt und schon auf den altchristlichen Kata-
kombengräbern in Rom und in sehr alten Miniaturen unter den
wilden Thieren abgebildet. Aringhi^ Rom. subt. 1. 547. 563. 577.
Bosio p. 239. 627. Bottari IL tab. 63. 71. d'Agincourt III. 6. 3.
Didron^ icon. p. 346. Tioining , symb. 16. Piper, Myth. I.
122. 415. Waagen, Paris 195. Kunstblatt 1840. Nr. 15.
Christus = Orpheus trägt auf diesen Bildern noch in antiker
Weise die phrygische Mütze und neben der Lyra (zuweilen
auch der Panflöte) einen Hirtenstab. Die wilden Thiere er-
scheinen hier zum erstenmal wieder vereinigt wie im verlornen
Paradiese. Adams Sünde zerriss auch den Frieden der Thiere,
Christus, als neuer Adam, gibt ihnen den Frieden zurück.
Diese Thiere bedeuten aber auch die Menschen oder Völker,
welchen die himmlische Botschaft oder die neue Lehre zu
Theil wird. Man darf dies Bild daher nicht verwechseln mit
der Vorstellung, die häufig in Miniaturen zu alten Psalterien
vorkommt, nach Psalm 8, 7 f., wo Adam unter den Thieren
sitzt , über welche Gott ihm die Herrschaft verliehen. — Eine
Variante bieten die Apokryphen dar, nach denen das Christ-
kind auf der Flucht nach Aegypten von allen Thieren der
Wüste umringt und angebetet wurde. Hofmann, Apokr. 141.
— In einem schönen Auto des Calderon rettet Orpheus
(Christus) seine geliebte Eui'idice (die menschliche Natur) aus
der Unterwelt (der Versündigung und Verschuldung). Sehr
poetisch ist das Erstaunen und der Schrecken des Höllen-
fürsten aufgefasst, als er zum erstenmal die himmlischen Töne
des nahenden Orpheus in seiner Höllennacht vernimmt.
Ostern,
die Feier der Auferstehung des Herrn. Das deutsche Wort
ist beibehalten worden von einer älteren heidnischen Früh-
lingsfeier, welche der Göttin Eastre, Eostra, Ostara galt (vgl.
Grimm, d. Myth. 266 f.) , worunter wohl die von Osten kom-
mende Sonne gemeint war, von der das Volk noch jetzt
176 Ostern.
glaubt, sie hüpfe am Ostermorgen beim Aufgang am Himmel
dreimal vor Freuden über die Auferstehung des Herrn auf.
Daher die Sitte an vielen Orten, in der heiligen Osternacht
auf die Berge zu steigen und dort die Ostersonne aufgehen
zu sehen. Vgl. Paullini, zeitverkürzende Lust S. 832. Me-
moires de V acad. celtique III. 441. Grimm, d. Myth. 703.
Kuhn, märkische Sagen S. 311. E. Meier, Sagen aus Schwa-
ben S. 392. 401. Sommer, sächs. Sagen I. 478. Heer, Can-
ton Glarus S. 302.
Wie überhaupt die Sonne, als das physische Urlicht, viel
und oft mit Christo, dem geistigen Urlicht, verglichen wurde,
so insbesondere der Aufgang der Sonne mit seiner Geburt
und Auferstehung. Dieser Symbolik entspricht auch die Zeit,
in welche das Osterfest fällt. Der Frühling ist gleichsam
Morgen des Jahres, wie der Winter dessen Nacht gewesen.
Die Ostersonne ist nach der langen Winternacht die eigent-
liche Morgensonne des Jahres , mit der zugleich Blumen und
Vögel erwachen und alles Leben in der Natur. In älteren
Zeiten begann überhaupt das Jahr mit Ostern, mit dem
Frühling. Auch das Kirchenjahr fing ehemals mit dem
25. März an.
Ostern ist zugleich das alte Passahfest der Juden, welches
in dieselbe Zeit fällt und auf dieselbe alte Natursymbolik zu-
rückgeführt -werden kann; denn w^enn a^ch die Juden an
ihrem Osterfest nur die Befreiung ihres Volkes aus Aegypten
feiern, so ist doch diese Erlösung aus der Knechtschaft, in-
dem sie gerade im Frühling gefeiert wird, durch die Be-
freiung der Natur aus den Banden des Winters vorbedeutet.
Das Passahfest der Juden ist fixirt. Die christliche Kirche
dagegen machte aus Ostern ein bewegliches Fest, nicht blos
um sich vom Judenthum zu unterscheiden, sondern um das
Auferstehungsfest stets an einem Sonntag feiern zu können,
was in seinem Begriff liegt , und die hohe Bedeutung der
Symbolik und der Bestimmung der ältesten Feste beweist.
Vgl. die Artikel Auferstehung und Sonntag. In Strauss'
Ejrchenjahr S. 25. ist die Meinung ausgesprochen, durch die
I
Oster ti. 177
Beweglichkeit des Osterfestes habe man zugleich die Starrheit
des mosaischen Systems durchbrechen und zeigen wollen, der
Herr sey zu Ostern für die ganze Menschheit auferstanden,
das Fest also gehöre der Menschheit, nicht dem Judenthum
an. Darum wurde der erste Sonntag nach dem ersten Voll-
mond nach der Tag- und Nachtgleiche im Frühling zum christ-
lichen Ostertag gemacht.
In der Symbolik, welche sich an die Feier des Oster-
festes anknüpft, nimmt das Osterlamm die erste Stelle ein.
Es ist das alte Opferlamm , was die Juden bei ihrem Ausgang
aus Aegypten schlachteten und assen und von dem ihr Passah-
fest den Ursprung genommen. Es ist aber ausschliesslich an-
gewandt auf Christum als das Lamm Gottes , das sich hingab
für die Sünde der Menschen. Vgl. d. Art. Lamm. Das Oster-
lamm ist gewöhnlich mit der Siegesfahne geschmückt, wie
Christus selbst diese Fahne ausschliesslich in Auferstehungs-
bildern trägt. Das Lamm wird mit der Sonne identificirt.
Im Brandenburgischen stellt man vor Sonnenaufgang am Oster-
morgen ein Gefäss mit Wasser hin und erblickt dann darin im
Moment des Sonnenaufgangs ein weisses Lämmchen. Temme,
Volkssagen der Altmark S. 85. Hier erkennt man am Deut-
lichsten, wie alter Naturcultus christlich umgedeutet wurde.
Das Osterfest ist ein grosses Lichtfest, denn von ihm an
nehmen die Tage zu und beginnt die hohe Frühlings- und
Sommerzeit, was man schicklich anwandte auf die Erleuch-
tung der Welt durch das Christenthum. Wie daher die Oster-
sonne selbst ein Sinnbild Christi ist, so nicht minder das
Osterfeuer, das Osterlicht, die Osterkerze, das Osteröl. Noch
bis auf die neuere Zeit wurde zu Ostern auf Bergen Feuer
angezündet. Man sprang darüber, man trieb das Vieh rasch
hindurch, man rannte mit den brennenden Holzstücken um
die Saatfelder. Man rollte ein feuriges Rad vom Berge her-
unter, oder schleuderte brennende Holzscheiben über die Saat-
felder hinweg, um sie dadurch zu weihen und vor Schaden
zu hüten. Man hob Brände und Asche vom Osterfeuer auf,
die gegen allerlei Schaden helfen sollten. Grimm, d. Myth.
Menzel, christl. Symbolik. IL \2,
178 Ostern.
S. 581 f. Frank, Weltbuch S. 50. v. Haupt, Panorama von
Trier S. 245. Heer, Canton Glarus 301. Schmeller, bayr.
Wörterbuch HL 308. Alsatia, 1851. S. 120. Curtze, Fürstenth.
Waldeck S. 404. Wahrscheinlich löschte man in älteren Zeiten
alles Feuer am Ostersonnabend aus und zündete es erst in der
heiligen Osternacht mit der Morgensonne wieder an. Dieser
Gebrauch hat sich wenigstens in den Kirchen erhalten. Bei
der Feier der heiligen Osternacht werden alle Kerzen gelöscht
und erst am Morgen wieder neu entzündet, was nach altem
Glauben am heiligen Grabe zu Jerusalem durch ein Wunder
geschieht. Der Glaube , dass am Ostermorgen die Kerzen in
den Kirchen auf wunderbare Weise durch Lichter, die vom
Meere oder aus der Luft in's Fenster schweben, entzündet
werden, kommt auch anderwärts öfter vor. Vgl. Pococke,
Beschreibung des h. Landes I. 41. Schrökh, Kirchengesch.
23, 204. Frank, Weltbuch S. 131. Gumppenberg, marian.
Atlas Nr. 403. P. Abraham, Judas IV. 144.
Allgemeine Sitte in der katholischen Kirche ist, zu Ostern
sämmtliches zum Kirchengebrauch bestimmte Oel zu erneuern.
Das alte Oel wird bei dieser Gelegenheit verbrannt, was man
„den Judas verbrennen" nennt. Rippel, Alterthumb der Cä-
remonien S. 86. Ferner ist die grosse „Osterkerze'^, auch das
„Osterlichf^ genannt, eine riesenhafte Wachskerze, oft bunt
bemalt und geputzt, dazu bestimmt, dass an ihr alle andern
Kerzen angezündet werden, wobei auch das Volk herbei-
strömt , sich segensreiches Feuer für seinen Heerd durch eine
kleine Kerze anzuzünden. Dieses „Osterlicht" brennt in der
Osternacht zuerst. Es wird mit der Feuersäule verglichen,
die den Juden bei ihrem Ausgang aus Aegypten bei Nacht
vorleuchtete. Rippel a. a. 0. 89. Aber sie wird, um sie als
christlich zu bezeichnen, in's Taufwasser gesteckt. Das. 93.
Das neue zum Kirchengebrauch bestimmte Oel wird schon
am grünen Donnerstage geweiht. Das. 148.
Der Lichtweihe zu Ostern entspricht die Wasserweihe.
Zu Ostern wird alles Wasser geweiht, was besonders in der
griechischen Kirche mit grösster Feierlichkeit geschieht. Der
österii. 179
Patriarch begibt sich zum nächsten Fluss und segnet den-
selben. In der römischen Kirche wird nur das zum kirch-
lichen Gebrauch bestimmte Weih- und Taufwasser gesegnet.
Jedoch schreibt man dem Osterwasser auch für den Privat-
gebrauch einen höheren Segen zu, als gemeinem Wasser,
und schöpft es daher unter alterthümlichen Feierlichkeiten am
Ostermorgen noch bei Licht, oder stillschweigend, gegen den
Strom, durch eine jungfräuliche Hand etc., wobei sich ohne
Zweifel ältere heidnische Erinnerungen einmischen. Ygl.
Grimm, d. Myth. 52. Wigand, Archiv VI. 317. Hanusch,
slav. Myth. S. 294. Osterwasser am Ostermorgen vor Sonnen-
aufgang unbeschrieen geschöpft, heilt alle Wunden (Panzer,
Beitrag 1. 264.), alle Krankheiten (Sommer, sächs. Sagen
I. 148. V. Hartwig, Tirol 340. Haupt, Zeitschr. III. 363.).
Auch Osterthau ist heilsam. Kuhn, norddeutsche Sagen S. 374.
Das wechselseitige Bespritzen der Jünglinge und Mädchen
mit Osterwasser, woraus ein muth williger Scherz geworden
ist, hatte wohl ursprünglich auch nur die Bedeutung eines
Segens.
Zur Ostersymbolik gehört ferner das Osterei, der Oster-
ball, der Osterfladen, alle drei von runder Gestalt, Sinnbilder
des Erdenrundes und der mit Ostern beginnenden Erdfrucht-
barkeit, aber im christlichen Sinn angewandt auf die Auf-
erstehung Christi aus dem Grabe. Das Osterei ist zunächst
Sinnbild des im Grabe verschlossenen Heilandes. Das uralte
Spiel mit Ostereiern besteht darin, dass zwei sich Begegnende
ihre buntbemalten Ostereier aneinander zerklopfen, was die
Auferstehung des Lebens aus dem Ei bedeuten soll. Oft
werden die Eier inwendig ausgehöhlt und künstliche Figür-
chen hineingebracht, das Christkind in der Krippe, kleine
Crucifixe etc. Frömmigkeit und Witz haben sich in der Be-
malung und Füllung der Ostereier bisweilen erschöpft, und
dem Zarten ist viel Geschmackloses mit untergelaufen. Aber
auch schon im Heidenthum war das Ei das sehr natürliche
und nahe liegende Sinnbild des in der winterlich harten Erde
verschlossenen Lebens, das im Frühjahr hervorbricht. Indem
- 12*
1^6 Ostern.
man die Ostereier bunt bemalte, dachte man bei der rothen
Farbe vielleicht an das Blut Christi, bei den vielen an-
dern Farben wohl aber nur an den neuen Frühlingsschmuck
der Erde, die Blumen. Vgl. über die Ostereier Schmeller,
bayr. Wörterbuch II. 244. Büsching, wöchentl. Nachrichten
I. 244. Curiositäten V. 359. Tobler, Appenzeller Sprach-
schatz 109. Das Eierlesen, der Eiertanz sind Volkslustbar-
keiten, die durch das Osterei veranlasst wurden.
Der Osterfladen ist ein grosser runder Kuchen , den man
zu Ostern bäckt und vormals auf die Berge trug, um ihn
beim Sonnenaufgang zu verzehren. W^ahrscheinlich ein Sinn-
bild der von Ostern an wieder fruchtbaren und Nahrung
bringenden Erde.
Der Osterball, mit dem Kinder und Jungfrauen zu Ostern
spielen , dürfte auch einer heidnischen Frühlingsfeier entnom-
men seyn und sich vielleicht auf den Sonnenball am Himmel
zurückführen lassen, der jetzt seinen höheren Rundlauf be-
ginnt. Vgl. Haltaus, Jahrzeitbuch S. 238. Büsching, wöchentl.
Nachrichten I. 71. Kuhn, norddeutsche Sagen S. 372.
Da Ostern der Auferstehungsmorgen des Herrn ist, so
versteht es sich von selbst , dass drei Tage vorher der Char-
freitag und fünfzig Tage nachher Pfingsten ist. Der gesammte
Oster- und Pfingstcyclus , beginnend mit der Fastenzeit,
schliesst sich an die heilige Geschichte an. Dagegen scheint
auf den grünen Donnerstag mancherlei Gebrauch und Aber-
glauben aus einem älteren heidnischen Frühlingsfest gefallen
zu seyn, bezüglich auf die ersten Gewitter, die ersten Kräuter,
die ersten Eier etc. , was hier , als nicht zur specifisch christ-
lichen Symbolik gehörig, übergangen werden muss.
Palme,
Sinnbild des Sieges schon im heidnischen Alterthum, nament-
lich bei den Römern. Mit Palmzweigen wurde der heim-
kehrende Sieger empfangen und begleitet. So wurde auch
Christus bei seinem Einzug in Jerusalem mit Palmen em-
pfangen , und der jährliche Gedächtnisstag dieses Einzuges
heisst deshalb der Palmsonntag. Durandus, rat. offic. VI. 47, 9,
verlangt , dass am Palmsonntage das Volk sich schmücke mit
Blumen, Oelzweigen und Palmen. Die Blumen sollen die
Tugenden des Heilandes bedeuten, die Oelzweige sein Amt
als Fried ebringer, die Palmen seinen Sieg über Satan. Sofern
das Fest in den ersten Frühling fällt, macht es den Sieg
der grünen Vegetation über den unfruchtbaren Winter zum
Vorbild eines höheren geistigen Sieges. Palma heisst über-
haupt die Knospe, der junge Spross, daher die sogenannten
Palmkätzchen oder Weidenblüthen , die wir im Norden am
Palmsonntag statt der echten Palme pflücken, immer doch
dasselbe bedeuten. Auf die Wiedergeburt im Frühling be-
zieht sich auch das Symbol des Phönix, welches mit dem
der Palme innig verbunden erscheint. Der Phönix nämlich,
182 Palme,
der sich selbst verbrennt und dadurch verjüngt, sitzt auf der
Palme in altchristlichen Grabgemälden der Katakomben. Vgl.
Bunsen, Beschr. von Rom I. 399. So auch auf Mosaiken
und andern christlichen Denkmälern. Boldetti p. 200. Buo^
narruoti tob, 6. 1. Bellermann, Katakomben von Neapel S.. 59.
Der Sinn ist: durch den Sieg über Tod und Hölle im Mar-
tyrium wird die Wiedergeburt im ewigen Leben erworben.
Der Palmbaum neben Christo auf Katakombenbildern bei
Aringhi I. 295 , 297. Christus selbst heisst palma hellatorum
in einer Hymne des heiligen Augustinus (bei Königsfeld, lat.
Hymnen S. 30.).
In Dante's Paradies (IX. 41.) heisst es vom Kreuze:
Palme des Sieges, die mit beiden Händen gewonnen wird
(weil palma auch die flache Hand heisst und Ciiristus mit
ausgebreiteten Armen an's Kreuz geschlagen war). Zwei
über das Kreuz gelegte Palmzweige vereinigen beide Sinn-
bilder, das Kreuz und die Palme, kommen daher sehr oft
vor. Auf einer alten christlichen Grablampe bei Aringhi I. 517.
sieht man eine Palme, über der zwei Tauben schweben und
unter der zwei Tauben sitzen, umher ein Kranz von Wein-
trauben und Oelzweigen. Dies bedeutet die Freuden des Pa-
radieses, die durch den Sieg über das Irdische errungen wer-
den sollen. Palmen in der Hand der Engel und Märtyrer
kommen in eben dieser Bedeutung unzähligemal auf christ-
lichen Bildern vor. Vgl. Munter, christl. Sinnbilder I. 31.
Papst Innozenz HI. hatte eben den heiligen Franz von Assisi
als einen Wahnsinnigen abgewiesen, als er im Traume eine
ungeheure, die ganze Welt überschattende Palme erblickte,
in welcher die Macht und der Sieg des Franziskanerordens
vorbedeutet wurde.
Hieran knüpft sich noch eine weitere Bedeutung der
Palme. Wie sie nämlich auf das Paradies oder auf den*
Himmel hinweist, so soll sie auch aus diesem stammen. Die
Araber haben ein Sprichwort: „Ehret eure Muhme, die Palme."
Dies ist so zu erklären : die Palme soll erst am sechsten Tage
Palme. 183
der Schöpfung aus der Erde gemaclit worden seyn, die von
derjenigen übrig blieb, aus welcher Gott den Adam bildete.
Sie ist also eine Schwester oder Verwandte der Menschen.
Nach einer andern muhamedanischen Sage entstand die Palme
auf der Insel Ceylon, auf welche Adam aus dem himmlischen
Paradiese heruntergefallen war, und zwar aus den Thränen,
die Adam damals aus Reue vergoss. Sie ist also ein Kind
des Menschen, den Menschen verwandt. Nach beiden Sagen
unterscheidet sich die Palme hauptsächlich dadurch von an-
dern Bäumen, dass sie mittelbar oder unmittelbar noch aus
dem Paradiese stammt. Etwas Aehnliches findet sich nun
auch in dem apokryphischen Evangelium von der Geburt
Maria und der Kindheit Jesu (20 und 21.) Hier heisst es:
;, Während einer Ruhe auf der Flucht nach Aegypten neigte
sich ein hoher Palmbaum zum Christkind herab, um ihm
seine Früchte darzubieten , und zugleich entsprang aus seiner
Wurzel eine klare Quelle. Da befahl das Cliristkind aus
Dankbarkeit einem Engel, einen Zweig dieser Palme in den
Himmel zu tragen, und hier im Himmel wuchs aus demsel-
ben Zweige ein ungeheurer Baum , die Wonne aller Heiligen,
die in den Himmel kommen.'^ Also auch hier erscheint die
Palme als einer höheren, idealen, himmlischen Vegetation '
zugehörig. Ob Raphael an jene Legende dachte, als er die
Madonna unter einer Palme malte, steht dahin. Gewiss ist,
dass Juden , Christen und Muhamedaner (wie die Buddhisten)
in ihren Visionen vom Himmel immer vorzugsweise Palmen
um die himmlischen Städte, in den himmlischen Gärten und
an den himmlischen Bächen wachsen sahen.
In den Reden von Hellsehenden (Basel 1824. S. 18.) findet
sich eine schöne Vision, die hieher gehört. Die Seherin er-
blickt eine unendliche Menge Palmen im Himmel, die alle
bestimmt sind, noch als Siegeszeichen von sterblichen Men-
schen dereinst empfangen zu werden, und die Heiligen im
Himmel fragen : Werden wir diese Menge von Palmen auch
los werden? Unter dem Namen eines himmlischen Palmen-
hains (coeleste palmatum) erschien eine Sammlung schöner alt-
184 Palme.
katholisclier Hymnen. Dass die Pfeiler im Innern gothischer
Kirchen einem Palmenhain verglichen werden, ist bekannt,
und die Kirche ist gewissermassen ein Vorbild des Paradieses,
unter deren Palmen die Frommen einst den ewigen Frieden
finden werden. — Einen ähnlichen Gedanken wollten auch
die muhamedanischen Baumeister ausdrücken, denn die hohen
Minarets mit den kleinen, in gewissen Abstufungen um die-
selben laufenden Galerieen und mit der kleinen zugespitzten
Kuppel oben sollen Palmbäume seyn mit ihren Knoten und
mit dem Palmkopf oben.
Conrad von Megenberg vergleicht in seinem Buch der
Natur (1475) die weibliche Palme mit der Jungfrau Maria.
Wie nämlich die Palme ohne unmittelbare Berührung durch
einen blossen Hauch der männlichen Blüthe befruchtet werde,
so sey auch die Madonna durch den heiligen Geist auf un-
körperliche Weise schwanger worden.
Zwei kreuzweis übereinander gelegte Palmbäume bilden
das Kreuz Christi auf einem Bild in der Kirche St. Paolo
fuori delle muri bei Rom. Ein kleiner Palmbaum mit einem
daran gehefteten Christus , als Crucifix in der Hand eines Hei-
ligen, bezeichnet den heiligen Bruno von Cöln, den Stifter
des Karthäuserordens. — An eine Palme mit den über den
Kopf gehobenen Händen angenagelt erscheint der heilige Pan-
taleon, auf andere Art angenagelt der heilige Paphnutius. —
Aus dem Halse des Bischofs ürsicinus von Ravenna sollen
nach seiner Enthauptung Palmzweige hervorgesprosst seyn.
Ein Kleid von Palmblättern bezeichnet in der christlichen
Kunst immer den heiligen Einsiedler Paulus. Aus dem Grabe
des heiligen Johannes in puteo wuchs eine fruchtreiche Palme.
Acta SS. 30. März.
Ein sehr berühmter Palmenheiliger ist St. Onuphrius.
Dieser Einsiedler in Aegypten lebte wie ein wildes Thier,
war auch ganz mit Haaren bedeckt und machte sich ein Kleid
aus Palmblättern. Dreissig Jahre lang lebte er von den Früch-
ten des Palmbaumes unter dem er seine Wohnung aufge-
Palme. 185
schlagen, dreissig weitere Jahre speisten ihn die Engel. In
sechzig Jahren sah er Niemanden, als den heiligen Paphnutius,
der ihn kurz vor seinem Tode fand und nachher begrub.
2. Juni (im 4ten Jahrhundert). Herder hat die Legende in
Verse gebracht (zur schönen Lit. VI. 41.), aber mit einer
höchst unpoetischen, platt rationalistischen Wendung, indem
er den greisen Einsiedler zu Paphnutius sagen lässt: „Eile
hinweg , Menschen sind geschaffen nur für Menschen ! ^
Schöner ist der Schlussgedanke des Gedichts. Tasso sollte
mit dem Lorbeer auf dem Capitol als Dichter gekrönt wer-
den, starb aber zuvor im Kloster St. Onufrio, in dessen
Garten eine berühmte alte Palme wuchs, und die Palme des
Heiligen gewährte ihm mehr, als der Lorbeer Apoll o's.
Ein berühmtes Bild des haarigen Einsiedlers, wie ein
Engel ihn speist, malte Schäufelein in Annaberg. Kunstbl.
1831. S. 235. Waagen, Deutschland L 196. Andere Bilder
von Dürer s. von Rettberg, Nürnberger Briefe S. 159, von
Muziano, gest. von Gort.
Auf Münzen und Siegeln findet man oft Bischöfe, Aebte,
Aebtissinnen mit Palmen in den Händen, wo an ein Mar-
tyrium nicht entfernt gedacht werden kann. Papebroch
glaubte daher, die Palme bezeuge wenigstens eine entfernte
Theilnahme ihrer Träger an den Kreuzzügen, durch Geld-
beiträge etc. Allein Reuter hat in seiner Abhandlung über
diese Art von Palmzweigen (Nürnberg 1802) nachgewiesen,
dass die Palmen auch auf Münzen und Siegeln von welt-
lichen Herren, Kaisern und Königen, getragen werden und
nichts anderes als ein Sinnbild weltlicher Gerichtsbarkeit und
Regierung sind. Schon Hergot in seiner geneal. diplom.
Habsburg. I. 100. identificirt in dieser Beziehung die Palme
mit dem baculus und der virga potestatis. Da inzwischen in
der älteren Symbolik jede Abweichung ihr besonderes Motiv
hat, so dürfte immer noch zu ermitteln übrig bleiben, ob
nicht die Palme , wenn auch immer ein Sinnbild der Gerichts-
barkeit oder Regierung, wie die Ruthe oder der Scepter,
186
Pan.
sich doch auf eine gewisse Gattung von Besitz oder Herrn-
recht insbesondere bezogen haben mag.
Pan.
Zur Zeit des Todes Jesu hörten Schiffer auf dem adria-
tischen Meere bei der Insel Paxos, unfern von Corfu, eine
Stimme rufen: „Der grosse Pan ist gestorben!'^ und ein ge-
waltiges, wie von Vielen ausgehendes Seufzen. Plutarch,
vom Verfall der Orakel 17. Pan bedeutete bei den Alten
nicht blos den Hirtengott, sondern auch, was der Name
anzeigt, das All.
Panther.
Nach dem Glauben des Mittelalters hat dieses wilde Thier
im Mai einen so süssen Wohlgeruch, dass ihm, alle andern
Thiere nachlaufen. Deshalb ist es mit der Mutter Gottes
verglichen worden, die durch den Wohlgeruch ihrer Tugen-
den die Seelen an sich zieht. W. Grimm, goldne Schmiede
S. XLV. In einem altdeutschen Thierbuch wird er aus dem-
selben Grunde mit Christo selbst verglichen. Graff, Diutiska
in. 23. In einem altdeutschen Gedicht wird er mit einem
Priester verglichen, weil er sieben Farben an sich habe, wie
der Priester an seinem Ornat. Haupt, Zeitschr. I. 120. — Bei
Daniel 7. kommt ein pantherartiges Thier vor, welches die
macedonische Monarchie bedeutet. Vgl. Bochart, hieroz. I. 789.
Züllich, Offenb. Joh. IL 187. Didron, man. 119.
Papagei.
Man glaubt gewöhnlich, der Papagei, der sich nicht
selten auf älteren Bildern der heiligen Familie findet, sey
eine blosse Spielerei der Maler, allein es knüpft sich an ihn
eine ganz bestimmte Symbolik, die Konrad von Würzburg
in seiner goldnen Schmiede, Vers 1850 f., erörtert. Wie
\
Paradies. 187
nämlich, sagt er, der Sittig (Papagei) im schönsten Gras-
grün glänzt und doch nicht wie gemeines Gras beregnet
wird, sondern sich immer trocken hält, so gebar die heilige
Jungfrau Maria uns den ewigen Frühling und blieb doch
unbefleckte Jungfrau. Dieser Papagei findet sich unter an-
dern auf einem Bild der heiligen Familie von Johann van
Eyck. Das Christkind auf dem Schooss der heiligen Mutter
spielt mit dem Vogel. Schnaase, niederl. Briefe 343. Vgl.
den Catalog des Wiener Belvedere S. 220. Auf einem Stich
Albrecht Dürers gesellen sich zum Papagei noch ein Affe
und ein Schmetterling, wohl als Sinnbilder des Teufels und
der Seele. Vgl. Heller, A. Dürer n. 2. 425. 7.
Pappelbaum,
Attribut der heiligen Gudula, wuchs an ihrem Grabe zu Harn
und ein Vogel sang in den Zweigen schön. Als aber ihre
Reliquien nach Moorssel gebracht wurden, erblickte man am
andern Morgen jenen Pappelbaum mit dem Vogel vor der
Kapelle daselbst und war er zu Ham verschwunden. Wolf,
deutsche Märchen Nr. 262.
Paradies.
Paradesa bedeutet im Sanskrit schönes Land und war
auch Name der königlichen Gärten in Persien. Der Name
dieser späteren künstlichen Paradiese wurde nun auf das ur-
sprünglich natürliche übertragen, nämlich auf den Garten in
Eden , in welchen Gott den ersten Menschen Adam versetzte
und hier das erste Weib, die Eva, aus seiner Rippe entstehen
liess. Nach dem 1. B. Mosis 2. waren viele Bäume in dem
Garten , lustig anzusehen und voll köstlicher Früchte. Auch
sammelte Gott alle Thiere um Adam, dass er ihnen Namen
gebe. Der tiefste Frieden waltete in dieser paradiesischen
Natur, und die ersten Menschen waren voll Unschuld. Der
Garten lag im Morgen (1. B. Mos. 2, 8.), er war selbst der
188 Paradies.
Morgen der ganzen Schöpfung. Es war noch keine Feindschaft
unter den Thieren , der Pardel lag friedsam bei den Böcken,
Jesaias 11, 6, der Säugling bei der Otter, das. 11, 8. Vgl.
Theophilus von Antiochien an den Autolykos II. 27. Rösler,
Bibliothek I. 237. Die Thierwelt musste den ersten Frieden
der Natur theilen. Auch wohnt ja dieser Friede heute noch
unter den Thieren auf von Menschen nie betretenen Inseln.
Weltumsegler staunten, dass sich dort die Vögel auf ihre Hand
und auf ihre Flintenläufe setzten. Vgl. Condamosta, afrikan.
Reise 1446. Die Volkssage setzt auch in einsamen Thälern
ein solches Paradies der Thiere voraus. So in den Alpen
(Otte, Schweizersagen S. 60. 149, Grimm, Mährchen I. 388.).
In der Beschreibung des Paradieses im zweiten Capitel
des ersten Buches Mosis fällt zuerst auf, dass die Bäume ohne
Regen vom blossen Thau wachsen. Man hat daraus geschlos-
sen, die Atmosphäre der Erde habe damals eine andere Be-
schaffenheit gehabt, als jetzt, und das Paradies, wie es ohne-
hin in die Zeit vor der grossen Fluth fällt, bezeichne eine
Stufe der Vegetation und Animalisation, die längst überflözt
ist. Insbesondere glaubt man, wenn in allen, auch den
eisigen Zonen der Erde jetzt noch versteinerte Pflanzen und
Thiere gefunden werden, die nur in einem tropischen Clima
fortkommen können, so beweise dies, dass die Erde ehemals
ringsum eine gleichförmigere und schwülere Atmosphäre ge-
habt habe, in welcher der Gegensatz von Trockenheit und
Regen, Kälte und Gewitter noch nicht entwickelt war; und
das würde dann mit der regenlosen Vegetation des Paradieses
übereinstimmen. Es handelt sich von einer Zeit der Sabbath-
ruhe für die ganze Natur, in der die grossen meteorologischen
Gegensätze und Prozesse noch so wenig entwickelt waren,
als ein feindlicher Gegensatz in der Thier- und Menschen-
welt hervorgetreten war.
Linne , der grosse Botaniker, hielt das Paradies für einen
Urberg, und glaubte, es sey der erste Berg gewesen, der
sich über die Gewässer, die einst die ganze Erde bedeckt,
erhoben habe, und auf ihm seyen alle Pflanzen und Thiere
Paradies. ISO
vereinigt gewesen, um sich erst nach und nach, wenn das
Wasser weiter abfloss , zu verbreiten. Sofern der Gipfel mit
Schnee bedeckt, das Ufer aber sehr heiss gewesen, hätten
sich hier auch alle Climate und Wärmegrade beisammen ge-
funden, so dass alle Arten von Thieren daselbst hätten exi-
stiren können. De telluris habitabilis incremento, 1743.
Begreiflicherweise hielt man sich an das nächste Land,
das Palästina im Osten liegt, und versetzte das Paradies nach
Mesopotamien zwischen Euphrat und Tigris (Nieremberg , hist,
nat. 498.). Bald aber glaubte man, tiefer in die indischen
Gebirge zurückgehen zu müssen, und als Bernier zum ersten-
mal das schöne Thal Kaschmir entdeckte, glaubte man dort
auch das alte Paradies gefunden zu haben, welcher Meinung
noch Herder und Eichhorn huldigten. Buttmann glaubte, es
noch weiter östlich in den Himalaja versetzen zu müssen.
Andere schoben es nach dem Westen und Norden vor,
was durchaus der Richtung widerspricht, welche die Bibel
selbst angibt, und der Natur der Sache, da nur das asiatische
Hochland den Vorzug ansprechen darf, zuerst aus der Fluth
hervorgetreten zu seyn und die ersten Bevölkerungen aus-
gesendet zu haben. De Lisle (lettre^ London 1777) sucht das
Paradies im Kaukasus, Schulthess in Syrien, Reland in Ar-
menien. Noch abentheuerlicher waren die Vermuthungen
Rudbecks, das Paradies sey in Schweden, und Hasse's, es
sey an der Ostsee in Preussen zu suchen. Sie gingen von
übertriebener Vorliebe für ihre Pleimath aus und Hessen sich
durch, einige Nachrichten der Alten von den glückseligen
Hyperboreern im Norden verleiten. Noch unlängst hat Henne
in Bern behauptet, das Paradies sey in der Schweiz gewesen
und von da aus sey das ürvolk mit der Urcultur ausgegangen.
Link in Berlin verlegte das Paradies nach Afrika, und glaubte,
die ersten Menschen seyen Neger gewesen und hätten sich
erst in den andern Welttheilen gebleicht und veredelt, wie
auch die Urschweine, Urpferde, Urrinder schwarz oder grau
seyen und erst durch die Cultur weiss oder farbig würden.
Autenrieth suchte das Paradies auf den Inseln der Südsee, eben
190 Paradies.
so willkührlicli. Columbus glaubte es an den reizenden Küsten
Südamerika's wiedergefunden zu haben.
Nachdem, wie schon Herodot meldet, in altägyptischer
Zeit Afrika umschifft worden war, und sobald man seit Ari-
stoteles die runde Gestalt der Erde aus den Mondsfinster-
nissen etc. erkannt hatte, theilte man sie in Zonen ein und
nahm demnach eine zvsreite gemässigte Zone auf der südlichen
Erdhälfte an, entsprechend der, auf welcher wir wohnen.
Eratosthenes dachte sich diese Antichthon (Gegenerde) ge-
nannte glückliche Zone als eine grosse Insel, wie auch die
damals bekannte nördliche Zone als eine In-sel im Weltmeer
angesehen wurde. Vielleicht trug man auch die Vorstellungen
von den Aethiopen und Makrobiern, welche das frühere
Heidenthum als höchst glückliche und treffliche V^esen im
tiefsten Süden gesucht hatte, auf diese Gegenerde über. Da-
her bei einigen Kirchenvätern der Glaube, dass das Paradies
im Antichthon liege. Vgl. Cosmas^ topogr. Christ. 147. Schau-
bach, Geschichte der Astronomie S. 283. und Alexander von
Humboldt , Untersuchungen über die historische Entwicklung
der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt IL 82.
Auch Dante versetzt dahin das Paradies und sagt (picrgatorio
I. 22.), Adam und Eva haben hier einst die Strahlen des
südlichen Kreuzes gesehen , was ihre Nachkommen , aus dem
Paradiese auf die andere rauhe Nordseite der Erde vertrieben,
nie mehr sehen könnten. Dante dichtet, als Lucifer, der
erstgeborne Engel, sich Gott gleichstellen wollte und deshalb
aus dem Himmel gestürzt wurde, fiel er in den Mittelpunkt
der Erde und blieb darin liegen: durch diese Erschütterung
wurden aber auf zwei entgegengesetzten Seiten der runden
Erde zwei Berge emporgehoben, auf der einen Seite der
Berg des Paradieses, auf der andern der Berg Zion. Beide
stehen sich gegenüber wie Adam dem Christus, oder wie
die Geburt der Wiedergeburt (Dante von Kopisch S. 132
zum 34sten Gesang der Hölle).
Auch in dieser schönen Allegorie bleibt das Paradies
immer noch auf der Erde, und Dante unterscheidet davon
Paradies. 191
ausdrücklich den Himmel über der Erde, hoch in den astra-
lischen Sphären. Uebrigens erklären sich die im Mittelalter
öfter in geistlichen Dichtungen wiederkehrenden „Reisen in's
Paradies" aus der Voraussetzung, man werde dasselbe jen-
seits des Meeres finden. So die berühmte Reise des heiligen
Brandanus.
Jesaias 65, 17 f. verkündet den neuen Himmel und die
neue Erde. Damit ist ausdrücklich im Gegensatz gegen das
durch Adams Fall verlorene Paradies das durch den Messias
wiedereroberte gemeint. Es ist dem ersten Paradies voll-
kommen ähnlich, wie die durch Christus gereinigte Mensch-
heit der vor dem Falle noch reinen Menschheit Adams.
Jesaias legt besondern Werth auf den wiederhergestellten
Frieden unter den Thieren; aber das bedeutet nur sinnbildlich
die wiederhergestellte Harmonie wie im Menschen selbst, so
in der ihn umgebenden Natur. Das Paradies ist nur der
Reflex der darin wohnenden sündenlosen Menschen. Des
Menschen Unschuld und innere Harmonie macht die Erde
zum Paradiese , seine innere Zerrissenheit , seine Leidenschaft
und Sünde dagegen verdunkelt sie, erzeugt in ihren Elementen
und Creaturen feindliche Gegensätze, Zerstörungstriebe und
Verderben.
Diese symbolische Auffassung des Paradieses ist die allein
richtige. Ohne sie würde die Frage nach dem Ort des ersten
Paradieses nur eine müssige seyn. Auch der Unterschied zwi-
schen dem alten Paradies auf Erden und dem künftigen Paradies
etwa über der Erde fällt für die symbolische Bedeutung weg;
denn das künftige Paradies ist nur die in Christo wiederher-
gestellte Unschuld Adams, also das wiedergewonnene oder
nur erneute alte Paradies. Es ist die neue Erde, nur weil
die alte in ihr erneuert ist. Es ist mit dem Himmel ver-
bunden, wie auch schon das erste Paradies es war, wo Gott
unmittelbar mit den Menschen verkehrte. Es ist aber volk-
reicher geworden und dem zahllosen Volk der Seligen ist
das neue Jerusalem zur Wohnung darin erbaut.
Rupert von Deutz hat die einfachste Erklärung gegeben^
193 Paradies.
indem er das Paradies mit der Kirche identificirt. Bup. Tuit.
op. p. 419. Die durch Christo geläuterte, durch Christo
geeinte , mit Gott versöhnte und auf ewig verbundene Mensch-
heit ist zugleich die Kirche und das Paradies.
Die Sehnsucht nach dem Freudenort der Gerechten und
das ästhetische Bedürfniss, alles Schöne auf das Paradies
überzutragen, hat in den bildlichen und poetischen Darstel-
lungen desselben doch zunächst immer die Vorstellung eines
schönen Gartens und jenes ersten reinen Schöpfungsmorgens
der Genesis festgehalten.
Was die malerische Ausführung betrifft, so ist die Land-
schaftsmalerei erst spät in Uebung gekommen. Vorher be-
gnügte man sich, das Paradies durch den Apfelbaum mit der
Schlange zu bezeichnen. Wie das Bild beschaffen war,
welches mit Edelsteinen in einen Teppich gestickt war, das
Paradies darstellte und zu Madain von Omar erbeutet und
zerstückt wurde , wissen wir nicht mehr (Schnaase, Geschichte
der Kunst III. 247.). Der ausgezeichnetste Maler des Para-
dieses war Johannes Breughel, von der Zartheit seiner
Pflanzengebilde der Sammetbreughel genannt. Er malte es
ausserordentlich oft und mit verschiedenen Staffagen, bald
mit der Erschaffung der Thiere, bald mit der des Adam
oder der Eva etc. Immer aber ist die Staffage Nebensache
und die Landschaft Hauptsache, die er in einem so hellen
und lachenden Lichte malt, dass dadurch die Feier und
Wonne der jungen Natur auf's Glücklichste ausgedrückt er-
scheint. Eben so glücklich vermeidet er in der grünen, über-
reichen Vegetation das Wildnissartige wie das geleckt Zierliche
einer Gartenanlage , und mischt vielmehr Wald und Blumen-
wiese in harmonischen Uebergängen. Solche Bilder findet
man von ihm in Dresden, in der Gallerie Esterhazy in
Wien, im Haag, in Pommersfelden (Waagen, Deutschland
I. 140.), in Paris (Waagen 547.), im Pallast Doria zu Rom
(Beschreibung von Rom HL 3. 551. 555. 560.). Schnaase
(niederl. Briefe S. 25) sagt sehr schön , Breughels Bilder sähen
aus, als ob das vollendete Blatt, ja der Stamm der Bäume
Paradiesi. 19g
selbst nur Knospe, nur der erste smaragdgrün emporschiessende
Trieb wären, so jugendfrisch ist Alles daran. Es ist das Bild
eines ewigen Mai's. Arnim hat in Ariels Offenbarungen
S. 163 ein artiges Sonett auf ein Paradiesesbild Breughels
in Wien gedichtet.
Unter den Italienern war es Tintoretto, der auf dem
grössten Oelbild, welches existirt, von 74 Fuss Breite und
30 Fuss Höhe , zu Venedig das Paradies zu malen unternahm.
Es ist mehr durch seine Grösse und durch den Namen des
Künstlers, als durch seinen innern Zauber ausgezeichnet.
Berühmt ist ein Bild des Paris Bordone zu Treviso (Wessen-
berg, christl. Bilder II. 337; aber in Kuglers Gesch. der
Malerei I. 318. für sehr schwach erklärt). Desgleichen ein
iigurreiches Frescobild von Milocco in der Kuppel einer Kirche
zu Turin (Miliin I. 272.).
Im Allgemeinen herrscht entweder die Landschafts - oder
die Thiermalerei vor. Dass die letztere, wenn sie die im
Paradiese versammelten Thiere in grossen Gruppen vordrängt,
einen heiligen Eindruck weniger hervorzurufen im Stande
ist, als die erstere, versteht sich von selbst. Auch weist die
Bibel den Thiermalern für ihren besondern Zweck die Arche
Noä an. Das Paradies Hesse sich wohl noch anders malen,
als es bisher von meist frühern Landschaftsmalern dargestellt
worden ist. Namentlich vermisst man noch das tropische
Element. Die vorhandenen Bilder haben alle noch zu viel
nordische Kühle und eine zu einfache Vegetation. Es ist
indess schwer , die tropische Gluth und Fülle mit dem Naiven
und Heiligen zu verbinden.
Unter den dichterischen Auffassungen des Paradieses
stehen zwei Hymnen des heiligen Augustinus oben an.
Königsfeld, Hymnen S. 22. 32. Die weitläufigste Beschrei-
bung findet man im apokryphischen Buch Henoch , aber ohne
viel Phantasie. Die üppigste und darum unwürdigste be-
liebten die Juden und Muhamedaner zu ersinnen. Diesen
Auffassungen, in denen der Himmel entweiht wird, Schau-
platz der gemeinsten sinnlichen Freuden zu werden, steht
Menzel, christl. Symbolik. II. j^3
194 Paradies.
die christliche immer würdig gegenüber, selbst wo unschul-
dige Naivetäten bei Malern oder Dichtern unterlaufen. Dante
drückt in seinem grossen Gedicht durch Alles , was in seinem
Paradiese körperlich und sinnlich wahrnehmbar erscheint,
doch immer nur Geistiges und Tugenden aus. Die altitalie-
nischen Maler deuten die schöne Landschaft auch nur mit
wenig Grün an, drücken aber das Paradiesische desto zarter
in den verklärten Mienen der Seligen aus. Signorellis schönes
Bild in Orvieto zeigt nur Engel, die über Selige Blumen
streuen. Der tiefste Gedanke, vor dem alle Erinnerungen
irdischer Freude verschwinden, und das Geistige imperatorisch
hervortritt, ist in der Lehre enthalten, nach welcher das
Schauen Gottes der Seligkeiten höchste ist.
Im Paradiese convergirt gleichsam alles Räumliche zum
Auge Gottes und wird eben so das Zeitliche wunderbar zu-
sammengedrängt. Davon die schöne Legende vom Mönch
Felix, wovon ein altdeutsches Gedicht in einer Gothaer
Handschrift. Grimm, altd. Wälder IL 70. Coloczaer, Codex
Nr. 10. Paulli, Schimpf und Ernst, 1595, Nr. 536. Genthe,
Dichtungen des Mittelalters IL 273.
Der Mönch Felix las in der heiligen Schrift (Psalm 90, 4.
2. Petri 3, 8.) , dass die Seligkeit im Himmel Alles übertreffe,
was der Menschen Auge und Ohr sich vorstellen könne;
daran zweifelnd, hörte er einen Vogel (aus dem Paradiese)
wunderherrlich singen und hörte ihm die ganze Nacht zu.
Als die Morgenglocke läutete , kehrte er in's Kloster zurück,
aber Niemand erkannte ihn, es waren hundert Jahre ver-
flossen. — Dieselbe Legende wird in Montanus, Vorzeit von
Cleve IL 257. vom Mönch Erpho im Kloster Siegburg erzählt.
Ganz dasselbe erzählt Wolf in den niederl. Sagen Nr. 148.
von einem Mönch des Klosters Afflighem. Desgleichen Cor-
nerus (chron. ad annum 834) vom jungen Grafen Bringus,
der an seinem Hochzeittage verschwand. Vgl. auch v. Schack,
dramat. Lit. d. Spanier IL 510, die Sage vom heiligen Amarus.
Derselbe schöne Gedanke wiederholt sich im Volksliede
von des Commandanten Tochter. Vgl. des Knaben Wunder-
Paradies. 195
hörn I. 64. Der Commandant von Grosswardein hatte ein
Töchterlein j Therese , die stand früh auf und pflückte Blumen
in ihres Vaters Garten. Da sie die Blumen so schön im
Thaue glänzen sah, gedachte sie: ;,Wer mag wohl der Blumen
Meister seyn, der sie so schön hat aus der Erde wachsen
lassen? ich hab' ihn so lieb, dürft' ich ihn einmal schauen!^
Ihr Vater aber verlobte sie an einen vornehmen Edelmann,
worüber sie sehr betrübt war. Da kam, als sie wieder im
Garten war, Jesus zu ihr und steckte einen Ring an ihre
Hand und sagte: „Du sollst meine Braut seyn.*' Die Jung-
frau wurde roth vor Freude, brach eine Rose ab und gab
sie ihrem himmlischen Bräutigam. Er aber führte sie an der
Hand und sprach: „Ich will dir nun auch meines Vaters
Garten zeigen.'^ Und er führte sie in's Paradies und zeigte
ihr, wie viele tausend schönere Blumen dort blühten und die
Vögel lieblich von den Bäumen sangen. Voller Freude ging
sie von Blume zu Blume und die Zeit ward ihr nicht lang.
Da sagte Jesus zu ihr: „Komm jetzt, denn ich will dich
wieder heimführen." Er begleitete sie bis vor die Stadt und
schied von ihr. Als sie an's Thor gekommen war, hielten
sie die Wächter auf, und frugen, wer sie wäre? Sie sagte,
sie sey des Commandanten Tochter. Die Wächter aber sag-
ten: „Der Commandant hat keine Tochter." Als sie vor die
Herren der Stadt gebracht wurde, sagte sie, dass sie vor
zwei Stunden erst herausgegangen wäre; aber Niemand kannte
sie, und endlich fand man in einer Schrift, dass vor hun-
dert und zwanzig Jahren eine Braut, des damaligen
Commandanten Tochter, verloren gegangen sey. Als die
Jungfrau dies hörte, ward sie bleich, wollte nicht Speise
noch Trank mehr nehmen, als allein das heilige Sakrament,
und als ihr der Priester dasselbe gereicht, verschied sie.
Büsching, Volkssagen S. 163. Bechstein erzählt im Sagen-
schatz des Thüringerlandes III. 182. dieselbe Sage von einer
Braut zu Benzhausen in Thüringen.
Nahe verwandt damit ist das schöne Volkslied von „des
Sultans Töchterlein" im Wunderhorn I. 15, etwas ausge-
13*
Id6 iParadiesvogrel.
dehnter in einem fliegenden Blatt, das Docen (Miscell. I. 267.)
wieder abdrucken liess. Hier bewundert des Sultans Tochter
einmal in ilirem Garten die Schönheit der Blumen und möchte
gern „den Meister der Blumen" kennen lernen. Da erscheint
ihr Jesus j spricht liebreich mit ihr, ladet sie in seinen himm-
lischen Garten ein und wirbt sie zur Braut. Das nämliche
Lied kommt auch in Hoffmanns horae helg. H. (altholländ.
Volksheder) Nr. 26, in Weyden, Colins Vorzeit S. 272, in
Mohnike's altschwed. Volksl. S. 205 vor. — Auch in einer
thüringischen Volkssage bei Bechstein IV. 187. ohne den
Namen Jesu. Ein Mädchen findet in der Waldschlucht bei
Schweina einen hellstrahlenden Jüngling, der sie in seinen
Garten führt und ihr einen Strauss Blumen pflückt. Heim-
kehrend, kennt sie Niemand, es sind lange, lange Jahre
vergangen, und müde schläft sie auf einem Stein für immer
ein , am Busen den Blumenstrauss von funkelnden Edelsteinen.
Den Namen Paradies erhielt die Vorhalle der Kirchen.
Hier findet man in der Regel , wenigstens in altern Kirchen,
ein Bild des Sündenfalls im Paradiese zum Spiegel für die
noch nicht Getauften oder Büssenden, die in der Vorhalle
bleiben mussten und noch nicht in's Innere der Kirche zu-
gelassen waren. Kreuser, Kirchenbau I. 123. Missbräuchlich
ist der Name auf die entferntesten Bänke im Theater, wo
der Pöbel sitzt, übergegangen.
Paradiesvogel.
Dieser von den frommen Spaniern auf Neu -Guinea ent-
deckte Vogel, der prächtigeres Gefieder als jeder andere
trägt, wurde von ihnen für unmittelbar aus dem Paradiese
stammend gehalten. Auch fabelte man, er lebe nur von
Düften, leuchte bei Nacht und fliege unaufhörlich, da er
keine Beine habe zum Sitzen. Menestreji, symb. p. 740 f.
Nieremherg , Jiist. nat. 211. Magellans Reise, v. Bürk S. 261.
Ein Symbol des paradiesischen Schwebens in ewiger Wonne.
Passions Werkzeuge. 107
Passionsblume.
Als die Spanier nach Amerika kamen, fanden sie daselbst
diese Blume und gaben ihr sogleich den Namen Passiflora
oder Passionsblume, weil auf wunderbare Weise in ihrer
Blüthe die Passionswerkzeuge dargestellt sind. Der rothge-
düpfelte Nectarienkranz gleicht dem blutigen Dornenkranze ;
die fünf Staubfäden gleichen den fünf Wundenmalen, der
Fruchtknoten dem Kelch, der Griffel der Geisselsäule , die
drei Narben den drei Nägeln, das Blatt der Lanze, die Ran-
ken der Geissei. Nach einer alten Legende soll aus dem
vom Kreuze des Heilands herabträufelnden Blute eine wun-
derbare neue Pflanze gewachsen seyn. Damit hat man nun
die Passionsblume in Verbindung gebracht. Pauline Klein in
ihren schönen Parabeln hat in diesem Sinne die Blume be-
sungen. Auch liebt man in Vignetten zu Erbauungsbüchern
die Passionsblume anzubringen, wie sie zu den Füssen des
Kreuzes an demselben hinaufrankt. In Stehlings jüngstem
Gericht S. 17 wird die Schöpfung dieser Blume sinnig der-
jenigen des Pfaues gegenübergestellt, das geistig Tiefste dem
sinnlich Schönsten.
Passionswerkzeuge:
Das Kreuz, die Leiter, die Lanze, der lange Stab mit
dem Essigschwamm, die Säule, an der Christus gegeisselt
worden, die Geissei, der Dornenkranz, der Rohrstab, der
Hammer und die drei Nägel, der heilige Rock und drei
Würfel, die Inschrift über dem Kreuz: I N R I, der Hahn
Petri , die Laterne der Schaarwache im Garten , der Leidens-
kelch des Engels. Man findet diese Erinnerungszeichen an
das Leiden Christi zuweilen nach Art der altrömischen Tro-
phäen einfach um das Kreuz her gruppirt. Die Johanniterinnen
von Toulouse trugen sie in kleinen Abbildern an Schnüre
gereiht von der Brust herabhängend. Auf vielen Bildern
198 Patriarchen.
werden sie von Engeln getragen und zwar hauptsächlich
1) in Visionen, die dem Christkind vorschweben, als Traum
des schlafenden Christkinds; häufig auch einzeln, z. B. das
Christkind betrachtet sinnend das Kreuz oder den Dornen-
kranz; 2) auf Bildern des Weltgerichts. Indem Christus als
Weltrichter thront, umgibt ihn ein Kreis von Engeln, welche
seine Passionswerkzeuge tragen, um Zeugniss zu geben vom
Erlösungswerke. So auf dem grossen Bilde des Weltgerichts
zu Danzig und oft wiederholt.
Patriarchen.
Darunter versteht man 1) die zehn Erzväter in abstei-
gender Linie von Adam und Seth bis auf Noah vor der
Sündfluth, und 2) die Erzväter von Noah und den Juden,
insbesondere von Abraham an bis Joseph. Von da an ver-
lieren sich die physischen Väter in der Menschenmenge und
nur noch die geistigen treten als Propheten in ihrer höhern
Bedeutung hervor.
Die zehn Propheten vor der Sündfluth haben einen my-
thischen, riesenhaften Charakter, sind aber als Prototypen
der Menschheit aufzufassen. In der dunkeln Geschichte dieser
zehn Patriarchen sind drei Momente festzuhalten :
1. Der titanenhafte Typus , indem schon, durch das hohe
Lebensalter der Patriarchen selbst eine grossartigere Leibes-
beschaffenheit derselben angedeutet ist, die aus der Vermi-
schung der Kinder Gottes mit den Menschentöchtern hervor-
gegangenen Wesen aber ausdrücklich die Gewaltigen hiessen.
Der jüdische Talmud und die muhamedanischen Fabeln haben
das ganze vorsündfluthliche Geschlecht zu Riesen gemacht
und unter andern einen riesenhaften Zahn, aus dem sich
Abraham später eine Bettstatt machte, für den des in der
Sündfluth mitbegrabenen Riesen Og gehalten. Ohne Zweifel
trug das Auffinden riesenhafter Thierknochen schon im hohen
Alterthum dazu bei, an ein in der Sündfluth begrabenes
Eiesengeschlecht glauben zu machen. Das 1. Buch Mosis
Patriarchen. 100
selbst deutet, wie gesagt, nur den gigantischen Typus an,
ohne besondern Werth darauf zu legen. Ihm kommt es nicht
auf das leibliche, sondern nur auf das sittliche Verhalten
jener ersten Generationen an.
2. Die Corruption. Dies ist im 1. Buche Mosis das wich-
tigste Moment, weil dadurch die nachfolgende Sündfluth
erklärt wird. Das Verderben der Menschen ist die natürliche
Folge des Sündenfalls. Der durchgehende Gedanke ist, dass
alle Erstgeburt verderben muss, und dass erst aus dem Jüngern
Geschlecht wieder der Retter und Erlöser hervorgeht. So
verdirbt der erste Mensch Adam und sein Gegenbild erscheint
erst im Erlöser Christus. Die ganze vorchristliche Zeit fällt
in die dunkle Sündenseite ; erst die nachchristliche Zeit in die
helle Seite der Erlösung. Wie das von der ganzen Welt-
geschichte gilt, so wieder im Einzelnen. Der erstgeborne
Kain verdirbt, der gute Same wird nur fortgepflanzt im
nachgebornen Seth. Die ganze erste Generation bis zur Fluth
verdirbt , und der gute Same wird nur fortgepflanzt in Noah.
In demselben Sinne ist später Esau verdorben und der jüngere
Jakob wird Erbe des Segens. Das Verderben der Erstgeburt
ist ein tief durch's ganze alte Testament durchgreifender
Gedanke.
3. Das summarische Vorbild der ganzen spätem Welt-
geschichte. Wie in einem engen Spiegel drängt sich in der
Geschichte der ersten zehn Patriarchen das ungeheure Bild
des Weltschicksals zusammen. Wenn auch nur in der kür-
zesten Andeutung ist doch Alles schon in diesem Vorbild
enthalten , was später sich in weitem Raum und langgedehnter
Zeit entfaltet. Die klugen Söhne Kains, Erfinder der Künste
und Waffen , die Bastarde von Gott und Mensch , die Gewal-
tigen der Erde, was sind sie anders, als die Vorbilder aller
spätem Cultur und aller spätem politischen Corruption? Läge
nicht dieses Vorbildliche in ihnen, so müsste man sich wun-
dern, warum sie nicht roher aufgefasst erscheinen. Wozu
die Künste in einer so frühen Zeit? Der durchgreifende
Gedanke ist , dass die Völkermassen in dieselbe Sünde fallen,
200 St. Paulus.
wie die ersten Eltern , indem sie vom Baume der Erkenntniss
essen und hochmüthig und gottlos werden durch, ihr Wissen,
durch ihren Dünkel , sie brauchten Gott nicht mehr und seyen
sich selber genug.
Die jüngeren Patriarchen von Noah und zumal von
Abraham an sind bereits in einzelnen Artikeln behandelt.
Sie vertreten theils ausschliesslich das Judenthum, wie na-
mentlich Abraham, theils gehen sie in den Prophetencharakter
über als messianische Vorbilder, wie Joseph. Die jüdischen
Patriarchen und Propheten, wozu sich auch noch die heid-
nischen Sibyllen gesellen, bilden heilige Heerschaaren des
alten Testaments und werden in diesem Sinne auf Kirchen-
bildern häufig zur linken Seite den zur rechten stehenden
Aposteln, Kirchenvätern und Heiligen gegenübergestellt, denn
das neue Testament hat immer die rechte, das alte die
linke Seite.
Zu den Sibyllen gesellte die Kirchenbildnerei des Mittel-
alters auch weibliche Patriarchinnen und Prophetinnen, die
Eva, Sarah, Rebekka, Rahel, die Mirjam, Deborah, Rahab,
Balkis (Königin vonSaba), Susanna, Ruth, Judith, Esther.
St. Paulus,
der grosse Apostel, der erst nach dem Tode Jesu sich be-
kehrte, dann aber allen andern Jüngern desselben durch seinen
feurigen Geist und grossartiges Wirken voranleuchtete. Er
war den Heiden zum Licht gesetzt, Apostelgesch. 13, 47.
Er vor Allen war Bekehrer und Erleuchter jenes unermess-
lichen Völkerkreises gebildeter und mächtiger Pleiden, die
um das kleine Palästina lagerten. Vor ihm hatte man immer
noch geglaubt, das Christenthum sey eigentlich doch nur eine
jüdische Nationalangelegenheit; selbst Petrus wollte den Be-
kehrten aus dem Heidenthum neben der Lehre des Heilands
auch noch das Gesetz des alten Testamentes aufdringen.
Paulus aber vertrat das Christenthum als Weltreligion, als
Erlösungsmittel für alle Völker, unabhängig vom Mosaismus.
y
\
I
Bt. Paulus. 201
Diesem letzteren blieb jedoch sein hoher Werth als Vorbe-
reitungsstufe für das Christenthum und als Schutzwehr gegen
die Gnosis, die als das andere Extrem des Judaismus von
der Heidenseite her die christliche Lehre zu beirren drohte.
Darum arbeiteten Paulus und Petrus , wenn auch in verschie-
denen Richtungen, dennoch einmüthig und brüderlich an
demselben heiligen Werke, und die Kirche hat ihr brüder-
liches Zusammenstehen zum Hauptsinnbild ihrer eignen Kraft
und Einheit gemacht, worin zugleich die Weltstellung der
chi^istlichen Kirche zum Judenthum und Heidenthum ausge-
drückt wird.
Nach altem, geheiligten Gebrauch der Kirche steht Paulus
rechts und Petrus links, sogar auf dem Stuhl und Siegelring
des Papstes. Molani, hist. imag. p. 304. Der Vorrang des
Paulus wird ex immortalitate hergeleitet. Petrus diente dem
noch im Leben, wandelnden Christus , Paulus dem schon auf-
erstandenen. Petrus fasste ihn mehr von seiner menschlichen,
Paulus von seiner göttlichen Seite. Durandi, rationale VH. 44. 6.
Nach des Nicephorus Kirchengeschichte, Paris 1630, L
2. 37, war Paulus klein, gebückt und kahl. Diese Schilde-
rung (vielleicht hervorgegangen aus dem Bestreben, den Geist
auf Kosten des Leibes zu preisen und den heidnischen Ge-
lüsten nach Anbetung schöner Körper keine Nahrung mehr
zu geben) entspricht dem nicht, was uns die Apostelgeschichte
von dem ritterlichen Charakter des Apostels (schon als Saulus)
meldet. Jedenfalls hat die kirchliche Kunst nur seine apo-
stolischen Eigenschaften ausgedrückt, indem sie ihn gross,
gerade und edel darstellte. Raphael in seinem berühmten
Bilde stellt ihn dar, Avie er zu Athen den Philosophen pre-
digt, auf sich selbst stehend, fest wie eine Säule und strahlend
von göttlicher Geisteskraft. Gewöhnlich geben die Künstler
diesem Apostel eine dem Heiland nicht ganz ungleiche Kopf-
bildung, gescheiteltes und rollendes Haar, einen etwas län-
geren Bart und etwas ältere Züge. Seine Attribute sind ein
Buch (das Wort Gottes) und ein Schwert. Das Schwert
deutet auf sein Martyrium , sofern er enthauptet wurde, wird
202 St. Paulus.
aber auch symbolisch bezogen auf die Kraft seines Geistes
und seiner Rede. Durandus (rat. I. 3. 16.) sagt: Mucro furor
Pauli, Über est conversio SaulL Zuweilen hat Paulus auch
zwei Schwerter, vielleicht um jenen Doppelsinn damit aus-
zudrücken , oder als Pendant zu den beiden Schlüsseln Petri.
Wie diese Schlüssel Himmel und Hölle aufschliessen , so ent-
sprechen die beiden Schwerter dem Schutz der Gerechten
und dem Schrecken der Verdammten. — Ein weiteres Attribut
des Apostels ist das vas electionis. Man findet es auf der
bronzenen Thüre der Peterskirche. Abgebildet bei Ciampini,
vet, monum. musiva, tab, 19. Paulus trägt das Schwert in der
Rechten, ein Buch in der Linken. Zu seinen Füssen rechts
aber steht ein durchsichtiges Blumengef ass , in dem man einen
kleinen Löwen als Wurzel der Blumen erblickt, die lilien-
artig hervorwachsen und auf die sich eine Taube von oben
(der heilige Geist) herabsenkt. Ciampini bezieht dieses selt-
same Sinnbild auf Apostelgesch. 9, 15, wo Gott den Apostel
sein auserlesenes Gefäss nennt. Mit Recht; doch dürfte ins-
besondere der Löwe die Kraft, die Blumen die Schönheit
und die Taube die Heiligkeit der paulinischen Beredsamkeit
bezeichnen. — Auch Wolf und Lamm kommen als paulinische
Attribute vor in den Miniaturen der Herrad von Landsberg
zu Strassburg. Sie bedeuten den Saulus vor, den Paulus
nach der Bekehrung.
Die bedeutsamsten Hauptscenen im Leben des Paulus
sind oft auf Kirchenbildern und von den grössten Meistern
gemalt worden. Vor allen seine Bekehrung, wie aus dem
wilden Christenverfolger Saulus der feurigste Apostel des
Christenthums Paulus wird. Der Tag dieser Bekehrung wird
von der Kirche besonders gefeiert am 25. Januar. Die Dar-
stellung der Scene entsprach vollkommen dem gewaltigen
Genie des Michel Angelo, auf dessen Bilde Saulus, von der
Erscheinung Christi in den Wolken und nicht von einem
gemeinen Blitze geblendet, niederstürzt. Vasari, deutsch von
Schorn und Förster V. 353. Nicht minder dem Genie des
eben so gewaltigen Rubens^ auf dessen Bilde zwar zu viele
i
St. Paulus. 20S
Figuren vorkommen, eine ganze Caravane, der allgemeine
Schrecken aber, das Zusammenstürzen von Mann und Ross
vor der Macht Gottes mit ergreifender Wahrheit dargestellt
erscheint. Vgl. Waagen, Kunst in England II. 355. Passa-
vant, Reise in England 154. Carus II. 76.
Der Bekehrung folgt die dreitägige Blindheit des Paulus
und die von Rubens gezeichnete Scene, wie ihn Teufel schlagen.
Dann die Erhebung zum Apostelamte und dessen wun-
dervolle Ausübung, unterbrochen von Leiden und Gefahren.
Unter den Bildern aus dem Leben des Apostels Paulus
sind am berühmtesten die in den Tapeten von Raphael: die
Bekehrung , Paulus im Kerker , Blendung des Elymas , Opfer
zu Lystra, Predigt zu Athen. Die letztere ist eines seiner
Meisterwerke, die Macht des Geistes und Wortes in dem
Prediger lässt sich nicht grossartiger und begeisterter auffassen.
Ygl. Passavant, England 38. Auf dem Kerkerbilde ist das
Erdbeben allegorisch dargestellt durch einen Riesen unter
der Erde.
Die Blendung des Elymas ist das Gegenbild zur Blendung
des Paulus selbst. Des ungläubigen Saulus vermeintes Besser-
wissen endet in unschädlicher Blindheit, auf dass sein Auge
hell werde, die ganze Wahrheit zu erkennen und fortan im
reinsten Lichte zu wandeln. Der vorher mit der Wahrheit
bekannte, innerhalb der Kirche heimische, aber durch Sünde
das Licht sich selber verdunkelnde Christ, der Verräther am
Christenthum wird mit ewiger Blindheit geschlagen. Das
ist der Unterschied der äussern Feinde und der Innern Ver-
räther der Kirche.
Unter den Predigtscenen ist die vornehmste die Predigt
zu Athen in dem schon erwähnten bewunderungswürdigen
Bilde von Raphael. Das ist das Gegenbild zu der Predigt
des Knaben Jesu unter den Pharisäern und Schriftgelehrten
im Tempel zu Jerusalem. Denn es ist der Areopagus, es
ist eine Versammlung der erfahrensten und geistreichsten
Hellenen, es ist die Blüthe der antiken heidnischen Weisen,
vor denen der Apostel zum erstenmal das neue Heil verkündet.
^04 St. Paulus.
Im Tempel zu Jerusalem waren es die Weisen des alten
Gesetzes, hier sind es die der classischen Vorwelt. Wie
aber die Juden schon im alten Testament die Messiasidee , so
hatten jene gelehrten Heiden in Athen wenigstens ,jden Altar
des unbekannten Gottes'% in dessen Errichtung eine dunkle
Ahnung eines erst künftig zu verkündenden Gottes lag, vor
dem alle andern verschwinden sollten. Dieses Altars gedenkt
auch Tansanias , Attika I. 1. Philostratos im Leben des
Apollonius VI. 2. Lukian, Philopatris 13. — Der Maler
Lesueur malte die zweite unter den berühmten Predigten
des Paulus, die zu Ephesus, die so gewaltig war, dass die
Philosophen selber die Bücher ihrer falschen Weisheit her-
beischleppten und verbrannten.
Das Gegenbild dazu ist die Predigt des Paulus und Bar-
nabas zu Lystra und das Opfer, welches ihnen die Heiden
daselbst bringen wollten, indem sie Götter in ihnen sahen
und sie als Götter anbeteten. Hier ist der Unterschied
des Christengottes von den Heidengöttern am schärfsten aus-
gedrückt. Diese Scene aber ist wieder ein Abbild der Ver-
suchung Christi durch den Teufel in der Wüste. Der Teufel
zeigt dem Heiland die Herrlichkeit der Welt , damit er durch
sie geblendet werde, von Gott abzufallen, wie Lucifer. Die
Heiden thun unbewusst und in gutem Willen, nur in ihrer
alten Täuschung befangen, etwas Aehnliches, indem sie heid-
nische Ehren auf christliche Apostel häufen.
Unter den Leidensscenen , die der Apostel erlebte , steht
oben an die Befreiung aus dem Kerker durch das Erdbeben,
eines der erhabensten Wunder in der Apostelgeschichte. Die
Tiefe der Erde selbst sträubt sich gleichsam, den Mann
Gottes in ihre unterirdischen Kerker, in ihr finsteres Gestein
aufzunehmen, ihn, der dem hohen Himmel angehört. Das
Gegenbild dazu ist daher die Entzückung des Paulus bis in
den dritten Plimmel. Poussin hat diese Erhebung in den
Himmel sehr schön und wundervoll in einem Gemälde dar-
gestellt. Drei grosse Engel tragen den Heiligen wie im Sturm
empor. Landon^ annales II. 72.
Pax. 205
Die Begebenheit auf der Insel Malta gehört ebenfalls zu
den am häufigsten gemalten Kirchenbildern aus dem Leben
des Paulus. Eine Schlange hing sich an ihn. Man sah das
als einen Beweis an, dass er ein Mörder seyn müsse, den
die Rache der Götter verfolge, weil er, kaum dem Schiffbruch
entronnen , von einem giftigen Thiere angefallen werde. Aber
er schleuderte die Schlange in's Feuer und blieb unversehrt.
Siegreich schreitet der Heilige aus der Umdrohung von Tod
und Teufel her. Weder die Tiefe des Meeres, noch die
Schlangen der Tiefe können ihm, dessen Heimath die obere
Welt des Lichtes ist , wehe thun , und die Thorheit und Ver-
leumdung der blinden Menge wird beschämt. Ein Sinnbild
zum Trost aller Gerechten in grossen und kleinen Gefahren
und unter den Vorurtheilen des Haufens. — Man zeigt noch
die Höhle auf der Insel Malta, wo Paulus das Wunder voll-
brachte, und kleine Steine, die hier gefunden werden und
von denen das Volk glaubt, sie helfen gegen Schlangenbiss.
Ein apokryphisches Buch von den Thaten des Paulus
hat schon Eusebius als falsch verworfen. Eben so hat man
ihm fälschlich einen Briefwechsel mit dem römischen Philo-
sophen Seneca angedichtet (Rösler, Bibliothek d. Kirchen-
väter IV. 372.). Endlich auch eine Offenbarung (wie die des
Johannes) und eine Vision, die aus jener entlehnt scheint
und im Uten Jahrhundert im südlichen Frankreich verfasst
wurde. Paulus macht hier, wie Dante, eine Reise durch
Himmel und Hölle. Es zeugt, besonders in den Höllen-
scenen, von sehr lebendiger Phantasie, weshalb es Ozanam
in s. Dante S. 317 hat abdrucken lassen.
Pax,
eine kleine, meist silberne Metallplatte, die der Messe lesende
Priester unter dem agnios Dei küsst und dann dem Admini-
stranten mit den Worten pax tecum gleichfalls zum Kusse
reicht, wird nicht wie das Agnus Dei mit dem Lamme, son-
dern mit verschiedenen andern Darstellungen geschmückt, bald
206 Pech.
in Kelief , bald in Email , bald in Niello. Eine Pax mit einer
berühmten Krönung Maria von Maso Finiguerra wird im Mu-
seum zu Florenz gezeigt. Vgl. Waagen, Kunst in England
I. 130.
Pech,
ein Material der irdischen und höllischen Martern, und ge-
wissermassen dem Teufel verwandt durch die Schwärze und
durch das zähe Ankleben. Der heilige Vitus wurde in einem
Pechkessel gesotten, aus dem heraus er aber fromm und
lieblich sang. St. Potamynäa, eine durch ihre körperliche
Schönheit berühmte Jungfrau, wurde im 3ten Jahrhundert
als Christin gemartert und ward ganz langsam Zoll bei Zoll
in einen Kessel voll siedenden Peches getaucht. Eusebius,
Kirchengesch. VI. 5. 7. Juni.
St. Amantius, Bischof von Kodez (f 825), verwandelte
gestohlenen Honig in Pech, und als er dem Eigenthümer
zurückgegeben war, wieder in Honig. Surius zum 4. No-
vember. Das Pech wird hier dem Honig entgegengesetzt,
wie höllisches Element dem himmlischen. In deutschen Volks-
sagen und Kindermärchen bildet dagegen Gold den Gegensatz
zu Pech. Die Kinder kommen durch ein Goldthor in den
Himmel, durph ein Pechthor in die Hölle. Oder das gute
Kind bekommt ein Goldkleid, das böse ein Pechkleid.
Pelikan,
der bekannte Vogel, der, die Mitte haltend zwischen Schwan
und Storch, im Wasser lebt und sich von Fischen nährt,
daher seine weisse Brust zuweilen von Fischblut geröthet ist.
Diese Thatsache erhielt eine poetische Deutung. Nach Epi-
phanius, Physiologus 8, tödtet das Weibchen ihre Jungen
durch ihre Liebkosungen, das Männchen aber kommt dazu,
reisst sich mit dem Schnabel die eigne Brust auf und lässt
sein Blut auf die todten Jungen rinnen, die dadurch wieder
lebendig werden. Vgl. Isidorusj etymol. XII. 7. St. Augu-
¥
Perle. S07
stinus zum lOlsten Psalm, den von Tychsen herausg. Phy^
siologus Syrus, Eustathius etc. Man findet die älteren Quel-
len beisammen in Bocharti hieroz. 11. 301. Vgl. den alt-
deutschen Physiologus in der Massmann'schen Ausgabe der
Quedlinburger Nationalbibliothek III. 322. und viele andere
altdeutsche Schriftquellen, gesammelt in Grimms Vridanc
S. LXXXV. Die Quellen weichen nur darin ab, dass in
einigen das Weibchen, und nicht das Männchen, die Gross-
muth übt , und den Jungen Schuld gegeben wird , sie hätten
das Männchen vorher getödtet. Diese Abweichungen sind
Nebensache. Die Hauptsache ist die symbolische Anwendung.
Schon die Kirchenväter nämlich und nachher das ganze christ-
liche Mittelalter erkannte in dem Pelikan, der sein Blut ver-
giesst für seine Jungen, ein Symbol des Heilandes am Kreuz.
So auch Dante in s. Paradiese 25, 38.
In diesem Sinne ist der Pelikan auch unzähligemal auf
Kirchenbildern angebracht worden. Vgl. Piper, Mythologie
der christl. Kunst I. 463. Twiningj symb. pl. 21. 22. 89. Auch
auf dem berühmten Genter Altar, im Freiburger Münster etc.
Nach Loretto wurde ein Pelikan von Gold gestiftet, dessen
Blut durch Rubinen bezeichnet ist. Keyssler , Reise S. 895.
Perle,
das kösthchste Kleinod, daher Sinnbild der Seligkeit, die
mehr werth ist als alle Schätze der Erde. Gleichniss vom
Kaufmann, der Alles hingab um eine Perle. Matth. 13, 45.
Angewandt in der Legende von Barlaam und Josaphat. Der
reiche König Indiens, Josaphat, zeigt dem heiligen Barlaam
alle seine Schätze; dieser aber weist auf Christus hin, als auf
die Perle , die alle diese Schätze aufwiegt. Auf griechischen
Bildern dargestellt, Didron, man. p. 209. Die Perle bedeutet
auch das Wort Gottes und alles Heilige, daher bei Matth. 7, 6.
geboten wird; „Du sollst die Perle nicht vor die Säue
werfen."
Schon die Alten glaubten, die Perle entstehe durch den
208 Perseus.
Thau vom Himmel, welchen die Muschel, aus dem Meer
emporsteigend und über der Oberfläche des Wassers sich öff-
nend, im Mondschein empfange (Ammian. Marcellinus 23, 6.),
oder durch Wirkung des Blitzes (Tzetzes, chil. XI. 375.)? oder
durch einen Regentropfen nach arabischem Glauben bei Bo-
chart, hieroz. IL 681. Man wandte den Umstand, dass die
Muschel, obgleich im Wasser lebend, doch unberührt vom
Wasser durch himmlischen Einfluss die Perle empfange, auf
die unbefleckte Empfängniss Maria an. PicineUij mundus
symb. 442.
Die Perle ist bei den Muhamedanern ein Sinnbild be-
lohnter Demuth. Ein Regentropfen fiel in's Meer und ver-
glich demüthig seine Kleinheit mit der Unermesslichkeit des
Ozeans. Da bewirkte Gott, dass das Tröpfchen in eine
Muschel fiel und eine kostbare Perle wurde. Saadi. Nach
einer andern muhamedanischen Legende sind die Perlen aus
Eva's Reuethränen entstanden. — Thomas von Canterbury
trug einmal Brosamen den Armen zu; als ihm der König
begegnete und nachsah, was er trage, waren die Brosamen
in Perlen verwandelt. Corneri chron. ad annum 1171 bei
Eccard IL 745.
P e r s e u s ,
der mythische Heros, der die gefesselte Andromeda, Tochter
des Kepheus, befreite, und die Alles zu Stein verwandelnde
Medusa tödtete, wird in einem Auto des Calderon mit Christus
verglichen, Andromeda mit der menschlichen Seele, Phineus
(Bruder des Kepheus) mit dem Teufel, die Medusa mit
dem Tode.
Pest
gehört unter die ägyptischen Plagen, als göttHche Strafe,
bedeutet aber auch das Wehe der irdischen Welt überhaupt,
im Gegensatz gegen die Gesundheit, die uns erst in der bes-
sern Welt zu Theil werden soll. Denn die irdische Welt ist
t>est. 209
durch Sünde verpestet. Durch die erste Sünde kam die erste
Krankheit und der Tod in die Weh. In diesem Sinne ist der
arme Lazarus im Evangelium eine Personihcation der leidenden
Menschheit überhaupt, desgleichen der kranke Hiob auf dem
Mist. Andrerseits aber ist auch wieder der hülfreiche Pfleger
und Arzt in der Pest ein Nachfolger des Welterlösers. Zu
diesen gehören vorzugsweise die beiden grossen Pestheiligen,
St. ßochus und St. Karl Borromäus.
St. Rochus, zu Montpellier im 13ten Jahrhundert ge-
boren, hatte schon bei der Geburt ein rothes Kreuz auf der
Brust und hielt die Fasten an der Mutterbrust. Zwanzig
Jahre alt, kam er nach Italien, diente in einem Hospital und
zeichnete sich durch Pflege der Pestkranken aus, von denen
er nicht nur nicht angesteckt wurde, sondern die er durch
Berührung und Gebet heilte. Dann diente er in Rom selbst;
hier aber überfiel ihn die Pest; man warf ihn vor die Thür,
er kroch fort bis zu einer Bauernhütte, und lebte hier, von
Allen verlassen, ausser von einem treuen Hunde, der ihm
täglich ein Brodt brachte. Als er geheilt war, warf man
ihn, indem man ihn für einen Spion hielt, in den Kerker.
Hier starb er und verrieth seine Heihgkeit durch einen Glanz,
der sich von ihm verbreitete. 16. August 1327. Man betet
zu ihm zur Pestzeit. Lat. Hymnen s. Coeleste palmetum p. 492.
Ein Spottgebet an ihn, von einem Ehemann, der ihn bittet,
ihn auch von der Pest, d. h. einem bösen Weibe, zu befreien,
von Francesco di Lemene. Ital. Anthologie II. 110. Die
Eochuscapelle bei Bingen. Im Campanerthal in den Pyre-
näen zeigt man noch jetzt einen Epheu, den der Heilige ge-
pflanzt haben soll, und von dem sich die Wallfahrer Blätter
pflücken. W. von E., Reise I. 149.
In Hospitälern ist er oft als Patron gemalt. Immer im
Pilgerkleide, Pilgerhut und Stab, von einem Hündchen be-
gleitet, das ein Brodt trägt. Bilder aus seiner Legende in
der Jakobskirche zu Antwerpen. Burckhardt, belg. Städte
S. 90, und von Abel Pugol in S. Sulpice zu Paris. Wie
er die Madonna um Abwendung der Pest knieend anfleht,
Menzel, christl. Symbolik. IL 14
Sic JPesi
malte David zu Marseille und Annibal Caracci in England.
Passavant 270. Wie er für die Kranken betet, malte auch
Rubens zu Aalst. Wie er die Pestkranken pflegt und heilt,
malte Procaccini in Dresden , Tintoretto in der Gallerie Lich-
tenstein. Mit zwei Kjndern malte ihn Andrea del Sarto in
Florenz. Wie er Almosen austheilt, Annibal Caracci in
Dresden.
Wie der Hund seine Wunde leckt, malte Spagnoletto im
Escm-ial; mit dem Hunde in einer schönen Landschaft malte
ihn auch Mostaert, gest. von Sadeler. Wie ein Engel seine
Wunde heilt, malte Schiedone im Pallast Doria und Annibal
Caracci in England (Passavant 204. 271.). Ein unziemliches
Bild dagegen malte Tintoretto, nämlich die Ankunft des
Heiligen im Himmel, wo Gott Vater selbst ihn umarmt. Va-
sari V. 60.
ßorromeo ist eine alte, am Lago maggiore begüterte
Familie, von welcher die Inseln dieses See's die borromeischen
heissen, die durch ihre Schönheit so berühmte Isola bella und
Isola madre. Der berühmteste des Geschlechts war Carlo
Borromeo, Erzbischof von Mailand und Cardinal (f 1584),
ausgezeichnet durch seine frommen Stiftungen, durch den
Edelmuth, mit dem er bei der grossen Pest in Mailand per-
sönlich Hülfe und Trost ertheilte und keine Gefahr scheute,
durch strengsten Lebenswandel und Kasteiungen etc. , haupt-
sächlich aber durch den unermüdlichen Eifer und die Art
und Weise , mit denen er der Reformation entgegenarbeitete,
indem er der katholischen Welt die Tugend und strenge Sitt-
lichkeit zurückgeben wollte, deren lüderHche Verscherzung
die Reformation hervorgerufen hatte. Nach der Volkssage
bannte er die Pest in eine Marmorsäule zu Mailand, wo sie
noch jetzt an einer Beule zu sehen ist. Keyssler, Reise S. 279.
— Im Dom zu Mailand ist ihm eine prächtige Grabkapelle
errichtet mit silbernen BasreHefs, die sein Leben darstellen.
Vgl. MilUn, Lombardie I. 82 f. Zu Arona am Ufer des Lago
maggiore steht seine Statue von Erz und Erzplatten, ß6 Fuss
hoch, das Piedestal 46 Fuss, zusammen 112 Fuss. Miliin
St. Petrus. SU
I. 478. Wie er die Pestkranken tröstet, ist sehr oft gemalt
worden. — Unter den Dichtern hat Manzoni in s. promessi
suosi ein sehr ideales Bild von dem Heiligen entworfen. Auch
in Eousseau's Legenden S. 55 wird sein Edelmuth besungen,
und von Pyrker.
In einer Pest findet auch die berühmte Prozession von
Echternach ihre Erklärung. St. Willibrord, ein Angelsachse,
kam im 8ten Jahrhundert nach den Niederlanden und wurde
Bischof von Mastricht. Er ist Apostel der Friesen. Zu Ech-
ternach bei Trier ist er begraben, 7. November. Bis auf
diesen Tag wird zu seinem Grabe gewallfahrtet, und zwar
im Tanz, indem die Pilger einander anstossen und je zwei
Schritte vorwärts und wieder einen hinter sich springen. Nach
den Mem. de V acad. celtique III. 454. und Bertholet, hist. de
Luxembourg II. 177, rührt die Sitte aus einer grossen Pest-
zeit her, in der die Menschen von Tanzwuth befallen wur-
den (der St. Veitstanz im 14ten Jahrhundert), welche nirgends
als an diesem Grabe geheilt werden konnte. Noch jetzt wie-
derholen die katholischen Gemeinden der Eifel unter ihren
Pfarrern, jede mit ihrer Fahne, den feierlichen Tanz.
Petersilie.
Als die schöne und fromme Nonne Maria Coronel den
Nachstellungen des üppigen Königs Pedro von CastiUen entfloh
und sich , nur leicht mit Erde zugedeckt , im Garten verbarg,
grünte aus dieser Erde durch ein Wunder so dicht und
reichHch Petersilie, dass des Königs Bücke getäuscht wurden.
P. Abraham, Judas 11. 93.
St. Petrus,
Fürst der Apostel, zorniger Eiferer, der dem Malchus das
Ohr abhaut, Gründer der Kirche, Führer der Schlüssel,
Wächter am Thore des neuen Jerusalem, ist dieser grosse
Apostel das irdische Nachbild des Engelf ürsten Michael , des
14*
^12 St. Petrus.
kriegerischen Erzengels, der den Drachen überwindet, der
den Abgrund verschHesst und das Paradies bewacht. Vgl.
Durandi, rationale VII. 12.
Und doch ist derselbe Apostelfürst auch wieder Träger
des specifisch Menschlichen. Denn wie er trutziger als an-
dere Apostel ist, so auch wieder verzagter nach dem Spruch:
„Des Menschen Herz ist ein trutzig und verzagtes Ding."
Nur in ihm, der da sündigt und bereut, der da schwach ist
und kleingläubig und doch wieder stärker als Andere und treu
bis zum Tode, stellte die menschheitliche oder volksthümliche
Seite der Kirche sich dar, die, von unten her, den Geist von
oben empfängt. Darum ist er nicht trotz seiner Schwächen,
sondern kraft derselben Fürst der sichtbaren Kirche auf
Erden. Nicht das Hirn im Kopfe, sondern das Herz in der
Brust ist ausersehen zum Grundstein des Tempels. Weil
Petrus schwach genug war, sagt Durandus VII. 8. sehr schön,
Gott dreimal zu verläugnen, war er auch stark genug, die
Herrschaft seiner Kirche über drei Welttheile zu erstrecken, was
durch die ihm gewidmeten drei Jahresfeste bezeichnet wird.
Petra heisst auf griechisch der Fels. Darum sprach
Christus: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen Avill ich
meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle sollen sie
nicht überwältigen. Und will dir des Himmelreichs Schlüssel
geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im
Himmel gebunden seyn, und Alles, was du auf Erden lösen
wirst, soll auch im Himmel los seyn." Matth. 16, 18. So
hoher Ehren erklärte der Herr den für würdig, der sich klein-
gläubig erwies, als er zu ihm über das Meer schreiten sollte,
der sich gegen Malchus im Zorn übereilte, der den Herrn
dreimal verläugnete, der einschlief, als er für den Herrn
wachen sollte, der lange von einem irdischen Reich des Herrn
träumte und lange nicht begreifen konnte, es sey nicht von
dieser Welt, der endlich auch nach dem Tode des Heilandes
noch im Widerspruch mit Paulus die starren Satzungen des
Judenthums festhalten wollte. Alle diese Fehler und Mensch-
lichkeiten hielten den Herrn nicht ab , gerade Petro das Amt
St. Petrus. 213
der Schlüssel anzuvertrauen und gerade auf ihn seine Kirche
zu gründen. Der Sinn ist: Da ihr Alle Menschen seyd und
Engel nicht zu seyn vermöget (sind doch auch Engel gefallen I),
so wollet ihr Alle, die ihr Christen seyd, Priester und Laien,
jenem wahren Menschen Petro gleichen, dann w^erdet ihr genug
gethan haben. Vermöget ihr die Schwächen der Menschen
nicht abzulegen, so reiniget euch durch Reue und Busse.
So war Petrus ein ganzer Mensch, voll Fehler, aber doch
stets bereit, sich zu bessern, und voll Muth zum Guten. Und
so repräsentirt er die gesammte Christenheit, sonderlich der
tapfern abendländischen Völker, deren erster Hirt er seyn
sollte. Keine himmlische Reinheit ansprechend, war er seiner
menschlichen Schwäche bei aller Kraft sich wohl bewusst und
demüthigte sich. Daher Hegt es auch noch im Geist seiner
Kirche, nicht sowohl mit Engelsreinheit zu prahlen, als Sün-
den zu vergeben.
Im Mittelalter wurde diese menschliche Seite des Apostel-
fürsten klar erkannt und sinnig hervorgehoben. Seit der
Reformation haben sich in einem gewissen eiteln Dünkel
Viele von ihm abgewendet, als wenn er blos eine judaistische
Auffassung des Christenthums gegenüber der reineren des
Paulus vertreten hätte. Ueberhaupt hat man einen Riss
zwischen diesen beiden grossen Aposteln gemacht, nachdem
die Kirche vorher mit besserm Recht ihre Brüderlichkeit,
wechselseitige Ergänzung und Unzertrennlichkeit festgestellt
und ihr Gedächtniss am gleichen Tage zu feiern geboten
hatte.
Um den Gegensatz zwischen Petrus und Paulus richtig
zu würdigen, ist nothwendig, einen andern Gegensatz, den
zwischen Petrus und Simon Magus, in's Auge zu fassen.
Indem Petrus die Strenfye und Aeusserlichkeit des mosaischen
Gesetzes nicht ganz aufgeben wollte, war dies nicht Eng-
herzigkeit oder Verstocktheit, sondern er wurde dazu aufge-
fordert durch eine Uebertreibung auf der anderen Seite. Die
Heidenchristen nämlich theilten sich in solche, die ihre alt-
heidnische Bildungiin frommer Hingebung ganz vom Christ-
214 St. Petrus.
liehen Geist durchdringen Hessen , und in solche , die in Kraft
ihrer heidnischen Bildung das Christenthum, wenn sie es auch
aufnahmen, eigenmächtig umzubilden und mehr oder weniger
zu paganisiren trachteten. War nun Paulus vorzugsweise
der Apostel jener erstgenannten bessern Heidenchristen, so
trat dagegen Simon Magus als Vertreter der zuletzt Gerann-
ten auf, und dürfte daher auch, wie geschehen ist, wenn er
auch nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit den spä-
teren Gnostikern steht, doch als Vater der Gnosis aufgefasst
werden, als derjenigen Tendenz im Christenthum, die notorisch
zum Heidenthum reagirte. Gegen diese Tendenz aber waren
begreiflicherweise die Judenchristen zunächst berufen, zu pro-
testiren. Sollte nicht die christliche Lehre in gnostischen
Mythus, die christliche Praxis in theatralische Magie aufge-
löst werden, so musste daran erinnert werden, dass beide in
Moses und den Propheten wurzeln. Deshalb ist es nach der
Apostelgeschichte gerade Petrus, der den Zauberer Simon
bekämpft und überwindet.
Petrus steht auf Kirchenbildern immer links, Paulus
rechts. Petrus zeigt eine kürzere, gedrungenere Gestalt,
Paulus eine längere , idealere. Jener hat krauses Haar
(krauses Haar, krauser Sinn), seit dem Ende des Mittelalters
wurde er ältlicher und mit einer Glatze gemalt. Paulus hat
schlichtes Haar und einen längeren Bart. Petrus verräth in
seinen Mienen verschlossenen Zorn, Paulus ist sanfter. Jener
trägt seine ganze Menschlichkeit zur Schau, dieser erhebt
sich höher. Petrus ist auch als Apostel noch immer ein
Fischer, Paulus hat etwas von einem Redner und Gelehrten.
Vgl. den petrinischen Typus nach Nicephorus Calixtus, wie
er den Kirchenbildern zu Grunde gelegt wurde, bei Didron,
man. p. 300: Petrus non crassa corporis statura fuit, sed me-
diocri; capilli crispi et densi^ oculi quasi sanguine respersi et
nigri, super cilia suhlata. Nasus non in acumen desinens, sed
pressus imusque magis.
Den kahlen Kopf, den Petrus übrigens erst in späteren
Bildern, nicht in den ältesten, erhalten hat, suchte man sym-
St. Petrus. 215
bolisch zu deuten. Der altrömische Janus, von dem der
Monat Januar den Namen hat, stand gleichsam an der Pforte
(janua) des Jahres, eben so wie Petrus an der Pforte des
Himmels, dessen Schlüssel er führt. In dieselbe Zeit der
Wintermitte fielen die Saturnalien, das Fest des kahlen Sa-
turnus. Im Winter ist die Erde selber kahl. Man glaubte
daher, auf den heiligen Petrus sey im Kalender übertragen
worden, was vorher von Saturn und Janus gegolten habe,
wie denn Petrus mit Paulus vereint allerdings die ersten bei-
den Jahresmonate beherrscht. Aber gerade die späteren Maler,
die den heiligen Petrus kahl malten, haben schwerlich an
eine Vergleichung mit Saturnus gedacht, sondern mehr die
Tonsur, als das allgemeine Kennzeichen des Priesterstandes,
im Sinne gehabt, wie sie denn auch den Abel in der Tonsur
malten.
Attribute des heiligen Petrus sind: 1) die beiden Schlüssel
des Himmels und der Erde, wozu auf älteren Bildern zu-
weilen noch ein dritter für die Hölle kommt. Vgl. d. Art.
Schlüssel. Diese Schlüssel sind Attribute aller Nachfolger
Petri auf dem römischen Stuhle geblieben, wie der Felsen
Sinnbild der Kirche. Als Vorgänger der Päpste erscheint
Petrus selbst zuweilen im päpstlichen Ornat mit dreifacher
Krone. So auf einem alten Bilde in Köln. Kunstbl. 1841.
S. 50. 2) Der Hahn. Derselbe kennzeichnet den Petrus
schon auf den ältesten Katakombenbildern, nach Matthäus
26, 75: „Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich drei-
mal verläugnen."
Die am meisten charakteristischen Situationen, in denen
Petrus auf Kirchenbildern erscheint, sind ferner: 1) der Fisch-
zug. Petrus hat lange vergebens gefischt, da heisst ihn der
Herr sein Netz noch einmal auswerfen und es wird übervoll
von Fischen. Damit ist gemeint: eigne Kraft thut's nicht,
was ihr vermöget, das vermöget ihr allein durch den Herrn.
Unter den Fischen aber sind Seelen gemeint, die durch die
heihge Taufe gerettet werden. 2) Das Wandeln über Meer.
Petrus geht aus dem Schiff dem über das Meer wandelnden
216 St. Petrus.
Heiland entgegen, sinkt aber unter, weil er zweifelt, und die
Hand des Herrn nur kann ihn retten. Darunter ist wieder
die Unzulänglichkeit des Menschen verstanden, dem Gott
allein die Stärke verleiht. Sofern aber das Schiff die Kirche
bedeutet, wird hier das Verhältniss des Herrn zur sichtbaren
Kirche und ihren Lenkern sehr deutlich bezeichnet. — 3) Die
Befreiung des gefangenen Petrus durch einen lichten Engel
aus Kerkernacht und Ketten. Vorbild der Befreiuns: der
Kirche aus dem Heidenthum, und jedes frommen Christen
aus der Qual des Lebens. Baphael malte diese Scene in den
Stanzen im Vatican an die Wand unterhalb eines Fensters,
also im ungünstigsten Schatten, aber mit solcher Meisterschaft,
dass der Lichteffect der Engelserscheinung seine volle Wir-
kung behält. — 4) Die Fusswaschung. Petrus allein will
sich vom Herrn nicht die Füsse waschen lassen, missver-
stehend die Liebe als zu weit getriebene Selbsterniedrigung.
Damit wird aller menschliche Hochmuth auf's Tiefste be-
schämt und sonderlich der Stolz des Priesterthums zur wah-
ren Demuth hingewiesen. — 5) Die verkehrte Kreuzigung
Petri. Nach alter Tradition bat Petrus, als er gekreuzigt
werden sollte, man möge ihn kopfunter kreuzigen, ,weil er
sich für unwürdig hielt, aufrecht wie der Heiland selbst zu
sterben. Diese letzte Demuth im Sterben bewies, wie tief
ihn jede Anwandlung von Stolz reute, dem er sich hin-
gegeben.
In der Peterskirche zu Rom, der nach ihm benannten
grossen Mutterkirche des Abendlandes, befindet sich als Re-
liquie sein Stuhl (von antiker Arbeit) in einem Ueberzug von
vergoldeter Bronze. Daher heisst der päpstliche Thron der
Stuhl Petri. Petri Stuhlfeier am 18. Februar bezieht sich da-
gegen auf den Bischofssitz des Apostels zu Antiochia. — Auch
die Ketten, mit denen Petrus im Kerker gefesselt war, sind
in Rom (in der Kirche S. Pietro in vincoli) aufbewahrt und
ist ihnen am 1. August ein Fest gewidmet, Petri Kettenfeier.
Beschreibung von Rom HL 2. 235. Sein Hauptfest ist aber
seine und Pauli Todesfeier , 29. Juni, An diesem Tage wird
Pfau. 217
seine sehr alte Statue in der Peterskirche festlich geschmückt.
V. Martens, Italien II. 575. Ein besonderes Heiligthum hat
er zu S. Pietro in grado, wo er zuerst den italienischen Bo-
den betrat, und in S. Pietro in montorio, wo er gekreuzigt
wurde. Beschreibung von Rom III. 3. 619.
In Venedig heisst ein Fisch 'pasce san Piero (Zeus Faber^
Linne) , weil er schwarze Flecken hat. Es sollen die Spuren
der Finger des Apostels seyn, der in dem Fische den Zins-
o-roschen örefunden und ihn dann wieder in's Meer sreworfen.
V. Martens, Italien II. 366.
Pfau,
Sinnbild der Unsterblichkeit, weil sein Fleisch unverweslich
bleiben soll. Augustinus, de civit. Dei 21, 4. Deshalb sehr
oft auf altchristlichen Gräbern angebracht. Aringhi II. 59.
287. 303. 317. Botlari I. 52. Mit dem Lamme verbunden,
Aringhi II. 328. Boldetti 36. Mit dem Kreuz, d' Agincourt,
tab. 6. Auf der Weltkugel , BottariUl. 184. Twining, symh.
pl. 21. Aus einem Becher trinkend (Unsterblichkeit, gewonnen
durch das Blut Christi), das. pL 88. Ein sehr grosser rad-
schlagender Pfau an die Wand eines Grabgewölbes gemalt,
welches voller Todtenköpfe hängt. Bellermann , Katakomben
von Neapel tab. 2. Wenn nach Munter, christl. Sinnbilder 92,
die Thomaschristen in Asien einen Pfau auf dem Kreuz zum
Sinnbild hatten , so kann der Pfau hier auch als Sinnbild von
Indien gelten, wo er herstammt. Man hat in den bunten
Federn des Pfau's ein Sinnbild und eine Verheissung des
ewigen Frühlings sehen wollen, was viel zu gesucht ist.
Conrad von Megenberg im Buch der Natur s. v., sieht
im Pfau das Sinnbild eines Bischofs. Die saphirne Brust
soll den Glauben bedeuten ; der Schweif stellt die Unterthanen
vor; dass er jährlich die Federn wechselt, bedeutet, er ziehe
einen neuen Menschen an etc., nicht sehr geistreich.
Die altdeutschen Maler gaben häufig den Engeln Pfauen-
federn in die Flügel, ohne Zweifel nur der Schönheit wegen.
218 Pfeil.
So auf dem berühmten Danziger Weltgericht der Engel Mi-
chael, so in einer Verkündigung des Johann van Eyck der
Engel Gabriel etc.
Ein Pfau flog dem heiligen Liborius voran und zeigte
ihm den Weg nach Paderborn, daher er sein Attribut ist,
und man ihm an seinem Fest in Prozession einen Pfauen-
schweif voranträgt. Christi. Kunstsymbole S. 139. Otte, Kunst-
archäol. 2te Aufl. 134. — Als Stephan der Heilige einst den
Mönch Günther aus Böhmen zwingen wollte, von einem ge-
bratenen Pfau zu essen, machte dieser den Pfau lebendig,
dass er davonflog. Weber, Möncherei I. 262.
Gleichwohl ist der Pfau auch Sinnbild des Stolzes. Nach
der muhamedanischen Sage soll er im Paradiese lieblich ge-
sungen, aber seine Stimme verloren haben, sobald er mit
der Schlange und dem ersten Elternpaar zugleich aus dem
Paradiese verbannt wurde. Er bedeutet hier die Eitelkeit der
Eva, oder überhaupt den Hochmuth Adams und Eva's. —
Ein frommer Diener bekehrte einen sündhaften Herrn durch
ein Gleichniss vom Pfau. Als er ausgeschickt war, einen
Esel zu kaufen, kam er wieder und brachte keinen, indem
er sich vertheidigte, er habe keinen Esel mit einem Pfauen-
schweif gefunden. „Aber," sagte der Herr, „gibt es denn
Esel mit Pfauenschweifen?" „Nein," antwortete der Diener,
„aber so gewiss der Esel keinen Pfauenschweif hat, so ge-
wiss hat ein sündhaftes Leben kein seliges Ende." Judas der
Erzschelm von Pater Abraham a St. Clara HI. 427.
Pfeil.
Pfeile des göttlichen Zorns kommen vor 5. B. Mos. 32, 42.
Auf einem alten Miniaturbild jagt Gott die ersten Menschen
aus dem Paradiese , indem er wie Apollo Pfeile auf sie
schiesst. Didron, icon. p. 121. Auch der Tod in der Offen-
barung Johannis 6, 8. wird gewöhnlich, auf einem fahlen
Pferde reitend, mit Pfeil und Bogen dargestellt. Desgl. im
alten Hymnus horrenda mors. Königsfeld, lat. Hymnen S. 246,
r
Pferd. 219
Der Pfeil bedeutet aber auch die geistige Waffe in Gottes
Dienst. „Gott hat mich zu seinem reinen Pfeil gemacht und
mich in seinen Köcher gesteckt," heisst es bei Jes. 49, 2.
Unter den Heiligen, die mit Pfeilen getödtet wurden,
sind am berühmtesten der heilige Sebastian und die h. Ur-
sula mit ihren 11,000 Jungfrauen, ferner der h. Edmund,
Lambertus, Petrus Thomas; desgleichen die neuentdeckte, in
Italien hochverehrte h. Filumena. Vom h. Philemon sagen
die acta SS. zum 8. März, die auf ihn geschossenen Pfeile
seyen in der Luft hängen geblieben. Der h. Otto von Bam-
berg schmiedete die Pfeile, die zu einem Kriege bestimmt
waren , für den Bau einer Kirche zu Nägeln um. Alle diese
Heiligen haben den Pfeil zum gewöhnlichen Attribut. — Ein
durch den Kopf geschossener Pfeil bezeichnet den heiligen
Jacob von Bergamo , den die Arianer auf diese Art tödteten.
4. Mai.
Abu Naovas, ein tyrannischer König in Arabien, ver-
folgte die Christen und liess einst einen ihrer ungenannten
Heiligen (wie den heiligen Sebastian), an einen Baum ge-
bunden, mit einem Pfeilregen beschiessen. Aber kein Pfeil
traf, bis der Heilige dem König sagte: „Schiesse du selbst
einmal im Namen meines Gottes!-' Als der König dies that,
traf ihn der Pfeil in's Herz. Dieses Wunder bekehrte alle
Schützen, nur den König nicht, der alle Jene in einer Grube
verbrennen liess. Herbelot.
Pferd-
Das Pferd tritt in der heihgen Schrift nirgends bedeut-
sam hervor, ausgenommen in der Offenbarung Johannis Cap. 6.
Hier treten vier Rosse mit vier schrecklichen Reitern als Per-
sonificationen des göttlichen Zornes und Vollstrecker der gött-
lichen Gerichte auf. Zuerst das weisse Pferd mit dem ge-
krönten Reiter, der den Bogen führt, der auszieht und
überwindet. Zweitens das rothe Ross und der Reiter darauf
mit dem Schwert, der den Frieden von der Erde nimmt und
220 Pferd.
bewirkt, dass die Menschen sich unter einander erwürgen.
Drittens das schwarze Ross und der Reiter mit der Waage.
Viertens das fahle Pferd mit dem Tod als Reiter, dem die
Hölle nachfolgt. Diese vier Pferde sind schon vorgesehen
beim Propheten Zacharia 1 , 8. Der auf dem weissen Pferde
ist der himmlische Richter, Christus; der auf dem rothen
ist der Krieg; der auf dem schwarzen wird als Hunger er-
klärt. Das fahle Pferd kann auch scheckigt oder gesprenkelt
heissen, was man auf die Pestbeulen bezogen hat. Vgl.
Züllich, Offenb. Joh. H. 51. Andrerseits bezieht man die
vier Rosse auf die Theile der Welt, aus denen die Strafe
kommt: der weisse Reiter kommt vom Himmel, der rothe
von der Erde, der schwarze vom Meer, der fahle vom Ab-
grund. Die Waage des dritten Reiters wird von Züllich S. 60
auf die Kaufmannschaft bezogen und auf den Handel, den
das Meer vermittelt. Darauf beziehen sich auch die Worte
des Engels Offenb. Joh. 6, 6, die vom Maass und Preise
handeln. Demnach würde der dritte Reiter Rächer des Be-
trugs und Eigennutzes seyn, und die vier Reiter würden Be-
zug nehmen auf die vier Hauptlaster der Menschen: Gott-
losigkeit, bestraft vom weissen Reiter; Mord- und Blutgier,
Gewaltthat, bestraft vom rothen; Betrug und Arglist, bestraft
vom schwarzen; Sünden gegen den Körper, Wollust, Völ-
lerei, bestraft durch den fahlen. Ueber alte Abbildungen
dieser Reiter vgl. Didron^ man, p. 242. Schopenhauer, Joh.
van Eyck I. 144. Ein berühmtes Bild des jüngeren Palma
in Venedig.
Todes - und Teufelsrosse kommen in der deutschen Volks-
sage ausserordentlich häufig vor. Wer kennt nicht das Teu-
felsross, auf dem Dietrich von Bern, Thedel von Wallmoden,
Lenore und ihr todter Reiter davonritten ? Indess liegen diesen
Volkssagen wohl mehr heidnische als christliche Erinnerungen
zu Grunde. Ueber den Pferdefuss des Teufels vgl. d. Ar-
tikel Teufel. Agnes a Jesu, ein wildes Mädchen, schloss mit
dem Teufel einen Bund und setzte sich zu ihm auf sein
schwarzes, flammendampfendes Rossj wurde aber von einem
Pferd. 2äl
Engel geschützt und vor eine Klosterpforte geleitet, an welcher
der Teufel und sein Ross Abschied nehmen mussten. Agnes
ward im selbigen Kloster die frömmste Nonne.
Unter den Heiligen erscheinen besonders der heilige Apo-
stel Jakob der ältere, der h. Georg und h. Martin, überdies
die heiligen Könige und Ritter zu Ross. Den Martjrrertod
diu-ch Rosse , an deren Sch^veif sie gebunden wurden , erlitten
der heihge Quirinus, Gobdeleas. St. Hippolyt, Schüler des
heiligen Laurentius, dessen Leiche er auch zur Erde bestattete,
wurde dann selbst als Christ verfolgt und von Pferden zu Tode
geschleift oder zerrissen , sofern er zugleich an zwei angebun-
den wurde, unter Kaiser Decius im 3ten Jahrhundert. 12. Mai,
13. August. Prudentius hat ihn in lateinischen Hexametern
besungen. Fahridi thes. 150 f . , übersetzt von Sibert. Vgl.
Jacobi, Werke I. 77. 82. Seine Marter ist gemalt zu Brügge
in einem sehr berühmten Bilde von Hemling. Passavant,
England S. 365. Schnaase, Briefe S. 334. Desgleichen von
Heim zu Paris, Kunstbl. 1822. Nr. 76. Ein anderes berühm-
tes Bild, ein Nachtstück von Novarette im Escurial, zeigt ihn,
wie er mit seinen Gefährten den heiligen Laurentius bestattet.
— St. Florian, ein besonders in Oestreich (im Stift seines
Namens) hochverehrter Heihger, der daselbst unter Diocle-
tian den Martyrertod erlitt, indem ihn wilde Rosse zu Tode
schleifen mussten. 4. Mai. Besungen ist sein Tod von Pyrker,
gemalt von Schulz in München. Kunstbl. 1837. S. 37. Weil
die über seinem Grabe erbaute Kapelle von einem Bösewicht
angezündet, aber nachdem der Brandstifter plötzlich Todes
verblich, sogleich wieder erbaut wurde, hat man ihn zum
Schutzpatron gegen Feuersgefahr gemacht. Vgl. Rettberg,
Kirchengesch. I. 156. St. Irene wurde als Kind von ihrem
Vater Regulus mit dreizehn andern jungen Mädchen in einen
Thurm verschlossen, um ihre wunderbare Schönheit zu hüten.
Allein ein Engel besuchte sie und bekehrte sie zum Christen-
thum. Als der Vater es erfuhr, wüthete er und Hess sie an
den Schweif eines Rosses binden. Aber sie blieb unversehrt,
das Ross trat den bösen Vater todt; als ihn jedoch die Tochter
^^2 Pferd.
wieder erweckte, bekehrte er sich. Doch erlitt sie bald dar-
auf den Martyrertod durch das Schwert. Im Iten Jahrhun-
dert. 5. Mai.
Als der heilige Andreas von Pferden durch die Strassen
geschleift wurde, betete er kopfüber liegend, so andächtig,
dass ein panischer Schrecken über das Volk kam und Alles,
zu seinen Füssen niederstürzend, mit ihm betete. Nach der
apokryphischen Apostelgeschichte des Abdias.
Der eitle Petrus Consalvus ritt einst geputzt vor Damen
und liess das Ross courbettiren, als es ihn aber in den Koth warf
und die Damen ihn auslachten, schämte er sich so, dass er sich
bekehrte und ein Heiliger wurde. P. Abraham , Judas I. 8.
Pferde sollen im Wettlauf siegen, wenn man sie mit
Wasser aus dem Krug des heiligen Hilarion besprengt. In
Neapel werden die Pferde am 17. Januar zur Kirche des
heiligen Antonius getrieben und dort mit Weihwasser be-
sprengt und eingesegnet, um sie vor Schaden im nächsten
Jahr zu hüten, v. Martens, Italien II. 570. In Deutschland
aber ist St. Leonhard Patron der Pferde, wie alles zahmen
Viehes.
St. Charalampius wurde unter Kaiser Severus als Christ
verfolgt, als ihn aber ein Heide schlagen wollte, fielen dem-
selben die Hände ab, und als ihn ein Anderer anspeien
wollte, wurde demselben der Hals umgedreht. Gleichwohl
half ihm das nichts , denn man marterte ihn doch noch so
grässlich, dass sogar ein Pferd mit menschlicher Stimme zu
reden anfing und den Henkern ihre Grausamkeit vorwarf.
Acta SS. 10. Februar.
St. Severus von Avranches, Bischof im 6ten Jahrhundert,
hütete als Kjiecht die Pferde eines Herrn und schenkte einmal
eines der Pferde einer armen Frau, ohne dass die Zahl der
Pferde verringert wurde. 1. Februar. Er hinterliess einen
Stab, der, in die Erde gesteckt, zu einem grossen Baum er-
wuchs. Derselbe ist so heiHg, dass sich kein Vogel auf ihn
setzt, oder er stirbt, und dass jeder Unreine, der ihn berührt,
unsinnig wird.
I
iPfingsten. ^SS
Pfingsten,
7i€VTi]xoaT7j , der fünfzigste Tag nach Ostern, beschliesst die
heilige Dreizahl der grossen christlichen Freudenfeste (Weih-
nachten , Ostern , Pfingsten) , weshalb auch auf den Sonntag
unmittelbar nach Pfingsten das Fest der heiligen Dreieinigkeit
fällt. Zu Weihnachten wird im Sohne der Vater verherr-
licht, zu Ostern hat der Sohn sein göttliches Werk vollbracht,
Pfingsten gehört dem heiligen Geiste. Es ist die Feier der
Ausgiessung des heiligen Geistes über die Gemeinde.
Alttestamentalisches Vorbild des Festes war die Gesetz-
gebung auf dem Berge Sinai, so wie im altheidnischen Natur-
cultus das Darbringen der ersten Feldfrüchte, die um diese
Zeit reifen. Die Erstlinge des Ackers dienten auch noch
für die Christen zum Sinnbild der Erstlinge der Geistes-
früchte , die der heilige Geist in der Gemeinde erweckt. Auch
der Blumen, die in dieser Jahreszeit in Fülle aufgehen, be-
dient man sich bei der Feier des Festes als Sinnbilder der
christlichen Tugenden. Vgl. den Artikel Blumen. Dagegen
stammen eine Menge ländlicher Pfingstgebräuche offenbar
noch aus dem Heidenthum und sind ihrer unschuldigen Art
wegen im Christenthum beibehalten worden, ohne eine spe-
cifisch christliche Deutung zuzulassen. So der Pfingstritt,
der Aufzug des Maigrafen und der Maibraut, der Umzug
mit dem Pfingstochsen, der sogenannte Pfingstlümmel und
Pfingstschläfer, das Pfingstschiessen (Vogelschiessen) etc.,
worüber man in Grimms deutscher Mythologie S. 746 f. und
in Kuhns märkischen Sagen S. 314 f. ausführlichere Nach-
richt findet. In allen diesen Gebräuchen spricht sich die
Freude des Volkes über die Wiederkehr des Sommers und
des neuen Jahressegens in Ackerbau und Viehzucht aus.
Zur Symbolik der Kirchenbilder, auf welchen die Aus-
giessung des heiligen Geistes zu Pfingsten dargestellt wird,
ist zu bemerken, dass sie stets die freudig aufgeregte und
begeisterte Versammlung der Apostel und Jünger in einem
SS4 Pflug.
Gebäude darstellen. Dabei darf die heilige Jungfrau als
Wittwe im dunkelblauen Kleide und weissen Schleier nie-
mals fehlen. Die Flamme der Begeisterung wird in herkömm-
licher und durchaus zulässiger Weise in wirklichen Flammen
dargestellt, die von oben auf die Zungen oder Scheitel der
Jünger fallen. Man hat in neuerer Zeit diese Flammen als zu
grobsinnlich wegklügeln wollen und ohne sie eine Versamm-
lung mit begeistertem Ausdruck für ausreichend gefunden.
Dabei fehlt nun aber immer das wahre charakteristische und
altkirchliche Merkmal. Eben so ist altes Herkommen, den
heiligen Geist in Gestalt einer Taube über der Versammlung
schweben zu lassen. Auch sie hat man wegdisputiren wollen.
Sogar Wessenberg in seinen christlichen Bildern II. 226.
erklärt sich gegen die Taube, die jedoch als ein uralt aner-
kanntes und würdiges Symbol hier um so weniger fehlen
darf, als sie wesentlich die Jüngerversammlung zu Pfingsten
charakterisirt und von jeder andern Versammlung Begeister-
ter deutlich unterscheidet.
Pflug,
Attribut des heiligen Isidorus, des Schutzpatrons aller Bauern.
Als der harte Herr dieses Bauern ihn einmal zwang, ein
steinhartes Feld zu ackern, that es für ihn ein Engel mit
einem Gespann schneeweisser Rinder. Acta SS. 15. Mai. Der
heilige Ecianus pflügte mit Hirschen, der h. Jacobus von
Tarentaise mit einem Bären, der h. Kentigern spannte einen
Wolf und einen Hirsch zugleich an seinen Pflug. — Eine
glühende Pflugschaar ist Attribut der heiligen Kunigunde,
weil sie zum Beweis ihrer Keuschheit die Feuerprobe bestand.
Pharao,
der mächtige Aegypterkönig , ist im alten Testament Perso-
nification der Staatsgewalt gegenüber der von Gott geheiligten
Gemeinde, und des Heidenthums gegenüber dem reinen
Pharisäer. 226
Glauben, also auch für die Christen Vorbild der weltlichen
Macht in ihrer kirchenfeindhchen Tendenz. In den römischen
Katakomben findet sich ein altchristliches Bild, auf welchem
der Untergang Pharao's im rothen Meere dem Einzug des
Heilands in Jerusalem gegenübergestellt ist. Bottari I. tav. 40.
Da es ein Grabbild ist, scheint der Gegensatz von Hölle und
Himmel gemeint zu seyn, wenigstens von Zeitlichkeit und
Ewigkeit. Die welthche Macht geht mit der Zeit unter, die
göttliche währt ewig.
Pharisäer
und Schriftgelehrte sind als alttestamentalische Vorbilder der
Bureaukraten , Gelehrten, Schulmänner und Literaten zu be-
trachten, die heute noch neben der Kirche das grosse Wort
führen und den Menschensohn hassen oder verachten, die
mit der weltlichen Macht, mit dem weltlichen Gesetz, mit
dem weltlichen Wissen dem göttlichen trotzen. Der phari-
säische Dünkel wurzelte hauptsächlich 1) in der zähen Nationa-
lität, im Stockjudenthum , das nichts Neues, Fremdartiges,
etwa gar vom Himmel Kommendes in seinem Bereich dulden
will; 2) in dem Herkommen und Gesetz, dessen privilegirte
Wächter und Ausleger sie waren; 3) in der Schulweisheit,
vermöge deren sie sich allen andern Wesen weit überlegen
glaubten.
Christus trat schon als Kind mitten unter diese Herren
im Tempel und — belehrte sie, die staunend dem göttlichen
Knaben horchten. Darin liegt ausgesprochen, dass es zum
Begreifen der höchsten Weisheit nicht grauhaariger Gelehr-
samkeit, sondern nur eines kindlichen Sinnes bedarf. Schöner
kann die ewige Weisheit nicht über die zeitliche triumphiren,
als hier das Kind über die Greise.
Der Knabe Jesus unter den Schriftgelehrten im Tempel,
ein berühmtes Bild von Leonardo da Vinci, erst vor Kurzem
aus Rom nach London verkauft. Jesus erscheint auf dem-
selben in höchster Milde und Schönheit den charaktervollen
Menzel, christl. Symbolik. II. j[^
236 Pharisäer.
und aufgeregten Köpfen der Alten gegenüber. Kunstblatt
1832, Nr. 66. Kugler, Mal. I. 162. Passavant, England
S. 13. Ein anderes berülimtes Bild von Mazzolino in Berlin
ist durch den Humor in den Pharisäerköpfen berühmt. Kugler,
Berl. Mus. 1. 75. Auf einem Bilde von Garofalo in Paris
erscheint Jesus schon viel zu sehr zum Jüngling erwachsen.
Auf einem von Landi (gest. von Persichini) ist die Scene
"wie ein Inquisitorium aufgefasst, die arglistigen Pharisäer
stellen dem Knaben verfängliche Fragen. Auch das ist nicht
die richtige Auffassung. Die Befangenheit und das giftige
Aushorchen trat erst ein, als Christus schon erwachsen war.
Dem Knaben gegenüber drückten sie mehr nur Verwunde-
rung und Ueberraschung aus.
