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Full text of "Das allgemeine Concil und seine Bedeutung für unsere Zeit"

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^lEgcmeinc  gonciC 


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feine  28e5ett(«tt9  für  uttfen  Seif. 


KSiÜ<~J  ^\^^ 


fßon 

liffiefm  4lmmnnuef, 
^tcxf^txxn    von    fettetet, 

St)(^of  üon  3Kain$. 


creditj  i^iiorviairh  Jesus  &st  ^ihus   ^ei. 
1   Joürv.   5^    5. 


Verlag   bön    ^^tang   Ättd^l^eim. 
18  6  9. 


if>nf)^i  nifinmnnllK' 


t)rucf  üon  J^raiij  Sau  Jen. 


3  «  Ij  a  i  t 


®eite 
I.  2Ba§  bermoc?  bie  nicnfd^HcfjC  33ernunft   qu§   fic^   felbft,   au^   i^rer 
eigenen    9?ntiir,    nur   i^rcn   nntür[id)en  ilräften   imb   ^ä^i^feiten 

überlaffen  ? 4 

11.  %ot)Ux  fommt  bie  5ßcrniinft  olme  .Cffenbarung,  cf;ne  ©uabe,  ol^ne 
9(utorität,  nur  ifjren  natürlidien  itrnften  üOerlajfen?  äBaö  l)at  fie 
in  biefem  3^M'ta^iJ>^  o^i^^  ben  natürlidicn   2ßQf;rf;citen   gemadjt,   bie 

©Ott  i^r  nnuertraut  ^at? 10 

in.  §at  benn  ®ott  ju  ben  SJienfd^en  0e[prcd)cn,  fo  bo^  fie  feine  (Stimme 
bi3ren  fonntcn?  Siebet  er  and)  je^t  nocf)  fo  UcrneFjinUd),  fo  beftimmt 
SU  un^3,  bn^  n)ir  mit  uoUer  ©eiui^fjeit,  ntd)t  irre  ju  gelten,  unö 
feinen  ^Ißorten  anuertrauen  tonnen? 17 

IV.  2lUe  gelangt  ber  3)tenfd?  5um  S3efi^  ber  ioa^n-en  2d}xe  (l{)xi]ü,  jur 
nngetrübten  Äenntni^  ber  uns  in  ßbriftuä  angebotenen  §ei(äiDa^»rj 
Reiten?  2)er  ^rotcftnnt  antiüortet:  ^urd;  bie  ^orfcBung  in  ber 
^eiligen  ©d)rift;  ber  i^at^^oH!  antivcrtct :  2^urcl^  baä  nnfeF;(bare 
Se^ramt  ber  Siivd)Q  nnb  bie  innere  @nabe.  2Ber  l^at  ^ed)t  in 
biefer  U)id)tigen,  entfc^eibenben  ^yrage? 27 

V.  3)tvo  Sel^iramt  ber  5livd;e  in  ber  a^oftolifd^eii  3t^it  nnb  in  ben  folgen^ 
ben  ^af;rf;unberten 42 

VI,  Sie  gragc  alter  3?^-agen:  2Baf;v^eit  ober  Sceptici^niuö?  ...  CO 
Vli.  ©egenftanb  unb  ©renken  beö  unfefjtbaren  Sefjramteö  ber  Äird;e  .  70 
VIII.  Crgane  be§  nnfefjlbaren  :?e^ramteö  ber  Äirdbe 82 

IX.  Xk  nltgemeinen  (Soiicilien  in  ber  .^irc^e 9.5 

X.  'Xk  Slufgabcn  be§  beHorfte^enbcn  (^oncilg 105 

XI.  Sie  «orurtbeile 119 

XU.  ©d^lu^:  ^Mii*tf» 127 


^ie  beuorfte^eube  allgemeine  ^ivi^enoerfQmmlimß  ift  ol)ne 
graeifel  baS  lüid^tigfte  ©reignife  unferer  geit.  3^ielleic^t  fönnen 
wir  fie  ba^5  größte  ©reignife  biefe»  Sa^i^'^ii^^bert^  nennen,  wenig- 
ften§  unter  ben  aufbauenben,  \)a  bie  anbern  mel;r  grog  raoren 
im  Dlieberrei^en. 

3Sor  allem  muffen  mir  in  biefer  ^^erfammlung  aller  33ifd)öfe 
ber  §t\xä)e  ein  Sßerf  ber  göttlii^en  ^orfelfiung  erfennen,  meldte 
bie  Äir(^e  unb  bie  2Be(t  5U  i^rer  ^eftimmung  leitet,  nnb  nid^t 
ein  bloßes  3)]enfd^enmerf,  2öer  von  bem  ©lauben  erfüKt  ift,  ba^ 
ber  l)eitige  ©eift^bie  iürc^e  @otte;S  regiert,  fann  barüber  ni(^t 
groeifel^aft  fein,  bafj  fo  midjtige  unb  tiefeingreifenbe  ©reigniffe  im 
^ehen  ber  ^ird;e  von  iljm  l)er!ommen.  ^olc^e  gügungen  ber 
SSorfe^ung  hnikn  aber  barauf  l^in,  bafe  ein  TDicl)tiger  ^enbepnn!t, 
eine  entfc^eibenbe  Gpod^e  in  ber  @efd)i(^te  ber  ^ird^e  ©otte^  unb 
ber  9Jlenfd^l)eit  eingetreten  ift. 

