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^lEgcmeinc gonciC
unb
feine 28e5ett(«tt9 für uttfen Seif.
KSiÜ<~J ^\^^
fßon
liffiefm 4lmmnnuef,
^tcxf^txxn von fettetet,
St)(^of üon 3Kain$.
creditj i^iiorviairh Jesus &st ^ihus ^ei.
1 Joürv. 5^ 5.
Verlag bön ^^tang Ättd^l^eim.
18 6 9.
if>nf)^i nifinmnnllK'
t)rucf üon J^raiij Sau Jen.
3 « Ij a i t
®eite
I. 2Ba§ bermoc? bie nicnfd^HcfjC 33ernunft qu§ fic^ felbft, au^ i^rer
eigenen 9?ntiir, nur i^rcn nntür[id)en ilräften imb ^ä^i^feiten
überlaffen ? 4
11. %ot)Ux fommt bie 5ßcrniinft olme .Cffenbarung, cf;ne ©uabe, ol^ne
9(utorität, nur ifjren natürlidien itrnften üOerlajfen? äBaö l)at fie
in biefem 3^M'ta^iJ>^ o^i^^ ben natürlidicn 2ßQf;rf;citen gemadjt, bie
©Ott i^r nnuertraut ^at? 10
in. §at benn ®ott ju ben SJienfd^en 0e[prcd)cn, fo bo^ fie feine (Stimme
bi3ren fonntcn? Siebet er and) je^t nocf) fo UcrneFjinUd), fo beftimmt
SU un^3, bn^ n)ir mit uoUer ©eiui^fjeit, ntd)t irre ju gelten, unö
feinen ^Ißorten anuertrauen tonnen? 17
IV. 2lUe gelangt ber 3)tenfd? 5um S3efi^ ber ioa^n-en 2d}xe (l{)xi]ü, jur
nngetrübten Äenntni^ ber uns in ßbriftuä angebotenen §ei(äiDa^»rj
Reiten? 2)er ^rotcftnnt antiüortet: ^urd; bie ^orfcBung in ber
^eiligen ©d)rift; ber i^at^^oH! antivcrtct : 2^urcl^ baä nnfeF;(bare
Se^ramt ber Siivd)Q nnb bie innere @nabe. 2Ber l^at ^ed)t in
biefer U)id)tigen, entfc^eibenben ^yrage? 27
V. 3)tvo Sel^iramt ber 5livd;e in ber a^oftolifd^eii 3t^it nnb in ben folgen^
ben ^af;rf;unberten 42
VI, Sie gragc alter 3?^-agen: 2Baf;v^eit ober Sceptici^niuö? ... CO
Vli. ©egenftanb unb ©renken beö unfefjtbaren Sefjramteö ber Äird;e . 70
VIII. Crgane be§ nnfefjlbaren :?e^ramteö ber Äirdbe 82
IX. Xk nltgemeinen (Soiicilien in ber .^irc^e 9.5
X. 'Xk Slufgabcn be§ beHorfte^enbcn (^oncilg 105
XI. Sie «orurtbeile 119
XU. ©d^lu^: ^Mii*tf» 127
^ie beuorfte^eube allgemeine ^ivi^enoerfQmmlimß ift ol)ne
graeifel baS lüid^tigfte ©reignife unferer geit. 3^ielleic^t fönnen
wir fie ba^5 größte ©reignife biefe» Sa^i^'^ii^^bert^ nennen, wenig-
ften§ unter ben aufbauenben, \)a bie anbern mel;r grog raoren
im Dlieberrei^en.
3Sor allem muffen mir in biefer ^^erfammlung aller 33ifd)öfe
ber §t\xä)e ein Sßerf ber göttlii^en ^orfelfiung erfennen, meldte
bie Äir(^e unb bie 2Be(t 5U i^rer ^eftimmung leitet, nnb nid^t
ein bloßes 3)]enfd^enmerf, 2öer von bem ©lauben erfüKt ift, ba^
ber l)eitige ©eift^bie iürc^e @otte;S regiert, fann barüber ni(^t
groeifel^aft fein, bafj fo midjtige unb tiefeingreifenbe ©reigniffe im
^ehen ber ^ird;e von iljm l)er!ommen. ^olc^e gügungen ber
SSorfe^ung hnikn aber barauf l^in, bafe ein TDicl)tiger ^enbepnn!t,
eine entfc^eibenbe Gpod^e in ber @efd)i(^te ber ^ird^e ©otte^ unb
ber 9Jlenfd^l)eit eingetreten ift.
ßine folc^e Qeit mar ba§ ä^^^^^^^^-* ^^^ ^ieformation. 5lucl)
bamalS mürbe eine allgemeine i!ir(^ent)evfammluni] abgel)alten.
($i§ mar eine ©nabe, bie ©ott ben 9}lenfd)en anbot. @§ ift un=
bered;enbar, mag fie geroirft l)aben mürbe, menn bie 9)Ienfd)en
fie im üollen Umfange benügt ptten ; menn alle ©lieber ber
.tirdie bie Seftimmungen jener ^irc^enüerfammlung über bie
mat)re Üieformation tjollsogen, menn alle toon il)r getrennten
©lieber bie Gntfd^eibungen biefer 5?erfammlnng über ben
mat)ren ©lauben bemütljig angenommen Imtten; e§ ift basL um
fo unberechenbarer, je größer unb fegenSreid^er auä) je^t f(^on
bie 2öir!ungen biefer ^irdjenoerfammlung gemefen finb.
eine fold^e mid^tige, entfd;eibenbe :^e\t in noc^ größerem
Umfange roie jene, ift unfer 3eitalter, ha^ 3eitalter ber Sf^eoolution,
x>. ftetteler, baß attgemelne Qondl. 1
_ 0
beg 91ieberreigen^, ber attgemeinen ^erftörung he^ (3ukn lüie bc»
Söfen. ©Ott lf)at biefe^ S^^ftörimg^raer! o!)ne Sroeifel befe^db p=
öeloffen, tüeil mit bem ©uten ha§< ^5fe t)ielfac^ fo rerraad^fen
xmb Derfc^lungen war, bog biefe^ o!)ne jeneg nic^t metjr ^erftört
TOerben fonnte. Unb in biefer 3^it üerfammelt nun ber ©eift
©otteg, ber bie ^ircfie regiert, lieber raie Dor breit)nnbert S^^Ji^en
ba^ aKGcmeine ßoncit, biefen l^öi^ften ©eridjtMjof ber äßaljrl^eit
auf ©rben. 5Da§ (^oncil n)irb ni($t^ 9^eue§ lel;ren. ©^ rcirb
baffelbe au^fpredien, n)a§ bie ^iri^e ©otte^ feit ad)t§el)nf)unbert
3at)renber 9J^enfd)f)eit Derfünbigt Ijat. (^^ roirb i^r mit anbern
Sßorten mieber bie eine 2öa!)rl;eit gurufen , bie jebe^ neue Qa^r-
^unbert betätigen mufe, bafe nur in (5l;riftu^ unb in feiner ^\x6)e
für ba^ 9}lenfd)engefd)led)t §ei( in pnben ift. 60 l^at bie Äiri^en-
üerfammlung von Orient gefpro($en unb bie großen ©reigniffe
in ber Sßett, bie gtoifi^en bamal§ unb je^t liegen, finb nur neue
5ri^at[a(^en unb neue Belege für biefe Sßa^rl^eit. ©0 wirb
anä) ba§ !ünftige (äondl ber Söelt gurufen, 't)a^ nur in 6l)riftug
unb feiner ^ir(^e geil ift. (Ein groge^ (Eieignife, eine gro§e
©nabe! ^iellei(^t foH, ha ba^ 3^^^^^^^^ ^^^ S^^f^örung mit feinem
2öer!e offenbar balb bem (£'nbe fic^ pneigt, nun lieber eine Q^it
be§ Slufbaueng auf bem alten, von (Fl)rifiu§ ein für üUe-
mal gelegten gunbamente beginnen. 3)lö(Jte bie SSelt biefe
©nabe erfennen unb benügen, mö(^te fie er!ennen, xva§> il)r roalir^
l)aft gum geile gereid^t!
^iefe^ mistige ßreigni^, raeldje^ ung beuorfteljt, motten
mir gum ©egenftanb einer ncilieren Betrachtung mad;en, um bejfen
Bebeutung ri^tig gu er!ennen, um nn§> auf baffelbe x)oräubereiten
nnb unfere ^flid)ten il)m gegenüber §u erfütten.
©in attgemeineö (Eoncil ift eine SSerfammlung atter 33i)d^öfe
ber ^ird)e, al» 9fta(i)folger ber ^Ipoftel, unter hem SSorfige be^
^apfte^, aU ^Radjfolger be^ l)eiligen $etru^, um über bie
mi(itigfien 2lngelegenl)eiten ber ^ir$e ©otte^ gu beratljen. ©^ ^
ift bie feierlic^fte 2lrt, mie bie ^ird^e ©otte^ auf (Erben ha^
roi^tigfte il)rer Slemter, iljr Sel)ramt ixht. 5Da^ Dreif adje 2lmt,
meldje^ (El)riftug felbft auf (Erben Dermaltete, ba^ Mjramt, ba^
^riefteramt unb ba^ girtenamt, l)at mit feinem SLobe nid)t Quf=
gel)ört. ^r übt eö fort bi^ pm (Enbe ber SCage in unb burd)
bie Äirc^e. 5Da§ Mjxami bilbet aber gemiffermafeen bie ©runb=
tage ber anbern Slemter, ba mir biefe nur burd) jiene^3 fennen
— 3 —
lernen; nnb infofeni ift e§> "oa^^ Sßidjtigfte. ^uri^ \)a§> Qe^xami
wirb ber größte ©$ag auf ©rbcn, loeldjen ©ott in hen geoffen^
{»arten 3Sal)rIjeiten un§ gefc^enft ()at, he\mä)i unb ben)a!)rt ^a§
ift ba^ göttlidje S)epofitum , von beni ber 2(pofte( rebet, wenn er
an ^imotljeug fd^reibt: „0 %moi^eib$, beroa(;re ba^ §in =
t erlegte, weife §urücf bic l^eiUofen SBortneuerungen unb
©egenfäge ber fätfd^lid) fogenannten 2ßiffenfd;aft, ju mld)e.n
einige fic§ befennen unb x)om ©tauben abgefommen finb *).''
2let)nlic^ fagt er im ^weiten 53rief an benfelben: „2öa^^ bu ge=
iyöxt t)aft von mir burd) üiele 3^119^"/ ^^^6 rertrane 3Ut)erläffigen '
SDZenfdjen an, meiere tüd^tig fein roerben, aud; Slnbere p (eljrenV
^Diefe §interlage göttlidier, geoffenbarter 2öal)rt)eiten foll ba§ Setjr-
amt auf ©rben gegen bie Eingriffe jenes ©eifteS bewachen, bcn
ber öeilanb „ben Sügner'' unb „'tjtn SSater ber Süge^)" nennt.
S)ie feierltd)fte <oanbIung biefeS Ijeiligen 2Imte§ ift aber ber ^n^=
fprud^ einer allgemeinen ^ird^enuerfammlung.
Um aber bie ^ebeutung beS !ird)Iid;en Seljramte»
mit bem göttli(^en Sluftrage, bie geoffenbarten Sßal^rl^eiten
rein unb ungetrübt gu betüaljren , richtig ju lüürbigen, muffen
mir not^menbig etmaS meiter greifen unb ba» Sebürfuig ber
Offenbarung, bie llnfäl)ig!eit be» menfd)licben ©eifteS, ol^ne fie
fein tieffteS SSerlangen nad) ^Baljrijeit voUfornmen ju befriebigen,
in§ 3(uge faffen unb sugleid; ermägen, mie ot)ne bie (Stiftung
eines unfet)Ibaren £el)ramteS eine geoffenbarte Söaljrljeit fi(J nic^t
unperfälfdjt auf ©rben erbauen !ann. ^aS 5I(Ie§ liängt inner--
tid) gufammen unb muf3 im 3^^f^i^^^^^i^'E)ö^^Ö^ ermogen merben,
um bie ^ebeutung eines fotc^en S^organgeS in ber ^ird^e rid)tig
gu beurt^eilen.
1) I. %m. G, 20 f. — 2) II. 2'ini. 2, 2. — 3) :^ol). 8, 44.
1*
I.
iUae mxmao, hh tnntfdjli^c Öenimift am fidj relb|l, aus il)m-
flgenrn ttatui% luir iijrcn imtürlidjcn Gräften nnö läljigknten
übeiiaffftt?
„(Eö ri^ fic^ loö ein (Stein ücm ^erge, nidtt burdb
^en[d^entiänbe, unb er ftie^ m bie §-ü^e ber S3ilb*
faule . . . unb gerfcftmetterte fie ; . . . ber (Stein aber
njorb §u einem gro^n Serge unb erfüllte W ganje
erbe." S)an. 2, 34 f.
IRit biefer gvagc muffen rair begiunett. $511 i^r liegt bie
^oraiu^fe^img atter DffenBanmg. 2öer über fie unflar ift, fann
roeber ben @runb ber Offenbarung, nod) aud) bie Bebeiitung unb
9lotl)n)enbig!eit eine^ gijttlidjen Se{)ramte^ begreifen.
^e^üglid^ biefer grage ift ber mcnfc^lic^e @eift in gmei ent=
gegengefe^te 3rrtl)ünter üerfaüen, lueldje glei^üerberbli(^ geworben
finb. SDer eine biefer Qrrttjümer l)ai bie 9tec^te ber menfd)Ii(^en
Vernunft beeinträd)tigt, ber onbere bagegen f)at fie übertrieben,
^ie .^Irdje ober, inbem fie beibe 3^'ttl)ümfr nerrneibet unb un^3
baburd) vov "ben unfeligen folgen berfelben beraaljrt, gibt un$
aud) Ijier wie immer eine ftare, beftimmte ^Introort, bie fomof)!
burc^ unfer eigene^ ^emufjtfein al^ burd^ bie gan^e ©efd^ic^te ber
3Jlenfd)^eit beftätigt mirb.
Qenen gegenüber, bie ba^ ^e^t ber menfd)li(^en ^'ernunft
uerfennen unb beeinträdjtigen, le^rt bie tircl^e, ba§ auä) in bem
je^igen 3^P«"^^ "^^i' Men]d) oI)ne §ilfe ber übernatürli($en
Offenbarung unb ©nabe ^) im «Staube fei, Sßaljrljeiten, meldje @ott
1) 2Öir bcmevten oiiöbrütf(id), bafj mir unter ber Offenbarung in
biefer 9l6{)anbhing immer bie übernatürl icbe Offenbarung verftef^en; alfo
nic^t bie natiirlicbe Offenbarung, ioeber bie in unferer S3ernunft unb unferem
unb bie Migioii in ber uatürli($eu Drbnumj ber ^inge be=
treffen, gn erfennen nnb beßöleic^en fittlicf; o^nte .ganbhincjen
gn uoHbringcn. ®{e J^ird;e ift alfo weit t)ax)on entfernt,
bie 'Jiec^te ber ii.^ernnnft anc^ in beut je^ioen, gefallenen ,3nftanb be^
S)lenfcf;en gn üerfümmern. S)iefelbe ^iri^e, bie fo oft (jefd^mäljt
wirb, aU ob fie ^int3e leljre, hie ber ^ernnnft entgegen finb,
l)at Dielnieljr bie 9^ed)te ber ^ernnnft ben Srrle^ren be^ fec^i§=
je^nten 3at)rf)nnbert!§ gegenüber uertl)eibigt.
^emn gegenüber aber, bie mit ebenfo großem Unrei^te bie
5ie(^te ber bfofeen ^öernunft nnb bie natürlichen gätjigfeiten beiS
menfdjlic^en ^eifte^ übertrieben i)abm, lel)rt bie <^ird^e, \)ai mit
einer übernatürlichen Offenbarnng nnb ©nabe in boppelter ^in^
fi^t bebürfen.
©rften^ 5ur ©rreic^nng nnferer übernatürlid^en Seftimmnng.
^enn e§ ift eine @rnnb(el)re beiS (^^riftentl)nm§ , ba§ @ott ben
9)knfcl)en §u einer über baffen bloig natürliche ^raft erl)abenert,
gn einer übernatürlichen SBeftimmnng erfcl^affen l)abe. 6c^on vex=
möge feiner T)ernünftigen SRatnr ift ber 9}ienf($ ein (Sbenbilb
(Sottet, ba^n beftimmt, @ott gn erfennen nnb unlieben; aber ben
bloßen ^raffen feiner D^atnr überlaffen !ann er @ott nnr in einer
feljr nnüoüfommenen 2Beife erfennen nnb lieben, ^er blo§ natura
lid^e 9}ienfd} fann nämlid^ (5^ott nur an^3 ben @efd)öpfen erfennen,
inbem er von ber ©röge unb ©d^önljeit ber ficbtbaren ©efc^öpfe
auf ©Ott, bereu unfidjtbaren Urljeber, fdjlieBt. ,,^enn ba^ Un-
fidjtbare an il)m ifl feit ©ridjaffung ber )Bdt in ben erfd}affenen
S)ingen crfennbar unb fii^tbar, nämlid) feine eroige ^'raft unb
©ottljeit, fo ba^ fie (bie i^n nic^t erfennen) feine ©ntfdjulbig^
ung baben ^)." Wein biefe ©rfenntniB ift nur fel)r un--
üollfonimen ; benn ©ott ift !)od) erljabcn über alle feine SOBerfe.
Unb baffelbe, lua^ uon biefer blo^ natürlidjen (SrfenntniB ©ottes^,
gilt and) von ber blo» natürlid;en 3]erel)rung unb Siebe ®otte^.
©etviffen, noc^ andj bie äufiere Dtfenbaruixi? @ottes in ber firfit6areu 2Belt,
fonbern bie Dffenbavung bes alten unb neuen SBunbeä, luoburd^ fid^ Öctt
in übernatüvlirf^er Steife ben 5Jcenfci)cn !unb genmcljt l)at. llnkv über*
natürlidjer Önabe, von ber l^ier bie -Webe ift, verftef)en wir aber al(e jene
innern (äahm, lüelcfie @ctt un§ nac^ ber S?cf)re bec-> (£f)riftentf;uin$ um ber
2?erbienfte Gfjrifti loiKen )penbet, um unfern Oicift ,^u erleud)ten unb unfern
WtUen aum ©uten tücf^tig ju machen.
1) mm. 1, 20.
~ 6 —
2Bof)l evfeitnt fd;ou bie b(o§e Vernunft; bafs roiv bem (jvofeen unb
güttGcn llrljeber luifere^ ®a(ein§ (^f)rfiu"d)t, ^anfbarfeit unb Siebe
fd)nlbig unb baß n)ir t)crpf(id)tet finb, baf^ \)on nnferem 6d)öpfer
in unfer ©eroiffen gefi^riebene Sittengefeg §u beobad)ten. 2(llein
bafe n)ir §u einer roeit innigeren ©emeinfdjaft mit ©ott berufen finb,
al^ jene ift, bie in ber blo§ natürlichen ^rfenntnijä unb Siebe ©ottes
befielt, ba§ oermag bie ntenfd)lid)e Vernunft qu§> fic^ felbft m6)i
äu erfennen unb nod) t>ie( weniger vermag ber 3Jienf(J qu§ eigener
^raft in einer fold)en übernatürlichen Seben^^gemeinfdjaft mit ®ott
fid) gu erljeben. S)a5u bebarf er einer übernatürlidjen Offenbar^
ung unb einer übernatürlid;en @nabe, burc^ meldje ©ott fid) jum
3Jienfcl^en l^erabläfet unb ben 9)Zenfdjen ^u fid) erl;ebt. Unb biefe^
ift e^^ t)or altem , roa^ ung ber @laube leljrt. @r leiert un^, bafe
bie eraige unb feiige 2Infd)aunng unb ber ^efi^ (Sottet bie über-
natürlidje ^eftimmung ift, mo^u un§> @ott an§> übergroßer Siebe
berufen Ijat; unb bag mir, um biefe unfere übernatürliche ^e=
fiimmung ju eifennen unb gu erreidjen, ber göttli(^en Dffenbarung
unb ©nabe unbebingt bebürfen.
Mein nid)t nur au§ biefem, atterbing^ erften unb t)ornel)m^
ften ©runbe i(l bie übernatürlidje Offenbarung unb ©nabe bem
DJlenfc^en not^menbig, fonbern er bebarf berfelben, menigften§ in
feinem jetzigen 3"f^^^^^/ ß^*^ \^^^ '^^^h ^^ ^^i^^ F^ts natür--
lic^e Söa^rljeit, namentlid) jene natürlid)e ©otteC^erfenntniß,
meldje fd;on §ur natürlid}en ©ntmicfelung unb (^üte eine^
vernünftigen ©ef(Söpfe§ geljört , Doüftänbig unb ol)ne 3rr=
tljum unb gi^eifel ^gu erlangen unb in beroaljrcn, foroie ha^
natürlidje Sittengefe^ roEftänbig unb mie ߧ> fein .foß, gu
erfüEen. Unb l)ierauf raoUen mir ^undcbft unfere Slufmer!::
famfeit richten , ba eg ben ^erirrungen unferer 3^^^ gegenüber
t)or attem mid)tig ift p ö^^G^" / ^^6 ol)ne ^ilfe ber ©nabe unb
Offenbarung bie ?Dienfd}l)eit nic^ einmal iljre natütlidje Stürbe
gu bemal)ren im ©tanbe ift. (S§> Ijanbelt fid; alfo in biefer Untere
fu(^ung um bie grage, raa» bie menfc^lidje Vernunft lebiglid)
innerl)alb ber ©renken ber natürlidjen religiofen unb fittliij^en
Söalirljeit vermag, woä) gang abgefeljen von ben übernalürlidjen
unb geljeimnif^DolIen 3öa(jrl)eiten be§ (Efjriftentljumö.
3rt biefer .^infic^t leljrt alfo bie ^irdje, bafs bie
menfd)lid)e 3Sernunft groar natürlidje 3Bal)rl)eiten er!ennen
!ann, bafe fie aber in iljrem icljigen ^^f^^^^^ ^^^^ "^^!)^
^ 7 —
o^m S3ei]^ilfe ber Offenbanutö uub @uabe im 6tanbe ifl , au(^
nur bie natürlid;en ^ernunftiualjrlieiten üottftänbiij uub o()ue 33ci'
mifc^ung Dielfältiger 3trtt)ümer uub 3^^i^^ 3" erfenneu. 5Diefc
5Iuffaffuug ber ^ir$e tritt bem ^^ernuuftftolse be§ 3}leuf(^eu euti!
Oegeu unb (jängt gufammen mit i^er Se!)re üon ber ©e^
bred)li^feit ber men(d^li(^eu 3Ratur unb i^rer iu golge be§ ©ünbeu=
fallet eingetretenen S^roäi^uug uub S[?erberbni6. ^^r ©rüäruug
biefer Sluffaffuug raolleu rair bie Söorte be§ l^eiligen %^oma^
Dou 51 quin aufüljren: „3m 3^tft^^^ ^^^ gefallenen Statur ift
ba§ Vermögen be§ 3}Zenft^en mid; bejüglid) beffen Derminbert, raaS
er an uub für fid^ feiner 9latur naä) rermag , fo bag er ui(^t
mef)r olle^ 3^atürlic^=©ute burd^ feine uatürlii^e ^raft t)o(Ibringett
!ouu. 2BeiI aber bie menfcljli($e S^latur burd^ bie 6üube uid^t fo
gän^Uc^ i^erborbeu ift, baß fte baburd; aUe§> 9^atürli($=(^uten be=
raubt wäre, fo vermag ber 9}^enf(^ avLä) im gefallenen 3iiftö^^^
huxä) bie ^raft feiner 9latur eingelne^ ©ute §u t)olIbringeu, . . .
m(!^t aber alles @ute, ha^ feiner Statur entfpric^t . • . roie aud^
ber !rau!e 3)^enf^ nod^ im ©taube ift, fid^ an^ eigener ^raft gu
bewegen, nid^t aber alle ^eroegungeu ebenfo raie ein gefuuber
3Jlenfd^ ror^unefjmen, bi§ er burd) §itfe eiue^ Heilmitteln raieber
feine tiolle ©efunbl^eit erlangt l^at^." ^iefe§ ^ilb bei l;ei(igen
XI) 0 mal ift fel)r gutreffeub unb belel)renb. ^er Traufe
l)at bie Erinnerung an feinen gefunben 3"f^^"^- ^i^^ f^^"^
!rau!e 9latur verlangt barnac^, bal gu tljun unb gu mirfen, roo^u
er in ber (^efunbljeit im Staube ift , aber er vermag el jegt
uid^t, weil er franf ift, unb er bebarf ber §ilfe einel §eilmittell,
um wieber ha^ ^u i?ermögeu, wal er früljer an^ fi(^ allein t)er=
mod)te. ©anj fo ift e§ mit bem 3}^eutc^en in feinem ie^igen3u-
ftaube. ßr ift fran! unb liilflbebürftig aud) bem Reifte na^;
uub bal ift bie söerblenbung bei ©toljel uub bei §oc^mut()l, bag
er biefc feine ^ranfljeit unb gilflbebürftigfeit nid)t erfennen mag.
^ie Äranftjeit feiner ^Sernunft ift eine gewiffe .^^erfinfterung, bie in
gotge ber ©ünbe bei il)m eingetreten ift. ®ie ^an!{)eit feinel
äöiüenl ift bie ©(^wäd^ung beffelben, eine gewiffe D^nmad^t im
©Uten, an weld^er er gu feiner Qual leibet, ^n^ in biefem ^uftanbe
ift il)m bal 53ewu6tfein beffen, wo§u er urfprünglid^ feiner ^'latur
1) Summa theol. I. II. q. 109 a. 2.
naä) beftimmt unb befäEngt loar, ja anä) ein tf)eilit)etfe$ SSewufet-
fein felbft jener übernatürlid^en ©naben nnb ©aben, bie i()m @ott
nrfpriingüd) oerliel^en t)atte, geblieben. 2öa§ er aber im ijcfnnben
äuftanbe rermod^te , fann er jegt nur bur(ä^ ein Heilmittel , rvtU
c^e^ ©Ott i[jm anbietet. 6tatt aber biefen 3"^^"^ i^ ^emut^
anjuerfennen, empört fid^ ber 3J^enfc^ in feinem @tol§ gegen biefe
göttliche $ilfe; unb barau§ entfielen bann jene kämpfe beiS menfd):^
\i<S)Ctt ©eiftey , jene§ Sluffteigen nnh ^lieberfiulen , jeueö unüber=
minbli($e ^Ringen na(§ Söaljrljeit, "dou ber er fi$ ni(^t trennen
fann, meil er \iä) üon feiner dlatnx nidjt trennen fann; unb boc^
raieber biefe» Unvermögen, aUe jene 2Sal)rl)eiten 3U erfaffen, nac^
benen er l)ungert, meil er fidj ber Heilmittel nid)t bebienen mitl/
bie @ott il)m bietet.
®iefe beiben ßel)rfä|e ber Äir(^e t)on bem 35ermögen ber SSer=
nunft, natürliche 2öal)rl)eiten über bie ^efiimmung nnb bie ^flid^ten
beg 9}^enf4en §u erfennen, unb bo^ mieber oon bem Unvermögen
berfelben S^ernunft, and5 nur alle natürli-i^en 2öa^rljeiten genügenb
p erfaffen, finben ibre üoHe Q3eftätigung in ber Sßeltgefc^idite.
^lur mit biefer (£infid)t mirb bie ©efc^id)te ber 3Jlenfd)l)eit flar unb
üerftänblid'. 3)aburd) allein erffären ftd) biefe fonft gan§ unbegreif-
lid^en SÖiberfprüdje, bie mir überall mal)rne^men, bie ficb immer me-
berl)olen, forool^l im ©anjen, mie im Seben jebeg einzelnen SJleufc^en.
3)er3}lenfd) Ijat and) no($ anbere kämpfe; er fämpft ni^^t allein um
bie 2öa^rl)eit. (Sr fämpft an$ um fein täglich e§ 35rob, er fämpft
um bie töglid^eu ^ebürfniffe feinet S)afein§, er fämpft gemifferma^en
einen töglidben ^ampf um ^eben unb 5tob» @r fämpft ferner gegen bie
SeiDenfdjaften unb llntevbrüdungen feiner SD^itmenfiJen, er fämpft mit
ber ganzen «Si^mere ber 93Merie, bie il;n erbrüden mill; unbtro^
aller biefer fd)roeren kämpfe ift e§ ein ^ampf, ber if)n mel)r
befd^äftigt, mie baö Mel: ber j!ampf um bie 2Bal)rljeit, bie mie
ein Si^tfunfcn feinen ©eift immer mieber über bie 3)iateric er^
f)ebt, Slber fid) felbft überlaffen, fämpft er nidjt um ^u fiegen; eö
ift ein '^offnunglofer ^ampf, unb ber ©eift erl)ebt fi(^ nur, um balb
mieber in Srrt^um nnb gmeifel jebcr Slrt ^urüdjnfallen.
^icfe ^eljre ber ^ixäie von ben ©renjen ber fic^ felbft über*
laffenen SSernunft o^ne Isoliere §ilfe berül^rt eUn bie ©egenroart
in einem no(^ nie bageroefenen Umfange. ®a liegt and) ber ^e-
rüljrungepunft jroifd^en bem allgemeinen ß^oncil unb ben 3iiftänben
unferer Qe\t 3Roc^ nie ift bie von jeber 5lutorität lo;?gelöft«
- 9 —
metifc^lid^e 'Vernunft mit ^öfjeten Slnfprüc^en, mit ijröBerem 6tol5
auf (getreten, no(^ nie ^ot fte über fol$e SJiittel §u üerfügen ge=
))aht 2)ie 2Belt liegt gleid^fam aufgebedt oor i()ren Slugen,
6d^u(en unb 53ilbuTt9imittel ader 5Irt fielen ii)r jur 3Serfügung,
fie tann burd) bie treffe täglich ba^ ganje benfenbe Wlen\ä)en'
gefd)led)t um i^ren £ef)rfiut)I üerfammelu. Unb meiere» ©rgebnife
fe^en wir öor Singen? 3Rie-]^at eg eine größere Uneinigfeit ber
©eifter gegeben, nie eine tiefere Spaltung über bie grage: „2Ba^
ift äßa^rl)eit?" nie fo große, fo weit greifenbe, alle^5 jerfegenbe
unb untergrabenbe Srrtljümer, raie gerabe je^t. ^iefe 2[öelt roill
nun dJott burd^ bie ©timme beg t)on i|m felbft geftifteten Se^r-
amte§ baran erinnern, baß bie 3]ernunft ber 3J^enfd^en groar
gum §üd}ften berufen ift, baß fie aber feiner ;Oeitung bebarf, wenn
fie il)r 3^^^ erieii$en will; unb ha^ fie o^ne biefelbe immer raieber
in ©efa|r ift, bobenlofer Unüernunft anheimzufallen, eine 33eute
beS Sügengeifte^S 5U merben.
3n bem ^ropljeten S)aniel feigen mir bie großen 2Beltreid)e
mie eine große ^ilbfäule auiS @olb , aul ©ilber, an§> ©rj unb
%^ün, bie fid} pm 6d)reden unb (Srftaunen ber 3JIenfd;en erl)ebt.
S)a löft fi^ ein ^tm o^ne 9}lenfi$enl)anb uon einem ^oljen
JBerge ab unb ftürjt auf bie ^ilbfäute unb jermalmt fie in Staub,
baß ber ^inb fie raegmeljt. S)er ©tein aber mirb ju einem
^erge, ber bie @rbe anfüHt. ©0 ift eg gefommen. Me jene
Söeltreic^e finb fpurlo^ jertrümmert. ^er Stein aber, ber t)om
.<Qimmel Ijerabgelommen, ift jum ©dftein geworben, auf bem fi(^
baS 9^ci(^ @otte» aufgebaut l)at , meli^e^ bie 2ßelt erfüßt. So
gel)t eö and) mit ben Jöerfen be^ ftol^en 3)^enfc^engeifte^v ber au^
fid) mib feinen eigenen Gräften ben Sau ber 2ßal)rljeit aufführen
miü. 9i^ie 3Sicte l)aben fd)on c^ehaut oor unb nac^ ei)riftu^ b\$
auf ben l)eutigen ^ag! 2Bie ?.^iele l>iben geglaubt, oljne (5;i)riftu^
ben Tempel ber ^iöabrljeit aufführen ^u fönnen; unb raie fielen ift
fd)on gef^eljen, roa§ jener ^.Hlbfäule roiberfal)ren ift! Unb fo
wirb e^ fortgel)en, bie bie 3}lenfc^en anfangen, an ber ^aiib
ber göttlid)en Offenbarung nn^ bc^ üon ©ott gegrünbeten Se()v-'
amte§ ^u bauen. 33i^ bal;in wirb immer raiebii biefer Stein,
ber oom §immel gefommen , if)re Sügenfijfteme zertrümmern , fo
baß ber 3öinb fömmt unb fie raie Staub l^inroegfegt, unb man
ben Drt !aum mel)r finbet, rao fie in ftoljer Selbftuerblenbung
i|re Tempel ber 58ernunft aufgefül^rt Ratten.
II.
Uo\)i\\ hontmt Me Örnimift oljttc (öfffitbaning, dljttc (ötiaDe,
öljne Autorität, itiir iijrnt itatitiitd)nt ^väfkn übfrlafTfu? ÖJa«
Ijttt fie in Mfffm iiiftaitbe aus ^rn natiirlid)ftt iDal)rl)fttrn
öemrtd)t, Me ®ott iijr aiiücrtraut ijat?
„ßr üer[c^it)enbete feine §ibe ... unb narf)bem er
Qlle§ rer5e]^rt ^atte , . . fing er an junger ^u
teiben." 2i\c. 15, 13 f.
5er ^vopljet 3faia§ geißt mt5 am (fnbe ber STage
ba^ $QU^ be^ ^errn auf bem ©ipfel ber Q3ert3e im 2Inöefi*t
üder 3^i3(!er ber ^rbe; raie bie ^iDÜer 511 i()m f)inftvümen imb §11
einanberfprcdjen: „kommet mib laffet iuk^ Ijinanöe^en jum ^erge
be§ §crru unb ^um .gaufe be^ @otte§ Sacob^o; er luirb un§
let)reu feine SEege unb wir raoHen raanbeln auf feinen ^faben."
,,^Qnn", fäljrt er fort, „toirb er richten bie Golfer unb riele
ilRationen gurecltraeifen, unb fie werben i^re 6d)n)erter in ^flug--
f(Jaaren umfi^mieben unb il^re Sanken in 6i(^eln; nic^t mel^r
tt)irb ^ol! gegen ^olf ba^ ©djroert erljeben, nid)t mel)r lüerben
fie ft(^ üben §uni Kriege. So fomrnet iljr t)ont §aufe Qacob unb la&t
unö raanbeln im ^idjte bec^ ^errn^)." 2)0^ ift eine troftreid^e 2^er=
Ijeigung: troftreid; für un§ alle, bie wir bie erfjabene 2öaljrl)eit
Don ber Sintjeit be^ 5Utenfdjengef($(edjte§ tief in unfrer 6ecle
cnipfinben. 2öenn auä) bie 3iiftänbc in ber ©egenroart mä)
rceit t)on biefem ^ilbe be§ JyriebenS entfernt finb unb bie 3er=
fplitterung unter ben 3}?eufdjeu woä) fo meit gebieljen ift, fo mirb
unb foll fie bennod) in (Erfüllung ge!)en. ^ieUcidjt ftel)en mir
unbemugt fd)on mitten in einer ^emegung, bie nad; biefem ^kk
l)infü^rt.
1) öf. 2, 3-5.
. — 11 —
^Oi%\\ aber müifen bie 3}tenfd)en \\6) wieber, mt e§
in biejeu Söorteu be^5 ^^^ropljcten l^eigt, t)on ©ott beleljreu laffen
unb „in bem ßidjte be§ ^errii roanbern," in jenem i^id)te, n)eld)e§
ron feiner übernatürlidjen iDffenbarnnij imb bem üon il)m 9eiiirün=
beten £e{)ramte au«i]el)t. Dbne biefe Seituncj ge!)! bie menfd)Iid)e
i^ernnnft in bie grre, äl)nli($ mt ba^ ^fuge oljne Sid)t feinen
^ienft nidjt erfüllt, @o grog bie gö!)ig!eit be^ menfd)Iid)en
©cifte^ in @rforfd)ung ber emigen SSa^rl^ieit ift, menn er fid) t)on
@ott erleud)ten unb fnf)ren lä^t, fo ol)nmn(^tic3 wirb berfelbe,
raenn er fic^ Jior$ uon ©ott abwenbet unb fi^ felbft geniitjen
luill. 2öie ©Ott in ber nbernatürlid^en Dffenbaruncj einen ©c^q^
Don 2Bat)rl)eilen Ijinterlegt %q^\, tüeld)en, lüie lüir faljen, ber Stpoftel
'^aulu^ aliS ein S^epofitum bctrad;tet, ba» bie ^irdje treu
beiöaljren foU, fo \)qX er (^w^) jebem 3Jlenfd)en in ben natürlidjen
gäl)iö!eiten feiner 33ernunft ein folc^eg S)epofitum anvertraut.
6r foll e0 bewai)ren, aber nid}t mie einen (S(^a| iiergraben, fon=
bem baburc^ 3^"?^" tjeiftiger (grfenntuife gciüinnen. 2öa^ Ijaben
aber bie 3}?enfc^en, n)el(^c fi(^ t)on ü^ott unb feiner Cffenbaruucj
abgeiuenbct Ijaben, mit biefem (Sd)al3 natürlidier ©rfenntnife angc=
fangen'-? (iienaubaffelbe,n)a§ berüerlorene So^n bei (Eoango(ium§
mit bem Grbtl^eil, melcfieg er Dom 3>ater empfangen (jatte,
getljon ^at. €ie f)aben itjrc gciftige §ö^^ t)erfd)n)enbel ; unb
nacl)bein fie afiel üerfc^menbct Ratten, finb fie in geiflige
."pungerionott) gerat!)en. S)at)in !ommt bie 3Sernunft, bie fid) t)on
©Ott nic^t belet)ren laffen mift. 2Bir motten biefe Dtmmadjt ber
fid) felbft überlaffenen 5>ernunft in einigen 3^9^^^ "^^^^ ^"'^
Sluge faffen, um bie 9iotf)menbigfeit einer göttlid;en Leitung bei
menfdjtic^en ©eifte^ ^u erfennen.
£'ie t)öd;fte natüilid)e gäliigfeit beio ©eiftel ift bie ber (fr-
tenntniB ©ottel. Sitten anbre, foioo(;l auf bem ©ebiete beS @r=
tenneniS mie bes ^ri^\)Z\\^:> , Ijängt von i(jr ab. Qe reiner bie ©otte^^=
erlenntniö in einem 9}?enfc5en unb in einem ^solfe, befto l)öl)er
fteljt ber 9}lenfdj, \io,^ 3^ol!; je trüber bie ©otteicerfenntnif^, befto
niebriger fteljen fie. 2öal \\Q,i nun im ganzen ^scrlaufe ber ©e^
fd)ic^te be;3 3)^enfc^engefd)led;te» , foraeit fie wwy:^ bvfanut ift , bie
menfd^lidie ^^ernunft (\-\x^:) ber ©ottelerfcnntnife gemadjt , mo
fie nid)t üon ber Offenbarung geleitet mar? ^ie ©efc^id)te
antwortet barauf mit ben ^Ijatfac^en atter ©räuel be5 @öl3en=
bienftel vcc^ roljer unb feiner ©ottelleugnung in alter unb neuer ^i\i,
— 12 —
mit allen ©rniebrigunoien be§ 9)tenfd)enöefd)le($te^ , lueld^e au^
biefeu ^^erirrungen be^ ©eilte Ijeroorijegaiti^en ftnb. 6ie be--
ftätigt bie Söovte be^ Ijeüigen $aulu^: „5Ra(^bcm fie
©Ott erfannt l)atten , ^aben fie iE)n nid^t al^ @ott i?er^errlid)t
no$ if)m ®an! gefacht, fonbern fie luiirben nid^tig in ifjren @e=
banfen unb \{)t unDerftänbigeö ^ev^ ift finfter getüorben, S^beni
fie fic^ für 2öei)e an^gaben, finb fie ^T^oren geraorben. ©ie üer-
raed^felten bie igerrlidjfeit be^ nnoergänglidjen (3oik§> mit einem
©leidjbirDe mn einem Dergänglicbcn 9Jtenf(^en, von 3Süge(n unb
anberen ^iiieven. ©egt^alb gab fie ©ott ben ©eliiften if)re^
^erjen» prei^, ber UnlanterMt, bag fie enteljrten x^xe Mbev a)x
fid) felbcr; fie, meldte bie 2öal)rl)eit @otte^ mit ber ßüge oer-
tQuf^ten unb rielme^r bem ©efc^öpfe ^^ere^rung unb ^ienft er=
miefen aU bem 6d)öpfer, meld^er gebenebeiet ift in @tt)ig=
feit^." 3^^^!^ 3^9 ^^^f^^ 33i(be§ ift in Erfüllung gegangen
big auf ben l)eutigen ^ag an aMx 3)lenfc^en unb 33ö(fern,
bie fi(^ von ber Leitung ©otte§ unb feiner Offenbarung abgemen^
bet t)aben. Sie roerben „nidjtig in x^xzn ©ebanfen," ,, finfter in
i^ren unt)erftänbigen §er§en/' „fie finb 3:;tjoren, ba fie fid) für
Seife l^alten/' 3n il)rcr 6e(6ftt)ergötterung rerjued^feln )k „bie
§errlid)!eit be§ unoergänglic^en ©ottes" balb mit fid^, balb mit
ber tobten DJkterie, unb ^ur Strafe fallen, fie i()ren ßüften an^
{)eim unb cnteljren i(;re eigenen Leiber. 3öörtlid), bud)ftäblic^
get)t bas zi{ie§> fort unb fort in Grfüttung.
^on ber ®ottc§er!enntniB Ijängen aber alle anberen ©r-
fenntniffe be§ menfdilidjen ©eiftea ab, menigfien^ alle jene, bie
bie ]^öf)eren unb tieferen gntereffen bei menfd)tid^en @eifte§ he-
rüljren. Jßenn baljer ber ©eift in feiner 5Xbroenbung t)on ber
göttüd^en Offenbarung in feiner ©otte§er!enntni§ getrübt ober oerfiu^
ftert mirb, fo fättt auc^ ein B6)atkn auf aEe anbern ©rfenntniffe.
Wi ber ©ottelerfenntnife \:)äni]t ,3unäd)ft innig bie eelbft^
ert'enntnif3 gufammen , bie nad) i^r ha3> l}oct)fte ^ebürfniJ3 ber
6eete ift. Qe reiner bie ©ottelerfenntnife, befto reiner bie <Belb\'U
errenntniä unb umge!et)rt. ^eibe taffen fid) von cinanber nic^t
trennen, metl ber ajienfd) von ©ott erfd)affcn ift, aßel oon il)m
empfangen l)ai unb aU gciftigel 2(bbilb oon ©ott ficb unb feine
2Bürbe nur in biefem emigen Urbitbe t)erftet)en fann. 3öa>$ ^at
1) Möm. l, 21 ff.
— Is-
abel: bie^ßernunft auö ber imtürlii^en (gelbfterfenntnife gemalt,
wo fie ]\6) üon ber ööttlii^en Seitung abgewenbet Ifiat? Sie
l)at w\6)t nur bie voal^xe ©elbfterfenntmfe, tuelc^e ber 2lug^
ÖQUcj^punft ber xüal)xtn 2öeisl)eit ift, bie ©rfenntnife i^reg ^er=
^ältniffe^ 511 (Sott, it)rer SBürbe unb it)rer roa^iren ^eftimm=
ung verloren, fonbern fie l)ai ber ©eele ftatt ber loaliren
6elbfterfenntnig einen blinben, jänfteren, raalinfinnigen 6toI§ wnb
§o(i)niutf) eingepflanzt unb fie bann gu einer Wienerin unb ©cla=:
Diu biefeg finfteren ©eifte^ gemadit. ©ie l^at bie ©eele an wahrer
©elbfterfcnntnife fo arm gemad;t, bafe fie eublid^ fid) felbft,
il)r Seben, il^re Unfterb(id;)!eit leugnet, bafe fie fid; ber t)cr=
nunftlofen Tlakxk unb bem oernunftlofen ^^iere gleidiftellt.
„3"^eg fie jagen, fie feien 2öeife, finb fie Stl^oren geraor--
ben/' Sie „entel)ren" nid)t nur, wie ber Ijeilige $aului3 fagt,
„il)ren £eib," fie entel)ren i^ren©eift; unb biefe @ntel)rung l)alten
fie für ii)xen 9iul)m. S)ie ginfterniB t)erl)errli(^t bie ginfternife
aU ba^ Sidjt. 20ie fie l)in unb l^er getrieben werben, inbem
fie balb @ö|en bieuen, balb ©ott leugnen, fo fc^roanfen fie
audj in ber i2e(bfter!enntniB, inbem fie balb ilire 5>ernunft i)er=
gi)ttern, balb iljr S)afein leugnen.
3}?it ber (Selbfterfenntnife fdiiuinbet benn auc^ bie ^ruber^
liebe, bie red)te ß'infii^t üon bem innigen ^ruberbanbe, ba§
iing mit ben 3Jtitmenf(^en tjerbinbet, unb üon ben Regierungen,
bie au0 bemfelben l;ert)orgel)en. ^ie D^ädjfienliebe berul)t auf
ber 6elbfter!enntni^ , mie bie ©elbfterfenntni^ auf ber roal)ren
©otte§er!enntni6 ruljt. S^on bie ßeljre ber Dffenbarung, bafe
mir 3)tenfd^en alle ber <Secle nai^ S3ilber ©otteS finb, biefelben
<gtammeltern l^aben unb baburdj trüber finb, ift Don unbered)en-
barem ©influ^ für alle Regieliungen ber 3}lenfd;en untereinan^
ber, mie bie Seugnung berfelben in biefer §infic^t t)on un=
bered)enbarem (Schaben ift. (S^ ift graar au^ ein natürlidje^
@efe^ be» menfdjlidjen ©eifte^: 2öag bu mä)t miöft, ba^ bir
gef($el;e, ba^ tl)ue and) beinem 9iäd)ften nid)t. Slber biefe^ @efe| mu§
§ugleid), um mirffam ^u merben, von ber maleren @otte§? unb
6elbfter!enntni^ getragen merben. «Eonft mirb e§> feinen ©influg
auf ba^ 2tUn üben. Ser SJ^enfd) mirb üiclmel^r balb ba^in
fommen, fein ^erliältnig ju ben 3}litmenfdjen nid^t mel;r nad^
biefem ^ernunftgefefee, fonDern nadj bem unerfättli^en ©eifte
ber ©elbftfuc^t einjuri^ten. 2öa^ aber bie fid^ (elbft überlaffene
- 14 —
menfd)li(^e 3]eruunft au§ ber 9iäd)ftenl{ebe madjt, ba§ feigen
Tüir an fo fielen ©rfdjeinungen ber ©egenroart.
2öa§ l^at fie ferner au^^ "om nntürlid^en C^kimblagen ber
bürgerlid^en ©efeflfdjQft getuad)t? ^uä) biefe entfpringen au^
©Ott. Slffe», tüa^ 511m @ebetf)en ber bürgerlidjen ©efellfc^aft ge-
fc^iel)t, (jat nur in Ujm feine ©runblage. 2(nf biefer ©runblage
rnljt bag 9ied)t unb bie Slutorität, ba^ @efe^, bie Pflege ber
©erec^tigMt, bie ^f(id)t be^ ©e!)orfam§. 3a bac^ gnnge 3)afein
be§ ©taate§ Ijat feine fittlic^e ©runblage nur in ber Uebcr^eug-
nng, hoi er nid)t eine töißfürlid^e meufc^Iidje ßrfinbnng, fonbern
eine von ©ott gewollte (Einrichtung ift, bie rair bejs^ialb eljren
muffen, weil ®ott e^ raiH. 2öa§ Ijat ber menfd)Iid)e @eift, dou
jeber (jöljeren Seitung lo^gefagt, von allen biefen natürlidjenStüöen
ber bürgerlid)en ©efeEf($aft nod; übrig gelaffen? ©r Ijat fie,
eine naä) ber anbern angenagt nnb unterraüt)lt ; er Ijat fie alle
befc^äbigt. S)arau^ entfleljt biefe t)oll!ommene politifc^e HngewiB'-
tjeit, in ber fi($ bie moberne @efeflf($aft befinbet; unh wenn bie
ftaatlidje Drbnnng no(^ befteljt, fo Derbanfen loir 'oa^^ niäjt jenem
©eifte, ber fid) von ber göttlii^en Offenbarung getrennt Ijat unb
fid) gebärbet, al^ ob er bie ftaatlidje Drbnung äufammenljielte,
fonbern mir oerbanfen e^ x)ielmel)r im- graben ©egentl)eil jener
©efinnung, bie im birecten SBiberfprud) ju biefem (^n}ie nod) in
bem c^riftlid)en ^ol!e fortmirft. S)ie ganje moberne 6taat^3roei0=
(jeit mürbe ni(^t im ©tanbe fein, bie bürgerlidie Drbnung nur
auf fur^e Qdt vov htn tiefften @rf($ütterungen ju beraa(;ren,
menn nii^t ber (^riftlid;e ©eift fte fdjü^te, x)on bem fie fid; ab--
geroenbet !)at.
2lel)nli(^ fte^t e§> au(^ mit ben natürlichen ©runblagen ber
gamitie. ®a§ geiftige unb leibliche ^"ßoljl be^3 Tten\^en Ijängt
meljr mie von aUem Slnbern, üon bem ©ebeiljen ber gamilie ab.,
StUeg roa^ fie befd^äbigt, befdiäbigt ben 3}Jenfc6en am Siefften.
2111er gortfdjritt nü^t bem nid)te^, ber in ber gamilie an £^eib
ober ©eele verpefiet ift. ^ie natürlichen ©runblagen. ber gamilie
finb biefelben, meiere aud^ hnxä) bie übernatürliche Offenbarung
al^ fol(^e bejeidjuet finb. Sßie wenig ift aber bie von berDffen=
barung getrennte Vernunft im 6tanbe gemefen, fie gum
geile ber SJlenfc^en aufredjt 5U erl)alten. 3m |)eibentljume
naijm vielmelir bie ä^^fiörung aller natürlid;en ©runblagen ber
gamilie mit allen entfet.lid)en golgen biefer 3^^'ftörung ganj im
— 15 —
3Serl)ältni6 ber roadifenben geiftigen ^ilbung in unb in gang ä^inlid^er
S[ßei{e arbeitet auä) jefet lieber ber ^eibnifc^e ©eift unferer ^age
baran, biefe l^eiHgfte Btätk, rco aüe {jeiligen unb ^o^en
Sntereffen ber 3}ienf(^l[)eit gepflegt raerben, §u bef^äbigen. 2öenn
nid)t bie gi)ttlid;e Dffenbarung bie Tten\ä)tn jc^ü^te, fo raürben
TOir bie ^erraüfiungen be§ alten $eibentl)um;3 im Familienleben
n)ieber!el)ren fel)en. Sitte angebli(^e ionmanität mürbe bie 9}?enfd)en
nic^t \ä)ix^en gegen bie SjRaä)t ber Seibenfc^aften, bie fic^ ba gel=
tenb mad^en fönnen.
SSie aber bie von ber Offenbarung getrennte Vernunft aEe
biefe natürlidjen 2öal)rl)eiten üergeubet ^nt, fo mai^t fie e§ äljnlid^
auä) mit ben*übernatürlid)en 2Sal)rljeiteu ber Dffenbarung. Sind)
biefe fann fie ni^t lauter unb ungefdjmälert erl)alten oljue
l)öl;ere §ilfe; aud) biefe uerfc^menbet fie nad; unb nad) bi^
gur legten diriftlic^en Sel;re unb bi^ §um legten Sud^flaben
ber ^eiligen (Sdfirift, mie un^ \>a§> bie ©efd)i(ite ber von ber
Äirdje (^etx^nnten Ijinreii^enb beraiefen l)at. ^oä) barauf tommen
mir fpäter gurüd.
SJon biefem ©efe| mad^en nur jene natürlii^en ^enntniffe einiger
3}Za§en eine 2lu5nal)me,bie fic^ ganj auf ber Oberfläche ber natürlichen
©rfd^einungen Ijalten unb bem ©eifte be§ 3JJenf(^en auf bie l)öd;=
ften unb mid;tigften gragen , auf ba§ „SBo^er'' unb „2Bol)in"
feine Slntroort geben. 55or allem ift e^ jener ^l)eil be§ natür=
lidjen Seben^, ber \iä) lebiglii^ nad) med^anifd^en ©efe^en richtet,
na(5 ben ©efe^en, bie für bie 3}iaterie von ©ott gegeben finb,
ber bann nod^ bem menfc&li(^en ©eifte jugänglic^ ift. ^ie blogc
SBiffenfd^aft biefer ©efe|e fann aber ben 3Jienfd)engeift ebenfomenig
befriebigen, mie bie 3)^aterie felbft, unb ber ©ögenbienft mit ber=
felben ift nur raieber eine anbere gorm für ben (^ö^enbienft
ber 3Jlaterie.
^ie Vernunft aber, bie e^ t)erfc^mäl)t , fid) von bem über=
natürlichen Sid)te erleud^ten su laffen, mirb niC^t nur bie
natürlichen ^enntniffe, bie ©ott i^r ant)ertraut Ijat, meljr
ober weniger verlieren, unb an ben Isolieren geiftigen ©ütern
mie ber t)erlorene ©ol)n junger leiben; fie mirb no$ übers
bieg einem anberen ©eifte bienftbar merben, fie mirb oft bal)in
fommen, alle il)re pl)ig!eiten , atte il)re ^enntniffe im ©ienfte
ber Süge unb be^ ^öfen in t)ermenben. 2Bie l^äufig ift ba^ ber
g'all in unferen ^agen ! 3e l)öl)er bie &ahm be§ ©eifle» finb,
— IG —
bie ©Ott ber 9Kenf${)eit cerliel^en ^at, befto t)erberbli(^er rairfen
fie, raenn fie nid)t me^r @ott bienen. ®ie Vernunft fül)rt unter
@otte0 Leitung gur etoigen Söal^r^eit; raenn fie aber fidö üon ©ott
obroenbet, bann wirb fie eine 3^erf ü^rerin , rael^e bie 9}len)$en
t)om Söege ber 2ÖQ!)rl)eit ableitet. 3)a§ finbet aber in ber au^-
gejeid^netften 35?eife jegt ftatt. 5öie wirb biefeg ^öd)fte SSermögen
ber 6eele mi^braut^t! 2öie rairb e^ benu|t, um bie 3)ien'
fd^en irre ju fü()ren unb gu Derberben! 3Beld) ein furd)tbare$
(Softem r)on 2nq, unb ^rug l)at fi^ bieffr (jimmlifc^en ^ahe
ber SSernunft unb ber SBiffenfd^aft bemäd^tigt! ^abei wurzelt
in ber ©eele ber 3Jlenfd^en ha^ S3etDufetfein, baft bie 5Ber=
nunft ber 3Bal)rl^eit bienen foK , fo tief, "i^a^ ein großer %i)e\i
berfelben biefe^^ ^rugfpiel mit ber Sßa^r^eit niä)t erfennt, unb
biefeg Vertrauen ^ur Vernunft ift bann für fie ein neue§ TOttel
be^ ^etrugC^ $Die Vernunft, pon ©ott bcflimmt, ber SBa^r^eit
5u bienen, lüirb bann eine Wienerin beg ©elbeio, ber ©e-
n)innfu(^t unb oller Qntereffen , bie ha§> ©elb befriebigen
fann. ^a§> ift nur gu l^äufig ber 3^ftö^^ i^^^^ ^nteßigenj in
unferen ^agen, bie fo ftolg einljerf^reitet unb ber Söelt t)erfünbet,
ba§ fie i^r £i(^t bringe unb "oa^ fie nur bem ßid)te biene. 6ie
lügt unb betrügt. Qn iljrem Kampfe gegen ba^ ©Ijriftent^um
bient fie nidjt ber Söaljrlieit, fonbern bem ©elbe; fie erfd^öpft
atte 3Jiittel be§ ©eifteg gur ^erfül)rung ber 9)lenfd^en in biefem
©elberroerbe. ©in großer ^Ijeil ber ©rgeugniffe ber mobernen
Literatur, mit iljren @ottlofig!eiten unb i^ren entfepd;en (Sit-
tenlofigleiten ift gemeiner ©elbermerb. £)iefe erljabene l^imm--
lifd^e (^ahe, bie gntelligenj, bie ben 3Jlenfd^en erljeben fott bi^ gn
ben emigen Si^träumen, mo ©ott tl;ront um bort niebergufinfen
anb anzubeten, mu§ !^ier auf ©rben fo üielfad; in biefem teuf^
lifd;en ©efci^äft ber ^erfül^rung unb ©ntfittlid^ung ber 9Jienf$en
menfd^lid^er ^o^ljeit unb ^^ermorfenl^eit bienen. 5Dat)in fommt
bie SSernunft ol)ne Offenbarung, ol)ne ©nabe, ol)ne 2tutorität. 60
arm wirb fie, n)enn fie in ftoljer lleberl)ebung nii^t auf ©otte^
6timme Ijören mill. Statt bie 3}ienfc^en gu i^ereinen unb fie
vereint nad^ jenem ^erge ^otteä ju füljren , non meld;em ber
^ropl)et rebet, ftatt fljuen jenen feiigen grieben gn bringen,
trennt fie bann bie 3Jlenf(^en, fül)rt fie ah von ©ott unb mad^t
aug bem 2eUn ber ^Henfd^en einen nie enbenben Äampf ber
^elbftfud^t unb ber 6innlid^!eit,
III.