Später sind es hauptsächlich listige Ausforschungen und
Unterstellungen, durch welche die Pharisäer den Heiland
versuchen, ihr Müthchen an ihm kühlen, ihn ad absurdam
führen oder dahin bringen wollen, dass er sich dem Gesetz
und der weltlichen Gewalt gegenüber compromittire. Aber
überall schreitet er siegreich durch ihre Spinnenweben hin-
durch. Nichts charakterisirt die Nichtigkeit des irdischen
Wissens so tief, als diese Anmassung schwacher Menschen,
den ewigen Geist, der sich ihnen offenbart, auf die Probe
stellen zu wollen. Die berühmtesten dieser Proben, in denen
die Pharisäer beschämt worden, sind der Zinsgroschen und
die Ehebrecherin vor Christo. Vgl. diese Artikel.
Die Pharisäer stehen ferner in einem bedeutsamen Gegen-
satz zu den Zöllnern und Samaritern. Wie der Pharisäer
der Vornehmste und Hochgeachtetste in Israel, so ist der
Zöllner der Geringste und Verachtetste. Wie der Pharisäer
der Inhaber der reinen Lehre, des reinen Gesetzes, der
Gerechte schlechthin ist, so der Samariter der Abgefallene,
der im Irrthum Befangene, der Häretiker. Nun zeigt aber
die heilige Schrift in mehreren Beispielen, wie jene Zöllner
und Samariter bessere Menschen sind als die Pharisäer, ein
offenes Herz haben für das Rechte und Gute, mitleidig dem
leidenden Nebenmenschen beispringen und trotz ihres geringen
Phönix. 227
Bildungsgrades die himmlisclie Offenbarung früher erkennen,
als die stolzen Pharisäer, deren Herz sich gegen die Leiden
des Nebenmenschen, wie gegen das Heil von oben verstockt.
Man pflegt daher zu sagen, die Pharisäer haben das Gesetz
ohne die Liebe, den Buchstaben ohne den Geist; sie halten
die vorgeschriebenen Ceremonien ein, aber nicht die höhere
sittliche Pflicht.
Wenn man in neuerer Zeit gern die Pharisäer als heuch-
lerische Pfaffen und Scheinheilige hat charakterisiren wollen,
so entspricht das nicht ihrem ursprünglichen Begriff in der
heiligen Schrift; denn in dieser vertreten sie vielmehr die
Classe im alten Jerusalem, die wir heutzutage die Bureau-
kratie, die Juristen und die Schulmänner nennen würden.
St. Philippus,
der Apostel, dessen Attribut auf Kirchenbildern der lange
Kreuzstab ist, um ihn als wandernden Bekehrer zu bezeichnen.
Am häufigsten aber malte man ihn in der Handlung begriffen,
die Apostelgeschichte 8, 38. aufgezeichnet ist, indem er näm-
lich den schwarzen Kämmerling tauft. Die Quelle, an der
es geschah, wird noch im Morgenlande gezeigt. Pococke
U. 68. An derselben Stelle sollen Weintrauben ohne Kern
gewachsen seyn, mit Beziehung auf den Eunuchenstand des
getauften Mohren. ISieremherg, hist. nat. 473. Weil der Tag
des Apostels der 1. Mai ist, hat die gelehrte Paganomanie,
die alles Christliche auf heidnischen Mythus zurückführen
möchte, in dem Mohren das schwarze Erdreich und in dem
Täufer den Frühlingsregen wiedererkennen wollen.
Phönix,
Sinnbild des auferstandenen Heilands. Schon die heidnischen
Griechen und Römer hegten eine grosse Verehrung gegen
den fabelhaften Vogel Phönix, verglichen ihn aber mit der
sich ewig neugebärenden Zeit, sofern sie glaubten, der Vogel
15*
228 Phönix.
verbrenne sich , wenn er alt werde , in seinem eigenen Neste
und werde dadurch wieder jung und schöner, als vorher.
Herodot IL 73. fand die Kunde von ihm zuerst in Aegypten.
Dahin komme der Vogel alle fünfhundert Jahre einmal aus
Arabien, sey gross wie ein Adler, aber purpurfarben und
golden, und bringe seinen Vater in den Sonnentempel, um
ihn hier in Myrrhen zu bestatten. Des Selbstverbrennens
und Verjüngens gedenkt erst Plinius, Naturgeschichte X. 2.
Hier wird der alte Phönix nicht mehr in Myrrhen einbalsa-
mirt und begraben, sondern macht sich ein Nest aus Wohl-
gerüchen und verbrennt sich. Die Fabel wird nun oft von
alten Autoren wiederholt, worüber man die Schrift Feiners
„vom Phönix '% München 1850, und Pipers christl. Myth. 1.
446 f. nachlesen kann. Begreiflicherweise eignete sich der
sich selbst opfernde und verjüngende Purpurvogel auf's Treff-
lichste zu einem Sinnbild des sich für die Menschheit opfernden
und auferstehenden Heilands. Er wurde daher schon in den
ersten Jahrhunderten der Christenheit in diesem 'Sinne auf-
gefasst, und Epiphanius (Ancorat. c. 85. H. 89.) lässt den
Phönix nach drei Tagen aus der Asche des Nestes wieder-
erstehen, wie Christum am dritten Tage aus dem Grabe.
Seitdem wird die Vergleichung von vielen Kirchenvätern und
christlichen Dichtern wiederholt. Sonderlich besitzen wir noch
ein lateinisches Gedicht de phoenice von Lactantius, wonach
im Phönix das Mysterium der Zeugung des Sohnes durch
den Vater, der doch im Sohne er selbst bleibt, personi-
ficirt wird.
At foriunatae sortis fiUque volucrem ,
Cui de se nasci praestitit ipse Dens.
Foemina sitj vel mas , seu neutrum , seu sit iitruniqiie ,
Felix , quae Veneris foeäera nulla colit.
Mors Uli Venus est: sola est in morte voluptasj
Ut possit nasci, haec appetit ante niori.
Ipsa sibi proles j. suiis est pater et suus haeres ,
Nntrix ipsa sui , semper alumna sibi.
Mit dem aus Weihrauch und Myrrhen gebildeten edeln
Neste, in dessen reinen Flammen der Phönix verjüngt wird,
Phönix. 229
wurde folgerecht Maria verglichen. Conrad von Würzburg,
goldne Schmiede, herausg. von Grimm S. XXXIV und 12.
Vgl. auch Sepp, Heidenthum I. 288.
Im Griechischen hat der Palmbaum und der Vogel
Phönix denselben Namen (potvi^, woher auch der des Landes
Phönizien kommt. Der Palmbaum legt alle Monate ein Blatt
ab und ersetzt es durch ein neues. Auch fabelte man, er
verjünge sich aus seiner Asche. Zugleich ist er Baum des
Sieges und in vielen andern Beziehungen ein Sinnbild Christi.
Vgl. den Artikel Palme. Daher findet man diesen Baum und
Vogel in den altchristlichen Grabbildern und Sarkophagen
mit einander verbunden, mit Bezug auf Psalm 92, 13: ;,Der
Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum (oder Phönix).'^
Vgl. Piper, christl. Myth. I. 459 f., wo Alles über jene alten
Bildwerke gesammelt ist. Auf einem vatikanischen Sarkophage
steht Christus zwischen zwei Palmbäumen und auf dem Wipfel
des einen sitzt der Vogel Phönix. Aringhi I. 295. Bosio
p. 63. Bottari I. tav. 22. Eben so auf alten Mosaiken in
Rom. Ciampini II. 61. 147. Auf Gräbern soll der Phönix
den begrabenen Christen das ewige Leben verheissen, was
sie durch Christo gewonnen haben.
In der spätem kirchlichen Kunst seit dem 13ten Jahr-
hundert findet man den Phönix nicht mehr mit Palmen, desto
öfter aber mit dem Pelikan verbunden. Hier bedeutet dann
der Phönix eben so ausschliesslich die Auferstehung, wie der
Pelikan den Opfertod. Vgl. Piper a. a. O. 463, wo der
einschlagenden Bildwerke an den Portalen der Lorenzkirche
in Nürnberg, des Magdeburger Doms etc. gedacht ist. Oefters
befindet sich zwischen dem Phönix und Pelikan ein Löwe in
der Mitte, von dem Piper keine andere Erklärung gibt, als
S. 466: ;,Der Löwe des Abgrunds, der einen Menschen
zerreisst.'^ So nämlich sah er ihn selbst an der ^wiederher-
gestellten'^ Kathedrale zu Lund, und sofern der Löwe hier
einem Christusbilde gegenübersteht, mag er auch das Ab-
gründliche bedeuten. In andern Fällen jedoch ist unter dem
Löwen, der zwischen dem Phönix und Pelikan steht, ohne
280 Phönix.
Zweifel der Löwe Simsons gemeint. So wenigstens steht er
deutlich zwischen beiden an der Kirche zu Caen. Twining,
Symbols, pl. 21.
Vom Chol, einem sagenhaften Vogel der Juden, heisst
es : Als Adam und Eva vom verbotenen Apfelbaume gegessen,
thaten alle Thiere das Gleiche und wurden dadurch böse und
sterblich, wie die Menschen; nur der Vogel Chol ass nicht
mit und blieb daher unsterblich. Eisenmenger I. 371. 829.
Kraft, jüd. Sagen S. 11. — Eine andere jüdische Sage vom
Phönix (in Herders Werken zur schönen Lit. und Kunst
IX. S. 25): „In Mitte des Paradieses standen die wunder-
barsten Bäume der Welt , der Baum der Erkenntniss und der
Baum des Lebens. Von diesem zu essen war den Menschen
erlaubt; von jenem zu kosten war ihnen, um ihrer Kindheit
willen, verboten. Der einzige Phönix, damals noch der
König des ganzen gefiederten Reichs , er nur nistete in diesen
Zweigen und ass von ihnen unsterbliche Götterspeise. Als
Eva lüstern zum Baum der Erkenntniss trat und kosten wollte,
da war's, als furchtbar auf dem Baum der geflügelte Zeuge
der Wahrheit seine Stimme erhob und also sprach: „Betro-
gene, wo irrest du hin? was zu erblicken öffnest du die
Augen? Dich nackt zu sehen, wirst du weise; dich arm zu
fühlen, willst du Göttin werden!" — Aber Eva's Blick hing
an der täuschenden Frucht und am listigen Verführer; sie
übertrat des Herrn Gebot , und hörte des weissagenden Vogels
Stimme nicht. Als über alle Geschöpfe des Paradieses der
Tod kam, sonderte Gott den treuen Vogel aus, fortan auf
ewige Zeit ein Zeuge der Wahrheit. Zwar musste auch er
mit allen Lebendigen den Sitz der Unschuld räumen; König
der Vögel, die jetzt einander bekriegten, wollte er selbst
nicht mehr seyn; seinen einst glücklichen, ruhigen Thron
nahm ein Raubvogel ein, der blutgierige Adler. Auch die
Unsterblichkeit konnte ihm fortan in der dickeren giftigen
Erdenluft anders nicht als durch Verwandlung werden. Aber
durch eine Verwandlung, die nach Jahrhunderten erst, und
schnell und herrlich dann ihn wieder verjüngt. Wenn seine
Pilatus. 231
Stunde nahet , ist ihm vergönnt , in's Paradies zu fliegen ; vom
Baum des Lebens und vom .Erkenntnissbaum bricht er sich
dort die dürren, alten Zweige, in deren Flamme sich seine
Glieder lösen. Die Zweige vom Baume der Weisheit bringen
ihm Tod, die Flamme vom Baume des Lebens neue Jugend.
Dann zieht er wieder in seine Wüste zurück, und trauert
um das Paradies; der schöne, einzige, selten gesehene, noch
seltener befolgte Vogel unsterblicher Wahrheit."
Pilatus,
der berühmte römische Statthalter in Jerusalem, der bei völ-
liger Gleichgültigkeit gegen die Händel, welche die Juden
unter sich hatten, und trotz der Ueberzeugung, dass Christus
unschuldig sey, denselben doch aus politischen Rücksichten
dem Hasse des jüdischen Volkes aufopferte und kreuzigen
liess. Das Vorbild aller weltlichen Herren, die sich indifferent
gegen das Heilige verhalten. Die christliche Legende von
Pilatus erhielt eine dreifache Ausbildung, indem sie zuerst
von Römern, dann von Galliern, endlich von Deutschen auf-
genommen wui-de. Vgl. Mone, Anzeiger 1835, S. 421. 1838,
S. 526.
Was zuerst die biblische Auffassung betrifft, so ist
der Contrast des gefangenen Erlösers vor dem weltklugen
Römer von hoher Schönheit. Dem Stellvertreter der römischen
Weltherrschaft gegenüber sagt Christus auf die Frage, ob er
der Juden König sey: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt."
Ev. Joh. 18, 26 f. Nach den andern Evangelien spricht Chri-
stus: „Ich bin in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit
zeugen soll." Da fragt Pilatus blasirt : „Was ist Wahrheit?" —
aber der Sinn ist derselbe. Pilatus erkennt seine Unschuld
und Reinheit, will die Verantwortung seiner Hinopferung
nicht übernehmen, mag aber auch die Juden nicht allzusehr
reizen und überlässt daher ihnen selbst die Sache in der Art,
dass er, indem er der Ostersitte gemäss, an der ein Ver-
brecher begnadet zu werden pflegt, ihnen die Wahl zwischen
Pilatus.
Christus und dem Mörder Barabbas lässt, welchen sie sich
freibitten wollen. Zugleich wäscht er sich die Hände, d. h.
sagt sich sinnbildlich von aller Schuld frei , wenn sie Christum
nicht wählen, Matth. 27, 24. Dass Pilatus den Juden nachge-
geben, wurde ihm durch die treue Anhänglichkeit belohnt, die
ihm Herodes seitdem widmete , da sie vorher Feinde gewesen
waren. Lucas 23, 12. Pilatus wollte jeden Anlass vermeiden,
die ohnehin zu Empörungen geneigte jüdische Provinz auf-
zustacheln. Als ihr Statthalter hatte er das Interesse, die
Ruhe zu erhalten. — Matth. 27, 19. ist der Frau des Pilatus
gedacht, die ihn bat, er solle Christum schonen, weil sie im
Traume seinetwegen geplagt und gewarnt worden sey. Diese
Frau heisst bei Nicephorus 1. 30. und im Evangelium Nico-
demi 2. Procia oder Claudia Procula.
Die sogenannte acta Pilati oder die Protokolle des Ver-
hörs Christi vor Pilatus bilden den ersten Theil des apokry-
phischen Evangeliums Nicodemi, und sind schon sehr alt,
schon von Eusebius (Kirchengesch. I. 9.) als falsch erkannt.
Als poetisch ist darin zu bemerken, dass wie Christus zu
Pilatus eintritt, alle Bilder auf den Fahnen sich vor ihm
neigen. Im Uebrigen enthalten die Acten nur eine langwei-
lige Paraphrase des Evangeliums Johannis und eckelhafte
Zänkereien der Juden über die angeblich uneheliche Ab-
stammung Christi. Vgl. Borberg, Apokryphen I. 287. Winer,
bibl. Realwörterbuch s. v. Pilatus.
In der spätem Legende ist der Gedanke durchgeführt,
dass sich indifferent gegen das Heilige verhalten, schlimmer
sey, als es offen anfeinden. Die kalte Weltklugheit, die ein
vorübergehendes zeitliches Interesse wichtiger nimmt , als das
ewige Heil, kann nicht stark genug verdammt werden. Der
unbarmherzige Tyrann Herodes, der grausame Mörder der
unschuldigen Kindlein, ist daher dem wahren Christen nicht
so verdammlich und verhasst, wie der glatte, kühle Diplomat
Pilatus.
Das schwedische Volksbuch von Judas Ischarioth, welches
in Hagens Germania VI. 144 f. mitgetheilt ist, enthält
Pilatus.
Folgendes: In der Nacht, in welcher Judas erzeugt \Yurde,
hatte Liboria, seine Mutter, so ängstliche Träume und eine
solche Furcht befiel sie, dass sie zu ihrem Manne Rüben sagte,
Avenn sie einen Sohn bekäme, würde sie ihr ganzes Leben
lang traurig bleiben. Er wollte es ihr ausreden ; als sie aber
wirklich den Judas gebar, entsetzte sich auch der Vater
selbst vor seinem Anblick. Beide Eltern beschlossen, dieses
schreckliche Kind von sich zu thun, und setzten es in einem
kleinen Kasten in's Wasser. Es schwamm zur Insel Scharioth.
Hier fand es die Königin , die längst sich ein Kind gewünscht
hatte, gab es für das ihrige aus und erzog es fürstlich.
Nachher bekam sie selbst noch einen Sohn und bereute bit-
terlich, den Judas angenommen zu haben, denn dieser plagte
ihren eigenen Sohn auf alle Art, und als sie ihm einmal im
Zorne sagte, dass er nicht ihr Sohn, sondern nur ein Findel-
kind sey, brach die ganze Teufelsgewalt in ihm hervor und
er erschlug den Sohn der Königin. Darauf entfloh er und
nahm Dienste beim Pilatus. Da sah Pilatus einmal reife
Aepfel in Rubens Garten und wünschte davon. Judas stieg
über den Zaun, holte die Aepfel und schlug seinen Vater,
der es wehren wollte, todt, nahm aber nachher seine eigne
Mutter zur Frau. Als beide erkannten, wer sie seyen, rieth
die fromme Mutter dem gottlosen Sohne, sich um Trost an
Jesum zu wenden , der damals aufgetreten war , und so wurde
Judas Jesu Jünger, um ihn zu verrathen. Das Uebrige nach
der heiligen Schrift.
Pater Abraham a St. Clara hat in seinem humoristischen
Werke über „Judas den Erzschelm'^ diese Legende benutzt.
Sie findet sich auch in einem lateinischen Gedicht des Mittel-
alters, abgedruckt in Mone's Anz. VII. 532. Hier heisst die
Mutter Cyborra.
Schon sehr früh bildete sich die Sage aus, Pilatus habe
sich aus Verzweiflung selbst umgebracht. Euseh. II. 7. Oro^
sius hist VII. 5. Freculfi cJiron. II. 1. 12. Vgl. Mone, An-
zeiger 1835, S. 422. Wie die Sage nach Gallien hinüber-
geleitet wird , zeigt am besten das chron. S, Aegidii in Leibnit,
S34 Pilatus.
Script, rer. Brunsv. III. Hier lieisst es, Pilatus sey zu Rom
von Kaiser Caligula bedroht und bedrängt worden, habe sich
deshalb umgebracht und der Kaiser habe seine Leiche in die
Tiber werfen lassen, aber die bösen Geister hätten seine
Leiche besessen und im Tiber Ueberschwemmungen und
Ungewitter erregt, bis man die Leiche wieder herausgenommen
und in die Rhone gebracht habe bei Vienne; als sie aber
auch hier Sturm und Ungewitter erregte, habe man sie in
die Alpen in irgend einen tiefen Brunnen versenkt. Vgl.
Döbeneck, Volksglauben IL 117. Dagegen die Lokalsage
von Vienne (Mylius, Reise I. 2. 257.) bemerkt, Caligula habe
den Pilatus in einen Thurm gesperrt , in dem er sich gehenkt
habe. Der Thurm heisst Pilatusthurm und steht noch. Die
Sage von der Tiber wiederholt sich in einer alten Freiburger
Handschrift. Mone, Schauspiel des Mittelalters I. 59.
Von Gallien verbreitete sich die Sage nach der deutschen
Schweiz. Jener Brunnen in den Alpen, wohin die Leiche
von Vienne aus versenkt wurde, ist der See auf dem Pilatus-
berge bei Luzern. Wenn man etwas in diesen See wirft, soll
er aufbrausen und ein Ungewitter erzeugen, immer noch die
alte Eigenschaft der Leiche, wie im Tiber und Rhone. An
den Felsen umher zeigt man Spuren der Teufelsklauen, in-
dem die Teufel des Pilatus Leiche jährlich am Charfreitagc
in eisernen Ketten aus dem See herausschleppen und auf
einen Thron setzen, auf dem er sich die Hände wäscht.
Conr. Gessneri descr. montis Pilati. Zürich 1555. Kircheri
mundus subter'r. VIII. 4. 2. Kornmann ^ mons Veneris 394.
Nieremberg, hist. nat. 432. Berckenmeyer , Antiquit. I. 317.
Dass man gerade diesen Berg auswählte, hat einen etymo-
logischen Grund, der Berg heisst püeatus wegen des Nebel-
hutes, den er zu tragen pflegt. — In einer Romanze von
Reithart in den Alpenrosen 1832, S. 320, wird auf eine sehr
empfindsame Weise die Seele des armen Pilatus aus dem
wüsten Bergsee befreit und steigt zu den Seligen empor;
durchaus sagenwidrig.
Man hat eine in lateinischen Hexametern geschriebene
Pilatus. 235
Legende von Pilatus, die auch im 13ten Jahrhundert in alt-
deutsche Verse gebracht wurde, jedoch in dieser Form nicht
vollendet auf uns gekommen ist. Vgl. Mone, Anzeiger 1835,
S. 424. Vilmar, Nationallit. S. 208. Dieselbe Legende steht
auch im altdeutschen Passional (herausg. von Hahn 1845,
S. 81). Nach dieser Legende war Pilatus von dem deutschen
König Atus mit der Pila, Tochter eines einsam im Walde
wohnenden Müllers, gezeugt, brachte aber nachher den recht-
mässigen Sohn des Königs, seinen Bruder, um, und wurde
von seinem Vater nach Rom geschickt als Geissei. Auch
hier lud er Blutschuld auf sich und wurde nach dem Pontus
geschickt, die dortigen Barbaren zu bezwingen, daher er
Pontius zubenannt wurde. Als er sich hier durch Tapferkeit
und Grausamkeit ausgezeichnet, schickte man ihn in's heilige
Land, die Juden im Zaume zu halten. Hier nun ward er
Schuld am Tode des Erlösers, was ihn nachher so reute, dass
er, nach Ronc^ zurückgekehrt, sein Leben freiwillig im Tiber
endete. Aber sein Geist fand keine Ruhe und erregte im
Fluss solche Ueberschwemmungen , dass man den Leichnam
aufsuchte und aus dem Tiber über Meer in die Rhone führte.
Nun tumultuirte er aber dermassen auch in der Rhone, dass
man sich endlich entschloss, ihn in einen tiefen See in den
Alpen auf dem nach ihm benannten Pilatusberge bei Luzern
zu versenken, wo er nun noch immer haust und böse
Wetter erregt.
Zu der Annahme, er sey aus Deutschland gekommen,
gab der Söldnerdienst der Germanen in den römischen Le-
gionen Veranlassung, zumal da die in Jerusalem stationirte
Legion wahrscheinlich Deutsche unter sich zählte. Daher
auch die mancherlei Spottreden über die Westphalen, die
eigentlich Christum sollen gekreuzigt haben.
Die abyssinischen Christen haben den Pilatus als Heiligen
in ihrem Kalender (19. Juni), weil sie seine Unschuld am
Tode Jesu voraussetzen. Harris Schoa H. 107.
Christus vor Pilatus, gemalt von Tintoretto in Venedig.
Ein berühmtes Bild von Schiavone ist gestochen von Groensvelt
236 Pilger.
und Henriquez (Waagen, England I. 325. 509. Passavant,
England 275.). Ein Bild von Holbein d. Aelt. in der Pina-
kothek in München, von Quintin Messis in Antwerpen. Das
Bild von Rembrandt ist seiner erstaunlichen Hässlichkeit wegen
berühmt (im Pallast Esterhazy in Wien. Kugler, Mal. II. 180.).
Ein Bild von Honthorst in Lucca, von Smirke (Fiorillo V.
795.). Ein grosses Bild von Hensel (Kunstbl. 1835, S. 18).
Das poetische Motiv sollte in diesen Bildern immer seyn
der Contrast des himmlischen Reichs in Christo mit dem
von Pilatus vertretenen römischen W^eltreich.
Pilger.
Pilgerstab und Muscheln am breiten Hut nebst Kürbis-
flasche kennzeichnen die heiligen Pilger. Allen andern steht
voran der heilige Apostel Jakobus der Aeltere. Zu den be-
rühmtesten und kirchlich am meisten gefeierten sodann der
heilige Rochus, zugleich Patron der Pestkranken, da die
Pilger zum heiligen Grabe häufig von der Pest befallen wor-
den , auch der h. Sebaldus , Gallus , Maternus , die h. Brigitte
von Schweden. — Weil der Erzengel Raphael mit Tobias
wanderte, kommen auch ihm die Pilgerattribute zu, eigen-
thümlich verbunden mit den Engelflügeln.
P i e t a
(pietas), der italienische Kunstausdruck für Bilder, welche
den Leichnam des Heilands gewöhnlich auf dem Schoosse
seiner Mutter liegend, seltener auch auf dem Schoosse Gott
des Vaters oder allein von Engeln beweint darstellen. Wie
der Name sagt, ward hier das tiefste Mitleid, der herbste
Schmerz über den Tod des Heilands ausgedrückt, soll der
Beschauer zur thränenreichsten Andacht gerührt werden.
Solche Bilder sind in Menge und von den berühmtesten
Meistern gemalt worden.
Ueber die Leiche des Heilands ist schon in den Artikeln
Plaguen. 287
Chi'istus, Kreuzigung und Leichnam gesprochen worden. Viele
Maler haben die schwere Aufgabe, die Spur des göttlichen
Geistes und Lebens im gestorbenen Menschenleibe zu zeigen,
zu lösen mit mehr oder minder Glück versucht, andere sich
dagegen mehr die Aufgabe gestellt, nur eine seltene Kunst-
fertigkeit zu zeigen, z. B. die grösste Naturtreue in der
Anatomie des todten Leibes, die abschreckendste Wahrheit
in der Auffassung des Todes, oder die Meisterschaft des
Pinsels in der Darstellung des Leichnams in schiefer Lage
und in der Verkürzung. Das Alles ist Missbrauch. Ein
echtes Kirchenbild darf nie auf solche Effecte ausgehen , son-
dern muss den todten Heiland in einfach natürlicher Lage,
in möglichster Ruhe, in heiligem Schlummer darstellen. Alles,
was zu gewaltsam, zu menschlich gemein dabei wäre, würde
den heiligen Eindruck schwächen oder stören.
Die schmerzenreiche Mutter, die den Sohn todt auf dem
Schoosse hält, wird am besten ganz in seinen Anblick und
in ihren Schmerz versunken aufgefasst, in tiefster Trauer
weinend. Aber ihr Schmerz darf nicht gemein werden, muss
immer eine heilige Würde behaupten. Weniger zu empfehlen
ist der hoffnungsreiche , wohl gar stolze Auf blick der Mutter,
indem sie sich über das Opfer durch den hohen Preis des-
selben tröstet. Das Magnificat und der Siegesblick der thro-
nenden Maria eignet sich nicht für Pieta - Bilder.
Zu vermeiden dürften auch die kleinern Zärtlichkeiten
seyn, die man dem Leichnam erweist, z. B. das Ausziehen
der Dornen aus dem Haar, die Küsse, die ihm von den
Angehörigen oder von Engeln aufgedrückt werden. Die
feierliche Ruhe des Bildes wird dadurch gestört.
Plagen.
Die zehn ägyptischen Plagen , womit Pharao und Aegyp-
tenland heimgesucht werden, bis Moses mit den Kindern
Israel frei entlassen wird (2. Mos. Kap. 8 — 11.), kehren wie-
der als letzte sieben allgemeine Schrecken und Verderbnisse
238 ' Plagen.
des Menschengeschlechts vor dem Weltende in der Offenba-
rung Johannis, Kap. 8. Die ägyptischen Plagen sind: 1) die
Verwandlung des Wassers in Blut, 2) die Unzahl von Frö-
schen , 3) von Läusen, 4) von Ungeziefer, 5) das Viehsterben,
6) die Blattern, 7) Hagel, 8) Heuschreckensch wärme, 9) Ver-
wandlung des Tages in Nacht, die sogenannte ägyptische
Finsterniss, 10) Tod der Erstgeburt. — Die apokalyptischen
sieben Plagen sind: 1) Verbrennung des dritten Theils der
Erde, 2) Verwandlung des dritten Meertheils in Blut, 3) Ver-
wandlung des dritten Wassertheils in tödtlich bittere Wer-
muth, 4) Verfinsterung des dritten Theils an Sonne, Mond
und Sternen, 5) der Brunnen des Abgrunds, aus dem eine
Wolke von Heuschrecken kommt, 6) die vier schrecklichen
Reiter, welche Tod und Verderben unter die Menschen bringen
(vgl. den Artikel Pferd) , 7) der siebenköpfige Drache. Dem
entspricht auch wieder das Ausgiessen der sieben Zornschalen
durch die Racheengel im 16. Kapitel der Offenbarung Jo-
hannis. Sie giessen Pest, Blut, Feuer, Finsterniss, Dürre,
Gewitter und Erdbeben aus.
Der Grundgedanke bleibt hier immer, dass die Menschen
als höhere, von Gott geschaffene Wesen gleichwohl der Ge-
walt der niederen Natur, den nichtswürdigsten Thieren und
rohesten Elementarmassen unterliegen müssen, weil sie durch
eigene Verschuldung, durch ihre Sünde, durch freiwillige Ver-
thierung und Verwilderung das höhere Recht mit der höheren
Würde verloren haben. Sie werden nun durch dieselben Ele-
mente, über die sie die Herrschaft hätten führen sollen, be-
straft. Jene Plagen, unter denen sie erliegen, sind nichts
anderes als eine grosse Revolution der Natur gegen den Men-
schen als unwürdigen Herrn der Natur.
Der heilige Augustinus, serm. 8. de decem plagis, bezog
die zehn Plagen auf die zehn Gebote. Weil ihr Menschen
die zehn Gebote Gottes nicht gehalten, darum sind jene zehn
Plagen über euch gekommen.
Predigt. 239
Platane,
Attribut des heiligen Basiliscus, weil der Pfahl, an dem er
angenagelt wurde, sobald das heilige Blut auf ihn träufelte,
wieder zu grünen begann und ein grosser schöner Baum
wurde. Acta SS. 3. März.
Predigt.
Der Heiland selbst ist der Logos, das Wort, das Evan-
gelium eine Verkündigung des Wortes. Der Heiland selbst
predigte, wie schon die Propheten ihn verkündet hatten und
wie hinwiederum die Gabe der Predigt durch Ausgiessung
des heiligen Geistes auf seine Jünger überging. Christus als
Prediger auf dem Berge oder im Schiff vor der am Ufer ver-
sammelten Menge ist eine der Situationen, in der wir ihn
uns am häufigsten vorzustellen gewohnt sind. Nach ihm
schwebt der Apostel Paulus uns fast ausschliesslich als Pre-
diger vor, so oft wir an ihn denken.
Das Sinnbild der Predigt ist die flammende Zunge.
Vgl. d. Art. Pfingsten. Auch die Taube, weil diese den hei-
ligen Geist bedeutet. Daher über Kanzeln so oft die Taube
angebracht wird.
Die Entgeistung und Abgestorbenheit der griechischen
Kirche bewährt sich hauptsächlich in der Abwesenheit wie
im ausdrücklichen Verbot der Predigt. Das andere Extrem
ist bei einigen aus dem Protestantismus hervorgegangenen
Sekten die ausschliessliche Geltung der Predigt und die Con-
centration des Cultus in eitles und willkührliches Geschwätz,
welches der Eine übt und die Andern anhören.
St. Eomanus von Antiochia wurde unter Diocletian ver-
folgt und, nachdem man ihm die Zunge ausgeschnitten, er-
würgt, 280, 18. November. Er predigte noch ohne Zunge,
wie der lateinische Dichter Prudentius in seinem lans^en
Hymnus auf ihn {Fabricii thes. p. 145.) sagt: Christum
240 Predigt.
loquenti nunquam lingua defuit. Der heilige Aigulf, Abt zu
Lyron, wurde, nachdem sein Kloster von Mummolus ausge-
plündert worden, gefangen mit den übrigen Mönchen auf ein
Schiff gebracht, und fuhr noch fort, zu predigen, obgleich
man ihm die Zunge ausgeschnitten hatte. Surius zum 3. Sep-
tember. — St. Eaymundus nonnatus, der Ungeborne, weil
er aus Mutterleib geschnitten Avar, predigte zu Algier den
Christensklaven und suchte auch die Muselmänner zu be-
kehren. Da legte ihm der Dey spöttisch ein Schloss vor den
Mund , aber Raymund predigte dennoch fort und wurde bald
darauf ausgelöst. 31. August. Besungen von Böneke. St. Leo-
degar, Bischof von Autun, wurde von dem fränkischen Ma-
jordom Ebroin verfolgt, der ihm die Zunge ausschneiden und
die Augen mit einem Bohrer ausziehen liess. Gleichwohl
predigte Leodegar auch ohne Zunge noch fort. 2. October.
Beda von Rovigo, ein italienischer Heiliger des 9ten Jahr-
hunderts, predigte zuweilen allein, aber statt der Menschen
kamen die Engel, ihm zuzuhören. Die Kirche verehrt ihn
am 10. April. In Kosegartens Legenden kommt unter de
Namen „das Amen der Steine" ein Gedicht vor, in welchen,
der blinde Beda von einem ruchlosen Knaben angeblich an
einen Ort geführt wird, wo viele Menschen auf ihn wai x
sollen, wo aber wirklich nur eine menschenleere Steinwüste ist.
Da predigt der Heilige und die Steine rufen von allen Seiten
Amen, auf dass erfüllt werde, was geschrieben steht : „Wenn
die Menschen schweigen, werden die Steine reden."
St. David, Erzbischof von Meneve in Walhs, aus alt-
walhsischem Königsgeschlecht entsprossen, wurde ein grosser
Prediger. Als seine Mutter mit ihm schwanger ging und
einmal in eine Kirche trat, verstummte der Prediger, zum
Zeichen, dass der Sohn, den sie gebären würde, alle Redner
der Welt übertreffen sollte. Seine Beredsamkeit war nachher
auch wirklich so gross, dass die Erde unter seinen Füssen
sich hob und einen Hügel unter ihm bildete. Er starb 544.
1. März. — St. Vitus ist auf Kirchenbildern daran kenntlich,
dass er, an der Folterleiter hängend, dennoch den Schmerz
Priestei*. 241
überwindet und dem Volke mit feuriger Eede predigt. Petrus
Gonzalez predigte unter einem heftigen Gewitter im Freien,
aber die Stelle, wo er mit seiner kleinen Gemeinde stand,
blieb sonnenhell und trocken. Als St. Angelus predigte, fielen
ihm Rosen und Lilien aus dem Munde.
St. Chrysostomus hat den Namen von dem goldnen
Munde, d. h. von seiner heiligen Beredsamkeit.
Einander entgegenstehende Bilder des christlichen Prie-
sterthums sind: der Prediger in der Wüste, den Niemand
hören will , und — der gottvergessene Priester , der aus
Menschenfurcht schweigt, wo er reden sollte, und den das
Sinnbild des „stummen Hundes*' schändet.
Priester.
Die Priesterweihe ist voll Symbolik. Indem alle anwe-
senden Priester den zum Priester zu Weihenden die Hände
auf das Haupt legen, bezeichnen sie ihn als ihren künftigen
Bruder und theilen ihm gleichsam den Vorschmack dessen
mit, was ihm schliesslich durch die Handauflegung des Bi-
schofs zu Theil werden soll. Indem ferner der Bischof ihm
zum erstenmal die Priestergewande reicht und vor Allem ihm
die Stola kreuzweis über die Brust legt, schmückt er ihn
nicht nur mit dem hohen Vorrecht, sondern beladet ihn auch
mit der schweren Pflicht seines Amtes. Indem er ihm drit-
tens die Hände mit Chrysam salbt, reinigt und weiht er die-
selben zur Ertheilung der Sakramente. Indem er alsdann
ihm das Brod und den Kelch überreicht, befähigt er ihn
zum Sakrament des Altars, zum Opfer für die Lebendigen
und die Todten. Hierauf folgt die Handauflegung des Bi-
schofs auf das Haupt des neuen Priesters, wodurch ihm der
heilige Geist mitgetheilt und seiner neuen Amtswürde und
Gewalt das Siegel aufgedrückt wird. Zum Schluss gibt er
ihm den Friedenskuss. Vgl. Rippel, Alterthum d. Cäremo-
nien 236 f. Binterim, Denkw. L 1. 471 f.
Menzel, christl. Syiiibolilt. 11. j^ß
Mt Priester.
In der Priesterkleidung ist ebenfalls Alles mehr oder
weniger symbolisch. Das priesterliche Urkleid ist offenbar
die alba (das weisse Priesterhemd) mit langen und weiten
Aermeln. Es erhebt den Priester über die bunte Gemeinde
zu einem höheren Wesen gleich den Engeln und Seligen,
die weisse Kleider tragen zum Zeichen ihrer Reinheit, als
Kinder des Lichts. Schon in den ältesten Katakombenbildern
finden wir dieses priesterliche Hemde. Das zweite Haupt-
kleid des Priesters ist sodann die stola (orarium), die sich
über der Brust kreuzt und hinten über die Schulter fällt,
bedeutend die Last des Kreuzes und das Joch des Herrn.
Wenn die Alba den Priester als dem Lichtreich oben näher
stehend bezeichnet, so verweist ihn die Stola dagegen auf
seine schwere Pflicht auf Erden und mahnt ihn, das Kreuz
zu tragen, wie Christus. Das dritte Hauptstück der Kleidung
ist das cingulum^ der Gürtel, das Sinnbild der Zucht, Keusch-
heit, Sittenstrenge und Ascese, so wie der heiligen Kraft im
Widerstand gegen alle böse Verlockung. — Die übrigen Klei-
dungsstücke sind: amictus oder humerale , Umschlagetuch um
die Schultern, Halskragen oder Kapuze; planeta^ penula, ca-
sulum^ pallium, der Mantel; das schwere Messgewand, bedeckt
mit Stickereien, zuweilen mit Gold und Juwelen; manipulus
oder sudarium, ein am linken Arm getragenes Tuch zum Ab-
trocknen; endlich die dalmatica, ein ärmelloses Hemde, das
ursprünglich die Diaconen trugen, nachher aber kurze und
weite Aermel erhielt und über der Alba getragen wird. —
Dazu kommt noch die Tonsur, die an den Dornenkranz des
Heilandes erinnern soll, und die Calotte, das Mützchen zu
ihrer Bedeckung. Vgl. Binterim , Denkw. I. 200 f. Kreuser,
Kirchenbau H. 147 f. Der lange, schwarze, zugeknöpfte
Talar, die gewöhnliche Tracht der Priester im Privatleben,
ist , wie auch das Barett oder der breite Hut, eine Auszeich-
nung des Standes ohne tiefere symbolische Bedeutung.
Propheten. 243
Propheten.
Prophet heisst wörtlich interpres^ Dolmetscher, Verkün-
diger der göttlichen Befehle. Samuel hatte eine Schule der-
selben gegründet, Knaben wurden von Jugend auf zum
Dienste Gottes erzogen, und unter ihnen wählte Gott sich
aus, welchen er würdigen wollte, seine Befehle auszurichten.
Aber auch ausserhalb dieser Schule suchte Gott seine Pro-
pheten, wie bisher. Amos z. B. war ein Hirt, und kein ge-
lehrter Prophetenschüler.
Die Prophetenschule erscheint immer auf's Innigste ver-
bunden mit dem Hohenpriesterthum, so oft das Priesterthum
selbst seines Berufes sich bewusst ist, wie unter Samuel,
Ahia, Jojada. Wo aber das Priesterthum gesunken ist und
Baalsdienst herrscht, steht der Prophet allein. Ein Gegen-
satz zwischen Propheten und Priester, wie später zwischen
Christus und Pharisäern , findet sich damals noch nicht. Der
Prophet steht immer den Priestern zur Seite oder für die-
selben einerseits dem fremden Baalsdienst, andrerseits den
bösen Königen gegenüber.
Die Propheten stellen das Gewissen des Volkes dar, dem
die Gebote Gottes dann am lebhaftesten vorschweben, wenn
sie am frechsten übertreten werden. Wo Fürst, Volk und
entartete Priester im Uebermuth des Glücks von Gott ab-
fallen, oder in der Noth verzagen, da treten die Propheten
auf und ermahnen hier zur Keue, Busse und Besserung, dort
zur Fassung, zur frohen Hoffnung. Wie die Zunge an der
Waage, zeigen sie das Rechte an, ob das Volk auf die Seite
des Trotzes oder des Verzagens neige. Immer stellen sie
das Gleichgewicht her.
Die Macht der Wahrheit, die sich in ihnen ausspricht,
wird noch erhöht durch ihre persönliche Demuth und Be-
scheidenheit. In völliger Anspruchslosigkeit, ja mit Auf-
opferung sagen sie die Wahrheit, und setzen sich dadurch
der Verfolgung, zuweilen sogar dem Tode aus.
16*
|44 Propheten.
Das Wunderbare aber an den Propheten ist ihre stete
Hinweisung auf die Zukunft. Alle übereinstimmend verkün-
digen dem Volk Israel für seine Sünden die Gerichte Gottes,
aber nach dieser Busse eine herrliche Wiedergeburt, den Sieg
des Reiches Gottes und die Ausdehnung desselben über alle
Völker auf Erden durch einen neuen König von Zion. Wie
schon in den Büchern Mosis, der Richter und der Könige
überall sich deutlich aussprach, dass Gott die Kinder Israel
einem ihnen selbst verborgenen Ziele entgegenführe, und die
Art, wie er ihre vorübergehenden älteren Generationen be-
handelte, sich nur durch diesen Hinblick auf die Zukunft
erklären lässt, so verstärkt sich das Ahnungsvermögen der
Propheten gleichsam in dem Maasse, in welchem sie dem Ziele
näher rücken, und immer deutlicher und bestimmter wird der
Messias verkündet, ja es werden die unzweideutigsten Kenn-
zeichen desselben vorausgesagt. Er wird vom Stamme Da-
vids seyn, er wird zu Bethlehem geboren werden, er wird
einer Jungfrau Sohn seyn.
Den Propheten selbst war es mehr oder weniger unbe-
wusst, dass der Messias, den sie verkündeten, weit über ihre
altjüdische Vorstellungsweise hinausreichen würde. Sie dach-
ten sich einen König Juda's, der, noch weiser und mächtiger
als Salomo, alle Reiche der Welt unter seinen Scepter ver-
einigen würde. Sie dachten noch nicht an ein geistiges Reich,
wie es Christus stiftete. In demselben Irrthum waren auch
später noch die Apostel selbst befangen.
Aber das ist gerade das Erhabene der heiligen Schrift,
dass sie Gottes Führungen enthüllt, wie sie sich nach und nach
in ihrem gesammten Verlauf erkennen lassen, ohne dass die
jedesmaligen Propheten, deren sich Gott zu seinen Absichten
bedient, selber wissen, wozu sie gebraucht werden; und dass
die Absicht Gottes immer eine viel grossartigere ist, als selbst
die besten seiner Diener begreifen. Denn wie ärmlich würde
sich der Messias, den sie als weltbeherrschenden Judenkönig
sich dachten, neben dem wahren Messias ausnehmen, dessen
Reich nicht von dieser Welt ist? Und wie unmöglich würde
I
Propheten. S45
es den Juden, als solchen, gewesen seyn, sich alle Völker
zu unterwerfen; während der Cultus aller, auch der fernsten
Erdenvölker, um die alleinige Burg Zion her sich ganz na-
türlich durch die allmählige Verbreitung der christlichen Lehre
und Heiligung erklärt.
Man theilt die Propheten, welche nach EHas und Elisa
in der Zeit des tiefsten Verfalls und des Exils auftraten, in
die vier grossen und zwölf kleinen ein. Von jedem derselben
ist uns ein Buch erhalten, doch gehören die erzählenden
Bücher Daniel und Jonas mehr der Geschichte an, während
die andern sämmtlich Lehren und Visionen enthalten.
Die vier grossen Propheten sind Jesaias, in dem die er-
habenste Begeisterung; Jeremias, in dem die tiefste Klage;
Ezechiel, in dem die kühnste visionäre Phantasie, und Da-
niel, in dem die heiterste Hoffnung, gleichsam die ewige
Jugend des Volkes Gottes mitten im tiefsten Elend sich
aussprechen.
Man hat in ihm die vier Temperamente vsdederzuerkennen
geglaubt , in Jesaias das cholerische , in Jeremias das melan-
cholische, in Ezechiel das sanguinische und in Daniel das
phlegmatische. Auch vier Altersstufen, sofern Daniel als
aufblühender Jüngling, Jeremias als hinwelkender Greis, die
beiden andern mehr in männlichen Jahren gedacht wurden.
Nach dem byzantinischen Typus erscheint Ezechiel älter als
Jesaias. Kunstbl. 1832. S. 10.
Die Propheten sind ,. Gottes Mund", aber ihr mensch-
liches Wesen contrastirt mannigfach mit ihrer Mission. Elias
ist allzu feurig, allzu zornig; deshalb mahnt ihn Gott zur
Milde, indem er ihm nicht im Sturmwinde, nicht im Gewitter,
sondern im sanften Säuseln erscheint. Jonas ist allzu gerecht
und will die schuldigen Bewohner von Ninive bestraft sehen;
aber Gott mahnt ihn zur Milde, indem er ihn beschämt.
Jeremias ist ein milder, idyllischer Charakter, aber in den
schrecklichen Tagen des Gerichts muss auch der Schwache
erstarken; gerade ihm wird die Aufgabe, Prophet zu seyn
in der Jammerzeit,
246 Propheten.
Die Propheten sind häufig von Malern in einer Reihe
zusammengestellt worden, nicht selten gegenüber den Apo-
steln, als Vertreter des alten Testaments gegenüber dem neuen,
wobei wieder insbesondere die vier grossen Propheten den
vier Evangelisten gegenüberstehen. Häufig sind den Pro-
pheten symmetrisch nebengeordnet die Sibyllen. Die Sibyllen
sind sämmtlich Frauen und Heidinnen, welche Christum ver-
kündigen, während die Propheten, die dasselbe thun, sämmtlich
Männer und Juden sind. Die berühmteste Zusammenstellung
der Propheten und Sibyllen ist die von Michel Angelo in der
sixtinischen Kapelle. Beide sind im grossartigsten Style, sta-
tuarisch, voll Kraft und Leben aufgefasst in übermensch-
licher Hoheit.
Wo sich Propheten und Apostel gegenüberstehen, unter-
scheiden sie sich nach byzantinischer Regel dadurch, dass
die Propheten stets (wie die Juden in ihren Synagogen) mit
bedecktem, die Apostel stets (wie die Christen in ihren Kir-
chen) mit unbedecktem Haupt erscheinen. Kugler, Kunst-
gesch. S. 385. Die grossen und kleinen Propheten haben
insgemein Schriftrollen in der Hand, wegen der Bücher, die
sie hinterlassen haben, die Apostel dagegen häufig gebundene
Bücher. In der griechischen Kirchenmalerei kommen den
Propheten Heiligenscheine zu, in der abendländischen nicht.
Didron, man. p. 309. Die Propheten tragen Schuhe, die
Apostel Sandalen. Kreuser, Kirchenbau H. 85.
Unter den grossen Propheten hat Jesaias die Säge, Je-
remias die Ruthe, Ezechiel ein Thor mit Thürmen, Daniel
die babylonische Mütze und zwei Löwen zum Attribut. Unter
den kleinen: Abdias wegen 1. Könige 18, 4. Wasserkrug und
Brodt, Amos Hirtenstab und Schaf (Amos 1, 1.), Jonas den
Wallfisch, Malachias einen Engel (Mal. 3, 1.), Zacharias den
Tempelbau, Joel einen Löwen, Nahum Bergspitzen, über die
er schreitet (Nah. 2, 1.). Die übrigen werden nur durch die
Form des Bartes und durch die Inschriften unterschieden,
Stellen aus ihren Büchern enthaltend, die sich auf den Mes-
sias und die Geburt durch die Jungfrau beziehen. Das sind
Psalmen. 247
in der griechischen Kirche unabänderliche Typen. Didron,
man. p. 136 f. Daher findet man auch häufig die zwölf Pro-
pheten gruppirt um Marien mit dem göttlichen Kinde. In
einer Gothaer Handschrift sind sie auf's Zierlichste in dem
Laubwerk angebracht, welches ein Bild der Verkündigung
umgibt. Rathgeber, Annalen S. 40. Auf einem Bild von
Eberwin vertheilen sich je drei Propheten unter einen Evan-
gelisten in der Umgebung der heiligen Jungfrau. Kunst-
blatt 1841. S. 414.
Dies gilt nur von den Propheten, die mit ihren Schrift-
rollen den Aposteln gegenüberstehen. Zu den Propheten
gehören aber noch die grossen Gesetzgeber, Könige und
Helden Juda's und die Propheten, die nicht selbst geschrieben
haben. Sie sind mit ihren Attributen : Moses kenntlich durch
langen Bart, Hörner und Gesetzestafeln; Aaron durch die
Priesterkleidung und den blühenden Stab; Josua durch krie-
gerische Rüstung; Gideon desgleichen und durch das Fell;
Hiob durch den Misthaufen; David durch Krone, Purpur-
mantel und Harfe; Salomon durch jugendliche Schönheit und
königliche Pracht, auch durch den Tempelbau oder Löwen-
thron; Elias durch den Raben, das Schwert (nach 1. Könige
19, 1.) und den feurigen Wagen; Elisa durch den zweiköpfigen
Adler (2. Könige 2, 9.). — Sehr oft Averden diesen Propheten
auch heroische Frauen aus dem alten Testament als Prophe-
tinnen zur Seite gestellt (wie die Sibyllen den Schriftpro-
pheten). Darunter Debora, die Königin von Saba, Ruth,
Judith, Susanna. Da ihre Zahl nicht ausreicht, haben sie
die Künstler, z. B. Sürlin in den Ulmer Chorstühlen, durch
Frauen ergänzt, die eigentlich nicht zu den Propheten, son-
dern zu den Patriarchen gehören, Sara, Rebekka, Rahel.
Psalmen.
Es ist hier nicht der Ort, mich über die Herrlichkeit des
Psalters auszubreiten. Nur die symbolische Beziehung darf
hier nicht übergangen werden, in welcher die alten Psalmen
S48 Psalmen.
zur christlichen Gemeinde stehen. Die Psalmen des alten
Testamentes enthalten, wenn auch in friedlicher Zeit unter
den Königen verfasst oder gesammelt, doch wesentlich die
Erinnerung an die lange Wanderung des Volkes Gottes durch
die Wüste, an die Schrecken der Verfolgung, an die Gefahren
der Verführung und Gottesvergessenheit, an den Zorn und
die Gerichte Gottes, an die Reue, Busse und überschweng-
liche Dankbarkeit für die wiedergeschenkte Gnade Gottes.
Auch unter seinen Königen und im anscheinend sichern Be-
sitze des gelobten Landes, erscheint das Volk Gottes immer
noch als ein Wandervolk, jeden Augenblick in Gefahr, wieder
in fremde Gefangenschaft entführt zu werden , aus der ägyp-
tischen in die babylonische. Und wirklich wurde dem Volk
der heilige Boden unter den Füssen entrissen und der Tempel
zerstört, und es wandert noch jetzt ruhelos durch die Welt.
Dieses alte Volk Gottes aber dient insofern nur zum Vorbild
auch für die Christenheit. Denn auch wir sind nur Pilger
auf Erden, auch wir sind Menschen, leicht der Verführung
anheimfallend, trutzig im Glück, verzagt im Unglück, und
haben tausendmal Gott in tiefster Noth um Hülfe anzuflehen,
und tausendmal ihm für unsre Rettung und seine gnädige
Führung zu danken.
Daher das Psalmensingen in der christlichen Kirche bei-
behalten und der ganzen spätem Hymnologie zu Grunde
gelegt worden ist. Unser Kirchengesang klingt fort in Psal-
mentönen, unsre Kirchenmusik wiederholt diese Grundtöne,
den gellenden Nothschrei der misshandelten Natur, den tiefen,
wühlenden Schmerz des Gerechten, das innerste Erbeben der
schuldvollen Seele, die Innigkeit des kindlichen Hülferufes,
die Hingebung in Gottes Willen , die Wonne der Rettung und
Erlösung, die heisse Gluth des Dankes und das hohe Wogen
der Siegsgesänge, wie sie die Psalmen uns darbieten. Nie
wurde das menschliche Gemüth tiefer getroffen, höher erhoben
in Gram und in Lust. Was sie uns aber vorzugsweise heilig
machen muss, ist, dass es sich in ihnen nicht um ein indivi-
duelles Interesse, sondern um die Leiden und Freuden, Ver-
I
Psalmen. 249
sündigungen und Rettungen eines ganzen Volkes handelt.
Jede persönliche Eitelkeit, jeder Egoismus verschwindet von
vorn herein vor der Grösse des Schicksals, das hier seinen
schrecklichen Donner entrollt.
Gleichwohl ist die christliche Kirchenmusik in den Psal-
men und ihrer Nachahmung nicht erschöpft. Sie geben doch
nur die alttestamentliche Auffassung, sie kehren die mensch-
liche Seite hervor, die sich zu Gott wendet. Dem kommt
nun eine auf das neue Testament gegründete Musik entgegen,
die mehr die himmlische Seite festhält, und in der minder
die Donner vom Sinai als der Harfenton vom Altar des
Lammes und Stimmen der Engel in der Höhe wiederklingen,
in der die heilige Beruhigung des neuen Testamentes sich
über die nächtlichen Stürme des alten ausbreitet wie das
Licht einer grossen Morgensonne.
«t
Quelle,
Sinnbild des ewigen Lebens, weil sie nie versiegt, aber auch
Sinnbild der Genesung, Wiedergeburt, weil das Quellwasser
heilkräftig wirkt, endlich Sinnbild der Heilslehre. Schon im
ersten Paradiese war eine Quelle, aus der die vier para-
diesischen Ströme flössen. 1. B. Mos. 2, 10. Diese Quelle
kehrt wieder im neuen Jerusalem, Offenb. Joh. 22, 1. Das
ist der Urquell des ewigen Lebens im Himmel. Vgl. Eu-
pertus Tuit. 22. Bruder David von Augsburg, von Pfeifler
edirt in Haupts Zeitschr. XX. 31. Auf dem berühmten Genter
Altar zertheilt sich dieser himmlische Urquell in sieben Strah-
len, das sind die sieben Geister Gottes und Gaben des hei-
ligen Geistes. Vgl. Joh. 4, 14, wo Christus spricht: wem
er das Wasser des ewigen Lebens gebe, der werde ewiglich
nicht dürsten. Auf einem berühmten Eyck'schen Bilde in
Madrid entspringt diese Quelle des ewigen Lebens neben dem
thronenden Christus, dem das Lamm zu Füssen liegt und den
Apostel und Propheten umgeben. In dem Wasser der Quelle
aber schwimmen Hostien in ein Becken hinab, vor dem Papst
und Kaiser, Geistliche und Laien (d. h. die ganze Christen-
heit) knieen. Passavant, christl, Kunst in Spanien S. 126.
Quelle. 251
Diese Beziehung der Hostien auf die Quelle des Lebens
fällt zusammen mit der Auffassung der Seitenwunde des
Heilandes am Kreuz als der Urquelle des neuen christlichen
Heiles. Schon die Quelle, welche Moses in der Wüste aus
dem Felsen schlug, wird als Vorbild der Seitenwunde Christi
und seines welterlösenden , aller Seelen Durst stillenden Blut-
vergiessens genommen. So ist auch das in den altchrist-
lichen Grabbildwerken der römischen Katakomben sehr oft
wiederholte Sinnbild des Mosesstabes, der die Quelle an-
schlägt, zu verstehen. Dem Verstorbenen wird durch den
Quell ein neues Leben, ein frisches Hervorspringen aus dem
steinernen Grabe verheissen, aber nur unter der christlichen
Bedingung , d. h. durch das Verdienst des Todes Jesu. Vgl.
Aringhi, Roma subt. 1. 319, 323, 539, 571, 613 f.
Auch wird die Quelle des Lebens speciell als das Wort
Gottes aufgefasst. Eine Quelle mit den Zeichen der vier
Evangelisten (auf Miniaturen, Waagen, Paris S. 239.) be-
deutet die vier Evangelien, verglichen mit den vier Flüssen
des Paradieses. Vgl. den Artikel Fluss.
Sofern Christus das Wasser des Lebens (aqua vitae)
heisst, wird Maria als die Quelle gedacht, aus der es fliegst,
als fons piirifatis^ auch als fons amoriS) fons Jacob. Auf
einem griechischen Bilde bei Didron, annales I. 213, erscheint
die Mutter Gottes als Brunnenheilige über einer Quelle, aus
welcher von einer Seite Patriarchen, Könige und Fürsten,
von der andern Kranke und Elende trinken. Eine Inschrift
bezeichnet die Quelle als die des Lebens. Es gibt auch
mehrere Gnadenorte, Mariabronn genannt, wo ein wunder-
thätiges Marienbild in einer Quelle gefunden worden.
Eine grosse Anzahl heilig gehaltener Quellen leitet ihren
Ursprung von Heiligen her, die sie auf wunderbare Weise
hervorspringen Hessen, sey es, um Nothleidenden zu helfen,
sey es nur, um ihre Heiligkeit kund zu geben. Vgl. die
Register der Acta SS. s. v. fons. Sie wiederholen das Wunder
des Moses , zuweilen aber lassen gemarterte Heilige eine
Quelle nur entspringen, um grossmüthig deu Durst ihrer
S53 Quelle.
eigenen Peiniger zu löschen, z. B. der heilige Venantius,
oder um die heidnischen Mitgefangenen zu taufen. Zum
Beweis der Heiligkeit entspringen Quellen da, wo das abge-
schlagene Haupt eines Märtyrers hinfällt,. oder wo er seinen
Stab in die Erde steckt.
Eine Quelle in der Höhle des heiligen Servulus bei
Triest duldet keine Unreinigkeit , weil der Heilige hier in
Jünglingsreinheit lebte. Jede Verunreinigung heiliger Quel-
len ist ein Frevel nach der christlichen Anschauung nicht
minder, wie nach der altern heidnischen; denn wenn auch
das Wasser an sich nicht heilig ist, so hat es doch seine
Weihe entweder durch das Heilige oder als ein von Gott
zum Heil der Menschen geschaffenes Element, das derselbe
nicht zum Unheil werden lassen soll. Eine der ältesten
Kirchen in Schleswig ist die zu Sieversted. Hier taufte der
heilige Poppo die ersten Christen in einer Quelle. Nachher
kam einmal ein Reiter, Hess sein Ross aus der Quelle trin-
ken und wünschte, das Ross möchte das Wasser verunrei-
nigen, zum Hohne des Heiligen. Das Ross that es auch,
konnte aber sammt dem Reiter nicht mehr von der Stelle,
bis letzterer gelobte, sich selbst taufen zu lassen und den
Christen hier eine Kirche zu bauen. MüUenhoflP Nr. 536.
Die christliche Wahrheit im Kampf mit der Täuschung,
Lust und Gewalt der Welt wird verglichen mit dem reinen
Brunnquell, gegen den ein überschwemmter Fluss anströmt.
Archippus, ein frommer Knabe, pflegte eine Heilquelle, die
da entstanden war, wo der Apostel Johannes einmal gepre-
digt hatte. Da leiteten die Heiden aus Schadenfreude den
nahen Fluss Chrysus herbei, um durch das wilde Wasser
desselben die Heiligkeit des Brunnens auszutilgen; aber das
inständige Gebet des Knaben rief den Engel Michael herbei,
der die anstürmenden Wasserwogen mit der Hand aufhob und
ein Erdbeben bewirkte, in dessen Folge sich eine Erdschlucht
öffnete, wohinein der Fluss in einem grossen Wirbel seitdem
zu verschwinden verdammt war. Surius zum 29. September.
p
r
II
Rabe,
Sinnbild des Todes, weil er vom todten Aase lebt. Die
Juden fabeln, der Rabe habe das erste Grab auf Erden ge-
graben für seine Jungen. Das habe ihm Adam abgesehen
und dadurch gelernt, wie er den Leichnam Abels beerdigen
solle. Tendlau, jüdische Sagen S. 179. Nach einer andern
jüdischen Fabel war der Rabe ursprünglich weiss, wurde aber
schwarz zur Strafe, weil er sich in der Arche Noä paarte.
Eisenmenger, entdecktes Judenthum I. 448. Auch fabeln sie,
der Rabe, den Noah aus der Arche fliegen Hess und der
nicht wiederkam, weil er sich auf die schwimmenden Thier-
leichen setzte, lebe heute noch. Rupert von Deutz hat ihn
mit dem ewigen Juden verglichen und überhaupt im Raben,
der sich zum Aase der vorsündfluthlichen Zeit gesellt und
im Schmause desselben allein Wohlgefallen, ein Symbol des
Judenthums erkannt, welches auch dann noch immer rück-
wärts verliebt in die Vergangenheit blicke , nachdem das neue
Heil in Christo aufgegangen sey. Rupert. Tuitensis p. 44.
Ein schönes Sinnbild! Die Taube hat längst den Oelzweig
gebracht, Noah mit den Seinen hat die Arche verlassen, die
254 Rabe.
Erde trocknet, die Wolken verziehen sicli, Gott spannt am
Himmel den Regenbogen aus zum Zeichen der Sühne und
des neuen Bundes, aber der Rabe ist nicht dabei, er verweilt
immer noch in den Sümpfen, die von der Sündfluth zurück-
geblieben, bei den faulenden Aesern. — Das grösste Fest-
essen aber erwartet der Todtenvogel noch nach der Offen-
barung Johannis 19, 17, wo der auf der Sonne stehende
Engel alle Yögel zusammenrufen soll, um das Fleisch der
Könige zu fressen. Dieses Schreckensbild aus der Apokalypse
entspricht genau jenem Bild aus der Sündfluth.
Der Rabe ist auch Sinnbild des Teufels , weil der Teufel
den Seelen Verstorbener nachstellt, wie der Rabe deren
Leibern. In vielen Legenden versuchen Teufel in Raben-
gestalt heilige Einsiedler zu necken, z. B. die Heiligen Bo-
nifacius und Macarius, oder fliegen aus dem Leibe der
Besessenen, nachdem sie von Heiligen gebannt worden, in
Rabengestalt aus. Auf einem altdeutschen Bilde, das sich
früher in Unterlimburg bei Schwäbisch Hall befand, jetzt
aber in Stuttgart ist, wird der Teufel, der sich als Rabe
beim Evangelisten Johannes eingeschlichen, vom zürnenden
Adler, dem gewöhnlichen Begleiter dieses Apostels, gepackt
und in die Augen gehackt. Der heilige Augustinus bezeichnet
den Raben als teuflisches Thier schon deshalb , weil er immer
cras (morgen, morgen, nur nicht heute!) rufe und dadurch
die Menschen zur Faulheit verführen wolle. Draudius, Com-
mentar zu SoUnus HI. 23.
Gott erweist seine unerschöpfliche Gnade , indem er auch
so schlechte Thiere leben lässt und ernährt. Hiob 39, 3.
Psalm 147, 9. Lucas 12, 24. Auch bedient er sich zuweilen
gerade solcher Thiere, wie sie in Wüsten nicht besser vor-
kommen, zu Boten seiner Huld. Schon der Prophet Elias
wurde in der Wüste durch einen Raben gespeist, 1. Kön.
17, 6. Eben so der heilige Einsiedler Paulus. Nachkommen
des Raben, der dem h. Benedikt Brodt brachte, sollen noch
auf dem Monte Cassino leben. So werden auch zu Lissabon
am Grabe des h. Vincenz vier Raben unterhalten, weil sie
Rad. 255
einst seine Leiche über Meer begleiteten. Nieremberg ^ hist.
nat. p. 388. Wenn einer stirbt, findet sich immer wieder
ein neuer ein. Berckenmeyer, kur. Antiquarius S. 17. — Die
Stadt Ravenna soll den Namen von unzähligen Raben haben,
welche sich jährlich am Feste des Ortsheiligen St. Apollinaris
vor der Stadt zu versammeln pflegten, und denen man ein
todtes Pferd zum Frasse hinlegte. Nieremherg , de miraculis
naturae I. 4. p. 389. ■ — In dem altdeutschen Gedicht vom
heiligen Oswald kommt ein Rabe vor, der demselben einen
Brief bringt. Ein Rabe mit einem Ring im Schnabel ist
Attribut der heiligen Ida, weil ein Rabe ihr den Trauring
entwendet hatte , ihr Gatte aber sich einbildete , sie habe ihn
einem Liebhaber gegeben, und sie aus Wuth in einen Ab-
grund stürzte.
St. Meinrad, ein Graf im Saulgau (aus dem Geschlecht
der Zollern) , entsagte der Welt und begab sich als Einsiedler
in den „finstern Wald" im nachmaligen Kanton Schwyz.
Einst fand er ein Nest von jungen Raben, schonte und pflegte
sie. Als nun einige Zeit nachher Räuber ihn überfielen und
ermordeten, flogen jene Raben über ihm und er rief sie zu
Zeugen an. Die Raben aber folgten den Mördern nach und
Hessen nimmer von ihnen ab mit Hauen und Kratzen. Da
nun das umwohnende Landvolk die Raben des Heiligen wohl
kannte und jene Bösewichte mit zerstörtem Gesicht und voll
Bestürzung sich fliehend der Raben erwehren sah, vermuthete
es Arges, hielt sie fest, entdeckte und bestrafte den Mord.
23. Januar. Ein altes Lied darauf in des Knaben Wunder-
horn in. 170. Die Legende ausführlich in Murer, Helvetia
sancta p. 123. üeber dem Grabe des Heiligen wurde das
berühmte Kloster Einsiedeln erbaut, noch jetzt ein grosser
Wallfahrtsort.
Rad.
Ueber die rotirende Kraft als Sinnbild götthcher All-
macht, die flammenden und äugen vollen Räder, vgl. die
Artikel Cherubim und Engel. Derselben Symbolik gehört
^56 Räuber.
das Kreuz im Zirkel, gleichsam die Speiche eines Rades
darstellend, als ausschliessliches Attribut der höchsten Per-
sonen der Dreieinigkeit an. Der Kreis bedeutet die Welt,
das Kreuz Gott, das ganze Zeichen die Allherrschaft Gottes
in der Welt.
Dieses heilige Zeichen wird in Spanien mit dem Rade
der heiligen Katharina identificirt. Ein zackiges Rad, unter
welchem die h. Katharina den Martyrertod leiden sollte,
welches aber dabei zersprang, ist das allbekannte, unzählige-
mal auf Bildern wiederholte Attribut dieser Heiligen. In
Spanien gibt es aber mit besondern Wunderkräften ausge-
rüstete Menschen, die in die Zukunft sehen und Kranke
heilen können, die sogenannten saludadores, welche behaupten,
diese Gabe komme ihnen vom Radzeichen jener Heiligen,
welches irgend einem Theil ihres Körpers nicht auswendig,
wohl aber inwendig eingeprägt sey. Torquemada^ flores 1577,
p. 159. Hier scheint auf das Rad der Heiligen etwas von
der höheren Kraft der ganz ähnlichen höheren Signatur des
dreieinigen Gottes übertragen zu werden.
Vom heiligen Bernhard berichtet die Legende, er habe
einmal den Teufel gezwungen, ihm als Felge in seinem zer-
brochenen Rade zu dienen. Panzer, Beitrag zur deutschen
Myth. S. 116. Ein Rad ist Attribut des heihgen Donatus
und des h. Pantaleon, die damit gerädert wurden. Das Rad
des Letztern w^andte sich gegen die umstehenden Heiden und
rollte zermalmend über sie hin.
Das Rad im Wappen des Erzbisthums Mainz stammt
vom Erzbischof Willigis , der eines Radmachers Sohn war und
es in sein Wappen setzte mit den bescheidenen Worten:
„Willigis, deines Ursprungs nicht vergiss." Grimm, deutsche
Sagen Nr. 468.
Räuber.
Der zum Raubthier verwilderte Mensch , der Mensch auf
der tiefsten Stufe selbstverschuldeter Verderbniss, ist gleich-
wohl der Besserung und des Heiles fähig, das Christus
Räuber. 35t
gewährt, indem er für alle Menschen gestorben ist. Das lehrt
das Beispiel des bekehrten Schachers, der mit Christo ge-
kreuzigt wurde. Es sind aber ihrer zwei, und der andere
bekehrt sich nicht, sondern stirbt in seiner Verstocktheit. So
theilt sich die Menschheit durch eignen Willen und eigne
Schuld auf den Wegen zum Himmel und zur Hölle.
Die Legende kennt mehrere Heilige , die auf die Räuber
wirkten, wie Christus am Kreuz auf den frommen Schacher.
Die wilden Naturen wurden gezähmt durch die Erscheinung
heiliger Milde und Liebe. Das berühmteste Beispiel bot der
heilige Amandus. Dieser Heilige, seines wahren Namens
Heinrich Seuss oder Suso, 1300 zu Constanz am Bodensee
geboren, empfing den Namen Amandus von seiner wunder-
baren Schönheit, die so gross war, dass wilde Räuber, die
ihn einmal im W^alde überfielen, vor ihm niederknieten und
ihm beichteten. Gott selber aber soll ihm den Namen Aman-
dus gegeben haben, weil Suso, ganz erfüllt von Gottesminne,
verdiente, auch wieder von Gott absonderlich geliebt zu
w^erden. Suso liebte aber Gott zumeist unter der Gestalt der
„ewigen Weisheit", die ihn einst sichtbar mit einem Kranz
blühender Rosen geschmückt haben soll. Er selbst sagt in
seiner Lebensbeschreibung: „Willst du hoher Minne pflegen,
so sollst du zu einem holdseligen Lieb die ewige Weisheit
nehmen." Sein ganzes Leben war nun eingenommen von
dieser Liebe, und was er in schwäbischer Sprache uns hin-
terlassen hat, das Buch von der ewigen Weisheit, das Buch
von dem neuen Felsen und die Predigten (herausgegeben von
Diepenbrock, Regensburg 1829), athmet nur diese mystische
Liebe. Von ihr getrieben, schrieb er sich den Namen Jesu
auf sein Herz mit so scharfen Stichen, dass das Blut herab-
rann, und trug acht Jahre lang ein schweres Kreuz mit
Stacheln auf dem Rücken. Herder hat ihn besungen und
Görres in der Vorrede zu der Ausgabe von Diepenbrock
seine Seelenschönheit in's volle Licht gestellt. Die Kirche
verehrt ihn am 25. Januar.
Auch Alexander, der Akömet, ein syrischer Mönch des
Menzel, christl. Symbolik. II. j['2'
258 Räuber.
5ten Jahrhunderts, war so fromm und beredt, dass er einmal,
als er auf einer Keise unter die Räuber gerieth, dieselben
bekehrte und sogar dahin brachte, ihr Raubnest in ein Kloster
zu verwandeln. Er stiftete den Mönchsorden der Akömeten
oder Schlaflosen, die mit einander abwechselnd Tag und Nacht
ununterbrochen Loblieder auf Gott anstimmten. Helyot I.
294. Acta SS. 15. Januar. Desgleichen wurde der selige
Petrus von Pisa, ein Eremit des 14ten Jahrhunderts, von
Räubern überfallen, bekehrte sie aber und bewog sie, bei
ihm zu bleiben und Mönche unter ihm zu werden. 17. Juni.
In andern Legenden tritt dagegen die Räubernatur in
ihrer ganzen Bösartigkeit und Unzähmbarkeit hervor und
contrastirt damit die Reinheit der Heiligen. St. Colomanus,
ein Irländer, w^ollte als Pilger zum heiligen Grabe wandern,
wurde aber unterwegs im Oesterreichischen für einen fremden
Kundschafter genommen und zwischen zwei Räubern aufge-
henkt (im Jahr 1012). Seine Heiligkeit aber gab sich dadurch
zu erkennen, dass sein Leib unversehrt blieb, während die
beiden andern von den Raubvögeln verzehrt wurden, und
dass der Baum, an dem er hing, mitten im Winter grünte
und blühte. Solches geschah zu Stock erau, von wo aber der
Leichnam nach Molk erhoben und über ihm eines der grössten
Klöster der Welt gebaut wurde. — St. Gudwalus, Bischof
in England im 7ten Jahrhundert, bewirkte durch sein Gebet,
als er unter Räuber fiel, dass diese sich alle unter einander
selbst ermorden mussten. 6. Juni. St. Chariten wurde von
Räubern gefangen, aber eine Schlange kroch in das Wein-
gefäss derselben und vergiftete sie alle, wodurch der Heilige
gerettet wurde. Surius zum 28. September.
Wie nahe in der menschlichen Natur die Verthierung
zum Räuber und die Erhebung zum Heiligen in einem Aus-
gangspunkte sich berühren, hat der Spanier Tirso de Molina
in einem merkwürdigen geistlichen Schauspiel gezeigt, wie
man denn in den spanischen Autos und geistlichen Dramen
die sinnreichsten Ausdeutungen der Legenden findet. Er han-
delt vom Einsiedler Paulus. Dieser Fromme träumt einmal
Räuber. S59
vom jüngsten Gericht und dass er selbst unter den Verdammten
sey. Da erwacht er höchst erschrocken, überlegt aber, wie
wenig er bei seiner grossen Frömmigkeit eine solche Strafe
verdient habe und zweifelt einen Augenblick an Gottes Ge-
rechtigkeit. Da ersieht der Teufel sogleich seinen Vortheil
und beschleicht ibn in Engelsgestalt , indem er ihm verkündet,
in Neapel lebe ein gewisser Enrico, dessen Loos genau sein
eignes seyn werde, an diesem also könne er sich spiegeln.
Paulus begibt sich sofort nach Neapel und findet in jenem
Enrico den gröbsten Sünder, wie er eben die wildesten
Orgien feiert. Dieser muss verdammt werden , denkt Paulus,
also auch ich, und wenn ich doch einmal verdammt seyn
soll, wozu nützt mir das heilige Leben? Er geht nun zwar
in die Wüste zurück, aber nicht mehr, um zu beten, sondern
um sich an die Spitze einer Räuberbande zu stellen. Nun
treibt er es so toll und noch toller wie Enrico. Der Letztere
aber, von dem Gerichte verfolgt, hat sich in's Meer gestürzt
und schwimmt an das Ufer, wo Paulus mit seiner Bande
haust. Paulus erkennt ihn und will sein alter ego prüfen,
lässt ihn daher an einen Baum binden, Pfeile auf ihn zielen
und ermahnt ihn unter den Schrecken des Todes zur Busse.
Aber Enrico lästert Gott und trotzt dem Tode. Da bindet
ihn Paulus wieder los und erzählt ihm seine Geschichte.
Beide setzen ihr wildes Leben fort, aber Enrico hat mitten
unter Lastern eine Tugend bewahrt, Treue und Ehrfurcht
vor seinem Vater. Als er nun den Gerichten in die Hände
fällt, und der Teufel ihn befreien will um seine Seele, wird
er auf einmal fromm, übergibt seine Seele Gott, lässt sich
hinrichten und wird von Gott begnadet. Paulus aber ver-
sinkt immer tiefer in Greuel, lässt sich auch durch eine Er-
scheinung Enrico's nicht warnen und wird endlich vom
Teufel geholt, v. Schack, span. Drama IL 603. Eine tief-
sinnige Lehre: Der kleinste Fehler führt den Frömmsten
in's Verderben; die geringste Aeusserung einer guten Ge-
sinnung kann auch den Lasterhaftesten noch retten.
17*
260 Rahab.
R a h a b ,
die ßuhlerin zn Jericho, die den Juden mit List beistand, sich
dieser Stadt zu bemächtigen, daher sie von allen Einwohnern
allein verschont und belohnt wurde. Buch Josua 6, 25. Das
Vorbild der heiligen Magdalena, h. Afra und anderer Buh-
lerinnen späterer Zeit, die den weltlichen Lüsten entsagten.
Heilige wurden und das Reich Gottes förderten. Dante im
9ten Gesang des Paradieses stellt sie dem Papst gegenüber,
welcher, obwohl zur Heiligkeit berufen, unheilig lebe und
wirke, während sie, die Verachtete und Verworfene, zu
Gottes Ehren ungleich mehr gethan habe. Ihr Attribut ist
ein Strick. Kunstbl. 1825, S. 102.
R a h e 1.
Schon Matthäus (2, 17.) bezog die Stelle des 1. Buches
Mosis 35, 19, wo es von der Rahel heisst, sie beweine ihre
Kjnder, auf den bethlehemitischen Kindermord, und erklärte
hier eine alttestamentalische Prophezeihung durch das neue Te-
stament für erfüllt. Aber auch in anderer V^eise sah man in
Rahel, wie in ihrer Schwester Lea, alttestamentalische Vorbilder.
Cyrillus {Glaphyr. in Genesin 4, 135.) vergleicht die Lea mit dem
Judenthum, die Rahel aber mit dem Heidenthum, weil in
dem letztern das Christenthum tiefere Wurzeln geschlagen und
bessere Früchte getragen habe. Ferner bilden sie denselben
Gegensatz, wie später Martha und Magdalena. Lea ist die
minder schöne, aber brave und nützliche Hausfrau, Rahel
ist schöner und geistiger, dem beschaulichen Leben und den
Idealen zugewendet. So contrastiren sie als die zwei Haupt-
richtungen des Lebens neben der berühmten Mosesstatue des
Michel Angelo. Vasari V. 343. Bunsen, Beschr. von Rom
III. 2. 235. An den Chorstühlen des ülmer Münsters hält
Lea ein hölzernes V^erkzeug (Stössel in's Butterfass ?) , Rahel
aber eine steinerne Säule. In Dante's Fegfeuer 27. pflückt
Rauch. 261
sich Lea Blumen, um sich schöner zu machen (die Werk-
heiligkeit), während Rahel ungeschmückt , durch sich selbst
schön , keinen Blick vom Spiegel (der göttlichen Betrachtung)
abwendet.
Es scheint jedoch, man müsse nach Jesaias 31, 15 — 17.
Rahel noch höher fassen als Vorbild der schmerzensreichen
Mutter. Am Grabe Raheis, nur eine Stunde von Jerusalem,
erscheint ihr Geist und wehklagt über das Schicksal ihrer
Kinder, d. h. der Kinder Israel zur Zeit der babylonischen
Pleimsuchung. Aber der Herr spricht zu ihr: „Lass dein
Weinen, denn deine Kinder werden wiederkommen.^ Das
lässt eine Beziehung auch auf den Jammer der christlichen
Welt und auf die Verheissung der himmlischen Heimath zu.
R a p h a e 1,
unter den Erzengeln vorzugsweise der Schutzengel für die
Unschuld, daher umherwandernd in der Welt, um, wo es
Noth thut, zu helfen. Raphael war es, der den jungen To-
bias begleitete und ihn sowohl als seine Eltern nach harter
Prüfung glücklich machte. Er wird daher auch als Pilger
gemalt mit Reisestab und Kürbisflasche, die ihn von allen
andern Engeln, so wie hinwaederum seine schönen Engel-
flügel von allen andern Pilgern unterscheiden. Er steht als
Wanderer allen andern Schutzengeln voran , wae Michael als
Krieger den Engeln des Schwertes und Gabriel als Bote
den Engeln der Verkündigung und himmlischen Herolden.
Rauch,
Sinnbild des Eiteln und Vergänglichen. Ascendendo vanesdt,
indem er steigt, verschwindet er. Picinellij mundus symb. 78.
Der Himmel (die sichtbare Natur) wird wie ein Rauch ver-
gehen. Jesaias 51, 6. Vor dem Papst wird ein Büschel Flachs
verbrannt mit den Worten : Sic transit gloria mundi , um ihn
zu mahnen, seiner irdischen Macht nicht zu viel zu vertrauen.
362 Rechts und links.
Einen ganz andern Sinn hat der Weihrauch. Dieser
nämlich durchdringt die irdische Luft mit himmlischem Duft
und heiligt den Raum. Er verbannt alles Profane aus dem
Heiligthume. Er ist eine Weihluft im Sinne des Weihwassers,
des von den gew^eihten Kerzen ausstrahlenden Lichts und des
von den Glockentönen durchdrungenen und gew^eihten Raumes.
Im alten Testament kam zum Begriff des Heiligen im Weih-
rauch noch der des Verhüllens. Jehovah verhüllte sich ab-
sichtlich in der ^, Wolke im Heiligthume", w^enn er dem
Hohenpriester im Allerheiligsten erschien. Auch der Engel,
der die Juden aus Aegypten führte, verhüllte sich in eine
Wolke. In der Erscheinung solcher ausserordentlichen Wolken
und göttlichen Nebel erkannten die Juden die Nähe Gottes.
2. Mos. 40, 35. 2. Chron. 7, 2. L Könige 8, 10. Jesaias 6, 4.
Ezechiel 44, 4.
Der unterschied zwischen dem Gott wohlgefälligen,
gerade aufsteigenden Rauch von Abels Opfer und dem Gott
missf älligcn , zerstreuten imd niedrig sich verkriechenden
Rauch von Kains Opfer hat für die christliche Symbolik keine
Bedeutung, da wir Christen keine Brandopfer mehr kennen.
Wohl aber liegt darin ein allgemeiner, auch für die Christen
beherzigenswerther Sinn, dass nämlich gute Werke vollbracht
seyn müssen auch in reinem Gemüth bei gutem Glauben,
und dass sie todte Werke werden, wenn sie mit unreiner
Seele und bösem Glauben unternommen werden.
Die heilige Zoe wurde in dickem Rauch erstickt. Acta
SS. 20. Januar.
Rechts und links.
Rechts ist die Ehrenseite. Der Sohn sitzt zur Rechten
des Vaters , wie Jeder aus dem Glaubensbekenntniss weiss.
VgL Psalm HO, L Matthäus 22, 44. Marcus 12, i&. Lucas
20, 42. Apostelgeschichte 2, 34. Eben so hatte schon beim
Segen Jacobs die rechte Hand den Vorzug. 1. B. Mos. 48, 13.
Re^en. 363
Aus demselben Grunde kommt dem neuen Testament die
rechte, dem alten die linke Seite zu, wenn sie neben einander
gestellt werden. Daher steht auch Paulus rechts und Petrus
links , denn der letztere hängt noch mehr mit dem Judaismus
des alten Testamentes zusammen. Vgl. Durandi^ rationale
VII. 44, 6 , wo der rechten Seite die immortalitas , der linken
die mortalitas zugewiesen ist, mithin dem Paulus, der erst
nach dem irdischen Tode des Heilands Apostel wurde, die
rechte Seite, den Aposteln vor jenem Tode aber nur die
linke gebühre. Ferner stehen unter den Heiligen die Mär-
tyrer rechts, die Bekenner links. Der Gegensatz der beiden
Seiten ist fesgehalten im Räume der Kirchen. Nach ältestem
abendländischen Gebrauch sitzen die Männer während des
Gottesdienstes rechts vom Altare, die Weiber links. Vgl.
Kreuser, Kirchenbau H. 91. 213. In der griechischen Kirche
herrscht dieser Gebrauch nicht, denn hier ist den Männern
der untere Raum der Kirche ganz überwiesen, während die
Weiber auf der Emporkirche sitzen. In vielen protestan-
tischen Kirchen ist das Verhältniss umgekehrt, die Weiber
sitzen unten und die Männer oben.
Hier handelt es sich nur von einem Vorrang solcher,
die im Uebrigen gleich berechtigt sind. Aber auch der schrof-
feste Gegensatz des Guten und Bösen musste bei unmittel-
barer Gegenüberstellung die Regel festhalten, so dass z. B.
auf Bildern des Weltgerichts die Seligen sich stets rechter
Hand, die Verdammten linker Pland befinden.
Regen,
Sinnbild des göttlichen Segens. Gottes Worte sind Werke.
Der Regen kehrt nicht zum Himmel zurück, sondern wird
Frucht auf Erden, Jesaias 55, 10. Als Sinnbild der Werke
im Gegensatz gegen blosse Worte wird der Regen auch auf-
gefasst in den Sprichwörtern Salomonis 25, 14: „Versprechen
und nicht halten ist eine Wolke ohne Regen. ^ — In der
S64 Regenbogen.
Legende wird oft von Heiligen berichtet, sie seyen, während
sie dem Volke predigten, oder auf der Reise waren, oder
im Freien ausruhten, im heftigsten Platzregen trocken ge-
blieben. So die Henigen Albinus, Aidanus, Bernard, Ken-
tigern, Marius, Nilus, Odo, Petrocus etc. Vgl. die Register
der Acta SS. sub voce: pluvia. St. Adalbert von Prag betete
einmal in Böhmen bei grosser Dürre auf einem Berge und
auf einmal kam ein Regen und verwandelte das ringsum
dürr und wüst liegende Land in das schönste Grün. —
St. Hergeir, Apostel in Schweden, ahmte das Beispiel des
Elias mit den Baalspriestern nach, indem er mit den heid-
nischen Priestern ein Wettbeten einging, um Regen abzu-
wenden. Die Priester wurden nun mit einem desto stärkern
Guss überschüttet, er aber stand trocken. Afzelius, schwe-
dische Volkssagen IL 27.
Regenbogen,
Sinnbild des Friedens. Zunächst des Bundes zwischen Gott
und den Menschen , denn der schöne Bogen steht im Plimmel
wie ein Ring, dessen andere Hälfte in die Erde geht, und
bindet gleichsam beide an einander. Nach dem L Buche
Mosis 9, 13— 17. spricht der Herr nach der Sündfluth zu
Noah: „Meinen Bogen hab ich gesetzt in die Wolken, der
soll das Zeichen seyn des Bundes zwischen mir und der
Erden. Und wenn es kommt, dass ich Wolken über die
Erde führe , so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken.
Alsdann will ich gedenken an meinen Bund , dass nicht mehr
hinfort eine Sündfluth komme." Ein herrliches Bild. Nach
der langen Sturm- und Regenzeit durchbricht die Gnaden-
sonne wieder das Gewölk und malt den schönen Bogen auf
den dunkeln Hintergrund der fliehenden Wolken.
Auf diese älteste Nachricht des L Buches Mosis bezieht
sich der Glaube des Mittelalters an ein Verschwinden des
Regenbogens vor dem Weltende. Wie vierzig Tage vor dem
Regenbogen. 265
Erscheinen des ersten Regenbogens die Sündfluth eintrat, so
soll vierzig Jahre vor dem Weltende der letzte Regenbogen
erscheinen und dann keiner mehr. Nach demselben Glauben
bedeuten von den Hauptfarben im Regenbogen das Blau die
erste Sündfluth, das Roth den künftigen Weltbrand. Ger-
vasius Tilber. I. 24. Wenn nun gleichwohl nach der Offen-
barung Johannis 4, 3. Christus beim Weltgericht auf dem
Regenbogen thront, was schon bei Ezechiel 1, 28. vorgebildet
ist, so kann das entweder gedeutet werden: .,Ich habe den
Bund gehalten, den ihr gebrochen habt,'^ oder es ist ein
neuer Bund für den neuen Himmel und die neue Erde ge-
meint. Daher auch auf altdeutschen Bildern des Weltgerichts
Christus häufig auf zwei Regenbogen zugleich thront, auf
dem neuen sitzend, auf den alten tretend. Schon auf den
ältesten christlichen Wandbildern der römischen Katakomben
thront Christus auf einem bogenförmig gewölbten Schleier
des heidnischen Himmelsträgers Atlas. Aringhi I. 277. 317.
Zuweilen haben die Maler den Bogen des alten Bundes dem
Weltrichter nur zum Fussschemmel , und einen zweiten Bogen
des neuen Bundes zum Thronsitz gegeben. Kreuser, Kirchen-
bau I. 504. n. 48. Auf einem Bilde zu Padua ist Christus
von einem regenbogenfarbenen Kreise umgeben, in dem lauter
Cherubim schweben. Kunstblatt 1838, Nr. 13.
Damit hängt auch die Symbolik der Regenbogenfarben
zusammen. Das Blau bedeutet die Sündfluth, das Roth den
künftigen Weltbrand, das Grün die neue Erde. Gottfried
von Viterbo, am Schluss des 2ten Theils und Gilbert Tilb.
a. a. O. Man hat jedoch die drei Hauptfarben auch einfach
als Sinnbild der heiligen Dreieinigkeit gedeutet und, wie es
scheint, auch als Sinnbild der drei Himmel. Auf alten Mi-
niaturen, z. B. des berühmten Psalteriums der Stuttgarter
Bibliothek Nr. 23, wird Gott gewöhnlich durch eine Hand
bezeichnet , die aus einem oben am Himmel befindlichen drei-
fachen und regenbogenfarbigen Zirkel heruntergreift. Damit
scheint eben so wohl die heilige Dreieinigkeit als der dreifache
Himmel bezeichnet zu sejn. Auch sofern der Regenbogen
S66 Reich, das tausendjährige.
in der Luft stehend einen Fuss auf die Erde, den andern
auf das Meer stellt, nahm man ihn als Sinnbild der Drei-
einigkeit. Wegen der sieben Farben auch als Sinnbild der
sieben Geister Gottes und der sieben Sakramente.
Der Regenbogen ist auch Sinnbild der Maria, weil sie
die Mutter der Liebe und Versöhnung ist. Darum heisst sie
in den altkirchlichen Hymnen arcus pulcher aetheri, wobei
arcus (der Bogen) auf arca (die Arche) anspielt, beides Bilder
der Sündfluth, die auf Marien bezogen werden. Nakateni,
coeleste palmetiitn p. 249. Auf alten Bildern kommt Maria
zuweilen vor , wie sie auf einem Regenbogen thront. Didron^
icon. 269. Man erklärt das Sinnbild nicht blos als Zeichen
des Friedens und der Versöhnung, sofern die grosse Fürbit-
terin Maria Himmel und Erde zusammenbindet, sondern auch
als das Thor, durch welches sie die Seligen in den Himmel
einführt, den „Himmelrinc" , wie es in einem alten Marien-
liede in Haupts Zeitschrift VIII. 282. heisst, Maria, die uns
die Ilimmelpforte zu öffnen gebeten wird. Wieder anders
fasst Picinelli (mundus symh. 94.) das Bild als verbum divinum^
humana carne vestitum, sofern im Regenbogen die himmlische
Sonne in irdischen Farben incarnirt wird, und circumdat
immensum , sofern er gleichsam den ganzen Himmel umspannt.
Aus Menestrerii symbol. p. 613 und 614 ist noch hinzuzu-
fügen: ein Regenbogen in einer ganz schwarzen Wolke, der
die Empfängniss der heiligen Jungfrau bedeuten soll, mit
der Devise: Ex nigra ^ sed pura. Ein anderer Regenbogen,
auf die Maria Magdalena gedeutet: Ex lachrymü meus decus,
Reich, das tausendjährige.
Die Juden glaubten, wie Jehovah die Welt in sechs
Tagen geschaffen, am siebenten aber geruht habe, so werde
auch die Weltgeschichte in sechs Jahrtausenden ablaufen , im
siebenten aber der Messias kommen und tausend Jahre lang
mit dem Volke Gottes die Sabbathruhe feiern. Vgl. die
Citate aus dem Talmud bei Züllich, die Offenb. Joh, IL 369,
Reich, das tausendjährige. 267
Die Offenbarimg Johannis 20, 3. diente zur Verbreitung der
bleichen Ansicht ancb unter den Christen. Inzwischen stimmte
o
die Wiederkehr des Satans nach Vollendung der tausend Jahre
und der letzte Kampf und Sieg, wie ihn die Offenbarung
Johannis schildert, mit der von den Juden vorausgesetzten,
nicht mehr za störenden Sabbathruhe eben so wenig, wie
ihr irdischer Messias mit dem christlichen , ,, dessen Reich
nicht von dieser Welt ist.'^ Deswegen lehnte der heilige
Augustinus die sinnliche Auffassung ab, indem er de civit.
Bei 20, 2. sagt: nur die Seelen der Heiligen werden vorder
allgemeinen Auferstehung tausend Jahre lang mit Christo
regieren. Regnaverunt cum Jesu mille annis animae martyrum
nonclum sibi corporibus redditis. Necpie enim piorum animae
mortuorum separantur ab ecclesia. — Welche umfassende Ein-
heit und innere Vollendung auch dem Reiche Gottes auf
Erden noch zu Theil werden wird, immerhin kann es sich
nur um „den Ausdruck eines innern Lebens'^ handeln, in-
dem wir hier ganz „auf ethischem Gebiete'^ stehen (Möhler,
Symbolik S. 444). Von einem blos sinnlichen Wohlleben
im tausendjährigen Reich, wie es die Juden träumen, kann
also eben so wenig die Rede seyn , wne von der gewalt-
samen Einführung desselben im Sinne der Hussiten und
Wiedertäufer.
Die Juden träumen von einem tausendjährigen Reich , in
welchem ihr Volk allein zuletzt auf Erden herrschen würde.
Die Erde wird wieder Paradies. In der Mitte steht der Baum
des Lebens von so ungeheurer Höhe , dass fünfhundert Jahre
nöthig sind, um ihn abzuschneiden. Die Juden erhalten die
Grösse der patriarchalischen Zeit zurück. Jeder wird 200 Ellen
lang. Die Erde bringt von selber Speisen aller Art und
Kleider hervor. Ein Waizenkorn ist so gross wie zwei
Ochsennieren; die Traube so gross, dass man die einzelnen
Beeren wie Fässer anzapft. Alles ist nur Wohlleben und
Ueppigkeit. Die Weiber empfangen und gebären an dem-
selben Tag etc. Eisenmenger, entdecktes Judenth. H. 296 f,
817 f, Gfrörer^ Jahrhundert des Heils IL 242,
S68 Reinigung Maria.
Die christliche Sekte der Chiliasten oder Millenarier ging
von einer ziemlich unschuldigen Hoffnung aus, verirrte aber
nach und nach in Ausschweifungen, die jenen jüdischen nur
wenig nachgaben. Sie hofften nämlich, den vollkommenen
und idealen Zustand des Reiches Gottes auf Erden, wie er
am Ende der Zeit seyn sollte, schon jetzt herstellen zu
können, wenigstens insu! arisch , eine kleine fromme Gemeinde
für sich, in der vollkommene Gleichheit und Brüderlichkeit,
Gemeinschaft des Vermögens und allgemeine gegenseitige
Liebe herrschte. Das führte aber schon frühe zu sinnlicher
Entartung, Gemeinschaft der Weiber und zum sogenannten
Adamismus, indem man dem Adam vor dem Sündenfalle im
paradiesischen Zustande gleichen wollte. Andere Sektirer
fassten die Sache noch rigoristischer. Sie wollten nicht blos
für sich und ihre nächsten Gesinnungsgenossen jenes Frie-
densreich gründen , sondern die ganze Menschheit mit Gewalt
in diese Bahn bringen. So war das Ziel der Hussiten Her-
stellung des Reiches Gottes auf Erden, aber das Mittel:
Todtschlag aller Sünder, damit nur die Heiligen allein übrig
blieben. Das Reich der Wiedertäufer in Münster gab im
Jahre 1535 ein abschreckendes Beispiel des communistischen
Wahnsinns, zu dem der missverstandene Chiliasmus führen
kann. Die Wiedertäufer th eilten Güter und Weiber und
emancipirten sich von jeder Scham, weil sie sich für die allein
Heiligen auf Erden hielten, denen Alles erlaubt sey.
Reinigung Maria.
Da die unbefleckte Jungfrau keiner Reinigung bedurfte,
so bezweckte ihr Gang zum Tempel nur die Darstellung des
neugebornen Kindes und die übliche Opferung. Diese Cere-
monie erfolgte bei den Juden 40 Tage nach der Geburt
eines Knaben, 80 Tage nach der eines Mädchens. Man
brachte dabei dem Jehovah ein Lamm zum Opfer, Aermere
aber brachten zwei Tauben. Das war zur Sühne und zum
Ersatz der Erstgeburt, die dem Jehovah als Opfer gebührte.
Reinigung Maria. ^69
In diesem althebräisclien Opfer aber war die grosse Opferung
Christi vorgebildet , so wie auch Lamm und Taube seine Sinn-
bilder sind. Durandij rat. VII. 7. Jamin, Geschichte der
Kirchenfeste S. 86. Man hat auch Beziehungen des christ-
lichen Reinigungsfestes auf das altheidnische gesucht, wel-
ches um dieselbe Zeit gefeiert wurde , weil die vom Winter
schmutzige Erde durch den Frühlingsregen gereinigt und zur
Hervorbringung der Pflanzen vorbereitet wird. Auch wurde
bemerkt, das christliche Fest sey im Jahr 542 nach einer
grossen Pest eingeführt w^orden mit Beziehung auf die Rei-
nigung des Menschengeschlechts von diesem üebel. Schrökh,
Kirchengeschichte XVII. 486. Indess sind diese symbolischen
Deutungen der Hauptbedeutung nur untergeordnet. — Alt-
testamentalisches Vorbild der Darstellung im Tempel ist die
Darstellung des Samuel durch seine Mutter. Deshalb werden
sie beide in der alten bihlia pauperum nebeneinander gestellt.
Heinecken, Nachrichten von Künstlern IL 119.
Lucas 2, 22 f. bringt ein tieferes poetisches Motiv in die
Feier, indem er dem zarten Kinde den hochbetagten Simeon
gegenüberstellt, der den Tod nicht sehen sollte, er hätte
denn zuvor den Herrn gesehen, und der nun beim Anblick
des göttlichen Kindes mit Entzücken ausruft: „Nun lassest
du deinen Knecht in Frieden fahren!" Man weiss nicht, wer
dieser Simeon gewesen ist, erst später hat man einen vor-
nehmen Priester aus ihm gemacht, und ihn überhaupt als
Repräsentanten des alten Priesterthums im Gegensatz gegen
die neue Kirche aufgefasst , sofern in dem alten Levitenthum
schon eine Ahnung der christlichen Kirche gelegen, die jetzt
erst in Erfüllung ging. Nahe liegt auch die Parallele zwi-
schen dem alten Simeon, der erst stirbt, nachdem er den
Herrn gesehen, und Moses, der erst stirbt, nachdem er das
gelobte Land gesehen.
Die Scene ist sehr oft gemalt worden und bietet zunächst
dasselbe Motiv dar, wie die Anbetung der Könige, indem
der malerische Reiz hauptsächlich im Contrast des Kindes
mit dem Greise liegt. Doch ist der Ausdruck des alten Kö-
210 Religion.
nigSj der vor dem Christkind kniet und auf dessen kahlen
Scheitel es seine weichen Händchen legt, durchweg demü-
thige Anbetung, während der Ausdruck Simeons mehr freu-
diges Staunen und die Aufregung ist, die sich des hinfäl-
ligen Greises bemächtigen muss, indem er zugleich Gott und
dem Tode in's Gesicht sieht. Die Genialität dieses Motives
ist wohl nicht von allen Malern erfasst worden. Insgemein
geben sie dem Simeon die Miene und Haltung eines zärt-
lichen Grossvaters , der das Kind , wenn auch mit einer Bei-
mischung von Ehrfurcht, doch nur liebkost, und dem man
nicht ansieht, dass er an den Tod denken soll. Scheinbar
besser sind die Darstellungen, auf denen er, indem er das
Kind hält, dankbar zum Himmel emporblickt (z. B. von Guido
Reni) ; allein wenn man erwägt , dass er Gott selbst in dem
Kinde schauen soll, so darf er nicht vom Kinde weg nach
dem Himmel sehen. Es ist schicklicher und natürlicher, dass
er ganz in den Anblick des Kindes versunken bleibt.
Religion.
Vgl. die Artikel Glauben und Kirche.
Die allegorische Darstellung der Religion gehört entwe-
der als fides zu den christlichen Tugenden oder sie bedeutet
die Autorität , die Geschichte und den Sieg der Kirche. Ins-
gemein ist es eine verschleierte, madonnenartige, weibliche
Gestalt , die ein Kreuz in den Armen hält. Von den Trium-
phen der „Kirche", die besonders häufig im ITten Jahrhun-
dert gemalt wurden, unterscheidet sich „die in den Künsten
triumphirende Religion" von Overbek (vgl. Kunstbl. 1840.
S. 431.) eigentlich nicht, sofern hier die Gläubigkeit und die
äussere Pracht der Kirche zusammenfällt. Inzwischen sind
Selbstbespiegelungen der Kunst, selbst der heiligen Kunst,
nicht zu loben. Die Kunst, die andachtsvoll vor dem heiligen
Gegenstande knieen soll, geräth zu leicht in die Gefahr, sich
nur wie Narcissus in sich selbst zu verlieben. Diese Kunst-
preisungen gehören dem modernen Cultus des Genius an
Richter, die. 271
und schliessen sich schon deswegen principiell von der hei-
ligen Kunst aus , sogar wenn sie sich speciell auf die heilige
Kunst beziehen. Soli Deo gloria.
Richter, die.
In den ersten Jahrhunderten seit der Einwanderung
der Juden in Kanaan heissen ihre obersten Lenker Richter
(Schophtim). Es sind nicht die Hohenpriester, obgleich sie
zuletzt mit denselben in Eli zusammenfallen ; vielmehr stehen
sie als die weltlichen Richter und Heerführer neben den
Hohenpriestern, wie Moses neben Aaron, Josua neben Eleazar.
Es hat nicht immer Richter gegeben, sie treten nur in kri-
tischen Zeiten als Retter hervor, und es ist sogar einmal ein
Weib (die Deborah) Richterin, zum Beweise, dass hier immer
nur wieder Erweckte zu verstehen sind, die der Herr auf-
ruft, wie er früher den Abraham, den Moses aufrief. An
ein ununterbrochenes Amt ist dabei nicht zu denken, eben
so wenig an eine Erbfolge. Der Versuch des Sohnes Gideons^
das Richteramt erblich zu machen, misslang kläglich.
In derselben Zeit sehen wir die Kinder Israel in fast un-
aufhörlichem Streit mit ihren arabischen, syrischen und phöni-
kischen Nachbarn, und von denselben häufig unterjocht; die
Einheit unter den jüdischen Stämmen selbst erscheint meist ganz
aufgelockert, und das Ansehen der Stiftshütte tief gesunken.
Massenweise buhlen die Kinder Israel mit den fremden Götzen
und vermischen sich mit fremden Weibern, was natürlich ihre
Selbstständigkeit untergräbt und den heidnischen Nachbarn
den Sieg erleichtert. So ist denn die grosse Erhebung des
Volkes unter Moses wieder vergessen ; die Erfüllung der Weis-
sagung, die dem Abraham geworden, die endliche Einfüh-
rung der Kinder Israel in ihr verheissenes Erbe, der Besitz
des gelobten Landes hat sie nicht dankbar gemacht; der Gott
der Väter, der sich so gnädig an ihnen erwiesen, wird
nicht mehr von ihnen geehrt; fremde Götzenbilder erheben
sich rings im Lande und ihnen dampft der Weihrauch. Die
27^ Richtschnur.
grosse Idee der republikanischen Theokratie kann unter einem
so erbärmlichen Volke nicht verwirklicht werden. Wie viele
Generationen auch aufeinander folgen , keine genügt ; die
Gegen w^art ist immer eine verlorne, und nur der Blick in
die Zukunft erfrischt den gesunkenen Muth. Die ganze jü-
dische Geschichte ist ja nur Vorbereitung auf die christliche.
Das ganze alte Testament ist nur die Verheissung des neuen.
Die messianische Idee ist der goldne Faden , der sich durch
das alte Testament fortzieht, ohne den es keinen Sinn hätte.
Tiefe Sehnsucht aus dem Schlamme der Corruption, aus dem
immerwährenden Zurücksinken in's Heidenthum ist der poe-
tische Charakter des Buchs der Richter und des Buchs Sa-
muels, wie der späteren prophetischen Bücher. Diese Sehn-
sucht des alten Testamentes aber motivirt das neue.
Unsre wirre Zeit, in der so viel wieder mit allen Arten
des Heidenthums gebuhlt wird, das Verband der Christen
im Innern so tief gelockert und überall Kampf ist, hat viele
Aehnlichkeit mit jener alten Zeit der Richter.
Richtschnur
oder Winkelmaass, Canon, daher alles Gesetzliche, auf gil-
tigen Beschlüssen der Concilien und Verordnungen der Päpste
Gegründete in der Kirche canonisch heisst, weil es den Gläu-
bigen Maass und Richtschnur ist.
Ring,
Sinnbild einer ewigen Verbindung, sofern die Kreisform ohne
Anfang und Ende (die sich in den Schwanz beissende Schlange)
die Ewigkeit, der Ring als Glied an der Kette aber die feste
Verbindung bedeutet. Daher uraltes Zeichen der ehelichen
Verlobung, der Ring, den Braut und Bräutigam gegenseitig
austauschen. Binterim, Denkw. VI. 2. 114, irrt, wenn er
unter dem Brautring den Siegelring, das Zeichen der Be-
schliesserin , der künftigen Hausfrau versteht. — Der Braut-
Ritter. 27S
ring ist Attribut der heiligen Katharina von Siena, die ihn
vom Christkind empfing. Aucli der heiligen Ida, die über
dem Haupt der Bräute Christi (Nonnen) Ringe schweben sah.
— Auch die geistlichen Siegelringe bedeuten zugleich die
Vermählung des Bischofs mit der Kirche und Kraft des Sie-
gels, die Herrschaft und den Besitz des Amtes. Der Papst
wird mit dem Fischerring Petri begabt, auf dem das Bild
des fischenden Petrus dargestellt ist. Ueber den Bing, den
der Doge von Venedig jährlich in's Meer warf, vgl. d. Ar-
tikel S. Marcus.
Drei ineinander verkettete Ringe sind Sinnbild der hei-
ligen Dreieinigkeit. Nur zwei übereinander erhobene Ringe
oder Kreise bedeuten Himmel und Erde. Vgl. die Artikel
Dreieinigkeit und Nimbus.
St. Robert wurde Stifter des Cisterzienserordens im 1 Iten
Jahrhundert. Als seine Mutter mit ihm schwanger ging,
träumte sie, Maria erschiene ihr mit einem Ringe, um sich
mit ihrem künftigen Sohne zu vermählen. Er widmete sich
daher auch von früher Jugend auf gänzlich der Himmels-
königin, und gründete im Wald Citeaux in Burgund das
weltberühmte Kloster, das die Mutter zahlloser andrer wurde,
1098. 29. April. Ein im römischen Colosseum Ball spielen-
der Jüngling steckte seinen Ring, der ihn beim Spielen hin-
derte, einer in der Nähe stehenden Statue der Mutter Gottes
an den Finger. Als er ihn wieder nehmen wollte, krümmte
sich der Finger und liess den Ring nicht mehr los. Der
Jüngling erkannte daraus, er sey der heiligen Jungfrau ver-
lobt und widmete sein übriges Leben ihrem Dienste. Nach
Mion und Maerland.
Ritter.
Ritterlichkeit ist eine, besonders bei den tapfern abend-
ländischen Völkern beliebte Form, in welcher eine der Car-
dinal tugen den (fortitudo) erscheint. Schon im alten Testament
führt Jehovah das Schwert, Helm, Harnisch, indem er das
Böse bekämpft und straft und die bedrängte Unschuld rettet.
Menzel, christl. Symbolik. U. |3
274 Ritter.
Auch Christus erscheint in einem spanischen Auto des
Lope de Vega als ^Kreuzritter'-. Leviathan hat am Eingang
aller Menschen in's Leben eine Brücke gebaut und lässt keinen
herüber, der nicht dem Bösen zuschwört. Alle Menschen
thun das und kommen dadurch in seine Gewalt. Nur Maria
nicht, vor der er zusammenbebt. Darauf rüstet sich ihr Sohn
als Kreuzritter mit Schild und Lanze, besiegt den Leviathan,
befreit die Menschheit und baut eine andere Brücke zum
Himmel, v. Schack, dram. Lit. d. Spanier IL 408.
In Gassiers hist. de la chevalerie^ 1814, werden die rit-
terlichen Waffen also christlich gedeutet. Das Schwert be-
deutet das Kreuz; die Lanze, ihrer Geradheit wegen, die
Wahrheit; der Helm, weil er die Augen deckt und zwingt,
niederzusehen, die Demuth; der Harnisch Schutz gegen alle
Laster; der Sporn die Ehre; der Schild die Pflicht; der Hand-
schuh endlich die Sorge, nichts Schlechtes und Verbotenes
anzurühren.
Ritterliche Rüstung kommt dem streitbaren Erzengel
Michael zu, den heiligen Helden St. Georg, St. Moriz,
St. Gereon etc. Man findet sie in goldnen Rüstungen bei-
sammen auf einem Bild des Theodorich von Prag auf dem
Schlosse Karlstein. Wiener Jahrb. 27, 39. Ein gefesselter
und im Wald einsam verschmachtender Ritter ist der heilige
Wilhelm. — lieber die vierzig Ritter vgl. d. Artikel Eis.
Sofern der ritterliche Michael nur den Engeln vorsteht,
Georg aber fast immer nur einzeln im Kampf mit dem Dra-
chen erscheint, ist es dem heiligen Mauritius (Moriz) vorbe-
halten geblieben, auf Kirchenbildern die übrigen heiligen
Ritter anzuführen. Denn er war im Leben Anführer der
thebaischen Legion {legio fulminatrix) und wurde sammt der
ganzen Legion, da sie als Christen den Götzen nicht opfern
wollten, in Wallis, unfern vom Genfersee, hingerichtet. Erst
wurde die Legion decimirt, dann schlug man vollends alle
todt. 22. Sept. 280. Auf sein Grab wurde das berühmte
Kloster S. Maurice erbaut. Man bildet ihn ab als einen
Mohren, schwarz, aber schön und edel in ritterlicher Rüstung
Ritter. 275
mit der Fahne in der Hand. So malte ihn Hermskerk in der
Boisseree'schen Sammlung. So Theodorich von Prag im böh-
mischen Schlosse Karlstein. Wiener Jahrb. 27. 40. Wie er
sich weigert, den Götzen zu opfern, und wie er enthauptet
wird, malte De Marcs in München. — Die Schwester des
Heiligen, die heilige Fides, wird auch als Mohrin gemalt.
Otte, Kunstarchäologie S. 130. Sofern der Heilige Patron
von Magdeburg ist , knüpfen sich an seine Bilder noch merk-
würdige Sagen. Als einst Erzbischof Odo das Stift schlecht
verwaltete und auf keine Warnung hörte, erschien Christus mit
der thebaischen Legion und befahl dem heiligen Moriz, sein
Schwert zu ziehen und den bösen Bischof zu enthaupten, wie
auch geschah. Sommer, sächs. - thüring. Sagen I. 51. Ein
Bild in Halle stellt ihn bedeckt mit Schellen dar (wahrschein-
lich in einer Zeit gemalt, in der Schellen eine neue Mode-
tracht der Ritter waren). Davon heisst er der Schellenmoriz.
Nun erzählt aber das Volk, er sey der Bauherr der Kirche
und so böse gewesen, dass ihm seine fromme Schwester
Schellen angehängt habe , damit die Arbeiter immer wüssten,
wann er käme. Derselbe Schellenmoriz spielt auch eine Rolle
in der Prozession am dritten Pfingstfeiertag. Daselbst S. 75
und 153.
Ein anderer berühmter Ritter, der heilige Norbert, zu
Xanten am Rhein geboren, aus dem Geschlecht von Gennep,
lebte sehr üppig, bis ihn einmal unterwegs ein Ungewitter
überfiel und ein Blitz ihn vom Rosse warf, wie den heiligen
Paulus. Von Stund an bekehrte er sich und gründete im
dunkeln Thale Premontre das berühmte Prämonstratenser-
kloster und einen neuen Mönchsorden nach seiner strengen
Regel. Weltberühmt durch die strenge Zucht, die er übte,
ward er nach Deutschland zurückgerufen und starb als Erz-
bischof von Magdeburg, 6. Juni 1134. Ein eigenthümhches
Wunder geschah lange nach seinem Tode. Als Magdeburg
protestantisch geworden, wünschte der Kaiser die Reliquien
des heihgen Norbert heraus, und im dreissigj ährigen Kriege
drang er auf's Ernstlichste darauf und drohte der Stadt mit
18*
276 Rittersporn.
seinem ganzen Zorn. Der Magistrat war nun auch gern
bereit, die Reliquien, die für Protestanten keinen Werth
hatten, herauszugeben, aber die Bürgerschaft, obgleich pro-
testantisch, widersetzte sich, weil eine alte Sage ging, Magde-
burg könne nicht erobert werden, so lange es den heiligen
Norbert in seinen Mauern habe. Endlich Hessen sich die
Bürger durch Zureden, nicht so abergläubig und papistisch
zu denken, überreden, den Leichnam ziehen zu lassen, und
schon im nächsten Jahre wurde Magdeburg erobert und
verbrannt.
Rittersporn,
Attribut der heiligen Ottilie. Wer drei dieser Blumen in
Jungfernwachs gewickelt am Halse trägt und drei Messen zu
Ehren der heiligen Ottilie lesen lässt, auch drei Almosen in
ihrem Namen ertheilt, der wird von kranken Augen heil.
Grimm, d. Mythol. auf der vorletzten Seite der ersten Auf-
lage. Dieser Aberglauben stammt wohl aus heidnischen Er-
innerungen. Rittersporn kommt bei den heidnischen Ge-
bräuchen vor, die sich an das Johannisfeuer knüpfen. Zu
Johanni endet der Siegeslauf der Sonne, der mit Weihnach-
ten begann, und fangen die langen Nächte der Winterzeit an.
Aber die Sonne, obgleich im Winter erblindend, gelangt im
nächsten Frühling wieder zu vollem Glänze. Die heilige
Ottilie, als Heidin blind, wurde als Christin sehend. Die
Blume nun, die zu Johanni blüht, sollte daran erinnern,
dass Blindheit, Nacht und Tod nicht ewig dauern.
Rock.
Der bunte Rock, den Jakob seinem geliebtesten Sohne
Joseph hatte machen lassen, der seiner Brüder Neid erregte
und mit Blut besprengt dem Vater gebracht wurde, ist alt-
testamentalisches Vorbild des heiligen Rockes unsers Heilan-
des, der den Schergen zu Theil wurde und um den sie
würfelten.
Rock. S77
Nach den Apokryphen ist der ungenähte Rock des Hei-
landes von der heiligen Jungfrau Maria schon auf der Flucht
in Aegypten aus der reinen Wolle eines Lammes für das
Christkind gewebt worden und mit demselben gewachsen.
Er hat das heilige Kind schon in seiner Jugend vor allen
Elementen geschützt, im brennenden Ofen und im tiefen
Wasserbrunnen lebend erhalten. Vgl. Hofmann, Apokryphen
S. 190.
Als der Heiland am Kreuz hing, wurde sein Rock, wie
bei Hinrichtungen üblich war , den Kriegsknechten zur Beute
überlassen ; weil das Gewand aber ohne Nath war, zertheilten
sie es nicht, sondern würfelten, wer es besitzen solle. Matth.
27, 25. Job. 19, 23. Hierin liegt eine tiefsinnige Symbolik.
Der Rock bedeutet als äusseres Kleid des Heilandes die Kirche,
die eben so wenig je getrennt und in Stücke zerrissen wer-
den soll, wie der heilige Rock, und die zwar in fremde Ge-
walt ~ fallen , aber doch nicht aus ihrem Zusammenhange
gerissen werden noch die Eigenschaft, einziges Eigenthum
ihres ursprünglichen Herrn zu seyn, verlieren kann.
Daran nun zu erinnern, war im Jahr 1844, als die Fluthen
des Unglaubens am höchsten wogten und unberufene Scher-
gen von allen Orten um das Erbe der Kirche würfelten , die
rechte Zeit gekommen, und dadurch erhielt die Ausstellung
des zu Trier als hochverehrte Reliquie aufbewahrten heiligen
Rockes eine weltgeschichtliche Bedeutung. Mehr als eine
Million andächtiger Wallfahrer knieten vor dem heiligen
Zeichen, um die zu beschämen, die das Wesen selbst nicht
mehr achteten.
Im gleichen Jahr wurde die Geschichte des heiligen
Rockes ausführlich beschrieben von Marx, v. Hammer und
Andern. Von der Hagen aber gab das altdeutsche Gedicht
heraus , in welchem die Legende desselben enthalten ist.
Hier nur ein kürzester Auszug daraus. Herodes soll befoh-
len haben , den ihm verhassten Rock in's Meer zu versenken,
aber eine Sirene brach den Steinsarg auf, worin er ruhte, und
nun spülten ihn die Wellen an's Ufer, wo ihn ein Pilger
S78 Rohrstab.
fand. Als dieser aber die Blutflecken nicht auswaschen konnte,
ahnte er, dass es ein Kleid sey, das kein Sünder tragen
dürfe und gab es dem Meere zurück. Ein Wallfisch ver-
schlang den Rock, wurde aber vom jungen Orendel gefangen.
Orendel war ein Sohn des Königs Eigel von Trier und aus-
gefahren, um die schöne Brida, die Herrin des heiligen
Grabes , zu freien. Allein er litt im Klebermeer Schiöbruch,
entkam nackt und bloss und diente nun bei einem Fischer,
mit dem er den Wallfisch fing. Mit dem Rock angethan, hat
er übermenschliche Kraft, siegt in jedem Kampfe, gewinnt
auch die schöne Königin, erfährt aber durch einen Engel,
wessen das Kleid gewesen, das er trage, und entsagt sofort
allem irdischen Glück, und sowohl er als Brida widmen
sich dem Himmel. So kam der heilige Rock nach Trier.
Vgl. die Sage vom heiligen Rock, herausg. von H. von der
Hagen , 1844. Nach Anderen war es die heilige Helena,
Mutter Constantins des Grossen , die den heiligen Rock nach
Trier brachte.
Ein schönes altes Kirchenlied lautet:
Oui coelos implet luviine
Ornat quoque siderihiis
Et quem adorant aiigeli,
Vestitu privant milites.
Olli vestit volatüia
Diveraisque coloribus
Et ornat agros roseis ,
Ipse privatiir vestihus.
Precamiir ergo cernui
7V Creator ein saeculi ,
Jam SIC privatus vestihus
Nos indue virtutibtis. Amen.
Rohrstab,
Sinnbild der Gebrechlichkeit. Aegypten soll wie ein Rohr-
stab zerbrochen werden. 2. Könige 18, 21. Jesaias 36, 6. —
Ein Rohrstab, dem Heiland zum Spott als Scepter in die
Rose. 379
gebundenen Hände gesteckt, kennzeichnet ihn als Ecce homo.
— Ein kleines Kreuz von zwei Rohrstäbchen, kunstlos zu-
sammengebunden, ist das gewöhnliche Attribut Johannes des
Täufers in seiner Kindheit.
Rose,
uraltes Sinnbild der Liebe, daher in der christlichen Sym-
bolik vorzugsweise der Maria, als der Mutter der Liebe und
des Erbarmens und der allgemeinen Fürbitterin für die Sün-
der; ferner Sinnbild der Gebete, die sich zum Rosenkranz
aneinander reihen. Daher auch der Glaube, dass der Teufel,
als Princip des Hasses , keine Rosen leiden könne und durch
den Geruch dieser Blume aus Besessenen vertrieben werde.
Görres, Mystik IV. 1. 350.