ßine  folc^e  Qeit  mar  ba§  ä^^^^^^^^-*  ^^^  ^ieformation.  5lucl) 
bamalS  mürbe  eine  allgemeine  i!ir(^ent)evfammluni]  abgel)alten. 
($i§  mar  eine  ©nabe,  bie  ©ott  ben  9}lenfd)en  anbot.  @§  ift  un= 
bered;enbar,  mag  fie  geroirft  l)aben  mürbe,  menn  bie  9)Ienfd)en 
fie  im  üollen  Umfange  benügt  ptten ;  menn  alle  ©lieber  ber 
.tirdie  bie  Seftimmungen  jener  ^irc^enüerfammlung  über  bie 
mat)re  Üieformation  tjollsogen,  menn  alle  toon  il)r  getrennten 
©lieber  bie  Gntfd^eibungen  biefer  5?erfammlnng  über  ben 
mat)ren  ©lauben  bemütljig  angenommen  Imtten;  e§  ift  basL  um 
fo  unberechenbarer,  je  größer  unb  fegenSreid^er  auä)  je^t  f(^on 
bie  2öir!ungen  biefer  ^irdjenoerfammlung  gemefen  finb. 

eine  fold^e  mid^tige,  entfd;eibenbe  :^e\t  in  noc^  größerem 
Umfange  roie  jene,  ift  unfer  3eitalter,  ha^  3eitalter  ber  Sf^eoolution, 

x>.  ftetteler,  baß  attgemelne  Qondl.  1 


_      0 


beg  91ieberreigen^,  ber  attgemeinen  ^erftörung  he^  (3ukn  lüie  bc» 
Söfen.  ©Ott  lf)at  biefe^  S^^ftörimg^raer!  o!)ne  Sroeifel  befe^db  p= 
öeloffen,  tüeil  mit  bem  ©uten  ha§<  ^5fe  t)ielfac^  fo  rerraad^fen 
xmb  Derfc^lungen  war,  bog  biefe^  o!)ne  jeneg  nic^t  metjr  ^erftört 
TOerben  fonnte.  Unb  in  biefer  3^it  üerfammelt  nun  ber  ©eift 
©otteg,  ber  bie  ^ircfie  regiert,  lieber  raie  Dor  breit)nnbert  S^^Ji^en 
ba^  aKGcmeine  ßoncit,  biefen  l^öi^ften  ©eridjtMjof  ber  äßaljrl^eit 
auf  ©rben.  5Da§  (^oncil  n)irb  ni($t^  9^eue§  lel;ren.  ©^  rcirb 
baffelbe  au^fpredien,  n)a§  bie  ^iri^e  ©otte^  feit  ad)t§el)nf)unbert 
3at)renber  9J^enfd)f)eit  Derfünbigt  Ijat.  (^^  roirb  i^r  mit  anbern 
Sßorten  mieber  bie  eine  2öa!)rl;eit  gurufen ,  bie  jebe^  neue  Qa^r- 
^unbert  betätigen  mufe,  bafe  nur  in  (5l;riftu^  unb  in  feiner  ^\x6)e 
für  ba^  9}lenfd)engefd)led)t  §ei(  in  pnben  ift.  60  l^at  bie  Äiri^en- 
üerfammlung  von  Orient  gefpro($en  unb  bie  großen  ©reigniffe 
in  ber  Sßett,  bie  gtoifi^en  bamal§  unb  je^t  liegen,  finb  nur  neue 
5ri^at[a(^en  unb  neue  Belege  für  biefe  Sßa^rl^eit.  ©0  wirb 
anä)  ba§  !ünftige  (äondl  ber  Söelt  gurufen,  't)a^  nur  in  6l)riftug 
unb  feiner  ^ir(^e  geil  ift.  (Ein  groge^  (Eieignife,  eine  gro§e 
©nabe!  ^iellei(^t  foH,  ha  ba^  3^^^^^^^^  ^^^  S^^f^örung  mit  feinem 
2öer!e  offenbar  balb  bem  (£'nbe  fic^  pneigt,  nun  lieber  eine  Q^it 
be§  Slufbaueng  auf  bem  alten,  von  (Fl)rifiu§  ein  für  üUe- 
mal  gelegten  gunbamente  beginnen.  3)lö(Jte  bie  SSelt  biefe 
©nabe  erfennen  unb  benügen,  mö(^te  fie  er!ennen,  xva§>  il)r  roalir^ 
l)aft  gum  geile  gereid^t! 

^iefe^  mistige  ßreigni^,  raeldje^  ung  beuorfteljt,  motten 
mir  gum  ©egenftanb  einer  ncilieren  Betrachtung  mad;en,  um  bejfen 
Bebeutung  ri^tig  gu  er!ennen,  um  nn§>  auf  baffelbe  x)oräubereiten 
nnb  unfere  ^flid)ten  il)m  gegenüber  §u  erfütten. 