£)ai hm\ (5att }\i htn MUnfdjtn gcfprodjen, fo 5aß pe fchte
«Stimme Ijörni konntfii? Kfkt er awd) jr^t itod) ("o tjenicl)m-
lid), fo bfftimmt }\\ «tiö, kß mir mit uollcr ©emißljeit, md)t
irre ^u geilen, nns feinen IDorten annertranen können?
„3u oielen 3)JaIen iinb in oielerlci SEeifen l^at cinft
@ctt 511 bcn SJätern burcf} bie ^ropl^eten gerebet;
jule^t in bicffti tragen t;Qt er 311 un§ bur* ben
©o^m gerebet; irelcfien er 3uni ©rben über 2lire§
gefegt, burd; 'melden er auc^ bie Sßelten gemac&t
r;at.'"' §e6r. 1, 2.
^uf bicfc gvagen fönnen mir nur uon ber ©ef(3^i(^te eine
2Intn)ort crljalten.
1. 2ÖQ§ faßt un§> barübcrbie erfie ©efc^idjte be^ Wniä)en'
o,^\ä)kä)ie§> vox beni SünbenfaHe ?
©Ott felbft rcbet bort mit ben 9)kni(^cn. @r ükiiie^ fie
nid)t au^fditie^lii^ bem ^idjte it)rer ^^evnunft. Dbn)o!)l er it)nen
Qujger ben natürlii^en g^äliigfeiten be^ ©eifte^ noi^ übernatüiiid;e
geiftige ®aben gcfpenbet liatte unb obiuol)! jene natürUd)en ^aben
nod) iMjt burd) bie (Siiubc beeinträchtigt waren — bennoc^ rebete
er mit if)nen. ßr felbft \QQnetc [ie unb fenbete i^nen bamit bie
9öttli(^e §ilfe , um ha^» gu t)o(Ibnngen , um5 er iljuen befel^ten
luoUte; er felbft übertrug iljucn bann bie §crrfc^aft über bie
9tatur unb über oHe (i)efd)i3pfe^); er gab iljncn felbft ein ©ebot,
ein äu^ere^ pofitiüe^^), obmol)! er iljnen and) ein innere;^ fd^on
in bie Seele gefi^rieben batte, ha§> allgemeine Sittengefe^. 2)iefe5
QUBere ©ebot foHte il)ren ©eljorfam prüfen; fie füllten baburd)
bie iljnen übertragene §errfd)aft über bie gefammte 9?atur nur
in ber Untermerfung unter feine Dber^errf(^aft üben lernen.
1) I. üßof. 1, 28-30. — 2) 1. mol 2, 16 f.
p. Rette l et, bag attgemeinc Couctt.
^ 18 --^
^al äußere ©cfej foHte fie and) ha^xn er^ietien, bap fie ba« innere
@efe| gleid^faE^ aU ©otte^ ©ejeg erfännten unb nid)t i^rem
eigenen SöiHen jufdjdeben. ©ott felbft legte enblid) fdjon bamaB
bie ©runblagen ber gamilie unb gab il)r, raeit fie raieber bie
©runbloge aller anbevn menydjlidjen ^erbinbungen werben foUte,
i\)x n)unberbareg ©runböcfe|, ha^ and) l^eute imerjdjüttert fort=
beftel)t. ©Ott rcbete aber nid;t nur Einmal ^u bem 9J^enf(^en,
fonbern er Der!el)rte fo (iebeocE mit biefem ©efdjöpfe, raeldjeg
er nad) feinem ßbenbilb erid)Qffen ^atk , bQ§ er un§ in ber
^eiligen 6d)rift mie ein ^ater roanbelnb im ^arabiefe bargeflellt
roirbi). 2ßir ^inber ber Offenbarung fonnen un§ über eine
1oId)e 6pra($e md)t luunbern, ba ja ©Ott auc^ in bem je^itjen
Suftanbe, roo ba§ TOiebeiljergeftcHt unb üoUenbet werben foH,
roa^ wir im ^arabie;? befaßen unb burc^ bie 6ünbe ijerloren
^ahen, in bem ©eljeimniB feiner £^iebe, bem allerl)eiliv3ften 6acra=
mente unter un§ looljnt; unb ba mx ferner raiffcn, ba§ e^
unfere ©nbbeftimmung ift, ewig @ott ju fi^auen. ß» be^
meift aber, wie ba^ Sieben ©ottc^ gu ben 3}lcnfd;en , wie ber
SSerfel^r ©otte-S mit ben äRcnji^en fo gan§ gu feinem oäterlidien
^slane gehört. Un^ erf<^eint ein 31tbcn ©otte» mit un^ nur be6>
(;Qlb oft fo fremb, weil un» burd) bie (Biinhe ber ^t'üante fo
fremD geworben ift, wie innig wir @ott angel^ören.
2. 2Ba§ fagt un§ barüber bie ©efc^id;te be.§ alten 8unbe^,
bie 3ßit ber SSorbereitnng auf 'iitn fommenben ©ilö[er, bie Qeii
ber SSorbilber t)on bem 3fieid;c ©oite§, ha^ jener auf ©rben
fiiften wollte?
®er Slpoftcl ^auluiS fa§t bie ganje ©efd;id)te be^ alten
Sunbe» in ben SBorten sufammen: „Qn oiclen 9}ialen unb in
vielerlei Söeifen Ijat einft ©ott gu ben ^NÖtcrn huxd) bie ^roplieten
gerebet^)." 5Daö ift bie ^ebeutung, ba§ bie ganje ©efdjid)te be^
alten 33unbeg : „üeus loquens patribus in prophetis — ©ott mit
ben 3)lenf(^en rebenb burd) bie $ropl;eten." 5Dcr 3^^^^ ^'^^^
bie 3)Zenfc^en wieber ju fid) äurüd ju fül)ren, ben ©eift be^
3)^enfd;en §u feiner ©rfenntnife, ha^ ^exh ^^^ 3Jlenid;en ju feiner
Siebe. ^a!§ \\t and) ber Qwed ber ganzen Grlöfung, wäl)renb
ba5 ganje 55erberben ber 6ünbe in bem ©egentljeil beftel)t; in
1) 1. ÜJiof. 3, 8. - 2) ^ihx. 1, 1.
-lo-
ben 3]erirrmi9eu bei ©eifiel, bev ®ott tiid^t meljr erfennt unb
bamit auf alle 3rrroege ber Süge gerätl), in ben 5>enrrungen bei
.gerjenc, ba§ ©ott m(f)t nielir liebt. 5l(§ @ott bef^loifen liatte,
aüe bie[e, wie uenrrte od^afe von bem rechten 2i5ege abgeit)i(^enen
Menfd^eufeelen iinb 3}tenid;enliev5en lyieber auf beni reiften Söege
5u bem einen 3^^^^ 5^^^' ßrfemitnife ber einen unb ^öd)ften 2öa^r=
l)eit, 5ur Siebe he§> einen unb Ijödiften ©ute» Ijin^ufü^ren, ba er=
fannte er in feinet* göttlichen Sßeielieit ein Mittel unb biel wav :
Dens loquens patribus. Crc felbft rebete in ben 3}len|($en.
^Ibcc ein llnterfc^ieb wat 3raif(^en bem kleben ©otte!^ mit
ben 3}Ienfd^en im "^arabiefe unb im alten 53unbe. 3m ^arabiefe
rebete er felbft iin'o unmittelbar mit htn 3)tenf(f;en; fpäter rebete
er „bur*^ bie ^ropt)eteu'' gu iljnen. 5Dafür fönnen rair unl
meljrere förünbe hmhn. Grftene waren bie 9)tenfdjen unroiirbig,
in ilirem iegigen S^^f^^"^ ^«^ ^Ingefidjt ^>ottel gu f($auen;
fie foüten ja baju erft luiebcr vorbereitet luerben. 3^^^^^^"^ ^^^^
lag in biefem 5>erfal)ren ber gi^ttlidjen 5?orfel}ung ^ugleii^ ba»
roaljre Heilmittel, um "iini 3Jienfd;eu burc^ htn ©lauben gu fic^
^nrüdjufüljren. Unb enblid; brittenS war ber alte ^^unb roie ein
Statten be)3 neuen ^unbe§ , wie ein 6d)atten von jenem ^^er-
fel^r ©ottel mit bem 9)leufc^cn, ber im neuen ^unbe roieber ein-
treten foUte.
(S'in anfd)auli(^el ^ilb uon biefem dU'om ©otte» burd)
3Henfc^en gu ben 3)ienf(^en im alten Sunbe gibt un^Seuemiag,
wo er erjäijlt, mie er üon ©Ott in biefem Slmte berufen mürbe.
©Ott rebete gu \i)m: „(El;e ic^ bi(^ bilbete im 3)lutterleibe, l^abe
id) bid; gefannt unb elje hn l)en)orgingeft au§> bem S($oo6e, l)abe
i^ bi^ geljeiligt unb aU ^ropljeten für hie ^öikt bid; gefegt."
SeremiaiS gerietl; barüber in gro^e 5lngft unb antwortete :
„5ldv §err unb ©ott ! (Sielje i6) meiB nid)t ^u rebcn ; 't^mn ein
Änabe bin iä)." $[)a fprad; ©ott gu il)m: „Sage nic^t: ,@in
^nabe bin id^/ benn ju allem, mo^u id) bi^ fcnbe, follft bu
gel)en, unb alle» j^mal, wa§> immer id; bir auftragen werbe,
follft bu reben. gürdjte bid) nid)t cor il)nen; \)enn mit bir bin
i^, bid; ^u erretten." ©amit aber begnügte fid; ©ott no(^ nic^t;
er wollte feinem Wiener unb -^ropl;eten anä) nod; eine Ijö^ere
©nabe jur Erfüllung biefe;^ Ijeiligen Slmteä mittljeilen. ßr ^redte
baljer feine §anb aul, berüljrte feinen 3}lunb unb fprai^ ju il)m:
„6iel;e, \6) lege meine Söorte in bcinen 3}hinb; i^ I)abe bid^
2*
___ 20 —
\)euk befteßt über bie ^>ölfer imb über bie ^ömgrei^e, um aus-
zurotten unb 5u jerftören, . . um ju bauen unb ^u pftauoen')."
3n bicfer äöeife alfo rebele ®ott im alten ^m'^e gu h^n 3}lenfd)en.
iix mä^tc nd) h>r^n feine Wiener au^^] er wax mit ilt)nen mit
feiner ®m\)C, er gab i(;nen if)re (Beübung; er rüftete fie an^ mit
einer entfpredjenben .^raft; er haü^xU in übernatürli(5er 2ßeife
iljren 3]iunb unb legte feine 3Sorte in il)ren 3}lnnb. S)arum
war basd, iüqc^ fie rebeten, @otte^ SSort, unb @ott felbft rebete
burd; fie ^u hen SJZenfdjen.
SBeldje 2öir!ung aber biefe!§ Tteben @otte^ gum Qubenüolfe
Ijatte; erfennen mir, roenn mir einen ^lid auf bie ©ef^id^te
biefe» ^olfe!« unb auf bie aller §eibnif(^en 53i3ller mcrfen unb
hahci nur ba» (Sine in 33etrad)t ^ieljen, cor meldten dJraneln be§
©ij^enbienfteic bie ^n'oen baburd; bemaljrt mürben, 'Oa^ (3ott
burd; biefea Sieben if)nen ben ©lanben an ben einen maljren
^ott erljielt.
3. ^a§> fagt un^ barübec (Sljriftu-o felbft?
^a§> gange 2ehm Qefu ift eine Slntmort auf biefe grage.
^er Slpoftel 'X^ a u l n §> fa^t e» in ben 5Boi1en jufammen : „S^^^^l^ i^
biefen ^agen l)at @ott gu xuk^ \)nvd) feinen ©oljn gerebet, meti^en er
5um ©rben über 5I(le^ gefegt, burc^ melden er and; bie SBelten ge-
mad)t l}ai, raeldjer ber ^Ibglan^ feiner *gerrlid)feit unb ba.^3 ©benbilb
feines SBefenS ift unb bur^ baS SBort feiner ^raft aEeS trägt ')."
S}aS ift alfo ber Untcrfdjieb gmifdjen bem alten unb bem
neuen ^unbe, gmifc^en bem ^Jteben ©otteS bort unb ^ier.
S)ümaliS fprad; er hnxd) bie ^]3ropl)eten , jel^t rebet er \)nxd)
feinen ©olju, mcld)er ber Slbglan^ feiner §errli(^feit unb
ba» ©benbilb jetneS ^JöefenS ift; rceldier mit iljm ein unb
biefelbe emige göttlid;e Statur unb 2öefcnl^eit befifet; meld^er, mie
baS ßoncil dou S^icäa fagt, „@ott oon (^ott, £id)t üom 2id)te,
wai)xcx ©Ott Dom maljren ß)otte, gezeugt ^ ni^t gemadjt , bem
^ater mefenSglei^ ift/' Seist rebct alfo ©ott felbft unmittelbar
5u ben 3}ienfc^en, aber in menfd)lid)er ©eftalt; ber ©ott5 9}tenf d)
ift unfer ;^el;rer um mill burd) fein 'iöort unS 3)ienfd)en , nn-
fern ©eift, unfer ^er^ füljreu unb leiten. 3e^t rebet ^u unS bie
ouf (j'rben erfc^ienene 5l^al;rl)eit: „Qd^ bin ... bie 2öa^rl)eit '0 ;"
1) ^erern, 1, 5-10.- 8) §ebr. 1, 1-3. -- 3) ^o^. 14, 6.
- 21 -
ba§ auf (grben erfd^ienene £id;t: „Qcf; bin ba§ ßi$t bei* 2Bctt<)."
©Qtt^ foIgert(^ttg erinnert benn ancCi ber 5lpofteI ^anlu§ an
bie groge iiserantiüortung , )t)el(^e wir auf un§ laben, wenn mir
un§ Don (Sf)riftn§ unb feinem Sßort nic^t leiten laffen. 3^a$bem
er nämlid) barnnf ^ingeraiefen, baß biefeg ^eben ©otte§ ju
nn^ in feinem eigenen ©ol)ne nod; t)iel glaubroürbiger fei, al^
rcenn er felbft einen ©ngel von feinem 3::i)rone al^ 33oten ju un§
gef($ic!t l)ätte, !ommt er ju bem 6d;luffe: „^arum muffen wir
um fo meljr an bem Ijalten, ma^ mir (uon il)m) geljört Ijaben;
benn raenn ba§ hmä) Gngel üerfünbete Söort \ä)on guüerläffig
ift unb jebe Ueberfd^reitung unb jeber Ungeljorfnm bie geredete
S^ergeltung empfangen hat, me merben mir entf(icl)en, menn mir
fo großes geil Dernai^Iäffigen ^j !" ,,^arnm, ruft er enblic^ au§,
l)cilige trüber, DJJitgenoffen be-S Ijimmlifdjen ^erufe^v ^jöbet ^ä)t
auf Q^f^iiu, ben ©efanbten unb .&ol)cnpriefter unfere» ^efennt-
uiffe§3)/'
3n meld^er 2(rt aber ber ©otju ©otte)§ gn ben Wlen]d)ai
rebete, baoon mollen mir nur ein febr be§eid)nenbe§ ^eifpiel an^
füliren. lieber ben ©inbrud , meli^en bie ^ergprebigt auf bie
3ul)örer mad)te, er^^ätjlt nämlidö ber l)eiligc 5lpoftel 3Jiattl)äu§:
„Unb e^ gefd^ab, aU QefuS biefe ^eben beenbet l)atte, erftaunten
bie 6c^aaren ob feiner Seljre." SBorin Ijatte biefe§ ©rftaunen
feinen (5)runb ? ßtma in ber ©rljabenl^eit ber vorgetragenen 2e^i
reu? S^ein , menigften§ nidjt l)auptfä(^li(§. ©er 5lpoftel gibt
einen anbern @runb an: „©enn er leljrte fie mie (Siner, ber
3}lac^t l)at, unb nidjt mie ihre ©djriftgeleljrten unb ^Ijari^
fäer^)." @o lehrte ber Sobn @otte§ , fo rebete ©ott burd^
il)n 3U ben ^enfdf)en. (Seine Seljren roaren überaus rer^«
nünftig, überaui^ menfdjenfreunblid) , überaus liebeooll; aber er
ftügte fid) nid}t auf 3}lenfd)enmei5l)eit, auf (Sefc^idtid)!eit ber 9tebe,
auf ^ernunftbemeife, um bie SJlenfc^en jum Glauben ju filieren,
fonbern er rebete ^u i^nen al§ il^r @olt unb §err unb verlangte
von feinen 3^^örern befeljalb Untermerfung unter feine SBorte;
er verlangte ©lauben von iljuen , raeil er , bie eroige 2Eal)rl)eit,
gu tl)nen rebete, unb meit fein 55ernunftbemei§ fo ber SSernunft
entfpredienb ift aB ber, baf? bie 3Sernnnft be^ SJ^enfc^en fid^
1) ^0^. 8, 12. — 2) .s>br. 2, 1 ff. — 3] .t>eljr. 3, 1. — 4) 5}Jcitt]^.
28 f.
— 22 —
©Ott, wenn et rebet, mitevraerfen muß. ^r rebete gu tljnen be^-
l)Qlb löte ©incr, „ber 'Ma6)t Ijai/' Xaxa\\\ be^teljt fic§ auä), rua6
ber 3lpoftel $quIu§ oon bem Glauben fa^t: „^ie 2:i5affcn iin=
fereö ^anipfe^ finb ni$t fleifd^ltdi, jonbern mädjtig burd) ®ott, . . .
inbcm toir 3]eriumft)djlüffe bavnieberraevfen unb alle §ol)eit, toel^e
fid^ erl^ebt tüiber bie @r!enntni6 ©otte^, unb öcfaittjcn nel)men
ithm SSerfianb §um ©el^orfam 6f)rifti^)." 60 l)ai @ott in feinem
6ol^ne gu ben 9)len|d}en oefpro^en unb fo IjaUn bie 9}^enf$ert
fein SBort ouföenommen. ^Il^S (Einer, „ber ^aä)i Ijat/' ^ai er
SU il;ncn gerebet unb weil fie biefe Wlaä)t in itjm erfannten, be&=
l^olb f)Qbcn fie i^ren 3^erftanb ^um ©eljorfam gegen ©^riftu§ ge-
fangen gegeben.
4. 2ßa0 fagt enblic^ über bie aufgeftettte gtage bie tir(^e
eörifli?
Sie antwortet, baB d^^riftu^ ibr (In Seljramt übertragen
!^at, ba6 fie felbft auf (grben „eine ©äule unb ©runbuefte ber
2BaI)rf)eit ifi^);" 't^a)^ ßfjrifiue bur(^ fie gu ben 3}^enf(^en rebet
bi0 an ba5 ©nbe ber 23elt.
^a wir biefe0 Dieben ©otte^ gu ben 3}^enfd)en burd^ feine
^iri^e mn Derfd^iebenen Seiten betrad^ten nuiffcn, fo befd^rän!en
wir uns in biefcm Stbfdjuitte barauf, nur bie ßinfegung eines
fold^en £ef)ramteS , burd^ weld^eS ©ott p ben 9Jtenfd)en rebet,
ins Sluge ju faffen.
©Ott hat im ^arabiefe gu ben 3)2enfd^en gefproc^en; ©ott
l^at im alten ^unbe ^u ben 3Jlenfd}en gefpro$en; ©ott Ijat enb=
lic^ in unb burd^ feinen Soljn ^u ben 3)lenfd^en gerebet, um fie
5U leiten unb gu füf)ren. Sollte ba auf einmal bie lebenbige
Stimme ©otteS auf (Srben yerftummen unb ein tobteS ^nä) beffen
Stelle einnel^men? SoUte r>on ba an aßeS fc^weigen un'o jebeS
göttUd^e £el)ramt auf()ören? SoHtcn bie Sdjatten im Seljramte
beS alten S3unbeS !^öl)er ftel^en, als bie SBirflidjfeit im neuen
^unbe? Sollte bort ein Mann im 9iamen ®otte;5 leliren, beffen
Sippen ©Ott mit feiner ßanb berülirte unb in beffen 3}Iunb er
fein lebenbigeS 2Bort legte, unb bagegen l^ier nur mebr ein ges
fd)riebeneS Pergament, ein gebrudteS ^^apier baS Drgan ©otteS
fein? Unm6glid()! Qm neuen ^unbe, im i^leid^e ß^rifti auf
ßrben, in biefer ^irc|e beS lebenbigen ©otteS, ba muffen alle
1) 2. C^ev. 10, 4 f. — 2; 1. Ximot^. 3, 15.
-~ 23 -
S?orbilber be0 alten Sunbe^ üerrcirflici^t fein, ha mag eine
lebenbige Stimme ertönen , buri^ bie ®ott gu un§ rebet unb
groar bentlii^er, beftimmter wie im alten SSuiibe. S)a mu§
eine lebenbiije Stimme forttönen, bnr^ bie ber lebenbige ©f)rifluS
üerneljmbav jn nn0 fpridjt; eine lebenbige Stimme , bie immer
im 5Ramen ©otte^ nnjmeifelliaft antwortet , menn bie getrübte,
tjerirrte, in galjGofen ^rngfd}lüffen uermicfelte SSernnnft ber ^Jlen^
fd}en nad^ allen 35erirrnngcn immer mieber von S^enem fragt:
Quid est veritas, 2öa§ ift 2Bal)rl)eit? — Unb in ber ^l;at,
eine fol(^e Stimme gibt e§ anf (£rben fo geraife, mie bie SBortc
Sefn geroife finb. §immel unb ©vbe werben oergelien, aber
feine SBorte unb feine S^erljeiBungen werben nid^t üerge^^en. Seber
neue geitabf^nitt unb jebc!§ fommcnbe ©efd)le(5t mufe S^i^9"^&
geben ron ber Erfüllung aller feiner Söorte.
©r Ijat gu ben Slpcfteln gefagt: „©eljet l)in unb (eieret
alle Golfer!*' $Da§ ifi ber 5luftrag , ba§ ift ha^» 2d)xamt
Ueberau§ mcr!würbig finb aber bie SBorte, welcfee ber ©infe^ung
bicfe^ £eljramte§ ijoraulgeljen unb \\)x folgen, guerft beutet
gefu^ l)in auf bie S?cllma($t, mit ber er felbft gele!)rt unb in
ber er and) Sel)rer auf ßrben beftcHen !ann. ^eg^alb fagt er:
„3Jlir ift alle ©ewalt gegeben im §immel unb auf
(^rben." ^a fprac^ er and) wieber Söorte wie ©iner, „ber
maä)t l)aV' unb wie feiner auf (^rben cor ober na6) i^m reben
fonnte. Unb nac^bem er bann in biefer göttlid;en SSollmai^t iljuen
befohlen l)atte , alle ^^ölfer au lehren, fälirt er fort: „Sie^e,
i^ bin bei eu(^ alle ^age bi§ gum (Snbe ber Sßelt^/'
§ier [td)t Me§ auf einer £inie: bie 'Ma6)t, mit ber er Sluftrag
ertlieilt , ber 5luftrag felbft unb bie ^auer beffelben. 2lIIc§ ift
l^ier göttlich, 9Bir liaben alfo ein üon ©ott gegrünbeteS fie^r^
amt; ein Seljramt, ha§> für alle SSölfer unb für alle Reiten fort*
befte^en fod; ein Sel)ramt, bem ber 33eiftanb ©otteS U§> an'5
©übe ber SSelt üerljeiBen ift. 3n biefem Seljramte rebet alfo
wol)rl)aftig Gliriftu^J, ©ott felbft, fort unb fort gu ben gjlenfc^en
unb wir Ijören &otk§> Stimme, wenn wir bie Stimme biefe§
Se^ramteS Ijören. Qn biefem Seljramte ift me^r al^3 Seremia^,
beffen 3Jlunb ©ott berül^rte unb in ben er feine Söortc legte 2).
1) maiif). 28, 18—20.
2) Um 99?t^öerftäubn{ffe üöer baS SBerJ^ältni^ te§ atten ^ropj^eten--
t^um§ unb be§ Se^ramtcö ber ^irc^e ju befeitigen, bemer!en TOtOa^ bie
— 24 -
3Jlit ber SSeftätißung biefel göttlichen Seljvamte^ raoHte er
ober auc^ fein ganjeg ©rlöfung^roer! auf ©rben befi^Iiegen, benn
alle§ wirb ja t)on bemfelben getragen unb o^ne ba^felbe rairb
aEe§, et;riftu^ felbft, un§ ungewiß nnb feine ganje Se^re uwS
unilax unb unbeftimmt. ^aljer fpra(^ er gu bcn SIpofteln un^
mittelbar t)or ber §tmmelfaf)rt: „®e^et ^in in bie gange
SBelt unb prebiget ba§ ©oangeliunt aller Kreatur! SBer
glaubt (ndmlid) ma^ iljr prebigt) unb getauft ift, rairb
feiig werben; wer aber nic^t glaubt, wirb oer--
bamntt werben... Unb ber §err 3efu§ warb, nai^bem
er gu i^nen gerebet l^atte, l)inauf genommen in ben gimmel unb
fi^et gnr Sftei^ten ©otte^^).'' Sßel($ ein Sluftrag, md6) ein er=
!)abene§ Slmt, ba§ er ben 5lpopeln übertrug ! (Eie f ollen ge^en ,;in
bie gange Sßelt/' „prebigen allen Kreaturen." 2öel(^
eine furd)tbare ^e!räftigung ber Slutorität biefe^ Sel)ramte«,
inbem er t)on ber gläubigen 2lnnal)me ber prebigt ber
2lpoftel bie 6elig!eit unb bie SSerbammung alVl)ängig ma$te!
S^ad^bem er mit biefem Sluftrage allen SJlenfdjen, bie bur^ feine
£el)re feiig werben foHten, bie 33er!ünbigung feiner 2Borte in un^
getrübter 9^einl)eit gefiltert Ijatte, fuljr er gegen ^immel unb
fi^et gur 9te(^ten ©otte^, um von bort au§ mit göttlicher SJlai^t
bie (Erfüllung ber Sßorte gu bef(^ü^en, welche er auf ©rben ge=
fpro^en l^atte.
®a^er fonnte auä) ber göttli(^e §eilanb fd^on frül)er gu ben
5lpofteln fagen: „2öer eu(^ Ijört, l)ört mic^, unb wer eud^ t)er=
a^iet, üerai^tet m\^. 2ßer aber miij rerad^tet, Derad^tet ben,
ber mii^ gefanbt ^at^); — unb begüglid^ ber ^ird^e: „2ßer auf
bie ^ird^e nid)t l)ört, ber fei bir wie ber geibe unb offentlid^e
6ünber3)/' ©old^e ^n^fprüd^e laffen fic^ nur erllären im ^in-
blitf auf ein von il)m gu grünbenbe^ Se'^ramt, bem er nidf)t nur
göttlid^en Sluftrag, fonbern and^ göttlichen ^eiftanb gewdlirte.
Cffenboruiig in ©^riftitö erfüllt unb aBo[efci^toffen tft unb bal;et btc Ätrd^c
nid^t roic bie alten ^ropfjeten neue Cffenbarunj^en üerüinben tann. ©ie Ue«
Überlegenheit be§ fird^lid^en £el>ramtcö befte^t al[o barin, ba^ bie Offenbarung
in (Ei^riftuS biel l^ö^er fielet, a(§ bie in ben ^propl^eten, unb ba^ baö Sel^r:
amt ber ^ird^e nic^t wie baä ber ^ro^^eten für ein einjige^ SSol!, fonbern
für alle ajienfd^en unb für aUe S^iien beftimmt ift.
1) 3Rarf. 16, 15 f. 19. — 2) Suf. 10, 16. — 8) a«attlj. 13, 17.
20 —
3Rad) bcn Söorten, bie er bei (^infet^imo be§ Sc^ramte^S öefprodjcn
l)at, ifl e» je^t ooHfommen liav, wie er fagen fontite: „5öer eu(^
l^ört, Ijört midj; rcer eud) t)erad)tet, mxaä)id mid}/' — beim in
bcm Mjramte ber ^ir(^e, roclt^e^ üou i^m getragen tüirb, rebet
ja Gf)riftu^3 raa^r^jaft gu ben 3}lenfd^en unb ^raar aUe i^age bi0
an0 ©nbe ber SBett.
5ra aber alle 9]^enf(^en bem Qrrtbum imtertrorfen finb, unb
3}?enf(5en bie Präger unb 33er!ünb{ger feinet irrttjumSlofen gött-
\xö)cn Sßorte^ fein follten, fo ntu^te Sf)riftu§ bafür forgen, bag
bnr(5 biefe Präger feinet 2Borte§ feine Seljre mä)t entfteEt wer-
ben fonnte. ^a§> t^at er snnäd)ft bnrc^ bie 3^erf)ci^ung feinet
SBeiftanbe§ bi0 an ba§ ©nbe ber SBelt. ßr wollte aber nod) in
einer anbern Söeife ba§ Sel)ramt feiner ^ird)e üor Srrt^um be=
n)al)ren. S^arnm fprad; er jn ben 5lpofteln: „3d) werbe ben
Später hiikn nnb er wirb end^ einen anbern ^röfter geben, ba^
mit er bei cnä) bleibe ewigli(^: ben @eift ber Söal^rljeit, wcldjen
bie SBelt nid)t empfangen fann, weil fie il^n m^t fielet nnb il)n
nid)t fennt. 3l)r aber !ennet iljn, weil er M end; bleiben nnb
in ^u6) fein wirb^)" — nnb gleid) baranf: ,;^er ^eilige @ei(l,
weld^en ber ^ater fenben wirb in meinem Flamen, er wirb end)
alles leliren nnb en^ aUeS nal)elegen , wa§ \ä) en(5 je gefagt
l)abe2)/' SSo^l finb e§ 3Jlenfc^en, bie baS £el)ramt in ber ^irdje
beforgen, aber nidjt fie finb e§, fonbern e§> ift ber göttlid^e ^ei^
ftanb Sefn ei)rifti, eS ift ber göttlid^e ^eiftanb beS l^eiligen
©eifteS, beS ©eifteS ber Sßalirljeit, anf ben wir üertranen, mnn
wir nnfern 55erftanb bent ©lanben gefangen geben.
©0 fonnte benn and; enblidj bor $ei(anb Don feiner £ird^e
fagen, bag fie anf einen %d§> gebant fei nnb bag bie Pforten
ber ,gölle fie ni$t überwältigen würben 3) ^ie ^>forten
ber §ölle, bie nn» 3}^enf(^en, nnfern @eift, nnfere erljabenfte
gäl)ig!eit, bie Söaljrljeit jn erfennen, bebroljen, finb bie 9Jtad^t ber
Süge. SldeS anbere Hebel anf ßiben äme ni^t in 33etra(^t,
voenn bie Süge nicbt wäre, biefe §ölle in ber ©eele beS Wien-'
f(!§en, bie 3Scrfinfternng feinet ®eiftc§. 3ßeld)e Wlad)t Ijat bie
Süge auf ©rben! 2llle^ wirb uon i£)r angenagt, felbft bie jartefte
^flanje im ©eifte be§ ^inbe^. 51lle», alle§ unterliegt biefer §ötlen=
mad)t, nur ein§ nid)t , biefeS göttlid)e Sel)ramt ber .^irdje , ba§
1) ;3;crj. 14, 16 f. — 2} 3:orj. u, 2G. — 3) maiü). IG, 18.
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imtiier urtüerrüd bar , unerf(^ütterlt(^ baffelüe bleibt unb ba§=
felbe Icljit.
2)a§ ift Qlfo bie 2lntn)ort auf nnfere grage. @d)on im
^arabieje l)at ®ott 511 beii SJ^enfi^en oe[prod)en unb iljre ^er=
nunft geleitet; in hm ^^rop^eten be§ alten S3unbe§ Ijat er gu
bem au^ern)äl}(ten 5>oIfe öeyprü'i)en unb e^ baburd) mx ben
©räuelu ber ^^crirrungen beC^ @öl3enbienfte^> bema^rt; in (El)riftu§
ift ©Ott felbft er|d)ienen unb hat unmittelbar ba^ 3J^enfc^en=
aef(^lc(^t angerebet, um alle €ieelen unb alle öerjen, bie auf
ßvben guten SBiUen^ waren , micber auf ben roaljren 2Beg gu
(Sott bin^uleiten unb burdj (Eljriftu» leljrt er in bem göttUi^en
Sel^ramte ber jlirc^e fort unb fort bie SJlenfc^en bi^ an t>a^ ©übe
bcr STage.
golge, 0 menfd)li($e «Seele, biefer Stimme ®otte§ , bie gu
bir rebet, menn bu nii^t alle ^age beineö irbifd)en SDafeinö eine
^cnte be§ ämeifel^ unb enbli^ für emig ein 9iaub bc^ Sügen-
geifte^^ raerben millft.
IV.
ß)tr öflancit brr Jtnifri) ^ntn jBclil} ^fr lüaljrfn £fljre €l)ri|lt,
^ur iittgctrilbtnt :^rnitttttfi ^cr nm in Cljiifluö ttitgcbotnirn |ftls-
ttialjrl)ntnt? Dn* |)rotfflant ntttiuortct: Mvd] Me iFürfdjung
ttt In Ijftlifjfn 5d)rtft; bn* :ßatljolili aittiuortet: Durd) ks
unfdjlbarc £fljramt kr äxxd^ itiib Me imtrrc 0^a^c. tPer
l)at ftfdjt in hhfn ujidjtignt, nttCd)nl)fitkn /rage?
„3o fcnnnt olfo bcr ©tctube rom §ören, ba§ £>örcn
abev üon ber ^rfbi.9t be§ SBortcä ß^riftt."
9fii3m. 10, 17.
Öfie tt)ir in nnferer Unterfui^iunß lueiterfi^reiten unb ba5
ßeljramt ber ^irdE)e, beffen Stiftung bur(^ ß^riftn^ wir snlegt
betrautet ()aben, nun aud) in feiner iBertmiilii^ung in ber ©e-
f(^id)te in5 Singe f äffen, muffen wir bie oben aufgeftellte gtage
beantworten, ^iefe ^Beantwortung wirb un? tiefer in bie Se^
beutung unb ba0 redete 33erftänbni§ be5 !ird;lid}en Seljramtel
einfül)ren.
i. 2öa^ fagt über biefe entf(^eibenbe ^rage bie ^eilige Sd^rift
felbft, jene I)eilige llrhmbe, weldje wir mit ben ^roteftanten aU
göttU^e Duette ber Offenbarung vereljren; weld^e bie ^>ro-
teftanten fognr aU bie einzige Quelle berfetben unb aU ben au^^
fdjliepc^en ©runb ifjrer Seljre betrachten? ß^viftu^ wollte,
ba§ feine ;^eljre „allen Golfern/' „allen Stationen /' „afier Krea-
tur/' „bi^3 an§ @nbe ber Söelt" ungetrübt !unb werben follte.
^a§ ift un3weifelf)aft. ©r mu^te jur (Srrei(^ung biefer 5lbfid)t
geeignete 9)tittel anwenben, ba er felbft balb bie 2Belt t)erlaffen
wottte. 2Seld)e§ SJlittel ^at er nun na^ bem Seugniffe ber I;ei:=
ligen ©d)rift felbft gewäljlt, bamit feine M)xe allen be!annt werbe
bi^ in bie fpäteften 3al)tl;unberte , bamit fein Sid)t aüen unge^
trübt leuchte?
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^iefe5 üort eijrifiu^ getüäfilte MM fjaben wir bereite
!ennen gelernt, g^ ift bas t)on i()m eingefeMe 2el)xamt (E§> ift
ber t)onUjm ben 2lpofte(n gegebene ^efel)l: ,,Se:^ret alle Mfer ^)/'
„prebtget ba^ ©oangclinm allen (Bt\6)ö\)U\\z)" „hk^ ar\§> @nbe
ber Söelt^)." Sluöer biefem flnben rair fein anberee üon (£ljriftu^
für bie SSerbreitnng feiner Seljre exmäl)lie§> 3JJittel. ßr rebet
immer nur von ber ^rebigt feiner £el)re, um fie ju tjerbreiten,
namentlich finbet fic^ in allen feinen di^\)en unb Slnorbnungen nie
eine 5lnbeutung baüon, baß er fi($ ba^u nu(^ einer ©(^rift be=
bienen merbe. Qx Ijat felbft nur geprebigt unb nie gefc^rieben.
©r l^at ben 5(pofteln nur befoljlen ^u prebigen unb nie, feine
Sel)re nieber^ufcfireiben. Mt feine 5lpoftcl Ijaben befilialb au6)
\f)X ganges 2ehen gur Verbreitung ber ßel)re Sefu mit ^^rebi--
gen §ugebrad)t, aber nid^t alle 2lpoftel, nid^t einmal bie Wle^x^^aijl
von ibnen Ijaimi gefdjrieben. Didier Ijätten alle SSorte Qefu in
Erfüllung geljen fönncn, raenn aud) üon ben 5lpofteln !ein ein^i^
gejo 2öort niebergefd^ rieben morben märe. -
©anj fo mie fein $err unb Seljrmeifter rebet anä) ber
Slpoftel ^auluS nad) bem S^^Ö^^f^ berfelben beiligen 6(^rift
von bem Se^ramt al§ 9)iittel, moburi^ .bie Seljre 3efu au\ ber
©rbe verbreitet unb ber Glauben gegrünbet merben foll. Sßir
!önneu e§ mb$ nid)t üerfagen , aUiS ben v'ickn ^mei ,3^wgniffe
be§ lieiligen ^^aulu^ im 3itfnmmenl)ange anjufiil;ren, um un§
flar gu machen, in roeld^cr ^ebeutung er 'oa^» Se^ramtber ^irc^e
auffaßte.
SDie erfte bcle'^renbe Stelle l)ierüber finben mir im Srief
an \)k 9tömer*). ©r ftettt ^ier ben 6afe t)orau»: ,,3eber, ber
ben IRamen beS <Qerrn anruft, mirb feiig merben/' ©r meint
l^ier benfclbeu Dramen, von bem er fagt: „3m Diamcn Qefu
fo([ jebes ^nie fid) beugen im .Fimmel, auf ßrben unb unter
ber ßrbe, unb jebe Sun^e foll befennen, ba^ ber «gerr QefuS
G[)riftu§ in ber §errli($feit ©otteS beä Vaters ift-^)/' 2öie
fommon mir aber ju biefer ©rlenntniB 3efu, um il)n bergeftalt
anzubeten unb babur^ feiig gu merben? darauf gibt ber Slpoftel
eine entfdjeibenbe 5lntmort in einer ')iei()c von (Edjlugfolgerungen,
inbem er fagt: „5Bie merbon fie nun ben anrufen, an ben fie
1) maitf). 28, 11). — 2) mavi, 16, 15. — 3) matih. 26, 20.
4) dVöm. 10, 13—17. - 5) %mnvv- 2, 10 f.
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md)t glauben ? Dber tüie raerben fie an ben glauben, t)on rael^em
fie nid)t gcijört {)aben? 2Bie aber werben fie l;ören o^m einen
^rebiger? Unb rcie fönnen fie prebigen, wenn fie nii^t gefanbt
werben?" S)arau^ 5iel)t er bann hen 6d)IuB: „^o fommt alfo
ber ©laube t)oni §i)ren, ba§ §örcn aber von bcr ^^rebigt be§
2Borte§ dljrifti ^)." 3n biefer ©d^lugfolgerung ^.ängt alles feft
gufammen wie bie ©lieber einer ^ette. 21>ir l;aben Ijier
fein loögeriffene^ Söort be^5 5lpoftell üor un^ , fonbern einen
abgef^lloffenen ©ebanfen, wo ein ©lieb ba^ anbere ftü^t unh er*
Hart, ©r will \)a§> Wiid angeben, wobnri^ wir gum ©lauben
an 6l)riftUtf fommen, nad)bem er ^uerft au§gefpro($en \)at, ha^
wir nur bur^ (Eljriftu^ unb babur$, bafs wir iljn anUten, feiig
werben fönnen. Sjiefc 2lnbetung ift aber, fäljrt er fort, unmi)g=
lid) ol;ne @laube; ber ©laube unmögli^ oljue ^rebigt; bie ^re=
bigt aber unniögli^ oljue red)tmö§ige Senbnng. S^arau'S bann
bcr ©d)luf5: ^er ©laube alfo fommt t)om ^i)ren, 'tfa'^ £)ören
aber burdj bie ^Nrebigt unb §war burd) bie red^tntä^ige ^rebigt
beiS SBorte^ ^Ijrifti. ۟ flar war ber Slpoftel bariiber, bafe bag
rec^tmäBige ßcljramt baiS waljre 93tittcl gur ^egrünbung be§
wahren unb rechten ©lauben^3 fei.
5Die anbere ©teile entneljmen wir an^^ bem ^rief an bie
epl)efier. ©ie begreift faft baS gange vierte Kapitel unb erfaßt
ba§ fird;lid)e Seljramt in feiner tiefften Sebeutung 5ur ^egrnnbung
unb ©rljaltung ber Ginljeit be^ ©eifte^ in ber ^ir^e unb §ur
Stbwenbung aller Spaltungen. 2Bir wollen uerfudjen, bie ©runb=
gebanfen biefer gaug üom ©eiftc ©otteg burdjweljten Stelle fur^ wk--
bergugeben. SDer Slpoftel ermaljut 3uerft bie bortigen (^l;riften, „i^re»
Serufe^ würbig gu wanbeln," „mit aßer ©emutl) unb ©anftmutl),
mit ©ebulb cinanber in Siebe ju ertragen" unb fo „bie (Sinigfeit
beö ©eifte^ burc^ bai3 ^anb beo g-rieben§ 3U eiftalten." 2Iuf
biefe „Ginigfeit be§ ©elftes" in ber c^riftlid)cn jürc^e ift nun bcr
©ebanfe be^ 2lpoftel§ l;ier üor allem geri(^tet. S^arin fiubet er
insbefonbcve ha^ „beruf^würbige SÖanbeln" be^5 (Ei)x\]Un. Gr
beginnt bal)er fofort alle jene ©naben , wetdjc wir im ßl)riften=
tl)um empfangen unb welche biefe „(Sinigfeit bciS ©eifteö'^ he-
grünben, auf^ugälilen. „(2in Seib unb (Sin ©eift," „(gine $off'
1) Mm. 10, 13 ff.
™ 30 -
nung" imb ©in ^eruf, „ein «gerr, (Sin ©(auSe, (^ine ^aufe,
(Ein ©Ott unb ^atev oller, bec ha ift über alte unb burc^ oIIe§
iniö in nn^ allen" — ba» finb bie großen %[td, bie öro^en ©rnnb^
lagen ber dMjtit be^ ©eifie^ im (S[jnftentl)um. ^ann gel^t ber
älpoftcl ba5U über , baä Wiiid anjugeben , luoburd) unter un$
3J?en]d;en biefe (Einheit be§ ©eiftes begrünbet n)irb. (Er eiinnert
bc6l)alb baran, bafe ,,einem ^c\)en unter un§ (^nabe üerlieljen ift
mä) bem a}iaf3e, wk ^xi]tu^% fie gegeben Ijüt;" unb roelije
(^nabengaben er Ijier meint, erflärt erfofort, inbem er fortfaf)rt:
„Unb er felbft l)ai einige gu 2lpofteIn, einige aber gu ^rop!)eten,
einige ju ©oangeliften, einige aber gu §irten unb Seljrern üerorb-
uet.'' ^oierauf gibt er auc-brücflii^ bie ^e)limmiing biefer (Sin=
rid)tung, biefer Seftellung von Wirten unb £ef)rcrn an^ ©ie
foflen bienen „jur ^^oflenbung ber ^eiligen, gum S)ienft be^ Stmte^,
für bie (Srbaunng be^ Seibe^ gl)rifti, big mir alle gufammen ge=
langen §ur ©inl)eit be^ (5^iauben!3 unb ber ^rfenntnife beg 6o^ne§
©otteg." 2Bie ift ba^ 2(lleg jo erljaben, fo tief, fo göttlich ! 5Der
Slpoftel fä^rt bann fort, biefcn (^ebanfen uäljer ju beleu(^ten.
^urc§ biefe einrid;tnng, biefeg £el)r= unb |)irtenamt werben mir
innerli^ bemaljrt Dor all' hm unfeligen ©^manfungen, meieren
fonfi unfer @eift liingegeben ift , „bamit mir mä)t me^r ^inber
feien, bie §in= unb Ijerflutljcn unb von jebem Söinbe ber Seigre
um^er getrieben meiben burc^ bie ©d)alf^eit ber 3}ienf'i^en, burd)
Slrglift in Qjerfüljrung jum Srrtljum, fonbern bai3 mir 3Bal)r^eit
üben in 2kbe unh guneljmen in aKen binden in i^m, ber ba^
§aupt ift, eijriftuS; burdj meld)en ber ganje £eib ^ufammengefügt
unb üerbunben mirb unb mittelft aller Sanbe ber S)ienftleiftung
nad; ber einem jeben ©liebe gugemeffenen 2Sir!famfeit fein
^ad)Ui)mn erhält §ur Erbauung feiner felbft in Siebe/' tiefer
erl)abenen (Einl)eit beg ©eifte» in ber i^ird^e unter bem einen
^au\)ie 3[efu)S (Eljriftu^, ber felbjl alte ©lieber äufammen-
l)ält, aber nur „na(^ ber einem jeben ©liebe gugemeffenen
2Birffam!eit ," ftellt er bann baö ^ilb ber geiftigen Hneinigfeit
unb ginfterni^ jener Söelt gegenüber, meldje an biefem gbtt=
liefen ^ebtn in (Eljriftnö feinen Slntljcil Ijat, bereu 5(nl)änger
„roanbeln in ber ^itelfcit il)reö ©inne», bereu ^erftanb mit
ginfterniB oerbunfelt ift, bie entfrembet finb bem 2chm ©otte^
wegen ber Unmiffenljeit, bie in iljnen ift mcgen ber 33linbl)eit
ilires ^ergen^, bie in 35er§meiflnng fic^ ber 2Bol)lluft ergaben, un=
erfättUi^ in ^erübmu] aller UnjuditO." ^a§ ift bie 5lntn)ort
be§ f)eiliijen ^rpofteU über ba§ 9)]tttel, woburc^ (S^riftu^ bie (rin^
^ett beo ©elftem imb bie @i!enntui6 feiner roaljreu £e()re in ber
e^riften^eit erljält. ©^ ift bie J^irdje; c5 ift jene ^ird)e, bie ber
lebenbige Seib ^xi\i\ felbft ift, in roddjtv (Et)riflu^ roirft hnx^
eigene ööttlicl)e ^rnft, in roeld^er er aber nnr wirft in iinb burdj
ben DrganiÄmn^ mittetft ber 2Ibftufnng ber üerfd^iebenen ©lieber,
rceldie er in iljm ßetjrünbet Ijat. Qn biefen ^bftnfnngen unb
©liebernngen be^ geljeimnifeüoHen £'eibe5 eijrifti Q^ijöxt aber ba0
2lmt ber STpoftcI, ber £Mrtcn unh Seljrer. 2i'ie t)olI, lebenbiß
unb göttlich ift bicfe^ 3Jattel jnr (^rl)altung ber Scijre 3efu anf
(^rbeu! Me nüd;tern, arm unb leer, raenn wir biefem lebenbi^
gen Drgani§imi§ ein tobtet ^iv5) aB Wdikl ^n biefem Qxotd
entgegenfteHen !
©0 antn3ortet bie t)eilige Sdjrift felbft auf bie aufgefteHte
(Streitfrage jiDifc^en ^atl)oli!en unb ^rotcftanten. 6ie antroor=
tei m^: S^ic^t iä) hin baö von Gljriftuy gerüäblte TOttel, um
allen 3}lenfd)en jum SSefitie ber raaljren Seljre Sefu ßfirifti ju
üerljelfcn, fonbern haS» Sebrarut in ber Äirc^c ift biefe^^ TOttel.
(?!§ bleibt überaus ben!raürbig, ba^ ber ^roteftanti^muS ni^t im
©taube ift, ben erften ©ruubfa^ feinet Seljrgebäube^ , baB bie
{)eilige Schrift bie einzige üuette ber Seigre Qefu fei, au^ ber
Ijeiligen «Schrift ju beiueifen; unb baß be^ljalb biefer erfte ©runb=
fa|, auf bem alleS ruljt unb auf ''i)eM aüe§> anfommt, einen un*
lösbaren SBiberfpruc^ mit bem ganzen ^rincip bc;3 ^^roteftanti^^
mu» enthält.
2. SS>a5 fagt aber bie tird;e felbft über ba^ mitkl, U^
(li)xxfiu^ gewählt I;at, um feine £el;re allen 3}2enfc^en jngönglid)
§u mad)en.
Sßir tüüüen iljre 5tntn)ort bem i!ated)i0mu§ eutneljuien, bem
Se^rbud) für ba^ S3olf. 'Sie trägt in biefer einfad)en gorm am
©inleui^tenbften ben Gljarafter il)rer Sßa^rljeit. Tiaö) ber 2e\)xe
über bie l)eilige Sd)r[ft al^ ber einen CueHe ber Offenbarung, fäljrt
ber ^atedjiömu^ fort:
//Sft c^ 9niug, wenn wir nur ba^ glauben, was in ber
l)eiUgen ©d)rift fieljt? — 9]ein ; wir muffen ebenfo bie Grblelire
ober Ueberlieferung glauben, b. Ij. jene geoffenbarten 3öal)rl)eitcn,
1) epM. 4, 1-19.
- 32 -
löeld^e bie ^[poftel groar geprebigt, aber niä)i lüebergejd^rieben
baben. ^arum erniQl)nte ber Ijellige ^aulii^ fdjon bie erften
(Sf^riften: ,60 fielet beim feft, 53niber, uub l)altet aubenXXeber=
liefecungen, bie iljr erlernt 'i^aU, c§> fei burd; SBort ober bur(^
Sörief von nn^3'i)/' @r fäljrt fort:
„QaUn benn bie 5Ipoftel nid^t alle Seigren Qefu anfge-
fdjrieben? — SRein ; bie SIpoftel Ijaben raeber alle ^l;aten nodj
alle Seljicn 3efn anfgefi^rieben. ,3efH» l)at nod; viele anbere
3eid)en oor hzn Slugen feiner Sünger getljan, raelc^e nid;t in
biefcm^u^e gefc^rieben finb''^)/'
„2öarum Ijaben bie 2lpoftel nidjt aüe :^el)ren Qefn anfgc=
fd^ricben? — Söeil Qefn^ woHte, baJ3 feine Bkligion fid; burd)
bie ^rebigt verbreite unb fortpflanze: barum fprai^ er gn fei=
nen Slpofteln : ,^srebigt Da^3 Goangelinni atteii @efd;opfen ^y unb
,Ser eu(^ ^ijrt, ber Ijort mid;^).' S)arnm fagt anä) ber l^eilige
$aulu^: ,S)er ©laube fouimt vom 5Mjören, ba§ 2lnl)ören aber
von ber ^rebigt be» SBorte^S (Sljrifti^).' W^^mn ber §eilanb
ivoßtc, "^a^ feine £el;re blo,§ burd) 33ibcUefen fic^ verbreite xinb
erljalte, raarum fc^rieb er benn nldjt fclbft? umrum gab er feinen
^pofteln nic^t "oen 2Iuftrag jufdjreiben? roarum fd;neben fie erft
fpät unb nur gelegentUd) ? ivurum nldjt ade? nic^t einmal bie
meiften? warum Ijat er fclbft £eijrmeiftor in ber i!ird;c aufge-
fteHt^)? ivarum gebot eu nidjt, Icfeu 3U lernen? Unb wie !onn=
tenbenn, wie ber ^eilige 9 cen au^^ bezeugt, mcljrere d;riftli(5e ^öU
ferfd)aften befteljen , mcldje bie Ijciligen 6djriften nid)t einmal
befafeen?"
„'^\i eg alfo nid)t genug, ivenn mir uniS bloy an bie 33ibel
Ijalten? — 3icin; mir muffen andj bie hxtljolifdje Grblcljre an=
neljmen; benn e^ fteljt nidjt in beriBibel: erften^?, meld)ev bie
ädjten 33üd}er ber Ijeiligcn 6i^rift finb; unb jmeiten^, meld)e6
bie redjte Slu^legung berfelbcn ift; brittenS finb auc^ md;t
alle GKaubenoartifel unb 65cbote oollftänbig barin entljalten, 5. 33.
von ber giltigen 5taufe ber ^inber, von ber geiet be^5 6onn=
tagiS anstatt be^ Sabbat^^ u. f. m/'
„'^a^^ muj3 bemnac^ ber l'atljolifdje ^x\\i überljaupt glau=
hen"^, — ©r muf5 alle^ glauben, maa ©ott geoffenbart Ijat unb
1) 11. ^^cff. 2, 14. - 2) Oo^. 20, 30. - 3) maxi. 16, 15. -- 4) Su!.
10, 16. — 5) 910m. 10, 17. — 6) I. 5^ov. 12. (Jpl;. 4.
- 33 -
bie !atljoIiI($e ^ir(^e gu ßlauben DorfteEt, e§ mag baffelüe in bet
lieiligen (Sd^vift ent!)alten fein ober nid)t."
;,2ÖQrum ift e^ notljwenbig , bofe bie fat^lif($e Äir^c
un^ bie geoffeiibarten 2öal)rl)eiten Dorftelle? ~ SSeil wir mir
biird) bie !atljülif(^e ^irdje iinfet)lbar roiffen !önnen, roa^ @ott
geoffenbart l^at."
®er 9iad)brucf in bie[er SIntmort liegt gang anf bem
Söörtdjen „unfeljlbar ;" benn ha^^ ift bie groge grage, ni^t
Uo§> ob ©Ott §u ben 9}lenfd;en gefprcc^en liat, loag wir mit ben
gläubigen ^roteftanten gemeinfdjaftlidj anneljmen, fonbern ob wir
aud) ein fid;ercg, ja ein unfel)lbare^ 3Jlittel, alfo ein ni($t blo0
natürlidje^, fonbern iibernQtürlidjc§ 5IRittel l)aben, um ha^ raaS
©Ott gefpro($en liat, in erfal;ren. $Der ^atedji^mu^ fäl)rt fort:
„Söarum fönnen luir nur bur($ bie !atljolifd)e ^xx6)e un^
feljibar miffen, was> ©Ott geoffenbaret Ijat? — SBeil mir er*
ftena nur oon ber fatljolifc^en ilird^e bie 6(^rift-- unb ©rblel^re
Ijaben, loelc^e bie göttU(^en Dffenbarungen entölt, unb ixoeU
tenS burc^' fie allein ben waljren ©inn ber 6d;rift' unb ©rb?
lel)re kennen lernen i)."
„5ßarum Ijeifet ba^ firdjli(^e £el;ramt unfel;lbar? — SBeit
e5 burc^ hen ^eiftanb be^ Ijeiligen ©eifteil meber in fetner ©lau*
ben^^ nodö <Sittenlel)re irren !ann."
„^on mem Ijabeu mir bie SSerfidjerung , ba& ba§ !ir(^li4e
£el)ramt nid)t irren !ann? — ^on (El)riftu^ felbft, ber unS bie
breifa^e ^erljei^ung gegeben Ijat: erften», bafe ;,er bei il^m
(bem £el)ramte) fein merbe alle ^agc bis an'^^ (^nhe berSßelt^);"
gm ei teil», ha^ „ber ©eift ber 2öal)rljeit bei bemfelben bleiben
merbe in @n)ig!eit ^j /' brittenS, bafi „bie ^ird)e niemals von
ber §ölle überioäüiget merben mirb^)." 2Ber bemna(^ beljauptct,
bie !atl)olifd)e Äird)e fei im ^serlaufe ber Seit in S^^t^^m ver*
fallen, ber läftert ©ott, als Ijabe er gegen feine auSbrüdlid^e
^erljeigung gugelaffen, baB bie .^ird^e oom ©eifte ber ßüge unb
fomit von ber §ölle überroältiget mürbe."
„5öie mirb bie ^ird^e tljrer Unfel)lbar!eit megen t)om i)^U
ligen ^auluS genannt? — ©ie mirb „bie ©äule unb ©runboefte
ber SSai^rl^eit^)'' genannt '5)/'
]) iTatf)oI{fd}cu Ji^atec^iSmug füv bas 33i§t^um SDidnj, ©. 52—54. —
2) maiü). 28, 20. — 3) ^o^. 14, 10. 17. — 4) 2)iatt^. 16, 18. —
5) 1. 2:imot^. 3, 15. — 6) 21. a. D. ©. 92 f.
». bettele V, ba3 ciügemciuc eoncit. 3
- 34 -
„^lU'f aljo SRiemanb bie <B6)xi't ober (^rble[;re bem Sinne
ber !at!^o(if(f)en ^irc^e 5un)iber auSleöen? — 9Mn; benn ba^
l)ie6e Schrift nnb ©rbtebre befier r)erfte{)en rooHen , aU ber l)eu
Hge ®eift, roeldier bie ^irc|e in ben raa^ren Sinn berfelben
einführt"
,,Qft aber hu IjeiUge Schrift nic^t tiax unb für Qebermann
Derftänblicl^ ? — SRein; benn bie l^eilige Schrift ift ein öottlic^eg
nnb c^elieimni^üotte^ 8u<^, „raorin mancl)e§ fd^irer gu oerfteljen
ift, raelcije^ imgeletirte unb Iei($tfinnige 3)tenfc^en ju il^rem eigenen
^erberben miöbeuten ^)/'
„3Bag l^at bie Äird)e über ha§> 33ibeIIefen in ber 3SoI!§=
fpradje x)erorbnet? — (£*rften^, bQ§ man bie ba§u nötljige ^enntni§
unb grömmigfeit befil5en foll ; ^lueitenö, h(i\} bie Heberfe^ung mit
Ürd^lid^er ©utljeiBung unb mit bemä^rten Erläuterungen Der-
feigen fein foff. ^urci) biefc meife SInorbnung mill bie ^irc^e
ben ©laubigen ^v>ite^ Sßort MueemegS t)orentl)aIten, ba fie uid)tÖ
felinlic^er münKbt, a^3 ha^ aKe baffclbe raiffen unb be!)eräigen;
i()re ^Äh\iä:)t ift nur, fie uor uerfälfi^ten Bibeln, bie oft llnraiffen-
hm abfiditlic^ angeboten roerben , unb i?or irriger Sluslegnng,
vox Secten unh Spaltungen ^u bemaljren^)/'
So beleljrt ber t'at^olifi^e j^atei^i^mu^ ba^ !atl)olifc^e §8ol!
