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C]£ZANNE UND SEIN KREIS
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CEZANNE
UND SEIN KREIS
EIN BEITRAG ZUR ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
VON JULIUS MEIER- GRAEFE
DRITTE AUFLAGE
SECHSTES BIS ACHTES TAUSEND
MIT 171 TONÄTZUNGEN UND EINEM LICHTDRUCK
R. PIPER UND CO. VERLAG MÜNCHEN
1922
ND
053
Cödtlö.
I \^ ^ ^
DRUCK DES TEXTTEILES VON E. HABERLAND IN LEIPZIG
I.
„LA FIN EST LA DELECTATION" SAGTE POUSSIN, OHNE DAMIT ETWAS
Besondres zu sagen. Dreihundert Jahre später dachte es Renoir, und
da war es etwas Unerhörtes geworden, ein Protest gegen ungefähr
alles der Zeit und ein Protest ohne eine Spur von Verneinung. O die
flink Degoutierten, die den alten Renoir zu süß finden! O die Dia-
betiker! Sie ahnen nicht, um Avie vieles die Süßigkeit Renoirs die
Süße seiner Farben übertrifft. „Je reste dans mon rang" sagte er ein-
mal als alter Mann, und noch bevor er richtig Olmalen gelernt hatte,
schrieb er es über seine Zukunft. Nur nichts stürzen! drin bleiben!
unter allen Umständen drin bleiben! Wenn es keine Gilde mehr gibt,
so tun, als ob es eine gäbe, und die Gemeinde stände da und machte
mit. Erst die Gemeinde, dann das andre. Erst Franzose, dann Künstler.
Erst Porzellanmaler, dann der große Mann.
Weil seine Delektation wie Milch und Honig fließt, ohne den
Tropfen Tragik, darum erscheint er belasteten Zeiten zu süß. Denn
es geht rücht an, so zu tun, als gebe es in der Welt nur prangende
Frauenbrüste. Vielleicht ist wirkhch seine Delektation nur würziger
Sensuahsmus, und sein Rünstlertum, dem nichts wie der Drang nach
Verallgemeinerung befahl, doch nur eine Seltenheit, ein Traum, un-
geeignet für unsre Blößen. Seine Reihe ist nicht die unsere, kann nicht
die unsere sein. — Kein Wunder, daß die Masse fern bheb. Er, dem
die Schule über alles ging, hat keine Schule gemacht. Monet herrschte
über das neue Jahrhundert hinaus. Die Generation, die dann auftrat,
lief in Scharen zu dem Genossen Renoirs, der in allem von dem Gegen-
teil Renoirs ausging; ein Einsamer, der die Einsamkeit ins Lächerliche
steigerte, Persönlichkeit ohne ein Atom persönlicher Suggestion, ohne
Sensualismus, ein Mensch, dem prangende Brüste entsetzlich waren,
ein Künstler, der nur Sensualismus und nur Delektation geworden
ist; reinster Sensualismus, reinste, von allem Zweck erlöste Delektation.
Um die Empfindlichkeit des Koloristen zu schildern, nimmt man
zarte Dinge, sieht ein, daß sie zum Beispiel noch zarter als die Äqui-
valente Renoirs sein müssen. Und auf der Suche nach dem Zartesten
gerät der Zuhörer in Gefahr, Ursache und Wirkung zu verwechseln
und C^zanne im Bereich femininer Dinge zu suchen. Dann er-
innert man sich, daß er in WirkHchkeit gar nicht so zart eher derb
ist, derb wieRembrandt und zwar wie der alteRembrandt; im Grunde
ein kühler Denker, rücksichtsloser Konstrukteur; im Grunde ein Bru-
taler, neben dem Courbets animalische MännHchkeit weich und ver-
worren erscheint; im Grunde der männlichste Künstler Frankreichs.
Um Werke wächst es immer wie Urwald. Man sollte meinen, in
kleinen Zeiten ragten sie um so sichtbarer empor. Natürlich trifft
das Gegenteil zu. Je größer sie, je kleiner die Zeiten sind, desto tiefer
verstecken sie sich, und sobald eine Generation, eine einzige, nicht
mehr mit schöpferischem Appetit zu ihnen dringt, vnrd der Wald so
dicht, als hätte sich nie einer zu ihnen verirrt. Zu Rembrandt mögen
immer ein paar Augen den Weg gangbar halten. Wir wollen es an-
nehmen, obwohl nur wenig dafür spricht. Auch in hundert Jahren
mag sich immer noch einer mit blankem Beil auf den Gang durch
den Urwald machen. Aber wenn wir zu viel von Rembrandt wissen,
wissen vnr von Cezanne zu wenig. Da er uns selbst gemalt hat, ist er
uns fremder als ein Unbekannter des Trecento aus Siena. Immerhin
sieht man, was Rembrandt von der Mitgift seiner Zeit wegließ und
was er von der Zukunft hinzutat. Mit der Feststellung dessen, was
Cezanne wegließ, könnte man Bände füllen, und es wäre keine schwere
Arbeit. Aber kein Kaufmann addiert bei der Inventur das nicht Vor-
handene. Was übrig bleibt und dazu kam, steht in Frage. Übrig
bleiben ein paar Flecke auf weißer Leinwand.
Da steht der Ungläubige, pocht und fragt, verlangt Antwort in zwei
Worten, kurz und bündig wie die Flecken auf der Leinwand. Ich
sitze da, rede hin und her, gestikuliere. Schon nickt er, von dem
Schvdndel überzeugt, sieht auf meine Hände, lächelt. Nicht etwa
meine Unfähigkeit ist für ihn erledigt, sondern Cezanne. Hinterher
fällt mir ein, daß der Esel gar keinen Anspruch auf die zwei Worte
besitzt, weder bei Rembrandt, an den er glaubt, noch bei einem andern,
an den er nicht glaubt
8
Die ersten Bilder von Physiognomie sind schwarze Fetzen, und die
Physiognomie ist eine Fratze. Sie beginnen um 1863, als C^zanne
vierundzwanzig war. Er hat weit früher angefangen, schon 1858, als
er in Aix auf Verlangen des Vaters, gezwungen und ohne Murren, das
Studium der Rechte begann; damals als Autodidakt mit belanglosen
Nachahmungen'^
Sein Vater, wohlhabender Bankier, gab der Mutter, die wie alle
Mütter an die Berufung des Sohnes glaubte, nach, erlaubte 1861 die
Übersiedlung nach Paris und versuchte, als der Junge das nächste Jahr
so leichtsinnig war, die Ferien in Aix zu verbringen, noch einmal und
um so energischer, ihn an das Bankhaus zu fesseln. Cezanne gehorchte
wie immer, aber erwies sich ungeeignet. 1863, im Jahre des Todes
Delacroix' und der Taufe der „Olympia", wird Cezanne endgültig
Maler und arbeitet in der Academie Suisse in Paris neben Pissarro
und Guillaumin. In der Zwischenzeit sind die schnurrigen Deko-
rationen in dem elterlichen Landhaus bei Aix entstanden; überdünne,
überglatte Figuren von übernaiver Einfalt. Er machte sich den Witz,
sie Ingres zu signieren.
1803 beginnen die sogenannten Studienköpfe. Mit faustdicken
Kreuz- und Querstrichen des Palettenmessers werden Gesichter ge-
kleistert; Gebilde von unglaublicher Rohheit. Etwa ein van Gogh aus
der Vorstadt, ohne Rhythmus, ohne jeden Klang, beleidigend proleta-
risch. Das Hauptbild: Porträt des Vaters, ein lebensgroßer Zeitungs-
leser*\ erinnert an Courbet, wie ein schlecht gebackener Schneemann an
einen Menschen. Auch die ersten Selbstbildnisse sind unter den Köpfen,
darunter eins von 1864, von dem man mit mehr Recht sagen könnte,
was ein Münchener Kritiker damals von den frühen Arbeiten unsers
Marees behauptete: mit der Maurerkelle gemalt.
Daneben, zu gleicher Zeit oder etwas später, sogenannte Kompo-
sitionen. Zola, Intimus und Schulkamerad in Aix, der mit Enthusi-
asmus den ersten Schritten, mit wachsendem Mißtrauen den weitem
zusah, besaß, ohne darauf stolz zu sein, einige dieser Kompositionen,
darunter die z\vischen 1866 und 68 entstandene „Entführung" 5\ In
einer kulissenhaft romantischen Landschaft, dunkler als die dunkelsten
Courbets, steht vom ein nackter Kerl mit einem nackten Weib auf
den Armen; der Kerl mit übertriebenen Muskelteilen k la Daumier;
das Weib, schwammiges Weiß, ungeheuerliche Extremitäten, ein
Paket aus Armen und Beinen. Im Hintergrund ein paar kleinere
Nacktheiten, verkrümelte Fleischteile. Alles andere, nur nichts für
die Jungen von damals. Nichts von Naturalismus, eher das Gegen-
teil, nichts von Manet. In den verkrümelten Nacktheiten des Hinter-
grundes ein kindisches Barock, das Delacroix vom Tisch gefallen sein
könnte; Brotkügelchen, mit denen dicke Finger gespielt haben.
Dies der Anfang, wenn man sich nicht allein an die gekleisterten
Köpfe halten will; ungemein bezeichnend, wenn auch nicht für unsre
Vorstellung von Cezanne. Keiner der Generation hat so begonnen,
so talentlos und so brutal. Die Übereinkunft, Cezanne mit einer be-
stimmten Gruppe seinerzeit zusammenzutun, erweist schon hier eine
Lücke. Alle andern zeigen in den ersten Bildern Keime der Eigenart
innerhalb einer mehr oder weniger gesicherten Tradition, sindcourbet-
hafte, corothafte Individualitäten. Selbst die viel später kommenden
wilden Leute wie van Gogh und Gauguin fangen zahmer an. Cezanne
ist anders, nicht weil er sich andre Vorbilder aussucht. Hinter den
Studienköpfen steckt keine Meisterverehrung, eher das Gegenteil, die
Verachtung aller Autorität, ein in der Form empörender Hohn, nicht
auf die Pompiers des „Salon", sondern auf die besten Götter der
Minorität, auf alle und alles. Soweit sein Verhältnis zu Manet, der
damals noch auf die Anhängerschaft einer winzigen Minorität ange-
wiesen war, aus den Karikaturen auf die „Olympia" und aus gut ver-
bürgten Redensarten über Manet hervorgeht, grenzt es an Zynismus.
Er hat Rubens und Delacroix bewundert. Über den Niederschlag
dieser Bewunderung in manchen frühen Bildern stehn dem Be-
trachter die Haare zu Berge.
Der Unterschied ist sozialer Art. Der Anfänger steht anders zu der
Konvention, nicht zu dieser oder jener, sondern zu jeder. Die andern
wurden Revolutionäre genannt, -war fragen uns heute, warum. Dieser
Anfänger ist Anarchist und muß auch heute noch, wird mit den Erst-
lingswerken immer dafür gelten. Er ist nicht nur ärmer an sichtbarer
Begabung, vor allem ärmer an Scham. Er macht den Anfang eines
Künstlers, der nicht in den sechziger Jahren, auch nicht in den neun-
zigern, sondern heute beginnt. Erst heute sind solche Anfänge an der
Tagesordnung, und selbst heute fiele es schwer, einen Jungen zu finden,
der so wenig mit den Tendenzen, oder auch nur mit den Sclilagworten
seiner Tage rechnet wie der junge Cezanne.
IG
n.
Das geht ein paar Jalire so mit den geklexten Köpfen und ver-
krümelten Motiven. Nebeneinander laufen Tendenzen aller möglichen
Art, man kommt zu keiner Handschrift. Es genügt, sich die glatten
Dekorationen bei Aix neben die Rleisterköpfe und die wieder ganz
andern, verblasenen Motive zu halten. So heterogene Dinge lassen
einen Menschen erraten, der nicht von Natur aus an ein bestimmtes,
auszubildendes aber unersetzliches Organ gebunden war, sondern mit
Experimenten einen Ausdruck suchte und dann erst etwas auszu-
drücken hatte. Auch das ist Unikum in der Geschichte. Ein Mensch
nicht nur ohne Schule und den Begriff für Schule, sondern auch ohne
spezifische Natur. Warum malte er? Bei van Gogh kann man ange-
sichts der allerersten Sachen vielleicht ebenso fragen. Aber selbst ab-
gesehn von der unübersehbaren Differenz z"\vischen den Zeiten, vermit-
telt die Ethik van Goghs seinem Biographen sofort eine wohlklingende
Antwort, und, so schön es bei ihm weiterging, die Fortsetzung ver-
schweigt nie die Unsicherheit des Beginns. Nichts ist erstaunlicher,
als daß C^zanne ein Werk hervorbrachte, an dem gerade das Organische
am stärksten überzeugt und die Form geradezu das Wesen des Menschen
enthält. Wenn aus den Anfängen überhaupt auf Kunst geschlossen
werden konnte, blieb für den Optimisten nur die Prophezeiung, daß
die Resultate von Grund aus anders sein würden als die gewohnten;
auf Begriffe von Natur, Ausdruck, Eigenart gestellt, die bis dahin un-
bekannt waren.
Die gekleisterten Köpfe hören auf, aber die schwarzen Barock-
Motive gehn weiter und verkleistern sich, wenn der Ausdruck erlaubt
ist. Das Barock verliert das Verkrümelte, dehnt sich aus zu tollen
15
Kurven, gebaucht, gespreizt, geschwungen und im Schwung spitz-
winklig zerrissen; der Traum eines irgendwie geknebelten Visionärs,
den die Geschichten der Daumier und Delacroix, derTintoretto, Greco
erschrecken; geknebelt aber irgendwie musikalisch. Schon ist da
etwas. Die Farbe dehnt sich aus, verliert alles Verblasene, sondert das
Dunkle als leuchtendes Schwarz gegen andre tiefe Klänge, ordnet sich
zu starken Kontrasten innerhalb einer beschränkten, aber merkwürdig
sonoren Klangwelt. Man gesteht sich die Wirksamkeit des Farbigen,
auch wenn die Deutung des Motivs entgeht. Das Auge saugt sich voll
an breiten Flächen von Grün, tiefem Grün, dunkler als Smaragd,
Bananengelb, kaltem Blau, fettem, gleißendem Weiß; schwelgt schon,
dem Verstand voraus, hat schon empfangen. Der Verstand sucht nach
dem Titel: „Frühstück im Freien"; wenn man vom Farbigen absähe,
eine dumme Persiflage auf Manets „Dejeuner sur l'herbe". Menschen,
Fragmente von Menschen, um so etwas wie ein Tischtuch herum ; das
Tischtuch irgendwie, irgendwo über dem Boden; überhaupt kein Tisch-
tuch, einfach hingespritztes, laufendes Weiß. Eine Donna von zwölf
Kopflängen, dünn vde Papier. Im schwarzen Bart ein Rund, ein Kopf,
Bart ohne Kopf, ein leuchtender Schädelteil ohne Körper, etwas Ge-
drehtes, Gedrechseltes soll Bein sein; noch so ein zusammengeknülltes
Profil, und dann einer an dem Tischtuch mit grellem schmalen Gesicht,
beinahe mit Ausdruck; vorn irgendwo ein Fabeltier aus Schatten, ein
Hund von der Rasse der Köter auf Marees' letzten Bildern. Wie ge-
sagt, wenn man vom Farbigen absehn könnte ! Aber davon läßt sich
nicht absehn, es bleibt nicht viel, wenn man davon absieht, aber es
wäre zum Beispiel unmöglich, die Farben anders zu konstituieren.
Sie sind ganz undenkbar in einer andern Zeichnung. Die Harmonie
läßt sich nicht aus dem Bilde lösen, die Farbigkeit wird nicht von der
Farbe allein geschaffen. Schon dämmert der Instinkt: Die Verteilung
der Massen ist vielleicht ebenso wichtig, vielleicht noch wichtiger;
schon allein die Mischung des Hellen mit dem Dunkeln, schon das
Zusammen von graden und geschwungenen Formen.
Ich setze einen Beobachter voraus, der nicht nur das „Frühstück",
sondern eine Anzahl der folgenden Barockbilder vor sich hat, meinet-
wegen die verwegensten, den kirmesbildartigen „Mord", die erste
„Versuchung des heiligen Antonius" mit den drei dreieckig angeord-
neten Frauen in der Mitte und dem schiefen grecohaften Mönch links,
vor dem sich eine vierte wie eine Fahne bäumt; oder die Flußbilder
mit unförmhchen Fleischmassen, Weibern, die wie Berge auf den
14
Ufern lasten, Männern, deren groteske Barte in die Umrisse des Landes
aufgehn, Flüssen mit phantastisch bespiegelten Wellen, muschelartigen
Scliiffen mit Leichentüchern statt Segeln*^ Je mehr man von den
tollen Dingen bei Vollard sah, desto mehr hätte man sehn mögen, um
sie zu Friesen an einander zu binden. Mit der Gesamtheit beschwich-
tigte inan die tolle Gebärde des einzelnen, fand sie nötig für die Macht
dieser Farbigkeit. Eine fast drohende Macht, keineswegs nur Ge-
schmackswert. Auf alle Leistungen des Geschmacks mit oder ohne
Ornament sind wir schon lange so gut gedrillt, daß sich jede Neuheit
von selber einordnet, auch wenn wir noch nicht ihren engern Begriff
formuliert haben, noch ihre Herkunft erkennen. Auch auf den freiesten
Geschmack. Die materielle Herkunft der Farben dieser Barockbilder
erkennt man sofort. Sie stammen von der Palette des spanischen Manet,
dem Zola den Freund zuführte; sie haben nichts von Manet. Manets
Farbe hat nie diese dunkle drohende Macht, Manet hat überhaupt
nichts Dunkles hinter dem Motiv. Man sieht gleich, was er will. Das
Motiv läuft uns entgegen, fast an uns vorbei. Es ist gut gemalt, wunder-
voll gemalt. Wir haben sofort zehn Argumente für eins, um unser
Urteil zu belegen, hatten sie beim Anblick des ersten Manet, und be-
griffen das Toben gegen die Olympia vde eine Dummheit heroischer
Zeiten. Der Widerstand gegen alles Neue wich sofort, mußte für
jeden Sehenden weichen, da man mühelos die gehobenen Werte der
Spanier und Courbets erkannte. Das Mißverständnis ging nur das
Publikum an und war nur in einer Zeit denkbar, die zu den alten
Meistern kein Verhältnis besaß. Die Revision der Kunstgeschichte
war Manets bestes Argument. Wir verdanken ihm nichts so sehr -vvie
den QuaUtätssinn für die Werke der Alten. Sein eignes Werk war
erhöhte Qualität.
Qualität! Die Zunge schlägt an den Gaumen, sofort ist die Kenner-
schaft zur Hand. Die Schnelligkeit der Reaktion spricht gegen ihre
Tiefe, beschränkt den Umfang. Wohl wird Vollkommenes erwiesen
und eine außerordentlich natürliche Vollkommenheit; erwiesen mit
Temperament, spontan, mit allen Zeichen engster Beteiligung des
Malers, höchst lebendig, in jedem Strich persönHch. Schön, sehr schön
und überdies unentbehrUch für eine Zeit, die statt der Sinne Hokus-
pokus im Kopfe hatte. Im Grunde aber nur sinnliche Steigerung. Sie
zeigt von dem Maler das Handliche, mit der Hand Gemachte, das sich
greifen läßt. Es ist möghch, daß er trotz aller Intensität dabei an
etwas anderes dachte, das für uns wichtiger gewesen wäre und das
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gerade seine Intensität hinderte, mit in das Bild zu gelangen. Cezanne
ist an seinen unförmlichen Massen ganz anders beteiligt. Freilich kann
er sich nicht so leicht ausdrücken, obwohl er es ganz sicher ebenso
möchte. Die Sehnsucht nach Ausdruck klagt wie ein düsterer Chor.