Inzwischen hält die christliche Symbolik vornehmlich die
Blutfarbe der Rose fest und bringt die Blume in Verbindung
mit dem allerheiligsten Blut, vergossen von der göttlichen
Liebe, um die Menschen zu erlösen. Zunächst in der spä-
tem Poesie der Jesuiten, wie in den herrnhutischen Gesang-
büchern blühen aus dem Blute des Heilandes die reichsten
Rosen der Liebe auf. Die Seele wird zur Biene, die nach
der Seitenwunde Jesu wie zur süssen Rose fliegt. „Niemand,
der die Dornen scheut, geht in seine Rosen ein." Herrnhuter
Gesangbuch 1741. S. 350. Unter den Rosen, mit denen die
wichtigsten Momente im Leben Jesu in einem alten Kirchen-
liede verglichen werden, ist die letzte und schönste sein Tod
am Kreuz. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 157. Nach einer
wahrscheinlich modernen Legende entstand die Moosrose aus
einem Tröpfchen Blut des Heilands, welches in's Moos fiel.
Blumen, Leipzig 1847. S. 94. — Auch dem Blut der Märtyrer
entblühen Rosen. In dem schönen altlateinischen Hymnus auf
die unschuldigen Kindlein heisst es :
Ouos lucis ipso in liinine
Christi insecutor svstulit
Ccu turho nascentes rosas.
280 Rose.
Nach Herders Dichtungen aus der morgenländischen Sage
kommt die rothe Färbung der Rose von dem ersten Blut her,
das auf Erden vergossen wurde: ;,Tief in der Mitternacht
vor jenem Frühlingsfeste, an welchem die ersten Zwillings-
söhne des Menschengeschlechts dem Schöpfer ein Dankopfer
bringen sollten , sah ihre Mutter im Schlaf einen wunderbaren
Traum. Die weissen Rosen, die ihr jüngerer Sohn um seinen
Altar gepflanzt, waren in blutige vollere verwandelt, die sie
noch nie gesehen. Sie wollte die Rose brechen, aber sie
zerfiel vor ihrer Hand. Auf dem Altar, auf welchem sonst
nur Milch geopfert ward, lag jetzt ein blutiges Lamm. Wei-
nende Stimmen erhüben sich ringsum, und eine Stimme der
Verzweiflung war in ihnen, bis Alles sich zuletzt in süsse
Töne verlor, in Töne, die sie noch nie gehört hatte. Und
eine schöne Aue lag vor ihr, schöner als selbst ihr Jugend-
paradies ; und auf ihr weidete in ihres Sohnes Gestalt ein weiss
gekleideter Schäfer. Die rothen Rosen waren um sein Haar,
und in der Hand hielt er ein Saitenspiel, aus welchem jene
süssen Töne kamen. Er kehrte liebreich sich zu ihr, er wollte
ihr nahen und verschwand. Der Traum verschwand mit ihm.
Erwachend sah die Mutter des Tages Morgenröthe wie blutig
aufgehen und ging mit schwerem Herzen zum Opferfest. Die
Brüder brachten ihr Opfer, die Eltern gingen heim. Am
Abend aber kam der jüngere nicht wieder. Angstvoll suchte
die Mutter ihn , und fand nur seine zerstreute traurige Heerde.
Er selbst lag blutig am Altar: die Rosen waren mit seinem
Blute gefärbt, und Kains Aechzen schallte laut aus einer
nahen Höhle. Ohnmächtig sank sie auf des Sohnes Leich-
nam , als ihr zum zweitenmal das Traumgesicht erschien. Ihr
Sohn war jener Schäfer, den sie dort im neuen Paradiese
sah, die rothen Rosen waren um sein Haar; liebliche Töne
klangen aus seiner Harfe ; also sang er ihr zu : ^^Schaue hinauf
gen Himmel zu den Sternen : weinende Mutter, schaue hinauf.
Sieh jenen glänzenden Wagen dort! er fährt zu anderen
Auen, zu schöneren Paradiesen, als du in Eden sahst; wo
die blutgefärbte Rose der Unschuld voller blüht, und alle
Rose. 281
Seufzer sich In süsse Töne wandeln/^ — Das Trauragesicht
verschwand; gestärkt stand Eva vom blassen Leichnam ihres
Sohnes auf. Und da sie Morgens ihn mit ihren Thränen be-
thaut und mit den Rosen seines Altars bekränzt hatte, begruben
Vater und Mutter ihn an Grottes Altar, vorm Angesicht einer
schönern Morgenröthe. Oft aber sassen sie an seinem Grabe
zu Mitternacht, und sahen gen Himmel hinauf zum hohen
Sternen - Wagen , und suchten ihren Schäfer dort."
Eva wird auch noch in andrer Weise mit der ersten
Rose in Verbindung gebracht. So lange sie in Unschuld
lebte, war die Rose weiss. Erst als sie in die Sünde fiel
und zum erstenmal darüber erröthete, färbte sich auch die
Rose roth. Blumenwelt, Halberst. S. 124. Der heilige Ba-
silius brauchte das Gleichniss , die Rose sey anfangs dornen-
los gewesen, je mehr und länger aber die Menschen gesün-
digt hätten, um so mehr Dornen seyen an ihr gewachsen.
Die Rose ist vorzugsweise der heiligen Jungfrau geweiht.
Auf sie wird die Stelle des Hohenliedes 2, 2. bezogen : „Wie
die Rose unter den Dornen , so ist meine Freundin unter den
Töchtern." Maria heisst die Rose oder der Rosenzweig von
der Wurzel Jesse oder Isai (Davids Vater, von dem sie
stammte). Jesaias 11, 1. Daher das schöne alte Kirchenlied:
Ein Rose ist entsprung^en,
Von Jesse war die Art.
Wackernagel, Kirchenlied Nr. 160. Maria heisst die Rose
ohne Dornen. Das. Nr. 148. Conrad von Würzburgs goldne
Schmiede, von W. Grimm XXXVH. Maria heisst die Rose
aus Anna's Schooss. Paderborner Liederbuch Nr. 92. Ein-
mal aber wird Maria nur als der Rosenstrauch und Christus
als die Rose selbst bezeichnet. Grimm, altd. Wälder H. 1 99.
— Besonders beliebt war im Mittelalter die Vorstellung, Maria
sitze im Rosenhag oder Rosenthal. So in Gottfried von Strass-
burgs Marienliede. Haupts Zeitschr. IV. 520. Wackernagel,
Kirchenlied Nr. 130. So ist sie gemalt auf einem alten Bild
in Strassburg in einer Rosenhecke voll singender Vögel.
Waagen, Deutschland H. 318. So auch auf dem berühmten
282 Rose.
Bilde von Scliongauer in Colmar. Kunstblatt 1841. S. 26.
1846. S. 170. Und auf einem Bilde von Botticelli, thronend,
von Engeln mit Lichtern umringt, die sie mit Rosen kränzen.
Kugler, Berliner Museum S. 31. -
Die sieben Freuden Maria's- werden als sieben Rosen
besungen. Görres, Volks- und Meisterlieder S. 319. Eben
so alle ihre Tugenden ihr zum Rosenkranz geflochten. Marian.
Liederschatz. Augsb. 1841. S. 385. Neben einem Muttergottes-
bild bei Lucca wachsen Rosen, die hoch verehrt werden,
weil einst hier ein stummer Hirtenknabe eine Rose brach
und durch ihren Duft die Sprache wieder bekam. Gump-
penberg, marian. Atlas Nr. 338. Bosa riibiginosa ^ die Rost-
oder Weinrose, soll die rostfarbene Unterfläche ihrer Blätter
von den Windeln erhalten haben, die Maria einst auf dem
Strauch trocknete. — St. Joscio , Mönch zu St. Omer , starb
in Ecstase, weil er die Madonna so sehr liebte; da wuchsen
aus seinem Munde fünf Rosen mit den Buchsaben M^ A, i?, I, A.
Man hat in einem Bilde jedem Buchstaben noch einen Satz
hinzugefügt, es sind die Anfänge fünf berühmter Marien-
gebete: Magnificat — Ad Dominum — Eetribue — In con-
vertendo — Ad te levavi. Emmeran, Glorie der Jungfrau
S. 164.
Wegen des sogenannten Rosenwunders ist die Rose
Attribut der heiligen Elisabeth. Diese heilige Fürstin von
Hessen und Thüringen pflegte in eigner Person den Armen
und Kranken Brodt zu bringen. Ihr Gemahl sollte es nicht
wissen. Als er ihr aber einmal mit dem Korbe am Arm
begegnete und sie frug , was sie trage , sagte sie in der Ver-
wirrung: „Rosen.^ Er deckte den Korb auf und siehe, es
waren Rosen. Das Nämliche berichtet die Legende von der
heiligen Casilda in Toledo und von der heiligen Rosa von
Viterbo. — So brachte auch einmal die fromme Frau Ada
einen Aussätzigen in's Haus und legte ihn sogar in das Bett
ihres Gemahls, um ihn zu pflegen. Als dieser Gemahl aber
heimkam, davon hörte und zornig nach seinem Bette eilte,
fand er es nur voll Rosen. Thomas Cantipr. de apibus 11. 25,
^-
Rose. 283
Eine schöne Rosensage findet sich bei Montevilla Bl. 33.
Zu Bethlehem wurde eine unschuldige und reine Jungfrau
verleumdet, sie hätte ihre Keuschheit verloren, und sollte
lebendig in dürren Dornen verbrannt v^erden. Als sie aber
in die brennenden Dornen trat, erlosch das Feuer und statt
der Flammen schlugen blühende Rosen aus den Dornen.
Nach Suqiietj lacrymae div. Magdalenae, heissen die weis-
sen Rosen Magdalenenrosen , weil die vorher rothen Rosen
durch die Thränen der heiligen Magdalena entfärbt wurden.
Ein Korb mit Rosen ist Attribut der heiligen Dorothea,
weil sie denselben ihrem irdischen Bräutigam aus dem Para-
diese ihres himmlischen Bräutigams zum Wahrzeichen schickte.
Auf altdeutschen Bildern sind diese Rosen weiss, auch trägt
die Heilige einen Kranz weisser Rosen und eine weisse Rose
in der Hand. Kunstblatt 1840. Nr. 98.
Ein Kranz von rothen Rosen schmückt das Bild der
wunderthätigen heiligen Rosalia in ihrer berühmten Höhle
bei Palermo. Rothe Rosen sind das Attribut der heiligen
Rosa von Lima, die ein Kirchenlied in Peru die schönste
Blume im schönsten Garten der Erde nennt. Die Legende
sagt von der Heiligen , sie habe Rosen in die Luft geworfen,
um sie Gott anzubieten, und die Blumen hätten sich in der
Luft in die Form eines von einem Kreise umgebenen Kreuzes
zusammengefügt (die Nimbusform Gottes) , zum Zeichen , dass
Gott ihr kindliches Geschenk annehme. — Als sich der hei-
lige Franciscus zur Busse in Dornen wälzte, blühten dieselben
voller Rosen. Berühmtes Bild von Murillo, vgl. v. Quandt,
Reise in Spanien S. 162. Als Kaiser Ludwig der Fromme
einmal auf der Jagd bei Hildesheim sein Reliquiarium mitten
im Schnee des Winters an einen dürren Dornstrauch hing,
wuchsen daraus plötzlich Rosen. Der Strauch blüht noch jetzt.
Die uralte Mauer einer Kapelle, älter als der Dom von Hil-
desheim, ist absichtlich da offen gelassen, wo der Strauch
hervorwächst. Botanische Literaturblätter. Regensburg 1830.
5ter Band S. 467.
Rosen blühten mitten im Winter aus den Gräbern der
S84 Rose.
heiligen Acifelus und Victoria , des h. Alexander Martyr , des
h. Julianus, des oh. Rufinus. Eine weisse Rose wurde in dem
Chorstuhle desjenigen Chorherrn oder Mönchs gefunden, der
bald sterben sollte, zu Hildesheim, Lübeck, Breslau, Alten-
burg. V. Döbenek, Volksglauben II. 53. Harrys, nieder-
sächs. Sagen I. 42. Montanus, Vorzeit von Cleve I. 28.
Der Rosensonntag (Lätare) hat seinen Namen von der
goldnen Rose, die der Papst an diesem Tage feierlich ein-
weiht und gewöhnlich irgend einem um die Kirche hochver-
dienten Fürsten schenkt, und zwar zur Erinnerung an die
Befreiung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft,
die sie bekanntlich der Gnade des Cyrus verdankten. Die
goldne Rose gilt also dem Fürsten, der sich jenen gnaden-
reichen Cyrus zum Muster nimmt. Durandi, rationale VI.
53, 9. Willkührlich hat v. Biedenfeld in seinem Werk über
die Rose S. 459 die Ertheilung der goldnen Rose abgeleitet
von einem Mosaikbild in der Susannenkirche zu Rom, welches
Karl den Grossen darstellt , wie er vom heiligen Petrus eine
mit Rosen besäete Fahne empfängt.
In der kirchlichen Baukunst und Bildhauerkunst wird
die Rose zunächst in Verbindung gebracht mit dem Kreuz.
Das Kreuz, das über den gothischen Thürmen und Thürmchen
sich am höchsten erhebt, blüht gewöhnlich in runde Rosen
aus. Dieses Rosenkreuz ist sehr alt. Vgl. Aringhi, Roma
subt. 1. 381. Am reichsten ausgeführt ist es an dem Crucifix
in der Lorenzkirche zu Nürnberg. Wenn die Rosen aus dem
Kreuze herausblühen, so hat das denselben Sinn, wie das
Blühen aus den Dornen, die höchste Freude der Welt, die
aus den bittersten Schmerzen kommt. Dagegen ist das von
der einen Rose ringsumschlossene Kreuz (die Kreuzrose) das-
selbe, was das Kreuz im Kreise, der Nimbus der drei höchsten
göttlichen Personen. Auch in den Fensterrosetten der go-
thischen Kirchen wiederholt es sich oft und bezeichnet immer
den Sieg des Kreuzes, die Herrschaft der Kirche über die
ganze Welt.
Andere Fensterrosetten, namentlich die in dunkler Rubin-
Rose. 285
färbe glühenden, die in vielen gothischen Marienkirchen vor-
kommen , bezeichnen die heilige Jungfrau als die rosa mystica.
Da die grössten Fensterrosen immer auf der Westseite der
Kirchen vorkommen , bilden sie vielleicht auch einen symbo-
lischen Gegensatz zu dem grössten Schlussfenster des Chors
auf der Ostseite. — In das Stab- und Maasswerk der Rand-
verzierungen j wie der Radien der gothischen Fensterrosetten,
in denen bald mehr das Peripherische (die Radform), bald
mehr das Radiale (die Sternform) vorherrscht, spielen alle
geometrischen Symbole hinein, und wie das Kreuz den Kreis,
so durchbricht das Dreieck die viereckigen Formen. Die
Rosette hat Manches mit dem Nimbus gemein und ist gleich-
sam ein frei gewordener, selbstständiger Nimbus. Daher
ahmt sie in ihren Randverzierungen die verschiedenen Formen
und Farben der Kronen und Kränze nach, bald mehr die
Kronen von Gold und Edelsteinen, bald mehr die Kränze
von Blumen; in vielgezacktem Stab- und Maasswerk aber
auch die Dornenkronen. Durch alle diese Beziehungen aber
geht die ursprüngliche Symbolik der Rose im Fenster nicht
verloren.
In vielen altdeutschen Kirchen ist über dem Beichtstuhl
eine fünf blätterige Rose angebracht. Stieglitz, altd. Baukunst
S. 184. Schon die Alten pflegten über ihren Tafeln bei
grossen Mahlzeiten eine Rose aufzuhängen, als Zeichen, dass
Alles, was hier in der Munterkeit des Mahles geplaudert
werde, nicht weiter gesagt werden solle. Daher das bekannte,
noch heute übliche Sprichwort: „Ich sage dir das nur sub
rosa.^ Das gibt wohl auch für jene Rose des Beichtstuhls
die natürlichste Erklärung.
In Dante's Paradies 30, 32. findet sich das schöne und
grossartige Bild einer unermesslich grossen weissen Rose,
die aus lauter Kreisen von Engeln und Seligen gebildet ist.
Auch in den Reden von Hellsehenden, Basel 1824, S. 299,
ist von weissen Rosen die Rede, die im Himmel blühen
und einen ausserordentlichen Glanz und berauschenden Duft
haben sollen.
286 Rose von Jericho.
Rose von Jericho,
anastatica^ eine ästige Staude mit kleinen weissen Blümchen,
die in den Winkeln der Zweige wachsen, also einer Rose
ganz unähnlich. Aber wenn sie welk ist, zieht sie sich in
eine Kugel zusammen und bildet eine Art von Rose. Man
glaubt von ihr, sie liege den Winter über unter dem Wasser
und hebe sich im Frühling wieder heraus; ferner: sie könne
Jahrhunderte lang dürr daliegen, und lebe, wenn man sie
in's Wasser lege, in voller Frische wieder auf. Deshalb
heisst sie die Auferstehungsblume und ist dem Heiland ge-
weiht. Nach der Legende war sie vor Christi Geburt noch
nicht vorhanden und sprosste zuerst in der Wüste unter den
Tritten der heiligen Jungfrau auf, als sie mit dem göttlichen
Kinde nach Aegypten floh. Ihm zu Ehren soll sie seitdem
auch in der heiligen Christnacht, wenn sie auch noch so alt
und welk ist, wieder blühen. Pilger, die zum heiligen Grabe
in Jerusalem wallfahrten, bringen sie von dort als heiliges
Andenken mit zurück. Auch mir hat sie ein Pilger gebracht.
Vgl. PrätoriuS) Saturnalia p. 82. Ausland 1841 , Nr. 336.
Schubert, Reisen II. 158.
Rosenkranz.
Man verglich die Gebete aus unschuldsvollem oder reui-
gem Munde mit aufblühenden Rosen. Daher eine Folge von
Gebeten einem Rosenkranze. Nach der Legende wurde ein
edler und frommer Jüngling im Walde von Räubern ermordet,
seine letzten Gebete aber pflückte ihm ein Engel als zwölf
weisse und drei rothe Rosen vom Munde und wand daraus
einen Kranz, der in kirchlichen Rosenkränzen von Gebet-
perlen nachgeahmt wurde. Dies der Ursprung des berühmten
Rosenkranzes. Binterim, Denkw. YII. 1. 104. Alonso de
Tobar malte in Madrid eine Allegorie des Rosenkranzes,
die Gnadenmutter als Hirtin, wie sie ihre Schafe mit Rosen
Rosenkranz. 2S1
füttert. Kugler, Gesch. der Malerei IL 269. Albrecht Dürer
gab der Gnadenmutter selbst auf das Haupt einen Rosenkranz^
in einem Stich. Heller, A. Dürer H. 2. 4J1. Die auf ihre
Lieblinge Rosen herabstreuende Madonna kommt öfter vor.
Domenichino malte sie in Bologna, Rosen auf die Märtyrer
streuend. Hier beziehen sich die Rosen ohne Zweifel nicht
auf Gebete , sondern auf die Wunder und das Blut der Mär-
tyrer. Indess ist die Rose auch hier ein Sinnbild des Ver-
dienstes , welches aus den guten Werken erblüht , sey es der
Wunden, sey es der Gebete. Auf einem Bilde von Carlo
Maratti theilt die Madonna Rosenkränze unter Nonnen aus.
In Karl Försters Gedichten I. 349. findet sich eine schöne
Legende vom Bruder Cölestin, welcher der Gottesmutter
täglich , so lange die Rosen blühten , einen Rosenkranz flocht,
und als sie verblüht waren, täglich einen Rosenkranz betete,
wofür sie ihm einmal erschien und ihm einen unverwelklichen
Rosenkranz auf's Haupt setzte.
Der aus Gebetperlen zusammengereihte Rosenkranz hat
die praktische Bestimmung, dem Theil des Volkes, welches
nicht lesen kann, als eine Art Handbuch beim Beten zu
dienen. Vgl. Binterim a. a. 0. 100. Der kleine Rosenkranz
heisst die Krone und enthält 33 kleine Perlen, nach den
Lebensjahren des Heilands, nebst fünf grössern Perlen, nach
den fünf Wunden des Heilands. Jede kleine Perle bedeutet
ein Ave Maria, welches man beten soll, jede grössere ein
Paternoster. Der mittlere Rosenkranz zählt 63 kleine Perlen,
nach den Lebensjahren der Maria, und sieben grosse, nach
ihren sieben Freuden und Schmerzen. Der grosse Rosenkranz
zählt 150 kleine und 15 grosse Perlen, so dass auf je zehn
Ave ein Paternoster folgt. Er wird der Psalter genannt,
mit Bezug auf die 150 Psalmen, gewöhnlich aber der Marien-
psalter, weil er hauptsächlich aus Ave's besteht und der
Maria geweiht ist. Denn nach dem heiligen Dominicus, in
dessen Orden der Rosenkranz die erste grosse Verbreitung
fand, flocht der Engel Gabriel aus 150 himmlischen Rosen
drei Kränze für die heilige Jungfrau, einen weissen der
288 Rost.
Freuden, einen rothen der Schmerzen, einen goldenen der
Glorien. Diese zusammen würden nun nachgeahmt in dem
Einen Gebetrosenkranz aus 150 Perlen. Alt, christl. Cultus
S. 63. Die Farben ahmt man in den Perlen nach. Es
gab prachtvolle Rosenkränze aus farbigen Edelsteinen. Die
gewöhnlichen sind aus Holz, Glas, wohh'iechenden Stoffen.
Vgl. Binterim a. a. O. 118.
Im berühmten Weltgericht von Michel Angelo werden
Selige an einem Perlenkranz in den Himmel emporgezogen.
Auf einem alten Bilde in Ciampinij vet. monum. musiva tob. 68.
tragen die Seligen im Himmel Ehrenkronen in Gestalt von
Perlenkränzen. — Ueber die Literatur der Rosenkränze vgl.
Grässe, Lehrbuch der Literärgeschichte H. 2. 1. 398.
Eine zweite Form, in welcher der Rosenkranz in kirch-
lichen Gebrauch gekommen, ist folgende. Rosenkranz heisst
nämlich auch in der Kirchenmalerei die grossartige Einrah-
mung von Dreieinigkeitsbildern in einem einzigen grossen
Rosenkranze, der zuweilen noch in kleinere Rosenkränze sich
theilt. Hier bedeuten die Rosen das Band der Liebe, welches
die heiligen Geheimnisse umschlingt. Berühmte solche Ro-
senkränze findet man noch in Nürnberg, Schwabach. Der
ausgezeichnetste ist aber wohl der in Weilheim im Württem-
bergischen. Er besteht aus drei Kränzen; der äussere ist
weiss, der mittlere roth, der innerste golden; jeder zertheilt
sich wieder in fünf Medaillons. In der Mitte thront Maria
mit dem Kinde im Rosenkranz unter Engeln, oben erblickt
man die heilige Dreieinigkeit, unten eine grosse Anbetung
der Priester unter dem Papst und der Laien unter dem Kaiser.
Die übrigen Bilder beziehen sich auf das Leben Jesu zwischen
Verkündigung und Weltgericht. Vgl. Kunstblatt 1840, S. 416.
Rost.
Ein eiserner Rost ist Attribut des heiligen Laurentius,
Archidiakon der römischen Kirche im 3ten Jahrhundert. Er
sollte unter Valerian die Schätze derselben ausliefern, brachte
Rothkehlchen. ^^d
aber nur eine Menge Kranker und Bettler: das seyen die,
durch welche man Schätze im Himmel erwerbe. Der Kaiser
liess ihn nackt auf einem eisernen Roste braten. 10. August.
Die Spanier rühmen sich, er sey ihr Landsmann. Deshalb
ehrte ihn auch Philipp II. so hoch , indem er bei einem Sturm
auf der See gelobte, wenn er davonkäme, dem heiligen
Laurentius eine riesenhafte Kirche zu bauen, die so viele
Quartiere und Höfe haben sollte, als der Rost Quadrate. Diesen
Wunderbau führte er wirklich im berühmten Escurial auf.
Roth,
die Königsfarbe, daher auf Kirchenbildern Gott Vater den
Purpurmantel trägt und eben so Christus in seiner königlichen
Würde. Roth ist aber auch die Blutfarbe und darum die
Farbe der Richter. Wenn Christus im rothen Mantel beim
Weltgericht thront, trägt er die Farbe in doppelter Eigen-
schaft als König und Richter. Als Blutfarbe ist Roth auch
die Farbe aller Märtyrer. Daher die Kirchen wie an den
hohen Freudenfesten mit dem königlichen Purpur, so an den
Tagen der Märtyrer mit der Blutfarbe drapirt werden.
Kreuser, Kirchenbau II. 159.
Rothkehlchen,
Von diesem friedlichen kleinen Vogel glaubt man , wenn
er eine menschliche Leiche im Walde finde, decke er sie
mit Moos und Blumen zu. Schmidt, Anmerkungen zum
Shakespeare S. 422. Curiositäten VIII. 241. Büsching, Volks-
sagen S. 396. — In der Bretagne glaubt man, dieser Vogel
habe sich auf den Dornenkranz des Heilands gesetzt, und
mit seinem kleinen Schnabel die Dornen weggepickt, damit
Er weniger Schmerzen leide. Keller, bretagn. Volkslieder
S. 248.
Menzel, christl. Symbolik. II. jQ
290 Rufus.
R u f u S ,
der rothhaarige Jude von abschreckender Brutalität, der auf^^
altdeutschen Bildern der Leiden Christi häufig und fast regel-
mässig vorkommt, wie auch in den altdeutschen Passionsspielen.
Vgl. Mone, Schauspiele des Mittelalters S. 57. Devrient,
Geschichte der deutschen Schauspielkunst I. 43. Personification
des Judenhasses gegen Christum.
Ruhe in Aegypten.
Kirchenbilder, Vielehe diesen Namen führen, zeigen
Maria, Joseph und das göttliche Kind während der Flucht
nach Aegypten im Moment des Ausruhens , in heiterer Land-
schaft, voller Blumen und Früchte, häufig von Engeln um-
geben. Diese Bilder stehen daher in der Mitte zwischen den
Flucht- und Reisebildern einerseits und den häuslichen Fa-
milienbildern andrerseits, indem sie von beiden etwas theilen.
Ihr eigentlicher Zweck aber ist, das Paradiesische in dem
Innern der Jungfrau und des Kindes auch äusserlich an-
schaulich zu machen. Mitten in der Wüste und in der Angst
der Flucht strömt paradiesische Wonne und Schönheit hier
aus dem Innern aus und verbreitet sich über die Landschaft,
der Himmel küsst die Erde und Engel steigen nieder.
Weil aber Maria der Schlange, die Eva verführte, den
Kopf zertrat und durch Christum das Paradies wiedererobert
wird, welches Adam verloren, nehmen die Maler in den
Bildern der „Ruhe in Aegypten" auf das erste Paradies
Adams mannigfache Rücksicht. Namentlich soll die paradie-
sische Schönheit der Landschaft und die paradiesische Unschuld
der Thiere andeuten, dass das einst durch Adam verlorne
Paradies durch Christum wiedergewonnen worden sey. Der
Apfelbaum, unter dem öfter die heilige Familie ruht , bezieht
sich gleichfalls auf das Paradies. Der Palmbaum bedeutet
den Sieg des Christenthums. Die Quelle, die am Baume
Ruhe in Aegypten. 291
oder zu Füssen des Christkinds entspringt, bedeutet das neue
Heil der kranken Menschheit. Die Bilder sind wohl immer
am schönsten, wenn die heilige Familie darin allein vorkommt.
Grosse Engelgesellschaften erscheinen störend. Uebrigens ist
nicht immer klar zu unterscheiden, ob es sich um heilige
Familienbilder im Garten neben dem Hause oder um eigent-
liche Fluchtbilder handelt. Das Idyllische der Scene lässt
hin und wieder auch eine geistreiche Spielerei zu, namentlich
ein Vorkommen der Thiere. Doch ist das Sonderbare und
Phantastische hier eben so auszuschliessen, wie das Gemeine:
ein sonderbares Thier in der Hand des Christkinds z. B. eben
so, wie die Wasch- und Kämmscenen.
Die tiefste Ruhe drückt sich in den Bildern aus, auf
denen das Christkind schläft. Ein wunderschönes Kind auf
dem Schooss der Mutter schlafend malte Bellini in Venedig.
Auf einem Bilde des Annibal Carracci in England beten Engel
das schlafende Kind an. Waagen H. 60. Auf einem von
Ludwig Carracci in Dresden wacht die Mutter bei dem schla-
fenden Kinde und blickt zu Engeln empor, die ihr in einer
Vision die Passionswerkzeuge zeigen. Auf einem berühmten
Bilde von Murillo in Petersburg (Hand I. 375.) schläft das
Kind in tiefer Nacht und alles Licht geht von ihm allein
aus und beleuchtet die zärtliche Mutter und den etwas ferner
beim Matllthier wachenden Joseph. Ueberaus lieblich ist das
berühmte Bild Correggio's, auf welchem das Kind schon
entschlafen ist und die Mutter noch mit dem Schlafe kämpft.
Wessenberg, christl. Bilder H. 45. Das Bild heisst Zingarilla,
weil die Madonna eine Kopf binde hat, wie eine Zigeunerin.
Kugler, Mal. I. 292. Auf einem Bilde von Mola schläft das
Kind und Joseph, nur die Mutter wacht {Crozat I. 112.).
Auf einem Nachtstücke von Rotari ist das Kind, von dem
alles Licht ausgeht, blendend weiss (in Dresden). Auf einem
Bilde von Deveria schläft Alles, nur das Christkind wacht,
sitzt aber gar zu anspruchsvoll wie ein kleiner Napoleon da,
und seine schlafende Mutter ist eine kokette Pariserin.
Die Bilder, auf denen das Christkind wacht, theilen sich
19*
^9^ Ruhe in Aegypteii.
hauptsächlicli in Baum- und Quell enbilder. Auf jenen steht
ein Baum im Mittelgrunde, unter dem die heilige Familie
ruht und deren Früchte Joseph oder Engel für das Kind
abpflücken. In italienischen Bildern smd es meist Palmen,
in deutschen meist Aepfelbäume, deren Bedeutung oben schon
erklärt ist. Auf den Quellenbildern ruht man am Wasser
und wird eine Schale gefüllt oder getrunken. Einige andere
Bilder, bei denen Baum und Quelle fehlen, zeichnen sich
aus durch das Phantastische der Landschaft, oder durch das
gar zu Natürliche des Familienlebens, gehören also eher
den Landschafts- oder Genrebildern, als der eigentlichen
Heiligenmalerei an.
Eines der berühmtesten Bilder Raphaels zeigt uns die
unter der Palme sitzende heilige Familie. Joseph reicht dem
Kinde Blumen und das Kind greift darnach mit bezauberndem
Lächeln. Li England, s. Passavant, England S. 53. Waagen
L 316. Giulio Romano malte Engel, die dem Kinde einen
vollen Dattelzweig herabbiegen. Vasari LLL 2. 412. Trevisari
lässt auf einem Bilde in Dresden die Engel von einem Baume
Früchte sammeln, die Joseph im Mantel auffängt. Romanelli
lässt sie gleichfalls Früchte sammeln , gestochen von Chateau.
Eben so Albani, gest. von demselben. Eben so Cagliari in
München. Auf einem Bilde von Tiro Ferri , gest. von Farjat,
zeigt die Madonna dem Kinde eine Dattel. Ein^ Menge
Engel auf dem Baume unter der heiligen Familie malte
Hans Baidung im Münster zu Freiburg.
Auf einem Bilde von Wierix reicht Joseph dem Kinde
eine Traube. Engel pflücken dem Kinde Trauben auf einem
Bilde von Anselmi. Eine Traube hebt das Kind empor auf
einem Bilde von Lucas von Leiden. Fiorillo HL 423. Auf
einem von N. Poussin überreichen ihm zwei Engel kniend
Milch und Honig. Auf einem von Engelbrechtssen in Wien
überreicht ihm ein Engel einen Teller voll Kirschen. Auch
Mabouse malte das Christkind mit Kirschen (in Berlin). Auf
einem Bilde von C. Maratti reicht Joseph die Kirschen dem
Kinde. Das Kind mit dem Apfel malte Bernhard von Orley
Ruth. 293
in Berlin , mit den Birnen Crivelli in Mailand , auch ein Stich
von Dürer.
Mit einer Nelke malte das Kind Raphael (Waagen, Eng-
land II. i 5.) und Luini in der Karthause bei Pavia. Mit einer
Rose Baroccio (Huber, Kupferst. III. 258.).
Quellenbilder. Die heilige Familie ruht auf der Flucht
und Maria schöpft aus der Quelle, von Domenichino. Landon,
Oeuvres, pl. 104. Von Carraccio, gestochen von Cort. Joseph
pflückt zugleich hier dem Kinde Kirschen. Füssli, Kupferst.
I. 211. Von Correggio in Parma, das berühmte Bild der
Madonna della Cordella (Schale) , weil sie die Schale hält.
Hier pflückt Joseph Datteln. Miliin, Lombardei IL 271.
Von Claude Lorrain eine Ruhe am Bache.
Ruth,
die arme Aehrenleserin , die Boas zu seiner Gemahlin und
zu hohen Ehren erhob, ist eine Personification der demüthigen
und gottgefälligen Armuth, von der das Wort gilt: „Wer
sich selbst erniedrigt, soll erhöht werden.^ Rupert von Deutz
bezog auf sie die Stellen bei Jesaias Cap. 16 und 35, wo es
von der Wüste Moab heisst, sie werde fruchtbar werden und
das Heil der Welt werde von ihr kommen. Denn Ruth war
eine Moabiterin und wurde Stammmutter unsers Heilands.
Sie wird in der christlichen Allegorie zusammengestellt mit
der Thamar, der Sünderin, aus deren ungesetzlicher Em-
pfängniss gleichwohl das Heil der Welt hervorging, denn
auch sie gehört zu den Stammmüttern des Heilands. In ihr
ist poenitentia , die Busse, wie in Ruth paupertas, die Armuth,
personificirt , beides gleichsam vorbereitende Tugenden des
Judenthums und Heidenthums , die dem Christenthum den
Weg bereiteten. Vgl. den Artikel Thamar. — Auf Kirchen-
bildern hat Ruth als Aehrenleserin die Garbe zum Attribut,
woran sie, wenn sie unter andern Frauen des alten Testa-
mentes vorkommt, erkannt wird. Parva petit^ ut magna re-
cipiat, ist ihre Devise bei PicinelU, mundus symbol. p. 197.
S94 Ruthe.
R u t h e ,
Sinnbild des göttlichen Zorns. Als solche Zornruthe braucht
Gott Assur, um andere Völker zu züchtigen, Jesalas 10, 5;
schlägt aber nachher mit seiner Zornruthe Assur selbt; das.
30, 31. Diese Zornruthe kommt auch vor bei Jeremias 1, 11.
und ist auf Bildern das Attribut dieses Propheten. — Dagegen
bedeutet die Ruthe Isai, d. h. das Reis aus dem Stamm
Isai nach Jesaias 11, 1, den Messias, weil Christus aus dem
Stamm Davids, dessen Vater Isai war, seine irdische Ab-
kunft leitet. In der christlichen Bildnerei und Dichtkunst
wird jedoch mit demselben Recht unter der Ruthe Isai oder
Jesse vorzugsweise die heilige Jungfrau, Mutter des Heilands,
verstanden, und die Ruthe oder das Reis als Rosenzweig
aufgefasst. — Die Ruthe ist Attribut des Propheten Jesaias.
Didron, annales IV. 67.
}
S a b a ,
die Königin von, ist alttestamentalisclies Vorbild der heiligen
drei Könige, indem sie aus weiter Ferne kommt, um den
weisen König Salomo zu verehren, wie jene, um das Christkind
zu verehren. Beide Bilder werden zusammengestellt in der
biblia pauperum. Heinecken, Nachrichten von Künstlern II. 119.
Sack,
Attribut des b. Theobald. Dieser, ein Sackträger zu Alba
und Montf errat, gab einst alles Mehl, das er im Sack trug,
einem Armen, füllte Sand hinein und siehe, als er es seinem
Herrn brachte, war es wieder Mehl, im 12ten Jahrhundert.
1. Juni.
Säge,
Attribut des Propheten Jesaias und des Apostels Simon , weil
beide zersägt wurden.
396 Säule.
Säule,
Sinnbild der tragenden Kraft , daher auf Bildern , welche die
christlichen Tugenden darstellen , Attribut der fortitudo. Auch
Attribut der Rahel im Gegensatz gegen den Butterstössel der
Lea in den Ulmer Chorstühlen. Vgl. Rahel. Gegensatz der
Glaubenskraft und der Weltlichkeit, der Tendenz zum Eivigen
und zum Vergänglichen. Nach der Offenbarung Johannis
21, 14. standen auf den zwölf Grundsteinen des neuen Jeru-
salems die Namen der Apostel. Dieselben Namen stehen
auf den zwölf Pfeilern des Kölner Domchors. Im paulinischen
Briefe an die Galater 2, 9. werden Jakobus, Kephas und
Johannes Säulen genannt. Noch jetzt nennt man sprich-
wörtlich wie die Apostel und Kirchenväter, so alle grossen
Märtyrer, Bekenner, Lehrer und Bischöfe Säulen der Kirche.
Die sieben Säulen, auf welche nach den Sprichwörtern Sa-
lomonis 9, 1. die Weisheit ihr Haus erbaut, werden auf die
sieben Gaben des heiligen Geistes bezogen. Vgl. Kreuser,
Kirchenbau I. 549.
Die beiden berühmten Säulen Jachim und Boas am
Tfempel Salomo's, nach 1. Kön. 7, 21, haben dieselbe Be-
deutung als Grundpfeiler. Will man sie mit den Säulen des
Herkules, mit den Stützen des Himmels am Weltende nach
heidnischer Vorstellungsart vergleichen (Sepp, Heidenthum
I. 148. 154.), so hat das wenigstens für die christliche Sym-
bolik keine Bedeutung, so wenig wie die Anwendung, welche
in der Freimaurerei von jenen Säulen gemacht wird. — Die
Säule, an welcher Christus gegeisselt worden, nimmt ihren
Platz unter den Passionswerkzeugen ein ohne eine besondere
symbolische Bedeutung.
Nach der spanischen Legende betete der heilige Jakob
auf seiner Reise durch Spanien einst in der Gegend von
Saragossa, als die heilige Jungfrau ihm erschien und ihre
Hand auf eine abgebrochene Säule legte, hier solle er ihr
eine Kirche bauen. Daraus entstand die grosse Kirche ünsrer
Sakramente. S97
Lieben Frau del pilar zu Saragossa. Die Hauptkirche zu
St. Jago aber wurde bezeichnet durch einen darüber leuch-
tenden Stern. Dahin brachte man seine Leiche und baute
darüber die Kirche, die der berühmteste Wallfahrtsort im
Abendlande wurde. Cuendias, Spanien S. 85.
St. Simon Stylita führt diesen Beinamen, weil er jahre-
lang zur Busse auf einer Säule stand. Abt Pietro von Perugia
hielt durch sein Gebet eine fallende Säule auf.
Feuersäulen erschienen über den Heiligen Briocus, Cuth-
bert , Gregor , um ihre Heiligkeit zu beurkunden. Die Feuer-
säule, die Nachts den aus Aegypten ziehenden Juden vor-
leuchtete, bei Tage aber als Wolkensäule erschien, ist ihr
Vorbild. Vgl. den Artikel Wolke.
Eine Säule, an welche Wahnsinnige gekettet sind, ist
Attribut des heiligen Gregorius Thaumaturga; denn weil
durch seine Wunderkraft Irre geheilt wurden, pflegte man
sie an die ihm geweihte Säule zu binden. 17. November.
Saifenblase,
zuweilen auf modernen Gräbern angebracht als Sinnbilder
der Vergänglichkeit aller irdischen Pracht und Freude. Nur
passen die antiken Genien , die sie blasen , nicht auf christliche
Denkmäler.
Sakramente.
Die sieben Sakramente sind: haptismus^ die Taufe —
confirmatio^ die Firmelung nach Apostelgesch. 8, 15. 19, 6. —
eucharistia j das Abendmahl — poenitentia, die Busse nach
Matth. 3, 2. 4, 17. Marcus 6, 12. Lucas 9, 6. — unctio extrema,
die letzte Oelung nach Marcus 6, 13. Jakob. 5, 17. — ordo,
die Priesterweihe nach Apostelgesch. 6, 6. 13, 3. 1. Timoth.
5, 22. 2. Timoth. 1, 6. — conjugium, die Ehe nach Ephes.
5, 32. — In dem berühmten Bilde des Roger von Brügge
werden sie durch Engel in verschiedenfarbigen Kleidern per-
sonificirt, die Taufe weiss (Sinnbild des Reingewordenseyns),
298 / Salomo.
die Firmelung gelb (Farbe des Oels), die Eucharistie grün
(Farbe der Hoffnung und Verjüngung), die Busse roth
(Farbe des Blutes), die letzte Oelung schwarz (Farbe des
Todes und der Trauer), die Priesterweihe violett (Priester-
farbe), die Ehe blau (Farbe der Treue). Kunstblatt 1843,
S. 250. Schon Dante verglich die Sakramente mit den sieben
Farben des Regenbogens.
Die Sakramente sind sehr oft und von berühmten Mei-
stern in sieben verschiedenen Bildern gemalt worden. Auf
einem der berühmtesten von Nicolas Poussin wird 1) Christus
getauft, werden 2) Kinder von einem Bischof gefirmelt, er-
theilt 3) Christus das Abendmahl , weint 4) Magdalena büssend
zu des Heilands Füssen, empfängt 5) ein Sterbender die
letzte Oelung, ertheilt 6) Christus dem heiligen Petrus das
Amt der Schlüssel, und wird 7) Maria mit Joseph vermählt.
Fiorillo HI. 135.
Die Sakramente wurden verglichen den sieben Gaben
des heiligen Geistes (Jesaias 11, 1.) und den sieben Geistern
Gottes und Sternen in der Offenbarung Johannes , desgleichen
mit dem siebenarmigen Leuchter. Vgl. Dante von Kopisch
S. 255. Vivaldo schrieb ein Buch von den Sakramenten unter
dem Titel des siebenarmigen Leuchters. Etwas zu kühn gibt
Dante der Kirche die sieben Sakramente als Häupter und
die zehn Gebote als Hörner. Dante von Kopisch S. 76.
Salamander,
Sinnbild der Seelen im Fegefeuer, weil man glaubte, diese
Thiere leben im Feuer, ohne zu verbrennen. Conrad von
Megenberg im Buch der Natur 1482, Fol. 127, sagt, es rei-
nige sich im Feuer und werde darin immer schöner.
Salomo
nahm zu Anfang seiner Regierung einige gewaltsame Reini-
gungsprozesse vor, durch Tödtung seines Bruders Adonia,
Salomo. 299
der die Unverschämtheit hatte , die schöne Abisag zum Weibe
zu verlangen; ferner durch Tödtung des gefährlichen Joab
und des Simei-, der als ein Nachkomme Sauls auf den Thron
hätte Anspruch machen können. — Gegen diese Grausam-
keiten, die ihm die Politik geboten, und die auch bei ihm,
wie das Tadelnswerthe bei David, grosse Tugenden und
die Gnade Gottes nicht ausschliessen , sticht dann im 3ten
Capitel des ersten Buchs der Könige die fromme Gottesfurcht
Salomo's und sein wunderbar schönes Königsgebet merk-
würdig ab. 1. Buch d. Kön. 3, 9. „So wollest du deinem
Knecht geben ein gelehrsam Herz , dass er dein Volk richten
möge und verstehen, was gut und böse." Und Gott sprach:
„Weil du nicht um langes Leben, Reichthum und Sieg über
die Feinde bittest, sondern um Verstand, so will ich dir
Weisheit geben."
Als Probe dieser Weisheit gibt das 3te Capitel des ersten
Buchs der Könige das berühmte Urtheil, durch welches Sa-
lomo erkannte, welches von zwei um ein Kind streitenden
Weibern die wahre Mutter desselben sey. Aber das Buch
der Könige sagt weiter, die Weisheit Salomo's sey grösser
gewesen , als die aller übrigen Menschen in der weiten Welt,
dazu habe er auch alle Dichter übertroffen, und sey berühmt
gewesen unter allen Heiden umher, und seiner Lieder
waren 1005. Und in der ganzen Natur war ihm nichts ver-
borgen, er verstand Alles von Kräutern und Bäumen, von
allen Thieren in der Luft, im Wasser und auf Erden. Und
es kamen aus allen Völkern , zu hören die Weisheit Salomo's,
und von allen Königen auf Erden.
Die jüdische und muhamedanische Legende hat noch viel
mehr von der Weisheit Salomo's gefabelt. Schon Josephus
{antiq, VIH. 2.) erwähnt, Gott habe ihm Macht über die
Dämonen gegeben. Nach v. Hammers Rosenöl I. 147. und
Weils bibl. Legenden S. 225 dienten ihm alle guten und
bösen Engel , und alle Vorsteher der Geschöpfe. Als Könige
der Thiere erschienen vor ihm ein Wallfisch, Adler, Löwe
und eine Schlange. Auch verstand Salomo die Sprache aller
SOO Salomo.
Thiere und redete mit ihnen. Den bösen Dschinnen drückte
er sein Siegel auf, um sie als seine Sklaven zu stempeln,
und brauchte sie zu allerlei Diensten, besonders zu Bauten.
Die widerspenstigen bannte er unter den Grundstein der
Gebäude und versiegelte sie, dass sie nimmer sich wenden
konnten. So namentlich beim Bau der Stadt Tadmor (Pal-
myra) in der Wüste. Oder er sperrte die Dschinnen in Töpfe
ein und versenkte sie auf den Grund des Meeres. Der Siegel-
ring Salomo's trug einen Edelstein , worin die Worte: ;, Allah
ist Allah und Muhamed sein Prophet" eingegraben waren
und mit dem er Alles zaubern konnte. Ausserdem gab ihm
Gott einen Wind, mit dem er fahren konnte, wohin er wollte.
Herbelot s. v. Soliman. — Nach derselben Fabel war der
berühmte Vogel Simurgh (der Phönix) Wessir des Königs
Salomo. Dieser Vogel besass die höchste Weisheit mit dem
höchsten Alter, indem er schon lange vor Erschaffung Adams
gelebt und den siebenzig präadamitischen Salomonen als
Wessir gedient hatte. Vor den Menschen nämlich wohnten
Geister auf Erden, von Königen beherrscht, welche Salomone
hiessen, und von denen jeder tausend Jahre lang regierte,
zusammen 70,000 Jahre. Rosenöl I. 13.
Die heilige Schrift preist vorzugsweise nur den Bau des
grossen Tempels zu Jerusalem, den Salomo betrieb, und dem
wir einen besondern Artikel widmen. S. Tempel. Salomo
regierte in vollkommenem Frieden und vermehrte den Wohl-
stand seines Reichs auf alle Weise , unter andern auch durch
Handel. Seine Verbindung mit Phönizien und Aegypten
machte es möglich, dass er einige Schiffe auf dem rothen
Meere nach Ophir (Ceylon) senden und die Reichthümer
Arabiens und Indiens von dort holen konnte. Da hörte die
mächtige Königin von Saba (im südlichen Arabien , die Alter-
thümer der Stadt sind erst in jüngster Zeit- entdeckt) von
Salomo und beschloss, seine Weisheit zu prüfen. Sie selbst
kam mit grossem Gefolge zu ihm und versuchte ihn mit
Räthseln (die von der heiligen Schrift nicht näher bezeichnet
sind); da er aber alle diese Räthsel löste und ihm nichts
Salomo. 301
verborgen war, was er ihr nicht gesagt hätte, erkannte sie,
seine Weisheit übertreffe in der Wirklichkeit noch weit Alles,
was sie früher nur davon gehört hatte, und sie schenkte dem
König die Reichthümer, die sie mitgebracht, 120 Centner Gol-
des, köstliche Edelsteine und Spezereien. Er Hess es aber
auch an Gegengeschenken nicht fehlen. — Mit dieser ein-
fachen Erzählung begnügt sich die heilige Schrift, ohne den
* Namen der Königin zu nennen. Desto ausführlicher handeln
von ihr die muhamedanischen Sagen.
In der Bibel heisst es nun weiter: Salomon habe von
dem Golde, das ihm die arabische Königin geschenkt und das
er noch durch Handel gewann, sich einen prachtvollen Thron
mit zwölf Löwen, je sechs auf den Stufen einander gegenüber-
gestellt, und viele andere herrliche Sachen zur Ausschmückung
seines Pallastes verfertigen lassen. Auch das haben nun die
muhamedanischen Sagen wieder ausgesponnen. Da heisst es,
die zwölf Löwen brüllten , sobald sich ein böser Mensch dem
Throne nahte. Den Thron umgaben ferner goldne Bäume
mit singenden Vögeln von Edelsteinen in den buntesten Far-
ben, Weinstöcke mit Trauben von Edelsteinen. Dazu ver-
sammelten sich um denselben die Repräsentanten nicht nur
aller menschlichen Reiche und Völker, sondern auch des Thier-
reichs und aller Thiergattungen , und eben so der Dschinnen,
oder Geister. Vgl. Klaproth, as. Magazin I. 113. Curiosi-
täten III. 387. Rosenöl L 179.
Mit diesem Throne Salomo's ist nicht zu verwechseln
der sogenannte Thron Salomo's Takut Soliman im Soliman-
gebirge oberhalb Kabul in Afghanistan. Bis dahin soll Sa-
lomo (nachdem er in der Wüste Tadmor oder Palmyra ge-
gründet und sein Reich weit nach Osten ausgedehnt hatte)
gedrungen seyn und von hier aus in das ferne Indien hinab-
geblickt haben. Ritter, Erdkunde VIII. 130.
Alle muhamedanischen Fabeln von Salomon hier wieder-
zugeben, ist nicht wohl am Ort. Firdusi häufte sie in sie-
benzig Folianten seines persischen Suleimaname zusammen.
Rosenöl XV. Hier nur eine.
B02 Salomo.
Die Erbauung von Tadmor (Palmyra). Als Salomo
diese Stadt mitten in der Wüste zu bauen beschloss, fand
er unterwegs einen Einsiedler, den er frug, warum er sich
keine Wohnung gebaut habe. Der Einsiedler antwortete:
„Ich wollte es thun, aber als ich Steine nahm, sagten die
Steine: Lass uns, wir haben schon Gräber gedeckt. Als
ich Bäume fällen wollte, sagten sie: Lass uns, wir sind
vom Blut erschlagener Menschen durchdrungen. Als ich
Staub sammelte, um Lehm daraus zu kneten, sagte der
Staub: Lass mich, ich bin von Todten. Da sah ich, dass
wir doch Alle bald sterben, und hielt es nicht der Mühe
werth, mir ein Haus zu bauen." Allein Salomo Hess sich
dadurch nicht abhalten, Tadmor zu erbauen, und weil ihm
die Ameisen zum Bau der schneeweissen Moschee die weis-
seste Erde zusammentrugen, nannte er die Stadt nach ihnen
{tad, Hügel, mar, Ameise). Auch die Dschinnen halfen am
Bau und schleppten die prachtvollen Marmor- und Granit-
säulen herbei. Rosenöl I. 189.
Salomo lebte ganz auf dem Fuss eines morgenländischen
Despoten, denen er daher auch immer zum Vorbild gedient
hat. Er hielt sich an seinem prachtvollen Hofe einen Harem
von 700 rechtmässigen Frauen und noch 600 Kebsweiber
dazu. 1. B. d. Könige 11,3. Im Hohenliede 6, 7. sind nur
60 Frauen, nur 80 Kebsweiber, dazu aber noch unzählige Jung-
frauen angegeben. Darin jedoch unterschied er sich von fast
allen orientalischen Despoten, dass er nicht bloss dem fleisch-
lichen Genüsse lebte, sondern auch geistig thätig war als
Denker und Dichter, wovon seine Sprüche und sein Buch
der Weisheit, so wie sein unübertreffliches Hohelied zeugen.
Als Salomon alt geworden, erzählt die heilige Schrift,
habe er in seiner Weisheit nachgelassen und sich dem Ein-
fluss seiner vielen ausländischen Weiber hingegeben, so dass
er auch Jehovahs vergessen, oder wenigstens neben dem-
selben auch die Götzen seiner heidnischen Weiber angebetet
und ihnen Tempel gegründet habe. Deshalb sey der Herr
über ihn ergrimmt worden und habe ihm noch am Ende
I'
Salomo. 803
seiner so lange friedfertigen Regierung einen ruhestörenden
Feind in Hadad, dem Edomiter, erweckt.
Von Salomo's Tode, der in der heiligen Schrift nur ganz
einfach berichtet wird, hat das Suleimaname wieder eine sehr
schöne Sage. Salomon ging wie gewöhnlich in den Garten,
die Blumen zu betrachten, da sah er aus der Wand des
Tempels ein Kraut hervorwachsen. Unwillig frug er es, was
es sey? .Jch bin das Steinbrech," antwortete das Kraut,
^^geschaffen, um die festesten Tempel und Burgen mit der
Zeit zu zerstören." Da schnitt es der König ab und machte
sich einen Stock daraus, indem er sprach; „Statt zu schaden,
sollst du nützen." Rosenöl I. 251. Bald aber begegnete ihm
der Todesengel selbst (mit sechs Gesichtern, um nach allen
Weltgegenden hin die zu sehen, die er holen wollte), und
nachdem er den Salomo belehrt über die Auferstehung und
das ewige Leben, nahm er seine Seele mit sich, Salomon
aber blieb noch ein ganzes Jahr lang unverwest aufrecht
stehen, so dass man ihn noch für lebend hielt, und binnen
dieser Zeit bauten, wie er gewünscht hatte, die Dschinnen
den Tempel vollends aus. Erst als der Stock Salomons zu-
sammenbrach, fiel auch er selbst, und Alles sah nun, dass
er todt sey. Weil , 275 f.
Man hat dem Salomo auch viele apokryphische Bücher
zugeschrieben, so einen Psalter, einen Schlüssel Salomonis,
eine Geisterbeschwörung. Vgl. Fabricü codex pseudepigr. 914.
1052. 1032. Der Schlüssel besonders wurde im ITten und
zu Anfang des 18ten Jahrhunderts bei den Alchymisten sehr
populär, indem darin die ganze verborgene Naturweisheit der
Vorwelt enthalten seyn sollte. Nach Herbelot haben die Teufel
selbst viele Zauberbücher unter dem Namen Salomons edirt.
Herbelot .<?. v. Soliman.
Nachdem wir im Ueberblick erkannt, welchen hohen Rang
Salomon in der fabelhaften Vorstellungsweise des Orients ein-
nimmt, hebt sich die allegorische Bedeutung, die er für die
abendländische Welt hat, schärfer und deutUcher hervor.
Salomo, der junge weise König, hat hier alle mensch-
S04 Salomo.
liehe Schwäehe abgestreift und wird das Ideal der irdischen
Könige, und als Gründer des Tempels ein Vorbild Christi
selber, des himmlischen Königs und Herrn. So ist er auf-
gefasst in der Handschrift der Herrad von Landsberg zu
Strassburg (vgl. Engelhardt S. 43.). Vornehmlich aber ist
Salomo als Bräutigam des Hohenliedes Vorbild Christi, als
des Bräutigams der Kirche. Die zwölf Löwen am Throne
Salomons entsprechen den zwölf Aposteln. Der Tempel Sa-
lomons ist Vorbild der christlichen Kirche. Vgl. d. Artikel
Tempel.
Ausserdem aber ist Salomon auch Vorbild des König-
thums oder der weltlichen Staatsgewalt in ihrem wahren und
allein zulässigen Verhältniss zur Kirche. Was bei David
noch schwankt, steht bei Salomo fest. Während David vor-
zugsweise ein lyrischer Dichter war, war Salomo ein gno-
mischer. Jener dichtete Psalmen, dieser Sprüche, ein Buch
der Weisheit und einen Prediger. Man hat gezweifelt, ob
Salomon selbst dergleichen geschrieben. Darauf kommt wenig
an. Entweder die Bücher gehören dem Kreise an, in wel-
chem Salomo unmittelbar wirkte, oder sie sind etwas später
in seinem Sinn und Namen zusammengefasst. Jedenfalls
herrscht in ihnen das, was man die salomonische Weisheit
zu nennen pflegt, die von einem König und Laien, also vom
Staate aus dem Priesterthum gebrachte Huldigung, dass alles
irdische Ding eitel sey, wenn es nicht im Dienste Gottes
stehe. Diese salomonische Weisheit ist gleichsam das Ab-
finden des neuen Königthums mit dem Priesterthum, die
Versöhnung Samuels und Sauls in einer neuen, innigen Ver-
einigung des Staats mit der Kirche.
In den Sprüchen Salomonis ist der Grundgedanke: Gott
fürchten und seine Gebote halten ist mehr denn alles Wissen;
nicht dem Irdischen soll man vertrauen, sondern Gott allein.
— Im Prediger Salomonis ist der Grundgedanke: Alles ist
eitel, nur wer Gott folgt, gelangt zum Wahren und Unver-
gänglichen. — Im Buche der Weisheit Salomonis wird zu-
erst das Streben nach Weisheit empfohlen, dann der aus der
Saloiiio. 305
Weisheit fliessende Segen gepriesen und endlich der Gang
der ewigen Weisheit in der jüdischen Geschichte nach-
gewiesen.
Man hat diese Bücher späterer alexandrinischer Philo-
sopheme verdächtigt, allein das kann nur mit Aengstlichkeit
in ihnen gesucht w^erden. Ihr wesentlicher Inhalt ist prak-
tisch und erbaulich. Sie haben zugleich den grossen Vorzug,
die Menschen und Natur und Leben zu nehmen wie sie sind,
und keine zu ideale Voraussetzung von der Perfectibilität des
Menschengeschlechts zu hegen. Sie verlangen daher nicht
zu viel vom Menschen, muthen ihm im Durchschnitt keine
zu strenge Ascese und Engelsmoral zu, sondern tragen allen
menschlichen Bedürfnissen und Schwächen Rechnung und Nach-
sicht, und gehen mehr darauf aus, Vorsicht vor der Sünde und
Reue und Busse nachher zu predigen, ohne zu zweifeln, dass
doch werde gesündigt werden. Das ist auch die kirchliche
Voraussetzung von der Menschlichkeit des Laienstandes im Ge-
gensatz gegen die manichäische und puritanische Strenge der
Sekten, die den Menschen entweder zu hart anfassen oder
lioiFärtig über sich selbst erheben. Insofern nun ist Salomo
auch Vertreter der gesammten Laienwelt in ihrer natürlichen
Beschaffenheit und Wahrheit mit ihren Ansprüchen an die
Hülfe der Kirche.
Endlich bietet Salomo noch zwei Seiten dar: 1) als Rich-
ter, und 2) als Magier. Das nach ihm sprichwörtlich genannte
salomonische Urtheil ist ein Muster für jedes Laiengericht,
der gesunde Menschenverstand von einem frommen Könige
im Dienst Gottes angewandt zum Wohl des Volkes und zum
Schutz der Bedrängten. Was die Magie Salomo's betrifft, so
ist kein Zweifel, dass ihm die heilige Schrift selbst wenn nicht
übermenschliche Weisheit, doch jedenfalls die Kenntniss von
allem dem zuschreibt, was sich sonst nur an ganze Gattungen
von Gelehrten vertheilt. Vgl. 1. B. d. Könige 4, 30 f. Auch
in Bezug auf das Wissen vertritt Salomo das Verhältniss
des WeltHchen zum Kirchhchen, der Philosophie, Rechts-
kunde, Geschichte, Poesie und Naturkunde zur Theologie.
Menzel , cliristl. Symbolik. U. OQ
806 Salz.
In gewissem Sinne steht ihm die Königin von Saba als die
noch nicht dem Heiligen dienende Wissenschaft und Kunst
mit ihren Rä^hselfragen gegenüber , die nur er , der den
Schlüssel zu den göttlichen Geheimnissen hat, lösen kann.
Er ist die Wissenschaft im Dienst des Herrn und erleuchtet
vom Herrn, jene Königin vertritt dagegen die noch wild-
gewachsene des Heidenthums. Indem die Muhamedaner in
ihren Legenden von Salomo seine Weisheit und Magie her-
vorheben, ihm den allmächtigen Siegelring, einen Alles öff-
nenden Schlüssel, einen Zauberstab etc. beilegen, verleihen
sie ihm so viel Macht , dass er eigentlich Gott gleich steht und
seiner nicht mehr bedarf, was ganz gegen seinen biblischen
Charakter läuft.
Auf Kirchenbildern wird Salomon immer im königlichen
Schmuck, aber jung und ohne Bart gemalt. Zuweilen hat
er den Tempel als Attribut neben sich. Vgl. Didron, man.
p. 127. 137.
Salz,
dasjenige Mineral, das sich auch in der Asche der Pflanzen
und in den thierischen Körpern findet, also allen Naturreichen
gemein und überhaupt die äusserste Concentration des Le-
bens im Stoff zu seyn scheint. Daher Sinnbild der Quint-
essenz, des Ausbundes aller Kraft und Trefflichkeit. „Ihr
seyd das Salz der Erden, so nun das Salz dumm wird, wo-
mit soll man salzen?" Matth. 5, 13. Lucas 14, 34. — Zu-
gleich schützt Salz alle organischen Dinge vor Verwesung.
Daher der Salzbund des Herrn mit Israel so viel als der
ewige, unzerstörliche Bund. 4. B. Mose 18, 19. 2. B. d. Chro-
nik 13, 5. Dieselbe Bedeutung hatte das Salz auch bei den
Alten. Vgl. Plutarch, Tischreden V. 10. Hieraus erklärt
sich der Gebrauch des Salzes als eines Sinnbildes der heiligen
Geisteskraft und des ewigen Lebens bei der Taufe. Ferner
beim Exorcismus. Alle bösen Geister fliehen das Salz, weil
in ihm die Kraft des heiligen Geistes wohnt. Wie es gegen
die Verwesung schützt, so auch gegen die Ansteckung mit
Samariter. BOT
dem geistig Bösen. Vgl. Görres, Mystik IV. 2. 237. Daher
nach den zahlreichen Hexensagen bei einer Hexenmahlzeit
niemals Salz erscheint. Wer, der Sache unkundig, Salz ver-
langt, bewirkt dadurch, dass die ganze Versammlung plötzlich
verschwindet. Bodini, daemonomagia p. 105. — Nach allge-
meinem Volksglauben bedeutet Salzverschütten ein Unglück.
Man schreibt es daher dem Teufel zu, der unsichtbar das
Umstossen verursache. In Paris wirft, wer Salz verschüttet,
ein wenig Salz hinter sich dem unsichtbaren Teufel in's Auge,
dann schadet es nichts mehr. Ausland 1840. Nr. 269. In
Schottland warf man ehemals Salz auf die Leichen. Arndt,
Nebenstunden S. 389.
Samariter,
der barmherzige, gleicht Christo selber und ist Vorbild für
alle Christen in Bezug auf die guten Werke. Priester und
Leviten gehen mitleidlos am Schwerverwundeten vorüber, der
verachtete Samariter aber hält an, pflegt ihn liebreich, giesst
Oel in seine Wunden. An diesem Gleichniss wird gezeigt,
wie unendlich viel höher die Liebe des neuen Bundes über
dem Gesetz des alten stehe, und wie zur Uebung dieser
Liebe alle Nationen und Stände, auch die verachtetsten, gleich
berufen seyen. Aber nicht blos die christliche Humanität
wird hier gegenüber der starren Ausschliesslichkeit des Ju-
denthums, nicht blos die Berechtigung aller Menschen, Kinder
Gottes zu seyn, dem angemassten Vorrecht der Juden gegen-
übergestellt, sondern das Gleichniss legt auch den grössten
Werth auf die guten Werke im Gegensatz gegen den todten,
unfruchtbaren Glauben. Der Priester und Levit hat nach
mosaischem Begriffe den rechten Glauben, der Samariter nicht.
Und doch wird der Samariter hoch über sie gestellt kraft der
guten Werke, die er übt. — Der barmherzige Samariter ist
am häufigsten für Hospitäler gemalt worden, um die christ-
liche Tendenz derselben zu charakterisiren.
20*
BÖS Samariterin.
Samariterin},
die, am Brunnen. N ach dem Evangelium Johannis 4. Christus
trifft an einem Brunnen mit einer Samariterin zusammen und
bittet sie, da er ermüdet ist, um einen Trunk. Sie erstaunt,
wie ein Jude von ihr einen Trunk verlangen kann, da ja
alle Samariter den Juden für unrein gelten, reicht ihm aber
vergnügt das Wasser und preist es, weil es aus dem näm-
lichen Brunnen ist, aus dem Jakob einst die Schafe tränkte.
Christus aber erwiedert: „Erkenntest du den, der dich bittet,
du bätest ihn um das Wasser des Lebens." „Bist du mehr
als unser Vater Jakob?" spricht das Weib. Christus aber
spricht: „Wer aus diesem Brunnen trinkt, dürstet wieder,
aber wer das Wasser des Lebens getrunken hat, dürstet nicht
mehr." Nun bittet ihn das Weib, ihr von dem Wasser des
Lebens zu geben. Aber Christus verlangt, sie soll erst ihren
Mann rufen , und da sie das nicht kann , enthüllt er ihr ihren
bisherigen bösen Lebenswandel, dass sie fünf Männer gehabt
und mit dem sechsten ein unerlaubtes Leben führe. Damit
deutet er ihr an, dass das Wasser des Lebens nur in ein
reines Gefäss gefasst werden kann, nicht in ein unreines.
Das beschämte Weib hat Trutz und Geist genug, von diesem
Gegenstande des Gesprächs abzuspringen, und bittet ihn, da
er ein Prophet zu seyn scheine, ihr zu sagen, wer Recht
habe, die Juden oder die Samariter? Er spricht sich gegen
die Willkühr der Samariter aus, die künstHch machen woll-
ten, was bei den Juden historisch geworden, weist sie aber
auf eine höhere Versöhnung beider in der Verehrung des
wahren Gottes^ Sie weiss schon, dass der Messias kommen
soll, der da Christus heisst. Er sagt ihr: „Ich bin's." Sie
geht nun, ihren Krug zurücklassend, eilend zu ihrem Volk,
es herbeizurufen.
In dieser überaus schönen Idylle sind die erhabensten
und schönsten Seiten des Christenthums enthüllt. Schon der
Brunnen Jakobs deutet auf die ursprüngliche Einheit der
\ '
Bamuel. 309
Juden und Samariter hin, Christus aber knüpft an dieses
Vorbild die höhere Einheit des ganzen Menschengeschlechts.
Seine Humanität fragt nicht mehr nach rein und unrein im
jüdischen Sinn. Die Samariter sind ihm so lieb als die Juden.
Wichtig ist diese Idylle aber hauptsächlich deshalb, weil sie
in's Licht setzt, dass Christus die Weiber so gut wie die
Männer zum Reiche Gottes befähigt erkannte. Die Juden
gestatteten nicht, ein Weib im Gesetz zu unterweisen, hier
aber lässt sich Christus mit einem Weibe in die tiefsten Leh-
ren ein.
Samuel
wurde, wie seine Mutter gelobt, dem Herrn gewidmet, daher
schon als Knabe zum Hohenpriester Eli gebracht. Während
Eli's Söhne den ärgsten Unfug trieben, weckte die Stimme
des Herrn den frommen Knaben Samuel und weihte ihn in
seinen grossen Beruf ein. Eckhout malte, wie er als Kind
zum Priester geweiht wird (Waagen, Paris 587.). Josua
Reinolds malte ihn ebenfalls als Kind in der ersten glühen-
den Begeisterung des von Gott empfangenen Berufes (Waa-
gen, England H. 196, bemerkt hiezu: er scheine ihm doch
weder ein rechtes Kind, noch ein rechter Prophet),
Die Wirksamkeit Samuels als Hoherpriester beginnt erst
nach der Rückkehr der Lade. Samuel rief ganz Israel zusam-
men und verkündete ihm Erlösung von den Philistern, wenn
es allen fremden Götzendienst abthäte. Da wurden Baalim und
Astaroth verbannt und Alles diente wieder nur dem Gott Abra-
hams, dem Samuel ein grosses Brandopfer darbrachte. Wäh-
rend dieses Opfers stürmte das Heer der Philister heran, aber
Gott Hess gewaltige Donner über sie rollen und sie erlitten
eine furchtbare Niederlage.
Samuel bewirkte eine vollkommene Restauration der mo-
saischen Theokratie, reinigte das Land von allem Schmutz
des Heidenthums und von den Feinden, und waltete ganz
allein, ein Priester, mitten unter dem republikanischen Volke.
310 Samuel.
Um sich her gründete er eine Prophetenschule zur Befestigung
der Hierarchie.
Allein das Volk vermochte sich zur Idee der Theokratie
nicht zu erheben; und da es sah, dass Samuels Söhne aus
der Art schlugen, Geschenke nahmen und das Recht beug-
ten, trotzten sie dem Vater um der Söhne willen und ver-
langten statt des regierenden Priestergeschlechts einen König,
„wie ihn alle Heiden haben." Der Herr sprach zu Samuel:
„Thue ihren Willen auf ihre Gefahr, denn sie haben nicht
dich, sondern mich verworfen." Samuel aber stellte dem
Volk noch einmal in einer sarkastischen Rede vor, wie thö-
rieht es handle, den himmlischen Herrn mit einem irdischen
zu vertauschen, und sich selbst einen Tyrannen zu setzen,
der nur Böses thun werde. (1. B. Sam. 8.)
Inzwischen machte das Volk noch geltend, dass es Krieg
mit den Nachbarn zu führen habe und deshalb einen Krieger,
keinen Priester zum Haupt haben wolle. So wurde Saul ihr
König. Nun trat das irdische Königthum im ganzen grellen
Gegensatz gegen die verschmähte Theokratie hervor. Von
nun an wird Samuel, der in seiner Person das Hohepriester-
thum mit dem Prophetenthum vereinigt, in seinen Kämpfen
mit dem Königthum Vorbild jener grossen Päpste und Bi-
schöfe, welche die christliche Kirche rein erhielten und schütz-
ten gegen die laxe Observanz und Gewaltthätigkeit der welt-
lichen Macht.
König Saul trachtete nicht, sein Volk als treuer und
demüthiger Diener Jehovahs zu regieren, sondern nach eigener
Willkühr. Samuel verlangte, der König wie das Volk sollten
dem höchsten Herrn unterworfen bleiben, und seine Gebote
halten, wo nicht, so werde er sie für ihre Sünden strafen,
und vor Allem für die Sünde, statt Gottes einen Menschen
zum König gemacht zu haben. Zur Bestätigung seiner Worte
Hess Gott donnern und regnen, und das Volk erschrack sehr
und gelobte dem Priester Alles , was er verlangt hatte. Diese
ergreifende Scene ist, so viel ich weiss, nie von einem be-
deutenden Maler aufgefasst worden. — Saul aber trachtete
\
Samuel. 811
bald, sich -von dem Priester zu emancipiren und bestand die
Probe nicht, auf die ihn dieser stellte. Denn als Saul ein
grosses Opfer angesagt hatte, als Vorbereitung zum Kampf
gegen die Philister, kam Samuel nicht, der das Opfer ver-
richten sollte. Saul wartete sieben Tage, dann opferte er
selbst. Nun erst erschien Samuel und machte ihm schwere
Vorwürfe, dass er ihm in's Amt gegriffen.-
Im Kampf wider die Philister beging Saul eine neue
Uebereilung. Er verfluchte Jeden und weihte ihn dem Tode,
der etwas essen würde, bis er Pache an den Philistern ge-
nommen. Dadurch feuerte er die Wuth seines Volkes an
und siegte wirklich. Aber sein eigener Sohn Jonathan hatte,
ohne des Vaters Befehl zu kennen, etwas Honig gegessen
und sollte nun sterben. Das Volk zwang jedoch den König,
sein unvernünftiges Wort zurückzunehmen. Also ein neuer
Beweis , dass die Handlungen und Worte der Könige nichtig
und eitel sind, wenn Gott nicht davon weiss, wenn sie Gott
dabei nicht zu Pathe gezogen.
Zum drittenmal übereilte sich Saul in seiner Eigenmäch-
tigkeit, als ihm Samuel im Namen des Herrn gebot, die
feindseligen Amalekiter und alle ihre Habe zu vernichten,
damit nichts von ihnen übrig bleibe. Saul schlug das Volk,
konnte sich aber nicht überwinden, auch die fetten Heerden
derselben zu vertilgen und nahm sie als gute Beute mit.
Samuel hörte das Blöcken der Schafe und das Brüllen der
Rinder, und machte Saul bittere Vorwürfe. Saul wollte das
erbeutete Vieh nun Jehovah opfern , aber Samuel sprach :
„Gehorsam ist dem Herrn lieber, als Brandopfer." Saul
demüthigte sich vor dem Priester und bat ihn um Vergebung;
aber Samuel wandte sich im Zorn von ihm. Saul suchte ihn
dabei aufzuhalten und riss ihm einen Zipfel seines Gewandes
ab. Da sprach Samuel: „Gott hat heute das Königthum
von dir gerissen und einem Andern gegeben, der besser ist
als du!" Allein auf Sauls dringende Bitte kehrte Samuel
doch wieder um, liess sich aber den gefangenen Amalekiter-
könig Agag vorführen und hieb ihn mit eigener Hand in
313 Samuel.
Stücken. Ein venetianischer Dichter, Carrer, hat 1819 ein
Trauerspiel daraus gemacht und darin im kirchenfeindlichsten
Sinne den Samuel als ein priesterliches Scheusal, den Agag
aber als einen edeln Märtyrer aufgefasst.
Als Samuel einst im tiefen Leide dasass, darum, dass er
den Saul zum König gemacht hatte, sprach der Herr zu ihm
und befahl ihm, einen Würdigeren zum König zu salben,
und zwar den jungen Sohn des Isai von Bethlehem. Samuel
begab sich nach Bethlehem und besah des Isai's Söhne, der
Herr aber bezeichnet ihm den jüngsten, David, als den ver-
heissenen. Man musste ihn von der Heerde hereinholen, die
er im Felde hütete. Samuel salbte ihn, wie er den Saul
gesalbt hatte. Eine grosse Vorbedeutung liegt darin, dass
der bessere König in Bethlehem geboren ist. Dort soll der-
einst der höchste König selbst geboren werden. Wie fromm
nämlich auch David ist, so bleibt er als irdischer König doch
immer nur ein Surrogat für den himmlischen König. Gott
lässt dem Volk einen irdischen König, um seiner Schwäche
willen, ohne doch je die Idee der Theokratie aufzugeben.
So wie er bald darauf auch den Tempelbau zulässt, ohne
die Idee der unsichtbaren und allgegenwärtigen, darum keines
Hauses bedürftigen Göttlichkeit aufzugeben. Beides , der
König David wie der Tempel Salomo's, sind nur proviso-
rische Vorbilder des himmlischen Königs, der einst aus Da-
vids Stamm entsprossen soll , und des himmlischen Zions oder
neuen Jerusalems , des allgemeinen Gottesreichs auf Erden,
das durchaus nur noch Tempel und in dem Jeder Priester
seyn soll. Diese Hinweisung ist in den Büchern Samuelis
deutlich ausgesprochen.
Aber Samuel starb, David war auf der Flucht und Saul
herrschte noch. Die Philister bekriegten ihn auf's Neue und
machten ihm grosse Sorge. Saul glaubte sich von Gott ver-
lassen und bewog die Hexe von Endor, ihm den Geist Sa-
muels aus dem Grabe zu beschwören, um sich Kaths bei
ihm zu erholen, bei dem, den er bis in den Tod gehasst und
verfolgt hatte. Aber der Geist Samuels verkündete ihm nur
Samuel. 318
Gottes Zorn und nahen Untergang. Das ist eine der gross-
artigsten Scenen im alten Testament, und ein Vorbild für
das Verhältniss des Staats zur Kirche. Denn wenn der Staat,
um von der Kirche unabhängig zu seyn, die Kirche ganz
unterdrückt, ihre Diener vertreibt und sich auf eigne Hand
stellt, alle Abhängigkeit von Gott verleugnend, so kommt er
in seiner Gottentfremdung in Bedrängnisse, die ihn nöthigen,
angstvoll noch nach dem blossen Schatten der verlornen Kirche
zu greifen. Aber dann ist es zu spät und das Gericht des
Herrn wird ohne Erbarmen vollzogen, ehe ein frömmeres
Geschlecht die Kirche wiederfindet.
Die Verheissung ging in Erfüllung. Saul wurde in einer
grossen Schlacht von den Philistern überwunden; sein Sohn
Jonathan und mehrere seiner andern Söhne fielen, er selbst
Hess sich von seinem Waffenträger mit dem Schwert durch-
stechen, worauf auch der Waffenträger sich in sein Schwert
stürzte. So endete der imglückliche König , der wider seinen
Willen zur Krone berufen Avorden war und sich ihrer nicht
würdig erwiesen hatte , weil er nicht Gottes Geboten , sondern
dem eigenen Willen gehorchen wollte. Er verstand das Kö-
nigthum in der Weise, wie die Heiden, und sollte es doch
in einem ganz andern Sinne verstehen; denn ein Gesalbter
des Herrn bei den Juden sollte auch in der Furcht des Herrn
leben und nicht selber Herr seyn wollen.
Saul eignet sich in vorzüglichem Grade zum Helden
eines Trauerspiels. Deshalb ist er schon durch Hans Sachs,
dann durch Holzwart (zu Gabel in Böhmen, vgl. Jördens
VI. 346. Meyer, Faust S. 43.) 1571, ferner in einer Tragödie
von 1606 (Gottsched, Vorrath I. 160.) und in einem Singspiel
von Rolle auf die deutsche Bühne gebracht worden. Aber
die Dichter standen alle schon auf dem Standpunkt der mo-
dernen Staatstheorie und konnten die Idee der Theokratie und
den Charakter Samuels nicht mehr begreifen.
Tiefer fasste den Saul zuerst Alfieri auf, aber nicht
glücklich; denn er gibt ihm dem Priester gegenüber Recht,
und stellt ihn als ein edles Opfer dar.^ Der Franzose Soumet
314
Saphir.
behandelte denselben Stoff 1822, dann wieder die Deutschen
Knebel, Bock (1840) und Eückert. Alle fassen nur das in-
dividuelle Schicksal des Königs auf und stellen seine bekla-
genswerthe Persönlichkeit in's Licht, ohne dabei die grosse
Idee der Theokratie zu würdigen oder würdigen zu wollen.
Die Grösse Samuels ist allen Dichtern der Neuzeit unerreich-
bar geblieben.
Samuel erscheint auf Kirchenbildern im vollen Ornat des
Hohenpriesters , und weil er schon als Kind vom Herrn zum
Priesteramt berufen wurde , ist er auch häufig noch als zarter
Knabe im Priesterornat, aber voll prophetischen Geistes und
Feuers in den wunderbar strahlenden Augen gemalt worden.
So von Josua Reinolds und Eckhout.
Saphir,
der blaue Edelstein, Sinnbild des blauen Himmels. Daher
sitzt der im Himmel thronende Jehovah auf einem Saphir.
2. B. Mos. 24, 10. Ezechiel 1, 26. Aus demselben Grunde
war nach dem Titurel die Decke des Tempels von Montsal-
vaz von Saphir. Bekanntlich ist im altdeutschen Titurel des
Wolfram von Eschenbach der Tempel auf Montsalvaz das
Ideal einer gothischen Kirche. — Sofern die Edelsteine im
Brustschild Aarons auf die zwölf Söhne Jakobs, und später
auch auf die zwölf Apostel bezogen wurden, kommt der
himmelfarbige Saphir dem Naphthali und dem heiligen Petrus
zu. Didron, annales V. 222.
Sarg.
Die Heiden pflegten häufig ihre Todten zu verbrennen
oder den wilden Thieren zur Speise auszusetzen. Der Christ,
wie der Jude begräbt seine Todten. Der Mensch, der vom
Staube genommen war, soll wieder zu Staub werden. Die
Erde, der Gott Odem einbhes, soll wieder Erde werden, wenn
der Odem von ihr weicht. Darum heisst der Leib des Menschen
Schacher. 315
die irdische Hülle seiner Seele nicht in Bezug auf sein kurzes
Leben auf der Erde , sondern in Bezug darauf, dass er aus
der Erde genommen ist. — Dass bei der hiedurch bedingten
Beerdigung der christHchen Leichen ein Sarg gebraucht wird,
hat nur zum Zweck, die Leiche auch noch im Tode vor
fremder Berührung, insbesondere aber vor dem heidnischen
Verschlungenwerden durch Thiere zu schützen und den ein-
fachen Verwesungsprozess derselben zu sichern.
Dem Sarg, der unter die Erde verborgen werden soll,
kommt demnach auch nur Zweckmässigkeit in Stoff und
Form, aber Iteine Symbolik zu. Nur auf dem Wege zum
Grabe pflegt man ihn zu schmücken und in den Grüften der
Fürsten und Vornehmen, wo er gar nicht unter die Erde
kommt. Alsdann werden den Wappen , Namen etc. zuweilen
Symbole zugefügt, wie sie auch bei Grabdenkmalen vor-
kommen. Hinweisungen auf Tod und Unsterblichkeit, oder
Allegorien der Tugenden, durch die der Verstorbene sich
auszeichnete. Wenn aber schon an Grabdenkmälern allzu
viel Prunk dem Ernst des Todes und Gerichtes nicht selten
widerspricht, so gilt das noch mehr vom Schmuck der Särge,
der einem unmittelbaren Putz der Leiche noch näher kommt.
Wo die Kunst den Gräbern naht, kann sie sich nicht genug
einer edlen Einfachheit befleissigen.
In der Legende der Heiligen kommt oft vor, dass Särge
mit heiligen Leibern stromauf schwimmen. Der Sarg des
heiligen Bartholomäus, obgleich schwer von Blei, schwamm
doch über das Meer nach Sicilien. Der Leib der h. Priscilla
liegt zu Laibach in einem gläsernen Sarge, der des h. Pau-
linus in Trier schwebte frei in der Luft. v. Haupt, Pano-
rama von Trier S. 210.
Schacher.
Von den beiden Schachern, zwischen denen Christus
gekreuzigt wurde, hat man eine ausführliche Legende in den
apokryphischen Evangelien. Nach dem Evang, Infant. Christi
316 Schacher.
arah, cap. 23. hiess der bessere Schacher TItus , der schlimme
aber Dumachus. Sie trafen schon bald nach der Geburt
Christi mit demselben zusammen, als seine frommen Eltern
ihn nach Aegypten retteten. Dumachus wollte die Reisen-
den ausplündern, Titus aber hielt ihn ab. Im apokryphischen
Evangel. Nicodemi cap. 9. heisst der bessere Schacher Dis-
mas , der böse Gesmas. Nach demselben Cap. 26. wurde
der erstere am Kreuze dadurch bekehrt, dass der Schatten
des Heilands auf ihn fiel. Dieser Schacher, den der Herr
nach Lucas 23 , 39. selber in's Paradies, berief, wird als hei-
liger Dismas und als Patron der zum Tode verurtheilten Ver-
brecher verehrt. In ihm ist die christliche Reue personificirt,
der da Gnade widerfährt. Künstlichere Erklärungen, wie
wir sie bei Sepp, Heidenthum III. 5, finden, wonach Christus
den Sem, der gute Schacher Japhet, der böse Cham bedeuten
soll, haben keinen Werth für die christliche Anschauung.
Auf einem alten Bilde in Braunschweig wird dem Gismas
und Jesmas (guten und bösen Schacher am Kreuz) noch der
Barabbas zugesellt, der Schacher, der freigegeben wurde,
damit Christus gekreuzigt werde. Fiorillo II. 62. Diese Zu-
sammenstellung ist sinnig; denn Barabbas, der vom Pöbel-
wahne frei erklärte, bildet einen Gegensatz zu dem von Christo
gerechtfertigten Schacher.
Auf Kirchenbildern unterscheidet sich die Kreuzigung
der beiden Schacher von der des Heilandes häufig dadurch,
dass sie nur angebunden, nicht angenagelt sind, und dass
ihr Kreuz nur die Form eines ~Y hat. Man wollte damit
nur ihre Unterordnung ausdrücken und den Heiland aus-
zeichnen. Auf altdeutschen Bildern sieht man nicht selten
die Seelen der Schacher aus ihrem Munde fahren in Gestalt
kleiner Kinder. Die Seele des guten Schachers wird von
einem Engel, die des bösen von einem Teufel in Empfang
genommen. d^Agincourt^ sculpt. 133, 154, 155.
gchaum. 817
Schafe,
Sinnbild der Frommen, Avie Böcke, Sinnbild der Gottlosen.
Die Böcke sollen von den Schafen gesondert werden. Matth.
25, 32. Das verlorne Schaf, das vom guten Hirten gesucht
und zurückgebracht wird, ist Sinnbild der verirrten Seele;
Wölfe in Schafskleidern, Sinnbild der Heuchler und falschen
Propheten. Matth. 7, 15. Schafe sind ferner Attribute des
Propheten Amos, als eines Hirten, desgleichen der heiligen
Hirten Drogo, Florens, Magnus, Wendelin, Genofefa, Re-
gina etc. Vgl. die Artikel Hirt und Lamm.
Schatten.
Ungewöhnliche und widernatürliche Schatten verkünden
schwere Verhängnisse und sind durch Gottes Zulassung be-
wirkt, um den ungläubigen Hochmuth zu überzeugen. So das
Zurücklaufen des Schattens an der Sonnenuhr des Ahas.
2. B. d. Kön. 20, 11. Sirach 48, 26. — In den spanischen
Auto's bedeuten die Schatten allezeit die Sünde, v. Schack,
dramat. Lit. d. Spanier H. 401 , HI. 267. — Im Nassauischen
glaubt das Volk, wenn es stürmt, erscheine der Schatten des
heiligen Lubentius in der Lahn und stille den Sturm. Des-
halb nennt es auch den sanften Wind einen Lubentiwind.
Henninger, Nassau und s. Sagen III. 78. Durch den Schatten
des Heilandes am Kreuz, der auf ihn fiel, wurde der gute
Schacher bekehrt. Evang. Nicodemi c. 26.
Schaum,
Sinnbild des Nichtigen, Werthlosen, auch des Unreinen und
Schlechten. Mehrmals wird in der heiligen Schrift das Gleich-
niss vom Silber gebraucht, welches erst ein reines Gefäss gibt,
wenn der Schaum beim Schmelzen weggefegt ist. Sprichw.
Salomonis 25, 4. Jesaias J, 22. 25. Das bedeutet den Menschen,
818 Schauspieler.
der sich vom Unrath der Sünde reinigen soll. Vom Schaum
des Meeres gilt dasselbe. Die Gottlosen sind gleich dem
Meere, das Unrath auswirft. Jesaias 57, 20.
Schauspieler.
Der grösste Schauspieler in der Welt ist der Teufel, denn
er liebt es, sich in allen möglichen Formen zu verstellen, um
die Menschen zu täuschen und zu berücken. Die Maske ist
Symbol der Lüge. Das leichtsinnige Volk der Mimen und
Histrionen zählte im Beginne des Christenthums zu dessen
erbittertsten Feinden, denn als die Kirchen sich zu füllen be-
gannen, wurden die Theater leer. Das damalige Verhältniss
wird durch eine schöne Legende klar. Genesius, ein römischer
Possenreisser unter Kaiser Diocletian, äffte auf der Schau-
bühne die christlichen Ceremonieen nach, wurde aber plötzlich,
indem er in der Rolle eines kranken Christen auf dem Sterbe-
bette die letzte Beichte ablegen sollte, vom heiligen Geist
ergriffen, beichtete wirklich alle seine Sünden und wurde ein
Christ, wofür er den Tod litt. 25. August.
Seheiterhaufen,
auf Kirchenbildern das Attribut unzähliger Heiligen , die den
Feuertod erlitten. Einzelne werden dabei durch besondere
Umstände gekennzeichnet, z. B. ein Engel löscht das Feuer
der heiligen Columba, Regen das der h. Martina, St. Fruc-
tuosus singt auf dem Scheiterhaufen. Das Feuer theilte sich
und wich nach allen Seiten aus, um den h. Polykarpus zu
verschonen. An einen Baum gebunden kniet die h. Afra.
Zwischen zwei Bäumen über dem Feuer hängt die h. Augusta.
Zwischen drei Pfählen brennt die h. Anastasia. Mit der Dor-
nenkrone auf dem Haupte brennt der h. Theodorus Thyro.
Von Thieren umgeben die h. Thekla.
i
Schenkungen. 319
Schenkungen.
Nehmen, rauben, erobern war das Princip der grossen
Weltreiche im alten Heidentlium ; Festhalten war das Princip
des Judenthums ; Geben wurde erst das Princip des Christen-
thums. Gott selbst gab sich den Menschen hin, und Alle,
die Christo nachahmen, müssen den Vorschmack der Seligkeit
schon auf Erden im Geben finden. „Geben ist seliger als
nehmen. — Liebe deinen Nächsten wie dich selbst." Wem
Gott gegeben, der gebe wieder seinem Nächsten, denn wir
sind nicht Eigenthümer, nur Verwalter im Namen des ewigen
Gebers. Daher vom Anfang der Kirche an das unablässige
Ausströmen aus ihr von geistigen und leiblichen Wohlthaten
für die Bedürftigen. Daher die Wechselwirkung, die Schen-
kungen an die Kirche, um wieder durch die Kirche die
wirksamste Anwendung zu finden. Daher die unzählbaren
Heiligen und Frommen, die Alles, was sie hatten, den Armen
gaben. Daher endlich der hohe Werth, der schon im Evan-
gelio auf das Scherflein auch der ärmsten Wittwe gelegt wird.
Denn das Kleinste, was die freie Liebe gibt, ist mehr werth,
als viel, was ungern gegeben wird.
Li keiner Legende ist der innere Liebesdrang, der da
geben möchte und nicht hat, die Seligkeit des Gebens bei
der bittersten Armuth, naiver und lebendiger aufgefasst, als
in der Legende der heiligen Zitta. Sie war eine Magd in
Lucca, verrichtete die schwersten Arbeiten , lebte hart, wurde
wegen ihrer Einfalt oft ausgelacht, war aber eine grosse
Heilige. Sie schöpfte aus einem Brunnen für einen Armen
Wein statt Wasser. Sie gab von ihres Herrn Vorräthen den
Armen, und die Vorräthe blieben doch dieselben. Sie ver-
schenkte sogar ihres Herrn Rock, und der Rock fand sich
wieder. Für jeden Missethäter, der hingerichtet wurde, betete
sie drei Tage lang. Sie starb am 27. April 1272.
320 Scheuer.
Scheuer,
Attribut des heiligen Ansovinus und der h. Brigitta, weil die-
selben leere Scheuern durch ihr Gebet mit Korn anfüllten.
Schiff,
altes Sinnbild der Kirche. Die Kirche selber stellt ein Schiff,
der Chor die Cajüte, der Thurm den Mast, die Strebepfeiler
Ruder dar. Das Kreuz gilt bald als Anker, bald als Mast,
die Siegesfahne mit dem Kreuz als Segelstange. Cyprianus
Hymne bei Fortlage S. 115. In einem Auto des Lope de
Vega wird die Vergleichung sinnig durchgeführt. Das Schiff
der Kirche trägt das Kreuz als Mast, darauf den Kelch als
Wimpel, drei verschiedenfarbige Masten als Glaube, Liebe,
Hoffnung, die Passionswerkzeuge als Tackelwerk, das heilige
Grab als die heilige Fracht auf dem Verdeck und St. Petrus
führt das Steuerruder, v. Schack, dramat. Lit. der Spanier
II. 405.
Sofern die Kirche gleich einem Schiff auf stürmischem
Meere in der Menschheit schwimmt und immer neuen Ge-
fahren ausgesetzt ist, aber doch die Verheissung der sichern
Landung hat , wird sie mit der Arche Noä verglichen. Darin
liegt zugleich die Lehre: Extra ecclesiam nulla salus. Ringsum
ist Sündfluth und Tod , nur im Schiff der Kirche ist Rettung.
Hiebei ist von besonderer Wichtigkeit Matth. 8, 24. Christus
schläft im Schiff, während seine Jünger ob des Sturmes ver-
zagen. Erwachend ruft er: „Ihr Kleingläubigen!" und stillt
das Meer. Sie hätten an ihn glauben sollen, auch wenn er
nicht erwacht wäre. Vgl. den Artikel Gergesener Säue, wo
die tiefere Symbolik dieser Begebenheit erklärt ist. Die Säue,
vom Teufel besessen, müssen in die Tiefe des Meeres ver-
sinken, weil sie der Tiefe angehören, als ihrer eigenthchen
Heimath, während das Schiff, wenn auch von Gefahren um-
ringt, der himmlischen Heimath sicher zusegelt. Das Symbol
Schiff. 3^1
ist im Mittelalter zu einer sehr ausführliclien Legende aus-
gesponnen worden. Der heilige ßrandanus schifft sich mit
seinen Mönchen ein , um das Paradies zu erreichen , fährt um
die ganze Erde und besteht eine Menge Gefahren, schaut
eine Menge wunderbarer Dinge, in denen sinnbildlich der
Weg des Christen durch's Leben , der Weg der Kirche durch
die Welt charakterisirt ist. Acta SS. Maß 111. 602. Bearbeitet
in einem altfranzösischen Gedicht. Vgl. Keller, altfranzösische
Sagen IL 1. und als deutsches Volksbuch gedruckt, Basel 149L
In dieser Legende wird einmal das Schiff des Heiligen von
unzähligen Teufeln bestürmt, die ringsum das Meer erfüllen.
Der kürzeste Auszug des Symbols ist auf Gräbern, alt-
christlichen Lampen, Ringen das Schiff mit dem Kreuz als
Anker, auch das Schiff mit der Taube, ferner Christus auf
einem Delphin (christliche Anwendung eines antiken Motivs).
Vgl. Munter, Sinnbilder I. 99. Piper, christl. Myth. L 218 f.
Auf christlichen Gräbern hat das Schiffsymbol den beson-
dern Sinn eines glücklichen Hinüberschiffens in die Seligkeit.
Schon die Alten glaubten , die Seelen der Verstorbenen wür-
den von Charon auf einem Kahn über den Styx gefahren.
Diese Vorstellung wurde im Christenthum um so mehr bei-
behalten, als noch der neue Begriff des Schiffs der Kirche
hinzukam, in welchem man dem ewigen Verderben, wie in
der Arche Noä der Sündfluth entgehen sollte. Daher in den
Grabbildern der Katakomben zu Neapel, herausgegeben von
Bellermann S. 31, Christus als Steuermann. Vgl. Boldetti
p. 345. 360. 362. 372. Hier kommt namentlich auch die
Taube als Sinnbild des heiligen Geistes auf dem Mast des
Seelenschiffes vor. Walz im Kunstblatt 1840. Nr. 16. ist ge-
neigt, bei diesem Schiffe auf Grabdenkmälern nur an die
glückliche Ueberschiffung aus dem einen Leben in's andere
oder in den Hafen der Ruhe zu denken ; allein offenbar haben
die frommen Christen, die einander jenes Schiff auf das Grab
setzten, darunter zunächst das Schiff der Kirche verstanden,
in dem allein im Tode Rettung sey. Ganz verschieden von
jenen Gräbersymbolen erscheint das von Teufeln besetzte
Menzel, christl. Symbolik. II. 91
S22 Schiff.
Schiff am Grabe des heiligen Dagobert zu St. Denis; das
ist noch ganz der Nachen des Charon. Die Teufel wollen
den armen König in die Hölle fahren, aber Engel kommen,
ihn zu retten. Vgl. Piper 1. 229.
Wieder ganz eigenthümlich ist das Schiffsymbol der
Manichäer. Diese nämlich hielten den Mond für das Schiff,
welches sich periodisch mit den gereinigten Seelen der From-
men anfülle, um sie von der Erde in den Himmel zu be-
fördern. Baur, manichäische Systeme S. 231.
Das Schiff der Kirche kommt auch als Luftschiff vor.
Nach einem schönen alten Weihnachtsliede fuhr es vom Him-
mel herab und ankerte auf der Erde, indem es uns den
Heiland brachte. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 119. Ein
merkwürdiges Bild zu Weilheim stellt das Schiff der Kirche
gleichfalls in der Luft schwebend dar, wie es ein auf der
Erde stehender Mann zu entern versucht. Fiorillo I. 311.
Auch Maria kommt auf dem Schiff der Kirche fahrend
vor, theils als Retterin aus Stürmen, theils als Fischerin der
Seelen. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 177.
Ein sehr gutes Gleichniss vom Schiffe ist folgendes. Eine
alte, sehr reiche Dame fuhr aus Holland ab. Als nun auf
dem Meer ein gewaltiger Sturm tobte und man das Schiff
erleichtern musste, warf sie willig alle ihre Kisten, Güter
und Schätze in's Meer, um nur noch die wenigen ihr übrigen
Lebensjahre zu fristen. Aber nicht einen Heller hatte sie je
zum Opfer bringen wollen, um sich das ewige Leben im
Himmel zu erkaufen. P. Abraham, Judas H. 40.
Das Schiff als Attribut von Heiligen. Die heilige Mag-
dalena fuhr mit den Ihrigen nach Marseille und ging, nachdem
das Schiff versunken war, zu Fuss mit ihnen weiter. Die
heilige Ursula fuhr mit ihren vielen Jungfrauen zu Schiffe
auf dem Rhein , als sie vom Ufer her durch die Plunnen mit
Pfeilen getödtet wurden. St. Restituta wurde in einem Schiffe
verbrannt. Gegen den Strom schifften ohne Ruder eine Menge
heiliger Leichname, z. B. der des h. Emmeranus zu Regens-
burg, des h. Melanins, Werenfridus etc. Vgl. Fluvius in
Schlaf. 828
den Registern der Acta SS. St. Castor, Patron von Coblenz,
rettet ein sinkendes Schiff.
St. Andres von Slagelse, ein dänischer Heiliger, pilgerte
nach Jerusalem und wollte sich auf dem Rückweg zu Joppe
einschiffen, hörte aber erst eine Messe und unterdess fuhr
das Schiff ab. Ein unbekannter Reiter aber nahm ihn mit
auf sein Pferd, und als der entschlafene Heilige erwachte,
befand er sich daheim und erst lange Zeit nachher kamen
seine Reisegefährten mit dem Schiffe an. Dänische Volks-
sagen von Thiele.
Patron der Schiffer ist im Abendlande ausser St. Elmo
(vgl. den Artikel Elmsfeuer) hauptsächlich der heilige Nicolaus
von Bari, der schon bei Lebzeiten Schiffe im Sturme rettete
und trocknen Fusses über die Wellen schreiten konnte. In
der Levante St. Phokas. Dieser Gärtner in Sinope wurde
unter Kaiser Diocletian verfolgt. Die Schergen kamen in
sein Haus , ohne ihn zu kennen , und er bewirthete sie gastfrei.
Bei Nacht aber grub er sich selber sein Grab und gab sich
des Morgens seinen Gästen als den an, den sie suchten,
worauf er enthauptet und begraben wurde. Die Schiffer des
schwarzen Meeres ehren ihn als ihren Patron, denn er er-
scheint ihnen in Stürmen und lenkt das Schiff, oder weckt
die Schlummernden in Gefahren; weshalb sie ihn auch bei
ihren Mahlzeiten als unsichtbaren Gast ansehen und ihm
Speise und Trank vorsetzen. Dieselben kauft dann Einer ab
und schenkt das Geld den Armen. Eine sehr schöne Sitte.
Surius zum 22. September. Die Gartenscene hat Börnecke
besungen. Legenden, Leipzig 1846. H. 415. In der Türkei
gelten auch die heiligen Siebenschläfer als Patrone der Schiffer
und werden oft auf Schiffen abgebildet , weil es am Schlüsse
des Koran heisst, sie seyen in ein Schiff gestiegen.
Schlaf.
Die heilige Schrift macht unter den berühmten Schläfern,
deren sie gedenkt, einen genauen Unterschied, soferne der
21*
S24 Schlaf.
Unschuldige im Schlafe gesegnet oder durch einen wunder-
baren Traum erfreut wird, den Schuldigen aber im Schlafe
Unheil überfällt oder wenigstens böse Träume ängstigen.
Selig ist der erste Schlummer Adams, denn er erwacht im
Anblick der neugeschaffenen Eva im Paradiese. Selig ist
der Schlaf des Jakob, denn die Engel steigen auf der Him-
melsleiter zu ihm nieder. Selig schläft das Jesuskind, der
tiefste Frieden Gottes bezeichnet den Schlaf des Heilands auf
dem Schüfe während des Meersturmes. Unheilvoll aber ist
der Schlaf Noah's, weil er vorher im Weingenuss gesündigt;
der Schlaf des Simson, weil er sich von der Delila bethören
liess; der Schlaf des Pharao und des Holofernes, weil sie
das Volk Gottes bedrohten.
Unter den Heiligen kommt das Attribut des Schlafes
vorzugsweise den sogenannten Siebenschläfern zu. Sieben
Jünglinge von Ephesus (Maximian , Malchus , Martinian , Dio-
nysius, Johannes, Serapion und Constantin) versteckten sich
als verfolgte Christen in einer Höhle , wurden darin entdeckt
und auf Befehl des Kaisers Decius zugemauert, 27. Juli.
Nach 180 oder 196 Jahren im 5ten Jahrhundert wurden
Steine daselbst gebrochen, wodurch ein Loch in die Höhle
geöffnet wurde und die Sonne hinein schien. Da erwachten
die Schläfer, glaubten, sie hätten nur eine Nacht geschla-
fen , und schickten einen von ihnen aus , um ihnen vorsichtig
Brodt zu holen. Wie erstaunte nun dieser, als er ringsum
das Land voll Kirchen und Kreuze fand! Ihn selbst aber
staunte man wegen seiner fremden und alterthümlichen
Tracht an. Nachdem sie Alles erfahren hatten, schliefen sie
wieder ein. Die Legende wurde syrisch verfasst und von
Gregor von Tours (de gloria martyrum I. 95.) in's Lateinische
übersetzt. Vgl. Photius S. 1400. Eutychius. Alsemanni, hihi,
Orient, 1. 336. Acta SS. Jul. VI. 375. 700 Jahre später er-
wachten sie noch einmal. Eduard der Heilige, König von
England, sass 1065 bei Tisch und lachte. Als man ihn frug,
warum er lache, erwiederte er, er habe gesehen, wie die
sieben Schläfer sich im Schlafe umgewandt hätten. Man liess
Schlange. 885
nachsehen und es fand sich wirklich so. Das deutete man auf
die grossen Veränderungen der Zeit, die Eroberung Englands
durch die Normannen, den Investiturstreit und die Kreuzzüge.
Hygderij polychronicon bei Gate 15. Script, p. 283.
Muhamed hat die Legende auch in den Koran aufge-
nommen und den sieben Schläfern noch einen treuen Hund
beigegeben. Sie ist sehr phantastisch ausgebildet in den per-
sischen Mährchen des 1001 Tages (494ster Tag f). Der
Wiederauferstandene heisst hier Dschemlicha (d. i. Jamblichus).
Die schöne Legende wurde von Moreto in einem Auto auf
die spanische Bühne gebracht (v. Schack, dramat. Lit. der
Spanier III. 344.). In der Ambrosiuskirche zu Mailand sind
die Schläfer auf einem sehr alten Bilde, angeblich aus dem
lOten Jahrhundert, abgebildet. Miliin I. 218.
Der Sinn dieser Legende ist sehr einfach. Die Schläfer
sind Unschuldige und Verfolgte. Gott erbarmt sich ihrer,
indem er ihnen mitten in einer Welt von Mord und Greuel
die süsse Ruhe des Schlummers gewährt. Sie sind Zeugen
seiner ewigen Güte, des Schutzes, der die Unschuld doch
Irgendwo mit Heiligkeit und Unverletzlichkeit umkleidet,
wenn auch die Welt sie auszurotten tobt. Und sie knüpfen
auf sinnige Weise die erste Jugend der Christenheit, in der
sie lebten, an die ferne Zukunft an, in der die Christenheit
sich wieder läutern soll. Dass solche junge fromme Zeugen
aus frühester Vergangenheit noch leben und einmal wieder
erwachen sollten, musste dem Volke ein freudiger Glaube
seyn, und darum waren die sieben Heiligen so populär. Die
von Strauss (Kirchenjahr S. 306) versuchte Erklärung, die
mit Beziehung auf den 27. Juni, als dem Tag der Heiligen,
an den Stillstand, beziehungsweise Schlaf der Sonne denkt,
ist nicht glücklich.
Schlange,
Sinnbild der Bosheit wegen ihres Schleichens und wegen
ihres Giftes, zugleich Sinnbild der Verführung wegen ihrer
glänzenden Schönheit und zierlichen Beweglichkeit. Mit allen
826 Schlangle.
diesen Eigenschaften erscheint die Schlange im Paradiese,
indem sie die Eva verlockt, das Gebot des Herrn zu über-
treten und vom Apfel zu essen. Sie wird im 1. Buche Mosis
selber nicht Teufel genannt , dass sie aber denselben darstelle,
bev^eist Buch der Weisheit 2, 24. Johannes 8, 44. Apostel-
geschichte 12, 9. Eigentlich ist sie nur das Werkzeug des
Teufels. Nach Jesaias 11, 8. ruhte im Paradiese die Otter
friedlich neben dem Säugling. Sie wurde erst vom Teufel
besessen und dadurch schädlich. Dies drückt das 1. Buch
Mosis 3, 14. dadurch aus, dass Gott die vorher mit Füssen
begabte Schlange verflucht, zur Strafe fortan auf dem Bauche
zu kriechen. In den Mährchen des Mittelalters und in Volks-
sagen tritt überall der Volksglaube hervor, wonach die
Schlange alle Sprachen verstehe, und wer Schlangenfleisch
esse, werde dieser Gabe theilhaftig. Andrerseits wurde es
Volksglaube, die giftigste Viper greife doch niemals einen
nackten, sondern immer nur bekleidete Menschen an, in
Erinnerung an das Paradies, aus dem sie verbannt worden.
Isidor XII. 4. Vincent. Bellov. spec. nat. XX. 14.
Die um den Baum ringelnde Schlange ist allgemeines
Sinnbild 1) des Paradieses, w^enn es an Raum gebricht, etwas
mehr davon darzustellen, aber auch 2) der von der Sünde
umstrickten Welt, der Menschheit. • — Auf Bildern des Sün-
denfalls hat die Schlange zuweilen einen Jungfrauen- oder
einen Jünglingskopf, oder auch beide zugleich. Diese selt-
same Symbolik erklärt sich aus der jüdischen Fabel, nach
welcher Eva , ehe sie noch das Weib Adams wurde , mit der
Schlange, in welcher der männliche Teufel Sammael verborgen
war, Adam aber eben so mit der Teufelin Lilith gebuhlt haben
soll. Eisenmenger, entdecktes Judenthum I. 371. Gfrörer,
Kirchengeschichte I. 80. Darauf nun bezieht sich der mensch-
liche Doppelkopf der Schlange. Der Jungfrauenkopf ist
Lilith, der Jünglingskopf Sammael; auf einem italienischen
Miniaturbild der Pariser Bibliothek hat die Schlange beide
Köpfe, um Adam und Eva zugleich zu verführen. Didron^
icon. p. 81 j annales 1, 74. Twining, symboU^ pl. 76.
Schlange. 827
Auch Conrad von Megenberg im Buch der Natur 1482,
Fol. 123, erwähnt das Menschengesicht der Schlange. Auf
einigen Bildern dieser Art fällt auf, dass der Jungfrauenkopf
der Schlange dem Kopf der Eva selber ähnlich ist. Sollte
damit nicht Eva's eigne Seele gemeint seyn, in die das Gift
der Verführung eingeschlichen, und objectiv aufgefasst wird?
Auf einem Bild des chron. Zwifalt. in der Stuttgarter Bibliothek
p. 56 ist auch die Seele der sterbenden Maria nur als ein
ihr ganz ähnlicher Kopf gemalt.
Eine andere Erklärung gab Munter (christl. Sinnbilder
U. 46.), indem er das Menschengesicht der Schlange auf die
zahlreichen und besonders im alexandrinischen Zeitalter der
ersten christlichen Jahrhunderte weit verbreiteten Bilder des
ägyptischen Agathodämon zurückfülirte. Dagegen aber lässt
sich einwenden, dass jener Agathodämon, als Personification
der Weltseele in Gestalt einer Schlange mit Menschen- oder
auch Löwenkopf und Nimbus, immer nur eine gute Bedeu-
tung hatte und folglich nicht auf die anerkannt böse Para-
diesesschlange angewandt werden konnte. Nur ausserhalb
der orthodoxen Kirche, bei den gnostischen Ophiten, wurde
in ganz antibiblischer und wüderchristlicher Weise das natür-
liche Verhältniss umgekehrt und die Schlange des Paradieses
als Agathodämon aufgefasst, der vom höchsten Gott abge-
sandt worden sey, dem Adam die Erkenntniss zu gewähren,
die ihm der niedere Erden- und Judengott untersagt habe.
Vgl. Neander, gnostische Systeme S. 245. Darum beteten
die Ophiten auch die Schlange förmlich an.
Die Schlange des Paradieses ist das Böse selbst, kann
also nie eine gute Bedeutung haben. Eine nur äusserliche
Verwandtschaft hat sie daher mit den in heidnischen Mythen
vorkommenden Drachen und Lindwürmern, die unter dem
Baume der Hesperiden, des goldnen Vliesses, unter den
Lindenbäumen des deutschen Heldenbuchs etc. von frommen
Helden erschlagen werden. Inzwischen hat das gar keinen'
Innern Zusammenhang mit der christlichen Idee , heiligen Ge-
schichte und Symbolik, und es ist vollkommen überflüssig,
B28 Schlange.
davon in einem Werk über specifisch christliclie Symbolik zu
reden. Der Paradiesesbaum mit der Schlange ist bisher von
den Erklärern nur deshalb so oft auf den Hesperidenbaum
bezogen worden, weil es ihnen darum zu thun war, die
Selbstständigkeit und Eigenthümlichkeit der christlichen Ideen-
welt in Zweifel zu ziehen und das Christliche überall aus
heidnischen Wurzeln herzuleiten; da doch alle Vergleichungs-
punkte darauf hinauslaufen, dass dieselbe Giftschlange eine
schlimme Bedeutung in den heidnischen Mythen annahm,
wie in der ganz davon verschiedenen und unabhängigen
christlichen Geschichte; eine zufällige Uebereinstimmung, die
ganz natürlich ist , weil an der Schlange hier wie dort immer
die nämlichen gefährlichen Eigenschaften wahrgenommen
wurden.
Während in heidnischen Mythen immer ein männlicher
Heros die Schlange überwindet, hält ganz unbekümmert
darum und ohne Kenntniss dieser heidnischen Symbolik das
1. Buch Mosis die Vorstellung von „des Weibes Samen ^
fest, welcher der Schlange den Kopf zertreten soll, 1. Buch
Mos. 3, 15. Diese Hervorhebung des weiblichen Elementes
stellt der Sünderin Eva die Mutter des Erlösers, Maria,
gegenüber, der ersten Schuld auf Erden die erste wieder
rein himmlische Unschuld auf Erden. Deshalb ist es in der
kirchlichen Bildnerei allezeit Maria, welche den Kopf der
Schlange tritt, unter deren Fuss sie sich windet, gewöhnlich
den Apfel im Maul, der sie speciell als die Schlange des
Paradieses bezeichnet. So in der Lorenzkirche zu Nürnberg
und öfter. Fiorillo I. 259. Zuweilen ist der Apfel im Maul
der Schlange auch die Weltkugel selbst, was den nämlichen
Sinn hat, denn indem die Schlange die ersten Eltern ver-
führte, hat sie die ganze Welt verführt. Das Zertreten des
Schlangenkopfs durch Maria hat sein alttestamentalisches Vor-
bild in der Enthauptung des Holofernes durch Judith. Marian.
Liederschatz, Augsb. 1841, S. 118.
Ursache und Folge der Sünde wird häufig contrastirt
in den Bildern der verführenden und der überwundenen
Schlange. 329
Schlange, oder der von der Schlange verführten und ver-
derbten Menschheit. Ersteres geschieht, indem man dem von
der Schlange umwundenen Apfelbaum des Paradieses das
Kreuz Christi gegenüberstellt, zu dessen Füssen sich die
Schlange unter Dornen krümmt. Letzteres wird bezeichnet
durch eine Schlange, die sich durch ein menschliches Gerippe
windet, wie sie vordem durch den fruchtreichen Baum sich w^and.
Solche Gerippe mit Schlangen finden sich öfter auf Gräbern.
Ein schönes Auto von Calderon (la serpiente de Metal)
stellt den Kampf Mosis mit Belphegor (dem Satan) und Idolo-
latria (dem personificirten Götzendienst) dar, die sein Volk
verführen. Als ihnen alle Mittel fehlschlagen, Verlockung,
das goldne Kalb , die Waffen der Amalekiter etc. , ergrimmen
sie und schicken die feurige Schlange in's Lager Israels. Da
richtet Moses die eherne Schlange auf und alle Wunden wer-
den unschädlich. Staunend fragen Belphegor und Idololatria,
wie das möglich sey? Da sagt Moses: ;,Die Sünde ist ein
Gift , wer dessen Wirkung an den Sündern heilen will , muss
die Gestalt des Sünders annehmen, ohne an der Sünde Theil
zu haben. ^ Das deutet auf Christum, der Menschengestalt
annahm, um die Menschen von den Bissen der höllischen
Schlange zu heilen. Um das Bild noch deutlicher zu machen,
erblickt man im Hintergrunde auf dem Hügel, auf dem das
goldne Kalb gestanden, plötzlich das Crucifix. v. Schack,
dramatische Literatur der Spanier HI. 270. Das ist die einzig
passende Erklärung des Schlangensymbols bei Moses, mit
Bezug auf Joh. 3, 14, wo die eherne Schlange als Christus
gedeutet ist. Dagegen haben Alle geirrt, welche dabei wieder
an den Agathodämon denken zu müssen glaubten, oder an
die Heilsschlange des Asklepios, der bei den Griechen Gott
der Aerzte w^ar.
Durch den Spruch: ;,Seyd klug wie die Schlangen und
ohne Falsch wie die Tauben" (Matth. 10, 14.) wird der Christ
ermahnt, dem bösen Geist in Hinsicht auf Erkenntniss nicht
nachzustehen, nur aber nicht durch bösen Sinn und Willen
das Wissen zu missbrauchen , sondern sich in Gesinnung und
330 Schlangre.
That immer nur vom heiligen Geist (der Taube) inspiriren
zu lassen. Schlange und Taube stehen sich hier geradezu
als Teufel und heiliger Geist gegenüber. — Die Vergleichung
mit Dan, einem der zwölf Söhne Jakobs (1. B. Mos. 49, 17.)
hat eine einfach ethnographische Bedeutung für die jüdischen
Stämme und keinen Bezug auf christliche Symbolik. Das
häufig auf alten Kirchen des europäischen Südens vorkom-
mende Steinbild eines Weibes, an deren Brust Schlangen
saugen , ist dagegen der altern heidnischen Symbolik entlehnt,
in welcher die in der Erde lebende Schlange auch das Ele-
ment der Erde bedeutete, und stellt lediglich eine Personi-
fication der Erde dar. Vgl. Piper, christl. Mythol. II. 67.
Die Schlange über dem Kelche, Attribut des Evangelisten
Johannes, wird erklärt als Gift, welches er einmal ohne
Schaden im Kelche getrunken habe. Es lässt sich jedoch
nicht leugnen , dass sich gerade in dieses Sinnbild jene schon
bezeichneten gnostischen Vorstellungen gemischt haben kön-
nen, die den Agathodämon in's Christenthum übertrugen.
Und vielleicht gerade weil bei diesem Evangelisten Johannes
allein die Deutung der Mosesschlange auf Christum vorkommt,
wurde Werth darauf gelegt, ihm die Schlange zum Attribut
zu geben. Allein die ganz abgeschmackte und nichtswürdige
Weise, in welcher die modernen Erklärer bei christlichen
Symbolen stets zunächst an geistlose Nachahmung oder
Adoption heidnischer Symbole denken, ist hier so wenig als
anderswo anwendbar. In Böttigers kleinen Schriften I. 93 ff.
wird mit einem fast lächerlichen Aufwand von Gelehrsamkeit
die Agathodämon -Hypothese in Bezug auf den Kelch mit der
Schlange durchgeführt. Wenn hier die Schlange allerdings
etwas mehr zu bedeuten scheint, als das physische Gift,
welches Johannes unschädlich getrunken , so doch gewiss nicht
den Agathodämon oder gar die mystische Schlange des
Dionysos. Man muss vielmehr jenes Gift geistig und ganz
so verstehen, wie das oben erwähnte Sinnbild von der
Schlangenweisheit, mit Taubensinn vereint, nämlich als die
ihres Gifts beraubte Schlange der Erkenntniss. Alsdann
*
Schlange. 331
behält die Legende Recht, welche vom Gift spricht, aber
auch die Symbolik behält Recht, die in der Schlange nichts
Böses mehr sieht. Der Evangelist Johannes aber ist der
weiseste , geistreichste unter allen Evangelisten. Auf ihn passt
vor allen die Schlangenklugheit mit der Taubeneinfalt. Es ist
nicht unbedeutsam, dass vom heiligen Bernhard von Clairvaux
dieselbe Legende vom Kelch und von der Schlange erzählt
wird. Dieser Heilige war einer der weisesten und zugleich
mildesten des Mittelalters.
Die Schlange, welche der Apostel Paulus auf der Insel
Malta in's Feuer schleuderte, ist wieder einfach Sinnbild des
Bösen. Apostelgesch. 28, 1. Steine aus der Grotte, worin
es geschah, sollen gegen Schlangenbiss helfen. Niebuhr,
Reise I. 19. — Auch der Apostel i^ndreas soll durch sein
Gebet eine riesenhafte Schlange besiegt haben. Nach der
Apostelgeschichte des Abdias.
Schlangen sind das Attribut vieler Heiligen in dreifacher
Beziehung. Erstens nämlich solche Schlangen, denen die
heiligen Märtyrer vorgeworfen wurden, die aber, ihre Heilig-
keit respectirend , dieselben unverletzt Hessen, so die Heiligen
Didymus, Paternus, Phocas, die Heiligen Anatolia, Christina,
Thecla. Zweitens Schlangen, die durch ihre Grösse oder
Menge eine Gegend beunruhigten, aber von Heiligen ver-
trieben wurden, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass
in einigen Fällen diese Schlangen wohl nur symbolisch zu
verstehen sind und nicht wirkliche Schlangen, sondern die
alten heidnischen Priester, Druiden etc. bedeuten, die von
christlichen Bekehrern vertrieben wurden. So war einer der
berühmtesten Schlangenvertreiber der heilige Patricius (Patrik),
Apostel von Irland. Nach der Legende bannte er alle Schlan-
gen des Insellandes auf das Vorgebirge Cruachanaigle , von
wo sie sich in's Meer hinabstürzen mussten. Der heilige
Romanus zu Rouen überwältigte dagegen eine einzige, aber
ungeheuer grosse Schlange , indem er ihr sein Skapulier um-
warf. Andere heilige Schlangenvertreiber waren St. Magnus,
Julius, Hilarius von Arles, wiederum in Gallien als Gegner
33S Schleier.
der heidnischen Druiden. — Drittens Schlangen, welche sich
gleich andern wilden Thieren, von der Macht des Heiligen
bezwungen, frommen Einsiedlern dienend unterordneten.