über bie beiben Quellen, an^$ benen wir bie Se^re S^f« f^^öpfen,
unb über bie Stellung be^ Hrd)lic^en :^ebramte'S gu benfelben.
SBir xooUm fein Söort beifügen, ba [)ier a(Ie§ fo !(ar, fo ein=
^aä) , fo folgerichtig ''ift , bafe eine ©rüärung nur hen ^n^aii
ntxhunMn !cnute.
3. 9Bir muffen aber aud) unfere ^^ernunft über unferc
Streitfrage bc^üglid) bc5 WitUU , um ^um ^e[\^ ber n)al)ren
Seigre Qeju 5U kommen, befragen. 2luc^ fie bc^,eugt, bag raenn
^§> einmal (5)ottc^^ S[ßiüe luar, fid) ben Wlm^d)en auf übernatür-
lidje Söeife §u offenbaren, alfo anber^ unb »oüfommener aU
bur^ bie ^^ernunft allein, ein üielbeutige^ 33ud^ unmöglid^ Präger
biefer Offenbarung fein fann. ^a§ an^uncljmen , ift in ooHem
SBiberfprU!^ mit bem aKein benfbaren Qwcd einer fold;en Dffen=
barung 3).
1) 9. ^et. 3, 16. — 2) 2(. a. D. 'S. 54 f.
3) e. 3J?ürjIcr'ä @i?nöoü( §. 36: „©fflcnfä^c in bcv £e^rc
t)on ber i^trctic," mo Hefe ©ebanfen roeltcr entiinc!ett finb. 3Ctte unfere :2efer,
- 35 -
S)ie öläubtöen ^votefianten nnb lüiv 5!at^oli!en finb barin
einig, bag bie ^eilige 6$nft (Sottet SSort ift , ©ottes; iintrüg=
lid^el 3öort. S)ie tieilige 6cf)rift ift alfo an fic^ irrt^umslol roie
©Ott felbft. ^abur(^ aber finb roir nicfit irrt^um^frei. S)a§
raerben wir erft, raenn roir \>a§> irrt!)um^lofe SBort @otte§ auc6
unr)erfälfd)t unb rein, o^ne ^eimi|(Jmtg üon Qrrttiümern, in unS
aufnel)men. ^efi^en rair nun ein folciie^ 9Jlittel , um ha^ irr^
t^umelofe 5öort ©otte§ aud^ irrtljum^lo^ in unferen ©eift auf^^
gun«^men? S)a§ ift bie entfd^eibenbe grage; benn roa§ nü^t
mir perfönli(^ alle Offenbarung, menn iä) fein unfe^ilbarejS
3Äittel l^abe, fte mir anzueignen? menn iä) e§ nur mit bem
graeifel befi^en fann, ob i($ e§ auc^ rein, lauter unb malir in
meiner @eele trage?
2öie lautet nun bie 2tntioort auf biefe entf(^eibenbe grage?
«Sie lautet: 3a, wenn mir ein göttlid^e^, unfel)lbare!§ Sel^r-
amt l)aben, mie bie fatbolifd^e ^ird)e le^rt; fie lautet: 9^ ein,
xotnn mir bie ^eilige ©d^rift allein befi^en, mie bie ^roteftanten
bel)aupten.
5Die l)eilige 6c^rift allein ol^ne untrügli^e ©rllärung ilireS
3nl)altea ift offenbar Im Tlittd, um über il)ren Sn^alt mit
2lu§fc^lu6 jeben 3^ßif^i^ o^^roi^ 5U merben. 6ie ift gunäc^ft ein
ftumme§ nrto tobtel 33ud^, Rapier unb gebrudte ^u^\tahen, bie
erft @eift unb Zehen bekommen burd^ bie Deutung, bie unfer
©eift i^nen gibt. SBenn nun mein @eift bej biefer Deutung ganj
auf fid^ angeroiefen ift, mie lann biefer bem ^rrt^um untermor-
fene ©eift mir bie oolle ©eroiBljcit bieten, bafe er fid^ bei 5Deut=
ung ber Söorte ber ©d^rift nic^t irrt, bag er bie unfel^I-
bare 2öal)r]^eit auc^ mir unfel)l6ar barfteHt? Hnmöglid^I ©in
bem S^rttjum unterroorfencr ©eift fann nimmermel)r ein irr^
tl)um§lofer 5(u^5leger be^ QuljalteS ber gött(id)en Offenbarung
fein, hiergegen finb nur viex 3lugf(üd)te möglid^. (^ntmeber
bie 5D^öl^ler'§ 6bjnBo(i! nicBt fcnnen, möd^ten wir rcd^t bringenb Bitten,
biefe§ in feiner 5{rt einzige ^Buclj gu Icfcn, \a ^u ftubiren. SBir !önnen nur
mit 2)an!bQrfeit baran benfen, iraä ioir bie[em Suc^e, n)e(cf)eS nix bei feinem
erften ©rfd^einen roiebcrl^olt pelcfen ^a&cn, ccrbanfen. SJJic^t nur XJ^cotogen,
fonbern aKe, h?elrf)c tiefer cirtbringen Wolkn in ba§ SBerftänbni^ ber ©egen*
fä^e 3it)ifc^en Äatt^olüen unb ^roteftanten, foUten ftc^ mit bem ^n^alU be3*
felben genau belannt mad^en.
3*
~ 36 -
mau Tuug Qunel)inen, 't^a^ @ott ben irrtl^um^fäljigen ©eift be» (Sin-
§elnen bei biefem (^e|d)äfte ber Slu^^legung ber l^etiigeu 6i.^nft üor
Sri'tijum hmal)xt 5Dann nimmt man aber saljttofe SBuuber an, um
einem Söunber, uämlid; ber göttUdjeu Seituug be^ Seljramte^
ber c^ir(5e ju entgeljcn. ^Danu müßten ferner audj alle SDknfc^en
in ber Siusleguni] be§ 3Sortei3 @otte^ übereinftimiuen, raeil ja berfelbe
Qöttlidje @eift allen bafjelbc faßen müßte, mae offenbar nid)t
ber gall ift. — Ober man muß anneljmen, baß bie Ijeiligc 6c5rift
fo flar fei, 'aa^ fic unmotjUd; auber^ aU bem einen ridiUgen
6inne nad) oerftanbeu merben fönne; n)a§ ebenfo in 2öiberfprud)
mit ber äT^rfUdjfeit \id)t unb im Slngefii^t ber saljUofen uor^an=
benen ^Spaltungen über biefcn einen ri^tigen 6inn fein üernünf=
tiger Menfd; betjaupten fann. ~ Ober man muß fi(^ inconfequent
werben unb, nac^bem man unter mn ^ormaube, ha^ bie lieilige
©d)rift bie einzige ClueHe beg ©laubenl fei, ha^ Se^ramt ber
Äirc^e geleugnet i)at, nun bodj mieber dn Seljramt mit ©pmbolen
unb 33e!euntnißfdjriften neben ber l)eiligeu Bä)xi\t gu §ilfe neh-
men, um fid) gegen bie miüfüilic^en Deutungen berfelbeu gu
wehren, ^^a^o ift bie große Qnconfequeng be^ gläubigen ^rote=
ftanti^mu». — Ober cublidj man muß barau wer^iueifeln, ha§> un^
trüglic^e 2öort ©otte)3 fid) in einer untrüglichen SBeife aneignen
gu t'önnen. ®amit ift aber ber allein benfbare Qmed ber Offene
barung aufgegeben. ®enn ma^ faun e^ mir nii^en, mmn gmar (SJott
gu ben SReufdjen gefpro(^en Ijat, um fie x)om ä^^^^f^^ ä^t befreien
unb i^nen bie ©emißljeit ber äöaljrljeit gu geben, wenn meine
6eele aber fein Wättd befi^t, um mir biefe 2öal)rl)eit an-
jueignen, nnh wenn fie beßbalb üerurtbeilt ift, trog bem
6pre(^en @otte» , im 3^^^^^^ / biefer tiefftcn Oual ber 6eele,
fortzuleben.
2Öir mollen baffelbe von einer anbereu 6eile betrad^-
ten , um nod^ tiefer in ba^ ^erftdubniß ber 2Bal)rl)eit ein=
anbringen, baß bie l;eilige 6d^rift allein üon einem meifen ©otte
uid)t gum Vermittler ber göttlid^en Offenbarung beftimmt fein
fonnte.
@ott Ijat fein uuenblii^e^ 3Sefen in breifadjer SSeife ben
3)len]d)en gu erfennen gegeben. (Srften^ burd^ bie fid;tbare
Söelt. 3n biefer §infi^t fagt ber Slpoftel ^ au lug: „5Da§ lln=
fid)tbare an if)m ift feit ©rfc^affuug ber SBclt in ben erfd^affenen
fingen erfennbar unb fid)tbar, nämlic^ feine emige ^raft imb
^- 37 -
©ottfteit*)." 3meitcn^ l^at (l)Ott fid) beit 9JJerif$en offenbart
in übernatürlid}er Söeife. ®a^ ift jene Dffenbarunß, n)eld)e
ber 5(pofteI $aulu§ be^eidjnet al0 ,,©ott rebenb in nnfereu
Spätem in ben $roplieten, ^wT^ffet in biefen Zagten burd^ feinen
6o^n2)/' ©ublid; brittenö offenbart fid) ©ott in un§, in nn^
ferem ©eifte , bnrc§ bie natürlid^en gälji gleiten nnferer @ee(e,
hnxä) ba§ ©eiüiffen, bie ^ernnnft. ^iefe innere Dffenbarnng
©otte§ I)at aber eine boppelte 5lnfgabe: fie ift erften^ eine
xoa\)xe Offenbarung in un^, ein S^wgnifi nnferer ©eele für ®ott;
fie ift §raeiten§ ba» Organ, 't}a§> SSerfjeng , rcobnrd; rair bie
ändere, natürliche wie übernatüvlidje Offenbarung ©otte0 in un§
anfneljnien. Sind) 'ük übernatürlidje Offenbarung, au^ bie 6tintnie
©otte», hie un§> anrebet, t)at feinen anberen Sßeg jur ©eele, aU
bie SSernunft be^ 9}^enf(^en. ©o ^at (^Sott e§ eingerichtet; an
biefeg ©efeg I)at er fic^ fclbft gebunben. ^aburc^ entfte^t nun bie
große €djiüierig!eit für bie untrüglii^e 2IufnaI)me einer gött=
lidjen Offenbarung, ^icfe» Organ, biefe^ SSerf^eug, n)eld)e$ bie
äußere Offenbarung aufnimmt unb nnferer ©eele vermittelt, nn-
ferer ©eete zuträgt, ift nid)t unfelilbar, untrüglich, fonbern viel-
me!)r in I}ot)em ©rabe bem 3^^if^^ ^^^"^ "^^^ Srrt^um au^gefe^t,
namentlid) in ben |öd6ften unb tiefften gragen ber Seele.
®a§ ift ber S^^ft^^^^ nnferer 6eele , ber S^ftc^nb , in roel=
6)zm wir nn§> befinben, menn ©ott fic^ unB offenbart. SDenfen
wir nun wieber an bie aufgefteUte ?^rage, um fie Ijier im tiefften
©runbe nnferer ©eele ^u entfd^eiben. 2öir I)aben gefragt: 2ßie
gelangt ber 9J^enfd) 5um ungetrübten ^efig ber Scljre Qefu?
^er ^roteftant fagt : ®ur(5 bie 5^orf(^ung in ber lieiligen @d;rift ;
ber ^at^olü: ^nxä) ba§ unfehlbare Seljramt ber ^iri^e unb bie
innere ©nabe. 2Ber fyxt 3lcd;t ? Söclc^e 2(ntwort fann ber ©eele
©eroiBljeit bringen über ben 33efi§ ber geoffenbarten Sßal)rl)eit?
Offenbar nidjt W proteftantifdje 5lntwort. ^\n fel)lbare§
Organ !ann o^ne §ilfe nid)t ba^ 3Jiittel fein , um etma^
an fic^ Unfel)lbare§ , an ft($ SSoHfommeneg, in bemfelben S^ftfinb
gu vermitteln. '^Sla^en wir un^ bie <Baä)e burd; einige Sei=
fpiele !lar.
>[)en!en wir unio ben Sf^otenteyt tine^ überaus Dollfommenen
^Conftüdes. Wla^ bie Harmonie, bie in biefen ^Rotenjeid^en angc*
1) mm. 1, 20. — 3) §ebr. 1,
- 3Ö -
beutet ifl, an [\ä) no^ fo tJoHenbet unb Ijerrlid^ fein, wenn unS
nur ein fi^le^teö, fel^lerl^afte^ Qnftrument gur SSerfüguug fie^t,
fo wirb e^ nie gelingen, biefelBe rein nnb in i^rer gangen 6d)öns
l^eit gut ^arftettnng gu bringen. 2öet nun hk ^öne i)'6xi, bie
baS falfc^e Snftrument ^ert)orbringt , tuirb nimmermehr ein 35er-
pänbnig erlangen oon ber @rl)a6enl)eit be^ 3Jlufi!ftücfe§, raeld^e^
in ben 3^oten entljalten ift. (^an^ baffelbe gilt oon ber Deutung
ber l^eiligen S^rift nad^ ber Seljre be§ $roteftanti§mu§. Qfn
einem ä^n[icf)en ^er^ältnig wie bie 9Joten gur 3}^eiobie, ftel)en
bie gebrucften SBorte gu bem geiftigen, göttli(^en Qn^alt ber ^ei-
ligen ©4rift. ^^enn nun ber 3}ien|c^ nur ein fd)raad)eg, bem
Srrtl^um untermorfene^ Qnftrument befigt, um biefen göttlichen
3nl^alt gu erl)eben, fo ift ba^, wa§> er gerainnt, fo roenig baffelbe,
n)a§ in jenen SBorten liegt, al§ bie ^öne beg fd)led;ten Qnftrus
mente§ pfammenfallen mit ber Harmonie, bie in htn 3^oten
entljalten ift. "^ex confequente ^roteftant l)at alfo feine ©ett)i6=
l^eit bafür, bafe feine Slnfic^t ron bem c^riftlidjen ©lauben mit
ber £el)re Qefu gufammenfäHt, unb fann fie nic^t l)aben.
3^oc^ ein anbere^ ^eifptel, meli^e^ ber geiftigen ^l)ätig!eit
ber ©eele nal)e fte^t, meil eg 'oa^ natnrlidie S3ilb beS geiftigen
(5r!ennen^ ift, nämlii^ bie ©e^lraft unfere^ 2luge0. Sie rul}t auf
ä^nli(^en @efe|en wie ha^ Seijen unfere0 ©eifte;^. Mac^ es no4
fo mele rt<^tbare ^inge geben, fie finb jebem t)on u n § nur fii^ts
bar burd^ unfer 5luge, wie ai\6) bie geiftigen 5Dtnge unä
nur fi(^tbar finb burd^ unfere Vernunft, ©iefe bem 2luge felbjl
an^aftenbe eigene ©eblraft !ann aber auc^ pcrme^rt werben,
fo ba§ ba^ ^uge nn ^öljere^ Seljüermögen erl)ält, al^ e^, auf
fi($ angewiefen, beft^t; e§> fann burd) gnflrumente weit über
feine natürlid^en Gräfte \)\mu§> rerf^ärft werben. So j. ^. ift
ba§ unbewaffnete Sluge aü^^u fd&wa^, um bie ^eobafttungen am
geftirnten Himmelsgewölbe mit ber Sid^erlieit anjuftellen, weldje
erforbert ift, um ein Softem t)on @efe(3en für bie ^Bewegung ber
iQimmelSförper , worin eben bie 2Biffenfd;aft ber Sternfnnbe he-
fte^t, aufjuftellen unb §u üert^eibigen. 3n ber ^^at üer=
ban!t ja bie Slftronomie 'ocn größten STlieil il)reS Ijeutigen
gortfc^ritteS ben Derbefferten Qnftrumenten. Sol^e 3)littel,
bie Sel)!raft gu erl)5l)en, finb jwar an fid) natürlid)e SJlittel,
bem 5luge gegenüber finb fie aber cUva^ 2lel)nli(^eS , wie bie
übernatürlichen ©rfenntnifemittel, woburi^ ber ©eift be§ 3}ienf(Jen
- 39 -
über feine natürlii^en 5!räfte erhoben wirb, ber ^^ernunft gegen*
über. S)a§ Sfuge bleibt aber immer für beu 3)knfcöen baS
Organ aUe^ 6e(;en§, roenn t^ aud) bur(^ fofd^c dJliüd Derf^ctrft
Würben ift. Söenn befe^alb ba§ Slucje felbft fc^abljaft ift, fo be^
!ommt ber 93^enf<^ nie ein objectio ric^tige^ 53ilb uon ben fid^tbaren
^Dingen. <So ift e§ aud) mit ber Offenbarung xmb bem Reifte ber
9J?enf$en. D^ne aüen ^^^^^^f^^ ift ^^^ ^eilige @(^rift ©otteö Söort,
o^ne allen ,3"^^^^^ ^ft 'i>kk^ ?ßort eroig roal^r unb unfehlbar.
§at aber ber 93ienf(^, um biefe gottli(J)e 3Sa()rljeit innerli^ ju
fc^anen unb fi^ babufrf) anzueignen, km anbcre§ Wliitd, aU biefeS
fd)tt)ad)e 5Iuge ber 5>ernunft, bann muft er immer in 3^^if^^
bleiben, bann fanu er nie (^eioif^beit l)aDen, bag ha^, v)a^ er
innerlich fd)aut, mit ber göttlid)en Söaljrbeit übereinftimmt. 3öir
n)ieberl)olen : ^er ^^rotcftant muf5 emig gmeifeln, wenn er con=
fequent fein miOf.
20ie gan§ anber^, wenn mir biefvi^age, mie ber 3}Jenfd^ jum
nntrfigli(^en ^efi^ ber ßelire 3^fH gelangt, mä) ber fat^olif(^en
Sel)re beantworten. 6ie fagt un^ , baö jum ^ianUn erftenS
bie innere @nabe , ^weitene eine nntrüglid; ri(^tige äußere
$DarfteIIung ber ©fauben^wabrlieit erforbert wirb. Qene foll bie
'Vernunft erften» v>on i^rer (5d)wäd)e befreien, 5weiten§ i§re
(^rfenntni^fraft in übernatürlicher SSeife erljeben unb erleuchten
jur Slufna^me üöernatürli(^er 3öaörl)eiten. So wirb bie Ver-
nunft geeignet^ ein ^nftrument für has> Sßort ©ottel p fein; fo
ift fie befä()igt, ba§ wag i^r aufaerlid) geboten wirb, innerlich rein
unb unoerfälf($t bar^uftellen. Slber ha§ genügt no($ nicl^t allein,
um bie Seiire Qefu untrüglich §u befugen. DRad^bem burd) bie
®nabe bie Seele 5ur iunerli^en 5lufnabme ber 9öal)rl)eit befdl)igt
ift, muB aiiä) ie^t bie M)re 3efu in ooRer Skinl^eit, wie fie
3efng felbft gelel)rt l)at, bem ^iluge ber Seele Dorgeljalten
werben, ©a^ aber gef(^iel)t buri^ 'oa§> unfel)lbare Sel)ramt. 2luf
biefem 2öege fann bie Seele oon allem ^mex\d befreit werben
unb §um froren , glüclfeligen C^Jlauben, ^um truglofen 53efi^ ber
M)re 3efu gelangen.
SDa^ antwortet bie SSernunft. Sie fann mä nic^t a priori
fagen, ba^ @ott fi(^ geoffenbart Ijat ©a^ fann fie nur al§ eine
^l)atfa(^e erfaffen unb au^erbem bie 9]üfoüi^feit, 3)l5gli(^!eit, ge-
wiffermafeen bie DIotljwenbigfeit ber Offenbarung naÄweifen; fie
!ann un^ aber fagen, bafe" wenn \\ä) (55ott geoffenbaret l)at, um
- 40 "-
bic 9)lenf(^ett t)om 3rrt!)UTiie gu befreien, er ii)mn. auä) ein fic^ereS
WiiUl geben mu^te, bie Dffenbarung irrtl^umsfrei pnben §u
fönnen; fte fann \m§> fagen, bo^ bie SInnciljme be^ ©egent^ieil^,
ba^ bie Offenbarung ©otteS o'&ne ein fol(i)e§ 93httet, ein SÖiber-
fpru(5 gegen bie SSei^tjeit @otte§ wäre; [ie fann nn0 enbli^
fagen, ba§ nur ba^ 3}iittel, weldje^ bie fatljolifdje ^ir(^e gu be-
fi^en bel^auptet, raa^rljaft beut graede ber Offenbarung, bem 3u::
ftanbe ber 6eele unb bem ^ebürfniffe ber 3)^enf(^!)eit enlfpridjt.
4. 2Ba0 fagt enbM) bie ©rfalf)rung ber legten brei Qal^r^
l^unberte fiber unfere grage? 2öa5 l)at bie SSernunft ol)ne
£ei)rautorität aib^ ber ^eiligen 6($rift unb i^rem gcttlid^en Sn^^
l)alte gema(^t? |iat fte biefelbe treu aU ©otte^ Söort beroal)rt?
Sft bie I;eilige ©(^rift, nur it)r überlaffen, ein Wttel geworben,
um bie 2lbfi(^t Qefu, 'oa^ aEe 3]ölfer unb alle @ef(5le(^ter bie
£el)re Qefu ungetrübt f ernten lernen foUten, ju erreichen, um
aHe 9Jlenfc^en in ber @inl)eit biefe^ glüdfeligen Glaubens gu üer^
einigen? Söenn je eine ^l)atfac^e burd^ bie (Sreigniffe ber ©e^
f(^i($te feftgeftettt roorben ift, fo ift e^ bie, bafs biefe beiben Qmde
bur(^ bie Seigre be^ ^roteftanti^mu^ nid;t erreidjt tt)orben finb.
^ie fti^ felbft überlaffene 35ernunft 1)ai bie göttli^en Ur^
funben be§ (i^ljriftent^umg mh il;ren Qn^alt nidjt treu bemalirt
unb ni$t von ©efd^lec^t gu ©efd)lee^t U^ gottlid;e 2lnfel)en biefer
^ü^er unb il)ren gottlit^en 3nl)alt allen Golfern gugetragen, fie
l^at e§ melmeljr ebenfo gemacht, lüie mit ben natürlid;en t)on
©Ott i^r anoertrauten 2öal;rl)eiten. Sie !)at biefe§ göttliche
(Srbc ni$t bem 3]^enfdjengef($le(^te erl^alten , fonbern mal)rl)aft
tjcrf^menbet. 3n raeld^em 3uftanbe befomnten jc^t bie Wlen\^en,
unfere geitgenoffen, unfere 9lad)fommen biefe§ göttlidje (^rbe ! ^^om
3n)eifel innerlid^ unb au^erlii^ angenagt unb scrfreffen, unfähig,
einen großen, meltüberrainbenben, feften ©laubcn in hm Seelen ber
mcn\^tn SU begrfinben. Mn ^ä), \a feine Seite ja faft feilten mdy^
^iabzn "i^at bie gmeifelnbe ^ritif unr)erfel)rt gelaffen. ^a<% gilt nod)
me^r üon ; bem 3nl)alte. ^eine £el)re ift oerfi^ont geblieben, guerft
Ijat man unterfd)ieben groifdjen mefentlic^en unb unroefentlidjen Sei;--
ren unb bamit einen beliebigen ^Ijeil befeitigt ; bann Ijatman untcr=
fdjieben gmif^en ber Se^re ber erften unb ber fpäteren 3al^r=
l^unberte unb bamit abermals gang nad) 2öillfür entfernt, ma§
man wollte ; enblid) i(l man in^ ittnerfte $eiligtl)um be^ eijriften=
t^um0 eingebrungen unb l)at felbft bie ©ottljeit ^xi\n unb bie
_ 41 "
©ettltd)feit feinet Söortc^ mit frecher mitjeilitjer §aub nnßefaftcf;
jn, rüa§> baö ©ntfepi^fte ift, bur($ biefe l^eiliöe €djrift oI}ne Seljt^
nutorilät ift c§ baljin öcfommcn, baf3 ade M)xm, tucldje tiac^
ber ^arfteHun^ be§ (jeiliijen 2lpofteI^5 So^anne^^) gerabe baS
2öe[en be§ 3lntic[)riftentf)um^ au^mac^en, jcljt unter beut @($eine bc§
fSljnftcnlljUTnel cuf treten. 51lle^, ma^je berSüöcngeift ^um tanipf
gegen ba§ $Reid) ©otte§ auf ©rben au^gefprodjen l}at, wirb je^t
([\i§> ber (jeilicjen 6djrift, bie ber 3öil(!ür, ber fubjectit)cn S)cutung
fd^ul5lü^ übergeben ift, unter bem Bäjme be^ SBorte» ©otteS
felbft geleljvt. Qn biefem guftanbe befinbet fic^ bie gotttidje llr=
!unbe be§ (E^riftum^. <^o innerlich unb äußerlich gerriffen, ent-
ftellt, foH \ie in bem ^er^en ber Ijeranmad^fenben Generationen jenen
d}rift(idjen ©tauben grünben, ber bie 2[öelt umgeftaltet. D (Sott,
xük wäre bog möglid)! SSenn e^ fein anbere^ SJ^ittel für ba§
©t)riftent!)U]n gäbe alg biefeS, bann wäre e» mit bem (EIjriften=
tljum unb mit ber Seljre Qefu gu ©nbe. ^er meltüberminbenbe
©laube, biefer Gbriftenglaube , ber mit greube für feine lieber^
geugung in bcn Sob gebt, fann nidjt in ben ^ergen gepflanzt
merben, mit biefem an fid) fo t)od)f)eiIigen ^U(^e, ba§ aber biy
pm legten ©ebanfen r>om ä^ö^if^^t angenagt unb angefreffen gu
bem ^erjen be^ ^olfe§ unb vox allem ber Qugenb gelangt.
S)ie ftdj felbft überlaffene 55ernunft ala ^Trägerin ber ^ei-
ligen B^xilt l)at ebenfo menig, mie fie bie llrfuuben felbft treu
bemaljren fonnte, ha^ anbere Qld ber ©rlofung, bie ^Bereinigung unb
5.'erbinbung ber 3)Ienf4en gu erreidjen üermo^t. ^\u6) ba^ befunben
bie 3uftänbe unfcrcr Q^\t ^er ^roteftanti^mu^ fjai feine ßinljeit, fo
meit fie nodj beftcljt, nid)t,mie e^fein fottte,bcr innernUebereinftimm=
ung in ben ^IBaljrljeiten bog d;riftlic^en Glaubend, fonbern ben l)iftori=
f^en SScrbänbeu, bie nod) geblieben finb, unb namentlid} bem barauS
noc^ fortbefte^enben ftaatli($en (^influffe. 5u ucrbanfen. 2öo bie=
fer megfällt, mirb ba^3 SSort öotte§ nid;t meljr ein ^iubemittel,
fonbern ein 3}^ittel enblofer 3erfplittcruug, mie ba^ bie saljdofeu
Beeten, bie allein in 2lmerifa bcfte^cn, funbgeben.
©0 bcftätigt alfo and) bie ßrfa^rung ber Icl^^ten breiljunbert
3alf)re in iljren belTagen^inertljen $)lefultaten , bafs bie Ijeilige
S^rift allein unb ol)ne Sel)rautorität nid;t ba§ 9Jlittel fein fann,
um untrüglid) unb gemig gum 53eft^e ber maljren Seljre Q e f u unb ber
üon il)m ben 9}?enfd)en bargebotenen .<geil^?mal;rl)eiten ^u gelangen.
1) 1. ^c^. -2, 22; 4, 3; II. ^of). 7.
Y.
Daß fflirontt htt ^nö^t in htx npopolirciifn Mi ml tit kn
folgctibrtt 3ttl)rl)un5ntfn.
„5(Is biefe nun bem §errn ben T^ciltgen ^ienfl bcv--
rid)teten unb fafteten/f|)rad) ber Ijctlige @eift ju i^nen :
@onbert mir ab ben ©aulu§ unb SBarnabas
§u bem äBerff, n^o§u i*fte aufgenommen ßabe. 2Uö-
bann fafteten unb beteten fie unb legten il^nen bte
^änbe auf unb liefen fte giel^en. 55)iefe nun au^-.
gefanbt "ocm heiligen ©eifte, sogen nac^ ©eleucia."
9l^oftelgefd;. 13, 2 ff.
Wiix fy\bm hie ©infe^ttng ettieS Seljvaniteg biird^ ©^riftu^
heixadjkt. @§ mav bie le|te X\)at ^eim^ ^ertüeiten^ auf ^rben,
weil e^ ba§ 3}tittel fein follte, um feine Seigre Bis an baS (Snbe
ber Sßelt allen 33öl!ern ungetrübt gu erhalten. 2Bir liaben bann
3ur notieren ^egrünbung unb (^inft($t in biefe ^Beranftaltuuß Qefu
gefeljen, ha^ bie l)eilige Urfunbe ber ^!)riften|eit, bie l^eiliae
6(^rift atfein, mä)t, rok hie ^roteftanten lel)ven, ein für biefen Qxücd
geeigneteig SOlittel fein !onnte. 2öir muffen ie|t betracfjten, wie
fic^ biefe ©inrid)tunß ß^rifti in ben erften ^eiUn be« ©firiften-
t()umS t)ern)ir!(i(^t ftat. ^ie SBorte Qefu maren ein ©enfförnlein,
ba§ er auÄfäete unb mcl^e^ luai^fen foff. ^a§ äöa^fen biefeS
©enfförn(ein<o ber (Sinfe^unö^iuorte bei ßetiramte^ muffen
wir fe^t prüfen, namentlich mie gleid) im 5Infange in ber apofto=
lifd^en geit unb ben erften 3nt)rl)uuberten ba5 lebenbige ^erou^t^
fein üor^anben mar, bag ine Setjre Sefu huxö) bie im 5luftrag
unb in ber ^^ottm.a^t Qe\u geübte ^rebitjt fi(^ in ber ganzen
2öelt verbreiten follte.
1 . ^iefel ^emuf3tfein erfüllte gan^ bie Slpoftel , mie uujS
bie 2(poftelgefd)ic!)te erjäljlt. 3l)r gan^e^ 2öir!en beraeift, ba^ fte
von ber Uebergeugung burdjbrungen maren , mit ber göttlirf^en
©enbung beauftragt ju fein, bie Seljre ^e'ju aUen 3}?enfd^en
^ 43 -
tuxä) ^Prcbiijt ju t)er!ünbeit. ^a^5 nerljältnifeniöfeig 2Benti3e, tüwS
©inige von i^nen fc^vieben, war nur ein 2(ct ber Hebung i^reS
^rebigtamte^. ^ie ^rebtLjt ift iljr götÜic^esJ Slmt , ba§ 5Rieber^
fd^reiben einicjer :2e^ren nur eine befonbere §Irt unb SBeife, i()r
^rebigtamt ju üben. ^a§> war in ber apoftolifd)en 3^^^ , ba0
ift noci) ^eute \>a^ 3Serf)ältni§ ber f)etiigen ©^rift gum Sebramte
ber tir«^e. ^a§ ^e^ramt ift gleii) einem (ebenbigen Strome ber
geoffenbarten 2öa()rl)eit, ber feinen Sauf nimmt Don ben 2ßorten
Sefu: „ßefiret/' „prebiget" „bi^ an ba§ (gnbe berSBelt!" unb
üon ber ©egemoart 3efu mit) ber ^raft be§ l^eiiigen ©eifteS
getragen, fid^ burrf) alk ^riftlidjen geilen ergießt. £ie i)^U
lige €c^rift bagegen geprt in biefe^ Seljramt aU ein mcfent^
lid)er ^eftanbtf)eil beffclben, weldjer non biefcm lebenbigen
©trome nie getrennt werben barf.
2ll5 Slpoftel, ©enbboten, TOffionäre felien mir jene 9}Mnner
t)on ^fjriftu^ berufen, bie iljm für biefen Qvoed bienen föHten *). ^ÄU
2(poftel, ^rebiger treten fie nuf, na^bem fie »om Ijeiligen ©eifte gnr
S>ollbringung ibref^ ^rebigeramtc^ geftärft morben waren -). @leic^
am ^spngfttage tritt "»^'etmio mit hen ©rftlingen bei ürctilidjen
^^rebigovamteg auf, Me jene S^riften, weldje bie erfte (^riftlidje
©emeinbe in Serufalem bilbeten unb ba§ ^orbilb aller d^riftlic^en
©emelnben geworben finb, fie fiub ber Seiire 3e(n gewonnen
bur(^ ba^ ^rebigeramt, lange beüor ein ein^ige^ äöort ber l)eiligen
6(^rift be^ neuen ^nnbe^ niebergef(|rieben war. i^or ©erid)t
geftellt ]inb befragt: ,,^aben wir eu6) nic^t ftrenge geboten, nic^t
meljr ju teljren in biefem Slawen? Unb fiebe, iljr i^abt 3eru?alem
angefüllt mit eurer Se^re unb wollet ha§> ^tut bie(e§ 9}^enf(^en
über nM bringen'' — antworteten ^etru§ unb bie Slpoftel im
53ewuf;tfein il)rer göttlidben 6enbung: „Man muB t^)Ott met)r
geljori^en aU ben ^13Zenf^en. ©er Ö)ott unferer SSäter ftatS^l^^
auferwedt, ben il)r an§ ^Jol^ gt'l)ängt unb getöbtet l)abt. 3l)n
\)at ©Ott jum gürften unb .geilanb erl)öl)t. Unb 3^'^tgen biefer
!J)irtge finb wir unb ber l)eilige ©eift, ben @ott allen, wellte il)m
gel^orc^en, t)erliel)en ^at^)."
2luf biefen ©brentitel, 3lpoftel, ^rebiger bor Seigre (El)rifti
SU fein, berufen fid) bie 5lpofteIfürften in iljren Briefen. „^auluS,
3)iener 3efu (El)rifti, berufener 5lpoftel, au0erwäl)U für
1) 2Rattl^. 10, 2. — 2) Slpoftg. 2, 14—40. — 3) 5(voft0. 5, 28-32.
^ 44 -
bog (foangelium &otks>" ift ber ^cQxnn bc§ ^rief£§ an bie
9?ömciO. (rbcnfo itetmt er ftdj in bem cvften Briefe an bie
(Sorintliei*: „^saulnS, berufener 5!poftel 3efu Görifti bur^
@ot!e^ äöillcn, ...anbie .^ird;e @otte§, bie gu (Eoxmii) ifl'). Qn
bem graeiten: ,,^s au I n§, SIpoPel Qefu ßljrifti burd) ben SöiKen
©otte;?, an bie ^ird^e ©otte^ ^u (Eoxmti'^)/' ^n bie ©alater:
,,^aulu§, 2lpo|leI nidjt :3on 3}lenfd)en , noi^ hnx^ einen
>menf$en, fonbern burd^ S^fi^^ Cvf)riftu§ unb ©ott ben
5Bater, ber iljn auferwedt f)at von ben lobten ^)" n. f. vo. in
berfelben SSeife foft in jebem feiner Briefe. 60 f^reibt ber I;ei<
lige 5^etru^: „^etru^, Slpoflel 3efu Gf)rifti5);" „Simon
$etru§, S)iener unb 2tpoftel 3efu e^rifti^)/'
(^in lebenbigeiS ^ilb biefe^ 3lpoftolate^, raoburij bie Slpoftel
gußleid) Seuöen für S^riRuö waren, entwirft aud) ber ljei=
IW So^anne^ in feinem erften Briefe: „5öa§ üom ^n-
fange an n)ar,.nia§ rair geijört, roa§> wir mit unfern klugen
gefeFien, ma^ mir gef($aut unb unfere §änbe berüt)rt Ijaben von
bem 29orte bc^ Seben^, — benn ba§ fieben f)ai \iä) geoffenbart unb
mir l)oben c-5 gefeiten utib geben S^^ö^^^fe baüon unb oerfünbigen
mä) bae ewige £eben, weld^eö bei bem SSater war unb unl erfi^ienen
ift — wa§ wir gefet)en unb gehört traben, DerMnbigen wir cnd),
bamit an'd) iljr ©emeinfi^aft mit un§ i)abet^)/'
^er ©otteebienft ber erften (i^iiriften beftanb aber barin
bag olle, bie ba^ SSort ber 5Ipoftel annahmen unb getauft waren,
„be()arrten in ber Seigre ber 51pofiel, in ber ©emeinf(^aft
ber S3robbred^ung unb im ©ebete^)." ^iefe brei ^aufenb burc^
bie erfte ^^^rebigt be^ Ijeiligen ^ etr u ^ be!ef)rten (^^^riften ful)ren alfo
fort fic^ Don hen SIpofteln belehren §u laffen, fie feierten mit il^nen
't)a§> Ijeilige Opfer besS neuen ^unbeS unb beteten mit iljnen. ®er
2(pofteP4?aulu^ fagt be^jalb auc^ feine f$riftli(^en ^el^ren in ber
(^rmaljunng gufammen: „©teilet benn fep, trüber, unb Ijaltet on
ben Ueberlieferungen , bie iljr erlernt \)ahet , fei e§ burd)
2ßort ober burd) einen 33rief von uns-*).'' Utib er ermaljut ben
Slimot{)eu§,ni$t nur felbft bie i^m anoertraute .^interlage treu
5u bewahren, fonbern and) anbere geeignete 3Jidnner für biefe§
1) möm. \, 1. — 2j I. (iox. ], \l ~ 3) II. Sor. 1, 1. — 4) &al
1. 1. — 5) 1. ^etr. 1, 1. — 6) U. gJetr. 1, 1. — 7) I. ^o(\ 1, 1 f. —
8) Hpoftg. 2, 42. — 9) H. 2:^fff. 2, 14.
45
opoftoUfdje S(mt nii^5un)äl)leii. „©o fei nun ftarf, mein 6o^n,
burd^ bie ©nabe, bie in ^!)nfio 3efu ift, iinb mag bu geljört
l)a]i öon mir, unter m\en SniQen , ha^ üertrane äuoerläffigen
9JJenid}en an, n)eld}e tüi^titj finb, md) anbere 3U teljrenO-"
^ie ganje 2lpofle{ije[d)id;te , bieje^ ööttUd^e ^ocument über
bie SBegrünbnng be^ C^riftentl)unu3 naä) bein ^obe nnb ber 2Inf-
erfte^ung Seju, fteüt m\§> aU einsige^ 3}tittel ber ^.Verbreitung ber
Se^re 3e[u ot)ne irgenb raeldje SluSnol^me, nnr bie ^Nrebigt
feiner Sefire bar ; ^ie ift eine fortgefe^te ^eriuirflii^ung be§ ^efel)le§
Qefn: Docete, praedicate!
2. ©in {)öÄ;ft bebeutungSüoHer 2Ict beg d;riftli($en Set)r=
amte^ in ber opofiolifd;en Qeit tritt nn§ aber in bem apofto=
lifdjen ©oncil ju gernfalem entgegen. S)ie 5(püftel wie i^re
9iad;fülger , foöten ifjr 5lmt , raelc^e^ fie über bie ganje 3öelt
gerflreute, nid;t »ereinjelt üben, nidjt jeber für fid). ®ie Ü\xd)c,
vodd)e bie 2lufga6e l)aik, alle 3Jienf($eu in ber (lin(;eit be^ ©lan=
ben§ §u vereinigen, mu^te felbft and; in i(jrer S^erfaffung biefe
ßin^eit barfteUen. Ueberbiefe mar §TOar baö ßeljramt ber ^irdje
unfehlbar, aber nid;t alle S^ad^folger ber ^Ipoftel, nic^t ade Seljrer
ber Äirt^e maren nnfeljlbar. ®er (Sinjelne nimmt nnr ^f)eil an ber
llnfel)lbarfeit ber ^irc^e burd; feine innere T^erbinbung mit iljr, mit
bem ©eifte ber 2öal;rl;eit, ber in i[;r mo^nt luxh Ueibt ©^
fonnten baljer 6treitig!eiten über bie Sebre 3efu ni^^t aus-
bleiben; unb ber göttlidfje ©tifter ber ^[\:d)e muffte für bie @r?
Ijaltung ber (Sinl;eit, für bie ©ntfdjeibung biefer Streitigfeiten
feiner Rixd)z eine entfpredjenbe ßinridjtung geben. ®a5 ift nun
gefd^eljen, tI)eiB burdj ben 5]orrang be§ l). ^etrui^, tf)eil§ bur(^
bie allgemeine ^ird^enüerfammlung. ®ie erfte unb bie ©runb-
läge aller fpäteren ift ba^ merfimirbige apoftolif c!^e ßoncil.
Sßir finben barin, ba§ in bem 2©orte ©otte^ nietergelegte ^or^
bilb aller fpäteren allgemeinen (Soncillen , mir möd^ten faft fagen,
roenn ber ^ilusbrud nidjt ju profan märe, bie in ber Ijeiligen
6d)rift entljaltene ©ef^äft^^orbnung für alle (Soncilien.
^aului§, obgleich uon ©ott felbft jum 5tpoftolate berufen,
er{)ielt bennod) feine befonbere 6enbung gugleid; mit 33arna-
ha§> hnxd) eine feierlid;e 2öeil;e unb §änbeauflegung. „2llebann
1) i(. %'m. 2, 1 f.
- 46 ~
fajleten fie unb beteten \mh legten i^nen bie öönbe auf unb
liegen fie iie\)en^)," 80 „au^gefanbt üom l^ieiligen Reifte 2)''
gelten fie auf i^xe erfte SJ^iffion^reife. 5IU fie bann nai^ 2(n=
tiod^ien jurüdgefeirt waren, wo bie ©emeinbc I)aupt]äcl)lic^
au^ Sl^riften beftanb, bie au§ bem ^eibent^um Ijerübergefommen
roaren, ba lamm ©inige au§> ^uhäa , alfo Suben , bie in 3eru=
folem ober ber Umgegenb ß^riften geworben waren , t)ielleid)t
früt)ere ^^^f)ari)äer , nnb ki)ikr\ , M^ bie (Efiriften au§ bem
§eibent]^ume fid) gleid)fall§ \>zn jübifdjen (Ecrcmonien nnter-
werfen nmfeten. „^enn iljr euc^ nid;t befd^neiben laffet na(^
bem^raud)e be§ 3)Zofe§, fo fönnt \{)x ni(^t ba^^eil erlangen •'^)."
^aulu!^ \xn\i ^CLixidha^ wiberf pradjen iljnen mit großer @nt=
f(^icbenl)eit , unb fo entfianb ein ernfter 6treit. ^xm wichtigere
grage !onnte für m ^ird}e unb il)re ganje ä^^^iiJ^ft «i<^t auf-
geworfen werben, ^er alte unb ber neue ^unb l)ingen auf ba^
gnnigfte gufammen. ^eibe waren Offenbarungen beffelben ©otte^,
%\^t\h eine^ (5)otte^reid)e^ , üereint m bem einen (^runb- unb
(Sdftein Qefu^ (Slirifiu?. ®a f($ien e§ auf ber einen 6eite,
ba|3 bie l^eiligften ©ebräud^e be^ alten ^unbe§ notljwenbig fort^
befteljen müßten, um auij jeben Schein 5U permeiben, aliS ob ber
neue S3unb t)on bem alten getrennt fei, aU ob ber neue S3unb
gewiffermapen bie Sflein^eit unb 3Bal)rl)eit ber Offenbarungen be§
ölten 33unbe5 befireite. 5Xuf ber aw^^tin ©eite wäre baburd^ aber
bie ^ir^e (S^rifti, bie ooll ©eift unb 2öal)rljeit fein foüte, nid^t
nur an ba§ Qoi^ aller Seremonialgefe^e be^5 alten 33unbe^ gebun=
ben, fonbern a-a^j in aUe ptjarifäifdjen Einbiegungen berfelben, in d^t
iljre geifttöbtenben 2leu§erlii^!eiten t)erwidelt worben. S)er neue
SBunb \)äiiz bann nie aB ba^ 9iei(5 ber SSalirljeit fic^ entfalten unb
über bie gange ©rbe fic^ verbreiten lönnen. S)er Streit um bie
§Befd)neibung bejog fic^ felbftüerftänblid) auf ba§ gan^e (5eremonial=
gefe^, oon bem bie ^efd)neibung bie ©runblage war. 2öa§ gefd^al;
nun in biefer gefalirüolten Sage für bie zltn erft entftanbene junge
(E^riftengemeinbe, weld;e gan^ geeignet war, einen ^ampf aiif Seben
unb2;ob jwif^en ben ©Triften aVi^ bem 3ubentl)um unb au0 bem
$eibentl)um §u yeranlaffen ; wa§ gefdial) , um biefe bebenllidje
grage §u entf (Reiben? 2)a0 3Jlittel ift ebenfo belel)renb, wie ber
1) STHtftg. 13, 3. — 2) 91. a. O. 4. — 3) %y>o\U\g,. 15, i.
— 47 -
©rfolö entj^eiDenb. „Man befd^to^, bafe $aulu^ unb S3arna^
ba^ unb cinii]e anbere au^ ben Ucbrigen l^inaufgögen gu beu
Slpofteln unb ^^reSbijtern in gerufalem biefer grage raegenO."
^ie?e§ 3}Ztttel, beu ©treit beijutegen unb borüber pr ©ntfd^eib^
ung gu kommen , rautbe von allen fo f e^r al^ "oa^ ridjtige er^
fannt, ha^ felbft ^aulu§, n^eld^er an Slnfeljen feinem nac^*
ftanb unb fo oft fid; barauf berief, baß er ron d^ftriftu.^ ,,be^
rufener Slpoiler' fei, fic^ fofort bereit fanb , bie 9li(^tig!eit
feiner £ef)re bem Urt^eil ber in 3erufalem üerfammelten 2lpofiel
5U unterraerfen. Dh in ben erften ©(^riftengemeinben über biefe
2lrt, Streitfragen ju entfdjeiben, eine münblic^e UeberIieferungt)on
bem §errn felbft yorl^anben war, ift ni^^t in entfc^eiben. SebenfattS
er!annten Mc burc^ ben ©eift, ber bie ^irc^e leitet, übereinflimmenb
barin ha§ reditc 3Kittel, um bie ©treitigfeit beizulegen, ^lui^in
Qerufalem war man nidjt im 9}linbeften gmeifell^aft, ma^ §u ge?
fd;el)en l)abe, um bie (ginljeit ber Mjre in ben d^riftlic^en ©emeinben
§u erl^alten. 5ll§ bie Slbgefanbten bort angefommen waren, „muxhen
fie ron ber ©emeinbe unb üon ben Ipopcln unb $re^bt)tern
empf-angen/' ^ladjbem biefe t)ann \\)x Slnliegen geprt Ratten,
unb an&j bort „einige au§> ber <5ecte ber ^^ariföer , meld;e ben
©lauben angenommen ^aikn/' bie 3Rotl)n)enbig!eit be§ jübi^
f(^en ©eremonialgefe^e^ behaupteten, mar man gleid^ einig
über ba§ ein^u^altenbe 3Serfal)ren. „®a rerfammelten fi(^
bie 5Ipofiel unb ^resbxjter, biefe 6a^e su prüfen 2)." 3n
biefer ^erfammlung mürben nun guerft „rielc gemeinfc^aft^
li(^e llnterfud)ungen gepflogen/' SS)iefe 9Borte finb ^ä)^ be^
mer!en§mertl) unb belel)renb über bie 2lrt unb Söeife ber
llebtmg be§ ^öc^ßen 5lcte5 ber firjjlid^en Sel^rautorität. Ob-
gleid) nämlic^ nie ein 3}lenfd) nac^ ßlirifiuS eine l)öl)ere
£el)rgemalt befeffen l)atte, al^ bie Slpoilel unb oor Mem ^etru«,
fo traten fte nid)t fofort mit einer ©ntfc^eibung auf, fonbern
ließen „Diele gemeinfi^aftlic^e Unterfuc^ungen" oorl)ergel^en, um
avL^ aüe menfd)li(^en TOttel jur i^larftellung ber gragc ^u
erfc^öpfen. ®a^ ift bie ^orfi^rift geblieben für bie 5lu§übung
ber unfeljlbaren Sel)rautorität in ber ^ird)e, beren 2lu5=
fprüdie nur erfolgen, nac^bem alle natürlid^en unb menf(^li$en
3Jlittel äur ©rgrünbung ber fragen uorauSgegangen finb. ^ann
1) 5(. a. O. 2. — 2) SßfrS 0.
- 48 «--.
filier trat $etrul auf. @r berief \id) guerft auf feinen befon=
beren £e!)rbenif für ble Reiben: „'^i^v rciffet, bog ©ott t)or
langer 3^^^ ^^^^^ ^^^^^ ^"^ ern)äl)lt tiat, bag bie Reiben biird;
meinen 3Jluub \)a§> Sßort be^ Güangeliumg pren unb glauben
foUen^)/' S)ann erinnert er baran, ha^ ©ott felbft f(^on biefe
grage eigent(i<^ entfi^icben Ijahc, ha er ja ben Reiben, mlä)e im
ßtjiiftentfjume aufgenommen feien , bereit» gan^ biefelben ©naben
gefpenbet Ijabe , namentlid; hen l^eiligen ©eift , mie aud) ben
9^i(i^tf)eiben. Unb fo gibt er benn feine ©rftärung: bag ben
Reiben biefe§ 3od; nidjt auf ben Fladen gelegt raerben bürfe,
inbem nidjt Ijieburi^, fonbern burd) bie ©nabe be^ i^^rrn Qefu
(El)rifti Reiben unb ^nhen bie Selig!eit erlangten. Mit biefen
SBorten be§ Ijeiligen $etr uS mar bie gan^e Streitfrage gelöft unb
ben (Sinbrud berfdben gibt bie Ijeilige ©^rift trog ber üorlier-
gegangenen lebl)aften S^erljaublung mit benSßorten: „®afd)mieg
bie ganje 3}knge" — ein bcbeutung^rolle» Qdä^en ber Slutorität
be» Ijeiügen ^setrui?. 31 un traten ^arnaba^ unb ^ au lu^ auf
unb eräätjlten, „roeldje grofse Qdd)cn unb Söunber (Sott bur(^ fie
unter ben Reiben getljan^)." 5Caburc^ moHten fie offenbar beftä^
tigen, ma^ ber lieilige^^etruÄ über bie SSirfung ber ©nabe unter
Un Reiben oljne ^^eobad)tung be§ ßeremonialgefege^ gefügt
l;atte. gum Sc^tu§ erljob fid) ber 33ifd)of üon Qerufalem,
ber Ijeilige 5lpoftel Sacobus; iljm, aU bem ^ifdjof ber ©emeinbe,
bie faft nur au^ gubeni^riften b^iianh , !am e« gu , am^ noc§
über biefe grage ^u reben. (Sr beftätigte Im SluiSfprud; be^
Ijeiligen ^etru^, inbem er auf bie ^roplje^eiljungen be^üglic^
ber S3erufung ber Reiben Ijinmie^, unb fteEte gum Slbfdjlufe
ber SSerlianblungen '^tw SCutrag, \\\ biefem '6mxt ein ©i$rei:=
ben an bie (Eljriftengemeinben gu SIntiodjien ^u richten, ^as;
mürbe einftimrnig angenommen. 3)ian bef(jloJ3 , ben Slbgefanb^
ten Don 3lntiod;ien gmei Slbgefanbte Don Serufalem gur ^e^
glaubigung ber Slntroort mitzugeben. ,3^re ©ntfd^eibung gaben
fie in einem edjrciben mit ber Ueberfdjrift: „^ie ^Ipoftel
unb ^re^bijter entbieten aU trüber benen, bie gu Slntioc^ien
unb in €i)rien unb in (Eiliclen finb, ben ©rübern au» ben $ei^
\iin iljren ©rufe-^).'' ®ann fagen fie üon jenen Subenc^riften,
meld;e oon Subäa nac^ 2(ntiod)ien gekommen unb ben ©treit
1) 91 a. D. '^. 7. - 2} ii?. 1^.
- 3) ;«. 2:
- 49 -
über bie ^Sefdjueibunß juerft angefangen \)aiien: „Wa Ijabcn ge*
f)ört, bafj dnmge, loel^e üon un§ ausgegangen ftnb, eud^ beun;
ru^iget I)aben bur($ if;re Dieben unb eure ©emüttjer üerroirrt
l)ahe\\, benen nur feinen 5Iuftrag gegeben t)atten." ®iefe 22orte ber
l)eiHgen SSerfammlung finb in boppclter §infic^t bemer!en»roert^.
<Bk geigen erften^, raie pr Hebung beS Sel^ramte» bie „@enb =
ung" notl)Tt)enbig ift; graeiten^ wie uu§ ber ^Inmafeung
beS Seljramt» ot)ne (Beübung bie ^rrle^re entfiele. £)ie (^nU
fd)eibung felbft beginnen fie mit ben überaus ben!rmicbigen2ö orten:
„(fa Ijat bem fjeiligen ©eift unb un^^ gefallen, tnä)
roeiter feine Saft aufzulegen, aU biefe not^roenbigcn ©tücfe, ba^
i()r en6) entl)altet von ben ©öfeenopfern, vom 33(ute unb von bem
ßrftidlen unb t)on ber lln5udjt ')." ^ie §eibenc^riften würben alfo
auf ber einen (Seite von ber ^eobadjtung bcS jübifd)en 6eremo=
nialgefe^e^^ gmar entbunbcn, auf ber anbern (Seite aber Derpftid)tet,
fi(^ auc^ von aßen ljcibnifd;en G^räueln be;3 @ö|enbienfte» doII=
ftänbig ju entl)alten. £)ie Stbgefanbtcn jogen nun nad; 2lntio=
d;ien (;inab, „üerfammelten bie gan5e ©emeinbe unb übergaben
ben S3rief/' beffen 3nl)alt alle „mit greube unb ^r oft erfüllte^)."
3Bie in Qerufalem , fo mar alfo anä) in 2lntiod;ien mit biefer
(Sntfd^eibung beS apoftülifL^^en (5oncil;o bie Streitfrage üoHfommen
beenbet, unb ftatt ber UneiniglVit !el)rte miebcr triebe unb ^roft
hä il)nen ein.
^a f)aben mir baS erfte ßoncil, bie ßJrunblage unb ba§
SSorbitb aller fpätercn. gragt man un^ : „%k roirb bie beoor=
|iel)enbe aUgemeine ^ird^enoerfammlung abgel;alten merben V — fo
fönnen mir feine erfd^öpfenbere 5lntmort geben, alö bie: ©erabc
fo mie biefe§ crfte apoflolifdje Goncil. T)a feljen mir baS üon
©Ott gefegte mitkl um ba-5 ^öd;fte &nt ber Iir(^e, baS göttlidje
(Siegel iljrcr göttlid)en 2tb!unft, bie (Eintjeit in ber 2Bal)rl)eit gu
maljren ; bie „unitas Spiritus in vinculo pacis — bie @inl;eit bei
@eiftei§ im ^anbe be» griebenl ^)." ®a fel)eu mir bie erfte Spaltung,
bie erfte @efal)r, bie ßinljeit in ber iungen 6l)rifiengemeinbe gu 3er-
rei^en; ein S^^orbilb jener inneren c^ämpfe, roeldiebaS (if;riftentl)um
im Saufe ber 3al)rl)unberte tiefer befc^äbigen fotlte, aU bie btutigften
^Verfolgungen. ®a fel)en mir in 5lntiod)ien mie in Serufalem
Dolle einftimmigfeit über \>a^ Heilmittel ber Spaltungen: bie
1) 21. n. D. 28 f. — 2) ^. 30. f. — 3) ß^^ef. 4, 3.
». Rettet er, ba8 aügemelne doncil.
— 50 —
^Urjammlung ber reditmä^igen 35orfte()ev ber ^ird&e.
^a fef)en mir einen ^ a u In » unh einen 33arnaba§ i^re Sel)re
biefer Autorität uub @ntfd)eibung ol)ne ade SBiberrebe nntev=
werfen. 5Da jeljen mk bie 2lpofteI uub ^$re0bi;ter gufammen^
treten, um burd^ eiugetienbe ^erat^ung alle menfd;(id;en WMd
5ur Sluffläruug ber (Streitfrage gu erfi$öpfen. ^a feigen loir
^Jßetru» an ber Spi^e biefer ^'erfammlung, unb bei atter grei^eit
ber ©rörteruntj ^at feine Stimme ein eutfdjeibeubeS lXebergeroid)t.
2)a feigen mir eine (rntfd^eibuntj mit bem voUen ^Beroufetfein,
\>a§> Drgan be-o ()cilißen ©eifteg §u fein; mit bem Semugtfein,
ba6f^ in biefer ^erfammlun^ ba^ Söort Qefu ß1)rifti evfüHe:
^3^ mitt ben ^ater hxikn unb er mirb eud) einen anbern^röfter
geben, bamit er emig bei md) bleibe, "t^cn 6)eift ber 2öal)rl^eit^);"
„er wirb md) attesa leljren unb eud; an aüe^ erinnern, maS \d)
md) gefagt l)abe^)/' ^a feljen mir enblid), mie bie erften (Sl)riften
ben Slu^fprud) \)Qx> unfehlbaren Seljramteig mie ben ^u^fprn^
©otteio felbft anneljnieu.