©in  attgemeineö  (Eoncil  ift  eine  SSerfammlung  atter  33i)d^öfe 
ber  ^ird)e,  al»  9fta(i)folger  ber  ^Ipoftel,  unter  hem  SSorfige  be^ 
^apfte^,  aU  ^Radjfolger  be^  l)eiligen  $etru^,  um  über  bie 
mi(itigfien  2lngelegenl)eiten  ber  ^ir$e  ©otte^  gu  beratljen.  ©^  ^ 
ift  bie  feierlic^fte  2lrt,  mie  bie  ^ird^e  ©otte^  auf  (Erben  ha^ 
roi^tigfte  il)rer  Slemter,  iljr  Sel)ramt  ixht.  5Da^  Dreif adje  2lmt, 
meldje^  (El)riftug  felbft  auf  (Erben  Dermaltete,  ba^  Mjramt,  ba^ 
^riefteramt  unb  ba^  girtenamt,  l)at  mit  feinem  SLobe  nid)t  Quf= 
gel)ört.  ^r  übt  eö  fort  bi^  pm  (Enbe  ber  SCage  in  unb  burd) 
bie  Äirc^e.  5Da§  Mjxami  bilbet  aber  gemiffermafeen  bie  ©runb= 
tage  ber  anbern  Slemter,   ba  mir  biefe  nur  burd)  jiene^3  fennen 


—     3     — 

lernen;  nnb  infofeni  ift  e§>  "oa^^  Sßidjtigfte.  ^uri^  \)a§>  Qe^xami 
wirb  ber  größte  ©$ag  auf  ©rbcn,  loeldjen  ©ott  in  hen  geoffen^ 
{»arten  3Sal)rIjeiten  un§  gefc^enft  ()at,  he\mä)i  unb  ben)a!)rt  ^a§ 
ift  ba^  göttlidje  S)epofitum ,  von  beni  ber  2(pofte(  rebet,  wenn  er 
an  ^imotljeug  fd^reibt:  „0  %moi^eib$,  beroa(;re  ba^  §in  = 
t erlegte,  weife  §urücf  bic  l^eiUofen  SBortneuerungen  unb 
©egenfäge  ber  fätfd^lid)  fogenannten  2ßiffenfd;aft,  ju  mld)e.n 
einige  fic§  befennen  unb  x)om  ©tauben  abgefommen  finb  *).'' 
2let)nlic^  fagt  er  im  ^weiten  53rief  an  benfelben:  „2öa^^  bu  ge= 
iyöxt  t)aft  von  mir  burd)  üiele  3^119^"/  ^^^6  rertrane  3Ut)erläffigen ' 
SDZenfdjen  an,  meiere  tüd^tig  fein  roerben,  aud;  Slnbere  p  (eljrenV 
^Diefe  §interlage  göttlidier,  geoffenbarter  2öal)rt)eiten  foll  ba§  Setjr- 
amt  auf  ©rben  gegen  bie  Eingriffe  jenes  ©eifteS  bewachen,  bcn 
ber  öeilanb  „ben  Sügner''  unb  „'tjtn  SSater  ber  Süge^)"  nennt. 
S)ie  feierltd)fte  <oanbIung  biefeS  Ijeiligen  2Imte§  ift  aber  ber  ^n^= 
fprud^  einer  allgemeinen  ^ird^enuerfammlung. 

Um  aber  bie  ^ebeutung  beS  !ird)Iid;en  Seljramte» 
mit  bem  göttli(^en  Sluftrage,  bie  geoffenbarten  Sßal^rl^eiten 
rein  unb  ungetrübt  gu  betüaljren ,  richtig  ju  lüürbigen,  muffen 
mir  not^menbig  etmaS  meiter  greifen  unb  ba»  Sebürfuig  ber 
Offenbarung,  bie  llnfäl)ig!eit  be»  menfd)licben  ©eifteS,  ol^ne  fie 
fein  tieffteS  SSerlangen  nad)  ^Baljrijeit  voUfornmen  ju  befriebigen, 
in§  3(uge  faffen  unb  sugleid;  ermägen,  mie  ot)ne  bie  (Stiftung 
eines  unfet)Ibaren  £el)ramteS  eine  geoffenbarte  Söaljrljeit  fi(J  nic^t 
unperfälfdjt  auf  ©rben  erbauen  !ann.  ^aS  5I(Ie§  liängt  inner-- 
tid)  gufammen  unb  muf3  im  3^^f^i^^^^^i^'E)ö^^Ö^  ermogen  merben, 
um  bie  ^ebeutung  eines  fotc^en  S^organgeS  in  ber  ^ird^e  rid)tig 
gu  beurt^eilen. 


1)  I.  %m.  G,  20  f.  —  2)  II.  2'ini.  2,  2.  —  3)  :^ol).  8,  44. 


1* 


I. 

iUae  mxmao,  hh  tnntfdjli^c  Öenimift  am  fidj  relb|l,  aus  il)m- 
flgenrn  ttatui%  luir  iijrcn  imtürlidjcn  Gräften  nnö  läljigknten 

übeiiaffftt? 

„(Eö  ri^  fic^  loö  ein  (Stein  ücm  ^erge,  nidtt  burdb 
^en[d^entiänbe,  unb  er  ftie^  m  bie  §-ü^e  ber  S3ilb* 
faule  .  .  .  unb  gerfcftmetterte  fie ;  .  .  .  ber  (Stein  aber 
njorb  §u  einem  gro^n  Serge  unb  erfüllte  W  ganje 
erbe."  S)an.  2,  34  f. 