St. Aemilianus oder Millan wurde als Einsiedler unter Schlan-
gen, als seiner einzigen Gesellschaft, lebend, die ihm aber
nichts zu Leide thaten , über hundert Jahre alt. St. Josephus
Anchieta lebte im wilden Walde, zähmte giftige Schlangen
und wilde Vögel, die sich auf seine Arme setzten etc. Nie^
remberg , hist. nat. 205. St. Verdiana, eine fromme Jungfrau
in Etrurien, lehte 30 Jahre lang einsam in einer Zelle mit
zwei grossen Schlangen, die sie durch das Kreuzeszeichen
gezähmt hatte, im 13ten Jahrhundert. 1. Februar. Eben so
der Einsiedler Goderich. Dem Stabe des Abts Heldrad
folgten alle Schlangen von Novalese. Görres, Mystik H. 225.
Als Räuber den heiligen Chariton gefangen hielten, kroch
eine Schlange in ihre Weinflasche und vergiftete den Wein,
dass alle umkamen und der Heilige frei wurde. Surius zum
28. September.
Schleier,
Sinnbild der Verhüllung , der Zucht und Schamhaftigkeit , da-
her kein Frauenzimmer in der Kirche ohne Schleier erscheinen
soll. 2. Korinth. 11, 5. Vgl. Binterim, Denkw. VI. 2. 151.
Daher auch die Einweihung der Nonnen mit dem Schleier,
desgleichen der Bräute. Wittwen aber mussten immer ver-
schleiert gehen , und auf Kirchenbildern ist deshalb die ält-
liche und weissverschleierte Gottesmutter stets als Wittwe
kenntlich. — Nach der Legende brachte der heilige Geist in
Taubengestalt der heiligen Adelgunde selbst den Nonnen-
schleier, woran man sie auf Bildwerken erkennt.
Der Schleier erhielt aber auch die Bedeutung des Mantels
als Schutzmittel. — Wenn auf Sicilien der Aetna Feuer aus-
wirft und Lavaströme die Stadt Catanea bedrohen, wird aus
den Mauern derselben in feierlicher Prozession der Schleier
der heiligen Agathe getragen, der das Feuer abwehrt. Die
Heilige war im Martyrium auf glühenden Kohlen gewälzt,
SchlüsseL 838
aber ihr Schleier nicht verbrannt, sondern nur vom Feuer
geröthet worden. Seitdem besass er die Kraft, jedem Feuer
zu widerstehen. Auch im Schwarzwald ist die Heilige wirksam.
Die sogenannte Wanne ist ein alter Krater ganz nahe bei
der Stadt Villingen ; er soll einmal einen Feuerstrom durch's
Thor der Stadt ergossen und diese in Brand gesteckt haben.
Seitdem hat man (wie am Aetna) das Bild der heiligen
Agathe am Thor aufgestellt , die vor dem vulkanischen Feuer
schützt. Schnezler, bad. Sagenbuch I. 446. Auch der
Schleier der heiligen Emerita in der Schweiz blieb unver-
sehrt, als sie selbst auf dem Holzstoss verbrannt wurde.
Diese ünverbrennlichkeit des Schleiers, die auch schon in
alten römischen Sagen von einer Vestalin vorkommt, charak-
terisirt die heilige Macht der Jungfräulichkeit. Vgl. den
Artikel Jungfrau. Für unverbrennlich galt auch der Schleier
der heiligen Ludmilla, mit dem diese Fürstin von Böhmen
auf Antrieb ihrer heidnischen Schwiegertochter Drahomira
erdrosselt worden war. 16. September.
Die heilige Bova, Aebtisin zu Rheims, aus königlichem
Geblüte , war so schön , dass ein Grosser des Reichs sie hei-
rathen und mit Gewalt entführen wollte; als er aber ihren
Schleier berührte, verdorrte ihm der Arm und wurde nicht
eher gesund, als bis er feierlich entsagte und selber Mönch
wurde. Die Kirche verehrt sie am 24. April. Die heilige
Franchea wollte einmal über einen Fluss, fand keine Fähre,
breitete aber nur ihren Schleier aus, setzte sich und zwei
Nonnen darauf und fuhr mit ihnen getrost hinüber. — Der
heiligen Adelgunde brachte eine Taube vom Himmel selbst
den Nonnenschleier herab, 30. Januar.
Schlüssel,
Sinnbild des Besitzes und der Amtsgewalt gleich dem Scepter
und Hirtenstabe. Der Schlüssel Davids oder der Schlüssel
zum Hause David bei Jesaias 22, 22. und Offenb. Joh, 3, 7.
ist alttestamentalisches Vorbild der Schlüssel Petri , das Haus
334 Schlüssel.
David Vorbild der christlichen Kirche , des Gottesreichs , des-
sen Hut auf Erden dem heiligen Petrus anvertraut ist. Bei
Matthäus 16, 17. spricht der Herr zu Petro: ^Ich will dir des
Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden
binden wirst, soll auch im Himmel gebunden seyn, und Alles,
was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los seyn.^
Darum sind zwei Schlüssel, einer des Himmels, der andere
der Erde, Attribut des heiligen Petrus und aller seiner Nach-
folger auf seinem Stuhl in Rom. Schon auf sehr alten christ-
lichen Bildern, Aringhi, Roma suht. I. 293. Ein Schlüssel
ist von Gold, der andere von Silber. Kreuser, Kirchenbau
n. 100. Selten hat Petrus auch noch einen dritten Schlüssel,
nämlich zu denen des Himmels und der Erde auch noch den
der Hölle. So auf einem Mosaikbild bei Ciampini, tob. 77.
Allein dieser dritte Schlüssel kommt nach der Offenbarung
Johannis 20, 1. vielmehr dem heiligen Erzengel Michael zu.
Nach derselben 1, 19. hat der Herr selber den Schlüssel der
Hölle und des Todes.
Marienschlüssel oder Himmelschlüssel heisst die Schlüssel-
blume, primula veris^ weil sie, im Frühling zuerst auf blühend,
gleichsam das ganze Blumenreich des Frühlings aufschliesst.
Himmelschlüssel heisst Maria selbst in einem altdeutschen
Marienliede bei Haupt, Zeitschr. VIH. 282, weil sie durch die
Geburt des Heilands der Menschheit das Thor zum Himmel
öffnete.
Schlüssel sind, wie Stäbe, Zeichen der bischöflichen
Kirchengewalt, daher Attribut mehrerer heiligen Bischöfe,
z. B. des heiligen Servatius , Benignus , und Wappen mehrerer
Bisthümer, z. B. von Regensburg, Minden, Bremen, Genf. Der
heilige Hippolytus führt den Schlüssel nur als Kerkermeister.
Hubertusschlüssel hi essen die Zeichen, die man mit eiser-
nen Hörnlein dem Vieh aufbrannte, um es vor Schaden zu
hüten. Journal von und für Deutschland HL 500. Ohne
Zweifel bedeutete hier der Schlüssel , dass das gesegnete Vieh
verwahrt seyn sollte, wie wenn es im verschlossenen Raum
gehütet würde. — Ein Schlüsselbund im Maul eines Fisches
Schmach. 385
ist Attribut des heiligen Benno, Bischofs von Meissen. Als
dieser nämlich als Anhänger Gregors VII. unter Kaiser
Heinrich IV. flüchten musste , warf er die Schlüssel zu seiner
Kirche in die Elbe. Als er aber wiederkam, fand er sogleich
die Schlüssel wieder im Bauch eines grossen Fisches, den
man gefangen hatte, 16. Juni.
Schmach
vor der Welt müssen Alle leiden, die Gott dienen. Gottes
Sohn selbst wurde den Juden zur Schau, zum Spott und
Hohne ausgestellt im Purpiu'mantel , mit der Dornenkrone
und dem Rohrscepter. Vgl. Ecce homo. Viele Heilige such-
ten daher freiwillig die Schmach auf, um sich durch harte
Prüfungen im Glauben zu stärken. St. Simon Salus oder
Stultus, ein Syrer des 6ten Jahrhunderts, stellte sich frei-
willig thöricht und wahnsinnig, um von den Kindern und
vom Pöbel verspottet und misshandelt zu werden und dadurch
seine christliche Geduld zu erproben. 1. Juli. Auch Andreas
Salus oder Stultus, ein Heiliger des lOten Jahrhunderts in
Constantinopel, stellte sich aus Demuth wahnsinnig und Hess
sich von aller Welt verhöhnen und verspotten, schlief in
einem Hundestall etc., verkündete aber einem Knaben, dem
Einzigen, der ihn nicht verspottete, er werde Bischof wer-
den, und blieb, als er einst zur See war und das Schiff
scheiterte, von der ganzen Mannschaft allein am Leben.
Lieblich contrastiren mit dem Schmutz und Elend seines Le-
bens seine Visionen, in denen er das Paradies mit den herr-
lichsten unbekannten Pflanzen und Vögeln sah und durch
drei Himmel, der eine durch ein, der andere durch zwei,
der dritte durch drei Kreuze bezeichnet, zum Thron des
Messias emporstieg. Auch hatte er sich eine wunderliche
Naturphilosophie gebildet. Doch theilt sein Biograph Nice-
phorus nur wenige Bruchstücke daraus mit, die Entstehung
des Eegens, des BHtzes, der Engel und Teufel betreflend,
und auch Phantasieen über das Weltende und den Antichrist.
336 Schmetterlinge.
Acta SS. 28. Mai. ~ Gleicher Schmach unterzog sich be-
kanntUch auch der grosse Franciscus von Assisi und Johannes
de Deo in Spanien. •
Ein weibhches Beispiel gleicher Art ist Agatha a Cruce,
eine spanische Nonne des 16ten Jahrhunderts. Sie litt in ihrer
Jugend grosse Noth und Verfolgung, wurde auch noch im
Kloster verleumdet, mehrmals Verstössen und unschuldig der
allgemeinen Verachtung preisgegeben, blieb aber immer stand-
haft und geduldig und suchte die Leiden, die ihr wider Willen
angethan wurden , noch durch die zu übertreffen, die sie frei-
willig litt, indem sie sich auf alle Art kasteite und acht Jahre
lang sich nicht einmal den Schlaf gönnte. Görres, Gesch.
der Mystik I. 421.
Schmetterlinge
haben in der christlichen Symbolik nicht ursprünglich die
Bedeutung der altgriechischen Psyche. Da indess ihre Ent-
puppung ein gutes Sinnbild der Auferstehung des Leibes ist,
so findet man sie zuweilen auch auf christlichen Gräbern an-
gebracht, offenbar entlehnt aus dem heidnischen Alterthum.
— Weisse Schmetterlinge kommen jährlich aus dem Grabe
des heiligen Torpes, Acta SS. 17. Mai. Schmetterlinge um-
kreisen in grosser Menge das Sterbebett des heiligen Vinzenz
Ferrer. Görres, Mystik IL 224. Darunter sind aber nicht
Seelen Verstorbener zu verstehen, sondern diese theilnehmen-
den Thiere erscheinen nur der Magie unterworfen, welche
die Nähe des Heiligen auf die Natur übt. In der Legende
der heiligen Rosa von Lima wird eines weiss - und schwarz-
gefleckten Schmetterlings gedacht, der sie in der Jugend um-
flogen habe, zum Zeichen, dass sie eine Dominicanerin (in
schwarz und weisser Tracht) werden würde.
Schmied.
Gott selbst heisst in altdeutschen Dichtungen „der
Schmied vom Oberlande", d. h. der Schmied im Himmel,
Schmuck. ^37
der alle Werke schafft. Vgl. Grimm, Com:ad von Würz-
burgs goldne Schmiede S. XXVII. — Patron der Schmiede
ist der heilige Eligius, der einmal einem lahmen Pferde das
verlorne Bein wieder anheilte (Bild von Imola in Berlin,
Kugler I. 105.). Oft wiederholt sich in Volkssagen, dass
ein frommer Schmied mit seiner glühenden Zange dem Teufel
die Nase abzwickt. Diese Sagen wm-zeln in folgender Le-
gende. Apelles, der Mönch, schmiedete einmal als Kloster-
schmied , da erschien ihm der Teufel in Gestalt eines schönen
Weibsbildes und wollte ihn verführen, aber er zwickte ihm
mit einer glühenden Zange in die Nase, und der Teufel
schrie dermassen vor Schmerz, dass alle Mönche zusammen-
liefen und das Wunder sahen. Seitdem erhielt der Heilige
die Gabe, glühendes Eisen ohne Schaden mit der Hand an-
zurühren. Leben der Altväter, 1725. S. 78.
Schmuck.
Man soll sich zur Ehre Gottes schmücken, wie Gott selbst
bei der Schöpfung die Erde für den Menschen schmückte und
Alles wohl machte. Daher das Gebot des hochzeitlichen Klei-
des und die Verwerfung dessen, der da zur Feier kommt
und jenes Feierkleides entbehrt. Der Kirche ist Schmuck
nicht nur erlaubt, sondern geboten, denn sie ist das Haus
des Herrn.
Nur der Schmuck im Dienst des Teufels, der Sinnlich-
keit, der Verführung, des Stolzes ist verdammlich. Daher
die heilige Magdalena ihre Seiden- und Sammtgewande, ihr
Goldgeschmeide und ihre Perlen mit ihren Sünden von sich
wirft, um in der Wildniss als einsame Büsserin zu leben.
Derselbe Contrast tritt hervor in der Legende von der St. Pe-
lagia meretrix. Dieses überaus schöne Frauenzimmer zu An-
tiochia ritt einst im goldnen Kleide und in Schuhen, die mit
Edelsteinen geschmückt waren , mit offenen Brüsten und Per-
len im Haar lachend bei der Kirche vorüber, in der eben
die Bischöfe zu einem Concil versammelt waren. Da drückten
Menzel, christl. Symbolik. II. 22
838 Schnee.
die Bischöfe ihren Aerger aus ; Nonus aber sagte nur '. ,, Was
tadelt ihr dieses schöne Weib, dass sie sich für die Männer
so kostbar und mit so vieler Mühe ziert? Thut sie nicht mehr,
als wir thun, die wir unsre Seelen eben so mühevoll für
Christus schmücken sollten?" Darauf hörte Pelagia seine
Predigt mit an, und wurde tief erschüttert durch den Ge-
danken, dass sie einst für all ihr Thun würde Rechenschaft
ablegen müssen. Von Stund an war sie bekehrt und der
Teufel wich von ihr in Gestalt eines greulichen schwarzen
Hundes, sich auf's Bitterste beschwerend, von dem schö-
nen Weibe scheiden zu müssen. Nachdem sie getauft war,
zog sie männliche Gewände an, suchte die Stätte auf, wo
Christus gelitten, widmete sich ihm zur Braut und wohnte
als Einsiedler unter dem Namen Pelagius auf dem Oel-
berge. Erst nach ihrem Tode erkannte man ihr Geschlecht.
8. October.
Schnee,
wegen seiner reinen Aveissen Farbe und zugleich wegen seiner
Kälte Sinnbild der jungfräulichen Reinheit und Keuschheit,
insonderheit der Jungfrau aller Jungfrauen. So wird der
Schnee gedeutet in altdeutschen Marienliedern. Vgl. Conrad
von Würzburgs goldne Schmiede, herausg. von W. Grimm,
S. XXXVII. Auch fällt der Schnee vom hohen Himmel,
daher die marianischen Devisen: Mihi candor ab alto —
Meus est ab origine candor. So ist denn auch der Schnee,
der nach der Legiende wunderbarerweise mitten im Sommer
ein Feld bei Rom genau so weit bedeckte, als der Raum
der darauf erbauten, noch jetzt prangenden Kirche Maria
maggiore einnehmen sollte, ursprünglich nur ein Sinnbild
der Jungfräulichkeit der Gebenedeiten. Dem Papst Liberius
war dieselbe im Traum erschienen und hatte eine Kirche von
ihm verlangt , wozu sie den Platz ihm anwies , und am Mor-
gen zeigte sich eben dieser Platz mit Schnee bedeckt, alles
andere Land umher aber grün. Da baute jener Papst ihr
die berühmte Kirche und gründete das Fest Maria Schnee-
Schnee. 839
feier am 5. August. Diese „Maria zum Schnee, Notre Dame
aux nieges'^ wird seitdem auch in vielen andern Ländern ver-
ehrt und war hauptsächlich geeignet für Kapellen in hohen
Alpenregionen, daher auch ihr Cultus auf dem Rigi in der
Schweiz. Die nördlichste Kirche der Gnadenmutter, die man
kennt, liegt tief im Schnee Sibiriens zu Abalak imfern von
Tobolsk. Hier befindet sich ein wunderthätiges Bild von ihr,
zu dem man aus weiter Ferne wallfahrtet.
Strauss, Kirchenjahr S. 143, macht darauf aufmerksam,
dass auf die kalte und schneereiche Jahreszeit zwischen dem
6. und 17. Januar so viele Tage heiliger Einsiedler fallen und
bezieht darauf ihr ascetisches Leben. Das stimmt ganz mit der
alten Symbolik des Schnee's in den Marienliedern überein.
Das Sinnbild der Aehren und Trauben im Schnee hat
man in gleicher Weise auf die segensreiche Geburt Christi
aus dem Schooss der keuschesten Jungfrau zu erklären. Das
Sinnbild einer Rose im Schnee gilt dagegen von der heiligen
Jungfrau selbst, sofern sie aus der keuschen Ehe der lange
unfruchtbar gebliebenen Anna stammte.
St. Eulalia von Barcellona wurde als Christin verfolgt
und mit Fackeln gebrannt, die aber an ihrem zarten Leibe
erloschen. Nach vielen andern Martern wurde sie nackt an's
Kreuz geschlagen, aber ein Schnee {niXj nach einer andern
Lesart eine Wolke, nubes) fiel und verhüllte sie vor den
Augen der Wächter. Acta SS. 12. Februar. Das ist ein
sehr schönes Wunder. Die Keuschheit der gottgeweihten
Jungfrau verwandelt sich reell in ihr Symbol, den Schnee,
um sie zu schirmen.
Barbanaria, eine fromme Jungfrau, glühte von solchem
heiligen Liebesfeuer, dass sie sich im Schnee wälzte, wie aus
gleicher Ursache der heilige Franciscus. Görres, Mystik
IL 29. — Der irische Abt Berach verwandelte den Schnee
auf den Dächern der Frevler in Feuer, dass ihre Häuser
verbrannten. Acta SS. 15. Februar. Ueber dem heiligen
Petrus von Alcantara blieb, wenn er im Freien wandelte
oder meditirte, der fallende Schnee hängen, ohne ihn zu
22*
S4d Schöpfungr, die.
berühren, und bildete ein Dach über ihm. — Das Grab des
heiligen Servatius grünt auch im Winter und wird nie mit
Schnee bedeckt. Gregor, Turon. hist. Franc. II. 5.
Dem Wunder des Schneiens mitten im Sommer steht
das Wunder des Grünens und Blühens mitten im Winter
gegenüber und bezieht sich ebenfalls auf die Maria und be-
sonders auf ihre gnadenreiche Geburt; denn in der Geburts-
stunde des Heilandes sollen nach dem Volksglauben die
Bäume blühen, wenn auch der tiefste Schnee liegt. Vgl.
den Artikel Weihnachten.
S chöp f ung, die.
Die mosaische Schöpfungslehre unterscheidet sich von
allen heidnischen dadurch, dass sie einen allmächtigen und
allgütigen Gott voraussetzt, welcher schon vor der Welt exi-
stirt und die Welt aus Nichts hervorbringt , wde ein Künstler
das Kunstwerk, mit dem Wohlgefallen des Meisters, dem
sein Werk gelungen ist, und sofern er lebende Wesen nach
seinem Bilde schafft, mit der Liebe eines Vaters, dem das
Wohl seiner Kinder am Herzen iiegt. Noch weiter unter-
scheidet sich die mosaische Schöpfungslehre dadurch, dass
sie sich nach Zeit und Raum möglichst beschränkt, sich an
das Wirkliche, des Menschen nächste Umgebung hält, und
von Allem absieht , was etwa der Zeit nach vor der Schöpfung
der Erde könnte gewesen seyn, oder was im Raum weit über
die Erde hinaus liegt.
Die heidnischen Schöpfungslehren kennen den väterlichen
Schöpfer nicht. Sie sind entweder pantheistisch , oder poly-
theistisch oder dualistisch.
Der Pantheismus der Inder sieht in der Welt nur den
auseinandergefallcRen Gott, den aus der Einheit des Geistes
in die Vielheit der Materie emanirten Gott, der seiner Zeit
sich aus der meder verschwindenden Materie in seine geistige
Einheit zurückziehen soll. Ja nach dieser Lehre ist Gott
durch seine eigene Sünde gezwungen, aus der ewigen Ruhe
Schöpfung, die. 341
in die Bewegung und Mannigfaltigkeit der Materie wie in
einen Kerker zur Strafe einzugehen, um sich durch Busse
wieder zu reinigen. Ein Grundgedanke , der beiden indischen
Systemen, dem des Brahma, wie des Buddha, zu Grunde
lieg-t. Deshalb ist in dieser Lehre auch der Mensch nicht
absolut verschieden von Gott, sondern er wird durch ange-
strengte Busse selber Gott gleich, und sofern die Inder ihren
Pantheismus mit Polytheismus verbinden und eine Menge
Götter als einseitige Emanationen des göttlichen Urwesens
annehmen, zweifeln sie nicht, dass der Mensch durch Busse
sich über alle diese Götter erheben und dem höchsten Wesen
näher als sie kommen könne. Ja auf dieser Voraussetzung
beruht der dem Brahmanismus aufgepfropfte Buddhaismus
ganz wesentlich; denn da Brahma, durch seine Phantasie
(die Maja) verführt, seine göttliche Ruhe aufgab, um die
Bilder seiner Einbildungskraft zu verwirklichen, und aus der
Geisteswelt in die Sinnenwelt heraustrat, konnte der Rückweg
in die ewige Ruhe des Geistes nur durch die strengste Busse
und tiefste Contemplation des Menschen gefunden werden,
d. h. im Buddha, der im Gegensatz gegen Brahma nicht von
der Gottheit sich erniedrigt zur Menschheit und Thierheit,
sondern sich aus der letztern wieder zur Gottheit erhebt.
Jenes ist der sündigende Gott, dieses der erlösende Mensch.
Es leuchtet ein, dass diese etwas complicirte Vorstellungs-
weise erst in einer spätem Zeit entstehen konnte, in welcher
das Menschengeschlecht schon weit aus der Kindlichkeit her-
ausgetreten war, und in welcher sich einerseits der philoso-
phirende Hochmuth des Menschen, andrerseits auch das böse
Gewissen und die Erfahrung im Laster schon geltend gemacht
hatten. Die mosaische Lehre erscheint ungleich kindlicher
und wahrer.
Der Polytheismus hat überall wenig über die Schöpfung
reflectirt. Es genügte ihm, die wichtigsten Elemente und
Naturkräfte einzeln zu vergöttern und in dieser Vergötterung
zu personificiren. Die auf diese Weise vermenschlichten
Götter liess man andre zeugen, unter denen man sich wieder
343 Schöpfung^, die.
entsprechende Personificationen der Naturreiche dachte. Dies
war bekanntlich die Lehre der Griechen. Da ist zuerst
Uranus der Himmel und Gae die Erde. Die zeugen mitein-
ander den Chronos, die Zeit. Diese zeugt den Zeus (Aether),
die Here (Luft), den Poseidon (Meer) etc. Aus andern Zeu-
gungen gehen dann auch die Götter von mehr moralischer
Bedeutung hervor. Ueberall entsteht hier die ganze Natur in
einer immerwährenden Weiterzeugung; von einem alleinigen
Gott, der Alles aus Nichts macht, ist nicht die Rede, noch
weniger von einem liebenden Vater. Denn der Mensch selbst
wird nach dieser Lehre nur verstohlen und wider Willen des
herrschenden Gottes Zeus von dem untergeordneten Titanen
Prometheus geschaiFen, Zeus ärgert sich darüber, straft den
Titanen dafür, und stellt sich zu dem Menschen in ein iro-
nisches und durchweg gemüthloses Verhältniss.
Der Dualismus, der sich am entschiedensten in Persien
aussprach, nahm eine durchgängige Zweiheit in der Gott-
heit wie in der Welt an. Die gute Hälfte Gottes, Ormuzd,
schuf auch die gute Welthälfte, die böse, Ahriman, die
böse. Hier heisst es also nicht, wie in der Genesis, Alles,
was Gott gemacht hatte, war gut; sondern das Gute war
von Anfang an mit Bösem verschmolzen, und der Teufel
erhielt schon bei der Schöpfung gleiches Recht mit Gott.
Ferner gefielen sich die heidnischen Systeme des Orients
in einem ausserordentlichen Luxus der Zeit- und Raumbe-
stimmungen. Sie nahmen eine Menge Welten und Welt-
geschichten vor der unsern an. Vielmal war die Welt schon
untergegangen und eine neue an ihre Stelle getreten, ehe
die unsere an die Reihe kam. Dieser Erstreckung der Zeit
entsprach auch eine des Raumes. Man thürmte über unserer
Erde eine Menge Himmel als Wohnsitze höherer Geister oder
untergeordneter Götter auf. Von allem diesem Luxus weiss
unsere Genesis nichts. Sie beginnt mit dem ersten Tag auf
Erden und kennt vor ihm nichts, und sie beschreibt die Erde,
über der sich der Himmel wie ein Zelt ausdehnt , ohne in die
Tiefe der Vorwelt irgend eindringen zu wollen.
Schöpfung:, die. 343
Man sieht, dass der tiefpoetische Gedanke des ersten
Erwachens der schönen Welt aus der Nacht des Nichts, das
Feierhche des ersten Morgenwehens der Schöpfung nur in
unserer Genesis erfasst ist, während alle andern Kosmogo-
nieen ihn haben fallen lassen. Man sieht ferner, dass die
mosaische Lehre allein es ist, die in jenem ersten Erwachen
das Unschuldige, die jungfräuliche Reinheit der Natur aner-
kennt, in der unbefangenen Weise, in welcher jede reine
und gesunde Seele die Schönheit der Schöpfung anerkennen
und bewundern muss. Gegen diese so natürliche und liebens-
würdige Auffassung erscheinen die erwähnten heidnischen Auf-
fassungen alle roh, oder durch finstere Nebengedanken getrübt.
Anstatt der Erde ihren schönen Morgen, den Menschen ihr
erstes kindliches Erstaunen über das wundervolle Werk der
Schöpfung zu gönnen, beginnen sie schon mit dem vollen Be-
wusstseyn alles Weltelends, nicht mit kindlichen, sondern mit
Greisesgefühlen.
Schon aus diesem innern Grunde macht die Genesis
darauf Anspruch , die ältere und reinere Tradition zu bewah-
ren , während alle andern Schöpfungslehren erst späteren Ur-
sprungs und durch spätere Erfahrungen getrübt erscheinen,
und keineswegs mehr das kindliche Bewusstsein der ersten
Erdenbewohner bewahren.
Der ästhetische Grundcharakter der Genesis ist auch in
andern biblischen Büchern festgehalten. Jeder neugeborne
Mensch soll, dem ersterschaffenen gleich, kindlich das Wun-
der der Welt anstaunen und kindlich dem gütigen Schöpfer
eines so schönen Werkes danken. So heisst es im 8ten Psalm :
„Was ist der Mensch, dass du an ihn dachtest, und ihn er-
schufest und in diese schöne Welt setztest?' Wie grell sticht
dagegen die Lehre der Inder ab , die statt dieser demüthigen
Gottesfurcht und kindlichen Freude eine greisenhafte Welt-
verachtung und ihr nil ädmirari voranstellen!
Im Stufengang der mosaischen Schöpfungslehre durch
die sechs Tage, denen die Sabbathsruhe des siebenten folgt,
ist mit weiser Oekonomie Alles ausgedrückt, was der kindliche
844 Schöpfung, die.
Mensch zu wissen braucht. In drei Tagen wird das Feste
gefestet, in drei weitern Tagen wird das Leben in den ge-
schaffenen Elementen erregt und bewegt. Im allgemeinen
Licht, das schöpferisch aus der uralten Nacht bricht , sondert
sich die Feste des Himmels, als Fussboden Gottes, von der
Feste der Erde, als dem Fussboden des Menschen. In den
besondern Lichtern der Sonne und des Mondes, die später
hervortreten, sondert sich die grünende und von lebenden
Geschöpfen erfüllte Erde vom Meere, in dem gleichfalls das
Lebendige wimmelt. Zum Element des Aetherlichtes ver-
halten sich Sonne, Mond und Sterne als darin gleichsam
lebende Geschöpfe, wie sich die Fische und Vögel zu dem
flüssigen Element des untern und obern Wassers, des Meeres
und der Luft, und wie sich die Pflanzen und Thiere zur
Erde verhalten. In dieser dreifachen Gliederung der sechs
Tage ist mit weiser ästhetischer Oekonomie alles Wesentliche
zusammengefasst. Am siebenten Tage ruht Gott aus und
freut sich seines Werkes. Die Wechselbeziehung der ir-
dischen Tage zu den Schöpfungs tagen hat eine Art von in-
nerer Nothwendigkeit , sobald die Schöpfung als das Werk
eines grossen Meisters aufgefasst wurde. Die Kinder Gottes
werden dadurch erinnert , in ihren kleinen Werken nach ihren
bescheidnen Kräften den Vater nachzuahmen, um Gutes zu
wirken und der Arbeit mehr Zeit zu widmen , als der Ruhe ;
aber auch nicht in zäher Hast unaufhörlich schaflPen zu wol-
len, sondern zur rechten Zeit auszuruhen und zu betrachten
und zu prüfen, was sie gethan haben.
Auf die Versuche, die mosaische Schöpfungsgeschichte
aus der Physik zu erklären, können wir uns hier nicht ein-
lassen. Nur des einen wollen wir seiner Sinnigkeit wegen
gedenken. Es ist der Versuch von Heinrich Steffens in seiner
Anthropologie, Breslau 1822. Er geht von der Hypothese
aus , unsere Erde sey zuerst ein Mond , dann ein Comet ge-
wesen, ehe sie ein Planet geworden, und nimmt nun an,
die zwei ersten Schöpfungstage fallen in die Mondperiode.
Die Erde war, sagt er, ein Metallkern und breitete als ersten
Schöpfung, die. 345
Gegensatz von sich das Element der Luft um sich aus ; dann
bildete sich das AVasser zwischen beiden. Das Wasser aber
warf sich auf die von der Sonne abgekehrte Seite und das
Land trat hervor auf der andern, der Sonne zugekehrten
Seite, weshalb wir noch jetzt die Südhälfte der Erde voll
Wasser , die Nordhälfte voll Land sehen. Nun ging aber am
dritten Schöpfungstage die Erde in die Cometenperiode über.
Der unbändige Trieb der Vegetation strebte hinauf zur Sonne,
riss gegen das Gesetz der Schwere die irdischen Stoife an
sich und breitete sie als Zweige der Sonne entgegen; ja riss
die Erde selbst aus ihren Angeln, brach das Gesetz, durch
welches sie bisher als Mond gezwungen war, der Sonne nui*
eine Seite zuzukehren , begann sich zu drehen u^d stürzte
auch zugleich in einer Cometenbalm der Sonne selber zu.
Die Sonne aber, die vorher nur eine dunkle Erde, ein Planet
war, -wurde jetzt erst Sonne. Unsere Vegetation und die Licht-
kraft der Sonne riefen sich Avechselseitig hervor. Deshalb
konnte die Bibel sagen, die Sonne sey später entstanden, als
die Pflanzenwelt, und was vorher unsinnig schien, erhält nun
einen schönen Sinn. In der Sonnennähe erreichte die Vege-
tation ihre höchste Ueppigkeit; in der Sonnenferne versank
sie wieder in Nacht und Eis. (I. 233.) Um aber zu erklären,
wie auch der Mond erst so spät entstand, sagt Steffens I. 259,
der Mond sey aus der Erde geboren worden, und zwar durch
einen Act der Zeugung zwischen dem männlichen und weib-
liehen Erdprincip , die sich in den ersten Regungen der Thier-
und Pflanzemvelt bethätigt hätten. Die Meteorsteine seyen
fortwährend solche Erdkinder in kleinerem Maasstabe. Allein
die Erdrevolutionen, die Wehen der Schöpfung Avaren damit
noch nicht beendigt. Erst als im Menschen ein Wesen ge-
schaffen wurde, in dem alle Elemente und Naturkräfte in
vollkommenster Harmonie erschienen und dessen Schönheit
Gott selbst zu seinem Ebenbilde machte, war das Ziel er-
reicht, jeder Streit ruhte, die Erde war Paradies. Und nur
Aveil die ersten Menschen sündigten, konnten die durch Har-
monie gefesselten Naturkräfte wieder ausbrechen und wurde
346 Schöpfung, die.
die Sündfluth nothwendig. Der Grundgedanke, dass alle
Naturvorgänge sich auf das sittliche Wesen des Menschen
beziehen, ist sehr poetisch. Steffens schliesst daraus ferner,
dass es nur Ein menschliches Urpaar gegeben haben könne,
weil die Harmonie der Elemente und die EbenbildHchkeit
Gottes keiner Mehrheit von Individuen bedurft habe. Das
Auseinanderfallen der Racen erklärt er aber II. 415. conse-
quent durch die Sünde, welche die Menschen wieder unter
die Naturgewalt habe fallen und von derselben verschieden
modificiren lassen.
In der Schöpfungsgeschichte der Bibel wurde die Stelle :
„Gott sprach: es werde Licht, und es ward Licht," schon
von dem Jleiden Longinus in seiner Abhandlung vom Erha-
benen ihrer Erhabenheit wegen bewundert. Haydn hat sie
in seiner grossen Composition „die Schöpfung" durch Töne
zu versinrJichen gesucht, die in rascher Steigerung machtvoll
aus der Stille, wie das Licht aus der Nacht hervorbrechen.
Parallelstellen zur mosaischen Schöpfungslehre sind in
der Bibel der 104te Psalm, der die ganze Schöpfungsgeschichte
kurz zusammenfasst, und das Buch Hiob, Cap. 38.
Poetische Umschreibungen der Genesis kommen viele
schon frühzeitig vor. Einer abyssinischen Genesis wird ge-
dacht in Harris' Eeise nach Schoa, IL Anhang 58. Latei-
nische Umschreibungen mit geringer Abweichung schon von
Tertullian (Bahr, christl. Dichter 18.), von Juvencus (27.), von
Hilarius von Arles (34.), von Victor (62, auch in Fahricii
thes.l.mi.), Dracontius {Fahr. 353.), Avitus (Fahr. 367.).
Die Schöpfung wurde im Mittelalter als geistliches Schau-
spiel dargestellt, in England in einem Stück, das sieben Tage
lang spielte und dadurch die Schöpfungstage nachahmte.
V. Schack, span. Drama I. 51. Ein spanisches Stück von
Calderon fasst Gott • den Vater als Orpheus auf, überaus
phantastisch (das. III. 264.). Orpheus tritt aus einer Him-
melskugel, spielt und singt, da erwachen die zu seinen Füssen
schlummernden Tage, der eine mit der Fackel des Lichts,
der andere die Gewässer vom Lande scheidend, der dritte
BchöpfuniT) die. 847
Blumen und Früchte streuend etc. ; endlich erwacht auch die
menschliche Natur und dankt knieend dem Orpheus. Dieser
kehrt in die Himmelskugel, aus der er im Anfang hervor-
gekommen, zurück, und die menschliche Natur bleibt auf der
schönen Erde, im Paradiese. Da kommt Satan und der Neid
in Gärtnerstracht und verlockt die menschliche Natur zum
Apfelbiss. Sogleich verschwindet das Paradies, die Tage
ziehen wieder weiter, aber der erste hält statt der Fackel ein
Flammenschwert, der dritte theilt statt der Blumen und Früchte
Disteln und Dornen aus. Die menschliche Natur wird in die
Hölle geschleppt; da kommt Orpheus wieder und spielt vor
dem schrecklichen Charon, dass er ihn einlasse, die mensch-
liche Natur zu befreien. Charon weigert sich, bis Orpheus
sich zum Opfer erbietet und sich von Charon tödten lässt.
Nun kommen die sieben Tage wieder und jammern, bis
plötzlich Orpheus auf einem Schiffe, dessen Mast das Kreuz
trägt, wieder erscheint und die befreite menschliche Natur
(Euridice) mit sich führt. — Die Schöpfung wurde auch von
dem Spanier Azevedo als Epos behandelt. Velasquez, span.
Dichtkunst S. 395. Desgleichen von Saluste de Bartas.
In Miltons verlornem Paradiese ist die Schöpfung sehr
malerisch aufgefasst, namentlich die Schöpfung der Thiere
Das Krokodil steht zweifelnd da, ob es das Wasser oder die
Erde zu seinem Elemente wählen soll. Behemoth, das grösste
Thier, reisst sich mühevoll aus dem Schlamme. Die Vögel
rauschen auf, ein unzählbares Heer etc. Eben so glücklich
ist Haydn in seiner musikalischen Auffassung gewesen , wenn
auch ein wenig Spielerei hier mit unterläuft.
Die Schöpfung in Gemälden darzustellen, ist freilich eine
schwere Aufgabe, weil sich das Grosse nicht wohl in's Kleine
zusammendrängen lässt. Doch lassen sich einzelne Momente
der Schöpfung wohl in ein klares Bild fassen.
Erster Moment: Der Geist Gottes schwebt über der
Tiefe. Phantastisches Bild des Engländers Martin. Gott
Vater erscheint hier als ein riesenhafter Ossianischer Nebel-
geist im Halblicht der Wolken. Vgl. Kunstbl. 1825. S. 238.
348 Schöpfung, die.
Ein ähnliches Bild von Gudin (das. 1844. S. 376.) l'ässt nur
die Gestalt aus und bezeichnet das göttliche Wesen nur
durch die Lichtwirkung allein. Viel naiver fassten die alten
Maler den Gegenstand auf. Auf Glasmalereien namentlich
findet man die Schöpfungsmomente durch Kugeln bezeichnet,
die Gott Vater als Greis oder Kaiser vor sich hält. Die
erste Kugel ist weiss und farblos (Licht), die zweite blau
(Wasser), die dritte farbig (Scheidung der Elemente), die
vierte blau mit Sternen (Sternhimmel), die fünfte grün (die
Erde). Vgl. d. Artikel Kugel. In einem französischen Mi-
niaturbilde steht Gott Vater mit Sonnennimbus und Reichs-
apfel vor einem Wasser, über das eine Taube zu ihm fliegt.
Am Wasser bildet sich eine Landschaft. Bidron^ icon. p. 452.
Auf einem andern Miniaturbild in Turin sitzt Gott Vater auf
der Sonne und hält in der Hand die Erdkugel. Miliin, Reise
durch Savoyen I. 281. Naive Darstellungen aller Schöpfungs-
tage in Mosaiken zu Venedig. Kunstbl. 1831. Nr. 32. Auch
im Dom zu Orvieto und im Campo Santo zu Pisa. Die über
dem Wasser als heiliger Geist schwebende Taube, die ver-
schiednen Kugeln des Himmels und der Erde, dann die be-
sondere Schöpfung von Sonne und Mond, von Kräutern und
Bäumen, von Thieren und Menschen wiederholen sich am
öftesten. Auch die grösseren Maler des 16ten Jahrhunderts
behielten die naiven Motive noch bei. Raphael malte Gott
als einen lebhaft bewegten Greis mit genial zurückgewor-
fenem Haar, schwebend in den Lüften, wie er Sonne und
Mond gleichsam gewaltsam mit beiden Händen anpackt. Das
ist seiner Würde nicht ganz angemessen und erinnert mehr
an einen italienischen Baumeister, der mit Heftigkeit und
Zorn seine Werke beschleunigt , etwa an Michel Angelo, Ra-
phaels Zeitgenossen.
Die Schöpfung der Pflanzenwelt fällt mit den lieblichen
Abbildungen des Gartens Eden zusammen. In dieser Dar-
stellung zeichnete sich der sogenannte Sammet - Breughel be-
sonders aus. Die Schöpfung der Thiere wurde von Thier-
malern benutzt zu Darstellungen aller Art von Thieren.
Schriftgelehrte und Pharisäer. ' 849
Man brachte die neue, geistige Schöpfung, die mit der
Ausgiessung des heihgen Geistes begann , in Verbindung mit
jener ersten Schöpfung und stellte namentlich den (in Tauben-
gestalt) über dem Wasser schwebenden heiligen Geist mit
dem gleichfalls als Taube über den Aposteln und Jüngern
schwebenden heiligen Geist zu Pfingsten zusammen. Waa-
gen, Kunst in Paris S. 345.
Schriftgelehrte und Pharisäer,
die alttestamentalischen Vorbilder aller gegen die christliche
Weisheit sich erhebenden, aus weltlicher Macht und welt-
lichem Verstände hervorgehenden CoUegien und Facultäten,
überhaupt der Menschenweisheit gegenüber der Gottesweisheit.
Sie kommen übrigens in verschiedenartige Berührung mit
dem Heiland. Den im Tempel lehrenden Knaben begrüssen
sie mit Staunen und Ehrfurcht, dem vollendeten Meister aber
grollen sie nachher und trachten ihn arglistig zu versuchen,
endlich wirken sie wesentlich mit zu seinem Verderben. —
Christus als Knabe unter den Gelehrten im Tempel hat das
schöne Motiv in dem Gegensatz der himmlischen Weisheit,
die sich in einem Kinde offenbart, gegen die irdische Weis-
heit, die in einer Vielheit von Männern und Greisen vertreten
wird. Es ist nicht der Gegensatz zwischen Wahrheit und
Lüge. Es ist daher auch von Malern falsch und ungerecht,
wenn sie in die Mienen der Schriftgelehrten Arroganz oder
Bosheit legen. Diese erste Zusammenkunft des Erlösers mit
den Schriftgelehrten war eine unschuldige und friedfertige.
Sie verdammten ihn nicht, sie staunten nur über ihn und
hörten ihm mit Theilnahme zu. Wenn nun auch die schlechten
Elemente, die unter ihnen waren, durch die Maler in ihren
Mienen ausgedrückt werden dürfen , so darf doch das Wohl-
wollen und die gute Meinung nicht fehlen und sollte sogar
vorherrschen. Eben so wenig dürfen die Gelehrten komisch
aufgefasst werden. — Am meisten beschämt erscheinen die
Schriftgelehrten und Pharisäer bei der Erklärung des Zins-
350 Schuh.
groschen, bei dem Urtheil über die Ehebrecherin. Am er-
bittertsten aber bei der Verurtheilung Jesu und am schaden-
frohsten bei der Kreuzigung.
Schuh,
Mittel und Sinnbild des irdischen Wandels. Wer sich dem
Heiligen und Himmlischen naht, bedarf dieses Mittels nicht
mehr und muss daher auch das Sinnbild ablegen. Moses
zieht, als er vor Gott im feurigen Busche kniet, seine Schuhe
aus, „denn hier ist heiliges Land.^ 1. B. Mos. 3, 5. Alle
Muhamedaner ziehen vor den Moscheen , auch alle Inder vor
ihren Tempeln die Schuhe aus. Unser nordisches Clima leidet
die Entblössung der Füsse nicht und im Christenthum ist die
innerliche Demuth das Wesen, wobei das äussere Zeichen
nicht wesentlich ist. Doch ist es geheiligtes Herkommen, die
göttlichen Personen auf Kirchenbildern immer unbeschuht zu
malen und auch den Aposteln nur Sandalen zu geben, im
Gegensatz gegen die beschuhten Propheten.
Auch die Todten dürfen nach christlichem Gebrauch
keine Schuhe tragen. Augustinus, serm. de sanct. 42, 6. Hier
ist offenbar ein scharfer Gegensatz des Christenthums gegen
das ältere Heidenthum ausgedrückt, weil in letzterem aus-
drücklich die Beschuhung der Todten verlangt wurde. Die
Heiden nämlich glaubten, ihre Todten kämen in eine mate-
rielle, sinnliche Welt, brauchten Fährgeld, um über den
Todtenfluss zu schiffen, Schuhe, um auf den steinigen Wegen
der Unterwelt nicht zu ermüden, wohl gar ein Ross, um zu
reiten, daher geopferte Rosse mit ihnen begraben wurden,
W^affen , sogar Nahrungsmittel für die Reise etc. In Deutsch-
land findet man noch viele alte Heidengräber mit solchen
Utensilien für die Todtenreise gefüllt. In der Grafschaft
Henneberg nennt man noch jetzt jedes Begräbniss den
„Todtenschuh" , zum Beweise, für wie wichtig man in frühern
Zeiten die Beschuhung der Todten hielt. Dagegen lehrt die
christliche Kirche, die Todten bedürfen all dergleichen Mit-
Schuh. B51
gaben niclit, sie stehen in Gottes Hand und können sich
nicht mehr mit irdischen Mitteln helfen , sondern nur noch
mit Busse im Reinigungsorte.
Der alte sinnbildliche Gebrauch, wenn man irgendwo
ungastlich aufgenommen worden ist oder sonst über Frevel
zu klagen hat, beim Weggehen den Staub von den Schuhen
zu schütteln, wurzelt in derselben Symbolik. Es wird näm-
lich damit ausgedrückt: „Ich hätte diesen Weg zu euch
Gottlosen gar nicht antreten sollen, er ist vergebens, er ist
zum Unheil ausgeschlagen, darum reinige ich meine Schuhe
vom Staub wieder, als hätte ich den Weg gar nicht gemacht.*'
Der Schuh war bei den Alten auch ein Symbol der
Herrschaft. Darauf bezieht sich auch Psalm 60, 10: „Auf
Edom werfe ich meinen Schuh." Doch scheint es, der mit
dem Kreuz gestickte bischöfliche Schuh und päpstliche Pan-
toffel ist nur insofern zugleich Sinnbild der Herrschaft, als
er die Fusstapfen des heiligen Petrus und die apostolische
Mission, „den Fleiss für die Heerde Christi" bedeutet. Rippel,
Alterthumb der Cäremonien S. 270. Denselben Sinn scheint
mir der „Frauenschuh" oder „Marienschuh" zu haben, die
blumenartige Steinverzierung auf den Spitzen gothischer
Thürme .und Thürmchen. Diese Form, eine bauchige, rund-
geschlossene, in der Mitte sich ein wenig öffnende Blume
darstellend, eignet sich in vorzüglichem Grade für die gothische
Steinornamentik, der offenere Formen und zerbrechlichere
Ausstrahlungen ungünstig wären, entspricht aber zugleich der
natürlichen Form der bekannten Blume „Frauenschuh", cy-
pripedium vulgare, und lässt daher auch eine höchst sinnige
Beziehung auf die Gottesmutter zu , deren Wandel auf Erden
die Kirche gründete, so dass ihre Fusstapfen, der höchsten
Spitze der Kirche aufgedrückt, theils den heiligen Ursprung
der Khche, theils die ewige Herrschaft und Fürsorge der
Gottesmutter innerhalb der Kirche bezeichnet. Vgl. Kreuser,
Kirchenbau 1. 174. H. 355. 564, w^o jedoch diese Symbolik
noch nicht erschöpfend genug behandelt ist.
Schuhe als Heiligenattribute. Die Heiligen Eutropius,
Schwalben.
Sergius und Sozon erlitten das Martyrium durch Nägel, die
man ihnen in die Füsse schlug. Der heilige Anthemus von
Nicomedien und Basiliskus durch glühende Metallschuhe.
Schuhe in der Hand getragen kennzeichnen die heilige Hed-
wig, die als Fürstin aus Demuth immer barfuss ging und als
ihr Gemahl, Heinrich der Bärtige von Schlesien, ihr befahl,
Schuhe zu tragen, dieselben nur in der Hand trug.
Bei Stintebüll am Meeresufer stand das Bild des heiligen
Pancratius mit goldenen Pantoffeln. Die stahl ein Dieb , aber
auf dem Meer ergriff ihn ein Sturm und schleuderte seinen
Leichnam an demselben Ufer aus, wo das Bild stand. Daher
das Sprichwort: Pancratius holt seine Pantoffeln wieder.
Müllenhoff, holst. Sagen Nr. 158.
Schwalben.
Nach schwedischem Volksglauben zwitscherten die Schwal-
ben bei der Kreuzigung des Heilands voll Mitleid: Hugswala^
swala, swala hom^ tröste, kühle, kühle ihn; deshalb sind sie
dem Volke heihg. Afzelius , schwedische Volkssagen HI. 243.
— Eine gute Bedeutung haben die Schwalben auch in den
Legenden. Der heilige Einsiedler Gutlach w^ar immer von
ihnen umgeben. Auch der heilige Franciscus von Assisi be-
fahl ihnen einmal , stille zu schweigen und seine Predigt zu
hören, und sie hörten ihm andächtig zu. Dasselbe berichtet
die Legende vom heiligen Aldelrandus und Gandolphus.
Schwan,
Attribut der Heiligen Cuthbert, Lutger und Hugo, weil
sich zu diesen ein wilder Schwan gesellte und ihnen diente.
— Ein Schwan aus dem Paradiese soll einmal über Henoch
geflogen seyn und eine Feder aus seinem Flügel haben fallen
lassen, mit welcher Henoch sein apokryphisches Buch schrieb.
i
\
Schwebet!. 35S
Schwarz,
Farbe der Nacht, Negation des Lichts, mithin Sinnbild und
Farbe des Teufels. Die Hölle ist ewige Nacht, nur erhellt
durch die Flammen der Qual. Der Teufel ist durch und
durch schwarz , so weit er nicht andere Farben braucht , den
Menschen zu betrügen. — Als Negation des Lichts wurde
Schwarz auch zur Farbe des Todes und der Trauer über den
Tod, jedoch mit Einschränkung. Die ältesten Christen gaben
(Binterim , Denkw. VL 3. 407.) ihren Todten weisse Kleider,
wie sie einst erscheinen sollten als Gerechte beim Weltgericht.
Die schwarze Kleidung erweckte ihnen die Besorgniss, mit
dem Tode sey alles Leben erloschen, aus und vorbei. Das
Schwarz schien ihnen die Hoffnung der Auferstehung und
himmlischen Reinheit aufzuschliessen. Daher ist auch die
schwarze Trauertracht nur auf die Verlassenheit der Hinter-
bliebenen zu beziehen und als blosse Familienklage zu ver-
stehen, keineswegs darf die schwarze Farbe auf den Todten
bezogen werden.
Schweben.
Heiligkeit, zumal die heilige Ecstase entbindet von den
gewöhnlichen Gesetzen der Natur, auch vom Gesetz der
Schwere. Daher das Wandeln der Heiligen trocknen Fusses
über das Wasser. Daher auch das freie Schweben vieler
Heiligen in der Luft, ein Sicherheben gleich dem Herab-
schweben der Engel. Frei in die Luft erhoben wurden wäh-
rend des Betens der heilige Albert, Bernhard, Dominicus,
Franz Xaver , die heilige Agnes von Böhmen , die ' h. Luit-
gardis , die h. Therese. Als der h. Franciscus von Assisi und
die h. Klara einmal im Gebet einander gegenüber knieten,
wurden beide in dieser Stellung in die Luft erhoben. Der
h. Petrus von Alcantara war besonders berühmt wegen seines
Freischwebens in hoher Luft. Vgl. Görres, Mystik H. 515 if.
Mendel, Christi. Symbolik. II. 23
^ Schwein.
Die gedachten Heiligen sind auf Kirchenbildern durch ihr
Schweben gekennzeichnet.
Schwein,
Personification der Bestialität überhaupt, der äussersten kör-
perlichen Unreinigkeit im Gegensatz gegen die höchste sittliche
Reinheit , daher Sinnbild der in Sinnenlust verthierten Götzen-
diener, aber auch eine stereotype Gestalt der unreinen Geister
(Teufel) und der Verdammten.
Nach Psalm 80, 14. verwühlen wilde Säue den Weinberg
des Herrn, Sinnbilder der Wollust, Roheit und Gewalt.
Nach den Sprichwörtern Salomo's 11, 22. gleicht ein Weib
ohne Zucht einer Sau mit goldnem Halsband. Nach Steills
Ephemeriden H. 109. erschien einem Schwelger eine unge-
heure Heerde Schweine , vor der er sich nicht mehr zu retten
wusste. Die Erscheinung verschwand und er bekehrte sich.
Dem heiligen Antonius erschien der Teufel in Gestalt eines
Schweins, Sinnbild der Sinnlichkeit, die er überwand. Dem
Grafen Raymund von Gascogne erschien nach Froissards Be-
richt der Teufel als eine grosse, hagere und unfläthige Sau,
so grausenhaft , dass seine Hunde vor ihr flohen und er selbst
vor Entsetzen starb. — Sepp (Heidenthum I. 411.) bezieht
das Wort: „Man soll die Perle nicht vor die Säue werfen'^
auf die Götzendiener. Es lässt mannigfache Deutung zu.
Der Grundgedanke bleibt aber, die Diener des göttlichen
Wortes sollen es nicht missbrauchen und gemein machen zur
Schadenfreude seiner Feinde.
Was die Erklärer bisher nicht beachtet haben, aber hier
am meisten in's Gewicht fällt, ist die Verdammniss, die sich
an das Schwein knüpft. Gerade in dem Umstände, dass es
Symbol zugleich der Sünde und der Verdammniss, der Ur-
sache und Wirkung ist, liegt ein tiefer Sinn. Christus
verdammt die unreinen Geister, in die Säue zu fahren.
Matth. 8, 28. Auf einem altchristlichen Bilde befinden sich
in einem Schiffe voll Seelen Verstorbener auch Schweine.
Schweisstuch. 355
dC Agincourt , sculptures^ tah. 29. Offenbar als Verdammte. In
einer guten alten Legende , die uns Wendunmuth IV. Nr. 287.
aufbewahrt, kommt der Teufel als Schwein zu einem Hei-
ligen, um ihn zu necken. Der Heilige aber erkennt ihn
wohl und ruft ihm zu: „Schäme dich, der du als Lucifer
einst der schönste Engel warst und jetzt zum Schweine ge-
worden bist.'^ Tiridates, König von Armenien, wollte die
heilige Jungfrau Ripsime verführen und Hess sie , da sie sich
weigerte, grausam hinrichten. Dafür wurde er nach der
Legende bei Nicephorus VIII. 35. in ein Schwein verwandelt.
Der verlorne Sohn in der Parabel musste, nachdem er alles
Gut in Lüderlichkeit vergeudet, die Schweine hüten. Das
hat denselben Sinn, seine Werke folgten ihm nach. Die
Früchte seiner Laster umgaben ihn als Schweine. Hiebei ist
noch zu bemerken , dass auch schon auf altägyptischen Wand-
bildern bei Darstellungen des Todtengerichts die Seele eines
Verdammten die Gestalt eines Schweines hat. Wimmer, Ge-
mälde von Afrika IL 382.
Wenn gleichwohl in der Legende auch Schweine vor-
kommen, die sich vor den Heiligen beugen, so wird damit
nur die Macht der Heiligkeit in einem hohen Grade ausge-
drückt. So heisst es in Gumppenbergs marian. Atlas 1. 87,
ein Schwein sey vor einem im Gebüsch verborgenen Marien-
bilde niedergekniet und habe dadurch zur Entdeckung des-
selben geführt. Ein Eber, der im Amphitheater gegen den
heiligen Andreas losgelassen wurde, wich vor demselben
scheu zurück. Ein von Jägern verfolgter Eber floh zum
heiligen Einsiedler Emilion und suchte seinen Schutz, daher
er Attribut dieses Heiligen geworden ist.
Schweisstuch.
Nach der Legende reichte die heilige Veronica , Matrone
zu Jerusalem , dem Heiland auf seinem schweren Gange nach
Golgotha ihr Tuch, dass er sich Schweiss und Blut abtrocknen
konnte, und siehe, es bildete sich davon unverzüglich sein
23*
856 ^chwdisstuch.
Angesiclit in dem Tuche ab. 4. Februar. Einige glauben,
sie sey das blutflüssige Weib gewesen, welches durch ihren
Glauben geheilt w^orden , daher die Weiber sie in allen Men-
strualleiden anrufen. Das Tuch kam mit Titus nach Rom.
Titus selbst soll durch den blossen Anblick desselben vom
Aussatz geheilt worden seyn. Nach Andern brachte es die
heilige Veronica selbst nach Rom und heilte damit den kranken
Tiberius. Das Tuch ist in St. Peter aufbewahrt und wird dem
Volke jährlich einmal gezeigt. — Man hat den Namen der
Heiligen durch vera icon (das wahre Bild unsers Heilands)
erklären wollen. Vgl. W. Grimm, Christusbilder S. 5.
In den Kirchen wird das Schweisstuch mit dem Kopf
insgemein auf die Rückseite der Predella ( AltarstafFel) , meist
schwebend von Engeln getragen , gemalt. Beim Umgang um
die Altäre wird das Bild berührt und ein Kreuz vor die
Stirn gemacht.
Die Veronica kommt einigemal auf grössern Darstellungen
der Kreuzschi eppung vor. Noch öfter wird sie gemalt, wie
sie das Tuch mit dem Kopf emporhält. Das reizendste
Bild der Heiligen in dieser Art ist das bewunderte Werk
des Kölner Meisters Wilhelm , ehemals in der Boissereeschen
Sammlung, jetzt in München (Kunstbl. 1833, S. 39. Passa-
vant, England 408.). Einer schönen Veronica mit dem
Schweisstuch von Hemling in Brügge gedenkt Schnaase in
den niederl. Briefen S. 354. Einer von Albri in Madrid
Viardot 17.
Nach einer Sage bei Beda opp. HI. p. 365. Colon. 1688
wurde das heilige Schweisstuch nach der Auferstehung Christi
von einem Juden gestohlen. Als er starb, Hess er seinen
beiden Söhnen die Wahl, welcher das Tuch, welcher das
übrige reiche Vermögen erben wolle. Der nun das Geld
nahm, wurde arm; der aber das Tuch behielt, reich. Später
entstand unter den Erben Streit über das Tuch, und der
Chalif Moawia befahl, seine Echtheit und wem es gebühre,
durch's Feuer zu erproben. Man legte es also in's bren-
nende Feuer. Da flog es auf und einem frommen Christen
Schwert. 357
in den Schooss. Seitdem wurde es in Jerusalem aufbewahrt
und hochverehrt.
Schwere.
Dante sah in der Schwere das Princip der Materie über-
haupt, mithin auch des Bösen. Darum versetzte er den
Lucifer in den Mittelpunkt der Erde, in den Schwerpunkt
aller Anziehungskraft. Im Himmel sah er dagegen überall
nur leichtes und immer leichteres Bewegen und Schweben,
je reiner die Geister, um so freier durchdringen sie Raum
und Zeit, ohne irgend von einem Band der Schwere mehr
gehalten zu seyn. — Inzwischen ist das nicht die Voraus-
setzung in der Legende. Hier erscheint nämlich die Heilig-
keit als ein Princip, welches schlechthin über alle Naturgesetze
erhoben und von ihnen frei ist, so zwar, dass die Heiligkeit
nicht blos gegen das gewöhnliche Naturgesetz die Schwere
zu überwinden, sondern auch hervorzubringen vermag. Die
Heiligen machen sich nicht nur leicht , sondern auch zuweilen
schwer. Die Leiche des heiligen Wenzeslaus wurde, indem
man sie zum Begräbniss trug, unterwegs vor einem Kerker
so schwer, dass man sie durch keine Gewalt mehr weiter
bringen konnte, bis alle Gefangenen aus jenem Kerker frei
gelassen wurden. Da wurde auch der Sarg des königlichen
Heiligen wieder ganz leicht. — Agnes von St. Angelo, Schwe-
ster der heiligen Clara , der Freundin des heiligen Franciscus
im 13ten Jahrhundert, wurde aus dem Kloster St. Angelo
gerissen, um wider ihren Willen zu heirathen. Als sie aber
einen Fluss überschreiten sollte , wurde sie , trotz ihrer zarten
Gestalt, so schwer, dass Niemand sie von der Stelle bringen
konnte. Da musste ihr grimmiger Oheim ihr die Rückkehr
in's Kloster gestatten. Helyot VH. 214.
S 0 h w e r t ,
Sinnbild der göttlichen Allmacht und Gerechtigkeit, im alten
Testament auch sehr oft des göttlichen Zorns, Das Schwert
358 Schwert.
des Herrn ist trunken vom Blut seiner Feinde und frisst ihr
Fleisch. 5. Mos. 32, 42. Jesaias 34, 5. 66,16. Ezechiel 21, 5.
Dasselbe Schwert reicht von der Erde bis zum Himmel und
häuft um sich die Todten. Buch der Weisheit 18, 16. — Auch
Christus spricht: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zubrin-
gen, sondern das Schwert." Matth. 10, 34. In der Offen-
barung Johannis geht ihm ein Schwert aus dem Munde, was
unzähligemal gemalt ist. Jedoch ist auf vielen Bildern das
Schwert nur gegen die Verdammten gerichtet, daneben aber
geht eine Lilie aus seinem Munde und richtet sich gegen die
Seligen. Vgl. den Artikel Lilie. Auf einem Bilde im Klo-
ster Heilsbronn führt Gott der Vater beim Weltgerichte das
Schwert, der Sohn aber hält ihn bittend auf, während der
heilige Geist als Taube auf der Schneide des Schwertes sitzt.
Waagen, Kunst in Deutschland I. 304. Eine etwas zu ge-
wagte und der Würde der heiligen Dreieinigkeit nicht ganz
angemessene Auffassung. — Vom Schwerte der Gerechtigkeit
in Gottes Hand abgeleitet sind alle Schwerter der Würge- und
Strafengel. Vgl. den Artikel Michael.
In der Brust der Gnadenmutter hat das Schwert nur die
Bedeutung des Schmerzes. „Ein Schwert wird durch deine
Seele gehen," sagt der alte Simeon zu ihr bei Lucas 2, 35.
Dieses Schwert wird oft in ihrem Herzen steckend gemalt,
auch statt des einen sieben Schwerter, um ihre sieben
Schmerzen zu bezeichnen.
Als Attribut der Heiligen bedeutet das Schwert immer
die Enthauptung, durch welche die betreffenden Heiligen das
Martyrium erlitten. Doch wird damit beim heiligen Apostel
Paulus nicht blos das Martyrium, sondern auch das Schwert
des Geistes, die Ritterlichkeit seines Glaubens ausgedrückt.
Darum führt Paulus auch auf manchen Bildern zwei Schwerter.
Das Schwert als Attribut der Enthauptung führen: St. Ale-
xander, Anthemus, Artemius, Cajus, Constantius, Cornelius,
Cyprianus, Desiderius, Evaristus, Evasius, Felix, Firmius,
Flavianus, Gereon, Irenäus, Martinus, Pancratius, Sixtus,
Stanislaus, Urbanus, Victor und viele Andere. Ein Schwert
Scorpion. 350
im Kopf: Petrus Martyr und Thomas Beket; im Halse:
St. Aquilinus und Lucia ; in der Brust : St. Accursius , Euphe-
mia, Placida, Sophronia. Zwischen den Zähnen : St. Juvenalis.
Ein Schwert durch die Bibel gestossen, ohne sie zu verletzen,
ist Attribut des heiligen Bonifacius. — Zwei Schwerter durch-
stechen den Bischof Friedrich von Utrecht. — St. Abdon und
Senon sind zwei Märtyrer, die mit demselben Schwerte hin-
gerichtet wurden , daher man sie auf Gemälden gemeinschaft-
lich ein Schwert halten sieht und daran erkennen kann. Eben
so das weibliche Paar St. Elenara und Sponsaria.
Zwei Schwerter kreuzweis durch die Hand gestossen
kennzeichnen den heiligen Franciscus, den Bruder Pacifico
vor seiner Bekehrung mit diesem Zeichen in einer Vision
erblickte. Ozanam, Franziskanerdichter S. 107.
Scorpion,
Sinnbild des Bösen, sofern es weh thut, giftig und beissend
zugleich, der teuflischen Qual. „Ihre Qual war wie eine Qual
vom Scorpion." Offenb. Joh. 9, 5. Rehabeam drohte den
Juden: „Mein Vater hat euch mit Geissein gestrichen, ich
aber werde euch mit Scorpionen streichen." Hier sind scharfe
Geissein mit eisernen Spitzen gemeint, die aber nur wegen
der grossen Qual , die sie verursachen , und wegen der Krüm-
mung Scorpionen hiessen. 1. Kön. 12, 11. Die Gestalt des
Scorpions gehört zu denen, die bei Teufelsfrazzen angewandt
werden. Biesenhaft in der Hölle der Juden, Eisenmenger
n. 345. Ein Teufel entweicht in Scorpionsgestalt aus einem
Besessenen. Bathgeber, Gothaisches Museum S. 231. — Ein
Scorpion ist Attribut des Franciscus von Fabriano, der einen
solchen im Abendmahl trank, aber durch eine Ader wieder
herausliess (16. Mai). — Die Stelle bei Lucas 11, 12: „So er
um ein Ei bittet, der ihm einen Scorpion dafür böte," ist
wahrscheinlich durch die eirunde Form der im Süden oft
schon sehr grossen Scorpione zu erklären. Vgl. Rosenmüller,
Morgenland V. 184. Der Gegensatz ist sehr schön. Im Ei
360 St. Sebastian.
schlummert das Leben, daher es Sinnbild nicht nur der Ge-
burt, auch der Wiedergeburt ist (Osterei). Im Scorpion
dagegen einigt sich der bittere Tod mit dem Gift der Hölle,
der Bosheit des Teufels.
St. Sebastian,
ein römischer Jüngling , den Kaiser Diocletian sehr lieb hatte,
aber als Christen hinrichten und zwar nackt an einen Baum
gebunden mit Pfeilen erschiessen Hess , 20. Januar. Das Volk
glaubt, dass an diesem Tage der Saft in die Bäume trete,
weil er vom Blut des Heiligen warm werde. Zur Erinne-
rung an den Baum des Lebens, der ohne das Blut Christi
und der Heiligen nicht hätte wachsen können. Vgl. den
Artikel Baum. Deshalb ist der heilige Sebastian am Baum
ein Nachbild Christi am Kreuz und verhält sich zu Christo
in der Kirchensymbolik und Malerei, wie St. Barbara zur
Maria. Daher auch die grosse Verbreitung seines Namens
und Cultus. — In den letzten Jahrhunderten hat freilich ein
sehr unheiliges Motiv die häufige Darstellung seiner Marter
veranlasst. Indem die Maler immer tiefer in die heidnische
Empfindungsweise versanken, trachteten sie heidnische Nudi-
täten in die keusche Kirche Gottes einzuführen, und Seba-
stian, ein nackter Jüngling in der Blüthe des Lebens, schien
ihnen vorzugsweise geeignet, ihre Meisterschaft im schönen
Fleisch zu zeigen.
Sechs,
eine heilige Zahl. Gott schuf die Welt in sechs Tagen und
ruhte am siebenten. Daher der jüdische Glaube, die Welt
werde sechs Jahrtausende der Arbeit haben, denen dann das
siebente als das der Ruhe, als das sogenannte tausendjährige
Reich folgen werde. Vgl. den Artikel Reich. — Am sechsten
Tage wurden die Menschen geschaffen ; in der sechsten Stunde
sollen sie gesündigt haben; daher knüpft sich auch die Er-
lösung an die Sechszahl, denn im sechsten Monat fand die
Seele. ^ 361
Verkündigung Mari'ä und in der sechsten Stunde der Tod Jesu
statt, und auch die Himmelfahrt Maria wird am sechsten
Tage angenommen. Vgl. Kornmann ^ mons Veneris p. 96. —
Die Sechs wird auch durch den griechischen Namenszug
Christi ^<; ausgedrückt, gewöhnlich ^ . Die sechs Flü-
gel der Seraphim, die Gegenüberstellung von je sechs Pro-
pheten, Aposteln, Sibyllen etc. haben w^eniger in der Zahl
Sechs, als in der Verdoppelung der heiligen Drei und in
der Theilung der heiligen Zwölf ihre Bedeutung. Herkömm-
lich sind sechs Weinkrüge bei der Hochzeit zu Cana.
Die Zahl 666 in der Offenbarung Johannis 13, 18. hat
eine schlimme Bedeutung als die „Zahl des Thiers'^ oder des
Antichrist. Ich halte nicht für nöthig, die unzähligen Er-
klärungsversuche hier zu registriren. Eine gute Uebersicht
enthält Züllich, Offenb. Joh. IL 233 f. Alle diese Erklä-
rungen gehen von einem einseitigen Standpunkt aus, haben
nur eine gewisse Periode der schon vergangenen Weltge-
schichte im Sinne oder sind ketzerisch und in absichtlicher
Feindschaft gegen die Kirche ausgeklügelt. Man darf wohl
einfach bei der Grundbedeutung der Sechszahl stehen bleiben,
welches ist die Zahl der vollendeten Arbeit und des Maasses,
in dem zugleich die Sünde voll wird, die also auch auf das
Weltende und den Antichrist am besten passt. Dreimal sechs
aber ist eine Potenzirung, die sich zum dreimal Sieben der
höchsten und reinsten Geisterwelt (Dreieinigkeit und sieben
Geister Gottes) verhält wie der Septimenaccord zur Octave,
der Nächste am Heiligen als der dem Heiligsten Feindseligste.
Der Antichrist in dieser dreimal unheiligen Zahl entspricht
als der Letzte dem Lucifer als dem Ersten. Zwischen Beide
erscheint das ganze Uebel dieser Welt eingerahmt.
Seele.
Auf Kirchenbildern des Mittelalters wird die Seele, ge-
trennt vom Körper, vor der Geburt (auf Bildern der
Verkündigung) oder nach dem Tode (beim Tode Maria, der
B6S Seele.
Schacher am Kreuz etc.) durchgängig in Gestalt der kleinen,
nackten, geschlechtslosen Kinder dargestellt. Vgl. den Ar-
tikel Kind. Ausnahmsweise tritt in dem handschriftlichen
chron. Zwifalt. der Stuttgarter Bibliothek pag. 56 aus der
todten Maria die Seele als Kopf und Spiegelbild des todten
Kopfes hervor. — In den allegorischen Werken des 16ten
und 17ten Jahrhunderts, in denen das Verhältniss der mensch-
lichen Seele zu Christo wie ein Roman zweier Liebenden
aufgefasst zu werden pflegte, nahm die christliche Seele so
ziemlich das Wesen der griechischen Psyche aus dem be-
kannten Gedicht des Apulejus an. Ein geistliches Schauspiel:
Psyche schrieb in diesem Sinn der Dichter Birker im ITten
Jahrhundert. Das schönste christliche Gedicht dieser Art sind
die 'pia desideria von Hugo, Antw. 1624. Doch auch schon
viel früher kommen Gedichte und Schauspiele von der
„minnenden Seele" vor. Vgl. Mone, Schauspiele des Mittel-
alters I. 131. Christus ist hier immer der himmlische Geliebte,
die Seele die irdische Liebende, er vollkommen und rein,
daher auch ruhig und fest, sie dagegen schwach, thöricht,
eifersüchtig, unruhig und voll Fehle, aber auch voll Reue.
Das eigentlich älteste Vorbild dazu ist das Hohelied Salomonis,
aber in der Zeit der Renaissance wurde je mehr und mehr
der Roman des Apulejus, die Liebe zwischen dem himm-
lischen Amor und der irdischen Psyche maassgebend.
Auch der „verlorne Sohn" ist Personification der irrenden
Seele. Nicht minder der Ritter, der sich in den „Venusberg"
locken lässt. Prüfungsreisen der Seele durch die Welt siehe
V. Schack, dramatische Lit. der Spanier H. 403. 500. In
andern Dichtungen und Bildwerken kommt die Seele als eine
arme Bettlerin vor, mager, verhungert und in Lumpen, im
Gegensatz gegen den Leib, der in Gestalt eines Esels fürst-
lich gepflegt, verehrt und geliebkost wird. Eicones mysticae
Oraeij Francof. 1620. Aehnlich in einem altdeutschen Gedicht,
handschriftlich zu Gotha. Rathgeber, Annalen 58. In Höllen-
bildern bekommt die Seele zuweilen Thiergestalt, entsprechend
dem Laster, das zu ihrer Verdammniss führte.
Segen. 363
Die Seele ist das kleine Nachbild der ganzen Menschheit.
Wie diese zwischen Gott und Satan , so steht die vom Körper
scheidende Seele zwischen den Schutzengeln und dem Teufel,
der sie zu entführen trachtet. Wieder insbesondere ist die
Seele das kleine Nachbild des Volkes Gottes im alten, der
Kirche im neuen Bunde. Namentlich die Braut des Hohen-
liedes wird bald im Grossen als Kirche , bald im Kleinen als
Seele aufgefasst.
Die Eigenschaften der christlichen Seele sind wesenthch
Schwäche, Uebereilung und Sünde, Rettungs- und Erlösungs-
bedürfniss , Demuth und Hingebung an Gott. Auf Irren und
Bereuen und Zurückgeführt- und Erlöstwerden durch eine
höhere Hand läuft hier Alles hinaus , indem von vorn herein
die Hoffahrt der „eigenen Gerechtigkeit^ ausgeschlossen bleibt.
Erst eine ganz dem christlichen Glauben entfremdete Zeit
konnte, indem sie Gott leugnete, den Menschen als das
höchste Wesen von jeder Erlösungsbedürftigkeit emancipiren.
Segen.
Der Segen wird im Namen Gottes ertheilt, also auch
mit Ehrfurcht vor Gott, daher stehend und mit entblösstem
Haupte. Der allgemeine Segen, Vielen zugleich ertheilt, wird
durch eine Bewegung der Arme und Hände in der Luft ge-
geben; der persönliche Segen, dem Einzelnen ertheilt, durch
unmittelbares Auflegen der Hände auf den Kopf, wobei der
Gesegnete kniet. Der allgemeine Segen wurde im mosaischen
Ritus durch Ausstrecken beider Hände ertheilt , 3. Mos. 9, 22.
Auch Christus erhob beide Hände , Lucas 24, 50. Nachher
wurde der Segen mit einer erhobenen Hand üblich , und zwar
segnet der Priester in der griechischen Kirche, indem er mit
den Fingern den Namenszug Jesu Christi nachbildet durch
den geraden Zeigfinger (I), den gebogenen Mittelfinger
(C — S), den gekreuzten Daumen und Goldfinger (X) und
den gebogenen kleinen Finger (C = S), d. h. JS CHS.
Der römische Priester dagegen segnet, indem er den Daumen,
364 Seidenwurm.
Zeige - und Mittelfinger gerade in die Höhe streckt , die zwei
letzten Finger aber einschlägt, zu Ehren der Dreieinigkeit.
Binterim, Denkw. YJI, 2. 330 f. Vgl. den Artikel Hand.
Seidenwurm.
In einem altdeutschen Marienliede wird das Christkind
im verschlossenen, jungfräulichen Leibe der Maria mit dem
Seidenwurm verglichen, der in einem undurchdringlichen
Seidengespinnst verborgen lebt. Haupt, Zeitschrift VHI. 280.
S en f k or n,
ein kleiner Same, aus dem ein grosses Kraut wächst, daher
bei Matthäus 13, 31 f. das Himmelreich mit dem Senfkorn
verglichen wird, welches als der kleinste aller Samen zu
einem grossen Baume gedeiht, unter dem die Vögel des
Himmels wohnen. Die Vögel bedeuten Seelen, ein Baum
mit Vögeln kommt in den Dichtungen des Mittelalters sehr
oft als Sinnbild des wiedergewonnenen Paradieses, mit den
Seelen der Seligen vor. Unter dem Baum aber ist der Baum
des Lebens gemeint. Vgl. den Artikel Baum. Der Ueber-
gang von der Kleinheit zur Grösse aber bezieht sich auf das
Wachsthum des Heiles in den Menschen , auf das Wachsthum
der Kirche vom kleinen Anfang. Auch ist darin die Distanz
zwischen der Krippe zu Bethlehem und dem über allen
Himmeln thronenden Lamme der Offenbarung Johannis aus-
gedrückt. — Muhamed verglich das Senfkorn mit dem mensch-
lichen Herzen, in dem, wie klein es immer ist, doch der
unendliche Gott wohnen kann. Tholuk, Blüthensammlung
S. 201. Eine muhamedanische Deutung, die auch der Christ
gelten lassen muss.
Sense,
Sinnbild des Abmähens, also des Todes, wie die Sichel.
Daher Attribut des Todes auf Grabmälern, Häufig erscheint
Sibyllen. 365
der Tod als Gerippe , eine Sense in der Hand. — Auf einem
Bilde zu Padua führt Christus beim Weltgericht eine Sense
in der Hand. Kunstbl. 1838. S. 50. Nach der Offenbarung
Johannis 14, 4. soll es nur eine Sichel seyn. — Die Sense
ist Attribut des heiligen Albert von Ogna, der einmal als
Arbeiter in der Erndte einen Stein, den ihm boshafte Leute
hingelegt hatten, mit der Sense leicht durchschnitt.
Seraphim,
nach Jesaias 6, 2. über dem Thron des Herrn stehende Engel.
Jeder hat sechs Flügel, zwei, um damit das Antlitz, zwei,
um damit die Füsse zu bedecken, und zwei, um damit zu
fliegen. Es sind also, wie andere Engel, wirkende Kräfte
Gottes gemeint. Das Sichbedecken aber erklärt sich aus der
morgenländischen Sitte, sich vor dem Herrscher aus Demuth
zu verhüllen. Gesenius, Commentar zu Jesaias I. 258. Die
Verhüllung kann aber auch in dem Sinn verstanden werden,
wie die „Wolke im Heiligthum" als das Geheimnissvolle der
Gottheit. Man hat sich Mühe gegeben , den Namen mit dem
ägyptischen Serapis in Verbindung zu bringen, was aber
völlig unzulässig ist, da die mosaischen Engel principiell von
den heidnischen Göttern der Aegypter verschieden sind , was
immerhin Aehnliches auch in ihren beiderseitigen Flügelattri-
buten oder auch in ihren Gewalten und Heilkräften liegen mag.
Sibyllen.
Wie das ganze alte Testament nur die Vorbereitung zum
neuen war, so weisen namentlich alle Propheten mit grösster
Bestimmtheit auf den kommenden Messias hin. Sie entzün-
deten gleichsam die Morgenröthe, aus welcher die neue Sonne
hervortrat. Getrennt und unabhängig von ihnen machte sich
aber jener geheimnissvolle Zug zum Christenthum auch im Hei-
denthum geltend, aber hier viel bewusstloser und verborgener.
Nur wie im magnetischen Schlafe träumen die heidnischen
866 Sibyllen.
Sibyllen von dem fernen, fremdartigen Reiche Gottes, das
auf Erden erscheinen soll.
Sie stehen als Thürhüterinnen an der Schwelle des Chri-
sten thums, als Vertreterinnen der Ahnung des Christlichen
im Heidenthum, neben den Propheten, als den Vertretern
der christlichen Offenbarung im Judenthmn. Schon der Ge-
schlechtsunterschied drückt diesen Gegensatz sehr passend aus.
Die Heiden kannten schon längst Sibyllen, ohne alle
Beziehung auf das Christenthum , als Seherinnen, Verkün-
derinnen der Zukunft. Man hat den Namen abgeleitet von
Jabulah (Trägerin) oder Kibil (empfangen), und mit Kabbalah
und der alten Göttin Kybele in Verbindung gebracht. Der
Sinn ist immer: das Weibliche, welches göttliche Eingebungen
empfängt und mittheilt.
Varro nahm (bei LactantiuSy div. inst. I. 6.) zehn Sibyllen
an: 1) die persische, 2) die libysche, 3) die delphische, 4) die
kimmerische, 5) die erythräische , 6) die samische, 7) die
cumanische, 8) die hellespontische, 9) die phrygische, 10) die
tiburtinische. Dieselben Namen nennt auch der Scholiast des
Plato (Phädrus, ed. Bekher IL 315.). Vgl. Photius, quaest.
amphil. 160. in Montfaucon^ bibl. Coislin. p. 347. Mai^ script.
vet. nov. collect. I. praef. XXXVIII. Suidas kennt die zehn
Sibyllen auch, s. v. Eben so der heilige Hieronymus, adv.
Jovianum I. 14. — Aelian, var. hist. XII. 35, nimmt zwar
nur vier Sibyllen an, sagt aber. Andre nehmen zehn an. —
Pausanias, X. 12, lässt nur vier, Solinus, IL 10, nur drei,
Martianus Capeila, II. 159, nur zwei, Plinius, Natarg. VII. 33.
XIII. 27, nur eine gelten. Was diese Sibyllen für das äl-
tere Heidenthum geleistet, so wie die berühmten sibyllinischen
Bücher in Rom, die alle Weisheit der Zukunft in sich ent-
hielten und bei denen man in böser Zeit Rath zu holen pflegte,
gehen uns hier nichts an.
Unter den zehn genannten Sibyllen aus rein römischer
Erinnerung steht die tiburtinische in nächster Beziehung zum
Christenthum und erlangte bei weitem den grössten Ruhm.
Das ist die Sibylle, die, von Kaiser Augustus um die Zukunft
Sibyllen. 367
befragt, demselben in einer Vision die Gnadeiwnutter mit dem
göttlichen Kinde zeigte, in der Stunde, in welcher Christus
geboren wurde. Legenda aurea, cap. 6. de nativ. Dominu
Vgl. Piper, christl. Mythol. I. 480, und unsern Artikel Ära
coeli. Diese Sibylle heisst Albunea.
Jene zehn Sibyllen der Römer wurden aber aus der
jüdischen und orientalischen Erinnerung ergänzt, und ins-
besondere wurde unter den drei Sibyllen, die desfalls im
Mittelalter den älteren zehn noch hinzugefügt wurden, die
Königin von Saba hervorgehoben. In einem altdeutschen
Schauspiel steht sie ausschliesslich als Vertreterin des Heiden-
thums dem König Salomo , als dem Vertreter des Judenthums
gegenüber, beide aber weisen auf den Heiland hin, sie als
Sibylle, er als Prophet. Mone, Schauspiele des Mittelalters
I. 307. Diese Königin von Saba hat auch grosse Bedeutung
in der Legende vom heiligen Kreuz. Vgl. d. Artikel Kreuz.
Sie heisst bei den Muhamedanern Balkis, als dreizehnte Si-
bylle Nichaula.
Diese beiden Sibyllen, die abendländische und morgen-
ländische, bilden die Anhaltspunkte der ganzen Sibyllenschaft,
wie sie in die christliche Legende und Kunst eingetreten ist.
In dem altdeutschen Volksbuch „Von der Sibyllen Weis-
sagung'^ ist ihre Legende und das Typische ihrer Kleidung
und ihrer Attribute schon vollkommen ausgebildet. Die ihnen
zugeschriebenen Weissagungen ' in griechischen Hexametern
sind 1852 von Friedlieb , Professor in Breslau, in's Deutsche
übersetzt worden.
Wir gehen nun die einzelnen Sibyllen durch:
1. Die persische Sibylle — Sambethe, nach dem
Scholiasten des Plato und Suidas auch die chaldäische ge-
nannt, soll schon mit in der Arche und eine Schwiegertoch-
ter des Noah gewesen seyn, wodurch das Sibyllenthum oder
heidnische Prophetenthum in gleiches Alter und gleiche Be-
rechtigung gesetzt wird mit dem aus Sems Greschlecht erwach-
senden jüdischen Prophetenthum. Ihrer Prophezeihungen
auf Christum gedenkt Augustinus de civ. Lei 8. Im alten
368 Sibyllen.
Volksbuch von der Sibyllen Weissagung ist sie charakterisirt
durch den goldnen Schleier. Auf altfranzösischen Bildern
trägt sie eine Laterne (als Verkünderin des Lichts). Didron,
man. p. 152. Michel Angelo malte sie in der sixtinischen
Kapelle als die älteste Sibylle auch sehr alt, doch immer
noch als ein mächtiges hohes Weib. Dagegen malte sie
Guercino auf dem Capitol voll Lieblichkeit. Eben so Guido
Reni in Florenz (Kunstblatt 1836. S. 86.) und in England
(Waagen IL 220.) Memling malte sie im flämischen Costüm
zu Brügge. Viardot 313.
2. Die libysche Sibylle wurde nach dem alten Volks-
buch im himmelblauen Kleide und mit einem Rosenkranz
(um die Jungfrau Maria vorzubedeuten), desgleichen mit einer
Fackel in der Hand gemalt (um Christum, das Licht der
Welt, vorzubedeuten). Andere geben ihr einen Lorbeerkranz
und eine zerrissene Kette (die Bande des alten Judenthums
oder Heidenthums). Ihr Name ist Elissa, was auch der
Name der karthagischen Dido ist. In der That ist sie auf
diese grosse Königin, die zuerst das Licht der Bildung nach
Libyen trug, zurückzuführen.
3. Die delphische Sibylle (Daphne, Herophyle, Manto,
Artemis, Diana) soll Apollopriesterin gewesen seyn und nach
Suidas noch vor Trojas Untergang gelebt haben. Unter dem
Namen Herophyle sagte sie Trojas Ende vorher {Isidor, or.
VIII. 8, also wie Cassandra). Diodor, IV. 68, macht sie zur
Daphne, Apollo's Geliebten, oder Manto, Tochter des Tire-
sias. Clemens Alexandr., ström, I. p. 304, meldet von ihr,
die Musen selbst hätten sie erzogen. Nach ihrem Tode sey
ihr Gesicht in den Mond übergegangen und über ihrem Grabe
seyen Kräuter gewachsen, von deren Genuss die Thiere ge-
wisse Zeichen in den Eingeweiden empfingen , aus denen man
orakle. Nach dem Volksbuch ist sie schwarz gekleidet und
trägt ein Hörn. Das scheint sich auf das Mondliche ihres
Wesens zu beziehen.
Unter den Sibyllen Michel Angelo's in der sixtinischen
Kapelle ist die delphische die jüngste und schönste. Sie ver-
1
Sibyllen. 36d
tritt den schönsten und geistreichsten Cultus im classischen
Alterthum, nämlich den des Apollo. Sie ist der träumerische
Mond neben dieser Sonne der heidnischen Geisterwelt.
4. Die kimmerische Sibylle -wird Demophile, Dei-
phobe, auch Symmachia genannt, heisst öfter auch die cu-
mäische und wird mit der cumanischen verwechselt. Man
gibt ihr einen Blumenkranz in's frei hinabwallende Haar und
einen Lorbeerzweig nebst Buch in die Hand. Ihre Symbolik
und Legende ist nicht ausgebildet. Sie sollte von Rechts
wegen Vertreterin des nordischen Heidenthums seyn, wie die
delphische des Hellenenthums.
5. Die erythräische Sibylle, Herophyle. Nach So-
linus n. 10. und Pausanias X. 12. heisst sie Herophyle und
war Priesterin des Apollo zu Troja; sie lebte aber auch zu
Samos, im Hellespont, zu Delphi und bei den Erythräern, da-
her Pausanias die verschiedenen Sibyllen dieser Orte identi-
ficirt. Martianus Capella H. 159. unterscheidet die troische
Herophila von der erythräischen Symmachia.
Die Attribute dieser Sibylle sind ein schlechtes Kleid
(als Vorbild der Asceten) , ein Himmelsglobus, auf dem ihr
Fuss steht (Verachtung der heidnischen Weisheit), ein Schwert
in der einen., ein Lamm in der andern Hand.
6. Die samische Sibylle, Phyto (nach Suidas) oder
Pytho und Phemonoe, wird als Priesterin dargestellt, auf ein
blosses Schwert tretend , in einer Hand Rosen , in der andern
Dornen.
7. Die cumanische Sibylle (von Cumä) ist für die
Römer die älteste und berühmteste, sofern von ihr die be-
rühmten sibyllinischen Bücher herrührten, die in Rom als
höchste Heiligthümer und Palladien des Staats bewahrt wurden.
Eine viel spätere Sage bei Justinus Martyr, cohort. ad Gr. 37.
p. 33. c, macht sie zu einer Babylonierin und Tochter des
Berosus , die aber nach Italien gekommen sey. Auf sie wird
bezogen, was in der berühmten vierten Ecloge Virgils als
cumäische Weissagung mitgetheilt wird: „Die goldne Zeit
Mendel, christl. Symbolik, 11, 24
870 Sibyllen.
kehrt zurück, und ein neues Geschlecht steigt vom Himmel
herab; ein neugeborner Knabe macht dem eisernen Geschlecht
ein Ende und neu erblüht die Welt."
Nach dem Volksbuch trägt die Sibylle von Cumä ein
goldnes Gewand und ein Buch in der Hand, ein anderes auf
den Knieen. In den Heures et Anne de France die Krippe des
Heilandes. Didron, man. p. 152. Domenichino malte ihr sehr
schönes Bild als Seitenstück zu seinem berühmten Johannes
im Pallast Borghese. Hier blickt sie schwärmerisch zum
Himmel auf.
8. Die hellespontische Sibylle trägt ein Purpurkleid
und in der Hand einen Rosenzweig. Sie soll zu Solons Zeit
geweissagt haben. Nach Suidas. Nach dem Volksbuch ist
sie schlecht und bäurisch gekleidet.
9. Die phrygische Sibylle heisst Phaennis , soll unter
Antiochus dem Grossen gelebt haben. Sie wird sehr jung
gemalt, mit rothem Kleide, in der Hand eine brennende
Lampe und eine Geissei, den Segen und das Leiden des
Heilands zu bezeichnen. Auf dem grossen Glasfenster zu
Notre Dame de Brou trägt sie eine Fahne (der Auferstehung).
Didron ) icon. p. 317.
10. Die tiburtinische Sibylle, Albunea. Die Sibylle
von Tibur, die dem Kaiser August im Augenblick, da Christus
geboren wurde, denselben im Arm der Gnadenmutter in einer
Vision am offenen Plimmel als den künftigen Herrn der Welt
zeigte. Vgl. d. Artikel Ära coeli. Auf einem Bilde von
Hemling ist die Vision des August mit den heiligen drei
Königen sinnig verbunden und auf das Hauptbild der Geburt
Christi bezogen. Die Huldigung des römischen Kaiserreichs
und des gesammten Abendlandes gesellt sich hier zur Hul-
digung der drei morgenländischen Weltreiche , oder Persiens,
Syriens und Aegyptens. Auf einem Bilde des Johann von
Leyden in Wien trägt die Sibylle ein Rosagewand mit grü-
nem Schatten und umher wird die deutsche Reichsfahne
entfaltet.
Sibyllen. Stl
11. Die europäische Sibylle ist nach dem Volksbuch
als Fürstin prächtig gekleidet und hält in der Hand einen
Brief. Wo und wann sie lebte, ist ungewiss.
12. Agrippina, die einzige unter den Sibyllen, welche
schwarz als Mohrin gemalt wird. Da sie zugleich geistreich
und voll Adel ist , erscheint sie als ein sehr poetisches Motiv
für Maler. Man gibt ihr ein Purpurkleid und eine Fackel
in die Hand. Die Fackel der Sibyllen deutet immer auf ihre
Gabe, in das Dunkel der Zukunft hinein zu leuchten. Sie
tragen wie der Morgenstern die Fackel dem Helios, so die
ihrige dem Heiland voran, den sie verkündigen.
13. Nichaula, eine Königin, soll dem König Salomo
von Christo und der Madonna und von der ganzen Welt-
geschichte bis zum Weltende geweissagt haben. Sie ist, nur
unter anderm Namen, die berühmte Balkis, Königin von Saba.
Die älteren Quellen kennen sie nicht. Sie ist mit den beiden
vorletzten Sibyllen erst später im Volksbuch „der Sibyllen
Weissagung" zu den altern zehn hinzugekommen.
Man hat noch zwölf verschiedene W^eissagungen der zwölf
Sibyllen von Christo. Vgl. Mehring S. 425. Sie dienen als
Devisen zu ihren Bildern. Die persische Sibylle spricht:
„Es wird ein lieblicher Fürst, von einer jungfräulichen Mutter
geboren, auf einem Esel reiten, der allen Gefallenen Heil
bringen wird. Nur Er wird die Orakel errathen."
Die libysche Sibylle spricht: „Tage werden kommen,
da der ewige König die fröhliche Saat bestrahlen und alle
Sünde von den Menschen hinwegnehmen wird; denn er wird
seine Glieder niederlegen in den Schooss der Königin der
Welt."
Die delphische Sibylle spricht: „Wonne wird alle Her-
zen durchbeben, wenn der herrlichste aller Propheten ohne
Mann empfangen und geboren seyn wird. Das ist über-
natürlich; doch vermag es auch nur der, der aller Dinge
Herr ist."
Die kimmerische Sibylle spricht: „Eine schöne Jungfrau
wird den Herrn der Heerschaaren mit ihrer Milch säugen
24*
S7ä Sibyllen.
und ein Stern über seinem Haupte leuchten, zu dem die
Weisen wallfahren werden.'^
Die samische: ;,Bald wird der fröhliche Tag die schwar-
zen Schatten verjagen; der Geringste wird die verschlossen-
sten Bücher der Propheten offen sehen und verstehen und
den König der Lebendigen mit eigenen Händen betasten, den
eine Jungfrau gebären wird."
Die cumanische: ^Viel habe ich geweissagt, höret das
Letzte von Allem, was ich sage: Der König, der da Frieden
bringt über die ganze Welt, wird das keuscheste und schönste
Mädchen zur Mutter sich erwählen."
Die hellespontische : „Ich sah eine Jungfrau, hochge-
ehrt vor allen Wesen, weil sie ein hellstrahlendes Kind ge-
bar, das die Welt in Frieden regieren soll."
Die phrygische: „Weil unser Leib von Sünden ist,
sandte Gott sein eignes Kind in den Leib einer Jungfrau,
um allen gehäuften Schlamm der Sünden mit einmal aus-
zufegen."
Die europäische : „Eine Jungfrau wird das ewige Wort
gebären und es wird wandeln über Thäler und Gebirge.
Von den Sternen wird er kommen und der Aermste seyn,
welcher der König der Welt ist."
Die tiburtinische , die Agrippa und die erythräische spre-
chen nur unbedeutende oder ganz ähnliche Dinge.
Wenn auch zuweilen nur im dunklen Umriss, liegen
doch in den Sibyllen die Charaktere der heidnischen Völker
und Zeiten angedeutet, welche die Welt erfüllten und die
Weltgeschichte bildeten vor Christo, und zugleich drücken sie
die Stellung jener Völker und ihres Geistes zum werdenden
Christenthum aus. Diese Symbolik tritt mehr oder weniger
bestimmt hervor zuerst in der persischen oder chaldäischen Si-
bylle, die man nach dem Standpunkt der heutigen Wissenschaft
die arische nennen müsste, sofern sie die Cultur des ältesten
Menschenreichs auf dem Hochland zwischen Indien und Iran
bezeichnet, die uralte Weisheit der Vedas und des Zendavesta.
Die libysche Sibylle, die Karthagerin Elissa mit dem meer-
Sibyllen. 373
blauen Kleid und dem Rosenkranz , der vielleicht den Kranz
der Colonieen am Mittelmeer bedeutet, und mit der zerbro-
chenen Kette, charakterisirt die See- und Handelsmacht der
Phöniker und die erste abendländische Cultur. Die delphische
dann den Apollocultus und alle geistigen Blüthen des Hel-
lenenthums. Die kimmerische in ihrem Blumenkranz und
wallenden Haar (Sinnbilder der Jungfräulichkeit) und mit dem
Lorbeerzweig des Ruhmes die noch rohen, aber sittenreinen
Helden Völker des Nordens. Die erythräische mit den Attri-
buten des Elends, auf die Weltkugel tretend, bedeutet viel-
leicht die Verderbniss der römischen Kaiserzeit, und die sa-
mische mit blossem Schwert die Greuelkämpfe der Völker-
wanderung. Darum folgt ihr als siebente die cumanische,
die auf den Erlöser vom eisernen Zeitalter und Wiederbringer
des goldnen hinweist. Hierauf die wunderbare Erscheinung
der hellespontischen Sibylle bald im Königs-, bald im Bauern-
kleide, aber mit dem Rosenzweige, vielleicht vorbedeutend
die constantinische Zeit, in welcher Byzanz den Purpur be-
zeichnet, die bäuerische Tracht aber die deutschen Völker,
die sich zum Christenthum bekehrten. Die phrygische Sibylle
mit der Fahne entspräche sofort dem bekanntlich von Phry-
gien hergeleiteten jungen Reich der Franken, und die tibur-
tinische dem durch Karl den Grossen neuverjüngten Reich
der Römer, d. h. dem Reich Christi in Rom. Die drei letzten
Sibyllen aber würden folgerecht, die europäische die nun-
mehr gesicherte Herrschaft des Christenthums in Europa, die
schwarze Agrippina die noch zu bekehrenden Welttheile voll
farbiger Menschen, und Nichaula endlich, die sabäische Kö-
nigin, die zuerst dem Vorbild Christi in Salomon nahe trat,
alle heidnische Weisheit der mosaischen vermittelnd, würde
auf die dereinstige geistige Vermählung aller Völker in Christo
hinweisen. Somit wäre ein welthistorischer Cyclus in den
Sibyllen angedeutet, aber auch nur angedeutet.
Aeltere christliche Bilder, welche eine Sibylle darstellten,
sind nirgends aufgefunden worden. Die ganze Vorstellung
ist späteren Ursprungs und gehört eigentlich erst der Zeit
374 Sibyllen.
an, in welcher die christliche Kunst ihrer Vollendung ent-
gegenging. Die Sibyllen erhielten erst ihre grosse Bedeu-
tung für die Kunst , als sie die symmetrische Ergänzung der
alten Propheten wurden. Dazu gehörte aber schon eine gross-
artige Gesammtanschauung der christlichen Symbolik vom
künstlerischen Standpunkt aus.
In folgender Symmetrie stehen sich zu Loretto die Sta-
tuen der Propheten und Sibyllen von della Porta gegenüber,
und zwar:
1) gegen Norden:
Jesaias — die Sibylla Hellespontica ,
Daniel — die Sibylla Phrygia,
Amos — die Sibylla Tiburtina;
2) gegen Westen:
Jeremias — die Sibylla Libyca,
Ezechiel — die Sibylla Delphica;
3) gegen Süden:
Malachias — die Sibylla Persica,
David — die Sibylla Cumana,
Zacharias — die Sibylla Erythräa;
4) gegen Osten:
Moses — die Sibylla Samia;
Balaam — die Sibylla Kimmeria.
Die Auswahl ist ziemlich willkührlich.
Die grossartigste Zusammenstellung der Sibyllen mit den
Propheten findet sich an der Decke der sixtinischen Kapelle
in den berühmten Fresken von Raphael. Beide erscheinen
hier colossal.
Michel Angelo gab ihnen eine übermenschliche Hoheit,
aber mit abstossender Strenge; Raphael machte sie dagegen
zu Idealen der Schönheit und Anmuth. Das Rechte dürfte
in der Mitte liegen. Michel Angelo bildete sie zu wild auf-
geregt ; dieser gar zu wenig aufgeregt. Ihr Antlitz muss stets
Geist strahlen; aber mehr den empfangenen als den eigenen
Geist ; und ihre Seele muss in einer freudigen und schönen
Sibyllen. 375
Aufwallung sich ausdrücken, nicht in wilden Blicken, noch
weniger aber in ruhigem Behagen.
Die Kleidung der Sibyllen darf sich der Nationalität an-
schmiegen, der sie angehören, muss aber einen mehr oder
weniger priesterlichen Charakter haben; doch siiid ihnen her-
kömmlich bunte Farben und etwas Phantastisches gestattet,
um das Heidnische ihres Wesens zu bezeichnen. Ihr Attribut
ist (wie bei den Propheten) eine Schriftrolle , denn sie haben
Bücher hinterlassen. Sehr oft haben sie Zettel mit Sprüchen
bei sich, die aber zu wenig charakteristische Unterschiede
darbieten. Vgl. Piper, christl. Myth. I. 496. In den Htures
d' Anne de France und in altfranzösischen Kirchen tragen die
Sibyllen Attribute der Geburt und Passion Christi, zum Be-
weise, dass sie dieselbe prophezeiht haben, neben allge-
meinen Attributen. Nämlich : die persische trägt eine Laterne,
die libysche eine Kerze, die erythräische eine weisse Rose,
(Verkündigungssymbol) , die cumanische eine Krippe , die sa-
mische eine Wiege, die kimmerische ein Trinkhorn, die eu-
ropäische ein Schwert, die tiburtinische eine Hand (womit
Christus den Backenstreich bekam), Agrippa die Geissei, die
delphische Sibylle den Dornenkranz, die hellespontische das
Kreuz, die phrygische die Siegesfahne (der Auferstehung).
Didron^ man. p. 152.
Die Sibyllen stehen, wie schon bemerkt, auf Kirchen-
bildern oft den Propheten gegenüber. Alsdann haben sie
heidnische Genien über sich, die Propheten aber jüdische
Engel. Piper a. a. 0. I. 368. Auch stehen die einzelnen
Sibyllen in der Reihe gewöhnlich durch antike Säulen von-
einander gesondert, was gleichfalls ihren heidnischen Ursprung
bezeichnet. — Nicht selten dienen die Sibyllen als Karya-
tiden, als lebendige Pfeiler, desgleichen als Randverzierungen,
um die heilige Geschichte einzurahmen. Das, was sie ver-
kündet haben und was wirklich geschehen ist, bildet die Mitte
des Bildes , in den Rahmen aber kommen sie selbst aus dank-
barer Anerkennung. So in Kirchen, so in Miniaturbildern
der alten Evangelienbücher. Wo nicht alle Sibyllen Platz
376 Sichel.
haben, genügt es an zweien, wie an zwei Propheten. Vgl.
Piper a. a. 0. 498. — In dem Triumphzuge Christi von Ti-
tian (gestochen von Andreani) tragen die Sibyllen Fahnen.
Ueberhaupt kommen sie viel häufiger im Gefolge und Um-
kreis gleichsam in ornamentalem Sinn, als in selbstständiger
Bedeutung auf Bildern vor.
Zu den eigenthümlichsten Bildern gehören die Holz-
schnitzereien in dem Thron oder Stuhl des Abtes von Maul-
bronn. Hier hat Christus zwei auf ihn hinweisende Sibyllen
zur Seite, die rechts wächst aus einer Blume, die links aus
einem Löwenkopf hervor, lieber der Sibylle rechts von
Christo schwebt ein gefiederter Vogel mit Teufelsfrazze, über
Christo eine scheusslich gebildete Fledermaus, über der Si-
bylle links ein vierfüssiges Höllenthier. An dem vor dem
Stuhle befindlichen Pult stehen in den beiden Ecken rechts
ein Löwe, links ein Drache, von denen jeder Flammen speit,
die sich in kunstreichen Verschlingungen über das ganze Bild
verbreiten und in der Mitte vereinigen. In diesen Flammen
sitzen wie im Laube Affen, Eidechsen, Vögel etc. Unten
aber nimmt die Mitte ein Jäger mit Armbrust und ein Hirsch
ein und mahnt eine Bandinschrift zur Uebung der Tugend;
der Jäger soll also wohl die Laster erlegen, womit gleichsam
die ganze Welt erfüllt ist?
Sichel,
das Werkzeug der Erndte. Nach der Offenbarung Johannis
14, 14 f. mäht Einer gleich dem Menschensohne mit der
Sichel alles Korn , und ein Engel mit der Hippe allen Wein
von der Erde. Das ist ein Sinnbild des letzten Gerichts,
worin sich die sündige Menschheit, zur Erndte reif, indem
im Korn ihr Leib, im Wein ihr Blut geopfert wird, in einem
grossartigen Bilde, „das letzte Abendmahl des Herrn", ab-
spiegelt. Schon vorbedeutet beim Propheten Joel 3, 18. —
Eine Sichel ist Attribut des heiligen Eusebius, weil ihm mit
einer solchen der Kopf abgeschnitten wurde, und der heiligen
Sieben. 377
Notburga, weil sie als Magd auf dem Felde ihre Sichel an
einen Sonnenstrahl aufhing.
Sieben.
Die Zahl Sieben war schon den ältesten Heidenvölkern
heilig als die sogenannte jungfräuliche Zahl der Pythagoräer,
die aus keiner andern hervorgeht durch Theilung, und als
die sogenannte Pyramidalzahl , in der die Zahlen drei und
vier innig verbunden sind, weil die Pyramide vier Dreiecke
zu Seiten hat. Ferner als die Zahl der Wochentage und
Planeten, deren man bis in's vorige Jahrhundert nur sieben
zählte. Ich will hier nicht alle ausserhalb der christlichen
Symbolik liegenden Beziehungen der Zahl Sieben verzeichnen,
sondern auf christlichem Boden bleiben.
Im alten Testament sind es die sechs Schöpfungstage mit
dem darauf folgenden Ruhetag oder Sabbath, welche die erste
Woche bilden und die Heiligkeit der Siebenzahl zunächst
feststellen. Die Zahl kehrt wieder in der geistigen Schö-
pfung, sofern der heilige Geist sich wesentlich in sieben Ga-
ben vertheilt. Dem entsprechen die sieben Sakramente, die
sieben Bitten des Vaterunsers , die sieben letzten Worte des
Heilands am Kreuz, die sieben Engel (Tobias 12, 15.)? sieben
Tugenden, sieben Himmel. Besonders deutlich tritt die Hei-
ligkeit der Zahl in der Offenbarung Johannis hervor in den
sieben Engeln (8, 6.), Gemeinden (1, 4.), Siegeln (5, 1.), Po-
saunen (8, 2.), Fackeln (5, 4.), was auf den siebenarmigen
Leuchter im Tempel zu Jerusalem hinweist. Dazu die sieben
Freuden und Schmerzen Maria's.
Aber auch das Dämonische äussert sich gerne in der
Siebenzahl. Den sieben guten Geistern stehen sieben böse,
den sieben Himmeln sieben Höllen, den sieben Tugenden
sieben Laster gegenüber. Das Thier mit sieben Köpfen in
der Offenbarung Johannis 13, 1, das Weib, sitzend auf den
sieben Bergen, das. 17, 9, hat gleichfalls die schlimme
378 Siegel.
Bedeutung des weltlichen Reichs, des verderbten Jerusalems
und Roms zur Heidenzeit.
Etwas Symbolisches liegt in der Siebenzahl an sich für
das christliche Bewusstseyn eigentlich nicht. Es ist nur die
Ziffer , die , indem sie gerade und ungerade Zahlen verbindet
und zwischen Yiel und Wenig die Mitte hält, in der Natur
selbst sehr häufig die Gliederungen und Emanationen gewisser
Urkräfte bezeichnet, z. B. die sieben Farbenstrahlen im Regen-
bogen oder Spectrum, die sieben Töne etc., sich also auch
am besten eignet, um nach ihr höhere Gliederungen und
geistige Emanationen zu zählen.
Davon hängt auch der Werth der Zahlen 70 und 72 ab.
Vgl. Sepp, Heidenthum I. 66. Das ist die durchschnittliche
Zahl der menschlichen Lebensjahre.
Siegel.
Die Stirnen der Gerechten werden versiegelt, Offenb.
Joh. 7, 3. Das ist, gleich der Ehrenkrone, die göttliche
Signatur im Gegensatz gegen das Kainszeichen, den sichtbar
aufgedrückten Fluch. — Signatur ist der symbolische Sinn
des Siegels, Yerschliessung der gewöhnliche, wie in den
sieben Siegeln des Buchs, im Siegel des Abgrunds etc.
S i m e o n,
der Hohepriester, der das Christkind bei der Darstellung im
Tempel empfängt und sich selig preist, in seinem hohen
Alter ihn noch sehen zu können. Vgl. den Artikel Rei-
nigung Maria. Nach dem apokryphischen Evangelium Nico-
demi war er es, der, bald nach jener Scene sterbend,
zuerst im Hades die Geburt des Herrn verkündete. Hof-
mann, Apokr. S. 419.
Simon Magus. 379
Simon Magus,
der berüchtigte Zauberer, den nach Apostelgeschichte 8. der
heüige Petrus mit der Kraft des wahren Gottes beschämte
und überwand, wie einst Moses die Zauberer des Pharao.
Dieser Simon ist aufzufassen als Vertreter des gesammten
Heidenthums in dessen Naturdämonismus und Vertrauen auf
Kräfte, die das Geschöpf sich anmasst gegenüber dem Schöpfer.
Dem stand nichts so scharf entgegen als wie der alte Mosais-
mus selbst , so auch die dem Mosaismus noch näher stehende
Auffassung des Christenthums , wie sie in Petro hervortritt.
Wenn Petrus wegen eines einseitigen Uebergewichts , das er
dem jüdischen Element geben will, von Paulus zurechtge-
wiesen wird, so dient andrerseits wieder Simon, Petrum zu
rechtfertigen.
Simon liess sich in einen Wettstreit mit Petrus ein, ob
er mit seinem heidnischen Zauber, oder Petrus mit dem hei-
ligen Geist stärker sey. Als er aber gen Himmel fahren
wollte, bewirkte Petrus, dass er herabstürzte. In der apo-
kryphischen Apostelgeschichte des Abdias ist seine Prahlerei
noch näher detaillirt. Da macht er Bildsäulen lebendig, lässt
eine Sense ohne Mann das Feld mähen, geht durch Felsen
durch, lässt Bäume plötzlich aus der Erde wachsen etc. Er
hetzt dämonische Hunde auf Petrum, der ihnen aber geweihtes
Brodt vorhält, worauf sie verschwinden. Seine Geliebte, He-
lene, liess er einmal zu allen Fenstern eines Thurmes zugleich
herausschauen. Er behauptete, es sey die berühmte antike
Helena von Troja {Epiphanius, haer. 21. 2.), und sie sey die
höchste Göttin, so wie er selbst der höchste Gott. Er gilt
als der erste Urheber der Gnosis, oder der in das Christen-
thum übergetragenen Aeonenlehre. Vgl. Baur, Manichäer
S. 468 ff. Schon Irenäus, HI. praef., nennt ihn pater omnimn
haereticorum.
Simon Magus hat aber auch noch eine zweite Bedeutung.
Weil er nämlich dem Petrus die Gabe des heiligen Geiste^
380 Simson.
für Geld abkaufen wollte (Apostelgesch. 8, 8.), wird der
Schacher mit geistlichen Aemtern und Würden nach ihm
Simonie genannt.
Simson,
alttestamentalisches Vorbild Christi, als der allüberwindende
starke Held, aber auch als der Verrathene und Leidende.
Ein sehr beliebtes Sinnbild war im frühern Mittelalter Simson,
der dem Löwen den Rachen aufbricht, bedeutend den Heiland,
wie er sein Grab oder aber die Thore der Hölle aufbricht,
Sinnbild und Verheissung der Auferstehung. ^ Wir haben dieses
Bildes schon im Artikel „Löwe^ gedacht. Es kommt beson-
ders über Kirchthüren sehr oft vor in französischen, wie in
deutschen Kirchen. Bock, eglise de Nivelle, 1860. ip. 66. Didron^
man. p. 104. Heider, über Thiersymbolik S. 22. Die Art,
wie Simson auf dem Löwen mit einem Fusse kniet, während
er den andern in siegesgewisser Nachlässigkeit herabhängen
lässt und mit beiden Händen den weiten Rachen des LöVen
aufreisst , ist typisch , kehrt auf allen Bildern wieder und ist
genau die nämliche Attitüde, welche wir auf den Mithras-
bildern finden, nur dass es auf diesen letzteren kein Löwe,
dem der Rachen aufgerissen, sondern ein Stier ist, dem der
Dolch in den Nacken gestossen wird. Nichts ist daher auch
wahrscheinlicher, als dass jener Typus des christlichen Sim-
son von den zahlreichen, namentlich auch in Deutschland
und Frankreich verbreiteten Mithrasbildern entnommen ist.
Ja jener Mithrascultus der spätem Römerzeit selbst war ein
Mysteriendienst , welcher , gleich dem des Orpheus , das Chri-
stenthum vorbereiten half, die Lehre von einem grossen Opfer
zum Heil der Welt. — In dem Gerippe des Löwen, den
Simson getödtet hatte, nisteten Bienen, daher das berühmte
Räthsel Simsons : „Süsses kommt vom Starken. ^^ Das wurde
folgerecht Sinnbild der christlichen Kirche, die gleich einem
Bienenstock im Grabe Christi ihren Ursprung und ihre Hei-
math gefunden.
Simson. 881
Aber auch andere Umstände im Leben des Simson wer-
den auf Christum bezogen. Rupertus Tuit. p. 254 f. hat sie
zuerst sinnig zusammengestellt. Simson wurde von einer
vorher unfruchtbaren Mutter auf wunderbare Weise verkündet
und geboren, wie Christus. Simson hatte ein Weib genom-
men, das aber unredlich gegen ihn handelte und das er ver-
stiess und einem Andern überliess; damit ist nach Rupert
von Deutz die Synagoge, das Judenthum gemeint, welches
aufgegeben werden musste, um das Christenthum in die W^elt
einzuführen. Simson band dreihundert Füchsen die Schwänze
zusammen und Feuerbrände daran und jagte sie in die Ge-
treidefelder der Philister. Unter den Füchsen sind, nach
Rupert, die bösen Dämonen im Menschen und unter dem
Getreide die bösen Werke gemeint, die sich selbst wieder
zerstören müssen. Simson schlug die Philister mit einem
Eselskinnbacken und liess aus dem Zahn dieses Backen-
knochens eine Quelle entspringen. Damit sind nach Rupert
die Knochen und Reliquien der Heiligen gemeint, aus denen
Quellen des ew^igen Lebens entspringen. Simson trägt die
Thore von Gaza auf den Berg. Darunter versteht Rupert
das Aufsteigen Christi aus der Hölle in den Himmel, quia
resurgendo claustra inferni abstuUt et ascendendo coelorum regna
penetravit. Ihm folgt Didron (manuel p. 104.), indem er hier
an das Aufsprengen der Höllenpforten denkt. Christus sprengte
diese Pforten, um die Patriarchen zu befreien. Hierauf nun
bezieht sich das Sinnbild der Thore von Gaza. Bock dagegen
und Heider a. a. 0. sind geneigt, die Thore auf das Grab
Christi und dagegen den aufgerissenen Löwenrachen auf die
Aufsprengung der Hölle zu beziehen. — Simson wurde von
Delila verrathen, dem entspricht der Verrath des Judas. Er
wurde geschoren, das ist Vorbild der priesterlichen Tonsur.
Endlich riss Simson das Haus ein und begrub sich unter dessen
Trümmern, das bedeutet den alten Judentempel, das Judenthum
selbst, aus dessen Ruinen die christliche Kirche erstanden ist.
Sehr eigenthümlich ist Simson auf den Chorstühlen im
Kloster Maulbronn in Holz geschnitzt, nämlich mit langen,
38S Singen.
auf den Rücken herabwallenden Haaren (dem Zeichen seiner
Stärke) wie ein Weib, und auf dem Löwen, dem er den
Rachen aufreisst, einfach reitend. Gegenüberliegtauf einem
andern Bilde das Einhorn im Schoosse der Jungfrau, also
auch hier bedeutet Simson Christum.
Singen
ist immer ein Ausdruck der Andacht, ein Gebet, Lob,
Dank etc. des Geschöpfes gegen den Schöpfer. Gott singt
nie, nur Engel und die Menschen singen in Andacht vor
Gott. Der Gesang der Engelchöre und der frommen Men-
schen ist gleichsam eine Harmonie der Sphären im geistigen
Sinn, ausdrückend die Anbetung im Kreis um eine göttliche
Mitte und die innige Gemeinschaft der Heiligen. Für die
Seligen im Himmel wusste man keine würdigere Beschäfti-
gung, als Singen zum Lobe Gottes. Im Gesang geht so die
ganze Seele auf, dass man eigentlich immerwährend Gott
lobsingen sollte, daher man auch im frühern Mittelalter in
grossen Klöstern , z. B. zu Corvey in Westphalen , zu Bangor
in England etc., einen immerwährenden Gesang einführte,
der nie aufhörte, Tag und Nacht, Jahr aus Jahr ein, und
in dem die Mönche stets abwechselten. — Heiligen kommt
als besonderer Vorzug die Gabe der Jubilation oder des
Gesanges zu. Maria von Oegnies z. B. sang in der frommen
Ekstase in unvergleichlich schöner Weise. Görres, Gesch. der
Mystik n. 71. Nirgends wird die Verwandtschaft des Men-
schen mit den Engeln deutlicher, als in dieser Gabe der
Engelzungen.
In dem ekstatischen Gesang schwebt der Fromme gleich-
sam schon im himmlischen Element und das irdische ficht
ihn nicht mehr an. Der Gesang der drei Männer im feurigen
Ofen ist hiefür schon ein Vorbild aus dem alten Testamente.
Von vielen Heiligen sagt die Legende, sie haben noch nach
dem Tode fortgesungen ; z. B. der heilige Nicasius sang noch
fort , als ihm der obere Theil des Kopfes abgeschlagen worden
i
Sirene. 383
war. Die Mönche, die auf Diocletians Befehl in grosser
Menge zugleich lebendig verbrannt wurden , sangen unter der
Qual, und man hörte ihre Stimmen noch fortsingen in un-
sichtbarem Chore, als die Leichen längst in Asche zerfallen
waren. — Vom heiligen Cedmon sagt die Legende, er habe
im Schlafe die schönsten Lieder gesungen.
Sirene.
Die Alten verstanden unter der Sirene ein verführeri-
sches Frauenzimmer mit Vogelfüssen, welches durch seinen
Gesang die Schiffer verlockt, aber immer zu deren Verderben.
Die Neuern verstehen unter demselben Namen ein verführe-
risches Frauenzimmer, das durch seinen Gesang in's Verderben
lockt, aber nicht mit Vogelfüssen, sondern mit einem Fisch-
schwanze, Wesen, welche die Alten nicht Sirenen, sondern
Tritonen nannten.
In der christlichen Symbolik kommt die fischgeschwänzte
Sirene als Sinnbild der sinnlichen Verführung vor, ganz so
wie es schon bei Porphyrius im Leben des Pythagoras 39.
heisst: „Sirenen sind Begierden, die zur Sünde locken, die
zum Verderben führt." Als Sinnbild der Verlockung kommt
die Sirene vor in den Miniaturen der Herrad von Landsberg
in Strassburg, herausg. von Engelhardt S. 45. Die Sage
kennt auch eine angebliche Sirene in Afrika, die, vorn ein
wunderschönes Weib, hinten aber Schlange, Jeden zur Liebe
reize , und den , der sich verführen lasse und in ihren Armen
ruhe, von hinten her mit dem an ihrem Schlangenschweif
befindlichen Schlangenrachen zerfleische. Chrysostomi orat. 5.
Pierii, hierogl. 135. Unter den Werken Albrecht Dürers
kommt eine sehr phantastische Sirene mit Rennthiergeweih
und grünem Fischschwanz vor, einen Leuchter tragend.