©0 finb alle (^iurid^tungen ber ^irdje (Sljrifti, meldje fpäter
eine fo ßro^e Entfaltung ncl;men follten, mie ^eime fdjon in ben
erften Slnfängen ber J^irdje entljalten. Mex> roa^ m§> bie ©efc^idjte
unb alle ^üd)er unb Slbljanblungen über bie allgemeinen ßoncilien lel)^
ren, ba» fpre^en biefe ©runb^üge bcö apoftolifc^en Soncil^ nad; ben
Sßorten ber l^eiligcn Sdjrift fdjon flar unb beutlid; au^^. Sößie
bamaliS bie ^poftcl, fo treten jel^t iljre 9]ad)folger ^ufammen.
^iBie bamal^3 '^,Utru;5, fo ftel)t je|t fein 9tad)folger an ber 6pi|3e.
3Bie bamalig ber Ijeilige @eift burd) biefe Ijeilige ^^erfammlung
rebetc, fo lebet aud) je^t ber l)eiltge ©eift burd; 't^a^ allgemeine
(£oncil. Unb mie bamal^o alle menfc^lidjeu Miiid ^uerft erfdjöpft
mürben, um bie gragen flar gu fteEen, fo mirb e§> and) je^t fein.
®ie Autorität ber attgemeinen (^oncilien l)at beg^alb
aud^ auf Erben felbft bei jenen gro^e^ 2(nfe§en bel)alten, meld)e
uic^t me^r unter bem ^orfits be^ l> $etru§ in einer ^eratl;ung
sufammentreten fönnen , raeil fie \id) t)on biefem Einl;eit§vun!te
ber ^ird^e getrennt \)dben. ^ S)a6 ein allgemeine^ Eoncil ba!§
3le(^t ber ©ntf^eibung in ©lauben^ftreitigfeiten befi^t, ift ein
£el)rfag/ ber nod) bie ^ir^e be^ Drient^ unb be^ DccibentsS
miteinanber vereinigt, ber in ber anglicanifc^en ^ird)e nod) grofee^
1) ^0^. 14, IG. — 2) ^o\). 14, 26.
— 51 —
2lnfe()en l)Qt , ben uiele ^roteftanten um fo tüenii^er gans Der-
raerfen, aU auä) bie crften ^fteformatoren fid) otifäuölid) auf
benfelben beriefen. Um fo bemerfeueroertljer ift esS, bafe feine
d;riftlic^e ©emeinfd^aft auäer ber römifc^eu !att)olitd)en Äiri^e
biefe ©inndjtung au§ ber erften Qpoftolifc^en 3eit nod^ befi^t;
bafe feine nur baran benfen fann, eine ö!iimemfd)e €t)uobe §u
berufen; um fo bemerfeuiSroert^er , bafe bagegeu ber 9ia(^f olger
be)§ ^eiligen ^ e t r u ^ feinen 5lnftanb nimmt, bie tjan^e diriftlidje 2ßelt
bap einjulaben, um in berfelben ^eife Dor biefer apoftoli|d;en
3]erfammlung bie ©treitigfeiten in ber 6l)riftent)eit ^ur ßntfdjeibung
5U bringen, wie e^ bie erften ß^ljriften im ^oncil ju Serufalem
getl}an ^aben.
3. 2Bie aber in ber apoftolif d)en gßit ha^ St^ramt ber iürdje
bie £e§re Qefu verbreitete unb bie 6treitigfeiten, erleuchtet x)om
l;eiligen ©eift, unfehlbar entfd;ieb, fo blieb cö aud) in ben fpä-
tern Qa^r^unberten.
Sßaio ber (^eift, meld^er gegen (Eliiiftu^ fämpft, bamaU in Sln-
tio^ien i;)erfud)te, Spaltungen im Glauben Ijeroorgurufen , ba^
„eine |>er§" unb bie „eine ©cele" in ber d)riftlid;en ©emeinbe gu
gerrei^en, follte fort unb fort ber eigentlidje Äampf gegen bag Dletc^
ber 2öal)r^eit werben. 60 gleid; in ben erften 3al)rl)unberten. 2ßie
jene 3}Jänner auä ^iMa irrige ßeljren au^ bem 3ubentl)um in
bie ^ir$e ß^rifti l)inein tragen moEten, fo oerfud^ten balD anbere
au0 bem $eibentl)um 3i*ftl)ümer ciu^ ber l;eibnifc^en^l)iloiopl)ie unb
Sßeltanfd^auung in ber ^irc^e ©()rifti geltenb 3U machen. ^a5 fonnte
bamaU ebenfo toenig ausbleiben , raie je^t unb ju aEen Q^ikn,
^a§ 3Jiaterial, am roeldiem bie ^ir(^e baS Üieidi ©otteö unb
ber SBaljrlieit aufbaut, entnimmt fie ja fort unb fort ber 2©elt;
eS finb bie 3)^enfi^en mit aEen 3rrt^ümetn, meldte fie au^o
ber iebeSmaligen 3^i<^^t""9 i^ f^d) aufgenommen Ijaben; unb
fo merben biefe 3rrtl)ümer immer fid) bemül;en, in ba§ Se^r^
gebäube ber d)riftlidjen 2öal)rt)eit einzubringen. ®er SIpoftel t)er=
gleid^t bie 3}lenfc^en , foroeit fie uod) nidjt üom ©eifte (Elirijii
burd)brungen finb , mit bem milben Del5n)eig , roeldjer auf
ß;i)riftu§ ben göttlichen Delbaum gepflanzt merben foE^). @l)e e§
gelingt, bie 9Zatur be;o alten DelaroeigeiS umsugeftalten , fud^t
biefer felbft bie S'^atur be^ göttlid^en Delbaume^ jn oerberben.
1) mm. 11, 17 ff.
yi
So ba§ bamalige §eibentl)um mit aüen leinen 2lnfid)teu , tnit
feinen feinen, mannicjalHßen pljitofopfiifc^en Spftemen.
9Iur ein roefentlidjer llnterfdiieb in 5>ergleid) jum goitalter ber
2lpofiel war eingetreten. S)ie Sipoftel lebten nidfjt mel)r. Dagegen
l)atkn einige von xijncn nnb iljre erfien 6djüler einige 6d)riften
^interlaffen , tljeil^^ Gr^ölilungen au!3 bem Seben 3efu nnb ben
erften Qlnfängen ber .^irc^e, tfjeilc^ S3riefe an ©emeinben nnb
•Schüler, uieldje nun aU Ifoftbare ^>ermäd)tniffe ber 2(poftel aU-
ntälig gefannnelt nnb in grcßem 2lnfel)cn geljalten wnrben. <Bie
bilben bie ^üc^er be^o neuen S:efta]nentev. Söeldje ^ebentnng fie
()atten/ ob fie aU (Eingebungen beso l;eiligen ©eifte§ in betrad}ten
feien, äljulid) raie bie ^üdjer bc§ alten 3::cftamente0 , barüber
fagten biefc ^üd}er felbft mit 2lu^?nal)me be§ ^u$e§ ber gel)ei=
men Cffenbarnng nidjtxv 2Öeld)en 5öertl) fie alfo l^atten, meldjen
©rab t)on ©laubmürbigfeit , meldte ^ü($er baju gelji^rten, ba§
olle0 raupten bie S^riften nur burc^ Die lebenbige Strabition, über-
rüad)i burd^ ba^ lebenbige Seljramt ber ^ir($e. ©benfo erfldrte and)
biefe^ £el;ramt hen magren Einn biefer ©djriften, wie benn über^
'^anpt bie S^riften felbft nur einem ^l^eil ber (5l)riften gugäng--
li(^ maren nnb bie 3Raffe be^^ djiifili^en 5[?olfe§ nur burd^ ^er-
mittelung be§ Sebramte^ ber ^irdje mit bem 3nl)alte biefer ©d^riften
be!annt mürbe, ^a^ lebenbige, von ß^l)riftn^ eingefe^te Se^ramt
unb bie Ijeiligen ©d^riften geljörten baljer mefentlid) gufammen nn\>
le^tere maren nur fd)riftlid)e g5ttlid;e llrfnnben be§ lebenbigen
:^el)ramte^^.
S)iefe§ 3>erl)ältni6 gmifdjen bcnt göttlid;en Seljramte nnb
ben gi3ttli($en llrfnnben be§ Gl)riftentl)nm^ jerrig ^iin gemaltfam
jener @eift ber Spaltung unb ber ^rilebre, melc^er öie g5ttlid)e
Sel)re Qefu nad) menid}lid;en 93teinungen umgeftalten moHte.
©r nal)m bie Urhmben ber ^irc^e, ftül3te fid) auf bay 2(nfel)en,
TOeld)e^ fie nur burd) bie ^irdje aU öotte§ 2i?ort befoßen, ri§
fie aber loö von bem lebenbigen ©eifte , meieren bie i'lirdic al?
bleibenbe (^abe gu il^rem ^erftänbniffe erljalten Ijattc unb legte
feinen ©eift unb feine ©ebanfen in W gormen be§ göttlid)en
S[ßorte§. So ift e§ geblieben oon ben erften 3al)rl)unberten bi§
l)eute; fo finb alle Qrrleliren unb ©lauben»fpaltungen oline 9ln^5'
na^me entftanben. i^iele finb in bem ^nHjume befangen, al§ ob
bei \}cn ©lauben^fpaltungen ber legten 3al)rl;unberte juerft biefer
©egenfaj pifdjen ber Ijeiligen Sd;rift aU einziger ©lauben^quelle,
~ 53 —
Iebtglt(^ t)on bem ^riüatgeift ittterprelirt, imb ber t\x6)lx^en von
bcm Seljramte öetraijeucn ^rabitiou c^eltcub (3^"w^t lüorben fei.
fRx^t^ ift unri^liijer. ©auj berfdbe &eo,en\a^, ber l)eutc
5tt)tfd^eu ber fatljolifdjen ^ix6)c imb aüni c^riftlidjen S3efennt-
niffen, tueldje nur bie ()eilu3e 6(^rift aU dniio^e ©laubenö^
quelle ouerfenuen , befielet , hc^iaM\) ö^h^ genau fo in ben erflen
3al)rl)unberten. Sllle alten Qrrle^rer beriefen fidj gerabc fo
raie t)or brei 3al)r^unbcrten bie Sleforniatoren immer unb
immer auf bie Ijeilige 6d)rift. 6eit bem brüten 3aljrl;unbert
ift feine 3rrlel)re anber^ entflanben. Unb ebenfo beriefen fid^ alle
S3erl^eibiger hcs> fatl)olifdjen ©laubene bamal^ aan^ fo auf ba^ ßel)r=
,amt ber ^iri^e, auf bie üri^jlidje ^rabition, mie e^ in 'oen le|tett
brei Qaljrljiuibertcn bie ^^ertlieibiger bor ^irdje getl;an l^aben. S)ie
Orogen 'Apologeten ber erften d^riftlid)en 3^it, meld)c auä) bie
gläubigen ^roteftanten al§ bie ^^ertljcibiger ber maljren Seljre
Qefu aiierfennen, bebienen fid) berfelben ©rünbe, bereu fic^
l;eute noi^ bie fatljoUfdje ^.irdje bebient. £ie r.uelle aller 3rr«
tl)ümer ift im Saufe aller (^riftlid;en 3al)rl)unberte bie ^eilige
6d)rift, oom 9}tenf(^engeift , rom ^^rioatgeift interpretirt ; bie
Quelle aller d)riftlid)en 2Bal)rl)eit bie Ijeilige ©dirift, Dom Ijeiltgen
Reifte im Seljramte ber .^ird)e interpretirt. ,ß^% ijat bem Ijeiligen
©eift xmh uuic gefallen '' — ba» ift unb bleibt bie einzige üon ®ott
gefegte, roal^re Sluslegerin beg SSorte^ ®otte§.
2öir motten l)ierüber no($ gmei geioid^tige g^'i^ö^iff^ anfül;^
reu , ha§> eine auf fatljolifc^er 6eite , baö anbere von einem
^roteftanten.
5D Ölung er ^ao^t über bie @lauben^ftreitig!eiten ber erften
Qaljrljunberte :
„Tiefe ^atl)olicität bei @ laube nl ober baö ^rincip
ber ^rabitiou mar e« nun, meldje^ bie ^äter all ben ftärfflen
unb attcin fd^ou pöllig auereidjenben 33eroeil für bie 3öal)rl)eit
ber ^ird)enlel)re ben §äretifern entgegenl^elten. 3nbem fie näm-
ü^ bie 2Bai;ngebilbe berfelben befiritten unb bie Sebre ber
^^ird^c gegen il)re Singriffe rert^eibigten , erfannten fie, 'tia^ eS
Smar Ijeilfam unb notljroenbig fei, jeben einzelnen S^rtl^i^m ju
miberlegen , jeben fpeciellen ©inmurf 5U beantroorten , jebe SSer=
bre^ung einer S^riftftette ju rügen, bog aber biefcl 3?erfaljren
attein feinelioegl binreidje, bie .^ird)c fieser 5U [teilen, bie
6d)ir)an!enben im ©laubcn ju bcfeftigen, bie buri^ bie ^unftgriffe
- 54 -
«nb 6öpl)i§men ber §äreti!er irregeleiteten 3urü(J§ufü!)ren ; fte
fallen, bog eine aEgemeine, iinfe{)Ibare (Slaubeii^regel aufgeftellt
werben muffe, mittele wctdjer jeber SRcnfi^ in jebem Momente,
oI)ne in bie ^injelnlieiten ber (S^ontroperfe einguge()en, bie ää)k
ßet)re (S^^rifii unb ber 5Ipoftel t)on bcn unäc^ten n)in!ürli(^en
SJleinungen ber .göretüer unterfd;eiben unb ba§ ju ©laubenbe
mit irrt{)um?4ofer ©id^erl)eit ergreifen !önne. ^iefe ®laiibeng=
regel mar gegeben in ber allgemeinen immermafirenben Ueber^
lieferung, meldte mä)i§> anbre^ ift, al§> ber !atI;olif$e ©laube in
feinem Urfprunge unb feiner gortpflangung aufgefaßt. Me
SSäter beriefen fid) gegen bie ^äretüer auf biefe 3:;rQbition, ober
mnö baffelbe ift, fie geigten bie 9]otI)meitbig!eit, ber^irdje unb
\l)x allein {niä)t fi^ ober einem anbern 3nbit)ibuum)
ju glauben. Qmi von xißxen aber, Qrenäu^ unb ^ertuHian,
PeUten bag ^rincip ber ^rabition au^fü^rlid) bar unb mad^ten
gegen bie §ärefien il)rer geit aUe bie Folgerungen geltenb,
tt)eld^e fid) notljmenbig au6 bemfelben ergaben, unb bie,-n)ie baö
^rincip felbft, iugleic^ für alle Reiten giltig finb. ®er erfte i^at
e§ in feinem 2öer!e gegen bie ©noftifer, ber Slnbere in einer
eignen ©dirift, welker er Den au§ ber Sprad^e be)§ römifc^en
9^e$t§ entlelinten STitel Praescriptiones gab^. Qlire S)arftellung
be^ ^rincip^ unb feiner golgen lögt fic^ in folgenben Qno^en
jufammenfaffen.
1) 1)ie ^ird^e Ijat ba^ (s;i)ariema ber 3Saljrl)eit aU eine
emig fortbauernbe (S^nabengabe empfangen ; bie 2Ipoftel l)aben mie
in einer reidjen 33orratl)^!ammer iljre ?el)re in ber ^ir^e voH^
ftänbig niebergelegt, unb nur bei il)r ift fie bal^er gu finben.
SSie aber bie gefammte tirc^e in bem ^efi^e ber apoftolifdjen
2ßal)rl)eit ift, fo ift e!o ouä) jebe einzelne ^iri^e ober ©emeinbe
al^ ©lieb be0 grof^en @an§en unb fo lange fie in ber organifd^en
^[^erbinbung mit bem (fangen bleibt.
2) ^ie Slpoftel üben unb lel)ren fort in iljren 9kd)folgern,
ben ^ifd)öfen; biefe finb, mag bie 5lpoftel maren, Organe ju=
gleid^ unb 2ööd)ter, ^emal^rer be^ ©laubeng, ber apoftolifd^en
Üeberlieferung. ^a in ben ^irc^cn eine ununterbrod)ene 2luf-
1) „Praescriptio r^ei^t ein ^icd^tegrunb, burd^ Jüefrfien ber ^roceffirenben
^nrtei, o^ne ba^ man fid^ auf bie Unterfurfiung ber einzelnen ÄlagepunJte
einautaffen traucbte , gteic^ luni vorn l^erein baS ffied)i ju nagen aDge--
f^rod^en h?erben foH."
— 55 —
^eiuanberfoltje dou ^ifd;öfeii, bte mit einem 3(poftet ober einem
t)on einem Slpoftel ©ingefe^ten begonnen ijat, befteljt, fo ift bnrd^
bieie ^eifienfolge andj bie nnnnterbvod;ene g^ortpfianpng be§
6lQuben§ uon (^ef(^lc(^t jn (3c)d)M}t, fo wie i^n bie SIpoftel
mitoet^eilt Ijabcn, ücrbürcjt; bie Se^ve ber 5lpoftel ift alfo ni(^t
etma^ ^engangcnei? , \x>a§> erft mieber gefndjt nnb ^iftorifd) ober
fritif^ auegemittelt werben mü^te, fonbern etmag SebenbigeiS,
jebem SJlomente oortjunben nnb gegenioärtig.
3) Sßenn 3n)eifel ober Streitigfeiten entfte!)en, bann Ijaben
bie apoftolifc^en 6tQmm= ober 9}?utterfird)en (ecolesiae matrices),
raeldje unmittelbar von ben SIpofteln geftiftet morben finb, eine
entfdjeibenbe Stimme, Dorsiiglid) aber bie 9i.ömifd)e, mit melier
alle im ©lanbcn übereinftimmen muffen. 3^^'^^^* P"^ ^^^^^^ "^^^
fpater entftanbenen .^irdjen apoftolifd), burd^ mittelbare 2lb=
ftammung nnb bnrdj bie ß^leid^ljeit ber Seigre (pro consanguini-
tate doctrinae); aber bei biefen S^oi^terürdjen finbet immer ein
^er^ältnig ber Unterorbnnng gegen bie 33Zntterfirc^en, befonberö
gegen bie 9iömif(^e, ftatt.
4) Qu bem Streite mit ben §äretitern, meldie bie ürc^lic^e
5Intorität nnb "Irabition Dermerfen nnb fid) auf bie Ijeilige
Sd)rift berufen, wirb ^mar bie Sd^rift dou ber ^rabition unter=
fd}icben; aber fie gehört al§ ^l)eil 5ur lird)lid)en ^rabition
nnb ift mefentliij (Sin§ mit berfelben. (S^3 ift alfo (Sin (goan=
gelium, ba§ gefc^riebene nnb ba^ lebcnbigc, ftet» oerfünbigte;
jene^ barf nidjt oon biefem lo^geriffen merben, ba e§ aU an
ftc& tobter S3nd)ftabe ber 3lu§legnng nnb Deutung bcbarf, meiere
nur mittelft beiS lebenbigen, in ber ^tirdjc fteto forttönenben
2Öorte§ ber llcbcrlieferung gcfd;el)en !ann. 5Da ferner bie miinb-
lidje 5t;rabition fd)on ba mar vov ben erften Hrfunben ber ge:=
f(^riebenen ^rabition, b. l). uor ber beiligen Sd)rift, ba biefe
erft au^ jener gejc^öpft ift, fo ift bie münblid;e lleberlieferung
(bie ober immer von einem ,3eitabfd)nitte jum anbern gngleid)
aui^ eine gefd;rieben-e mirb) ooUftänbiger aU bie S(^rift. ^ie
§äreti!er nun, wel^t fid^ von bem lebenbigen ©oangelinm ber
^rabition lo^gefagt Ijaben, nnb für meld)e bal)er bie l^eilige
S(^rift nic^t gel;ört, tonnen nid)t jur 53erufnng auf biefelbe ju=
gelaffen werben; benn e§ fel)lt il)nen ber Sd;lüf]et 3um ^tx--
ftänbniffe ber S^rift.
- 56 "-
5) %a bie ^ir$e nidjt oI)ne ben @(aukn, ber ©laube
m6)t ol)ne bie ftete 3tetn[)eit uub 2(ed;t^eit ber UeberliefenmQ bc^^
fte{)cn famt, fo fle^t bieie mxicv ber unmittelbaren Seitun 13 be5
ber Rixö)e oerljei^enen unb n)ir!li($ gegebenen ^eifteg ber 2öal)r=
Ijcit. ^ie ßrljaltung ber reinen apoftolifd)en i^el^re ift alfo
md)t nur »erbürgt buri^ bav !ird)li($e Qnftitut beö @pi|fopat«,
fonbern aud) burd) bie nie auf^örenbe Ginmirfung be§ göttli(^en
@eifte§ in ber Äird)e; unb bie ^ird^e ift bemnad) gegen jebcn
3rrti)um gefid;ert einmal burc§ bie ftete gortbauer be^o 2Ipoftolat§
ober bie ununterbro($ne Succeffion rei^tmä^ig orbinirter ^ifd)ofe,
unb bann bur(^ ben i(}r inn)o!)nenben göttUdjen ©eift, von rael-
djem fie, mie au§ einer immerbar ftrbmenben QueEe \\)xt\i
©tauben in jebem 3J?oment iljre^ ^afein^ empfängt. 60 ftef)en
etjriftu^ unb ber f)eilige ©eift in fteter TOttljeilung unb @emein=
fd)aft mit ber £ird)e unb bur»^ fie mit jebem ßinjclnen. 5lud)
barum alfo tann bie Ijeilige ©dirift nur in ber ^ird)e rid)tig
erHärt unb Derilanbcn merben, rceil nur ber ^ir(Je jener ©eift
tnmoljnt, melc^er bie (Schrift felber eingegeben ^aV)."
©an5 äl)nlid) fprii^t fid) Seffing^) in^^e^ug aufbieprotc=
ftantif^e ©lauben^regel an§, bag bie ^eilige 6(f;rift bie aue=
fi^liefelic^e üueße ber Sef)re Qefu fei. Qu feinem bcfannten 6treitc
mit bem gauptpaftor ©oe^e in Hamburg t)ertl)eibigte Seffing
unter anberen folgenbe ©äge:
„2lud; mar bie ^Religion, efje eine ^ibel mar."
„^a^ (E^riftentt)um mar, e^c ©üangeliften unb SIpoftel ge=
((^rieben f)atten. Q:^ t)er{ief eine geraume 3eit, e()e ber erfte
j)on ilinen fdirieb; unb eine fe^r beträ(^t(id)e, elje ber ganje
Ganon in Staube fam."
„e§ mag alfo ron biefen Schriften nod) fo oiel abljangcn:
fo !ann boc^ unmöglich bie gange 2öal)r^eit ber c^riftlic^en iHe^^
ligion auf if)nen berufen.''
,,2ßar ein geitraum, in melc^em fie (bie c6riftlid;e '^c^
ligion) bereite fo ausgebreitet mar, in me(d)em fie fid) bereits fo
1) Dr. 2) ö l n n g e r , ^^nnbburf) ber tfjviftticfien Äirc^cn.ieid)lcl;tc. ^an'ii^'
l^ut 183B. 33b. 1. §. 26.
2) £effing toar freitic^ nirfit gläubig unb fanf, luie feine Briefe über
3lai^an ben 2Bcifen bnvt^un, au^ ben Stanbinmft bc§ inilgärcn ^nb![forcii=
tigmuä gurütf; ba§ beeinträchtigt aber bie 3^icf}tig!eit feiner vJ^i^ofop^itfcben
unb ^iftcrifrfien Äritif in biefcv Badje offenbar nicfit.
t)ieler Seelen kmäd^ttriet Ijaite mtb in nield^em gleii^iooljl no(^
fein ^iK^ftabe an§> bem von Hjx auföejeicfjnet raar, ma^ bi5 auf
ung ße!ommen ift: fo nmfe e^ anä) inö(](i(^ fein, ba§ aÜeS, n)a§
bie (^üQnßcliften unb 3(poftel gefd^rieben f)aben, raiebcrnm verloren
gtentje nub bic von iljnen geleljvte 9le(igion boÄ beftünbe*)."
5.^ort feinem ©egner onfoeforbert , fid^ p erüären, raaä er
unter „ber (^riftlicl^en Steligion" üerftelje, rae^e beftel)en fönne,
„wenn auä) bie Sibel üößiöt üerloren öi^nge, wenn fie fdöon längft
üer(oren gegangen wäre, loenn fie niemati^ geroefen wäre" —
antwortete Seffing, bag er nntcr ber d)riftU(^en 'Migion „alle
btejenigen ©lauben^Mjren üerftelje, welche in ben 6i)mboli§ ber
erften üier ^al^rl^nnberte ber d^riftlid^en £ir($e entl)alten finb."
^i(uf (55runb biefer ©rflnrung fteUt er bann folgenbe (Söge auf :
„%ex Inbegriff jener ®laubenc>be!enntniffe fieigt bei bcu
älteften 53Ötern Regula fidel/'
„®iefe Eegula fidei ift nid;t au^ 'om @d)riften be» neuen
^eftament^ gebogen."
„^iefe Regula fidei mar, d)c noä) ein einjige^ 35uc^ be5
neuen 5teftament^ eyiftirte."
„TOt biefer Regula fidei Ijaben fic^ ni($t alleitt bie erften
(Sf)riften bei Sebjeiten ber 5(poftel begnügt: fonbern anä) bie
nad)foIgenben 6[)riften ber ganzen erften mer 3[a()rl)unberte ^aben
fie für roflfommen Ijinlänglic^ gum (£l;riftentl^ume gel)alten."
„®iefe Regula fidei alfo ift ber %eU, auf meldten bie ^ird^e
6t)riftt erbauet morben, unb nid)t bie Sd^rift/'
„^k d^riftlidje 9fletigion ift in "om erften uier 3a!)rl)un^
berten au§^ ben (gdjriften beö neuen ^eftamentiS nie ermiefen,
fonbern (jöd)ften^ nur beiläufig erläutert unb beftätiget morben."
„'5)er 33emei^, baß bie Slpoftel unb ßoangeliften il)re 6d)riften
in ber 2lbfid^t gefc^rieben, bag bic djriftlid&e 9teligion ganj unb
xjoflftänbig barau^ gebogen unb ermiefen roerben lönne, ift nid)t
gu fül)ren/'
,,^er 33emeil, ha^ ber beiltge ©eift burd) feine Leitung e§
bennod^, felbft ol)ue bie 5lbftd}t ber Si^riftfteller, fo georbnet unb
öcranftaltet , ift nod) weniger ^u fül)ren."
1) £cffing§ fämmtt. 3Ber!e. Serliu 18(30. e. 143—148.
— o8 —
„^n^ niä)t einmal aU autljentifd^er (Kommentar ber ge^
fornrnten Kegula fidei ftnb bie 6($riften ber 5lpoftel in 'om erften
3a!)rljunberten Uixofi)Ut lüorben,"
„Hub bog war eben ber ©runb, roanim bie ältefte St\xä)e
nie erlauben troUte, baf3 fid^ bie le^er auf bie Schrift beriefen.
S)ag raar ehtn ber ©runb, warum fie burd)au» mit feinem
^eger an^ ber 6d)rift ftreiten wollte^)/'
3m weiteren Verlaufe ber ßontroDerfe erHärte Seffiug
„runb Ijerau^, "oa^ ei ni(^t maljr fei, ba^ alle 2e):)xtx ber
c^riftli^en ^ird)e, oljne llnterfd)ieb ber üerfc&iebenen Parteien,
bie S3iBel für ben einigen fielirgrunb ber djriftlic^en Religion Ijal-
ten/' $Diefe ^eljauptung liatte ihm nämlicl) fein Gegner aU
einen „üon aUen vernünftigen (Sf)riften , oon aUen Seigrem ber
d)rifllid)en Äirdie" angenommenen, „feinem gmeifel unterworfenen
©runbfa^" entgegen gehalten.
Unter 2lnberem weift bann Sejfing auf bie ®efd)id]te bei
erften ©oncili oon 5^icäa l^in, wo bie rerfammelten ^ifdjöfe
in i^rem SSerfaljren gegen bie Slrianer fidi auf einen gan§ an-
bereu Seljrgrunb fteEteu, weli^en Seffing in folgenbe @ä|e
jufammenfagt:
„^er @ieg ber l;eiligen Schrift über bie ^e^erei ober bie
^raft ber l)eiligeu €c^rift in 33eftimmung ber ^ed^tgläulng!eit
l)ai iiä) auf bem ^^icöifc^en ^oncilio nur fdjledjt erwiefen. ^uxä)
bie Bä)x\\t ift auf bemfelben fdjledjterbingi nidjtiS au^gemadjt
worben/'
,,.3a, ben red;tgläubigen ^^ätern !am ei im geringften nid)t
ein, iljreii Sel)rfa| au§ ber 6d)rift auä) nur erweifen gu wollen.
@ie flauen bloi bie ^erablaffung, auf bie ©i^riftftellen , weldje
bie 5(rianer bagegen anfülirten, übel unb böfe ju antworten."
„©ie gaben il)ren Sel)rfa| für feine 3Bal)rl)eit an^ , bie in
ber @(^rift flar unb beutli$ entljalten fei, fonbern für eine
2öal)r6eit, bie fi$ t)on ^l)rifto unmittelbar l)erfc^reibc unb iljuen
Don §8ater auf Botyx treulid) überliefert worben."
„Sie erwiefen alfo nur, ba§ bie ©^rift biefen Ueberlie=
ferungen niä)i wiberfpred^e."
„Unb ber G^ebraud), ben fie \om^ von ber 6d)vift machten,
war ein ganj anbrer, aU ber, ben man uni neuerer geit auf-
1) 21. a. 0. e. 239-243.
- 59 -
gebrungen Ijat; raeld^em gu golgc na^ bem gar mä)i gefragt
wirb, roaS unö überliefert raorben, fonbern aus ber einzigen
6(^rift unmittelbar beftimmt roirb, wa^ uns Ijätte überliefert
werben f ollen."
,,6ottte bie Ueberlieferung gar ni(f)t mit in SÄnfd^lag !om=
men: fo müßte man beljaupten, bafe jeber vernünftige 3}^ann,
ol^ne im geringften eUva§i oon bem (s;i)riftentl)ume gu miffen, baS
gange 6l)riftentl)um auS ben neuteftamentlid^en ©c^riften einzig
unb allein gieljen unb abfonbern fönne; unb baran peifle i^ fel^r."
„@($abe, 'oa^ baoon feine @rfal)rung gemad;t werben fann,
inbem n)ol)l fdfiraerlid) ein vernünftiger SJlann §u hen neutefta^
mentli^en 6(^riften !ommen bürfte, ol^ne baS ©^riftentl)um t)or=
l)er §u fennen; unb bie ^unft, es wieber §u vergeffen, wenn er
gu biefer vermeinten einigen Duelle nun felbft fommt, no($ foll
erfunben werben*)-"
1) 91. a. D. ^. 245—25!,
VI.
Die irratje aller iragcn: äDaljdjctt ökr ^cepticiömuö?
„3ßüQ t[t Sßo^rl^eit?" 3ot>. 18, 38.
^tleia Ijängt alfo baüon ab, ob \ene§> Söort ber ^Ipoftel auf
t{)rem ^oncil: „Q^'ö Ijat bem fieilicjcn ©eift mib iin§ öefallen"
aud) jefet ncd) roatjr ift, ob aud) je|t nod; ber Ijeiütje ©eift
burd) bie Äirdie über ben rcaljren Qnljalt ber Scl;re ^efii un=
trüglid) cntjd)eibet, ob e§ ein unfeljlbare^ Seliramt ber ^ir(%e
gibt. Jl^eun e^3 !einel gibt, bann finb aUe Streitfracjcn über ben
lüabren 3n(jalt ber Dffenbarnng unlösbar, ^r^tr muffen bann
barauf oeräid)ten, ben ©inn berSef)re Qefu untrüglid; auf^ufin^
ben. ^a§ liei&t aber ben (Eceptici^mu^v bie Seigre, eg gebe gar feine
fidlere SBaljrljeit unh aUe§> fei ^roeifel^aft, auf \)a§> (SfiriftenKjuni
anroenben. S)ann muffen mir aber aud) barauf oerjid^ten, felbft
über bie legten natürlichen ^aljrtjciten üolle, truglofe @emi§()eit
gu finben, bann bleibt bie gragc : ,,5[öa§ ift 3Baljrljcit?'' — unge=
lüft auf ©rben, bann bleibt ber B^^if^^t ^'^^ nnfclige Soo^ be§
2Jlenf($engefd)Iedjt§ , bann fällt ber menfd)lid)e ©eift and) auf
biefem (^chkte bem 8ceptici§mu§ onf)eim,
1. O^ne unfe()lbare M)rautorität gibt Cy fein 'Mittel, um
bie Streitigfeiten in ber G(;riften()eit über bie Se^re gefu
gur Gntfd;eibung §u bringen; fein 9}littel, je mieber bie @lau=
ben''einl)eit f)er§ufte[Ien.
2)a§ fann uidjt beftritten nn\) mufe oon aiien, bie eine
tiefere Ginfid;t in bie @ef^id}te ber ^Haubeneftreitigfeiten baben,
zugegeben merben. 5(ud) bie ^rütfftanten muffen anerfen=
neu , bag nad^ t>cn ©rfaljiungen ber lobten brei 3al)rf)unberte
iebe Hoffnung eitel ift, burd^ geleierte Sluylegung ber Ijeiügen
6(^rift bie Streitigfeiteit unter ben (Stjriften über bie ma^re
Sel)re Qefu beizulegen unb fo eine ^sereinigung ^ergufteHen. ^a§
— Ol —
ift ahex für jebc^^ Gfiriflett^er^ ein tvofttofer, unerträgli^Jer (53c=
banfe ; bae muB iebem ^roteftanten, ber (Ei)riftu^^ liebt, bie grac^e
nahelegen, ob bcnn md)t 6f}viftu§ ben 3JJenfd)en ein anbere^
SJiittel öCijeben \)at, um bie ©laubene^einl)eit ju ben)al;ren.
e^riftnio ift mit ber erflärten 5lbfi(^t aufgetreten, alle
SJJenfdjen in ber 9BaI)r!)eit unb in ber Siebe §u üereinüjen, unb
^mar in fi(^, in feiner ^^^erfon, in feiner flöttlidjen unb menfd)-
lid)en 5Ratur. 2öie er in ber 9J?enfd}merbung bie menfdjlid)e
DIatur, bie er angenommen, mit fid) üereinigt t)at, fo mitt er in
ber ganzen SBirffamfeit feiner c^iri^e jeben einzelnen 3}^enf d^en
mieber mit feiner 9}^enfd)Ijeit unb baburd; mit feiner ©ottljeit
Dereinigen, ^o , oXl 9)littelpun!t ron allem, tritt er auf :
,,3c& i^in ber ma^re SBeinftod;" „bleibet in mir unb \^ in eui^I"
„3d^) bin ber 2©einfiocf, i()r feib bie Sfteben; raer in mir bleibt
unb id) in ibm, ber bringt Diele grudjt^." „3<^ bin bie Sliif-
erftel;ung unb ba§ Seben ; roer ^x^. mid) glaubt, mirb leben, felbft
menn er geftorben ift, unb jeber ber ba lebt unb (\xi m^ glaubt,
ber mirb ni(^t fierben in @tt)ig!eit. ©laubft bu ba§?" ^Hiartba
antraortete : „Qa, §err ! \^ glaube, \io!^ bu (5l)riftu0 ber ®ol)n be§
lebenbigen ©otteg bift, ber in bie SBelt gefommen ift^)." 5l(Ie§
bejielit er auf fii^ , auf feine ^erfon. Gt felbft ift bie
©runblage be§ $riftlid;en Sel)r=, Sebenö= unb Siebe^©ebäubel.
35>er i^n er!ennt, erfenntburc^ il)n alle 2öal)rljeit, mer il)n liebt,
liebt in iljm unb burd^ il)nalle;o ^5ute. 2)arum belobt er ben
©laubenbe^ $etru^ unb be§ 5ll|omaö an feine ©ottl)eit; barum
TOill er mel)r geliebt fein, al5 3^ater, 3)tutter \\^ .tinb. <So einigte
er in fi($, in feiner ^^erfon feine jünger unb befiegelte biefe 6inig=
ung burd^ jeneg 3lbenbmaljl, melc^eg iljnen in bem maleren ©e-
nu6 feine» Seibeio unb ^lute» eine ganj übernatürlid)e maljrl^atte
Bereinigung mit il^m oerliel). ®iird) bie (Scnbung be!3 Ijeiligen
@eifte§ erl;ielt bann biefe Ginljeit il)re Botlenbung, ba biefer
eroige, göttlidjc ©eift, ber 3Sater unb €ol)n in eroiger
Siebe vereint, nun and) feinen 2Bol)nfig in ben ^er^en ber ©r=
Ibften nel)men unb \i(x^ tiefinneilidjfte ^rincip il)rer @inl)eit
roerben rooHte.
Um aber jn biefer Ginljeit in 6l)riftul gu gelangen, bebarf
ber 9)ienfd) einer fo reinen, lebenbigen unb ungetrübten ßr!ennt=
1) ^0^. 15, 1. 4-5. — 2) ^ol;. II, 25 ff.
— 62 -~
ni^ ber ^erfon Qcf u, wk bie 2lpoftel fie Cjatten. ^enn e^ geiiört 5um
SSefen ber geiftigen Statur, bofe fie burd^ @r!ennen unb Siebe mit
einem Slnbern geeinigt unb üerbunben merbe. ^a§> ©rfennen
ift aber roieber bie Orunblage ber Siebe. SBir lönmn 3eful nid^t
naä) feinem S3efel)le über aUeg lieben, xoenn mir i^n nid^t juerft
aU über aEeS lieben^raürbig erfannt ^aUn. Um jebod; gu
biefer ©rfenntnife Qefu gu gelangen unb burd) biefe (£r!ennt-
uiB unb Siebe in iljm mit allen SHiti^riften in ber „©inl^eit be^
©eifteiS" unb bur«^ ha^ „^anb be§ grieben^'' geeinigt ^u merben,
muffen mir mit roller 5!(ar^eit miffen, roer er ift, raa^ er roill.
Qebe tlngemifel)eit, jebe lln!larl)eit, jeber S^Jeifel über bie ^er=
fon.Qefu gerftört in i^rer ©runblage bie (5inl)eit ber ß^riften^eit,
meil biefe einzig unb allein auf ber ^eifon (El)rifti unb in ber
S3erbinbung mit il)r berul)t.
2)iefer fefte, !lare ©laube an 3efu§, an feine ©ott^eit,
feine Se^re, feine ®nabe, ber bie 3Jlenf(^cn fo innig mit 6l)riftu^
x)erbinbet , ba§ baburd; ^inmieber bie fo üerbunbenen 3Jlen=
fd^en ©in ^erj unb (Sine Seele merben, fefet aber eine göttlid^e
Se^rautorität t)orau§; eine Slutoritöt, bie be^^alb, meil fie gött=
lid;er ©infefeung ift, mit berfelben 6i(j^erl)eit bie @r!enntni§ Qefu
»ermittelt, mie fie bie Slpoftel burd^ ben Umgang mit 3efu^
erl)ielten; fe|t eine ^ixä)e rorau^ mit berfelben göttlid)en ^c^
glaubigung, mie ߣ)riftuS fie an fi^ trug unb fie in feinem
Seben, in feinen 2ßunbern, in feiner übernatürlidjen ©rfd^einung
hm 3Jlenfd;en offenbarte, ^ie Äird^e ift befe^alb nid^t nur,
wie mir f^e biMjcr betrad^tet Ijaben, eine Seljrerin ber Seljre
3efu, au^geftattet mit ber Unfel)lbarfeit, um biefen göttlid^en
<5(li)a^ ungetrübt allen 9}Zenfc^en jujutragen; — fie ift nod^ me^r,
fie ift gugleid; eine immer fortlebenbe, ben ß;^ara!ter göttlid;er
S9eglaubigung an fid^ tragenbe 3^wgin t)on bem Seben, ben
SBunbern, ber 2luferftel)ung , ber ©ottl^eit 3efu. ^al)er
bag tiefe SBort be^ l^eiligen 5luguftinu§: „^6) mürbe bem
©oangelium nid;t glauben , xoenn mid^ nid;t bie Slutori-
tät ber Äird^e baju beftimmte 0-" 5Dal)er aber auä) bie (Sr=
fd^einung, bag, rao ber ©influfe ber .^irdje fd)roinbet unb
bie Sel)rautorität ber ^ird^e t)ermorfen rairb, bie ©inl)eit be^
1) Contr. epist. Manirh. (Fundam.) c. 5. edit. Migne tom. 8. p. 176.
- 63 —
©Iauben§ mel)r unb meljr Derloren ßeljt, bi^a man enbUc^ felbft
an if)rer 3)^öglidi!ett üergweifelt.
®a§ beiueift ber gläubige ^roteftanti^muiS. 3Ba^ an leben--
bigem (Etji'ifteuglauben nod) Dor^anben ift im proteftantifdien
)l>ol!e, baic t)erban!t e§ lebiglii^ bem fat^oUfdien ©laubeii^princip,
ha§> im ^roteftantiemu^ nocl) mä($tig fortraivft, ber Slutovitdt unb
bcr Ambition in ben gamilien unb ber ^rebigt. 5DQg be=
weift bie gried)ifd)e Üix6)e. 2öa0 bort an lebenbigem (E^riften-
glauben no(^ übrig ift, t)erban!en fie ber Slutorität, bem Sel^r^
amte. ^a§ bemeift oor allem bie fatljolifd^e ^ird)e mit il^rer
maljren Seljrautoritdt, rce^e rui)t auf bem gunbamente ber
Slpoftel. 5Da!3 beroeift enblii^ jene Ü^ic^tung im $roteftanti§=
mu^^ , meldte fid^ von aller £et)rautorität lo^gefo^t unb rein
auf ba§ proteftantifije $rincip ber inbioibueEen $yorfd)ung in
ber (jeiligen 6d)rift fi(5 gefteüt l^at. ^iefe§ göttliche S3u(5 mirb
bann ni$t eine Cueße ber (Sinigung, fonbern ber Spaltung; ber
menfc^lic^e @eift gibt feinen 3rrtt)ümern unb Irrwegen ben
6(^ein einer ^ö^eren ^eredjtigung unb gerrt fo lange an bem
SBuc^ftaben, bi^> er enblti^ bie @öttli(^!eit ber ^eiligen Urfunbe
felbft leugnet. Sleljnlid) rcie ber SJlaterialii^mug ben @eift im
3Jlenfc^en leugnet, weil er i^n nid^t fie^t, fo leugnet biefe 3^id^t=
ung §ule|t auc^ ben ©eift ©otte^ in bem gefd^riebenen 2öortc
®otte§. ^a» le|te 6tabium ber SSerirrung ift "oann enblid^
ein ©oangelium, eine ^irdje, ein (El)ri)tent^um mit ^^er^id^t^
leifluug auf jebeS gemeinfd;aftlid^e ©laubensbefenntniß. ®a§
ift bie mobernjle entmicflung im fogenannten ^roteftanten^
oerein; ein 2luf geben jeber d;riftli(^en 2öal;rl;eit unter bem
edieine, 'oa^ ha§> bie malere ^ird^e eijrifti fei. Söeld^ eine
«erirrungl Söelc^ eine Um!el)r be^ ei)riftent^umg ! SBeld^ eine
2:äufc^ung be^ d^riftüdjen ^olfeö! 3mar fagt man, bag man
bem einzelnen ben (S)lauben nid^t uerroe^re, aber bie 2lnfid)t
©injelner maä)t Mne religiöfe (^emeinfd^aft an^; ba§u mufe bie
SSerbinbuug al§ folc^e oon einem gemein(c&aftlid[)en ^efenntnig
getragen fein, (^im befenntni&lofe SSerbinbung ift feine re=
ligiöfe 5,^erbinbung , Mne ^ird;e, feine d;riftlid^e ^ird^c, fonbern
ein 6pottbilb berfelben. (So roeit fül)rt bie letzte Gonfequeuj besS
„5öorte!§ ©otteS" o^ne 5lutorität; ha§> ift ber ©cepticiSmuS
im ei)riftentl)um unter bem ©c^ein be^ (i;i)riftentl):im§; bie D^egation
ber ^ird^e unter bem ©d^ein einer d)riftlid§en Äird^e; baig ift
— 04 —
bic ^ergtüeiflumj bei men)d;[id^en ©eiftel an ber d)riftli(^en
2öo!)r^eit.
2Benn e^ bal^er fein dou ©Ott gefe^te^ SeE)ramt gibt, burd)
roel^el rair gum ^eft|e bei: n)al)ren Sel;re 3efu gelangen, bann
muffen roir folglid^ auf alle l)eiligen, I)oI)en Sbeale be^- (5t)rifteu=
tt)um» verjiditen; bann bleibt Spaltung in ber ß'l)riften^eit bi§
au» Gnbe unb fie wirb immer meiter, immer tiefer, immer allge=
meiner ; bann ift ha^» cor iinum et anima una für immer i)on
ber (Erbe üerfc^rounben.
Wö6)kn bod) alle, bie (El^riftul lieben, babei aber felbft
\)a^ TDon ©Ott gur §ütung ber d)riftli($en 3.lVil)rl)at gefegte fiel)r-
amt üerroerfen, beben!en, bafj erfteny ii)r eigener GVlaube nid)t
bie maljre, göttUdje ©runblage Ijat; bajs ^loeiten^ fie fid^ ba=
burd) 5aljllofer ©naben bei (I^riftentl)umi-3 berauben unb \>a^ fie
~b ritten 5 einer ©eiftesrii^tung angeboren, bie 'ba^^ (El)rifientl)um un=
auefpred)li(^ üerroüftet unb fie fid) felbft oorunferem ^errn unb 3}^ei-
fter S^iuS (i;i)riftu» 5um ?0^itfd)ulbigen biefer ^erraüftung ma^en.
erften»: 3i)r Glaube l^at ntd)t bie ma^re ©runblage.
Wlaw fann nidjt baö ©lieb einer Mk gerreifjen unb biefen dli^
baburd) Ijeilen, baß man an bem einen @nbe t)iele neue klinge an*
fegt, ^ie Sänge be» einen önbe» eifert nidjt tien 6(^aben.
60 !ann ber ^roteftanti^muS nid)t burd) bie feit ber Spaltung abge=
laufene Bteilje von Sauren hm 9Uf5 auc^füüen, ben er burd; bie S^renn=
ung Donber ^ird)e (E^rifti l)eroorgerufen l)at. ®ie apoftolif^e ^ette,
in ber fidj bie red)tmäBige 6enbung , bie 5>orimad;t , "t^a^» 2lmt
üon (£ljriftu§ Ijer fortpflanst, ift unb bleibt gerriffen unb !ann burd)
nic^t^ gel)eilt tuerben. ©» ift fein 2luftrög ba unb feine 3Sollmad)t.
3 m e i te n ^^ : 6ie berauben fid) un^äljUgcr ©naben. 'änd)
jene apoftolifd)e ^ük, in ber fid) bie übernatürlid^en ©naben
fortpflanzen, ift, üon ber ^aufe abgelesen, für fie gerriffen: bie
jaframentale ©nabenfette. S5^ie fein Sel)ramt ha ift, fo ift feine Wla6)t
ba, ben Meufd^en übernatürliche ©naben 5U fpeuben. ©^ ift feine
6ünbenuergebung ba, e» ift feine ^ollmad)t ba, ha^ allerl)eiligfte
6aframent bei Slltarl giltig ju üermalten, unb baljer feine maf)re
©egenmart Qefu 6l)rifti im Saframent.
S)rittenl: ©ie felbft müd)en fid) ju ©enoffen einer
Sfli^tung, bie fie fo tief betlagen, meil fie nod^ an (5l)riftul
glauben, ß^riftu» lieben unb in il)m il)r einjigel §eil finben.
(So lange fie bie von ^Ijriftul eingefegte Se^rautorität vtx-
^ 65 -
werfen, tragen fie im ©rnnbe bie 3Jiitfc^ulb unb bie SJUtoer^
antroortUc^feit für jene unfelige gerfe^ung unb ^lufTöfung im
ef)riftentl)um, raelije wir t?or Slugeu '^o.htw unb roeld^e im ©runbe
eine totale Seugnung be^ großen @e{)eimniffe§ göttUd^er ^x-
barmung in ber SJIenfd^raerbung be^ 6oI;ne» ©otte^ ifi
2. S)ieSeugnung einer uon ©ott eingefe^ten Sel^rautorität
für bie unüerfälfd^te Q3en)al;rung ber Sel;re 3efu füf)rt aber
fc^liegUii) nic£)t nur gur 33er5n)eif[ung an jeber objectiü fieberen
©rfenntnig ^riftUd^er S©al)rl^eiten , guni d)riftli(^en (Sceptici^=
mu^, fonbern aud^ jur ^^er§n)eiflung (\xi ber ^JJöglic^feit einer
objectio roaljren unb begljalb roßfontmen fid)ern @r!ennt=
nig ber ^öd)ften 3]ernunftmaljr^eiten. ©ie mad^t aße^ ©r-
fennen be^ 3)knfd)en über l^ö^ere unb tiefere gragen §u
einem relatioen 3}leinen; fie fü()rt batjin, ba^ ber 3JIenfd^ auf
bie grage: Söa^ ift SSaljrljeit? — antiüortet: 2öir n)iffen e^
nid^t; n3ir roiffen rooljl, bag wir in un5 ein ©eelenrermögen
t)aben, meld^eiS nad) SSaljrljeit I)ungert unb bürftet, wir wiffen
\od^\, ba6 fein S3ebürfni§ ber Dktur fo gro^ ift, aU ba§ ^e*
bürfnig nac^ 2öa^rl)eit unb bennod^ gibt e^ !eine fid;ere 2öaf)r=
t)eit für un§ 3JJenfd^en. ®a^ ift bie Sftücüe'^r gum ljeibnif($en
©ceptici^mu^ am Gnbe ber öielen c^riftli^en '^(x):jx^i\x[\>txit , '^k
l^inter un§ liegen.
tiefer Suftanb ift in ber %\)o,i eingetreten. S)a^ ift
t)ielfa(^ ber 3wftanb be^ menfd)lidf)en ©eifte^ in ber ©egen=
wart, nad^bem er ftd^ üon ber göttlidjen £e!)rautorität , Don
jener forttönenbcn Stimme @otte§ lo^gemad^t Ijat. ^eibe @r=
f($einungen ftammen aui§ berfelben Quelle; bort \ia^ 33er^
gierten auf eine objectio ridjtige unb begfjalb allgemein gil=
tige ©rfaffung ber Sel)re Qcfu, Ijier ein ^^erjid^teu auf eine
objectio ridjtige unb befeljalb allgemein giltige ßrfaffung ber
!)öl)eren 35ernunftwal)rl)eiten. daraus entfpringt bann Ijier wie bort
bie tief in bie (^eifter unfere^ Qaljrliunbert^ eingebrungene 2ln=
fd;auung, \^o.'^ in \)txi l)ö duften gragen, dou benen bie (ix-
fenntnife unb bie (Srrei(5ung unferer ^eftimmung abljängt, jebe
3}ieinung gleid; beredjtigt fei. SSoljl fennt ba^ ei)riftentl)um unb bie
SSernunft ben ©runbfa| an, baß ber 3J?enfd), ber einem unoerfd^ul-
beten 3rrtl)um rebli(^ l)ulbigt, feine ^Verantwortung für ilju
trägt unb bafe wenn er nad; bemfelben Ijanbelt, iljn leine 6djulb
». Rette I et, tag aügemcine ßoncit. 5
~ 60 —
trifft, ^orau^ aber bie gol9erunt3 gielien , 'oai jebe fubjectbe
2lnfid)t gleid) gut fei, auf gleidjeo 9Ied)t 2lnfprud) l)abe, ift nidjt
mei)x eine golßerung au§ ber eben be5ei($neten 2Bat)rt)eit, fonbern
eine 2lnfid)t, lüeld^e in ber ^er^iüeiflung an einer bfeibenben ob-
jectiüen Söaljrljeit ober rcenigfteng Sföaljvljeit^evfenntnife für un»
3)^enfc^en iljren ©runb Ijat.
^iefe ©eifte^rid^tnng nun, bie \)a§> (i(;ara!teriftif(^e nnferer
3eit ift unb auf bem ©elnete ber natürlid)en SBnI;rl)eit ebenfo an
einer fi(^ern 2öat)rt)citöer!enntni^ Deräraeifelt roie bie t)orl)er ge-
fd)ilberte auf bem ©ebiete ber (^riftüd)en 'löatirtjeit, Ijat ä^n-
i\6) n)ie le^tere im ^roteftantenuerein, and) eine ^erbinbung in
bem :^0i3ent)ereine, in bem gveimaurertljume, foiüeit nämli(^ bas-
felbe in bem ßemöfinlidjcn Sogenleben ben 3}Iitgliebern fnnb roirb.
©ans ^^^ ^^^ ^roteftanteuüerein ein 3]erein angeblich für ßl)riften
ift, o^ne nur eine einzige (^riftlii^c 2öal)rljeit gur SSebingung ber
3Jlitgliebfd;aft ^u machen, gan^ fo n)i(l ber 9}laurerbunb ein ^er=^
ein affer 9)ienfdjen fein ^ur Pflege be^ l^umaniemuCv aUe§> ©nten
unb ^djönen in ber SJtenfdjljeit, oljne nur eine einzige Ijö^ere
^ernunftmaljrbeit über 't)m malfiren (l^runb be^ ©uten unb (Sd)ö=
nen feft^uljalten. ©er $roteflantent)erein mit feiner 5ßoI!ö!tr(^e
ift ein SSerein pon Sljriften, mo jcber über (E^riftu^, ß;f)riftent{)um,
(Etjriftenleljre, ßf)riftengnabe benfen !ann , rt)a§ er miE; alfo ein
angeblid) djriftlic^er i^erein, oI)ne ba^ ein d)rift(id)er ©ebanfe bie
STtitglieber Dereinigt — ein SBiberfprud) in fid) fclbft. €o ift bie
Soge ein SSerein, ber 'i:>tn 3}lenf($en gu feinem ]E)öd)ften meufd^en-
roürbigen ©afein, jur Ijödjften fittlic^en Sßürbe erljeben n)iff, ofjne
anä) nur bie not^roenbigfte ©runblage aller 6ittlid;!eit, ben
©lauben an einen perfönlidjen (^oti von ben TOtgliebern in forbern ^).
Uebrigen^ finb beibe Vereine naf)e nevmanbt: ber ^roteftanteuDerein,
— ber organifirte d;riftlid;e ScepticiiC^mu,«, ba^5 greimaurertljum —
ber organifirte ^^ernunftfceptici^mu^S beim ber ScepticienuijS ift
1) ^ic brci öi'o|3cn SJhitterlogeii itt 33erliii galten nccl) [djcinbar
ba§ dn-iftlidjc ^riuciv fc[t, b. f}. bie 33ebinguni], baf] ein 3)Jitgricb (Sfjrift fein
muffe. 2;iefe 2lnfcrbening ift a&cr in ber lleOunii gang liur!iuuv?tco gelüor-
ben unb faft in aikn Sogen aufgegeben. eiefteBt and) mit ben „alten ^flid):
ten" gana im 2Biberfv>nid;) unb ift nuv fpäter eingefüf^rt. Siebe hierüber bie
i^reimaui'erfd;rift Satomia, ^^b. 2G. S. 1 ff.
— 07 —
überall berfelbe. ^eibe rcben t)on (^(jviftii^, ß^riftentljum, ^ird^e,
©Ott, Steügion, ^^ot^iöetibüjfdt berfelben , in fllcid) über-
f(^tx)änßli($er SBeife, beibe geljen aber baüon au^, baß man t)on
aUcn biefen Ijerrlic^en ^iiu]en eUn md)i§> ©eraiffe^ raiffen fönne.
^a§ aber eine ^Idjtung ror S)inoen, raeld^e fo ungeraig finb,
ba§ jebe 2lnfi(^t über fie gleid) gut ift, gu bebeuten Ijat, üerftet)t
fii^ Don felbft. 53eibe 3]creine arbeiten bat)er au«^ für einan-
ber. ^er ^roteftantenucrein mit feinem $roje!te einer 5>ol!§s
!ir($c ift eine ©ytenfion ber Soge in^ d;riftUt^ proteftanlifd)e
Sßol!; eine ^orljalle für jene, beren gu^befleibung gu fdjmugig
ift , um in bie geraeif)ten 9täume ber Sogen ein§ntreten ; er ift
ber mit bem Sd^eine ber d)riftlid)en ^irt^e §ugebedte , unter
i()m üerftedte Q.serfud^, ba^ gläubige proteftantifd^e SSolf unter bie
§anb ber Soge gu bringen, ^aljer ftcl)en aud) Sogenbrüber
überall an ber ©pi|e ber 53en)egnng jur ©rünbung ber neuen
^o[Ut\xä)e. ©ine SJlijfion von (El)riftu^3 !)aben fie ba^u gemife
nid;t, ob fie eine TOffion ber Soge baju Ijaben, fteljt ba^in.