IRit  biefer  gvagc  muffen  rair  begiunett.  $511  i^r  liegt  bie 
^oraiu^fe^img  atter  DffenBanmg.  2öer  über  fie  unflar  ift,  fann 
roeber  ben  @runb  ber  Offenbarung,  nod)  aud)  bie  Bebeiitung  unb 
9lotl)n)enbig!eit  eine^  gijttlidjen  Se{)ramte^  begreifen. 

^e^üglid^  biefer  grage  ift  ber  mcnfc^lic^e  @eift  in  gmei  ent= 
gegengefe^te  3rrtl)ünter  üerfaüen,  lueldje  glei^üerberbli(^  geworben 
finb.  SDer  eine  biefer  Qrrttjümer  l)ai  bie  9tec^te  ber  menfd)Ii(^en 
Vernunft  beeinträd)tigt,  ber  onbere  bagegen  f)at  fie  übertrieben, 
^ie  .^Irdje  ober,  inbem  fie  beibe  3^'ttl)ümfr  nerrneibet  unb  un^3 
baburd)  vov  "ben  unfeligen  folgen  berfelben  beraaljrt,  gibt  un$ 
aud)  Ijier  wie  immer  eine  ftare,  beftimmte  ^Introort,  bie  fomof)! 
burc^  unfer  eigene^  ^emufjtfein  al^  burd^  bie  gan^e  ©efd^ic^te  ber 
3Jlenfd)^eit  beftätigt  mirb. 

Qenen  gegenüber,  bie  ba^  ^e^t  ber  menfd)li(^en  ^'ernunft 
uerfennen  unb  beeinträdjtigen,  le^rt  bie  tircl^e,  ba§  auä)  in  bem 
je^igen  3^P«"^^  "^^i'  Men]d)  oI)ne  §ilfe  ber  übernatürli($en 
Offenbarung  unb  ©nabe  ^)  im  «Staube  fei,  Sßaljrljeiten,  meldje  @ott 


1)  2Öir  bcmevten  oiiöbrütf(id),  bafj  mir  unter  ber  Offenbarung  in 
biefer  9l6{)anbhing  immer  bie  übernatürl  icbe  Offenbarung  verftef^en;  alfo 
nic^t  bie  natiirlicbe  Offenbarung,  ioeber  bie  in  unferer  S3ernunft  unb  unferem 


unb  bie  Migioii  in  ber  uatürli($eu  Drbnumj  ber  ^inge  be= 
treffen,  gn  erfennen  nnb  beßöleic^en  fittlicf;  o^nte  .ganbhincjen 
gn  uoHbringcn.  ®{e  J^ird;e  ift  alfo  weit  t)ax)on  entfernt, 
bie  'Jiec^te  ber  ii.^ernnnft  anc^  in  beut  je^ioen,  gefallenen  ,3nftanb  be^ 
S)lenfcf;en  gn  üerfümmern.  S)iefelbe  ^iri^e,  bie  fo  oft  (jefd^mäljt 
wirb,  aU  ob  fie  ^int3e  leljre,  hie  ber  ^ernnnft  entgegen  finb, 
l)at  Dielnieljr  bie  9^ed)te  ber  ^ernnnft  ben  Srrle^ren  be^  fec^i§= 
je^nten  3at)rf)nnbert!§  gegenüber  uertl)eibigt. 

^emn  gegenüber  aber,  bie  mit  ebenfo  großem  Unrei^te  bie 
5ie(^te  ber  bfofeen  ^öernunft  nnb  bie  natürlichen  gätjigfeiten  beiS 
menfdjlic^en  ^eifte^  übertrieben  i)abm,  lel)rt  bie  <^ird^e,  \)ai  mit 
einer  übernatürlichen  Offenbarnng  nnb  ©nabe  in  boppelter  ^in^ 
fi^t  bebürfen. 

©rften^  5ur  ©rreic^nng  nnferer  übernatürlid^en  Seftimmnng. 
^enn  e§  ift  eine  @rnnb(el)re  beiS  (^^riftentl)nm§ ,  ba§  @ott  ben 
9)knfcl)en  §u  einer  über  baffen  bloig  natürliche  ^raft  erl)abenert, 
gn  einer  übernatürlichen  SBeftimmnng  erfcl^affen  l)abe.  6c^on  vex= 
möge  feiner  T)ernünftigen  SRatnr  ift  ber  9}ienf($  ein  (Sbenbilb 
(Sottet,  ba^n  beftimmt,  @ott  gn  erfennen  nnb  unlieben;  aber  ben 
bloßen  ^raffen  feiner  D^atnr  überlaffen  !ann  er  @ott  nnr  in  einer 
feljr  nnüoüfommenen  2Beife  erfennen  nnb  lieben,  ^er  blo§  natura 
lid^e  9}ienfd}  fann  nämlid^  (5^ott  nur  an^3  ben  @efd)öpfen  erfennen, 
inbem  er  von  ber  ©röge  unb  ©d^önljeit  ber  ficbtbaren  ©efc^öpfe 
auf  ©Ott,  bereu  unfidjtbaren  Urljeber,  fdjlieBt.  ,,^enn  ba^  Un- 
fidjtbare  an  il)m  ifl  feit  ©ridjaffung  ber  )Bdt  in  ben  erfd}affenen 
S)ingen  crfennbar  unb  fii^tbar,  nämlid)  feine  eroige  ^'raft  unb 
©ottljeit,  fo  ba^  fie  (bie  i^n  nic^t  erfennen)  feine  ©ntfdjulbig^ 
ung  baben  ^)."  Wein  biefe  ©rfenntniB  ift  nur  fel)r  un-- 
üollfonimen ;  benn  ©ott  ift  !)od)  erljabcn  über  alle  feine  SOBerfe. 
Unb  baffelbe,  lua^  uon  biefer  blo^  natürlidjen  (SrfenntniB  ©ottes^, 
gilt  and)  von  ber  blo»  natürlid;en  3]erel)rung  unb  Siebe  ®otte^. 