Heller, A. Dürer H. 1. 95. Es ist wohl damit die durch
Sinnegenuss flüchtigere Zeit gemeint, die des Menschen Lebens-
licht rascher brennen macht.
Auf christlichen Bildwerken findet man noch Sirenen
384 Sirend.
mit Vogelf üssen , jedoch seltener und nur in alten fran-
zösischen Kirchen, wo antiker Einfluss sie erklärt, z. B. in
St. Denys und Rouen. Lenoir, Munum. de Ja France, p?. 28.
Langlois, Stalles de la cathedr. de Rouen, pl. 9, 10, 11.
Im frühern Mittelalter kommt auch eine ganz andere
Deutung des Sirenensinnbildes vor. Man findet namentlich
auf Taufbecken die fischschwänzige Sirene mit Delphinen
gesellt. Rathgeber, Gothaisches Museum S. 303. Auf Grab-
bildern der Katakomben Seepferde mit Fischschwänzen. Bel-
lermann, Katakomben von Neapel, Tab. 3. 4. Das entspricht
vollkommen dem antiken Todtencultus , in w^elchem Delphinen
und Tritonen als Sinnbilder einer glücklichen Hinüberfahrt
der Seele über den Styx nach Elysium galten. Diese alte
Symbolik aber traf zusammen mit den specifisch christlichen
Vorstellungs weisen von Christo, dem Seelenfischer, und vom
heiligen Element der Taufe. Demnach kann die Sirene auf
Taufbecken und das Seepferd auf christlichen Gräbern auch
nicht mehr auf die Verführung durch Sinnenlust Bezug haben,
sondern nur noch auf die Wiedergeburt durch die heilige
Taufe und auf die Hoffnung der Auferstehung. Der nämlichen
Symbolik entspricht die fischschwänzige Sirene mit einem
Jungen, welches sie säugt, im Münster zu Basel, desgleichen
im Münster zu Freiburg im Breisgau. Vgl. Waagen, Kunst
in Deutschland H. 255. Püttmann, Kunstschätze S. 100.
Oefter hält die Sirene in Kirchen einen Fisch in der Hand.
Nach Piper, christl. Mythologie I. 390, ;,liegt es nahe, diesen
Fisch für das Bild der Seele zu nehmen, die, von den W^ogen
der Welt umhergetrieben, von der Sirene sich hat fangen
lassen." Dies ist aber keine gute Auslegung. Kreuser
(Kirchenbau H. 46.) hat viel mehr Recht, indem er das
Sinnbild auf die Wiedergeburt durch die Taufe bezieht. Diese
Erklärung erhält eine weitere Bestätigung durch die Bilder
in Basel und Freiburg, auf denen der ihr Junges säugenden
Sirene ein Ritter, der mit einem Greifen und andern Unge-
heuern kämpft, gegenübersteht, und durch ein Bild der
Sirene im Münster zu Zürich, der ein menschenverschlingender
Smaragd. S85
Löwe gegenübersteht. Piper sieht in der Sirene die Sünde,
im Löwen und in jenen Ungeheuern die Strafe. Man wird
jedoch nach dem, was bisher erörtert worden, annehmen
müssen, dass die Sirene mit dem Fisch oder mit dem Jungen
allein in guter Bedeutung Sinnbild der Wiedergeburt und
Auferstehung, mit Einem Wort des Himmels, der menschen-
verschlingende Löwe aber und die Ungeheuer allein in schlim-
mer Bedeutung Sinnbilder der Verdammniss und Hölle seyen.
Unzweifelhaft ist die doppelte Symbolik der christlichen
Sirene aus der Verwechslung des Sirenen - mit dem Tritonen-
typus der Alten hervorgegangen und einzig aus ihr zu er-
klären. Die schlimme Bedeutung der christlichen Sirene (als
Verlockung) erklärt sich aus der Erinnerung an die vogel-
füssige Sirene der Alten; die gute Bedeutung (als Wieder-
geburt) aus der Erinnerung an die iischschwänzigen Tritonen»
Sklaven.
Während gefesselte Sklaven am Piedestal von Königen
und Feldherren ein sehr gewöhnliches Attribut sind, sind
dagegen auf Kirchenbildern befreite Sklaven das Attribut der
Heiligen Vincenz de Paula, Johannes de Matha und Petrus
Nolasco, weil diese frommen Männer ihr Leben der Los-
kaufung von Sklaven widmeten.
Smaragd,
der bekannte kostbare grüne Edelstein , bezeichnete im Amts-
schildlein der Hohenpriester den Stamm Levi, d. h. den
Priesterstamm; auch ist er Symbol des Evangelisten Johannes.
Didroriy annales V. 222. Beides mit Bezugnahme auf die
Vorstellung, nach welcher der Smaragd von kühler Natur
seyn und Jeden, der ihn trägt, keusch machen soll. Nicols,
von Edelsteinen s. v. Der Priester Johannes soll deshalb
ein Bett von Smaragd gehabt haben. Corneri^ chron. ad
annum 1203. Dem König von Aragonien zersprang ein
Menzel, christl. Symbolik. II. 25
386 Sodom und Gomorrha.
kostbarer Smaragd im Ringe, weil er seine Begierden nicht
massigen konnte. Bayle s. v. Renon. Vgl. Cardanus, von
wimderb. Sachen S. 855. Der in der Offenbarung Johannis
4, 3. erwähnte Smaragd im Regenbogen hat nur eine orna-
mentale Bedeutung.
S o d o m und Gomorrha,
sprichwörtlicher Inbegriff der äussersten gesellschaftlichen
Verderbniss, Gottlosigkeit und Verthierung der Menschen,
aber auch Vorbild der Hölle. An dem sichtbaren Beispiel
der auf die Schuld folgenden Strafe, des die greuelvollsten
Sünden unmittelbar züchtigenden Feuerregens, wurde gezeigt,
wie auf alle Frevel der Menschen die Verdammniss im Feuer der
Hölle warte.
Sohn, der verlorne.
Nach Lucas 15. warfen die Pharisäer und Schriftgelehrten
Jesu vor, dass er mit Zöllnern und Sündern umgehe. Da
antwortete er ihnen mit drei Gleichnissen , um ihnen zu sagen,
dass alle Menschen, ob auch sündig, doch Kinder Gottes
seyen, und dass dem liebenden Vater wohl zieme, sich auch
der sündigen Kinder zu erbarmen. Erstes Gleichniss vom
verlornen Schaf, das der Hirt sucht. Zweites Gleichniss vom
verlornen Groschen, den das arme Weib sucht. Drittes
Gleichniss vom lüderlichen Sohn, der Alles verprasst, was
ihm sein Vater gegeben, ihn leichtsinnig verlässt und endlich
so in's Elend geräth, dass er die Säue hüten muss. Da er-
kennt er sein Unrecht und kehrt heim, den Vater um Ver-
gebung zu bitten, und dieser nimmt ihn liebreich auf. Der
ältere Sohn aber, der schon allein zu erben gehofft hatte,
wird neidig; aber der Vater spricht: „Freue dich, dein Bru-
der war todt und ist wieder lebendig worden."
Dieser verlorne Sohn ist Vorbild und Spiegel aller Men-
schen, die sich durch die Sünde verlocken lassen und erst
im Elend bereuen und erkennen lernen, dass nur Gottes
Sonne. 387
Gnade sie erretten kann. In kurzem Auszug die Geschichte
der menschlichen Seele überhaupt, denn die Meisten lehrt
erst die Noth beten. Zugleich erscheint aber im Gleichniss
vom verlornen Sohn die göttliche Gnade im herrlichsten
Lichte, ein Verzeihen und Erbarmen, welches hoch erhaben
■ steht über der Missgunst des altern gerechten Sohnes. Unter
diesem gerechten Sohn ist das Judenthum, sind die Bekenner
des alten Gesetzes gemeint, deren Treue am Hause Gottes
durch Lieblosigkeit befleckt war. Unter dem verlornen Sohn
ist dagegen das Heidenthum verstanden, dessen der Herr
sich erbarmt. Es ist derselbe Gegensatz wie zwischen Lea
und Rahel, Martha und Magdalena. Insbesondere aber wie
zwischen dem Pharisäer und barmherzigen Samariter. Denn
wer Liebe beweist, ist in Gottes Augen mehr, als wer blos
das Gesetz achtet, und Gott liebt den reuigen Sohn mehr,
als den, der nie fehlte, aber keine Liebe hat.
Das Leben d-es verlornen Sohnes wurde oft in Bilder-
reihen dargestellt als ein Lehrbuch in Bildern für junge
Leute zu ihrer Warnung.
Sonne,
Urquell alles sinnlich wahrnehmbaren Lichts , daher Sinnbild
jenes Urquells, von dem alles geistige Licht kommt.
Sinnbild Gottes. Gott ist Sonne und Schild. Psalm
84, 12. Die Sonne erhellt alle Finsternisse und weckt überall
Leben. Sie scheint über Gute und Böse, omnihus idem. So
der Schöpfer und Erhalter aller Wesen. Sie ist zu lichtstark,
als dass ein menschliches Auge ihren Glanz ertragen könnte,
suo se lumine condit. Wenn sie aufgeht, schwinden alle Sterne,
extinguit lumine lumen. Sie hat zuweilen zwei Nebensonnen,
est tarnen unus, der Eine Gott in drei Personen.
Die Sonnenwirkung ist auch das älteste und vornehmste
Sinnbild der unbefleckten Empfängniss. Wie der Sonnen-
strahl durch Glas dringt, ohne es zu zerbrechen, so befruchtet
Gott den Leib der Maria, ohne Schaden ihrer Jungfräulichkeit:
25*
388 Sorne.
transitj non frangit — non vij sed virtute. Wie die Sonnen-
wärme in der Erde nichts zerstört, sondern sie nur mit
Kräutern und Blumen ziert, so schmückte Gott die heilige
Jungfrau mit der Geburt des göttlichen Kindes : non gravat
et gravüat — ornat, non onerat. PiccinelU^ mundus symb.
p. 14. 19. Daher malte Raphael seine berühmte Madonna,
von Foligno mit dem Kinde in einer Sonne, deren Schein
über die Erde fällt. Auch eine Sibylle hatte in der Stunde,
in der Christus geboren wurde, eine Vision, in welcher sie
Mutter und Kind in einer Sonne sah. Hofmann, Apokryphen
S. 110. Ein alter Kupferstich zeigt Mutter und Kind in einer
dreifachen Sonne mit Beziehung auf die heilige Dreieinigkeit.
Heinecken, neue Nachrichten I. 390. — Die alten Maler
liebten auf Bildern der Empfängniss einen Sonnenstrahl an-
zubringen, der durch's Fenster in Maria's Zimmer fällt. So
auf dem schönen Bilde des Johann van Eyck aus der Bois-
ser^e'schen Sammlung. Auf vielen Bildern geht der Sonnen-
strahl von der Hand Gottes oder von der Taube (als Sinnbild
des heiligen Geistes) aus, und zuweilen schwebt darin ein
kleines Kind , worunter aber nicht das leibliche Kind, sondern
nur die Seele des noch nicht empfangenen Heilands zu ver-
stehen ist. Vgl. den Artikel Kind.
Abgesehen von dem besondern Nimbus, den Gott um
das Haupt trägt (ein Dreieck oder ein Kreuz im Zirkel),
wird die Gottheit bezeichnet durch Sonnenstrahlen, die von
diesen Nimben ausgehen, oder durch einen grossen Sonnen-
kreis (gloria), der Gott oder die göttlichen Personen, auch
Maria mit dem Kinde umgibt , und bald in zarteren Strahlen,
bald in zackigen Flammen auseinandergeht.
Die Sonne ist auch ein Sinnbild des Himmels , der reinen
Lichtwelt, in der Gott und die Engel und Seligen leben.
Nach der Offenbarung Johannis 21, 23. wird im neuen Jeru-
salem das leuchtende Lamm die Stelle der Sonne vertreten
und alle Seligen in seinen ewigen Glanz einhüllen. Deshalb
kommt auf Kirchenbildern zuweilen eine Sonne als Sinnbild
des Himmelreichs überhaupt vor. Auf dem alten Symbolen-
Sonne. 889
reichen Bilde hinter dem Altar des Ulmer Münsters gehen
die Verdammten in den Höllenrachen, die Seligen aber in
eine grosse Sonne ein. Dasselbe wiederholt sich auf einem
Stich Albrecht Dürers. Heller, A. Dürer II, 2. 781.
Christus als Sonne. Die Sonne der Geisterwelt trat in
die umnachtete Welt ein in der heiligen Weihnacht, in der-
selben Stunde, in welcher die physische Sonne in ihrem
Wintersolstitio steht und von w^o an sie sich aus ihrem tiefsten
Stande wieder höher und höher hebt, die Tage verlängert,
Frühling und Sommer herbeiführt. Wenn daher auch in
früherer heidnischer Zeit in derselben Solstitialzeit die Geburt
des neuen Jahressonnengottes gefeiert wurde, dies natalis
invicti (sc. solis), so hat doch die christliche Weihnachtsfeier
eine ganz andere, rein geistige Bedeutung, und das Solare
ist hier nur Symbol. Christus erleuchtet und befruchtet auf
geistige Weise die Menschheit, wie die Sonne auf leibliche
Weise die Erde. Man hat die Opfer, welche die heiligen
drei Könige dem neugebornen Heilande darbringen: Gold,
Myrrhen und Weihrauch, als alte, der Sonne heilige Symbole
erkannt. Man hat auch das Osterlamm auf den Sonnenstand
im Zeichen des Widders bezogen. Auf dem berühmten alt-
deutschen Bilde der Boisseree'schen Sammlung, auf welchem
das Christkind vom heiligen Christoph durch's Wasser ge-
tragen wird , geht im Hintergrunde die Sonne auf. Wie aber
Christum überall die aufgehende Sonne bezeichnet, so Jo-
hannes den Täufer die niedergehende, daher auch sein Tag
in das der heiligen Weihnacht entgegengesetzte Sommer-
solstitium fällt. Er ist nämlich Sinnbild des durch das Chri-
stenthum bekehrten und überwundenen Judenthums. — Die
heilige Schrift selbst bezeichnet Christum als Sonne. Bei
Maleachi 4, 2. wird tröstend auf ihn hingewiesen, der auf-
gehen werde als Sonne der Gerechtigkeit. Bei Lucas 1, 78.
heisst er der Aufgang aus der Höhe. In einer ambrosiani-
schen Hymne: O sol salutis! und in einer andern: Splendor
paternae gloriae etc. Die Vergleichung mit der Sonne wieder-
holt sich in unzähligen Weihnachts-, Oster- und überhaupt
390 Sonne.
Morgenliedern. Vgl. auch Conrad von Würzburg, goldne
Schmiede, von W. Grimm XLVIII. Pfeiffer, deutsche My-
stiker I. 375. Paderborner Liederbuch Nr. 84. — Als Symbol
des Heilands umgibt die Sonne seinen Namen (Zeichen der
Jesuiten und ihrer Missionen), desgleichen die Hostie, daher
man vielen Monstranzen die Form von strahlenden Sonnen
gegeben hat. Hieher gehört auch das schöne Sinnbild der
Sonne, die in unzähligen Scherben eines zerbrochenen Spie-
gels, in jeder sich ganz abspiegelt, integer in fragmentis.
Auf constantinischen Münzen kommt noch der antike Sonnen-
gott in Verbindung mit dem Kreuze vor, was als ein Sieg
des Christenthums über den heidnischen Sonnencultus gedeutet
werden kann, wohl einfacher aber als eine Naivetät und
unschuldige Beibehaltung eines alten Herkommens erklärt
wird, ganz so wie etwa der Flussgott Jordan auf alten Bildern
von der Taufe Christi. Vgl. Piper, christl. Mythol. I. 96 f.
Der Manichäismus identificirte förmlich die Sonne mit
Christo , als die reinste Concentration des Lichts in der ganzen
Welt, und damit des guten Princips und des Göttlichen über-
haupt, und gründete darauf eine wunderliche Moral, die den
Menschen Pflanzenkost gebot und sie gleichsam selber zu
Pflanzen machen wollte , weil in den Pflanzen allein das von
den Dämonen gebundene Licht aus der Finsterniss der Erde
wieder frei und erlöst werden könne. Vgl. Baur, manichäische
Relig. S. 195. 236.
Conrad von Megenberg im Buch der Natur 1482, Fol. 23,
vergleicht die Mutter Gottes mit der Sonne, weil sie der
ganzen Welt Gnade und Segen spende. Alles erleuchte,
Alles durchwärme , die Wolken an sich ziehe und fruchtbaren
Regen daraus giesse (gute Werke der Frommen), die Saaten
in der Erde w^ecke (die Tugenden der Menschen) etc. So
wird die Gnadenmutter auch in alten Kirchenliedern mit der
gnadenreichen Sonne verglichen. Wackernagel, Kirchenlied
Nr. 123. Ein schwarzes Madonnenbild in Madrid ist merk-
würdig durch den Glanz der Sonne , die es als Nimbus um's
Haupt trägt. Gräfin d'Aunoi, Reise H. 115.
Sonne. 391
Die Sonne als Attribut von Heiligen. Eine Sonne wird
über dem Haupt des heiligen Columban schwebend gemalt,
weil seine Mutter, als sie mit ihm schwanger war, geträumt,
sie gebäre eine Sonne. An einer Sonne auf der Brust ist
überall auf Kirchenbildern der heilige Thomas Aquinas
kenntlich. Ein Kreuz in der Sonne kennzeichnet den heiligen
Ignatius Loyola, dem es in einer Vision erschien, wie ein
Basrelief in Turin zeigt. Miliin, Reise in Savoien I. 270.
Den Namen Jesu (I H S) in einer Sonne erblickte St. Vin-
centius Ferrerius. Dasselbe Zeichen ist Attribut des heiligen
Bernardinus von Siena. Demselben klagte einmal ein Drechs-
ler, welcher Schachbrette, Würfel etc. verfertigte, er habe
gar keinen Absatz mehr, weil alle Leute in des Heiligen
Predigt liefen und nicht mehr spielen wollten. Da malte
Bernardin eine Sonne mit dem Namen Jesu und sagte zu
ihm, er solle künftig nur solche Zeichen machen. Molani,
hist imag. p. 284. Seitdem wurde dieses Symbol wirklich
das Abzeichen aller Jesuitenmissionen, als die Sonne, die in
die Nacht des Heidenthums leuchten sollte. — Ueber das
Symbol der Sonnenblume vgl. den Artikel Johannes der
Evangelist.
St. Ivo, bretagnischer Priester im 14ten Jahrhundert,
lebte sehr fromm und als Wohlthäter und Advocat der Armen,
Einst speiste er eine Menge Menschen von einem kleinen
Stückchen Brodt. Einmal besuchte ihn Christus selbst in
Bettlergestalt und ass mit an seinem Tisch , verschwand aber
plötzlich in vollem Glänze seiner Majestät. Ein andermal, als
Ivo die Hostie bei der Messe erhob, umgab sie ein Sonnen-
nimbus. Er starb, unverwandt die Augen auf's Crucifix ge-
heftet. 27. October. Wie ihm Arme ihre Klagen schriftlich
überreichen, malte Peter von Cortona in Eom. Ramdohr
ni. 261. Er ist Patron der Juristen.
Das berühmte Wunder Josua's, der während einer
Schlacht die Sonne stille stehen hiess, und dem sie wirklich
noch so lange leuchtete, bis er die Feinde überwunden hatte,
ist bekanntlich ein Stecken- und Paradepferd der Rationalisten
392 Sonne.
und Religionsspötter geworden , die daraus den Beweis haben
herleiten wollen , es stecke doch allerlei Unwahrheit und kin-
discher Unverstand in der Bibel, weil die Sonne ja überhaupt
nicht laufe, sondern immer still stehe und nur die Erde um
sich laufen lasse. Inzwischen ändert dieser astronomische
Einwurf an dem Wunder gar nichts , denn es läuft auf eines
hinaus, ob die Sonne nur scheinbar und die Erde wirklich
still gestanden oder umgekehrt. Der scheinbare Sonnenlauf
wird überall in der Bibel anerkannt, nicht blos im Buch
Josua. Die Stellen sind am sorgfältigsten gesammelt bei
Elccioli, almagest, II. 480. In neuerer Zeit erklärt man das
Wunder Josua's aus der Anfangsstelle eines alten Liedes als
eine poetische Redensart. Allein wir stehen hier auf dem
Boden der Wunder. Man darf keines willkührlich herausreissen.
Der Engel in der Sonne, der nach der Offenbarung Jo-
hannis 19, 17. alle Vögel herbeiruft, um die Könige der vom
Zorn Gottes niedergeschmetterten Völker zu fressen, dürfte
wohl einigen Einfluss geübt haben auf die Vorstellungsweisen
der Gnostiker, die den unten in den finstern Tiefen ächzen-
den Teufeln das Bild Christi als Gegenstand unerreichbarer
Sehnsucht in der Sonne zeigen. Die Beziehung der Sonne
zu den Verdammten und Teufeln entspricht hier der Beziehung
.derselben zu Christus.
Wenn Sonne und Mond neben einander vorkommen , so
bedeuten sie als die in der sichtbaren Natur vorwaltenden
Gestirne diese Natur selbst. So in ihrer Verbindung mit dem
Crucifix. Beim Tode Jesu nämlich wurden beide Gestirne
des Tages und der Nacht verfinstert und trauerten mit der
ganzen Natur um den Heiland. Deshalb wurden Sonne und
Mond im Mittelalter häufig zur Rechten und Linken des
Heilands am Kreuz gemalt, mit dem Ausdruck der Trauer,
indem man sich in den frühesten Jahrhunderten noch der
herkömmlichen Gestalten der heidnischen Sonnen- und Mond-
götter (Helios und Selene, Phöbus und Luna) bediente, später
aber Gesichter in die Sonnen- und Mondscheibe hineinmalte
und denselben Thränen und leidende Züge gab. Auf den
,c^
^
Sonnenstrahl. 39S
berühmten Miniaturen der Herrad von Landsberg in Strass-
burg trocknet sich die Sonne mit der Hand die weinenden
Augen. Waagen, Kunst in Deutschland H. 360. Auf Mi-
niaturen des 8ten und 9ten Jahrhunderts fahren die antiken
Lichtgötter noch, Sol mit dem Viergespann von Rossen, Luna
mit dem Zweigespann von Rindern dem Crucifix zu. Didron,
icon. p. 89. Dieser ganze Kreis von bildlichen Darstellungen
ist mit der grössten Gelehrsamkeit behandelt in Pipers christl.
Mythol. n. 116 f. Später wurde die naive Weise verlassen
und Sonne und Mond erhielten die Bedeutung und die Attri-
bute von fides und spes, Glauben und Hoffnung. Auch wurde
neben das Crucifix zur Rechten Maria mit dem Sonnen-,
Magdalena mit dem Mondnimbus gestellt. So auf einem
Wiener Miniaturbild. Fiorillo I. 50. Bei den Manichäern
wurden dagegen Sonne und Mond, jene als Christus, dieser
als Sophia gepaart. Vgl. Baur S. 233.
Christus tritt als Weltrichter auf Sonne und Mond in
der Lorenzkirche in Nürnberg. Das bezeichnet ihn als Herrn
der sichtbaren Welt. Doch findet man auf Bildern des Welt-
gerichts auch wieder die Sonne zur Rechten seines Hauptes,
den Mond zur Linken , ganz so wie neben dem Crucifix ;
denn nach der Offenbarung Johannis 6, 12. verfinstern sich
beide Gestirne auch beim Weltgericht, wie vorher beim Tode
Christi. Hier steht noch insbesondere die Sonne zur Rechten
in Beziehung mit den Seligen, der Mond zur Linken aber
mit den Verdammten.
Sonnenstrahl,
Sinnbild der ausströmenden , in Wirksamkeit tretenden Kraft
Gottes, wie die Sonne selbst Sinnbild Gottes ist. Daher auf
fast allen Bildern der Verkündigung ein durch das Fenster
einfallender Sonnenstrahl. — In der Legende der Heiligen
deutet der Sonnenstrahl die Verbindung an, in welcher der
Heilige, wenn er- auch niedern Standes, ja in Knechts- und
Magdgestalt auf Erden wandelt, dennoch mit dem Himmel
Sonnenstrahl.
und seiner Macht und Herrlichkeit steht. Am öftesten wie-
derholt sich die Legende vom Sonnenstrahl, an welchen ein
Heiliger seinen Hut, Handschuh, Mantel etc. aufhängt. Zu-
weilen geschieht es, um in einem besondern Fall das Wort
des Heiligen zu bekräftigen oder seine Unschuld und Hei-
ligkeit zu bewähren. Ausserdem aber als etwas Gewöhn-
liches, das nur gemeinen, sündigen Menschen ungewöhnlich
erscheint. Es verhält sich mit den Sonnenstrahlen wie mit
dem Licht. Sie stehen in einem ganz eigenthümlichen Ver-
hältniss zur Jungfräulichkeit , sie gehorchen der Unschuld und
geben sie zu erkennen. Vgl. die Artikel Jungfrau und Licht.
Am berühmtesten ist die heilige Notburga, eine fromme
demüthige Magd, die, als sie einmal des Sonntags mähen
sollte, zum Beweise, wie gottlos eine solche Forderung , den
Feiertag zu entheiligen, sey, ihre Sichel an einem Sonnen-
strahl aufhing. In gleicher Weise hing die heilige Milburga
ihren Schleier auf, die h. Gudula ihren Handschuh; den
Handschuh auch die h. Kunigunde. Haupt, Bamberger Le-
genden 57. Eben so der h. David in Schweden, der aber
diese Gabe verlor , blos weil er einmal achtlos eine Kornähre
zertrat. Afzelius H. 86. Metten an der Donau wurde von
Karl dem Grossen da gestiftet, wo er gesehen hatte, wie ein
frommer Einsiedler seine Axt an einem Sonnenstrahl aufhing.
W. Müller , Donau I. 96. In Mörtl's Sagen aus dem Bayer-
wald 89. heisst der Einsiedler Utto. In den Actis SS. und
Heiligenkalendern wiederholt sich dasselbe Sinnbild oft.
St. Goar, von dem die bekannte Stadt am Rhein den Namen
hat, hing seinen Hut an einem Sonnenstrahle auf, St. Florens
vor König Dagobert seinen Mantel, St. Amatus und Amabilis
ihre Handschuhe etc. Bischof Lucian pilgerte nach Rom,
sich dort zu rechtfertigen , und hing sein von der Reise nasses
Kleid am nächsten Sonnenstrahl auf. — Heidut , der frömmste
Mann in Pulsnitz in der Lausitz, konnte seine Kleider be-
liebig an den Sonnenstrahlen aufhängen. Das ärgerte den
Teufel, der sich ihm daher einmal in der Kirche sichtbar
machte, wie er gerade die Sünden der Gemeindeglieder auf
Sonnabend. 395
eine Bockshaut schrieb, die zu kurze Haut aber mit den
Füssen weiter ausspannen wollte und darüber hinter sich fiel,
mit einer so lächerlichen Geberde, dass Heidut darüber lachen
musste. Von Stund an aber konnte Heidut seine Kleider nicht
mehr an einen Sonnenstrahl aufhängen, seine Heiligkeit war
dahin. Darüber erboste er sich, fluchte und wurde völlig
ruchlos, bis ihn der Teufel holte. Seitdem befand er sich
bei der nächtlichen wilden Jagd , bis ihn ein frommer Mönch
in eine Fichte bannte, aus der er noch zuweilen bei Nacht
sein Jagdhorn tönen lässt. Gräve, Volkssagen der Lausitz
S. 120.
Sonnabend.
Die Feier dieses Tages bezieht sich auf die des Sonntags.
Wie die Sonne Christum bedeutet, so der Sonnabend, aus
dem die Sonne hervorgeht, Marien, aus der Christus her-
vorging. Die Legende von dem Marienbild in Constantinopel,
welches Sonnabends seinen Schleier gelüftet habe, um anzu-
deuten, man solle ihr diesen Tag heiligen, wurde nicht
Ursache der marianischen Sonnabendfeier, die in einer viel
tiefern Symbolik begründet ist. Sinniger als jene Legende
ist die Tradition, nach welcher am Ostersonnabend unmittel-
bar nach dem Tode des Heilands auch sein eigner Jünger
an seiner Auferstehung gezweifelt und nur seine Mutter im
Glauben nicht gewankt habe. Demnach sey an diesem Sonn-
abend auch der christliche Glaube ausschliesslich in Marien
concentrirt gewesen. Sehr sinnig ist auch die Deutung des
Sonnabends als des, nach altjüdischem Begriff zur Buhe be-
stimmten Samstags. Die Buhe und Stille dieses Tages ent-
spricht der himmlischen Buhe und Milde Maria's. Bippel,
Alterthumb der Cäremonien S. 436. Während der grossen
Judenverfolgungen im Mittelalter legte man besondern Werth
darauf, Kirchen Unsrer Lieben Frau gerade auf den Trüm-
mern zerstörter Synagogen zu erbauen, räumlich das aus-
drückend, was zeitlich der ihr geweihte Sonnabend im Gegen-
satz gegen den alten Judensabbath bedeutete. In Begensburg
396 Sonntag.
nannte das Volk die über der alten Synagoge errichtete
Kirche ausdrücklich „zur schönen Maria^, um damit den
Contrast gegen das hässliche Judenthum zu bezeichnen.
Nach dem Volksglauben muss an jedem Sonnabend die
Sonne scheinen, wenn auch nur kurz, und zwar, weil an
diesem Tage die Gnadenmutter auf der Flucht nach Aegypten
die Wäsche des heiligen Kindes wusch und auf einem Dorn-
strauch trocknete. Christussagen, Erfurt, S. 9. Nach einer
andern eben so schönen Legende geht die Gnadenmutter alle
Freitage durch's Fegfeuer, da küssen die armen Seelen den
Saum ihres Kleides und weinen ihn nass. Daher muss Sonn-
abends die Sonne scheinen, um ihn wieder zu trocknen.
Grimm, Mährchen III. 253.
Sonntag.
Die Juden feierten ihren Sabbath am letzten Tag in der
Woche, als dem Ruhetage nach gethaner Arbeit. Die Christen
feiern den Sonntag an dem ersten Tage der Woche, im Hinblick
auf das Werk, welches erst beginnt und zu dem sie sich stärken.
Das hängt genau mit dem Gegensatz der beiden Solstitien
zusammen. Johannes dem Täufer gehört die Sommersonnen-
wende, von wo an die Nachtseite des Jahres hereinbricht,
Christo aber die Wintersonnenwende, von wo an die Licht-
seite des Jahres ihre Herrschaft beginnt. Der Täufer ist
letzter Vertreter des überwundenen Judenthums, mit ihm
sinkt es in die Nacht. Christus aber führt dem ewigen Licht
und Tag entgegen.
Nicht am letzten Schöpfungstage , dem Sabbath , sondern
am ersten, dem Sonntag, sprach Gott: „Es werde Licht !^
Und wiederum an einem Sonntag ward Christus , das Licht
aller Geister, in die Welt geboren. Und wieder an einem
Sonntag stieg er auf von den Todten , und wieder an einem
Sonntag ward der heilige Geist ergossen. Vgl. Bupertus
TuitensiSy de divin. offic. HI. 16. Rippel, Alterthumb der Cä-
remonien S. 425. Strauss in seinem Kirchenjahr S. 19. 27
Sonntag. 397
macht darauf aufmerksam, wie der christliche Sonntag mit
seinen mannigfachen beweglichen und unbeweglichen Festen
und Octaven das starre Einerlei des jüdischen Sabbaths durch-
brochen und auch in dieser Beziehung das todte Gesetz zu
lebendiger Freiheit geläutert habe.
Manch« volksthümliche Namen einzelner Sonntage er-
klären sich aus besondern Umständen. So der Palmsonntag
von den Palmen, mit denen man sich an diesem Tage zum
Andenken an den Einzug Christi in Jerusalem schmückt. Der
Augensonntag von den Anfangsworten des Psalmes Oculi mei.
Der weisse Sonntag, der erste nach Ostern, von den weissen
Kleidern der Täuflinge. Der Todtensonntag (laetare), vom
sogenannten Todaustreiben (man warf ein Sinnbild des Todes
oder eigentlich Winters in's Wasser). Der Eosensonntag von
der goldnen Rose, die der Papst an diesem Tage einweiht.
Der schwarze Sonntag (Judica) , weil er für einen Unglücks-
tag gehalten wurde. Der goldne Sonntag, der auf einen
Quatember folgt (Haltaus, Jahrzeitbuch S. 254.).
Bei den ältesten Christen hatte der Sonntag mehr Stun-
den, als jeder andere Tag, indem man noch der verlängerten
Feier wegen einige Nachtstunden hinzurechnete. Binterim,
Denkw. V. 1. 138.
Der Sonntagsbuchstabe des Jahres erklärt sich aus der
Zählung aller Tage des Jahres vom 1. Januar an nach Buch-
staben, aber nur von A bis G, Fällt nun der erste Sonntag
im Jahr auf A, oder B, oder C etc., so muss auch jeder
andere Sonntag desselben Jahres auf denselben Buchstaben
fallen.
Was die Sonntagsfeier betrifft, so findet auf sie noch
das alttestamentalische Sabbathgebot : „Du sollst den Feiertag
heiligen," seine Anwendung, jedoch mit der Einschränkung,
die nach Matthäus 12, 5. im neutestamentahschen Sinne ge-
boten ist, sofern Christus selbst eine übertriebene pharisäische
Strenge der Sabbathfeier in allen Fällen verwarf, wenn da-
durch gute Werke verhindert werden könnten. Nur gemeines
Tagewerk zu eigenem Nutzen ist verboten. Dafür dient zum
398 Sophia.
schönsten Sinnbild die Sichel der heiligen Notburga. Als
die Frau dieser heiligen Leibeigenen dieselbe zwingen wollte,
an einem Sonntag Gras zu mähen, hing sie ihre Sichel an
einen Sonnenstrahl auf, zum Zeichen, dass Gott selbst an
diesem Tage ihre Arbeit nicht wolle.
Sophia,
der griechische Name der Weisheit, personificirt in den
Sprichw. Salomonis 8 , 22 f. , Weisheit Sah 7 , 22 f. , Sirach
1 , 1 f. , 24 , 8 f. , wo sie zugleich charakterisirt ist , als das
Wesen, was zuerst bei Gott war vor allen andern Dingen
und was er sodann offenbarte durch den heiligen Geist. So-
fern nun der Geist im Hebräischen (ruah) gleichfalls ein
Femininum ist, so wurde von den Gnostikern Sophia mit
dem heiligen Geist identificirt und als das Urweib genommen,
welches Gott, als dem Urmann, beigesellt gewesen, eine Hä-
resie, die ihre Erklärung in den orientalischen, insbesondere
indischen Vorstellungen von einem dualistischen, mannweib-
lichen Weltprincipe findet. Daher auch die Manichäer, wie
die Gnostiker, die Sophia in diesem falschen Sinne auffassten,
weil auch sie orientalischen Pantheismus in das Christenthum
übertrugen. Vgl. Neander, gnostische Systeme S. 212. 232.
Baur, manichäische Relig. 219. Dessen Dreieinigkeit I. 157.
Die Brahminen in Indien lehren, das höchste Wesen, Brahma,
sey zuerst ganz allein in der Welt gewesen, und seine Ein-
bildungskraft sey als die Göttin Maja aus ihm herausgetreten
und habe ihm in ihrem geheimnissvollen Schleier die Bilder
der künftigen Schöpfung enthüllt. Diese Vorstellung ging
offenbar vom Orient in die gnostische Deutung der ange-
führten salomonischen Stellen über.
Nach der Lehre des Gnostikers Valentinus war Sophia
unter allen Aeonen oder göttlichen Urkräften die letzte (der
Drang des Wissens), wollte, sich über alle andern Aeonen
wegsetzend, unmittelbar in das unerforschliche Wesen Gottes
eindringen und mit ihm eins werden, wurde aber für diesen
Sophia. 399
Frevel bestraft, in ihre Schranken zurückgewiesen und gebar
hier, als Frucht ihrer unzeitigen Begierde, die Achamoth.
Diese nun war der Geist, der über den Wassern schwebte,
der Schöpfer, der aus dem Chaos die irdische Weit hervor-
rief, in sie übertragend ihren Innern Zwiespalt und ihre heisse
Begierde. Die ganze sichtbare Natur ist nach dieser Lehre
das Produkt einer irregeleiteten Begierde. Die Welt hat
keinen Vater, sondern nur eine Mutter. Nicht ein männ-
licher Gott , sondern nur ein Weib , das wieder nur von einem
Weibe ohne Mann geboren ist, hat sie hervorgebracht. —
Der Gnostiker Bardesanes erlöste die Achamoth, indem er sie
mit Christo, dem in ihre Finsterniss von Gott hinabgesendeten
Lichtprincip, vermählte und sogar im Crucifix mit ihm identi-
ficirte ; denn in der Kirche des Bardesanes wurde ein gekreu-
zigter Hermaphrodit angebetet, auf der einen Seite Christus
mit der Sonne, auf der andern ein Weib (Achamoth) mit
dem Mond. — Die Ophiten Hessen dieselbe Achamoth, des
himmlischen Lichts unkundig, in die Finsterniss fallen und
dort den Jaldabaoth als Herrn der niedern Welt gebären,
der sechs andere Geister zeugt. Sie ist seitdem der Aether,
er mit den sechs Geistern der Planetenhimmel. Auch hier
tritt Christus erlösend ein. — Der Name Achamoth soll eine
heftige Begierde, besonders der Schwangern, bedeuten. Solche
Personificationen der ungöttlichsten Menschentriebe nun woll-
ten die Gnostiker dem Christen thum als göttliche Wesen
octroyiren.
In die Symbolik der Kirche hat sich nichts von diesen
Irrlehren verirrt. Zwar kann man die naive Vorstellung des
ersten Schöpfungstages auf Glasgemälden der mittelalterlichen
Kirchen insoweit hieher beziehen, als Gott Vater vor der noch
ungeschaiFenen Welt als vor einer glänzend weissen leeren
Kugel steht, die man als Spiegel seiner Contemplation dem
Schleier der Maja ähnHch glauben könnte. Indess haben
die ehrsamen altdeutschen Meister bei den Glaskugeln wohl
nur an die erste Lichtwelt gedacht vor der Scheidung der
Elemente und Gestirne.
400 Sperling:.
Eine andere Personification der göttlichen Weisheit ist
die heilige Sophia , eine römische Matrone , die mit ihren drei
Töchtern, Fides, Caritas und Spes, den Martyrertod litt.
Obgleich als historische Person den Heiligen zugezählt, hat
sie doch zugleich allegorische Bedeutung. Ihr Tag, der
15. Mai, fällt zusammen mit der Zeit des ersten Trinitatis-
sonntags und bringt Glaube, Liebe und Hoffnung insofern
in Beziehung auf die Dreieinigkeit, die passive Drei in der
Menschheit (wurzelnd in der Weisheit) gegenüberstellend der
activen heiligen Drei in der Gottheit. Vgl. Strauss, Kirchen-
jahr S. 285.
Sperling,
der geringste unter den Vögeln und von denen doch keiner
ohne Willen Gottes auf die Erde fällt. Matth. 10, 29. Luc.
12, 6. Also Sinnbild des Proletariats, der geringsten und
elendesten Menschen , die dennoch unter Gottes Schutz stehen
und einen Vater an ihm haben. — Sperlinge sind Attribut
des heiligen Remigius , weil sie sich zahm um ihn sammelten.
Ein Sperling ist auch Attribut des heiligen Dominicus, weil
der Teufel ihn in der Gestalt dieses Vogels zu ärgern suchte.
Spiegel,
Sinnbild der reinsten Aufnahme und Wiedergebung des Em-
pfangenen, daher Attribut der christlichen Tugenden veritas
und prudentia. Vorzugsweise aber Sinnbild der Jungfrau
Maria und ihrer unbefleckten Empfängniss. Gott Vater spie-
gelte in ihrer Jungfräulichkeit sein Ebenbild im Sohne. Ma-
rian. Liederschatz. Augsb. 1841. S. 25. 289. Conrad von
Würzburg, goldne Schmiede, herausg. von Grimm, S. XXXI.
V. Schack, dram. Lit. d. Spanier IL 414. Maria heisst darum
auch Spiegel der Weisheit, Spiegel der Wonne. Wacker-
nagel, Kirchenlied S. XV. Haupt, Zeitschr. IV. 523.
Wie der Leib Christi in der Hostie sich vervielfältigt,
wird verglichen mit der Sonne, die in jedem kleinsten Stück
Spiegrel. 401
eines zerbrochenen Spiegels immer dasselbe ganze Sonnen-
bild spiegelt, integer in fragmentis. Menetreji, symb. p. 152.
Nach der pantheistischen Lehre der alten Inder war die
Natur selber der Spiegel Gottes. Einige Anklänge dieser
Lehre ffinjxen in die Gnosis der ersten christlichen Jahrhun-
derte über. Der Demiurg der Ophiten spiegelt seinen Gottes-
hass in der Finsterniss ab und aus diesem Spiegelbild ent-
steht Satan. Andere Gnostiker lassen den Adam in einen
Spiegel schauen, den ihm der Demiurg vorhält, in sich selbst
verliebt werden und dadurch seine himmlische Natur verlieren.
Vgl. meine mytholog. Forschungen und Sammlungen S. 27 f.
Neander, gnostische Systeme S. 216. 224.
Die Raskolniks (altgläubige Russen) bedienen sich nie
eines Spiegels, weil sie ihn für eine dämonische Erfindung
halten. Sie haben davon eine schöne Sage. Ein Mönch las
in der heiligen Schrift die Worte: „Bittet, so wird euch ge
geben." Zweifelnd, ob das wörtlich zu nehmen sej, und
doch auch nicht geneigt, die Autorität der heiligen Schrift
zu missachten, beschloss er, die Wahrheit jener Worte zu
erproben, ersann sich etwas Ausserordentliches , und ging hin
zum Czaar, ihn bittend, er möge ihm seine Tochter geben.
Der Hof wusste sich vor Staunen kaum zu fassen. Die Prin-
zessin aber sagte, sie wolle die Seinige werden, wenn er ihr
ein Ding verschaffe, in dem sie sich ganz naturtreu vom
Kopf bis zu Füssen besehen könne. Die Spiegel waren
nämlich damals noch nicht erfunden. Der Mönch entfernte
sich ziemHch bestürzt, denn wo sollte er so ein Ding finden?
Inzwischen stiess er auf einen gefangenen Dämon, den er
unter der Bedingung frei Hess, dass er ihm jenes Ding ver-
schaffe. Da machte der Teufel den Spiegel und der Mönch
trug ihn zur Prinzessin hin. Diese musste nun Wort halten
und die Seinige werden. Aber der Mönch, als er auf diese
Weise erfuhr, wie die Worte der heihgen Schrift ihn nicht
betrogen hätten, sondern die lautere Wahrheit enthielten,
bewunderte die Grösse Gottes und begnügte sich damit, sie
erkannt zu haben, ohne von dem Mittel der Hölle, die ihm
Menzel, Christi. Symbolik. II. 26
4d^ Spinne.
dabei gedient, weiter Gebrauch zu machen. Der schönen
Braut freiwillig entsagend, ging er zurück in seine klöster-
liche Einsamkeit. Die Prinzessin aber fürchtete den dämo-
nischen Zauber nicht und bediente sich des Spiegels, was
alle andern Frauen und Mädchen nachahmten. Vgl. Morgen-
blatt 1827. S. 771.
Nach einer schönen Legende in Steills Ephemeriden
(28. März) sah die eben so reizende als leichtsinnige Maria
Villana, als sie eben prächtig geschmückt zu einem Tanze
ging, im Vorübergehen ihr Bild im Spiegel zur Teufelsfrazze
entstellt, bekehrte sich von Stund an und wurde eine Heilige.
Dagegen zeigte sich nach der Legende dem heiligen
Tommasuolo einmal die ganze Passion Christi im Spiegel.
Vasari, Leben der Künstler II. 140. Ein Spiegel ist auch
Attribut des heiligen Geminianus, weil man darin, wenn er
ihn gegen sein Herz hielt, das Bild einer Jungfrau, d. h. der
Jungfräulichkeit seines Herzens sah.
Der Spiegel der Wahrheit wird auch oft zum Scherz
gebraucht, um Eitelkeit und Thorheit zu beschämen. So in
dem Mährchen, in welchem die Mädchen sich eines solchen
Spiegels bedienen, um ihren Liebhaber kennen zu lernen,
und darin gerade den Schönsten, der Allen am meisten ge-
fallen hat, mit zwei mächtigen Eselsohren prangen sehen.
So kaufte einmal ein König einen ganz gemeinen Spiegel,
gab ihn aber für einen Zauberspiegel aus, in dem er Jeden
in seiner wahren Gestalt sehen könnte, und nun wollte
keiner seiner HÖflins-e sich ihn vorhalten lassen.
'ö'
Spinne,
Sinnbild des bösen Triebes, der aus Allem Gift saugt, im
Gegensatz gegen die Biene, die aus Allem Honig saugt.
Eine Spinne über dem Kelch ist Attribut des heihgen Nor-
bert und des heiligen Bernhard von Constanz, weil diesen
beim heiligen Sakrament eine giftige Spinne in den Kelch fiel,
den sie gleichwohl ohne Schaden austranken. — Die Tarantel,
Bprache. 40^
die grösste Spinne im südlichen Italien, deren Stich eine nur
mit dem Tode endende Tanzwuth erzeugen soll, empfing diese
verderbliche Gabe nach dem apulischen Volksglauben durch
den Fluch eines Priesters , der die Monstranz bei einem Hau-
fen Tanzender vorbeitrug, ohne dass diese auf ihn geachtet
und das Heiligthum geehrt hätten. Naturgeschichte zur Däm-
pfung des Aberglaubens. Hamb. 1793. S. 102.
Spinnengewebe vergleicht Jesaias 59, 5. 6. mit nutz-
losem, schlechtem Treiben. Dagegen ist der sogenannte flie-
gende Sommer, die in der Luft herumfliegenden silberweissen
Spinnweben, nach dem Volksglauben der letzte Rest der Fä-
den, in welche der weisse Schleier der Maria, indem er ihr
bei ihrer Himmelfahrt entfiel , von den Winden zerrissen und
aufgelöst wurde. — Spinnweben dienen in der Legende auch
oft zum Schutz der Heiligen. St. Truterca, eine Jungfrau
zu Verona im 7ten Jahrhundert, wurde von dem Fürsten
Oswald mit Liebe verfolgt, hatte sich aber Christo allein
ergeben und in eine Höhle geflüchtet, in der sie durch Spinn-
weben verborgen wurde, als der Fürst sie suchte. 5. Mai.
Durch dasselbe Wunder wurde St. Caninus und Felix von
Nola gerettet. In muhamedanischen Legenden wird dasselbe
von der Flucht des Königs David (und Muhamed) erzählt.
Sprache.
Gott verwirrte die Sprache der Menschen beim Thurm-
bau zu Babylon , und verlieh den Aposteln und Jüngern Jesu
die Gabe, alle Sprachen zu reden bei dör Ausgiessung des
heiligen Geistes, ja er machte sogar in ausserordentlichen Fäl-
len Thiere reden, um den Unglauben und die Verstocktheit
der Menschen zu beschämen, wie den Bileam durch seine
Eselin. Darin liegt die Lehre, dass die conventionelle Sprache,
wenn sie sich von der göttlichen Wahrheit entfernt, in Trug
und Nebel zerfährt, während in jener Wahrheit selber die
Kraft liegt, sich auch auf ganz unconventionelle Weise gegen
alle gemeinen Gesetze der Natur auszudrücken. Nirgends
26*
404 Staat.
tritt das Wunder so energisch dem Gewohnheitsdünkel der
Menschen entgegen und schneidet so scharf in ihre Vorur-
theile und in ihre Selbsttäuschung, in ihr falsches Sicher-
heitsgefühl ein. Das Wunder aber ist zugleich dasjenige, was
sich am häufigsten wiederholt hat und in den Ekstasen from-
mer Seherinnen noch heute wiederholt. Dass die Gabe der
Sprache eine andere Quelle hat, als die Conventionelle Sprach-
übung in den Schulen, erhellt schon aus den gewöhnlichsten
Wahrnehmungen bei Somnambulen.
Auch die babylonische Sprachverwirrung dauert gewis-
sermassen noch fort im bellum omnium contra omnes in den
gottvergessenen und gottverlassenen Wissenschaften.
An die Stelle der durch Gottes Zulassung redenden Thiere
sind aber in unsern Tagen die redenden Tische getreten, die
nichts von Gott wissen, eine Uebertragung der Besessenheit
vom Menschenfleisch auf das Holz, ganz im Charakter einer
Zeit, die statt der Thierkräfte nur noch Eisen, Holz und
Wasserdampf braucht und überall den lebendigen Organismus
durch todten Mechanismus ersetzt. Die anorganische Natur
wird auf diese Weise zum riesenhaft vergrössernden Hohl-
spiegel der organischen und der Dämonismus, der ursprünglich
concentrirt war im ersten gefallenen P^ngel Lucifer, nachher
sich an die Menschheit machte und in den Thieren sich aus-
breitete, nimmt jetzt seine ungeheuerlichste Ausdehnung auch
auf die nicht athmenden Kreaturen. Das ist die Ausgiessung
des unheiligen Geistes,
S t a a r.
Der sogenannte Rosenstaar {sturnus rosus) ist in Arme-
nien als Heuschreckentödter sehr beliebt und geehrt. Von
ihm geht die Sage, er erscheine sogleich, wo eine Flasche
mit Wasser aus der St. Jacobsquelle am Ararat aufgestellt
werde. Die Pilger holen sich daher solches Wasser und
stellen es aus, sobald sie verheerende Heuschreckenzüge
merken. Moriz Wagner, Reise zum Ararat S. 183.
Stab. 405
Stab,
Werkzeug und Sinnbild 1) der Unterstützung, Sicherung,
Stärkung = Wanderstab: „Ob ich schon wandelte im fin-
stern Thal, fürchte ich mich nicht, denn du bist mein Stecken
und Stab," Psalm 23, 4; 2) der Hut und des Schutzes =
Hirtenstab, Bischofstab, Scepter; 3) der Bestrafung — Stock.
Daher bei Zacharias 11,7. das Gleichniss vom Stabe Sanft
und Stabe Wehe. In dem Zauberstabe, wie er z. B. dem
Moses verliehen war, liegen alle diese Begriffe beisammen.
Anders verhält es sich mit dem Symbol des blühenden
Stabes. Ein alter, dürrer Stab, der auf wunderbare Weise
wieder grünt und blüht, ist Sinnbild der Jungfrau Maria,
welche gebar und doch Jungfrau blieb , und mit Bezug hier-
auf Sinnbild des Priesterthums, welches, obgleich in jung-
fräulicher Keuschheit verharrend, doch die schönsten Blüthen
für die Menschheit entfalten und die reichsten Früchte tra-
gen soll. Daher die symbolische Identität der beiden blühen-
den Stäbe des Aaron und Joseph. Nach 4. B. Mosis 17, 8.
sollte derjenige der zwölf Stämme das Priesterthum erhalten,
dessen dürrer Stab grünen würde. Da grünte von zwölf
Stäben nur der Stab des Stammes Levi, der Stab Aarons,
und davon leitet sich die Priesterwürde im Stamm Levi her.
Ganz eben so grünte dem apokryphischen Evangelium zufolge
der Stab Josephs, als Maria dem vermählt werden sollte,
dessen dürrer Stab grünen würde. Die Beziehung des älteren
Stabes auf den jüngeren Avurde getragen durch die in den
Propheten lebendige Vorstellung von der Ruthe Jesse, d. h.
dem Zweig aus dem Stamme Isai's, aus dem die Rose Maria
sprossen sollte. Eine der Lieblingsvorstellungen des Mittel-
alters. Vgl. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 118. Der blühende
Stab Josephs, indem er den des Aaron nur wiederholt, be-
zeichnet die Maria selbst in doppelter Weise: 1) weil sie als
die schönste Rose der Welt aus dem dürren Stab des Juden-
thums sprosste, wie der heilige Leib Jesu Christi auferstehen
406 Stab.
wird, der alte Tempel Davids aber zerbrechen muss; 2) weil
sie, eine keusche, unfruchtbare Jungfrau, dennoch Mutter
wurde. — Im Verlauf der Zeiten hat sich eine jüdische und
daran anknüpfend eine christliche Legende von diesem wun-
derbaren Stabe ausgebildet, die ihn unmittelbar aus dem Pa-
radiese herleitet. Der fromme Seth, heisst es, empfing einen
Zweig aus dem verlornen Paradiese und erbte ihn fort auf
Henoch, Noah, Abraham, Joseph, Moses und Aaron, David
und in dessen Geschlecht bis zum Jüngern Joseph, dem Manne
Maria's. Vgl. Hofmann, Apokryphen S. 60. Auf Bildern,
in denen die Propheten mit der Gottesmutter in Beziehung
kommen, hat Aaron immer den blühenden Stab. Vgl. Didron,
man. p. 94. 100. 290. An der goldnen Pforte zu Freiberg
in Sachsen trägt auch Abraham den sprossenden Stab, als
Zeichen, dass aus seiner Nachkommenschaft Maria hervor-
gehen werde.
Der blühende Stab kommt auch mehreren Heiligen zu,
sofern ihre dürren Stäbe grün ausschlugen, um ihre Heilig-
keit zu beurkunden. St. Tresanus, Priester zu Avenay in
der Champagne im 6ten Jahrhundert, war sehr fromm. Einst
schlief er im Freien und steckte seinen Stab neben sich in
die Erde. Als er erwachte, war ein grosser Baum daraus
erwachsen, unter dem eine Quelle hervorströmte, die gegen
Fieber hilft. 7. Februar. Aehnliche Wunder berichtet die
Legende vom heiligen Fingar, Melorus etc. Mehr nur der
Dichtung gehören die blühenden Lanzen der fränkischen
Jungfrauen an, von denen die Kaiserchronik berichtet. Um
Kolands Tod zu rächen, zogen diese Jungfrauen mit Karl
dem Grossen gegen die Heiden, die da vor ihnen flohen,
und als die Jungfrauen ihre Lanzen in die Erde steckten,
begannen sie zu grünen und zu blühen. — Das Blühen des
Stabes bei einer Wahl kehrt wieder in der Legende vom
heiligen Johann, dem Lamme. Derselbe war ein Gutsherr und
baute selbst das Feld, als .ein Engel in Pilgergestalt ihm
verkündete, er sey zum Bischof von Tongern gewählt, 631.
Der erstaunte Johann sagte; Gewiss so wenig, als dieser Stab
Stammbaum. 407
blüht. Da grünte und blühte der Stab und wurde ein grosser
Apfelbaum mit Aepfeln, die noch jetzt in den Niederlanden
unter dem Namen der Johannisäpfel bekannt sind. Wolf,
niederl. Sagen Nr. 141.
Als Reliquien geniessen besonders lebhafte Verehrung
der Wanderstab des heiligen Rochus zu Bordeaux (Memoires
de V acad. celtique IV. 271.) und der des heiligen Magnus zu
Füssen, der jährlich um die Felder getragen wurde, um sie
vor Ungeziefer zu schützen. Der Stab des heiligen Severus,
eines Bischofs in der Normandie, leidet keine unreine Nähe.
Ein Unreiner, der ihn berührt, wird wahnsinnig; ein Vogel,
der sich auf ihn setzt, muss sterben. Acta SS. 1. Februar.
Ein viele Uebel heilender Stab des heiligen Cyriacus wird
geschildert in Nieremherg ^ hisf. nat. 429.
Stall.
Der Stall, in welchem Christus geboren wurde, hat sym-
bolische Bedeutung. Er steht nicht nur als schlechteste Erden-
wohnung im grellsten Contrast mit dem Herrn des Himmels,
sondern charakterisirt namentlich auch die thierische Seite
des Menschlichen, indem der Herr, niedersteigend zur Erde,
die Menschen nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit
Thieren finden musste. Zugleich ist der Stall ein Gegen-
bild des Paradieses ; wie in diesem die Thiere noch unschul-
dig mit den unschuldigen Menschen in aller Freiheit lebten,
so sind dagegen im Stall die Thiere eingesperrt, gleiche Noth
leidend wie die Menschen.
Stammbaum.
Eine besonders in der Glasmalerei der hohen gothischen
Kirchenfenster sehr beliebte Darstellung ist die des Stamm-
baumes Christi. Ein vielverzweigter Baum wächst aus dem
unten liegenden Jesse (Isai, Davids Vater) heraus und bildet
mit seinen Aesten die Rahmen zu Vignetten, in denen die
408 Staub.
Lebensgeschichte des Heilandes in mehr oder weniger Bil-
dern vollendet wird. Die Zweige des Baumes verhalten sich
hier zu den Vignetten des Lebens Jesu wie die Einrahmungen
der grossen Eosenkränze. Siehe d. Art. Rosenkranz.
Staub,
Sinnbild der Nichtigkeit alles Leiblichen. Vgl. d. Artikel
Asche und Erde. Staub ist Erde. Der Mensch wird vom
Staube genommen und wieder zu Staub. Daher sich mit
Staub bestreuen ein Zeichen der Trauer, ein Sich vorbereiten
auf den eigenen Tod. Josua 7, 6. 1. B. Sam. 4, 12. 2. Buch
Sam. 1, 2. — Andrerseits preist wieder ein schöner Hymnus
des Pater Venerabilis den Staub, der so hoch erhoben wor-
den, dass alle Engel zu ihm schauen, nämlich in der Mensch-
werdung des Heilandes. Vgl. Fortlage, chrlstl. Gesänge S. 31.
Stein,
Sinnbild des Festen, Unumstösslichen in der Gründung der
christlichen Kirche. Christus selbst nennt sich den Stein, den
die Bauleute verworfen haben und der doch zum Eckstein
geworden ist, worauf auch schon bei den Propheten hinge-
wiesen wird. Psalm 118, 22. Jesaias 28, 16. Matth. 21, 42.
Marcus 12, 10. Lucas 20, 17. Apostelgesch. 4, 11. Sodann
gründet Christus seine Kirche auf Petrus, das ist der Fels
oder Stein. — Christus wird ferner mit einem Stein verglichen,
sofern aus dem Gestein die Quelle fliesst. Moses, der an den
Felsen schlägt, dass eine frische Quelle hervorspringt, wurde
Vorbild Christi, der sein Blut vergiesst als Quell aus dem
eigenen Leibe, um die kranke Menschheit zu heilen. Weil
aus Christo aber auch das Feuer der Liebe und göttlichen
Weisheit in die Welt leuchtet, vergleicht ihn ein Hymnus
des Prudentius auch mit dem Feuerstein. Fortlage, christl.
Gesänge S. 121.
Ein Stein im Gewand oder in der Hand des heiUgen
stein. 409
Stephanus bedeutet auf alten Bildern, dass er gesteinigt
worden. So auf dem berühmten Genter Altar. Denselben
Tod erlitt schon Jeremias, der Apostel Jacobus minore Ti-
motheus , an den Paulus seine Briefe schrieb , und viele Hei-
lige. Die heilige Appia wurde gesteinigt, nachdem sie mit
halbem Leibe war in die Erde eingegraben worden. — Der
heilige Hieronymus wird oft mit einem Stein gemalt, mit
dem er sich zur Busse auf die Brust schlug. Fiorillo
II. 423.
Viele Steine sind Heliquien geworden durch die Fuss-
spuren von Heiligen, die sich in dieselben eingedrückt haben.
Vgl. Majoli^ defens. imag. 77.
Steine des Anstosses und Aergernisses sind Sinnbilder
der Störrigkeit und Unbeugsamkeit, die sich dem Heiligen
nicht unterwerfen will und das Heil verschmäht. So die
Steine, die der heilige Patricius verfluchte. Nieremberg. hist.
nat. 444.
St. Albert von Ogna ist der Heilige, der den festen
Stein trennt, den zerbrochenen wieder zusammenfügt. Dieser
Heilige des 12ten Jahrhunderts lebte als armer Bauer und
wurde auf dem Felde oft von seinen Kameraden geneckt.
Einmal legten sie ihm einen Stein in's Gras , aber seine Sense
schnitt ihn leicht mitten durch. Ein andermal machte er ein
Glas, das ein Mädchen zerbrochen hatte, durch sein Gebet
wieder ganz. Als er sterben wollte und der Priester mit dem
Sakrament zu lange ausblieb, kam eine Taube geflogen und
brachte ihm die Hostie.
Der einsam auf einem Stein im Meer büssende Heilige
ist St. Gregor auf dem Stein. König Marcus hinterliess einen
Sohn und eine Tochter, die in verbotener Liebe zusammen
den Gregorius zeugten. Das Kind wurde ausgesetzt und
trieb auf dem Meere, wurde jedoch wunderbar erhalten. Als
Gregorius herangewachsen war, fand er seine Mutter, ohne
sie zu kennen, als Wittwe und ward ihr zweiter Gemahl.
Sobald er aber entdeckte, wer sie sey, verliess er den Thron
410 St. StephanuB.
und lebte siebzehn Jahre lang auf einem aus dem Meer
vorragenden Felsen, an den er sich hatte anketten lassen.
Den Schlüssel zum Schloss der Kette aber warf er in's Meer.
Da erscholl zu Rom, als der Papst gestorben war, eine Stimme
vom Himmel, man solle den frommen Büsser auf dem Steine
zum Papst wählen. Indem man ihn suchte und fand, brachte
auch ein Fisch den Schlüssel zu der Kette, und Gregor, von
seiner Sünde durch schwere Busse gereinigt, wurde Papst.
Auch seine Mutter fand er wieder und ertheilte ihr Abso-
lution. — Es ist ungewiss, ob diese Legende an Papst
Gregor I. anzuknüpfen ist, doch wohl eher als an einen
späteren. Die Legende steht in den Gestis vom. Nr. 81. Die-
selbe Geschichte wird aber auch vom Einsiedler Barsissa
und vom Jacobus Eremita erzählt. Die beste deutsche Be-
arbeitung des Gregor ist die in Versen von Hartmann von
Aue, handschriftlich in Strassburg, herausg. von Lachmann.
Vgl. dazu Lachmanns Nachträge in Haupts Zeitschr. V. 32 f.
Dazu das deutsche Volksbuch. Eine alte lateinische Legende
in Hexametern aus einer Münchner Handschrift in Haupts
Zeitschr. H. 486. Vgl. über die Verbreitung der Sage Grässe,
Literaturgesch. H. 2. 2. 984.
St. Liborius , ein frommer französischer Bischof des 4ten
Jahrhunderts, gilt als Patron gegen Steinschmerzen. Als seine
Reliquien nach Paderborn gebracht wurden, flog ein Pfau
voraus und zeigte den Weg. 28. Mai. Sein Attribut ist ein
Buch, auf dem kleine Steine liegen, und ein Pfau. Otte,
Kunstarchäol. 2. 134.
St. Stephanus,
Protomartyr j der erste unter den heiligen Märtyrern, der
daher auch auf allen Kirchenbildern, auf denen sie unter
den himmlischen Heerschaaren vorkommen, ihre Reihen an-
führt. Er wurde als Jünger Christi zu Jerusalem gesteinigt
und betete sterbend für seine Mörder. Apostelgesch. 7, 59.
Er wird am 26. Dezember gefeiert, als der erste Märtyrer,
Sterne. 411
der im Himmel wiedergeboren wurde, nachdem am Tage
vorher Christus auf Erden geboren worden. Durandi, ratio-
nale VII. 21. Dieser Tag heisst in alten Kalendern der grosse
Pferdstag, und man Hess an diesem Tage den Pferden zur
Ader, was auf den Heiligen jedoch keinen Bezug hat, son-
dern aus einer älteren heidnischen Gewohnheit (mit Beziehung
auf das in diese Zeit fallende Solstitium und die Rosse am
Sonnenwagen) zu stammen scheint. Dagegen heisst der blut-
rothe Carneol der Stephansstein mit bestimmter Beziehung
auf den Heiligen, von dessen Blut er, indem es auf ihn
niederrann , gefärbt worden sejn soll,
Sterne.
Vgl. die Artikel Abendstern und Morgenstern. Der vom
Himmel gefallene Stern bedeutet die gefallenen Engel, der
sinkende Stern die nahe Nacht der Hölle. Der aufgehende
Stern ist dagegen Verkünder des Morgens, des neuen Lichts
und Segens, Sinnbild des Heilandes oder seiner Mutter.
Als Stern aller Sterne, Abend- und Morgenstern zugleich,
muss der wunderbare Stern betrachtet werden, welcher den
heiligen drei Königen vorleuchtete zur Krippe des Heilandes
und dann verschwand. In früheren Zeiten hat Jedermann,
dem Wortlaut der heiligen Schrift gemäss , darunter nur einen
einzigen und zwar neuen Stern verstanden, der weder vorher
dagewesen, noch später wiedergekommen sey. Als sich aber
das Studium der Astronomie erweiterte, fiel man darauf, den
Einen Stern in viele zu zerlegen und eine Constellation dar-
aus zu machen. Man setzte voraus , bei der Schöpfung hätten
alle Planeten wohlgeordnet beisammen gestanden, wie Wett-
läufer, wenn sie den Lauf beginnen sollten; nachher aber
seyen ihre Bahnen nach einer vorausbestimmten Regel der-
gestalt auseinander gegangen, dass nur noch hin und wieder
Annäherungen zwischen einzelnen Planeten (Conjunctionen)
hätten vorkommen können, die dann je nach der Kraft des
einzelnen Planeten und der verbundenen Kraft zweier oder
413 Sterne.
dreier eine ganz verschiedene Wirkung auf Erden hervor-
gebracht hätten. Bei Christi Geburt aber seyen alle Planeten
wieder zusammengetreten in eine einzige grosse Constellation,
wie bei der ersten Schöpfung, denn die Welt sey jetzt geistig
wiedergeboren worden. Der berühmte Astronom Kepler be-
wies eine Conjunction wenigstens der Planeten Satjirn, Ju-
piter und Mars in den Jahren Roms 747 und 748. Seitdem
ist unendlich viel über diese Materie geschrieben worden, was
man bei Sepp, Leben Jesu I. 35 ff., Ideler, Chronologie
IL 410, Hofmann, Apokr. 129, fleissig verzeichnet findet.
Es versteht sich von selbst, dass in einer solchen Constel-
lation bei Christi Geburt ein schöner symbolischer Sinn liegt.
Das ganze Weltgebäude kehrt gleichsam aus der Divergenz
in die Convergenz, aus der Disharmonie in die Harmonie
zurück, indem Gott selbst Mensch wird.
Inzwischen ist in den Evangelien nur von einem Stern
die Rede , der den Magiern nach Bethlehem geleuchtet habe.
Die altern Erklärer haben daher mit Recht auch immer nur
das Bild des Einen Sternes festgehalten und ihn zunächst
auf den „Stern aus Jakob" bezogen, der nach 4. B. Mosis
24, 17. dereinst aufgehen sollte. Durandi, rationale VI. 16.
Der Stern der Magier leuchtete noch dem Heidenthum und
Judenthum als deren sinkender Abendstern, und war zugleich
aufgehender Morgenstern des Christenthums. Er steht daher
auch in der Mitte der beiden Testamente, der sechseckige
Stern zwischen zwei kunstreichen Verschlingungen in den
Kirchen des Schwarzwaldes zu Herrenalb und Pforzheim.
Merz im Kunstblatt 1845. S. 375. Auch die Gaben der Ma-
gier, Gold, Weihrauch und Myrrhen, stehen als Sinnbilder
der Sonne und Gaben, die von den Heiden der Sonne dar-
gebracht wurden, jetzt aber der neugebornen Geistersonne
zu Bethlehem dargebracht werden, in Bezug auf den Stern,
der als Morgenstern der Sonne vorhergeht. Vgl. Strauss,
Kirchenjahr S. 135.
Uebrigens darf man nicht unbeachtet lassen, dass der
Stern ausschliesslich den Magiern geleuchtet und von dem
Sterne. 413
übrigen Volk nicht gesehen wurde. Es war ein Stern, der
nur in ihrer Nacht aufging, ein geistiges Licht, das nur für
sie sichtbar am Himmel hervortrat. Nur sie waren gewürdigt,
in reiner Seelen liebender Ahnung und reiner Geister treuer
Forschung dieses heilige Licht zu schauen. Das Geheimniss-
volle jener Sternerscheinung wird noch jetzt im Volksglauben
geehrt. Der Stern der Magier soll nämlich in einem Brunnen
verschwunden seyn, der noch jetzt gezeigt wird und in dessen
Wasserspiegel der Stern noch immer sichtbar werde, aber
nur für reine Jungfrauen. Durandi, ration. VI. 16.
In der griechischen Kirche wird der sogenannte Asteriscus,
der kreuzförmig durchbrochene Deckel, den der Pope über die
Hostie deckt, als Sinnbild des Sternes der Magier angesehen.
Mit eben diesem Stern der Magier fällt auch das maria-
nische Sinnbild des Morgensterns zusammen, denn wie der
Morgenstern die Sonne gleichsam gebiert, so Maria den
Heiland. Der marianische Stern ist aber zugleich immer
Stern des Meeres. Maria wird angerufen als Stella maris
nicht blos von Schiffern in Nacht und Sturm (Königsfeld,
lat. Hymnen S. 188), sondern auch von allen Angefochtenen
und Schwachen, die im Meer der Welt und Sünde unter-
zugehen fürchten, endlich auch von denen , über welchen die
Wiegen schon zusammengeschlagen sind. So wird Maria als
Meerstern angerufen: „Erlös uns aus der höllischen Pein!^
Marian. Liederkranz, Augsb. 1841, S. 18. Unter dem Stern
des Meeres wird aber in dieser Beziehung nicht mehr der
Morgen-, sondern der Polarstern verstanden, der unverrückbar
feststeht, bei dem allein Verlässigkeit ist.
Der merstenie staete stat
so ander Sterne umbegant.
Bruder David von Augsburg nach Pfeiffer in Haupts Zeit-
schrift IX. 35. Einigemal wird der Meerstern auch mit dem
leuchtenden St. Elmsfeuer verglichen, weil dessen Erschei-
nung anzeigt, dass der Sturm auf dem Meere sich bald legen
werde. Potho, de mirac. Mariae p. 363. Passional in Pfeif-
fers Marienlegenden S. 83.
414 Sterne.
Zur Symbolik des Meersternes gehören zwei Auslegungen,
die aus falscher Worterklärung erwachsen sind. Im Eifer
der Liebe übersah man das Wahrscheinliche wie das Mögliche.
So las man in der Vulgata 1. Mos. 1, 10: et congregationem
aquarum vocavit mdria (Gott nannte die Sammlung der
Wasser Meer) das letzte Wort mit verändertem Accent als
den Namen Maria und verstand unter den Wassern die Ströme
der göttlichen Gnade. Ferner bezog man die Worte: „Und
Gott schuf Himmel und Erde" auf Joachim und Anna , „und
die Erde war wüst und leer" auf die Unfruchtbarkeit Anna's,
das Fruchtbarwerden der Erde durch das Wasser auf die
Empfängniss der Maria, endlich: „Es werde Licht!" auf die
Geburt der Maria. Vgl. de Vega, theolog. Mariana p. 930.
Dieses Licht über den Wassern, welche die Erde befeuchtet
haben, ist maris Stella. — Die zweite Erklärung verwechselte
die Uebersetzung des hebräischen Namens Maria {mir =r Tro-
pfen, stilla und jam := Meer) stilla maris mit Stella maris
und machte aus dem Meerestropfen (d. i. die Perle) einen
Meeresstern. Vgl. Klöder, zur Gesch. der Marienverehrung
S. 17.
Sterngruppen haben in der christlichen Symbolik immer
die Bedeutung von harmonisch zusammenwirkenden Kräften
im Dienste Gottes. Wie Lucifer, der böse Engel, als Abend-
stern gedacht wird, so werden .auch gute Engel unter dem
Bilde von Sternen gedacht, namentlich wenn sie zusammen-
wirken. Ja Maria selbst ist als Stern Vorbild der Engel,
Königin der Engel wie der Sterne. Darum trägt sie eine
Krone von zwölf Sternen. Offenb. Job. 12, 1. Wackernagel,
Kirchenlied S. 101. — Die zwölf Sterne, die sich vor Joseph
in dessen Traumgesicht neigten , sind zunächst dessen Brüder,
w^erden aber auch auf die zwölf Löwen vor dem Throne
Salomo's , auf die zwölf Thierzeichen , durch welche die Sonne
wandelt, und auf die Apostel Christi bezogen, dessen Vorbild
Joseph und dessen Sinnbild die Sonne ist. — Die sieben
Sterne dagegen an der rechten Hand des Herrn , nach Gifenb.
Job. 1, 16, sind von jeher, gleich dem siebenarmigen Leuchter,
Sterne. 415
auf die sieben Geister Gottes oder auf die sieben Gaben des
heiligen Geistes bezogen worden , nicht ohne Anspielung auf
die sieben Planeten, deren Harmonie im materiellen Raum
der Harmonie in der Geisterwelt zum Vorbilde diente. Vgl.
Dante, Fegfeuer 29, 50. und 30, 1.
In den heidnischen Zeiten herrschte die Vorstellung, der
Zusammenhang und die Ordnung der Welt sey bedingt durch
die Harmonie der sieben Planeten, was man mit dem Sinnbild
der siebensaitigen Lyra oder siebenröhrigen Pansflöte aus-
drückte. Jeder Planet beherrschte gleichsam einen Ton und
unter den sieben Tönen sollte stete Harmonie seyn. Diese
Vorstellung bildete sich weiter dahin aus, dass die Planeten
wirklich harmonisch tönten in der sogenannten Sphärenmusik,
die aber nicht Jedermann hören könne. Plato, de republica 10.
Cicero^ tuscul, quaest. 1. Athenaeus 14, 13. Plinius, Naturgesch.
n. 3. Macrob. somn. Scip. H. 1. BiccioUj almagest. H. 501.
Eine Spur von dieser poetischen Vorstellung findet sich auch
im Buch Hiob 38, 7: „Da mich die Morgensterne mit einander
lobten und jauchzten alle Kinder Gottes.'^ Ueber die Sphären-
musik findet man alles Nöthige beisammen in einer derselben
ausschliesslich gewidmeten Monographie von Piper. Die
christliche Symbolik kann indess davon nur das Sinnbildliche
acceptiren , sofern sie unter den harmonisch tönenden Sternen
Engel oder Geister Gottes versteht. Je mehr Sternenlehre
in das Christenthum hineingezogen wurde, um so mehr kam
es in Gefahr, in die Aeonenlehre der späteren Heiden aus-
zuarten, daher die Kirche von der Symbolik der Sterne einen
nur massigen Gebrauch zu machen noth wendig erachtete.
Dante versteht unter den vier grossen Sternen, welche
das Sternbild des südlichen Kreuzes bilden, die vier Cardinal-
tugenden , und lässt sie über dem Paradiese auf der Südhälfte
der Erde strahlen ; anderseits aber bezeichnet er drei nördliche
Sterne als Glaube, Liebe, Hoffnung, die dem aus dem Pa-
radiese gestossenen Geschlecht allein noch übrig geblieben.
Fegfeuer L 23. VHL 91. Sie bilden zusammen ein Sieben-
gestirn von göttlichen Kräften oder Schutzengeln in der
416 Sterile.
Menschheit. Das entfernt sich nicht von der anerkannten
Symbolik der sieben Sterne an der Rechten Gottes und des
siebenarmigen Leuchters. Dagegen muss die von Schiller
beliebte, durchaus willkührliche Vertheilung der Sternbilder
und Sterne an die Heiligen des Kalenders verworfen werden.
Vgl. Kiccioli) almag. I. 746. Piper II. 305.
Dem primitiven Sternfall in Lucifer nach Jesaias 14, 12.
entspricht der allgemeine Sternfall am Weltende, nach der
OfFenb. Job. 6, 13. und Matth. 24, 29. Es ist darunter aber
nicht blos das Einstürzen des alten Weltgebäudes, sondern
auch die von oben kommende Strafe Gottes gemeint. Die
fallenden Sterne sind zugleich Kräfte Gottes, so namentlich
der Stern, der den Brunnen des Abgrunds öffnet, Offenb.
Joh. 9, 1. Als Gegenbild zu der Harmonie der Sterne ge-
rathen nach den sibyllinischen Weissagungen (am Schlüsse
des 5. Buchs derselben) die Sternbilder am Weltende in
Streit und kämpfen mit einander.
Sterne bedeuten, wenn sie als Attribute der Heiligen
vorkommen, in der Regel die ihnen von oben mitgetheilte
Kraft des heiligen Geistes. So der Stern auf der Brust des
heiligen Bruno, des h. Nicolaus von Tolentino, auf der Stirne
des h. Thomas von Aquino, Humbert, Valentin, in der Hand
des h. Suidbert. Vor der Brust der h. Athanasia, der, wäh-
rend sie am Webstuhl ekstatisch wurde, ein leuchtender
Stern auf die Brust fiel und darin verschwand, desgleichen
zur Seite der h. Angela von Foligno , die gleichfalls in Ekstase
von einem Stern beleuchtet wurde.
Der berühmte Wallfahrtsort Compostella (campus stellae)
in Spanien hat den Namen von dem Stern, den der heilige
Apostel Jacobus major auf seiner Pilgerschaft nach Spanien
vor sich wandeln sah. Vgl. den Artikel Jacob. — Der heilige
Johannes von Nepomuk trägt, wie Maria, einen Kranz von
Sternen auf dem Haupte, weil sieben Lichter, über der
Moldau schwebend, die Stelle bezeichneten, wo sein heiliger
Leichnam unter dem Wasser lag , nachdem ihn Kaiser Wenzel
hatte von der Prager Brücke in den Fluss stürzen lassen.
Ötieh 41t
Stieglitz oder Distelfink.
Conrcad von Megenberg im Buch der Natur 1482, Fol. 83.
vergleicht diesen Vogel, w^eil er von Disteln lebt und doch
so schön singt, mit Christo selbst. Das ist vielleicht mit ein
Grund, w^arum der Vogel so oft auf der Hand des Christ-
kinds gemalt w^orden ist. Von Correggio in Petersburg.
Hand I. 136. Von Räphael in mehreren, jedoch zweifel-
haften Bildern. Nagler, Künstlerlex. XIV. 495 f. Von Fr.
Francia in der Gall. Giustiniani in Rom. Von Andrea del
Sarto im Pallast Sciarra. Von Conegliano, Morone, Muzuola^
Lippi, Mazzolino, Doni, Nelli, vgl. Waagen, Berliner Mu-
seum 1830, S. 22, 29, 44, 53, 65, 77, 80, 276. — Nach einer
Dichtung von Fr. Kind bemalte Gott alle Vögel, die er aus
Thon gemacht hatte. Zuletzt blieb der Stieglitz übrig und
es war keine Farbe mehr da; Gott aber nahm die Reste von
allen Farben und betüpfelte ihn damit, deswegen ist er so
bunt. Die bunten Farben des Stieglitz sind mit Blutroth ge-
mischt, ähnlich dem Kleide Josephs. Ein Sinnbild der guten
Werke und Tugenden wie des Martyrerthums , daher auch
aus diesem Grunde zum Attribut des Christkindes geeignet.
Stier.
Der Stier hat wegen seiner nützlichen Dienste beim
Ackerbau und als Sinnbild der ^Fruchtbarkeit bei allen Völ-
kern und von jeher eine gute und segensreiche Bedeutung
gehabt. So auch im alten Testament. Vgl. 1. B. Mos. 33, 14;
49, 6. Psalm 22, 13. Jesaias 34, 7. Daher konnte aus Babylon
die Stierform der Cherubim in den alttestamentalischen Cultus
übergehen. Ja aus den Mysterien des griechischen Dionysos
und persischen Mithras, in denen der Stier als Sinnbild der
Jahresfruchtbarkeit jährlich geopfert wurde (entsprechend dem
Tode des Sommers im Herbst), ging auch die sinnbildliche
Vergleichung des Pleilands mit einem segenbringenden Stier
Menzel, christl. Symbolik. II 27
418 Storch.
hervor. Lucas vero vitultis est, eo quod a Zacharia sacerdote
inchoavit et Christi passionem et hostiam specialius pertractavit.
Vitulus enim est animäl Sacerdotum sacrificiis aptum. Compa-
ratur etiam vitulo propter duo cornuaj quasi duo continens
testamenta^ et propter quatuor pedum ungulas^ quasi quatuor
Evangelistar um sententias. Per hunc quoque figuratur Christus^
qui fuit pro nobis vitulus immolatus. Durandi^ rationale offlc.
1. 3, 9.
Storch,
Sinnbild gerechten Wandels, weil er zur rechten Zeit im
Jahre kommt und geht. Jeremias 8, 7. Nach einer dänischen
Sage sollen drei Vögel um Christus am Kreuz geflogen seyn,
der Storchj weicherrief: „Stärke ihn!" die Schwalbe, welche
rief: „Kühle (swale) ihn!'^ und der Kiebitz, welcher rief:
„Peinige ihn!" Daher seyen jene ersten beiden Vögel ge-
heiligt, und habe der Storch seinen Namen erhalten von:
„Stärke ihn!" der dritte Vogel aber sey verflucht. Gesell-
schafter 1832, S. 943. Als Schutzpatron der Storchnester in
den Dörfern gilt der heilige Agricolus, weil sich um diesen
frommen Einsiedler die Störche friedlich zu sammeln pflegten.
S t r a u s s.
Dieser Vogel soll auf seinen Eiern nicht brüten , sondern
dieselben nur unverwandt anschauen und die Kraft seines
Blickes die Jungen darin lebendig machen. Conrad von
Würzburg in seiner goldnen Schmiede Vers 528 f. verglich
ihn daher mit der Gnadenmutter, die durch ihren BHck die
Sünder rettet und zur Wiedergeburt begnadet. Nach einer
alten deutschen Legende von der Kindheit Christi legte der
Strauss, den einer der heiligen drei Könige nach Bethlehem
mitbrachte (Kaspar), zwei Eier, aus denen ein Lamm und
ein Löwe hervorgingen , die bekannten Sinnbilder des damals
neugebornen Heilands. Prätorius, Saturnalia p. 363. —
Eucherius dagegen verglich den Strauss mit einem Ketzer^
Sünde. 419
qui habere quasi videtur sapientiae pennas, volare tarnen non
potest, Pierii) hierogl. p. 231.
Strick,
Attribut des Teufels. In den altdeutschen und altfrnnzösischen
Mysterien (geistlichen Schauspielen) zog der Teufel die Ver-
dammten immer an einem Strick nach sich, daher noch das
Sprichwort: „Der Teufel hat ihn am Seil." Mone, Schau-
spiele des Mittelalters I. 268. Wie in Christo die wahre
Freiheit, so ist im Teufel die wahre Knechtschaft. Christus
löst, was der Teufel bindet und verstrickt. Der Strick ist
ferner Attribut der Rahab (siehe diesen Artikel) und des hei-
ligen Desiderius von Vienne, der mit einem Strick erwürgt
wurde.
Stroh,
Sinnbild der Unfruchtbarkeit, Werthlosigkeit, im Gegensatz
gegen Waizen, daher auch alles nichtswürdigen und eiteln
Treibens der Menschen, ihrer Weltlust und Gottlosigkeit im
Gegensatz gegen Frömmigkeit und gute Werke. „Mit Stroh
geht ihr schwanger, Strohhalme gebäret ihr, Feuer wird euch
verzehren.'^ Jesaias 33, 1. Vgl. 47, 14. und Maleachi 4, 1.
Sünde.
Vgl. den Artikel Laster. Es gibt zweierlei Sünden, die
des Geistes und die der menschlichen Natur, daher auch
zweierlei Sünder, die Geister, deren Prototyp Lucifer (siehe
diesen Artikel) , und die natürlichen Menschen , deren Proto-
typ Adam. Sofern aber der Mensch selbst zweierlei Wesen
in sich hat , neben dem natürlichen das geistige , so steht auch
dem Adam ein Prototyp der Geistessünder gegenüber, das
ist Judas Ischarioth.
Nur für die Sünder der zweiten oder niedern Art gibt
es Erlösung, die Sünde wider den Geist wird nie vergeben.
27*
4^0 Sünde.
Darum kann nur Adams, aber nicht Lucifers Geschlecht er-
löst werden. Darum ist Maria die allgemeine Fürbitterin
für die menschlichen Sünder, kann es aber nicht seyn für
die bösen Geister. Darum kennt die heilige Geschichte reuige
Könige und Schacher, den reuigen Apostel Petrus und die
reuige Magdalena, aber keinen reuigen Teufel. Hier steht
die Typik christlicher Kunst und Poesie so fest wie das
Dogma. Es kann daher auch nur durch gänzliche Verkommen-
heit der christlichen Idee und des kirchlichen Bewusstseyns
erklärt werden, dass Klopstock sich erlauben durfte, in
seinem berühmten „Messias'*^ in dem PJngel Abadonnah einen
reuigen , sentimentalen und weinerlichen Teufel aufzustellen,
und dass man solche Verkehrtheit ein Jahrhundert hindurch
bewundert hat.
In der kirchlichen Bildnerei kommen die Sünder haupt-
sächlich vor als Reuige und Betende, als Begnadigte, als
Büssende auf Erden oder im Fegfeuer, und als Verdammte
in der Hölle. Sie gruppiren sich im Allgemeinen nach den
sieben Todsünden oder Lastern. In grossen Massen theilen
sie sich in Priester und Laien, jene unter einem Papst, diese
unter einem Kaiser. Im Mittelalter hatte man keine Scheu
noch Furcht, auch die Höchstgestellten als Sünder zu be-
zeichnen. Keine cäsareopapistische Censur und Polizei, keine
Aufklärung und classische Schule verbot, einen schlechten
Papst oder tyrannischen Kaiser in den Flammen der Hölle
zu malen. Von den modernen „Ankünften im Elysium'^,
welche der Cultus des Genius jedem berühmten, und die
servile Kunst jedem vornehmen Sünder vindicirt, war damals
noch nicht die Rede.
Die Reue wird bezeichnet durch Knieen und Beten, die
Gnade durch den über die Sünder gebreiteten Mantel Maria,
die Busse durch Flammen ohne Teufel, die Verdammniss
durch verzweiflungsvolle Mienen und durch die Teufel, die
an den Unseligen das Henkeramt üben.
Rubens malte die Prototypen der Reue, Magdalena, Pe-
trus, David und den Schacher knieend vor Christo. Das Bild
Sündfluth. 431
befindet sich in der Pinakothek in München. Es ist mir nicht
bekannt, ob ausser den Bildern des Weltgerichts , auf denen
die Sünder vor dem Richter zittern und angstvoll der Ver-
dammniss harren, umfangreichere Gruppen von reuigen und
bussfertigen Sündern vor dem verzeihenden Heilande gemalt
worden sind. Wie Christus die Mühseligen und Beladenen
zu sich ruft, die Gefangenen befreit, die Todten erweckt,
ist oft und schön gemalt worden. Nicht aber, wie sich die
Sünder dieser Welt und Zeit vor ihm beugen.
Sündfluth.
Während die Schöpfung im 1. Buch Mosis um sehr viel
anders erzählt ist, als in den heidnischen Kosmogonien,
stimmt dagegen, was sie von der Sündfluth sagt, mit unzäh-
ligen Sagen anderer Völker überein. Ueberall heisst es, Gott
habe die Menschen ihrer Sünden wegen ausgetilgt und nur
eine einzige fromme Familie sey auf einem Schiffe gerettet
worden. Sogar einzelne bestimmte Züge der mosaischen
Erzählung, z. B. vom Raben und von der Taube, kehren in
fremden Völkersagen wieder.
Hier eine gedrängte Uebersicht d.er heidnischen Sünd-
fluthsagen:
1. Die griechische. Zeus wollte das sündige Menschen-
geschlecht vertilgen und überschwemmte es mit neuntägigem
Regen. Nur der fromme Deukalion und sein Weib Pyrrha
retteten sich in einem Kasten. Eine Taube, die sie ausfliegen
liessen, kündigte ihnen durch ihr Ausbleiben an, dass die
Erde wieder trocken sey. Ovid^ met. I. 280 f. Plutarch, de
solat, animi. Apollodor I. 7. 2. — Von untergeordneter Be-
deutung ist die ogygische Fluth.
2. Die clialdäische oder babylonische. Der Gott Saturn
oder Belus kündigt dem König Risuthras an, er werde das
sündige Menschengeschlecht durch eine Fluth vertilgen und
nur ihn wegen seiner Frömmigkeit verschonen. Er nahm
seine Familie mit in's Schiff und sandte Vögel aus, deren
4S2 Sündfluth.
Ausbleiben die Trockenheit des Bodens verrieth. Nach Bero-
sus und Obydenus bei Josephus, arch. I. 3. 6. Eusebius^ de
praep. ev. IX. 11. Cyrillus, contra Jul. I. 14.
3. Die indische, a) Gott Brahma verwandelte sich in
einen kleinen Fisch und liess sich von Menü, dem frommen
König, fangen und in ein Glas setzen. Das Glas wurde aber
bald zu klein; man musste den immer wachsenden Fisch in
einen Teich setzen, in den grossen Fluss Ganges, endlich
in's Meer. Da sagte der Fisch : mit ihm wüchse das Gewässer
und werde die ganze sündige Welt vertilgen, Menü aber
solle sich auf ein Schiff setzen und an das Hörn des Riesen-
fisches anbinden. So geschah es, und Menü schwamm jahre-
lang mit dem Fisch in unendlichen Gewässern herum, bis er
am Berg Himawan ausgesetzt wurde. Nach der Mahabharata.
Vgl. Bopp , Sündfluth. — b) Der Gott Wischnu verfährt ganz
auf dieselbe Weise mit dem frommen Salyavrata. Hier ist
besonders hervorgehoben, dass alle Thiere und Pflanzen mit
in's Schiff genommen werden. Nach dem Bhagavatam. Vgl.
auch Paullinus, brahm. Götterlehre S. 190, wonach Wischnu
nicht als der die Menschen strafende, sondern vielmehr als
der rettende Gott erscheint, indem die Fluth durch böse
Dämonen bewirkt wird. Vgl. Rhode, Hindu H. 134. Höfers
indische Gedichte I. 39. Eine noch besondere Sündfluthsage,
die sich lediglich auf die Insel Ceylon bezieht, in Ritters
Erdkunde von Asien IV. 238.
4. Die chinesische. Der Herr des Himmels und der Erde
zürnte den sündigen Menschen und vertilgte sie. Nur Niu-va
allein bezwang das Gewässer durch ein Holz (das Schiff)
und durch einen fünffarbigen Stein (den Regenbogen). Win-
dischmann , die Philosophie im Fortschritt der Weltgeschichte
I. 80. Vgl. Ritter, Erdkunde von Asien I. 158.
5. Die japanische. Gott zerschmetterte die Welt durch
Blitze und ersäufte sie im Regen. Nur eine fromme Familie
wurde auf Nipon (Japan) gerettet. Montanus, niederl. Ge-
sandtschaften S. 435.
6. Die russische. Die Erde steht auf vier Wallfischen.
Sündfluth. 423
Als der erste starb, entstand die Sündfluth. Wenn wieder
einer sterben wird, wird es eine zweite Fluth geben. W. Mül-
ler, Russland S. 210.
7. Die lithauische. Pramzimas, der Herr der Welt, sah,
dass die Menschen verderbt seyen, und sandte zwei Riesen
unter sie, Wandu und Weja (Wasser und Sturm), sie zu
vertilgen. Als nun fast alle Menschen ersoffen waren, und
nur noch einige auf einem Berggipfel sich hielten, warf er
ihnen mitleidig eine Schale von den Nüssen zu , die er eben
ass. Auf diesem Schiff retteten sie sich. Sie hatten aber
keine Kinder; da tröstete sie der Regenbogen (Linxmine) und
sagte ihnen, sie sollten über die Gebeine der Erde springen.
Das thaten sie und aus den Steinen, über die sie sprangen,
wurden Menschen. Hanusch, slav. Mythologien S. 234.
8. Die nordische. Aus des grossen Riesen Ymers Blut
entstand das Meer und überschwemmte das Land so, dass
alle andern Riesen darin umkamen. Nur Bergelmir mit
seinem Weib entkam. Edda, Grimm Myth. 2te Aufl. S. 526.
9. Die keltische. Als der See von Llion (in England)
ausbrach und die Welt überschwemmte, entkam nur der
fromme Nevydd, indem er ein Schiff baute und darin je ein
Paar von allen Thieren aufnahm. Der Gott Hü aber zog
das Schiff in Ochsengestalt durch die Fluth. Mone, Heiden-
thum n. 492. San Marte, Artursage S. 201.
10. Die afrikanische. Alle meerschwein- und wallfisch-
artigen Meerthiere sollen Abkömmlinge der in der Sündfluth
ertrunkenen Menschen seyn. Robertson, die Fantees in iVfrika.
1 1 . Die grönländische. Der einzige noch übrige Mensch
schlug mit seinem Stock auf die Erde, da kam ein Weib
heraus und mit ihr bevölkerte er die Erde auf's Neue. Cranz,
Historie von Grönland I. 246.
12. Die mexikanische. Gott vertilgte die bösen Menschen,
nur der fromme Coxcox und sein Weib retteten sich auf
einem Kahn. Sie hatten nachher stumme Kinder, bis eine
Taube die Kinder verschiedene Sprachen lehrte. Clavigero
1. 344. Prescott, Eroberung von Mexiko H. 435. Beides
4-34 Sündfiuth.
nach deutscher Uebersetzung. Der Letzte erwähnt noch einer
andern Sage, derzufolge der Gerettete Tazpi hiess und sein
Schiff mit Thieren aller Art anfüllte, auch wie Noah Vögel
aussandte, jedoch statt des Raben einen Geyer und statt der
Taube einen Colibri.
13. Nordamerikanische Sagen, ä) Die Koloschen glau-
ben, der erste Erdenbewohner habe alle Kinder seiner Schwe-
ster durch eine Sündfluth vertilgt, diese aber habe einen
glühenden Stein gegessen und sey davon mit dem Stammvater
der künftigen Menschen schwanger worden. Ausland 1837,
Nr. 360. b) Die Hundsripp- Indianer glauben, die Sündfluth
sey durch einen Zudrang grosser Fische entstanden und der
einzige Mensch, Chapewee, habe sich in einem Schiff gerettet,
in das er alle Arten von Thieren mit aufnahm. Auch er
schickte zwei Thiere aus, aber statt des Raben den Biber,
statt der Taube die Bisamratte. Franklin, zweite Reise S. 309.
14. Die guianische. Die Macus -Indianer glauben, ein
Mann und ein Weib seyen allein übrig geblieben und hätten
die Welt neu bevölkert, indem sie Steine in Menschen ver-
wandelten. Schomburgk, Reise S. 35. Die Tamanaquon am
Orinoko glauben das Nämliche, hier entstehen aber die neuen
Menschen aus den Kernen der Mauritiapalme , die sie hinter
sich werfen. Daselbst.
15. Die hay tische. Ein Kazike erschlug im Zorn seinen
Sohn, hob aber dessen Gebeine in einer Kürbisflasche auf.
Nachher fand er Fische darin und holte sich so oft Fische,
als er wollte. Seine neugierigen Brüder aber öffneten einmal
den Kürbis , da fielen Fische aller Art heraus , immer grösser,
endlich Wallfische und das ganze unendliche Meer, so dass
von der Erde nur wenige Inseln und Bergspitzen blieben.
Wash. Irwing, Columbus S. 160.
16. Die brasilianische. Ein einziger Mann, Tamanduare,
mit seiner Familie, blieb auf dem Gipfel eines Baumes ge-
rettet und bevölkerte die Erde neu. Prinz zu Wied, Reise
n. 59. Lery, Reise S. 281. ;
Schon wegen dieser allgemeinen Verbreitung der Sage
Sündfluth. 4S5
über die ganze Erde ist es nicht wahrscheinlich, dass nur
eine lokale Ueberschwemmung gemeint sey. Die Bibel selbst
sagt ausdrücklich, die Fluth habe fünfzehn Ellen hoch über
den höchsten Bergen gestanden. Das war keine lokale Fluth.
Mit Recht haben daher die Naturforscher an eine grosse Kata-
strophe gedacht. Whiston und Steffens dachten, freilich sehr
willkührlich , an einen Kometen, der das Wasser der Erde
an sich gezogen und dann zurückgeschnellt haben soll. Da-
von steht nichts in der heiligen Schrift und ist auch kein
ähnliches Beispiel in der Naturgeschichte bekannt. Andere
glaubten, die Erdachse habe sich plötzlich geändert und dem
Meere einen ungeheuren Stoss gegeben, dass es über das
Land hergefluthet sey. Weit sinniger ist die Vermuthung
Hugi's (über die Gletscher 1843. S. 202.) Derselbe nimmt
an, die Ausdehnung und Zusammenziehung der Atmosphäre
sey in einer früheren Bildungsperiode der Erde noch weit
grösser gewesen, wie jetzt. Das Ausdünsten der Erde, die
Wolkenbildung und dann der wässerige Niederschlag aus
derselben sey viel gewaltsamer gewesen. Daher die Mög-
lichkeit des völligen Untertauchens der Erde unter den vom
Himmel strömenden Kegen. Damit stimmt eine Erschei-
nung überein, die man an den kleinen Planeten Pallas und
Ceres wahrgenommen hat. Diese haben nämlich eine At-
mosphäre, die sich zuweilen in's Ungeheure ausdehnt und
dann wieder klein zusammenzieht. Stellt man sich darunter
Wolken vor, so muss deren Entleerung in Regengüssen die
Oberfläche der Planeten ganz unter Wasser setzen.
Jedenfalls sind grosse Fluthen über die Erde gegangen,
sonst würden nicht so viele organische Reste früherer Erd-
perioden überschwemmt und begraben worden seyn. Deshalb
ist die Erklärung v. Bohlens (Genesis 104) ganz unstatthaft,
dass nämlich nicht einmal von einer lokalen ausserordentlichen
UeberschAvemmung die Rede seyn könne, sondern dass die
Vorstellung der Sündfluth wahrscheinlich nur von den jährlich
sich wiederholenden Frühlingsüberschwemmungen herschreibe,
die man in vergrössertem Maassstabe auf die Vorzeit über-
4S6 Sündfluth.
tragen habe. Eben so wenig Werth ist ciarauf zu legen,
dass der Name Sündfluth eigentlich Sintvluot (grosse Fluth)
heisse. Die Sünde wird damit nicht hinweginterpretirt.
Die Genesis legt alles Gewicht auf diese Sünde. Nur
um ihretwillen erfolgt die Fluth. Gott will das verderbte
Geschlecht austilgen und nur den frommen Noah mit seiner
Familie erhalten, dem er daher befiehlt, die Arche zu bauen
und mit den Seinen, sowie mit je einem Paar aller Thier-
arten hineinzugehen. Dann lässt er vierzig Tage lang regnen
und alles Lebendige vergeht in der Ungeheuern Fluth, welche
15 Ellen über den höchsten Bergen steht. Erst nach 150 Ta-
gen nimmt das Gewässer wieder ab, und die Arche strandet
auf dem Gipfel des Berges Ararat. Da sendet Noah einen
Raben aus, zu prüfen, ob es Zeit sey, auszusteigen. Der
Rabe kommt nicht wieder (weil er auf Aas sitzt). Noah
schickt eine Taube aus, die nicht Fuss fassen kann und
wiederkommt. Dann eine zweite Taube, die mit einem Oel-
blatt zurückkehrt, zum Zeichen, dass die Erde wieder grüne.
Nach sieben Tagen schickt er die dritte Taube aus, die nicht
wiederkommt. Nun erst befiehlt ihm der Herr selbst, aus-
zusteigen. Noah gehorcht, die Arche entleert sich, um die
Welt neu zu bevölkern. Ein Dankopfer raucht zum Himmel,
Gott segnet den Noah und lässt den Regenbogen erscheinen,
zum Zeichen, dass fortan Friede sey zwischen Plimmel und
Erde, zwischen dem versöhnten Gott und der bestraften
Menschheit: „Und wenn es kommt, dass ich Wolken über
die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den
Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwi-
schen mir und euch, dass nicht mehr hinfort eine Sündfluth
komme."
Die Sündfluth ist das alttestamentalische Vorbild des
Weltendes, denn auch dieses soll durch colossale Entartung
der Menschen herbeigeführt werden.
Die Sündfluth und Geschichte Noahs hat verhältniss-
mässig nicht viele poetische Bearbeiter gefunden. Ein latei-
nisches Gedicht von Alcinus Avitus s. in Fabricü thes. 392.
Sündfluth. 427
Vor hundert Jahren schrieb der Schweizer Bodmer sein grosses
Epos „die Noachide^' , eine sehr wässerige Nachahmung des
Messias von Klopstock, worin endlos langweiUg alle lang-
geschnäbelten, kurzgeschnäbelten , breitgeschnäbelten , spitz-
geschnäbelten etc. Vögel verzeichnet sind, wie sie in die
Arche spazieren. Ein neuer französischer Dichter, Alfred
de Vigny, hat sich besser darauf verstanden, die Effecte zu-
sammenzudrängen. Auch der deutsche Dichter Andreas Was-
serburg, der 1834 in Mainz eine Sündfluth in poetischer Prosa
herausgab, hat in der Ausmalung der Schreckensscenen, z. B.
eines Löwen, der sich angstvoll zu den Menschen rettet, eine
reiche Phantasie bewährt. Friedrich ^ Schlegel besang die
Freude der Errettung, das Opfer und den Dank Noahs (am
Schluss des lOten Bandes seiner Werke). Das ist schön und
bibhsch. Aber Salomon Gessner besang den Tod zweier un-
bekannten Liebenden in der Sündfluth, Semin und Semira.
Solche sentimentale Abgeschmacktheiten hat man lange be-
wundert. Sie sind schriftwidrig. In der Sündfluth ist kein
unschuldiges Liebespaar umgekommen. Da war Niemand
rein, als die sich in die Arche gerettet hatten.
Unter den gemalten Sündfluthbildern muss man die,
welche die Schrecken der empörten Natur malen, von denen
unterscheiden, welche nur vorzugsweise die Todesangst der
Menschen malen. Die letzteren sind bei weitem zahlreicher.
Unter den ersteren stehen oben an die Bilder des Engländers
Martin, der es liebt, die Natur im Grossen und in ihren
Schrecken aufzufassen, bei der Schöpfung, beim Untergang
Sodom und Gomorrha's, Babels und Ninive's, beim Welt-
gericht etc. Er malte den Abend vor der Sündfluth unge-
mein grossartig. Die Elemente selbst sind es, die hier mit-
einander ringen, die Menschen verlieren sich nur in kaum
sichtbarem Ameisengewühl. Die Blitze zucken furchtbar,
erlöschen aber gleichsam in dem allübervviegenden Wasser,
und dienen nur, die Schwärze der dichtherabhän ölenden Wol-
ken zu beleuchten und den Anblick des allgemeinen Grabes
noch schauerlicher zu machen. Dazwischen haben aber noch
4S8 Sündfluth.
Sonne und Mond Platz gefunden, beide zugleich am düstern
Horizont ihre glühenden Augen, wie todesmatt, aufzuschlagen.
Auf einem zweiten Bilde stellte Martin die Stillung der Ge-
wässer dar, am Morgen nach der Fluth. Kunstblatt 1835.
S. 175. 1840. S. 224.
Unter den Bildern der zweiten Gattung steht oben an
das von Nik. Poussin in Paris. Es hat engeren Raum, bringt
uns daher die Menschen näher; doch bleibt die Landschaft
auch hier noch die Hauptsache, der tiefe Wolkenhimmel,
von einem Blitz durchzuckt, unheimliche Felsen zur Seite
und schon wettergebeugte und halb entwurzelte Bäume.
Schon hat der Tod seine meisten Opfer verschlungen. Den
Ueberlebenden schwindet die letzte Hoffnung, Einer klam-
mert sich an einen Kahn in dem Augenblick, wo derselbe
einem Abgrund zustürzt. Eine Mutter reicht ihr Kind einem
Manne , der es nicht erlangen kann , und die Fluth reisst sie
hinweg. Bedeutungsvoll kriecht auch die aus ihrem Versteck
getriebene Schlange den Berg hinauf.
Noch grässlicher malte Girodet zu Paris (1804). Mit
höchster Anstrengung hat ein Mann seinen alten Vater zu
einem Baum emporgetragen und hält ihn noch auf dem
Rücken, indem er mit einer Hand sich an den Baum klam-
mert und mit der andern sein schon todtmattes Vi^eib mit
zwei Kindern nachzieht; da schlägt ein Blitz in den Baum
und Alle stürzen in die Fluth {Landoiij ann. XHI. j??. 5.).
Aehnliche Grässlichkeiten rühmte Vasari (H. 1. 88.) an einem
Bilde von Uccello, z. B. ein schon vom Wasser dickgeschwol-
lenes todtes Kind; einen Raben, der einer Leiche die Augen
aushackt etc. Geistreich, wenn auch unwahrscheinlich, ist
dabei der erbitterte Kampf zweier Reiter mitten im Wasser.
Der Engländer West malte den Moment, wo schon Alles
todt ist. Man sieht nur in der Ferne ganz dunkel durch den
Regen die Arche. Im Vordergrunde aber hängen noch die
Leichen einer ertrunkenen Familie in den Zweigen eines
Baumes; bereits schwarzblau und grässlich entstellt und von
drei grossen Schlangen umwunden, die sich auf denselben
Sündfluth. 429
Baum retteten. Zur Seite aber flattert die weisse Taube, die
Botin besserer Zukunft.
Am wenigsten Eindruck machen die Sündfluthbilder, die
nicht für sich stehen, sondern nur einen Theil der gemalten
Bibel überhaupt einnehmen, daher im Kaum beschränkt und
dem Geist des Ganzen untergeordnet bleiben. Unter diesen
Bildern ist das grossartigste das von Michel Angelo in der
sixtinischen Kapelle, jedoch ganz in den Hintergrund gedrückt
durch das Bild des Weltgerichts in derselben Kapelle. Einen
ziemlich schwachen Eindruck macht das kleine Sündfluthbild
in Raphaels Logen. Nur Studien ohne poetische Tiefe sind
die Sündfluthbilder von Giulio Romano in England (Waa-
gen I. 477. Passavant 257.), Turchi (l'Orbetto) in Paris
(Waagen 517.), Domenichino in Berlin (Kugler I. 131.). Ein
Bild von Sabatti in Brescia. Auch von Bassano, der so
viel zu den ersten Kapiteln der Genesis gemalt, sind
Sündfluthbilder vorhanden, in Madrid, Paris und Florenz.
Eine Sündfluth kommt auch unter den alten Mosaiken der
Marcuskirche zu Venedig vor.
Unter den französischen Malern malten die Sündfluth
noch: Regnault, in zwei Darstellungen; Trioson (Waagen,
Paris 728.); Le Fage, gest. von Audran; Blaiset, gest. von
Ruotte; Bernard, gest. von Sadeler.
Deutsche und Niederländer: L. Cranach in Schneeberg
(Waagen, Deutschland I. 57.), Joh. Breughel in Kassel, Cor-
nelius von Plarlem in Salzdalen, Cassiers in Brüssel, Jakobs
in München. Kunstblatt 1825. Nr. 53. Romberg. Ein be-
rühmter figurenreicher Holzschnitt von Melchior Lorch.
Die Motive sind gewöhnlich : das Erklettern eines Bau-
mes, die Flucht auf einem Pferde, das Heraufziehen eines
Kindes oder sterbenden Weibes , das Zurückstossen des
Schwächern durch den Stärkeren, die fruchtlose Anstrengung,
die verzweifelnde Resignation. Seltener kommt eine mehr
nuancirte Charakteristik vor, der Unterschied der Tempera-
mente, Stände, des Glücks etc., das verschiedenartige Be-
nehmen des Reichen und Armen, Geizigen und Verschwenders,
480 Susanna.
des Schlemmers, des Tartuffe, des Tyrannen, des Wüstlings,
der übermüthigen Hetären etc.
Mathäi in Dresden 1805 malte die Gruppe zweier Lie-
benden, nach Gessners Dichtung. Eine Gruppe sich Ret-
tender malte Court 1823 (Kunstbl. Nr. 62.). Eine andere Li-
beri in Bergamo, dem es übrigens nur auf die nackten Figuren
ankam. Eine andere Danhauser in Wien. Ein grässliches
Motiv wählte Ysendyk in einem Bilde zu Antwerpen (Kunst-
blatt 1831. Nr. 40.), nämlich einen Mann, der, schon von
einer Schlange umwunden, doch noch ein Mädchen zu retten
bemüht ist. Kessels formte eine berühmte Gruppe in Mar-
mor, einen Mann, der Weib und Kind zu sich erhebt,
A. Eeumont, röm. Briefe II. 284. Kunstbl. 1838. S. 112.
Mehr allegorisch ist ein Bild der Mistress Cosway. Ein
alter Mann steht halb in einem Wolkenbruch, von dem kalt
und blaugrau der unendliche Regen niederströmt auf ein
bronzeartig mit schaudervoller Miene daliegendes Weib.
Fiorillo V. 688.
Von Michel Angelo an, der in seinem Sündfluthbilde
liebevolle Rettungsscenen malte, haben die meisten Maler
den Fehler begangen, das in der Sündfluth untergegangene
sündige Geschlecht viel zu edel, human und sich Einer für
den Andern aufopfernd aufzufassen. Sie hätten vielmehr die
Corruption, den Egoismus, die Roheit, die Verthierung und
Verteufelung hervorblicken lassen sollen.
S u s a n n a,
hebräisch Shushan, LiUe, Vorbild der heihgen Jungfrau , so-
fern sie während der babylonischen Gefangenschaft mitten in
dem üppigen Babel fleckenlose Keuschheit bewahrt und die
ganze Reinheit des Volkes Gottes gleichsam in sich concen-
trirt, wie die Lilie unter den Dornen. Zugleich Gegenbild
der Eva, welche umgekehrt mitten im Paradiese durch Sünde
sich verunreinigte.
Synagoge. 431
Synagoge.
Verl. d. Artikel Judenthum und Kirche. Im Mittelalter
stellte man gerne, insbesondere an Kirchenthüren, der allego-
rischen Figur der Kirche oder christlichen Religion die der
Synagoge oder des Judenthums gegenüber. Die letztere
immer als ein Weib mit verbundenen Augen, deren Scepter
zerbrochen ist und der die Krone vom Haupte fällt. Der
Sinn ist: als Christus geboren ward und seine grosse Kirche
gründete, hatte das Judenthum seinen Zweck erreicht, seine
Prophezeihungen waren in Erfüllung gegangen, es musste
jetzt dem Christenthum Platz machen. Der alte Tempel
musste zerbrochen werden. Das wollten aber die verstockten
Juden nicht anerkennen, und deshalb fristet die Synagoge,
noch ihr Leben, aber nm- als Gespenst des zerstörten Tem-
pels. So wird sie auch in altdeutschen Mysterien aufgefasst.
Vgl. Mone, Schauspiele des Mittelalters II. 170.
TafelnMosis.
Die beiden steinernen Tafeln, das gewöhnlichste Attribut
des Moses, die Gesetzestafeln, die er von Gott selbst auf
dem Berge Sinai empfing, werden auf Kirchenbildern immer
so gemalt, dass die erste Tafel rechts die Zahlen I — III
(die drei ersten, die Pflichten gegen Gott betreffenden Gebote
unter den zehn Geboten), die zweite links die Zahlen IV — X
(Gebote, die Pflichten gegen die Menschen betreflfend) enthält.
Sie werden durchgängig wie zwei Thür- oder Fensterflügel
dicht beieinander und oben jede für sich im Rundbogen ab-
gerundet gemalt. Dieselbe Form wiederholt sich oft in go-
thischen Verzierungen an Fenstern und Rosetten.
Tanne,
Attribut des heiligen Landolin, der zu Ettenheimmünster eine
uralte, hohe, von den heidnischen Alemannen verehrte Tanne
fällte und zu einem Kreuze machte, aber von den Heiden
erschlagen wurde. Tannen sind überhaupt Sinnbilder der
zuerst in den deutschen Urwald eindringenden Bekehrung.
Tanne. 433
Die berühmteste war zu Thann im Elsass. Die älteste deutsche
Legende lässt den Jünghng von Nain, den der Heiland vom
Tod auferweckte, unter dem römischen Namen Maternus,
vom Apostel Petrus selber gesendet, an Ehein und Mosel
wandern, um die damals noch heidnischen Eömer und Gal-
lier, sowie ihre deutschen Nachbarn zu bekehren. Er starb
zu Eley im Elsass, seine beiden Gefährten, Eucharius und
Valerius, aber eilten nach Rom zurück, wo ihnen der heilige
Petrus seinen eigenen Bischofsstab mitgab, dessen Berührung
den todten Maternus wieder auferweckte. Selbiger Stab wurde
zu Köln aufbewahrt, dann erhielt eine Hälfte davon Wien,
von wo sie nach Prag kam. Eucharius wurde der erste,
Valerius der zweite Bischof von Trier, Maternus aber der
erste in Köln und Tongern. Er lebte noch so viele Jahre,
als er Tage im Scheintode gelegen hatte, und starb zu Köln,
seine Leiche aber kam nach Trier. Die Kirche verehrt ihn
am 4. September. Vgl. Rettberg I. 74. Königshafen, Elsass.
Chronik S. 269. Weil er als Gründer der Kirchen von Trier,
Köln und Utrecht (Tongern) gilt, trägt er auf Bildern als
Attribut eine Kirche mit drei Thürmen, oder eine Bischofs-
mütze auf dem Kopf und zwei andere in den Händen. —
In Stöbers Elsass. Sagenbuch S. 38 wird noch folgende Le-
gende von Maternus erzählt. Dieser diente einst dem greisen
Bischof Theobald, der früher ein Ritter gewesen war, sich
aber dem geistlichen Stande gewidmet hatte, nachdem seine
geliebte Braut vom Blitz erschlagen worden war. Als der
alte Theobald starb, bat er den jungen Maternus, künftig
seinen Ring zu tragen. Der Ring aber Hess sich nicht von
der Leiche abziehen, der Finger brach ab, und Maternus
barg Ring und Finger im Knauf seines Pilgerstabes. Da
schlief er im Elsass unterwegs bei einer hohen Tanne ein,
an die er seinen Stab lehnte. Als er aber erwachte, war
der Stab mit der Tanne verwachsen und Hess sich nicht mehr
losreissen. Ein Graf ritt herbei und erkundigte sich; da
wurde entdeckt, dass des Grafen Schwester die vom Blitz
erschlagene Braut Theobalds gewesen, dass sie unter derselben
Menzel, christl. Symbolik. II. 28
434 Tanz.
Tanne erschlagen worden sey, und dass nur deshalb der Eing
und Finger nicht mehr von der Tanne wichen. Der Graf
Hess zu ihrem Andenken hier einen Münster bauen: das ist
der berühmte Wallfahrtsort Thann im Elsass. Je am 1. JuH,
dem Theob aidstage, werden hier drei hohe, ganz mit Spanen
ausgefüllte Tannen verbrannt, deren Kohlen vom Volk wie
heilsame Reliquien aufbewahrt werden.
Tanz.
Im Gegensatz gegen das Heidenthum, welches mit seinem
Cultus eine Menge theils anmuthiger, Freude ausdrückender,
theils orgiastiseher und wahnsinniger Tänze verband, weist
die christliche Kirche den Tanz ausschliesslich in das welt-
liche Gebiet zurück. Sie unterlässt auch bei den Lobpsalmen
die alttestamentalischen Freudensprünge der Mirjam und des
David. Der berühmte sogenannte religiöse Tanz der Wall-
fahrer zu Echternach bei Trier am Grabe des heiligen Willibrord
ist eigentlich nur ein Yorschreiten mit zwei Schritten, worauf
ein Schritt wieder zurückgemacht wird, und stösst keines-
wegs die ßegel um, sondern bestätigt sie vielmehr, denn
dieses feierliche Schreiten zum Grabe des Heiligen bewahrt
nur die Erinnerung an den St. Veitstanz, der einst in jenen
Gegenden grassirte und auf keine andere Weise geheilt wer-
den konnte, als dadurch, dass sich die unwillkührlichen Tänzer
jenem wunderthätigen Grabe nahten, an welchem ihre böse
Bezauberung sich brach. Memoires de V acad. Celtique III. 454.
Calmet II. 366. Also bewahrt die kirchliche Feier in diesem
sogenannten Tanze der Pilger nur das Andenken an einen
durch die Kirche besiegten dämonischen Tanz.
Abgesehen von der kirchlichen Anerkennung des unschul-
digen Laientanzes, hat doch die kirchliche Anschauungsweise
nie verfehlt, das Dämonische in der Tanzwuth als solches
anzusehen und zu verdammen. Vor Allem in den falschen
heidnischen Culten, wofür der Tanz der verführten Kinder
Israel um das goldne Kalb Prototyp ist. Sodann den ver-
Taube. 435
führerischen Tanz, wofür die Tochter des Herodes, deren
Tanz den Tod des Täufers veranlasste, als Prototyp gilt.
Charakteristisch für die christliche Kunst aber ist insbeson-
dere, dass sie selbst den Engeln und Seligen im Himmel
nur zu schweben, aber nicht zu tanzen erlaubt, während
sie sehr ausgebildete Todtentänze, Hexen- und Teufelstänze
kennt.
Taube.
Die weisse Taube, deren glänzender Flug am Himmel
jedes Auge erfreut, die vielleicht schon in sehr früher Zeit
zu Botschaften (als Brieftaube) benützt wurde, die zugleich
so sanft ist, dass man sprichwörtlich sagt, sie habe keine
Galle, bot sich von selbst zur Vergleichung dar 1) mit den
vom Himmel als Boten Gottes kommenden Engeln, und dem-
gemäss überhaupt mit den reinen Geistern ; 2) mit dem reinen
Urgeist selbst, dem heiligen Geist als dritter Person in der
Gottheit; sodann aber auch 3) sofern im Wesen der Taube
das weibliche Element vorherrscht, mit der Königin der Engel,
Maria, und der Eeinheit und Gattenlosigkeit wegen 4) mit
den seligen Seelen, insbesondere auch* sofern dabei an die
Taubenopfer der Juden gedacht wurde, mit den Märtyrern.
Die natürliche Taube, die Noah aus der Arche fliegen
Hess und die mit einem Oelzweig wiederkam, dadurch an-
zeigend, dass unter den Wässern der Sündfluth das grüne
Land wieder hervorzukommen anfange, ist ein Vorbild aller
himmlischen Boten oder Engel, die der frommen und leiden-
den Menschheit die Nähe des himmlischen Friedens verkünden.
Dass der Oelzweig schon bei den Heiden ein Sinnbild des
Friedens war, ist hier weniger erheblich, als die Vorstellung
der nach der Sündfluth hervortretenden neuen Erde. So wie
dem Noah zu Muthe war, als er nach der langen Wassersnoth
endlich das ersehnte Ufer fand, so ist jedem Frommen zu
Muthe, der nach des Lebens Stürmen zum himmlischen
Frieden gelangt. Darum herrscht schon auf den ältesten
christlichen Gräbern in den römischen Katakomben das Bild
28*
486 Taube.
der Taube vor, die mit einem Oelzweig zu dem aus einem
engen Kasten herausschauenden Noah heranfliegt und hier
nichts anderes bedeutet als den Engel, der dem Verstorbenen
die himmlische Seligkeit verheisst. Das Nämliche bedeu-
teten die über den Gräbern der Longobarden und Franken
aufgehangenen Taubenbilder. Paulus Diac. V. 34. Gregor.