Sie beugt und zwängt die Leiber, beschwert Gewänder, starrt in der
Farbe. Vielleicht gelingt es nicht so leserlich, weil der Maler plump
ist und sich seiner Plumpheit freut; vielleicht, weil das zu Sagende
schwerer wiegt. Neben den großen Flächen wirkt Manet klein, neben
dem langsamen Chor wird Manet zu beredt, neben der Einfalt der
schwarzen Kolosse wird Manet gekünstelt. Manet hat hundert Seiten,
sein Fleisch, sein Leinen, seine Gewänder, das Stoffliche von Blume
und Blatt, seine Steigerung der Natur bis in die Fingerspitzen; aber
seine Vielseitigkeit sammelt sich nicht gegen die geschlossene Kraft
der schwarzen Idyllen. Den zyklopischen Wesen naht sich nichts
Stoffliches solcher Art. Cezanne hat das alles geleert und abgetan,
bevor er begann, und wir sind schon so weit: nicht seine übertriebene
Verallgemeinerung beengt uns, sondern Manet. Der Alleskönner ist
einseitig, seine Vielseitigkeit beschränkt sich auf Variation eines un-
ergiebigen Themas, spendet Einzelheiten, keine Welt. Manet hat nur
sehr seifen Bilder gemalt. Die Seltenheit des ganz gelungenen Stücks,
dessen Vollkommenheit wir mit der Angst des Zuschauers eines Seil-
tanzes bewundem, beschränkt die Gattung. Cezanne will Bilder. Massig
wie seine Körper wölbt sich das Fundament seiner Vorstellung, seiner
Welt. Es ist eine dunkle Welt. Vielleicht begreift einer die Art seiner
schwarzen Barockwerke überhaupt nicht und lehnt sie ab. Nimmt er
sie an, ist jedes Werk angenommen, und jedes lichtet das Dunkel.
Die Sicherheit des Betrachters bei so geringer Hilfe aus gewohnter
Natur nährt sich offenbar von dem dekorativen Gehalt des Barocks,
könnte daher auf besondern Schranken beruhn, die jeden Vergleich
mit einer freieren künstlerischen Gebarung trüben, wenn nicht aus-
schließen müßten. Kein Wunder, daß ein Ornament farbiger wirkt.
Wir wollen das Schöne nicht mit Verzichten auf unsre Welt bezahlen
und danken den großen Leuten unsrer Zeit, daß sie solche Ansprüche
weckten und erfüllten. (Freilich gingen wir dabei zuweilen zu flink
über den Rest unsers Anspruchs hinweg und ließen uns an Freiheit
und Person genug sein, auch wenn wir nicht immer wnßten, was da-
mit anzufangen war.) Aber die Wirkung des Barocks erschöpft sich
nicht mit der Schranke. Keine unsrer vielberufenen Forderungen wird
in Frage gestellt, keine kommt überhaupt in Betracht. Das Ornamen-
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tale, das in irgend einem Grade zu jeder künstlerischen Schöpfung ge-
hört, behaviptet sich hier nicht gegen die Empfindung, noch gegen das
PersönHche, scheint vielmehr geradezu nur aus der Empfindung ge-
wonnen und formt sich zum Symbol der Persönlichkeit, keineswegs des
Barocks. Dieses wird nicht benutzt, um der Gestaltung das Besondere
zu geben, eher, um das Besondere der Anschauung zu ebnen. Das Or-
namentale ist Gliederung der Vision, keineswegs ihr Inhalt. Wir ver-
mögen das Geistige, das dahinter steckt, noch nicht zu bezeichnen,
können es nur interpretieren. Soviel steht fest: die Kraft, die den Maler
zu der ungeheuerlichen Verallgemeinerung trieb und uns mit Zyklopen-
finger anzieht und zur Deutung anhält, ist Bekenntnis.
Darüber läßt sich viel und wenig sagen; sehr wenig, wenn jede Ver-
wechslung von Ursache und Wirkung vermieden werden soll und
man im Objektiven bleiben will. Aber wenn wir der Kraft im Dunkel
nicht mit festen Formeln nahe zu kommen vermögen, lassen sich mit
Vergleichen und andern Mitteln mindestens Wahrscheinlichkeiten
aufdecken, aus denen ihre Gültigkeit gefolgert werden darf. Das wäre
wichtig, nicht umCezanne zu rechtfertigen, für dessen Werk die kurze
Periode der frühen Barockbilder nicht viel bedeutet, sondern unsert-
wegen. Das Ornainentale seiner Gestaltung ist hier besonders greifbar,
und aus der mangelhaften Einsicht in sein Wesen sind viele der Irrtümer
entstanden, mit denen unsre Zeit zu rechnen hat. Um der Würde
des Gegenstands und seiner Fülle nicht mit Trockenheit zu begegnen,
werde ich mich mancher Umwege bedienen, durchdrungen von der
Einsicht, auch damit nie ersetzen zu können, was ein einziger Blick
auf das Bild an der Wand erschließt.
An dieser Stelle nur ein in zwei Worten zu gebender Hinweis auf
das wichtigste Hindernis gegen eine allzu einfache Auffassung Cezanne-
schen Stils und auf die wichtigste Eigenschaft seines Ornaments in
allen Perioden: die räumliche Gewalt dieses Barocks. Allen voreiligen
Schlüssen widersetzt sich der Gehalt jedes Bildes an Tiefe. Wir sind
an das Omamentale nur in einer Dimension, in der Fläche, gewöhnt,
und gewinnen aus dieser Beschränkung des Zaubers die meisten unsrer
Beschwerden. Cezannes Massen, so fetzenhaft sie sein mögen, gehn
unheimlich zurück, sichern irgendwie einen Raum, den Raum, auf
den nicht nur die Kunstgewerbler unsrer Tage, sondern bis zu einem
sehr weitgehenden Grade auch die an greif barer Vitalität überreichen
Meister unsrer Malerei notgedrungen verzichten; sichern ihn ohne
Mätzchen, ohne kleinliche Modellierung, ohne jede Hemmung für
17
das Bekenntnis, und machen ihn fähig, wenn nicht Menschen und
Dinge, die um^ gewohnt sind, so Leben, gespenstisches, aber uner-
hört wahrscheinliches Dasein zu tragen. Nicht das dunkle Ornament
droht und lockt uns; wir würden bald damit fertig; das lebensträch-
tige Wogen der Massen, geknebelt, murrend, gepreßt, hält uns in Bann.
Die Pracht regt sich. Das Starre ist nur die Last des Farbigen, ein
langsames Tempo, ungewohnte Abkürzung des Rhythmus. Von
irgendwo aus dem Bilde blickt dich längst gesehnes oder geträumtes
Dasein an. Man fühlt nur nicht, wo es ansetzt, die Fetzen sind un-
gewohnte Angelpunkte der Natur. Sicher nicht greifbare Natur, keine
Natur bis in die Fingerspitzen. Vielleicht bis in die Spitzen andrer
Organe, die schliefen, als die Finger wachten, und die ganz anders
zugreifen können. Denn dieses Leben gibt es in den Bildern der
andern nicht.
Für diesen Menschen^ ist offenbar die Natur nicht da, um in einer
Übertragung ihrer Stofflichkeit wiedergegeben zu werden, und die
Kunst gilt ihin nicht deshalb, weil sie malerische Äquivalente für Fleisch
und Haar besitzt. Das alles liegt hinter ihm. Er möchte sich selbst über-
tragen, sich, wenn er etwas sieht, das ihn bewegt: seine Bewegung.
Manet war das Temperament, einen Mann auf einer Gartenbank so
zu malen, als habe es im Leben nie einen Mann auf einer Gartenbank
gegeben; die Schnelligkeit, mit der ein Vorhang vor dem Mann weg-
gerissen wurde. Der Betrachter wurde von dieser Bewegung in der
Sehkraft gesteigert. Man erfaßte mit Vehemenz den gemalten Mann
und wunderte sich nach dem Anprall ein wenig, nur einen Mann auf
einer Gartenbank vor sich zu haben. Bevor man sich aber auf die Ver-
wunderung besann, kam die schöne Farbe dazu. Eine pfeilsichre Art,
alles für den Blick Entscheidende so zu geben, daß es sich unver-
lierbar einprägte, bediente sich wunderbarer Farben; ja, mußte sich
ihrer bedienen, es lag im System der Geschwindschrift. Die Geschwind-
schrift allein wäre Experiment, Kunststück gewesen, V\'illkür. Die
schöne Farbe vervielfachte das Phänomen, entfernte die Willkür,
machte die Geschwindschrift zu Kunst.
Für Cezanne ist es nicht bedeutungslos, daß er wieder gewagt hat,
„ungesehene Dinge", Geschichten von Don Quichote und dem heiligen
Antonius zu malen, Motive, die in seinem Kreise verpönt waren. Aber
er macht auch aus dem Mann auf der Gartenbank solche Geschichten.
Ja, er bedarf nicht des Mannes, ein paar Apfel genügen. Dieselben
Äpfel genügten Manet, um seine Handschrift unwiderstehlich zu
18
machen. Wir wissen in der Frühzeit noch nichts von der Handschrift
Cezannes, und es ist mehr als fraglich, ob wir je, auch in der reichsten
Zeit, von einer Handschrift im gleichen Sinne reden können, obwohl
auch seine Bilder keiner Signatur bedürfen. Im Grunde hatte er da-
mals nicht mehr Handschrift als ein Kind, war mit der Hand nichts
weniger als pfeilsicher und ließ sich wie ein Kind das Plumpe der
Hand für die Geschichten dienen.
Also, wenn überhaupt eine Reihe, nicht die Reihe der großen Mittel
und kleinen Komplexe: Manet, Courbet, Franz Hals; sondern die der
großen Komplexe: Marees, Delacroix, Rembrandt. Es ist selbstver-
ständlich, daß der größere Komplex größere Mittel, nämlich alle,
besitzt.
19
m.
Wie bei Rembrandt eine Lebensgeschiclite in Selbstbildnissen. Schon
die frühesten stellen ihn als ein von innen nach außen gewölbtes
Spezimen des Typs hin. Nicht das besondre Exemplar, der Herr mit
solchem Haar, solchen Augen und so weiter, — nicht das, was ihn von
andern unterscheidet, sondern das mit andern Gemeinsame, was nicht
übertrieben viel ist. Da er alles, selbst einen Apfel als Selbstbildnis
malt, kommt das Gesicht im Spiegel hier nur als zu entfernendes Ob-
jekt in Betracht. Das Bild ist Gesicht, nicht der Kopf, und der Kopf
ist Gesicht, vor allem Gesicht, Gewölbe von hundert Gesichtern, dar-
unter auch des eignen. Das Barock hilft in den Selbstbildnissen um
1870 sehr merkbar zu der Geschlossenheit. Haar und Bart umgeben
in Kringeln das runde Gesicht. Lippen und Kinn sind Rokoko-Ara-
besken. Bis dahin genau, wie es ein Kind machen würde, das unter
geschwungenen Möbeln aufwächst. Das Volumen des Kopfes aber hat
ein Bildhauer mit dem Pinsel gemeißelt. Es sichert das Gesicht im
Raum und sichert es dadurch überhaupt. Die Farbe, hier schon eine
in reichen Tönen wallende Farbigkeit, glättet das barocke Detail.
Das Barock wird natürliche Begleitung, Rahmen. Auf den Stilleben
dieser Zeit verdrängen oder verhüllen große gradlinige Flächen den
übernommenen Rahmen. Kein Detail widersetzt sich begrifflicher
Rontrolle, keins bestätigt, daß es Pendulen und dergleichen auf der
Welt gibt. Wie ein Katafalk steht die schwarze Uhr da, eine Muschel
gähnt als Meduse. Aber es ist nichts wie eine richtige brave Pendule
und eine Muschel, vne sie beim Spießer auf der Konsole liegt. Man
21
starrt eine Tasse, eine Vase aus dem Bon marche an, als würden sie
aus dem Jenseits gereicht. In den Falten hängenden Leinens birgt
sich das Räumliche als dunkle Legende.
Es kommt ihm in dem „Frühstück" nicht auf Arme und Beine,
nicht einmal auf einen einzelnen Menschen an; und nicht ihm, sondern
uns, den Betrachtern; es kann gar nicht darauf ankommen. Vielmehr
auf das Gemeinsame zwischen den Leuten, auf die Art ihres Zusammen-
seins. Das läßt sich von der Wirklichkeit nicht ohne weiteres ablesen.
Wohl gehört es dazu, aber verbunden mit vielerlei Ballast, von dem
es getrennt werden muß. Die Aufgabe bedingt notwendig Zerstückeln
von Formen, die wir ungeteilt zu sehn, zumal zu denken, gewohnt
sind. Cezanne bringt die Teile, die das Gemeinsame ergeben und
zwar im Bilde ergeben, aus denen das bildlich Gemeinsame hervor-
geht. Also eine Teilung, aber keine, um zu dem Geschwindschrift-
zeichen des A oder B zu gelangen, sondern um ihre Summe zu fassen,
die über den beiden als höhere Einheit besteht. Der unabweisbare
Gegenstand dieser Synthese kann nur das Räumliche sein, ein Raum
nicht an sich, nicht gesondert faßbar, perspektivisch konstruiert, um
nachher A und B aufzunehmen, sondern der eine Raum, latenter Teil
dieser und keiner andern Gestalten, der nur für ihre Art da ist, sich
aus ihnen, sie aus sich ergänzt.
Die Darstellung solcher Dinge, w^enn sie vtarklich bis zur Synthese
gelangt, und bei dem frühen Cezanne ist sie nichts anderes, stellt hohe
Ansprüche an die Erfindung und lohnt, wenn sie gelingt. Sie beruht
auf nüchterner Einsicht in die Möglichkeiten des Bildes. Keine der
gelungenen Versuchungen des Antonius aus der altern Kunst bringt
das Detail der Versuchung. Wo die Realität der Erscheinung versucht
wird, schlägt die Wirkung ins Gegenteil um. Alle Häufungen des
Schreckens auf niederländischen Darstellungen bringen nur Komik
zustande. Gesichte der Extase lassen sich nicht abmalen, nur die
Atmosphäre der Gesichte kann gegeben werden. Flaubert selbst ent-
ging nicht der Häufung und vergaß über rauschenden Bildern das
Bild. Cezanne gibt den extatischen Raum. Der grecohafte Heilige in
der Ecke, obwohl die Hauptperson, ist schon fast zu viel^^ So schön
der Fleck die Farbe ergänzt, für das Bild der Legende ist er ein naiver
Kompromiß von der Art der Zusammenstellung zeitlich getrennter
Begebenheiten, die sich auf Tafeln der Primitiven findet.
Aus dieser Art des Objekts schöpft die Deutung unbegrenzte Mög-
lichkeiten. Manche Bilder der Frühzeit wie das seltsame „Frühstück
22
im Freien" scheinen Tastversuche, um das darzustellen, was in ge-
wissen Momenten schweigsamen Beisammenseins in den Blicken der
Menschen ist. Mich hat das farbenprächtige Mahl aus Fetzen an ein
Abendmahl erinnert; an kein gemaltes, überhaupt an nichts Ge-
machtes; an das Mahl einer Gemeinde irgendwo im nächtlichen
Schatten des Waldes. Wie sie da zusammenhockten, müde von der
Last der Worte, nur noch lauschend, w^urde das Dunkel, in das ihre
Gedanken verhüllt waren, leuchtend. Oder war es der Mond, der durch
zufällige Öffnungen des Laubes den Schein auf die Gesichter warf
und auf das Tuch, das irgendwo über dem Boden wallte?
Cezanne bringt eine nicht gewöhnliche Skepsis. Courbet, Manet
sind ihm gute Maler, nie ist besser gemalt worden, doch haben sie
nichts erschöpft. Auf ihrem Wege gibt es nur treffende Formen für
die Einzelheit. Auch da, wo sie ein Ganzes trafen, war es ein höheres
Detail. Sie sprechen ungehemmt, geben, was sie können, aber w^issen
zu gut, was sie können, um das Notwendige zu wollen. Courbet,
Manet haben die holländischen, spanischen und noch andre Formeln
verbessert. Was geht uns das an, uns, denen keine Malformel, sondern
alles, Erde, Himmel, Welt, jedweder Zusammenhang mit dem Kos-
mos verloren geht? Manet hat zu seiner Zeit, für seine Zeit allerlei
gemacht, war am größten in der „Olympia" und im „Dejeuner sur
l'herbe". Das eine ist ein Schema Tizians, das andre ein Schema Raffaels^\
Rührendes Beginnen, eine Pariserin, die kleine Victoire, als Venus zu
drapieren, Flußgötter in Hosen zu stecken; menschlich bedeutsam,
Zeichen der Selbstzucht, aber unvnrksam. Jeder Versuch, unsre Wirk-
lichkeit in solche Geleise zu bringen, zielt vorbei. Unsre Wirklichkeit
ist der tanzende Punkt im Chaos.
Und einen nicht gewöhnlichen Optimismus bringt er: Man kann
den tanzenden Punkt im Chaos malen. Gelingt es nicht, soll man
überhaupt nicht malen, denn die Kunst ist heute nur dazu da, unsre
Vorstellung von der Welt zu sammeln. Das ist vielleicht Courbet, als
er den Realismus zu entdecken glaubte, im Traum erschienen, Manet
hat es mit seiner Forderung der „Contemporaneite" geahnt. Beide
waren zu fix und von ihrer eignen Neuheit zu überrascht, um durch
die Schale zum Kern durchzudringen, malten vollendetes Stückwerk.
Auf den Kosmos kommt es an. Wenn der Kosmos so zerfetzt ist wie
der unsre, ward die Kunst ihn in Fetzen sammeln. Das kann trotz-
dem schön sein. Man kann damit die Menschheit, den winzigen
wachen Teil der Menschheit begeistern, daß sie ergriffen wie vor
«3
einem Abendmahl steht. Da es Kunst, Malerei sein soll, kann es immer
nur nach den Bedingungen ihrer Materie entstehn; durchaus nicht ohne
Konvention; gar manche läßt sich brauchen; alle Erfahrungen der
Vorgänger können, müssen helfen. Nur läßt sich nicht alles erhalten.
Wenn schon die Syntax als Gerippe bleibt, die Sätze der Alten können
nicht bleiben. Wir denken nach gleichen Gesetzen, nur schneller und
anders. Der Stein, mit dem sie bauten, hat sich in der Epoche größter
Metamorphosen in Teile zerlegt. Es ist zwecklos, das einmal Geteilte
und für notwendige Teilung Reife künstlich zusammen zu halten,
wie es Staat und Bourgeois überall versuchen.
Enthusiasmus treibt Cezanne, nichts weniger als die Moral der kleinen
Leute, denen als letztes Versatzstück die Ehrlichkeit bleibt. Er weiß,
es gibt noch Bilder für uns. Wohl fehlt das Behagen der Alten, ihre
Söller sind leer. Ich habe keine Hilfe von andern, die mit mir leben,
lebe irgendwo. Mein Glück fließt nicht aus dem Brunnen am Markt,
ist selten, aber mir kommen Seligkeiten, die kein Behagen geträumt
hat. Ich wandle auf schlechtem Pflaster, schleppe Lasten, mein Schritt
schleicht, die Kniee beben mir, aber ich tanze.
Vielleicht ein Kranker, Verbrecber, Abenteurer. Wer von den
Fischern am Teiche des Chaos, Politiker, Philosophen, Erwerbsleute,
Soldaten, sah bei der Handlung anders aus? Er tut, was er muß.
Noch steht er unter dem Knebel seiner Gesichte, schwankt unter
schwerer Trächtigkeit, tappt einseitig, plump. Doch treibt sein Muß
auch uns, sein Knebel ist unser, seine Einseitigkeit Folge gemeinsamen
Schicksals.