Uebrigen» !ann unl biefe SSer^meiflung be» fit^ felbft über-
laffenen menfd)lic^en ©eifte^o, aEgemein giltig unb objectio üoHs
fommen ridjtig bie Seigre Qefu unb bie Ijö^ern ^Senunft^roa^r-
l)eiten über ©ott, Urfprung unb 3^^'^ ^^^ 3Jlenf^en erfennen ju
fönnen, nii^t überrafd;en. ©^ liegt tl)r t)ielmel)r eine relatioe
9lott)n)enbig]feit gu ©runbe unb fie fonnte and) j[e|t erft in biefer
SluÄbeljuung ben ©eift ber 3Jlenfd)en erfaffen. ©er 3Jieufd)engeift
toar im Slltertljume hti feinen gorfi^ungen nie ganj frei üon
jeber Seitung. @r ftanb üielmeljr unter jal)(lofen bered)tigten unb
unbered)tigten beftimmenben ©inflüffen. ©ie uralten ^rabitionen
bCiS 2}^enfrJ^engefdjlec^te^3, bie Staatlreligionen unb ha^ ©taatjS-
wefen, W 3Jleinung ber 3Sorfal)ren übkn auf ben ©ebanfenfrei;!
ber 3}tenf(^en hen tiefeingreifenbften (Hinflug. S)a§ mar feljr ua=
türlid), ha ja ha§> ganje 3Jlcnf(^engefc^led)t, je nü^er c» feinem
Urfprunge ftanb, bie ©inbrüde jener Slutorität in fid; tragen
mu^te, bie e§> burd^ il)re 2lllmacl)t au§ bem 9ti(^t§ in§ ©afein
gerufen {)atte. @rft ßljriftu^ l)ai ben mcnfd^lid^en ©eift von
a\itn falfd)en Slutoritäten befreit; freilid^ nur in ber 2lbfid^t, um
if)n ber maliren, göttlid^en Slutorität ganj §u unterroerfen. "^enn
nun biefer ^hnfcliengeift, ber uon feiner ©efd)id)te, feiner ^rabi=
tiort, feinem 2lnfel)en ber 58oreItern mel)r getragen ift, ber feinen
6tols barin fe^t, nii^t^ mel)r al§ Slutorität gelten gu laffen, fid^
— 68 ~-
au$ von biefer ßöttltd&en 5lutorität tu (E^riftu§ lo^madjt, fo fann
eg nur gu leid)t gefd^e^eu, ba& er enblid^ bei ber ^ergmeifluug
an ber 3Jtö9lid;!eit einer bur($au^ fiebern ©rfenntnife ber ^ö^ern
2öa{)rl)eit anlangt.
S)er nienfd^lii^e ©eift gang auf fid; angeraiefen, ift nnb bleibt
jroar befäl^igt, SBar^l^eit ju erfenuen, nnb er verliert befeljalb
nie ganj biefeö ^eraufetfein; er ift aber and) bem grrttium un=
terroorfen. ßr fann \iä) n\d)t üer^e^len, raie Diele 3}iitmenf($en
von feinen '^n\id)kn, mögen biefe nod) fo reblidö fein, abroeii^eu.
Sßie leidet fann il)u ha in hen Ijödjften nnb loidjtigften gragen ber
graeifel befi^leic^en, ber ©ebanfe : Qft ha§> raaljr, raa^ 'i)n benfft,
!5nnte e^ nid)t auber^ fein? gerner ift ber nienf(^(ic^e ©eift
nid^t ber abfolute ©eift, nid^t ber ©eift, ber an unb au§ fic^ eroig ber^
felbe ift, eroig unb unronnbelbar bie 2ßal)rl)eit erfennt. 2Bie oft ha^
gegen roirb ber 3)ienfd; baran erinnert, bQ§ fein teufen an unb
an§> fid^ fel}r Ijinfcidig ift; roie oft fiel)t er felbft im ^^erlaufe
be^ eigenen Seben^ feine Segriffe, mit benen er bie ^ingc
f äffen roill , fid) änbern; roie oft finbet er, ha^ biefe Segriffe,
bie gorm feiner ©ebanfen üon 'ücn S)ingen, nid;t objectii)
rid^tig, ha^ fie §u flein ot>er in roeit ober gar unoernünftig
roaren, bajß itjuen 3}lomente fehlten, bie ju bem 3Befen ber
^inge geljörten. Unfer ganje» 2cben ift ja ein Sftingen nac^
biefen objectio rid)tigen Segriffen, ^enn nun ber menfdjlic^e
©eift babei gan§ fidj fclbft iiberlaffen ift , roie feiten roirb e^ bann
in ber Sage fein, mit jroeifedofer ©eroiglieit fagen gu fönnen: Qdö
befi^e j[egt bie 2öal)rl)eit, roie fie an fid) ift, roie fie für mid^ unb
für alle ift, roie fie eroig bleiben roirb. ^a^ ift faft unmöglid^
für ben gan§ fid) felbft überlaffenen 9Jlenfc^engeiit. Söie fe^r ift
er bann ber ©efaljr au^gefel^t, ba§ nad) langem vergeblichen
Sftingen jeneö fd)redlid;e ©djidfal aud; iljn treffe, roeld)e^ un^
ber Slpoflel ^aulu§ üon jenen Reiben fd^ilbert, bereu „Ser*
ftaub mit ginfterniB t)erbuu!elt ift," „bie eutfrembet finb bem
2ehcn @otte§ burd) Unroiffenljeit, bie blinb finb in iljrem gergen
unb enblid^ in ber Ser^roeiflung an ber 2Bal)rl)eit fid; allen
Süften be^ Seben^ l^ingeben^)."
<So notljroenbig bebarf ber Wlcn\d) einer göttlichen Leitung auf
bem Sßege gur 2[i5aljr]^eit , fo tief entfprid^t bie £e^re ber d;rift*
1) epl^ef. 4, 18. 19.
— 69 -.
Ii$en ^ir$e Don il^rer unfeljlbaren Sc^irautorität bem imierften
SBebürfni^ ber Bede be^ SJJenfc^en, ^a0 ift 't)a^ „©ntroeber
— Ober" für ben 3}tcnfc5en9eifi :
©ntroeber er folgt ber ©timme (Sf)rifti, bie gu il)m rebet.
^ann rcirb er felbft ben grieben firtben, oon £{$t ju 2\^t, t)on
©eimfeljeit §u ©eraiglieit f ortfi^reiten , in jene glüdfelioe geiftige
SSerbinbnng eintreten , bie fo ijiele ©eelen bnr($ alle d;rifilid^en
3Ql^rl;unberte anf Grben nnb im gimmel mit (S!)riftn§ cerbinbet,
bi§ er felbft gnr eroigen 2lnf(^auung be§ eroigen Sid^te^ gelangt;
Dber er folgt nur fid; nnb bem £id)te feiner SSernunft.
^ann roirb i^n ber 3"^eifel verfolgen nnb raftlo^ treiben bis
ans ßnbe feines ©afeinS ; bann roivb er t)on einer 3)kinung jur
anberen roie Dom Sßirbelroinbe uml)ergetrieBen roerben; bann roirb
er in ber ^erjroeiflung an ber SSa^rf^eit unb an feinem (Seifte,
an aUcn Ijöl^eren ^'i^een, fic^ blinblingSin bie 9)laterie ftür^en; bann
roirb er alle geijligen 33anbe gerreifeen, roelc^e iljn mit anberen
9}lenf(^en vereinigen nnb enblid^ ein Sltom unter rielen anberen
Sltomen werben, bie alte üereingelt auf eigenen Qrrroegen roanbelm
3e meljr biefer ©eij^ beS ScepticiSmnS, ber S^erjroeiflung
an l)öl)erer 2öal;rl)eitoer!enntnig in nnferen ^agen zugenommen
I)at, befto roeniger !önnen roir uns rounbern, ba§ ©ott roieber
in an^erorbentli($er 2ßeife gu ben SJJenfc^en reben roiH, um fie
üon biefen Qrrroegen äurüd^ufül^ren.
VII.
®f$rn|latt?) ititb ffirenjcn bcs ttttfel)ll)arrn £fl)raittteö ber Ätrd)e.
„©Ott ter §crr bracMe l^crüor . . bcn 33aum be§
2e6en§ in ber STcitte beö ^arabie|e§ unb ben 93oum
bei- (Srfenntni^ be^ ©utcn unb beä Sbfen xmb ein
^lu^ ging auä com Drte ber SBonne, um baä ^arabieä
gu beitJäffern." 1. 3?Jof. 2, 9 f.
§ie tjcilioe €d)rift kßinttt bie ©efdjiditc ber 9)lenfd)I)eit
mit bctn irbifdjen ^^arabiefe. 6ie ie\o,t ur\§> in bemfelben einen
„^Qum be§ SebenS'' unb einen „33aum ber ©ifenntnife be^ ©uten
imb SBöfen^).'' ^urc^ ben ©cnuß t)Dm S3annte bes Sebens^ fol(=
ten bie 3Jienf$cn ba§ Seben fid) beraaljren. ©ie bnrften aber
» nur fo lange t)on bemfelben effen unb baburc^ ba§ Seben, n)eld)e^
nuS einer übernatürlidjen ©emeinfdjaft mit ©ott, bem emigen Seben
unb ber alleinigen üuelle alle.^^ Sebcn§ cntfpringt, aU fie im
©e^orfam gegen ©ott fid) erl)ieltcn. Wdt bem Ungel)ovfam marb
ber 3Jlenf$ au§> bem ^arabiefe vertrieben, „bamit er ni$t me()r
uel)men fönne oon bem ^aume be^ ßebene unb effe unb lebe 2).'''
5)enn er mar je^t bem ^obe, ber Trennung üon @ott verfallen.
Sieben bem 33aume be§ SebenS unb ber ©ilountnift feljen mir bann
no(^ bcn Strom, ber von bem Orte ber SBonne au»gel)t, „um
ba§ ^arabie^ 5U boraaffern ^)/'
2öie bie göttlid)e Offenbarung aber mit bem 2lnfang ber
irbifd)en Sjinge beginnt, fo fdjliefjt fie mit bem ©nbe bcrfelben,
mo fie in bie ®roig!eit übergeljen. 2öie ba!)er bie erften ^üd^er
üom irbifd^en ^arabiefe reben, fo reben bie legten '^üd)er ber l)eili=
gen 6d)rift com eraigen $arabiefe, üon bem jene« nur ein ^or=
bilb mar. SDaburc^ eilcuneu mir nun mit tJoHer Älarl^eit ben
1) 1. 2«of. 2, 9. — 2) 1. 3)?of. 3, 22. — 3) 1. 3}?of. 2, 10.
— 71 —
waljren erijabenen 6iun jeuer Ssorbilbcr im erften ^arabiefe. ®a
^eigt Ulli ber Ijeilige QoIjauueS „beu neuen §immel unb bie
neue ßube, bie Ijeilige <Bia\)t, bal neue Qerufalem/' ,,bQ§
3elt @ottey bei ben 3JJenfd;en, wo er bei iljuen raofjut unb fie
fein ^ol! finb, unb @ott felbft mit iljuen i()r @ott ifl unb jeg=
Iid)e ^fjräne von i^ren Singen txoänet^)/' S)ort ift er bol
5llpl;a unb bal Dmega, ber Slnfang unb t)ay ßnbe. @r gibt
bort bem ^ürftenben au^ ber üuefle be§ Söafferl beio Seben^^).
^ort ift bie .gerrlicbfeit ©otteg unb ha^^ Sendeten berfelben ift,
wie bal Sidjt fid) bricht in ber ^arbe aller ßbelfteine nnh ^xiy-
ftatte^). U]ib einen 3:;empel fa^ er nid^t, benn ber §err ©ott,
ber 2lllmäd)tige i\i ii)x Tempel unb ba§ £amm. Unb bie Stabt
bebarf nid^t ber ©onne unb bei 93Zonbel , bog fie iljr Ieud;ten,
benn bie §errlid)feit ©ottel erleuchtet fie unb iljr Sic^t ift bal
£amm^). S)ann fiel)t ber ^eilige Soljannel einen ^trorn le=
benbigen Söafferl. (Er ift IjcE rcie^njftall unb er geljt an^^ von
bem %f)xom ©ottel unb bei Sammel. 2ln biefem 6trome fte{)t
luieber wie im ^oraDiefe ber SBaum bei Sebenl, unb bie 33lätter
'i)c<^ 33aumcl finb gur Heiligung ber Golfer. Unter biefen fte^t ber
^fjron ©ottel unb bei £ammel unb fie finb feine Wiener. Unb
fie feljen fein 2(ngefid;t unb tragen feinen 'Ramcn auf il;rer @tirne.
Unb ^lad)t ift nidjt meljr, unb nur me()r £i($t, bal von ©ott
fetbft aulftraljlt, unh fie [)errfi$en mit if)m von ©roigfeit ju
(£-rüig!eit5). ^a§> ift bal ^immlifdje ^arabiel. öier finb aile
Silber unb 3Sorbilber in ber 3^atur unb Offenbarung im
alten unb neuen Sunbe oeridirounben. ®a ift ©ott allel; ba ift
!ein 3^^t, Mn Tempel, ba ift fein ^arabiel , ba ift fein Sidjt
unb fein Sßaffer, ba ift fein jörob unb feine Ütaljrung, ba finb
nfle 3<^^^^i^/ ö^fß Sd;atten, alle Silber üerfatlen, ba i]t nur bal
eroige Sendeten ©ottel unb bei Sammel unb bie eroige @ommu=
uion ber ©efdjöpfe in ber STlieilnaljme am Scben ©ottel felbft.
3»t)if d;en jenem erften ^arabiel, von bem 3}^ofel er^älilt,
unb biefem legten eroigen, von bem ber I)eilige 3 o Ij a n n e I rebet,
fte^t ber alte unb ber neue ^unb; ber alte all @d;atten
bei neuen, roie biefer roieber in geroiffem Sinuc @d;atten bei
eroigen ^unbel im §immel ift. 3Bir fonnen unl baljer nid;t
1) Dn'enö. 21, 1—4. -2) 31 a. C. «cr§ 6. — o) 2(. a.D. SBer§ 11.
4) 3(. a. C. 3^er§ 22—23. — 5) Cffenl). 22, 1—5.
- 72 -
wunbern, mnn wir au$ in biefer Qäi bcr SSorbereitung auf
baö ewige ^arabieS in ber ^irdje ©otte§ göttlid^e Snftitutionen
finben, bie m^ il)rem SS^efen unb iljver ^ebeuturtg ganj mit jenen
S3ilbern im ^arabiefe unb i^rer (Erfüllung im eimgen 2ehen 3U=
fammcnf aßen. 2tu$ bie ^ird)e ©otte^ auf ©rben tjat ben £eben§=
bäum im aller!)eiligflen Slltarfacramente, beffen gvuc^t mir effen,
unb baburdö ernige^ 2thm unb Heiligung erlangen. Sluc^ bie
^irc^e ©otteiS 't}ai itjren ©trom lebenbigen 333affer^, ber t)on bem
^^rone ©otte^ unb be^^ Samme^ au^ge!)t unb in ben fieben
Sacramenlen fic^ über bie ©eclen ergiefst, Sind) bie ^ird}e ©otteS
l§at il)ren SBaum ber ©rfenntnife in bem Sel)ramte ber ^ird^e.
Sßer fi($ i^m untermirft, erf)alt gutritt §um Seben^buum, mer ii^
il)m nidjt unterwirft, barf and; bie grudjt be§ Lebensbaumes ni$t
genießen. 2Bie an bem S3aume ber ßr!enntni6 baS ©utc unb
äöfe offenbar mürbe burd; @eI)orfam ober Ungel^orfam, fo wirb
auc§ an biefem kannte ber ©rfenntnife, an biefcm göttlid^en ßeljr-
amte baS ©ute unb Söfe in unS offenbar, je nad)bem mir unS
i^m im ©eljorjam unterwerfen, ober in ©mpörung unb ©tolj
beS ©eifteS nn^ bagegen aufleljuen.
Qe wichtiger aber biefer @eI)orfam gegen bie ^irdje ift, je
fdjwerer e§ bem 3}lenf($en fällt, feinen geiftigen ©tolj, weld^er fid),
wie ber 5lpofteI fagt, gegen bie ©rfenntnig (3oik§> erliebt^, ju
überwinben unb ben 35erfianb im ©eljorfam gegen ß^firiftuS ge#
fangen p geben, befto not()wenbiger ift cS, oon bem Umfang
biefer göttli$en Seljrgewalt einen wahren entlpred)enben begriff
gu l)aben unb aEe irrigen 3]orftelIungen fern p galten, ^nä)
l[)ier fönnen wir baS Sföort beS gerrn anwenben, bag fein Qod^
fü6 unb feine SBürbe leii^t ift 2). Söenn bennod^ 3)ielen ber ©e*
ban!e unerträglii^ ift, it)ren ^erftanb (Et)riftu5 unb feiner ^irc^e
gefangen p geben, fo fommt eS nid;t feiten bal)er, weil fie von
bem Umfange ber Sel)rgewalt ber ^irc^e gan^ irrige ^Begriffe
l)aben. ©S ift ba^er wid;tig, i^ren waljren ©egenftanb wie il)re
©renken genau gu fennen unb ju wiffen, welcl)e SluSfprüdje ber
Äird^e wir als 2IuSfprü(^e il)rer unfel)lbaren ße^rautorität aner-
!ennen muffen.
2)ie ^irdie Ijat als bie üon G^riftuS gegrünbete Slnftalt,
um feine £el)re ungetrübt unb rein bis an baS (^n'i)e ber 2öelt
1) II. eor. 10, 5. — 23 maii^. 11, 30.
- 73 -
atten SSöÜern gu t)er!ünben, eine breifad)e Slufgak er^altctt.
©ie ift bie von ©^riftiig kftelltc 3^"9^^ f^i"^^ Sel)re, fie
tft bie von i{)m befteHte ^^id^tevin über ben n)al)ren 2^i\)a[t
feiner £ef)re, fie ift eriblii^ bie Setjrerin feiner gött(i$en Se^re.
^iefe breifai^e 2lufgQbe geigt itnS md) ben (SJegenflanb unb
bie ©renken i^ver Seljrantoritat. 2Bir muffen fie nnter biefem
@efi(^t^pun!te nö^er Mxaä)Un, felbft auf bie ©efQ!)r l^in, einiges
§u Wieb erholen, roa^ mx bereits angebeutet l^aben.
<Sie ift erftenS bie t)on S^riftuS befteUte g^itgin feiner
2e1)xe unb foll als fotd^e t»on berfelben a\i(n 3}?enf($en bis in ben
fpöteften ®efd)Ie($tern mit berfelben Sic^erljeit unb ©ewifetjeit .^unbe
geben, wie eS bamalS gefc§ef)en, als ©l)riftuS felbft fie üerüinbete.
S)er ^eilanb fagt über ben Qwed feiner ©rfc^einung auf ©rben:
„^a^n bin \ä) geboren unb baju in bie 2öelt gefommen, um von
ber SBalirljeit 3ß"9"i6 abzulegen. 2öer immer ouS ber ^a^x-
Ijeit ift, ^ört meine stimme ^)." ©r ift ein »oHgiltiger 3^"Öß
für bie Sßaljrlieit. ba er ja als @ott bie 2öal;rl)eit felbft unb ein
emiger 3^^9^ ^^^ göttli(^en SebenS in ber allerl;eiligften ^rei*
faltigfeit ift. 5lber maS ^tk unS allen, bie mir ni(^t mit
iljm gelebt, nic^t i^n , biefen ©otteSfoljn, gefeljen nnb gcljört
I)aben, bief eS 3^"9"i6 Ö^^ii^t, menn mir nur fold^e S^n^^n fein er
Sel)re l)ätten, bie mie alle 2Jienfd)en an fid^ bemQrrt^ume unter=
roorfen mären. (Sine ^laä)x\ä)i, meldte mir gebrai^t mirb, l)at, fie
mag an fid^ nnb i^rem tlrfprunge na^ no(^ fo gut bezeugt fein, für
mi$ bod; nur bie ©laubroürbigfeit beS legten Sen^zn , ber fie
mir bringt. 3ft biefer bem ^rrtl^um unterroorfen ober felbft un^
glaubroürbig, fo bleibt fie mir ungeroig, fie mag in il^rem Ux=
fprung no(^ fo gemig fein. SBenn bal^er baS ^^«gnig 3 e f u
©Ijrifti für bie Sßatirljeit aller fpäter lebenben SJ^enfdjen nid^t
mieber oerloren gel)en ober menigftenS gan^ nnfid}er werben foHte,
eine 2lnnal)me, meldte eine übernatürliche Offenbarung gmecfloS
unb folglidf) unoernünftig madjcn mürbe, fo mußte er für alle
fpätere Qdkn S^^Ö^^ ^it einer öl)nlid)en ©laubroürbigfeit , mie
er fie felbft als ©ott=9}^enfc^ l)atte, für feine ßel)re auffteden.
®aS maren unb finb aber bie 2lpoftel unb bie „auf bem gunba--
m ente ber SlpofteP)" in ununterbvodjenem gufammenl^ange, mie ein
©tein beS ©ebäubeS ben anbern trägt, auferbaute apoftolifd;e
1) Sol^. 18, 37. — 2) e^rjef. 2, 20.
— 74 -
^ird^e, wel6)e ß^riftu^ felbft wie bajo ^oupt bie ©Heber sufnm=
inenljolt i), unb in raeld^er ber ©eift ber 2öat)rlje{t (jegenroärtio ift,
um fie „alle^ gulelfiren unb an a Heg 3U erinnern 2)/' raaö Gljriftuö
gelehrt l)at. 5I(^ S^i^ö^^ ^^^^ f^i^^i^ S^^^i^ß w«b feinem SOöer!e l)at
er feine SIpoftel in bemfelben feierlidjen 3Ingenblicfe beftctft, aU
er bieSBelt üerloffen raoflte, unb iljuen nodi ple|t ben Sluftracj
n)iebert)olt, feine £eJ)re allen ©efdjöpfen ^u t)er!ünben. 3nbem er
auf bie ^'erljoigung Ijinroie^, me\ä)e er il)nen vor feinem Seiben
gegeben, fprad) er : „3f)r werbet bie ^raft be§ fjeilißen ©eifte^, ber
auf eud) !)erabfommen mirb, empfangen, unb iljr raerbet mir
3eugen fein in Qerufalem unh in ganj 3ubäa unb 6amaria unb bi§
an Ue ©renken ber ©rbe 3)/' ©nio mar bie 3(u^3rüftuiig, bie
armatura Dei^), mie ber ^Ipoftel fie nennt, für ba^ 5IpüftoIat, unb
ba§ mar ber luftrag, bie ©enbung : bie Slu^rüftung, ber l)eilige
©eift felbft mit feiner göttlidjen Straft; ber Stuftrag: ,,^[)x foat
mir Senge fein." €0 ift e^ , fo bleibt e§, üon feiner <oimmel=
fal^rt h\§> gu feiner Sßieberfunft. ^x§> baljin ift bie £ir($e,
mit il)rem gunbamente, ben Slpofteln, auf ©rben bie Qeno^in
Sefu. 2ßag (£[}.riftu§ burd) feine ©ottljeit mar, alfo aug fid)
felbft, S^uc^e ber eroigen 2öal)rl)eit, ift bie 5lird)e, fo meit fie
an§> 3}^enfd)en befte^t, nidjt au§ fid), fonbern burd& bie Straft
3efu (S^rifti; unb roie (E^riftu^ St'Wflnife ablegt von fid) felbft,
fo legt bie Slirdje 3^i^Ö^^^6 ^^ ^o" ß^riftu^. 21B 3^^!^^^ (Sljrifti
traten bie Slpoftel gleid) nad) bem erften ^fingftfefie auf. „liefen
3efu§ '{)at ©Ott aufermedt; befe finb mir alle Sengen^)." ®a§
mieberljolt Der l)eilige $etru§, fo oft er öffentlid) rcbet: „^2öir
finb 3^"9^^^ ^0^1 allem, ma§ er im Sanbe ber S^^^en unb in
Serufalem getrau ^at*^)." 2ln bie ©teile be§ ^errätl)er^ 3uba^
mirb 3)lattl;ciu§ gcmäljlt, bamit er mit ben Slpofteln ein S^'wge
ber 2luferftel)ung ^efu'') fei. ®iefe§ S^^^n^ife Ijaben bie3lpoftcl
fortgefe^t in ber ^ird^e burd; (Ijre 3tad)folger bi^ Ijeute. ^äe
Äirc^e aber, inbem fie S^^^P^fe Ö^'^'*^ ^^n 3efu^3, feinem Scben,
feinem 3:^obe, feiner Sluferftel^ung, !ann immer mie bie 5lpoftel
fagen: „5öa!§ mir geljört, roa^o mir mit unfern Slugen
1) ©pM- 4, 15 f. — 2) So^- 14, 20. — 3) 5(poftcr(i. 1, 8. —
4) ep^cf. 0, 11. - 5) 2lpL>ftcIg. 2, 32; l^gl. 3, 15. — (>) 2lVo[tcl9. 10, 39.
wnb 5, 32. — 7) 3(poftfl9 1, 22.
<0
gefeljen , wa§> . . . unfere gäiibe hmi^xi I)akn , . . baö be^
geiujen unb t)er!ütiben wir cu^ ^) " €ie ift biefelbe in iljrem
Slnfanije unb Ijeute; fie ift ber leknbige Seib (Et)rifti, fie ift in
i()rem Slnfange ^nräeit ber 2(pofte( 3^"9i^ ^^^ Sebenl, bergim-
melfalirt Qefu ßcircfcn, wie fie einft S^^Ö^" ff^^^^^* 2Sieber!unft
fein rairb. (Sie begeuöt allen ^sölfern, iua§ fie felbft non Jjefu^
gefeljen i^at. SSenn aber (^f)riftu5 felbft feine ©(anbraürbigfeit
bnr(^ (Srfüüuno aller ^roplje^eiljungen be§ alten ^unbe§ unb
burd) 2Bnnber, jule^t burc^ feine Sluferfte^nng beftätiöt l^at, fo
trägt aud) bie J!ird}e in iljrem ^efteljcn feit ac^tjeljnljunbert 3al)ren,
in iljrem raunberbaren Seben, baS eine offenbare (Erfüllung aller
^erljeif^ungen Sefn ift, ha§> überatt ©otte§!raft unb G)otte0=
iDirfen be!unbct unb and) bie SBunber 3 ein in bem 3Bir!en
ber «geiligen burdj aöe Sabr^unberte fortfe^t, — in il^ren
üier großen 3)ler!malen ber (Sinljeit, 5Illgemeinl)eit , Slpofto-
licität unb ^eiligfeit ha§> Ijödjfte unb übernatürlidje Siegel ber
©laubraürbigfeit an ficb. 9iid)t von einem tobten Su^ftaben
wirb auf ©rben ba§ :^eben bes ©ottmcnMjen bezeugt, fonberu
tion ber ^lirdje, bie ba^> Siegel ber ©öttlidjfeit an fid) trägt.
■5)ie ^irdje ift g weitend bie t)on (EliriftUiS beftellte dlid)-
teriu über bie n)al)re Seiire ^c]vl bei eintretenben Streitige
feiten, über il)ren 3nl)alt unb Sinn. ^a§> ift eine notl)men=
bige golg<> ber eben befprod^enen 3Sollmad^t. 2lUnnt bie Äircbe
allen SJfenfc^en eine beglaubigte ScuQxn ber maljren Sel)re 3efu
fein fon, fo mufe fie audi bei entftel)enben Streiti;.]feiten über
Sinn unb 3nl}alt biefer Sel)re eine üon ßljriftu^ beftellte 91id)=
terin iein. ^er göttlid^e $eilanb, iDeldjer irollte, bafe feine
£el)re alleu 3)lenfd;en unb 33öl!ern bi» an ba^ ©nbe ber 5\>elt i)er=
lünbct mcrben foQte, mu^te §ngleid), n)eld)e ©efal)r leine ßeljre
uor allem bebroljte. Sd;on an fid) max e§ ber Diatur ber ^inge
nadj nnmöglid), baf3 über feine Seljre, ba fie für bie fernften
3al)rl)unberte unb für alle ^^ölfer mit ben uerfc^icbenflen "än^
fiepten, Spradben, Gegriffen beftimmt mar, im ßaufe ber Qdi
nidjt bie oerfdjiebenften Slnfidjten entfleljen mürben. 2öo finbet
fic^ ein 58uc^, uor.taufenb Qaljren gefdjrieben, unter einem an^
bereu ^olfe mit anberen Sitten, in einer fremben Sprad^e, ba^
nid)t äu ben t)erfd)iebenften ^ilu^legungen Slnlag gibt. 2)a$u
1) 1. ^0^. 1, 1-3,
— 76 -.
tarn, bng er ba§ ^d^ ber Sßa!)r]^eit im Kampfe öegen ben
ßücieiigeift grihiben trollte, mib raie !ann hk fiüge bie Sßaljrl^eit
QTiber^ üU burd^ ©ntfteHuttg befämpfen. ©nblii^ raoHte er burd^
feine Seigre ba^ ^öfe, bie ©ünbe, bie Seibenfc^aften be3 ntenfclj^
liefen .gerjen^ überrainben, unb atte biefe böfen 9ftid;tun9ert
be§ 3)tenfd;enl;ergen0 mußten ^Buubeggenoffen beS SügengeifteS
Tücrben, um bie ßel)re S^fi^ ^od; i(jrem 6intie au^ul^i
gen. ©egraegen marnte ber §eilanb fo bringenb mx ben
falfd^^n ^ropl^eten, rael^^e auftreten mürben i). 2Bie i)ätte er
feine Se^re o^ne ]f){nrei($enbe§ @d;ugmittel gegen atte biefe ©e^
faljren einer ©ntfleüung (äffen fönnen, o^ne ef> ben DJlenfd^en, für bie
fie beftimmt mar, unmöglid^ gu mad^en, fie §u finben. ^t^raten
boc^ f(^on IUI g,e\t ber SIpoftel Qrrlcljrer auf, meiere bie ©runbs
lagen ber c^riftliijen Söa^rl^eit gu erf($üttem bro()ten; unb fo ift
e§ geblieben bnrd) alle Sabrljunberte. ^on ben erften ^eiUn an
erfannten bie dl^riften in ber ^Serfälfd^ung ber reinen Seigre 3 efu
eine f^merere SSerfoIgung ber ^irc^e, al§ fclbft bie blutigen e§
maren. 9^ur bie ^ird)e bema()rt ba^ göttlid^e ÜJlittel gur ^nU
fd)eibung biefer (Spaltungen. 2öer biefe^ 3JJittel nidjt aner=
fennt, ber mu§ nid;t nur für ft($ barauf üerjid^ten, unter bem
Söiberftreit galiUofer 6treittg!eiten über bie Sel)re 3efu, mit
©i(5erl;eit hk maljre p finben, er mu^ auc§ gugeben, bafe (5;i)riftuö
felbft huxä) feine ©inrid)tung e§ bem 3}^enfd}en unmöglid) ge=
ma6)t l)a5e, feine maljre £el)re mit üoUer ©eroiglieit ^gu er-
fennen. T)tefe§ 9}tittel ift aber fein anbere^ al0 ba§ bei bem
erften Streite auf bem apoftolifd^en (Eoncil angeroanbte: bie
©ntl(5eibung be§ l)eiligen @eifte§ burcj 'oa^ in ber ^ir$e
gegrünbete 2lpoftolat. ©er Slpoftel ^aulu^ fagt üon hen
d^riftlii^en 3öa^rl)eiten , bie er t)er!ünbete: „9Jleine 9iebe unb
meine ^rebigt beftanb nid)t in überrebenben SBorten menf^li($er
2Beic^l)eit; fonbern in (?rmeifung von @eift unb ^raft, bamit euer
©laube nitjt auf 9)knfc^enuiei5l)eit berul)e, fonbern auf ©otte^
^raft. 3nbeg lel)ren mir boi^ SBeieljeit bei ben 53oIIfommenen,
abn nidjt 23ei§^eit biefer 2öelt, nodj ber (SJrofeen biefer 3öelt,
bie in nidjte merben, fonbern mir leljvcu ©otte§ 2Beiöl)eit, bie
im (S^el)eimniffe verborgen mar, meldte ©ott Dor aller Qdt ju
unserer .fierrlii^leit beftimmt l^at^)." ®araug jie^t bann ber
1) ^aiif). 1, 15. — 2) 1. (Sor. 2, 4—7.
— 77 —
Slpoftel eine roidjtige golgening: „2ßer oon ben Wlen\6)zn m\%
wag be§ äTcenfdjen ift, al§ nur ber @nft be» 3Jienf$en, ber
in iF)m felbft ift? <Bo erfennt aud) feiner, raas ©otteiS ift, al^
nur ber ©eift ©otte^. 3öir aber Ijaben nic^t ben ©eift biefer
äöelt empfanöen, fonbern hm @eift, ber au§> ©ott ift, bamit
loir wiffen, xoa§> von ©Ott un^ getjeben i)V)". ^amit ift ein
für QÜetnal im tiefflen ©runbe bie llnmöglid)!eit für ben
SJlenfd^en nai^geroiefen , über bie Set)re .Qefu unb ii)xen Ijö^e-
ren übernotürlidjen Sinn nüt rein natürli^en Wittdn in^
Dieine gu fomnien. 9^ur wo ber ©eift ©otte^ ift, fann über
ben ©tun biefer Seljre entfdjieben raerben. §ier begegnet un0
baffelbe SSerpItnig. Sßie eine übernatürlidje %l)ai^aä)i il;rc
übernatürlii^e ©etüißljeit nur beiüaljvt burc^ einen Q^n^m,
ber eine f)ö^ere, qI^ blos menfdjlic^e Beglaubigung ^at, fo
!ann über ben roaljxen 6inn einer göttlidjen Offenbarung nur
eine l)öt)ere, von ©ott felbft in übernatürlicher 3Beife geleitete
Sel)rautorität ßntfd)eibung geben. ®er f\^ felbft überlaffene
3Jlenfc^engeift fann ebenfo wenig barüber entfd^eiben, raie ein
©efd)öpf nieberer Drbnung über baiS, raa^ bie Vernunft be^g
2}ien[d;en forbert.
S)ie Äird^e ift b ritten^ Dermöge \i)xe^ £el)ramte^ bie von
6l)riftug beftettte Se^rerin ber Söaljrljeit. ,,Sel)ret alle ^^ölfer^),"
„prebiget "oa^i (Suangelium aßen ©efc^öpfen •^)/' ©ie ^at bie
allein legitime ©enbung gum 2lpoftolate, im ©rofeen unb im
kleinen, in ber ^Verbreitung be^ ßl)riftent^um§ unter aßen
Golfern, mie im Unterricht be^ diriftli^en 3Sol!e§ felbft. D^ur
fie l;at bie 3}lijfion von (Sl^riftuS unb begt^alb nur fie eine
red)tma6ige 3)tiffion. 3Son aU^n Slnbern, bie oljne biefe 9)Jiffion
lel)ren, gilt, rva§> bie ^Ipojlel auf beut apoftolif($en (Soncil
an jene 3ubend)riften nad) 2lntiod)ien f($rieben, meldje bie ba^:
malige Streitfrage üeranlafet Ijatten: „^ir l)aben geljört, bafe
Einige, ■rr)eld)e von un^ ausgegangen finb, eud) hnxä) iljue £e§ren
beunrul)igt unb eure ©eifter tjenoirrt Ijaben; benen mir aber
feinen Stuf trag gegeben l)atten^)."
Slu^ biefer breifadjen Slufgabe bei unfeljlbaren Sel;ramtcg
ber Äird^e ergeben fid) nun m^ bie ©renjen ber II n-
1) Sr. a. D. 3Jer§ 11. f. - 2) üTatt^. 28, 29. - 3J maxt IG, 15.
— 4) 2(^^D[terg. 15, 24.
— 78 —
fe^lbar!eit ber ^irdje t)on felbft. SBir f äffen fie in brei
®runbfä|en ^ufammen.
(Srfteng: ^er auefd)lie6(id)e ©egenftanb ber Unfe{)lbav!eit
ber .^ird}e ift alfo bie übernatürlid^e Dffenbavnnt], in^befonbere
bie Se[)re Qefu, bie geoffenbarte ©lauben§= unb 6ittenlef)re.
®ap geljört, raeil fonft bie .^irc^e biefe iljre ^lufgabc, bie 2eE)re
Qefu rein unb unuerfalfd^t §u erhalten, nid^t erfüllen fönnte,
not!)n)enbig auä) bie ßntfdjeibung barüber, ob ft(^ eine foId)e
©ntftcHung ber Seljre Qefu nnrüid^ in einem beftimmten Se^r-
fi)ftem üorfinbet ^). darüber Ijinaul gel)! aber nid^t bie Un-
fc^lbar!eit ber ^irdje, ©in treue» ilinb ber ^ir$e n)irb ^raar
Se^ren, welche in ber jlirdje ein gro^c^ Slnfeljen Ijaben üon
3}Mnnern , au^geseidjuet burc^ SiÖei^ljeit unb §ei(ig!eit , wx^
getragen unb uon ber ^\xä)e nidjt nur lange geit gebul=
bet, fonbern geförbert raorben finb, aud) bann fel;r in ©l)ren
l)alten, wenn fie fid) über ©egenftänbe verbreiten, bie nii^t
juni 3nl)alt ber gbttlid)en Offenbarung geijören unb ba§ um fo
mc^v, je inniger fie mit ber Offenbarung ^ufammcn l)ängen.
2Ber baoon überzeugt ift, bafs ber lieitige ©eift bie ^ird^e leitet,
wirb fdjioer anneljmen, ba§ Seljren, raeldie ein grogeg Slnfel^en
in ber ^ird)e lange Qni genießen, oljue ©runb fein follten.
(Sr TOirb fie bal)er nur nad) ber reifften Prüfung unb in 5!?olge
^raingenber ©rünbe üerruerfen. ^t\x\ac^ anbere» aber ift biefe
©efinnung, meldte ben §od;mut^ au^f^liegt, unb eixoa^ anbere^
bie ^f(id)t ber Unterraerfung unter bal unfel;lbare Seljramt ber
^ixä)e. 5I:iefe erftredt fid; nur auf bie ß^lauben§= unb ©itten^^
leljre ber übernatürlichen Offenbarung. 2)arau^ ergibt fid; aber,
toie fel)r Qene im 3rrtl)um finb, raeldje meinen, bie ^ird)e Tonne
unfer freiet ®en!en beliebig befdjränlen unb nadj Sßillfür alle»
S)en!bare iljrem unfeljlbaren Seljramte unterwerfen, ^ie geoffen^^
barteu 2öal)rl)eiten bilben nur einen 2::()eil t)on bem Slllen,
maö ber üllenfdjengeift 5U ben!en unb p erforfd)Crt uermag. ©ie
finb nur wie ©runbpfeiler , auf meld;e ber Wlcn\ä) ben 33au
ber (Srfenntnig auffüljren foll; fie finb oon @ott erridjtete ©äulen
auf bem SBege be§ menfd;lid)en 2ehtn^, meldte il)m bie Srrmege,
1) Xk fogenannteu bootnQtifdjen 2^at[ad)cn. ©onft wäre jebcc ^vvt
Ief;rer im ©tanbe, bie ©ntfdjeibung ber Äird}e immer burc^ bie $8er;viu^tung
Abauipenben, bie Äird^e f)aU ihn ni*t ridjtig ijevftanben.
bie imx ^erberben, unb beii raa^ren Söeg, TOeld^cr pm
^^ben füijrt, ^eii^en. greiüd^ fteljen fie mit onbern ^aijX'-
l)eiten in innerer ^.^erbinbnng , luw ber ß^rift, rcelcfier in ber
^ir^e bie Slnftalt @otte§ er!ennt, bel^ält begljalb niä^t bie ^rei-
Ijeit, anf anberen Gebieten be» menf($li(^en ©rfennen<5 mit ]id)
felbft nnb mit ben göttlicljen Dffenbarnnö^lel^ren in SSiberfprnd)
gu treten. ^a§ ift aber feine Hemmung üernünftiger grei()eit,
jonbern mir eine 5lner!ennung be^ auä) üim ber S^ernnnft geforberten
6a|e!o, ha^ eine 2[ßa{)rl)eit einer anberen 2öa!)rl^eit nic^t nnber=
fpred^en fann^). ^ie geoffenbarten ©lauben^mafirljeiten Ijemmen
nidjt ha^ SDenfen, fonbern geben, meit fie Sid)t unb 2ehm
finb , bemfelben rietmeljr feine (jödifte ^raft. ®aö bezeugt ge=
rabe aud^ bie lefete ^eriobe be§ 3)littelalter5. Sßenn ber Glaube
bie geiftige J!raft unb Energie ber 3}ienfd)en läi)mte, bann l)ätte
boc^ am @nbe be^ ^Tüttelalter^, biefem g^^^^^ter be§ ©lauben^,
eine geiftige Setfjargie t)orI)anben fein muffen, bie allen geiftigen
Sluffd^rcung xierijinbert l^äüe. ^al gerabe @egentf)eil mar ber
galL ©elbft noc^ 'Da^ ©nbe be^ Mittelalter^ mar bie Qeii
einer großen geiftigen grij'die unb Seraegung. ^ie ©rünbung
jal;lreid)er Uniüerfitäten mit itjren angefüttten §örfäälen, mit
i^rer 33egeifterung für bie 2Biffenf^aft; felbft ber .^umani^^
mu§, meld)er in fur^er QQ\t eine Steilje t)on Scannern l)ert)or=
rief, bie \\ä) ber alten flaffifdjen gormen ber 6pra(^e unb
ber Slunft mit einer 3}leifierfdjaft bebienten, bie ben SJleiftern be§
§eibentl)um!3 nid)t nac^fteljt, finb beffen geugen. greilid; fdjraoll
biefe geiftige Strömung fo l)oc^ an, baj3 fie bie ^ämme burd)=
bradj, bie ©ott iljr gefegt Ijat, unb baburd; \tatt fegen^reidj,
t)erberbli(5 mürbe. 6ie jeigt aber, bafe bie eraigen 2öaf)rl)eiten, wddje
ba§ unfel)lbare Sel^ramt ber ^ird;e \)ükt , ein Ijeilige^, göttlid)exv
geiftige^ geuer finb, melc^e^ ben ©eift ber 2Renf$en ni^t tobtet,
fonbern i^n entflammt im etreben nad) (gr!enntni§ unb 2öal)rl)eit.
3meiten§: 9^idjt alle^, ma§ in ber ^ird;e auc^ dou ®enen,
meiere eine (Senbung gum Seljramt l)aben, gelel;rt mirb, fällt
unter ben 33egriff ber unfeljlbaren Slu^fprüd^e ber ^ird)e, fonbern
nur jene (^ntfd^eibungen über "om roal)ren 3nl)alt ber Offenbarung,
roeldje fid^ anä) i^rer gorm nadj aU bogmatifd;e Sluöfprüd^e ber
1) 58(^1. 3Köl;tevö Sbrndoli! §. 3G.
™ 80 -
^xx^t !unb o,thtX[, 5)iefc Seftimmung ber ©renken be^ un^
fef)tbaren Mjtamte^ ber ^ird^e ift oon ^o^er Söid^tigfeit. ^ie
^ir(^e äugert it)r £el^r = 2lpoftolüt in ber mannigfaltigften gorm.
^alb üU \\t es burd^ ben cinfad^en ^riefter, balb bur(^ ben
^if($of, balb bur($ ben $apft; balb fd^riftlii^, balb münbli($.
©elbft jene ©lieber ber ^ir^e, raelc^c nlcl)t bur(5 bie SKeil^e am
Slpoftolate unmittelbar Slntl^eil l)aben, fönnen in einem geioiffen
^erl)ältni^ Drgane ber le^renben tird^e fein. 60 raar eS oft bei
^eiligen ber gall. ^a entfteljt alfo bie grage : Söelc^e ftnb jene
SluSfprüi^e, benen rcir imio qI» ©rflärungen ber unfel)lbaren £el)r=
autorität unterroerfen muffen? 5)iefegrage ift um fo roid^tiger, ba
eS feine anbere gibt, bei xotl^tx "t^a^ §öd)fte im 3i}lenf(^en, feine
SSernunft, meljr betljeiligt luäre. ^ie menfd)lid)e Vernunft, baS
§ö(^fte, ^eiliöfte, ©rljabenfte ber mentdyiicl;en ^jiatur, baS Sid^t
feiner ©eele, raoburd; biefe für "^a^ ^\6:)i unb beffen eraige Quelle
empfänglid^ ift, \^Q.i jiöci ©efa^ren. Einmal falfd^e Slutoritäten,
bie in ba§ G^iftige ^eili^tljum beS 33^eufd;en einbringen unb bort
baS Sidjt Derbunleln; sioeiteuy eine unbered^tigte Hnabliängigfeit,
tooburc^ bie ©eele unoermerft roieber galjßofe falfdje Slutoritäten
ber mujeorbneten ©elbfi^ 3Selt= unb 6innen=£iebe in fid^ sulägt,
rcäljrenb fie <^\(x\xhi, §errin gu fein. 3i^"^^tten biefer beiben ©e--
fal)ren betoegt fic^ bie innerfte ©efc|i(^te ber 3}tenfd^l)eit. Sßenn
ba^er ßl)riftuö in ber ^ird^e bem 3Jlenfd^en jum ^^)u%t ö^Ö^"
biefe ©efaljren eine n)al)re 2lutorität iy.'ithm wollte, fo rooHte er
jugleic^ bie ^Jlenfi^en fid;er ftellen, bamit unter biefem Scheine
uid)t toieber falfd;e Slutoritäten fid) bem Reifte ber 2)lenfd^en auf=
brängen fonnten. 9]i(^t atte Slcte ber Organe ber Selirgeraalt ber
^ird)e finb baljer 2lcte il)re§ unfel)lbaren Seljramte», fonbern
nur jene, bie fiel) als (Sntfd)eibuugen über \>n\ 3nljalt ber Dffen=
barung in ber redeten gönn !unb geben. 2lnbere 2luSfprüd)e ber
Seljrer ber Äird^e oljue eine fold;e gorm, weldje bie Slbfic^t einer
Sel;rentfdjeibung lunbgibt, faEen ni(^t unter ^^nx begriff ber un=
feljlbaren SluSfprüc^e beS SeljramteS. 5DaS gilt avi6) Don päpft=
lid^en ßrlaffen, mögen \xt an fic§, ba fie uom Dberl;aupte ber
Mrd;e auSgel)en, no(^ fo bcleljrenb, uod^ fo e'^rmürbig fein; baS
gilt bon politif d)en Sleu^erungen, welche in il)nen entljalten finb
unb tjielfad) mit ber jebeSmaligen SBeltlage jufammenl^ängen ;
baS gilt t)on t)ielen Slnorbnungen beS lanonifd^en Üied^teS. 3Bir
finben bort überall 5BeiSl)eit, 33elel)vung; loir finb, fo loeit fie
— 8i —
ba0 9fled)t ber ^{v(^e bilben, ©eI;orfam fc^ulbig, el wäre aber
überall» irrig, fie alle al» SIcte ber unfeljlbaren ^irdje an^ufe^en,
dritten ^: ©elbft bie unfehlbaren 2lug[prüd;e ber
üixä)e finb aber für xm§> nnb. bie 3)ienfc^l)eit ni$t fo fertig
unb abgefdiloffen, ba^ nid)t and) l)ier ein gortfi^ritt mög=
lid^ roäre. Slde 6ittengefefee ber ß^riftenljeit finb aU 2lu^-
brud beä ewigen göttlichen ©efel3e^ unraanbelbar, in §infi($t auf
ba§ Seben be§ einjeluen 3)lenfd;en unb aüer gefeüidjaftli^en
^anbe feinet Sufammenleben^ finb fie aber einer Entfaltung
fäl;ig, bie fid) im t)orau0 ni(^t berechnen lägt. @o finb aii^
aUe ®lauben^raal)rl)eiten al§ Slu^brud ber ewigen göttlid^en
2Baljrl)eit unraanbelbar, in §infic^t auf unferen @eift unb auf
bie roiffenfd^aftlic^e ©rfaffuitg berfelben fönnen fie aber raad^fen,
mel)r unb me^x, bi^ fie in§ eroige (5d;auen übergel)en. ^a^ ift
ber n)al)re befeligenbe gortfc^ritt: bie götttid^en\^eime , n)eld;e
(Sott in feinem ©efe^^e unb feiner ©lauben^lel^re uiebergelegt ^at,
immer mel^r im 2ehen be0 Einjelnen unb atter menf(^U($en Sn*
ftitutionen §u entfalten,
^a§ ift alfo bie ©renje be» unfeljlbareu Seljramte^; e^
erftredt fic^ erften^^ nur auf ben ^rei^ ber offenbarten ©laubenS^
unb Sittenleljre, in^befonbere auf bie Seljre Qe f u ; ^weiteniS nur auf
jene 2(u$fprüd)e ber tirdje, TOeld)e fid^ al^ bogmatifd)e (gnt=
fd;eibungen über bie ©lauben^- unb (Sittenlel)re für aße !unb geben,
^ritteng au^ bejügli(^ biefer er!lärten ©laubenB^ unb 6itten=
leiere finbet !ein 6till)lanb ftatt, fonbern il)re SInroenbung auf
bag 2tUn be§ ©injelnen unb ber ©efeEfc^aft, wie and) bie gct=
füge ©rfaffung berfelben unb bie ©infid^t in iljren 3ufammen^ang
mit allen anberen übernatürlid)en un'i) natürlid)en 2öal;rl)eiten
lägt einen gortfd)ritt §u, ber nic^t eljer ein iEnhe l;at, bi^ mir
ftatt beS @efe^e§ ©otte§ mxh feiner Offenbarung (Sott felbft
befi^en unb f(^auen merben.
(So feljen mir in biefer Seljre uon ber Unfeljlbarfeit ber
^ird^e auf ber einen 6eite bie greil)eit beiS (Seiftet ooüfommen
geroalirt, unb auf ber anberen «Seite biefe greil;eit fo befd^ränft,
raie e^ ba^ Söefen ber menfd)lid^en 5't*ßi^)ßit fcll^ft erforbert, wenn
fie nid^t ftd^ felbft burd^ 6d;rau!enlbfig!eit gerftoren mill. (Sine
munberbare Sßeiöljeit (Sottet in ber Seitung feine» ©efd^öpfe^,
ha^ in greil)eit unb bod^ wieber in red^ter ^efd;rän!ung nur
feine SSoUenbung erreid^t 33eibe0 ift i^m gleid^ not^roenbig.
». Jlettetet, taS «trgemeine ßPiKil. " Q
vni.
Organe ^es «ttffljlbarfn ffl)ramteö öer £trd)e.
„Xn bift betrug (ber ^elö) unb auf biefen Reifen
Wiü id^ meine Äird^e hamn unb bie Pforten ber
<Qötte foKen fte nid^t überwältigen."
«DMtt^. 16, 18.
^ac^bem wir ben ©egenftanb imb bie ©renken ber Un«
felf)Ibar!eit ber ^irdje fcnnen (jelernt ^aben, muffen roir p ben
Organen übergel^en, rccburd) fie il^r 2t^xami, üjr Slpoftolat übt.
^ur(^ wen bet^ätigt bie ^ird^e if)r Sel^ramt? Qn roeli^em
58eri)ättnif3 fiel)! bie Se^rgeraalt ber 33iftf)öfe, beg ^apfteg, ber
ßoncilien? Sßelc^e 6telle nimmt im 2lpoftolate ber $apft ein?
3ft ber ^apft unfeljlbar? @te!)t ein allgemeine^ Soncil über
bem ^apft?
®iefe gragen muffen mir beantworten, raenn mir ein rec^te^
S^erjiänbni^ von biefem göttlii^en Sorredjte ber 5!ird)e, il)rer Un-
fe^lbarfeit gewinnen motten.
5Dag bie Mrc^e aU „Corpus Christi — Seib ßfirifti/' mie
ber Slpoftcl fie fo oft nennt, nnfeljlbar fein mng, üerftel)t fid;
eigentli(5 ebenfo x)on felbft, al§ 'üa'^ atte ©lieber biefem Seibe^
an fi(5 fel)lbar, bem 3rrt^um unterworfen finb. 3Sir bebürfen
ba^er vor aUem einer näljeren ©infidjt, mie biefe^ ©öttlit^e an
ber £irc^e, meld^em attein bie ©igenfd)aft ber Unfel;lbar!eit an
fi(^ §u!ömmt; mie ß^riftu^, ber mit feiner göttlid;en ^raft in
biefem Seibe gegenwärtig ift unb bie 3}^enfd;en aU ©lieber
vereint unb \i^ einpflanzt; wie ber l)eilige ©eift, ber ©eift ber
2öat)r^eit, welcher in xl)X wolf)nt, \iä) buri^ menfc^lic^e Drgane
!unb gibt, o'^ne von ber menfd)lid;en 3rrtl)um^fäl)ig!eit berüljrt
ju merben. (i;i)viftug, ba^ ercige B(a)t, lägt fein Sidjt lend^ten,
aber burd) irbif^e 3Jiittel; wie gefd^ie^t e^ ba, ha^ bie ^lar^eit
- 83 -
be^ göttlichen Si(^te5 nid)t burc^ bieje beeinträditigt wirb? ^uri^
welche @tnri($tmigen l^at (Et)nftu§ bafür geforgt?
1. 2ln ber Unfe^lbarfeit ber ^\xä)e erlangt fc^on jeber
toal^re ©!)rift einen geraiffen 2lntl^eil unb iwax in bem Umfange,
aU er bnrd; bie öugere ^f)ätig!eit ber Bixä)e , mit ber er ju=
nädjft in ^e^ieljung !ommt, in bie innere ©emeinfd;aft mit ber
©eele ber tiri^e eintritt. ®ie 6eete ber ^ird^e beftet)t erften^
in jenen übernatürlii^en ©aben, welche ber (Ef)rift in ber ^irc^e
empfängt, nämli(j^ bie 6eiligmad)enbe @nabe, rcoburd) er über
feine natürlii^en gäl;ig!eiten Ijinan^ in einen l)b^eren 3^^^"^ ^^-
i)oben mirb. 6ie ftnb eine l)immlifd)e 3^9^^^ h^^ 3^atur. ®ie
natürlichen ©aben finb eine erfte @abe, bie ©ott un§> gegeben
^aXf bie übernatürlid^en eine ^roeite ®abe um be^ ^erbienfteä
(E^rifti mitten. S)ie ©eele ber ^ird)e befteljt ferner in bem ber ©eele
bur(^ jene (3ahen üerliel^enen Ijöljeren 2ehen für ©ott, mel$e5
fid^ burc& ©laube, Hoffnung unb Siebe üott§ie!)t. ©ie beftel)t
enbli^ britten^ in bem 2ehen in ßfirifto unb im l^eiligen ©eifle
f elbft ; benn hie innigfte perfönlidie 3]erbinbung ber ©laubigen mit
(Eliriftuö aU ©lieber feinet £eibe0 unb mit bem l)eiligen ©eift aU
Stempel, in melden er mo^nt, um un§ gu lebenbigen unb croigen
Stempeln feiner göttlichen §errli($!eit §u geftalten, ift ja bie l^ö^fte
SBeftimmung ber ^irc^e. Qe tiefer ber ©eift nun eingebt in
biefe^ innere ©nabenleben, in biefe (Seele ber ^ird^e, befto melir
Slnt^eil erlangt er an bem göttlichen Qnl^alt beffelben, befto me^r
wirb er t)om ©eifte ber 2Ba^rl)eit erfüttt unb in einem ge-
miffen 5ßerl)ältni6 unfeljlbar. ©old^e ©Triften !önnen bann aud^
an ber £el)rtl)ätig!eit ber ^ird^e, ol;ne befonbere orbentlid^e
6enbung, tiefeingreifenbeu 2lntl)eil erlangen. SSiele finb in
biefer Söeife groge £el)rer in ber ^irc^e, Seigrer ber £el)rer ge«
geworben, üor attem in jener SBei^ljeit be^ l)öl)eren diriftlic^en
Seben^, mel^e ber Ijeilige ©eift hen 6eelen unmittelbar mit-
tljeilt. ®iefe (El)riften finb aber nid)t bie orbentlic^en Drgane be^
SCpoftolat^ in ber ^ir^e.
2. Drbentli<§e Drgane be§ unfel)tbaren M)tamU§> ber ^ird^c
finb erfteng atte ron il;r beftettten, burd^ bie l;eiligen 233ei()en ba^u
auggerüfteten Seljrer ber geoff enbarten 2Baljrl)eit, in^befonbere
alfo jene ^riefter, meld;e in jeber einzelnen ©emeinbe bie beftettten
£el)rer ber ^irt^e finb. ©ie finb graar nid^t perfönlid^ irrtl)um§lo5
bei ^erfünbigung ber £el)re 3efu; bei ber munberbaren ©inrid^t-
6*
— Ö4 —
ung ber ^ir$e, rao berfelbe ©eift ber 2öa!)rf)eit, ber bie ^ird^e
leitet, aiicf; in ben Seelen ber ©in^elnen wol^nt, wo ein einiget
tiefet ^erftänbniB ber Seljre 3efu ben ganzen Körper ber ^trd)e
burd^bringt, wo ba^ ganje (^riftlid^e 5]oI! Don bem (i^ebanfen
erfiittt ift, bog ber Seljrer nic^t feine Se!)re, fonbern (Ef)rifti imb
ber .^iri^e £eljre oerüinben nuife, rao enblid^ bie ^irdje felbft
barüber load^t, 'oa^ bie göttlid^e §interlage be§ ©lauben^ iin=
t)erfef)rt bleibe, entfteljt jebod; lelbft bei Hebung biefe» ße^ramtl
eine (Stetigfeit, eine <Biä)exl)dt, eine ©inftimmigfeit, bie überaß
ben eiiarafter einer nnfeljlbaren 2öal)r^eit, bie burd) alle biefe
Drgane fpridjt, an fi($ trägt.
3. Drgane be» nnfeljlbaren Sel)ramte§ finb bann in l)o-
t)erer Stufe bie ^ifd^öfe ber ^ird^e. 5lll 5Ra(^folger ber 2lpoftel
nehmen fie eine anbere Stelle gum nnfel)lbaren Seljramt ber ^irc^e
ein, aU jene l^elirer ber erften Stufe. Sie laben iwax anä^ nid;t
bie perii)nlid)e Xlnfel)lbar!eit, wie bie Slpoftel fie nad; bem ©lau^-
ben ber ^ir(^e Ratten ; fie finb aber für il)re ^iöcefe bie befteHten
Slpoftcl ber ^irc|e, mit einer äl)nlid)en 3Sollma(^t von d^riftu^ au^s
gerüftet, raie bie Slpoftel; fie finb be»l)alb wie jene bie £e|rer,
bie 3^W9^^/ ^^^ 9flid)ter ber Se^re Qefu für il)re ^iöcefe, fo
lange fie in SSereinigung mit bem gefammten Slpoftolate unb mit
beffen Dberl)aupte, bem 3^a(^f olger be^ Ijeiligen ^etru^ ftel)en.