Tur. de gloria mart. I. 72. Binterim, Denkw. VI. 3. 501.
Wie die Taube den Engel, so bedeutet der Rabe den
Teufel. Beide contrastiren in dieser Weise schon in der
Arche Noä, aber auch sonst überall in der christlichen Sym-
bolik. Der sinnreiche Ruprecht von Deutz erkennt in der
Arche die durch das Christenthum gerettete Menschheit (das
Schiff der Kirche), weshalb die Taube mit der seligen Ver-
heissung dahin zurückkehrt, in den Aasen der auf den Wäs-
sern der Sündfluth schwimmenden Thiere, auf denen der
Rabe zurückbleibt, um sich mit dem ecklen Frasse zu er-
götzen, erkennt Rupert das Juden thum. Sofern aber von
Noah drei Tauben entsandt werden, erkennt Rupert in der
ersten, die alsbald wieder zurückkehrt, die heilige Taufe, in
der zweiten, die mit dem Oelzweig zurückkehrt, die heilige
Priesterweihe, in der* dritten endlich, welche gar nicht mehr
zurückkehrt, den seligen Tod und Uebergang in die himm-
lische Freude. Eupert Tuit. p. 44. In einem Hymnus des
Sedulius wird die Taube Noä einfach aufgefasst als die Ten-
denz zum Himmel, der Rabe als die zur Hölle. Fortlage,
christliche Gesänge S. 46. In diese Symbolik gehört auch
eine schöne morgenländische Sage , in welcher die Taube Noä
wirklich mit dem Paradiese in Verbindung kommt. Herder
theilt sie in Folgendem mit: „Acht Tage hatte der Vater
der neuen Welt auf die Wiederkunft des trägen Raben ge-
wartet, als er auf's Neue seine Schaaren um sich rief, Kund-
schafter auszuwählen. Schüchtern flog die Taube auf seinen
Arm und bot sich an zur Sendung. »Tochter der Treue, ^^
sprach Noah , »du wärest mir wohl eine Dienerin guter Bot-
schaft; wie aber willst du deine Reise thun, und dein Ge-
schäft vollenden? Wie, wenn deine Flügel ermattet, und
Taube. 437
dich der Sturm ergreift, und wirft dich in die trübe Welle
des Todes ? Auch scheuen deine Füsse Schlamm, und deiner
Zunge widert unreine Speise.* — >)Wer,* sprach die Taube,
^vgibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermö-
genden? Lass mich, ich werde dir gewiss eine Dienerin
guter Botschaft.* Sie entflog und schwebte hin und her, und
nirgends fand sie , wo sie ruhen könnte ; als schnell der Berg
des Paradieses sich vor ihr erhob mit seinem grünenden
Wipfel. Ueber ihn hatten nichts vermocht die Wasser der
Sündfluth; und der Taube war die Zuflucht zu ihr unver-
boten. Freudig eilte sie und flog hinan und liess demüthig
sich am Fuss des Berges nieder. Ein schöner Oelbaum
blühte da: sie brach ein Blatt des Baumes, eilte gestärkt
zurück und legte den Zweig auf des schlummernden Noah
Brust. Er erwachte und roch daran den Geruch des Para-
dieses. Da erquickte sich sein Herz : das grüne Friedenblatt
erquickte die Seinigen, bis ihm sein Retter selbst erschien,
bekräftigend der Taube gute Botschaft. Seitdem dann ward
die Taube Dienerin der Liebe und des Friedens. Wie Silber
glänzen ihre Flügel, sagt das Lied; ein Schimmer noch vom
Glanz des Paradieses, das sie auf ihrer Wanderschaft er-
quickte."
Eine gar liebliche Vorstellung ist auch die Taube in
einem schwedischen VolksHede. Als Botin des Himmels ruft
sie alle Vorübergehenden zu Jesu Eeich, aber vergebens, nur
eine fromme Jungfrau folgt ihr und stirbt als Braut des Herrn
geschmückt. Afzelius, schwed. Volkssagen IH. 32.
Tauben erscheinen sehr oft als Engel in den Heiligen-
legenden. Die heilige Columba (Taube) erhielt diesen Namen
von einer weissen Taube, die bei ihrer Taufe zu ihr flog,
ihr einen Kuss gab und wieder verschwand. Tauben brach-
ten der im Kerker verschmachtenden h. Katharina Nahruns:.
Eine Taube brachte der h. Ida von Löwen die heiHge Hostie.
Eine Taube brachte der h. Adelgunde den Nonnenschleier
vom Himmel herab. Eine Taube brachte dem h. Remigius
das berühmte Oelfläschchen vom Himmel her, aus dem alle
438 Taube.
Könige von Frankreich gesalbt wurden. Eine Taube setzte
sich dem h. Cunibert unter der Messe auf den Kopf. Surius
zum 12. November. Eben so der h. Katharina, während sie
mit den Philosophen stritt. Didron^ icon. 440. Eine Taube
zeigte den Ort an, wo die h. Ursula begraben lag, daher
man ihr auf Kirchenbildern eine Taube zu Füssen malt.
St. Romana, eine römische Jungfrau im 4ten Jahrhundert,
verliess ihre Eltern, Hess sich auf dem Berge Soracte vom
Einsiedler St. Sylvester taufen und wurde selbst eine Ein-
siedlerin in einer Höhle bei Todi; als sie starb, rief eine
Taube, vom Himmel kommend, ihre Seele zum Himmel.
Acta SS. 23. Februar. Besungen von Bönecke, Legenden
1846. n. 445. Der h. Einsiedlerin Georgia bei Clermont in
Frankreich folgten, als sie zu Grabe getragen wurde, unzäh-
lige Engel in Taubengestalt. Acta SS. 15. Februar.
Um das Herz des Michael Scotus stritten eine Taube
und ein Rabe. Grimm, irische Elfenm. XXXVI. Auf Bil-
dern von Sterbenden vertritt überhaupt die Taube sehr oft
des Engels , der Rabe des Teufels Stelle. ■ — Als Engel muss
man auch die Tauben denken , die sich nach vielen örtlichen
Legenden bei Kirchenbauten betheiligen. Der heilige Pirmi-
nius Hess durch einen gewissen Adalbert ein Kloster bauen.
Adalbert hieb sich mit der Axt in's Bein, eine Taube trug
einen blutigen Span davon und Hess ihn in eine tiefe Felsen-
schlucht fallen. Da erkannte der Heilige, man müsse die
Klöster nicht in schöne und freie Gegenden, sondern in tiefe
Schluchten bauen und baute das Klösterlein PfäfFers tief in
jener Schlucht, wo eine Heilquelle entspringt. Die Taube
mit dem blutigen Span im Munde ist noch das Wappen von
Pf äffers. Wyss, Sagen I. 217. Pirminius' Hauptstiftung
war Reichenau, vgl. Rettberg IL 51. AehnHche Legenden
bei Panzer, Beitrag zur deutschen Mythol. I. 223 f.
Den Uebergang vom Symbol der Engel zu dem des
heiHgen Geistes bilden die Tauben, die bei Bischofswahlen
und grossen kirchlichen Ereignissen entscheidend auftreten
Taube. 439
und grossen Kirchenvätern und Kirchenfürsten berathend zur
Seite stehen. Um ihn bei der Wahl als Bischof nach dem
Willen Gottes zu bezeichnen, flog eine Taube auf das Haupt
des heiligen Fabianus (Eusebius VI. 29.), Euortius (Surius
7. September), Polycarpus, Hilarius, Maurilius, Severus von
Ravenna etc. Der heilige Geist als Taube sass auf der
Schulter des h. Gregor des Grossen, des h. Cölestinus, h. Ba-
iiilius , h. Augustinus , h. Thomas von Aquino , h. Athanasius,
h. David, Petrus von Alcantara etc. St. Veremundus, Abt
zu Hjracha in Navarra, speiste einmal während einer Hun-
gersnoth 3000 Menschen blos durch den heiligen Geist, in-
dem eine weisse Taube vom Himmel herabflog und sich von
einem Kopf auf den andern setzte. Jeden aber sättigte, den
sie berührt hatte. 8. März 1092.
Die sieben Geister Gottes nach Jesaias 11, 1. und Offen-
barung Johannis 5, 6. werden auf Miniaturen und Glasbil-
dern des 12ten bis 14ten Jahrhunderts gewöhnlich als sieben
Tauben dargestellt, zwischen denen Christus thront. Didron^
icon. 297. Sieben Tauben umschweben das Haupt des Hei-
landes, oder seine ganze Figur, oder sein Herz allein, oder
die Gnadenmutter mit dem Kinde. Twining^ Symbols, pl. 27. 28.
Der heilige Geist in seiner Einheit als dritte Person der
Gottheit schwebte bei der Taufe Christi als Taube über ihm,
nach den Evangelien Matthäi 3, 16, Marcus 1, 10, Lucas
3 , 22 , Johannes 1 , 32. Die christliche Kunst war daher
berechtigt, die Taube auch als Personification des heiligen
Geistes auf den Bildern 1) der heiHgen Dreieinigkeit, 2) der
Schöpfung, 3) der Verkündigung , 4) auf Pfingstbildern , und
5) auf Bildern anzuwenden , die den Gegensatz zwischen dem
heihgen Geist und dem bösen Geist ausdrücken.
Zunächst wurde die Taube in der Bedeutung des heiligen
Geistes auf Taufbecken, sodann auch auf Kanzeln gesetzt,
um gleichsam dem Täufling, wie dem Prediger die Gabe des
heiligen Geistes mitzutheilen. Auch auf Altären wurde eine
Taube aufgestellt und auf Altartücher gestickt. Molani^ hist.
440 Taube.
imag. 55. In der Handschrift der Herrad von Landsberg zu
Strassburg hat der heilige Geist als Taube sechs Flügel,
nämlich noch zwei am Kopf und zwei an den Füssen, sera-
phimartig. Abgebildet bei Twining, symb, pl. 61. Die Taube
aus der Hand Gottes (in Wolken) entlassen, das. pl. 2.
Strahlen ausgiessend aus dem Schnabel, pl. 24. Zwischen
den vier evangelischen Flüssen, pl. 25. An Christi Ohr,
pl. 24. Auf dem Kreuz sitzend, pl. 4. In einer Hostie auf
dem Kreuze an der Stelle, wo der Leib Christi hängen
sollte, pl. 7. Lauter sinnreiche Bilder, die das Verhältniss
des heiligen Geistes zu Gott dem Sohne ausdrücken. Dahin
gehören auch speciell noch die zwölf Tauben in der Bedeu-
tung der vom heiligen Geist erfüllten Apostel Christi, pl. 58.
Auf den Dreifaltigkeitsbildern hat man im früheren Mit-
telalter den heiligen Geist in Jünglings-, Mannes- oder Grei-
sengestalt dem Vater oder Sohn ähnlich gemalt , später aber,
um ihn charakteristischer zu unterscheiden, allgemein die
Taubengestalt vorgezogen. In der Bedeutung des heiligen
Geistes hat die Taube stets (wie Gott Vater und Sohn und
wie das Lamm als Sohn) das Kreuz im Zirkel als Nimbus,
und schwebt auch meist in einer sonnengleich strahlenden
Glorie. Während auf Bildern, welche den heiligen Geist in
menschlicher Gestalt bilden, demselben die dritte Stelle zu-
kommt, nimmt die Taube zwischen Vater und Sohn die Mitte
ein, indem sie nicht selten beide zart mit den Flügerspitzen
berührt. Auf Bildern , welche die Krönung der Maria durch
die heilige Dreieinigkeit darstellen, schwebt die Taube über
dem Haupt der Jungfrau in derselben Weise segnend wie
auf den Verkündigungsbildern, und beide Auffassungen stehen
in Bezug aufeinander, wie Verkündigung und Erfüllung.
Der nach 1 . B. Mosis 1 , 2. über den Wassern schwe-
bende Geist wurde in der älteren Malerei der Mosaiken und
Miniaturen immer als Taube gemalt. So in der Marcuskirche
zu Venedig. Vgl. Kunstblatt 1831. Nr. 82. und Waagen,
Kunstwerke in Paris S. 345.
Taube. 441
Ganz allgemein herrscht der Gebrauch , auf Pfingstbil-
dern die Taube über der begeisterten Versammlung schweben
zu lassen. Vgl. d. Artikel Pfingsten, wo ich mich bereits
gegen v. Wessenberg ausgesprochen habe, der die Taube auf
diesen Bildern wegwünscht. Mir scheint es, sie gehöre hin-
ein, um die Versammlung von jeder andern zu unterscheiden
und weil die Taube ein ganz unverfängliches, uralt gehei-
ligtes Symbol ist. Auf einem schönen alten Bilde zu Baldern
gehen von der Taube Strahlen aus, die in Flammenfunken
enden und auf die Häupter der Apostel fallen. Kunstblatt
1847. S. 14.
Der Gegensatz gegen den Teufel wird abweichend in
einem merkAvürdigen alten Miniaturbild durch eine Taube mit
Pfauenschweif ausgedrückt, die eine grosse bunte Schlange
beisst. Waagen, Paris 273. Dass hier die Schlange, und
nicht wie gewöhnlich der Rabe den Gegensatz zur Taube
bildet, bezieht sich wohl auf die Ermahnung: „Seyd klug
wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben." Matth.
10, 14. Der bunte Pfauenschweif soll vielleicht das Viel-
wissen, die Klugheit bezeichnen, worin der heilige Geist
der alten Schlange gleicht, ohne ihre Bosheit. — Auf dem
salomonischen Throne sass eine goldne Taube, die einen
Habicht unter sich hatte, Sinnbild des Volkes Gottes, nach-
dem es die Aegypter (deren Sinnbild der Habicht war) über-
wunden hatte. Augusti, Denkw. XH. 345. Derselbe leitet
davon die zu Pfingsten üblichen Vogelschiessen her. Durch
den heiligen Geist wird der böse Raubvogel der Hölle be-
siegt, deshalb schiesst das Volk am Pfingstmontag auf einen
hoch an einer Stange befestigten Raubvogel. — Mit dieser
Symbolik hängt zusammen, dass der Teufel aller Thiere Ge-
stalt annehmen kann, nur nicht die der Taube (MajoU^ dies
canic. 1691. p. 406.), und dass die Russen zwar Tauben in
Menge halten und mit grosser Liebe pflegen, aber niemals
essen. Kohl, Petersburg I. 130.
Wir gehen nun zur marianischen Symbolik über. Das
Columbarium , das gewöhnlich silberne Gefäss , worin im
443 Taube.
früheren Mittelalter das Sakrament des Altars aufbewahrt
wurde, hatte Taubengestalt. Binterim, Denkw. II. 2. 147.
Kugler, Kunstgeschichte S. 380. Hier kann unter der Taube
nicht der heilige Geist, sondern muss die Gottesmutter ver-
standen werden, .die den heiligen Leib in sich getragen.
Maria wird sehr oft mit einer Taube verglichen. Maria, die
sündenlose , heisst die Taube ohne Galle. Conrad von Würz-
burg, goldne Schmiede Vers 570, herausgegeben von Grimm
S. XXXVII, wo noch anderer altdeutscher Marienlieder ge-
dacht ist, die dasselbe Bild gebauchen. Augustinus, contra
Faust. XII. 20, vergleicht Marien der Taube Noä, die zur
Arche zurückgekehrt sey, um nicht auf Unreines zu treten
(wie der Rabe that).
Unsre Liebe Frau soll nach Gumppenberg, marian. Atlas
Nr. 597, sich selbst in Gestalt einer Taube zu Erfurt auf den
zum Kreuz gebrochenen und in die Erde gesteckten Stab eines
alten Weibes gesetzt haben, zum Wahrzeichen, dass hier
eine Kirche gegründet werden solle. Nach demselben, Nr. 71,
und Weber, Tirol III. 372, sollte zu Schnals in Tirol der
Mutter Gottes eine Kirche gebaut werden, aber die Zimmer-
leute hieben sich mit den Aexten selber und verwundeten sich.
Da trugen Tauben die blutigen Späne auf den St. Georgen-
berg, zum Wahrzeichen, dass man die Kirche dort oben
bauen solle. Das hier befindliche Muttergottesbild wird in
Ehesachen angerufen; auch steht eine Linde dabei. Tauben
umflogen den Platz, wo der Madonna eine Kirche gebaut
werden sollte, zu Messina, Gumppenberg Nr. 91, und ent-
deckten ein Bild derselben in einer Höhle von Navarra, das.
Nr. 498. — Der heilige Benno sah einst, wie Tauben aus
Körnern den Namen Maria zusammensetzten; an derselben
Stelle baute er das Kloster Altenzell. Weber, Möncherei
I. 106. — Zu Dronghen bei Gent wird ein wunderthätiges
Marienbild verehrt, das einst aus Unwillen eine Kirche, in
der es nicht geachtet wurde, verlassen hatte und durch vor-
ausfliegende Tauben den Ort bezeichnen Hess, wo es auf's
Neue aufgerichtet seyn wollte. Wolf, deutsche Märchen
Taube. 443
Nr. 296. — Annibal Carracci malte die Flucht nach Aegyp-
ten in der Art, dass Tauben der heiligen Familie voran-
fliegen.
Die Taube ist ferner ein Sinnbild der Seele. Vögel über-
haupt wurden als Seelen Verstorbener genommen , die Taube
insbesondere aber als die Seele selig Verstorbener. So kom-
men sie auf den ältesten Christengräbern in den Katakomben
vor, und zwar neben dem schon beschriebenen Sinnbild der
Taube Noä, die damit nicht verwechselt werden darf. In
der Bedeutung von Seligen picken die Tauben nach Frucht-
körben, welche die himmlischen Früchte eines gerechten
Wandels auf Erden und die Freuden der Seligkeit darstellen.
Aringhij Borna subt. 1. 281. 283. II. 101. Tauben, die an
einer Weintraube- picken oder an einem Becher, bei Twining
pl. 86, bedeuten wohl die Seelen, die durch das Blut Christi
selig geworden sind. In den Gräbern der Katakomben ist
der Taube oft der Palmzweig zugesellt, als Zeichen der durch
den Martyrtod ersiegten Seligkeit. Vier Tauben um eine
Palme auf einer Lampe bei Bottari III. tah, 209. scheinen
auf den Sieg des Lichts in den vier Evangelien gedeutet
werden zu müssen, und haben keine Beziehung auf das
Martyrium, das sonst gewöhnlich durch die Palme bezeich-
net wird.
In vielen Legenden scheidet die reine Seele des Heiligen
in Taubengestalt aus seinem Leichnam. So schwebte die Seele
des heiligen Polycarpus aus dem Scheiterhaufen, auf dem er
verbrannt worden, zum Himmel auf; desgleichen die Seele
der heiligen Eulalia. So schwebte die Taube aus dem Munde
der sterbenden h. Scholastica. Aus dem Grabe des h. Adrian,
Potitus, Wilhelm etc. Vgl. die Register der Acta SS. sub
voce columba. Zum Grabe des h. Medardus flogen zwei
Tauben und bald darauf flogen ihrer drei davon, denn die
Seele des Heiligen hatte sich zu ihnen gesellt. Viele Tauben
mit Blumen im Munde flogen zum sterbenden Alessio Fal-
conieri (Bild des Peter von Cortona), wahrscheinlich Selige,
444 Taube.
die ihn willkommen hiessen im Jenseits. Aus dem Meer, wo
ein Schiff versunken ist, erheben sich nach spanischem Volks-
glauben die seligen Seelen der Ertrunkenen als Tauben und
fliegen zum Himmel. Clarus, span. Lit. I. 262.
Vögel auf einem Baume singend waren ein durch das
ganze Mittelalter beliebtes Bild für die Seligen im Paradiese.
Dasselbe Bild noch bestimmter ausgedrückt sind die auf dem
Baum Peridiroion nistenden Tauben, die vollkommen sicher
sind vor den umher lauernden Drachen, weil der blosse
Schatten des Baumes diesen Drachen tödtlich ist. Nach Isi-
dorus bei Conrad von Megenberg s. v.
In der Legende der heiligen Columba von Beate lernen
wir dem Namen wie dem Wesen nach eine Taubenseele
kennen , einen unschulds vollen Engel unter den Teufeln , eine
weisse Taube flatternd im Sturm der Welt. Diese berühmte
Nonne von Perugia war geboren im Jahre 1467. Während
sie getauft wurde, flog eine weisse Taube herbei, daher ihr
Name. Schon als Kind fastete, betete sie, kasteite sich, hatte
Visionen. Christus erschien ihr und ihm gelobte sie sich zur
Braut. Als man sie zu einer andern Heirath zwingen wollte,
wehrte sie sich standhaft und entfloh. Die Teufel verfolgten
sie und erweckten rings um sie her Ungewitter, aber kein
Blitz, kein Wind, kein Regentropfen berührte das fromme
Mädchen. Freche Jünglinge überfielen sie und wollten ihr
Gewalt anthun ; als ^sie sie aber entblössten und unter ihrem
Gewände ihren schönen jugendlichen Leib durch den Stachel-
gürtel und eiserne Ketten, die sie sich zur Fleischestödtung
angelegt, zerfetzt fanden, wichen sie entsetzt von ihr. Endlich
fand sie Ruhe in einem Kloster zu Perugia, wo sie viele
Wunder that. Kranke heilte, mit Dämonen kämpfte und von
Christo und den Heiligen besucht wurde. Ihre einzige Speise
soll das heilige Abendmahl gewesen seyn. Der Zufall wollte,
dass einmal der ruchlose Papst Alexander VI. nach Perugia
kam , dem Columba in Demuth den Fuss küsste. Man dente
sich den Contrast seiner Laster und ihre Unschuld. Columba
Taube. 445
starb, wie sie vorausgesagt hatte, im 33sten Jahre, um Christo
zu gleichen. Acta SS. 20. Mai.
In der Lyoner Kunstausstellung von 1846 fand sich ein
hübsches Bild von Etex, darstellend Adam und Eva, wie
sie eine todte Taube staunend und im ahnungsvollen Schrecken
betrachten, weil es das erste todte Wesen ist, welches sie
sehen. Dem liegt die symbolische Bedeutung der Taube zu
Grunde. Indem Adam und Eva ihre Unschuld verloren,
starb sinnbildlich die Taube. Doch ist das Motiv zu senti-
mental für den kirchlichen Ernst.
Die sieben Tugenden , die man im Mittelalter der Taube
zuschrieb, haben nur die Zahl von den sieben Gaben des
heiligen Geistes entlehnt, nicht das Wesen. Auch lassen sie
sich nicht auf die heilige Jungfrau beziehen, noch auf die
Seligen. Sie gehören rein der natürlichen Taube an. 1) Si
hat der galten niht. 2) Si enizet deheines botiches (Aas) niht^
noch enkeines wurmes. 3) Si fuoret (speiset, nährt) sich mit
dem Samen: diu besten körn weit si^ diu hosten verwidert si
(verschmäht sie). 4) Ir sanges pfleget si niuwan (nur) kumende
unde wuoffende (seufzend und jammernd). 5) Si ziuhet ouch
vil emzige fremediu jungide. 6) Si lU gerne bt dem wazzer,
daz si den schate gesehen mege^ swene si der habech vähen wiL
7) In den steinen oder in den holn machet si ir nest. In Haupts
Zeitschrift für deutsches Alterthum 1, 287. von Pfeiffer mit-
getheilt aus der Münchener Pergamenthandschr. 39. aus dem
12ten Jahrhundert.
Zwei Täubchen in einem Korbe stellen das Opfer im
Tempel dar auf allen Bildern der Reinigung Maria oder
Opferung. Sie werden als Sinnbild der ehelichen Liebe und
Treue aufgefasst. Die gleichfalls in Körbeu gefangenen Tauben
der Verkäufer im Tempel bedeuten dagegen die weltliche
Habgier in der Kirche, dasselbe was die Simonie. Vgl. den
Artikel Simon Magus.
446 Taubstumm.
Taubstumm.
• Der heilige Avitus, ein frommer Möncli des 6ten Jahr-
hunderts aus Orleans, ging aus Demuth in die Wildniss und
lebte als Einsiedler. Da kamen einmal bei Nacht zwei taub-
stumme Brüder zu ihm, arme Hirten, die sich ihre erloschenen
Fackeln bei seiner Lampe wieder anzünden wollten. Der
Heilige gestattete es ihnen, zündete ihnen aber zugleich ein
noch schöneres Licht des Geistes an, indem er ihnen die
Sprache wiedergab. Die Kirche verehrt ihn am 17. Juni.
Taufe.
Der deutsche Name kommt schwerlich her vom hebräi-
schen tafa (in der Bedeutung von Untertauchen), sondern
vom deutschen teufen, vertiefen, in die Tiefe thun, d. h.
gleichfalls untertauchen.
Die allgemeinste Bedeutung der Taufe ist Abwaschung,
Reinigung von alter Befleckung und Herstellung des ur-
sprünglich Reinen und Schönen, woran sich aber auch der
Begriff des Eingehens in ein ganz neues Element knüpft.
Durch die Taufe wurde das alte Heidenthum und Judenthum
vom Menschen abgewaschen, aber der Mensch trat zugleich
in ein ganz neues Element ein, indem er Christ wurde.
Die Abwaschung im Taufwasser tilgt nicht die Sünde
des Getauften, denn die letztere kann nicht durch Was-
ser, sondern nur durch das Blut des Heilands abgewaschen
werden. Darum heisst es: Johannes tauft mit Wasser,
aber Christus mit Feuer, Matth. 3, 11. Die Taufe ist aber
unerlässliche Bedingung des Christenthums. Christus gebot,
alle Völker zu taufen im Namen Gottes des Vaters, des
Sohnes und des heiligen Geistes, Matth. 28, 18. Wer nicht
getauft ist, kann auch nicht in den Himmel kommen, mit
einziger Ausnahme der Märtyrer, die in dem Blut getauft
Taufe. 447
sind, das sie für Christum vergossen haben. Ungetauft ge-
storbene Kinder können nicht in den Hinamel kommen, aber
auch , weil sie nur die Erbsünde , nicht aber eine persönliche
Sünde an sich haben, nicht in die Hölle, daher ist ihnen
der Limbus vorbehalten. Da die Abwaschung jedenfalls nicht
körperlich, sondern geistig zu verstehen ist und das körper-
liche Waschen insofern nur symbolisch ist, konnte die Kirche,
wie sie gethan, zuletzt mit der Besprengung des Täuflings
sich genügen lassen, während früher ein völliges Unter-
tauchen verlangt wurde. Aber auch dieses Untertauchen hatte
nur die symbolische Bedeutung des gänzlichen Eingehens in
ein neues Element , die Verwandlung der Seele in den christ-
lichen Fisch, der von nun an im Element des heiligen Geistes
lebt. — Alttestamentalisches Vorbild der Abwaschung durch
die Taufe ist die Sündfluth.
Durch Abwaschung der Erbsünde wird gleichsam für
den Täufling der paradiesische Zustand vor dem Sündenfall
wiederhergestellt. Darum soll der Täufling nackt seyn, wie
die ersten Eltern im Paradiese. Dies bezeichnet den Zustand
der Unschuld, zugleich aber auch die allgemeine Gleichheit
vor Gott nach Galater 3, 28: „Hier ist kein Jude, noch
Grieche, kein Knecht, noch Freier, kein Mann, noch Weib,
ihr seyd allzumal Einer in Jesu.^ Das ist die Gemeinschaft
des heiligen Geistes, der als Taube über dem Taufwasser
schwebt wie über den ersten Wassern der Schöpfung. Für die
Schicklichkeit wurde in den ältesten Zeiten gesorgt durch
tiefe und enge Tauf brunnen oder Taufkessel. Als das Unter-
tauchen aufhörte und das Besprengen genügte, bedurfte es
auch der Nacktheit nicht mehr.
Da die Erbsünde in dem Sündenfall unserer ersten Eltern
im Paradiese wurzelt, und dieser aus Verführung der Eva
durch den Teufel hervorging, so kann die Erbsünde auch
nicht abgewaschen werden ohne feierliche abrenuntio diaboli
im Namen des Täuflings, wenn er noch Kind ist, durch die
Pathen, In den ersten Jahrhunderten entsagte man aber bei
448 Taufe.
der Taufe nicht blos dem Teufel, sondern auch den Götzen,
dem Heidenthum und dessen verführerischen Reizen. Und
dreimal hauchte der Priester in die Augen und Ohren des
Täuflings, um sein Gesicht und Gehör zu stählen gegen die
Verlockungskünste des Satans und der Welt.
Auch in den Taufzeiten lag Symbolik. Sofern man
nämlich in den früheren Zeiten die Erwachsenen in Masse
taufte, nachdem sie zuvor im Glauben unterrichtet worden
waren, wählte man zu Tauftagen die Oster- und Pfingst-,
später auch Weihnachtszeit (Epiphania, 14 Tage nach Weih-
nachten) aus, also gerade die Zeit, in welcher sich entweder
(zu Ostern und Pfingsten) die Erde vom Schmutz des Winters
reinigt und das neue paradiesische Kleid des Frühlings an-
zieht, oder (Epiphania) in die dunkelste Nacht des Winters
das neue Licht des Jahres einbricht und ein neues Leben
beginnt. Die geistige Geburt in der Taufe entspricht hier
der Geburt Christi. Der 6. Januar als Christi Tauftag und
allgemein christliches TaufFest ist zugleich das Fest des neuen
Lichtes und folgt auf den Geburtstag Christi.
In den älteren Zeiten wurde der Täufling dreimal unter-
getaucht. Damit ahmte man die drei Tage nach, welche
Christus im Grabe zubrachte. Die Taufe löscht das frühere
Leben gleichsam aus und bereitet den Menschen zur Aufer-
stehung in einem neuen Leben vor. Auch mussten die Täuf-
linge gen Osten gewendet stehen, um von da gleichsam das
neue Licht zu empfangen, so wie man vormals auch gern
die Todten nach Osten schauend begrub, von wannen die
Sonne sie zur Auferstehung wecken sollte.
Das Taufwasser erhielt die Bedeutung von Licht , Wort,
Geist, als dem neuen heiligen Element, in welchem der
Getaufte leben soll. Das Taufwasser wird zu Ostern feierlich
geweiht, und zwar steckt man die grosse Osterkerze brennend
in das Wasser zum Zeichen, dass alle Weihen von Christo
ausgehen sollen. Auch theilt der Priester das Taufwasser in
vier Theile nach den vier Flüssen des Paradieses, nach der
Taufe. 44d
Vierzahl der Evangelien, in welche Geist und Wort Gottes
sich theilen. Rippel, Alterthumb der Cäremonien S. 89. 92.
Man theilt die Ceremonien der Taufe ein in solche,
welche der eigentlichen Taufhandlung vorangehen, auf die-
selbe vorbereiten und dieselbe versinnbilden , — dahin ge-
hören: Die Bekreuzung: „Empfange das Zeichen des Kreuzes
auf der Stirne und der Brust, nimm an den Glauben an die
himmlische Lehre , und wandle unbefleckt , damit du von nun
an ein Tempel Gottes seyn kannst!^ Das Salz, das in den
Mund gelegt wird: „Nimm hin das Salz der Weisheit, es
gedeihe dir zum ewigen Leben!" Das Bestreichen der Sinne
mit Staub und Speichel: „Epheta, d. i. werde geöffnet!"
(Heilung des Taubstummen.) Oel , w^omit Brust und Schulter
gesalbt werden: „Ich salbe dich mit dem Oele des Heils,
damit du das ewige Leben erhaltest!" Milch und Honig ist
wenigstens jetzt nicht mehr üblich. Zu den dem Taufacte
vorangehenden Handlungen gehören ferner der Exorcismus,
die abrenuntiatio Satanae^ das Bekenntniss des Glaubens, jetzt
durch die Pathen im Namen des Täuflings abgelegt. Die
nachfolgenden Ceremonien sind: Die Salbung mit Chrysam;
das Darreichen eines weissen Tuches (Erinnerung an die alte
Sitte — weisses Kleid bis zum weissen Sonntag) : „Empfange
dieses weisse Kleid und bringe es unbefleckt vor den Richter-
stuhl unsers Herrn Jesu Christi, damit du das ewige Leben
erlangest!" Das Darreichen einer brennenden Kerze : „Nimm
diese brennende Kerze, sey untadelhaft in Bewahrung der
Taufgnade und halte die Gebote Gottes u. s. w." Endlich
spricht der Taufende: „Ziehe hin im Frieden und der Herr
sey mit dir! Amen."
Salz ist Sinnbild des Unverweslichen und Unsterblichen,
der Geisteskraft, des heiligen Geistes selbst. Vgl. den Arti-
kel Salz. Oel sänftigt die wilden Leidenschaften des natür-
lichen Menschen. Man hat indess auch an das Salböl der
Ringer gedacht, die sich zum Kampf salben. Weiter der
Gebrauch von Milch und Honig, die man dem Täufling zu
kosten gab, als Vorschmack des Paradieses, zu dem ihm durch
Menzel, christt. Symbolik. II. 29
450 Taufe, '
die Taufe die erste Anwai^tschaft gegeben wurde. Man hat
dabei auch an die Süssigkeit des göttlichen Wortes gedacht,
doch liegt obige Erklärung näher. Die Täuflinge trugen vor-
mals . auch brennende Kerzen in der Hand, als nunmehr
geistig Erleuchtete.
Ausführlicher, als es hier, wo nur von der Symbolik
die Rede ist, geschehen konnte, findet man alle Taufcere-
monien abgehandelt in Binterims Denkw. im ersten Bande,
wo auch der kirchlichen Vorkehrungen gegen Missbrauch der
Taufe und der häretischen Ausschweifungen und Sonderbar-
keiten umständlich gedacht ist. Wir bemerken hier nur: dass
1) sofern nur ein vernunftbegabtes Wesen glaubens- und selig-
keitsfähig ist, keine Monstra, thierähnliche Missgeburten etc.
getauft werden können. Dass 2) sofern die erste Taufe vor
Ertheilung der übrigen Sakramente vollkommen ihrem Zweck
entspricht, eine zweite Taufe nicht nur überflüssig, sondern
auch gottlos ist. Dass 3) sofern die Taufe eine Einweihung
in ein christliches Leben im Diesseits ist, auch keine Todten
getauft werden dürfen. Dass endlich 4) Wasser das Haupt-
element der Taufe seyn und bleiben muss, dem Salz, Oel,
Chrysam, Milch und Honig wohl symbolisch assistiren können,
was aber nicht durch irgend einen andern beliebigen Stoff
ersetzt werden kann. (Die Manichäer z. B. tauften wider-
kirchlich mit Oel.)
Um von den Ausschweifungen der Sekten hier nur eine
zu erwähnen, so hatten die gnostischen Markosianer den
seltsamen Gebrauch, das Tauffest zugleich als Hochzeitsfest
zu feiern. Sie bildeten sich nämlich ein , der Täufling werde
mit einem unsichtbar anwesenden Engel verheirathet und da-
durch Bürger der Engelwelt. Die Täuflinge waren damals
meist Erwachsene , und es lässt sich nicht leugnen , dass diese
Vermählung mit dem Engel einen gewissen zarten poetischen
Reiz gehabt haben mag; allein die Seele kann nur mit Christo
vermählt werden, mit keinem andern Wesen, und die gno-
stische Engellehre ist nur eine versteckte Vielgötterei gewesen.
Vgl. Neander, Kirchengesch. I. 539. — Am gröbsten haben
Taufe. 451
die Lappländer die Taufe aufgefasst, indem sie dieselbe nach
jeder schweren Krankheit an sich wiederholen lassen. Leems
Nachrichten von den Lappen 1771, S. 219.
Der Volksaberglaube, der sich an die Taufe knüpft,
schliesst mancherlei Symbolik in sich, die nicht immer
christlich, oft unschuldig und naiv, hin und wieder aber
auch ein Rest von uralten heidnischen Vorurtheilen ist. Wenn
der Taufzug über ein Wasser fährt, soll man Brodt in's
Wasser werfen. Grab des Aberglaubens V. 306. Dieser ge-
wiss sehr alte Brauch scheint ein Opfer für die heidnische
Gottheit (den Nix) im Wasser zu seyn, um ihn zu versöhnen.
Man soll nicht Knaben und Mädchen in demselben Taufwasser
taufen, weil sie sonst später in Unehren zusammenkommen.
Temme, Sagen der Altmark S. 87. Das ist ein kirchenfeind-
liches , rohes Vorurtheil. Das erste Kind , das in einem neuen
Taufstein getauft wird, bekommt die Gabe, Geister zu sehen.
Grimm, deutsche Myth. Anhang vom Aberglauben Nr. 996.
In Esthland gibt man den kleinen Mädchen Ringe mit in die
Taufe, damit sie bald heirathen. Ausflug nach Esthland 1830,
S. 315. So lange ein Kind nicht getauft ist, soll man im Hause
das Feuer nicht löschen. Schwedischer Aberglaube bei Grimm,
deutsche Myth. 2te Aufl. S. 569. Wenn ein Kind unter der
Taufe weint, wird es nicht alt. Grab des Aberglaubens IV. 249.
Die Taufe Christi hat auf Bildwerken ihre besondere
Symbolik. — Johannes der Täufer war der letzte altjüdische
Prophet und hatte als solcher die Aufgabe, im Namen und
Sinn dieses alten Prophetenthums vor dem , den es von jeher
verkündet, als er endlich kam, das bisher nur provisorisch
verwaltete Amt niederzulegen, nachdem er den Messias ver-
kündet und eingeführt. Der tiefe Ernst und die ascetische
Strenge dieses letzten Propheten sollten die sündige Welt
mahnen, welchem feierlichen Augenblick sie entgegensehen
und wie sie sich vorbereiten müsse. Dass er an den Jordan
ging, um in dem heiligen Flusse alle die zu taufen, die ihn
hörten, hatte zum Zweck die sinnbildliche Reinigung der
Seelen, die das neue Heil empfangen sollten, und zugleich
29*
453 Taufe.
die Wegwaschung aller alten heidniscli - jüdischen Erinne-
rungen. Diese Taufe war aber das Gegenbild der Sündfluth.
Wie nämlich in der Sündfluth Wasser die Erde von der ver-
ruchten Menschheit reinigte; so sollte das Wasser in der
Taufe eine bessere Menschheit erzeugen.
Das alte Prophetenthum war nichts als Verkündigung
des Messias gewesen. Dem entsprach der Ausspruch des
Täufers: ^Nach mir wird kommen^ der vor mir gewesen ist,
denn er war ehe denn ich. Das Gesetz ist durch Mosen ge-
geben, aber die Gnade und Wahrheit durch Jesum Christum."
Das heisst, vorher wandelte die Menschheit im Irrthum, ein
strenges Gesetz musste sie zügeln und Wahrheit ahnten sie
nur durch die Propheten. Jetzt ist der Irrthum der Wahrheit
und das Gesetz der Gnade gewichen. Ferner sagt der Täu-
fer: ;,Ich taufe euch mit Wasser, aber Er wird euch mit
Feuer und dem heiligen Geiste taufen. ^^*
Als Christus zu Johannes in die Wüste am Jordan kam,
verlangte auch er von ihm getauft zu werden. Der sünden-
lose Messias bedurfte einer solchen Reinigung gleich den
übrigen Menschen nicht; allein es galt, der heiligen Taufe
die sündfluthliche Bedeutung der Gesetzesstrenge zu nehmen
und ihr die neutestamentalische der Begnadigung zu geben,
wie Petrus sagt 1. Brief 3, 20. Vgl. auch Ezechiel 36, 25.
Zum zweitenmal, wie Tertullian sagt (von der Taufe 3.)?
schwebte der Geist Gottes über dem Wasser; wie einst über dem
Wasser der Geburt, so jetzt über dem der Wiedergeburt; wie
einst der schaffende, so jetzt der erlösende Geist. Deshalb hat
die Kirche den Gedächtnisstag der Taufe Christi auf den Tag
Epiphania (6. Januar) verlegt, an welchem die zwölf finstersten
Nächte des Jahres endigen und die Sonne neugekräftigt ihren
Lauf beginnt, indem von nun an die Tage immer länger werden.
Zugleich bezieht sich diese Zeitbestimmung auch auf den
Wandel Christi auf Erden selbst, denn wie die Sonne vom
Tag Epiphania an, so beginnt Christus sein Amt mit der
Taufe. Sie ist seine Inauguration, seine Einweihung in's Amt.
Nach Ev. Matth. 3, 14. weigerte sich Johannes, Christum
Taufe. 453
zu taufen, da er eher nöthig hätte, von ihm getauft zu
werden. Aber Christus antwortete: „Es gebührt uns, alle
Gerechtigkeit zu erfüllen." Das kann heissen: ich w^ill mich
wie alle andern Menschen unter das Gesetz stellen; oder: ich
will die ganze Periode, in der das Gesetz herrschte, vollen-
den, um die neue Periode der Gnade einzuführen.
Als aber Jesus in's Wasser gestiegen war und Johannes
ihn taufte, schwebte der Geist Gottes über ihm in Gestalt
einer Taube und eine Stimme aus der Höhe rief: „Das ist
mein lieber Sohn, an- dem ich Wohlgefallen habe." Indem aber
der vom Vater gesendete Sohn bei der Taufe durch die Taube
(den heiligen Geist) verkündet wurde, war dieses Erscheinungs-
fest zugleich die Offenbarung der heiligen Dreieinigkeit.
Nach Job. 1, 29. sagte Johannes zu seinen Jüngern mit
Bezug auf Christus: „Sehet, das ist das Lamm Gottes, das
der Welt Sünde trägt," womit er seinen hohen Messiasberuf
am einfachsten bezeichnete. Bedeutsame Sinnbilder, die Taube
und das Lamm. Wie nach der Sündfluth die Friedenstaube,
so erscheint auch hier die Taube als Sinnbild der Gnade,
nachdem die Schrecken der Gerechtigkeit erfüllt sind. Wie
nach der langen Gefangenschaft in Aegypten das Opferlamm
die Wallfahrt zum gelobten Lande verkündet , so hier wieder
nach der Kerkerfinsterniss des Heidenthums und Judenthums
weist das Lamm den Weg zum Himmel.
Auf Bildern der Taufe Christi ist entweder die Erschei-
nung der heiligen Dreieinigkeit oder die Beziehung auf die
Erlösung der Menschen durch die Demuth und Erniedrigung
des Heilands die Hauptsache. Ln erstem Fall, besonders
auf altern Bildern , fehlt die Taube und wenigstens die Hand
Gottes nie, wenn nicht der Himmel mit allen seinen Heer-
schaaren sich aufthut. Im letztern Fall tritt die himmlische
Parthie mehr zurück und die menschliche in den Vordergrund.
Das wird vornehmlich ausgedrückt durch das Sinnbild des
Hirsches, der aus dem Jordan trinkt, während Christus von Jo-
hannes getauft wird. Der Hirsch bedeutet die nach dem christ-
lichen Heil dürstende Menschheit. Vgl. den Artikel Hirsch.
454 Taufe.
Auf altern Miniaturen und Mosaiken ist Gott Vater nur
durch eine Hand angedeutet , die aus den Wolken , oder aus
dem dreifachen Kreise (den drei Himmeln, vgl. den Artikel
Regenbogen), oder aus einem Kranz von Sternen (Didron,
icon. p. 210.) herunterlangt, auf Christum zeigend und zu-
gleich gleichsam die Taube entlassend. Auf spätem Bildern
präsentirt sich dagegen oft Gott Vater in voller Herrlichkeit,
umringt von den himmlischen Chören. Dadurch wird aller-
dings die Aufmerksamkeit von der Taufe unten im Jordan
abgezogen; allein wenn die Offenbarung des dreieinigen
Gottes dargestellt werden will, so darf das Taufbild nicht
als blos menschliches Genrebild aufgefasst werden.
Die Taube erscheint in der gewöhnlichen Weise als
Symbol des heiligen Geistes mit dem durchkreuzten Nimbus,
aus dem Schnabel excentrische Strahlen ausgiessend. Sehr
ausnahmsweise giesst sie eine Urne mit Wasser auf Christum
aus in einem Basrelief der Königin Theudelinde zu Monza
bei Mailand. Miliin, Reise in der Lombardei I. 586.
Christus wird bei der Taufe im Jordan auf altern Bil-
dern nicht nackt, sondern mit dem Königsmantel bedeckt
gemalt, weil er hier ein integrirender Theil der sich zum
erstenmal offenbarenden Dreieinigkeit ist. Vgl. Didron^ man.
p. 163, wo jedoch diese Motivirung noch nicht erkannt ist.
Auf Bildern der griechischen Kirche steht Christus auf einem
viereckigen Stein , aus dessen Seiten vier Schlangen züngeln.
Didron, man. XLIV. 164. 165. Die Erklärung der Schlangen
fehlt. Die Schlangen können jedoch hier schwerlich etwas
Anderes bedeuten, als was die vier Flüsse, die auf andern
Bildern so oft aus dem Felsen fliessen , auf welchem Christus
steht, nämlich die vier Evangelien oder die vier Cardinal-
tugenden. Die Schlange scheint hier lediglich in der Be-
deutung als Heilsschlange genommen werden zu müssen. —
In der neuen Malerei hat man von der Symbolik abstrahirt
und vielmehr Charakteristik und physiognomischen Ausdruck
in die Bilder gelegt. Daher die zahllosen genreartigen Bilder
von der Taufe Christi, in denen vor einem malerischen
Taufe. 455
Hintergrunde, ein reizendes Ufer darstellend, der fast ganz
nackte Heiland, eine weissglänzende Jünglingsgestalt, von
dem gebräunten Johannes getauft wird. Christus zeigt auf
diesen Bildern durchgängig die ganze tiefe Demuth der
menschlichen Natur, die Hingebung und Selbsterniedrigung
im Gegensatz gegen die ältere Auffassung auf den Bildern,
die vorzugsweise an die Epiphanie der Dreifaltigkeit dachten.
Für den Kunsthistoriker hat die naive Auffassung des
Jordanflusses auf den ältesten, noch der Heidenzeit nahe-
stehenden Bildern einiges Interesse, was jedoch für die christ-
liche Symbolik durchaus gleichgültig ist. Der Jordan wird
nämlich noch in antiker Weise als männlicher Flussgott dar-
gestellt. Didrori) man. p. 163. Noch seltsamer sind die zwei
Knaben mit der Ueberschrift Jor und Dan., die grosse Urnen
ausgiessen und gemeinschaftlich den Fluss bedeuten sollen.
Didrony icon. p. 210. Wichtiger für die christliche Symbolik
sind dagegen die Fische, die unter dem Wasser zu dem ge-
tauften Heiland schwimmen. Didron, icon. p. 542 (auf Mi-
niaturen des 14ten Jahrhunderts). Sie bezeichnen nämlich
die künftigen Christen, die der Taufe theilhaftig werden sollen.
Auf neuern Bildern kommt dagegen viel Volk vor , was sich
mit Christo von Johannes taufen lässt, den Vordergrund
ausfüllt, aber die heilige Handlung der Taufe Christi selber
doch eigentlich nur stört. In der Zeit, in welcher die Kirchen-
malerei profanirt wurde, suchten die Maler in den Gruppen
schöner Männer und Frauen am Ufer des Jordan rein welt-
liche Effecte. Davon unterschied sich jedoch Baphael mit
seinem durchaus symbolisch gehaltenen schönen Bilde in den
Logen. Hier nämlich schweben und knien in tiefer Andacht
Engel hinter dem Täufer Johannes, w^ährend der Heiland
selbst von allerlei sündigem Volk umgeben ist. Christus er-
scheint somit hier ganz in seiner Menschheit, der Täufer aber
in der Fülle des ihm von Gott verliehenen Prophetenamtes.
— Auf einem Bilde von Schoreel (Johann van Eyck von
Joh. Schopenhauer IL 70.) zeichnet sich bei der Taufe Christi
die reizende Gruppe dreier Frauen aus, die zur Taube
456 Taufe.
emporblicken und unter denen man Glaube, Liebe und Hoff-
nung verstehen könnte.
In der biblia pauperum ist das alttestamentalische Vorbild
der Taufe Christi der Durchgang der Kinder Israel durch's
rothe Meer und die Tragung der grossen Weintraube durch
Josua und Caleb. Heinecken, Nachrichten von Künstlern
II. 121. Sinnige Symbole, wesentlich verschieden von dem
alttestamentalischen Vorbild der allgemeinen Christentaufe
(der Sündlluth), und vielmehr bezüglich auf das Leiden und
Sterben, dem sich der Messias durch seine Menschwerdung
unterzog.
In der Kirche St. Johannes in fönte zu Ravenna ist der
getaufte Heiland von den zwölf Aposteln umgeben. Auf einem
byzantinischen Miniaturbild sind alle zwölf Apostel dargestellt,
wie sie das Sakrament der Taufe verrichten. Waagen, Paris
S. 215. Sonst kommt nur St. Thomas häufig als Täufer des
Mohren vor. Symbolisch ist die Taufe des grossen Christoph
durch das Christkind, welches er trägt. Er bedeutet nämlich
die rohe, aber gutartige Kraft der heidnischen Völker, die
das Heil empfingen. Vgl. den Artikel Christoph. Symbolisch
scheint auch die Legende der heiligen Nothburga aufgefasst
werden zu müssen, die, nachdem sie neun Kinder zugleich
geboren, ihren Stab in die Erde steckte und dadurch eine
Quelle erweckte, in deren Wasser sie die Kinder taufte.
Acta SS. 26. Januar. — Eine der merkwürdigsten Tauf-
legenden ist die des heiligen Gelasius von Heliopolis. Derselbe
wollte zur Verhöhnung der Christen die Ceremonien der
Taufe unter possenhaften Geberden an sich vollziehen lassen,
als, indem das Wasser auf ihn floss, der heilige Geist über
ihn kam und er plötzlich ein wahrer Christ wurde, wofür
er durch das Schwert den Tod litt, im 3ten Jahrhundert
27. Februar. — St. Maurus, Eremit zu Hui in den Nieder-
landen, wurde todt geboren, daher sein Name {mortuus natus)j
aber durch die Taufe lebendig. Bei einer Ueberschwemmung
blieb die Kirche, in der sein Grab ist, von rings umstehen-
dem Wasser unberührt. 15. Januar,
Taufsteln. 457
Taufstein. "
Man tauft entweder in Taufbrunnen, Taufsteinen oder
in Taufbecken, die in den Stein eingelassen, oder von
(meist metallenen) Taufständern getragen werden. In den
ältesten Zeiten des Christenthums waren ausserhalb der
Kirchen eigene Taufhäuser (Baptisterien) erbaut, in denen
getauft wurde, w'eil in die Kirche selbst noch keine Unge-
tauften eingehen durften. Diese Baptisterien waren, wegen
der Menge von Täuflingen in den Zeiten der grossen Bekeh-
rungen, ziemlich umfangreich und wurden hoch gebaut, so
dass sie von den thurmlosen Kirchen unabhängigen Thürmen
glichen. Als später die Taufsteine wenigstens in die Vor-
hallen der Kirchen verlegt wurden, entstanden auch die
Thürme an den Kirchen selbst, indem gleichsam die Bapti-
sterien in sie einrückten. Vgl. Kreuser, Kirchenbau I. 161.
Der Taufstein gehört auf die linke Seite der Vorhalle von
der Eingangsthür aus. Doch finden Ausnahmen statt. Zuletzt
ist er bis nahe vor den Altar gerückt.
Das Taufbecken variirt in allen Formen von der flachen
Schaale bis zum vertieften Becher, und die Taufsteine und
Ständer entsprechen diesen Formen als deren Unterlage. Das
Becken ist kreisrund oder rosettenf örmig , sechs- und acht-
eckig. Der Taufstein, meist becherförmig, hat vier Seiten
nach den vier Paradiesesflüssen , Cherubim und Evangelisten,
die ihm daher oft als Karyatiden dienen, oder acht Seiten
(zu Reutlingen mit den Bildern der sieben Sakramente und
der Taufe Christi) , oder zwölf Seiten nach den zwölf Apo-
steln und zwölf Rindern am ehernen Meer im Tempel zu
Jerusalem. Zuweilen führen sieben Stufen zum Taufbecken
empor, bedeutend die sieben Gaben des heiligen Geistes.
Binterim, Denkw. TL 1. 81.
Ueber dem Taufstein schwebt häufig die Taube, wie bei
der Schöpfung der heilige Geist über den Wassern, wie die
Taube über der Taufe Christi, Symbol der durch die Taufe
458 Tempel.
bewirkten geistigen Geburt. Unter dem Tauf stein als dessen
Karyatide oder Träger kommt oft der Hirsch vor, als Symbol
des Durstes nach dem Wasser. Am Taufbecken selbst der
Fisch, als Symbol des Christen. Auch die Sirene, als Symbol
der Wiedergeburt. Vgl. die Artikel: Hirsch, Fisch, Sirene.
Ausser der Taufe Christi werden auf Taufbecken deren
alttestamentalische Vorbilder dargestellt: 1) der Durchgang
der Kinder Israel durch's rothe Meer und 2) der Durchgang
Josua's durch den Jordan. So in Hildesheim. Vgl. C. För-
ster, Geschichte der deutschen Kunst I. 95.
Tempel.
Der von Salomo in Jerusalem erbaute Tempel der Juden
verhält sich zur christlichen Kirche, deren Ideal das „neue
Jerusalem'^ ist, wie Moses und die Propheten zu den Evan-
gelien, wie das alte zum neuen Testament, wie Judenthum
zu Christenthum überhaupt.
Salomo machte es sich zu einer der wichtigsten Ange-
legenheiten seines Lebens , den Tempel zu bauen, wobei ihm
David durch Sammlung grosser Schätze vorgearbeitet hatte.
Die Israeliten waren damals noch in der Baukunst ungeübt,
aber König Hiram von SiÜon sandte dem König Salomo
die geschicktesten Arbeiter und Cedern und Tannen vom
Libanon in Fülle. Da erhob sich nun unter Gottes Zulassung
äder Tempel. Salomo selbst war sich darüber klar, dass die
Gottheit nicht in einem Hause wohnen könne, und dass der
Tempelbau nur den Zweck habe, dem Volk Israel einen
symbolischen Mittelpunkt zu geben. Denn 2. Buch d. Chro-
nica 2, 6. sagt er: „Wer vermag es, Gott ein Haus zu bauen?
Denn der Himmel und aller Himmel Himmel mögen ihn
nicht versorgen!'^
Hieraus geht wohl zur Genüge hervor , dass die Ansicht
irrig ist, welche hinter dem Cultus des Jehovah geheimen
Sabäismus oder Sterndienst wittert, und die drei Theile der
Stiftshütte auf die drei Weltreiche, den siebenarmigen Leuchter
Tempel. 459
auf die Planeten, die zwölf Schaubrodte auf die Monate etc.
bezieht (v. Bohlen, Genesis LXXV, der den Cultus der Juden
vom ägyptischen herleitet).
Der Tempel Salomo's war nur 60 Ellen lang, 20 breit,
30 hoch. Das Langschiff ohne Zweifel nach dem Zelt der
Stiftshütte geformt, das Allerheiligste wie dort durch einen
Vorhang vom übrigen Räume getrennt, ungefähr wie später
der Chor der christlichen Kirchen. Nur die Vorhalle wird
120 Ellen hoch angegeben, also thurmartig, und davor stan-
den zwei grosse Säulen (Jachin und Boas, d. h. fest und
stark, genannt). Josephus weicht in seiner Darstellung, an-
tiq. 83, etwas von der biblischen 1. Buch d. Könige 6. und
2. Buch d. Chronika 2 — 5. ab. Ohne Zweifel blieb die zelt-
artige Stiftshütte der Typus, nach dem der Tempel gebaut
wurde, und traten nur Modificationen hinzu, die von den
Gewohnheiten der Baumeister herrührten. Da diese aber
keine Aegypter, sondern Phönizier waren, so muss man an
den syrischen, babylonischen und persischen Styl weit eher,
als an den ägyptischen denken. Ganz bestimmt lässt sich
aber aus den vorhandenen Beschreibungen der Styl nicht
mehr ermitteln, wie oft es auch versucht worden ist. Es
blieben immer einige Ungewissheiten übrig, z. B. über die
Bedachung, über die Stellung der Säulen am Eingang, ob
sie frei standen oder nicht? über die Fenster etc. Die be-
rühmtesten Monographieen des Tempels sind von Villalpan-
dus, Leo, Capellus, Lightfoot, Lund, Sturm, Wood, Hirt,
V. Meyer (Blätter f. höhere Wahrheit IX.), Stieglitz (Gesch. d.
Baukunst), v. Grüneisen (Kunstbl. 1831. Nr. 73 f.), Schnaase
(Gesch. d. bild. Künste, dazu Merz im Kunstbl. 1844. Nr. 97.),
Romberg (Gesch. d. Baukunst L 24.).
In der Bibel selbst ist die Höhe der beiden Säulen am
Eingang verschieden angegeben, 18 Ellen im Buch der Kö-
nige, 35 in dem der Chronik. Ob sie in der Vorhalle ein-
gemauert waren oder wie Obelisken frei standen, ist ebenfalls
streitig. Doch wissen wir, sie waren von Erz, inwendig
hohl, auswendig mit einer Schnur umwunden und oben mit
460 Tempel.
einem Knauf geziert, an dem viele Reifen und Granatäpfel
ausgeschnitzt waren. Vor dem Tempel befanden sich zwei
grosse Vorhallen, eine für das Volk, eine für den Priester.
Um des Tempels Dach lief oben eine Altane ringsherum,
wie aber das Dach geformt war , weiss man nicht. Inwendig
war der ganze Tempel mit Schnitzwerk , und zwar mit Che-
rubimen, Palmen und Blumenwerk von Holz ausgeschmückt,
und das Holz war über und über vergoldet.
Zu den Heiligthümern des Moses, der Bundeslade, dem
Armleuchter etc., die in's Allerheiligste gebracht wurden,
kamen nun noch einige neue, von Salomon verfertigte, na-
mentlich das berühmte eherne Meer, ein grosses Waschgefäss,
10 Ellen weit, von zwölf ehernen Rindern getragen, deren
Köpfe ringsherum nach aussen schauten. Dazu zehn Stühle
und zehn eherne Kessel, Töpfe, Schaufeln, Becken, noch
mehrere grosse Leuchter etc.
Für die christliche Kirche scheinen hauptsächlich in jenem
Tempel Salomo's Vorbilder gewesen zu seyn: 1) die Längen-
form der Kirche und die Trennung des All erheiligsten oder des
Chores vom übrigen Raum ; 2) die hohen Eingangshallen mit
den Säulen, woraus Thürme wurden; 3) die Bundeslade, die
zum Altar wurde ; 4) das eherne Meer , das zum Taufbecken
wurde, 5) die Weihrauchgefässe. — Schon frühzeitig wurde
der Tempel Salomo's idealisirt, vom Propheten Ezechiel Kap.
40 — 43, eben so im altdeutschen Gedicht vom Titurel, er-
örtert von Boisseree.
Von den Freimaurern ist König Hiram zum Urmeister
der Baukunst gemacht worden, und die Sage, er sey beim
Tempelbau erschlagen worden von den Gesellen, die gleichen
Lohn mit ihm verlangten, motivirt eine der Hauptceremo-
nieen in der Maurerei, nämlich das Suchen des verlornen
Meisters im Sarge. Aber der deistische Tempel der Maurer
ist der christlichen Kirche noch mehr entgegengesetzt, als
der alte Judentempel. Abbe Barruel beschuldigt die fran-
zösische Maurerei, die bekanntlich in vielerlei ausschweifen-
den Dingen sich gefiel, in dem höheren maurerischen Grade
Tempel. 461
der sogenannten Rosenkreuzer ausdrücklich Voltaire's berüch-
tigte Parole: Ecrasez V infame! (d. h. den Heiland und die ganze
christliche Religion) adoptirt zu haben, mit der bestimmten
Erklärung, Hirams Gott, für den er den Tempel baute, sey
der alte Jehovah, sein Mörder aber sey der auf Jehovahs
Ansehen neidische Christus gewesen. Der Rosenkreuzer Auf-
gabe sey daher, des Meisters Mord an Christo und dem ge-
sammten Christenthum zu rächen.
Der christlichen Symbolik gemäss musste der alte Tempel
in Jerusalem zerstört werden , sobald in Christo die Hoffnung
des neuen Jerusalems aufging, wie es nach der Offenbarung
Johannis wieder erbaut werden wird. Das ist in einem an-
dern Bilde die Reinigung des Tempels, wie sie der Heiland
selber vornahm in der Austreibung.
Als der Tempel fertig war, gab Gott sein Wohlgefallen
daran zu erkennen, indem er ihn ganz mit einer Wolke aus-
füllte, so dass die Priester selbst dadurch hinausgedrängt
wurden. Diese Wolke im Heiligthum ist das einzige Bild
der Gottheit, das je in den Tempel kam, entsprechend der
Wolke, die vor Moses einherzog. Die Rationalisten nehmen
natürlich nichts anderes an, als dass es eine von den Prie-
stern selbstgemachte Weihrauchwolke gewesen sey.
Die Leviten waren so begeistert und so durchdrungen
von Andacht, dass sie beim Dankliede alle wie Ein Mann
sangen. 2. B. d. Chron. 5, 13. Auch Salomo stimmte ein
langes und tiefempfundenes Danklied an, 1. B. d. Könige 8,
worin Vers 53 besonders der Gedanke hervortritt, dass Gott
seinen heiligen Willen durch das Volk Israel in jener Vorzeit
nur insofern habe erreichen können , als er es von allen andern
Völkern abgesondert habe; während diese exclusive und de-
fensive Methode nach Christi Geburt mit einer gerade umge-
kehrten wechselt , nämlich mit der Eröffnung und Mittheilung
des Heiles an alle Völker auf Erden.
Bei der Einweihung des Tempels brachte Salomo ein
ungeheures Brandopfer, bei dem 22,000 Rinder und 120,000
Schafe bluteten. Nur diese Opfer erinnern noch an die
46S TempeL
heidnische Vorwelt, sonst ist im Gottesdienst der Juden schon
sehr viel Christliches. Die lang angehaltenen feierlichen Po-
saunentöne scheinen aus dem Hirtenleben vom Hirtenhorn
entlehnt zu seyn. Sie entsprechen dem Schauerlichen und
Geheimnissvollen des Allerheiligen und der Stimmung der
jüdischen Gemüther, die in der Furcht vor Gott, wie in der
Innigkeit des Gebets in eine Tiefe zurückgeht, von der die
heidnischen Hymnen noch kaum etwas ahnen lassen.
Austreibung der Käufer aus dem Tempel. Die
erste Handlung Jesu , als er in Jerusalem eingezogen , war,
dass er zum Tempel ging, „und trieb heraus alle Verkäufer und
Käufer und stiess um der Wechsler Tische und die Stühle
der Taubenkrämer, und sprach zu ihnen: Es steht geschrie-
ben: Mein Haus soll ein Bethaus heissen, ihr aber habt eine
Mördergrube daraus gemacht.^ Matth. 21, 12. 13. Nach Jo-
hannes 2, 15. machte er sich eine Geissei aus Stricken und trieb
die Verkäufer sammt ihren Schafen und Ochsen hinaus, ver-
schüttete den Wechslern das Geld und stiess ihre Tische um.
Die Juden staunten über solche Kühnheit und verlangten
ein Zeichen von ihm, dass er Solches thun dürfe. Da sprach
er: „Brechet diesen Tempel, und ich will ihn in drei Tagen
wieder aufrichten." Sie verstanden den Tempel von Stein,
er aber meinte seinen Leib.
Die ganze Handlung ist nur sinnbildlich zu verstehen.
Im Vorhof des Tempels trieben sich zur Osterzeit die Händler
und Wechsler um, weil die von allen Seiten zum Tempel
strömenden Juden nicht alle eigne Opferthiere mitbringen
konnten und sich hier erst welche kauften. Dieser Schacher
war eine Entheiligung des Tempels. Christus wollte aber
nicht den alten Judentempel reinigen, sondern trieb alle an-
dern gemeinen Opfer hinaus, weil er selbst jetzt als das
erhabenste Opfer in den Tempel einzog. Die Handlung hat
zugleich eine Beziehung auf das Sakrament des heiligen Abend-
mahls. Die Geissei, die er schwang, bedeutet die Geissei der
Busse vor ; die Händler und Krämer bedeuten die bösen Ge-
danken, die aus Herz und Sinn hinaus müssen, ehe das hei-
Teufel. 463
lige Sakrament genossen werden kann. Zugleich ist dadurch
ganz im Allgemeinen auch das Verhältniss der ewigen Ge-
rechtigkeit zur ewigen Gnade ausgedrückt. Ehe die Gnade
im Mittlertode ihr höchstes und heiligstes Werk beginnt, muss
der starke und eifrige Gott der Gerechtigkeit noch einmal in
seiner ganzen Strenge walten.
Christus weint beim Anblick der Stadt und des Tempels,
die da sollen zerstört werden. Das Gegenbild zu dieser schö-
nen Scene ist die Vergleichung des Heilands selbst mit dem
Tempel, der da gebrochen wird, Joh. 2, 19: ;,ßrechet den
Tempel ab, in drei Tagen will ich ihn wieder aufrichten.'^
Der zerbrochene Tempel hat hier eine sehr verschiedene Be-
deutung als Steintempel Salomo's und als Leib des Gott-
menschen. Die ganze Grösse des Opfers ,wird ausgedrückt
indem der lebendige Tempel zur Sühne gebrochen wird für
den todten.
Teufel.
Der Name kommt wohl einfach vom griechischen Siä-
ßoXog im neuen Testament her, und nicht weder von den
persischen Dews, noch von dem deutschen Wort Dieb oder
Tiefe. Dem Begriffe nach ist im Teufel allerdings alles Böse
personificirt, wie in Gott alles Gute; weil aber Gott allein
Schöpfer und Herr der Welt, der Teufel nur ein Geschöpf
ist, so stehen sich nur Engel und Teufel, gute und böse
Geister auf gleicher Stufe gegenüber, keineswegs aber Gott
und der Teufel in dem Sinn, wie im Glauben der alten Perser
Ormuzd und Ahriman, das gute und böse Weltprincip, sich
in die Weltherrschaft theilten. Als Häresieen auch im Chri-
stenthum eine Gleichstellung des Teufels mit Gott aufbrach-
ten , trat die Kirche diesem Irrthum entgegen , indem sie fest-
stellte : Alles sey von Gott gut geschaffen, und was böse sey,
sey es nur geworden. Der Teufel sey daher nicht das bös^
Princip von Ewigkeit, selbstständig Gott gegenüberstehend,
sondern nur der von Gott gut geschaffene, aber durch eigne
464 Teufel.
Sünde gefallene Engel. Concil, Bracarense I. cap. 5. Epi-
phanius 11. 2.
Der Teufel verhält sich daher zu Gott nicht wie eine
gleiche Macht, sondern nur wie der rebellische Knecht.
Er ist auch gegen Gott absolut ohnmächtig, und nur relativ
mächtig durch die Menschen, deren er Meister wird. Er
greift Gott nur indirekt an durch Verführung der Menschen.
Er ist feig gegen Gott, scheu vor ihm sich verbergend wie
die Schlange vor dem Adler. Ihm wird der Kopf zertreten,
wie der Schlange. Im offenen Kampf wird er ohne Mühe
besiegt und vom Erzengel Michael in den Abgrund gestürzt.
Das Böse vermag dem rein Guten nirgends Stand zu halten.
Jeder Engel vertreibt jeden Teufel. Schon der Name Gottes
und das Kreuzeszeichen haben die Macht, ihn zu vertreiben.
Auch die Glocken kann er nicht hören. Vor allem Heiligen
und specifisch Kirchlichen ist er beständig auf der Flucht.
Ein Löwe vor dem Sünder, ist er eine Maus vor dem Gerechten.
Rupert. Tuit. p. 266. Nur in den Gebieten , die ausserhalb
der Religion liegen, in den Sinnen und Leidenschaften der
Menschen wirkt er mächtig und mit allen Reizen und Ver-
lockungen des alten Heidenthums. Darum ist er „Fürst dieser
Welt". Joh. 12, 31. 14, 30. 2. Korinth. 4, 4. Seine unge-
heure Macht beruht auf der Sünde der Menschen. Wie er
Eva zur Sünde verlockte, so auch alle Kinder Eva's durch
Sinnenreiz und durch Erweckung gottloser Neigungen und
Leidenschaften. Mit diesen Mitteln trachtet er unablässig, die
Menschen von der Kirche abwendig und des Heils verlustig
zu machen, das in der Erlösung lag. Wie nach Gottes Willen
alle Menschen möglichst den reinen Engeln verwandt werden
sollen, so will der Teufel sie vielmehr sich ähnlich machen.
Darum will er auch alle Christen wieder zu Heiden machen.
Ein Christ in diesem Leben ist ihm so verhasst, wie ein
Engel oder Seliger in jenem. Er trachtet, alle Menschen
diesseits in die Tempel der falschen Götzen und jenseits in
die Hölle zu locken.
Seiner Tücke gegen den Menschen liegt aber nicht blos
Teufel. 465
die Absicht zu Grunde, mittelst der Menschen Gott, als deren
Vater, zu kränken, sondern auch Neid. Nachdem er selbst
als gefallener Engel in ewiger Finsterniss, unbefriedigter Gier,
ohnmächtiger Wuth die Lust, Gott gleich seyn zu wollen,
büssen muss , will er nicht leiden , dass der schwache Mensch,
dem er sich weit überlegen weiss, glücklicher seyn soll, als er.
Der Teufel beneidet dem Menschen die Gnade Gottes und
sucht ihn derselben eben so unwürdig zu machen, als er es
selbst ist. Gelingt es ihm, so wird ihm die einzige Befrie-
digung zu Theil, die für ihn möglich ist, nämlich die Scha-
denfreude an den Qualen der Verdammten. Und wie dem
Teufel alles Schöne und Reizende in der irdischen Natur
dient, um den noch unschuldigen Menschen zur Sünde zu
verführen, so dient ihm wieder alles Hässliche und Schreck-
liche in der Natur, den gefallenen Menschen zu martern.
Dies sind die Grundzüge, die uns bei der näheren Er-
örterung der an den Teufel geknüpften Symbolik leiten
müssen.
Vor Allem ist daher das Sinnbild des fallenden Sternes
festzuhalten. Der Teufel war ein von Gott geschaffener guter
Engel, nur durch eigene Schuld fiel er aus dem Himmel in
die Hölle. Vgl. Lucas 10, 18. und den Artikel Lucifer. Aus
diesem Fall erklärt sich, warum der Teufel lahm gedacht wird.
Vgl. Sepp, Heidenthum L 62. Man braucht dabei nicht an den
gleichfalls vom Himmel gefallenen und lahmen Hephästos der
alten Griechen zu denken. Beim christlichen Teufel ist die
Lahmheit durch den Fall noch viel besser motivirt und hilft
zugleich die Ohnmacht des Teufels bezeichnen. In den Zeiten
alter Barbarei wurden Sklaven, wenn sie zu Handarbeiten
geschickt waren, von ihren Herren absichtlich gelähmt, damit
sie nicht fliehen konnten. Einen solchen lahmen, grollenden
Knecht erkennen wir in dem nordischen Völundur. Etwas
Verwandtes damit hat nun auch der lahme Teufel, als grol-
lender und rebellischer Sklave Gottes. — Das Hinken wird
in späteren Bildwerken gewöhnlich dadurch motivirt, dass
der Teufel neben einem Menschen - noch einen Pferdefuss hat.
Menzel, christl. Symbolik. 11. 30
466 Teufel.
Dieser Huf kann auf das Thierische im Teufel im Allgemeinen
bezogen werden , und ist vielleicht nur aus dem Bocksfuss der
Satyrn entstanden. Jedoch hat er vielleicht auch eine nähere
Beziehung zu den Pferdeopfern und Mahlzeiten von Pferde-
fleischj die das altdeutsche Heidenthum so sehr charakterisirte,
dass nach der Bekehrung nichts so streng verboten und als
Teufelscultus verpönt war, als das Pferdefleischessen, der Ge-
brauch der Pferdeköpfe zur Zauberei etc. Der Pferdefuss
des Teufels könnte demnach allgemeines Attribut des vor-
christlichen Heidencultus seyn.
Der Engelsturz ist auf vielen Bildern dargestellt, meist
jedoch nur um die Meisterschaft des Malers in kühnen Kör-
perstellungen zu beurkunden. Zuweilen sind die Fallenden
oben noch Engel und werden erst unten zu Teufeln.
Der Fall ist aber nicht nur einer aus der Höhe in die
Tiefe, sondern auch aus dem Licht in die Finsterniss. Ver-
finsterung charakterisirt den Teufel hauptsächlich. Darum
wird er durchgängig schwarz gemalt und gilt die Nacht als
sein Aufenthalt. Seine schwarze Farbe lässt rothe Gluth
durchblicken, die Farbe des Feuers und Blutes, Das sind
und bleiben seine Grundfarben. Wenn er im Mittelalter und
namentlich in deutschen Bildwerken , so wie in den Proto-
kollen der Hexenprocesse häufig als grün bezeichnet wird,
so liegt dem die heidnische Erinnerung an elbische Wesen
(Genien der Pflanzenwelt, Feld- und Waldminnen, nor-
dische Silvanen und Satyrn) zu Grunde und nichts Christ-
liches. Ueber die grünen Teufel vgl. Fiorillo I. 293. 307.
V. Quandt, Reise in Spanien S. 115. Grimm, d. Myth. 1015.
Mone, Schauspiele des Mittelalters H. 27. Auf sehr alten
Miniaturen hat der Teufel Menschengestalt in grauer Farbe.
Waagen, Paris S. 209. Später aber wird er immer schwarz
gemalt als schwarzer Rabe, Affe, Bock, Hund, als schwarze
Katze, Fliege, Kröte etc.
Wie Feind alles Lichts ist der Teufel auch Feind alles
Lebens, daher „der Mörder von Anfang'^ (Joh. 8, 44.); ;,der
brüllende Löwe/^ der da sucht, wen er verschlinge (1. Petri
Teufel. 467
5 , 8.)- Schlimmer, als der Tod, der nur den Leib vernichtet,
will er auch die Seele morden. Das Leben in der Verdamm-
niss selbst ist eigentlich kein Leben, sondern nur ein unauf-
hörliches Sterben. Der Teufel kann nur tödten, nicht lebendig
machen. Deshalb sind auch alle theils altjüdischen, theils
mittelalterlichen Sagen von Teufelszeugungen auf heidnische
Vorstellungen zurückzuführen und passen nicht auf den Teufel
in seiner Bedeutung für das Christenthum. Dagegen wird
die Unfruchtbarkeit des Teufels, wenn auch in einem rohen
Bilde , doch klar und deutlich in der talmudistischen Legende
von der Castration des Leviathan durch Jehovah ausgedrückt.
Vgl. den Art. Leviathan. Auch die Hexenprozesse erkennen
noch insofern die Unfruchtbarkeit des Teufels an, als sie meist
voraussetzen, der mit den Hexen buhlende Teufel raube, aus
Mangel an eigener Potenz, dieselbe den Männern. Damit
hängt zusammen, dass aller vom Teufel vorgespiegelte Ge-
nuss nichtig ist. In unzähligen Volkssagen heisst es, wer
einer Hexenmahlzeit anwohne, und reichlich zu schmausen
und zu trinken wähne , finde sich nachher leeren Magens und
unbeschreiblich nüchtern und hungrig, oder er erkenne, dass,
was er für köstliche Speise gehalten, Knochen, Aas und Un-
flath gewesen sey. Reizende Weiber, die den Bethörten zu
sich gelockt, verwandeln sich in das Aas eines Pferdes etc.
Aus demselben Grunde kann der Teufel auch als Säemann
nach dem Evangelium Matth. 13, 27. nur Unkraut säen..
Darum ist ihm auch die unfruchtbare Wüste zur eigentlichen
Wohnung angewiesen. Hier berührt sich die christliche Vor-
stellungsweise mit der heidnischen. Wie Ahriman, das böse
Princip des Parsismus, in den Steppen von Turan, so haust
Typhon, das böse Princip der alten Aegypter, in der Sand-
wüste. Die Juden schickten ihren berühmten Sündenbock
als Opfer für den Teufel in die Wüste. In der Wüste ver-
suchte der Teufel den Heiland und unzählige heilige Ein-
siedler.
Aus dem gleichen Grunde kann es auch für die christ-
liche Vorstellungsweise keinen weiblichen Teufel geben. Was
30 *
468 Teufel.
davon in den altjüdischen und spätem Fabeln vorkommt,
muss Alles auf heidnische Vorstellungen von verführerischen
Nymphen, Nixen, Eiben etc. zurückgeführt werden. Nach
christlichem Begriff ist alles Weibliche, Mütterliche vom ste-
rilen Teufel selbst ausgeschlossen und nur den Teufelsanbe-
terinnen, Zauberinnen und Hexen, als greuliche Verirrung
der menschlichen Natur, zugewiesen.
Wenn nun gleichwohl der Bock, das üppigste und un-
züchtigste Thier, vorzugsweise in die Teufelsgestalt übergeht
und der Teufel der Unzucht als einer der vornehmsten gilt,
so ist damit doch nicht eine gesunde Vermehrung der Leiber,
wie beim Vieh, sondern nur ein Mord der Seele durch das
Laster des Leibes gemeint. Der Teufel bedient sich nur der
im Menschen selbst liegenden groben Sinnentriebe, um seine
Seele zu verderben. Schon die heilige Schrift nennt ihn
„das Thier '^ Das Thierische im Menschen wurde in dieser
Beziehung von den Alten hauptsächlich in den bocksfüssigen
Satyrn personificirt. Piper, christl. Myth. I. 404 f., hat daher
nicht Unrecht, wenn er die Bocksgestalt des christlichen Teu-
fels auf jene alte Satyrgestalt zurückführt. Eben so oft wie
die Form des Bocks kommt die des Schweins vor für das
Teuflische, was in der Sinnlichkeit liegt. — Die Lust am
Tode dagegen, die innerste Wonne des Teufels, wird per-
sonificirt in dem aasliebenden Raben, dem Galgenvogel.
Unfruchtbar, nur tödtend, nicht belebend, als reine Ne-
gation kann der Teufel auch alle Wonnen, womit er ver-
führt, nicht wirklich erzeugen, sondern nur aus der gemeinen
Sinnenwelt borgen und den schönen Schein hinzulügen. Des-
halb war Lügen sein Handwerk von Anbeginn. Er leugnet
einerseits die göttliche Wahrheit und bethört andrerseits die
Menschen mit nichtigen Einbildungen. Er besticht durch
Sophismen ihren Verstand , damit sie das Wahre in falschem
Lichte sehen, und er besticht durch Verblendung ihre Sinne,
däss sie was Koth ist, vergoldet sehen, und Genüsse, die das
gemeinste Thier mit den Menschen theilt, für Seelenwonne
Teufel. 469
halten. Als Lügner und listiger Verführer hat er vorzugs-
weise die Schlangengestalt.
In seiner principiellen Polemik gegen die göttliche Wahr-
heit ist er aber nicht blos schlauer Lügner und Sophist , son-
dern auch frecher Lästerer, indem er da, wo ihm sein Schlan-
genbiss gelungen, sich nicht mehr genirt, sondern in colossaler
Frechheit seinen Gotteshass auslässt, bellend und zähneflet-
schend gegen Gott, wie ein böser Hund gegen die ihm un-
erreichbare Sonne. Weil ihm aber gelingt, viele Menschen
zu verführen und von Gottes Wegen abzulocken, ist er zu-
gleich schadenfroher Spötter. Die grösste Frechheit wird an
ihm ausgedrückt durch die Gestalt des Nilpferdes, Krokodils,
Schweines, Wolfes, Hundes, Spott durch die des Fuchses
und Affen.
Ausser der Sinnlichkeit ist es hauptsächlich Eitelkeit und
Hoffahrt, durch die er die Menschen beherrscht. Darin spie-
gelt sich seine eigene Hoffahrt, die aber immer karikirt
erscheint, weil er zu keinem Stolz innerlich berechtigt ist,
weil alle seine Macht, Gott gegenüber, doch nur Ohnmacht,
alle seine Herrlichkeit, den Menschen gegenüber, doch nur
Schein und Lüge ist. Die alten Maler drückten diese Eigen-
schaft des Teufels ziemlich naiv durch die Affengestalt und
durch Attribute menschlicher Eitelkeit, Putz, Pfaufedern,
Schmetterlingsflügel (so auf dem berühmten Weltgericht in
Danzig) aus. Die modernen Versuche , den Teufel als König
der Unterwelt in einer gewissen plutonischen Erhabenheit zu
zeigen, mussten alle missrathen, weil ihm principiell jede
Würde abgeht.
Der Teufel bleibt immer ein Knecht, ein untergeordnetes
Wesen, das, nachdem es den Dienst Gottes verlassen, sich
zum Dienst des Menschen erniedrigt, um den Menschen durch
Kriecherei, Schmeichelei und reelle Dienste zu gewinnen.
Dieses Knechtische im Teufel ist vorzugsweise das Hündische
an ihm. Daher er so oft als „schwarzer Hund^ erscheint.
Weil der Teufel nur Böses will und Böses thut, kommen
ihm die Attribute alles Bösen in der Welt zu, wohin auch
470 Teufel.
das Gegentheil von allem Gesunden, Heitern, Klaren, Schö-
nen und den Sinnen Wohlgefälligen zu rechnen ist. Wie Gott,
die Engel, Heiligen und Seligen ewig im Licht sind, so der
Teufel immer in Nacht und Finsterniss; wie jene ewig in
Wonne, so dieser ewig in Qual, und wie jene Wonne ge-
währen, so gewährt dieser nur Qual. Wie jene in Schön-
heit strahlen, so vereinigt dieser in sich alles Hässliche. Wie
jene in himmlischen Harmonieen und Wohlgerüchen lehen,
deren Nachahmung Musik und Weihrauch der Kirchen sind,
so gibt der Teufel nur Misstöne, greulichen Lärm von sich
und lässt, wie^ das Sprichwort sagt, überall einen Gestank
zurück. Wie jene von der Kunst in ewiger Ruhe oder in
sanfter heiliger Bewegung aufgefasst werden, so dieser in
gewaltsam zurückgehaltener oder losgelassener Gier und mehr
als thierischer Wildheit. Ueberall erscheint der Teufel und
sein Reich als das Gegenbild zum Himmelreich und zur Kirche.
Vgl. d. Artikel Hexensabbath.
Es gibt jedoch auch eine teuflische Schönheit. Was die
klugblickende graziöse Schlange nur sinnbildlich bezeichnet,
das zeigt sich oft in der vollendeten Schönheit von Männern
und Frauen, die dämonische Zaubermacht eines Don Juan,
einer Circe. Wenn sich aber der Teufel auch aller Meister-
formen des Schöpfers zu seinen Werken bedienen kann, so
geht ihm doch dabei immer der Zauber der Unschuld ab,
der jeden andern Zauber überwiegt. In der diabolischen
Schönheit liegt immer etwas Unheimliches, was den Bewun-
derer anfremdet und erschreckt , er weiss nicht warum ? Das
ist die Abwesenheit der Unschuld. Die alten Maler wussten
auch diese Eigenthümlichkeit des teuflischen Wesens auf eine
naive Weise auszudrücken. Sie duldeten nämlich nicht, dass
der Teufel, mochte er auch noch so schön als Mensch gemalt
seyn, ein ganzer Mensch seyn durfte. Irgendwo, wenn auch
nur ganz versteckt, musste etwas Thierisches an seiner Ge-
stalt hervorblicken, ein Hörn, ein Huf, eine Kralle, wenig-
stens ein spitziges Ohr, Schotti, physica cur. p. 336.
Eben so trügerisch, wie die Schönheit, ist auch der
Teufel. 471
Reichthum des Teufels, seine Schätze sind nur Blendwerk.
Wenn er Gold schenkt, wird es zu Laub, Asche, Koth.
Wenn er Mahlzeiten gibt, findet man zuletzt, dass man von
todten Pferden, Baumrinden, Tannzapfen etc. gegessen hat.
So durchgängig in den deutschen Volkssagen. Die Hexen,
denen er ganz besonders zugethan ist, bleiben trotz seiner
Gunst beständig bettelarm.
Nach alter Ueberlieferung darf der Teufel aller Thiere
Gestalt annehmen , nur nicht die des Lammes und der Taube
{Majoli, dies canic. p. 406.), weil diese die Unschuld bedeuten.
An die Stelle des Erhabenen tritt beim Teufel das Maass-
lose, Ungeheure. Wie alles Guten, Wahren und Schönen,
so ist er auch alles Maasses und aller Harmonie Erbfeind.
Darum hat er im Gegensatz gegen die gesunde und schöne
Schöpfung Gottes sich selbst zum Urbild aller Missgeburten
karikirt. In ihm spiegelt sich alles Unnatürliche und Ver-
kehrte. Eben deshalb springt aber auch bei ihm das Schreck-
liche alsbald wieder in's Lächerliche um, daher der uner-
schöpfliche Humor, der in der volksthümlichen Behandlung
des Teufels in Sagen und Schauspielen niemals fehlt.
Die Maler haben von jeher darin übereingestimmt, in
den Teufelsgestalten Extreme des Dicken und Dünnen, Kur-
zen und Langen, Riesenhaften und Zwerghafteri, Plumpen
und vielgliedrig Gerenkten etc. darzustellen, w^obei sie mehr
oder weniger auf entsprechende Thierformen Rücksicht nahmen.
Dickteufel z. B. wurden gerne in die Kröten-, Schildkröten-,
Schwein-, Wallross- und Nilpferdform gebracht. Dünnteufel
in die Affen-, hauptsächlich aber Insektenform. Die Kunst
ging jedoch weit über die Thierform hinaus in die äusserste
Karikatur. Wie mit der ganzen Gestalt, so verfuhren sie
auch mit einzelnen Gliedmassen, die widernatürlich vergrös-
sert, verlängert und aus der menschlichen Form in die thie-
rische übersetzt w^urden. Dabei mögen die thierköpfigen
Götzen der Aegypter hin und wieder zum Vorbild gedient
haben. Vom hundsköpfigen Anubis, von der schweinsköpfigen
472 Teufel.
Nephthys bis zu den Teufeln der christlichen Bilder ist nur
ein leiser Uebergang. Dass die Satyrn der Griechen und
Römer in die Teufelsform übergingen, ist schon erwähnt.
Seltner findet sich die Form des Kentaur oder Pferdmenschen.
Vgl. Piper, christl. Myth. I. 374. Sie war noch eine Erin-
nerung der ersten christlichen Jahrhunderte an das eben be-
siegte Heidenthum, und kehrte erst in Dante's grossem Ge-
dicht wieder, als man von Neuem die classischen Dichter
studirte. Dante holte noch mehr groteske Figuren der heid-
nischen Welt herbei, um damit seine christliche Hölle zu
bevölkern, den Minotaur, Cerberus etc.
Teuflische Bildungen des Kopfs. Thierkopf auf einem
Menschenleib. Ein vielköpfiges Thier (der Drache in der
Offenbarung Johannis , ähnlich der antiken Hydra). Ein
monströser Dickkopf auf dünnem Hals und kleinem Leibe.
Tückischer, in Hals und Buckel vergrabener Koboldkopf.
Lang vorgestreckter Kopf mit Geierhals. Den teuflischen
Kopf bezeichnen gewöhnlich die Hörner des Bocks oder we-
nigstens kleine, nur über der Stirne angedeutete Satyrhörn-
chen, zuweilen auch der Hahnenkamm. Daher auch dann,
wenn der Teufel als Junker erscheint, sein Barett mit einer
Hahnenfeder geziert ist, die sich wie ein Hörn krümmt und
die zugleich den höllischen Hahn bezeichnet. — Auf alt-
deutschen Bildern hat der Teufel zuweilen grosse, aber schief
gestellte Ohren, was von bösen und heimtückischen Pferden
entlehnt ist. — Die Augen des Teufels sind gewöhnlich
gross, grimmig, lechzend, roth unterlaufen oder flammen-
werfend. Am scheusslichsten entstellt aber ist sein Mund,
der immer mehr oder weniger zum verschlingenden Rachen,
zum verkniffenen Schnabel, gierigen Rüssel etc. wird. Es
gibt einen Fisch vom scheusslichsten Ansehen, der den zähne-
vollen Rachen nie zuschliesst. Das ist ein gutes Bild des
ewig auf Raub lauernden Teufels. Gerade der Mund, der
am Menschen die geistigste Feinheit ausdrückt, ist am Teufel
das am meisten Beleidigende und Zurückstossende. Bald tritt
das Gebiss, bald mehr die lechzende Zunge hervor, die
TeufeL 473
schlangenartige Pfeilzunge oder insektenartige Mandibeln und
phantastische Fresswerkzeuge.
Nach einem Gesetz, welches schon in der antiken Sculptur
angedeutet erscheint und in den Costumen verschiedener Zeiten
und Völker wiederkehrt, correspondiren Bauch und Hinter-
theil, Schultern und Kniee mit dem Kopf. Daher die Wie-
derholung teuflischer Gesichter an diesen Theilen, oder we-
nigstens das Feuerspeien des Teufels von unten und oben.
Die Gleichstellung des unedelsten Theils am Körper mit dem
edelsten ist für die Teufelsform besonders charakteristisch.
Vgl. Didroriy man. p. 276. Daher auch der Kuss, den die
Hexen dem Teufel auf dem Bloxberg hinterwärts geben.
Horst, Zauberbibl. HI. 371 f.
An den Schultern trägt der Teufel insgemein Fleder-
mausflügel, doch kommen auch Geierflügel vor und phan-
tastische Insektenflügel. Hände und Füsse sind häufig thie-
rische Krallen. Wenn der Teufel in schöner Menschengestalt
verführen will, lässt er doch unter dem Gewand gewöhnlich
den verrätherischen Pferdehuf oder Vogelkrallen blicken.
Eben so charakteristisch ist für den Teufel der Schwanz,
dem die naiven Maler gewöhnlich eine Pfeilspitze geben, um
ihn von gemeinen Afl'enschwänzen zu unterscheiden. Endlich
gibt man dem Teufel eine zottige , borstige Haut oder
Schuppen.
Wo es gilt, die Teufel klein zu malen, z. ß. wie sie
aus dem Munde von Besessenen fahren, oder einem Ver-
führten in's Ohr flüstern, so werden sie als Raben, zuweilen
auch als schwarze Insekten dargestellt wie Ameisen und Scor-
pionen. Vgl. Rathgeber, Gothaisches Museum S. 144. 231.
Wo es dagegen gilt, den Obersten der Teufel in voller
Macht zu zeigen , tritt die Form des Drachen ein , wie in der
Offenbarung Johannis. Im Drachen sind gleichsam alle Thier-
formen in ihrer höchsten Potenz concentrirt , die der Quadru-
peden im Rachen und in den Füssen, die der Vögel in den
Flügeln, die der Amphibien im Leib und in den Schuppen,
die der Insekten im Schwanz.
474 Teufel.
Malern und Diclitern ist ein weiter Spielraum vergönnt,
die Teufelscharaktere im Einzelnen auf's Mannigfachste auszu-
malen. Jedoch sollen sie sich in Acht nehmen, nicht in eine
unsinnige Willkühr auszuschweifen, in welcher das specifisch
Teuflische verloren geht. Von dieser Art sind schon die alten
Miniaturbilder aus dem 12ten Jahrhundert gewesen, denen
antike sogenannte Gryllen zum Vorbild gedient zu haben
scheinen: Teufel mit Krokodilskopf, Vogelschnabel, Gesicht
am Bauch und Schlangenkopf am Schwänze etc. Didron^
icon. p. 283. Auch spätere Maler, wie Bosch, Callot, der
Höllenbreughel etc., sind in der humoristischen Freiheit zu
weit gegangen und haben den Teufeln selbst die Formen
lebloser Gegenstände gegeben, um komische Effecte zu er-
zielen, wobei aber das specifisch Dämonische verloren geht.
Das passt vortrefflich zu den Satyren von Rabelais, aber nicht
in Bilder, deren Hintergrund immer der kirchliche Ernst blei-
ben soll. Auch schon der grosse Dante wird in den Teufels-
namen „Schlimmkralle, Nebelschwanz, Schindsau, Wirrwarr,
Wirrbart etc.'^ zu lustig. Vgl. Dante von Kopisch S. 83.
Auch Mone, Schauspiele des Mittelalters I. 198.
Dasjenige Glied, an welchem der Teufel von der Le-
gende, Volkssage und Dichtung gleichsam mit Gewalt in's
Reich des Komischen hineingezogen wird, ist die Nase. In
wie vielen Legenden und Sagen wird dem vorwitzigen Teufel
nicht von einem heiligen oder klugen Schmiede (dem heiligen
Dunstan, dem Schmied von Apolda etc.) die Nase abgezwickt !
Eben so komisch erscheinen auf unzähligen Bildern die Teufel,
die auf ihrer eigenen langen Nase Flöte oder Dudelsack spie-
len, ein besonders bei den deutschen Malern sehr beliebtes
Motiv. Es ist die Frage, ob dieser Vorstellung nicht altheid-
nische Erinnerungen zu Grunde liegen. Inzwischen ist sie
christlich zu rechtfertigen durch die Situation, in welche der
Teufel nothwendig jedesmal kommen muss, wenn er in seiner
knechtischen Ohnmacht sich an das unantastbar Heilige wagt.
Der Spott über den Teufel in der Blüthezeit des Mittelalters
war ein Zeichen des Glaub ensmuthes und eines gesunden
Teufel. 475
Volkslebens; die Teufelsangst, mit der die Reformation be-
gann, das Zeichen vom Gegentbeil.
Christliche Vorstellungen, die sich mit altheidnischen
Erinnerungen an elbische Wesen und Zauberei berühren,
sind die Wolf- und Fuchs-, die Kukuks- und Fliegen-,
endlich auch die Rüben- und Wurzelgestalt des Teufels. Als
Wolf bezeichnet der christliche Teufel den hungrigen All-
verschlinger, wie in der nordischen Edda. Als Fuchs den
arglistigen Weltbetrüger, wie im altdeutschen Reinecke. Als
Kukuk den neckischen, foppenden Dämon. Als Fliege den
unverschämten Belästiger. Als Alraun (Wurzelmännlein) das
personificirte Miasma und Gift der Verwesung in der finstern
Erde, das allem höhern Leben feindlich und verderblich ist,
aber auch über alle Schätze im Innern der Erde gebietet.
Im Ulmer Münster ist an den Geländern der Treppe
zum Sakramentshäuschen allerlei höllisches Gewürm ange-
bracht, welches eidechsenartig daran auf- und abgleitet. Dazu
auf der Schwelle des Sakramentshäuschens selbst ein Teufel,
der sich zwischen zwei Löwen, die gleichsam hier als Wächter
erscheinen, in höchster Angst windet und krümmt und nicht
loskommen zu können scheint. Damit sind ohne Zweifel, wie
mit den teuflischen Frazzen, die in andern Kirchen so oft
unter Capitälen, Balken und sonst aus dem Versteck hervor-
lauschen, nur die bösen Gedanken gemeint, die den Menschen
auch in der Kirche, mitten unter den heiligsten Eindrücken
befallen. In der Legende des heiligen Macarius von Alexan-
drien kommen viel solche kleine, mehr insektenartige, als
ungeheuerliche Teufel vor, die mitten in der Kirche während
des Gottesdiepstes sichtbar werden, den Lässigen böse Ge-
danken in's Ohr flüstern. Andere schläfrig machen, einen
Dritten zum Lachen reizen oder sonst in der Andacht stören.
Die Classification der Teufel ist ursprünglich keine andere,
als die der Laster. Weil das Böse Gegenbild des Guten ist,
so theilt sich der gefallene ürgeist Lucifer gegenüber der
heiligen Dreieinigkeit in einer unheiligen Dreiheit und emanirt,
gegenüber den sieben Geistern Gottes, in sieben unreinen
476 Teufel.
Geistern , den Prototypen der Hauptlaster. Der als gefallener
erster Engel Lucifer heisst , ist zugleich der Satan , der Teufel
par excellencej Fürst der Finsterniss und Hölle. Als Gegen-
bild der Dreieinigkeit erscheint er dreiköpfig im Mittelpunkt
der Erde, in der tiefsten Tiefe, bei Dante, auch in alten
Miniaturen. Didrorij man. p. 78; dessen icon, p. 544. — Der
einem Götzen entlehnte Beelzebub und der thierische Leviathan
sind nur andere Bezeichnungen' für dasselbe böse ürwesen.
Alle untern Rangordnungen müssen aus dem Wesen des
Bösen herfliessen und die verschiedenartigen Laster personi-
ficiren, gegenübergestellt den Tugenden. Man hat auch zehn
Hauptteufel unterschieden als Gegner der zehn Gebote. Zu-
lässig sind auch die Unterscheidungen von ausserordentlichen
Teufeln, die in ausserordentlichen Lastern und Tollheiten der
Menschen wirksam erscheinen. So schuf das Reformations-
zeitalter, in dem überhaupt der Teufel seinen Triumph feierte,
ganz neue Teufel, entsprechend den damals aufkommenden,
die menschliche Gesellschaft verpestenden Lastern und Miss-
bräuchen, als da waren: der Sauf-, Fress-, Hof-, Schul-,
Jagd-, Spiel-, Fluch- und Hosenteufel, bezüglich auf die
lüderlichen Sitten und phantastischen Trachten, die damals
aufkamen. Von dieser Art ist auch der beim russischen Volk
gegenwärtig sehr populäre „ Geldteufel '% der zugleich eine
Personification der habgierigen russischen Beamtenwelt ist.
Vgl. Kohl, Russland L 137. — Nicht unfein ist in Lessings
berühmtem Fragment von Faust die Classification der Teufel
nach der Schnelligkeit ihres Wirkens. — Durchaus unzulässig
ist die Classification der Teufel nach den Elementen und
Naturreichen. Indem man antike Naturgötter zu Teufeln
machte oder auch die nordische Eiben- und Zwergenwelt in's
Teuflische übersetzte (wie z. B. Theophrastus Paracelsus that),
griff man zu weit in's heidnische Gebiet über und dehnte
den Begriff des Teuflischen zu weit aus. Nur in den gei-
stigen Elementen, nur in den geschichtlichen Reichen wirken
Dämonen. Daher den Engeln der Völker, den Schutzengeln
und Patronen der Genossenschaften und Stände auch Teufel
Teufel. 477
gegenüberstehen, die in den Lastern dieser Völker und Stände
liauptsäclilich thätig sind. Nach einer alten Legende vertheilte
der Teufel seine sieben Töchter , die Hauptlaster, unter die
Hauptclassen der Menschen, nur die Buhlerei blieb übrig
und wurde daher allen gemein. Görres, Mystik III. 698.
Man muss die in einem Laster wirksamen Teufel noch von
den einer besondern Tugend, oder einem Sakrament feind-
lichen Teufeln unterscheiden. So steht neben dem Teufel
der Unzucht ausdrücklich noch ein ehefeindlicher Teufel, den
uns das Buch Tobias kennen lehrt.
Es würde mich doch wohl zu weit führen, wenn ich
den Versuch machen wollte, hier in längern Aneinander-
reihungen jene Legionen und Cohorten zu verfolgen, die ihre
schwarzen Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen haben.
Auch das Vorkommen der Teufel in der heiligen Ge-
schichte kann ich hier nicht im Einzelnen aufzählen. Es ist
bekannt genug und auf allen Kirchenbildern, auf denen
biblische Scenen mit dem Teufel vorkommen, vom Sünden-
fall bis zum Weltgericht verständlich.
Da der Teufel nichts schaffen, sondern nur zerstören
kann, so ist er auch als Säemann in der biblischen Parabel
nur Säer des Unkrauts. Deshalb macht ihn die Volkslegende
auch zum Säemann aller Ketzer und Unruhestifter. Er raffte
z. B. einmal die Schwenkfelder von der Erde auf, that sie
in einen Sack und wollte sie zur Hölle führen, der Sack
stiess aber an den Spitzberg in Schlesien, da fielen die Ketzer
heraus und existiren noch in der Umgegend. In gleicher
Weise säte er böse Junker in der Lausitz.
Der Teufel ist Erfinder des Würfelspiels. Die bösen
Folgen dieses Spiels sind daher in einem altitalienischen Bilde
geistreich aufgefasst in fünf Köpfen, welche die Zahl 5 im
Würfel ausdrücken. Die vier äussern Köpfe gehören Ver-
dammten an und haben Mienen voll Verzweiflung, der mittlere
gehört dem Teufel an und lacht schadenfroh. — In solchen
symbolischen und allegorischen Anwendungen haben Poesie
und Kunst noch einen unendlichen Spielraum.
478 Thamar.
In Bildern, die sich auf Heiligenlegenden beziehen, ist
der Teufel oft stehendes Attribut. Als Versucher finden wir
ihn bei den Heiligen Antonius , Macarius, Romualdus, Victo-
rinus, bei der heiligen Katharina von Siena etc. Auf einsamem
Felsen im Meer wird der heilige Martinianus vom Teufel
versucht. In Christi Gestalt der heilige Martin und der
h. Potitus. Auf dem Meer wird das Schiff des h. Marcus,
auch das des h. Brandanus von Teufeln umdroht.
Besiegt liegt dei* Teufel überwunden zu den Füssen des
Erzengels Michael und des ritterlichen heiligen Georg. Gefes-
selt folgt er der h. Digma, Juliana, dem h. Cyriacus und
Norbert. Gebunden liegt er zu Füssen der h. Genoveva und
muss ihr das Licht halten. Auch dem h. Dominicus muss
er das Licht halten , das ihm bis auf die Finger brennt. Der
h. Gudula versucht er vergebens das Licht auszublasen. Der
h. Bartholomäus zwingt ihn, Christum zu bekennen. Der
h. Dunstan zwickt ihn bei der Nase. Sehr viele Heilige treiben
Teufel aus, die in Gestalt von Raben davonfliegen.
Thamar,
das alttestamentalische Vorbild der äussern Schmach, welcher
das Christentlium so oft unterzogen worden ist und sich frei-
willig unterzogen hat, um seine höhere Mission zu vollbringen.
Indem Thamar durch uneheliche und sogar blutschänderische
Geburt gleichwohl die Stammmutter Davids, der Maria und
des Heilands wurde, wird damit ausgedrückt, dass Gott, in-
dem er seinen eingebornen Sohn als Heiland der Welt gerade
in diesem Schmutz des Judenthums und in der Gesetzwidrig-
keit einer sündigen Umarmung die irdischen Wurzeln schlagen
liess, nur das Uebel dieser Welt gleichsam mit der Wurzel
ausheben und nicht sowohl den Weisen und Gerechten, als
vielmehr den Verlornen und Verachteten, den Ausgestossenen
und Parias die Erbarmung und Erlösung bringen wollte. Die
Legitimität nach dem äussern Gesetz, der starren Gerechtig-
keit des Mosaismus, hatte keinen Werth mehr für den
Thau. y 479
All erbarmer, der nicht das einseitige Volkswohl der Hebräer,
sondern die Erlösung des gesammten menschlichen Geschlechts
wollte und darum sich gerade am liebsten an die Elenden
und Heiden wandte, und seine Apostel unter Zöllnern und
Sündern wählte. Noch specieller ist Thamar das Vorbild der
Sünderin Magdalena, die dem Heiland geistig so nahe stand,
wie Thamar durch die Abstammung. Rupert von Deutz hat
Thamar und Ruth zusammengestellt als poenitentia und pau-
pertas^ die beiden Vorbedingungen alles christlichen Heils.
Seine Deutung der Geschichte Thamars ist sehr sinnreich.
Er sieht in Thamar selbst die Busse ; im Judas das Erbarmen ;
in Ring, Schnur und Stab, die sie zum Pfand erhält, Glaube,
Liebe und Hoffnung; in dem Bock, den sie zum Preis
empfängt, das Lamm Gottes oder die Erlösung; in den beiden
Zwillingen endlich den Gegensatz von Judenthum und Hei-
denthum, so zwar, dass Serah mit dem rothen Faden an der
Hand, der zuerst zum Vorschein kommt, aber doch das Recht
der Erstgeburt wieder verliert, das Judenthü-m, Perez da-
gegen das anfangs zurückgesetzte Heidenthum bedeutet, in
welchem das Ghristenthum segensreicher wirkte und von dem
es viel umfassender und gehorsamer anerkannt und aufge-
nommen wurde, als vom Judenthum. Eupertus Tuit. p. 97.
Thau,
Sinnbild des Segens, der vom Himmel kommt. Wie der
nächthche Thau die Erde befruchtet, so kam alle Frucht des
geistigen Lebens durch Maria von oben. Das ist vorgebildet
in dem Thau, der auf Gideons Fell niederfiel. Vgl. den
Artikel Gideon. — Conrad von Megenberg im Buch der
Natur 1482, Fol. 25. leitet den Thau von den Sternen her,
wodurch noch vor dem Aufgang der Sonne die Aecker be-
feuchtet werden, und vergleicht diese Sterne mit den Heiligen.
480 Thiere.
T h i e r e,
Sinnbilder der Leidenscliaften und auseinandergehenden Men-
schensinne. Im Paradiese lebten alle Thiere in Harmonie
und thaten einander nichts zu Leide. Vgl. den Artikel Pa-
radies. Erst nach dem Sündenfall der Menschen wurden die
Thiere wild und feindeten einander an, wie Kain den Abel.
Die seitdem unter den Thieren entzündete Gier und Wuth
correspondirt mit der durch den Sündenfall in Adam zer-
störten Harmonie der menschlichen Seelenkräfte und deren
Gegeneinandertoben. Im künftigen Paradiese aber sollen die
Thiere zu dem alten Frieden zurückkehren. Jesaias 65, 25.
Deshalb nahmen schon die ältesten Christen im römischen
Keich den antiken Orpheus, dessen Gesang die wildesten
Thiere zähmt, zum Vorbild Christi. Dem gefallenen Adam
unter den auseinanderlaufenden *Thieren des Paradieses steht
hier der neue Adam unter den wieder vereinigten gegenüber.
Vgl. den Artikel Orpheus. Nach den apokryphischen Evan-
gelien liefen, als die heilige Familie nach Aegypten floh, in
der Wüste alle Thiere herbei, um in friedlicher Eintracht
das Christkind anzubeten. Hofmann, Apokr. S. 141. So
sammeln sich auch alle Thiere der Arche Noä in einem lieb-
lichen Garten um die Mutter mit dem göttlichen Kinde in
einem alten Kölner Volksliede. V^eyden, Kölns Vorzeit
S. 268. Die Gabe, den Thieren ihre paradiesische Fried-
samkeit zurückzugeben, wohnt auch vielen Heiligen inne.
Der Mensch übt eine magische Gewalt über die Thiere; er
theilt ihnen seinen Gottesfrieden mit, wie das Gegentheil.
Begreiflicherweise sind es in der Legende zumeist Einsiedler
im wilden Wald und in den Wüsten, oder in unbekannte
Wildnisse eindringende ßekehrer, denen sich die Thiere
dienend zugesellen. Der heilige Didymus, ein ägyptischer
Einsiedler des 4ten Jahrhunderts, besass Gewalt über alle
giftigen Thiere, so dass ihn keines verletzen und er jedes,
wie er wollte, anfassen, treten oder tödten konnte. Leben
Thiere. 481
der Altväter 1725, S. 93. Der heilige Godrik war sechzig
Jahre lang Einsiedler und war stets von wilden Thieren
umgeben, die ihm gehorchten. Acta SS. 21. Mai. Desgleichen
der heilige Marianus in Gallien im 5ten Jahrhundert. Vincent.
Bellov. spec. hist. XX. 18. Der h. Lucas der Jüngere in
Griechenland, Acta SS. 7. Februar. St. Aventinus, 4. Februar.
Attracta, eine königliche Jungfrau in Irland, floh die Ehe,
wurde eine Heilige , tödtete einen furchtbaren Drachen durch
das Zeichen des Kreuzes, führte ein durch die Uebermacht
des Feindes in einer engen Gegend eingesperrtes Heer sicher
durch einen See, der unter ihren Füssen austrocknete, und
belud ein andermal die wilden Hirsche, die ihrem Winke
gehorchten , mit Holz , das sie ihnen mit keinem andern Bande
aufband, als mit ein Paar von ihren Haaren, die sie sich zu
diesem Behufe ausriss. Acta SS. 9. Februar. Die Legende
von Irland (Hibernia sacra) und die der ersten Apostel in
den deutschen Urwäldern (Germania^ Helvetia, Bavaria sacra)
sind besonders reich an Thieren aller Art, die den Heiligen
sich zugesellt, ihnen zugehört und Dienste geleistet haben.
— In der Legende des heiligen Franciscus tritt in besonderer
Liebenswürdigkeit die christliche Toleranz gegen die Thiere
hervor, die der jüdischen strengen Scheidung von reinen und
unreinen Thieren entgegengesetzt ist. Der heilige Franciscus
fasst die Thiere durchgängig als Mitgeschöpfe des Menschen
in ihren, wenn auch nur niederen Verwandtschaftsgraden
und Sympathien auf, und empfiehlt deren milde und gütige
Behandlung. — Patron der Hausthiere ist der heilige Anto-
nius, in dessen Kirche zu Rom dieselben je am 17. Januar
eingesperrt werden. In Deutschland wird der heilige Leonhard
als Patron der Viehzucht insbesondere verehrt.
St. Julianus von Vienne, ein Märtyrer des 3ten Jahr-
hunderts , wurde enthauptet , sein Haupt ruht in seiner Kirche
zu Vienne, in welcher alle wilden Thiere, sie seyen noch so
unbändig, zahm werden, so wie sie hineinkommen. 28. August.
Auf Kirchenbildern sind die Thiere im Paradiese, in der
Arche Noä, um den christlichen Orpheus versammelt. Zu
Menzel, christl. Symbolik. II. 31
48^ Thierkreis.
den einzelnen Heiligen gesellen sich in der Regel auch nur
einzelne Thiere. Vgl. die Artikel Bär, Hirsch etc. Verschie-
dene -wilde Thiere umgaben die Heiligen Blandina, Euphemia,
Thekla, denen sie vorgeworfen werden sollten, von denen
sie aber geschont wurden. Arzt der wilden Thiere war der
heilige Blasius, zu dessen Höhle kranke Thiere kamen, um
sich heilen zu lassen.
Thierkreis,
Sinnbild des Universums, der sichtbaren Welt, deren Kreis
er umschreibt. Daher als Thron Gottes gebraucht, wie der
Regenbogen, und gleich diesem auch als der Ring, der
Himmel und Erde verbindet. So namentlich auf Bildern der
Schöpfung, nicht ohne eine astrologische Beziehung auf den
Einfluss, den die Himmelskörper üben. So im Campo Santo
zu Pisa, in den nach Raphaels Zeichnungen verfertigten Mo-
saiken der S. Maria del popolo etc. Vgl. Piper, christl. Myth.
H. 293. — Sehr oft findet sich der Thierkreis an kirchlichen
Fa^aden und Portalen des 12ten und 13ten Jahrhunderts.
Vgl. Bocky eglise de Nivelles p. 14. An der Domkirche zu
Cremona bewegen sich die Thierzeichen im Thierkreise wie in
Prozession von der Rechten zur Linken. Wiener Jahrb. XL.
Anzeigeblatt S. 41. Das dürfte, wie Piper a. a. 0. 292.
richtig bemerkt, ein den antiken Tempeln entlehntes Motiv
seyn, da sich auf diese die Zwölfgötter mit Thierzeichen
und Monaten identisch in einer Bogenstellung finden (z. B.
auf der Ära Borghese im Louvre). Später, als die grossen
Kirchenuhren aufkamen, wurde der Thierkreis gewöhnlich
mit diesen (über dem Portal der Kirche) verbunden, wodurch
er seine ursprünglich rein kalendarische Bedeutung wieder
erhielt. Inzwischen wurden die Thierzeichen doch auch sinn-
bildlich auf die zwölf Apostel , als Patrone der zwölf Monate,
bezogen. An einem Reliquienkasten in der Schlosskirche zu
Quedlinburg sind die zwölf Apostel bogenförmig gestellt und
über ihnen die Zeichen des Thierkreises angebracht. Und
St. Thomas. 488
so öfter, vgl. Piper a. a. O. Wie sich heidnische Astrologie
mit christlicher vermischte, zeigt Priscillian, demzufolge zwölf
böse Dämonen (die altheidnischen Götzen) den Leib , dagegen
zwölf Patriarchen (christliche Potenzen) die Seele des Men-
schen beherrschen sollen. Vgl. Gfrörer, Kirchengesch. II.
2. 572. — Als ein durchaus missrathenes Sinnbild göttlicher
Omnipotenz ist die dreiköpfige Dreieinigkeit zu betrachten,
die den Zodiacus hält auf einem Bild aus dem 16ten Jahr-
hundert. Didron^ icon. 580.
St. Thomas,
der Apostel, scheint etwas Peripherisches, ein Grenzverhält-
niss, eine Fernwirkung bis zum zweifelhaften Zwielicht im
Verhältniss zum christlichen Centrum auszudrücken. Er unter
allen Aposteln allein ist der Schwergläubige , der immer noch
zweifelt. So will er nicht an des Lazarus Erweckung glauben.
Auch nicht an die Auferstehung des Herrn , in dessen Wunde
er erst die Finger legen muss, um sich zu überzeugen. Nach
der Legende zweifelte er auch an der Himmelfahrt Maria,
bis sie ihm aus der Höhe ihren Gürtel herunterwarf. Didron,
man. p. 287. Wie unter den Planeten Saturn am weitesten
von der Sonne entfernt ist, so sieht Thomas die geistige
Sonne nur wie blinzelnd aus der Ferne. Darum beherrscht
er auch im christlichen Kalender wie Saturn die Wintermitte.
Der 21. Dezember, der kürzeste Tag im ganzen Jahre, ist
der Thomastag. Man hat dieses kurze Tageslicht auf die
Kleingläubigkeit des Apostels und auf den Spruch Christi
bezogen: „Selig, die da glauben und nicht sehen." Strauss,
Kirchenjahr S. 98. Man muss indess die Zeitferne, den
Jahresschluss in Verbindung bringen mit der Raumferne, den
räumlichen Grenzen der christlichen Welt. Thomas ist vor-
zugsweise Bekehrer der entlegensten Heidenländer, des öst-
lichen wie des westlichen Indiens. Die Legende lässt ihn
unter allen Aposteln in die weitesten Fernen wandern.
In der apokryphischen Apostelgeschichte des Abdias
31 *
4B4 St. Thomas.
heisst es : als die Apostel in alle Welt ausgingen , die Heiden
zu bekehren, sey Thomas nach Indien gewandert. Daselbst
fand er einen König, der ihn zwang, seine Tochter und
ihren Bräutigam einzusegnen, obgleich sie Heiden und nicht
Christen waren. Thomas flehte den Segen des Heilands auf
sie herab und siehe, als die Brautleute in ihre Kammer
gingen, sass Christus auf ihrem Bette und sagte, wenn der
über sie ergossene Segen in Erfüllung gehen solle, so müss-
ten sie keusch leben und alles Zeitliche hinter sich lassen.
So thaten sie auch. Der König gab dem Apostel Geld, einen
herrlichen Pallast zu bauen, aber er gab das Geld den Ar-
men und sagte, dadurch werde ihm der schönste Pallast im
Himmel erbaut. In Persien bekehrte er die edle ^Vau Myg-
donia, was man ihm aber sehr übel nahm, und nachdem er
die goldne Bildsäule des Sonnengottes auf ihrem von zwei
Rossen gezogenen Wagen durch blosses Gebet zerschmolzen
hatte, wurde er von den Kriegern umringt und mit Lanzen
erstochen, 21. Dezember. An seinem Grabe soll sich eine
Lampe befinden , die ohne Oel brennt und von keinem Sturm
gelöscht werden kann. Paullini, Luststunden S. 329. Als
die Portugiesen nach Indien kamen, fanden sie sogenannte
Thomaschristen vor, die vom Apostel bekehrt worden seyn
sollen, ohne seitdem je mit andern Christen in Verbindung
zu kommen. Vom Abendlande selbst aus meldet zuerst Gre-
gor von Nazianz oraL 25 , dass Thomas wirklich nach Indien
gekommen sey. Vgl. darüber Ritter, Erdkunde V. 601 ff.
In Ribadineiras Legenden Sammlung heisst es, der Apostel
habe einmal in Indien beim König Sagamus einen Ungeheuern
Holzblock , den Niemand von der Stelle bringen konnte, mit
seinem Gürtel leicht weggezogen. Darauf habe er ein Kreuz
aufgerichtet und gesagt, w^enn das Meer bis dahin steigen
werde, würden Männer aus dem Westen kommen und das
von ihm begonnene Werk der Christianisirung weiter führen.
Als nun die Portugiesen das erstemal in's Land gekommen,
sey das Meer wirklich so hoch gestiegen. Vgl. Baldäus,
Beschreibung von Malabar S. 125. und Mandelslo, Reise
Thränen. 485
S. 195. Der fabelreiche Reisende Montevilla erzählt (113.),
eine Statue des Heiligen in Indien diene als Orakel, man
reiche ihr gerichtliche 'Denkschriften und wenn der Dar-
reichende unschuldig sey, behalte sie die Zuschrift in der
Hand, wenn nicht, lasse sie sie fallen. Nach Marco Polo
(Bürk S. 544.) können die Nachkommen seiner Mörder nicht
in seine Kirche gelangen, die Luft stösst sie zurück.
Thomas soll auch die heiligen drei Könige im Christen-
thum unterwiesen und den Aethiopier unter ihnen weiss ge-
waschen haben. Die heiligen drei Könige bedeuten die drei
Welttheile. Thomas soll die weitesten Reisen unter allen
Aposteln gemacht haben und sogar in Amerika gewesen seyn.
Man glaubte nämlich, ehe und noch als Columbus Amerika
entdeckte, die neue Welt hinge mit der alten zusammen,
weshalb man auch Amerika Indien nannte. Man glaubte in
dem mexikanischen Götzen Quetzalcoatl den heiligen Tho-
mas wiederzuerkennen. Prescott, Eroberung Mexiko's I. 49.
xAuch in Brasilien fand man seine Spuren. Nieremberg , hist,
nat. 334.
Thränen.
*
Perlen im Traum gesehen, bedeuten Thränen, aber die
Thränen des reinen, wahren Schmerzes werden auch wieder
zu Perlen. Die mit Thränen säen, werden mit Freuden
ärndten. Psalm 126,^ 5. Die Perlen, womit die Sünderin
Magdalena geschmückt war, wurden von ihr weggeworfen,
als sie Busse that , und ersetzt durch Thränen , die noch weit
kostbarer waren. In den Thränen spricht sich nicht nur der
tiefste Schmerz des irdischen Leidens , sondern auch das Vor-
gefühl der Seligkeit aus. Das leidende Thier kann nur
heulen. Der leidende Mensch weint, weil er das zeitliche
Wehe mit der ewigen Wonne zu vergleichen , bei dem einen
des andern sich zu erinnern vermag. Thränen sind ein
Vorzug. Es gibt Thränen, die nur Heilige und Engel zu
weinen vermögen. Christus selbst weinte im Anblick der
Stadt Jerusalem, die bald zerstört werden sollte. Die Gabe
486 Thron.
der Thränen ist eine niclat minder adelnde Auszeichnung der
Heiligen, wie die Gabe der Jubilation (des Gesanges). Die
heilige Maura und Maria de Oegnies besassen beide. Vgl.