Er malt, wie wir leben müßten. Ich habe, sagt er, keine Natur außer
der, die ich brauchen kann. Das sei wenig, sagt Ihr, die ewig Gleichen,
die Ihr am Menschen immer nur einen Arm, ein Bein, eine Nase
seht und Euch die Welt aus solchen Dingen zusammengesetzt vor-
stellt. Ich kenne die Welt zwischen diesen Dingen, die Ausschnitte
zwischen Arm und Bein, auf die Ihr nicht achtet, zwischen dem
Schädel eines Menschen vorn und dem Profil oder der Jacke des andern
schräg hinter ihm. Da ist noch was. Ich sehe Pathos in Leuten, die
gar nicht daran denken, in Weibern, die sich feist im Grase wälzen,
wo das Fleisch im Grün wie fette Lache läuft und von eurer
Anatomie nur der Abdruck des Gesäßes im Rasen zurückbleibt. Ihr
seht es geradeso, aber findet es nicht würdig genug. Vielleicht ist das,
was ihr ernst nehmt, längst komisch, und das, was ihr komisch nennt,
für mich blutiger Ernst. Und schließlich gibt es überhaupt nichts
24
dergleichen in der Natur. Wenn ich in Aix dem Gevatter Bonnier
mit seinem Zumpelbauch begegne, hindert mich am Lachen die Ein-
sicht, daß der Zumpelbauch einem braven Mann gehört, der jetzt Ge-
richtspräsident ist. Außerdem kenne ich ihn seit Jahren. Mein Lachen
wäre unpassend imd dumm. Nun wimmelt es von solchen Zumpel-
bäuchen, und es ist nicht einzusehn, warum man im Bilde komisch
findet, was uns draußen sehr würdig erscheint. Ganz abgesehn von
Rubens, der sogar Heiligenbilder daraus gemacht hat. Voraussetzung
natürlich, daß ich nicht so einfältig bin, meine Bilder nur deshalb zu
malen. Ich mache aus solchen Bäuchen Bilder von der Pracht der
Limousiner Emails, über deren komische Heilige keinem einfällt zu
lachen, mache neue Formen daraus, behäbig und rund, und was ich
euch dabei zuviel an Bauch zumute, sorgt für die Zeremonie meiner
Handlung. Dies nur als Beispiel. Ihr ahnt nicht, wo überall der
Zuinpelbauch hingehört.
Das Pathos bliebe unwirksam, weil unverständlich, wenn es nur
von der Kraft des Urhebers gesagt würde, nur Äußerung der Person
wäre. Es war die Ahnung von Zusammenhängen dieser ungewohnten
Form mit längst gesicherten Besitztümern unsrer Sprache, was uns
zur Deutung trieb. Aus der Ahnung ist inzwischen Gewißheit ge-
worden. Damit meine ich nicht die Anklänge Cezannes an fran-
zösisches Schmelzwerk oder die Gestalten Delfter oder früher italie-
nischer Teller, denn sie bestätigen nur die ornamentale Seite, sagen
nichts von der Gültigkeit des menschlichen Bekenntnisses, von dem
geistigen Gehalt des Ausdrucks. Wir lachen nicht über die Heiligen
der Limousiner Schreine, aber es fällt ebensowenig jemandem ein,
aus ihnen Erbauung zu gewinnen. Vielmehr meine ich die seltsamem
Anklänge an die Art eines großen Menschen, der für seine höchst-
persönliche Erbauung einen die Formen seiner Zeit weit überbieten-
den Ausdruck erfand.
»5
IV.
C^zanne ist uns vertrauter geworden, seitdem wir Greco näher ge-
kommen sind. Wenn man glaubt, ebenso gut sagen zu können, Greco
sei uns seit Cezanne verständlich geworden, überschätzt man eine
Wechselwirkung, die nur von aktuellen Zuständen den Schein größerer
Bedeutung empfängt. Eine gewisse Wechselwirkung besteht. Auch
Cezanne erfüllt auf seine Art den hohen Beruf seiner Generation, mit
dem Neuen gesteigerte Fühlung mit dem Alten zu bringen. Aber es
wäre gedankenlos, die Art von Erfüllung mit der Wirkung eines
Courbet, Manet, Renoir gleichzustellen oder gar von einer Vollendung
Grecos durch Cezanne zu reden. Der Historiker findet mit Recht in
den Formen des letzten Greco, von denen auf Cezannes Teilnahme
geschlossen werden könnte, die Frucht einer EntAvicklung, die bei
dem Schüler oder Genossen Tintorettos beginnt und vom ersten bis
zum letzten BiMe organisch fortschreitet. Die Einsicht in diesen Or-
ganismus gibt alle Erklärungen, deren wir für Greco bedürfen. Auch
ist Greco nicht, wie etwa Velasquez von Manet, von Cezanne verbessert
worden. Alles Malformelmäßige bleibt draußen. Dagegen bedeutet
die Hinnahme des frühen Cezanne ohne jede Beziehung zu Greco eine
Toleranz, die nicht wenig von der Gleichgültigkeit unsrer Zeit gegen
alle Forderungen der Übereinkunft getrübt wird. In Wahrheit schätzt
man den frühen Cezanne, weil die Bilder des spätem gut bezahlt werden.
Grecos Wege wurden von einer Vorstellung bestimmt, die in der
Natur nur Stützen für Erhöhung der Vision, nicht für die Wahrschein-
lichkeit suchte. Er ist vor Poussin und Rubens der einzige Seher mit
37
eigenem Auge, für den es keinen Dualismus von irdischer und himm-
lischer Liebe gibt. Der Erdgeruch des Motivs, der Tizian belastet,
weicht dem Duft verklärter Erscheinung, und die Erscheinung ist
sachlicher als Tizians Naturalismus, weil noch organischer den Mög-
lichkeiten der Malerei angepaßt. Das Übersinnliche des Mystikers
löst aus der Farbe blühende Sinnlichkeit. Er macht Bildnisse und
schafft einen bildhaften Typ der Menschheit. Kein Strich auf der
Leinwand scheint eines andern Zweckes wegen da. Diese Bildnisse
werden Dokumente der besondern Art eines besondern Volkes, objek-
tive Abbildungen, aus denen man die Geistesart des Spaniens derWende-
leit ablesen zu können glaubt, und diese Abbildungen sind gleichzeitig
reinste Malerei. Seine Malerei steht da am höchsten, wo das Objekt
restlos wiedergegeben ist. Der Schritt von dem Kardinal Guevara in
der prunkvollen Kulisse Venedigs zu dem Diego Covarrubias ist dem
Fluge eines Adlers vergleichlich, der von der höchsten Bergspitze in
den Himmel steigt.
Der Trennung von dem Naturalismus Tizians folgt notwendig der
Bruch mit dem Schema der Komposition. Schon Tintoretto hat da-
mit begonnen, um besser dekorieren zu können. Grecos Fortschritt
läßt den weiten Weg von Tizian zu Tintoretto verschwinden. Er
lockert die gewohnte Symmetrie, zerstört sie schließlich, und in der
neuen Komposition scheinen alle alten Faktoren der Statik durch
Elemente einer neuen Dynamik ersetzt. Wieder ein Weg von Höhe
zu Höhe. Im „Begräbnis des Orgaz" trägt noch das System von Hori-
zontalen und Vertikalen den überirdischen Baldachin, und die Ab-
weichungen von dem Schema scheinen nur dazu da, um es mächtiger
zu entfalten. „Das Gastmahl im Hause Simons" ist noch ein Rund,
ein Rund aus züngelnden Lichtern in einer durchbrochenen Glocke.
In dem „Christ auf dem Ölberg" formt sich bereits das Bild aus über-
einander stürzenden Wogen, und die Reste des alten Baus treiben wie
Schifftrümmer herum. In der „Apokalypse" ragt das Nackte als Ge-
spenstererscheinung empor, noch immer von einer Senkrechten auf
einer Wagerechten unsichtbar gestützt, aber aus der Kopfreihe des „Be-
gräbnisses", aus der Kerzenreihe des „Pfingstfcstes"'')^ aus den Lichtern
des „Gastmahls" sind Flammen, entflammte Geister geworden, und der
alles überragende Johannes schwält wie eine Feuersäule. Der „La-
okoon" sammelt den Gewinn aus dem Chaos und formt die lodernde
Dynamik. Die Wucht, vorher ein Sturm auf begrenzter Ebene, wallt
in den Raum. Von Anfang bis zu Ende eine ständige Steigerung
28
der Abstraktion, Bereichern durch Vereinfachung. Laokoon und
seine Söhne waren einst die Wächter auf der „Auferstehung'"*) und
noch früher die strahlenden Gestalten der Mauritius-Legende. Da-
mals lockte den Maler noch das bunte Vielerlei volkstümlicher Märchen.
Im „Mauritius" reizte ihn die Pracht der Gruppen, und der flimmernde
Zug von Menschen hemmte den Rhythmus. Das Schwelgen im kost-
baren Detail fand kein Ende, der Bildnismalerstand gegen die Legende,
die Legende gegen die Vision. Die „Auferstehung" löst glänzend das
Problem, eine bewegte Fülle in engsten Rahmen zu pressen, aber reißt
den Betrachter mit in den Schlund von Körpern. Man gelangt zu
keinem vollkommenen Ausgleich der Dynamik und befreit sich nicht
ganz von dem Experimentellen der Komposition. Der formale Zu-
sammenhang des aufsteigenden Christus mit den fortgeschleuderten
Gestalten überzeugt den Gläubigen tiefer als den Künstler. Erst im
„Laokoon" findet der Rhythmus genügend Platz. Eine einzige Ara-
beske, Filigran aus Leibern, kolossal wie ein Triumphbogen, steht vor
der ruhenden Stadt. Der Sohn mit der im Bogen geschwungenen
Schlange hat nicht die Dämonie des Johannes der Apokalypse, dafür
einen ganz andern Anteil an der Schwingung der ganzen Gruppe, und
die Gruppe hat ganz andern Anteil am Bilde. Nicht wir müssen den
Anprall der Dynamik aushalten, wenigstens wir nicht allein. Das
Bild fängt ihn auf, läßt ihn in den Hintergrund wallen, in Klängen,
deren Echo noch den Zug der Wolken bestimmt. Man begreift, daß
dieser letzte Grieche an den Ersatz der Laokoon -Tragödie des Sophokles
denken durfte.
Noch bleibt der Schlußstein. Der „Mauritius" steht zur „Apo-
kalypse" wie Gebärde zu Erlebnis; die „Apokalypse" zu dem „Lao-
koon" wie Schrei zu Musik; und der „Laokoon" zu der „Toledo- Land-
schaft" wie die dramatische Oper zur Symphonie.
„Toledo", eine Landschaft, ist Grecos Rundsicht über sein Leben
in dieser seiner Stadt. Das Objektive ergibt sich nicht aus einer mehr
oder weniger überzeugenden Übereinstimmung mit dem alten Stadt-
bild. Keiner von uns war dort. Sondern aus der Verwirklichung des
Raums als Organismus. Der Raum ist nicht wie im Laokoon Platz,
Resonanz für einen Vorgang, sondern selbst Vorgang, Gefäß für das
eigne durchrieselte Dasein, die Gemeinde von Strauch, Baum, Gras,
Gemäuer, Himmel. Das glaubt jeder von uns schon einmal erlebt zu
haben, auch wenn er es noch nie gesehn hat. Wir könnten uns auf
dem nur von Licht bevölkerten Hügel im Hintergrund leicht ein
29
Golgatha denken. Vielleicht war eins da. Doch entbehren wir es
nicht; ja, es kann geschehn, daß uns diese von keinem Drama berührte
Natur teurer wird als alles Frühere, weil keins der Dramen, selbst
nicht der Laokoon, so vollkommen in den Kosmos des Visionärs auf-
ging wie hier Baum und Strauch und ghtzerndes Gemäuer. Das Drama
blieb auch nach allen Säuberungen ein Gedicht im Gedichte, Hem-
mung im Fluß der Erscheinung, ein Fremdkörper, der nicht bis auf
den letzten Rest überwunden werden konnte. Der Verzicht ist das
Moderne und das Gute daran und eine leidenschaftlich positive Tat.
Alle Begriffe büßen in dem Bilde an Relief ein, alle gewinnen ganz
unverhältnismäßig an Tiefe. Das Barock, das die Helden andrer Bilder
vor Grauen und Verzückung flammen läßt, scheint hier nicht nur
organischer, sondern mächtiger, wo es von der Oberfläche verschvi-indet
und als geheimer Held in der Erde wirkt, muntere Flüsse treibt,
Brücken baut, Täler höhlt, Hügel rundet, sich in Licht und Schatten
löst und kaum vernehmbar das Pathos grüner Gräser redet.
So endet der Mystiker. Er hat alle Geheimnisse des Baldachins er-
kundet, mit Geistern gelebt, von Engeln die Tropfen des Heilands in
gleissenden Bechern empfangen. Das größte Wunder, sagt er zum
Schluß, ist: ich lebe.
Von dieser letzten Frucht einer Entvncklung, die so erhaben ist
wie die Werke, aus denen sie hervorgeht, führt der Weg zu Cezanne,
zumal zu dem schwarzen Cezanne der Frühzeit, aber auch ein gutes
Stück darüber hinaus. Das Spiel von Licht und Schatten, das die Ge-
stalten im „Laokoon" malerisch bestimmt, ist in den drei Jahr-
hunderten noch ein Stück weiter gegangen, hat noch mehr Fleisch
und Detail aufgesaugt und die Gegensätze verschärft, und in der Art
des Gefüges erkennt man dasselbe Barock. Alles das ist gewohnte
Entwicklungsgeschichte. Nachdem Courbet die Farben Zurbarans,
Manet die Velasquez' und Goyas revidiert hatte, lag für den Größten
des Kreises nichts näher, als an die Untersuchung des größten Spaniers
zu gehn. Aber es handelt sich nicht um dergleichen. Eine Revision
ist ausgeschlossen, da nicht einmal feststeht, ob Cezanne Greco ge-
kannt hat. Die Beziehung liegt tiefer. Courbets vorweltliche An-
schauung hatte nichts von der Vornehmheit Zurbarans; das Pariser-
tum Manets nichts von Velasquez, noch weniger von der Derbheit
Goyas. Wir sind seit langem gewohnt, den Pinsel ohne den Menschen,
der ihn führt, zu betracliten, und wundern uns daher über keine In-
kohärenz moderner Entwicklungsprodukte. Manet griff das Spanische
30
auf, weil es farbig war, und dann Velasquez und Goya, weil sie das
Farbige bestätigten. Auf seinem Weg durch die Welt, einer Studien-
reise durch die Zivilisation, hielt er in Spanien; ein Weltreisender guter
Art, der sich komfortabel in einem Hotel einrichtet. Soviel er und
wir dabei gewonnen haben, seine Hinterlassenschaft verschweigt nicht
die Improvisation der Methode.
Cezanne ist für Greco geboren. Das Verhältnis bedeutet die phäno-
menale Zusammenkunft gleicher Anschauungen vom Wesen der Dinge,
eine Gleichheit der schöpferischen Triebe, die kein Unterschied der
Zeiten, Rassen, Lokale wesentlich verdunkelt. Der Maler Cezanne
hat weniger damit zu tun als der Künstler, der Künstler weniger als
der Mensch. Sobald Greco der Schule entwächst, kennt er nur ein
Ziel: die Heimat, die der Mann aus Kreta verlor, in der Kunst wieder-
zufinden. Für Gott und die andern, hieß es bei den Primitiven; für
die andern und sich selbst, hieß es in Venedig, und den Teil für sich
selbst bestimmte der gute Wille der Zuschauer. Greco, ein Heide, der
ein Frühchristentum gründete, befreit sich von den andern und findet
die Stimme Gottes in sich selbst. Sein Abfall, unerhört für einen
Künstler aus dem sechzehnten Jahrhundert, ebenso unerhört für einen
Gläubigen der Kirche unter der spanischen Inquisition; eine Ketzerei,
die nur von besonderm Schicksal empfangen, nur nach hartem Ge-
wissenskampf erfüllt, nur im Schatten religiöser Askese geduldet werden
konnte, wird Cezannes natürliche Mitgift. Er weiß von der Kunst im
Grunde nur das Ziel des verzückten Griechen und tut so, als sei es
Malerei, Beruf. Das Ziel treibt Greco zu immer stärkern Dissonanzen.
Die Trennung von den andern preßt ihm Schreie ab. Cezanne beginnt
mit grellem Mißton, und die Dissonanz mildert sich mit der Reife.
Das Anschwellen hier, das Abschwellen dort, ist Ausdruck derselben
Regung, die geträvimte Heimat zu festigen und zu heiligen.
Die Malerei hat seit Greco viele Stationen durclilaufen, die Persön-
lichkeit viele Freiheiten erlebt. Längst wurde dem Künstler Befehl
der Not, was zu Grecos Zeit wahner Eigendünkel sein konnte. Er kann
nichts für die andern, denn die andern wollen nichts. Und noch immer
ist die Tat aus solcher Einsicht, die unerbittliche Einstellung auf die
heimliche Heimat so selten, daß Cezanne vdederum wie ein Ketzer,
sein Werk wiederum wie Anomalie erscheint, und man nur in einem
Griechen, der dreihundert Jahre vorher in Toledo wirkte, den Halt
für eine Erklärung findet. Neben der Diskrepanz zwischen seinem Auf-
treten und seiner Mitwelt, scheint die Verwandtschaft mit Greco so
31
nah, daß man meint, er habe wie der Grieche gemalt, ja, die beiden
seien einmal irgendwo und wie zusammen gewesen. Die Unterschiede
beruhen viel weniger auf der Verschiedenheit zwischen der Geisteswelt
eines Kirchenmalers Philipps II. und der eines Schulgenossen Zolas
als auf zufälligen Gegebenheiten der Temperamente.
Zu dieser mystischen Verwandtschaft gehört der Zweifel, ob C^zanne
jemals Werke des Vorgängers mit eignen Augen sah^).
3»
V.
Die Zeit des dunkeln Barocks reicht etwa von 1868 bis 1872 und
ist nichts weniger als besonders fruchtbar gewesen, wie ja überhaupt
Cezanne, trotzdem er nur arbeitete, in seinem ganzen Leben nicht so
viel produziert hat wie Renoir in einem Jahrzehnt. Keins der Bilder,
für den Analphabeten ein paar Fetzen, ist spontan entstanden. Ähn-
lich wie Marees erreicht er nur mit zahllosen Übermalungen die Re-
duktion des Vorgangs auf die letzten Gerüste'"^ Er hat sich die Fetzen
langsam aus dem Leibe gerissen.
1873 ^^^ ^^?4 i^* Cezanne inAuvers sur Oise bei Paris Und findet
dort Pissarro und Guillaumin wieder. Vorher in Paris hat er Renoir,
dann Manet gefunden. Sie übermitteln ihm die ersten Ergebnisse des
Impressionismus. Die Welt, in der er bis dahin gelebt hat, stürzt wie
ein Kartenhaus zusammen. Mit unsern gewohnten Vorstellungen vom
Wesen der Persönlichkeit geht es geradeso. Die Ferne zwischen dem
Anfänger und seinen Zeitgenossen ist nicht größer als die zwischen
dem Cezanne des schwarzen Barocks und dem in Auvers. Die Ver-
blüffung des Betrachters, wenn es einen gegeben hätte, wäre noch grö-
ßer gewesen. Die Bilder der Monet, Renoir, Pissarro und der andern
werden in den siebziger Jahren heller, und die von Cezanne werden
auch heller. Das Auch gilt ebenso gut von dem eleganten Neger, der
auch ein Plastron anhat wie die andern Tänzer. Schheßlich war für
alle andern ohne Ausnahme der Übergang zu der Formel Monets ein
örtlich, zeitlich wohlbegründeter Wechsel; nicht einmal ein Wechsel,
eigentlich nur eine Folge. Sie waren schon Impressionisten, bevor sie
35
sicli so nannten, nur nicht mit Logik und Ronsequenz, waren schon
längst als Erben der Landschafter von Fontainebleau und der Con-
stable und Turner, als überzeugte Schüler Courbets, überhaupt als Land-
schafter mit Augen auf die Folge eingestellt. Diese nötigte sie zu kei-
nen unerschwinglichen Komplikationen geistiger Art, sondern zu einer
Änderung der Palette. Im übrigen handelte es sich darum, den Kopf
etwas höher zu heben und mit den Augen zu blinzeln. Cezanne war
vorher, wenn er überhaupt etwas war, alles andexe: Romantiker, Mysti-
ker, vor allem zeitlos und ohne Mitwelt, Genosse des toten Mannes
in Toledo. Er wird genau so ein Landschafter wie Pissarro, Mitglied
einer genau bestimmten Gemeinde mit scharf umrissenem, ultramoder-
nem Programm, und zwar unter dem ganz unverkennbaren Einfluß
der Leute. Er folgt Pissarro mit demselben Gehorsam, den er zehn
Jahre vorher seinem Vater entgegenbrachte. V\ äre der Vater energi-
scher und die Mutter weniger zärtlich gewesen, säße er noch heute im
Bankhaus. Fleißig und mit Geduld geht er zwei Jahre lang den
Weg der Gemeinde, sieht auf Bäume und Äcker mit Augen, die nie
ein inneres Erlebnis getrübt hat, sieht alles für die andern Sichtbare,
sieht es schärfer und nüchterner, mit einer Empfindlichkeit für Licht-
unterschiede, die Pissarro entgehn, mit einer Sachlichkeit, der das Spiel
des jungen Monet, der lyrische Hang Renoirs schon zu viel sind. Die
Landschaften bei seinem Freunde Dr. Gachet"^ in Auvers kamen den
Pissarros, die daneben hingen, sehr nahe, und nur ein gut gedrilltes
Auge erkannte den Unterschied, einen Unterschied der Qualität bei
gleichem Muster, Sie sind reicher an Ton. Durch Schleier deuten sie
auf den viel später entstandenen Meister der Landschaft. Von dem
frühern haben sie nicht ein Atom.