4. 2lbermal§ ein l)ö|ere» Organ beg nnfeljlbaren Sel)r=
amteg ber ^irc^e ift ber ^^apft. 2ll§ 9lad^folger beg l)eiligen
$etru0 nimmt er gu bemfelben eine anbere Stette ein rcie bie
übrigen ^ifdjöfe. Um biefeg mid^tige Q^eri^ältni^ gmifd^en bem
Sel^ramte beg ^apfteg unb bem Seljramte ber S3ifd^öfe !lar gu
machen, woHen mir un§> ber Söorte eine0 Slnberen bebienen:
„SBoUen mir hen bemunbernngsmürbigen ^lan ber ^ir($e,
il^rc SSerfaffung, bie Drbnung iljrer ^ierard^ie unb iljrer Wiener
lennen lernen unb bie Slrt nub SSeife, mie il^r £el)ramt immer
beftel)en mirb, nnb ''t>a§> iljr anucrtraute (^lauben^^gut ftet^ foll
rein nnb nnt)erfäli(^t überliefert unb erl)alten raerben; fo muffen
mir bag Sllle^ entnel)men an^ ben Sßorten Qefn ©Ijrifti felbft,
meld;er ber göttliche ©rünber nnb 33aumeifter ber ^irc^e ift.
J8etrad)ten mir nun feine nn^ gemad^ten ^erlieifeungen.
Sllle feine Siöorte muffen für alle 3^iten fi($ beiualjrlieiten nnb
erfüllen, benn e§ finb 2ßorte ©otte§: ,,§immel unb (Srbe raerben
oerge^en, aber meine ^orte merben nic^t t)ergel)en.'' 2Bir öffnen bai3
— 85 —
6t)ani3eltum mib fittben, bafe 3efu^ (Eljriftu^, rto^bem er gmölf
2lpoftel gu feiner ^Mc^folge berufen unb au^exxüälß, an ben ©r-
ften berfelben, roeld^em er ben S^amen ^etrul gegeben, bie SSorte
gerichtet: „®u bift $etru§ nnb auf biefen gelfen voxK iä) meine
^ird^e bauen unb bie Pforten ber §ölle foden fie mä)i über-
wältigen. Unb ic§ ipill bir bie ©djiüffel be§ §intmelrei($g ge^
ben. We^, waö bu auf (Srben binben rairft, n^irb aud) im
Fimmel gebunben fein: unb alle^, voa§> bu auf ©rben löfen
wirft, mirb auä) im §immel gelöfet fein/' (Bin anberea 3}?al
fpric^t er gu if)m: „3$ f)abe für bid^ gebetet, ba§ bein ©laube
nic^t manfe, unb bu, einft belehrt, befeftige beine SBrüber." Unb
mieberum: „Söeibe meine Sämmer! — SBeibe meine 6(^afel''
60 fpr adj ©briftu^ in Gegenwart ber übrigen 2lpoftel gu ^etru§
allein.
gerner finben mir, mie ^^riftu0 au$ gu \)m 5lpofteIn —
^etru§, ber bereite ^nm Oberhaupt unb ©runbftein be^ \i^U
baren ©ebäube^ ber ^ird)e, §um Qnfeaber ber ©d^lüffelgemalt
unb §um ^irten ber gangen §eerbe (S^rifti ernannt mar, mit
einbegriffen — gefpro(^en l)at: „2Bie mid) ber SSater gefanbt
l)at, fo fenbe iä) eud), D^^el^met l)in ben l)eiligen ©eift! Sßa5
il)r auf (Srben binben merbet, ba§ mirb an<5) gebunben fein im
^immel, unb mag \t)x auf ©rben löfen merbet, mirb and) ge^
löfet fein im §imme[/' gerner: „©eljet in alle Söelt, lel)ret
unb taufet alle 3Söl!er, lel)ret fie alleg l)alten, ma§> xd) end) ge^
boten l^abe/' Sßieberum: „^er l^eilige @eift mirb eu^ alle
2ßal)r^eit lel)ren." ©ublic^ Derljie^ er allen feinen 95eiftanb mit
ben Sßorten: „Unb fiel)e, \d) bin M end) alle ^age bi^ an'^
©nbe ber SBelt/'
Sllle biefe 5au§fprüd;e ^efu ^xi]ii muffen in Erfüllung
gelten gu allen geiten unb in ber 2lrt unb Sßeife, mie er fie
getljan. ^^ mug bemnad), ma^ er gu ^etru^ allein gefproi^en
^at, and) für $etru^ allein in (Erfüllung gel)en; unb wa^
er gefagt ^at gu allen 5lpofteln in^gefammt, mug gleidjer:^
meife erfüllt merben für alle Slpoftel in^gefammt. 5llle feine
Slusfprüdje unb jeber berfelben muffen erfüllt merben. ßrfaffcn
mir bieg rcoljl; nic^t ein %1i)eil nur mufe erfüllt werben, fonbern
bag ©ange. S)ie ©rfüflung eine» STl^eil» muß ganj ftimmen ju
ber Erfüllung beg anbern ^IjeiU unb aller sufammengenommen.
^emül^en mir un§, gang burc^brungen gu merben von biefen
— 86 —
2Bal)rf)eiten ; fui^en tüir aEe biefe Slu^fprüd^e uiib ^^erl^eigungen
fiets por Stugen §u {)Qben unb bem ©eifte gegenwärtig gu er=
Italien; mä)t§> havon möge un^ entgelten. 6e^en ratr nun, n)el=
6)tn 5luff(^lu6 rair au§ il)nen gewinnen fönnen, um un§ eine
DoHfommene Qbee Dom ^lane unb ron ber ^erfaffnng ber ^ird^e
ju bitben.
^ä) fel)e ein ßoßegium von groölf SIpofteln; ic^ fef)e ein
Oberl;Qupt, erraäp qI§ ©runbftein, auf ben ba^ ftdjtbare (^e^-
bäube ber ^ir(^e gebaut ift. Qc^ fet)e, ba^ biefem gunbamentc
unb bem ganzen ©ebäube eine geftigfeit ift t)erl^eigen roorben,
ttjiber tt)eld)e bie Pforten ber .göHe nic^t^ vermögen werben;
bafe biefem Dberljaupte bie ©(^(üffel be§ ^immelreid^^ gegeben
finb mit einer Doüfommenen Mad)t, ^u binben unb gu löfen, unb
ba biefe SJIac^t rerlieljen ift ©inem allein unb von berfelben
ni(^t0 aufgenommen ift, fo finb felbft bie Ipoftel il)r unterge^
orbnet. ^ä) fel^e, 'oa^ 3efu§ ©liriftu» für biefem Dberl)aupt ge=
betet l^at, bamit fein ©taube nid)t manle; ba§ er i^m ben 5luf=
trag gegeben, feine 33rüber §u ftär!en, unb i^n befteHt !^at aU
^ n girten feiner @(^afe unb Summer, b. i. feiner ganzen §eerbe,
worunter auc^ bie Slpoftel mit einbegriffen finb. 5Dag finb
bie 5lugfprüd)e unb ^erl)ei6ungen , bie fid) auf bag gunbament,
auf ba§ fi^tbare Dberljaupt ber ^irdje, auf ben §irten ber
ganzen §eerbe bestellen.
SDa aber biefe §eerbe fid^ ausbreiten foHte über bie ganje
SBelt, fo l;at QefuS ß:i)riftug au^ nod) anbere §irten befteUt,
bie Slpoftel nämlid), unb iä^ fel)e, ha^ ber $err and) biefen 3^er=
l^eif3ungen gegeben t^at Um nun ben $lan S^fu ©l)rifti in
feiner ganzen ^oUftänbigfeit gu erfaffen, ift e§> notl)menbig, l)ier
ha^ Slugenmer! üorsüglid) auf jroei fünfte gu richten; erftenS
barf \6) nid)t oergeffen, bafe ber $err nic^t 5U ben 2Ipofteln —
obgefonbert Don ^etruS — gefprod)en l^at, b. i. p hm 2(po=
fteln, aU getrennt dou bemienigen, ber bereits ju tl)rem ^irten,
ju ilirem Dberl)aupte unb jum gunbamente beS ganzen @ebäu=
beS ber ^ird^e ernannt mar; ^meitenS aber bafi burd) biefe ben
gefammten 2lpofteln — ^^etruS mit einbegriffen — gettianen
3Serl)ei6ungen burd)auS biejenigen nid^t fönnen oernidötet werben,
bie bem ^etruS allein fdjon gegeben finb. Qd^ fe'^e bemnad^,
wie QefuS ^tiriftuS rebenb ju ben Dcvfammelten 5lpofteln, unter
benen aud^ ^etruS gegenwärtig war, ju i^nen fprad): baf? wie
- 87 -
i^n ber 58ater gefanbt f^abe, alfo anä) er fte fenbe; bu§ er il^nert
ben l^eüigen ©eift gebe unb bie 3Jiad)t §u binben unb gu (Öfen;
ba§ er i^nen befaljl, §u ge^ien in alle Söett, gn prebigen nnb
gn taufen, inbem er if)nen t)er!)ieg ben ^eiftanb be^ Ijeüigen
©eifte^, raie aud), bag er felbft bei il;nen bleiben würbe bi5 anä
©nbe ber Seiten.
®a fef)en wir bie an bie Slpoftel gerichteten 2lu§fprü$e
nnb ^ßerl^eigungen, unb iä) jiel^e an^ benfelben, gentäg ber oben
gemad^ten beiben Semerhmgen, biefe iwd Folgerungen:
1) Sitte biefe S^'erljeigungen finb aud) bem Slpoftel ^etru§,
bem Kollegium ber Slpoftel aber finb fie al0 t)ereint ntit
betrug gegeben.
2) 5Durc^ zhen biefe ^erljeiBungen werben jene anbern, bie
bem ^etrn^ attein gemad)t finb, bur(|au§ ni(^t aufge«
l)oben.
©^ wirb bemnac^ betrug — in notliraenbiger golgerung
— um ni^tg weniger verbleiben: ba§ Dberljaupt, ber ©runbs
ftein be§ ®ebäube§, ber ^irt ber ©d^afe unh ber Sämmer, felbft
ber 5lpoftel, enblii^ ber gangen §eerbe; um nid^t§ roeniger roirb
er l)aben bie 6c()lüffel be0 $immelrei(^^ mit jener ooEen Wta^t
in binben nnb p löfen, ber bie 5lpoftel glei^faH^ untergeorbnet
finb; er rairb zhen fo nod^ au^gerüftet fein mit jener @abe be^
©lauben^, ber in iljm nie raan!en rairb, unb mit ber Slutorität,
feine 33rüber gu ftär!en.
33i0 l)ierl)er fd^eint mir ber $lan vortrefflich; märe aber
biefeiS ©ebäube ein ^Jtenfc^emoerl, bann fönnte id^ bie unoer^
meiblidjen golgen oon ©d^mad^ljeit unb Unbeftanb befürd^ten.
3d^ müßte ber ^eforgnife 9taum geben, bag einmal biefeg gun=
bament man!e, unb fielje '^a — e^ ftürgt ba5 ganje ©ebäube;
bafe "Die (Steine vom gunbameute fid^ trennen, unb e^ erfolgt
ber 9ftuin be^ .gaufe^; bag ber §irt ficf) oerirre, unb er fül)rt
bie §eerbe §u tobbringenben S^öeiben unb Slbgrünben; baß bie
©d^afe bie (Stimme be§ ^irten nid)t mel)r l)ören, unb fie^e ba
— 3]ern)irrung unb Sluflößung aller Drbnung unter ber ^eerbe;
befürd)ten müßte id) enblic^, baß einerfeit^ ba» Dberl)aupt ber
5lpoftel im ©lauben manfe, ober anbererfeit^ bie Slpoftel bie 2lu-
torität be§ Dberl)aupte5 nid^t adjten; ha^ 'oa^ ^an^t vom Seibe
ficf) trenna unb ber Seib vom Raupte — unb fielje ba — eS
gel)t atteg ju ©runbe — ba0 öaupt unb ber £eib.
- 88 -
(lö finb aber biefe Söeforgniffe in imferem gaffe nur nt$i
ttge ©c§re(ibilber. SDie B\xä)e ift fein 3Jlcnfd^enroer!, fie ift
©otte^^roer! unb ©ott l^at fold^e 5Iugfprü(^e gettjan unb fol(^e
^erl^ei^ungen gegeben, bie feinen ^an raiber äffe berartige ©e=
faljren fidlem unb be^djirmen. (^v felbft '^at ben gel^ erraä^lt,
Quf ben ev feine ^irdjc gegrünbet, unb mit jener geftigfeit fie
begabt, ba§ W Pforten ber §öffe fie nientaU überwältigen roer^^
ben. ©r felbft ^ai gebetet, bafe ber ©lanbe be» ^etruB nie-
mals wank; hen 5Ipofteln in^gefammt l^ot er ben ^eiftanb be^
l)eiligen ©eifte^ ^er^eifeen, unb ba^ er felbft hä il)nen bleiben
würbe bi^ an^ @nbe ber 3^^^^'!^; ^^b loem biefe ^erl)eigungen
nod^ nid;t pir Döffigften Q3erul)igung genügen, ber beben!e, raie
bet §err gleid^faff^ gefagt l)at: ba^ feine Schafe Igoren werben
bie ©timme be§ ^irten nnb bafj nur @in 6d;afftaff unb ßin
§irt fein wirb; ber bebenlfe, wie nad; bem legten 2lbenbmal)l,
ba^ er -mit feinen Slpofteln Ijielt, nad) jener gärtlidjen unb
bemunberung^mürbigen 91ebe, bie ber Ijeilige Qo^anne^ Qufge^
geidjuet unb bie mau gleidjfam "oa^ ^eftament Qefu (El)rifti
nennen mö(^te; ber Woente, fage id^, ha^ jener göttliche Sel)rer
einige 2lugenblicfe vox feinem Reiben ju feinem eroigen S3ater
flehte für bie ^ird)e, für äffe Slpoftel, für äffe, 't)k an i^n glau--
ben mürben; ha^ er geffeljt Ijat: „'oa^ äffe @in^ feien, roie hn
SSafcr in mir bift unb i^ in bir bin, bamit au^ fie in un^ (gin§
feien, .. bamit fie ©iuiS feien, mie au^ mir (^in^ finb/' ^a^
finb bie 2tuefprüd^e unb SSerljeißungen , bie htn ^eftanb, bie
gortbauer unb ©inl^eit ber ^ird^e verbürgen.
3$ fel)e nun bie berounberung^roürbige (Sinridjtung unb
ben göttlidjen $lan biefe^ ©ebäube» in feiner ©anjlieit unb SSoff-
ftänbigl'eit ; iä) faffe nieber unb htte an bie äöeiM)eit ©otte^ in
ber ©eftaltuug feiner ^irc^e, unb e^ fd;imnben äffe gurd;t, äffe
3roeifel, ^eben!ü$!eiten unb fragen.
2ln bie 6teffe beg Ijeiligen ^etrul brauche ic^ je^t nur
feinen 5Rad)folger, htn ^^apft ju fe^en unb an bie 6teffe be^ mit
^etru^ vereinigten (Soffegium^ ber 5lpoftel bie @c|ammtl)eit ber
Sifd)bfe ber !atl)olifdjen ^ixä)e, fie mögen, nun bei il^ren ^^eerben
roeilen ober im ©oncil Derfammelt fein, jebo(^ ftetä in S3er=
einigung mit bem ^apfte, unb ic^ finbe in biefem 33ilbe ganj
benfelben ^lan, biefelbe gorm ber ^erfaffung, ber g^erard^ie,
Sflegierung unb be^ Seljramt^ ber ^ird^e roieber.
- 89 —
2ßenn tc^ nun Don biefem ©efic^t^pnnft am unb mit
jener ©efinnung, wie ein Gljrift fie fjoben fofl, bie ^ir^enge^
fddtd^te lefe, imax ni(^t in Slutoren, roel^e biefelbe gur 3?ert^ei=
bigung befonberer ^J^einungen, in benen fic befangen raoren, ge^
jd^rieben ^ahm, jonbern fie lefe in !ir($li(5en 3)^onuntenten ober
in t)orurtljeillfreien @ef(^i(^t§forf($ern, bann wirb mir bie für
ein gläubige^ ©erg fo füge S3erul)igung §u ^^eil, mal^rsuneljmen,
roie ba§ 2Ber! ©otteö fi(^ erfüllt, alle feine SSer^eigungen fi^
ben)al)rl^eiten imb jebeS feiner Sßorte auf ba§ ©enauefte ein^
trifft, „gimmel unb ©rbe merben Derge^en, meine SBorte aber
merben nid&t t)ergel)en/'
2öol)l ftoge i$ auf ^ärefien, auf ©(^i^men, auf SSerroir-
rungen unb SSerfolgungen , anä) ift 'oa^ M^^ roirflic^ t)orl)ergc=
fagt; aber id^ finbe jugleii^, mie bie ^ird^e bie Qrrtpmer, bie
^äretüer, W ©djiematifer t)on fi($ aueflößt unb ftet^ uner^
f(^ütterlid; auf bem gelfen verbleibt, auf welchen fie gegrünbet
ift; finbe fiet^ ben 9]ad;f olger ^etri an il)rer 6pi|e; ftets ben
©lauben $etri, ber niemals manft; bie übrigen §irten mit
$etru^ tjereint unb bie ganje §eerbe, bie nur ©inen 6($afPalI
bilbet unter ©inem Ritten ^)."
SBir f (fließen un^ biefer ganzen ^arftellung an unb glau-
ben, baf3 fie eben fo rein unb unbefangen ben ©ebanfen ber
SBorte ber Ijeiligen 6(^rift au^brüdt, mie fie ber Stellung be5
$apftt^um0 in ber ©ef(^id;te bi0 auf bie ©egenroart entfpric^t
Söenn in ben erften 3al)r^unberten ber Primat nic^t immer mit
berfelben @ntf($ieben^eit in ben ^orbergrunb tritt, mie in ber
l^eiligen ©c^rift felbft unb in ben fpäteren 3al)r^unberten, fo liegt
bas barin, meil bie ^ir^e nai^ ben SSorten be^ göttlid^en §ci-
lanbe^ in i^rem ©ntftel)en unb 3Bacl)fen „gleid^ ift einem 6enf=
!orn, meld^e^ ein 9JJenf($ genommen unb auf feinen 2lcler gefäet
^at; felbe§ ift groar fleiner al^ alle 6amen, roenn e» aber Ijeran-
gema^fen, . . wirb e^ ein SSaum, fo "oa^ bie 33ögel he^ §immeB
fommen unb roo^mn in feinen ^roeigcn^)/' 60 ift au^ ber
Ijeilige Drgani^mu^ ber lird^e @otte^ meljr unb melir offenbar
geworben unb l^at fic^ nac^ bem Pane entroicfelt, ben mir in
1) Söriefe beo ©avb. Sitta übet bie fog. bier 2(ttifcl be8 ^leruä
Don ^ranfreicfi. 2)eu[c^ 3J?ünfter 1844. 6. 88—95. 9Bir !önnen biefeä
Dortteffrid^e S3uc^ nidjt genug empfe^ren. — 2) SKatt^. 13, 31 f.
— 90 -
bem SSorte ©otte§ fo beutlid^ üorgegeti^net feiert, Seber einjelne
Sug bte[es gottUd^en 39aupIaTi^ ber Söorte Qefu entfpvid^t in
roflenbeter Streue ber Jat^oUfdjen ^ird^e, wie mx fie vox un§ fe^en.
^aS ift überaus wunberbar unb ber Unglaube fann unmöglid^
bie ^vaft be§ Seraeife^ für bie ©ottlid^feit ber ^ir$e rerfennen,
n)el($er bortn beftel)t, bafe i^r Stifter x^x mit wenigen SKorten
eine 33erfaffung gegeben i)at, welche no($ in hen fpäteften 3a^r*
^unberten in i^rer ganzen ^raftunb ^oHenbung f ortbauert unb eine
^eis>lie\t fuub gibt, bie jebe^ l)inäu!ommenbe 3al)r!)unbert nur
beftätigtO.
2ßenn aber alle 35erl)ei6ungen, rceld^e ef)riflug ben 2lpofteln
gegeben l)at, fon)o!)l jene, bie er bem ^^5etru§ allein, al^ auc^
jene, bie er i^m mit ben übrigen SIpofteln ^ufammen gab, gleid)^
mä^ig im Primate mie im ^poftolatc in Erfüllung gel;en muffen,
fo ift faum 5u benfen , bag ber ^apft, menn er aU D^adifolger
be§ l)eiligen $etru^ t)on feinen 5.^ttmad)ten ©ebrauc^ mad)t;
menn er in golge be^ Sefe^leg : „2öeibe meine Sämmer, meibe meine
©d^afe') !'' ferner: „3(^ i)abe für bic^ gebeten, bafe bein ©laube nid)t
manfe, unb roenn hu einft bc!e!)rt bift, fo ftär!e beine trüber 3),"
l^anbelt, babei felbft bem Qrrt^um verfallen unb bie §eerbe ßfjrifti
roie feine trüber irre füljren !onnte ; e^ ift nidjt §u benfen , bafe ber
gel^, auf ben bie ^ird^e aU Se{)ranftalt ber 2öal)r^eit gegrünbet
ift, gegen ben bie Tlaä)t be§ ßügengeifte^ nichts vermag, felbft
bem ^rrt^ume foHte oerfaHen fonnen.
§ier ftel)en mir aber fd)on mitten in ber Streitfrage Don
ber Unfel)Ibar!eit be^ ^apfte^, unb ha bie ^ird}e fie nid^t als
©lauben^fa^ entfd;ieben ^at, fo loollen mir un^3 barauf befd)räu=
!en, 3}ligoerftänbmffe ^u befeitigen, inbem mir fie !(ar unb ein-
fad^ barlegen unb genau angeben, meldte SDleinungen nad^ ber
fie'^re ber bemäf^rteften ^Ijeologen geftattet finb unb meldte nidE)t.
Biv föuiien Ijierüber üier 5lnfid}ten unterfd^eiben*).
1) 93e!anntnc& leugnet ein ^fjeil bor ^prcteftanten, tine ueuertingö ber
^ofprebiger unb ®enerat:©upetintenbent 2Ö. C^offmann in feinet ©c^rtft :
„®eut[d;ranb einft unb jc^t," baj^ Gf;riftuä feiner 5lird)e dm SScrfaffung gegeben
l^abe. 3)aS beioeift aber nur, lüie auc^ bie üarften Söorte :3 e f u nid)t mcl^v feine
Slbfic^t gegen bie SEßilt!ür ber ^riüatau§(egung ^u fcfiü^en i?ermögen. ^eine Seigre
be§ (Sf)riftent^umö ift beutlidjer in bem 2Bortc ©otteg auSgefprorfien alö bie,
bo^ er bie 2l|)oftel unb ihre Dfac^folger jur Seitung ber ^irrf^e berufen Ijnt.
2) ^ol^. 21, 15—17. — 3) £ul. 22, 32,
4) (:r. Biliar min. de Rom. PontiC. üb. IV. r. 2.
— 91 -
^ie erfle 5lnfic^t bef)aiiptet, ber $apft !önne au^ bann
wenn er mit einem allgemeinen ©oncil eine ©ntfd^eibnng über ben
©lanb^n gibt, felbft in 3rrte!)ren fallen nnb §ärefie lehren.
®iefe 5lnfid)t leugnet überl)aupt bie Unfehlbarst ber ^ird^e unb
mirb von benen aufoeftellt, meldte auger ber ^irdje fielen, ©in
^atI)oli!, rceld^er i^x iiulbigt, gel^ört innerlid) nid)t mel^r ber
Äird^e an unb ift üon iljr aulgefdiieben.
®ie ^roeite Slnfid^t lel)rt, ber $apft fönne au^ aU $apftO
felbft in einer 2xxh\)xe befangen fein unb 2lnberen eine ^xxk^xe
leljren, wenn er außer einem allgemeinen ßoncil eine @utf($eib<
ung über geoffenbarte ®Iauben»= nnb 6ittenlel;ren trifft, ^on
biefer 2lnfi(^t fagt (Earbinal Sellarmin, bag fie nic^t förmlid^
pretifc^ fei, meil bie ^ir(^e no6) jene in il)rem 6($o^e bulbe,
meli^e i!)r anpngen, fie fd^ein^ aber bnr($au§ irrig nnb ftelje
ber §ärefte na^e'^).
®ie b ritte 3rnfid)t ge^t, mie 33 eil ar min fagt, in ba§
onbere ©ytrem über unb behauptet, ber ^apft fi)nne nie unb in
feiner Söeife einer 3rrlel)re verfallen, no($ eine fotd&e öffent=
lid)lel)ren, foofter, aud^ allein, etma§> entf (Reibet, ^ellarmin
fagt t)on biefer Slnfid^t, baß ft(^ für biefelben groar ©rünbe an*
fül^ren liegen, fie feien aber nid)t geroig.
^ie t)ierte 2lufi(^t enbli(5 lägt bie grage unerörtert, ob
ber $apft in ®laubenfa(^en perfönlii^ irren !önne ober niä)t, unb
befd)rän!t fic^ barauf 5U bel)aupten, bag, roenn ber $apft über
©lanben§fad)en für bie gan§e Rixä^e eine feierliche @ntf(5eibung
gibt, biefe @ntf(5eibung nidjt l)Qretifc§, nid^t irrig fein fönne. ^iefe
Slnfidit nennt ^ellarmin „bie aEgemeinfte faft aüer Äat^o-
lifen," hk fic^erfte unb jene, roeld^e er t)ertl)eibigen roill.
®ie brei legten Slnfic^ten finb alfo naö) S3ellarmtn inner-
balb ber i!ird)e nod^ Snläffig, b. l> man fann fie bel^aupten, ol)ne
1) ^^er 2lu§bruc! ,Japft ar§ ^a|3ft" bebeutet folc^e päpftlid^e Äunb«
gebungen, bei benen er olö Oberf;au|)t unb Sekret ber ©efammtürd^e auftritt.
^l)mn gegenüber fielen [ofc^e, bie feinem ^ßribatleben angel^i^ren ober bei
benen er nirf)t al^ Se^rer unb ^idjkv über ©laubenöroa^rl^eiten für bie ganje
^ird^e auftritt.
2) Um biefe 2lu§brüc!e ju unterfcbeiben, bemcrfen loir , baB ^äretifc^
nur fotd^e 9lnfid^ten über gecffenbnrte 2öal^r^eiten finb, loeld^e einer ausbrüds
lid^ erftärten @taubcn§roafjrl^eit tüiberfprec^en unb rcelc^e bie 5?irc^e bei benen
nid^t bulbet, bie ifjr angehören lüoUen. ©§ fann bal^er ettüa^ an fi* irrij
fein, ber ^rrrefjre ncif)e fte^en, ol^ne förmtirf»e §ärefie 3U fein.
- 92 -
t)Ott ber ^ir^e Qu§gefcE)Ioffen gu werben, ^a mir nii§ aber bcr
legten Slnfidjt entf($ieben anfdiüegen, roeldje 55eUarniin hk
communissima fere omuium catholicorum nennt nnb bie cer-
tissima , fo ift eg notljrcenbig, noc^ nal)er gu beftimmen, voa^ [xe
mä)t enthält nnb n)Q§ fie entl)ä(t.
6ie entl)ält erften0 nidjt bie 3}leinnng, bafe ber ^apft über-
Ijanpt ivrljum^Iog fei, oud^ bejüßlid) ber S)in9e, roeld^e ni$t gur
rffenbarnng geljören. ^ag raäre ^f)orl)eit nnb ift noc^ nie von
einem £atI}oIi!en beI)Qnptet roorben.
Bie entölt peiten^ au^ nii^t bie SJ?einnng, ba^ ber ^aiß^
in @laubengfad)en für feine ^erfon ni$t irren fönne. hierüber
fagtSellarmin an berfelben Stelle : „Wt ^at^olüen ftimmen
mit hen 3^rtel;rern barin überein , ... ha^ ber ^apfl al^
^l)eoIog (Doctor privatus) anifi in allgemeinen JJragen über
©lanben^s nnb Sittenlehren an^ UnfenntniB irren fönne, mie
e§ ani^ M anbern ^^eologen t)or!ommt."
©ie entl^ält britten^ nid^t bie ^eljanptung, ha^ alle 3}leinnng§s
än§ernngen ber ^äpfle in S3nIIen nnb 33ret)en nnfel)lbar nnb beg^
megen irreformabel feien. 3^ W\n ^el^anptnng neigt bie britte
ber obenangefüI;rten 2lnfid)ten. ^aljer ift eg änroellen gef($el)en,
jeben ©ag eineg päpftli^en 2lu^f($reiben^, beffen 6inn ganj oon
3eit' un'b Socaberljältniffen abijtng, aU unfeljibare 5ln!cfprü$c
geltenb ju mai^en nnb allgemein angnmenben , raa§ mir nic^t
billigen !önnen. (itwa§> 5lnbere§ ift e§> bagegen, ob nid^t ßr=
flärnngen be^ ^apfte^, felbft roenn fie nic^t 'oen d^axaitn einer
allgemeinen binbenben ©ntfi^eibnng über -ben ©lanben an fid^
tragen, bi§ ^n ilirer 5lbänberung befolgt merben muffen, nid)t meil
fie nnfel)lbar finb, fonbern meil fie t)on bem an^geljen, ber über
bie ©inl)eit ber ^ird^e gn \m<^en nnb fie gn leiten l^at, ma^ mir
nnbeben!lid^ gugeben.
Sie entljält Dielmel)r mir bie 33el)anptnng einer befd^ränften
Unfe^lbarfeit, inbem fie annimmt, ba^, rcenn ber ^apft als
£berl)aupt ber ^irc^e über bie geoffenbartc 3Bal;rl)eit einen
2ln§fprnd^ tl)nt, um baburd^ bie gange ^ird;e ju oerpflid^ten , in
biefem Slu^fprud) feine ^rrleljre entt)alten fein fönne. 6old^e
SluSfprüd^e fegen immer gugleid) eine Jyorm t)orau§, moburd^
fie fidö S^bem uubesmeifelt als^ eine ©ntfdjeibung über eine be-
ftimmt begrenzte Streitfrage in ©lauben^fadien funbgeben.
. — 93 -
5Die jo begrenzte unb beftimmte Srrtiiutn^lofigfeit be^ ^apfteS
ge^t aber au» bcn 35erl^eigungen (ilrifti für $etru§, wdä)e voxx
betrad^tet f;aben, Tüie un§ fdieint, utijraeifel^aft ^erüor.
5. 3n l^ödjfter 6tufe finb enblid^ Organe be0 unfehlbaren
Sef)ramte^ ber Mr(!)e bie allgemeinen ^oncilien.
Wlan l)ai bie grage aufgeworfen, ob ein attgemeine^ (Eoncil
über bem ^apfte ftelje, ober umge!el)rt. ^bgefel;en aber ron 3?iten
einer jn)eifelt)aften $apftn)al)l ift biefe grage ganj unjuläffig, raie e§
jene raäre, ob beim erften apoftolif($en (Eoncil ^ e t r u s über ober un^
ter bemfelben geftanben ^ahe. ©in (Eoncil ol)ne ober gar gegen hen
red;tmägigen $apft ift fein allgemeine^ ßoncil mit hcn 5?olI>
machten beffclben. ©§ läfet fid) fogar nad^ ben 5Serl)eiBungen
ß;i)rifti ber gall gar nid^t ben!en, ba^ auf ber einen ©eite ber
gmeifeüo^ red^tmägige $apft, auf ber anberen ber gefammte
(Spi^copat, auf einem (Soncil t)erfammelt, fid^ gegenüber ftänben.
"^ann märe ja bie Äirc^e in ber 3Serfaffung gerftört, rceli^e iljr
(I'l)riftu§ gegeben l)at.
(Ein allgemeines ßoncil aber, bei meld)em ber ^apft ent=
roeber felbft ober burd^ feinen Slbgefanbten ben SSorfig fül)rt,
roie ^ e t r u S auf jenem 2lpoftelconcil, ift ber f eierlic^fte unb ent=
fc^eibenbfte 2lct beS apoftolifi^en SeljramteS, baS glorreid)fte 3^"9'
ni6 für \)k raal;re Sel)re ^ef u, bie Ijöt^fte 2lutorität, burd^ meldte
ber f)eilige ©eift, ber ©eift ber 2Bal)r^eit §u hen SJ^enfdjen
rebet. 3n biefer @inrid)tung be§ !ird^li(^en Sel)ramte§ muffen
mir aber bie SBeiS^eit unb ©üte ©otteiS bemunbern. S)ie ©in^
l)eit ber £ird)e unb bie forttt)äl)renbe Üieinerljaltung ber Sel)re
3efu forberte ein Slmt in ber ^irdie mie ba§ bc^ l;eiligen
^etruS. S)ennoc^ roottte @ott, ha^ aud^ biefeS l)eilige 2lmt,
meil e§ einem fd)n)ad)en 3)^enfd^en übertragen mürbe, in einer
SBeife geübt merbe, meldte ben menfd)lid^en ^erl)ältniffen mög-
lid^ft augemeffen fei. ^ie Unfel)lbarfeit ber ^ird^e, bie eine
göttliche ©abe ift, follte gugleid^, um eS un-3 SJ^eufd^en leidster
5U mad^en, il)r gu folgeit, unb xim bie Sträger berfelben in ber
^emut^, in ber (grfenntnig iljrer 9^id)tig!eit gu erl;alten, mit
einer gorm umgeben merben, bie aud; mcnfdj)lid; hk l)öd^fte
©idf)erl)eit ber 2Bal^rl)eit bietet. S)aö gefc^ieljt aber burd^ bie
Seratl;ung im Goncil. ©anj mie in ber natürlid^en Drbnung
ber (Segen ©otteS bie menfd^lid^e ^l)ätig!eit nid^t auSfd^liegt,
fo fd^lie^en bie übernatürlid^en (3ahcn ber ^ird;e bei ber ^er=
— 94 —
ülTibtgurtg ber 2Bal£)rIjeit nx^t bie natürliijen Wliikl iljxcx ©r-
forf(^ung au^. ^uxä) bie Slpoftel in Qerufalem wollte ber ^eilige
©eift fprei^en, benno$ aber berietl;en fte in menfc^li(^er Söeife,
el^e fie befi^Ioffen. SDort waren bie Häupter ber 2lpoftel
o^ne Sraeifel perfönli(5 unfel)lbar, bennoc^entic^ieb nic^t ^^Petru^,
nid^t ^aulu0 allein, fonbern bie gange S^erfammlung antwor^
tete: „©5 l^at bem ][)eiligen ©eifte unb un^ gefallen." ©o ge*
f(^ie^t es anc§ jegt nod^ in ber ^ird^e auf ben allgemeinen Son^
cilien. Sa felbft in ben feltenen gätten, in raeld^en ber ^apft
üon feiner ^öd^ften 3SoIIma(^t aufeer ben Soncilien ©ebraui^ mad^t,
^anbelt er nx^t getrennt t)on ber ^ird;e unb bem ©pi^copate.
©r fpridEit x)ielme^r in folc^en pllen ha^ SSeiüufetfein ber gangen
Äird^e au^, nad^bem er norl^er aUe menfi^lic^en Mittel gur @r^
forfc^ung ber SBa^r^eit erfd)5pft unb nid&t feiten einen großen
5r^eil ber Sif(^ofe felbft über i^re 3}leinung gu '^at^e gebogen Ijat.
IX.
Die ailgmeitien Concilien in ber Mtd^t,
„®enn e§ f)ai betn fjeiligen ©eifte unb unö gefallen,
eud^ !eine n^eitere Saft aufzulegen, al§ biefe not^«
njenbigen ©tüöe/ 2l^ofterg. 15, 28.
^ir ge^en je|t bagu über, einen furjen Ueberblid über
bie aßgemeinen ßoncilien gu geben, ha if)V Eingreifen in bie ©e^
^ö)\ä)k ber Äird^e un§ gugleic^ ben fi($erften 51nl)alt gibt, um
bie ^ebeutung bei nädjften ß;oncill für bie gufunft gu beurtljeilen.
©0 furg Quc^ biefe Ueberfid)t fein mug, fo rairb fie bo(5
§raei groge n)e(tgefc|i(^tli($e ^l^atfud^en üollftänbig !lar machen,
ba§ nämlid; erfteng bal ganje ^ehen ber ^irdje ein ununter^
broi^ener ^ampf mit ben mö^tigften geinben ift, namentlid^ mit
fteti neu fid) erl^ebenben, na<^ unb nai^ aHe Söal^rl^eiten bei
(£^riftent{)uml, ja bal ef)riftent^um felbft in feinen gunbamenten
angreifenben Qrrleljren; ba^ graeitenl bie allgemeinen ßoncilien
ju üUen Seiten bie ]^auptfäd)Iid^ften 3}littel geraefen finb, mobur(^
bie offenbarte Sßafirljeit in il)rer ganzen ^oüftänbigfeit unb 3ftein=
i)eit gegen alle jene Qrrtljümer, unb bie ^irc^e unb ß(;riftenljeit
gegen atte jene geinbe fiegreid; nertljeibigt raurbe.
5Dreil)unbert Qaljre lang l^atte ha^ §eibentt)um Dergeblidj
fic^ abgemü!)t, burd^ meltlii^e ©ewalt unb blutige ^Verfolgungen
bal ßliriftentl^um aul^urotten. S)al ^lut ber SJZartprer biente
nur ba§u, ha^ ©ljriftentl)um um fo meljr auljubreiten unb gu
befefligen. 5D er Eintritt Eonftantin'l bei Großen in bie^ird^e
befiegelte enblid; bie Sefeljrung bei römifc^en SBeltreidjel. "^a^
§eibentl)um ging unter; bem (E^riftentljum geljörte üon nun an
bie S^^iii^ft« ®ßt Söiberfadier ßl^rifti gab fid; aber nid^t über^
munben, fonbern änberte nur feine ^ampfelmeife. 5Durd^ bie
folgenben Dier Söljtljunberte erl^ob fid; eine fur($tbare 3rrlel;re
- 9G -
m^ ber auberen, um mit ben ©runbraatirl^eiten be§ (J^riften-
t^um^ btefeg felbft t)on 3nnen §erau§ ju jerftören.
$Dte erfte grofee Srrleljte, ber 2lriani^mu§ (fo genantit
t)on ifirem Stifter, bem SlIeranbrinifcEien ^riefter Slriu^) war
fofort gegen jene 2öa!)r^eit geridjtet, auf ber alle 2Ba^rt)eit unb
äffe ©nabe bei ^F)riftentl;um0 berulEit, nämlic^ gegen bie @ott =
Jieit 3efu eiirifti unb baburc^ auä} gegen ba^ ©e^eimni^ ber
afferl^eiligften $Dreifatttg!eit. 2lr in 1 letjrte nämlid), ber eingeborene
©oljn ©ottel, b.al Söort, ba§ t)on Slnfang an wax unb bur($ bal
2llle^ erfc^affen ift^, feinid^t im raal^ren unb eigentlii^en, fonbern
nur in einem uneigentlid^en ©inne ©ott; beim and) ber ©o{)n
©ottel fei ein ©efd^öpf an§> nid^tl; groar fei er 'oa§> erfte unb
{)ö(ifte unter ollen @efd;öpfen unb burc^ x[)n l)abe ©ott, mie
burd) ein SSerf^eug aUeg ^tnbere erf (Raffen ; aber göttlidjen SBefenl
unb emig, wie ber 3?ater, fei er nic^t, fonbern nur megen feiner
l)oI)en ©igenfd^aften unb STugenben oon ©ott mit bem göttlidjen
5Ramen unb göttlit^en @l)ren gefd)müdt. ^iefe 3rrlel}re mar um
fo gefä^rlid^er, ha 2lriug fie mit groger ^unft p verbergen
unb fid^ ben 2lnfd;ein ju geben wu^te, aU ob aud) er ßl)riftum
al§ ©Ott anbetete, ßr gemann ^aljllofe 5lnl^änger, barunter felbft
^riefter unb Sifd^öfe.
5Da üerfammelte fid^ unter bem 5]orfi|5e ber Slbgefanbten
unb (Stellvertreter bei ^apftel Silvefter I. unb unter hem
©c^uge bei ^aiferl ^onftantin im 3al)re 325 ju '^xcäa in
Meinafien bal erfte allgemeine (Eoncil. ©l maren 318 SBifd^öfe
Dereinigt unb nie I;at bie ©rbe eine (jeiligere unb el)rn)ürbigere
^erfammlung gefeljen; eine beträd)tlid)e 3^^^^ berfelben trug in
tiefen 3Rarben unb cerftümmelten (^liebem nod) bie ©puren bei
3}Jartt)riuml an fid), bal fte in ber t)orl^ergegangenen legten
^t)riftent)erfolgung erbulbet. ^iefe Ijeilige ^ir($ent)erfammlung
fprad^ nun in feierlid)fter SBeife ben alten, ererbten, maljren (^l)riften=
glauben ani, ben (Glauben, ben bie Slpoftel allen Golfern gepre^
bigt, für ben bie 3Jlartt)rer geblutet, ber bie SBelt überrounben:
„^ir glauben an QefuI ß;i)riftul, ben ©ingeborenen
©ol)n ©ottel, ber ha ift mal^rer ®ott Dom maleren
©Ott, gegeugt von ©roigfeit unb nid^t erfd^affen,
ßinel Sßefenl mit bem S8ater." Unb mod^ten nun aud^ bie
1) ^of). 1, 1-3.
— 97 —
SIrianer Tiöd) bur^ mel)r olö ein Saljvfjunbert ben ^ampf öcgen
biefcio ©laubensbefenntttife mit Sift imb ©cmalt fovt[c|rn, nioditen
fie felbft ben <So(jn nnb 9kd)folcier G^onftantin\^ beö ©rofeen
für fid) gerainnen unb auf einige geit bnrcl) bie ^ilfe ber raelt=
liefen Gewalt bie Ijdbe 2öeU mit fid) fortreiten ; bQ§ (SIanben§=
befenntni^ be^ (iioncily üon 9]icäa blieb bie galjne , um bie üUe
raat)ren nnb treuen (5l)riftcn fid) faminelten, el befiegte ben 2lrianig=
muö nnb l)eute, nad)bem bie leiste ©pur biefcr einft gewaltigen
3rrlel)re feit niel)r aU einem 3al)rtaufenb Derfdjraunbcu ift, ertönt
in jeber ^leiligen 33ieffe roie ein ^vinmpljlieb ha§> ©lauben§befennt=
nife be^ aEgcmeinen Goncil^ von '^Ikäa nnb rairb uon öden, bie
an ßljriftuio glauben, aU ber unfoljlbare ^luebrud beö ädjten nnb
unt)erfälfd;ten ßljriftenglauben^ oereljrt.
©c^on im ^al)xe 3S1 nnitbe ein ^raeite^ oll gemeine 3
ßioncil in (Eonftantinopel geljalten gegen ben S^'leljrer SJiaces
boniU)§, rael($er bie ©ottl)eit be§ l)eiligen ©eifteö leugnete.
60 ranrbe bie groge ©rmibraaljrtieit bes (El)rifieutl)nmg, auf
ber alle anbeten Söaljrlieiten berul)en, W^ ncimlid; ber ©ol)n unb
ber l)eilige ©eift mit bem ^ater ber (Eine raaljrc ©ott finb ober
ber ©lauben»artilel üon ber aEerljciligften 5i)reifaltig!eit burc^
bie beiben erften allgemeinen ßoncilien fiegreid; gegen 9u'uer-
ung unb Qrrtljum uertljeibigt. 2lber f<$on erl)oben fid; anberc
md)t minber gefä^rlid;e 3^^"^^^)^^^^ / ^^^ l^^^^ ^^^4^ ^i^ ©ottljeit
be§ SoljneiS angriffen, aber in^gefammt barauf abhielten, bie
2Bal)rl)eit feiner 3Jienfd;n)erbnng balb in biefer , baibin
jener Sßeife gu üerfälfdjen nnb §n jerftören.
5f^eftoriu§, ^atriard; uon ßonftantinopel , leugnete jene
raunberbare unb über alle unfere begriffe innige Bereinigung ber
menf(^lid^en mit ber göttlidjen 91atur in ber ^erfon beg gi3ttUd)en
Soljue», vermöge raeldjer in (El)riftu» graar jraei 'Jiaturen fiub,
bie göttlidje nnb bie meufdjlidje, aber nur ©ine gi3ttli($e ^erfon
unb nur Sin eijriftu;o ift, raaljrer ©ott unb waljxcx 3JJenfd^
pgleidj. @r leljrte nämlid), in bem SJlenfdjen Qefu^ l)abe ber
6ol)n ©otte^ nur gerooljnt, äljnlid) raenn auc^ oollfommener, raie
©Ott in ber ©eele eine§ jeben 9}tenfd)cn raoljut, ber im (£tanbe ber
©nabe \iä) bcfinbet. ©r Icbrte baljer eiucn boppelten (vl)iiftu^, einen
göttli(^en unb einen menfd)lid)en unb alfo nid)t nur imei D^iaturen,
fonbern and) §raei ^erfonen in ßljriftu^,
tt. Jtettcler, ba« aifgcmeiuc GoiicU. 7
-- 98 -
3JJer!it)ürbig ift f)ierbet, ta^ Bereite in jener alten QeW
ber Sügengeift feinen Eingriff auf ß^riftu^ unter einem, mit fd)ein=
l)eili(jer S^eretjrung gegen ben ©oI;n @otte^ üerljüHten Singriff
gegen ben l^öd;ften ^orjug ber aUerfeligften Smigfrau 3}laria
gu oerbergen fudjte, nämlic^) gegen iljren Spanien nnb il)re Söürbe aU
3)ktter (^otte§, @otte;§=@ebärerin. ®a 9ieftoriu§ nämlii^ leugnete,
ba6 ber von DJZatia feiner 3}lenfc^l)eit nac^ geborene ß^riftu^
perfönlid; unb n)al)rl)aft ber eingeborene 6ol)n ©otteö fei, unb
if)n nur für einen 3)lenfd)en bielt, in n)eld;em ha§> emige Söort
nur wie in einem Tempel iDoljnte, fo bel)auptete er, man bürfe
3)laria nid)t ©otte^gebärerin , fonbern nur ^Ijriftu^gebärcrin
nennen, dimx fo nterfroürbig ift aber auc^ , ba& gerabe biefer
Eingriff gegen bie Ijeilige 3JJutter ©otte§ guerft feine Qrrle^re
burc^ 'om fid^ erljebenben allgemeinen llnmitten be§ gläubigen
^olfe^ an^ ^age^^lid^t brad;te.
(B^ mar t)a§ allgemeine (^oucil von ©pljefu^ unter
^apft eöleftin L, mcld;e^ im 3al)re 431 bie ^rrleljre be^
9leftoriu0, bie bag „grofee ©el)eimniJ3 ber (^ottfeligMt 0/' bie
waljre 3)Ienfd;merbung be^ ©oljney (3otk§> t)erni($tete , feierli(5
»ermarf unb äugleid) jum 3ubel be^ gläubigen ^ol!e)S erklärte,
baJB bie allerfeligfte 3ungfrau äJ^aria mie btjaljer, fo au($ alleaeit
3Jiutter ©otteg unb ©otte^gebärerin gu nennen unb al^
fold)e in SBal^rl^eit gu befennen |ei.
3uglei(^ beftätigte biefe» allgemeine (^oncil bie burd) eine
^leilje t)on ^articularfijuoben bereit» au»gefpro(^ene ^erurtljeilung
ber 3rrlel)re be^ ^elagiug, roeldje in berfelben 3^it, roo 9^e =
ftoriu^ bie 9}ienfd;tDerbung ©otte§ im 3Jtorgenlanbe angriff,
im Slbenblanbe eine anbere ©runbmal)rl)eit be^ (E[)riftentl)um§ leug=
nete, nämlid) bie 2Bal)rl)eit, ba§ 'i)a^ ganje ?3tenfd;engefd)lei^t burc^
ben 6ünbenfa(l feinet 6tammt)ater» ber urfprünglid^en @ered^tig=
feit beraubt, fünbl)aft unb bal;er erlöfung^bebürftig gemorben ift
un'o ha]^ mir nur burd; bie ©nabe (?l)rifti unfere ^efe^rung
beginnen, fie Dollenben, barin bel)arren, ba0 gi3ttlid)e ®efe| er=
füllen unb un§> he§> emigen Scben§ mürbig mad)en tonnen.
2lber nod; mar ber i!rei» ber 3rrtl)ümer, meldje fid; gegen
ßl;riftu§ erl;oben, ni(^t erfd)öpft. Söäljrenb bie ©inen bie 3rr-
tl)ümer be^ 9]eftoriani2!mu§ erneuerten, traten 5al)lreid;e 3rrle(;rer
1) I. Xim. 3, IG.
— 99 —
in t)erfd)iebencn formen auf, n)eld;e untec bem 6d)eme einer
falfcTjcn 55römnüci!eit ben Unterjc&ieb ber beiben ^Raturen unb
namentlich bie 5ßaf)rljeit bor ntenf(i)lidjen 3^atur in ^x\^io leng^
ncten, inbem fie Iel)rten, bag in 6()riftu^, wie nur ©ine gbtt^
Uc^e ^erfon , fo aud) nur ©ine 9]atur fei , weil bie menfi^Iii^e
Dktur burd) il)re SSereinipnß mit ber göttlidjen t)on biejer fo
5U fagen t)erfd;lungen unb in fie üevmanbelt morben fei. (S§
maren neue aliöemcine (FonciUen — bas (Eoncil oon ©(lalce-
bon (451) unb ba^ graeite unb britte (Eoncil üon Sonftan-
tinopet (553 unb 680) unb unfüi]lid)e 9M{)en unb ilämpfe
notljiücnbig, um ba^ ß(;riftentl)um getjen alle biefe l)eillofen SSer--
fälfd}uni]en ju fc^ü^en. Wld)x aU einmal jc^ien e^, al§ ob bie
Öütllidje 2Bal)rl)eit in bem ©eraüljle mcnfdjlid;er 3rrtl)ümer unb
fieibenfd;aften untertjel)en muffe; aber bie ber £ird;e geöcbene 3]er=
{lei^ung: „bie Pforten ber §ölle raerben fie nic^t übermältiöen^)"
ging allezeit in Erfüllung unb alle S3(enbmer!e falfd^er 2öiffen=
fd;aft unb fectirerifd)er ©djmärmerei yeifdjioanben enblid) Dor
bem Ilaren Sid}te be^ cinfad)en fatl)oliid;en ©lauben§, mie er bur(^
bie pon ^tjriftu§ gefegte unb t)om Ijeiligen ©eifte verbeiftanbete
leljrenbe ^ird)c auf ben allgemeinen Goncilien Derüinbigt raurbe.
Unb mie hmn überljaupt ba^ 33ö[e, obrooljl e^ an fid^ nur
üerberbli^ ift, ple^tbennoc^ burd) @otte^ ^ovfel)ung bem (3\ikn
bienen mu^, fo brad)ten aud) biefe großen kämpfe mit ben Qrr-
lel)ren einen großen unb bleibenben ^eiuinn. 3Ri(^t nur rourbe
babur^ bie fiegenbe ^laä)t ber fatljolifd^en 2öal;rljeit unb bie Dl)n^
ma^i avi6) ber mäd;tigften 3rrtl)ümer offenbar, fonbern e5 mur^
ben and) burd; bie !ir(^lid)en £el;rentfd)eibungen unb burc^ bie
Slrbeiten unb 2öer!e ber )ßertl;eibiger bc;3 fatljolifdjen ©laubenS,
jener großen unb Ijeiligen 3}Mnner, meldje W ßljriften^eit unter
bem Dcamen „^irdjenoäter" oereljrt, ber unenblidje innere dldd)'
tl)um ber c^riftlidjen Seljre immer flarer belendjtet unb Ijerrlid^er
entfaltet. 6o üoUftänbig mar ber 6ieg be^ ©lauben^S, baß auf
3al)rl)unberte l)in feine Srrleljre mel;r 2i5ur§el faßte, unb e!3 !onnte
fic^ nun ungeftört, in bem :^id)te unb ber ßinl)eit bc5 maleren ®lau=
ben^, bie au§ htn STrümmern be^ 9lomerrei($e» unb au^% bem ßljao^
ber 5?bl!ermanberung roie eine neue ©d;i)pfung Ijeroorgegangene
europäi((^e SSölferfamilie, unb in unb mit il)r jene grofee
1) Tlaiib. 10, 18.
- 100 -
c^riftlidjc Siüilifation \\ä) entmiäcln , bie I)eute iioc^, tro^
aller Störungen, bic SBelt l)el)errfd)t unb begliidt nnb von
beren grüc^ten felbft bicjentgen leben, raeld;e ba§ Seben^^princip
«nferer ©efittung , ha§> ^xifi^nt^um gu gerftören fachen.
SlHein aud) jeneS d)rift(id) germanifdje DJttttelalter , n)el(^e»
Stiele au§ ^Norurtljeit unb Stbneigung gec^en bie fatfjolifdje ^ircfte
f(^mäf)en unh veva6)Un, Slnbere aber über ©ebüE)r erljeben, mar für
baf> ei)riftentl)um unb bie ^irdje reid; an @efaf)ren unb kämpfen.
^§> raaren l)aupt]äd)Iid) fünf groge Uebel, weldje im3JJitte(=
alter bie dljriftenljeit befdjtibigten.
S)a§ erfte unb gröf^te von allen, beffen traurige folgen mt
l^^uie nod) betueinen muffen, war ba§ griediifdje ©d)i§ma,
raoburcl) bie im SlUertljum fo glorreichen unb I)eiligen ^ir^en bc§
3JJorgenIanbe^ von ber !atl)oIifd)en ßin^eit losgeriffen mürben.
^a0 gmeite mar ber 3Jiu]^amebani^mu§, ber ba^ d)rift=
li(^e 3Jlorgenlanb cermüftete, in einem großen Stlieile beffelben
ba^ (i;^riftentl)um m't att feinen Segnungen ausrottete unb
3at)r!)unberte l^inburi^ mit furi^tbarer ©eraalt and; ha^ diriftlidje
Slbenblanb bebrängte, um ifyn baffelbe ©d)idial gu bereiten.
S)a§ britte groge Hebel mar ba§ ^eflreben djriftlic^er 5!aifer
unb Könige, bie ^ird)e il)rer öerrfd)aft §u untermerfen unb il)ren
gmeden bienftbar §u machen unb bie barauS lierüorge^enben
traurigen unb Derberblidjen kämpfe gmifi^en ^aifertl)um
unb ^apfttljum, gmifc^en meltlic^er unb geiftlidjer ßJemalt,
S)a§ vierte Hebel mar baS 2Iuffommen gefäl)rlid;er, f dimär-
merifi^er ©eften, meldie bie ©runblagen ber c^riftlidien unb
äugleid^ ber gefeüfdjaftlidien Drbnung untergruben.
SDaju fam enbli(^ gegen ha§ ©nbe bie^r ^^eriobe ha^ gro^e
abenblänbif(^e Bä)i^ma, jene fd}redlid)e Qtit, in meld;er
baS l^öd)fte Dberl)irtcnamt, ba§ SljriftuS ^ur 33eraa^rung ber ©in=
l^eit eingelegt Ijatte, fetbft ^u einem 2lula(3 beö Sroiefpalte^" mürbe,
mo bem redjtmäfeigen ^apfte ©egenpäpfte gegenüber ftanben unb bie
^ermirrung in ber G:t)riftenl)cit fo grofe mar , baß man üielfad^
nic^t mel)r mußte, auf welcher Seite ber red)tmäJ3ige ^apft fid; fanb.
©emiß maren baS große Hebel, unermeßlid;e öefaljren, benen
jebel bloße 3}^enfd)enmerf Ijätte unterliegen muffen. Slber bie
^irc^e @otte§ unterlag nid)t, fonbern fiegte, menn anä) mit fd)meren
SSnnben, über ade bicfe geinbe, unb mieber maren c§> vox adem
— 101 —
bie aHgemeinen (SoncUien, hnx^ roetd^e fie i^re g5ttlid&e ©enbung
erfüllte unb beiüäljrte. 2luf bem oierteu allgemeinen (Eoncil von
©onftontinopel (869) war ba^ gvied)ifd)e Sd^i^ma in feinem
Url)e6er ^ l) otiu^ üerurtljeilt raorben ; auf bem jnjeitcn allgemeinen
(^oncil Don Spon (1274) unb bem attgemeinen Soneil üon
glorenj (1439) rourbe bie 3Siebert)ereinigung ber @rie(^en mit
ber allgemeinen i^ird)e tljeil^ roirtlid) t)ottbrad;t, tljeilio roenigften^
für eine beffere 3u!unft vorbereitet.
5Durc^ bie gleidifall^ auf ber ^artüularfijuobe üon (Sler-
mont unb auf ben allgemeinen Goncilien t)om Sa t er an (1123)
unb von Stion (1245) geförberten ^reugjüge mnrbe bie 33Ia(^t
be§ S^lam gebro^en unb bie ©l)riftenl)eit gefräftigt unb gel)oben,
raenn auä) il)r näc^ftcg 3^^^/ ^i^ Befreiung be;* Ijeitigen ©rabe§
auy ber §anb ber Ungläubigen nidjt bleibenb erreidit mürbe.
®urdj bie allgemeinen ßoncilien vom 2at^xan (1123)
unb t)on St)on (1245) mürben tljeiU bie ©runblagen maljrer
(Sintrad^t §mifd;en ^Irdje unb ©taat befeftigt, iije'iU bie greil)eit
ber £ird)e gegen bie Slcrgerniffe ber raeltlid^en ©eroalt pertl)eibigt.
^ie rerberblid^en Qrrle^ren be^ 3}Uttelalterg mürben auf bem
britten unb vierten Sateran^Goncil (1179 unb 1215) i^erur-
t^eilt. ^a^3 grof3e abenblänbifd;e ©d^i^ma aber fanb auf bem
eoncil §u eonftan^ (1414—1418) fein @nbe.