Görres, Gesch. der Mystik IL. 74.
Hiobsthränen heissen die perlenartigen Früchte einer Gras-
art in Ostindien, die man auf Schnüre anreiht. Hochstetter,
populäre Botanik I. 81. 621. Lacrymae Christi nennt man
den köstlichen , am Fusse des Yesuv wachsenden Wein , weil
nach der Volkssage Christus , als ihn der Teufel in der Wüste
versuchte, von demselben hiehergeführt worden seyn soll,
wo „die schönste Aussicht der Welt ist^, der Heiland aber
aus Mitleid geweint haben soll, dass dieses Paradies der
Erde von so argen Sündern und Schelmen, wie die Neapo-
litaner sind, bewohnt werde.
Thron.
Throne heissen Engel oder Kräfte Gottes, auf denen
gleichsam seine Macht ruht. Vgl. die Artikel Cherubim und
Engel. Flammende Räder mit Augen und Flügeln, die den
beweglichen Thron oder Wagen Gottes tragen. Vgl. Züllich,
Offenbarung Johannis H. 33. Die Räder werden auch so
dargestellt, dass je zwei kreuzförmig in einander greifen.
Didroriy annales I. 156. — Gott thront auch auf dem Regen-
bogen, Christus als Weltrichter auf dem doppelten Regen-
bogen. Vgl. den Artikel Regenbogen.
Der Thron Salomo's, auf dessen Stufen zwölf Löwen
standen, ist alttestamentalisches Vorbild der Maria, weil der
wahre Salomo (Gott selbst) sie zu seinem Thron erkor. Conrad
von Würzburg, goldne Schmiede, Vers 1735 f. Die zwölf
Löwen stellen am marianischen Thron die zwölf Apostel dar.
T h ü r.
Christus spricht: „Ich bin die Thür, so Jemand durch
mich eingeht, der wird selig werden.^ Johannes 10, 9. Die
Thtir. 487
Pforte, die zur Verdammniss führt, ist weit, die zum Leben
schmal. Matth. 7, 13. Ueber Dante's Hölle steht geschrieben:
„Wer durch mich eingeht, lasse jede Hoffnung hinter sich."
Insbesondere wurde die Thür ein Sinnbild der Gnaden-
mutter und Gottesgebärerin , durch welche alles Heil in die
Welt gekommen. So in unzähligen Hymnen: Tu regis alta
janua (in dem Hymnus: O gloriosa virginum) j porta, ex qua
mundi lux est orta (in dem Hymnus: Ave regina coelorum),
felix coeli porta (im Hymnus: Ave maris Stella), porta orien-
talis (im Hymnus: Salve virgo puerpera). Am häufigsten aber
wird von der heiligen Jungfrau Maria der Ausdruck ge-
braucht: porta clausa j mit Beziehung auf Ezechiel 44, 2, wo
Gott durch die verschlossene Pforte geht, ohne dass sie sich
zu öffnen braucht. So wurde Maria durch Gott Vater Mut-
ter des Sohnes und blieb doch Jungfrau. Vgl. Conrad von
Würzburg, goldne Schmiede, Vers 1786 f. Wackernagel,
Kirchenlied Nr. 94. Auch auf Bildern kommt die verschlossene
Pforte Ezechiels sehr oft als Attribut der Maria vor, Didron^
man. p. 147; dessen annales I. 214. Bezug darauf nimmt auch
die „goldne Pforte'* in der Peterskirche zu Rom, die der Papst
nur einmal nach seiner Wahl und sonst nur je an einem Jubel-
jahr mit einem goldnen Hammer anschlagen und öffnen darf.
Die christliche Kirchenbaukunst nahm bei Anlage der
Kirchenthüren immer Rücksicht auf Symbolik. Der byzan-
tinische und romanische Rundbogen entsprach der Form des
Regenbogens und Thierkreises und bildete gleichsam ein
Thor des Himmels. Auch insbesondere die „goldne Pforte'^
wurde an Kirchthüren wiederholt mit Bezug auf die heilige
Jungfrau. Gerade über dem Bogen oder dem Mittelpfeiler
zwischen den beiden Thürflügeln stand die göttliche Mutter
mit dem Kinde. In dem Rande des Bogens wurden überaus
oft die zwölf Apostel, Propheten, Patriarchen statuarisch an-
gebracht, gleichsam als die Sternbilder im christlichen Zodiacus.
Die Hauptthür der Kirchen ist immer auf der Westseite,
denn man geht dem Licht nach Osten entgegen. — Der
gothische Spitzbogenstyl verliess die Symbolik des Himmels-
488 Thüt.
bogens, nahm aber in ihren reichen Ornamenten die Symbolik
des Weinstocks auf. Das Stab werk der gothischen Portale
rankte sich zur Weintraube empor. Christus wurde hier zu-
gleich als die Thür, durch die man eingeht, und als der
Weinstock betrachtet.
Dursch in seiner Aesthetik der christlichen bildenden
Kunst sagt vom Freiburger Dom S. 349 : „Betrachten wir
die christliche Kirche als die Vermittlerin des Heils , welches
der Sohn Mariens der Welt bereitet hat, so wird uns auch
die Bedeutung der bildlichen Darstellung leicht einleuchten.
Beim Eintritt in die Halle erscheint uns Maria mit dem
Christkinde, als Ziel der Yerheissung und als Morgenstern
des Heils. Im Bogenfelde erblicken wir die Geschichte Christi
als die Ursache unseres Heils dargestellt, womit zugleich an-
gezeigt ist, wo wir unser Heil suchen sollen. Als Mittelpunkt
der heilsamen Wirksamkeit Christi erscheint uns hier Christus
am Kreuze in grösserer Dimension, wie er nämlich für die
Sünden der Welt seinem himmlischen Vater gehorsam war
bis zum Tode am Kreuze. Der Glaube an den welterlösen-
den Kreuzestod Christi bildet von nun an eine Scheidung in
der Welt, welche einerseits durch die Seligen, andererseits
durch die Verdammten um das Kreuz dargestellt ist. Die
subjective Scheidung der Geister, welche hier der Glaube
bildet, wird durch den Richterspruch am jüngsten Tage eine
objective und ewig dauernde. Die östliche Wand dieser
Eingangshalle stellt uns daher die Wirkungen des Christen-
thums oder der christlichen Kirche in der Zukunft dar , wäh-
rend die plastischen Werke der rechten und linken Wand
das Verhältniss der alten Welt, das Heiden- und Judenthum
zu der Erlösung versinnbilden. Die Einen erwarteten in dem
Messias den Erlöser der Welt und fanden in ihm ihr Heil,
während die Andern sich von ihm abwenden und in Eitelm
ihr Heil suchen. Diese bildliche Darstellung versinnbildet
recht deutlich die Universalität des Christenthums und die
hohe Bedeutung der christlichen Kirche, Vermittlerin zwischen
Gott und den Menschen zu seyn."
Thurm. 489
Die zwei Pfeiler oder Thürme , zwischen denen das Thor
sich vertieft, werden auf die beiden Säulen am Tempel zu
Jerusalem bezogen. Vgl. den Artikel Säule. — Die beiden
Thürflügel entsprechen den beiden Testamenten. Auf den
grossen Bronzethüren zu Florenz (von Ghiberti), zu Nowo-
grod etc. ist wirklich die ganze biblische Geschichte illustrirt.
die des alten Testamentes zur Linken, die des neuen zur
Kechten. Vgl. Kunstblatt 1831. Nr. 13. Die beiden Seiten
werden auch im Gegensatz von Judenthum und Christenthum
aufgefasst, und auf die eine Seite die allegorische Figur der
Synagoge (s. diesen Artikel), auf die andere die der Kirche
gestellt. Oft auch findet man rechts die fünf klugen, links
die fünf thörichten Jungfrauen dargestellt (s. diesen Artikel).
In der späteren Gothik kam die Dreizahl der Thüren
auf, besondei:s in Frankreich, so dass nicht selten die ganze
Westseite einer Kirche von den drei vertieften, und auf's
Prachtvollste ornamentirten Thüren eingenommen erscheint.
Der Dreizahl liegt hier keine andere Bedeutung als die der
Dreieinigkeit zu Grunde.
Ueber den Kirchenthüren wurden zum Theil die Statuen
der Kirchenpatrone angebracht, zum Theil allgemeine Sym-
bole. Unter diesen ist der Löwe besonders merkwürdio^.
Simson bricht den Kachen des Löwen auf. Vgl. d. Artikel
Simson. Ein Löwe (Christus) hütet die Pforte. Zwölf Lö-
wen (die Apostel) reihen sich um die Thüre wie vor dem
Thron Salomo's als Wächter der Kirche. Ein Löwenkopf
war beliebt als Thürklopfer mit dem beweglichen Ringe.
Vgl. d. Artikel Löwe.
Thurm,
Symbol der Festigkeit, Uneinnehmbarkeit, Unangreifbarkeit,
„Der Name Gottes ist der festeste Thurm." Sprichw. Sal. 18, 10.
Daher auch Sinnbild der keuschen Jungfräulichkeit. Maria
wird der Thurm Davids, der elfenbeinerne Thurm genannt.
Auch die Keuschheit hat unter den christlichen Tugenden
490 Thurm.
zum Attribut den Thurm. Kuiistbl. 1821. S. 178. Desgleichen
die heilige Barbara, nicht blos weil sie in einen Thurm ein-
gesperrt wurde, sondern auch weil sie keusch und im Glau-
ben felsenfest war. Der Thurm dieser Heiligen hat drei
Fenster, d. h. die Heilige wurde durch den wahren Glauben
an die Dreieinigkeit stark und fest. — Ein Thurm ist auch
Attribut der heiligen Leocadia, weil sie aus einem herab-
gestürzt wurde.
Kirchenthürme kamen bei den ältesten Basiliken noch
nicht vor, sie entstanden erst in der karolingischen Zeit in
Frankreich, und charakterisiren die deutsche Baukunst eben
so, wie die Kuppeln die morgenländische. Den ersten An-
fang zu Thürmen machten die von den Kirchen gesondert auf-
gestellten und höheren Baptisterien , die man nachher mit
dem Schiff der Kirche vereinigte und in deren Spitze man
die Glocken aufhing. Allein das Bedürfniss, die Glocken
hoch zu hängen , damit sie weiter gehört werden , erklärt die
Tendenz der abendländischen Baukunst zu sehr hohen und
spitzen Thürmen nicht allein. Offenbar wirkte die Gewöh-
nung an die riesenhaften Tannen des nördlichen Europa und
das Bedürfniss, in den weiten Ebenen des niedern Deutsch-
lands an den Kirchthürmen Anhaltspunkte der Orientirung
zu haben, auf den Bau so hoher Spitzthürme ein. Auch
finden wir die höchsten in den Niederlanden und in den Reichs-
städten der norddeutschen Fläche. Sobald aber einmal aus
natürlichen Gründen so hohe Bauten beliebt wurden, suchte
die Frömmigkeit damit auch kirchliche Symbolik zu ver-
binden. Kreuser, Kirchenbau I. 565, erklärt die Kreuzform
im Grundriss der Kirchen als Crucifix und sieht demnach in
den beiden Thürmen, zwischen denen der Eingang in die
Kirche auf der Westseite liegt, die Nägel derFüsse, in den
beiden Seitenthürmen , die sich zuweilen finden, die Nägel
der Hände, und in den Capellen des Chors die Dornenkrone.
Inzwischen erklärt das nicht genügend die Höhentendenz, die
vielmehr als ein Aufstreben der menschlichen Sehnsucht, des
Gebets und der Tugend zum Himmel empor gedacht werden
Thurm. 491
muss. Wie die Tugenden auf der Himmelsleiter wetteifernd
emporsteigen, so die Thürme der gothischen Kirchen. Dass
ihnen aber von oben die himmlische Liebe entgegenkomme,
wurde ausgedrückt im Symbol des Marienschuhs , der gerade
immer die höchsten Spitzen gothischer Thürme ziert. Vgl.
den Artikel Schuh. Die sieben Thürme zu Limburg an der
Lahn können unbedenklich auf die sieben christlichen Tugen-
den bezogen werden, wie die häufig vorkommenden drei
Thürme auf Glaube, Liebe und Hoffnung, womit sich noch
der Begriff verbindet, dass diese drei Tugenden festgegründet
stehen.
Die griechischen Kirchen haben gewöhnlich drei, fünf
oder dreizehn Kuppeln, immer eine höhere und grössere in
der Mitte der anderen; drei bedeuten die heilige Dreieinig-
keit; fünf Christum mit den vier Evangelisten; dreizehn
Christum mit den zwölf Aposteln, v. Haxthausen, Studien
über Russland I. 51.
Zahl, Höhe und Stellung der Thürme zur Kirche sind
ausserdem conventionell. Dass die Pfarrkirche nur einen, die
bischöfliche zwei, die erzbischöfliche drei Thürme haben müsse,
ist nicht feste Regel. Fest steht dagegen, dass die Bettel-
klöster statt des Thurmes nur einen kleinen Dachreiter auf
dem gewöhnlich sehr hohen und breiten Dach haben, die
Karmeliterkirchen aber nur einen sehr hohen Thurm. Ueber
die UnZuverlässigkeit der desfalls voreilig angenommenen Re-
geln vgl. Kreuser, Kirchenbau I. 171.
Die morgenländischen Kuppeln bedeuten das Himmels-
gewölbe und sind inwendig gewöhnlich mit Scenen aus dem
Himmelreich, Himmelfahrten, Engelreigen oder Sternen be-
malt. Die abendländischen Thurmspitzen enden in ein Kreuz,
um auszudrücken, dass das Kreuz hoch über alle Erde er-
hoben ist, dass es Himmel und Erde verbindet, dass es, von
unten her gesehen, das Ziel der höchsten Sehnsucht, von
oben her gesehen , der Ausdruck des himmlischen Erbarmens
ist. Der Wetterhahn über dem Kreuze hat die Bedeutung
des Lichtbringers und Weckers der Völker aus dem alten
493 Tobias.
Schlafe des Heidenthums , beziehungsweise auch eines Er-
weckers vom Schlafe des Todes zur Auferstehung. Zuweilen
ist auch das Standbild der Gnadenmutter auf den Thürmen
erhöht, z. B. über dem Mailänder Dom. Hier ist sie zuecleich
Gnadenbringerin vom Himmel her und Fürbitterin der Men-
schen von der Erde aus.
In den Steinornamenten der durchbrochenen gothischen
Kirchthürme herrscht die Symbolik der Rosetten vor, worin
die Formen von Kreuzen, Sternen, Herzen verflochten er-
scheinen, und womit vorzugsweise wieder nur Glaube, Liebe
und Hoffnung ausgedrückt wird.
Tobias.
Unter den Israeliten, die von Salmanassar nach Ninive
geschleppt wurden, befand sich auch Tobias vom Stamme
Naphthali; ein redlicher und wohlhabender Mann , der Jeder-
mann Gutes that und auch den Muth hatte, die Leichname
der Kinder Israel, welche der König hatte tödten lassen, gegen
das Verbot heimlich zu begraben. Er musste deshalb flüch-
ten, kam aber nach Salmanassars Tode wieder und hielt ein
Freudenfest. Aber mitten in der Lust hörte er, es liege schon
wieder ein Todter auf der Strasse. Da wurde seine Freude
zu Leid, und er fing das traurige Geschäft des Begrabens
wieder an. Dargestellt in einem berühmten Nachtstück von
Castiglione und in einem Stich von Bourignon (Hortense).
Ermüdet davon schlief er ein, da Hess eine Schwalbe ihren
Koth auf sein Auge fallen, und er wurde blind. Da ver-
liessen ihn alle Freunde, und er wurde ein Spott der Menschen.
Sein Weib Hannah ernährte ihn redlich mit Spinnen, als sie
aber einmal eine verlaufene Ziege mit heimbrachte, und er
das Meckern derselben hörte, bestand er darauf, fremdes
Gut müsse unangetastet bleiben, und duldete nicht, dass die
Ziege geschlachtet wurde. Da wurde ihm sein Weib böse
und warf ihm vor, dass er nichts verdienen könne. Rem-
brandt hat diese Scenen: wie er die Ziege bemerkt, wie er
Tobias.' 49S
das Weib tadelt und wie sie ihm zürnt, mehrmals und mit
besonderer Vorliebe gemalt; besonders schön ist die tiefe
Dämmerung des Zimmers auf einem Bilde Rembrandts in
BerHn. Kugler I. 229. Wie Tobias die Frau tadelt, malte
auch Victor in einem ausgezeichneten Bilde in England
(Waagen II. 568.).
Tobias betete schmerzlich; dann zog ^r eine alte Hand-
schrift hervor und gebot seinem jungen Sohne Tobias, die-
selbe nach der Stadt Rages zu einem alten Bekannten, Na-
mens -Gabel, zu tragen, dem er einst Geld geliehen, und in
seiner jetzigen Noth ihn um Rückgabe des Geldes zu bitten.
Beim Abschied aber gab er dem Sohne noch Lehren mit, welche
das unübertroffene Muster väterlicher Ermahnungen sind.
Bevor aber der junge Tobias noch abreiste, erschien,
von Gott gesandt, der Engel Raphael, gab sich für einen
gewissen Azarias aus einem befreundeten israelitischen Ge-
schlecht aus, und bot sich an, den Jüngling zu begleiten.
Wie der Engel in's Haus tritt, malte Rembrandt (ehemals in
Salzdahlen). Den Abschied des jungen Tobias mit seinem
himmlischen Gefährten vom elterlichen Hause malte Murillo
in Petersburg (Hand I. 378.).
Unterwegs an einem Flusse wurde der junge Tobias durch
einen grossen Fisch erschreckt ; aber der Engel hiess ihn den
Fisch an's Ufer ziehen, und dessen Galle und Leber als
Heilmittel mitnehmen. Diese idyllische Scene ist sehr oft,
namentlich als Staffage in Landschaftsbildern gemalt worden;
zweimal von Titian in Dresden und Venedig, von Andrea
del Sarto im Wiener Belvedere, von Salvator Rosa in Paris
(Waagen 533), von Caravaggio in England (Waagen H. 313.),
von C. Maratti (gest. von Capelli) , von Rubens, von Rem-
brandt in England (Waagen I. 224.), von Eckhout, ehemals
in Salzdahlen, von Elzheimer in England und Cassel, von
Waterloo.
Unterdess ging Raphael für Tobias zu Gabel und cas-
sirte das Geld ein und lud ihn mit zur Hochzeit. Während
diese nun herrlich und in Freuden lebten, sah es in des alten
494 I Tobias.
Tobias Hause gar betrübt aus. Die Mutter glaubte ihren Sohn
verloren, weil er so lange nicht wiederkam, und sass täglich
auf einem Berge am Wege, nach ihm aussehend. Da endlich
kam Tobias mit dem Engel, der langsam nachreisenden Braut
vorauseilend. Ihr Hund sprang ihnen voran, wedelnd und
voll Freude zuerst in's Haus laufend. Da fuhr der Alte so
voll Freuden auf, dass er in seiner Blindheit sich stiess , die
Mutter aber küsste den Sohn und weinte vor Freude. Die
Heimkehr malte Dow (sein grösstes Bild, Passavant, Eng-
land 220.) und Berghem. Der fromme Sohn aber hatte, auf
Raphaels Rath, nichts Dringenderes nach der ersten Begrüs-
sung des alten Vaters zu thun, als die Fischgalle auf seine
blinden Augen zu legen, wodurch er sogleich wieder sehend
wurde.
Nach sieben Tagen kam auch die schöne junge Frau mit
Gefolge und Schätzen an. Da hatte des Engels Sendung
ihren Zweck erreicht: die guten Menschen waren alle glücklich
geworden. Der alte und junge Tobias aber beriethen sich,
wie sie den Azaria belohnen wollten; als sie ihm aber die
Hälfte all ihres Gutes anboten , antwortete er : „Lobet Gott,
denn er hat mich gesendet, euch zu segnen nach der Trübsal ;
ich bin Raphael, der sieben Engel einer, die vor dem Herrn
stehen." Da fielen Vater und Sohn auf ihr Angesicht. Der
Engel aber sprach: „Fürchtet euch nicht, lobet und danket."
Und er verschwand vor ihren Augen. — Der alte Tobias
lebte noch zweiundvierzig Jahre und sah Kinder und Kindes-
kinder.
In dieser unübertrefflich lieblichen Idylle wird der Sieg
der Unschuld theils über das Unglück, theils über das dä-
monisch Böse verherrlicht. Da dies auf der Hand liegt, ist
es unsinnig, heidnisch mythische Beziehungen im Buch To-
bias zu suchen, z. B. in der Schwalbe das Herbstsymbol, in
der Blindheit das Wintersymbol und im Fisch das Frühlings-
zeichen sehen zu wollen. An dergleichen hat der Verfasser
des Buches gewiss nicht gedacht.
Tobias ist eine Personification der Menschheit überhaupt
Tod. 495
unter dem gnädigen Schutze Gottes, Seitenstück zu Hiob, in
dem dieselbe leidende Menschheit jedoch mehr reflectirend
erscheint. Hiob rechtet mit Gott und wird mit Worten zu-
rechtgewiesen. Der alte und junge Tobias sind geduldiger,
und ihr Vertrauen wird belohnt. Darum hat Hiob mit dem
Teufel zu schaffen, der dem jungen Tobias zwar auch naht,
aber dem Engel, der sich vor den Jüngling stellt, auf der
Stelle weichen muss. Der alte Tobias, der Verfolgung leidet,
weil er eine fromme Pflicht gegen die Todten erfüllte, ist die
personificirte Ehrlichkeit, und der junge die personificirte
Unschuld. Wo noch diese beiden Eigenschaften im Volke
leben, da ist Gottes Engel auch nicht fern und hilft aus aller
Noth. Das ist der schöne Sinn des Buches Tobias. — Unter
dem Fisch aber, der da den Alten heilt von seiner Blindheit
und den Jungen schützt gegen die Macht des Teufels, ist
Christus vorgebildet. Vgl. d. Artikel Fisch. Tobias mit dem
Fisch kommt vor auf altchristlichen Gräbern. Bellermann,
Katakomben von Neapel S. 35. Das will sagen: So ihr Christo
vertrauet, wird die Blindheit des Todes und die Macht der
Hölle von euch weichen.
Tod.
Das Schreckliche, das im Tode für den natürlichen
Menschen liegt, erkennt auch der Christ an und fordert
keineswegs den Tod heraus oder sucht ihn muth willig auf.
Selbstmord ist eine schwere Sünde. Aber der Christ über-
windet die Schrecken des Todes durch seinen Glauben an
das Wort: „Es wird gesäet verweslich und auferstehen un-
verweslich. ^'^ Christus hat den Tod überwunden und Alle
berufen zur Unsterblichkeit. Den Gerechten und Reuigen,
Büssenden, den unschuldig Leidenden, den Kämpfenden hat
er das Paradies verheissen. „Ich habe einen guten Kampf
gekämpft.'' 2. Timoth. 4 , 7. „Der Tod ist verschlungen in
den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein
Sieg?"' 1. Korinth. 15, 55. Die Gottlosen aber erwartet eben
496 Tod.
so gewiss die ewige Verdammniss. Daher sie, wie schrecklich
immer der Tod seyn mag, doch lieber in ewigen Tod gingen,
als in das ewige Höllenleben. „Sie werden den Tod suchen,
und der Tod wird vor ihnen fliehen." Oifenb. Joh. 9, 6.
Nicht umsonst heisst Christus das ewige Leben. Vor ihm
vermag kein Tod zu bestehen. In einem Hymnus des Notker
heisst es daher: „Der Tod selber wurde getödtet durch Christo."
Fortlage, lat. Gesänge S. 53.
Die christlichen Sterbsakramente und Ceremonieen be-
ziehen sich daher auch nur auf die Einweihung zum neuen
Leben nach dem Tode. Dem Sterbenden wird Asche auf
das Haupt gestreut zum Zeichen, dass er, leiblich aus Staub
geboren, leiblich auch wieder zu Staub werden muss. Er
wird bekreuzigt und küsst das Crucifix zur Erinnerung an
das Leiden und Sterben des Herrn, durch das er von seinem
eigenen, weit kleineren Leiden und weit minder bedeutendem
Sterben erlö^ werden soll. Er empfängt in der letzten Oelung
das heilende Oel, durch das er von allen Schmerzen dieser
Welt frei wird, und man gibt ihm eine brennende Kerze in
die sterbende Hand, als Sinnbild des ewigen Lebens , in das
er eingeht. Auch der Kuss, den die alten Christen dem Ster-
benden gaben, war als Osculum Domini nur das Siegel des
ewigen Lebens in dem Herrn. Vgl. Binterim, Denkw. VI.
3. 97 ff. — Auf älteren Kirchenbildern wird das Ausgehen
der Seele aus dem Körper durch ein kleines Kind, das aus
seinem Munde hervortritt, bezeichnet. Vgl. d. Artikel Kind.
Auch streiten sich auf solchen Bildern häufig ein Engel und
Teufel um die ausfahrende Seele.
Tod und Teufel werden zuweilen einander gesellt als
die schlimmsten Feinde des Menschen, die auf ihn lauern,
der eine um ihn zeitlich, der andere um ihn ewig zu ver-
derben. Beide erscheinen schon verbunden in der oben an-
geführten Stelle von des Todes Stachel und der Hölle Sieg.
Im apokryphischen Evangelio Nicodemi c. 20 — 23. kommt Sa-
tan im Gespräch vor mit Hades (der Hölle) und dem Tode,
die alle ihre Unmacht, Christo gegenüber, bekennen müssen.
Tod. 4*^
Auf einem berühmten Stich von Albrecht Dürer reitet ein
biderber deutscher Eitter ernst und festen Sinnes durch eine
Waldwüste, begleitet von zwei scheusslichen Gestalten, deren
eine den Tod, die andere den Teufel bedeutet, die stumm,
aber tückisch lauernd hinter ihm reiten, auf die er jedoch
nicht achtet. Heller, A. Dürer IL 2. 502. Auf einem Bilde
des Weltgerichts von Christophson tritt der Erzengel Michael
mit einem Fuss auf den Tod , mit dem andern auf den Teufel.
Kunstblatt 1843. S. 231.
Wie die Schlange Symbol des Teufels, so ist der Apfel
Symbol des Todes, weil Adam und Eva im Apfel den Tod
assen. Furtmayr malte 1481 in einem Missale für den Erz-
bischof von > Salzburg den Baum des Lebens und Todes in
einem Baum, der links die Aepfel des Todes, rechts aber
Hostien trägt. Links steht Eva und lässt sich von der Schlange
die Aepfel reichen, um sie vielen knieenden Menschen aus-
zutheilen; rechts steht Maria und pflückt die Hostien gleich-
falls für eine knieende Menge. Links sieht man mehr Männer,
rechts mehr Frauen und besonders Nonnen. Dursch, Aesthetik
der christl. bildenden Kunst S. 486.
Da sich im christlichen Glauben der Tod nur auf den
irdischen, verweslichen Leib bezieht, und nicht einmal den
unverweslichen Leib, geschweige die Seele berührt, so konnte
er auch schicklicherweise durch den verwesten Leichnam selbst
oder durch das Gerippe personificirt werden. Das Schreck-
liche, das in diesem Anblick liegt, widerspricht der christlichen
Vorstellung nicht, denn diese erkennt allerdings die Schrecken
des Todes an. Wir können daher die Ansicht v. Wessen-
bergs, christl. Bilder H. 571, nicht theilen, der das Gerippe
aus der christlichen Bildnerei verbannt und einen antiken,
schlafähnlichen Genius dafür eingeführt sehen will. Das liegt
ganz in der falschen, sentimental modernen und mit dem
heidnischen Classicismus kokettirenden Grundanschauung jenes
Werkes. Das Gerippe ist überdies in uralt geheiligtem Ge-
brauch. Als solches wurde der Tod schon im 12ten Jahrhun-
dert aufgefasst. Vgl. die Untersuchungen in Grimms d. Myth.
Menzel, christl. Symbolik. II. 32
498 Tod.
S. 809. Das Gerippe reitet auf einem Pferde, entlehnt von
dem Reiter auf fahlem Pferde in der Apokalypse. Vgl. den
Artikel Pferd. Oder auf einem Löwen, z. B. cC Agincourtj
sculpt. 120, entlehnt vom Löwen des Simson. Der Löwe als
das stärkste Thier gleicht dem allbesiegenden Tode, der Lö-
wenrachen insbesondere dem Todes - und Höllenschlunde.
Vgl. die Artikel Löwe und Simson. Der Tod trägt auf
neueren Bildern meist eine Sense , wobei man an den antiken
Chronos dachte, was aber auch zu dem Bild der apokaljrp-
tischen Sichel passt. Vgl. d. Art. Sichel. Das jüngste
Attribut des Todtengerippes ist die Sanduhr, als Sinnbild
des schnell vergehenden Lebens. Nur selten sind dem Tode
Flügel gegeben. So auf einem wunderlichen Bilde Bandi-
nelli's, wo er mitten unter Gerippen ein Buch zerreisst. Der
Maler gab ihm die Flügel eigentlich nur, um ihn als den
Begriif des Todes oder activen Tödtens von den andern Ge-
rippen, als den Getödteten, zu unterscheiden, und das zer-
rissene Buch bedeutet den zerrissenen Lebenslauf. Zuweilen
führt der Tod Pfeil und Bogen, was wieder an den apoka-
lyptischen Reiter mahnt. Vgl. den Artikel Pferd. So in den
Fresken des Crescenzio zu Palermo. Auf einem Bilde von
Fr. Frank in München werden Menschen und Thiere dem
Tod wie einem Jäger entgegengetrieben und von seinen Ge-
schossen erlegt. Auf dem berühmten „Triumph des Todes-'
in den Fresken des Orcagna im Campo Santo zu Pisa ist
der Tod als gepanzertes Weib mit Fledermausflügeln und
Sense charakterisirt.
Die humoristische Auffassung des Todes ist vielleicht
schon einer älteren Vorsteliungsweise des deutschen Heiden-
thums entlehnt, und namentlich die berühmten Todtentänze
lassen sich auf den in einen lustigen und verführerischen
Pfeifer, Vogelsteller und Rattenfänger verkappten Todesgott,
der die Menschen durch sein Spiel zu wilder Tanzlust und
in die Unterwelt verlockt, zurückführen. Aber vom Heid-
nischen in dieser Vorstellungsweise abgesehen, lag etwas
darin, was auch der Christ adoptiren konnte. Der Tod ist
Tod. 499
nur dem zeitlichen, nicht dem ewigen Menschen schrecklich.
Trotz seiner fm:chtbaren Erscheinung ist er wesentlich ohn-
mächtig. Deshalb konnte er für die cluistliche Kunst, für
das christliche Volksfest und Schauspiel eine komische Figur
werden, wie es auch der Teufel wurde.
In den Todtentänzen , die seit dem 14ten Jahrhundert
sehr häufig gemalt wurden, ist der Grundgedanke: dass die
Menschen nach der Pfeife des Todes tanzen müssen. Ueberall
geht den Tanzenden der Tod (als Gerippe) voran und spielt
ihnen auf. In dem Berner Bild von Nicias Manuel drei Tode
mit Posaunen und einer mit dem Dudelsack, in den Icones
mortis^ Holzschnitten nach Holbeins Todtentanz, ist es ein
ganzes Orchester. Ausser dem vorspielenden Todtengerippe
führt aber jeden einzelnen Tänzer noch besonders ein Ge-
rippe auf.
Uebrigens haben diese Todtentänze ein moralisirendes
und ein humoristisches Element in sich aufgenommen. Die
Moral ist: „Der Tod, Strafe der Sünde." Deshalb geigt der
Tod in der Regel dem Adam und der Eva voran, denen die
übrigen Menschen , nachständen geordnet, nachfolgen. Der
Humor ist: „Durch der Menschen Eitelkeit Avird der an sich
immer schreckliche Tod doch beziehungsweise lächerlich."
Man vermuthet, die grossen Pestilenzen des 14ten Jahrhun-
derts hätten die erste Veranlassung zur Abbildung der Todten-
tänze an Kirchhofsmauern gegeben, und in der That konnte
die Menschen wohl unter keinen andern Umständen jener
geniale Humor anwandeln. Man musste an den Anblick des
Todes in Masse sehr gewöhnt seyn, um sich mit dem Ge-
danken der Gleichheit aller Stände zu trösten und um dem
Schrecklichen die lächerliche Seite abzugewinnen.
Ueber die Todtentänze haben geschrieben: Fiorillo,
Künste in Deutschland IV. 128 f. Ulrich Hegner, Hans
Holbein der Jüngere S. 296 f. v. Rumohr im Kunstblatt
1823. Nr. 31— 34. Grüneisen, das. 1830. Nr. 22 — 26. Mass-
mann, die Baseler Todtentänze , 1847. Zusätze dazu im Se-
rapeum VI. 225. Ueber die französischen schrieb Peignot,
32*
500 Tod.
recherches, Paris 1826. (Ueber spanische vgl. Clarus, span.
Lit. 11. 305, und V. Schack, span. Drama 1. 123, jedoch
nur über Gedichte, nicht über Malereien.) Vgl. auch Grässe,
Literärgeschichte 11. 1. 146. Endlich Wackernagel und Haupts
Zeitschrift IX.
Unter den grösseren Gemälden der Todtentänze kennt
man in Deutschland zwei zu Basel, einen zu Bern, zu Min-
den in Westphalen (von 1383), zu Lübeck (von 1463), zu
Dresden (in BasreHef), Erfurt, Landshut, dann verlorne zu
Annaberg, Braunschweig, Luzern, Gandersheim (Fiorillo IV.
127. 142.).
Das älteste Bild ist das in Kleinbasel (im Kloster Klingen-
thal) von 1312; darnach ist erst später, wahrscheinKch im
löten Jahrhundert, das in Grossbasel verfertigt worden, das
ganz dieselbe Eintheilung und Figuration hat, aber viel be-
rühmter geworden ist, weil es zugänglicher war und von allen
Fremden besucht wurde. „Der Tod zu Basel" war bis in's
laufende Jahrhundert sprichwörtlich. Ausser dass in dem
grossbaseler Bilde die Figuren etw^as bewegter und die Reime
darunter etwas neuer sind, als das kleinbaseler, gleichen sich
beide völlig und ist demnach das grossbaseler dem altern nur
nachgeahmt. Beide enthalten vierzig Bilder. Auf beiden
gehen zwei Tode mit Trompete und Pfeife voraus. Dann
holt je ein Tod den Papst, Kaiser, Kaiserin, alle geistlichen
und weltlichen Stände hindurch bis zum Bauer und Kind.
Nur dass im älteren Bilde ein Cardinal vorkommt, wo das
jüngere eine Königin setzt, ein Bischof, wo das jüngere eine
Herzogin, und eine Beguine, wo das jüngere einen Krämer
annimmt. Auf dem älteren Bilde macht der Tod weniger
lebhafte Sprünge und Grimassen, Alles ist in denselben
Gruppen einfacher und ernster gehalten. — Noch mehr Le-
ben und Geist brachte Niclas Manuel Deutsch zur Refor-
mationszeit in sein Berner Bild; und Hans Holbein der Jün-
gere in seinen weltberühmten Holzschnitt, obgleich beide
ihre Ableitung aus den Baseler Bildern nicht verleugnen.
Bei Fiorillo, IV. 150, findet man das lange Verzeichniss der
* \
Tod. 501
verschiedenen Ausgaben des Holbeinschen , und S. 160 des
grosbaseler Todtentanzes , S. 164 noch die verschiedenen
Ausgaben anderweitiger Todtentänze. Man sieht daraus, wie
erstaunlich beliebt dieser Gegenstand war, dass man ihn so
oft durch den Druck vervielfältigen musste. Der älteste
Danse Macabre in Frankreich ist 1485 gedruckt worden, der
älteste deutsche Holzschnitt vom Todtentanz schon 1480.
Die bei weitem geistreichsten Holzschnitte sind die von Hol-
bein (zu unterscheiden von dem Lützelburger Blatte). Vgl.
darüber Waagen, Kunst in Deutschland H. 294. Das geist-
reichste Oelgemälde ist das von Manuel in Bern. Treffliche
Holzschnitte gab auch Aldegrever.
Im Baseler Todtentanz ist der Tod ein noch mit etwas
Fleisch überzogenes Gerippe, sein weiter Mund scheint zu
lachen. Er führt seine Opfer zuweilen ohne besonders cha-
rakteristischen Ausdruck, zuweilen fasst er sie schadenfroh an,
überrascht sie von hinten, stellt ihnen ein Bein, spielt ihnen
spöttisch auf Zither und Geige vor. Geistvoll ist nur das
Bild der Dame, die sich im Spiegel besieht und plötzlich
darin das Bild des hinter ihr geschlichenen Todes erblickt.
Einem Lahmen reisst er die Krücke weg, einen Blinden führt
er in die offene Grube. Dem Koch nimmt er den Bratspiess
mit dem fetten Huhn. — In den späteren Todten tanzen ver-
mehren sich die witzigen Beziehungen. Der Tod trägt als
Sieger einen Kranz, setzt sich die Papstmütze auf, parodirt
den Narren in Narrentracht etc. Ein Paar Todtentanzbilder
kommen als Holzschnitte in der alten Ausgabe von Paulli's
Schimpf und Ernst vom Jahr 1535, Blatt 49 und 50 vor.
Merkwürdig wegen der Costüme ist der Todtentanz in
einem Manuscript der Stuttgarter öffentlichen Bibliothek aus
dem Nonnenkloster Plöck in O esterreich. Sehr phantastisch
ist auch der Todtentanz in Valvasors Theatr. mortis. Auf
dem Titelkupfer reiten Gerippe auf allerlei Thieren, dann
kommt der Tod mit der Trommel und die einzelnen Scenen.
Zur Cholerazeit in Paris componirte man einen sehr geist-
reichen modernen Todtentanz,
502 Todtenkopf.
Todtenkopf, »
Sinnbild der menschlichen Eitelkeit und der Vergänglichkeit
alles irdischen Lebens. Daher Attribut der Büsser und Ein-
siedler, die gewöhnlich in ihren Höhlen unter dem einfachen
Kreuz, welches sie aufgerichtet, einen Todtenkopf liegen
haben, das Kreuz, um an die Ewigkeit, den Todtenkopf,
um an die Vergänglichkeit des Irdischen zu denken. Insbe-
sondere ist dieser Todtenkopf unter dem Kreuz Attribut der
heiligen Magdalena, des h. Hieronymus, des h. Franciscus.
Der heilige Macarius fand einst in der Wüste einen Todtenkopf
und frug ihn, wem er angehört habe? Da antwortete der
Schädel: er sey vordem Hoherpriester gewesen und brenne
jetzt in der Hölle.
Der Todtenkopf, dem zwei übereinandergelegte Bein-
knochen als Unterlage dienen, wird noch immer vielen Cru-
cifixen zu Füssen gelegt. Nach der Legende lag Adams
Todtenschädel unter dem Kreuz auf Golgatha. Dieser Schädel
aber vertritt die Stelle aller Menschenschädel. Der Sinn ist:
Durch das Kreuz ist der Tod besiegt und sind alle Menschen
zum ewigen Leben auferstanden.
Bei der Betrachtung des schönen und berühmten Bildes
von Raphael in Dresden, der sogenannten Madonna di S. Sisto,
kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass Raphael
bei der Gruppirung der Figuren in diesem Bilde an das
Crucifix mit dem Todtenkopf gedacht habe. Die beiden
Kinderengel zu Füssen der Madonna legen ihre Arme gerade
so, wie man gewohnt ist, die Beinknochen unter dem Todten-
kopf liegen zu sehen. Die Madonna mit dem Kinde selbst
stellt den Stamm des Crucifixes dar, der heilige Sixtus und
Barbara auf beiden Seiten knieen dergestalt, dass ihre Köpfe
mit dem der Madonna ein Dreieck bilden, wie die beiden
Ende der Kreuzarme mit dem Ende des Kreuzstammes. Der
Sinn, den Raphael dieser auffallenden Gruppirung unterlegte,
wäre sonach: Aus dem Kreuze blüht die Rose, aus dem
Todtenkopf. 503
Tode das Leben. Die Madonna, die das Kind trägt, ist die
schönste Bedeutung, die man dem Kreuze, das den Erlöser
trägt, geben kann. — Ich fasste diesen Gedanken schon vor
dreissig Jahren und schrieb einen kleinen Artikel darüber
für das damals von Schorn redigirte Kunstblatt, der ihn aber
zurückwies. Dagegen wurde der kleine Artikel in dem da-
maligen Leipziger Conversationsblatt abgedruckt.
Im 17ten Jahrhundert kamen christliche JanuskÖpfe in
die Mode: Doppelköpfe, vorn ein Christus-, hinten ein
Todtenkopf, auch wohl vorn ein junger Mädchen-, hinten
ein Todtenkopf etc. Kugler, Berliner Kunstkammer II. 226.
Spielereien. Maria Stuart besass eine Uhr in Form eines
Todtenkopfes , abgebildet in der illustrirten Zeitung 1849.
Nr. 330. Auch eine Spielerei, aber sinnig.
Ein Todtenkopf mit dem Apfel im Munde und zuweilen
von der Schlange ' umwunden , ist Symbol des Sündenfalles
und seiner schlimmen Folgen. Man trug vormals dergleichen
Köpfe in Prozessionen herum. Journal von und für Deutsch-
land I. 431. — Ein Todtenkopf mit Rosen bekränzt bezeichnet
die heilige Eadegunde. Einer mit einer Krone von Seraphim
ziert das Grab der Königin Christine in der Peterskirche zu
Rom. Darin liegt zu viel Anmassung. Ein Todtenkopf mit
Dornen umwunden ist Symbol der Verdammniss, indem er
aussagt, selbst noch im Tode dauern seine Leiden fort.
Aehren in einem Todtenkopf, so wie auch Bienen oder ni-
stende Tauben bedeuten den Frieden nach dem Tode, die
Seligkeit. Eine Lilie im Todtenkopf die Unschuld und Hei-
ligkeit eines Märtyrers. — Der Schmetterling auf dem Todten-
kopf bedeutet die Seele (Psyche) und ist ein antik heidnisches
Sinnbild. Wenn es sich noch auf den ältesten christlichen
Gemmen findet, so doch nur als Nachahmung des Antiken.
Auch auf moderne Gräber ist dieses Sinnbild erst wieder
durch die classische Bildung gekommen.
Nach einer schönen Legende sangen die Todtenschädel
der von den heidnischen Pommern ermordeten Christen zu
Stargard das Gloria in excelsis, Micrälius, Pommerland II. 409.
504 Topf.
Topf,
Sinnbild der Creatur, die der Schöpfer aus Erde gemacht
hat. ,,Soll der Topf sagen: der Töpfer kennt mich nicht?-'
Jes. 29, 16. Vgl. auch Jes. 45, 9. 64, 8. und Jer. 18, 6. —
Der zerbrochene Topf bezeichnet ein Volk, das Gott wieder
vertilgt, weil es seines Berufes sich unwerth erwiesen. Je-
remias 19, 11. — In der Legende trägt St. Comgallus
Milch in einem Topf ohne Boden und Avird St. Agatha auf
scharfen Topfscherben gewälzt. Drei christliche Jungfrauen,
St. Agapa, Chionia und Irene, wurden dem üppigen Dulci-
dius durch ein Wunder entrückt, und er umarmte statt ihrer
nur Töpfe, was die Nonne Roswitha als geistliches Schau-
spiel behandelte, 3. April. Patron der Töpfer ist St. Goar,
Patroninnen die heilige Justa und Ruffina, Töpferinnen, die
ihre Töpfe nicht zum Dienst der Venus hergeben wollten und
deshalb den Martyrertod erlitten, 19. Juli.
Transfiguration.-
Dieselbe hat für das Leiden des Herrn die Bedeutung,
wie die Taufe für sein Wirken; es ist nämlich die von Gott
in einer Verklärung empfangene Weihe zum Leiden und
Sterben (Herder, zur Theologie XVI. 232.). Das alttesta-
mentalische Vorbild dazu ist die Verklärung des Moses auf
dem Sinai, als er das Gesetz des Herrn empfing und sein
Angesicht leuchtete (2. B. Mos. 24.). Die Wiederholung der
Scene ist aber hier um so erhabener, als Jesus hier nicht
wie Moses ein Gesetz blos empfängt, um es Andern mitzu-
theilen, sondern als er das Gesetz an sich selbst vollstrecken
lassen will, an sich allein zur Sühne für Alle.
Die Evangelien erzählen: Jesus habe nur drei Jünger
mit sich genommen, den Petrus, den alten Jacobus und den
jungen Johannes, und sey mit ihnen auf einen hohen Berg
gegangen. Die Kirchenväter nehmen an, dieser Berg sey
Transfiguration. 503
der Thabor gewesen. Hieronymus, epist 17. Oben wurde
Jesus verklärt und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne.
Zugleich erschienen Moses und Elias und unterredeten sich
mit Christo. Petrus aber sprach: „Hier ist gut seyn, hier
lasset uns Hütten bauen, eine für Christum, eine für Moses,
eine für Elias." Da ergoss sich über sie eine Wolke, und
eine Stimme aus der Höhe sprach: „Dies ist mein lieber
Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Die Jünger fielen
erschrocken auf ihr Angesicht und beteten. Jesus rührte sie
an, da war die Lichtwolke und Moses und Elias verschwunden.
Die Jünger erinnerten an die alte Sage, derzufolge Elias vor
den letzten Zeiten erscheinen soll. Jesus aber sagte : „Elias
ist schon gekommen, aber sie haben ihn nicht erkannt." Dar-
auf verkündete er ihnen sein nahe bevorstehendes Leiden.
Als er den Berg herabgekommen war, warf sich ihm ein
Mann zu Füssen und flehte ihn um Heilung seines mond-
süchtigen oder von einem bösen Geist besessenen Knaben an.
Da trieb Jesus den Teufel aus dem Knaben. „Warum konn-
ten wir das nicht?" fragen die Juden. Und Christus ant-
wortete: „Um eures Unglaubens willen!" Matth. 17. Bei
Marcus 9. ist ausführlicher beschrieben, wie der Knabe auf
dem Boden sich wälzte und schäumte, und wie, als Christus
sprach: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet," der
Vater des Knaben ängstlich rief: „Ich glaube, lieber Herr,
hilf meinem Unglauben!" Vgl. Lucas 9.
Die Rationalisten geben die himmlische Verklärung nicht
zu, sondern behaupten, Jesus habe in einem Gewitter (Bauer,
hebr. Mythologie S. 240), oder im Glanz der Morgenröthe
(Paulus, Leben Jesu) so gestanden, dass die Jünger den
Glanz für überirdisch gehalten hätten.
Die einzig richtige Erklärung dieser wunderbaren Scene
ist eine tiefe mystische Combination. Gott selbst kommt in
der Wolke herab und verbindet persönlich das alte und neue
Testament, die Verheissung und die Erfüllung, das Gesetz
und die Gnade. Wenn Moses mehr auf die Schöpfungs-
506 Transfigruration.
geschichte hinweist, so Elias auf das Ende der Dinge, Christus
aber steht als ewig lebendige Gegenwart in der Mitte zwischen
Vergangenheit und Zukunft.
Aber auch in der Verbindung dieser erhabenen Verklä-
rungsscene mit dem düstern Nachtbild des dämonischen Kna-
ben liegt ein mystischer Sinn. Jenes Nachtbild umfasst im
kürzesten Ausdruck alles Elend der vom Bösen besessenen
Welt, wie sie wäre ohne das Heil der Erlösung. Von un-
nachahmlicher Wahrheit und Schönheit ist das Ringen der
tiefsten Sehnsucht in der Seele des Vaters, bis sie zum Glau-
ben durchbricht, dem die Gnade entgegenkommt.
Diese mystische Bedeutung nun hat vor allen Malern
Raphael in sein unsterbliches Bild der Transfiguration gelegt.
Es ist bekanntlich ein Doppelbild, oben Christus im weissen
Kleide, schwebend leicht wie eine Flamme in der Lichtwolke,
umgeben von Moses und Elias, zu seinen Füssen die drei
Jünger; unten der dämonische Knabe, umgeben von angst-
vollen Zuschauern und Aposteln. Die höchste Herrlichkeit
und Wonne dort, das tiefste Elend, Rathlosigkeit und zit-
ternde Angst hier unten. Am besten fasste das Bild auf
Friedrich Schlegel, Werke VI. 44. 45.
In der griechischen Kirche ist eine Darstellung der
Transfiguration herkömmlich, die der tiefen Idee wenig ent-
spricht. Christus steht hier nämlich in einer Glorie, die
durch sechs Strahlungen dergestalt radförmig erscheint, dass
es aussieht, als läge er selbst auf dem Rade. Die Strahlen
bezeichnen oben ihn, Elias und Moses, unten die drei Jünger.
Didroriy man. p. 178. Das älteste bekannte Bild der Trans-
figuration ist ein Miniaturbild aus dem 9ten Jahrhundert.
Vgl. Waagen, Paris 206. Der segnende Christus in einer
Glorie, Moses jung gehalten, dagegen unter den staunenden
drei Jüngern Johannes alt und bärtig.
Alttestamentalische Vorbilder der Transfiguration sind in
der alten biblia pauperum: 1) die drei Männer im feurigen
Ofen ; 2) die drei Engel bei Abraham. — Das Fest der Traus-
^^-^-"-^ ^^J^UcJ-P^/ SW~ j^. ^M^S^nr. ^
Treppe. 507
figuration ist am 6. August, am 28. März jedoch wird das
Andenken daran deshalb gefeiert, weil an diesem Tage die
drei Jünger die Erscheinung, die sie gehabt, zuerst verkün-
deten, nämlich erst nach der Auferstehung. Darauf bezieht
sich auch die an diesem Tage vorgenommene Erneuerung
und Weihung des Abendmahlsweines. Durand^ rat. VII. 22.
Siehe den Artikel Wein.
Treppe
oder Stufenleiter hat dieselbe Bedeutung wie die Leiter.
Siehe diesen Artikel. Die Stufenleiter der Tugenden, die
Treppe des Tempels oder göttlichen Thrones als Stufenleiter,
auf der die Heiligen durch ihr Verdienst emporsteigen. Vor-
bild die Treppe des Tempels , auf die Maria in zartem Alter
emporsteigt. Vgl. Maria. Eine Treppe ist vorzugsweise
Attribut des heiligen Alexius. Dieser reiche Jüngling unter
Kaiser Theodosius verliess an seinem Hochzeittage die Braut
und das elterliche Haus, lebte als Einsiedler in der Wüste
und kehrte dann , ganz abgemagert und entstellt , so dass ihn
Niemand kannte, zurück und lebte als Bettler in strengster
Busse noch jahrelang unerkannt unter der Treppe des Vater-
hauses. Seine Legende ist mehrmals bearbeitet worden ,
lateinisch in den Actis SS. Juli IV. 238. Vincent. Bellov.
XVIII. 43; in einem lateinischen Gedicht s. Hoffmann, altd.
Blätter IL 273 ; altdeutsch von Conrad von Würzburg (Haupt,
Zeitschrift III. 534.) und einem Ungenannten. Vgl. Altdeutsche
Dichtungen von Meyer und Mooyer, 1833, in einem Meister-
gesang von Breymyng 1488 (Görres, Meisterlieder S. 294),
neuerdings noch in Romanzen von Göthe und Krug von Nidda.
Holländisch in einem Volksliede. Mone, niederl. Volkslit. 193.
Altenglisch bei Warton I. p. CXLVI. Spanisch von Moreto
y Cabana. Französisch in einem alten Gedicht, Haupt,
Zeitschrift V. 299,
508 Tropfen,
Tropfen.
Das Wassertröpfclien ist als Sinnbild des menschlichen
Lebens trefflich aufgefasst in zwei seltsam schönen Dichtungen
von Graf Zinzendorf. Einmal lässt er ein Tröptiein himm-
lischen Thau in's Meer fallen. Es jammert, im Allgemeinen,
in der Gemeinheit verschwimmen zu müssen; allein eine
Muschel nimmt es auf und es wird die köstliche Perle, die
in den Besitz der Königin Kleopatra kommt. Um jedoch
das arme Tröpfchen wieder an die Demuth zu erinnern,
trinkt jene Königin die Perle im Essig und das Tröpfchen
muss nun auf dem schmutzigsten Wege ausgehen. — In der
zweiten Dichtung befindet sich das bescheidene Tröpfchen in
einem Sumpf, wird aber von der Sonne aufgesogen und in
eine Wolke erhoben. Von hier aus fällt es in den Jordan
und dient bei der Taufe des Heilands, an seinem Leibe zit-
ternd vor Ehrfurcht. Später kommt es wieder in die Nähe
des Heilands und sieht ohne Neid , wie andere Tropfen mehr
begünstigt und in Wein verwandelt werden ; glücklich genug,
dass es dem Heiland bei der Fusswaschung dient. Bei diesem
Geschäft reibt es sich der Heiland selbst, ohne Zuthun des
demüthigen Tröpfleins, dermassen ein, dass es in seine eignen
Säfte übergeht. Aber auf dem Oelberg in der Angstnacht
schwitzt er es, mit Blut vermischt, wieder aus, und ein
Engel trägt es mit dem Leidenskelch empor zum Himmel.
Das ist die bescheidene, in christlicher Demuth auf Erden
geprüfte Seele.
Tugenden.
Vgl. den Artikel Laster. Nach altem kirchlichen Her-
kommen zählt man sieben Haupttugenden gegenüber den
sieben Hauptlastern und zwar oben an die drei höchsten Tu-
genden: fidesj charitas^ spes in Bezug auf Gott, und sodann
die vier Cardinaltugenden (von cardo, Angelpunkt, um den
sich Alles dreht): prudentia, justitia, fortitudo^ temperantia in
Tugrenden. 509
Bezug auf das Verhalten zu den Menschen. Vincent. Bellov.
spec. morale I. 3. 7. Ihnen entsprachen im heiligen römischen
Reiche die drei geistlichen Kurfürsten mit den vier weltlichen.
Inzwischen werden auch noch andere Tugenden in jene ein-
geschoben und die Reihe derselben anders wiedergegeben.
In einem Tractat aus dem 12ten Jahrhundert folgen sich:
sapientia, fides, Caritas^ spes, pax, misericordia, indulgentia^
•patientia. Im 13ten Jahrhundert kommen vor: Maass, Keusch-
heit, Milde, Sanftheit, Minne, Wackerheit, Demuth. GrafF,
Diutiska I. 281. 294. Auf Gemälden, in denen Tugenden
und Laster streiten oder einander wenigstens gegenüberstehen,
tritt der ira die patientia , der superbia die humilitas, der gula
die temperantia, der invidia die Caritas^ der venus die castitas,
der avaritia die misericordia^ der pigritia die diligentia entgegen.
Wo die Tugenden nur angebracht werden, um eine heilige
oder auch weltliche, namentlich fürstliche Person zu verherr-
lichen, werden auch hauptsächlich solche Tugenden ausge-
wählt, die jene Person am meisten ausgezeichnet haben, ohne
feste Regel.
Wie den sieben Tugenden die sieben Laster oder Tod-
sünden gegenüber , so stehen ihnen die sieben Wissenschaften
zuweilen zur Seite, die intellektuellen Mächte neben den
moralischen. So erscheint der heilige Thomas von Aquino
auf einem Bilde des Taddeo Gaddi in Florenz umgeben von
vierzehn schönen Frauen, von denen eine Hälfte die sieben
Tugenden, die andere die sieben Wissenschaften darstellt. —
Die sieben Gaben des heih'gen Geistes gehen in beide, die mora-
lische und intellektuelle Reihe über. Jesaias 11, 1. bezeichnet
sie als: Weisheit, Verstand, Rath, Stärke, Wissenschaft,
Furcht des Herrn. Zwischen die beiden letztern wurde noch
Gottseligkeit eingefügt. Vgl. Dante, von Kopisch S. 253.
Wenn man die Laster vorzugsweise gerne in Thierge-
stalten malte, so versuchte man das auch in Bezug auf die
Tugenden, doch hier mit viel mehr Einschränkung, weil das
Thierische, indem es unter dem Menschlichen steht, mehr
zum teuflischen Ausdruck hinneigt, als es fähig ist, das
510 Tugenden.
Uebermenscliliche und Englische auszudrücken. Dalier kom-
men den Tugenden auch Thiere nur sehr bedingt, nur als
Attribute zu, z. B. ist der Lowe Attribut der fortüudo^ das
Lamm der patientia^ das Einhorn der castitas, der Fisch der
temperantia. Vgl. Didron, annales VI. 50. Kunstblatt 1846,
S. 166. Viel öfter kommen Attribute der Tugenden vor,
wie folgende: die Säule als fortitudo , der feste Thurm als
castitaSy das Winkelmaass der prudeniia, der Finger auf dem
Munde der obedientia^ die Geissei der temperantia. Vgl.
Kunstblatt 1821, S. 178. 1846, S. 166. Auf einem schönen
Bilde des Domenichino kommen vor: fides mit dem Kreuze,
Caritas mit Kindern, spes mit aufgehobenen Armen, prudentia
mit Spiegel und Schlange, justitia mit der Waage, fortitudo
mit der Säule, temperantia mit dem Zügel. Vgl. Landon^
Oeuvres de Domenichino pl. 17 f. Daselbst pl. 34 f. wieder
eine andere Reihe: fortitudo mit Helm, Schwert, Löwe und
Säule, temperantia mit dem Einhorn und einem Zügel für
das Kameel, prudentia mit Spiegel, Schlange und Zirkel,
justitia mit Waage und Fasces, unter ihr die Gnade mit
offenem Busen.
Sehr oft bezeichnete man die Tugenden durch Beispiele.
Sieben Bilder stellten die Ausübung der sieben Tugenden
dar. Jacquio ging in der Zeit der Renaissance so weit, für
die christlichen Tugenden seine Beispiele nur aus dem heid-
nischen Alterthum herzuholen. Vgl. v. Wessenberg, christl.
Bilder n. 550.
Die heilige Hildegard sah die vier Cardinaltugenden als
vier Mauern um die Säule Gottes. Auch Dante (Hölle
IV. 106.) verglich die sieben Tugenden mit einer sieben-
fachen Mauer. Die heilige Hildegard {Scivias III. 8.) sah
ferner in den Tugenden die sieben Stufen zur Heiligkeit.
Die altdeutsche Legende von der heiligen Martina deutete
die sieben Tugenden als Blumen im jungfräuhchen Kranze
dieser Heiligen. Graff, Diutiska IL 138.
u
Ulme,
Attribut des heiligen Zenobius. Als seine Leiche vor einer
dürren Ulme vorbeigetragen wurde, grünte sie plötzlich.
Man legte einen Zweig davon in seinen Sarg, der nach
tausend Jahren noch immer grün gefunden wurde. Keyssler,
Reise S. 380. Görres, Mystik II. 59.
Ungeheuer.
Unter dem Druck der Kirchenpfeiler, Säulencapitäle,
Treppen etc. erblickt man , namentlich in gothischen Kirchen,
mancherlei grinsende, grollende oder höhnische Ungethüme,
desgleichen sperren die Dachrinnen Drachenmäuler auf, und
laufen Schlangen und Eidechsen und anderes steinerne Un-
geziefer an Geländern hinauf. Kreuser (Kirchenbau I. 569.)
erklärt diese Unholde aus dem 148sten Psalm, wo es unter
anderm heisst: „Lobet den Herrn, ihr Wasser etc., ihr
Drachen und alle Abgründe, Feuer, Hagel, Schnee, Eis
51^ Ung^eheuer.
und Sturm, alle Thiere und alles Vieh, Gewürm und Ge-
vögel/'^ Es scheint mir jedoch, diese Ungeheuer vertreten
hier nicht eine Huldigung der Elemente, sondern bedeuten
vielmehr die durch die Kirche überwundene Bestialität und
Diabolität, die sich in die Winkel verkriechen und auch
wider Willen der Kirche sogar dienstbar werden muss.
-^
Veilchen,
Sinnbild der Demuth bei hobem innern Werth, daber in
alten Marienliedern oft auf die beilige Jungfrau angewandt.
Vgl. Conrad von Würzburg, goldne Scbmiede (Vers 67) von
Grimm S. XLII. Maria beisst die Violstaude. Haupt, Zeit-
sebrift Vni. 282. Das Violfeld, das. IV. 520. Zu Dinkels-
bübl ist ein scbönes Bild der Maria mit Veilcben im Haar
und mit einem violetten Mantel. Fiorillo I. 312. Vgl. aucb
den Artikel Ametbist. — Veilcben sind aucb das Attribut des
sei. Franciscus Ovarius, aus dessen Grrab sie wucbsen.
Verkleidung.
Die pia fraus des Jakob , der sieb mit Fellen bedeckt,
um als vermeintlicber Esau des Vaters Segen wegzusteblen,
kebrt in der cbristlicben Legende nur in sebr veredelter
Gestalt wieder, indem bier nur Verkleidungen zum Scbutz
der gefäbrdeten Unscbuld vorkommen. Die berübmtesten
Legenden sind die von frommen Jungfrauen, die sieb im
Möncbsgewande verbergen. St. Eupbrosyna, zu Alexandria
Menzel, christl. Symbolik. II. 33
514 Verkleidung.
im 5ten Jahrhundert, sollte heirathen, entfloh aber und ging
in männlicher Tracht in ein Mönchskloster, wo sie beinahe
vierzig Jahre lang unerkannt als Mönch lebte. Ihr eigner
Vater Paphnutius kam in's Kloster und hielt fromme Ge-
spräche mit ihr, ohne dass er sie erkannt hätte. Erst im
Sterben entdeckte sie, wer sie sey. Acta SS. 11. Februar.
Alfonsi hat sie in einem italienischen Epos 1702, in kleinen
Gedichten haben sie Herder (zur Lit. und Kunst VI. 75.)
und Kosegarten besungen. Steinle hat ihre Legende ge-
malt (gestochen von Schaff er) in Frankfurt. Wilh. Füssli,
Zürich etc. II. 139. — St. Apollinaris, Tochter des Kaisers
Anthemius, entfernte sich freiwillig, nachdem sie nach
Jerusalem gewallfahrtet war, aus der Welt, wählte männ-
liche Kleidung und wurde ein Mönch. Der Ruf ihrer
Heiligkeit in diesem Stande ^ bewog ihre Schwester , bei ihr
Hülfe zu suchen. Sie trieb nun aus der Schwester den Teufel
aus, wurde aber beschuldigt, dieselbe verführt zu haben, bis
sie zu allgemeinem Erstaunen ihr Geschlecht und ihre wahre
Herkunft enthüllte, 5. Januar. — St. Eugenia, vornehmer
Eltern Kind in Alexandria und sehr gelehrt, entfloh in männ-
licher Tracht und wurde Mönch. Erst als ein schönes Weib
sich in ihn verliebte und, von ihm verschmäht, ihn beschul-
digte, er habe ihr Gewalt angethan, entdeckte der angebliche
Mönch sein Geschlecht und seine Unschuld. Später erlitt sie
in Rom den Martyrertod, 25. Dezember. Eines geistlichen
Singspiels, das sie verherrlicht, vom Jahr 1695, gedenkt
Godsched in seinem Vorrath I. 260. Weit berühmter ist
Calderons: El Joseph de las Mugeres, worin sie als Lehrerin
der Philosophie in Alexandrien beginnt, gerade so über die
ewigen Dinge nachsinnend, wie später Faust beiGöthe, wo-
durch sie zur Bekehrung geführt wird. Vgl. Schack, span.
Lit. III. 117. Wiener Jahrb. XVHL 35. - St. Marina
begleitete ihren Vater Eugenius, als er Mönch wurde, in
männlicher Kleidung und wurde unerkannt selber Mönch
unter dem Namen Marinus. Da beschuldigte man den jungen
Mönch, ein Kind gezeugt zu haben, und verstiess ihn. Er
Verkündigungr. 515
nahm geduldig die Schuld über sich und pflegte das Kind.
Erst nach seinem Tode erkannte man sein wahres Geschlecht.
Surius zum 5. Februar. Die Legende wurde in einem alt-
deutschen Gedicht behandelt. Hagen und Büsching, Grundriss
S. 297. Auch niederdeutsch, herausg. vonBruns 1798. Genthe,
Dichtungen des Mittelalters S. 301. — Ganz dasselbe berichtet
die Legende von der heiligen Theodora, 11. September.
Verkündigung.
An die Verkündigung , wie sie unzähligemal auf Kirchen-
bildern gemalt ist, knüpft sich ausserordentlich viel Symbolik.
Maria selbst ist hier vorzugsweise die Magd des Herrn
(ancilla domini) , ihr Ausdruck daher die tiefste und frömmste
Demuth bei der heitersten jungfräulichen Unschuld. Diesen
Ausdruck haben die altern Maler besser getroffen, als die
neuern, die gern zu viel Selbstbewusstseyn in die Jungfrau
legten oder sie zu sehr erstaunen und erschrecken, ja selbst
in Ohnmacht sinken Hessen. Die magdliche Demuth wird am
besten ausgedrückt durch die über der Brust gekreuzten
Hände, das alte morgenländische Zeichen unbedingter Hin-
gebung. Ln Abendlande kam auf den Bildern mehr die
gewöhnliche Geberde des Gebetes auf. Maria kniet und er-
hebt die zusammengelegten Hände. Viele Maler gaben ihr
auch ein Gebetbuch. Sie lässt gewöhnlich das Haar lang
herabwallen, denn das w^ar die Tracht der Jungfrauen. Ihr
Kleid ist meist wie herkömmlich blau (Farbe des Himmels, an
dem die neue Sonne aufgehen soll), oft aber auch w^eiss, um
die reine Jungfrau als solche zu bezeichnen. So auf dem
berühmten Genter Altar. Ein Bild zeigt sie im weissen Unter-
kleid mit dem Purpurmantel, wodurch sinnig die Königswürde
bezeichnet wird, die ihre Unschuld umkleidet. Kunstblatt
1847, S. 22. Seltner ist ihr Kleid grün, die Hoffnung der
Welt bezeichnend.
Nach dem apokryphischen Vorevangelium Jacobi , so wie
im Evangelium von der Geburt der Maria und der Kindheit
33*
516 Verkündigung.
Jesu überrascht der Engel die Jungfrau, als sie gerade Pur-
purseide für den Tempel webt. Das hat auch Wernher in
seinem Gedicht zu Ehren der Jungfrau Maria aufgenommen
und findet sich auch auf Gemälden. Ueberhaupt zogen es
die Maler vor , ihr eine vornehmere Wohnung und Umgebung
zu leihen, als von der Braut eines armen Zimmermanns zu
erwarten war, und folgten hierin den Apokryphen. Das
Zimmer der Verkündigung ist daher oft sehr prächtig. Da
diese Pracht nur symbolisch zu verstehen ist, wie das Thronen
Maria's oft sogar im Stall von Bethlehem, lässt sich nichts
dagegen einwenden, nur alberne Spielereien sollen die Maler
vermeiden und keine Katzen und Papageien anbringen wollen,
wie geschehen ist. Vgl. v. Wessenberg, christliche Bilder
II. 267.
Ein besonderes Attribut der Jungfrau auf Verkündigungs-
bildern ist die Lilie ohne Staubgefässe im durchsichtigen
Glase, gewöhnlich zu ihren Füssen. Vgl. den Artikel Lilie.
— Auf altdeutschen Bildern erfolgt die Verkündigung zuweilen
in dem „verschlossenen Garten'^ oder wenigstens in einem
Zimmer, das unmittelbar an den rings ummauerten blumen-
vollen Garten stösst. Dieser Garten ist Symbol der Jung-
fräulichkeit und unbefleckten Empfängniss.
Gabriel, der Engel der Verkündigung, erscheint ge-
wöhnlich in einem weissen Kleide , womit nicht nur die eng-
lische Reinheit, sondern auch ein Priesteramt ausgedrückt
wird. Oft gaben ihm die Maler ein wirkliches Priesterkleid,
ein goldenes Messgewand. Rathgeber, Annalen S. 69. Ins-
gemein hat er einen Lilienstengel in der Hand. Oft erhebt
er die rechte Hand zum Segen. Seine Haltung ist die eines
heiligen Boten, würdig, ernst, ruhig. Nicht selten wird er
knieend gemalt, wie die Jungfrau selbst, beide in tiefe An-
dacht versunken. So auf dem Bilde von Garofalo auf dem
Capitol. Hier ist der Engel noch durch einen Blumenkranz
und durch ein reiches hochzeitliches Kleid ausgezeidmet.
Auch Nicolaus von Pisa malte den Engel knieend zu Orvieto.
Johann van Eyck gab ihm Pfauenfittige , deren viele Augen
Verkündigung. 517
wohl den Sternhimmel bezeichnen. Inzwischen sind es hier
Flügel von einem weissen Pfau. Dieser Engel auf dem
Eyck'schen Bilde (der vormaligen Boisseree'schen Sammlung)
schwebt leicht und majestätisch heran. Auf dem Bild des
Hans Baidung im Freiburger Münster hat der Engel dagegen
eine heftige Bewegung und die Haare sträuben ihm , wodurch
die Grösse seiner Sendung, das Ueberwältigende des aller-
heiligsten Amtes ausgedrückt wird. In einem altdeutschen
Volksliede kommt der Engel als Jäger mit dem Hüfthorn
zur Jungfrau. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 183. Talvy,
Volkslieder S. 378. Auf einem Bilde zu Graudenz trägt er
einen Brief. Kunstblatt 1835, Nr. 62. Solche naive Auffas-
sungen der altern Zeit sind immer noch erträglicher, als die
lüsterne Koketterie moderner Bilder. So findet man ein
Frescobild in Susa, auf dem der Engel mit Pfeil und Bogen
zur Maria kommt, um die sich eine Menge kleiner Engel
wie Eroten schmiegen. Lady Morgan, Italien I. 71. Die-
selben erotischen Engel malte Nie. Poussin auf einem Bilde,
das sich jetzt in St. Petersburg befindet, und den lauschenden
Joseph dazu. Nichts war des heiligen Gegenstandes unwür-
diger. Vgl. Hand, Kunst in St. Petersburg I. S. 300.
Um noch deutlicher zu machen, was der Engel verkün-
det, fällt auf den Bildern gewöhnlich durch das Fenster ein
heller Sonnenstrahl auf die Jungfrau. Auf altern Bildern
geht dieser Strahl von der Hand Gottes aus, die aus den
Wolken hervorragt. Sehr häufig schwebt unter der Hand
im Strahl noch der heilige Geist als Taube, und wieder unter
diesem, ebenfalls im Strahl, ein kleines Kind. Dieses letztere
ist grob miss verstanden worden, als solle es das fleischliche
Christkind seyn, da es doch nur die Seele des Sohnes bedeu-
tet, die vom Himmel kommt, noch ehe sie Fleisch geworden
ist. Denn die Seele wurde in der kirchlichen Kunstsymbolik
des Mittelalters immer als kleines Kind aufgefasst. Vgl. Di-
droriy manuel p. 155. Zuweilen hat dieses Kind im Lichtstrahl
zur nähern Bezeichnung ein Kreuz bei sich, daselbst p. 156.
Waagen, Kunst in Deutschland 1. 368. Das sogenannte Ei,
518 Verkündigung.
in dem das Christkind auf dem Bilde zu Constanz liegt
(Fiorillo I. 293.)? ist nur eine Glorie. Sofern Christus Xöyog
(das Wort) ist , richtet sich der vom Himmel kommende
Strahl auf einigen alten Bildern nach dem Ohr der Jungfrau.
Vgl. Sepp, Heidenthum III. 67. Auf einem Bilde zu Bam-
berg haucht Gott Vater auf die Taube, diese und das Christ-
kind beide hauchen wieder auf die Jungfrau. Blainville, Reise
I. 213. — Zu Kentheim im Schwarzwald steht ein Baum mit
drei Aesten als Sinnbild der Dreieinigkeit neben der Scene
der Verkündigung. Waagen, Deutschland II. 233.
Häufig haben sich Donatoren auch auf Verkündigungs-
bilder malen lassen. Die Gegenwart solcher Andächtiger
erscheint jedenfalls zudringlich und unpassend bei einem Vor-
gang, der ein heiliges Geheimniss ist und den die tiefste und
ehrfurchtsvollste Stille umgeben soll. Eben so wenig gehören
Engel hieher, es ist an dem Einen Gabriel genug. Die
kleinen Engel erinnern gar zu sehr an antike Eroten.
Dagegen ist es herkömmlich und erlaubt, alttestamen-
talische Vorbilder der unbefleckten Empfängniss mit den
Bildern der Verkündigung in Verbindung zu bringen: der
versclilossene Blumengarten, der durch das Glas dringende
Sonnenstrahl, die verschlossene Pforte, der feurige Busch
Mosis, die Ruthe Aarons, das Fell Gideons etc., worüber
der Artikel Maria im Eingang zu vergleichen ist. Memling
stellte in zwei Bildern die Verkündigung und die Vision der
tiburtlnischen Sibylle neben einander (beide Bilder jetzt in
Berlin). Auch Rebecca am Brunnen gilt als Vorbild der
Verkündigung, weil nach einer Apokryphe die letztere vor
einem Brunnen geschehen seyn soll. Hofmann, Apokr. S. 69.
Wenn man die fromme Einfalt und heilige Andacht er-
wägt, mit der in alten Marienbildern und Marienliedern die
Verkündigung behandelt wird, so fühlt man sich beleidigt
und empört durch die Auffassung der Renaissancezeit, die
alles Christliche sofort im antik heidnischen Styl reprodu-
ciren wollte und ihm gerade dadurch das Heilige nahm. In
dem Gedichte Sannazars : De partu virginis (eines Neapolitaners
Versuchung in der Wüste. 519
im 16ten Jahrhundert, in Lateinischen Hexametern) antwortet
die Madonna dem Engel der Verkündigung mit Worten , die
nichts weniger als heilige Unschuld athmen:
Conceptusne mihi tandem, partusque futuros
Sande, refers? mene attactus perferre viriles
Posse putas? etc.
Eben so wird die fromme Hingebung der Magd Gottes zu
einer theatralischen Declamation. Sie blickt zu den Sternen
empor und bietet sich Gott selber an:
Jam jam vince, p,des; vince obsequiosa voluntas ,
En adsurn : accipio venerans iiia jussa , tuumque
Dulce sacrunt, Pater omnipotens.
Sofern die Jungfrau durch das Wort Gottes allein, in
welchem der heilige Geist wirkte, Mutter geworden war, das
Wort aber mit dem Ohr vernommen wird, entstand im
Mittelalter die grobsinnliche Vorstellung einer Empfängniss
der Jungfrau durch's Ohr. Ein Hymnus des heiligen Ephre-
mius lautet:
Gaude , virgo, mater Christi,
Olli per aitrem concepisti.
Bei den Maroniten ist diese Vorstellung Glaubenssatz.
Versuchung in der Wüste.
Jesus bereitete sich auf sein Lehramt durch Einsamkeit
und Fasten in der Wüste vor. Dieses Fasten dauerte nach
Matth. 4, 2. vierzig Tage und vierzig Nächte. Man hat dies
in Parallele gesetzt mit den vierzig Jahren, welche die
Israeliten in der Wüste zubrachten, ehe sie in das gelobte
Land kamen.
Nach so langem Fasten hungerte den Gottmenschen und
er fühlte tief den Mangel der menschlichen Natur. Dies be-
nutzte Satan, ihn zu versuchen. Er nahte ihm mit einem
grossen Stein und sprach höhnisch: „Bist du Gottes Sohn,
so brauchst du ja nur diesen Stein in Brodt zu verwandeln,
um deinen Hunger zu stillen." Da erwiderte der Heiland:
„Der Mensch lebt nicht vom Brodt allein, sondern von Gottes
520 Versuchung in der Wüste.
Wort.'^ Sofern nun Jesus sich durch das Leiden der irdischen
Natur nicht ungeduldig machen liess, versuchte ihn Satan
auf andere Weise. Wenn du Gottes Sohn bist, gab er ihm
zu verstehen, so kannst du dich auch an seiner Statt im
Allerheiligsten des Tempels offenbaren und dich von den
Engeln bedienen lassen. Um ihm dies recht nahe zu legen,
führte er ihn auf die Zinne des Tempels von Jerusalem.
Aber Jesus wollte nicht wie Lucifer sich an Gottes Stelle
setzen und erwiderte: „Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht
versuchen.'^ Da führte ihn Satan auf einen hohen Berg und
zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit, und
wollte sie ihm geben, wenn er niederfiele und ihn, den
Teufel, anbete. Das heisst nun, Jesus hätte handeln sollen,
wie einst Lucifer als erstgeborner Engel handelte, und die
Macht als Sohn Gottes benützen zur Usurpation der Welt-
herrschaft im Grossen, wobei unter den Reichen der Welt
nicht blos irdische, sondern das ganze Universum zu ver-
stehen ist. Jesus aber erwiderte: „Hebe dich von mir, Sa-
tan! denn es steht geschrieben: Du sollst Gott allein dienen.^^
Der Teufel konnte die Demuth und Entsagung des
Gottmenschen nicht begreifen. Sobald also die Leiden des-
selben begannen, eilte er herbei, ihn zu berücken und ihm
vorzustellen, wie es ja nur eines Entschlusses von seiner
Seite bedürfe, sich über alle diese irdischen Leiden hinweg-
zusetzen. Er hoffte sogar, an ihm einen mächtigen Bundes-
genossen wider Gott zu erhalten. Dies erscheint so natürlich
im Wesen des Teufels begründet, dass man die Sache als
Faktum nehmen oder den Teufel überhaupt wegleugnen muss.
Die Rationalisten, z. B. Paulus, erklären schlechtweg, Jesus
habe sich den ganzen Vorgang blos eingebildet. Olshausen
lässt ihn als Faktum, jedoch nur als ein inneres, gelten.
Das ist einerlei, wenn nur das Faktum feststeht. Denn aller-
dings existirt der Berg, von welchem aus Jesus alle Reiche
der Welt und ihre Herrlichkeit sehen konnte, nicht in der
Wirklichkeit, und es bedurfte für ihn auch nur des Gedan-
kens , sich in das Centrum der Weltherrlichkeit zu versetzen.
Versuchung in der Wüste. 521
Indem der Satan den Gott im Gottmenschen anrief, handelte
es sich von dessen geistigem, hoch über das Irdische erha-
benen Wesen, und der Vorgang konnte im Geisterreich vor
sich gehen, ohne darum weniger Faktum zu seyn.
Der Vorgang ist von hoher W^ichtigkeit für die Lehre
von der doppelten Natur Christi. Erst sprach Satan die
menschliche Natur in ihrer Schwäche und Bedürftigkeit an,
dann die göttliche Natur in ihrer Allmacht, beide nach ein-
ander versuchend, sofern ihm beide in ihrer wunderbaren
Verbindung eine Seite darboten, wo die Verführung an-
schlagen zu können schien.
Der Vorgang durfte in der Erlösungsgeschichte auf keine
Weise fehlen, sofern sie sich unmittelbar an die Geschichte
des Sündenfalls anschliesst. Er ist der Gegensatz gegen die
Versuchung der ersten Eltern. Die Menschwerdung bedingt
auch wieder die Versuchungsfähigkeit. Es ist undenkbar,
dass Satan darauf nicht seinen Plan gebaut haben sollte. Mit
Gott selbst konnte er nicht verkehren, aber die Gottheit
trat ihm wieder menschlich nahe in Christo. Die Sünden-
losigkeit Jesu war nicht blos a 'priori vorhanden, sie musste
sich erst im Leiden und Dulden bewähren, und jene Ver-
suchung des Teufels gehörte dazu wesentlich. Hätte der
Teufel sich nicht bemüht, so würde dadurch von vorn herein
anerkannt, dass die menschliche Natur Jesu blosser Schein,
nicht Wirklichkeit gewesen sey.
Die Versuchung wäre aber einseitig gewesen, wenn sie
sich nur an diese menschliche Natur des Erlösers gewendet
hätte und nicht auch an die göttliche. Die Führung auf den
Berg , um den alle Reiche der Welt sich lagern , hat den
tiefsten Sinn und ist noch wichtiger als die Brodtversuchung.
Sie ist die eigentliche Folie des heiligsten Mysteriums von
der Menschwerdung. Wie im ersten Act der Versuchung
Christus dem Adam entgegensteht, so im zweiten dem Lucifer
selbst. Hätte Lucifer als Gottsohn gehandelt, wie Christus,
so wäre die Menschwerdung nicht nothw endig geworden.
Da er nicht so handelte, musste Christus kommen. Ihre
533 Versuchung in der Wüste.
beiderseitige Begegnung und ihr Streit um die Handlungs-
weise im gleichen Fall ist daher ein unumgänglicher Bestand-
theil der heiligen Geschichte, in der Entwicklung der himm-
lischen Hierarchie, im Mysterium der Dreieinigkeit nothwendig
begründet. — Uebrigens wird die Versuchung durch den
Satan im Anfang der Lehr Wirksamkeit des Heilands ergänzt
durch die Angst auf dem Oelberg am Ende derselben. Dort
war es die Lockung, sich der schweren irdischen Mission
ganz zu überheben, hier die natürliche Menschenfurcht, durch
die der Heiland versucht wurde.
Die Neapolitaner haben an die Versuchung eine artige
Legende geknüpft. Der Teufel, sagen sie, habe den Herrn
auf den Vesuv- geführt und ihm das reizende Ufer umher
als den schönsten Theil der Erde gezeigt. Da habe Christus
aber geweint, weil er vorausgesehen, dass dieses irdische
Paradies einst von den schlechtesten Menschen werde bewohnt
werden. Aus seinen Thränen aber seyen die Reben ge-
wachsen, von denen der köstliche Wein, noch jetzt Christi
Thränen (lacrymae Christi) genannt, erwachsen. Mayer,
Neapel H. 297.
Die Versuchung wurde oft gemalt, vorzugsweise die mit
dem Steine. Seltsamerweise haben die Maler den Teufel
immer in seiner abscheulichen Gestalt darstellen zu müssen
geglaubt, obgleich es weit natürlicher erscheint, dass der-
selbe eine edlere Gestalt gewählt hat. Wie hätte er sich mit
Hörnern und Bocksfüssen mögen anbeten lassen wollen?
Wie hätte er sich der Herrschaft über alle Reiche der Welt
gerühmt, wenn er in der Knechtsgestalt schwarzer Verwor-
fenheit erschienen wäre? Indess wird die Sache um nichts
gebessert, wenn Domenichino den Teufel als schlauen Rabbi-
ner malt, oder Lucas Cranach als Greis mit grossem Bart.
Lucifer als Geisterfürst in seiner Macht und Herrlichkeit und
doch zugleich Verderbniss ist immer schwer zu malen , gewiss
am schwersten aber gegenüber dem Gottmenschen. Auf alten
Bildern kommen drei Teufel vor, wodurch die dreifache Art
der Versuchung selber bezeichnet werden soll. Didron, man.
Verzeihung:. 523
p. 166. — Wie dem Heiland in der Wüste, nachdem ihn die
Teufel verlassen, Engel dienen, wurde öfter und mit leich-
terer Mühe gemalt, aber auch hier gab es Naivetäten. So
tischen die Engel auf einem Bild im JesuitencoUegium zu
Augsburg dem Heiland eine Last von Schüsseln voll Speise,
Obst, Confituren nebst Wein auf (Blainville, Reise I. 305.)?
was jedenfalls zu materiell ist.
Vorausverkündet wurde die Versuchung in Psalm 72, 9:
„Vor ihm werden sich neigen die in der Wüste und seine
Feinde werden Staub lecken.^ Alttestamentalische Vorbilder
der Versuchung aber sind in der biblia pauperum: 1) Eva's
Versuchung durch die Schlange ; 2) die Verkaufung der Erst-
geburt durch Esau. Jacobs und Ukert, Beiträge I. 87.
Verzeihung.
„Vergebet euren Schuldigern^^ und „Liebet eure Feinde^
sind die schwersten unter den christlichen Geboten, w^eil das
Herz des Menschen gar verstockt und trutzig ist; eben deshalb
aber sind es die specifisch christlichsten Gebote , die das Chri-
stenthum als Religion der Liebe am schärfsten unterscheiden
sowohl vom Heidenthum als Judenthum. In dem: „Herr,
vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun,^ ist der
höchste Adel des Christenthums ausgesprochen. Wer nicht
verzeihen kann, ist des christlichen Namens unwürdig. Das
wird in einer der schönsten Legenden erklärt. St. Nicephorus
war mit Sapricius, seinem ehemaligen Freunde, verfeindet
worden, und bat ihn um Verzeihung. Umsonst, selbst als
Sapricius als Christ zum Tode geführt wurde, wollte er doch
nicht verzeihen, wie dringend Nicephorus auch bat. Aber
kaum fühlte Sapricius die Marter, als er abschwur und sich
zu den Götzen bekannte. Denn wer nicht verzeiht, hat die
christliche Liebe nicht und darum auch nicht den christlichen
Muth. Da trat Nicephorus an seine Stelle und erlitt den
Martyrertod. Im 3ten Jahrhundert, 9. Februar. Besungen
von Bönecke. Die Legende ist auch noch unter einem andern
dU Vier.
Gesichtspunkt charakteristiscli. denn Sapricius Tvar ein Priester
und Nicephorus ein blosser Laie. — Nicht minder lehrreich
ist folgende Legende, l^ir> Linsiedler ^ar so fromm und
heilig, dass alle Tage ein Engel kam und ihm zu essen
brachte. Da sah er einmal von "sveitem einen armen Sünder
zum Galgen führen und sprach zu sich selbst : Dem geschieht
Recht, Ton Stund an kam der Engel nicht mehr. In Yer-
zveiflung -vreinend hörte er einst ein Vogelein singen und
beneidete es um seinen Frohsinn. Da sagte das Yögeleinj
er solle bereuen und Busse thun, dann werde Gx>tt ihm ver-
zeihen. Darauf kam auch der Entrel Tvieder und £:ab ihm
einen dürren Ast , den solle er tragen , bis drei grüne Z\veige
daran herrorkommen \nirden, und jede Xacht anderswo
schlafen. Nun kam er nach langer Zeit einmal zu einem
alten Weibe, deren drei Sohne böse Räuber waren, und bat
um Herberge, Obgleich sie ihn warnte, blieb er doch und
schlief mit seinem dürren Aste ein. Da kamen die Räuber
und sahen ihn schlafen; als sie aber von seiner schweren
Busse horten, wurden sie gerührt und thaten selbst Busse.
Der Einsiedler aber wachte nicht wieder auf, und an seinem
Ast sprossten drei grüne Zweige. Grimm. Märchen. Kinder-
legenden Xr. 6.
Vier,
Sinnbild des nach vier Seiten ausgedehnten Raumes, der in
Tiö" Jahreszeiten getheilten Zeit, des in vier Altersstufen
ablaufenden Lebens, daher überhaupt Sinnbild dieser Welt
im G^ensati gegen die heilige Drei, in welcher Gott über
der Welt srmbolisirt ist. Beider Yerhältniss zu einander wird
dann in der Sieben, ihre beiderseitige Durchdringung in der
Zwölf aasgedrückt. Geometrisch ist das Kreuz der Ausdruck
der Yierzahl, sofern Gott sich in der Welt offenbart, das
Viereck aber bedeutet nur die Welt, die den hohem Einfluss
empfängt, das Piedestal Gottes. Daher die Symbc»lik der
Tier Erzengel, der vier Cardinaltugenden , der vier Evange-
listen, der vier Kirchenväter, als der vier Träerer, Karyitiden
Vier. 525
oder Altarseiten des Allerheiligsten. Daher die Symbolik der
vier Flüsse unter den Füssen des Heilandes. Was die vier
Weltgegenden, Elemente, Winde, Jahreszeiten, Weltalter,
Weltmonarchien etc. für die Natur- und Profangeschichte,
das sind jene heiligen Quadraturen für die Kirche und die
heilige Geschichte. In ihnen breitet sich immer Göttliches
aus in die Welt. — Auf Kirchenbildern bedeutet ein vier-
eckiger HeiHgenschein immer, dass der HeiHge, der ihn trägt,
noch lebt. Die vier Seiten aber drücken die vier Cardinal-
tugenden aus. Vgl. Kreuser, Kirchenbau II. 123.
Vierzig ist eine heilige Zahl, weil gewisse mchtige, von
Gott verhängte Ereignisse vierzig Tage oder Jahre lang
dauerten. So die Sündfluth vierzig Tage, die Wanderung
des Volkes Gottes in der Wüste vierzig Jahre, der Aufent-
halt Mosis auf dem Sinai vierzig Tage , das Fasten des Elias
und des Heilandes eben so lange. Daher die Einsetzung der
vierzigtägigen Fasten vor Ostern, früher auch vor Weih-
nachten. Daher die vierzig Tage der Frauen von der Geburt
bis zur Reinigung. Vgl. v. Bohlen, Genesis LXIV. Kreuser,
Kirchenbau I. 527. Alt, christlicher Cultus S. 527.
In der gothischen Baukunst hat das Viereck die Bedeu-
tung des Grundsteins, des Festen. Vgl. den Artikel Acht*
Das Viereck geht unmittelbar über in die reiche Sternform
durch Uebereckstellung eines Vierecks über das andere, was
oft beim Grundriss von Pfeilern, wie bei Fensterrosetten vor-
kommt. In der Ueberwindung der steifen viereckigen Form,
in der die gothische Baukunst auf mannigfache Weise sich
gefällt, liegt immer der Grundgedanke einer Heiligung der
Welt durch die Kirche, einer Ueberwindung des Profanen
durch das Heilige. Zu den geistreichsten Motiven dieser Art
gehört die Querstellung des kleinen Vierecks im gerade stehen-
den grossen Viereck (wie das Coeur -Ass im französischen
Kartenspiel) mit rundlich - blätterartigen Ornamenten, die
sich über jede seiner vier Seiten hinschmiegen. Das ist das-
selbe malerische Motiv, welches in der heraldischen Malerei
der Schiefstellung des Wappens unter dem geraden Helme
536 St. Vitus.
und der wunderlich sich ausblattenden Helmdecke zu Grunde
liegt. Das Viereck bildet in der Architektur immer den
Uebergang vom Dreieck in den Kreis.
St. Vitus
ist Prototyp der frommen Jünglinge im ersten verführbaren
Alter. Sohn eines rohen heidnischen Vaters, wurde er vom
heiligen Modestus zum Christenthum bekehrt und widerstand
seitdem jeder Versuchung und jeder Marter, durch die man
ihn von dem neuen Glauben abwendig machen wollte. Sehr
schön ist in seiner Legende der Contrast zwischen einem
Tanz üppiger Mädchen, die ihn umringen und zu verführen
suchen, und einem Besuch vieler Engel, die den Heiligen
umgeben, indem sein Vater, in seine Thüre einstürmend, von
dem Glanz erblindet. Dargestellt in alten Gemälden zu Mühl-
hausen am Neckar. Ein kleines Gefäss mit Flammen, die
hin und wieder sogar für Blumen angesehen worden sind,
ist Attribut des heiligen Vitus, weil er in einen Kessel mit
brennendem Pech geworfen wurde. Vgl. Waagen, Kunst in
Deutschland I. 180. Die Blume kann aber auch beabsichtigt
seyn als Sinnbild der jungfräulichen Tugend.
Vögel,
Sinnbilder 1) der Güte Gottes. „Sie säen und erndten nicht,
und Gott nährt sie doch." Matth. 6, 26. Vgl. d. Art. Sper-
ling. 2) Der Seelen. Nach Analogie der flügeltragenden
Engel und Teufel dachte man auch die Seelen der Verstor-
benen geflügelt, d. h. als leiblose Schemen schwebend und
von dem Gesetze der Schwere frei. In diesem Sinne wurden
sie auch ganzT einfach und naiv als Vögel gedacht. Ein
Baum mit singenden Vögeln darauf ist in den altdeutschen
Dichtungen häufig Sinnbild des Paradieses mit den Seligen.
In deutschen Sagen und Märchen erscheint die Seele eines
Verstorbenen oft als Vogel. Auch in der christlichen Legende
Vulkane. 527
sind es oft Tauben, in deren Gestalt die Seele eines Heiligen
dem Körper entschwebt. Vgl. d. Artikel Taube. Naeh der
altdeutschen Legende vom heiligen Brandanus gelangte dieser
die weiten Meere durchschiffende Heilige zu einer Insel voll
liebhch singender Vögel und erkannte in denselben gefallene
Geister, die hier alle Sonn- und Festtage sich versammelten,
um Gottesdienst zu halten.
In vielen Legenden sammeln sich die wilden Vögel um
einen heihgen Einsiedler, um seine Predigt anzuhören, um
ihm zu dienen, oder um einen sterbenden Heiligen, um ihm
liebhch zu singen. Das erklärt sich aus der Magie, welche
die Heiligkeit aueh auf die unvernünftigen Geschöpfe aus-
übt. Vgl. d. Art. Thier. St. Gutlach, ein englischer Ein-
siedler des 7ten Jahrhunderts, lebte mit den Vögeln so ver-
traut, dass sie ihn beständig in seiner Einsamkeit umgaben,
alle zahm mit ihm spielten und ihre Nester dahin bauten, wo
er Avollte. 11. April. Eben so St. Baldomer, 27. Februar.
Desgleichen St. Christina mirabilis, Jacobus de Stephano,
der heilige Franciscus. Die Kirche des irischen Heiligen
Beanus ist ein Asyl der Vögel. Giraldi Cambrensis topogr,
Hiberniae c. 40. Auf das Grab der heiligen Katharina von
Alexandrien auf dem Berge Karmel fliegen jährlich Vögel
mit Oelzweigen und feiern ihren Todestag. St. Juetta, eine
Recluse zu Huy in den Niederlanden im Uten Jahrhundert,
lebte sehr fromm, vertrieb einst den Teufel, der sich ihr in
Gestalt eines furchtbaren Ungeheuers in den Weg stellte,
durch das Zeichen des Kreuzes. Als sie starb, hatten sich
unzählige Vögel um sie gesammelt und sangen ihr das Sterbe-
lied. 13. Januar.
Vulkane,
Sinnbilder des höllischen Feuerschlundes. Unter der Voraus-
setzung, dass die Hölle im Innern der Erde brenne, dachte
man sich die feuerspeienden Berge als ihre Pforten, und die
Legende versetzt z. B. den kirchenfeindlichen Gothenkönig
5S8 Vulkane.
Theodorich in das Feuer des Aetna. Auch der Vulkan Strom-
boH gilt im Volksglauben als ein solcher Höllenschlund. Eben
so der grosse Vulkan Hekla auf der Insel Island, zu dem
nach der Sage, wenn irgendwo auf Erden eine Schlacht ge-
liefert worden, die Todten in grossen Schaaren über das Meer
herankommen. Olaus Magnus^ de gent. sept. II. 3. Zorg-
drager, grönländ. Fischerei S. 76.
1¥
Waage,
Sinnbild des Gleichmaasses und der Gerechtigkeit. Daher
Attribut der Justitia unter den christlichen Tugenden. Als
Verheissung eines gerechten Gerichtes nach dem Tode auch
ein Sinnbild, das sich schon auf sehr alten christlichen Grä-
bern findet. Bottari I. 12. Von der Waage am Grabe Kaiser
Heinrichs 11. zu Bamberg glaubt das Volk, wenn die Zunge
derselben genau in der Mitte zu stehen komme, werde die
Welt untergehen. Grimm, deutsche Sagen Nr. 294. — Na-
türlicherweise fehlt nun diese Waage auch nicht auf Bildern
des Weltgerichts, und zwar wird sie dem Erzengel Michael
in die Hand gegeben. Der Michaelistag (29. September) fällt
nahezu in die herbstliche Tag - und Nachtgleiche unter
dem Himmelszeichen der Waage. Also auch in dieser Zeit-
bestimmung liegt der Begriff des Gerichtes nach dem Tode.
In jener späten Septemberzeit sind alle Früchte von der Erndte
eingeheimst, und der Eigenthümer kann ihre Güte und ihre
Fehler beurth eilen, die faulen wegwerfen, die guten behalten.
Die Tag- und Nachtgleiche und Waage bedeuten die strenge
Gerechtigkeit im Abwägen und Ausscheiden dessen, was in
Menzel, christl. Symbolik. II. 34
530 Waffen.
die lichte , und was in die dunkle Seite fällt. Herbstzeit und
Erndte aber bedeuten den Tod und die Zeit des Gerichts.
Auf Bildern des Weltgerichts hat der heilige Michael in
voller Rüstung neben dem Schwert sehr häufig noch die Waage,
auf deren einen Schaale Selige, auf der andern Verdammte
sitzen. So nimmt er die Mitte des grossen Danziger Bildes
ein. Auf einem Bild in Nördlingen bemüht sich der Teufel
vergebens, indem er einen schweren Mühlstein in die hohe
Schaale wirft, die andere zu überwiegen, in der ein Seliger
sitzt. Auf einem Bilde des Leonardo da Vinci reicht der
heilige Michael die Waage dem Christkinde. Landon^ an-
nales V. p?. 1. In einer Hymne des Fortunatus wird das
Kreuz Christi selber mit einem Waagebalken verglichen.
Fortlage, christl. Gesänge S. 112.
Antoninus von Florenz erhielt von einem Bauer einen
Korb mit schönen Aepfeln und sagte: „Vergelt's Gott!" Der
Bauer meinte, er hätte wohl etwas Besseres, nämlich ein
Stück Geld verdient. Aber der Heilige schrieb das „Vergelt's
Gott" auf ein Papier, Hess eine Waage herbeibringen und
wog das Papier gegen den schweren Apfelkorb ab, und siehe,
das Papier war schwerer. Silbert, Legenden I. 75.
Die Waage des Peiters auf dem fahlen Pferde in der
Apokalypse wird als Attribut des Kaufmannsstandes erklärt.
Vgl. den Artikel Pferd.
Waffen.
Die kriegerische WafFenrüstung , männlicher Muth zum
Streit und unerschrockene Tapferkeit werden in der heiligen
Schrift zum öftern, am ausführlichsten aber Epheser 6, 10 ff.
auf den geistigen Muth und Kampf angewendet.
Wagen.
Der Thron der Cherubim, auf welchem Gott daherfährt,
ist zugleich ein Wagen, die vier Engel selbst werden zu
Wallfisch. 531
rollenden Rädern. Vgl. Züllich, OfFenb. Johannis II. 33. und
die Artikel Engel, Thron. — Christus auf einem Triumph-
wagen kommt in allegorischen Bildern vor. Titian malte ihn
so von den vier evangelischen Thieren gezogen. Didron,
icon. p. 315, beschreibt ausführlich den grossen Triumphzug
Christi auf den Glasgemälden zu Brou. Voran gehen Adam
und Eva, die Patriarchen , Propheten, dann folgt der Wagen
des Heilandes und dahinter die heiligen Vertreter des neuen
Testamentes. Der Zug aber führt geradewegs in's Paradies
hinein. — Noch öfter ist der Triumphzug der Kirche dar-
gestellt worden. Die Kirche hat hier immer die Gestalt einer
schönen und kräftigen Matrone und das Kreuz zum Attribut.
Dante im 29sten Gesang seines Fegfeuers fasst sie etwas zu
sehr im antiken Geschmack auf, indem er den Wagen der
Kirche vom Greifen (dem Adlerlöwen Christus) gezogen und
von Glaube, Liebe, Hoffnung, als den drei christlichen Hören,
umtanzt werden lässt. In den Fresken des Escoreal malte
Giordano denselben Triumph der Kirche, deren Wagen die
christlichen Tugenden und Gaben geleiten. In der Münchner
Pinakothek sieht man sechs Triumphwagen der Kirche, um-
geben von Tugenden, Evangelisten, Kirchenvätern etc., die
als Besiegte und Gefangene die gefesselten Häresieen mit
sich führen, und denen Repräsentanten aller Völker der Erde
freudig und gehorsam nachfolgen. — Für solche Allegorieen
hat die Kunst noch weiten Spielraum, je nachdem es gilt,
den Sieg des Christenthums und der Kirche in besonderen
Zeiten oder Lebensgebieten darzustellen, z.B. den Triumph der
Kirche unter den Künsten, unter den Wissenschaften, unter
der Barbarei junger und der Corruption alter Völker etc.
Ein feuriger Wagen ist bekanntes Attribut des Prophe-
ten Elias.
W all f is c h,
Sinnbild des Meeres, weil er das grösste im Meere lebende
Thier ist. Auf altchristlichen Denkmälern reitet die allego-
rische Figur des Meeres zuweilen auf einem Wallfisch und
34*
532 Wasser.
wird dadurch kenntlich. Piper, christl. Myth. II. 105. Der
grosse (gewöhnlich als Wallfisch gedachte) Fisch, der den
Propheten Jonas verschlingt, ist gleichfalls Sinnbild des'
Meeres in dessen Bedeutung der allverschlingenden Sünde
und Weltlichkeit. Vgl. d. Artikel Meer. In den Legenden
des heiligen Brandanus, Malo, Machovius, Magutus heisst
es, diese Heiligen seyen auf einer Meerfahrt zu einer Insel
gekommen, auf der sie Messe gelesen hätten, plötzlich aber
habe die Insel sich unter ihren Füssen erhoben und sich als
einen ungeheuren Wallfisch zu erkennen gegeben. Hier ist
der Wallfisch verwechselt mit dem Kraken, der nach dem
Volksglauben der Nordseeanwohner zuweilen aus der Tiefe
des Meeres wie eine Insel auftauchen soll. Aber auch hier
ist das dem Sakrament des Altars sich unterbreitende Thier
wieder nur Stellvertreter des Meeres selbst.
Wasser.
Wie der Fisch den Christen bedeutet, so dessen Element,
das Wasser, die Gemeinschaft im Glauben, das christliche
Reich. Man kommt in dieses Element nicht ohne die Reini-
gung vom Schmutz des Heidenthums, Judenthums und der
Sünde; das Wasser aber selbst ist Mittel der Reinigung.
Daher sein Gebrauch in der heiligen Taufe und als Weih-
wasser. In diesem Sinn war das in der Sündfluth vom Himmel
strömende Wasser ein Mittel der Reinigung und Vorbild der
Taufe.
Waschungen vor einer heiligen Handlung waren auch
schon den Juden und Heiden geläufig. Desgleichen die be-
sondere Weihung des Wassers zum heiligen Gebrauch. Man
schöpfte das Wasser in heiligen Nächten, aus besonders hei-
ligen Quellen, unter besonderen Ceremonieen etc. Das Alles
hat aber nichts mit dem christlichen Weihwasser gemein.
Bei den Heiden galt das Wasser selbst als göttlich, bei den
Christen hat es nur die symboHsche Bedeutung des reinigen-
den Elementes. Man benetzt sich mit Weihwasser, um sinn-
Wasser. 533
bildlich die Seele zu reinigen. Man sprengt Weihwasser auf
einzuweihende neue Werke, desgleichen auf Leichen, um sie
vor dem Einfluss böser Mächte zu schützen durch die Rei-
nigkeit. Das Weihwasser wird zu Ostern zu seiner Bestim-
mung eingeweiht durch die hineingesteckte brennende Oster-
kerze. Binterim, Denkw. I. 1. 88. Vgl. d. Art. Kerze und
Licht. Das bezieht sich zugleich auf den Gegensatz der
Wassertaufe des Johannes und der Feuertaufe Christi. Das
gemeine Wasser hat gleichsam blos negative Bedeutung als
Reinigungsmittel, indem es nur das Vorhergehende abwäscht
und entfernt. Positive Bedeutung erhält es als Element des
höheren Lebens, indem es zu Licht und Feuer (Geist) wird.
Das aber geschieht durch den Opfer tod, diu:ch das Blut
Christi. Daher die Verwandlung des Wassers in Wein bei
der Hochzeit zu Cana das Vorbild der höchsten Weihe des
Christen durch den Genuss des heiligen Abendmahls. Das
Sakrament des Altars verhält sich zu dem der Taufe wie
jenes in Wein verwandelte Wasser. — Man hat auch an das
1. B. Mosis 1, 6. bezeichnete obere Wasser im Gegensatz
gegen das untere auf Erden gedacht und den Durst nach
dem himmlischen Wasser als den Zug der Seelen nach oben
verstanden. Blätter für höhere Wahrheit II. 78 f. Das ist
aber fast zu gnostisch. Man bleibt besser bei der specifisch
christlichen Symbolik von Blut und Wein stehen , in den das
gemeine Wasser verwandelt wird.
Durch diese Symbolik wird zugleich der Irrwahn der
Aquarier beseitigt. Das waren Sektirer des 2ten Jahrhun-
derts, die nichts als Wasser tranken und auch beim Abend-
mahl statt des Weins nur Wasser brauchten. EpiphaniuSj
haeres. 30, 16. Irenaeus, haeres. V. 1. 3. Leider gibt es noch
jetzt Aquarier genug unter den wortreichen Predigern des
Rationalismus, in deren Händen durch verkehrte Transsub-
stantiation der Kelch des allerheiligsten Blutes nur Wasser
behält.
Wie das ruhige, reine, heilende Wasser Sinnbild der
Reinigung von Sünden, des specifisch christlichen Elementes
534 Wasser.
wurde, so dagegen das dunkle, wildbewegte Meer Sinnbild
der Welt, ihrer Sünde und Gefahr. Vgl. d. Artikel Meer.
Damit hängt die Symbolik des gefahrlosen Schreitens über
das Meer zusammen. Christus selbst wandelt auf dem Meere,
d. h. er ist erhaben über die Leidenschaften der Welt, wie
über das natürliche Gesetz der Schwere. Ihn kann die dunkle
Tiefe nie erfassen, der im Gegensatz gegen Lucifer nicht
als der fallende Engel, sondern als der die Menschheit zu
sich erhebende Gott vom Himmel kam. Das Evangelium
vom Wandel Christi über das Wasser fällt auf den vierten
Sonntag nach Epiphania, weil um diese Zeit die Sonne in's
Zeichen des Wassermanns tritt. Strauss, Kirchenjahr 153.
Damit aber wäre wahrhaftig die Symbolik des Wandels über
das Wasser nicht erschöpft. Es handelt sich nicht von der
Anwendung der christlichen Idee auf den Kalender, sondern
auf die Menschheit. Im Wandel Christi soll sich nicht der
Wandel des Jahres, sondern der Wandel der Christen spiegeln.
Alttestamentalisches Vorbild ist Elias , der auf seinem Mantel
über das Wasser des Jordan fährt. Nachbilder sind fast zahl-
lose Heilige, von denen die Legende sagt, sie seyen trocknen
Fusses über das Wasser gegangen. So St. Aidanus, Hya-
cinthus, Maurus, Petrus von Alcantara, Salinianus etc.,
St. Aldegund, Maria Magdalena, die aegyptische Maria etc.
St. Wolfgang fuhr über die Donau im Wagen. Am lehr-
reichsten sind die Fälle, in denen die Stärke des Glaubens
im Wandel über das Wasser erprobt wird. Petrus tritt aus
dem Schiff, um dem auf dem Meer wandelnden Heiland
entgegenzugehen, sein Glauben ist aber nicht stark genug,
weshalb er untersinkt und nur vom Heiland wieder empor-
gezogen wird. In gleicher Weise erzählt die rheinische Le-
gende von der heiligen Ritza, sie sey täglich bei Coblenz über
den Rhein gegangen, bis sie einmal ein Zweifel angewandelt
habe. Nun habe sie sich auf einen Stab stützen wollen, sey
aber im Wasser alsbald eingesunken. Da habe sie den Stab
vertrauensvoll von sich geworfen und sey nun wieder so sicher
wie vorher über den Fluss geschritten.
Weide. 535
Weg.
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben," spricht
Christus. Joh. 14, 6. Durch Christum allein führt der Weg
zum Himmel, und nur seine Mutter wird gleichfalls als via
vitae aufgefasst. — Nach alter, sich sehr oft wiederholender
Vorstellung ist der W^eg der Tugend von dem des Lasters
verschieden. Jener ist eng, steil, beschwerlich und gefährlich,
führt aber zu den Freuden des Himmels; dieser ist breit,
bequem, lustig, führt aber zu den Qualen der Hölle. Jeder
Christ steht daher in seiner Jugend wie Herkules am Scheide-
wege und soll gleich diesem den gefährlichen Pfad dem be-
quemen vorziehen. — Im Zeitalter der Eenaissance wurde
der Weg zur Tugend sehr häufig auf Titelkupfern schlängelnd
einen Berg hin auf geleitet zu einem Tempel, eine zu antike
und magere Vorstellung. Dagegen findet man unter den Vi-
sionen der heiligen Elisabeth von Schönau eine von sieben
Wegen, die nach demselben Berggipfel führen, jeder von
einer andern Farbe , so dass sie unter einander die Harmonie
der Farben ausdrücken als Sinnbilder der sieben Tugenden.
Weide,
Sinnbild des Evangeliums, denn wie die Weide gesund bleibt,
wenn ihr noch so viele Zweige abgeschnitten werden, so ver-
liert auch das Evangelium nichts, wenn es auch allen Völkern
mitgetheilt Ynvdi, Ilermae pastor bei Hefele, patr. apost. III.
similif. 8. p. 402. Die Weidenkätzchen , die am Palmsonntag
zu blühen pflegen, dienen überall im mittlem Europa statt
der Palmen , die an diesem Tag im Süden gebraucht werden.
— Eine hohle Weide ist Attribut der heihgen Edigma. Diese
fränkische Prinzessin, floh aus Frömmigkeit in schlechten
Kleidern nach Deutschland und lebte Jahre lang in einer
hohlen Weide zu Prück zwischen München und Augsburg.
Nach ihrem Tode floss aus der Weide ein heilbringendes,
586 Weihnachten.
vielgesuchtes Oel. Acta SS. 26. Februar. — Die Trauer- i
weide lässt ihre Zweige aus tiefer Betrübniss niederhängen, "
seitdem sich die römischen Schergen solcher Zweige bedien-
ten, um den Heiland zu geissein. Grimm, d. Sagen Nr. 345.
G. Wetzel, Gedichte S. 99.
Weihnachten.
Die Symbolik der Weihnacht beruht wesentlich auf der
Vergleichung Christi, des geistigen Lichts, mit der Sonne.
Vgl. d. Artikel Sonne. Daraus allein erklärt sich das Her-
überragen von noch vielen Gebräuchen und mancherlei Aber-
glauben aus der heidnischen Sonnenfeier in die christliche
Weihnachtsfeier. Hier tritt zum Begriff des Lichts noch der
des Werdens hinzu. Es ist der Anbruch des neuen Lichts
in der finstersten Nacht des Heidenthums, der im Aufgang
der neuen Jahressonne in der finstersten Wintermitte versinn-
bildlicht Avird. Strauss, Kirchenjahr S. 100. sagt sehr wahr:
„Sonnenwende! Es ist als bebe mit ihr etwas Unaussprech-
liches durch die ganze Natur, und Alles, was lebt, scheint
von ihm ergriffen zu werden, Sonnenwende im Winter!
Heimlich, verborgen, und doch mächtig! Darf man von
einer Feier der Natur reden , so ist sie vor allen andern Natur-
gef ühlen mit diesem Worte zu bezeichnen. Ist es nicht , als
wenn Alt und Jung in jeder Ader und jedem Nerv sie em-
pfände und als wenn sie durch jede Muskel zucke? Dabei
liest etwas Geheimnissvolles darin. Die Sonnenwende ist
schon geschehen in der Stille der Nacht, und man sieht es
noch nicht. Man merkt nur den Stillstand. Man weiss, dass
mitten in der längsten Nacht das Licht zu einem neuen Lauf
geboren ist; aber es kündigt sich nur dadurch an, dass die
Nächte nicht länger und die Tage nicht kürzer werden. Jene
nehmen noch nicht ab und diese nicht zu. Es ist Stillstand
der Sonne , Solstitium. Im Sommer ereignet sich Aehnliches,
aber der stillstehende Tag zerstreut die Sinne durch die Menge
der erleuchteten Dinge. Indess im Winter ist dem innern
Weihnachten. 587
Sinne ein weiterer Raum vergönnt, und er ahnt und gewahrt,
was im Verborgenen vorgeht. Man vernimmt gleichsam den
gewakigen Kampf der Kräfte der Natur. Die Erde befindet
sich in der Sonnennähe, aber ihre Finsterniss ist noch so
mächtig, dass das neue Licht der Sonne, das an sie heran-
zittert, noch nicht durchdringen kann. Es währt lange, bis
man den Sieg zu gewahren vermag. Zwölf Tage wenigstens
dauert der Kampf, die Nachwirkung der alten Nacht und
die Ausführung des Sieges, den das neue Licht errungen,
das beharrliche Sträuben der besiegten Dunkelheit, in dem
sie Stich hält und den Stand behauptet, und der leise, stille,
zuversichtliche Fortschritt des Lichts. Indess Sonne, Licht,
Leben sind nichtsdestoweniger Sieger. Das macht uns schon
der Stillstand gewiss. Eben das Stillstehen der bisher immer
wachsenden Nacht und des immer mehr absterbenden Tages
gibt uns die Bürgschaft, dass etwas Neues vorgegangen ist,
dass eine andere Macht aufgetreten, dass ein Kampf begon-
nen, und eine Neugeburt im Werke ist. Das Licht ist wie-
derum geboren, ein neues Jahr beginnt durch den Zufluss
frischer Kräfte aus der Sonnennähe, und die Sonne wird den
Sieg davontragen. Kurz, w^as ist dieses Mittwintergefühl
anderes als die Ahnung, keine Noth sey so gross, dass nicht
von oben herab Hülfe werde, und kein Fluch so schwer, dass
ihn nicht der Segen überwinde? Nunmehr erwacht man voll-
ständig zu dem wahren Neuen; die Ahnungen der vier frühe-
ren Wochen sind erfüllt, und die Erinnerungen aus den vo-
rigen Jahren haben uns nicht umsonst geleitet. Das ist die
heimliche Freude und die feierliche Hoffnung in dem Still-
stand der Nächte im Mittwinter."
Schon den Heiden war die Wintersonnenwende ein all-
gemeines hohes Freudenfest. Man fasste es zugleich als eine
Feier der Befreiung auf, der durch das neue Licht und Le-
ben von den Fesseln des Winters befreiten Natur. Daher
die berühmten Saturnahen der Römer, an denen, so lange
das Fest dauerte, alle Sklaven frei waren. Auch noch heute
und unter uns lebt diese Vorstellungsweise fort. Li die
538 Weihnachten.
Weihnachtsperiode, die bis zum Dreikönigsfeste währt, fällt
der Sylvestertag, an welchem die Weiber das Eegiment haben
sollen, und der PfefFertag, an welchem die Kinder mit Wacli-
holderruthen umhergehen und die Erlaubniss haben, damit
Erwachsene zu schlagen. Als eigentliches Kinderfest wurde
jedoch Weihnachten erst in der christlichen Zeit gefeiert, so-
fern das neugeborne Christkind die ganze Kinderwelt mit
seinem Ruhm gleichsam sympathetisch überstrahlt.
Der Aberglaube, nach welchem in der heiligen Weih-
nacht die Bäume blühen und Früchte tragen und die unver-
nünftigen Thiere menschlich reden sollen, enthält eine Mah-
nung an das durch die Geburt Christi wiedergefundene
Paradies, dürfte jedoch auch noch auf heidnische Vorstel-
lungsweisen zurückgeführt werden können. Den letzteren
gehören jedenfalls die Vorbedeutungen und Wahrsagungen
der heiligen Christ- und Neujahrsnacht, überhaupt der zwölf
Nächte nach Weihnachten an, die mannigfachen Erfor-
schungen der Träume in dieser Zeit, die magische Bräu-
tigamsschau. Auch die an der Decke aufgehangene (immer-
grüne) Mistel in England, die Tanne oder Fichte mit Lichtern
besteckt als Weihnachtsbäume in Deutschland, entstammen
wohl älterem heidnischen Cultus. Die reichen Presepien
(Krippel) in Italien, die auch in Deutschland eingedrungen
sind, führte zuerst der heilige Franciscus von Assisi zum
Andenken an die Krippe des Heilandes ein, sie erinnern aber
doch auch an ähnliche schon ältere Gebräuche, z. B. an die
Adonisgärtchen der Griechen und an die Frucht- und Thier-
körbe der indischen Priwithi, Vorbilder des neuen Jahres-
segens. Ueber diese Krippel vgl. Rippel, Alterthumb der
Cäremonieen S. 39. Fr. Brun, Landschaftsstudien S. 234.
V. Martens, Italien II. 569.
Die specifisch christliche Symbolik unterscheidet zuerst
die nur einmal erfolgte Geburt des Gottmenschen von der
jährhch sich wiederholenden scheinbaren Wiedergeburt der
Sonne, und bezeichnet diese Einzigkeit in der Zeit durch den
Weihnachten. 539
Stern der Weisen. Vgl. d. Artikel Stern. Er wird damit
der Mittel - und Wendepunkt der ganzen Weltgeschichte an-
gedeutet. Vorher war Alles Nacht, nachher wird Alles Tag.
Der Stern der Weisen geht als Morgenstern der neugebornen
Sonne, Christus, vorher; aber me dieser Stern nur einmal
existirte und einzig in seiner Art war, so ist es auch die
Geistessonne Christus. Damit wird aller ältere Sonnencultus
der Heiden bei Seite geschoben und in ein nur untergeord-
netes Verh'altniss zur christlichen Weihnachtsfeier gesetzt. —
Legende und Sage haben die Bedeutung jenes Zeitpunktes,
von welchem an wir jetzt 1854 Jahre zählen, noch ausge-
schmückt. Wie beim Tode, so soll auch bei der Geburt
Christi die Natur in ungewöhnlicher Bewegung gewesen seyn.
Obgleich es Winter war, sollen alle Weinberge von Engaddi
geblüht haben. Nieremherg , hist. nat, 473. Eine Menge
Schlangen sollen durch die Luft geflogen seyn (die aufge-
regte Hölle). Prätorius, Weihnachtsfrazzen 335. Das Orakel
zu Delphi soll verstummt, die Säule des Romulus (Roms
Gründer) durch einen Blitz zerschmettert, die römischen Ge-
setztafeln erloschen seyn etc. Vgl. auch den Artikel Pan. —
Tiefer begründet indess ist die gerade entgegengesetzte Sym-
bolik , nach welcher zur Zeit vor Christi Geburt unter Kaiser
Augustus auf der ganzen Erde der vollkommenste Frieden
herrschte. Vgl. Sepp, Leben Jesu I. 6.