Diese Zeit in Auvers ist die einzige, mit andern gemeinsame, Schule
Cezannes. Nach dem zweiten Sommer hat er sie hinter sich vmd be-
sitzt, was sie geben kann, die Praxis des Freilichts. Die Hand kann nieder-
schreiben, was das Auge erfaßt. Dann geht er hin und beginnt ein
neues Kapitel.
36
.•^>^^^
VI.
Es gab eine Zeit, wo ein gemalter Sonnenfleck den Gläubigen zu
einer Hymne auf die Gegenwart stimmte. Die Manufaktur der Mit-
läufer und die Manufaktur Monets selbst und seines engern Kreises
haben schnell mit seinem Rezept aufgeräumt und mit dem Rezept
auch den brauchbaren Kern zerrieben. Das Mittel erwies sich als
Zweck noch gefährlicher als andre, ins Absolute erhobne Relativitäten,
weil die Grenzen seiner Gültigkeit von dem unbegrenzten Horizont
des Gebiets, aus dem es stammt, verwischt wurden. Die freie Natur
hindert keinen Trachter, Entdeckertum mit Erfindung zu ver-
wechseln.
Der Irrtum kostete die meisten Impressionisten das Beste, trieb
Monet in das schillernde Nichts, hinderte Pissarro, Sisley, Guillaumin
an wesentlicher Entwicklung, gefährdete Manet. Renoir und Cezanne
scheinen sich einen Augenblick aller Eigenart zu entkleiden und wan-
deln wie Leute ohne Schatten. Beide gehn schließlich mit ab-
solut erhöhten Werten aus der Metamorphose hervor und bestätigen
den brauchbaren Kern. Cezanne, den die Neuheit am wenigsten vor-
bereitet traf, besteht sie am glücklichsten.
Er verläßt die Kameraden im besten Augenblick des Impressionis-
mus, als Corot noch für Monet und Pissarro da war, und sich die Lyrik
der Naturschwärmer und ihr Drang nach Licht im GleichgCAvicht
hielten. Dieses höchste Niveau nimmt er zum Sprungbrett seines
Aufstiegs, fängt da an, wo die andern aufhören, und macht es in seinem
Kreise genau so wie ein Jahrzehnt vorher sein deutscher Vetter in
39
einem andern. Die Kongruenz mit Marees ist vollkommen, und die
Bedeutung der Repräsentanten reduziert den Unterschied auf ein
Hell und Dunkel. Cezanne wird durch das Pariser Hell aus seiner
Bahn gerissen und neu bestimmt, der junge Schüler Steffecks durch
das altmeisterliche Dunkel Münchens. Beide erklimmen schnell die
Leiter der neuen Schule und nehmen eine ihren Zwecken geeignete
Vereinfachung der Theorie mit in die Einsamkeit, eine „Flecken-
theorie." Sie verhindert, daß der Abgrund zwischen ihrer neuen Bahn
und der Schule zu groß wird. Marees gewinnt aus seinen Flecken die
Bausteine des Monuments. DasSchleißheimer Gedicht wird zum Pathos,
der virtuose Nachahmer der Alten zum Bildner einer eignen Welt,
auf deren Wände sich die überlieferten Werte in Kristallen nieder-
schlagen. Das reinste Bekenntnis zu Rembrandt ist das letzte Be-
kenntnis zu sich selbst. Cezannes Gebahren ist nicht so faustisch. Sein
Galliertum duldet keine dunkeln Wege zur Verallgemeinerung. Er
vollzieht nicht weniger den Schritt von der Schultheorie zum Uni-
versum, in dem sich das Frühere vergeistigt und erhöht zusammen-
findet. Aus den Sackgassen der andern baut er w^ie Marees die breite
Bahn von allgemeiner Gültigkeit. Er erlebt noch, glücklicher als
Marees, die dankbare Huldigung der besten jungen Künstler seines
Landes. Der Tod erspart ihm die Genugtuung, zu dem Schlagwort in
allen Ländern zu werden und seine freie Doktrin wieder in engen
Schulbegriff verwandelt zu sehn.
Cezanne hat neben Marees die Vorteile und Nachteile seines Landes.
Erstens ist er, zumal während der nächsten Phase,nicht so isoliert wie
der Deutsche in Rom. Die Genossen der Gegenwart arbeiten bis zu
einem gewissen Grade mit und machen ihm, wenn nichts anderes, minde-
stens die Irrtümer so drastisch -wie möglich vor. Z^veitens fühlt er sich
nicht so isoliert. Wir sehn ihn allein, er sah sich, wenigstens in der
nächsten Zeit, nicht so. Daher eine nicht ständig so hoch gespannte
Verantwortung wde das Bewußtsein des Deutschen, für den es in Rom
nicht mehr Bilder, sondern immer nur das Bild gab, das einzige ganz
vollkommene, das Sakrament. Erst im letzten Jahrzehnt wird diese
exemplarische Strenge auch dem Franzosen vertraut, aber auch dann
noch, als er nur auf die Ausbildung seiner Doktrin erpicht war, schützte
ihn der Mangel an IntellektuaHsmus. Daher fehlt dem Reichtum seiner
Entwicklung die starke Höhendifferenz. Die zahlreichen Krümmungen
versagen die übersichtliche Kurve. Dem einen großen Einschnitt, dem
Bruch mit dem schwarzen Barock, folgen noch drei entscheidende
4.0
Wendungen, aber die Symptome liegen versteckt. Es kommt zu keiner
Mareesschen Pyramide und zu keinem Schlußstein.
Daher muß ein Vergleich, der die Differenz der Kulturen übersieht,
das Urteil trüben. Auch einem Delacroix, einem Rubens, einem Michel-
angelo würde das gleiche Kriterium nicht gerecht. Die Franzosen
haben keinen Maries, könnten aber mit ihm keinen C^zanne ersetzen.
Über das Menschliche außerhalb des Kunstwerks hat die Rede über
Kunst nichts zu sagen. Die Würdigung des persönlichen Kraftauf-
wands läßt den Wert einer Leistung für das Universum unberührt.
Gleich die nächste und übernächste Folge nach dem starken Ein-
schnitt in der Laufbahn Cezannes verführt zur Unterschätzung. Die
Dynamik der schwarzen Barockwerke mußte, sagt man sich, zu einer
Ausbildung des Monumentalen, zum Beispiel zum Fresko führen.
Cezanne kehrt die Richtung ins Gegenteil um. Infolgedessen erscheinen
dem oberflächlichen Blick die Stationen des Mareesschen Weges in
umgekehrter Reihenfolge; also eine Entwicklung vom Großen ins
Kleine. Aber dieses Klein- und- Groß ist kein sicherer Maßstab, das
Fresko kein absolutes Ziel. Das Monument eines Maries, der höchste
Ausgleich seiner Person mit dem Gesetz, ist vorbildlich als ideale Ver-
geistigung dieses Menschen, nicht der einzige Weg zur Vergeistigung,
im Gegenteil der am wenigsten geeignete. Nur Maries' einzigartiger
Tastsinn konnte durch das Labyrinth von Gefahren gedankenblasser
Abstraktion glücklich zum Ziele finden. Cezanne nähert sich dem
Formengang Grecos, der mit einer Landschaft schloß und mit dieser,
von allen kompakten Stilbegriffen erlösten, Dichtung nicht weniger
endgültig demonstrierte als Marees mit seinen Triptychen. Er geht
von einer voreilig geschlossenen Form zu einer losern über. Es fragt
sich, was die neue Helligkeit aus dem visionären Raum macht, den
das Frühwerk gewann. Der Raum tritt auf eine Weile zurück. Zu-
nächst scheint es Cezanne auf Ausstattung der in Auvers gewonnenen
Natur anzukommen, Ausstattung mit allen Reizen, an die vorher
nicht gedacht werden konnte. Der Reichtum ist so berückend, daß
keiner sich der kaum formulierten Träume des jungen Cezanne er-
innert. Er selbst vergißt sich, froh des neuen Schaffens, das von außen
nach innen zu gehn scheint, während er es sich früher qualvoll aus
dem Innern herausriß. Blumen von phantastischer Pracht drängen
das Raumideal in den Hintergrund. Dort aber bleibt es. Verborgen
unter Kränzen lebt es weiter, wie Marees' größte Sehnsucht unter
Freuden andrer Art verschwand, aber als unterirdischer Strom weiter-
41
wirkte, um an andrer Stelle unvorhergeselin die Oberfläche zu durch-
brechen und mit gedoppelter Kraft zum Ziel zu steuern.
Sofort nach Auvers erweitert sich die Produktion nach vielen Rich-
tungen und nimmt alle Gattungen von Motiven auf, Bildnisse und
Figürliches, Landschaften mit Staffage, reichste Stilleben. Die Palette,
die in Auvers das Grau verhüllte, befreit sich von dem schmutzigen
Ton, und der Pinsel schleift die Farbe zu Strahlen. Das Bildhafte
ächzt nicht wie in der dunkeln Zeit, sondern jubelt, befreit von dem
Knebel. Eine Natur von der Vitalität Manets, aber neben Manet
immer noch von einer visionären Kraft beseelt, die alles Greifbare
ausschließt. Der Auftrag, nicht mehr so voll von Pigment wie in den
schwarzen Barockbildern, doch pastoser als in Auvers, von körniger
Derbheit.
Damals ist der größte Teil des ganzen Oeuvre entstanden. Zeitlich
läßt sich diese fruchtbarste Periode nicht genau begrenzen. Sie ragt
bis tief in die achtziger Jahre hinein. Noch schwieriger ist bei der
Fülle eine ganz zutreffende Bestimmung des Inhalts. Verglichen mit
den monumentalen Frühwerken, ist ihr ein spezifisch dekorativer Wert
eigentümlich und, natürlich, eine ganz andre Stofflichkeit, viel nähere
Beziehung zu der Natur. Das Dekorative bestimmt Verhältnis und
geschmeidiges Gefüge der Massen, regelt den Tanz farbiger Flecken,
wählt die Pläne in der weiten Provencer Landschaft, sammelt die
Massen in den Legenden unter Bäumen und webt den Gobelin der
Stilleben. Um die erleichterten Massen architektonisch zu gliedern,
wdrd das Motiv zentral geordnet, und damit entfernt sich Cezanne
entscheidend von der neuen Landschafterschule und nähert sich der
alten Tradition. Sehr oft begrenzen zwei Bäume rechts und links,
nahe dem Rahmen, den Vordergrund. Den bewegt eine Gruppe. In
dem schönen Bild bei den Bernheims in Paris sind es Schnitter. Dann
kommt, ein wenig schräg angelegt, der zweite Plan mit flimmerndem
Getreide, und den Hintergrund bildet Hügelgelände mit der Kirche
auf dem runden Berg. Oft, zum Beispiel in der Provencer Landschaft
der Sammlung Reber in München, bilden die Zweige der rahmenden
Bäume noch ein Blätterdach und begrenzen auch die Höhe. Oder der
Fluß wird in der Mitte des Bildes von dem Bogen der Brücke über-
deckt, und beide Ufer sind Kulissen von Wald. Oder die weiße Villa
liegt am Ende des Sees, wieder in der Mittellinie. — Erzählt, khngt
es wie Theater, und man kann nie sagen, wie sehr es Theater ist, wie
jeder Zweig, jedes Blatt und das Chlorophyll im Blatte mitspielt, tanzt
42
und redet. In andern Stücken von weitester Perspektive findet der
Blick das Zentrvim, ohne daß eins da ist. Kaum merkbare Hebungen
und Senkungen der Ebene, kleine architektonische Details deuten die
Pläne. Schräg ziehn Wege ihre Parallelogramme, und hinten, ganz
in der Ferne laufen die Bogen einer antiken Wasserleitung die Hügel
entlang. Schließt man das Auge, so gleitet der Blick noch w^eiter; die
strahlende Provence mündet in die Campagna Poussins hinein, und
dann hat man die ganze Perspektive der Bühne. Provence und
Cezanne sind immer videder da, sobald man die Lider öffnet, mit
aller Sachlichkeit der Topographie, die, wohlverstanden, diesem
und keinem andern Fleck Erde eigen ist. Auch das gehört zum
Theater. Der Anarchist ist sich damals schwerlich seines ganzen
Reichtums an Hintergründen bewußt gewesen. Der Anarchist ist
mehr Franzose als Courbet, Manet und Monet, sogar in weiterm
Umfang Franzose als Renoir, der sich vergleichsweise mehr zu dem
Dix-huitieme bekennt. Cezanne umfaßt auch diese Tradition nebst
allen andern.
Bewußter wird das Traditionelle in seltenen Kleinodien von der
Art der dekorativen Panneaux aus der alten Sammlung Choqviet, die
jetzt bei den Bernheims hängen; das eine mit einer krausen Barock-
Fontäne, bespickt mit kostbaren Figürchen; das Pendant eine Bade-
szene. Wie Märchen klingt die Erinnerung an den verkrümelten
Brotkugel- Stil, aus dem dieses Rokoko hervorging. Der Reiz des
un verhüllt dekorativen Spiels ist die diminutive Form des üppigen
Barocks und der instinktmäßig gefundene Zusammenklang indivi-
dueller Pinselführung mit dem von außen gegebenen Ornament des
Objekts. Die Improvisation ziseliert die Figürchen aus demselben fein-
maschigen Stoff, der die Atmosphäre der Landschaft trägt, und macht
aus den reichen Details substantieller Dinge Zieraten desRaums^'^l Es
ist die Methode des schwarzen Mystikers auf eine andre Art. Zu einer
schwerer geschürzten Tanzart gehört die Gruppe von Bildern um den
„Mardi gras" von 1888, deren Hauptwerk Stchoukine in Moskau be-
sitzt, Pierrot und Harlekin vor dem pompösen Vorhang: ein großartig
vereinfachter, großartig übertragener Watteavi'3), Will man die ganze
Bühne von dieser Seite überblicken, so gehe man vor die Landschaft
mit dem „Bahndurchstich" der Münchener Pinakothek, ein Durch-
stich des Monuments durch die Dekoration. Die Erinnerung an Poussin
hilft uns nur wenig bei der Deutung dieser gebärdenlosen W ürde.
Wir sind hier sicher den schwarzen Brotkugeln der ersten Zeit am
43
fernsten und dem visionären Raum, der in dem plumpen Zeug geahnt
wurde, am nächsten.
Der Maler dieser Periode ist in dem Selbstbildnis der Sammlung
Theo Behrens. Nichts weniger als ein Lyriker, kein Träumer aus der
Campagna, immer wieder ein Dramatiker aus nächster Nähe Rem-
brandts. Man begreift nicht, wie in diese ungeheuere Wölbung auch
der Sinn für Anmut hineinkam, und vergißt ihn. Das Dekorative
verlöscht im Schatten dieser Menschlichkeit.
Die Periode hat alles: gewählte Sinnlichkeit, gewählten Geist und
Geschmack, unverwüstliche Natur, Spiel, Ernst und Tanz. Nur eins
fehlt: der Impressionismus. Es sei denn, man wolle eine Fleckentheorie,
die schöne Farben verwendet, so nennen. Nichts von einer analysie-
renden Betrachtung, die das empfangende Auge zum Objekt macht,
nichts von physiologischer Lehre. Der mit andern gemeinsame Weg,
der in Auvers begann, mündet in eine größere Gemeinde. Wenn man
aus Freude über den Besitz ihn zu der Moderne rechnet, geschieht es
mit demselben Reservat, mit dem v^dr die schönsten Werke der Courbet
und Manet modern nennen. Mit gleichem Recht zählen wdr sie zu
den alten Meistern.
Wieder besinnt sich Cezanne. Er war es, der in Sturm und Drang
von alten Göttern abfiel und für die neue Zeit neue Form verlangte.
Die hatte ihm Manets Lehre versprochen, deshalb war er nach Auvers
in die Natur gegangen, hatte sich von Greco losgesagt. Statt des einen
Grecos sind deren viele geworden. Sie haben ihn nicht gehemmt, er
wurde der große Maler, und fern ist ihm der Eigendünkel, über die
Erhabenen wie über Leichen zu gehn. Aber prägt sich vnrklich sein
Gefühl von seiner Zeit, gegen seine Zeit, gültig in satte Farben, in
Rokoko und Idyllen? Schwankt nicht sein Arkadien zwdschen allen
möglichen Spielarten? Nichts lockt ihn weniger, als die Welt mit
Gebärden zu beschwören. Er will sie nicht verspotten, noch sie be-
lehren. Nur auf das Bekenntnis vor sich selbst kommt es an, und das
kann nichts andres als Form, unerbittliche Form sein. Wohl hat
schon jedes Bild für hohe Ansprüche Form genug. Aber diese An-
sprüche rechnen nach Normen, die für Amateure, nicht für ihn Gel-
tung haben. Aus alledem muß ein andres, gesammelte Eigenheit,
höchste Verallgemeinerung werden. — Da wendet sich Cezanne noch
einmal und findet; wenn man will, kann man den Fund seinen Im-
pressionismus nennen.
44
vn.
Diese vierte Phase setzt um die Zeit ein, als in den Bildern Manets
und seines Kreises die neue Schule ihre Forderungen durchsetzt und
die Optik die Überheferung Corots endgültig zurückdrängt. Er fängt
wieder da an, wo die andern aufhören — oder besser getan hätten,
aufzuhören'^^
Cezanne kam in den Impressionismus wie Delacroix nach Marokko.
Er war irgendwo gewesen, als Monet die neue Physiologie aufstellte.
Jetzt entdeckte er sie für sich mit dem Rundblick des Pliilosophen,
dem die engere Gattung von Vorstellungen, aus der eine Erfahrung
gewonnen wird, nicht näher steht und der sie unbefangen auf ihren
Nutzen für seine höhern Zwecke hin durchschaut. Sie wurde in noch
höherm Maße und noch weiterm Umfang dasselbe für ihn, was für
Delacroix ein halbes Jahrhundert vorher die erste Entdeckung der-
selben Farben- und Lichtgesetze gewesen war: ein Mittel zur Klärung
der Vision. Er erkannte darin die MögUchkeit, der Natur noch näher
zu kommen und sie gleichzeitig noch freier zu übertragen, einen höhern
Begriff des Natürlichen zu gewinnen, in dessen Bereich das Dekorative
einer weniger stoffhchen Ordnung unterworfen werden konnte. Die
rembrandthafte Gewalt der Bildnisse, die prunkenden Stilleben, die
monumentalen Landschaften hatten ihm trotz ihres Reichtums ein
Ausdrucksmittel versagt, das dem Franzosen für die Gegenwart un-
entbehrhch schien: die Nuance. Das bot sich ihm in dem gesteigerten
Impressionismus: eine Form für zeitgenössische Organe.
Nun erhellt sich die Palette noch einmal. Das Pigment wird spar-
47
sam, der Auftrag verliert das materielle Gewicht, das derbe Korn ver-
schwindet. Statt der wuchtigen Farbe übernehmen die aus der Farbe
gewonnenen Stufen die Führung. Es beginnt die Kammermusik des
Meisters, seine Tonkunst.
Wir haben bunte Blumen und tonige Blumen. Die bunten sind
entweder selbst aus starken Kontrasten zusammengesetzt oder rufen
mit jeder Umgebung starke Kontraste hervor. Sie erobern uns
leicht, ziehen schon von weitem den BKck; Lilien, Tulpen, Mohn,
alle möglichen Feld- und Gartenblumen. Sie entsprechen Bildern
van Goghs, sind dekorativ. Es fehlt ihnen, auch von nahe gesehn,
nicht an Reiz; dafür sorgt Äderung und Flaum, das Poröse der
Haut; ihr wesentlicher Reiz aber beruht auf der Fernwirkung
starker Farben. Andre Blumen beginnen ihre besondere Wirkung auf
unser Auge erst, wenn man sie in die Hand nimmt. Es sind Interieur-
Blumen. Die moderne Gärtnerei hat gerade solche Arten gezüchtet.