5lm 6djluffe beö 3Jiittelaltcr§ , unmittelbar uor bem ^n^-
brücke ber Sfleformation , fteljt noc^ ba§ fünfte ßateranem
fifi^e (Soncil (1512— 1517), \deiä)e^^ bereite ein Uebel befämpfte,
baig erft in unferer 3^it inx xjoHen ©ntraidelung !ant. @§ mar
bamalö ha§> Qnialtu ber f. g. Sknaiffance ; ein franfljafter
(^ntljufiaemu^ für bie anti!'l}eibnifdje ilimft unb Siteratur ^atie
bie ©elfter ergriffen unh manche (55elel)rte!t bal)in gefül)rt, ha)^ fie, bie
2Bege ber d^riftlii^en 2ßei^l)eit üeradjtenb, in 3rrtl)ümer verfielen,
über meldte felbft bie beffern l)äbnifd)en ^$£)ilofopl)en erl)aben
maren. Sie leugneten bie Unfterblidjfeit ber Seele unb üerfielen
tljeilmcife in ganj materialiftifd)e Sel)ren. 3Bcil aber bamal^^ bie
2Belt — ^an! ber 2(utorität unb @inl)eit ber ^irc^e — nod^burd^ unb
burd) d^riftlid) mar, felbft biefe neul^eibnifc^en ©eleljrten fid) rül)mten,
treue ©öljue ber ^irdje ju fein, fo fud)ten fie beibe^ miteinanber gu
üereinigen : ba^ (£l)riftentl)um unb tl)re melir aU l)eibnifd)e ^l)ilo=
fopl)ie. gu biefem 3mecfe [teilten fie bie Sel)auptnng auf, ^^ilo-
fop^ie unb ©laube feien fo abfolut unab(;ängig oon einanber,
- 102 -
bag eine p5ilofop!)if$e 53el)auptun9 raaljr fein fönne, wenn
fie anä) mit ber (^[aubcnlrüntjrljeit in 2öiberfprucf) ftel^e. (^egen
biefc, eben fo unoernünftiöe aU gottlofe £el;re fprad^ nun biefeg
allgemeine (^oncil bie alte SBal)rl;eit au§, ba^ nieunb nimmei'
ein 2öiber)pru$ beftelien fann smifc^en ^.^crnunft nnb ©(auben,
5n)if(^en maljrer $l)i(ofop(jie unb mal^rer 'Xi)eolog,\e, nnb ba6 bafjer
jebe£el)re, meldte mit ber üon@ott geoffenbarten SBaljr^eit in 2öiber=
fprnc^ fteljt, nie unb nimmer eine miffenfc^aftlidie 2öal)r!)eit, fonbern
nur ein Qrrtl^nm unb eine Unraal^r^eit fein !ann.
2öir fommen enblidj gu bem legten allgemeinen (Soncil, bem
üon 5i;rient (1545—1563), auf ha§> feit brei ^aljr^unbertcn be^
reita bie gan^e !atl)olif(^e Gljriftenljeit aU auf ben 6tern be§
©lanben^ unb bie &li^t)d)nur be^ 2ehen§> in allen 2lnliegen unb
kämpfen ber DMigion Ijinbliilt, mie \>a§ djriftlid^e 2lltertl;um auf
ba§ erfte Ü^oncil t)on WKäa Ijlnjublicfen gemofmt mar.
©§ mar biefe§ (Eoncil berufen, um bie gröfste unb f(^mer5=
li^fte SÖBunbe gu »l^eilen, meld;e ber ^ir$e, bicfem geiftigen £eibe
Qefu (El)rifti, im ganzen langen 33erlaufe ber ©ef(^i$te jemals
gefi^lagen morben mar. ©in grofser unb überau» ebler ^^eil
be0 (^riftlic^en 5Xbenblanbe» Ijatte fi(^ von ber !atl)olif(5en S?ird)e
lo^geriffen unb betra^tete nun biefe 3}lutter aller djriftlid^en 9^a=
tionen aU ein entartetet ^eidj be^ Slberglauben^ nnb ^er=
berben§, ben D^^a^folger $etri aber, harn ^Ijriftu^ \)a§ Dber=
l)irtenamt über feine Äir^e auüertrant l^aik, aU ben 2lnti(^rift.
^ie neue Se^re l)ielt ben ©lauben an ben breieinigen ©Ott unb
an 3efu§S^riftu§, ben 6ol)n ©ottel nnb einzigen ©rlöfer ber
3}Jenf(^l)eit feft, aber fie mar, t)ielfac^ ol)ne bafe iljre llrbeber e5
erfannten, gegen bie ^ird^e, ben geiftigen Seib ß^ljrifti, gegen ha§>
Sßer! be§ ^eiligen ©eifte^ in ber ^irdje unb in ben (Seelen gc^
rtd^tet. 6ie leugnete ba^ fird)li($e Seliramt, inbem fie an bie
6telle ber unfel)lbaren !ir(^(id;en 5lutorität bie ^riuat=5Iu§legnng
ber l)eiligen ©c^rift fe|te. ©ie leugnete ba§ ^rieftertl)um unb
feine ^Soran^^efeung, ba§ immenralirenbe Opfer be» neuen 33unbe5
unb gerftörte baburd) baSjenige, roa§ feit ber 2lpoftel3eit ben
lern unb 3}^ittelpun!t beio d^riftlii^en @otte^5bienftc§ bildete. 6ie
jerftörte ben, aUm ^ebürfniffen ber Seele entgegenlommenben
Organismus ber ficben l)eiligen 6a!ramente unb leugnete nament=
li(^ jenes ©aiframent, melc^eS für bie Heiligung ber ©eele praf-
lif(^ ba$ tpid^tigfte ift, ba^ l;eilige 6a!rament ber ^ufee. 6ie
— 103 -r
leugnete bie freie 9)?itn)ir!utiö be» meiifd^U^en SSilleit^ mit bet
©iiabe unb bie S'Jotl^roenbiöfeit bev Siebe unb ber outen Sßerfe
^um §eil, iubem fie ju unserer Sftedjtfertigung unb Seligfeit
nid^tg für notfiroenbig er!lärte,. aU ben ©lauben ötlein,
nömli(^ ben ©tauben, ba& un§ um Gfjrifti miffen unfere <2ünben
nidjt zugerechnet merben. ©ie leugnete enblid^ ben lebenbigen gu-
famment)ang jroifd^en ^ie^feit§ unb ^enfeitö, inbem fie eine§=
tl)eil§ bie (Stattt)aftig!eit be» ©ebete^ für bie Slbgeftorbenen unb
beffen 35orau§fe|ung, bie ©yiftenj einer ^uge unb Üieinigung \xa^
bem ^obe, unb anberntljeilg bie gürbitte ber ^eiligen für un^ t)er=
warf. Hub alle biefe Söal^rljeiten unb ©nabenmittel be^ ^^riften-
tljum^ befämpfte man, inbem man he't^auifikk , bafe buri^ biefe
!at^ o(ifc§en Se^ren unb Einrichtungen bie ß!)re ßtirifti a\§> bc5
einzigen Erlofer^ ber 3}lenfc()en bceinträdjtigt unb an bie ©teHe
be§ (Sotte^merfe^ ber ©rlöfung SJlenfc^enrcer! unb menfdjlic^e
6elbftgered)tigfeit gefegt merbe: aU ob ha§> fir(^Ii(^e 2e\)xamt einen
anbern :^wed ^tte aU ben, bac^ 2öort ®otte§ unb bie Offenbarung
ß()rifti rein gu beroal^ren; aU ob bie ^riefter tima^ anbereS
mären al§> „Wiener (Etirifti unb ©penber feiner ©el^eimniffei);''
aU ob 'i)a§> (^eilige SJ^egopfer dvoa^2 Slnbere^ märe, aU bie ^e=
ftänbige S3ergegenmärtigung unb 3Ser!)err(i(^ung be§ ^reuge^-
opfert, biefer einzigen DueKe unfere§ §eile§ ; aU ob bie ^eiligen
6a!ramente nid)t oon (Et)riftu0 eingefe^t mären, um un§> feine
mannigfaltigen ©naben unb ©aben, unferen ^ebürfniffen unb unfercr
menfc^lidien Df^atur entfpred^enb , mit^utljeilen ; al§ ob unfere
©ered)tig!eit unb unfere guten Sßerfe eiroa^ anbere» mären al5
bie gru(^t ber ©nabe Qefu ßlirifti unb aU ob bie mer!=
t^ätige Siebe oom redjtfertigenben ©lauben getrennt merben !önnte;
aU ob enbli(^ alle unfere gürbitten für bie 5I6geftorbenen unb
alle gürbitten ber ,§eiligen für un^ nid^t oon (Eliriftug allein
il)re ^raft empfingen unb aU ob fie in einem "^anberen ' iJiamen
gef(^el)en, al^ allein im Dramen ^e^n.
W biefen traurigen 3rrtl)ümern unb 3J?i^üerftänbniffen
gegenüber Ijat ba^ allgemeine (Soncil uon Orient bie alte
fatljolifi^e £el)re in allen jenen Seljrpunf ten , meld;e angegriffen
ober mi^oerftanben maren, mit rounberbarer ^raft unb J^lar=
) 1. eor. 1, 1.
— 104 —
l^eit bargeleßt ; eö !)at aber auc^ ju ßlei^er Seit buri^ feine
]^errli(!)eu ^ef^lüffe über bie ^ircf)euüerbeffci*un(] jene 3JiiBbräuc^e
befeitigt, bie nid;t burd) ©diilb ber c^ivd)e unb iijxet M)xe, fon-
bern burc5^ 6d)ulb ber DJIcnfdjen in bie (^(jviftentjeit einijebrunc^en
waren unb §um St^eil bie .^lrd;enfpaltuni] Deranla^t f)atten unb
namentlich Urfadje maren , bog \o mandje gut gefinnte 33Mnner
oon benx ©trome ber ^eroegung mit fortgeiiffen mürben.
3mar erreidjte bie ilird)ent)eifammlung von S^^rient ben 3^^^"^
nic^t, raoäu fie ^auptfäd)lidj Dcrjammelt roorben mar, nämlid; bie
©paltung §u (jeiten unb Die (Getrennten mit ber ,!^ird)e in t)er=
följnen. 5Iber Don i()r an begann in ber !atf)olif($en ^ird}e felbft
eine ^errlidje @dfte^= unb Sebeuv-erneuerung, eine grojäe 3}^enge
Ijeiliger ä)iänner füljrten burd) i^r 2eUn unb Sßirfen ben ^e--
mei§, ba6 bie vid angeHagte ^ird)e bennod) bie I) eil ige ^ird)e
nidjt blo§ {)ci§e, fonbern au($ mirflid) fei. Qu bem ^la^c üU
burd) ha^» 53emüf}en großer $äpfte unb frommer Sifc^öfe bie ^e=
fdilüffe 'be» ßoncils oon S^rient au^5gefü(jrt mürben , erblühte in
@eiftlid)!eit unb ^ol! ein neue^5 Scbeii beg ©laubeng unb ber
^ugenb. S)ie diriftlidie SÖiffenfdjaft nal)m einen mädjtigen
Sluffdjraung. Qn 'i^en nod^ Ijeibnifc^en Säubern feierte bie ^ird)e
große 6iege unb breitete ba§ 9^eid) (5l)rifti meit über feine bi§-
^erigen @ren5en an^, 2lud) auf 3]iele unter ben Getrennten übte
ba§ (Eoncil ron 3:;rient unb bie von il)m auicge^enbe gebend?
erneuerung in ber fatljolijc^en Äirdje mm\ Ijeiljamcn Einfluß ; eö
Derfölinte 53iele mit bei ^ird)e unb befeftigte in nid)t Sßenigen ber
ebelften ©elfter bie ©rfenutniß , baß bie 3:;rennung ein großem
Uebel unb bie 3öieberoereinigung ein mit aller ^raft ^u erftreben=
beg l)ol)eg unb notl)menbtge!o Qki fei.
X.
jDie Aufgaben ks bctJorftrljenliftt ÖLondl^.
^a fagte ^efuö ju itjncn: §abt if>r niemals in bcr
©cf^rift gelefen: „ber ©tein, ben bie Sauleute bcr*
toorfen f^aben, ber ift 5um (Sdftein geioorben. S3om
§errn ift biefeö gefc^e^cn unb eS tft raunberbar in
unferen SCugen.'' 2Katt^. 21, 42.
Peutc fte^ea n)ir am 33orabenbe eine§ neuen allgemeinen
ßoncii^, unb e^ rairft fi($ nn^ ganj natürlid^ bie graße auf,
n)cld;e^ benn bie 3iTt()ümer feien, bencn eg bie gottgeoffenbarte
unb oon ben Slpoftcln l;er überlieferte SBaljrljeit entgegenftellen,
roel(f}c^3 bie Uebel, bie e^5 be!ämpfen, bie Heilmittel, bie e§
auiuenben mecbe. 5Diefe grage fann nur ba^ Goncil felbft
uuic beantmorten unb e5 ift unftattl)aft, ben @rleucl)tungen unb
gül)ruiigen be« l)eiligen (Seiftet x)or5ugreifen. 2Bol)l aber ift e§
erlaubt unb nü^lid; , burc^ eine ^etrad^tung ber gegenwärtigen
Sage ber ßljriftenljeit , ber ilirc^e unb ber 3Belt un§ einiger-
majen bie @igentljümlicl)!eit unb bie ©röfee ber Slufgaben !(ar ju
machen, raeldje bie i!ird)e ©otteiS in ber Söeltperiobe, meldjer wir
angeliüren, ju löfen l)at.
äöenn mir unfere 3^^^ wit ben früljeren 3al)rf)unberten
nergleidjen , big Ijinauf ju jenem 3^^lp^"^^/ ^o 'oa^» erfle attge=
meine Goncil bie ooübradjte ^eleljrung ber alten ^eibnifd;en 2Belt
güm ei)riftentl)um befiegelte, fo fäüt un^ fofort ©in groger
IXnterfdjieb in'ö Singe.
2)ie 3rrtl)ümer, mit benen frül)er bie ^ird^e ^u fämpfen
l^atte, raaren fämmtlii^ 3rrtl)ümer im ©lauben, tljeilmeife ^er-
fälfc^ungen unb 33er!ümmerungen ber offenbarten 2öal;rl)eit als
fold)er. ^i)xt Url)eber unb Slnljänger erfannten fämmllic^ bie
Offenbarung beS alten unb neuen ^unbe^ als göttlich an; iftr
gel)ler lag nur barin, baß fie biefelbc balD in biefem, balb in
jenem fünfte nic^t nad) ber einl)elligen Seljre ber 5?äter, nad^
~ 106 —
ber 9li(^tf$mir be§ ürd^Ud&en ße^rantte^ unb beS überlieferten
©lauben.?^ fonbern nad; i()rem eißenen (Sinne auslegten. ^al;er
lam e^ anä), bog alle 3rrlel)rer ber frül^eren galjrljunberte in
t)ielen, oft in ben meiften 6tücfen mit ber fatfjolifd^en £ef)re
übercinftimmten nnb nur in geroiffen fünften t)on iljr abroid^en.
3n nnferer Söeltperiobe bagegen ift ber groge, bie 2öelt
bel)errfd^enbe Si^^t^^nt, mit bem \)a§> ©(jriftentljum ringt unb hen
e§ lu übcrrainben berufen ift, ein ganj anberer, e§ ift bie grunbs
fagtid^e Seugnung jeber übernatürlichen Offenbarung unb folglich
(lu^ jeber übernatürliij^en ^eil^orbnung, fo mie aller ber TOttel,
bie gur S3eroal^rung unb 9Jlittl;eilung ber göttli^en Offenbarung
bienen, alfo ber Ijeiligen 6c^rift al§ 2öarte§ ©otte§ gerabe fo,
mie eine0 tjon ©ott eingefe|ten unb üerbeiftanbeten ürd^lic^en
Seljramte^.
®a biefer @runbirrtl;um unferer Seit aUe^ Uebernatürlic^e
leugnet unb nid^t^ al^o rcal)r unb mirüidj aner!ennt, aU einzig
unb allein bie Statur unb bie Dkturorbnung , fo !ann man il;n
am begeid^nenbften mit bem S^^amen 9Uturali§mu§ nennen,
ober aui$ 9tationali§mn^, meil er nämlii^ bem ent^
fpred)enb lel)rt, bafe e§ feine anbere Duelle ber 2öal)rljeit für
un§ 3Jlenf$en gebe , al-S lebiglid; bie menf$lid;e 3Sernunft, iljr
gorfd)en unb ^Denfen, rüa§> f^liefelic^ gur ^Zaturoergötterung unb
^ernunftoergötterung fül)rt. tiefem jebe offenbarte ^teligion, in^be^
fonbere ba§ (E(jriftentl;um in ber Söurgel gerftörenben unb fomit
im eigentlid)en ©inne antidnnftli($en 3rrtl)um gegenüber Ijat alfo
bie ^ix^e in nnferer 3^it t)or altem bie 2öal)rl)eit gu üerll)eibigen,
bafe ber SJlenfd^ nic^t bloj^e^ S^aturmefen unb t>on @ott nidjt
lebiglic^ baju beftimmt fei, buri^ ben @ebrau($ feiner natura
liä^en Gräfte eine gemiffe natürliche SSolIfommenl)eit unb ©lüd^^
felig!eit gu erreid)en, fonbern ba^ ©ott urfprüngli(5 unb ein f\Jr
aUemal bie 3Jlenfc^en §u einer übernatürlii^en Seftimmung er-
Ijoben, eine übcrnntüvlidje (Eeligfeit il)m al§ Sof)n feiner
^reue rer^eigen, iinh bem entfprec^enb and) feinem ©eifte noc^
eine l)öl)ere ©rfeuntniBquelle, aU bie rein natürlid)cn ©r!ennt=
nißqueHen finb, in ber übernatürlidjen Offenbarung eröffnet, unb
fomit auf ber (^runblage ber ^Ratur unb natürlichen Orbnung
eine, bie 5Ratur t)or S^erberbni^ ben)al)renbe unb übernatürli(^
t)erüoll!ommnenbe, übernatürlid^e Orbnung erri(^tet \)at, mie ba§
2llle§ f(^on oben näl)er eri^rtert rourbe.
— 107 —
Mein bie Seugttung ber übernatürlichen Dffenbarnng ift
nnr bie eine ©eite ber großen inteUectuellen 3?evirrnnß nnfere^
3citalter^^ 2öie rair oben bereits gefeljcn f)aben, fäUt ber SOkn-
fcftengeift, wenn er bie §ilfe, bie ©Ott i{)m bnrc^ bie übernatür-
li(f)e Offenbarung anbietet , ftolj guvüiJroeift , um (ebiglid) feine
eigenen Sl^ege gu geljen, ben größten unb traurigften 33erirrungen
awä) auf bent ©ebiete ber blofeen 5ßernunft imb ber natürli$en
Söa^rljeiten an[)eim. Qene brei großen ^Sernunftroaljrlieiten , auf
benen foroo^l bie Sßiirbe beS SJlenfcfjen als ber 33eftanb ber
menfdjtid^en (^efeEfd^aft , raorauf dleä)t, greitjeit unb ©ittli(^!eit
unb jebe voa\)xe 3(utorität beruljen , nämlic^ : bie @r!enntnif5 beS
perfönlid;en unb lebenbigen ©otteS; bie ©rfenntni^ ber in ber
©eiftigfeit, grei()eit unb lXnfterblid)!eit beftelienben natürlichen
@ottebenbilbli(^!eit unferer ©eele; bie (^rfenntnife beS ©ittenge-
fe|e.§ aU einer in ©otteS §eiligfeit unb ©erei^tigfeit gegrünbc^
ten unraanbelbaren, üon jeber 9JJenfc^enn)i(l!ür unabijängigen ^ei-
ligen Drbnung, werben bann uerbunfelt imb ungeljeure Qrrtljümer
treten an bie ©teile.
^ie ß^orruption biefer großen 3]ernunftma!)rl)eiten ift aber
eine üollenbete ^^atfadje in ber moberneu Sßelt. ^J^a^bem üon
© p i n 0 § a bis § e g e l ber ^ a n 1 1) ei S m u S in ber ^Ijilofopljie ge^
I)errf(5t Ijatte, ift ber3)Ute rialiSmuS bie f)errf($enbe Qrrlcljve
unferer geit geworben, biefe niebrigfte 3^orm beS 2ltl)eiSmuS,
biefe tieffie ©tufe ber 58eritrung, gu weli^er ber mcnfd)li($e ©eift
in Seiten einer falfd)en, jur S3arberci prücüeljrenben Hebercultur
ljerunterfin!t. ,,©» gebe feinen ©ott. ©S gebe !eine ©eele. @S
gebe ni$ts, als bie !örperlid)en ©toffe unb bie ber SRatur iune=
woljnenben pl)r) füalif d;en unb c^emifd)en Gräfte. ©S fei bal)er
eine 5^äufd^ung, wenn wir unfer $Denfen unb SßoHen für etwas
©eiftiges Ijalten. teufen unb SBoHen fei etwas rein !Örpetlid;eS,
baS ©rjeugnife t)on ©el)irntl)ätigfeiten , bie ebenfo pbtjfifdj uotl)=
wenbig wirfcn, wie bie ^^ätigfeiten ber ßingeweibe." tiefes finb
bie ^auptleljren beS 3)laterialiSniuS , uuD ber $antl)ei?muS,
biefe feinere, aber bereits überlebte gorm beS 2ltl)eiSnniS , läuft
in ben praftifdien ßrgebniffen ganj auf baffelbe l)inauS. SDie
pra!tif(^en golgen unb Seljren biefer ©otteSleugnung, ber materiali^
fiifd^en, wie ber pantljeiftifc^en, finb aber nidjt minber nerberb^
li(^ wie bie Seljre fetbft üerabfdjeuungSmürbig.
©ibt es nämlid) feinen ©Ott, fo ift jebc 9kligion ein
— i08 —
2Ba^n; benn bie Sfleligion ift ©otte^öeretjnmg. SDanu ift olfo bie
DMigion nidjt bto^ iiberftüffig, fonbent fd)äblid) mib ber ^ort^
fc^ritt ber SOtenf(^E)eit mag barauf l)inaibeiten, bie ^k^IiQion
immer melir üerfdjminben gu maäjen unb aug ben bitten unb
bem Serou^tfein be§ ^^oI!e§ au^^jnrotten. ^urau^ er!(ärt fid)
aud) jener tiefe §q6, von bem bie SInljänger biefer 2e^xm gegen
ba§ e()ri)lentl)nm unb vox aüem gegen bie fatljoUfdje ^ird^e,
biefe ftartfte 6tü|e ber 9ieIigion, erfüßt fiub unb raomit fie,
mcnn möglid;, t)a§ gange ^olf erfüllen motten.
§aben wir ferner feine unfterblic^e 6ee(e, feinen immote^
rieflen ©eift, bann finb au^ alle ^ötjeren, geiftigen ^been unb
Qntereffen ein 3Ba^n; bann fann ber gange gwcd be» menfd}Iidjen
Seben^ fein anberer fein, al§> ba^ irbifc^e Sßoljtfein, ber irbifd^e
©enug, unb bc ber ©enufe bur($ ben ^efi§ bebingt ift, (Srgeugung
unb Erwerbung matericCer ©üter. dloä) mef)r; ift alle§ nur
3Jlaterie unb geftaltet fid) unfer Seben nad; materietten unb barum
mit blinber D^otfjraenbigfeit wirfcnbcn ©efegen, bann gibt e«
feine greif)eit be^ Söiüen^, im raaljren 6inne be« 2öorte;5, unb
befe^alb auc^ feine ütiMje SSerantmortlic^feit, feinen roefentlic^en
Unterfd)ieb groifdjen bem fittlic^ ©uten unb r^m fittlid^ Söfen.
©ibt e^ aber feine fittli^e greil)eit unb fein ©ittengefe^,
bann gibt eg aud; fein dM)t, biefeg 2öort in feiner n)af)ren S3e=
beutung genommen, feine unmanbelbare von ber ©eroalt unb 'oen
bloßen %i)at'\ad)cn unab()ängige ©erei^tigfeit ; an bie Stelle be§
9fled^te§ treten bie S:l)atfadjen, an bie eteHc ber ©erec^tigfeit tritt
bie ©eroalt. 2Bie in ber materiellen äßelt bie ftärferen Gräfte
unb bie größeren SJlaffen bal, roa^ fi^roäd^er ift, germalmen unb
fid; unterroerfen, fo ift e§> bann anä) in ber menfd;li^en ©eiell=
fc^aft: il)r ©efcg ift nidjt jeneg ©efe| ber ©eredjtigfeit, ba^ aud^
ben S^roäd^ften gegen hen ©tärfften fc^ütjt unb, roenn felbft
auf ©rben bie ©eroalt obfiegt, hoä) gulelt burc^ ben eroigen Südö-
ter SSoEftredung finbet — fonbern ha§> bie ©efeUfdjaft bel)errfd)enbe
©efeg ift ha§> düd)i be^ Stärferen ; mag nun biefe (Stärfe auf
H^) 6d)roert ober auf ba§ ©elb ober auf ßift unb ^lugl)eit ober
auf alk§> btefeg gugleidf) fiel) grünben. ©o roie bemnad^ ber 2ItI)ei^=
mu^ ber ^obfeinb ber Dfleligion ift, fo ift bie atljeiftifdje ©itten?
unb 9^edl)t§lef)re, bie üielmel)r bie £eugnung aller 6ittlid)feit unb
aHe^ dle6)k§> ift, bie geinbin ber gangen gefellfdjaftlid)en Drb=
nung, bie fol($en Sel)ren gegenüber nid)t einen Slngenblid fort-
— 109 —
Befte!)en löniite, tuenn nic^t bie auf 'i)a§> (S^riftentljum gebaute ge^
fdjidjtlidje Drbnung unb ba§ d;rift(id)e ^en)u§tfein be§ 3SoI!e^
SBiberftanb leiftete.
@i6t e^ feine fittlic^e greil^^it unb fein Sittengcfeg, bann
^ertf^t aber nic^t nur in ber bürgerlid^en Drbnung ba§ 9icd)t
beg ©tärferen, fonbern auc^ in allen perfönli(^en S3e3ief)ungen
ber 3}^enfd;en unter einanber, bann Ijat bie 9iä($ftenliebe feinen
©inn ttteljr, bann ift 'ba^» 3)ätleiben mit ber 5Rot!) ol^ne 5Sernunft
unb ©runb, bann ift ber ©ine gum ©lenb, ber Slnbere jum ©e=
nuffe naturnottiwenbig beftimmt, bann liggt c^ in ber 9Mur ber
S)inge, bafe ber eine ^Ijeil ber 2}lenfd)en ben anbern aU 2ßer!-
5eug gebraudjt, um ilju für biefen ©enug auszubeuten unb il^n
ol)ne SD^itleib in ^totl) unb @(enb gu ®runb getien lägt, raenn er
biefem Qxved h\§> §ur legten (Sridjöpfung gcbient ^at
®ie ^irc^^e l)at boljer in unfern %ag,en nicfit nur, mie in
ben früljeren 3al^rf)unberten , ben 53erui, bie £el)ren ber Offen*
barung gegen Srrleljren gu fdjügen, fonbern fie Ijat t)ielmel)r bie
überaus erljabene 2lufgabe, bie SSernunft felbft unb bie grogen
SSernunfttt)al)rl)eiten, bie natürlii^e ©ittlidjfeit, ha^ natürlid)e ^e6)t,
bie erften ©runblagen ber menfdjlidjen ©efeEfd^aft gegen bie Sin-
griffe beS ©eifteS, ber von ©ott abgefallen ift, gu t)ert{)eibigen. ©ine
größere unb glorreichere Slufgabe ^at bie ^irc^e ©otteS nod^ nie
geljabt, wie in unfern Zaij^en, 6ie ift nid)t nur ber gels, auf
bem baS ©l)riftentl)um rul)t, um e§ gegen bie Pforten ber §ölle
gu f(^ü|en; fie ift and; ber %eU, auf bem bie gan^e natürli(Je
Drbnung xnlji, um fie gegen biefelben feinblid)en SJZäc^te §u üer-
t^eibigen. 60 erfüllt fi^, maS fdjcn t)or graeiljunbert ^al^ren
ber groge beutfc^e Pjilofopl) fieibnig üortjer fa^, bag Reiten
fommen mürben , rao bie ^ird)e nid)t fomoljl \)tn ©lauben , aU
vklmeljx bie SSevnunft gegen bie Eingriffe bei Unglauben» rcerbe
in Dertl)eibtgen Ijaben unb bafe bie legte .^rrlelire ber Slt^eiS*
mu§ fein merbe. S^iefe 3sit ift offenbar gefommen.
Um aber bie übernatürlid)c unb bie natürlidje SBal^r?
]E)eit in il)rer 5lnmenbung aufS menfdjlid;e Mmi gegen bie
S[>erfälfd)ungen be» naturaliftifc^en g^^^Ö^^P^^ l^ üerttjeibigen,
!ann fid^ bie ^ird)e nii^t bamit begnügen , jene SBaljrljeiten bloS
auSpfpre(^en , fie mug t)ielmel)r auf beren lebenbige ^er-
mirflidjung im 2ehen ber 3J^enfc^^eit unb bamit auf alle jene
grogen gragen eingeljen, um meiere fic^ im innerften ©runbe alle
— HO -
ll'ämpfe ber ©egenraart bre(;en. ©ie wirb baljer naä) ber 9li$tfd;mir ,
ber erüitjen 2Ba()rI;eit au§ipre($en muffen, in lüel^em ^serljäUmife
ba§ S^viftentljum unb bie^irdje ^ur 2ötffenf d^aft imb6$u(e,
§urgQmilieimb@[je,§um6taate mib ber ©efellfdjaft ftef)t
S)enn baraiif ift ber ^(an be§ Sügent3eifte^, ber imfre ^niee
t)or ber Diatur flatt vor beni einen uiaf)ren (3oii bengen raiff,
geviditet, bie Söiffenfdjaft, bie 6c^ule , bie gamilie, bie ©(je,
ben Btaat, bie @efellfd)aft vom (E()riftent^um unb bann t}on jeber
Dteligion gn emancipiren nnb fid^ felbft l)öriß gu niad)en, nm fo
hnxä) äöiffenfdjQft, 6d)ule, 6fat§geiua(t, ja fo^ar burd^ bie
gamüie ben ©ö^enbienft ber 9?atnr gnr 3ßeltreli(]ton jn erljeben.
baljer jenc^ allgemeine gelbgefd^rei nnferer 3eit anf 3::rennnng
ber Söiffenfd^aft Dom ß^lanben, ^rennnng ber 6c^nle üon ber ^ird)e,
Trennung be!3 ©taate^ Don ber ^irije, ^rennnng ber ©(je üon ber
tird^e! (Getrennt fott werben, \va§> ©ott ijerbnnben i)at, ma^,
feit ©Ott bie 2ße(t erfc^affen (jat, x)er()unben lüar nnb üerbnnben
bleiben mng , menn nidjt bie 3}^enfdjen bem fiügengeift nnb hem
^erberben an^tim fallen jt)onen.
S)a§ ift aber ber Q\mä biefer 3eitridjtnng, bnrd) bicfe Trenn-
ung bie ©ntcl)riftli(^nng be§ 3>olfex^ allmälig aber fidjer Ijerbei^nfülj^
ren. ^nrc^ biefe 5:rennnng foll nämlidj bem ß(jriftent(jnme aller
Seben^boben entzogen nnb e^ babnrdj gnm Slbfterben gebrad^t
werben. ®a» ©(jriftentljnm ift lüejentlidj baju beftimmt , mie Wn
gangen äJienfd^en in all feinen Gräften nnb 5t(jätig!eiten, fo and)
bie gange SJknf^^^eit in air i()ren gefeüfdjaftlidjen ©liebernngen
nnb £eben»änßernngen gn bnrdjbringen , gn reinigen, gu t)erebeln
unb gn Ijeiligen. S)e|3l)al6 cergleidjt e^ fein göttlidjer ©tifter
mit bem ©anerteig, ber bie gange 3}taffe be^ 9Jleljle§ bnrd^fänert.
2)a0 große 2öer! ©ottc§ in ber Söeltgefi^ii^te, ber maljre G)Ott=
gewollte gortfc^ritt ift bie immer rollfommenere ^X'erdjdftlidjnng
ber 3}ienfdj(jeit. ©o lange in ben erften djriftlidjen 3al)r=
l)nnberten nur bie ©ingclnen gläubig marcn nnb iljre 9leligion
in iljren §ergen, in bem Qnnern i()rer Käufer, in ben ^ata!om=
ben verbergen mußten, mäljrenb ba§ gange öffentlidje unb gefeilt
fdjaftlid^e Seben, SiffenfdE)aft unb ^unft, ©d^ule nnb ©rgieljung,
^taat nnb ©efeUfdjaft (jeibnifdj blieben, war eben bie 3Belt unb
bie 3}^enfd^l)eit nodj ljeibnif(^ nnb nidjt djriftlidj. ©Ijriftlid^ würbe
fie chtn in bem Tla^c, aU nidjt blo» ©ingelne burdj ha^ ©Ijri-
ftentljum geljeiligt nnb gerettet, fonbern aU bie menfdjlidje ©e^
- 111 —
feUfdjaft ielbft mit bem $rift(i($en ©elfte erfüttt roiirbe. ^afe
foldje^ immer mel}r iinb mel^r gef(^el)e, bafe bie imc^riftlii^en
Elemente, b. !). Unroa^rl)eit, llugcredjtigfeit ;mb ©elbftfuc^t, in
ber menf^lidjen ©efetlfc^Qft immer meljr überrounbeu imb bie
©eftalt ber ©ejcUfd^aft bem ©eifte be§ (Eljriftentl^iime^ immer
(:ileid)förmiger merbe, ba§ ift unb bleibt baC^3i^^ oto @ef($id)te,
bQ!^ ift ba§ 3beal, welchem ©olt bie 3Jienfdjl)eit immer meljr luib
meljr sufüljren mid. S)a5 gerabe ©egentl)eil ftrebt nun jener
©eift an, ber ha beftänbig : Trennung, irennnng ! ruft, mäljrenb
ber dln\ ©otte^ unb ber 5Huf ber Siebe auf Bereinigung unb
Bcrf()l)nung geridjtet ift. SDa e^ aber nod) nidjt auc^fül)rbai'
erj^eint, ben ©lauben mit cinemmal an§> ben ^erjen ber 3Jiittionen
lu reiben ober mie einften» im alten 91 om ba§ (i;ijriftentl)um
ielbj^ gu profcribiren , fo fott eiS menigften^ x)orerft meljr
unb me^r au§> bem ^ehen üerbrängt, in bie x)ier 3}lauern ber
Äird)en, in bie ©ubjectiuität ber ©injelnen eingefd^loffen werben.
3)abei unterläßt man nid^t, hm Sdjein gu verbreiten, al§ ob
biefe S^rennung im gntereffe be^ n)al)ren gortfdjritt^, ber SSiffen^
fdjaft, ber greiljeit notljroenbig fei, mäljrenb ba» gerabe @egen-
tl)eil maljr ift, unb oljne 9teligion unb (El)riftentljum üielmeljr
atter gortfd^ritt, alle malire Sßiffenfd^aft unb greiljeit, alie§
ma^re ©lud ber S35lfer xmmögli»^ ift, meil ba0 5ltte^ nur in
ainb burdj ©ott errungen werben !ann.
Sene 2öi]jenfd)aft oljne ©Ott ift feine^ireg^ bie ma^re Söiffen-
fc^aft. 6ie ift nid^t bie Sßiffenfd^aft, bie mit 9teblid;feit nad)
2ßaljrl)eit forfdjt, befelialb aber cin^ bie Sc^ranfen unb bie
©ebrcd)lidj!eit ber menfdjlid^en 5^ernunft anerfennt unb bie Ijödjfie
2Öal)rljeit l^eilig l)ält ; fie ift ni$t bie SSiffenfd^üft , meldje bur$
bie 6i(^er= unb Marftellung ber natürlichen Sßaljrljeiten bie
Borl)aEe bilbet gu ber un^^ burc^ ©ott gefd)entten ljöl)eren über=
natürlidjen äÖeigl)eit ; bie 2öiffenfc^aft , meiere bie' ^^atfad^e ber
Dffenbarung, bie ®öttli(^!eit be^ Sljriftent^umjo unb bie göttlidje
Stiftung ber Äirc^e bur(^ oernünftige unb gefd^idjtlidje ©rünbc
beweift unb an ber §anb unb im Sichte be^ ©lauben§ mel^r unb
meljr ba^ ^Serftänbni^ ber offenbarten Söaljrljeiten uii» erfd^lie^t :
fonbern e^ ift eine SBiffenfd^af t , bie oon üorn^erein mit ebenfo
unroiffenfc^aftlid^er aU x)orurtl)eil^t)olIer 2öill!ürlid)!eit jebe Offen-
barung leugnet unb aUeS Uebernatürlid)e für Sßaljn erHärt,
bie aber audj befe^allv weil fie fidj t)on ©ott unb ©otteC^ Offen-
— 112 —
barung gefüifenttid^ obicenbet, rettung^Sloö allen, and) ben id}limm^
ften ^Serirrungen be§ gefattenen 2)ienfd)engeifte§ — bem ^ei^titu^,
bem ^antf)ei0mug, bem SOhterialienmg anl)eimf ällt ; e§ ift jene
2öiffenfd)aft, n)eld;e f(^on ha§> apoftolifd;e 3Sort i) mit fo einf'^nei--
benber 2öa^r{)eit fennseic^net ,. raenn e^fpric^t: „€ie Iciftern,
wa§> fie nid)t t)erftel;en (nämlii^ aUe^ Uebernatiirüd^e
unb ©öttlit^e); baö aber, ma§> fie pon DIatur, raie bie
üernunfttofen ^l;iere (nämlid^ hmd) bie 8inne nnb burd^
eine 2Biffen(d)aft, bie feine 2isa!)rl)eit§quette ancrfennt al» bie
6inn2 allein) raiffen, gereidjt il)nen gnm 3Serb erben
(weil fie el gu ,i()rem unb Slnbever intettectueHem unb fittlidjen
^erberben miB6raud;en)/' ©^ ift bal)cr eine 23if|enfdjaft,
bie bent ß;()riftentl)um nidjt unparteiifc^ , fonbern feinblid;
gegenüberfte^t. ^iefe 2Bif)enfd}aft mitt ba^er bie (Sdiule
nur befe^alb von ber ^ird^e , unb ben (Staat von ber Dleligion
trennen, um beibe, ©(^ule unb Btaat ju be^eirfd)en unb
mit i^rem ©eifte ^u burdjbringen; um in ben 6d)ulen unb
£e!^ranftalten oon ben |üd)fteu bi^ gu t^en niebrigften 'iia^^ !)eran-'
mad^fenbe @eid)Ied^t , vor allem aber bie l^errfc^enben unb ton=
angebenben klaffen ber ©efeüidjaft, jene bie aU ^Beamte unb aU
SSolf^Dertreter ben <Btaat , hk ©emeinben, bie gefammte ©efell=
fd^aft Derroalten, leiten unb umgeftalten werben, nad) iljren
©runbfä^en gu unterrid)ten unb gu erjieljen unb fo einen (Einfluß
ouf ba§ öffentU{$e, gefettfijaftüdje unb priDate Seben au^^uüben,
raie \l)n m bicfem Umfange ha^ (E()viftent{)um nie geübt unb bie
^'ir^e nie in 2lnfprud) genommen "i^at
^enn ß^riftenttjum unb ^ird^e a^ten grunbfä^Iic^ bie
natürlidje unb red^tmä^ige grei(;eit, mie be§ 3Jfenf$en, fo bea
©taateg unb ber ©efettfcbaft , bagegen biefe ©eifteeridjtung famt-
!eine (Bdjxanhn, vox benen fie fülle fielet, am menigften a6)td fie
ba^ d{ed)t unb bie gi^ei^eit be§ d;riftlic^en ©emiffenö unb ber
d^riftlid)en jürdje. ^enn a[§> oberftcS ^rincip, al§ ben Stnfang unb
ba^ ßnbe il)rer poIitifd;=focialen 2e()re ftellt fie ja ben 6a^ auf,
bafe ber Staat nid;t etwa blo^ ber ©d^ü^er, fonbern ber alleinige
unb unumid)rän!te Urljeber be§ Died^te^ fei, unb jmar fo, ha^ aber
aud) nur ba^ Siedet fein fott, ma^ ber Biaat üerorbnet, b. l). mal
1} ^ub. 4, 10.
— 113 —
Sette lüollen unb befcä^Iiegen, bie fa!tif(5 bie Staatsgewalt in ^än«^
ben Ijaben ober fie beeinfluffen. S)araui§ folgt bann, ba^
bie einzelnen , bie gamilien , bie focialen ^örperfc^aften, unb
barin vor allem bie ^ird^e nur infofern Siechte '^abe , aU
biefer <Btaat fie i^nen 5uer!ennt, unb nur fo lange er pe i^nen
äuerfennt, unb bafe jebe ©eltenbmad^ung eine^ eigenen, roenn aud^
no(5 fo leiligen d\eä)k§> gegenüber bem Staate unb feinem ab?
foluten SBillen aU (Empörung unb §0($t)erratl) gilt.
©^ braucht bal^er biefer Staat nur gu befijliefeen, bie
Schulen foHen confeffion^lol, b, ^. oljue jegliche pofitioe Migion
unb hk Altern foHen angehalten fein, i^re ^inber in biefe Sj^ulen
§u fc^iden — fo iji \>a^ mefentlii^fte (Slternred^t x)erni(^tet unb
bie (^riftli^en ©Item muffen jufel^en, raie il)re ^inber un(^riftli$ in
ben Sd^ulen erlogen werben. Unb wenn ber (Btaai erflärt , nur bie
ß^iüilel^e fei giltig, fo l)at bie (^riftli($e @l)e, obwohl feit 3al)rl^unberten
t)oEbere(^tigt, aufgehört, in ber ©efellfd^aft unb im öffentli^en 2zhm
©eltung gu befi^en. Unb berfelbe Btaai brandet nur ba§ ©efe^ ju
mad)en : ha§> !löfterli($e ^ehen ift v^xhokn, bie S3ifd^öfe unb ®ei^
liefen fönnen nur mit Staatggenel)migung gemeil^t unb angeftettt
werben, fo ift ber" innerfte ßeben^nero ber ^iri^e gelähmt unb
biefe mu§ in ftummem @el)orfam gufeljen, wie ha^ Seben l^o^erer
SSoEfommenlieit in il;r unterbrücft , wie ein göttlicher Söeruf in
üielen ßl)riftenfeelen erfticft, wie ber ©piScopat unb ber (Sleru§
f^ftematifd^ rerberbt wirb — unb ^§ ift nur coniequent, wenn
biefer moberne Staat fi(^ eine§ ^age0 berei^tigt glaubt, wie er
bereits in feinem blutbefCccftenUrfprunge im 3al)re 1793 in grau!«
rei(^ wirflid^ getl)an l)at, ju becretiren, bie Uebung ber !atl)olifc§en
^Religion fei tjerboten, ja ber ©laube an (Boit unb beffen Slnbetung
unterfagt.
^aö ift bie Sage ber ^inge in ber mobernen SSelt, biefeS
finb bie SluSgangS- unb 3iß^pun!te jener Bewegung, wel^e in un-
erljörtem 3JliPraud) beS l)eiligen 9kmen§ ber grei^eit eine freie
SBiffenfd^aft, eine freie Schule, einen freien Staat anftrebt, bereu
angebliche grei^eit aber nichts ift aU eine red^tlofe Empörung gegen
Wn lebenbigen ©ott, al§ bie Befreiung oon ben ©efefeen ber 2Bal)r^eit
ber ©ere(5tig!eit, ber Dieligion, um bie 3Jlenf(^en ber ^ned^tfc^aft
aller ßeibenf^aften unb aller 2BiIIfür unb jeglichem ©goiSmuS ju
überliefern, um fie Don einem Slbgrunb beS 3$erberben§ in ben
anberen gu ftürgen, um bur^ \)^n <Btaat ben SXbfall ber 3)ienfd^5
». Rettelet, ba8 attflcmeine Öoneil. g
— 114 —
^eit t)on ©Ott unb bie ©elbfioergöttenm^ ber 5)^enfd;()eit ju
DoEürincjen. ©anj ber ^lan ber alten (Sd^lange: „3l)r luerbet
wie ©Ott \m^y
. "2öa^ rairb bie ^irdje 3efu Sl^rifti biefem oI;nmä(^tiöen Unter-
nel)men ber ^o^tjeit nnb 53erblenbung gegenüber tl)nn? Sie toirb
im3Ramen nnb in ber l^raft beg aEmädjtigen ©otte^ ben Unter-
neljmnngen be^ Sügengeifte^ gegenüber bie eiuigen 2öaf)rl}eiten ber
Vernunft nnb be^ 6fjriftent[>nmg ber 2öelt Derlünben.
^er.Sßiffenfdjaft rairb fie fagen: ®n l)aft einen l^o[;en ^e--
tuf nnb hu bebarfft einer großen grei^eit, bie id) bir im noüften
3Jia6e geioäljre , weil @ott fie bir gen)äl)rt ^at $Dn foßft jnr
S^ereblnng nnb jnm 9tn^en be;? ganzen 3}lenfd^engefd)led)tey bie
2öa[)rl;eit erforfi^en nnb tel^ren, fo wät fie ber inenfd;Iid}eit
SSernnnft jugänglid; ift. Slber chm raeil bein Qkl bie ^a^r-
{)eit ift, l^aft hu über bie 3SafjrI)eit fclbft feine ©en^alt, fonbern
foüft iijre ^Dienerin fein. @ott aber ift bie ^öd)fte 2öal;rljeit nnb
wenn ©ott felbft §n ber 9}lenfd)I)eit gerebet , fo mnfet hu in ®e=
nmtl) Dor @ott nnb feiner SSaljrtjdt bi($ bengen; fonft rairft hu,
inbem bn ©ott glei(^ fein nnb befeljalb feinen ©ott nnb fein
©otte^'SBort über bir anerfennen raißft, rettnng^Io^ bem Sügen=
geifte verfallen. Söiltft bn bal)er in beinern berei^tigten nnb ^od;^
l^erjigen Streben, bie 3Bal)rl)eit gn erforfd^en, nid;t anf 2lbn)ege
unb in bie tieften Slbgrünbe gerat{)en, fo barfft bn jenen Ijimm-
Ufi^en ^olarftern einer unfehlbaren Söaljrljeit, ben ©ott in
feiner Offenbarung ber 3Jienfd)ljeit gegeben Ijat, ni($t t)erad^ten unb
nu^ bem Singe verlieren. SBillft hu bic^ aber no(5 l)öl)er erl^eben,
üU hu auf ben Stufen ber ©efd;öpfe hux^ eigene ^raft gu ge^
langen vermagft, raiU)^ bu jene übernatürlid^en 2öal)rl;eiten er-
fennen, bie gnle^t allein im Staube finb bie großen gragen ber
3}icnf(^l)eit §u löfen , fo mu^t hu üom göttlidjen ©lanben bid; leiten
laffen unb mußt glauben, um §u erfennen. S)ie SBiffenfdjaft ift ba0
2Berf ber menf^Uc^en ^crnnnft, unb and) bie menfd)li$e ^er^^
nunft unb fie t)or allem bebarf be§ ©rlöfer^, unb nur burd; il;n
fann fie ^ur üollcn 2ßal)rl)eit gelangen , nur in il;m leben unb
2iihen verbreiten.
5Die Schule mirb bie ^irc^e jurufen: ^u bift i)'C^ä)\t eljrmür*
big unb^eineiS ber foftbarften ©üter ber 3)^enfd)l)cit. ^^ fegne
1) 1. 3Jtof. 3, 5.
.^ 115 -
uub crmuntere bid^; jebe äd^te ^ilbung iflüom ß;^riftent^um ge-
bißiöt unb ein ©ercinn für'^ ß{)riftentlf)um. 3ßiEft bu aber TOo^r-
l^aft eine ©rjiefierin ber 3J?enj'c^{)eit fein, iljc juut §eile unb ni$t
^unt 3Serberben, fo barfft bn von bem Sef)rmeifter otter 3)Zenf$en,
ß()riftu^ beni §errn, bii^ nid)t losfagen» 2öo(Iteft bu !)ingegen
bie Ijeranroai^fenbe !l}?en[d}ljcit anftatt für (II)riftu§, für ba§ Un-
d)riftentl)um er3ie^en, fo raäro ba§ bcr Ijödjfte unter aUtn greüeln,
wellte g^eo^m @ott, oeßen bie gamilie, öegen bie 9Jlenfd;^eit be-
gautjen luerben !onnen.
2)cm Staate rolrb bie ^irdje fagen : ^u bift mit ber I)ö(^)1ten ir-
bifd^en Majeftät befteibet, unbmie (E^riftu^3, mein§err unb 9^id)ter, bem
^aifer o^ab, ma» be§ ^aifer§ ift, fo crfenne and) iä) bi$ an im 58olI=^
ma§e aEer bir üon ©ott üerlicljenen d1ed)k unb ©emalten. ^u trägft
ba» ©diracrt, um t)ie 9Iedjte ^IUer, ^umeift ber ©i^wad^en unb
2öel)rlofen 5U fdjü^en unb bie greoler gu ftrafen, bu befi^eft bie
gütte irbifd^er (^üter unb ©eiyalten, um bie gemeinfnme 2Öol)lfal[)rt
gu förbern- 2lber bu bift nid)t ©ott unb barfft bic^ nidjt fegen
an bie ©teile @otte§. ^u bift üielmeljr ©otte» Wiener gur
ßanbl)abung ber ©eredjtigfeit. ^ie ©efege ber Söaljrljeit unb
ber ©erei^tigfeit, bie er felbft in ha^$ ©eiDiffen be» 3JJenfc^en ge-
fc^rieben, ^a\t bu junäc^ft §ur 31id)t{d^nur beiner ©efeße unb affer
beiuer ganblungen su nebmen; dmi befeljalb ^laft bu su fc^ü|en
iebe^5 rooijlermorbene 9fled)t, unb foffft e§ nid)t beutjen, um einen
fd)einbaren Dingen ju erreid;en. ^aju ift jeber @taat,,felbft ber
Ijeibnifdtie, "üerpfüdjtet.
$Die Staaten ber cioilifirten 3öelt finb aber feine l^eibnifd^en
Staaten. Europa oor 2(IIem ift (^riftlid; burd^ ©otteiS affmädjtige
§anb unb ©nabe, burd) ba^ 33lut oon üiel STaufenb 3Jlartt)rern,
burd; bie 5lrbeit uub ba§ 2ehen t)on me^r aU fünfzig (Generationen.
S)ie 3Sol!er ©uropa^ finb feine Ijeibnifd;en 3Sölfer. ®ie ^ird^e
mirb baf)er ber 'Btaat^malt fagcn: ^u f)aft nid^t ba§ '^ed)t,
baö dt)rift(id)e 5ßolf wie ein Ijeibnifd;e0 5U be^anbeln^ noc^ roeniger
mie ein 3Solf otjue Üleligion. ^^nn bu and) äffen bie greil)eit
ber rcligiofen Ueber^eugung geroäfjrft, ja fclbft bie greiljeit, gottlob
3U fein, fo ^aft bu nid)t \)a^% Siecht, ber ©ottlofen wegen and^
ba§ gan^e Sßolf wie ein gottlofe^ gu beljanbeln. ®u Ijaft W
^füdjt, hie Ükligion beine^ d;riftlic^en 3SoIfe^ gu e()ren, bie Äird^e
gu fc^ügen unb nidjt nur felbft in ben meltlid^en Slngelegen-
Ijeiten bie natürildje ©ered^tigfeit malten gu laffen, fonbern
"- 116 -
au^ bem $riftli$en ©elfle ben gebil^renben ®inftu§ ^n geftatten.
SBenn bageöen bie ©taatSgeraalt \i^ jum SBetJjeuge eines bem
ei)nfient^um unb ber ^ird^e feinbfeligen ©eifieS , fclbft big jur
Sßerle|ung ber natürlid^en ©eredötigfeit l^ergeben toürbe — fo ift
bttS ni^t erlaubt imb ifi jeber ß^rift, raie t)iel me^r bie ^ir$c
e^rifti tjerpflic^tet, @ott mel^r 511 geI;or(5en, aU ben 9Jlenf(5en,
«nb !ann folijer gret)el nur gum S5erberBen berer gereii^en, bie
il^n üben: benn an^ hm üönigen unb 58öl^ern, ben Staaten unb
S^eic^en gilt bü0 SSort beä Slpoftelfürfien: bieg follt t^r iDiffen,
ba§ anä) eu6) in feinem anberen Dramen §eil gegeben ift, al§
allein im S^amen Qefu (E^rifti^).
S)en Sfteic^en mxxh fte fagen: ©ott J^at bie ©üter biefer
SBelt für alle OJlenfc^en beflimmt unb m6)t bloS für eu($. (Sott
will, ba6 alle ^enfd^en an i^nen in einem gemiffen Umfang
Slntl^eil l^aben. 3§r feib ni$t unbefd)rän!te ©igent^ümer,
fonbern SSertoalter ber irbif(§en ©üter. 3^r jeib bal^er t)erpflic&'
Ut, euere armen 3Jiitbrüber p lieben, i^nen einen red^tmäfeigen
^erbienft p geroä^ren unb i^nen nac^ beftem SSermögen gu §ilfe
ju eilen, ^cnn i^r baS nic^t tl^ut, töenn i'^r pielme^r euere
(Süter nur ha^u hmüi^et , um euere ©lüdfeligfeit im ©enuffe ber
irbifd;en ßüfte ju finben, euere 2)Zitmenf^en lebigli($ gu 2Ber!|eugen
jur Sßermel^rung euerem D^lei^t^umS §u machen: fo begebt il^r
ein 3Serbre$en gegen @ott unh ein ^erbrei^en an ber Tlen\ä)f
l^eit, bie il)r enttoürbigt.
S)en Firmen rcirb fie fagen: ©eib gufrieben mit bem
©taube, morin ©ott eu($ gefegt ^at, begebt !eine llngere$tig!eit
iinb (^emaltt^at, murret nxä)t gegen (Sott unb ©otteS Drbnung
unb erfennet üor allem felbft , baß bie Söürbe unb bie ©lücf-
feligfeit beg 3Jlenfd^en nid^t in ^teic^tl^um unb in irbifc^en (Se=
nüffen befte^t, fonbern in ber Sßürbe unb bem ©lüde, bie mir
burd^ bie 3^ad^folge S^rifii erlangen, ber obrool^l er (Sotteö ©o§n
mar, ben 9leid^t^um t)er[($mä^t, bie 2lrmut§ ermä^lt ^ot.
Sßie aber bie ^ir($e auf ber einen 6eite alle uatürlicJ^en
unb übernatürlid^en (Süter ber a)^enf(5l)eit gegen bie Singriffe be§
©eifteö be§ SlbfaÄS t?on (Sott unb feiner Orbnung oertljeibigen
mufe, fo mu{5 fie au^ inöbefonbere bie grei^eit fidj er!ämpfen,
bie fie bebarf, um i^re göttlid&e ©enöung gu erfüllen.
1) Slpoftg. 4, IJJ.
— 117 —
©ie tüirb ba^er im tJoHfien Umfang bte ^rei^eit in 2lnfprud)
nelfimen, bte (5ripli(^e 2öal)r^eit ju rerfünbigen unb ju lef)ren,
nid^t etvoa Uo§> burd^ ^rebtgt unb ©^rifienlef)re, fonbern in jeber
SOBeife, bie ha red^tmagig unb würbig ifl, t)or 2IIIcm burd) bie
Pflege ber JBiffenfi^aft unb hnxä) bie freie ^enu^ung ber treffe,
©ie n)irb in 5Infpru(5 nel;men ha§> 'äeä^t, i^re ^riefter pm $rie=
fiert^um, il^re Jünber für ba§ ^l^rifient!)um p er§iel)en unb par
ni(^t ua^ bem 3)fia§e, welches eine migtroutfi^e ober feinbfelige
©taatSgeroalt i^r guniigt, fonbern in bem ganjen Umfang, rote
eS in ber 3^atur ber ©ad^e Uegt
Sie roirb in Slnfprud^ nel^men bie ^rei^eit, i^xe ©iener^
t)or alletn bie S3if{^öfe nai^ bem Wla^e i^rer SSürbigfeit unb
Slü(5tig!eit unb ol^ne frembartige ©inflüffe p mahlen unb ein*
pfe^en.
<Sie mirb für i^re ©öl^ne unb ^öc^ter \)a§> l^eiligfle unter
allen 9J?enfc^en= unb (5:^rifienre($ten proftamiren, bie greitjeit, im
©taube ber et)angelif(5en §8ollfommenf)eit , na^ bem ^eifpiel
ber ^eiligen unb nac^ ber SSorf($rift ber ^trd^e, roie im (^ingelnen,
fo aud^ in ©emeinfd^aft p leben unb p mirfen.
©ie n)irb ba^ l^eilige ^e^t pdj) magren, ®uU^ p if)m,
offe SBerfe ber d^rifllii^en Sarml^er^igfeit p üben, im SDienfle
be^ 9^äd;ften fid^ p opfern, unb wirb mit ©ntrüflung jene uu'-
erträglid^e ^t^prannei von fi^ llogen, meiere un^ ^inbern mill, um
e^rifti SBillen unb nad^ ^fjrifti Sßorbilb ^uU§> p tl^un.