©etviffen,  noc^  andj  bie  äufiere  Dtfenbaruixi?  @ottes  in  ber  firfit6areu  2Belt, 
fonbern  bie  Dffenbavung  bes  alten  unb  neuen  SBunbeä,  luoburd^  fid^  Öctt 
in  übernatüvlirf^er  Steife  ben  5Jcenfci)cn  !unb  genmcljt  l)at.  llnkv  über* 
natürlidjer  Önabe,  von  ber  l^ier  bie  -Webe  ift,  verftef)en  wir  aber  al(e  jene 
innern  (äahm,  lüelcfie  @ctt  un§  nac^  ber  S?cf)re  bec->  (£f)riftentf;uin$  um  ber 
2?erbienfte  Gfjrifti  loiKen  )penbet,  um  unfern  Oicift  ,^u  erleud)ten  unb  unfern 
WtUen  aum  ©uten  tücf^tig  ju  machen. 
1)  mm.  1,  20. 


~     6     — 

2Bof)l  evfeitnt  fd;ou  bie  b(o§e  Vernunft;  bafs  roiv  bem  (jvofeen  unb 
güttGcn  llrljeber  luifere^  ®a(ein§  (^f)rfiu"d)t,  ^anfbarfeit  unb  Siebe 
fd)nlbig  unb  baß  n)ir  t)crpf(id)tet  finb,  baf^  \)on  nnferem  6d)öpfer 
in  unfer  ©eroiffen  gefi^riebene  Sittengefeg  §u  beobad)ten.  2(llein 
bafe  n)ir  §u  einer  roeit  innigeren  ©emeinfdjaft  mit  ©ott  berufen  finb, 
al^  jene  ift,  bie  in  ber  blo§  natürlichen  ^rfenntnijä  unb  Siebe  ©ottes 
befielt,  ba§  oermag  bie  ntenfd)lid)e  Vernunft  qu§>  fic^  felbft  m6)i 
äu  erfennen  unb  nod)  t>ie(  weniger  vermag  ber  3Jienf(J  qu§  eigener 
^raft  in  einer  fold)en  übernatürlichen  Seben^^gemeinfdjaft  mit  ®ott 
fid)  gu  erljeben.  S)a5u  bebarf  er  einer  übernatürlidjen  Offenbar^ 
ung  unb  einer  übernatürlid;en  @nabe,  burc^  meldje  ©ott  fid)  jum 
3Jienfcl^en  l^erabläfet  unb  ben  9)Zenfdjen  ^u  fid)  erl;ebt.  Unb  biefe^ 
ift  e^^  t)or  altem ,  roa^  ung  ber  @laube  leljrt.  @r  leiert  un^,  bafe 
bie  eraige  unb  feiige  2Infd)aunng  unb  ber  ^efi^  (Sottet  bie  über- 
natürlidje  ^eftimmung  ift,  mo^u  un§>  @ott  an§>  übergroßer  Siebe 
berufen  Ijat;  unb  bag  mir,  um  biefe  unfere  übernatürliche  ^e= 
fiimmung  ju  eifennen  unb  gu  erreidjen,  ber  göttli(^en  Dffenbarung 
unb  ©nabe  unbebingt  bebürfen. 

Mein  nid)t  nur  au§  biefem,  atterbing^  erften  unb  t)ornel)m^ 
ften  ©runbe  i(l  bie  übernatürlidje  Offenbarung  unb  ©nabe  bem 
DJlenfc^en  not^menbig,  fonbern  er  bebarf  berfelben,  menigften§  in 
feinem  jetzigen  3"f^^^^^/  ß^*^  \^^^  '^^^h  ^^  ^^i^^  F^ts  natür-- 
lic^e  Söa^rljeit,  namentlid)  jene  natürlid)e  ©otteC^erfenntniß, 
meldje  fd;on  §ur  natürlid}en  ©ntmicfelung  unb  (^üte  eine^ 
vernünftigen  ©ef(Söpfe§  geljört ,  Doüftänbig  unb  ol)ne  3rr= 
tljum  unb  gi^eifel  ^gu  erlangen  unb  in  beroaljrcn,  foroie  ha^ 
natürlidje  Sittengefe^  roEftänbig  unb  mie  ߧ>  fein  .foß,  gu 
erfüEen.  Unb  l)ierauf  raoUen  mir  ^undcbft  unfere  Slufmer!:: 
famfeit  richten ,  ba  eg  ben  ^erirrungen  unferer  3^^^  gegenüber 
t)or  attem  mid)tig  ift  p  ö^^G^"  /  ^^6  ol)ne  ^ilfe  ber  ©nabe  unb 
Offenbarung  bie  ?Dienfd}l)eit  nic^  einmal  iljre  natütlidje  Stürbe 
gu  bemal)ren  im  ©tanbe  ift.  (S§>  Ijanbelt  fid;  alfo  in  biefer  Untere 
fu(^ung  um  bie  grage,  raa»  bie  menfc^lidje  Vernunft  lebiglid) 
innerl)alb  ber  ©renken  ber  natürlidjen  religiofen  unb  fittliij^en 
Söalirljeit  vermag,  woä)  gang  abgefeljen  von  ben  übernalürlidjen 
unb  geljeimnif^DolIen  3öa(jrl)eiten  be§  (Efjriftentljumö. 