Wir können uns schwer vorstellen, daß solche Blumen früher, als die
Häuser klein und die Gärten groß waren, existierten. Es gibt eine
neue grüne Campanula. Sie hat nur eine Farbe, ein Grün, eine Art
Eidechsen-Grün. Es ist eme sehr stille Farbe, doch vermag man kein
zweites Grün daneben zu sehn. Die andern tun dem Auge weh, der
kühle Epheu sticht, der Rasen wird giftig, es scheint mit dieser Farbe
ein persönhcher, seltener, kostbarer Wert verbunden. Das Grün ist in
dem behaarten Stamm am wenigsten ausgesprochen; es wird reicher
und zugleich heller in den Wellungen der flaumigen Blätter, die sonst
mit dem Stamm übereinstimmen, erhöht sich nochmal und nimmt
eine durchsichtige Patina an in der klassisch gezeichneten Glocke
und erreicht das Maximum von stiller Pracht in dem silbrigen Innern
der Glocke; ganz tief drin sitzen grüne Pünktchen. Reins der Grüns
gleicht dem andern, alle aber sind dasselbe Eidechsengrün. Dieser Um-
fang der Wirkung innerhalb einer Einheit weckt einen Begriff von
Reichtum, neben dem der Reiz dekorativer Blumen vorlaut und billig,
geringere Gattung erscheint. Man dämpft die Stimme in der Nähe
solcher Geschöpfe, möchte Kelche für sie erfinden, Alkoven, Möbel,
möchte ihre Eigenart auf andres und sich selbst übertragen. Die Or-
gaiüsation dieser leisen Schönheit drängt nach Verallgemeinerung.
Das fehlt der andern Gattung.
An dergleichen kann man denken. Cezanne hat solche Lüste des
Auges belauscht. Aber er tut noch viel mehr. Er macht das Leise
klangvoll. Dieser Gärtner bringt es fertig, seine Campanula in den
48
Garten zu setzen und so, daß sie trotz der auf eine Farbe beschränkten
Wirkung das Auge anzieht, nicht von nahe, sondern wo immer man
steht, und so unwiderstehhch, daß die Bhcke fliegen, sobald sie nur
von einem Hauch des zarten Spiels getroffen w^erden. Und es ist keine
Blume, sondern ein Haus zvvdschen Bäumen, ein Dorf, ein Fluß mit
Brücken, ein menschliches Antlitz, Gestalten im Walde, Früchte, Feld,
Erde, Himmel, eine ganze Welt. Wir kennen Welten aus dunstigen
Tönen: Turner mit seinem Feuerwerk, die Schleier Whistlers, den
späten Monet mit seinen nebelhaften Reflexen. Sind es Welten, in denen
außer der Phantasie des Verzückten noch etwas leben kann? Nicht
etwa nur Träume und Ideen listiger, wollüstiger Maler, denen die
Welt verschwand? Diese Welt hier ist greifbar lebendig, niclits weniger
als Dunst, stark wie die Sonne der Provence, wie ein Bauer des Landes,
wie die gebärende Kraft des gebenedeiten Bodens. Man erlebt hundert-
mal bei Aix die nüchterne Wahrheit Cezannes, so sicher wie das
Venedig der Guardis, das Holland Vermeers, das England Constables;
noch sicherer, und braucht nicht einmal liinzugehn. Seine dünne
Farbe ist nicht, wie der gef älhge Schleier der Ideologen, dünner Geist,
sondern nacktes Tatsachengesicht, Realität.
Im Grunde nichts andres als eine Erfüllung des alten Gesetzes, mit
dem geringsten Quantum maximalen Nutzen zu geben. Nur der Grad
von Erfüllung erscheint uns zuweilen wie ein neues Wunder.
Das Erstaunliche liegt einmal in dem Relativen, der auffallenden
Entwicklung innerhalb des Oeuvre, diesem Wachstum aus dieser
Wurzel. Das ist das geringste. Tiefer ergreift uns das Absolute der
Leistung, die unbegrenzte Erfüllung aller Forderungen des Objekts,
mit der sich unsre Sehnsucht restlos erfüllt; eine Sehnsucht, die nicht
erst von dem Schöpfer dieser Dinge geweckt wurde, sondern latenten
Bedürfnissen der Menschheit von heute entspringt.
Cezannes ReaHtät ist von Meistern vor ihm kaum geahnt worden;
auch von Delacroix nicht, von dem er abstammt. Er ist deshalb nicht
größer. Seine Realität besteht jenseits der hohen materiellen und
geistigen Suggestionen eines Delacroix. Der sichere Rückschluß vom
Werk auf den universellen Menschen — bei Delacroix ein Hebel unsrer
Verehrung — bleibt versagt. Cezanne ist neuer. Das beweist nichts.
Wäre es allein entscheidend, so könnte man einen Futuristen über
Michelangelo stellen. Cezanne erweist die Gültigkeit seiner Neuheit.
Innerhalb der neuen Bedingungen und Forderungen seiner Zeit nähert
er sich dem Ideal mit Hilfe einer Organisation von nichts weniger
49
als aktueller Fülle, init einem Mittel, das von keiner Willkür bestimmt
wird, sondern ihm von der Überlieferung gereicht wird. Seine nächsten
Vorgänger, Delacroix und die Impressionisten, haben es vorbereitet,
und er übernimmt es in dem Augenblick, wo es genommen werden
muß, um nicht verloren zu gehn.
Dadurch rückt der Outsider auf einmal an einen vorher bestimmten
Platz der Entwicklungsgeschichte. Sein Beitrag fügt ihn der großen
Kette ein, die bei den Venezianern begann und in unvmterbrochener
Folge über Greco, Rubens, Poussin, Watteau, Delacroix zu ihm und
über ihn hinausreicht. Das kunsthistorische Faktum erschöpft nicht
seine Bedeutung. Es handelt sich nicht allein um eine Vervollkomm-
nung des überlieferten Mittels, sondern um eine neue Konstellation
aller Mittel. So wenig sein Fortschritt einen Delacroix vollendet, der
als Komplex, so wie er vor uns steht, vollkommen ist, ebenso wenig
gelangt man von Delacroix in grader Linie zu Cezanne. Sie Hegen
ebenso auf verschiedenen Ebenen vrie Delacroix und sein Raffael, der
auch nicht seinem besondern Wesen gemäß fortgesetzt werden konnte.
Man glaubt von Balzac und Flaubert, Puschkin und Dostojewski, ob-
wohl sie entwicklungsgeschichtlich eng zusammenhängen, sogar
manche Ziele gemein haben, sagen zu können: sie reden nicht die-
selbe Sprache. Dasselbe gilt hier. Der Vergleich Cezannes mit Dosto-
jewski'5^ ist deshalb so günstig, weil auch die von Dostojewski voll-
brachte Differenzierung jede Verengvmg und Schwächung des Über-
nommenen vermeidet.
50
'^^
vm.
Von dein technischen Problem wenigstens die Umrisse: Cezanne
modelliert nicht mit der Zeichnung, verzichtet auf alle linearen Um-
risse, da sie seinem Gefühl willkürlich und seinein Rhythmus hinder-
lich erscheinen. Er modelliert nur mit Farben und Ton. Das Gleiche
läßt sich von Manets Farbenkontrasten sagen. Cezanne mildert und
raffiniert die Kontraste und vervielfacht die Töne. Er vervielfacht
sie nicht nur, baut geradezu das ganze Bild aus Tönen auf, läßt den
Kontrast der Farben verhältnismäßig zurücktreten'^^ Warum wirkt er
trotzdem so gestaltreich? Die Abtönung muß von rechts wegen das
Bildhafte verweichlichen und verwischen und unvermeidlich zur Auf-
lösung führen. Wie entgeht Cezanne dieser Klippe, an der Monet mit
einer viel geringern Intensität der Abtönung scheitert? — Mit zwei
Gegenmitteln. Zunächst mit einem längst bekannten, das Constable
w^iederentdeckt und den Nachfolgern übermittelt hatte, dem Cezanne
nur eine neue Verwendung und Ausdehnung gab: die manuelle Stu-
fung zwischen den Tönen. Der dunkle Ton gleitet nicht widerstands-
los in den hellem, sondern in deutlichen Absätzen, die der Pinsel
rhythmisch organisiert. Die Pinselschrift schafft Kadenzen. Iin Prinzip
machen das Monet und die andern ebenso. Sie teilen mit dem Pinsel
die Farbe, um ihr Konsistenz zu geben, da eine bewegte Fläche un-
gleich stärker wirkt als die glatte derselben Farbe. Schon Delacroix
machte es so, und im Prinzip hat es Veronese nicht anders gemacht.
Die Teilung erfolgt durch mehr oder weniger lange, gerundete oder
grade Striche. Der Leuchtkraft zuliebe kürzen die Impressionisten
53
die Striche und, um den Flächen die Ruhe zu geben, machen sie die
Schraffierung gleichmäßig. Bei Monet sind die Striche kommaartig,
bei Sisley länglicher, bei Pissarro mehr punktiert. Die Gleichförmig-
keit des Strichs macht die Teilung zu einem relativ dem Dekorativen
zuneigenden Verfahren, dessen Mechanismus hervortritt, sobald man
an die alten Meister und zumal an Delacroix denkt. In Delacroix'
Bildern trägt jeder Strich gleichzeitig Gestalt und Farbe, und nichts
Mechanisches hat Platz. In den Bildern der Seurat, Signac vmd der
andern Neo-Impressionisten (deren Versuche Cezanne mit Aufmerk-
samkeit verfolgte) wird der Mechanismus immer deutlicher.
Cezanne erkannte das arg Bedingte des Zusammenhangs dieser Nach-
folger mit Delacroix. Er bereichert den Teilungsmodus. Die Syste-
matisierung der Handschrift wird durchaus nicht aufgehoben, nur
fügt sich die Struktur aus einer Menge verschiedener Einheiten zu-
sammen. Man erkennt avif den ersten Blick ein sehr ausgesprochenes
System von Flecken, Strichen, Schraffierung; jedes Bild hat sein
eigenes, und innerhalb desselben Bildes wechselt die Einheit. Gebogene
Striche a la Delacroix wechseln mit kleinen und großen, gradlinig
schraffierten Flächen. Die Schraffierung geht scheinbar über das
ganze Bild weg und hält es zusaminen, aber ist nur ein durchsichtiges
Netz über andern ebenso durchsichtigen Strukturen. Oft wird der
Pinsel haardünn, dann waeder läuft die Farbe in anscheinend zufälligen,
aquarellmäßigen Lachen. Der Druck der Hand folgt allen Einfällen
des Ausdrucks. Immer wieder fällt die Selbstherrlichkeit des Systems
auf. Es geht der Natur, die es wiedergeben will, voraus, und wenn
man es greifen wäll, steht der Berg, den es webt, die Frau, der Bauer
vor uns. Nie macht es Cezanne wde Manet, der mit den ersten paar
Strichen die Natur an sich riß. Bei Cezanne steigt die Gestaltung
scliichten weise wde bei Marees, nur bleibt der Auftrag rätselhafter-
weise immer dünn. Wenn er beginnt, wirbelt es auf der Leinwand
von farbigen, rhythmischen Flächen. Zehn Landschaften statt der
einen stecken in dem Wirbel. Das Grün ist Saft, bevor es Baum
wird, und bleibt es auch dann noch. Manet wollte die eine Land-
schaft, den Ausschnitt vor seinem Auge; Cezanne will hundert in
der einen.
Beschränken wir uns auf den Auftrag, so ergibt sich etwa ein ge-
reinigtes System in der Art der alten Meister und Delacroix', be-
reichert um alle Möglichkeiten der Impressionisten.
Aber das gibt erst einen groben Umriß der Cezanneschen Teilung.
54
Der sorgfältige Betrachter erkennt in dem Bilde Einzelbilder aus
solchen Strichen und Schraffierungen, Stücke, welche Einzelheiten
des Motivs gewissermaßen sphärisch vereinfachen. Gelänge es, solche
Einzelbilder herauszunehmen (was die Geschlossenheit des Ganzen in
Wirklichkeit nie erlaubt), so würde man sie als geometrische Formen
erkennen, Stücke von Würfeln, Zylindern und andern räumlichen
Figuren. Wir gelangen zu einer Anatomie des Bildes auf mathe-
matischer Basis. Diese räumlichen Figuren ergänzen die Struktur.
Die Bedeutung des Systems ergibt sich von selbst. Die Farbe wird
bis an die Grenze der Auflösung zerlegt, Pigment, Auftrag halten sich
an geringste Mengen. Die Mathematik der ins Räumliche wogenden
Striche baut das Farbige wieder zusammen. Die Synthese überwiegt
bei weitem die Analyse. Daher die erstaunliche Geschlossenheit von
Bildern, die anscheinend nur aus ein paar dünn gestrichelten Flächen
bestehn'''^ Die Striche, für das rohe Auge Fetzen, sind in Wirklichkeit
Klangbündel des Farbigen, Raumbündel der Natur. ZurückbHckend
vermag man sich vorzustellen, daß in den ungeschlachten Massen der
schwarzen Barockbilder bereits die Ahnung von einer kubischen Raffung
der Erscheinung ihr Wesen trieb.
Die Beteiligung der Geometrie an der Kunst ist uralt wie die Py-
ramiden und der Kubus, aus dem die Egypter ihre sitzenden Idole
gewannen. Ohne Mathematik, ob bewußt oder nicht, ist keine Venus,
keine Mutter Gottes entstanden. Als Adam die gewölbte Hand um
die Brust der Eva legte, keimte der Instinkt dieser räumhchen Bildung.
Freilich lag einer Epoche, die sich immer unbedachter der Natur über-
ließ, nichts ferner als jener Zusammenhang, am fernsten dem Im-
pressionismus. Die Mathematik war dem Künstler etwa noch in der
Plastik gewohnt und in einer Malerei, die sich noch nicht ganz von
der Plastik gelöst hatte. Wir wissen, wie Ingres nach den Säulen im
Körperbau suchte, und kennen Maries' Forderung, in dem Kopf die
Kugel, in den Beinen Kegel zu sehn. Bei Marees kann schon eine
Reaktion auf den vorausgeahnten Impressionismus mitgespielt haben ;
mit Sicherheit bei einem Sonderling unter den Malern, dessen Einfluß
gerade ein Extrem des Impressionismus herbeirufen sollte: Seurat, der
Vater des Neo-Impressionismus, führte mit seiner nahezu mechanischen
Teilung der Fläche die Entdeckung Monets ad absurdum und suchte
gleichzeitig mit seiner Liniengeometrie einen struktiven Halt zu ge-
winnen. Seurat wollte das Problem experimentell lösen und die Mathe-
matik als Mathematiker einführen. Eine ganz methodisch veranlagte
55
Geistesart trieb ihn. Er war nahe daran, zu glauben, die Schönheit
lasse sich zahlenmäßig berechnen. — Cezanne hat die wenigen Bilder
Seurats, die lange nach seinen ersten Versuchen entstanden, gekannt
und abgelehnt. Eine Welt trennt ihn von dem Wissenschaftler:
Seurat suchte das Ornament. Am Ende einer tausendjährigen Ge-
schichte blieb Seurat nichts übrig, als die Malerei dorthin zurückzu-
führen, von wo sie einst unter den Mosaikisten ausgegangen war. Ce-
zanne dachte großmütiger von der Malerei. Er wollte ihr nichts
nehmen, sondern ihr, ^vie er einmal in seiner Art sagte, „etwas vom
Museum" zurückgeben. Renoir wünschte, in seiner Reihe zu bleiben.
Das Abtasten nach geometrischen Formen, das bis dahin nur im
Monumentalen oder in strengen Dekorationen denkbar schien, richtet
Cezanne auf eine Welt von Nuancen, auf die spontane Darstellung
flüchtiger Eindrücke der Natur. Und zwar richtet er rücht flächige
Formen auf die Fläche, sondern räumliche auf den imaginären Raum
des Bildes. Wenn man in einem Apfel von der immateriellen Pracht
einer Cezanneschen Frucht, in einer Wange seiner Frauengesichter,
in seinen Selbstbildnissen die räumliche Geometrie, zum Beispiel das
Abtasten einer Eiform findet, mag man sich sagen, ein Gesicht, ein
Apfel sei immer noch etwas Greifbares, das irgendwie die Beziehung
auf solche Formen erlaubt. Wie soll man das Hineinbauen solcher
Würfel in eine Landschaft, in atmosphärische Dinge erklären? Land-
schaften der Primitiven ertrügen und ertrugen es, weil sie keine Land-
schaften, sondern komische Häuserchen, besenartige Bäumchen, Maul-
wurfhügel sind. W olil war Cezanne selbst ein Primitiver. Man sieht
es an allen Zeichnungen zu Rompositionen. Sie beginnen mit Rinder-
fingern. Vom Primitivsten in ihm ging er wie jeder Bekenner aus,
und, es ist möglich, nur ein Prinütiver konnte ungestraft auf die Mathe-
matik geraten. Nichts aber ist weniger primitiv als das Resultat. Er
baut einen Mittag, einen Morgen, dem soeben die Dämmerung ent-
wich, die Minute vor dem Abend, ein von Feuchtigkeit durchsetztes
Flußbild; Bilder, die das Atmen erleichtern, als seien sie mit Ozon
gemalt; baut das alles wie ein Rind mit Würfeln, türmt in seinen
zentesimal abgetönten Schichten zylindrische Rörper auf, und die
Schichten sind immer noch Luft, Tau, zitternde Lichter; baut ein
System organisch wie das Rnochengerüst des Rörpers, sicher wie Stein
und ungreifbar wie Äolsharfengeflüster.
Das Ineinandergreifen der geometrischen Teile in die Teile des
Motivs entzieht sich meiner Darstellung, und ich weiß nicht, ob es
überhaupt in Worte zu fassen wäre. Vermutlich hätte die Wirkung
engere Grenzen, wenn sie sich restlos analysieren ließe. Zudem müßte
eine weitertreibende Darstellung des Forschers die Klippe fürchten,
die der Maler in seinen Bildern stets überwunden hat; das Scheitern
der Empfindung an der Spekulation.
(Wenn aber einer fragt, warum denn Cezanne schließlich und endhch
so viele Umstände machte, soll er die vier Leute, die vor ihm ein Quartett
Beethovens spielen, fragen, warum sie die sonderbar geschwungenen
Holzkästen im Arm haben und mit Bogen über sie hinfahren.)
1 ••
67
IX.
Geometrie und Tönung sind die Mittel für Cözannes Schöpfung
der Natur. Folgende Sätze schrieb er Emile Bernard: „Alles in der
Natur formt sich nach Kugel, Konus und Zylinder. Lernt man nach
diesem einfachen Schema zeichnen, so kann man nachher alles machen.
Zeichnen aber heißt für den Maler Farbe. Wenn die Farbe ihr Maximum
erreicht, ist die Form vollendet. Es gibt für ihn weder Linie noch Run-
dung. Es gibt für ihn nur Farbenkontraste. Diese Kontraste sind nicht
Schwarz -Weiß allein, sondern alles, was Farbenempfindung vermag.
Aus dem rechten Verhältnis der Töne geht die Modellierung hervor.
Sind sie alle da und in vollkommener Harmonie, so ist das Bild fertig."
Ob die Prämisse zutrifft? Formt sich wirklich in der Natur alles
nach Konus, Kugel und Zylinder? Möglich, mindestens plausibler
als die Schlangenlinie Hogarths, der auch ein Maler war. Die Folge-
rung ist von dem objektiven Wert der Voraussetzung unabhängig. Ce-
zannes Überzeugung genügt. Im Grunde war Kugel, Konus und Zy-
linder eins der Themen seiner Symphonie, als solches unantastbar und
sicherer erwiesen, als wenn uns ein Gelehrter und tausend Kubisten
den mathematischen Nachweis für die Prämisse erbrächten.
Geometrie und Tönung, mit denen er seine Natur macht, sind
gleichzeitig die notwendigen Widerstände gegen die Natur, doppelte
Siebe, durch die er das Erlebnis hindurchpreßt, um zu allgemeinster
Form zu gelangen. Nicht aus Willkür wird auf die Zeichnung linearer
Art verzichtet, nicht, um sich unnötige Sch"\vierigkeiten zu schaffen,
das Rund des Plastikers verpönt, sondern aus derselben Notwendigkeit,
59
die den Musiker zwingt, sein Thema mit solchen Mitteln zu erschöpfen,
die seiner erleuchteten Einsicht als reinste Kunstmittel erscheinen.