§ßor allem aber mirb bie ^ird^e in unferer Qeit, wo iljxe
Slufgabe größer unb fd;n)ieriger, unb mo bie 3Belt feinbfeliger ift
aU je pt)or, barnad^ mit aEer Äraft l^inftreben, il^re 3JJitgIieber
unb pmal il^re getoäl^Iten ^Diener unb ^riefter, bie beg ^olfeö
güljrer unb 55orbilb in ber S^ad^folge Sefu^^rifli fein follen, gu
(jeiligen unb §u einer großen ^oHfommenl^eit gu erl^cben unb beg-
Ijalb alles p befeitigen , ma§ ber Entfaltung ber d^riftlid^en unb
priefterlid^en STugenben im SOßege ftel^en fann.
Unb gerabe l^ierauf follen wir mit ber ^ird^e aU* unfere
Hoffnung fegen. 3e me^r bie Äird^e pd^ l^eiligt, mirb jmar bie
SSut^f) ber §ölle gegen fte entbrennen, aber biefe Söutl; mirb anä)
um fo ol£)nmäd^tiger merbett, bie .gerben ber 3}lenfd^en aber werben
t)on ber ©nabe ©otteS bewegt unb burd^ baS gegebene ^eifpiel
angezogen, ftd^ ber J^irc^e juroenben.
'— 118 —
Söenn batjer bie ^irc^e SlHel aufbietet, um mit ber ©nabe
©otte^ bie 2Balji1)eit d^Ijrifti ju tierüiubißen, bie greiljeit ber ^ird&e
§u rcrtljeibiöen, bie (Sfirifteutieit in ^aupt unb ©liebem §u ^cili:;
gen, bann !ann fie aud) mit ö^öjserem Vertrauen \iä) an jene
efjriften menben, bie uicijt burc^ if)re eigene unb nid;t burd; un=
fere (Sdjulb, fonbern hwxä) (Sd^ulb längft Derganßener Seiten von
ber (^\ni)^\t ber ^ird)e getrennt finb, um fie mit innigfter Siebe
aufsuforbern, surüd^nfeliren gur üerlaffenen ©in^eit. Xiefer 3fluf
ber Siebe mirb fi(J um fo mäd)tiger crmeifen, je !(arer e§ jebem
Unbefangenen einleudjten muB, \)ai bie ©in'^eit ba§ !öniglid)e
'Mexlmal ber 23a{)rljeit , bie innerfte ^raft be5 (Itjriftentljume»
ift unb baf? bie SBiebevIjerfiettung ber ©inljeit, aber quc^ fie
aEein, ben Sieg be§ G^riftent^ume» über bie Söelt unfel)lbar gur
golge l;aben mirb — unb bamit \men grieben, jene Erneuerung unb
jene SBo{)lfaf)rt , meldie bie SJIenfdjljeit fdjon auf (^rben bur<^
(s;{)riftu§ \)m Sßelterlöfcr erlangen foll unb nur burd^ ifin erlan=
gen !ann.
Unb gerabe je rafdjer unb fur(^tbarer fii^ bie (Eonfequenjen
be§ 5lbfaIIe^ Don ©(;riftu§ unb feiner 5lirdje entroicteln, um fo
nätjer fleljen mir jenem großen, von ©otte^ SSeisFieit unb ©nabe
!)erbeigefüörten Söenbepunfte ber Seiten , wo bie '3}Jenfdj[)eit im
©rofeen unb ©anjen micber er!ennt, ha^ ber Stein, ben bie
ftclgen unb tl^örid^ten 53auteute üermorfen l)aben,
nämlid^e^riftu0, benno($ Don ©ott gum ©runb= unb
(g(fftein gemacht ift, auf bem 2(Ile^ rul[)t.
XI.
Bie Öorurlljeile.
„?ß rufet Qirc§, h?a§ gut tft ßel^attet."
I. 2;^eff. 5, 21.
5i(^t nur ba§ ß^riftentl^um, fonbern aud) f$on bte Stimme
iinferer S[>ernunft forbert, baß wir 3}?eiifd)en in allem SSaljren
unb ©Uten einig feien unb un^ getjenfeitig in Siebe jur @r^
rei(^ung biefer I)ol)en S^dc, von benen unfer ©lud abljöngt, unter«
ftü^en. ^tatt beffen feigen wir bie 3}?cnfd)en auf atten ßeben^=
gebieten in hcn erbittertften kämpfen befangen, aU ob ©treit
unb IXneinigfeit 'oa^ ©diidfal unb bie SSeftimmung be§ Wlcn\^en^
gef($(edjteg xü'dxe. ©inen raefentlidjen Slntljeil an ber 33itter!eit
unb SRefuItatlofigfeit biefer kämpfe I;aben neben ben Seiben-
fd^aften \)k beftel^enben ^orurtljeile, bie unriijligen Slnfid^ten über
bie 3}^einung ber ©egner. 2Jlan fann faft nie eine ber großen
©ontrouerfen, lüeld^e unter hm 3)Zenf($en t)er!)anbe(t werben unb
fie geiftig fpalten , verfolgen, o^ne auf unrit^tige ^orau^fe|ungen,
irrige Urtljeile, Uebertreibungen ober ^erfleinerungen gu fto^en,
raeldje bod^ notliraenbig befeitigt fein muffen, ef)e eine S]erftän=
bigung mkß^ ift. 2öir fe^en \)a§> faft in allen Organen täglid^
oor Stugen, in meieren bie t)erfd)iebenen Parteien i^re 5lnftd^ten
geltenb mai^en. ^ie meifien von i^nm fämpfen fo, aU ob ato
Söaljre, Mehlige unb (^ute auf iljrer Seite, atte0 Unmalire, Hn^
red)te unb ^öfe auf (Seiten ber ©egner liege. 2luf fold^en 2Bcgen
ift ein Dtefultat, ha§> bie Streitenben in ber 2Bal^rl)eit einigt,
nid^t möglich-
®ag gilt nun an^ namentlid) ron ben großen religiöfen
Streitfragen, ^a entftel^en ^orurt^eile um fo leid;ter unb rair^en
um fo oerberblic^cr, je tiefer gerabe fie bie menf($lid)e Seele be=
rül^ren. Sie bilben fid^ in^befonbere in folgen 3ßitabf($nitten,
rao bie geiftige 2lufregung unb Seibenfc^aft am l^eftigften tft.
— 120 -
eine fol(^e Seit war bie geit ber ©laubett^fpaltitng. 2Bir fitib
mä) weit havon entfernt, alle bie ^orurtljeile, n)eI(J^e ftd) bamalS
me ^o^e 53erge graifi^en ben 6treitenben auftürmten, n)e99e=
räumt in ^aben. SSir ftnb aber in eine 3eit eingetreten, mo,
mir möchten fagen, bie 5lcten über bie ©rünbe ber Spaltung wie
über il^r ^Refultat, reribirt werben, um gu ermeffen, ob biefelben
in Söal^rl^eit befleißen unb au^ }e|t no(^ t)orl)anben finb. 5Diefe
9li(^tung ber Qeii, mel(^e gmar je^t noi^ me^r in anbern Sän^
bern aU in S)eutf$lanb auftritt, \i^ aber auc^ hei m§> f(^on
geigt unb immer mächtiger werben wirb, ifi überaus erfreulich-
6ie ift bie Morgenrötfee bejo griebeng , ber erfie SSorläufer ber
^Bereinigung. ^\^t^ ift unbere(^tigter, al^ eine Spaltung, ^ren=
nung wegen ^orurtl)eiIen , wegen unrid^tiger SSorau0fe|ungen.
6ie muffen mit vereinten Gräften überwunben werben. 5Daran
muffen wir alle arbeiten auf allen ©eiten. <Dag ift eine gorbe^
rung ber Sßabr^eit: eine objectit) richtige ^Darlegung aller wir!=
U(^en ©egenfä^e, na^ (Entfernung atter ©ntfiellungen , wel(^e
i^nen bie ßeibenfd^aft beg ilampfeS unb SSorurt{)eiIe gegeben
l^aben.
3n biefer S^id^tung i)ahen wir ^atl^olüen eine große ^luf-
gäbe, inbem wir bie Seigren unferer Äir^e mit 9lüdfid^t anfalle
»or^anbenen 3)^i§beutungen fo barfteHen, ba§ fie mögli(5ft rein
unb !lar pr Slnfc^auung !ommen. ^a§ wollten bie einfid^tigflen
3Jiänner, ba^ wollte namentlii^ ^öffnet in feiner berühmten
„Darlegung ber (Jripi^en Seigre/' ba§ wollte auä) in unfern
^agen SDlö^ler in feiner „6t)mboli!/ ^ier ^ahen wir no$
Wlan^e§> wieber gut ju machen, ^er DrbenSmann unb $uma=
nift £ippu§ Slureliug 33ranboIini fteUte für öen rid)tigen
Slu^brud bie 3flegel auf : „^an mug ft(5 bemühen, bafe ber Sefer
ober 3u^örer nic^t nur unfere JReben oerfle^en fann, fonbern baß
er fie nid^t miBoerfle^en !ann, felbft wenn er e§ wollte 0."
Seiber gibt e§ man$e firi^lii^e ©(^riftfteHer, bie im @cgen-
t^eil es gewiffermagen barauf anlegen, fic^ fo au^^ubrüäen,
\>a^ §war ein richtiges ^Serflänbniß mögli^ ijl, mißüerftanbli^e
1) Danda igitiir opera est, ut lector atque auditor non modo poasit
nostram orationem intelligere, sed ut 7ioti possit eaiii, etiam si velit. 7i07i
intelligere. Lippi Aurel. Brandolini Oratio de Passione Domini ad Alexan-
drum VI. Pontif. Max. habita. ^erauggegeben bon H, Bone. Mainz, 1869.
pag. 36.
— 121 —
Sluffaffunnen aber no$ nä!)er liegen. ^a§ ift geraig fe^r oer*
!el)rt. @§ ift gegen bie 2öa§rl)eit unb gegen bie Siebe ge=
fel^lt. 2)iefe forbern nid^t nur, ha^ eine raalire Deutung
möglich bleibt, fonbern »erlangen, ba^ jebe unrid^tige S)eu=
tung möglid^ft au^gef(^loffen fei. ^ine fol($e 2lu§bru(f^raeife fann
naä) !einer (Seite bereiä^tigt fein, ©ewig gibt e^ eine Sprache
beö ^ger^en^, bie il^r 9le$t l)at, um fo mel)r, ba un§ ja bie
9leligion fo riefe ©egenftänbe Uekt, bie alle ©efül)le unfere^
§er§enS in Slnfprud^ nehmen. 2lber aui$ btefe ©pradie mu^
fid^ jener Siegel unterroerfen, roenn fie ni(^t ba§ ©egentl^eil oon
bem förbern wiH, roaS fie eigentli(5 be^roecft. SSenn roir 3J?ig'
üerfiänbniffe unb 5?orurtl)eile anregen, fo förbern wir ni$t bie
SSerel;rung beffen, n)a§ wir preifen, fonbern ^inbern fie. ^a§
finbet namentlid^ Slnraenbung auf alte ßontroöer^lel^ren üon
ber SSerel^rung ber geiligen, ber S3erel)rung ber 3Jlutter @otte§,
von bem Primat be§ ^apfte^ 2C. 2C.. ^ie 2Bürbe ber 3Jlutter
©otteg ftel)t fo ^06), bafe !eine menfd^lid^e 3wnge im ©tanbe ifl,
Tie angemeffen ju preifen; bennod^ fann e^ auä) Ijier eine 2luS^
brudSroeife. geben, bie unri(^tige 3Sorftettungen unb SSorurtl^eile
Ijeroorruft unb rael^e wir begl)alb üermeiben muffen, wenn mir
nid^t gegen ben @eift ber 2ßaljrl)eit unb ber ßiebe lianbeln motten.
©ine fold^eßeljre nun, über meldte fel^r t)iele 3JJigt)erftänbniffe
beftel^en, ift bie über H§> Sel^ramt ber ^ir$e, roel^e mir bi^l)er
bel^anbelt l^aben, unb in SSerbinbung bamit über bie 6tettung ber
!at^olif(^en 55riefter in ber ^ird^e.
SBegüglic^ be§ fiel)ramte5 beftelit namentlid^ ein boppelte^
S3orurtl)eil, inbem e^ auf ber einen <Beite feinem ©egenflanbe nad^
aU ein unbefd^ränte ^e6)t gu leieren aufgefaßt mirb, unb in
golge beffen auf ber anbern ©eite ebenfo alä eine unbefd^ränfte
^flid^t, fid^ bemfelben gu untermerfen. Söir Ijaben bie
3rrig!eit biefcr Slnfd^auung nad&gemiefen. ®ie ©d^ran!e, meldte
e§ bem menfc^lid^en ©eifte auflegt, ^t nid^t roeiter, al^ bie Se^re
Sefu eiirifti felbft. Sdai aber atte, meldte an bie ©ottl;eit
3efu ©l^rifli glauben, il^re SSernunft feiner Sel;re unter=
werfen, ift eine notl^menbige golge biefe^ ©laubenS.
S)agegen fd^eint e§ angemeffen, bem anbern SSorurtl)eile be--
güglid^ be§ 5träger§ biefe^ Sel)ramte§ nod^ ein 2öort ju roibmen.
S)affelbe beftelit namentlid^ in ber 5lnf^auung, baß bie !atl)olifd|e
ßel^re üon bem ^rieftert^um bie ©tettung (E^rifti al§ be5 einjigen
- 122 —
©rlöferS unb 9}?ittter§ her 9JJenfd)l^ett beeintrödjtige imb "oa^ (^rifl^
lic^e 53ol! von ber unmittelbaren 35erbinbung mit ©^riftuS bem
©rlöfer obl^alte , mäl^renb bie proteftantifi^e £ef)re ben SBorjug
hkte, hen (Ei)xx\ten in bie unmittelbare SSerbinbung mit bem @r-
löfer gu fe|en. SSie weit biefe§ ^orurtl;eil öel)t, barüber motten
n)ir einen Mann reben laffen, rccl(^er bemfelben ben fi^ärfjien
5lu0brudf gegeben. 2öir finben bei il)m folgenbe 6ä|e :
^3nbem 91 om einen Statthalter an ß^rifli ftatt auf ©r^
ben eingefegt Ijat, fo Ijat e§> bamit pgleidj erklärt, ba§ (Sljriftu^
feine ^ird^e auf (^rben nid^t felbft regiere. ©^ f)at an Ue ©tette
ber göttli^en eine menfd)li(^e 9iegierung^gemalt in ber ^irc^e ein:
geri($tet; e§ Ijat bamit ^l)riftu^, ben Sol^n ©otteg, in ber ^ird^e
I)inter ben ^apfl, ben SDIenfi^en surüdgeftettt."
„3(^ bin geroig nic^t I)art, menn ii^ fage: bie f($mere
6(^ulb, mel($e auf ber römifi^en Iir(^e laf^et, beftel)t gerabe barin,
bag fie 3^fw§ (Sljriftu^ gurüdgeftettt unb ha^^ emige §eil von
seitlichen Kreaturen abl)ängig gemacht l^at, rcä^renb baffelbe
hoä) nur Don ©ott unb bem menfdjgemorbeuen ®ol)ne ©otte§
!ommen !ann."
„®ie römif(^e ^ird^e l)at in Se^re unb d^ultu» uid^tl unter-
laffen, um biefe (^riftlii^en Snbiribuen, bie fogenannten Saien, fo
t)iel al§ möglii^ üon ber ©emeinf(Jaft mit il^rem §eilanbe ab^u^
löfen. ®iefe§ SSerfa'^ren ^ängt auf«S ©enauefte mit il)rem gangen
!unftrei(j^en €t)ft?m gufammen. S)iefer ^ird)e ift es nämlic^ im
tiefften ©runbe liberott um bie (Sl)re bei 3JJenf(5en unb ni($t um bie
©Ijre (5)ottel, um bie ^^er'^errlidjung ber §ierar(^ie unb nic^t
um bie ^Serljerrlidjung ^Ijrifti gu tl)un."
,,@l (nämli($ ba§ 6t)ftem ber fatljolifdjen ^ird^e) mad^t im
©runbe bal (Seelenlieil von SQ^enfdien unb nid^t von @ott, von
menfd;lic^er 3}iitmir!ung unb menfd)lid^cm %^nn unb nid^t von
göttlicher ßinmirfung unb göttlid^er ©nabe abl)ängig/'
„gulegt ift e§ bod) nur $apft , S3if$of ober ^riefter unb
immer roieber ber ^riefter, bem atte Maä)t unb atte (£l)re gufättt.
9^ur bem ^riefter ift e§> möglich gu bemirfen, bag bie irbifd^en
iSubftanjen fid^ in ben l)imnilifd)en Seib (El;rifli üermanbeln 2c. ic."
„2öenn (S^^riftul miiHi(^ ein göttlidjel 5öefen ift, mofür
il^n bie römifc^e ^ird)e ja anä) erflärt, fo !ann er unmöglid^ auf
bie 2lu§übung feiner Sftegierungigemalt in ber ^ixä)t ju ©unften
- 123 -
eine^ tjereinselten fünbioen 9}lenf$en ücrji^tet ^kit. ^ie
römif^e Se!)re fd^Itegt l)ier einen inneren 2öibcrfprn(^ in \iä)/'
„@i5t e^ benn eine bürf tigere ^orfteHnng von bem cgeilanb
ber 2öelt aU bie, bog man fid) feinem ^Ijrone niijt einmal nat)en
barf? eine t)er!el)rtere oon bem WxtiUx iwi\^en @ott unb ben
g}lenf(Jen aU ble , ba|3 man nl^t 'onxä) il;n , fonbern Hxä)
^JRebenperfonen bie SSermittlung bei @ott finben muffe?"
®a§ finb nun eben fo piele ^ornrtl)ei(e gegen bie Seigre
ber to$e, aU Sßorte; SJligoerftänbniffe , xüd^e au^ einer 2In-
fc^auung Ijerporgelien , bie mit ben !at^o(if($en 2lnf(^auungen
nic^t§ 3U f^un l)aben. ©» mirb nid;! fd^roer fein , ba§ na$'
guroeifen.
^ie ^roteftanten nehmen mit nn§ qu(^ ben alten ^unb
aU eine göttlidje Dffenbarung an. 6ie erfennen be6l)al5 mit un§
an, bag ^ott in bemfelben ben Stamm Seoi §um ^rieftertljum
befteßt l;at, bag er i^m 3>o[lma(^ten übertrug, bie er allein,
aber nur in feinem DIamen üben burfte, nid)t für fi<^, fonbern für
(^ott unb für ha§, 3?oI!. §at ©ott etwa befe^alb felbft ni$t regiert
im alten ^unbe? ^am e^ befe^alb im alten 33unbe nid^t auf
bie (Sl)re ©otte^ an'^ 2ßar baburi^ an bie 6telle ber göttlidien
eine menfd)li(^e Slegicrung^gemalt angeorbnet? S)a^ mirb gcmi^
Diiemanb beljaupten.
(S^riftug l)at ol)ne S^^^f^'^ ^^^ 5lpofteln ^ottma^ten über-
tragen, raeldie bie übrigen (^l)riften nidöt mit iljnen tl)ei(ten. @r
l)at bem ^etru^ gefagt: „^ir übergebe x6) bie 6d)lüffel be^
§immelreid)e5i)." ^Darauf bejielit e^ fi(^ au(5, menn bie ^a^
tl)oli!en ben 9lad)folger ^etri ben ^tait'{)altex (E^rifti auf ©rben
nennen. @r ^ai il)m ferner gefagt: „5öeibe meine Sämmer, meibe
meine ©djafe^}.^' Hnmögli($ !ann man annel)men, bag er biefe
3?oIIma(^t allen (Sl)riften gegeben Ijabe, bae^ ja ein Unfinn märe,
menn er allen bie 6(^lüffel be§ |)immelreid^^, allen \)en 5luftrag
gegeben l)ätte, feine Sd)afe gu meiöen. (E^ mar alfo jebenfallä
eine befonbere '^oümaä)t für $etru5, roa§ anerlannt merben
mufj , raenn man auc^ leugnet , ba§ biefe 5^offmad^t auf feine
3fla(^folger übergegangen ift. §at nun ßl)riftu5 baburd^ aufge-
ge'^ört, felbft gu regieren, meil er biefe 5)oflma$t bem $etru!§
übertragen l)at? $at er baburi^ ben ©ol^n ©ottel, \xä) felbft,
1) 2KQtt^. 16, 19. — 2} ^0^. 21, 15 f.
— 124 -
lf)tnter ben 9Jlenf(^en, ben ^etru§, sutMgeflellt? §at er ba^
bur(5 auf feine ©eronlt gu ©unften eine^ einzelnen fünbigen
3Renf(5en t)er§ic^tet? Dber ift er babur(^ fogar mit feiner eigenen
ßebre, bag er ber «Sol^n @otte§ fei, in 30ßiberfpru($ geratf)en?
^at enblid^ ©f)riftu§, inbem er ^etru§ bie ©(^lüffel be^ §immel=
rei(^ö übergab, inbem er i^n beauftragte, feine §eerbe ju meiben,
bie SJlenfi^en abgehalten, ft(^ feinem Xlirone gu naiven ober f)at
er gar angeorbnet, bog man fi(^ m$t mel)r bur(^ il)n, fonbern
nur burd^ 5Rebenperfonen an ©ott menben !önne? ©a§ OTe^
mirb fein t)erftänbiger Sljrift bel^aupten. @r mirb üielmel^r eine
fold^e 2luffaffung aU ein unbegreifli$e0 TOgoerftänbnig ber ^n^
orbnung ^efu jurüdroeifen. ©r mirb e^ faum fürmöglid^ l)alten,
bag man bie SSoEmad^t, bie 3 e f u ^ ben Slpofteln gab, in feinem 3^a=
men unb Sluftrag feine geerbe ju roeiben, fo auffaffen fönnte, aU ob
baburc^ ber <Bo^n @otte§ auf feine eigene Tla^i t)er5i(^tet l)abe.
©ben fo grog ift aber bag TOBoerftänbnig, n)enn man bie Seljre ber
!at]^olif$en Äird^e, meldte in biefer ^infid^t nur barin beftet)t,
bag bie ^ottmad^ten, welche (S^riftu^ feinen 3IpofteIn übertragen,
auf feine D^ai^folger übergegangen feien, nun fo auffaßt, al^ ob
befelialb (El^riftuS nid^t me!)r bie ^\xä)e regiere , aU ob baburc^
(E{)riftu§ l^inter SJZenfd^en jurüdgefe^t mürbe.
2öir !önnen biefe grage bei jeber ^Sottmac^t, bie (S^riftuJ
ben Slpofteln übertragen, it)ieberl)olen. 60 fprad^ g- 33. ber §eilanb
§u i^nen: „3Bie mic^ ber ^ater gefanbt l)at, fo fenbe iäj eud^^);''
einen attgemeineren Stuftrag , eine größere SSoHmad^t lonnte er
tt)a!)rli$ ben Slpofteln nid^t geben. 2öie unau^fpred^Ud^ i^nä)t
märe bie S3eljauptung, bafe biefer 5luftrag mit berSBürbe (Eljrifti,
mit feiner ß^re, mit feiner Sftegierungggemalt im Söiberfpruc^
fte^e, baß baburd^ ba^^ol! üon ßljriftuö abgelialten morben feil
Unb bod^ müßte ha^ 2lKe^ bel^auptet werben, menn man mit
©runb ber !at^olifd)en ^ird^e unb il^rem $rieftertl)um bie er-
mäl)nten SSormürfe mad^en fönnte.
S)iefe 3}Jißt)erftänbniffe über bie malere S3ebeutung ber Seigre
ber 5lir(^e t)om ^rieftertl)um merben unö aber nod^ einleud&ten^
ber unb bie 2e\)xe felbft mirb baburd^ eine neue 33eftätig=
ung pnben, menn mir jum ^djlu^ nod^ einen S3Iidf werfen auf
bie Slrt unb SBeife, mie ©Ott überl)aupt an6) außer ber ^ird^e
1) ^oJ}. 20, 21.
— 125 —
unb bem ß^riftcntt)um bie 3Jlenj(^en leitet. 2öir erfennen barau^^
toie ber göttlii^e ^lan ber Seitung ber 3Kenf{^en überatt berjelbe ift
6d)on in ber gamilie finben rair eine ganj äl;nlid^e Orb^
nung, wie in ber ^ircje; eine älinlid^e Leitung (Sottet, nämlid^
beö einen 3}knfc^en bnr(^ ben anbern ; be^ einen, ber im Dramen
©otte^ eine geroiffe ©eraalt übt, be0 anbern, ber im dUmm
©otte^ fi(^ biefer Seitnng unterwirft; unb aüe SSorroürfe, bie in
ben oben angeführten ©teilen ber !atl)olif(^en Äird^e gemad^t
werben, würben f(^on bie gamilie treffen, wenn fie überl)aupt
begrünbet unb nid^t abfolut gel^altlo^ wären. SBenn @ott 'om
ißater in ber gamilie al^ feinen ©tettoertreter beftellt l)at, fo
\)ai er bamit nid^tö feiner 3Jlajeflät Unwürbige^ getl)an ; fo §at
er bamit gewi§ nid;t feiner göttlid;en ^aä)t unb (Ei)xe entfagt ; fo l)at
er bamit gewi§ nic^t fic^ felbft Ijinter bie SJlenfd^en gurüdgefe^t; fo ^at
er bamit gewife ni($t ben 35ater gwifd^en fid^ unb bie ^inber ge^
fteßt, fo bafe jefet bie iütiber nid)t melir gum l)immlifc^en ^ater
felbft Swgcing ptten; fonbcrn e0 ift überall unb in allen ^un!s
ien ba^ gcrabe ©egentl)eil ber gall. Qnbem bie ^inber um
©otte^ SBillen bem ^ater folgen, f ollen fie gur SSerel)rung unb
äum ©el)orfam gegen (^ott ]^ingefül)rt werben; unb inbem ber
^ater bie ^flid^t Ijat, §u feinen ^inbern von ©ott §u reben unb
il^nen gu fagen, bag er ber fid^tbare ©teHüertreter be^ einigen,
unfii^tbaren ©otte^ fei, foHen bie ^inber nid^t vom antritt p
©Ott abgeljalten, fonbern i^re bergen follen §u ©ott ^im
gefül)rt werben. Söenn ber 3Sater bem Äinbe 'otn 2Beg weift,
auf bem e^ ©Ott finbet, fo wirb ber ^ater nid^t ein ^ßermittler
gwif^en bem ^inbe unb ©ott, ber ben unmittelbaren 5ßer!el)r be«
^inbe^ mit ©ott l)inbert, fonbern er wirb ein üon ©ott befteHter
Reifer, bamit bie 6eele be^ ^inbe^ ©ott um fo leichter unb
fid;erer finben !ann.
(Sine äljnlid^e Drbnung finben loir aud^ in ber üon ©ott
gewollten (Einrichtung ber bürgerlid;eu ©efellfd;aft. Qu ber waljren
Sluffaffung ruljt alle iljre Slutorität unb aller ©eljorfam auf ©ott.
S)er Slpoftel fagt : „(S0 gibt feine ©ewalt, außer oon ©ott ; bie aber
befleißen, finb tjon ©ott gefe(5t ^y Sebiglid) barauf ruijt bie ©e^:
wiffenöpflid^t be^ ©eljorfam^. ©o Ijaben wir alfo aud; Ijier in bie=
fer tjielglieberigen Drbnung lauter Präger einer göttlid^en ©ewalt in
1) 3iömer 13, 1.
— 126 —
ben uerf^iebenften Functionen, in ber ^iegierunö^^eraalt, in ber rid)-
terlidjen ©ewalt 2c. zc. SSenn bie ^Sorroürfe, bie oben ber ^irdje
gemadjt raurben, begrünbet raären, fo würbe ba3 5l(Ie^ fid; auc^
auf biefem-^ebiete ujieberljolen; bann lf)ätte ©ott burd; biefe gange
(^inridjtung ber bürgerlid;en @efell)($aft feiner ©t)re aU 6d)öpfer
unb §crr entfagt , fi(^ 3Jienf(^en untergeorbnet ; bann rcäre er
mit fic^ felbft in Sßiberfprudj geratljen; bann {)ätte er atte biefe
Wlen\ä)en, bie jur bürgerli($en ©efellfd^aft ge()ören, baburd^ von
fid^ au^gefd^Ioffen u. f, ra,, raie all bie ^orroürfe Ijeifjen. Dffens
bar ift ba5 Mt^ nid;t ber %aU. Slud; bie bürgerlid;e ©efeUfc^aft
foH t)ielme()r gur @(;re @ottC)o gereii^en unb jeber ber in becfelben
eine 3}lad)t üU , foll anerfennen, baß er nid;t» a(^ ein Wie-
ner beg 2lIIerl)ödjften ift^.
9}lit allen biefen natiivlidjen ßinddjtungen @otte§ für ben
3}lenfdjen ftel)t nun aui^ bie übernatürliche in ber ilir($e ©otte^
in üoßfoinmener Harmonie unb Uebereinftimmung. 2ßie @ott fi^^
in ber gamilie tmb ber ©efellfd;aft ber 2}lenfd)en bebient, um bie
9J^enfd)en gu leiten, fo bebient fic^ eijfiftue au6) in feiner ^ir$e
ber 3}^enfdjen , um bie Gljriften ju leiten. Unb raie in jenen
natürlichen Drbnungen biefe (Sinrid)tung nidjt ber 2öürbe unb ber
ßljre ©otte^ entgegenfleljt , fo aud) ni^t in ber ^irdje. greilid)
!ann bort raie l)ier ber SDiener ©otteic feine Stellung uerfennen unb
ba^, roa0 ilju nur ^ur ©emutl; antreiben follte unh ju großer gurdjt,
inbem er an bie 9le(^enfd^aft beulet, bie er ^u geben Ijat, ^ur ^^e-
friebigung feinet ^^od)mut(;e§ mißbraud)en. ®a§ liegt aber ni(^t
in ber göttlichen Einrichtung, fonbern in bem unfeligen 3}ZiBbraud)
berfelben, ber \a leiber überatt möglich ift, rao freie 3}^enfc^en be-
ftettt finb, um ©otteö @a$e §u oertreten.
Sitte jene ^orioüvfe finb alfo buri^au^S nur 3}Ußoerftänbniffe
über ba^ Söefen be^ Sel;ramte§ unb be§ ^rieftertljume^ , raeld;e
lebigli(^ in S>orurtljeilen iljren @runb l^aben.
1) 2)affelße gilt bei eiiicv bloä untüvlicfu'u Sluffafjimg beä ©taateä.
^eber ^xrrfdfier , ieber ©taat ift angeiuiefen, feine StaatC^j^cioalt burd^
^Beamte ju üben, ©ntfaot er babuvd^^ feiner 3Bürbe? feiner 9Ka*t? ©tefft er
fid) bobiird) hinter feine ^Beamten? ©eniefjt ber einzelne Staatsangehörige
nicbt mebr felbft bie 33ortf;eite bcä ©taate^ , fonbern nur burc^ ^ßermitttung
ber SSeamten 2C.?
XII.
„53ittet, jo rcirb eucf; gegeöeit roerben."
3naiii). 7, 7.
„Söa'^rUd^, roa^rlid) jag' id} eud^: 2öenn if;r
beit S3ater in meinem 5?amen nm etmaö bitten raerbet,
fo h)irb er eä euc^ geben." ^o^. 16, 23.
^ir !önnen unfere Slbljanbtung nid)t beffer befc^liegeu,
al^ mit bem lebete, iDelc^ee Qefu^ am ©nbe feiner Slbfd^iebe^^
rebe von feinen Süngern in bem Stucjenbliiie t)erncl)tete, aU er
fi(^ feinen geinben §nr ^arbringnng beso Opfert für bie ©rlöfung
ber gangen 2Belt übergeben rcollte. ©» entljält bie lyöä)\k unb
feierlid;fie S3eftätigung , für alle^ bi!3()er über U^ £e(;ramt ber
Äir$e unb bie Slufgabe be^ fünftigen (EonciB ©efagte.
„34 ^abe i^nen bein Sßort gegeben unb bie Söelt l)at
fie geljQ^t, meil fie nidjt t)on ber SBelt finb, fowie aud^ i^ ni(^t
üon ber Söelt bin. ^ä) bitte ni$t, bog bu fie von ber 3^elt
l)inn)egneljmeft, fonbern bafe bu fie vox bem S3öfen beraaljreft. ©ie
finb ni(^t von ber 2öelt, foraie aud^ ic^ nidjt t)on ber Sßelt
bin. ^eilige fie in ber 2Bal)r{)eitI bein ^ort ift Sßa^r^eit. eo
mie bu mid) in bie SSelt gef anbt Ijaft, fenbe and) id) fie in bie
Söelt unb für fie ^eilige id; mid; f eiber, bamit and) fie in ber
Sßal;r!)eit gef)eiliget feien, '^od) nid;t für fie bitte id; aEein, fon--
bem aud; für bie, meld;e hnxd) if)r 3i'ort an mid; glauben werben,
bamit alle ©ing feien, fomie H, 3Sater, in mir unb id) in bir,
bamit and) fie in nn§> ßin§ feien, bamit bie 2öelt glaube, ba^
bu mid; gefanbt l;aft. Unb id; l)abe bie ^errlic^feit, bie bu mir
gegeben l^aft, and) il;nen gegeben, bamit fie ©insS feien, roie aud;
mirßing finb: i^ in il)nen unbbu in mir, bamit fie oollfommen
ein0 feien; bamit bie Söelt er!enne, ba§ H mid; gefanbt
- 128 —
unb fte Qcliebt l)a% fotoie bu mii^ geliebt. Sater, bte bu mir
gegeben l^aft, raiQ i($, bag, roo id^ bin, aud^ fie feien, bamit fie
meine §errli(^!eit fd^auen, bie bu mir gegeben, meil bu mid^ ge-
liebt l)aft, e^e bie SKelt gegrünbet mar. ©ered^ter 58ater! bie
Sßelt l)at bid^ nic^t er!annt ; \^ aber l^abe bii^ erfannt unb biefe
l)aben erfannt, bafe \)n mi^ gefanbt l)aft; unb id^ l^abe il)nen
beinen 3^amen !unb gegeben unb id^ raerbe i^n funb geben, ba^
mit bie £iebe, mit raelc^er bu mid^ geliebt, in il^nen fei unb ic^
in il)nen^)."
2öenn man bebenft, wa^ Qefu^ hi§> §u biefer 6tunbe für
bie Slpoftel getrau '{)atk, fo ift eö unmöglid^ anjuneljmen, bafe
ba§ 2llle§ nur für fie, nur für bie ^auer i^re§ Sebeng, l;auptfäd^^'
lid^ nur be^lialb gef$el)en fei, bamit fie einige ©djriften tjerfafe-
ten unb 'üa^ bann mit il)rem Seben il)re Beübung, i|r ^eruf
für feine ^ird^e aufl)ören foHe. Sllle^ trägt t)ielmel)r offenbar
ben (Sl)ara!tcr einer bleibenben gürforge für feine ^ir($e an fii^,
einer gürforge, meldte fortbefteljen follte, fo lange mie bie ^ird^e
felbft. darauf beutete bie fo feierlid^e Slu^roa^l unb ^Berufung
ber Stpoflel, barauf bie befonbere ©r§iel)ung unb Slu^bilbung,
meld)e er iljucn burd^ einen breijälirigen vertrauten Umgang für
i^ren Seruf gab; barauf alle SoHmad^ten, mel(^e er il)nen über=
trug, alle ^efel)le unb 2luf träge bi§ gu feiner Himmelfahrt. Söie
jene 2Borte: „Qd^ bin hei en^ alle ^age big an§> ßnbe ber
SBelt^)" auSbrüdlid^ erllären, ba§ bie (Sinrid^tung, meldte er in
ben Slpofteln grünben rcoüte, ni($t für bie $Dauer il)reg ßeben^,
fonbern für bie 5Dauer ber ^irdje auf ©rben bered^net mar, fo
trägt aud^ jebe^ Söort ber Ijeiligen ©d^rift, ba^ x)on htn Slpofteln l)an=
belt, biefen ©eift an fid^. 3efug fal) in ben Slpofteln ba0
2lpoftolat unb im Slpoftolat bie bleibenbe gürforge für bie die-
gierung feiner ^ird)e, für bie ßrljaltung unb ^Serbreitung feiner
£el)re, für bie Slu^fpenbung feiner (^nabenmittel.
3n biefem ©eifte Mek aud^^efnö jegt in bem l)od^feier=
lidjen 2lugenblid für feine Slpoftel. @r Ijatte foeben ba^ 2lbenb=
maljl eingefe^t unb il)nen 'oa^' „^rob ©otteä" gegeben, „mcldje^
Dom §immel Ijerab geftiegen unb ber ^Mt 'iia^^ Seben gibt 3)/'
©r mar im S3egriffe, jenen Seiben»roeg anzutreten, meld^er mit
bem Dpfertobe für biefelbe SBelt auf bem ßabarienberge enben
1) :3or;. 17, 14— 2G. — 2) 3Katt^. 28, 20. — 3) ^ol). G, 33.
— 129 —
foHte. 3n biefem Slugenblide ftanben bie Slnliegen aUex 9}ienf(5en
cor feinem göttltd)en ©eifte, niä)t Uo§> bie ber Slpoftel. Qn
i^nen fa^ er nur feine Wiener, rael^e bie (Knaben feineiS Dpfer^
tobeg b\§> am @nbe ber 2Belt tf^n QJienfc^en au^fpenben follten.
60 Mete er je^t: Q(^ ^ahe i^nen bein 2Bort gegeben.
2Ba^ er barunter cerftanb, ^atte er !urj uor^er ncilier qu§=
gefpro($en: ®ie Söorte, bie bu mir gegeben, ^abe id^
il^ neu gegeben^). SBo^u er i^nen aber ba§ Söort, n)el(i)e» er t)om
3Sater empfangen, übergeben, ba^ Ijatte er iljnen bereite oft gefagt,
unb er moöte eö tljnen bi^ §ur §immelfa{)rt raiebertjolen: Se!)ret
aHe^öl!erI ^aum f)atte aber ber §eilanb baran gebad)t, bajs er
it)nen biefe^ Si^ort feinet 3Saterl, um e§> ber Söelt gu oertünbigen,
anuertraut ^ahe , '^a gebeult er aucf) he§> Söiberftanbel , ben bie
SBelt ber 5lnna!)me beffelben entgegeufteEen roerbe, unb be^ §affe^,
meld^er begfialb feine SIpoftel unb bas ßel;ramt feiner £ird^e
treffen merbe: $Die 2Belt ^at fie gel^ia^t. @o oft t)atte er
t)on bieiem gafe gefprod;en, hen fie feinetroegen gu erbulben \)ahen
würben, unb ber @eban!e an biefen §a^ lag in biefem 3lugenblic!e
n)ol)l nalje, ba er wenige Stunben fpäter benfelben an fid)
felbft in ber furdjtbarften 2öeife empfinben foHte, unb fein
liebeootte^ ^erg begljalb um fo meljr geftimmt raar , wo
er an bie ©enbung be^ Slpoftolat^ H6)te , aud^ an ben
2lntl)ei( %\\ benfen , ben bie Slpoftel unb ifire 3flac^fo(ger
biefeg 2(mtei3 megen an bem §affe ber Sßelt gu tragen ^)aiexi
würben 2),
1) ^0^. 6, 8.
2) 2)erfe(6e 3)iann, ber fic| in feinen S8orurtf;ci(en ju ber 93el^auptimg
l^inrei^en (ie^: „^ie[cr 5lircl)e (nämÜd) ber römifcI;=!atl^oIifd}en) ift e§ im tief?
ften ©runbe überaU iim ^\t ©^ce be§ 3JJenfd;en, unb nid}t um bie ß^re
@ottc§, um bie $8er^errlid}ung (S(;ri[ti %\\ t^un," ift in neuerer ^eit %m% üon
bem einen ©ebanten erfüllt : „®ic Erneuerung bcö (s:r;riftent{)umö w.yx% auö
bem iüeltlid)en (Sutturleben fjerüorroad;fon." 3luf biefen ©a^ rebucirt fid) für
i^n ba§ gefammte e^riftentf)um. Unfere 2efer mögen erlvägen, töo ba§ ©tre^
ben nac^ mcnfd}lid)er ®^rc mol^t am meiften l^erDortritt, — auf ©eiten einer
Äirc^e, tveldie noc| freute tr»egen i^rer Streue gegen bi# fiel^re ^efu ben §a^
ber äßelt trägt, ober bei biefen fertnlen Sd;meidj[crn beö äBeltgeifteä. Sßenn
rcir 3JJenfd)engunft fucbten, bann mürben mir baö Goangcüum (S^^rifti <x\i
bie ^ageömcinungen lierratl)en; bann mürbe \\\\^ balb fo oicl 9JJenfcl^en-
el^re ju ^f;ei( merben, ba^ man barübcr mof)l gar mand^en ber bermaligen
^ro^leten beg „lüeltlic^en ©uUurIeben§" balb «ergeffen mürbe.
». Rettet er, ba« aügemelne (Joncil. 9
— 130 —
hierauf betet nun ber ^eilonb für bie Slpoftel unb für alle,
roeldje nad; iljnen ha§> SBort feinet SSater§ ber SSelt r)er!ünben
foEten ; unb ba^ , um raa» er für fie bittet, ftet)t rateber mit
x^xem Sel)rQmte, mit biefer (genbuuö in inniöfter ^crbinbung:
geilige fie in ber 2BQl)rl)eitl bein Sßort ift 2öal)r^eit.
®ie £el;re, raeli^e er com Spater empfangen unb bem 5lpofto=
lote übergeben , ift fd)led)t^in bie Söal^rljeit. '^axin liegt SlUe^.
Qn biefem Söorte tritt roieber ba§ ©runbroefen beö ©rlöfung§=
voexh^ l^erpor, meli^e^ ber Sügengeift in unferer geit bem
(E^riftent^um xauUn mbd)U, nämlid^ : ein :2et)rgebäube ber 2SQl^r=
Ijcit 5U fein, ^aum l)Qt aUx ber §ei(anb l)teran geba<^t, fo
rebet er gleid^ mieber von ber 3J^iffion, n)eld)e er iljnen in ^ejug
auf biefe 2öat)rl)eit übertragen ^atl 2öie bu mid; in bie
SBelt gefanbt l^aft, fo fenbe auc^ i^ fie in bie SBelt.
^a§ ift bie grofee ©enbung ber 5lpoftel unb be^ 2lpoflolate^ in
ber ^ird)e; ba^ eine überaus feierli($e ^eftätigung berfelben.
2öie märe e§ möglid), ^ier nur an bie ^erfon ber Slpoftel gu
benfenl SBie bu mid; in bie 2Belt geianbt ^aft, fo
fenbe auä) iä) fie in bie SBelt; raie bu mir bein SBort
gegeben l)aft, um e^ in ber Söelt ju t)er!ünben, fo gebe
xä) iljuen baffelbe 2Bort in berfelben Slbfidjt ; mie mid) bie
SBelt befemegen Ijafet, U§> fie ^um ©lauben fommt unb bann
il)ren Qa^ in Siebe oerroanbtit, fo mirb fie eud) l;af)en ; unb mie
id) eü6) mit biefem 2luftrage auiofenbe, fo follt and) i^r mieber
anbere auefenben mit bemfelben Sluftrage. ©o ift e^ in ber
!atljolif(^en Äird)e geblieben in ununterbrochener 9ieil)enfolge von
hm Slpofteln bi§ ^mtc; ha§> ift bie ^rieftermeitje in ber fatl)oli=
fc^en ^ird)e; eine immer fortgeljenbe Befüllung ber 2ßorte: 2ßie
mxd) ber^ater gefanbt Ijat, fo fenbe id) eud> 60 finben
wir überatt eine üoHenbete ©in^eit unb Uebereinftimmung §n)i)d)en
benSßorten Qefu unb ber ßetjre iiiib ben ©inridjtungen ber^ird;e.
ßr gebeult aber in biejem l)ol)eiipriefterlic^en (3chcte n\d)t
nur ber 6enbung, roeldje er hen Slpofteln in ^e^ug auf bie
2öal^rl)eit gegeben Ijatte; er gebeult aud; ber mit biefem 2lmte
»erbunbenen 6tanbe^pf{id)t ; er gebeult ber mefentlidiften ^e-
bingung, um biefe^ 2lmt ber 2öal)rl)eit ju erfüllen, ^eferoegen
betet er: geilige fie in ber SBaljrljeit! Sefu^ fpric^t
Ijier jmei midjtige 2öal;rl)eiten au!3: (Srften^, bafe bie ©runblage,
bie duelle aüer Heiligung hk 2öaljrl;eit ift, nnh gmar feine
— 131 —
SSal^rfieit, bie Sßal^rljeit, wel^c er t)er!ünbet I)at unb n)el(^e
bie 51 po fiel t)er!ünben foUen; ^raeiteng, ba§ bie 3Ser!ünbiger
ber 2ön!)rf)eit Dor ädern nadj §eilitjMt ftreben, lf)ct(ig roerben
foßen. S3eibe§ ift ßleid^ it)id)ttg. geiUg fein Ijn^t ©ntt gefällig
fein. Wlan tann alfo nicftt gottgefäflig fein of)ne 2öa^rl)eit. ^an
!ann ber eroir^en 2Bal)r!)eit nid^t gefntten, oljne jene 2öal)rt)eit,
bie er bur$ Sefug unb bie SIpoftet ber 2öelt gibt. Um biefer
eraigen 2öa[)rl)eit i,u gefallen, mnß bie 2Ba^rl)eit au^ in unferer
©eele fein; unb jemebr biefe 2öa(}r!)eit unfere Seele gan§ buri^-
bringt, um fo gottgefiilltger raerben wir. SBeil aber bie SBa^r^
l^eit Queue ader §ciUg!cit ift, fo folgt barau§, ba^ ber SIpoftel,
ber Präger biefer l)eiligenben SBabrljeit, felbft l)eilig fein mug.
®e6l)Qlb rougte ber §ettanb für feine ^tpoftel in biefem erl)abe=
nen ^(ugeriblide um nicbt ,g)öl)erel §u hittm, aU: 1^ eilige fic;
l^eilige biefe meine Senbboten in ber 2Bal)rfteit, meiere fie in
beinern unb in meinem Dramen ber 2öelt T)er!ünben fetten!
SBeil aber ber (55eift, ber bamaU in QefuS UUie, qu$
bie ^irdie leitet, fo !önnen mir o^ne 53^benfen be{)aupten, bag
ber (^egenftanb biefe^ feierlicben (3ehete§> beg §eitanbe^ aud^ bie
!)öcl)fte Slufgabe be§ ß^onciB ift: <o eilige fie in ber ^a^x-
l)eitl ^eilige bie .öirten unb £el)rer beiner 5?{r4e! 3a, mir
nehmen nid^t ben alterminbeften 2lnftanb in bel^aupten, ba6 ba§
bet)orftel)enbe ßoncil genau in bemfelben SJlafee mäd)tig in bie
gufunft eingreifen rairb, aU e^ einen mäd^tigen Qmpul^ gur
Heiligung ber Olpoftel ber ^irc^e unb atter, bie am SCpoftolate
S(ntl)eil nebmen, geraäbren mirb. Mc^t, mie ^iele glauben, bie
5lUeIl)eit unb 9Reul)eit ber 33efd)lüffe wirb über bie 33ebeutung
be^ ßoncilg für bie !ommenben 3al)rbunberte cntfd^eiben, fonbern
il)re S^^^^^tt^^feigi^eit , um ba§ 2lpoftolat §u l)eiligen; um bie
^inberniffe gu befeitigen, bie biefer §eiligung entgegenftel)en ; um
bie WlWtd aufjufinben, bie fie förbern ; um unl)eilige 3J?iet^linge,
wdä)e ber feinbfelige Söeltgeift ber ^irdje aufbringen miß, üon
aUm ^ird^enftetten f ern^ul;alten , meldte im S^Iamen 3efu t)er^
maltet werben; um gel)eiligten Wienern (Sl)rifti Ue 5lemter ber
^ird§e ju übertragen. ®afür betet S^fi^^/ ^^Wr Ijat er inS-
befonbere fein .^reujeC^opfer bargebrad^t: Unb für fie l)eiligc
id) mid) felber, bamit aud) fie in ber 2öal)rl^eit ge=
lieiligt feien, ^afür mu§ ba^ (Soncil 6orge tragen, bamit
eg mie Qefu^ gefinnt fei.
— 132 —
^ber Qefu^ Ijat 'oa§> 3(poftoIat in feiner ühdje md)t tm^
gefegt gum 33eften ber Slpoftel unb für fie allein, fonbern für
alle 3}knfd)en, für W er fein Slnt rergiefien roodte, bamit fie
feiig würben. '^a§> SIpofloIat raar nid)t ba§ g^xd, fonbern nnr
ein 9}litteL $Da§ Qxd ift hk ©eele jebe» einzelnen 3J?enf(^tn;
bie gange Rix6)c mit aEen iljren @inrid)tungen ift für bie ein^
gelne ©eele ba. Qebe d^^riftenfeele !ann mit aller S[öal)r§eit
fagen: 60 forgt Qefu^ für mi(^ in feiner göttlichen Siebe, ha^
er bie ^'irc^e für mic^ eingerichtet nnb in berfelben ^apft, S3ifd)öfe
unb ^riefter §um ^ienfte meiner 6eele beftimmt Ijat. ^arurn
gel)t 3efn§ t)on ben 5lpofleln gu allen (s;(jriften über unb fäl)rt
fort: ^oä) nidjt für fie bitte iä) allein, fonbern au6)
für bie, meldte burc^ i^r Söort an mxd) glauben mer«
ben, bamit alle (Bxn§> feien, raie bu SSater in mir
unb x6) in bir, bamit au(^ fie in un§ @in§ feien. Qu
biefen Sßorten liegt nun 'oa^ eigentli^e 3i^l be§ ganzen (El)riften=
tl)um§ t)or un^ ^). — ®em foE aEe^ bicnen, bafür ift aEe§ ba,
— Slpoftolat, ©enbung, ©otte^ 3Bort, ©alramente, ©otle^bienft
u* f. ro.: aEe0 ba^ foE bie aJienfd)en einen; einen in ber Söalir^j
l^eit unb ber ^ugenb; einen in ber innigften, fefteften Siebe;
einen in ©o'tt felbft, ber emigen 2Bal)rl)eit, ber emigen ?iebe,
ber emigen ©lücffeligfeit , bem eroigen ßeben; einen fo, ba§ aüe
@in^ finb, mie ber SSater im ©o^ne unb ber 6ol^n im 3Sater.
^ie ^äter erinnern baran, ha^ ber §eilanb Ux biefen mnnber^
baren 3lu^fprüd)en mol)l in^befonbere an jenee „^rob ©otteö"
bad)te, oon melc^em ber 2lpoftel fagt : „©in S3rob, ©in Seib finb
mir SSiele, mir SIEe, bie mir üon bem einen 33robe effen^)." 6ie
fagen, bafe, mie ber 3Sater mit bem ©ol)ne in berfelben göttUdien
Statur unb 2öefenl)eit geeinigt fei, fo auc^ bie Slpoftel unb aEe
©laubigen untereinanber nerbunben mürben in ber SBefenljeit
ber men((^lid)en unb göttlid^en ^atnx ©l)rifti, meldte mir in ber
Ij 2Kan i)ergreicl^e bamit, Um ben Bi§ gum äu>3^rften ©egenfa^ gctrie--
benen M^aU oon ber göttlichen Seigre beS ©l^riftent^umg, ber in unfern ^agen
unter bem Steine beö (S^riftentl^umS auftritt, ju ernennen, iüieber bie vox--
l^er citirten SBorte: „^ic (Erneuerung be§ G^riftent^umä mu^ au§ bem ttelt^
licfjen (Kulturleben ^erooriyad^fen." 2ßelcf)e geiftige Slrmutl;, meldte trcftlofe
S3erfla(^ung unb Seerl^eit im SSergleid^ mit ber gi3ttUd)cn ^^ütte unb Xiefe
ber ^riftlic^en 2ßar;r^eit! — 2) I. (5or. 10, 17.
— 133 —
l)eüicjen ©ud^artflie empfangen i). 3n ber %i)at tann man an
ber ^Sejieljnni] biefer Sßorte Qefu auf bo§ aUer^eiligfte Ittar^^
faframent um fo meniger §meifeln, raenn man gugleic^ kben!t,
bag er ja unmittelbar t)or biefem ©ebet ba^ aller^eiligfte
Slltarfaframent eingefe^t f)atie, unb bag befeljalb feine ganjc
Seele no(^ roH war t)on bem großen ©etieimniß ber Siebe,
voel6)e§» in bemfelben erfüllt morben war. 5Die Kommunion ift
aber nur bie SSoHenbung biefer Einigung, mä^renb aHe Se^ren
unb ©naben ber ^ir^e baffelbe 3iel ^aben : alle 3Jlenfc^en eins
5U machen in ei)riftuS unb in ©Ott.
^iefe l)ö4fte 33eftimmung beS (S^riftent^umS in bem ©ebete
3efu !ann bal)er au^ nur ber ivoeik allgemeine Qmä be§
!ünftigen ß^oncil^ fein. @§ mirb alle SJlittet unb 2öege auffu^en,
welche bie ^irc^e mit !Hücfftd)t auf bie 3Serl)ältniffe ber ©egen=
wart bietet, um biefe§ 3^^"^ i^ erreichen ; um bie 3}lenf(5en , mie
fie @inen Urfprung unb ©ine Q3eflimmung , mie fie alle ©inen
Sßater im^immel l)aben, wie für alle ein unb baffelbe malir, ein
unb baffelbe gut ift, gum maliren grieben, gur raaliren ©in^eit in
(5;i)riftu§ in fül)ren. 3ßel(^ ein l)o|e§, glü(f feligeS , menf(^enfreunb=
li(5e§ giel 1 2öir fönnen bie 2öege, meli^e ba§ ©oncil l)iefür ein^
f^lagen mirb , m6)i nöl)er be^ei^nen , ba biefe vor allem vom
l^eiligen ©eifte il)m werben gegeigt mcrben; mir fönnen aber
au(^ in biefer §infid)t auSfprec^en, baß "oa^» ©oncilin bem 9Jla6e
für bie Su'fw^ft fegenSreic^ fein mirb, als eS auc^ für biefen
graeiten Qmed bie beften TOttel finben wirb.
Heiligung beS 5lpoftolateS, ©inigung aller 3Jienf(^en in ©Ott
unb in 3efuS — baS mar ber ©egenftanb biefeS )^o^en ^^Me^
Qefu, meldieS er im 5lngefi(^te beS ÄreujeS oerrii^tete ; baS ift
unb bleibt bie ^eftimmung ber ^ix^^ ©liriftt; baS ift bie 2luf=
gäbe beS nä(5ften ©oncilS.
3ur @rrei(^ung biefer l)ol)en Slufgabe fönnen aber alle unfere
lieben Sefer, bereu §ergen geraiß l)0(^ fd)lagen in bem feljufü^tigen
SSerlangen, baß biefe giele burd^ baS ©oncil geförbert werben möd;ten,
fel)r mirffam mitroirfen. ^ie TOttel bagu finb Derfd^ieben nad^
ber Stellung, bie uns (Sl)riftuS am £eibe ber ^iriiie angemiefen
l)at. Slber ^roei 3Jlittel fönnen unb follen mir alle anmenben.
1) Cf. Coniel. a Lapid, comin, in Joan. 17, U,
— 134 —
uttleve Heiligung unb unfer ©ekt. ^op follen no^ biefe
©i;lu6tüorte unfere Sefer aufforbern. D möd^te fid) über bte
gnti^e 2ßelt ein beiUöer ®ebet^3eifer verbreiten! 9jjö(j^ten aUe
^ricfter in iljren ©emeinben, alle 3Säter unb TOitter in i()ren
ganülien, alle frommen Se^rer unb Sef)rerinuen in iljren Spulen,
nlle Drbenc^leute in i^ren Käufern, olle frommen ßüiriften in
if)rem Söirfu gl!reife mitmirfen, um biefen ©eift be^ ©ebeteö
in allen ©cmeinben, allen gamilien, aikn 6$uten, allen Drben^-
l^äufevn, ollcn Seben^freifen tägli«^ anzuregen. D möd)te biefer
©eift beö (3ehtte^ n)a(^fen unb raad^fen, je nä!)er bie Qdi biefer
!)eiltgen ^Nerfammlung l^eranrücft unh mit bcr größten ^nbrunft
fortbauern, menn bie SSer^nblungen felbft ftattfinben. 3Röd^te
W gan§e ©l)ciften^eit bann vereint mit i!)rem §o!)enpriefter ^^f u§
beten: „§ci(ige beine ^riefter, bamit fie roürbige 2Ber!§euge
beincr S[bfid)ten werben; vereinige un^ 3Jlenfc&en, bie mir jegt
fo mcit von einanber getrennt finb, in ©inem ©tauben unb ©iner
£iebe, bamit alle (Sin^ feien, roie bu im 33ater unb ber 55ater
in S)ir. 6enbe au§ ben ©eift ber 2öal)r{)eit, bamit er bie £ügen
aus unfein gerben verbanne, unb ben ©eift ber Siebe, bamit
er un§ mit ber n)a!)ren ©otteSliebe unb 5^äd)ftenliebe erfülle.
SDiöd^ten enbli^ alle mit biefen ©ebeten perfönlid^e Heiligung ver-
binben, l^eilige (5;ommunionen aufopfern, l&eilige 3Jleffen anbören,
Opfer ber S^äcöftenliebe barbringen; mi3c^ten enblid^ felbft bie
Traufen auf il^rem ©(^mergenSbette il)re Seiben mit bem Opfer
3efu vereint für biefen groed barbringen. 3eful l)at gefagt:
„53ittet unb i^r merbet empfangen.'' „^a^xli^, roa^rlic^, fage
i(^ eu$r menn iljr ben 3Sater in meinem 9^amen um etroaS bitten
werbet, fo mirb er e§ euc§ geben 0-" 2BeI$eS SSertrauen !önnen
mir ba ju einem (^^htk ^aben , bei melc^em mir unfer ©ebet
ganj mit feinem ^thek vereinigen.
1) ^0^. 16, 24; 23.
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