3rt  biefer  .^infic^t  leljrt  alfo  bie  ^irdje,  bafs  bie 
menfd)lid)e  3Sernunft  groar  natürlidje  3Bal)rl)eiten  er!ennen 
!ann,    bafe    fie    aber    in   iljrem   icljigen   ^^f^^^^^    ^^^^    "^^!)^ 


^     7     — 

o^m  S3ei]^ilfe  ber  Offenbanutö  uub  @uabe  im  6tanbe  ifl ,  au(^ 
nur  bie  natürlid;en  ^ernunftiualjrlieiten  üottftänbiij  uub  o()ue  33ci' 
mifc^ung  Dielfältiger  3trtt)ümer  uub  3^^i^^  3"  erfenneu.  5Diefc 
5Iuffaffuug  ber  ^ir$e  tritt  bem  ^^ernuuftftolse  be§  3}leuf(^eu  euti! 
Oegeu  unb  (jängt  gufammen  mit  i^er  Se!)re  üon  ber  ©e^ 
bred)li^feit  ber  men(d^li(^eu  3Ratur  unb  i^rer  iu  golge  be§  ©ünbeu= 
fallet  eingetretenen  S^roäi^uug  uub  S[?erberbni6.  ^^r  ©rüäruug 
biefer  Sluffaffuug  raolleu  rair  bie  Söorte  be§  l^eiligen  %^oma^ 
Dou  51  quin  aufüljren:  „3m  3^tft^^^  ^^^  gefallenen  Statur  ift 
ba§  Vermögen  be§  3}Zenft^en  mid;  bejüglid)  beffen  Derminbert,  raaS 
er  an  uub  für  fid^  feiner  9latur  naä)  rermag ,  fo  bag  er  ui(^t 
mef)r  olle^  3^atürlic^=©ute  burd^  feine  uatürlii^e  ^raft  t)o(Ibringett 
!ouu.  2BeiI  aber  bie  menfcljli($e  S^latur  burd^  bie  6üube  uid^t  fo 
gän^Uc^  i^erborbeu  ift,  baß  fte  baburd;  aUe§>  9^atürli($=(^uten  be= 
raubt  wäre,  fo  vermag  ber  9}^enf(^  avLä)  im  gefallenen  3iiftö^^^ 
huxä)  bie  ^raft  feiner  9latur  eingelne^  ©ute  §u  t)olIbringeu, . . . 
m(!^t  aber  alles  @ute,  ha^  feiner  Statur  entfpric^t  .  •  .  roie  aud^ 
ber  !rau!e  3)^enf^  nod^  im  ©taube  ift,  fid^  an^  eigener  ^raft  gu 
bewegen,  nid^t  aber  alle  ^eroegungeu  ebenfo  raie  ein  gefuuber 
3Jlenfd^  ror^unefjmen,  bi§  er  burd)  §itfe  eiue^  Heilmitteln  raieber 
feine  tiolle  ©efunbl^eit  erlangt  l^at^."  ^iefe§  ^ilb  bei  l;ei(igen 
XI) 0 mal  ift  fel)r  gutreffeub  unb  belel)renb.  ^er  Traufe 
l)at  bie  Erinnerung  an  feinen  gefunben  3"f^^"^-  ^i^^  f^^"^ 
!rau!e  9latur  verlangt  barnac^,  bal  gu  tljun  unb  gu  mirfen,  roo^u 
er  in  ber  (^efunbljeit  im  Staube  ift ,  aber  er  vermag  el  jegt 
uid^t,  weil  er  franf  ift,  unb  er  bebarf  ber  §ilfe  einel  §eilmittell, 
um  wieber  ha^  ^u  i?ermögeu,  wal  er  früljer  an^  fi(^  allein  t)er= 
mod)te.  ©anj  fo  ift  e§  mit  bem  3}^eutc^en  in  feinem  ie^igen3u- 
ftaube.  ßr  ift  fran!  unb  liilflbebürftig  aud)  bem  Reifte  na^; 
uub  bal  ift  bie  söerblenbung  bei  ©toljel  uub  bei  §oc^mut()l,  bag 
er  biefc  feine  ^ranfljeit  unb  gilflbebürftigfeit  nid)t  erfennen  mag. 
^ie  Äranftjeit  feiner  ^Sernunft  ift  eine  gewiffe  .^^erfinfterung,  bie  in 
gotge  ber  ©ünbe  bei  il)m  eingetreten  ift.  ®ie  ^an!{)eit  feinel 
äöiüenl  ift  bie  ©(^wäd^ung  beffelben,  eine  gewiffe  D^nmad^t  im 
©Uten,  an  weld^er  er  gu  feiner  Qual  leibet,  ^n^  in  biefem  ^uftanbe 
ift  il)m  bal  53ewu6tfein  beffen,  wo§u  er  urfprünglid^  feiner  ^'latur 