Darauf beruht die Gültigkeit des Stils. Wir verdanken der Neuheit
C^zannes den reinsten Begriff des Malerischen. Natur und Stil hängen
bei ihm ebenso unzertrennlich zusammen wie seine Tönung und seine
Geometrie, Fläche und Raum.
Dieser Zweiklang gibt Cezannes Stellung in der zeitgenössischen
Kunst. Alle Künstler seines Kreises wurden vom Malerischen zur
Fläche getrieben, selbst Delacroix. Das Flächige ist die lockende
Gefahr im 1 8. Jahrhundert. Erst im siebzehnten finden sich in Poussin
die beiden Pole in ähnlicher Harmonie vereint. Das Empire brachte
eine Reaktion von außen. Wenn sich in der Folge Fortschrittler wie
Courbet auf den Ausgleich besinnen, geschieht es auf akademische
Art, mit Kompromissen. Selbst Renoir, der einzige kongeniale Ge-
nosse, kommt nicht ganz um den Kompromiß herum. Die andern
hören nur auf Manet und Monet. Manet sah in der Modellierung das
verächtliche Zeichen billiger Übereinkunft und schaffte sie ab. Hätte
er streng nach seinen Worten gehandelt, so wäre vom Körperlichen
nichts übrig geblieben. Mit seiner verhältnismäßig geringen Empfin-
dung für Tonwerte war kein Ersatz zu schaffen'^^. Seine göttliche Ge-
schicklichkeit half ihm. Die Hand entlockte dem Pinsel so treffende
Bezeichnungen für die Stoffwelt der Natur, daß man den Mangel
nicht entbehrte. Es war ein geborener Einzelfall, jeder Verallgemei-
nerung unzugänglich. Das erkennen die Impressionisten. Ihre Dok-
trin folgt aus berechtigter Sehnsucht nach einem Gesetz gegen die
uferlose Neuheit ihres Naturalismus. Sie entdecken es in der physi-
kalischen Farbenlehre, fordern chromatische Palette und Teilung und
verwandeln die Landschaft in ein Spiel leuchtender Flecken. Die Neo-
Impressionisten gehn noch weiter auf derselben Bahn und kommen
dem Flachornament immer näher. Die Vorhebe für die Landschaft
fördert den Irrtum. Im Freien, glaubt man, habe der Raum weniger
zu sagen. So wird die Malerei zu einem nur durch Unzulänglichkeit
gemilderten Naturalismus aufchromatischer Grundlage, zu einer farben-
reinen Ungeistigkeit. Von den Alten bleibt allenfalls der Reflex, mit
dem sie ihre Stoffe schmückten. Die Kunst, der letzte Tempel der
Menschheit, wird zu einer hygienisch hergerichteten Kabine für far-
bige Aufnahmen.
Freilich irgend ein kosmisches Gelüst fand immer noch Nahrung.
Licht war überall. Wenn man also Licht gab, gab man Welt. Es
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entging den Entdeckern, daß ihr Liclat der Kerze glirh, mit der ein
Abgebrannter die leere Stätte seines Hauses betrachtet.
Es gab Unzufriedene und allerlei Reaktionen; die Versuche zwischen
Puvis de Chavannes und Maurice Denis, noch abgelegenere Stilisie-
rungen der Deutschen, Skandinaven und Engländer. Alle diese, meist
beim Tapezierer endenden Reaktionen, über die sich wie ein Riese
über Zwerge Hans von Marees erhebt, lassen den brauchbaren Kern
des Impressionismus außer acht, benutzen allenfalls Brocken der
neuen Lehre, nicht den zeitgenössischen Instinkt, der die Schüler
Courbets trieb.
Cezanne kommt mit dem Mittel der Zeit über sie hinaus, weil er
sachlicher zugreift. Er ist mit den Koloristen Kolorist und der größte,
unter den Sehern, die nur Auge sein wollen, das schärfste Auge, unter
den Flüchtigen der Flüchtigste; aber ist noch etwas mehr. Seine Sen-
sibilität beschränkt sich nicht auf die Reize der Retina, sondern rea-
giert ebenso empfindlich auf doktrinären Aberglauben. Seine Einfalt
sträubt sich gegen die Zumutung, von der sichtbaren Welt nur ein
leuchtendes Teilchen zu geben; er hat kein Spektroskop bei sich, wenn
er draußen malt. Und er ist eigensinnig. Warum nicht Raum schaffen
im Bilde, wenn es ohne Verrat des Farbigen möglich ist, ja, wenn
der Raum womöglich gerade als letzte Form meiner Farbe ent-
steht? Warum nicht bauen, wenn es mit meinen Mitteln geht? Warum
nur Landschaften, nicht auch Idyllen, wenn zu dem Bau eine Idylle
treibt? Und warum nicht die Alten dazu lassen, wenn ich sie wie mein
Eigentum, wie meine Farbe und meine Idylle spüre? Alle sind mir
recht, die ich hereinbringen kann, alle muß ich haben. Nicht Rem-
brandts Zeit brauchte einen Rembrandt. Da war die Welt noch fest;
in Millionen wirkte die Legende, die er malte. Nicht für Spanien
hat Greco seine Mystik gemacht. Damals war überall Mystik, und
fern die Aussicht auf Menschen, vor denen nichts, was sich nicht
rechnen läßt, besteht. Für uns haben die Erhabenen geschaffen. In
ihren Werken steckt der verlorene Kosmos. Was meine Fetzen fassen
können, will ich. Wohl wäre ich Tor, wollte ich Dante und Virgil
wie Delacroix machen, aber auch ich weiß noch von solchen Dingen.
Ich habe nicht die lebende Gemeinde, die mich hört, und kann nicht
auf sie hören. Die andern im Museum sind meine Gönner und Kinder.
Ich glühe noch. Ich schwebe, mit vielen Geistern beladen, meine
Schwingen sind von Pfeilen durchlöchert, und schwer habe ich an
meinem Alter zu tragen. Aber ich fliege. Meine Sehnsucht ist in den
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dreihundert Jahren nicht kleiner geworden. Ich weiß nicht, was mich
abhalten sollte, mich meinem Fluge zu opfern.
Meinem Fluge, nicht der Natur! — Was wären mir die Apfel, die
ich hundertmal male, wenn ich in ihnen nicht die Früchte sähe, die
ein Geist meinem Geiste reicht? Wenn ich mit ihrer Farbe nicht je-
weils alles empfände, was andre Augen, begnadeter als ich, in ihnen
geselin haben? Sind sie wirklich schön in der Natur? Wären sie so
ungestalt, "vvie ich sie male, wenn sie nicht trächtig eines andern wären?
Sind es überhaupt Äpfel? Ist ein Apfel aus Öl, aus Mathematik? Ist
das, was ich da hinstelle, nicht einfach auch nur so ein Halter wie
meine Optik und Geometrie, um den andern, die mich sehn wollen,
— mich, nicht den Apfel — eine Art Stütze zu geben?
62
g.a. ^»^<' ■■■:•..'■ Ä«'! •■.■•*:•:.-•
<5N
X.
In der letzten Phase, die etwa um 1900 einsetzt, verändert sich Ce-
zanne noch einmal. Er kehrt zu dem pastosen Auftrag und materielleren
Farben zurück. Ein Teil der vorher gewonnenen Werte, viel von der
unvergleichlichen Tonkunst wird fallen gelassen. Dafür nähert sich
die Robustheit der Bilder mehr der mittlem Periode. Der rembrandt-
hafte Cezanne kommt wieder, freilich nicht mit ganz derselben Kraft,
die das Selbstbildnis bei Behrens malte; und die Freude an dem satten
Prunk der achtziger Jahre kommt wieder, freilich nicht ganz mit der-
selben Selbstverständlichkeit. Die Art schließt sich an die derbe Fülle
mancher Hauptwerke der neunziger Jahre, wie an das Porträt von
Geffroy, an die „Spieler" und die „Femme au chapelet"; magistrale
Dinge, die mit Recht sehr hoch geschätzt werden und noch höher
ständen, wenn uns nicht Cözanne mit seiner Rammermusik beschenkt
hätte. Was die Bilder nach 1900 von jenen strotzenden Werken trennt,
spricht nicht für die letzte Zeit: eine mehr oder weniger mex'kbare
Abnahme des Spontanen, die selbst den farbenreichsten Prunkstücken
früherer Zeit die leichte Beweglichkeit erhält. Das Auge genießt
immer noch in Fülle. Das um 1903 entstandene Blumenbukett in der
Henkelvase auf dem prachtvollen Teppich würde mit seinen gewirkten
Farben unter hundert Meisterwerken auffallen. Die phantastische
Romantik in dem „Chateau Noir", von 1904, oder in dem Totenkopf
auf dem Teppich, von 1905, ist nochmal eine neue Tonart, und in den
„Baigneurs", dem unvollendeten Hauptwerk der letzten Zeit, scheint
das Idyllische ins Freskenhafte gesteigert. Man bewundert, aber ver-
65
mißt den Zauber des Gärtners, der seine Bilder wie Blumen wachsen
ließ und ihnen doch alle Realität des Bildhaften gewährte. Es wird
leichter, zu erkennen, wie die Bilder gemacht wurden, und ein großer
Teil des Reizes erschöpft sich mit der Anerkennung ihres dekorativen
Wertes. Die pastose Farbe hat zuweilen einen branstigen, wie ver-
rosteten Ton, klingt nicht mehr ganz rein. Die Canipanula ist fern.
Vergleicht man ein Werk der besten Zeit vne die schöne Landschaft,
die früher bei Linde war, mit einem ähnlichen Motiv der letzten Jahre,
so könnte maji, mit Übertreibung, vermuten, ein sehr begabter Schüler
habe im Atelier des Meisters das Vorbild vereinfacht übertragen.
Die Bilder der letzten Zeit stehn im Zeichen des Alters. Cezanne
klagte über die Abnahme der Sehkraft und gestand oft, die gewünschten
Töne nicht mehr unterscheiden zu können. Er besaß nicht die glück-
Hche Weisheit des alten Renoir, mit der Abnahme der physischen
Kräfte zu rechnen. Der Wunsch, sein Äußerstes zu geben, steigerte sich
im umgekehrten Verhältnis zu dem Nachlassen der Kraft. „R^aliser!
R^aliser!" antwortete er auf jede Mahnung zur Schonung. Die Zahl
der Ubermalungen wuchs wie bei Marees ins Phantastische und über-
müdete schließlich die Farbe. An dem erwähnten Blumenbukett hat
er von 1900 bis 1905 gesessen, an den „Baigneurs" zehn Jahre bis
kurz vor seinem Ende, ohne ihnen die letzte Hand geben zu können,
und, wie Vollard über die Entstehung seines Bildnisses erzählt, unter-
brach Cezanne nach 115 anstrengenden, langen Sitzungen die Arbeit,
um nach Aix zurückzukehren. Er sei, sagte er zu Vollard, mit dem
Hemdauschnitt ziemlich zufrieden. Das andre hob er sich für später
auf. In der Tat ist diese Stelle die schönste geblieben. Das Porträt
gehört nicht zu den besten Cezannes.
So hat er immer gedacht und gehandelt. Daher darf man Cezanne
keine gewollte Unfertigkeit nachsagen. Am liebsten hätte er die Abrun-
dung eines Holbein erreicht. Doch zog er, auch in den letzten Jahren, vor,
die Leinwand weiß zu lassen, wenn die volle Konzentration des Auges
rücht mehr für die letzten Striche reichte. Seine Gewissenhaftigkeit
grenzte zuweilen an Manie. Wir kommen über solche Stellen, oft nur
belanglose Grenzen des Systems, leicht hinweg. Er selbst ist nicht so
duldsam gewesen und hat in solchen Bildern immer nur Anfänge ge-
sehn.
Die Absorption durch die Arbeit ging so weit, daß Cezanne, noch
mehr als Maries, den Sinn für das tägliche Leben verlor und sich in
seinen Beziehungen zur persönlichen Mitwelt mit denkbar primitiven
66
Formen belialf'9\ Er duldete in seiner Umgebung alle Vorurteile, die
ihn nicht am Malen hinderten. Eins konnte er nicht vertragen: Wenn
ihm jemand, selbst einer der Nächsten, selbst sein gehebter Sohn Paul,
im Gespräch die Hand auf Schulter oder Arm legte, fuhr er wie wild
auf und ging davon. Er hatte wenig oder gar keinen Umgang, gab
sich bei den seltenen Aussprachen keine Mühe, und die andern gaben
sich keine Mühe mit ihm. Deshalb sind die wenigen Zeugnisse der
Leute, die ihn gekaimt haben, mit Vorsicht zu gebrauchen. In solchen
Berichten pflegt seine fanatische Liebe zur Natur immer die größte
Rolle zu spielen. Es ging Cezanne wie manchem andern, der von dem,
was ihm am nächsten steht, immer nur das Äußere preisgibt. Tatsäch-
lich hat er im Freien gemalt. Ebenso fest steht, daß er für das Figür-
liche seiner Bilder vergilbte Aktstudien aus der Jugend benutzte, die
Stilleben nach Früchten malte, die mit der Zeit verfaulten, und die
Blumenstücke, weil sich die Modelle noch weniger hielten, nach Papier-
blumen^°\ Aber er setzte einmal seinem zweifelhaften Schüler Emile
Bernard auseinander, was in der Gegenwart unter Klassisch zu ver-
stehn sei. Klassisch sei für ihn eine moderne Malerei, der es gelänge,
Poussin ganz nach der Natur zu wiederholen. Dies war einer der Aus-
sprüche, die für seine Überzeugung gelten können.
67
XI.
Man hat Courbet, Manet und andre klassisch genannt, weil sie erst
abstießen, dann gefielen und weil ihre Werke zuweilen den Reiz der
Alten erreichen oder übertreffen, und ging dabei voreilig mit dem Titel
um. Er sollte nicht für Originalität, Reize und dergleichen, sondern
für realisierte Anschauung von überpersönlicher Gültigkeit da sein.
Cezanne verdient ihn wie unser Marees, weil er das Maximum von
wohlerwogener Hinderung seinem Gestaltungstrieb entgegenstellte
und mit seinen Fetzen so malte, wie Mozart heute singen würde, ein
Mozart, ganz nach unsrer Natur wiederholt. Ungläubige sind ver-
sucht, daraus auf einen zerfetzten Begriff des Klassischen zu schheßen.
Auch den Blicken, die Cezanne erkennen wollen, stellen sich Wider-
stände entgegen, wohltätige Widerstände, vielfache Siebe. Das Auge
muß hindurchgepreßt werden, um gültigen Blick zvi erlangen. Wir
sind unrein. Die Welt, in der -war leben, und die war lieben, weil vnr
in ihr leben, ist erstaunlich häßlich und gemein, und es bedarf keiner
gewöhnlichen Mittel, um unser Auge zu entschleiern. Es gehört be-
sonderes Glück dazu, um in unserm Gewirr ohne Schw^indel Gefilde
Poussins zu erleben. Doch gibt es dergleichen. Dieser und jener, der
sich hinter Masken versteckt, hat es in Augenblicken, die Fetzen glei-
chen, erlebt. Man bedarf, sagt man, besonderer Augen für die Bilder
C^zannes. Daran glaube ich nicht recht. Sicher aber muß man be-
sonderes Glück, will sagen, besondere Fähigkeit zum Glück besitzen,
um ihn zu verstehn.
Cezanne könnte als Überwdnder des Impressionismus, als Schöpfer der
69
Synthese aus dem Impressionismus gefeiert werden, wenn der Titel
nicht zu gering für ihn wäre. Wichtiger ist seine Schöpfung einer
andern Synthese. Sie Hegt auf dem Gebiet, von der ich bei der Be-
trachtung des Anfängers ausging. Die Kunst, in die der Anarchist eintrat,
war bürgerlich. Schon Da\dd, der letzte Hofmaler war es, und zwar als
Galamaler noch mehr als in der bescheidenem Gattung. Die Nach-
folger aus seinem Kreise suchten die haftende soziale Schrift mit krie-
gerischer Gebärde abzuschütteln. Dem Ritterlichsten unter ihnen,
G^ricault, gelang es zuweilen. Dann kam ein Maler vom Blute der
königlichen Alten, der einzige. Während im W aide von Fontainebleau
emsige Leute wie Millet und Rousseau ihre Motive suchten, wde gute
Familienväter auf Pilze gelin, Corot, ein Bürger mit einer Lerche im
Busen, sein Glück besang, Daumier, der göttliche Prolet, Sohn Michel-
angelos und einer W äscherin, den Haß aufs Bürgerliche, das ihn drückte,
in düstern Bildern glühen ließ, baute Delacroix seinen Thron. Ein
König, den wir uns nur deshalb nicht mit einer Krone denken, weil
das sein Incognito verkleinern vrürde; ein weise regierender Mensch,
allen Menschen offen, allen gebend, auch den Einfältigen; wie ein König
sein soll.
Nichts mehr seit ihm von seiner Art. „Es ist nicht mehr die Zeit
für Könige", klagt in der Einsamkeit ein kranker Philosoph. Courbet
zerstampft den Nymphenreigen Corots. Alles, was du nicht mit dem
Finger kannst, ist Schwindel. Sein Finger ist geschickt, und die Hand
wird von einem Koloß geführt, dem Malen Brunst ist, Malen wird
Materie, kolossale Materie von Fels, Woge, Fleisch. Ein großer Maler
in diesem und jenem, einer der größten aller Zeiten, aber stückweise,
immer nur von Ehrgeiz beherrscht, ohne Fernsicht. Dahinter steckt
ein Bourgeois, der die Bourgeois ärgert, ein kleiner Mann mit großem
Appetit wie Menzel, nur gröber; ein Communard, der in der Revolu-
tionsnacht in die heimlich ersehnten Tuilerien dringt und sich in den
könighchen Armstuhl flegelt. — Da kommt Manet. Nach dem Nach-
schwätzer Proudhons der Feingeist eigenen Witzes, Pariser bester Art.
Das Gefecht mit der Gesellschaft, von Courbet mit Knüppeln begonnen,
wird mit dem Florett fortgesetzt. Ein spannendes Gefecht, die Klinge
pfeift, aber doch mehr Duell, mondäne Angelegenheit, als Kampf um
letzten Einsatz, Im Grunde Holz vom Stamme Courbets, nur besser
gespitzt. Bürgerhch ist der ganze Impressionismus, die Kunst der Ober-
fläche, philisterhaft das Programm, der Stolz auf Neuheit und ge-
druckte Weisheit, das Spezialistentum der Kaste, die mit der Sonne
70
wie mit der Vereinsfahne umgeht, stets bereit, jede Begabung zu opfern,
die dem Prinzip widerspricht. Teilen! teilen! ist das Schlagwort. Es
riecht nach Sozialdemokratie.
Da kommt C^zarme, und endlich werden die Dinge wieder groß.
Er ist keinDelacroix*'\ Paläste gibt es für ihn so wenig wie für Rem-
brandt, und das letzte Hauptwerk, der Baldachin aus Leibern und
Zweigen, bleibt unvollendet, vielleicht nur weil der geschärften Sen-
sibihtät jedes Monument, auch der gedichtete Palast eines Marees, zu
greifbar erscheint. Seine Größe ist nichts für alle, nichts für die Ein-
fältigen, aber unantastbare Kunst, Delektation. Er war ein seltener
Musikant, entlockte dem alten Instrument neue Töne, aber spielte nie
sich selbst oder andern zur Kurzweil, war Komponist, der vornehmste
Typus des Komponisten unsrer Zeit. Er gab der Malerei den Adel
zurück, den Anstand des gut geborenen Organismus; ein Aristokrat.
Ein Witz der Geschichte : dieser Aristokrat war im Äußern, so wie
er ging und stand vollendeter Spießer; Gevatter So-und-so mit einer
Glatze und einem Zumpelbauch. Er hatte den kleinen Tic aller Pro-
vinzler, eine gewisse Originahtät. — „Monsieur Cezanne — ah, un
original!" sagen die Aixer Bürger. „Un artiste! II travaillait fort, celui-
lä!" — Damit meinen sie, daß er die Pariser hineinlegte. Mit einem
Augenzwinkern fügen sie hinzvi: „Un peu toque tout de meme!"