Das Wunder, wonach es in der Geburtsstunde des Hei-
landes mitten im Schnee des Winters Frühling wird und alle
Bäume blühen, steht in einem gewissen symbolischen Zusam-
menhange mit dem Wunder der Maria ,.zum Schnee". Vgl.
d. Art. Schnee. In seinen Studien über Russland theilt Herr
V. Haxthausen H. 258 eine schöne bucharische Legende mit:
„Als Mirjam vierzehn Jahre alt war, ging sie in einen Wald,
um an einer Quelle zu baden. Da erschien ihr der Engel
Gabriel und verkündigte ihr, sie würde den Propheten Isai
gebären, den alle heihgen Männer der Vorwelt angekündigt
hätten. Da antwortete sie : »Wie soll ich ein Kind gebären,
da ich nie einen Mann erkannt habe?^^ Aber der Engel
540 Weihnachten.
Gabriel legte ihr das Geheimniss der Menschwerdung aus,
und hauchte sie dreimal an. Und das Wort wurde wahr!
Als nun die Stunde der Niederkunft nahte, da ging Mirjam
hinaus in den Wald, wo ihr der Engel erschienen war, und
setzte sich unter den Baum, wo er gestanden hatte. Da kam
ihre Zeit, und sie gebar einen Sohn. Es war aber tiefer
Winter, und Schnee bedeckte die Erde und alle Bäume. Kaum
aber schlug das Kind die Augen auf, so schlug der ganze
W^ald in Blättern aus, die Rosen blühten, und alle Vögel
erwachten aus dem Winterschlafe und zwitscherten zum Him-
mel ein Loblied hinauf, nahebei entsprang plötzlich eine
Quelle etc."
Auf Kirchenbildern sind die gewöhnlichen Attribute der
Geburt Christi folgende: 1) Der Stall mit Ochs und Esel
an der Krippe wird auf den Bildern der griechischen Kirche
stets als Höhle in einem Berge, auf den abendländischen aber
als ein Haus oder als eine Hütte aufgefasst, weil im Orient
häufig die Stallungen für Karavanen in Felsen gehauen sind,
im Abendland aber die Ställe gezimmert werden. Didron^
man, p. 158. 2) Der Stern über dem Stalle. 3) Maria, sitzend
mit dem Kinde, oft sogar thronend und mit der Krone, weil
sie gerade durch ihre Erniedrigung bis in den Stall zur Kö-
nigin des Himmels erhoben wird. Eine andere Bilderreihe
fasst die heilige Jungfrau mehr nur als menschliche Mutter
auf; man sieht sie hier als Wöchnerin im Bett liegen, das
Kind wird von dienenden Frauen gewaschen etc. Diese
menschliche Auffassung hatte ihren Grund wohl in der Op-
position gegen die unbefleckte Empfängniss. Sie schickt sich
für den heiligen Gegenstand nicht. Das Hebammen- und
Waschgefolge gehört nicht hieher. 4) Der fromme Joseph,
der gleichsam als Priester administrirt und anbetet. Auch
ihn hat die spätere Malerei so natürlich und kleinbürgerlich
als möglich aufzufassen gesucht, aber unmerklich in den ehr-
lichen Zimmermann etwas wie Ironie gelegt. Er kann nicht
streng priesterlich genug gedacht werden, wenn es nicht um
seine Würde gethan seyn soll.
Weihnachten. 541
Dies sind die nothwendigen Staffagen und Attribute. Zu
ihnen gesellen sich aber noch 5) die das Gloria singenden
Engel und 6) die anbetenden Hirten. Ein schöner Contrast
zwischen den lichten Kindern des Himmels, die aus der Nacht
von oben herabkommen, und den rauhen, aber naturwüch-
sigen und unverdorbenen Kindern der Berge.
Die Lieder dieser Engel und Hirten Hegen allen Weih-
nachtsliedern (französisch noels) zu Grunde. Dieselben sind
rein lyrisch, kirchliche Hymnen und VolksHeder, oder dra-
matisirte Singspiele, wobei die Engel und Hirten im Gesang
abwechseln. Man hat ganze ländliche Idyllen und allego-
rische Schauspiele damit verbunden. Ihre Tendenz ist aber
immer das Gloria in excelsis Deo ! und das fromme Erstaunen
über das grösste aller Wunder, dass der Heiland der Welt,
Gott selber, der Herr aller Himmel, sich erbarmend in einen
menschlichen Mutterleib und in einen Stall herablässt: Quem
terraj pontus^ sidera etc. in dem herrlichen Hymnus des For-
tunatus. Das Grösste und das Kleinste, Höchste und Nie-
drigste, das Universum und die Krippe berühren sich hier
im lieiHgsten Mysterium, in dessen Preisung insonderheit die
Marienliederdichter deutscher Nation im Mittelalter uner-
schöpflich waren.
Bilder von Christi Geburt haben öfter kleinere Bilder
zur Seite, auf denen die alttestamentalischen Weissagungen
dieser jungfräulichen Geburt und die bekannten Sinnbilder
der unbefleckten Empfängniss dargestellt sind. Vgl. d. Ar-
tikel Maria. Desgleichen die sibyllinischen Weissagungen
und vor allen die Vision der tiburtinischen Sibylle. Vgl.
den Artikel Sibyllen. Hieher gehören auch die berühmten
Verse Virgils in den Eklogen IV. 4:
«Die Jungfrau kommt, es kommt die Wiederkehr der goldnen Zeit,
Ein neues Geschlecht entsteigt dem hohen Himmel.
Heil dem Knaben, der das eiserne Zeitalter beendet und das goldne
wieder beginnt!"
54^ Weihrauch.
Weihrauch,
ein Harz, welches den köstlichsten Wohlgeruch verbreitet,
indem es verbrannt wird. Ueber die Pflanze, von der es
kommen soll, vgl. Humboldt, Kosmos H. 443. Eitter, Ara-
bien I. 363. Weihrauch wurde schon von den Heiden zum
Opfer verbrannt und ist auch im christlichen Cultus immer
noch das Symbol eines Gott wohlgefälligen Opfers. Der
reinste und edelste Stoff der Natur verbrennt hier zu einem
süssen Duft, der zum Himmel emporsteigt. Darin liegt die
Andeutung auf den Opfertod des Heilandes selbst. Epheser
5 , 2. Vgl. d. Artikel Phönix. Weihrauch ist aber auch ein-
fach Sinnbild der zum Himmel aufsteigenden Gebete.
Die silbernen Gefässe mit durchlöcherten Deckeln, worin
der Weihrauch verbrannt wird und die an Ketten nach allen
Seiten geschwungen werden, sind oft sehr kostbar gearbeitet.
Gewöhnlich haben die darauf angebrachten Bildwerke eine
symbolische Beziehung. Dahin gehören der Phönix, die drei
Männer im feurigen Ofen, deren Gesang aus dem Feuer
heraus dem süssen Duft des brennenden Weihrauchs gleicht.
— Es handelt sich aber hier nicht blos vom Opfer, welches
Sfleichsam die Natur dem höchsten Wesen über der Natur
darbringt, sondern auch von einer Heiligung der Natur durch
das im Weihrauch sich offenbarende höhere Element. In
diesem Sinne wurde die „Wolke im Heiligthum" von den
Juden aufgefasst. Gott offenbarte sich dem Hohenpriester
in der Stiftshütte nur in der Weihrauchwolke. Seine Nähe
wurde durch die Wolke verkündet. Der Gebrauch des Weih-
rauchs bei christlichen Weihungen hat den nämlichen Sinn.
Der Raum wird durch den Weihrauch auf besondere Weise
geheiligt, die gemeine Luft gleichsam in himmhsche Luft
verwandelt.
Wein,
gleichsam Feuer im Wasser, daher Sinnbild des Göttlichen
im L*dischen, der Auserwählten unter den Berufenen, des
Wein. 543
himmelverwandten Adels unter der an der ii'disclien Scholle
klebenden Gemeinheit. Schon die Juden verglichen sich als
Volk Gottes mit dem Wein; später wurde das Sinnbild aus-
schliesslich dem Christenthum vindicirt. Der heidnische Wein-
cultus in den Dionysusmysterien lässt nur sehr entfernte Be-
ziehungen auf die jüdische und christliche Symbolik zu.
Allerdings sahen auch die heidnischen Griechen im Wein
etwas Göttliches, aber nicht als Sinnbild einer höheren gei-
stigen Kraft, sondern als unmittelbar begeisternden oder mit
dem Gott erfüllenden Trank.
Die Juden, die sich von der Gottheit kein Bild machten
und den Naturdienst verachteten, ehrten gleichwohl die Rebe
als ein heiliges Symbol. Ist gleich die goldne Rebe, welche
die Römer (nach Tacitus) im Tempel zu Jerusalem fanden,
erst spät vom König Herodes dahin gestiftet worden und
mögen die Trauben von violetten Edelsteinen (Amethysten)
an Salomons Thron auch nur Dichtung seyn, so erhellt doch
aus vielen Stellen des alten Testamentes, dass die Rebe
wirklich in hoher Achtung bei den Hebräern stand. Sie er-
scheint zum erstenmal unmittelbar nach der Sündfluth. Je-
hovah gibt den Menschen gleichsam zum Ersatz für das
Uebel, das er ihnen durch das Wasser zugefügt hat, den
Wein. Als eine ganz neue Naturerscheinung steht der Wein
in Verbindung mit dem Regenbogen, der ebenfalls vor der
Sündfluth noch niemals gesehen worden war. Und beide
sind Pfänder der göttlichen Gnade, Bundeszeichen zwischen
Gott und den Menschen.
Die Juden sahen im Weinstock ein Sinnbild ihres eigenen
auserwählten Volkes. Wie die Rebe vor allen Pflanzen, so
sollte das Volk Gottes vor allen Völkern ausgezeichnet seyn,
ein kleines, niederes, kriechendes Gewächs, und doch unter
allen das edelste. Zwar scheint zunächst das Land, der Grund
und Boden, das Eigenthum und Haus durch das Sinnbild
des Weinstocks bezeichnet. Josua und Kaleb, die in das
gelobte Land vorausgehen , bringen aus demselben die riesen-
grosse Traube, die sie an einer Stange auf den Schultern
544 Wein.
tragen müssen , als ein Sinnbild des segensreichen Landes mit.
Der Prophet Micha sagt: „Jeder wird unter seinem Wein-
stock wohnen^^ (der das Haus rings umrankt). Der Segens-
spruch: „Ein Weinstock soll vor deiner Thüre wachsen!'^
ist noch jetzt unter den Juden üblich. Psalm 128, 3. wird
unter dem das Haus umrankenden Weinstock insbesondere
die Frau verstanden. Doch dachte man sich unter dem Sinn-
bild hauptsächlich das heilige Volk selbst, sofern es in seiner
Niedrigkeit erhöht werden soll.
Schön ist der Triumph des Weinstocks nach jüdischer
Tradition von Herder dargestellt : „ Am Tage der Schöpfung
rühmten die Bäume gegen einander, frohlockend ein jeglicher
über sich selbst. ^^Mich hat der Plerr gepflanzt/^ so sprach
die erhabene Ceder; ^^Festigkeit und Wohlgeruch, Dauer und
Stärke hat er in mir' vereint/^ ^^Jehovahs Huld hat mich
zum Segen gesetzt ,^^ so sprach der umschattende Palmbaum ;
^)Nutzen und Schönheit hat er in mir vermählt.*^^ Der Apfel-
baum sprach: »W^ie ein Bräutigam unter den Jünglingen,
prange ich unter den Bäumen des Paradieses.^^ Und die
Myrthe sprach: »Wie unter den Dornen die Rose, stehe ich
unter meinen Geschwistern, dem niedrigen Gesträuch.'^'^ So
rühmten Alle, der Oel- und Feigenbaum, selbst die Fichte
und Tanne rühmten sich. — Der einzige Weinstock schwieg
und sank zu Boden. ^>Mir,<^ sprach er zu sich selbst, »scheint
Alles versagt zu seyn. Stamm und Aeste, Blüthen und Frucht;
aber so, wie ich bin, will ich noch hoffen und warten.^^ Er
sank darnieder, und seine Zweige weinten. Nicht lange
wartete und weinte er; siehe da trat die Gottheit der Erde,
der freundliche Mensch zu ihm. Er sah ein schwaches Ge-
wächs, ein Spiel der Lüfte, das unter sich sank und Hülfe
begehrte. Mitleidig richtete er's auf und schlang den zarten
Baum an seine Laube. Froher spielten anjetzt die Lüfte mit
seinen Reben, die Gluth der Sonne durchdrang ihre harten,
grünenden Körner, bereitend in ihnen den süssen Saft, den
Trank für Götter und Menschen. Mit reichen Trauben ge-
schmückt neigte bald der Weinstock sich zu seinem Herrn
Wein. 545
nieder, und dieser kostete seinen erquickenden Saft und
nannte ihn seinen Freund. Die stolzen Bäume beneideten
jetzt die schwanke Ranke: denn viele von ihnen standen
schon entfruchtet da; er aber freute sich seiner schlanken
Gestalt und seiner harrenden Hoffnung. Darum erfreut sein
Saft noch jetzt des Menschen Herz und hebt empor den
niedergesunkenen Muth und erquickt den Betrübten.'^
In der christlichen Symbolik geht dieser alte Adel des
Weinstocks vom Volke Gottes auf die christliche Gemeinde
über, und zwar erhält das Sinnbild des Weinstocks hier erst
seine volle Bedeutung durch die Vergleichung des Weines
mit dem Blute Christi. Christus sagt zu den Aposteln : „Ich
bin der Weinstock, mein Vater ist der Winzer" — und ein
andermal: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. '^ In
mehreren Parabeln vergleicht er den Weinberg mit seiner Kirche
oder Gemeinde. Ein guter und treuer Arbeiter im Weinberge
ist ein guter Christ. 1) Parabel von den treulosen Winzern,
welche in des Herrn Abwesenheit dessen Söhne erschlagen;
2) Parabel von den zwei Söhnen, von denen der eine zu
arbeiten verspricht, aber faul ist, der andere nichts verspricht,
aber thätig ist; 3) Parabel von dem Winzer, der früher in
den Weinberg kommt und mehr arbeitet, als der später Ge-
kommene und doch nur den gleichen Lohn empfängt, und
auf dessen Vorwurf der Herr antwortet: „Was siehst du
scheel, dass ich so gütig bin?" Ferner verwandelt Christus
auf der Hochzeit zu Cana das Wasser in Wein, und endlich
sagt er, indem er den Aposteln am letzten Abendmahl den
Wein austheilt: „Das ist mein Blut, für euch vergossen zur
Vergebung der Sünden ! "
Seitdem nun ist im christlichen Glauben der Weinberg
das Sinnbild des christlichen Gebietes, des Bodens, auf dem
allein das Seelenheil wächst, mit Einem Worte der Kirche
geblieben. Weinreben und W^einlaub wurden als christliches
Symbol häufig bei Verzierungen angewandt, in christlichen
Kirchen als Randverzierung, an heiligen Gefässen etc. Trauben-
Menzel, Christi. Symbolik. IL 35
546 Wein.
kränze auf den alten christlichen Grabbildern, die Aringhi
abgebildet hat : ein Traubenkranz um das Christkind, um der
guten Hirten, um eine Palme (als Sinnbild des christlicher
Sieges). Auch Tauben (das Sinnbild des heiligen Geistes^
kommen in Verbindung mit Trauben vor.
Christus insbesondere wurde als Weinstock aufgefasst mii
zwölf Trauben, nach der Zahl seiner Apostel. Didron^ man
p. 208. 228. Im speculum humanae salvationis wurde sein(
Geburt auf den aus Herodot bekannten Traum der Mandan(
bezogen, die einen ganz Asien überschattenden Weinstocl
gebar. Vgl. Piper, christi. Myth. I. 151. In alten Hymner
wird das Crucifix zum Weinstock : „An des Kreuzes Aester
blüht rother Wein.'^ Wackernagel, Kirchenlied Nr. 109. Au;
einem Stich des C. de Mallery hängt Christus statt am Kreus
an einer Weinrebe. Das Nämliche bedeutet die Kelterung
Auf einem seltsamen Bild des Mainardi zu Cremona wirc
Christus gekeltert und die Kirchenväter fangen das Blut aL<
Wein auf. Das Sakrament des Altars wird gewöhnlich be
zeichnet durch Aehren und Weintrauben (Brodt und Wein
Leib und Blut des Herrn). Auf den alten Holzschnitten det
deutschen Polydorus Virgilius, Augsburg 1537. S. 3, steh
Christus zwischen einem Kornfeld und W^einberg. — Au
altchristlichen Sarkophagen begegnen uns oft Reben, Trau
ben, Kelterungen, was wohl nicht auf die irdischen Leider
der Verstorbenen in den Gräbern selbst, sondern auf da^
Leiden und Sterben Jesu Christi zu beziehen ist, aus derr
die Verstorbenen die Hoffnung ihrer Erlösung schöpfen. Vgl
über diese Bildwerke Piper, christi. Myth. I. 212 f.
Eine Traube ist auch Attribut der Abigail. Die für di(
Sünden ihres Mannes bei dem siegreich und zornig heran-
nahenden David um Verzeihung flehende Abigail ist eine
Personification der Reue und Busse. Ihre Vermählung mii
David ein Vorbild der innigen Verbindung, welche die be-
gnadete Seele mit Christo eingeht. Deshalb hat ihr Sürlir
in seinen berühmten Chorstühlen des ülmer Münsters Brod1
Wein. 547
und Weintrauben in die Hand gegeben, die hier nicht blos
die Gaben bedeuten, die sie dem auf dem Marsch hungern-
den David zur Labung anbietet, sondern die als Vorbilder
des heiligen Abendmahls genommen werden müssen.
Ueber die Verwandlung des Wassers in Wein vgl. den
Artikel Wasser. Der Begriff des Adels im Wein, der vom
Volke Gottes auf die christliche Gemeinde überging, wurde
im Mittelalter wiederum enger concentrirt im Priesterstande.
Daher nur den Priestern der Kelch im heiligen Abendmahl
vorbehalten blieb. Dem entspricht die schon alttestamenta-
lische Symbolik der Herlinge und bitteren Trauben. 5. Mos.
32, 32. Jesaias 5, 2. Jeremias 31, 29. Darunter sind nämlich
die verstanden, die das Wort Gottes kennen und bei denen
es dennoch nur bittere Früchte trägt, die zum Adel gehören
und die dennoch gemein bleiben, dasselbe, was die Miethlinge
im Gegensatz gegen den guten Hirten =: unwürdige Priester.
Man bezog den Wein des Abendmahls auch auf das
Wasser der Taufe. Durch dieses sollte die allen Menschen
angeborne Erbsünde, durch den Wein aber die persönliche
Sünde des Individuums gleichsam abgewaschen werden. In
den ersten Jahrhunderten der Christenheit pflegte man Wasser
unter den Wein des Abendmahls zu mischen, weil man
überhaupt im Morgenlande den Wein nie ungemischt trank.
Da nun drei Elemente im Abendmahl vorhanden waren, Brodt,
Wein und Wasser , so deutete man dies auf die Dreieinigkeit.
Es ist hier nicht der Ort, auf alle Streitigkeiten einzugehen,
die in der christlichen Kirche über die Bedeutung und den
Genuss des Abendmahlsweins ausgebrochen sind. Nur so viel
werde hier bemerkt: Die katholische Kirche blieb stets bei
der altherkömmlichen Vermischung des Weins mit kaltem
Wasser; — die griechische Kirche nimmt dazu warmes
Wasser; — die längst untergegangene Sekte der Enkratiten
nahm nur Wasser ohne Wein; — die armenische Kirche
nahm nur Wein ohne Wasser und wurde deshalb verdammt.
Aber zur Zeit der Heformation in Deutschland nahmen alle
35*
548 Wein.
Lutheraner und Reformirten den armenischen Gebrauch wieder
auf, und bei ihnen wird der Wein im Abendmahl stets ohne
Wasser ausgetheilt. Alle Christen trinken den Abendmahls-
wein aus dem Kelch, die Griechen allein trinken ihn aus
einem Löffel.
Insgemein bedient man sich beim Sakrament des Altars
des rothen Weins, wodurch das Blut Christi am deutlichsten
versinnlicht wird. Nur die mailändische Kirche zog den
weissen Wein vor und erhob den Gebrauch desselben zum
Gesetz. Dies erklärt sich vielleicht aus dem Umstände, dass
der gewöhnliche rothe Wein in der Lombardei etwas Schwar-
zes , Dickes und Dintenartiges hat. W^enigstens motivirte die
Mailänder Kirche den Vorzug, den sie dem weissen Weine
gab, damit, derselbe sey reiner.
Das Sinnbild: „Trauben von den Dornen lesen" (Matth.
7, 16.) entspricht der W^esenheit des Christenthums in dop-
pelter Weise, sofern Christus himmlische Wonne allen Gläu-
bigen erkaufte durch bittere Schmerzen unter der Dornenkrone,
und sofern das Christenthum ein glückseliges W^einland ist im
Vergleich mit der dornigen Wüste des Heidenthums. Das
ist schon vorgebildet in der grossen Weintraube, die nach
4. Mos. 13, 24. Josua und Caleb aus dem gelobten Lande in
die Wüste zurückbrachten, in der damals noch das Volk
Gottes umirrte.
Eine Weintraube ist häufig Attribut der heiligen Jung-
frau. Das Kind auf ihrem Schoosse greift darnach auf alt-
deutschen Bildern von Memling, Burgmayer. Das bezieht sich
auf den künftigen Opfertod des Heilands. Aus dem Grabe
der heiligen Maria Magdalena wuchs eine Weinrebe. Das
bezieht sich auf ihre Thränen, wie auf ihre guten Werke.
St. Felix von Nola lag als Christ im Kerker, da holte
ihn ein Engel ab, seinem halb entseelten, in eine Wüste ent-
flohenen Bischof Maximus beizustehen. Ringsum war nichts,
aber auf des Heiligen Gebet wuchs eine Traube an den
Wein. 549
Dornen und diente dem heiligen Maximus zur Labung,
14. Januar. — Der heilige Einsiedler Hilarius pflückte einmal
mit seinen Schülern Trauben ab, bewirkte aber, dass seitdem
noch viel mehr Trauben in dem Weinberge wuchsen, als
vorher. Leben der Altväter 1728, S. 28. — St. Gonsalvo
schlug mit seinem Stabe Wein aus einem Felsen. Der hei-
lige Wigbert zu Fritzlar drückte eine Traube in den Abend-
mahlskelch, als kein Wein da war, und bekam reichlich
Wein. Der heilige Excelsus wurde erschlagen und unter
einem Weinfass im Keller begraben. Dieses Fass wurde nie-
mals leer und dadurch entdeckte man den heiligen Leichnam.
Aber weder in der ihm geweihten Kirche St. Excelso bei
der Engelsburg in Rom, noch sonst w^o ist das Fass wieder-
zufinden. Dem heiligen Macarius wurde eine grosse schöne
Traube geschickt, er gab sie einem andern Mönche, dieser
wieder einem, bis sie an den heiligen Macarius zurückkam,
zum Beweis ihrer allseitigen Enthaltsamkeit. Silbert, Le-
genden IL 398.
Patron des Weinbaues ist der heilige Urban, Bischof
von Langres im öten Jahrhundert, der sich einst während
einer Christenverfolgung in Weinbergen versteckte, seitdem
aber selbst Hüter der Weinberge wurde, dieselben vor Hagel
beschützt, desgleichen auch noch den Wein im Keller vor
Schaden bewahrt. An seinem Tage (25. Mai) beobachtet
man sorgfältig das Wetter. Ist es hell, so wird der nächste
Wein gut, wenn trübe, schlecht. Vgl. Molani^ hist. imag.
286 f. Frank, Weltbuch S. 51. Haltaus, Jahrzeitbuch S. 105.
Curiositäten IV. 220. Journal von und für Deutschland
I. 423. III. 149. Man hat ihn mit dem Papst Urban I. ver-
wechselt und diesem zuweilen auch die Traube als Attribut
gegeben , aber mit Unrecht. Noch unpassender ist die Ver-
wechslung des Bischofs und Weinpatrons mit dem Mönch
Urbanus in einem Gedicht von Fr. Kind (Legenden 1846,
II. 496.). Dieser Urbanus hörte einen Vogel aus dem Para-
diese singen, folgte ihm nur auf eine Stunde, und als er
heimkehrte, waren Jahrhunderte verflossen.
550 Weiss.
Die protestantischen Weingärtner in Stuttgart haben einen
Becher, zierlich von Rebholz geschnitzt, der den Heiligen
darstellt, wie er eine Butte trägt. Die Butte ist von Silber
und dient als der Becher. Jährlich beim Fest der Wein-
verbesserungsgesellschaft kreist dieser Becher herum und ist
schon reich mit silbernen und goldnen Ehrenmedaillen und
ähnlichen Geschenken behangen. In der- Stuttgarter Stifts-
kirche findet sich noch die Statuette des Heiligen, ganz
überlaubt von Reben, die er segnet.
Weiss,
Farbe der Reinheit, daher werden die Gerechten im Himmel
dereinst weisse Kleider bekommen. Offenb. Joh. 3, 4. 18.
6, 11. Diese weissen Kleider sind rein gewaschen im Blut
des Lammes , daselbst 7, 14. Das heisst , durch den Opfertod
Christi ist die Befleckung der Sünde von den Menschen ge-
nommen. Dieser Symbolik gemäss gab man in den ersten
Jahrhunderten der Christenheit den Täuflingen nach der
Taufe weisse Kleider. Eben so den Todten im Sarge. Du-
randi, rat. VH. 35. 42. Binterim, Denkw. VI. 3. 387. Aus
demselben Grunde bekam auch der Priester das weisse Ober-
kleid {alba).
Weiss ist auch das Kleid Gottes selbst in der Offenb.
Joh. 1, 14. wie des Lammes und der Taube (Sohn und hei-
liger Geist), hier nicht blos als Farbe des Lichts, sondern
hauptsächlich als Farbe der vollkommensten Reinheit. Daher
ist auch auf Bildern der Verkündigung der Engel Gabriel
stets weiss gekleidet. Und die heilige Jungfrau selbst trägt,
wo sie nicht als Mutter und Himmelskönigin das rothe und
blaue tragen muss , das weisse Kleid , hauptsächlich als Jung-
frau vor ihrer Verlobung mit Joseph und wieder nach ihrem
Tode bei der Himmelfahrt. So malte sie Murillo in Sevilla.
Man darf hiebei nicht blos an das weisse Grabtuch denken.
Die Symbolik liegt hier tiefer.
f
Weltende. 551
St. Godoleva, die fromme Gemahlin Bertulfs, eines
Grossen in Flandern, wurde von diesem erwürgt, weil er
sie los seyn wollte, um besser seinen Lüsten nachgehen zu
können. Wo sie starb, wurde der Boden schneeweiss, zum
Zeichen ihrer Unschuld, und blieb weiss. 6. Juli.
Am weissen Sonntag haben in den ältesten Zeiten des
Christenthums die Neophyten (die zu Ostern Getauften) das
heilige Abendmahl empfangen und in weissen Kleidern einen
Umzug gehalten.
W e 1 t-
In einem altdeutschen Gedicht in von der Hagens Ge-
sammtabentheuern 70. erscheint Frau Welt vorn verführerisch
schön, hinten aber als scheussliche Verwesung. In diesem
Doppelsinn wird die Welt überall bald als die babylonische
Hure, Frau Yenus im Berge, bald wieder als ein stürmisches
Meer, als eine öde Wüste, als ein reissendes Thier etc. auf-
gefasst. Das i^ttribut der verführerischen Weltseite ist in
der Regel der Taumelkelch.
Weltende.
Die Apokalypse ist das grosse Gegenbild zur Genesis.
Wie dem lieblichen, sonnenhellen Morgen eine schreckliche
Gewitternacht oder dem linden Frühling die Sturm- und
Eiszeit des Winters, so steht hier der hoffnungsreichen Schö-
pfung die grimmige Zerstörung, der freudenvollen Geburt
der jammervolle Tod entgegen. In sieben Tagen schuf der
Herr Himmel und Erde , eine gleiche Zahl von Schalen seines
Zorns giessen die Engel aus, um dieselbe Welt wieder zu
verderben. Am ersten Schöpfungstage schied der Herr das
Licht von der Finsterniss und Hess in's Chaos den ersten
Strahl von Licht und Leben fallen. Statt dessen wird am
jüngsten Tage ein ungeheurer, allzerstörender Blitz vom
Herrn ausgehen und durch die ganze Welt sclilagen. Bei
552 Weltende.
der Schöpfung festete Gott am Himmel die Sterne , am Welt-
ende werden alle diese Sterne in einem grossen Regen nieder-
fallen. Bei der Schöpfung schied Gott die Elemente und liess
in jedem besondere Creaturen gedeihen, und gab die Erde
den Menschen zur Wohnung; am Weltende werden alle
Elemente vergiftet, Berge geschmolzen, alle W^ohnungen
zerstört, alles Leben vertilgt. — Vorbilder dieser letzten
Weltschrecken sind die Plagen in Aegypten, worüber schon
im Artikel Plagen gehandelt ist.
Beinahe in allen Kirchen wurde im deutschen Mittelalter
am Eingang der Sündenfall mit Adam und Eva, im Chor
das Weltgericht nach der Offenbarung Johannis gemalt. Auch
sind uns ungewöhnlich viel altdeutsche Gedichte vom Anti-
christ und vom Weltende erhalten. Schon Grimm (deutsche
Mythol. 158.) erkennt in dieser Vorliebe für die apokalypti-
schen Vorstellungen den Wiederschein einer nahe verwandten,
altern und heidnischen Anschauung, wie sie noch vollständig
in der Voluspa, dem ältesten Liede der Edda, erhalten ist.
Alle feindlichen Mächte erheben sich wider die Götter, alle
Elemente stürmen heran, das Meer steigt empor, die Erde
gibt alle Todten wieder, der Himmel bricht ein und Surtur
mit seinen Schaaren stürzt aus der . Feuerwelt herunter, die
ganze alte Welt zu verbrennen.
Wie die ältere mit der christlichen Vorstellungsweise sich
durchdrang, sehen wir aus Muspilli, dem Bruchstück eines
oberdeutschen Gedichts aus dem 9ten Jahrhundert, aufge-
funden in einer Emmeraner Handschrift der Münchner Biblio-
thek durch Schmeller und von ihm edirt 1832. Es ist in
Stabreimen gedichtet und beweist die frühe allgemeine Gel-
tung der Alliteration. Das Ganze war eine Schilderung des
Weltendes , die Apokalypse durchdringend mit Vorstellungen
der Voluspa. Muspilli selbst ist Muspelheim, das Feuerland,
der Antichrist Surtur, Elias Thor. Aus dem Umstand, dass
Elias, obgleich siegend, doch schwer verwundet wird, erkennt
man die alte Göttersage. — Auch in einem Gedicht des
Weltende. 553
Ambraser Liederbuchs S. 375 heisst es, dass Elias am jüng-
sten Tage kommen werde. In einer angelsächsischen Homilie
wird der Antichrist unmittelbar mit Thor und Wodan in
Verbindung gebracht. Grimm, deutsche Mythol. 773.
Altdeutsche Gedichte vom Antichrist s. in HofFmanns
Fundgruben IL 131. Haupts Zeitschrift VI. 369. Diemers
deutsche Gedichte 1849.
Eine im Ganzen wenig phantasiereiche Dichtung: „Die
fünfzehn Zeichen des jüngsten Gerichts/ kommt in zwei Re-
dactionen schon im 12ten Jahrhundert vor. Haupt, Zeitschr.
III. 526. Beide haben aus dem heiligen Hieronymus geschöpft,
in dessen uns erhaltenen V7erken aber das Gedicht nicht
vorkommt. Pfeiffer hat in Haupts Zeitschrift I. 117. das alt-
deutsche Gedicht von den fünfzehn Zeichen aus einer Münchner
Handschrift mitgetheilt. Darin heisst es: An einem Sonntag
wird ein solcher Schall und Ruf ergehen, dass das Meer
erschrecken und verschwinden wird. Am andern Tage aber
wird das Meer wiederkommen und sich hoch erheben wie eine
Mauer. Am dritten Tage verschwindet das Wasser wieder;
am vierten sterben alle zurückgebliebenen Fische; am fünften
vertrocknet Alles; am sechsten sterben alle Landthiere; am
siebenten alle Vögel; am achten vergehen alle Palläste und
Häuser; am neunten stürmen die vier Winde gegen einander
und reissen alle Bäume aus; am zehnten erheben sich 72 Winde
und stürzen die Berge um, dass Alles eben wird; am elften
erlöschen die Gestirne ; am zwölften sterben die letzten Men-
schen; am dreizehnten stehen aber alle Todten wieder auf;
am vierzehnten kommen sie alle zusammen und erkennen sich
wieder; am fünfzehnten stürzt das Feuer vom Himmel, um
die Erde zu läutern. — Die andere Redaction, s. das latein.
Gedicht einer Breslauer Handschrift in Haupts Zeitschrift
ni. 523, weicht nur wenig ab. Die bedeutendste Abweichung
ist, dass die Auferstehung erst nach der Feuerläuterung er-
folgt. Aehnlich in Volksliedern. Vgl. Wunderhorn III. 195.
Körner, Volkslieder S. 297. Grässe, Literärgeschichte 5. Band,
554 Weltende.
S. 151. Ein Gedicht von den fünfzehn Zeichen schrieb auch
der Spanier Berceo. Viardot I. 119.
In sehr ausschweifender Weise wird das Weltende in
den jüdischen und muhamedanischen Fabeln behandelt. Merk-
würdig erscheint, dass der Talmud einige Beziehungen
enthält, die in der christlichen Legende fehlen, obgleich sie
weit mehr der christlichen als jüdischen Symbolik entsprechen.
So die Sage von dem ersten der zehn Zeichen, die dem
Weltende vorhergehen werden, bei Eisenmenger, entd. Juden-
thum II. 696. Es werden nämlich, wenn der Welt Ende
naht, drei trugvolle Könige herrschen, die Alles verwirren,
und um diese Zeit wird sich ein Mensch von der äussersten,
scheusslichsten Ilässlichkeit sehen lassen. Das ist offenbar
das Gegenbild zu den heiligen drei Königen und zur Geburt
des Heilands , als des Schönsten unter allen Menschen. Jene
talmudistische Fabel gleicht einem schwarzen Spiegel , in dem
ein böser Dämon wohnt, der aber durch höhere Macht ge-
zwungen wird , in seinen Bilderreihen dem Evangelium, wenn
auch nur in Verzerrungen , zu folgen. — Phantastisch ist die
lithauische Voi'stellung von neun Nebensonnen, die vor dem
jüngsten Tage sollen sichtbar werden. Vgl. Hanusch, slav.
Myth. S. 273. Das Verschwinden des Regenbogens soll dem
Weltende als sicheres Zeichen vorhergehen. Vgl. den Artikel
Regenbogen. Das ist das Friedens - und Bundeszeichen. Die
Menschen haben den Bund gebrochen und der Friede Gottes
weicht von der Erde.
In neuerer Zeit hat Stehling ein „jüngstes Gericht^ ge-
dichtet, worin die Welt nicht in der Fülle ihrer Kraft und
Sünde durch Gottes Zorn zerstört, sondern gleichsam nur an
Alter und Entnervung abstirbt, wie eine alte Uhr stockt und
stehen bleibt. Die Sonne läuft nicht mehr , das Meer trocknet
aus. Als letzter Mensch bleibt der ewige Jude übrig. Da
brausen Meteore hervor und stecken die Erde in Brand. Der
Jude stürzt hinein. Die verbrannte Erde bleibt als Schlacke
zurück, in der Satan nunmehr bequem seine Residenz auf-
schlagen will. Da eröffnet Gott das Weltgericht , aUe Todten
Weltgericht. 555
stehen auf; der Tod selbst, der entwichen war, kommt
zurück , um — Satan zu tödten und stirbt dann selbst. Zum
Schluss allgemeine Amnestie und Versammlung der Menschen
in einer neuen Welt ohne Uebel. — Obgleich diese Dichtung
in der That sehr viel Schönes und Ergreifendes enthält, ist
sie doch unkirchlich.
Zweckmässig fällt das Andenken an das Weltende und
Weltgericht (Evangelium Matth. 24, 15 f.) auf den letzten
Sonntag des Kirchenjahres im Spätherbst, wenn auch dem
jährlichen Naturleben sein winterliches Ende naht. Vgl. Mone,
Schauspiele des Mittelalters I. 265. Strauss, Kirchenjahr
S. 374. 378.
Weltgericht.
Das „jüngste Gericht^^ oder Weltgericht erfolgt nach dem
Weltende, wenn die Todten wieder auferstehen. OfFenb.
Joh. 20, 13. Seine Darstellungen an der Hinterwand der
Kirchen gegenüber dem Eingang waren im Mittelalter sehr
beliebt. In der Vorhalle begann die kirchliche Wandmalerei
mit dem Sündenfall und endete hinter dem Altar mit dem
W^eltgericht , gleich der heiligen Schrift. In der griechischen
Kirche wird das Bild des Weltgerichts in die Vorhalle hin-
ausgerückt , was sie wesentlich von der abendländischen unter-
scheidet. Die Wandgemälde w^aren umfangreich, denn es galt
hier, Himmel, Erde und Hölle mit einem Blick zu übersehen.
Die gewöhnliche Eintheilung dieser Bilder ist: Oben
Christus im Himmel, in der Mitte der Erzengel Michael mit
der Waage, unten das Thal Josaphat, in dem die Todten
auferstehen: rechts sodann die aus den Gräbern bis zum
Himmel aufsteigenden Seligen unter Führung der heiligen
Jungfrau, links die aus den Gräbern in den Höllenrachen
verurtheilten und vom Teufel in Empfang genommenen Un-
seligen.
Der untere Theil des Gemäldes, die Grundlage des
Ganzen, ist das Thal Josaphat, nach Joel 3, 7. Vgl. 2. Chron.
20, 26. Zachar. 14, 4. Ausführliche Beschreibungen desselben
556 Weltgericht.
in Görres Volksbücliern S. 257. Phüonis magiologia p. 411.
Auf den Bildern ein gewöhnlicher Kirchhof, dessen Gräber
sich aufthun und aus dem die Todten bald als Gerippe , bald
schon mit Fleisch umkleidet , bald in vollendeter Lebensfülle
hervorgehen. Viele Maler haben in der Abstufung der Yer-
wesungsgrade und in der Treue der anatomischen Details ein
Verdienst gesucht, welches dem eigentlichen Geist und In-
teresse des Gegenstandes fern liegt. Näher liegt demselben
aber die Physiognomik, das Staunen, die Freude und der
Schrecken der aus den Gräbern Aufwachenden. Hiebei haben
die Maler darauf zu achten, dass der Richter gegenwärtig
ist und dass die Ehrfurcht vor ihm alle Privatempfindungen
der Auferstandenen beherrschen und zurückdrängen muss.
Weder die Seligfrohen, noch die Verzweifelten dürfen sich
geberden , als ob der Herr nicht dabei wäre. Auch Personal-
satyre, Porträts von Gegnern etc. hier anzubringen, halten
wir für nicht erlaubt und des grossen Gegenstandes für nicht
würdig. Der Maler selber soll von Ehrfurcht gegen den
Herrn durchdrungen seyn. Begreiflicherweise gehören auch
unschickliche Nuditäten nicht in die Kirche. Die Naivetät
des Mittelalters nahm es damit nicht zu genau, jedoch sind
Freiheiten wie die in der Kathedrale zu Albi unter allen
Umständen unstatthaft.
Richter beim "Weltgericht ist nicht der Vater, sondern
der Sohn. Joh. 5, 22. Vorbild des letzten Richteramts ist
sein Austreiben der Verkäufer aus dem Tempel. Auf den
Bildern, welche diese Scene darstellen, steht Christus mit
der Geissei in der Mitte und hat rechts das Heiligthum des
Tempels, links die Käufer, was dem Gegensatz von Himmel
und Hölle auf den Bildern des Weltgerichts entspricht. Vor-
bild des Weltgerichts ist auch Psalm 110, 6. Mystisches Bild
des richtenden Christus ist das thronende Lamm in der
Apokalypse. Der das Opfer war, ist auch der Richter. Das
Lamm Gottes , das der Welt Sünde trägt , in welchem Gottes
Leben sich hingab in des Menschen Tod, auf dass es die
Menschen fähig mache zum Antheil am göttlichen Leben,
Weltgrericht. 557
der Gekreuzigte allein kann richten über die Lebendigen und
Todten. Darum ist Christus auf Bildern des Weltgerichts
von einem Halbkreis von Engeln umgeben, welche die Pas-
sionswerkzeuge tragen. Der Blick des ewigen Richters ist
streng und schrecklich für die Verdammten. In dem schönen
Hymnus: Jucundantur et laetantur heisst es im 7ten Verse:
Timc qvi einn pvpuyertmt , cernent omnes impii
Throno iyneo subnixiim specie terribili
Mox occvlta sivgvlornm ctinctis patent cordium.
Diesen alldurchdringenden schrecklichen Blick des Rich-
ters pflegen die alten Maler nur durch das aus dem linken
Auge hervorstehende Schwert auszudrücken, wogegen sie aus
dem rechten Auge eine Lilie hervorgehen lassen. Das Schwiert
ist den Verdammten, die Lilie den Seligen zugewendet. So
auf dem berühmten Danziger Weltgericht, auf dem Bild
hinter dem Altar des ülmer Münsters, im Hospital zu Beaune.
Das Schwert ist gew^öhniich glühendrotlj. Vgl. die Artikel Lilie
und Schwert. Auf einem Bild zu Kentheim gehen dem W^elt-
richter zwei Schwerter aus dem Munde. Kunstbl. 1840, S. 402.
Christus thront auf dem Regenbogen. Vgl. diesen Artikel.
Er hat gewöhnlich den purpurnen Königsmantel über dem
blossen Leibe und segnet mit der rechten Hand die Seligen,
während er mit der linken die Verdammten abweist. Seine
Füsse stützt er auf die W eltkugel. Vgl. den Artikel Kugel.
Am Portal der Lorenzkirche in Nürnberg stützt er die Füsse
auf Sonne und Mond. Auf Bildern des W^eltgerichts in der
griechischen Kirche pflegt zu des Heilands Füssen ein Feuer-
strom zu entspringen , der sich nach links zu den Verdamm-
ten wendet. Auch Giotto hat diesen Feuerstrom noch zu
Padua gemalt. Kunstblatt 1832, Nr. 4. In dem weissen
Gewölk, aus dem der Regenbogen hervorgeht, erblickt man
die unschuldigen Kinder. Vgl. den Artikel Limbus. Unterhalb
des Gewölkes aber die posaunenden Engel , w^elche die Todten
erwecken.
In der Mitte unmittelbar unter dem Fusse des Heilands
tritt auf den Bildern der abendländischen Kirche in der Regel
558 Weltgericht.
der Erzengel Michael in riesenhafter Grösse als Vollstrecker
des göttlichen Urtheils hervor, in der griechischen Kirche
steht aber zwischen dem Richter und Michael noch das Kreuz,
zu dessen beiden Seiten Adam und Eva knieen. Das Kreuz
steht hier als Baum des Lebens an der Stelle des Erkenntniss-
baumes in den Bildern des Sündenfalls, und der Sündenfall
selbst wird als die erste Ursache bezeichnet, die das Welt-
gericht überhaupt veranlasste. Auf einem altdeutschen Bilde
in der Abel'schen Sammlung in Stuttgart hält der auf dem
Regenbogen thronende Gott Vater den Sohn am Kreuz vor
sich, der wie auf den Kreuzigungsbildern die Sonne zur
Rechten, den Mond zur Linken hat. Das ist ein Triumph
des Kreuzes im Weltgericht, und der Richter selbst erscheint
noch unmittelbar als der Gekreuzigte.
Michael ist gewöhnlich sehr gross , eine riesenhafte Figur
in der Mitte, vor der die andern in den Hintergrund zurück-
schwinden. Er trägt den goldnen Harnisch mit langem
Schwert und eine grosse Waage , auf deren sinkender Waag-
schale ein Seliger, auf deren aufsteigender ein Verdammter,
gewöhnlich schon in Gesellschaft von Teufeln, sitzt. Das
Sinken der Waagschale zur rechten Seite bedeutet hier immer
das Uebergewicht der göttlichen Gnade, so dass der Teufel
trotz seiner Gewalt doch eigentlich im Nachtheil bleibt. Vgl.
die Artikel Michael und Waage. Auf Bildern der griechischen
Kirche steht dagegen unter dem Heiland das Kreuz, neben
dem Adam und Eva knieen, und erst unter diesem kommt
Michael.
Zur Rechten des Heilands steht oder kniet die fürbittende
Maria. Ln Campo Santo zu Pisa sitzt sie ausnahmsweise als
Mitrichterin neben dem Heiland, um die Gnade neben der
Gerechtigkeit zu bezeichnen , beide in die gleiche Glorie ein-
gehüllt und von den zwölf Aposteln umgeben. Kunstblatt
1835, Nr. 96 f. Insgemein aber beugt sie sich von der
rechten Seite demüthig vor dem allein thronenden Sohne. Auf
einem Bilde von Aldegrever (Berliner Museum von Kugler
S. 176) ist ihr Gewand, wie auch das des ihr gegenüber-
Weltgericht. 559
stehenden Täufers vom Winde verweht, eine Bewegung, die
sich für den Himmel und für die Ruhe des Gerichts nicht
schickt. — Maria hat die Apostel zur Seite, wie der Täufer
auf der andern Seite die Propheten. Maria führt den Zug
der aufsteigenden Seligen an oder weist auf sie hin , empfiehlt
sie der Gnade des Sohnes. Im Mittelalter deuteten die Maler
den Himmel oder das neue Jerusalem auf der rechten Seite
des Bildes, wie auf der linken die Hölle ausdrücklich an.
Bald als eine Stadt, bald nur als einen Tempel, bald als
eine Sonne (im Ulmer Münster). Auf dem Danziger Welt-
gericht empfangen die nackten i\.uferstandenen auf der rechten
Seite des Bildes von Engeln weisse Kleider. Die alten Maler,
■welche die Seligen in naiver und demüthiger Freude malten,
thaten am besten. Die Neuern legen oft zu viel Prätension
in sie hinein , oder denken nur daran , hübsche nackte Figuren
zu gruppiren. Auf dem berühmten, durchaus im antiken Geist
aufgefassten Weltgericht des Michel Angelo entbehren die
Seligen jenes specifisch christlichen Ausdrucks von Heiligkeit
und inniger Andacht, ohne den man sie sich gar nicht vor-
stellen kann. Die Märtyrer zeigen ihre Wunden vor, wie
rebellische Prätorianer, die Lohn erzwingen wollen. Noch
grob sinnlicher als hübsche Fleischmassen sind sie im Welt-
gericht von Rubens gemalt. Cornelius, dem man nachsagt,
er habe in seinem Bild in der Münchner Ludwigskirche den
Michel Angelo nur raphaelisiren wollen, zeigt in seinen Se-
ligen eine zu wehmüthige , kühle Sentimentalität , die in ihrer
Anständigkeit doch zu sehr die innige Wonne vermissen lässt.
Da ist die kindliche Einfalt der Seligen bei Fiesole doch
ansprechender. Am wenigsten sind die modernen Auffassungen
zu billigen, in denen Privat- und Familieninteressen voran-
gestellt und selige Gruppen gemalt werden, die das frohe
Wiedersehen von Verwandten und irdischen Geliebten aus-
drücken. Man darf im Himmel nicht blos die Erde wieder-
finden wollen.
Auf der linken oder Schwertseite des Richters steht
Johannes der Täufer mit den Propheten und Patriarchen,
560 Weltgrericht.
das alte Testament vertretend, wie Maria das neue, auf der
Nachtseite der Welt und Geschichte, wie jene auf der Tag-
seite. Wie Maria den Uebergang des Menschen zum Engel
und zu Gott selbst bezeichnet, so Johannes in seinem Thier-
fell gleichsam den in der alten vorchristlichen Barbarei er-
folgten Uebergang des Menschen zum Thicr und zum Teufel.
Er, Johannes, ist die höchste und vollendetste Blüthe, zu
der die Menschheit auf der Nachtseite gedieh, so wie Maria
die höchste Blüthe der Menschheit auf der Lichtseite ist.
Zwischen Johannes oben und den Verdammten unten
findet keine Verbindung statt, Sie stehen nur auf der näm-
lichen Seite, sind aber getrennt durch die Wolkenschicht,
durch die posaunenden Engel und durch Engel mit Schwer-
tern, welche das Aufsteigen der Verdammten zum Himmel
abwehren. Nur vom linken Fuss des Richters selbst aus
findet in den Bildern der griechischen Kirche eine Verbin-
dung mit der Hölle statt durch den Feuerstrom, der von
ihm ausgeht. Zuweilen wird auch Michael in der Mitte mit
der höllischen Parthie noch speciell verbunden , indem erden
Drachen unter sich stösst.
Dem himmlischen Jerusalem gegenüber auf der linken
Seite bis in die linke Ecke des Bildes hinab liegt die Hölle,
in den altern Bildern meist der offene, riesenhafte Rachen
eines drachenartigen Thiers, in dessen Flammen schwarze
Teufel die nackten Verdammten hineinschleppen. W^ie in
der Physiognomie der Verdammten Reue, Verzweiflung,
Schrecken und der Ausdruck der verschiedenartigen Laster,
um derentwillen sie verurtheilt worden, die Aufgabe des
Malers sind, so in den Physiognomien und Gestalten der
Teufel höllische Bosheit, Schadenfreude, Grausamkeit. Man
wird unter den altern Bildern kaum eines finden, auf dem
nicht auch ein Papst, Cardinal, Bischof, Kaiser oder König
in die Flammen der Hölle kämen. Das war nichts weniger,
als Satyre, sondern zeigte in echt kirchlichem Sinn den so
oft vorkommenden Unterschied zwischen dem Stand und
der Person, der Pflicht und der Leistung. Uebertreibung,
Weltgericht. 561
Abslchtlichkcit , Satyrc und ein demokratisches Princip liegt
aber ohne Zweifel in dem Bilde zu Kamersdorf hei Bonn,
auf welchem die Hölle ausschliesslich mit vornehmen Herren
und Damen, der Himmel eben so ausschliesslich mit Armen
und Arbeitern erfüllt wird. Vgl. Schnaase im Taschenbuch
vom Rhein 1847, S. 207.
Es ist nicht noth wendig, auf Bildern des Weltgerichts
der Hölle einen Mittelpunkt zu geben in einem thronenden
Höllenfürsten, der sich (wie namentlich das grosse Bild von
Cornelius beweist) in seiner untergeordneten Stellung zum
Hauptbilde immer kleinlich ausnimmt. Orcagna suchte ihm
auf dem Bild im Campo Santo zu Pisa mehr Bedeutung zu
geben, indem er nach allen Seiten Flammenstrahlen von ihm
ausgehen liess. Rubens gab ilim Drachengestalt mit vielen
Köpfen, die nach allen Seiten die Verdammten aufschnappen.
Es genügt, indem das Hauptinteresse auf die Verdammten
gelenkt wird, nur untergeordnete Teufel als deren Schergen
und Henker zu malen. Gar zu viel Humor in diese hinein-
zulegen, schickt sich wegen des Ernstes nicht wohl, der die
Bilder des Weltgerichts umkleiden soll. Wenigstens darf der
Maler nicht auf lächerliche Effecte ausgehen, die den Haupt-
eindruck des ganzen Bildes verwischen. Doch ist der Humor
nicht zu missbilligen, der in den Teufeln die Engel äffen
lässt. Auf einem altdeutschen Bilde im Besitz des Herrn
Ephorus Hassler in Ulm ahmen posaunende Teufel höhnisch
das Posaunen der Engel nach. Wie allzu lustige Dinge, so
sollen auch allzu grässliche hier vermieden werden. Einige
Maler haben es darauf abgesehen, die abscheulichsten körper-
lichen Martern an Verdammten zu zeigen. Fehlerhaft, weil
unkirchlich und unbiblisch, ist der heidnische Charon auf
Michel Angelo's berühmtem Bilde. Hier sieht man keine
Auferstehung im Thal Josaphat, sondern Charon führt die
Todten auf einem Kahn über den Styx.
Menzel, chrUtl. Symbolik. II. 36
562 Widder.
Widder.
Das Lamm Gottes kommt auf Bildwerken auch als Widder
vor, denn es ist ein männliches Lamm, und die Hörner be-
deuten die göttliche Kraft. Vgl. den Artikel Hörn. Ein
Widder mit sieben Hörnchen und sieben Augen empfängt von
Gott das Buch mit den sieben Siegeln. Twiningj symb. pl. 11.
Wind,
Sinnbild der Sünde , theils wegen des wilden Daherstürmens,
theils wegen des leeren Inhalts. ,, Unsere Sünden führen uns
dahin wie der Wind.'^ Jesaias 64, 6. „Wer Wind säet, wird
Sturm erndten.^^ Hosea 8, 7. Inzwischen erscheinen die Winde
auch als Strafen Gottes, und werden insofern von Engeln
regiert. Offenb. Joh. 7, 1. — Piper (christl. Myth. IL 433 f.)
hat mit vielem Fleiss die altchristlichen Bildwerke verglichen,
auf denen Winde vorkommen. Dabei wurde gewöhnlich die
antike Eintheilung und Benennung der Winde zu Grunde ge-
legt, die Flügelgestalten der heidnischen Windgötter schwan-
den aber zu blasenden Köpfen zusammen , die am häufigsten
in den vier Ecken eines Bildes vorkommen, um die vier
Hauptrichtungen des Windes zu bezeichnen. Zuweilen blasen
sie auch auf Hörnern oder mit Blasebälgen. — Die sogenannte ,
Windrose ist wie der Zodiakus und später die Uhr an Kirchen
nur für bürgerliche Zwecke angebracht.
Wohlgeruch,
Sinnbild der Seligkeit. Wie die bösen Dämonen sich überall
durch den unheimlichen Geruch verrathen, so bezeichnet ein \
Wohlgeruch die Nähe der guten Geister. Durch Wohlgeruch
macht sich der Zustand der Heiligkeit, besonders in Gebet
und Ekstase , bemerklich. Hauptsächlich aber erst beim Tode
der Heiligen. In den Legenden kommt der Wohlgeruch
Wolf. 563
überwiegend erst zur Erscheinung beim Tode und an den
Gräbern und Reliquien^ weil der vollendete Zustand der Selig-
keit damit angedeutet wird. In diesem Sinne genoss grosse Be-
rühmtheit Hesdin, ein Kloster der Clarissinnen. Wenn hier eine
Nonne sterben sollte, durchdrang vierzehn Tage vorher das
Kloster ein herrlicher Wohlgeruch. P. Abraham a St. Clara,
Judas II. 293.
Wolf,
Vertreter der wilden Thiere im Gegensatz gegen das Lamm,
als den Vertreter der zahmen Thiere. Im Paradiese ruhen
beide friedlich beisammen. Jesaias 11, 6. 65, 25. Daher auch
Sinnbild des Antichristenthums im Juden- und Heidenthum
in demselben Sinne, in welchem das Lamm Sinnbild des
Christenthums ist. In der Handschrift der Herrad von Lands-
berg in Strassburg hat der heilige Apostel Paulus einen Wolf
und ein Lamm zum Attribut; das erste bezeichnet ihn als Saulus
vor, das andere als Paulus nach der Bekehrung. Dieselbe
Symbolik liegt auch dem „Wolf im Schafskleide '^ zu Grunde,
worunter unchristliche und gottlose Menschen verstanden
werden, die das Gewand des Priesters tragen, oder sich be-
sonders fromm anstellen. Auch die alte äsopische Fabel vom
Lamme, welches unten am Bache trinkt, und von dem oben
am Bache trinkenden Wolfe beschuldigt wird, es trübe ihm
das Wasser, leidet eine christliche Anwendung, zumal in
unsern Tagen, in denen die Kirche wieder oft genug be-
schuldigt worden ist, dem Staate das Wasser zu trüben,
während sie aufopfernd beflissen war, ihn von den schon
vorhandenen revolutionären Elementen zu reinigen.
In der Legende und demzufolge auf Kirchenbildern sind
Wölfe sehr oft Attribute von Heiligen, denn des Wolfes
Wildheit wird durch die Nähe des Heiligen überwunden und
in Lammesnatur umgewandelt. Vom heiligen Cadocus sagt
die Legende zum 24. Januar, er habe zwei reissende Wölfe,
die ihn angriffen, in Steine verwandelt. Noch viel öfter aber -
werden die Wölfe von Heiligen gezähmt, begleiten sie fortan
36*
564 Wolke.
und leisten ihnen Dienste. St. Hugo zwang einen Wolf, ihm
die Schafe zu hüten. St. Woldus im Kloster Altenburg zwang
den Woff j der den Klosterhund zerrissen hatte , fortan selber
dessen Dienst zu verrichten. St. Wilhelm von monte ver-
gine zwang einen , der seinen Esel zerrissen , statt dessen die
Steine zum Klosterbau herbeizutragen, 25. Juni. St. Simprecht
zwang einen, ein geliebtes Kind unverletzt zurückzubringen.
St. Ronan und St. Bernhard von Tironio desgleichen ein Schaf,
St. Vedastus eine Gans, St. Marcus der Einsiedler ein Wid-
derfell. Auch St. Remaclus bediente sich eines Wolfes beim
Klösterbau. Der h. Antonius führte einen Wolf zum h. Paulus
in der Wüste. Dem h. Franciscus folgte ein zahmer Wolf,
zwei der h. Radegundis. St. Torellus, ein Einsiedler von
Poppio in Toskana, einer der rauhesten Heiligen, trug nur
ein Fell mit Schweinsborsten, schlief auf Dornen unter einem
Haselbusch, fastete, geisselte sich etc. Sein einziger Umgang
war ein Wolf, den er gezähmt hatte. Er starb am 16. März
1282. — Auch kennt die Volkssage einsame Kapellen, in die
ein Lamm vor dem Wolf geflüchtet und wohin auch der
Wolf ihm nachgefolgt , von der Heiligkeit des Ortes ergriffen
aber ruhig wie im Paradiese bei ihm liegen geblieben sey.
Wolke,
Sinnbild des für den Menschen verschleierten, geheimniss-
vollen Gottes. D\q „Wolke im Heiligthum'^ zeigte die Nähe
Gottes an, 2. B. Mos. 33, 9. Vgl. den Artikel Weihrauch.
Daher ist auch auf alten Miniaturen eine aus Wolken hervor-
gereckte Hand das häufigste Sinnbild der göttlichen Allmacht.
Die Wolken am Himmel sind die natürlichste Verschleierung
des unsichtbaren Himmels. Daher sie von den Malern der
Himmelfahrt, des Weltgerichts etc. in der Regel als Grenze
zwischen Himmel und Erde aufgenommen werden. Doch unter-
scheidet sich der christliche Himmel in der Malerei von dem
antiken Olymp stets dadurch, dass seine heiligen Gestalten frei
in den Wolken schweben und nicht nur von Wolken umgeben
Wundenmale. 565
auf einem Berggipfel ruhen. — Sofern die Wolke fruchtbaren
Regen ausgiesst, wurde sie Sinnbild der guten Lehren, wie
der guten Werke. Episcopi nubes sunt, qui et verbis praedi-
cationis pluunt^ sagt Gregor der Grosse (IV. epist. 38). Viele
ähnliche Stellen aus Augustinus sind gesammelt bei Kreuser,
Kirchenbau II. 37. Die himmlische Sonne (Maria) zieht den
irdischen Sinn als Wolke zum Himmel empor und macht ihn
fruchtbar mit dem Regen der guten Werke. Conrad von
Megenberg, Buch der Natur 1482, Fol. 23. — Das Gewölk,
auf welchem Christus thront, ist von den Künstlern zuweilen
flammenartig gezackt worden. Vgl. Passavant, Kunst in Spa-
nien S. 73.
Wüste,
Gegenbild des paradiesischen Gartens, daher Vorbild der
Hölle und Sinnbild der gottverlassenen Menschheit. Auch
mitten in den grössten Städten und unter zahllosen Menschen
gibt es Geisteswüsten. So ist nach Jesaias 40, 3. der „Pre-
diger in der Wüste" zu verstehen. — Wie Christus und
Maria, wo sie immer wandeln, unter ihren Füssen Blumen
sprossen machen und ein Paradies um sich verbreiten, so
wird umgekehrt, wo der Teufel wandelt. Alles zur Wüste.
Daher alle bösen Geister in die Wüste gebannt werden, die
Wüste Aufenthalt vom Teufel ist. Wie Christus selbst, so
wurden nach der Legende die Einsiedler in der Wüste vom
Teufel versucht. In demselben Sinn ist die Wüste eine Probe
des wahren Glaubens. Der Mensch wird in die Wüste dieser
Welt gestossen, um seine Treue zu bewähren, auf dass er,
dem Heiland nachfolgend , die Teufel verjage und die Engel
kommen, ihm zu dienen, oder dass er wenigstens wie Hagar
für ihr verschmachtendes Kind das Erbarmen des Engels
erfahre.
Wundenmale.
Unter den fünf Wundenmalen des Heilands nimmt die
breite Seiten wunde , durch den Lanzenstich erzeugt , die Mitte
566 Wundenmale.
ein zwischen den zwei obern und zwei untern durcli die
Nägel hervorgebrachten kleinen Stichwunden. Christus selbst
ist auf Kirchenbildern mit diesen Wundenmalen überall dar-
gestellt, wo es sich vom Zeitpunkt nach der Kreuzigung
handelt, Scenen nach der Himmelfahrt nicht ausgenommen.
Im Himmel selbst noch zeigt der Sohn dem Vater die
Wundenmale. Auf Miniaturen, vgl. Waagen, Paris 317.
Am absichtlichsten werden die Wunden angebracht in den
Bildern, die den heiligen Thomas darstellen, wie er nicht
glauben will, der Herr sey auferstanden, und dieser ihn den
Finger in die Seitenwunde legen heisst.
Das Wunder der Stigmatisation wird am augenfälligsten
gemacht in den vielen Bildern, auf welchen der gekreuzigte
Heiland mit seinen fünf Wunden dem in Ekstase liegenden
heiligen Franciscus von Assisi in der Luft erscheint und
Strahlen aus allen fünf Wunden in die Seite, Hände und
Füsse des Heiligen von denen des Heilands ausgehen. Wie
wenn die Wolke von oben sich zum Meere herabsenkt und
dieses von unten zur Wolke hinaufstrebt und beide in ein-
ander wirbeln, so zeigt sich hier in den höhern Gebieten
des geistigen Lebens eine Begegnung des Obern und Untern,
ein Rapport der Andachtsgluth mit ihrem Gegenstande, wobei
die Nachfolge Christi im Geist sich auch leiblich zu erkennen
gibt und vornehmlich durch sympathetische Einprägung der
Wundenmale. Das ist die Stigmatisation, die zuerst dem
heiligen Franciscus widerfuhr, dann aber auch vielen andern
Heiligen , der h. Katharina von Siena , Ida von Löwen etc. ;
noch in neuerer Zeit der berühmten Nonne von Dülmen.
Vgl. Görres, Mystik H. 410 f. Blätter aus Prevorst H. 54.
Ennemoser, Geschichte des Magnetismus S. 195 f.
Auf einem alten Bilde in Gorkum sind die fünf Wunden
am Heiland selber deutlich als Rosen gemalt.
Die Seitenwunde des Heilands wurde verglichen mit der
Wegnahme der Rippe aus der Seite des schlafenden Adam.
Augustinus {de civit. Dei XXH. 17.) sagt, wie Eva aus Adams
Seite, so ging die Kirche aus Christi Seite hervor. Auch
Wurm. 567
die aus dem Felsen springende Quelle des Moses diente zum
Vorbild der Seitenwunde. Beide Vergleichungen, die Eippe
wie die Quelle, sind in der biblia pauperum gebraucht.
Heinecken, Nachrichten von Künstlern II. 25. Ein sehr
sinniges Vorbild der Seitenwunde enthält eine Erzählung des
evangel. infant. arah. c. 35. Judas Ischarioth war als Knabe
besessen und wurde von dem gleichfalls noch sehr jungen
Heilande geheilt, stiess ihn aber zuvor in die Seite, an die-
selbe Stelle, wohin später Longinus mit der Lanze stach.
In der christlichen Poesie werden die fünf Wunden mit
Rosen verglichen. Erst die spätem Herrnhuterlieder haben
eine Menge von andern Vergleichungen dafür gebraucht, die
keineswegs immer glücklich gewählt waren. Insbesondere
wurde die Seitenwunde missbraucht zu Vorstellungsweisen,
wie die von einer Grotte, worin man bade, von einem Bette,
worin man ruhe, von einem honigvollen Bienenstock, von
einem Nest etc.
Wurm,
Sinnbild der Reue, des bösen Gewissens. „Ihr Wurm wird
nicht sterben.'^ Jesaias 66, 24. Marcus 9, 44.
Ysop,
ein kleines, unscheinbares Kraut, das an Mauern wächst,
dem aber eine reinigende und heilende Kraft einwohnt, wes-
halb es von den Juden symbolisch zu Sprengwedeln im
Tempel benutzt wurde. 2. Mos. 12, 22. 3. Mos. 14, 4. Auch
brauchte man es bei Entsiindigungen und Sühnen, Psalm 51, 9.
Wegen seiner Bitterkeit reichte man es dem Heiland am
Kreuz mit dem Schwamm (nach Andern w^aren es Myrrhen).
Es dient nun nicht blos wegen seiner Bitterkeit zum Sinnbild
des bittern Leidens und Sterbens, sondern auch wegen seiner
ünscheinbarkeit zum Sinnbild der messianischen Demuth, so-
fern der Messias als Gott menschliche Natur annahm und
sich den Leiden derselben unterzog. Weil aber der Ysop
nach 1. Kön. 5, 13. aus den Mauern herauswächst und die-
selben mit seinen Wurzeln allmählig zerstört, verglich man
ihn mit dem Heiland, der nach und nach im harten Gestein
des menschlichen Herzens Platz greift und dessen Wüste zum
Garten Gottes macht. Hugo de S. Victore, de sacram. I. 7.
Vincent. Bellov. spec. nat. X. 168,
z
Zahl.
Was von Zahlensymbolik und Mystik im diristlichen
Gebrauche vorkommt, ist unter den einzelnen Zahlen be-
merkt. Im ^allgemeinen tritt diese Zahlenmystik in der
Kirche zurück und nur in den Sekten, nach dem Vorgang
der kabbalistischen und astrologischen Systeme der Juden
und Heiden mehr hervor. Die christliche Kirche legt der
Zahl nur Bedeutung bei, sofern die heilige Wesenheit sich
nur in dieser und keiner andern Zahl offenbart, aber sie
macht nichts heilig blos deshalb, weil es sich in eine be-
stimmte Zahl schickt. Das ist der Unterschied zwischen der
kirchlichen Zahlensymbolik einerseits und der häretischen und
heidnischen andrerseits.
In Volksliedern, Nachtwächtersprüchen etc. ist öfters die
Reihenfolge der Zahlen biblisch gedeutet worden: Eins ist
Gott , zwei sind Tafeln Mosis , drei sind Patriarchen , vier
Evangelisten , fünf Wunden Christi , sechs Weinkrüge von
Cana, sieben Sakramente, acht Seligkeiten, neun Engelchöre,
zehn Gebote, elf tausend Jungfrauen, zwölf Apostel. Ziska,
Volksmärchen S. 95, dessen Volkslieder 1844. S. 35.
570 Zahn.
Zahn.
Simson liess aus einem Zahn des Eselskinnbackens, mit
dem er die Philister erschlagen hatte, eine Quelle fliessen.
Darin sieht Rupert von Deutz, op. p. 256, ein Sinnbild aller
heiligen Reliquien (der Knochen der Heiligen) und ihrer
Wunder. — Ein von einer Zange gehaltener Zahn ist At-
tribut der heiligen Apollonia, weil man ihr als Märtyrerin
die Zähne ausriss. Sie wurde daher auch Schutzpatronin
gegen Zahnweh. Auch der heiligen Augusta wurden die
Zähne ausgerissen. 27. März.
Zange,
als Marterinstrument Attribut vieler Heiligen , die mit Zangen
zerrissen wurden, des heiligen Felicianus, Pelagius, der hei-
ligen Agatha, Charitina, Christina, Macra, Martina. Als
Handwerkszeug Attribut der Heiligen Apelles, Baldomer und
Elysius, welche Schmied, Schlosser und Goldschmied waren.
Auch Attribut des heiligen Dunstan , der den Teufel mit der
Zange an der Nase packte.
Zehn,
heilige Zahl bei den Juden , wie auch bei den Heiden. Vor-
zugsweise die runde Zahl , Princip des Decimalsystems. Vgl.
Bahr, mosaischer Cultus I. 175 f. v. Bohlen, Genesis S. 67.
Die Mystik der Zahl 10 ist am weitesten getrieben worden
in der jüdischen Kabbalah. Darin spielen die drei obern und
die drei untern Kräfte (3 -|- 7 = 10) oder Sephiroth die Haupt-
rolle. Vgl. Blätter für höhere Wahrheit IV. 107. Das geht
aber die christliche Symbolik nichts an. Wir haben von Moses
nur adoptirt die zehn Gebote und die zehn Plagen Aegyptens,
von Abraham aber den Zehnten, den er zuerst an den Priester
Melchisedek gab. 1. B. Mosis 14; 20. 5. B. Mosis 14, 22.
ZlnsgrroBChen, der. 571
Ziegel,
Attribut des heiligen Eusebius von Samosata, weil ihn die
Arianer mit einem Ziegel steinigten. Auch des heiligen An-
tonius von Padua, weil der Ziegel , auf dem er, fälschlich
angeklagt, vor Gericht kniete, zu wackeln anfing und sich
nie wieder fest machen liess. P. Abraham, Judas I. 397.
Zinsgroschen, der.
Als Jesus nach Jerusalem gekommen war und das allge-
meinste Aufsehen erregte, beriethen sich die Schriftgelehrten,
Pharisäer und Sadducäer, wie sie ihn beschämen und in der
Meinung des Volkes vernichten wollten. Da traten zuerst die
Pharisäer heuchlerisch an ihn heran, rühmten und priesen
ihn und stellten ihm die verfängliche Frage: ob man noch
ferner dem römischen Kaiser Zins zahlen solle (oder ob es
schon an der Zeit sey , sich etwa unter seiner Herrschaft für
unabhängig zu erklären)? Hätte er gesagt, man solle den
Römern nicht mehr zinsen. So hätten sie ihn als Rebellen
denuncirt. Hätte er aber gesagt, man solle zinsen, so hätten
sie ihn beim Volke, das von ihm die politische Befreiung und
weltliche Emancipation hoffte, verdächtigt. Jesus aber sprach:
,,Zeiget mir einen Zinsgroschen!" und als er ihn erhielt, frug
er: „Wessen ist das Bild darauf?" Die Pharisäer antwor-
teten: „Des Kaisers." „Nun also," sprach Jesus, „so gebet
dem Kaiser was des Kaisers, und Gott was Gottes ist."
Matth. 22, 15 f. Marc. 12, 13. Lucas 20, 19. — Das ist das
Fundament der christlichen Lehre vom Verhältniss des Staats*
zur Kirche.
Das berühmteste Bild vom Zinsgroschen ist das von Ti-
tian in Dresden. Jesus überrascht eben die Pharisäer mit
seiner Erklärung , indem er sie ruhig und fest mit der ganzen
Ueberlegenheit seines Geistes und doch ohne alle Ostentation
anblickt, sie aber die getäuschte Ei:wartung ausdrücken.
572 Zügel.
Während sie hofften, ihn zu berücken, sehen sie sich selbst
beschämt, und die höhnische Freude erscheint auf einmal als
verschmitzte Dummheit. Die Pharisäer haben übrigens hier
von Natur edel angelegte und nur durch ihre Laster corrum-
pirte Gesichter (vgl. Mosen, Dresdner Gal. 32.). Ein Bild
von Prete Genovese im Pallast Durazzo in Genua fasst den
ersten Moment der Frage auf und legt in die Gesichter der
Pharisäer die lauernde Schadenfreude.
Ein Bild des Zinsgroschen malte auch Rubens schön und
grossartig, aber viel zu theatralisch. Während Titian auf die
geistreichste Weise die feine Hand des Heilandes nur dem
Zinsgroschen nähert, ohne ihn zu berühren, lässt Rubens ihn
den Zinsgroschen mit Pathos in die Höhe heben und decla-
miren: „Gebt dem Kaiser etc.^ Nach dem Kunstblatt 1823.
Nr. 72. scheint sich dieses Bild in Königsberg zu befinden.
Zügel,
Attribut der temperantia, dadurch unter den christlichen Tu-
genden kenntlich. Das wilde Ross der Begierde wird gezügelt.
Zunge.
,,Ein kleines Glied und richtet grosse Dinge an. Ein klein
Feuer und welchen Wald zündet es an? Ein Feuer, eine
Welt voll Ungerechtigkeit. Alle Thiere und Meerwunder
werden gezähmt , aber die Zunge kann kein Mensch zähmen,
das unruhige Uebel voll vom tödtlichen Gifte. '^ Jacobi 3,
5 — 8. — Bei der Ausgiessung des heiligen Geistes empfingen
die Jünger feurige Zungen, auf vielen Bildern fallen Flämm-
chen gleich feurigen Zungen auf sie nieder. Das ist die von
jener Erbsünde rein gewordene, nur noch dem göttlichen
Wort dienende Zunge. Wer von Gottes Geist voll ist, be-
darf nicht einmal der irdischen Zunge. Der heilige Aigulf
und der h. Romanus predigten noch fort, die h. Christina
sang noch fort, obgleich ihnen die Zunge ausgerissen war.
Zwölf. 573
Auch dem h. Livinus wurde die Zunge ausgeschnitten, und
dem h. Placidus.
•
Zwei.
Der Dualismus tritt in der christlichen Symbolik bei
weitem hinter der Trinität zurück. In der Regel handelt es
sich hier nur von einem massenhaften Gegensatz des Him-
mels und der Erde oder des Himmels und der Hölle, der
Tugenden und Laster, des Reiches Gottes und der Welt, des
Christenthums und Heidenthums (oder Judenthums) etc. ; oder
um eine Parallele, das alte Testament neben dem neuen, die
Propheten neben den Aposteln. Darauf wird denn auch in
der Baukunst, wo der Gegensatz zweier Seiten oder die Zu-
sammenfügung zweier Glieder symbolisch gedeutet werden
soll, Rücksicht genommen. Thürflügel z. B. stellen das alte
und neue Testament dar. An den durch die Pforte geschie-
denen Seiten stehen die klugen Jungfrauen hier, die thörichten
dort. Vgl. Kreuser, Kirchenbau I. 520. Die Zweiheit wird
auch oft durch Kreuzung ausgedrückt. So sind die beiden
Schlüssel Petri stets über das Kreuz gelegt.
Zwölf,
eine heilige Zahl bei den Christen, wie bei den Juden und
Heiden. Sie eignet sich für eine Menge von Verhältnissen,
indem sie eine gewisse Mitte zwischen viel und wenig ein-
nimmt und hauptsächlich, weil sie mit den zwei Hauptzahlen
drei und vier zugleich dividirt werden kann. Sie findet sich
daher in Naturverhältnissen, wie in geschichtlichen und in
Religionssystemen, ohne dass darum ihr Vorkommen hier von
ihrem Vorkommen dort abgeleitet zu werden braucht. Die
zwölf Monate z. B. sind vielleicht auf die zwölf Hauptgötter
der Heiden, aber schon nicht mehr auf die zwölf Stämme
der Juden, und nur mit symbolisir ender Absichtlichkeit, aber
keineswegs aus einer innern Nothwendigkeit auf die zwölf
Apostel zu beziehen. Die Zwölf als Grundzahl des neuen
574 Zwölt
JervsaJcm ncist mof die .^^postel zurück. Oöenb. Joh. 21. 12
Die ricnmdirwaiizig Aeltesten derselben Offenbarung sind zu-
sanuncngeMimi «b den r^olf Söhnen Jacobs des alten Testa-
ments und »OS den Äwolf Aposteln des neuen . nach Ditrandi,
raL L 3^ & — Für christliche Symbolik bedeutsam ist die
Muhiplicaition der 3 mit der 4 in der 12. Drei ist nemlich
die Zahl der GotÜi^, xier die Zahl der TVelt, die somit in
der Zwölf sich ToUkommen durchdringen. Vgl. Bahr, mo-
suscher Cnhus L 201 t Diese Durchdringung ist zu unter-
adieidcn tosbl ihrer blossen Addirung beider in der Zahl
Sdwn»
Heiligen-Register. "^0
Abdon, siehe Löwe Th. IL S. 39.
Schwert 359.
Accursius, Schwert IL 359.
Ada, Rose IL 282.
Adalbcrt von Prag-, Keule 474.
Ochs IL 166. Regen 264.
Adelehiius, Lanze IL 9.
Adelgunde, Fhiss 299. Schleier
IL 332. Taube 437.
Adelheid, Eis 232. Hirsch 405.
Adelrand, Schwalbe IL 352.
Adjutor, Kette 474.
Adrian, Ambos 53. Erdbeben 25L
Hand 370. Taube IL 443.
Aegidius, Hirsch 405. Lilie IL 32.
Aemilianus, Balken 104. Baum
119. Löwe IL 39. Schlange 332.
Aeolus, Rose IL 284.
Afra, Baum 120. Feuer 282.
Agapa, Topf IL 504.
Ag-apitus, Feuer 282.
Agatha, Aussatz 95. Brust 158.
Feuer 284. Schleier IL 332.
Topf 504. Zange 570.
Agatha a Crucc, Schmach IL 336.
Agathon, Kreuz 534. Kuss 538.
Agathopidus, Mühlstein IL 149.
Agilolf, Falke 267.
Agnafletis, Kohlen 503.
Agneda, Brust 159.
Schwan
Agnes
Agnes von St. Angelo,
IL 357.
Agnes von Böhmen, schweben IL
353.
Agnes a Jesu, Pferd IL 220.
Agnes a Monte Pulciano, Abend-
mahl 12.
Agnes von Venosa, Feuer 283.
Agricolus, Storch IL 418.
Aidanus, Baum 120. Regen IL 264.
Wasser 534.
Aigulf, Predigt IL 240. Zunge 572.
Albanus a rupe, Brust 158.
Albanus, Kopf 506.
Albert, der Einsiedler, Brodt 153.
Hase 374.
Albert von Ogna, Abendmahl 12.
Glas 336. Sense IL 365. Stein
409.
Albert Siculius, Lihe IL 33.
Albert von Vercelli, Messer IL 126.
Albinus, Regen IL 264.
Aldegunde, Wasser IL 534.
*) Es sind darunter auch einige wenige Namen von niclit heilig, sondern nur selig
Gesprochenen, ihrer Bedeutung in der Legende und Kirchenmalerei wegen auf-
genommen worden.
576
Heiligen- Regist er.
Alena, Arm 82.
Alesio Falconieii, Taube IL 443.
Alexander, Alter 52. Kopf 505.
Rose IL 284. Schwert 358.
Alexander der Papst, Kette 474.
Alexander der Akömet, Räuber IL
257.
Alexander von Haies, Hostie 418.
Alcxius, Treppe IL 507.
Aleydis, Abendmahl 12.
Aloysius Gonzaga, Lilie IL 33.
Amabilis, Sonnenstrahl IL 394.
Amadeus, Handschuh 372.
Amalberga, Fisch 290.
Amandus, Räuber IL 257.
Amanlius, Pech IL 206.
Amatus, Sonnenstrahl IL 394.
Ambrosius, Bienen 131. Geissei
321. Kirchenväter 489.
Ambrosius von Sicna, Braut 150.
Ammon, Drache 211.
Anastasia, Brust 158. Feuer 282.
Anastasius, Hand 371.
Anatolia, Fackel 266. Schlang-e
IL 331.
Anatolius, Kohlen 504.
Andreas, Apostel 59. Pferd IL 222.
Andreas von Sales , Hagel 365.
Schmach IL 335.
Andromarus, blind 138.
Andronicus, Löwe IL 39.
Angela von Foligno, Abendmahl 12.
Auge 93. Hostie 419. Schwere
IL 416.
Angelus, Beil 123. Fisch 191. Li-
lie IL 33. Predigt 241.
Anna 62.
Anna Almeida, Löwe IL 39.
Ansovinus, Korn 509. Scheuer IL
320.
Anthemus, Schuh IL 352. Schwert
258.
Antipas, Ochs IL 166.
Antonia, Fass 269.
Antoninus, Waage IL 530.
Antonius der Grosse 67.
Antonius von Padua, Bienen 130.
Esel 255. Fisch 290. Frosch 302.
-^ Hostie 420. Lihe IL 33. Thiere
481. Ziegel 571.
Apelles, Schmied IL 337. Zange 570.
ApoUonia, Zahn IL 570.
Apollinaris, Keule 474. Korn 508.
Rabe IL 255.
Apollinaris, Verkleidung- IL 514.
Appia, Stein IL 409.
Aquilina, Ohr IL 172.
Aquilinus, blind 137. Schwert IL
359.
Arcadiua, Keule 474.
Ariadne, Fels 279.
Arnold, Drache 211. Fisch 292.
Arnulfus, Baum 120.
Artemius, Schwert IL 359.
Athanasia, Stern IL 416.
Athanasius, Cypresse 199. Taube
IL 439.
Attracta, Hirsch 406. Thiere IL 481.
Aug-usta, Zahn IL 570.
Augustinus, Feig-e 278. Herz 390.
Kirchenväter 491. Taube IL 439.
Aurea, Lanze IL 10. Mühlstein 149.
Austerberla, Fluss 299.
Auxilius, Ameise 54.
Aventinus, Thiere IL 481.
Avitus, taubstumm IL 446.
Babolenus, Mauer IL 115.
Balbina, Kette 474. Kropf 533.
Baldomer, Vogel IL 527. Zange 570.
Balthasar 499.
Barbanaria, Schnee IL 339.
Barbara 105.
Barlaam, Hand 371.
Bartholomäus, Apostel 110.
Bartholomäus Cerverini, Kreuz 522.
Basilius, Kopf 505. Taube IL 439.
Basiliscus, Baum 119. Platane IL
239.
Basilissa, Brust 158.
Basilius, Delphin 208.
Basolus, Bär 103.
Bassus, Nagel IL 155.
Bavo, Baum 119.
Beanus, Vögel IL 527.
Beata, Kette 474.
Beatrix, Herz 390.
Beatus, Drache 211.
Beda, blind 137. Predigt IL 240.
Bellanda, Kerze 473.
Benedek, Beutel 127. Brücke 154.
Benedikt, Adler 34. Beil 123. Dor-
nen 208. Glas 336. Heuschrecken
392. Kelch 469. Rabe IL 254.
Benedikta, Kreuzigung 528.
Benignus, Fahne 267. Hund 424.
Löwe IL 39. Schlüssel 334.
Benno von Meissen, Fisch 292.
Schlüssel IL 335.
\
Heiligen-Register.
577
Benno von Osnabrück, Heuschrek-
kcn 392.
Berach , Schnee II. 339.
Bercarius, Beil 123.
Bernhard, Bienen 131. Brust 158.
Eiche 229. Hase 374. Hund 424.
Maria II. 106. Rad 256.
Bernhard von Constanz, Spinne
IL 402.
Bernhard von Tironio, Wolf IL 564.
Bernhardin, IHS 444. Sonne IL 341.
Berlulf, Adler 34. Blitz 140.
Bibiana, Hand 371. Opfer IL 174.
Bieuzy, Kopf 504.
Blandina, Ochs IL 166. Thier 482.
Blasius, Hals 367. Hechel 375. Kerze
473. Löwe IL .39. Thiere 482.
Bonaventura, Abendmahl 12. Engel
249.
Bonifacius, Buch 159. Fuchs 304.
Rabe IL 254.
Bonifacius von Russland, blind 138.
Bonizella, Biene 130.
Borromeo, s. Carlo.
Bova, Schleier IL 333.
Brandanus, Fisch 290. Geruch 333.
Schiff IL 321. Vog-el 527.
Brig-ida, Aug-e 94. Ente 250. Feuer
284. Fuchs 303. Gans 310.
Brigitla, Geruch 334. Herz 389.
Kopf 505. Kranz 510. Pilger IL
236. Scheuer 320.
Briocus, Säule IL 297.
Britius, Kohlen 503.
Britta, Dornen 208.
Bruno, Esel 256. Fluss 299. Kreuz
522. Palme IL 184. Stern 416.
Cadocus, Wolf IL 563.
Cäcilia 163. Armuth 84. Bad 102.
Engel 249. Orgel IL 174.
Cajus, Schwert IL 358.
Calistratns, Delphin 204.
Calixtus, Mühlstein IL 149.
Caninus, Spinne IL 403.
Canut, Lanze IL 10.
Capitoleon, Auge 94.
Capistranus, Fahne 267. Kreuz 522.
Leichnam II. 21.
Caprarius, Fuss 308.
Carlo Borromeo, Pest IL 210.
Carterius, Engel 249.
Casilda, Rose IL 282.
Menzel, christl. Symbolik. II.
Caspar 499. Strauss IL 418.
Cedmon, singen IL 383.
Cerbonius, Bär 102-
Ceroyra, Bär 102.
Chalcedonius, Kopf 505.
Charalampius, Pferd IL 222.
Charitas 338. Granate 359.
Charilina, Feuer 282. Zange IL 570.
Charilon, Räuber IL 258. Schlange
332
Chris tina, Eiche 229. Löwe IL 39.
Magd56. Mühlstein 149. Schlange
331. Zange 570. Zunge 572.
Christina mirabihs, Vögel IL 527.
Christoph 174.
Chrysanthus, Fackel 266. Kette 474.
Chrysogonus, Fisch 290.
Clara, Crucifix 199. Dreieinigkeit
214. Herz 389. Monstranz IL 138.
schweben 353.
Clareta, blind 138.
Clemens, Acker 62.
Cletus, Blut 145. Geld 325.
Cölestinus, Glocke 342. Taube IL
439.
Coleta, Aussatz 95. Geruch 333.
Lerche IL 24.
Colganus, Fisch 291.
Colomanus, Baum 119. Ente 250.
Geburt 314. Gürtel 362. Räuber
IL 258.
Columba, Bär 102. Feuer 282.
Finger 285.
Columba von Rieti, Abendmahl 12.
Taube IL 444.
Columban, Bär 102. Blumen 142.
Kette 474. Sonne IL 391.
Comgallus, Fisch 291. Milch IL
132. Topf 504. '
Conon, Fuss 305.
Conrad, Fisch 291.
Conrad von Constanz, Kelch 469.
Conrad, Cardinal, Finger 285.
Constantius, Lampe IL 9. Schwert
358.
Corbinianus, Adler 34. Bär 103.
Cornelius, Schwert IL 358.
Corona, Baum 120.
Coronatus, Lanze IL 10.
Cosmas undDamianus, Büchse 160.
Krankheit 510.
Cospianus, Geld 325.
Cuanus, Hirsch 406.
Cunibert, Taube IL 438.
Cuthbert, Adler 34. Säule IL 297.
Schwan 352.
37
578
Heiligen-Register.
Cyprianus 200. Schwert IL 358.
Cyriacus, Drache 211. Stah IL 407.
Teufel 478.
Cyrilla, Hand 371. Opfer IL 174.
Dagobert, Na^el IL 155.
Damianas, Büchse 160.
Dardulacha, Kohlen 503.
Daria, Löwe IL 39.
David, Bienen 131. Handschuh 372.
Predigt IL 240. Sonnenstrahl 394.
Taube 439.
Demetrius, Lanze IL 10.
Deodatus, Kropf 534.
Desiderius, Schwert IL 358. Strick
419.
Didymus, Schlange IL 331. Thiere
480.
Digma, Teufel IL 478.
Dionysius, Kopf 506.
Dismas, Schacher IL 316.
Domicilla, Kessel 473.
Dominica, Abendmahl 12. Seele
IL 475.
Dominicus, Biene 131. Brust 158.
Geburt 315. Hund 424. Kerze
473. Kind 477. Sperling IL 400.
Teufel 478.
Domitian, Drache 211.
Domno, Kopf 505.
Donatianus, Lanze IL 10.
Donatus, Bär 103. Blitz 140. Drache
211. Glas 336. Kelch 470. Rad
IL 256.
Dorothea, Apfel 71. Braut 150.
Rose IL 283.
Drogo, Hirl 407.
Dunstan, Teufel IL 478. Zange 570.
Ecianus,?Hirsch 406. Pflug IL 224.
Edeltrudis, Hals 368.
Edigma, Baum 119. Weide IL 535.
Editha, Mond IL 136.
Edmund, Geburt 314. Pfeil IL 219.
Eduard, Baum 120. Kelch 470.
Kropf 533.
Elenara und Sponsaria, Schwert
IL 359.
Elenus, Mantel IL 75.
Eleutherius, Aussatz 95. Ochs IL
166.
Eligius, Gold 346. Schmied IL 337.
Elina, Finger 285.
Ehp, Kopf 506.
Elisabeth, Armuth 84. Aussatz 95.
Korb 508. Krone 532. Mantel
IL 76. Rose 282.
Elisabeth von Portugal, Ofen IL 172.
Elmo 235.
Elysius, Zange IL 570.
Enicrita, Schleier IL 333.
Emmeran, Fluss 299. Lanze IL 11.
Leiter 24. Schift' 322.
Emilion, Schwein IL 355.
Engratia, Asche 86. Nagel IL 155.
Enora, Brust 158. Milch IL 132.
Enseus, Lilie IL 33.
Epimachus, Nagel IL 155.
Epiphanius, Auge 94.
Epistene, blind 138. Nacktheit IL
154.
Erasmus, Drache 211. Elmsfeuer
236. Gedärme 319. Kette 474.
Löwe IL 39.
Ethelwald, Adler 34. Fahne 267.
Eudoxia, Abendmahl 12. Drache
212. Hostie 422.
Eugendus, Geruch 334.
Eugenia 256. Verkleidung IL 514.
Eugenius, Keule 474.
Eulalia, Kreuzigung 528. Taube
IL 443.
Eulogius, Aussatz 95. Lanze IL 10.
Euortius, Taube IL 439.
Euphemia, Bär 102. Erdbeben 251.
Lanze IL 10. Löwe 39. Magd 56.
Schwert 359. Thiere 482.
Euphrasia 258.
Euphrosyna, Verkleidung IL 513.
Eusebia, blind 138.
Eusebius, Glas 336. Keule 474.
Sichel IL 376. Ziegel 571.
Eustachius, Crucifix 199. Hirsch
406. Ochs IL 166.
Eutropia, Fackel 266.
Eutropius, Baum 199. Fuss 305.
Evaristus, Schwert IL 358.
Evasius, Brunnen 156. Schwert IL
358.
Evermarus, Hirsch 406.
Excelsus, Wein IL 549.
Fabianus, Taube IL 439.
Falconia, Kreuzigung 528.
Heiligren -Regist er.
579
Fausta, Kessel 473.
Fauslinus, Lilie IL 33. Löwe 39.
Felieianus, Hirsch 405. Löwe IL 39.
Zan^e 570.
Felicitas, Geburt 315. Kiiss 540.
Mutter II. 150.
Felix, Hirsch 406. Kopf 506. Nim-
bus II. 163. Schwert 358. Spinne
403. Wein 549.
Feng-ar, Hirsch 406.
Fiacre , Gärtner 309.
Fides, Glaube 338.
Fides, Mohrin IL 275.
Filumena, Pfeil IL 219.
Fina, Blumen 142.
Fingar, Stab IL 406.
Finianus, Finger 285.
Fir.mius, Schwert IL 358.
Flavianus, Schwert IL 258.
Flores. Hirt 407. Sonnenstrahl
IL 394.
Florentius, Bär 103.
Florianus, Feuer 284. Mühlstein
IL 149. Pferd 221.
Florus , Adler 34.
Foillanus, Licht II. 30.
Franchea, Schleier IL 333.
Francisca, Engel 249. Lilie IL 33.
Monstranz 138.
Franciscus von Assisi, Armulh86.
Aussatz 94. Crucifixl98. Dornen
208. Eiche 229. Engel 249. Fuchs
303. Hase 374. Kind 477. Krippe
529. Lamm IL 8. Lerche 24. Pal-
me 182. Rose 283. Schwalbe 352.
schweben 353. Schwert 359. Thie-
re 481. Vögel 527. Wolf 564.
Wunden 566.
Franciscus a cruce, Kreuz 521.
Franciscus von Fabriano, Scorpion
IL 359.
Franciscus de Grotli, blind 138.
FranciscusOvarius, Veilchen IL 5 13.
Franciscus de Paula, Geld 325.
Mantel IL 75.
Franciscus von Sales, Dornen 209.
Herz 390.
Franz Xaver, Erdbeben 251. Kreuz
522. schweben IL 353.
Fridolin, Leichnam IL 21.
Friedrich von Utrecht, Schwert IL
359.
Frinnius, Bär 103.
Frontasius, Kopf 506.
Fructuosus, Feuer 283. Hase 374.
Fulbert, Brust 158.
G
Gabriel 308.
Galla, Bart HO.
Gallicanus, Lanze IL 10.
Gallus, Bär 103- Pilger IL 236.
Gandolf, Schwalbe IL 352.
Gaucherius, Glocke 342.
Gebhard, Fluss 299.
Geminianus, Erdbeben 251. Spie-
gel IL 402.
Genesius, Schauspieler IL 318.
Gengulf, Lanze IL 10.
Genoveva, Engel 249. Hirt 407.
Lamm IL 8. Lampe 9. Teufel 478.
Genoveva, Hirsch 405. '
Genulf, Fuchs 304.
Georg 325.
Georgia, Taube IL 438.
Gerardesca, kniecn 495.
Gerasimus, Löwe IL 39.
Gereon, Brunnen 156. legio IL 18.
Gcrius, Bär 103.
Gerlach, Asche 86. barfuss 108.
Baum 119.
Germanus, Mauer IL 115.
Gertrud, Lilie IL 33. Maus 116.
Gertrud von Osten , Brust 158.
Herz 389.
Gervasius, Keule 474.
Gildas, Mühle IL 148.
Glyconia, Löwe IL 39.
Goar, Hirsch 405. Sonnenstrahl
IL 394. Topf 504.
Gobdeleas, Pferd IL 221.
Gobinate, Bienen 131.
Godcrich, Schlange IL 332. Thiere
481.
Goericus, Auge 94.
Gonsalvus, Fels 279. Wein IL 549.
Gottfried von Amiens, Hund 424.
Gotthard, Fluss 299.
Gregor der Grosse, Hostie 418.
Kirchenväter 492. Lampe IL 9.
Taube 439.
Gregor von Agrigent, Kohle 504.
Gregor von Ostia, Heuschrecken
392.
Gregor auf dem Stein, Fisch 292.
Stein IL 409.
Gregor Thaumaturga, Berg 125.
Leichnam IL 21. Säule 297.
Guanora, Grab 356.
Gualterius, Fisch 291.
Gudula, Baum 119. Engel 249.
37
«
580
Heiligten -Register.
Haar 365. Lampe IL 9. Pappel
187. Sonncnslrahl 394. Teufel
478.
Gudwalus, Räuber IL 258.
Gutlach , Schwalbe IL 352. Vögel
527.
H
Hadrianus, Delphin 204.
Hedwig-, barfuss 108.
Heinrich, Fing-er 285. Handschuh
374.
Heldrad, Schlange IL 332.
Helena, Kreuz 511.
Helenus , Kohlen 504.
Hemiternius , Kopf 505.
Hergeir, Reg-en IL 264.
Hermann Joseph, Apfel 71. Beil
123.
Hermene^ild, Beil 122.
Herväus, Frosch 302.
Hieronymus 488. Löwe IL 38.
Stein 409. Todtenkopf 502.
Hieronymus von Nami, Herz 390.
Hih\rion, Drache 211. Geruch 334.
Pferd IL 222.
Hilarius, Fluss 299. Schlange IL
331. Taube 439. Wein 549.
Hildegunde, Baum 120. Engel 249.
Kamm 466.
Hippolyt, Pferd IL 221. Schlüssel
334.
Hormisdas , Kameel 466.
Hubertus, Crucifix 149. Hirsch 405.
Hund 424. Schlüssel IL 334.
Hugo, Blitz 140. Schwan IL 352.
Wolf 564.
Humbert, Bär 103. Stern IL 416.
Hyacinthus . Auge 94. Hagel 365.
Mantel IL 75. Maria 106. Was-
ser 534.
Hymcrius, Glocke 342.
Jacob 430. Säule IL 296.
Jacob von Bergamo, Pfeil IL 219.
Jacob von Cerquelo, Frosch 302.
Jacob de Marchia, Kelch 469.
Jacob martyr , Hand 370.
Jacob von Nisibi, Bad 102. Mücke
IL 147.
Jacob deStephano, Vögel IL 527.
Jacob von Tarantaise, Bär 103.
Pflug IL 224.
Jamblichus, Siebenschläfer IL 325.
Januarius, Baum 120. Blut 145.
Erdbeben 252.
Ida von Löwen, Abendmahl 12.
Auge 93. Braut 149. Dreieinig-
keit 215. Fisch 290. Hahn 367.
Taube IL 437. Wunden 566.
Ida von Toegcnburg , Hirsch 405.
Rabe IT. 255.
Ignatius Loyola, Herz 389. I H S
444. Sonne IL 391.
Ignatius Theophorus, Löwe IL 24.
Ildefons, Maria IL 105.
Imelda, Hostie 422.
Injuriosus, Grab 356.
Innas, Pinnas, Rimmas, Eis 232.
Joannicius , Licht IL 30.
Jodocus, Eiche 229.
Johanna von Carniola, Leiden IL 23.
Johanna a cruce, Braut 149.
Johanna von Jesu Maria, Kreuz 521.
Johanna von Valois, Herz 389.
Johannes Chrysostomus , Bienen
131. Haar 364. Kuss 538. Pre-
digt IL 241.
Johannes Climacus, Leiter IL 24.
Johannes Damascenus, Hand 370.
Johannes de Deo, Christus 194.
Dornen 208. Glocke 342. Schmach
IL 336.
Johannes Elemosinarius , Beutel
127.
Johannes Eremita, Wandel IL 74.
Johannes, der Evangelist, 449.
Johannes de Goto, Lanze IL 10.
Johannes, das Lamm, Stab IL 406.
Johannes de Matha, Hirsch 406.
Kette 474. Sklave IL 385.
Johannes von Nepomuk, Brücke
155. Stern IL 416.
Johannes von Paranense, Baum 120.
Johannes in puteo, Brunnen 156.
Palme IL 184.
Johannes von Rheims, Drache 211.
Johannes Silentiarius, Finger 285.
Johannes der Täufer ^445.
Josaphat, Beil 122.
Joscio , Rose IL 282.
Joseph 456. Stab IL 405.
Irenäus, Schwert IL 358.
Irene, Pferd IL 221.
Isidorus, Bienen 131. Pflug IL 224.
Juetta, Vögel IL 527.
Julia von Corsika, Kreuzigung 528.
Heiligren-Regrister.
581
Julia Falconieri, Hoslio 422.
Juliana, Kessel 473. Teulel II. 478.
Juliana von Löwen, Mond II. 136.
Jiilianus, Delphin 204. Gehurt 314.
Julianus von Emesa, Nagel II. 155.
Julianus hospitalor, Hirsch 406.
Julianus von Vienne, Thüre IL 481.
Julitta, Ochs IL 166.
Justa, Sonne IL 391.
Justina200. Einhorn 231. Feuer283.
Juvenalis, Schwert IL 359.
Ivo, Sonne IL 391.
Katharina von Alexandrien 467.
Rad IL 256. Taube 437. 438.
Katharina von Genua, Bad 102.
Katharina Riccia, Braul 149.
Katharina von Siena 468. Wunden
566.
Keiwing-, Amsel 58.
Kellach, Hirsch 406.
Kentigern, Engel 249. Hirsch 406.
Mühle IL 148. Pflug: 224. Regen
264.
Kümmerniss 535.
Kunigunde, Feuer 283. Handschuh
372. Lilie IL 33. Pflug- 224.
Lambert, Lanze IL 10. Pfeil 219.
Landolin, Tanne IL 432.
Landrada, barfuss 108. Kreuz 522.
Laurentius, Armuth 84. Falke 267.
Rost IL 288.
Lazarus von Constantinopel, Hand
371.
Leodegar, Predigt IL 240.
Leon, Drache 211.
Leonhard, Kerker 472. Ochs IL 166.
Pferd 222. Thiere 481.
Leufridus, Beil 123.
Libaria, Erdbeben 251.
Liberata, Bart HO. Kreuzigung 528.
Liborius, Buch 159. Stein IL 410.
Lidwina. Abendmahl 13. Brust 158.
Dorn '208. Geruch 333. krank
509. Leiden IL 22.
Lindamus, Frosch 302.
Livinus, Zunge 573.
Long-inus , Lanze IL 10.
Lubentius, Schalten IL 317.
Lucas IL 42.
Lucas Casalius, blind 137.
Lucas junior, Angel 61. Thiere
IL 481.
Lucia, Auge 94. blind 135. IL 43.
Lucianus, AbcndmahlS. Kelch 469.
Kopf 505. Sonnenstrahl IL 394.
Ludger, Hund 424. Schwjin IL 352.
Ludrnilla, Schleier IL 333.
Ludovicus, Auge 94.
Luitgarde, blind 137. Braul 149.
Crucifixl98. Herz 389. schweben
IL 353.
Lulroinus, Adler 34.
Lupita, Kohlen 503.
Lupus, Hostie 422. Kelch 469.
M
Macarius, Flasche 294. Kameel466.
Kuh 534. Leichnam IL 21. Löwe
38. Rabe 254. Todlenkopf 502.
Wein 549.
Macharius, Aussalz 95-
Machovius, Wallfisch IL 532.
Macra, Zange IL 570.
Magdalena IL 56.
Magdalena de Pazzis, Dornen 208.
Herz 389.
Magnus, Bcärl03. Fuss306. Schlau-
ge IL 331. Stab 407.
Magutus, Wallfisch IL 532.
Malchus, Löwe IL 39.
Male, Wallfisch IL 532.
Marcellus, Drache 211.
Marciana, Mauer IL 115. Ochs 166.
Marcianus , Löwe IL 40.
Marculfus, Hase 375.
Marcus, Evangelist, IL 77.
Marcus Eremita, Abendmahl 12.
Haar 364. Wolf 564.
Margaretha IL 72. 79.
Margare tha von Cortona, Auge 93.
Leiter IL 24.
Margaretha von Ravenna, blind 137.
Margaretha von Tiferno, Herz 389.
Margaretha von Ungarn, Magd IL 56.
Maria von Aegyplcn, Fluss 299.
Haar 364. Mohr IL 134.
Maria de Corona, Asche 86.
Maria von Oegnies, singen IL 382.
Thränen 486.
Maria, die Sängerin, Bohnen 148.
Maria Villana, Braut 149. Spieg-cl
IL 402.
582
Heiligen -Register.
Marianus, Lilie IL 33- Thiere 481.
Marianus Scotus, Finger 285.
Marien, die drei IL 110.
Marina, Kerze 473. Verkleidung-
IL 514.
Marius, Regen IL 255.
Martha, Drache 211.
Martina, Adler 34. Kranz 141. Feuer
282. Löwe IL 39. Milch 131.
Zange 570.
Martinianus, Delphin 204.
Martinus IL HO.
Maternus, Pilg^erIL236. Tanne 433.
Matthäus IL 114.
Matthias IL 115.
Maura, Thränen IL 486.
Maurilius, Taube II. 439.
Mauritius, Fahne 267. leg-io II. 17.
Mohr 134. Ritter 274.
Mauritius von Angers, Fisch 292.
Maurontus, Bienen 131.
Maurus, Drache 2n . Wasser IL 534.
Maximius, Bcär 103.
Maximus, Dornen 208. Fels 280.
Mechtilde, Haar 365.
Medardus, Adler 34. Taube II. 443'.
Meinhard, Geruch 333. Rabe IL
255.
Melanins, Fluss 299. Schiff IL 322.
Melchior 499.
Meles, Fisch 290. Kohle 503.
Meletius, Harnisch 373.
Menodora, Feuer 282.
Mercurialis, Drache 211.
Merulus, Kranz 510.
Michael IL 127. 530.
Michelina, Aussatz 95.
Milburga, Gans 310. Sonnenstrahl
IL 394.
Miletus, Hirsch 406.
Modestus Löwe II. 39.
Modomoc, Bienen 130.
Molva, Fisch 291.
Monica, Gürtel 361.
Moyses, Messer IL 126.
N
Narcissus, Kreuz 534. Mücke IL
148. Oel 168.
Nestor, Kreuzig-ung- 528.
Nicasius, Kopf 505. Maus IL 116.
singen 382.
Nicephorus, Bär 103. Verzeihung-
IL 523.
Nicolaus, Acker 62. Apfel 73. Beu-
tel 127. Brodt 153. Buch 160.
Nicolaus von Tolentino, Stern IL
416.
Nicomedes, Keule 474.
Nilus, Regen IL 264.
Nonna, Altar 51.
Nonnosus, Oel IL 168.
Norbert, Blitz 140. Kelch 469. Rit-
ter IL 275. Spinne 402. Teufel
478.
Notburga, Arm 82. Handschuh 372.
Mag-d IL 55. Sonnenstrahl 394.
Odilo, Aussatz 95. Glas 336.
Odo, Regen IL 264.
Omer, blind 139.
Onufrius , Blatt 133. Löwe IL 38.
Palme 184.
Orini
ra,
Hase 374.
krank 509.
.„., Fluss 299.
Osanna, Braut 149.
Ositha, Kopf 506.
Oswald, Arm 83. Hand 371. Rabe
IL 255.
Otho, Falke 267.
Ottilia, Auge 94. blind 136. knieen
495. Rittersporn IL 276.
Otto von Bamberg-, Aussalz 95.
Pfeil IL 219.
Pachomius , Geruch 334. Krokodil
531.
Pancratius, Schuh IL 352. Schwert
358.
Pantaleon, Baum 119. Löwe IL 39.
Mühlstein 149. Nagel 155. Oel
168. Rad 256.
Paphnutius, Berg-werk 125. Palme
IL 184.
Parascius, Drache 211.
Pardulf, Balken 104.
Parthemius, Hund 424.
Paschahs, Abendmahl 12.
Passida, Leiden IL 23.
Paternus, Schlange IL 33L
Patricius, Bad 102. Leichnam IL 21.
Schlange 331.
Paula, Asche 86. Bart HO. Herz
389.
Paulinus, Sarg IL 315-
Heiligen -Register.
588
Paulus 200. Wolf IL 564.
Paulus Eremita, Beg^räbniss 122.
Blatt 133. Löwe IL 38. Palme 184.
Pclagia, Feuer 282. Ochs IL 166.
Pelag-ia meretrix, Schmuck IL 337.
Pelag-ius, Zange II. 570.
Perpetua, Kuss 540. Leiter IL 24.
Ochs 166.
Perroneta, Eis 232.
Petitüs, Nebel IL 156.
Petrocus, Regen IL 264.
Petrus IL 211.
Petrus von Alcantara, Eis 232.
Schnee IL 339. schweben 353.
Taube 439. Wasser 534.
Petrus Gonzalez, St. Elmo 236.
Fisch 291. Koth 509. Mantel
IL 75. Pferd 222. Predigt 241.
Petrus Martyr, Kopf 505. Schwert
IL 359.
Petrus Nolasco, Singen IL 385.
Petrus von Perugia, Säule IL 297.
Petrus von Pisa, Räuber IL 258.
Petrus Teutonicus, Nebel IL 156.
Petrus Thomas, Pfeil IL 219.
Philemon, Pfeil IL 219.
Philippus, Apostel IL 227.
Philippus Neri, Herz 390.
Phocas, Gärtner 309. Schill' IL 323.
Photis, Baum 120.
Pirminius, Taube IL 438.
Placida, Schwert IL 359.
Placidius, Kopf 506.
Placidus, Acker 62. Zunge IL 573.
Polycarpus, Blut 146. Feuer 282.
Taube IL 443.
Pontianus, Löwe IL 39.
Poppo, Handschuh 372. Lanze IL
11. Quelle 252.
Potamynäa, Kessel 474. Pech IL 206.
Potitus, Taube IL 443.
Primus, Hirsch 405. Lilie IL 33.
Löwe 39.
Prisca, Adler 34. Kamm 466.
Löwe IL 39.
Priscilla, Sarg- IL 315.
Probus , Löwe IL 39.
Procopius, Hand 371.
Proculus , Kopf 506.
Prudentiana, Braut 149.
Quirinus, Kette 474. Mühlstein
IL 149. Pferd 221.
Radegunde, Todtenkopf IL 503.
Wolf 564.
Rainald, Fisch 302. Kuss. 538.
Rainer, Ochs IL 166.
Raymund, Mantel IL 75. Mund
150. Predigt 240.
Regina, Schaf IL 217.
Regiswinde, Kind 476.
Regula, Kopf 506.
Regulus, Frosch 302.
Rejul, Hirsch 406.
Remaclus, Wolf IL 564.
Remedius, Bär 103.
Remigius, Flasche 293. Oel IL 169.
Sperling 400.
Restituta, Feuer 282. Schiff IL 323.
Reynold, Hammer 368.
Rhodanus, Hirsch 406.
Richard, Brodt 153.
Richarius, Asche 86.
Rigobert, Gans 310.
Ripsime, Braut 150. Schwein IL
355.
Rita, Bienen 131.
Ritter, vierzig, Eis 232.
Rilza, Wasser IL 534.
Robert, Ring IL 273.
Rochus, Hund 424. Korb 508.
Kreuz 522. Pest IL 209. Pilger
236. Stab 407.
Romana, Taube IL 438.
Romanus, Aussatz 95. Predigt IL
239. Schlange 331. Zunge 572.
Romuald, Kuss 538. Leiter IL 23.
Ronan , Wolf IL 564.
Rosa von Lima, Baum 119. Braut
149. Dornen 208. Hahn 367.
Mücke IL 148. Nachtigall 153.
Rose 283. Schmetterling 336.
Rosalia, Gebet 312. Kranz 510.
Rose IL 283.
Ruchtrud, Hirsch 405.
Ruffma, Topf IL 504
Rufinus, Ofen IL 172. Rose 284.
Rufus, Beil 122.
Ruphillus, Drache 211.
Quintinus, blind 136.
Quiriacus, Hand 370. Löwe IL 39.
584
Heiligen -Register.
S
Sabas, Apfel 73.
Sabinus, Adler 34. blind 137.
Hand 370.
Salaür, Lilie II. 32.
Salinianus, Wasser IL 534.
Salvator ab horta, KT3hlen 503.
Samson, Fuchs 303.
Samuel, Löwe IL 39.
Salurninus, Fels 280.
Salyrus, Hostie 422.
Savinus, Kette 474.
Seholastica, Taube IL 443.
Sebaldus, Eis 23L Glas 336. Pil-
ger IL 236.
Sebastian, Baum 120. Pfeil IL
319. 360.
Secundus, Abendmahl 12. Begräb-
niss 122. Engel 249.
Sentius, Lamm IL 8.
Serapion, Fels 280. Harnisch 373.
Serenicus, Bienen 131.
Sergius, Engel 249. Fuss 305.
Glas 336.
Servatius, Adler 34. Feuer 284.
Schlüssel IL 334. Schnee 340.
Servulus, Quelle IL 252.
Severianus, Adler 34.
Severinus", Drache 211. Heu-
schrecke 392. Kerze 473. Licht
IL 30.
Scverus, Nngel IL 155. Pferd 222.
Stab 407. Taube 439.
Sibylla, blind 137.
Siebenschläfer IL 324.
Sigismund, Fuss 308.
Silanus, Fisch 291.
Simeon, Bischof, Kreuzigung 528.
Simeon, Einsiedler, Löwe IL 38.
Simon Stylites, Drache 212. Säule
IL 297.
Simon Salus, Schmach IL 335.
Simplicius, Lilie IL 33.
Simprecht, Wolf IL 564.
Sira, Hund 424.
Sixtus, Schwert IL 358.
Sophia IL 151. 400.
Sophronia, Begräbniss 122. Blu-
men 142. Schwert IL 359.
Sozon, Fuss 305.
Spensippus, Blut 145.
Spes IL 335.
Stanislaus, Adler 34. Leichnam
IL 21. Schwert 358.
Stephana, Braut 149. Herz 390.
Stephanus, Abendroth 15. Hand
371. IL 410.
Suibert, Beil 123. Stern IL 416.
Sura, Geld 325.
Sylvanus, Fels 280.
Symphorosa, Mutter IL 151.
Synclctica, 13raut 149»
Taracus, Löwe IL 39.
Taria, blind 137.
Telcsphorus, Keule 474.
Thecla, Löwe IL 39. Schlange 331.
Schnee 482.
Theobald, Sack IL 295.
Theodata, Ochs IL 166.
Thcodora, Feuer 282. Krokodill
531. Verkleidung IL 515.
Theodorus, Drache 211. Fackel
266. Fisch 292.
Theodosia, Mühlslein IL 149.
Theodosius, Brunnen 156. Korn
509.
Theodolus, Fackel 266. Mühlstein
IL 149.
Theodula, Baum 120. Cypresse
200.
Therese, Herz 389. schweben IL
353.
Thomas, Apostel, Lampe IL 9.
Maria 105. 483.
Thomas von Aquino, Baum 119.
Kelch 470. Sonne IL 391. Stern
416. Taube 439. Tugenden 509.
Thomas Becket, Kopf 505.
Thomas von Villanuova, Beutel
127.
Tiburtius, Kohle 503.
Timotheus, Drache 211. Keule
474.
Tomasus, Krug 534.
Tommasuolo, Spiegel IL 402.
Torellus, Wolf H. 564.
Torpes, Schmetterling IL 336.
Tozzo, Lampe IL 9.
Tresanus, Stab IL 406.
Trochymus , Buch 94.
Trudbert, Kreuz 534.
Trutorca, Spinne IL 403.
Tryphäna, Brust 158. Milch IL
132. Ochs 166. Ofen 172-
Tyrsus, Löwe IL 39.
Heil igen -Regist er.
585
U
Ulrich, Buch 160. Fisch 291.
Urbanas, Schwert IL 358.
Urbanus von Langros, Wein II.
549.
Ursicinus, Hals 368. Palme II.
184.
Ursicius, Kopf 506.
Ursula, Fahne 267. legio II. 18.
Mantel 76. Pfeil 219. Schiff 322.
Taube 438.
Ursula Bonicasa, Braut 149. Herz
389.
Ursus, Fahne 267. Kopf 506.
Valentin, Stern II. 416.
Valerius, Flasche 296.
Vedastus, Licht IL 30. Wolf 564.
Venantius, Fahne 267. Quelle IL
252.
Veneranda, blind 138.
Veremundis, Taube IL 439.
Verdiana, Schlang^e IL 332.
Verena, Kamm 466.
Veronica, Eng-el 249. Schweiss-
tuch IL 355.
Verona, Dame 208.
Victor, Kopf 506. Mohr IL 134.
Schwert 358.
Victorinus, Altar 52. Fahne 267.
Hand 371. Mörser IL 133.
Vincentius, Rabe IL 254.
Vincentius Ferrer, Schmelterhng"
IL 336. Sonne 391.
Vincentius de Paula, Sklave IL 385.
Vitalls, Keule 474. Lilie IL 33.
Vitus, Adler 34. Erdbeben 251.
Kessel 473. Kind 476. Löwe IL
39. Predigt 240. 526.
Vulstran, Licht IL 30.
W
Walburgis, Aehre 37. Flasche 293.
Waltger, Kuh 534.
Wendelin, Hirt 407. Kind 476.
Wenzeslaus, Schwere IL 357.
Wereburga, Gans 310.
Werenfridus, Schiff IL 322.
Wigbert, Wein IL 549.
Wilgefortis, Bart 110.
Wilhelm der Grosse, Harnisch 373.
Wilhelm von Montpellier, Lilie
IL 31.
Wilhelm von Tours, Hand 371.
Kohle 503.
Wilhehn de monte verg-ine, Wolf
IL 564.
Willehard, Glas 336.
Willibrord, Pest IL 211. Tanz 434.
Winoch, Mühle IL 148.
Woldus, Wolf IL 564.
Wolfgang:, Beil 122. Berg 125.
Fluss 299.
Zeno, Krone 532.
Zenobius, Ulme IL 511.
Zitta, Schenkungen IL 319.
Zoe, Baum 120. Rauch IL 262.
Menzel, christl. Symbolik. ÜK- Aiil
38
Berichtigungen.
I. Theil.
Seite 17 Zeile 9 von oben lies Abraham statt Adam
S. 18 Z. 2 V. 0. 1. Ar'mghi
S. 44 Z. 2 V. o. 1. Matterhorn
S. 61 Z. 6 V. unten 1 der Herrad st. des (wiederholt auf S. 168- 277. 470. 475. 517. 526.)
S. 96 Z. 5 V. 0. 1, Taland
S. 105 in der Note Z. 4 v. o. I. Coxcie
S. 143 im Artikel Blut Z 4 v. o. 1. schreit st. steigt
S. 183 Z. 4 V. u. 1. wie st. für
S. 185 Z. s V, 11. 1. Traum
S. 227 in der Mitte I. faunisch st. launisch , und Landon st. Laudon
S. 231 in der Mitte 1. Einhörnern st. Eichhörnchen
S. 247 Z. 12 V. o. I. Gabriel st. Raphael
S. 271 in der Mitte 1 Widmann
S. 280 Z. 9 V. o. 1. Martinstobel
S. 291 Z. 4 V. o. 1. Peter st. Pater
S. 302 in der Mitte 1. Besessene speien
S. 318 in der Mitte l- Sannazar
S. 334 Z. 2 V. u. 1. Schmelier
S. 399 Z. 1 V. 0. 1. den Geist st. das Fleisch
S. 407 Z. 2 V. u. 1. Florens
S. 412 in der Mitte 1. Hahn, Gedichte
S. 428 Z. 8 V. u. 1. Weihnachten st. Wintersonnenwende
S. 520 Z. 11 V. u. 1. R St. X
S. 530 Z. 13 V. 0. 1. Vintler
J_l.. O. XI 13 1 X.
ociic 11* ^c.ic 4 von oben lies der Herrad (auch S. 23 unten)
S. 33 Z. 12 V. o. 1 mit der Lampe statt ist eine Lanze
"ilitte 1. Almcida
n. Theil.
Seite 14 Zeile 4
S. 33 Z. 12 V. o
S. 39 in der Mitte i. Aimcida
S. 89 in der Mitte 1. Marienlieder
S. 143 Z 8 V. u. 1. denselben
S. 145 Z. 9 V. o. 1. Poussin
S. 183 Z. 1 V. u. 1. palmetum
S. 211 Z. 3 V. o. 1. sposi
S. 226 in der Mitte 1. absurdum
S. 234 1. der und dem Tiber, mascuL
S. 267 Z. 9 V. u. 1. abzuschreiten
S. 291 Z. 9 V. o. 1. im st. ein
S. 296 in der Mitte 1. Jachin
Druck von C. Fr. Meyer ia Weissenburg.
♦
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Date Due
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the original date stamped.
M,Bbrar,i.n.a.subieC.orecaü3.eeksfrom
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