1)  Summa  theol.  I.  II.  q.  109  a.  2. 


naä)  beftimmt  unb  befäEngt  loar,  ja  anä)  ein  tf)eilit)etfe$  SSewufet- 
fein  felbft  jener  übernatürlid^en  ©naben  nnb  ©aben,  bie  i()m  @ott 
nrfpriingüd)  oerliel^en  t)atte,  geblieben.  2öa§  er  aber  im  ijcfnnben 
äuftanbe  rermod^te ,  fann  er  jegt  nur  bur(ä^  ein  Heilmittel ,  rvtU 
c^e^  ©Ott  i[jm  anbietet.  6tatt  aber  biefen  3"^^"^  i^  ^emut^ 
anjuerfennen,  empört  fid^  ber  3J^enfc^  in  feinem  @tol§  gegen  biefe 
göttliche  $ilfe;  unb  barau§  entfielen  bann  jene  kämpfe  beiS  menfd):^ 
\i<S)Ctt  ©eiftey ,  jene§  Sluffteigen  nnh  ^lieberfiulen ,  jeueö  unüber= 
minbli($e  ^Ringen  na(§  Söaljrljeit,  "dou  ber  er  fi$  ni(^t  trennen 
fann,  meil  er  \iä)  üon  feiner  dlatnx  nidjt  trennen  fann;  unb  boc^ 
raieber  biefe»  Unvermögen,  aUe  jene  2Sal)rl)eiten  3U  erfaffen,  nac^ 
benen  er  l)ungert,  meil  er  fidj  ber  Heilmittel  nid)t  bebienen  mitl/ 
bie  @ott  il)m  bietet. 

®iefe  beiben  ßel)rfä|e  ber  Äir(^e  t)on  bem  35ermögen  ber  SSer= 
nunft,  natürliche  2öal)rl)eiten  über  bie  ^efiimmung  nnb  bie  ^flid^ten 
beg  9}^enf4en  §u  erfennen,  unb  bo^  mieber  oon  bem  Unvermögen 
berfelben  S^ernunft,  and5  nur  alle  natürli-i^en  2öa^rljeiten  genügenb 
p  erfaffen,  finben  ibre  üoHe  Q3eftätigung  in  ber  Sßeltgefc^idite. 
^lur  mit  biefer  (£infid)t  mirb  bie  ©efc^id)te  ber  3Jlenfd)l)eit  flar  unb 
üerftänblid'.  3)aburd)  allein  erffären  ftd)  biefe  fonft  gan§  unbegreif- 
lid^en  SÖiberfprüdje,  bie  mir  überall  mal)rne^men,  bie  ficb  immer  me- 
berl)olen,  forool^l  im  ©anjen,  mie  im  Seben  jebeg  einzelnen  SJleufc^en. 
3)er3}lenfd)  Ijat  and)  no($  anbere  kämpfe;  er  fämpft  ni^^t  allein  um 
bie  2öa^rl)eit.  (Sr  fämpft  an$  um  fein  täglich e§  35rob,  er  fämpft 
um  bie  töglid^eu  ^ebürfniffe  feinet  S)afein§,  er  fämpft  gemifferma^en 
einen  töglidben  ^ampf  um  ^eben  unb  5tob»  @r  fämpft  ferner  gegen  bie 
SeiDenfdjaften  unb  llntevbrüdungen  feiner  SD^itmenfiJen,  er  fämpft  mit 
ber  ganzen  «Si^mere  ber  93Merie,  bie  il;n  erbrüden  mill;  unbtro^ 
aller  biefer  fd)roeren  kämpfe  ift  e§  ein  ^ampf,  ber  if)n  mel)r 
befd^äftigt,  mie  baö  Mel:  ber  j!ampf  um  bie  2Bal)rljeit,  bie  mie 
ein  Si^tfunfcn  feinen  ©eift  immer  mieber  über  bie  3)iateric  er^ 
f)ebt,  Slber  fid)  felbft  überlaffen,  fämpft  er  nidjt  um  ^u  fiegen;  eö 
ift  ein  '^offnunglofer  ^ampf,  unb  ber  ©eift  erl)ebt  fi(^  nur,  um  balb 
mieber  in  Srrt^um  nnb  gmeifel  jebcr  Slrt  ^urüdjnfallen. 