Er lebte durchdrungen von den Pflichten eines Aixer Bürgers, hielt
sich keine nackten Modelle, weil er das für einen altern Mann gefähr-
lich und nicht schicklich fand, zahlte regelmäßig seine Steuern, ging
Sonntags zur Messe und hatte keinen größern Ehrgeiz, als in den
Pariser „Salon" zu kommen, was ihm versagt blieb. Im Grunde doch kein
Witz der Geschichte. Wie hätte er leben sollen? — Mein Reich ist nicht
von dieser Welt. Wie sollte ich ihr meine Herrschaft erweisen? Sie
w^rde noch lauter über mich lachen, vromöglich die Hand auf meinen
Rock legen. Laß sie lachen. Ich lasse mein eigenes Dasein über mich
lachen, aber ich herrsche.
Cezanne starb 1906 in Aix im Alter von achtundsechzig Jahren,
die Palette in der Hand. Vier Wochen vor seinem Tode schrieb er
einera Maler, er hoffe jetzt einige Fortschritte zu machen.
ANMERKUNGEN
i) über einige der frühesten Bilder s. das Cözanne-Kapitel in meiner ersten Entwicklungs-
geschichte. Die dort vermutete Beziehung zu Bildern der Brüder Le Nain ist inzwischen
bestätigt worden. Das Hauptbild der ersten Zeit, ein Paris- urteil, ist eine geschickte unper-
sönliche Skizze, vielleicht die freie Übertragung eines Vorbildes. Vollard datiert es 1860.
(Ambroise Vollard: Paul Cezanne [Paris, 1915]).
a) Aus demselben Jahre das Bildnis eines Jugendfreundes, des Malers Achilie Empereire,
(Zola schreibt in seinem Brief an Cezanne vom 15. Juni 1860 den Namen „Amp^rere")
mit dem unförmlichen Kopf, dieselbe unfreiwillige Karikatur, Sammlung Eugfene Boch in
Monthyon, und der oben erwähnte Zeitungsleser bei Pellerin in Paris. Pellerin hat oder hatte in
seinem Bureau am Boulevard eine ganze Reihe solcher Studienköpfe. Einer von ihnen heute
in der Sammlung Durieux-Cassirer, Berlin; ein anderer in der Sammlung Reber in München.
Das schöne Bildnis des Knaben mit dem aufgestützten Kopf in der Sammlung Meier-Fiertz,
Zürich, wird am Ende dieser Periode entstanden sein, ebenso der merkwürdigste Kopf, Brust-
bild eines Mönchs in weißem Talar mit Kreuz, das reifste und reichste Werk der Zeit, von
großem dekorativem Gepränge, in der Sammlung Schmitz in Dresden. (Das Bild ist nicht,
wie irrtümlich vermutet wurde, Selbstbildnis, sondern stellt einen Aixer Freund dar, den der
Maler für den Zweck kostümiert hat. Man findet ihn in einem andern Bildnis derselben Zeit
wieder. Herr Perls, der frühere Besitzer, fand das Bild vor einigen Jahren in Arles im Nach-
laß des Aixer Freundes, und es wurde ihm dort als Bildnis des Jugendfreundes, der das Werk
bis zu seinem Tode besessen hat, angegeben.)
3) Über die ursprünglich heiße Freundschaft vergl. die Lettres de Jeunesse in Zolas
„Correspondence" (Fasquelle, Paris 1907; eine deutsche Ausgabe unter dem Tiiel ,, Briefe
an die Freunde", mit den Briefen an Cezanne, bei Kurt Wolff, Leipzig, 1918) und Fmile Zola
von Alexis (Charpeniier, Paris 1882). Zola machte aus Cezanne den Claude Lantier, den
flauen Helden in ,,L'Oeuvre". Die „Baigneuses", das Gemälde, mit dem sich Claude Lantier
aufreibt, gehn auf das nicht mehr vorhandene Bild „Femmes au bain", aus 1861/63 zurück.
Claude (übrigens das Pseudonym Zolas unter seinen Aufsätzen im „Evenement", die er 1866
als ,,Mon Salon" in Buchform dem Freunde widmete) scheint eine Mischung aus Courbet,
Manet und Cözanne und mag über das erste Auftreten Cözannes manches zutreffende Detail
enthalten. Das Modell war in Wirklichkeit Bohemien von ganz anderm Umfang und blieb
es zeitlebens, freilich hinter einer nichts weniger als bohemienhaften Maske. Zola wurde von
dem mangelhaften Selbstvertrauen getäuscht, das Cezanne bis zum spätesten Alter zur Schau
trug, von seiner übertriebenen Eile, stockende Bilder zu zerstören und ähnlichen Momenten,
die in der Jugend natürlich schärfer als später hervortraten und wohl auch manchen anHern
Intimen irregeführt haben. In einem Brief an Zola 1860, de.^sen Antwort erhalten ist, tteibt
der Zweifel an seiner Kunst Cezanne zu der Drohung, ,.den Pinsel wegzuwerfen". Die Ver-
öffentlichung des Romans lockerte die Beziehung zwischen den Freunden. Später, als Zola
immer bürgerlicher wurde, kamen sie ganz auseinander.
4) Eins der schönsten, ,,rApiesmidibourgeoise" (La Promenade) von 1871 in der Sammlung
Max Liebermann, Berlin. Aus derselben Zeit das sonderbare Motiv „Die Räuber und der
73
Esel", dessen lebhafte Farben an Goya erinnern, in der Sammlung Rothermundt in Dresden.
Der etwas frühere ,,Mord" in der Sammlung Julius Elias, Berlin. Es gibt mehrere ,, Ver-
suchungen des Heiligen Antonius"; die erste und schönste, die oben erwähnt wird (siehe die
Abbildung), ist 1870 entstanden. Ein Bildnis aus dieser Zeit in der Sammlung Pellerin, die
auch noch ein figürliches Motiv aus 1871 besitzt. Von den vielen Landschaften aus dem
Anfang der siebziger Jahre, die in l'Estaque entstanden sein sollen, ist nicht mehr viel übrig
geblieben. Die beiden kleinen Landschaften bei Thannhauser, München, gehören in diese Zeit.
5) Vergl. Anmerkung 9. Übrigens wirkt die Gestalt auch kompositioneil nicht ganz über-
zeugend.
6) Näheres in meinem Manet (München 1912).
7) Das Bild im Prado.
8) Die Auferstehung des Heilands im Prado, mit der man im gleichen Gedankengang die
fiühe Auferstehung in Toledo vergleichen mag.
9) Man weiß von keiner Reise nach Spanien, doch war Greco im Kreise Manets kein Un-
bekannter, und man sah ihn dort nicht mit den Augen ThdophiJe Gautiers. Wie mir Vollard
erzähhe, hat Cezanne wahrscheinlich Photographien nach Bildern Grecos gesehn. Mit einiger
Bestimmtheit kann man annehmen, daß Cezanne mit Astruc, dem Freunde Manets, bekannt
war, der begeistert für Greco eintrat und zur Zeit als Cözanne in Paris war, einige Bilder
Grecos, wenn auch keine Hauptwerke, besaß. Unter andern den ,,Ildefonso" (Cessio Nr. 299).
Man könnte eine belanglose Parallele zwischen diesem Bild (oder auch dem ,, Domingo", den
Degas besaß) und dem Mönch auf Cezannes ,, Versuchung des Heiligen Antonius" konstruieren.
Über Astrucs Beziehung zu Greco vergleiche meinen „Manet" (München 1912, S. 75, Note).
Die oft wiederholte Behauptung, Cezanne habe mit seiner ,,Frau mit dem Kopftuch" das
Bildnis Grecos, ,,Dame im Hermelin", kopiert, ist ein Symptom für die in die Augen springende
Verwandtschaft, längst nicht das überzeugendste, (manche Landschaften geben viel tiefere
Aufschlüsse) wird aber durch kein Faktum biographischer Art erwiesen. Dieses Bild hat C6-
zanne bestimmt nicht gesehn, auch nicht in Photographie. So viel ich weiß, ist die Dar-
gestellte die Schwester Cezannes.
Eine materielle Berührung flüchtiger Art mag vorhanden gewesen sein und kann Cezanne
bestärkt haben. Der Versuch, auf solche Zufälle das Phänomen der Verwandtschaft zurück-
zuführen, würde in die Kategorie der Untersuchungen gehören, die das Seherische Grecos
mit einem Astigmatismus seiner Augen erklären. — Kuriosum: Auch dieses naive Argument
aus der Augenheilkunde wurde gegen Cezanne verwendet, drolligerweise von Emile Bernard,
der sich für einen Schüler Cezannes ausgab.
10) Wie bei Marees nehmen die Übermalungen mit der Reife zu. Doch decken schon
die frühen Barockbilder zuweilen zahlreiche Schichten.
11) Derselbe Gachet, der später van Gogh pflegte. Seine gelegentlichen Berichte über
Cezanne sind weniger zuverlässig als die über van Gogh, dem er viel näher stand.
Es gibt außerhalb der kleinen ehemals Gachetschen Sammlung verhältnismäßig nur sehr
wenige Bilder aus dieser Zeit. Viel hat Cezanne zerstört. In deutschem Besitz die Land-
schaft der Sammlung Arnhold in Berlin. Eine andere, die Guillaumin nahesteht, in der
Hoogendijkschen Sammlung im Amsterdamer Rijksmuseum.
12) Aus solchen Launen haben virtuose Hände ganze Oeuvres gewonnen. Geschmackvolle
Leute wie Roussel wurden damit dem Publikum früher bekannt als der Meister; gröbere wie
Charles Guörin und nach ihm viele andere verarbeiteten das Thema zu gefälligen Gassen-
hauern oder einem ,, modern Style" der sogenannten Innen-Dekoration. Man wird Cezanne
noch als Tapete erleben.
15) Zumal deutlich in den schönen Studien zu dem Kopf des Harlekin, in der Sammlung
Personnaz in Paris. Eine farbige Studie in Aquarell aus der Sammlung Durieux Cassirer ist
in dem zweiten Druck der Marees Gesellschaft (Die Aquarelle Cözannes) faksimiliert worden.
14) Noch schwieriger als die vorige Periode läßt sich diese Phase zeitlich festlegen, da die
Bilder, deren Tendenz sie charakterisiert, fast gleichzeitig mit andern entstehn, die von dieser
Tendenz viel weniger berührt werden und teils mehr zu der dritten Phase, teils zu der Art der
letzten Zeit gehören. Gerade die Hauptwerke der neunziger Jahre, wie das Porträt von Geffroy
74
von 1 890, die „Spieler" bei Pellerin von 1 892 und die „Spieler" des Louvre (Moreau-Nölaton) oder
die hier abgebildete Variante, früher bei Dr. Julivis Elias, Berlin, jetzt in Schweden ; die Femme
au chapelet, aus 1896, der prachtvolle „Liseur" derselben Zeit und der ,,Homme ä la Pipe" der
Mannheimer Galerie, oder die magistralen Landschaften bei Pellerin, Alphonse Kann, Gagnat
usw. können für die vierte Periode nicht oder nur mit einem Teil ihrer Eigenschaften heran-
gezogen werden und gehören mit ihrer starken Lebendigkeit mehr zu der frühern. Für die
neue Periode sprechen verhältnismäßig wenige und zum Teil wenig bekannte Bilder, nament-
lich Landschaften und viele, fast alle Aquarelle. Es wäre daher vielleicht richtiger, nicht
von einer eigenen Periode, sondern von einer, neben der dritten Phase und darüber hinaus-
laufenden, besonders spiritualisierten Art von Bildern zu reden. Die Wichtigkeit der Art
läßt mich an der Einteilung festhalten. Mit dieser Einschränkung kann man den Beginn
etwa in das letzte Viertel der achtziger Jahre legen, das Ende um die Wende des Jahrhunderts.
Von bekannteren Bildern zählen dahin, ,,la Foret de Chantilly'', und die schöne ,, Marne-
brücke" bei Pellerin, beide aus 1888, die Landschaft der Stockholmer Galerie und bis zum
gewissen Grade eine Landschaft der Sammlung M. Oppenheim, Berlin, die Schneelandschaft
der Sammlung Reber in Barmen, das Selbstbildnis im Hut von 1890, das beste Bildnis der
Gattin (im Gewächshaus) von 1891 und das einzigartige Bildnis des Jungen in der Weste
(Sammlung Reber, München) trotz seines eklatanten Rots. Vorbereitet wird die Art von vielen
vorhergehenden Bildern. Man glaubt eine Andeutung schon in den blonden Badenden vor
dem „Zelt" zu erkennen (in der Sammlung Fahraeus in Lidingön in Schweden), einem
Meisterwerk aus 1878, das wie eine Übertragung des schwarzen Barocks der ersten Zeit wirkt.
Bei Fahraeus auch das schöne Stilleben mit dem Amor, das man mit zu der Gruppe rechnen
könnte.
15) In meiner Cözanne-Monographie (München 1915) S. 10 ff.
16) Dem widerspricht nicht der Reichtum der Cezanneschen Palette. Emile Bernard
(Mercure de France, Oktoberheft 1907) nennt fünf verschiedene Gelbs, vier verschiedene
Blaus, sechs Rots, drei Grüns. Aber aus diesen vielen Farben mischte Cezanne in homöo-
pathischen Dosen die seinen (er hat nie ganz reine Farben verwendet), und diese waren zumal
in dieser Zeit verhältnismäßig gering an Zahl.
17) Vergl. zum Beispiel die oben erwähnte Schneelandschaft der Sammlung Reber, wo
alles VVeiß vom Grund der Leinwand gebildet wiid, mit dem ganz aquarellmäßigen Auftrag.
18) Emile Bernard berichtet Cözannes Wort über Manet: Un grand peintre, mais un
m^diocre sensitif de ton.
19) Eine Anekdote Vollards: Er fragt Cözanne, wie er sich zu dem Kriege 1870/71 ver-
halten habe. Darauf Cözanne: ,,Ecoutez, Monsieur Vollard, pendant la guerre j'ai beauroup
travaillö sur le motif k l'Estaque."
20) Bericht Vollards. Andere erzählen, Cezanne habe seine Früchte nach Wachsnach-
bildungen gemalt, und das klingt angesichts mancher Bilder, zum Beispiel des Stillebens mit
den fünf Äpfeln der Sammlung Loeser in Florenz, das die Spuren langer Arbeit verrät, nicht
unwahrscheinlich. Auch solche nahezu nachweisbaren Zusammenhänge mit toten Dingen
sagen nichts gegen das Leben der Bilder. Delacroix malte Palmenhaine nach einem Blumen-
topf. Im Grunde bedeuten solche Geschichten nicht mehr als die Anekdoten, die man sich
von den Stimulantien der Dichter erzählt.
Der Vorsicht, die gegen die auf angeblich persönlichen Mitteilungen Cezannes beruhen-
den Analysen der Doktrin des Meisters am Platze ist, bedarf es nicht bei Vollards köstlicher
Satire, die mehr von den andern als von Cezanne handelt und persönliche Seiten des Menschen
mit Sicherheit trifft; wohl aber bei Bernard, der zuweilen über Cezanne votn Standpunkt
eines unverhohlenen Akademikers urteilt und entscheidende Faktoren, deren Gültigkeit Ce-
zanne unzweideutig erwiesen hat, mit Nonchalance oder in einem Ton von Duldung be-
handelt, der die Grenzen unfreiwilliger Komik übersteigt.
21) Ein Beitrag zu der tiefverzweigten Beziehung zu Delacroix ist das Aquarell nach der
Medea in Lille. Eine faksimilierte Abbildung in den oben erwähnten ,, Aquarellen Cezannes"
(Maröes Gesellschaft). Es gibt noch mehrere andere freie Übertragungen Delacroixscher Mo-
tive, zum Beispiel ,,Die Hagar" in der Sammlung des Freiherrn v. Simolin in Berlin.
75
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Seile
vor (\em Titel
81
82
83
Selbstbildnis, gegen 1880
Das Urteil des Paris, 1860
Selbstbildnis, 1864
Bildnis Zolas, 1860
Bildnis eines Jugendfreundes als Mönrh,
gegen 1864
Bildnis, gegen 1865
Der Neger Scipio, iSöf^
Stilleben, 1865
Der Leser (Bildnis des Vaters), 1866 •• ••
Der Vater des Künstler mit Mütze, 1866
Bildnis Emperaires, 1866
Bildnis des Malers Emperaires, Zeich-
nung, 1867
Die Entführung, 186Ö-1868
Copie nach der Dantebarke, gegen 1868
Venus und Amor, gegen 1867
Die Orgie, Wandbild gegen 1868
Stilleben mit Totenkopf, gegen 1867 ••
Wandbild mit Jas de Bouffan, gegen 1 868
Pietä, gegen 1869
Wandbild mit Jas de Bouffan, gegen 1 868
Im Garten, (Bleistiftzeichnung)
Spaziergänger, gegen 1869
Copie nach Laueret. Wandbild in Jas de
Bouffan, gegen 1870
Die Schwestern, 1870
Der Mord, gegen 1870
Idylle, 1870—71
Der Esel und die Diebe, gegen 1870 •• ••
Das Frühstück im Freien, gegen 1870 ••
Olympia. Tuschzeichnung, 1863
Olympia, 1871
Landschaft mit Angler, 1870—75
Versuchung des Hl. Antonius, 1870 •• ••
Versuchung des Hl. Antonius, Zeichnung
um 1872
Versuchung des Hl. Antonius, gegen 1873
Die roten Dächer, 1870
Sommertag, 1871
Stilleben, gegen 1870
Stilleben mit schwarzer Uhr, gegen 1870 1 17
Landschaft, gegen 1871 ii8
Landschaft, gegen 1872 119
Selbstbildnis, 1874 120
Selbstbildnis, 1873 121
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
1 1 1
114
115
116
Seite
Der Maler, gegen 1873 122
Der Knabe rrrit dem aufgestützten Kopf,
gegen 1872 123
Landschaft, gegen 1876 124
Der Bahndurchstich, spätesten«; 1878- •■ 125
Badende, 1877 126
Stilleben, 1877 127
Bildnis Choquets, 1877 128
Frau Cözanne, etwa 1877 129
Selbstbildnis, gegen 1880 130
Selbstbildnis, gegen 1879 ^3'
Hagar und Ismael (nach Delacroix) •• •• 132
Frühstück im Freien, 1878 153
Frauen nach dem Bade vor einem Zelt,
gegen 1878 134
Versuchung des Hl. Antonius, gegen 1880 135
Knabenbildnis, 1879 136
Bildnis, gegen 1880 137
Selbstbildnis, gegen 1880 138
Selbstbildnis, 1880 139
Aquarell, gegen 1880 140
Zeichnung nach einer Plastik 141
Zeichnung nach dem Milon von Puget 142
Zeichnung nach dem Merkur von Pigatie 143
Studie nach einer Plastik 144
Medea (Aquarell nach dem Gemälde
Delacroix) 145
Rochers en Provence, gegen 1880 146
Die Straße, gegen 1880 147
Ansicht von Auvers, gegen 1874 148
Bei Auvers, gegen 1874 149
L'Estaque und die Reede von Marseille
gegen 1880 150
Die Schnitter, gegen 1880 151
Gegend bei St. Victoire, gegen 1880- •• 152
Blick auf Gardanne, gegen 1880 153
Landschaft, gegen 1880 154
Landschaft, gegen 1880 155
Landschaft, gegen 1880 156
Landschaft, gegen 1880 157
Das geborstene Haus 158
Die Seine, gegen 1880 159
Landschaft, gegen 1880 160
Landschaft 161
Vorhang, gegen 1888 162
Toilette 163
77
Seite
Frau Cözanne, nach 1888 164
Frau C^zanne, gegen 1880 165
Villa am Wasser, gegen 1882 166
Landhaus am Wasser, gegen 1885 1G7
Seelandschaft, gegen 1885 168
Umgebung von Marseille, gegen 1885 •■ 169
Landschaft, gegen 1885 170
Die Farm, gegen 1885 171
St. Victoire bei Aix in der Provence, gegen
1885 172
Durchblick durch einen Parkweg, 1886 173
Stilleben mit Tulpen, gegen 1885 174
Stilleben, gegen 1885 175
Das Haus des Gehängten, gegen 1885 •• 176
Mont Victoire, gegen 1885 177
Don Quichote, gegen 1885 178
Don Quichote, gegen 1885 179
Zeichnung, gegen 1885 180
Badende, gegen 1888 181
Badende Männer, gegen 1885 182
Badende Männer, gegen 1888 183
Stilleben, gegen 1883 184
Stilleben, gegen 1885 185
Wald, gegen 1885 186
Cözannes Haus 187
Allee in der Provence, gegen 1885 •• •• 188
Haus in Aix, gegen 1885 189
Stilleben 190
Stilleben 191
Bachanal (Zeichnung), gegen 1885 •• •■ 192
Bachanal, gegen 1886 193
Lutteurs amoureux, 1885 194
Phantasie, gegen 1885 195
Bildnis der Frau Cezanne gegen 1883 ■• 196
Bildnis, gegen 1885 197
Bildnis der Frau Cezanne mit grünem
Hut, 1888 198
Frau Cezanne, gegen 1889 199
Bildnis der Frau Cözanne 200
Frau Cezanne, gegen 1888 201
Frau mit Kopftuch und Boa, gegen 1885 202
Bildnis Choquets, i 885 203
Die große Kiefer, 1887 204
Haus am Mont Victoire, gegen 1885 205
Plastik, gegen 1885 206
Seite
Stilleben, gegen 188g 207
Stilleben, gegen 1885 208
Stilleben, gegen 1890 209
Zeichnung zum Mardi gras 210
Mardi gras, gegen 1888 211
Landschaft, gegen 1886 212
Marnebrücke, gegen 1888 213
Badender Mann (Zeichnung) 214
Junge mit der roten Weste, gegen 1888 215
Landschaft aus der Provence, gegen 1885 216
Dächer, gegen 1888 217
Bei Aix, gegen 1888 218
Wald mit Haus, gegen 1888 219
Provence, gegen 1890 220
Die Felsen, gegen 1890 221
Badende Frauen, gegen 1888 222
Waldinneres, gegen 1890 223
Henri Gasquet, gegen 1890 224
Der Junge mit dem Totenkopf, nach 1890 225
Dorf unter Bäumen, gegen 1890 226
Landschaft, gegen 1890 227
Selbstbildnis, 1890 228
Selbstbildnis gegen 1880 229
Badende, gegen 1890 230
Badende, gegen 1890 251
Stilleben mit Puttenplastik, gegen 1890 232
Stilleben (Aquarell), gegen 1890 233
Stilleben, gegen 1890 234
Frau Cözanne im Gevirächshaus, 1891 235
Die Spieler, 1892 236
Die Spieler, 1892 237
Stilleben, gegen 1894 238
Studie zum Raucher, gegen 1896 23g
Der Raucher, gegen 1896 240
Der Raucher, 1896 241
Bildnis, gegen 1895 242
Frau mit dem Rosenkranz, 1896 343
Die Badenden, 1895 244
Die Badenden, 1895 — 1905 245
Skizze, gegen 1896 246
Studie (Aquarell), gegen igoo 247
Selbstbildnis mit Mütze, gegen 1900 •■ •• 248
Joachim Gasquet, um 1900 249
Der alte Bettler, um 1903 250
Der alte Bettler, um 1903 251
78
ABBILDUNGEN
Das Urteil des Paris / 1S60
Photo N'oll.irJ
8i
Selbstbildnis / 1864
I'hoto N'ollard
82
%
Bildnis Zolas / 1860
85
1^ i I d n i s e i n e s J u g e n d F r c LI n d c s als Mönch / gegen 1864
Sammlunf4 Schmit::. DrcMicn
84
Bildnis / gegen 1865
S .1 m ni 1 II n g .\ . P e 1 1 e r i n , Paris
85
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HiÜ^iJ^^^^^^^^L 4r
.■iiHiyi.iMii
Der Neger Scipio / 1865
Photo N'oll.irJ
86
Stilleben / 1865
Sammlung Dr. Hugo Cassirer, Berlin
Photo Paul Cassirer
87
Der Leser (Bildnis des Vaters) / 1866
S .1 m m 1 11 n ^,' A . P c 1 1 e r i n , Paris
Photo A.W.II.ird
88
Der X'ater des Künstlers mit Mütze / 1866
Photo B c r n h e i ni j f u n e
89
Bildnis Einperaires / 1866
Sammlung A, I* e 1 1 e r i n , Paris
90
■w;»'
'f\ ^
Bildnis des Malers Emperaire / Zeichnung / 1S67
Photo \'o llard
91
Die Entführung / 1866-1S6S
Früher S.immlung E.Zola
92
Copie nach der Dantebarke / gegen 1868
Phuto Bernheim jenne
95
\'cnus und Amor / gegen 1867
Früher S .1 m m 1 u n t; D e g .i s , Paris
94
Die Orgie / Wandbild / gegen 1868
Photo licrnheim jeiine
95
Stilleben mit Totenkopf / gegen 1S67
Photo Hernheim jenne
96
Wandbild in [as de Bout'fan / gegen 1868
Photo Bernheiin jeune
97
Pieta / gegen 1S69
98
Wandbild in Jas de BoufFan / gegen 1868
Photo H e r n h c i m j c u n e
99
'tswK
4 ^:.
Im Garten / Bleistittzeichnung
lOO
Spaziergänger / gegen 1S69
lOI
Kt)pie nach Lancret. Wandbild in las de Boutt-an / ^egen 1S70
I' h o t o H c r n h c i in j e u n e
102
Die Schwestern / 1S70
105
Der iMord / ge^en IS 70
S .1 m m I u n u' I ) r. I u 1 1 ii s I I j .1 s . Berlin
104
Idylle / 1870-71
S .1 ni ni 1 u n •,' -\ . 1' c 1 1 c r i n . P J r i s
1* h () 1 1> I) ruc t . Paris
105
Der Esel und die Diebe / gegen IS 70
S J m m 1 u n ^' K c t li c r m u n J t . 1 > r c s J e n
I' h o t o 1' ,1 u 1 ( <1 •• s i r L- r , Berlin
io6
Das Frühstück im Freien / gegen 1S70
S .1 ni m I u n 1^ A . P e 1 1 e r i n , P .i r i s
107
Olympia / Tuschzeichn img / 1863
rhiifo \'oll jr J
io8
Olympia / 1S71
Sammlung ]. & G. Bernheim, Paris
109
Landschaft mit Angler / 1870-75
S .1 m 111 1 II n fi Ott .1 V e M i r h c .1 ii
I'hot,. A.W.II.irJ
HO
\'ersuchung des hl. Antonius / 1870
III
Versuchung des hl. Antonius / Zeichnung / um 1872
Photo W.ll.irJ
112
\'ersuchung des hl. Antonius / gegen 1S73
I'hoto \-oll.ird
"3
Die roten Dächer / 1870
114
^^ '.'^
-N-, a.
Sommertag / 1S7 1
Sammlung Max Liehermann, Berlin
"5
Stilleben / gegen 1870
N .1 1 1 o n .1 1 1^ .t 1 e r I e , Berlin
ii6
Stilleben mit schwarzer Uhr / gegen 1870
Sammlung Koncr, Bud.ipest
117
Landschaft / gegen 1871
Moderne C i a 1 e r i e ( T h .1 n n h a ii s e r ) . München
118
Landschaft / gegen 1872
Photo Paul Cissirer
Snmmlunf* Frau \on FriedlanJcrihuld, Berlin
119
Selbstbildnis / 1S74
Photo Druet
120
Selbstbildnis / 1873
Sammlung A. Pellcrin, Paris
121
Der Maler / gegen 1S73
S .1 in m 1 ii n •,' I o s e f M ii 1 1 c r , S o 1 o t h ti r n
122
Der Knabe mit dem aufgestützten Kopf / gegen 1872
Sjmnilung Meicr=Fiertz, Zürich
123
Landschaft / gegen 1876
Photo 1 : . I ) r u c t , (' .1 1
124
Der Bahndurchstich / spätestens 1878
N e 11 e S t .1 >i T N ^' .1 1 c r i e M li n <. Ii c n
125
Badende / 1877
Sammlung F 1 e c h t h t- i iii , Düsseldorf
126
Stillehen / 1877
127
Bildnis Choqucts / 1S77
128
Frau Cezanne / etwa 1877
Sammlung G. F. Keber, München
129
'^
Selbstbildnis / gegen 1880
150
Selbstbildnis / gegen 1879
Sammlung A . P e 11 e r i n , Paris
Photo Druet, Paris
151
Hagar und Ismacl (nach Delacroix)
S .1 m in I u n ^' Freiherr v . S i m o 1 1 n . Berlin
132
Frühstück im Freien I 1878
I'hoto X'oll.lrJ
135
Frau 0 11 nach dem Bade vor einem Zelt / gegen 1878
früher Sammlung' |- .i h r .1 c u s , L i d i n g ö n bei S 1 1:^ t k h o I ni
134
Versuchung des hl. Antonius / gegen 1880
Sammlung .\. Pellerin. Paris
135
K n .1 b e n b i 1 d ii i s / 1879
156
Bildnis / gegen 1880
Sammlung Bernheim jeune, Paris
Photo Druet. P.iris
157
Selbstbildnis / gegen 18S0
S a m m 1 1' n t,' r h. li o li r c n s , 1 1 .1 ni b u r g
138
Selbstbildnis / 1880
159
'%
i
)
.J^'%
t 'i
Aquarell / gegen IS 80
140
Zeichnung nach einer Plastik
I'hoto Bernheim jeune
141
^ 9
Zeichnung nach dem Milon von Puget
r li o t o 1'. 0 r n he i m j c u n e
142
i.
Zeichnung nach dem Merkur von Pigalle
Photo I; c r n h e i m j c u n c
145
Studie nach einer Plastik
Fhoto Bernheim jcune
144
Medea (Aquarell nach dem Gemälde Delacroix')
Sanimliini; l)urieux;(!jssirer Berlin
145
Rochers en Provence / gegen 1880
Ehemalige Sjmmlunj; Oct.ive Mirheau. Paris
Photo A . \'o 1 1 a r d , Paris
146
Die Straße / gegen 1880
Sammlung Th. Behrens. Hamburg
147
Ansicht von Auvcrs / gegen 1874
K .1 1 M.' r - I r I c J r I c li ; M u s c u ni , M .1 j; J l' b u r j^;
148
Bei Au\'ers / gegen lS/4
Früher Sammlunj;:Tetzen:I. und, Kopenhagen
149
L'Estaque und die Reede von Marseille / ^egen 1880
r .1 II 1 ( .1 s s i r e r , H e r 1 i n
150
Die Schnitter / gegen 1880
S.immlurifj |.*iG. BcrnhL'im. l'<>ris
151
w
Gegend hei Stc. X'ictoi re / gegen 1S80
S a m ni I II n i; M <> r n s o i i , M o s k .1 11
152
o
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c
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C ,^
"3
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23
155
^
Landschaft / gegen 1S80
S .1 [11 111 1 (1 n }; S L h ni 1 1 z . Dresden
IS4
Landschaft / gegen 1880
National; Museum, Stockholm
155
Landschaft / ^cgen ISSO
S .1 m m I u n ^' O p p c n lio i m . li c r I i n
156
i»MfV^-'^*
^/^
:^^i^^#^:^.
'^m^^'-. *-:.
Landschaft / gegen 18S0
Sammlung Oppenheim, Berlin
157
Das geborstene Haus
Sammlung Rothermundt, Dresden
Photo P.iul (.'.issirer. Berlin
158
Die Seine / gegen 1880
SammlungTh. Behrens, H am bürg
159
Landschaft / gegen 1880
N .1 1 1 1 > n .1 1 >i a I f r I e . H c r I i n
rh.. t ü L iJr iict . Tan s
i6o
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■^fi^^few
Landschaft
Sammlung Oppenheim, Berlin
i6i
Vorhang / gegen 1888
Sammlung G. F. Reber, München
162
Toilette
I'hoto L. Druct. P
165
Frau Cezanne / nach 1880
164
Frau Cezanne / gegen 1880
165
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l-JL
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\'illa am Wasser / gegen 18S2
S .1 m m ' u n n ( i . Y . K c b c r , M ü n c h e n
i66
Landhaus am Wasser / gegen 1SS5
167
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M
S e e 1 a n d s c h a t" t / t^ e g cii LS 8 5
S .1 m m 1 11 n g ( i . I' . K c h e r . M ti n c h c n
i68
Umgebung von Marseille / gegen 1S85
Sammlung Oppenheim. Berlin
169
Landschaft / gegen 1885
170
Die Farm / gegen 1885
Photo Bernheim jeune
171
^
N
Htf.i
^ %.■ ..•* V
Sto. X'ictoirc bei Aix in der Provence / i^egen 1885
S .1 m m 1 u n t! M o r o s o U , .M o s k .1 u
172
Durchblick durch einen Parkweg / 1886
173
Stilleben mit Tulpen / gegen 1885
S a m m I II n f^ K r .1 u Fr .1 n z S c h u 1 1 c , K r e ni c n
rlii.lo Druft
174
Stillehen / gegen 18S5
175
Das Haus des Gehängten / gegen 1SS5
S .1 ni in 1 u n g \'o 1 1 J r J . P .1 r i s
Photo Druet
176
Mont Victoire / gegen 1SS5
Sammlung G . V. R e b e r . München
177
Don Q^uichote / gegen 1885
S.imniliinfj A. Pellerin, Paris
l'hoto A. Voll jr J
178
Don Q^uichotc / gegen 1885
S-immlunfj t>. F. Keher. München
179
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Zeichnung / gegen 1885
S .1 m m I u n ^' ( ! e z .1 n n e junior. Paris
180
Badende / gegen 1888
Photo Druet. Paris
i8i
Badende Männer / gegen 1885
Sammlung G. F. Reber, .München
182
Badende Männer / gegen 1888
185
Stilleben / gegen 1883
184
Stilleben / gegen 1885
Sammlung hiessel, Paris
185
Wald / gegen 1885
Sjmmlunji .\ d. RothermunJt, Dresden
Photo P j u I ( " j s s i r e r , K c r I i n
i86
Cezannes Haus
Sammlung Newman, Berlin
187
**^3
Allee in der Provence / gegen 1885
Photo i;. Druct. l'.iris
i88
Haus in Aix / gegen 1S85
Snmmluni' Ci. F. Keber, München
189
p-::
Stilleben
Photo K, Druet. Fori
190
Stilleben
Photo E. Druet. Paris
191
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\.^ i^m
Jkt
Bacchanal (Zeichnung) / gegen 1885
192
Bacchanal / gegen IS 86
P h o 1 1> Hern h c i in j c u n c
193
Lutten rs amourcux / 1885
S ,1 ni in 1 II n L' < i. F . K t b i.- r . M u n l h c n
194
Phantasie / gegen 1SS5
195
Bildnis der Frau Cezannc / gegen 1883
rhotü l:. Druet. l'.iri
196
Bildnis / gegen 1885
Photo Paul Cassirer, Berlin
197
Bildnis der Frau Geranne mit grünem Hut / 188S
198
Frau Cezanne / gegen 1889
199
Bildnis der Frau Cezanne
rhnto I . Dnict, I'.in
20O
Frau Cezanne / gegen 1888
20I
Frau mit K o p f t ii c li ii n cl R o a / j^ e g e n 188 5
^ .1 m ni I u n t; A 1 ' f 1 K r i n . P .1 r i ^
l'hoti> Druct
202
Bildnis Choquets / 1885
Sammlung Durand^Ruel, Paris
Photo K. Druet, Paris
203
Die große Kiefer / 18S7
Photo \'o 1 1 j r d
204
'-^SSIBMä&'iii*
Haus am Mont Victoire / gegen 1885
Sjmmlung G. F. Reber, München
205
Plastik / gegen 1885
Sammlunji (i.it^n.it, l'.iris
Photo A.\',.II.,rJ, l'.iris
206
Stilleben / gegen 1889
Sammlung S. Fischer, Berlin
207
Stilleben / gegen 1885
S.i m m 1 un L' t»- V- K c h e r. München
208
Stilleben / gegen 1890
209
Zeichnung zum iMardi gras / gegen 1888
S .1 m ni 1 u n i; P e r s o n n a : . P .1 1
210
Mardi gras / gegen 1888
Sammlung S t c h o u k i n c , M o <. k ,i u
211
v.^^iTÜ^TT;.-:iaOTZ
Landschaft / gegen 1886
212
Marnebrücke / 1888
Sammlung A. Pellerin, Paris
Photo Druet
215
Badender Mann (Zeichnung)
214
Der Junge mit der rotenW'este / gegen 1888
Sammlung G. F. Keher. München
215
■':**-
^mm
Landschaft aus der Provence / gegen 1885
S.immlunL* < r. F. Kcbcr, München
216
Dächer / gegen 1888
Sammlung I) uri eu x^C j ssi rer , Berlin
217
Bei Aix / gegen 1888
l'lioto l. Druel . I' .1 1
218
Wald mit Haus / gegen 1888
Sammlung [)urieux»Cassirer. Berlin
Photo I'aul Cjssirer, Berlin
219
Provence / gegen 1890
Photo Paul Cassirer, H erlin
220
f-
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Sitzender Bauer (Aquarell'
221
f O'asrc t •■»/"r"'S
^ ^ ^'^l^'^
Bade n d e F r a ii c n / gegen 1888
S.inimhill^- 1 .n t t , I'.ir
rliotn Druct
222
1^
^
%
Im
Waldinneres / gegen 1890
Photo P .1 u 1 C a s s i r L- r . li e r 1 1 n
Sammlung Kud. W. \'ol 1 moe 1 Icr , \' .1 i h in sen = St ut tfja r t
223
Henri G a s q II e t / gegen I S 9 0
r h .> t o 1> c r n li c 1 ni i c u n c
224
Der Junge mit dem Totenkopf / nach 1890
SanimlunL; G. F. Kt'her, München
225
Dorf unter Bäumen / gegen 1890
K II n s t h .1 1 1 e li r o m e n
Photo P.nil (\issirLT
226
Landschaft / gegen 1890
S.immlung Schmitz. Dresden
227
Selbstbildnis / 1S90
228
Selbstbildnis / gegen 1880
P i n .1 k o t h e k . München
Photo F r .1 n z 11 .in t s t .1 e n g l . München
229
Badende / gegen 1890
S.immlun^ Dücker
l'hotn A. W.llard
230
Badende / gegen 1890
Sammlung A.\'oIIard. Paris
l'hoto A.N'oll.ird
251
Stillehen mit Putto= Plastik / gegen 1890
I ' h o t o H c r n h c i m j e u n e
232
Stilleben (Aquarell) / gegen 1890
Sammlung j.&(i. Bernheim. P.iri!>
255
Stilleben / gegen 1S90
254
Frau C e z a n n e im Gewächshaus / 1 S 9 1
S .1 ni m I u n >; M o r o s o f f , Moskau
255
Die Spieler / 1S92
N .1 m ni I II n ^ 1 . li . S t .1 n j^' , Kristiania
256
K*-^ir.)r
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Die Spieler / 1892
Sammlung A . i' cl K- r i n , l\i r i n
237
Stilleben / gegen 1894
Photo E. Druet. i'.iris
258
Studie zum Raucher / gegen 1896
S .1 in in 1 u n g Stein, Paris
259
Der Raucher / gegen 1896
S .1 m m 1 u n i; M o r o s o f f , M ii s k j u
Photo 1) r u e t
240
Der Raucher / 1896
Mannheimer K u n ?> t h .1 1 1 e
241
Bildnis / gegen 1895
Photo E. Druct. l'.iris
242
Die Frau mit dem R o s e n k r a n : / 1 .^ 9 6
245
Die Badenden / 1S95
244
Die Badenden / 1895-1905
Sammlung \'oll.ird, I'ar
245
Ski::e / gegen 1896
246
&
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4f 'l »
Studie (Aquarell) / gegen 1900
247
Selbstbildnis mit Mütze / gegen 1900
S .^ m m I u n t,' F .1 h h r i . Paris
l'h i)to I) r u e
248
Joachim Gasquet / um 1900
Photo Bernheimjeunc
249
Der alte Bettler / um 190)
I ' h ti 1 1) H c r n h c I m t c u r
250
DKUCK DI-S ABBILDLINGSTEILKS: HUl :H1)KIU .KKKKI A. WOHI.Fi:l.l), MACnKBURC.
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ND Meier-Graefe, Julius
553 Clzanne ijnd sein Kreis
C33M35
1922
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