^icfe  ^eljre  ber  ^ixäie  von  ben  ©renjen  ber  fic^  felbft  über* 
laffenen  SSernunft  o^ne  Isoliere  §ilfe  berül^rt  eUn  bie  ©egenroart 
in  einem  no(^  nie  bageroefenen  Umfange.  ®a  liegt  and)  ber  ^e- 
rüljrungepunft  jroifd^en  bem  allgemeinen  ß^oncil  unb  ben  3iiftänben 
unferer  Qe\t    3Roc^    nie  ift  bie    von    jeber  5lutorität  lo;?gelöft« 


-     9     — 

metifc^lid^e  'Vernunft  mit  ^öfjeten  Slnfprüc^en,  mit  ijröBerem  6tol5 
auf  (getreten,  no(^  nie  ^ot  fte  über  fol$e  SJiittel  §u  üerfügen  ge= 
))aht  2)ie  2Belt  liegt  gleid^fam  aufgebedt  oor  i()ren  Slugen, 
6d^u(en  unb  53ilbuTt9imittel  ader  5Irt  fielen  ii)r  jur  3Serfügung, 
fie  tann  burd)  bie  treffe  täglich  ba^  ganje  benfenbe  Wlen\ä)en' 
gefd)led)t  um  i^ren  £ef)rfiut)I  üerfammelu.  Unb  meiere»  ©rgebnife 
fe^en  wir  öor  Singen?  3Rie-]^at  eg  eine  größere  Uneinigfeit  ber 
©eifter  gegeben,  nie  eine  tiefere  Spaltung  über  bie  grage:  „2Ba^ 
ift  äßa^rl)eit?"  nie  fo  große,  fo  weit  greifenbe,  alle^5  jerfegenbe 
unb  untergrabenbe  Srrtljümer,  raie  gerabe  je^t.  ^iefe  2[öelt  roill 
nun  dJott  burd^  bie  ©timme  beg  t)on  i|m  felbft  geftifteten  Se^r- 
amte§  baran  erinnern,  baß  bie  3]ernunft  ber  3J^enfd^en  groar 
gum  §üd}ften  berufen  ift,  baß  fie  aber  feiner  ;Oeitung  bebarf,  wenn 
fie  il)r  3^^^  erieii$en  will;  unb  ha^  fie  o^ne  biefelbe  immer  raieber 
in  ©efa|r  ift,  bobenlofer  Unüernunft  anheimzufallen,  eine  33eute 
beS  Sügengeifte^S  5U  merben. 

3n  bem  ^ropljeten  S)aniel  feigen  mir  bie  großen  2Beltreid)e 
mie  eine  große  ^ilbfäule  auiS  @olb ,  aul  ©ilber,  an§>  ©rj  unb 
%^ün,  bie  fid}  pm  6d)reden  unb  (Srftaunen  ber  3JIenfd;en  erl)ebt. 
S)a  löft  fi^  ein  ^tm  o^ne  9}lenfi$enl)anb  uon  einem  ^oljen 
JBerge  ab  unb  ftürjt  auf  bie  ^ilbfäute  unb  jermalmt  fie  in  Staub, 
baß  ber  ^inb  fie  raegmeljt.  S)er  ©tein  aber  mirb  ju  einem 
^erge,  ber  bie  @rbe  anfüHt.  ©0  ift  eg  gefommen.  Me  jene 
Söeltreic^e  finb  fpurlo^  jertrümmert.  ^er  Stein  aber,  ber  t)om 
.<Qimmel  Ijerabgelommen,  ift  jum  ©dftein  geworben,  auf  bem  fi(^ 
baS  9^ci(^  @otte»  aufgebaut  l)at ,  meli^e^  bie  2ßelt  erfüßt.  So 
gel)t  eö  and)  mit  ben  Jöerfen  be^  ftol^en  3)^enfc^engeifte^v  ber  au^ 
fid)  mib  feinen  eigenen  Gräften  ben  Sau  ber  2ßal)rljeit  aufführen 
miü.  9i^ie  3Sicte  l)aben  fd)on  c^ehaut  oor  unb  nac^  ei)riftu^  b\$ 
auf  ben  l)eutigen  ^ag!  2Bie  ?.^iele  l>iben  geglaubt,  oljne  (5;i)riftu^ 
ben  Tempel  ber  ^iöabrljeit  aufführen  ^u  fönnen;  unb  raie  fielen  ift 
fd)on  gef^eljen,  roa§  jener  ^.Hlbfäule  roiberfal)ren  ift!  Unb  fo 
wirb  e^  fortgel)en,  bie  bie  3}lenfc^en  anfangen,  an  ber  ^aiib 
ber  göttlid)en  Offenbarung  nn^  bc^  üon  ©ott  gegrünbeten  Se()v-' 
amte§  ^u  bauen.  33i^  bal;in  wirb  immer  raiebii  biefer  Stein, 
ber  oom  §immel  gefommen ,  if)re  Sügenfijfteme  zertrümmern ,  fo 
baß  ber  3öinb  fömmt  unb  fie  raie  Staub  l^inroegfegt,  unb  man 
ben  Drt  !aum  mel)r  finbet,  rao  fie  in  ftoljer  Selbftuerblenbung 
i|re  Tempel  ber  58ernunft  aufgefül^rt  Ratten. 


II. 

Uo\)i\\  hontmt  Me  Örnimift  oljttc  (öfffitbaning,  dljttc  (ötiaDe, 

öljne  Autorität,  itiir  iijrnt  itatitiitd)nt  ^väfkn  übfrlafTfu?    ÖJa« 

Ijttt  fie  in  Mfffm  iiiftaitbe  aus  ^rn  natiirlid)ftt  iDal)rl)fttrn 

öemrtd)t,  Me  ®ott  iijr  aiiücrtraut  ijat? 

„ßr  üer[c^it)enbete  feine  §ibe  ...  unb  narf)bem  er 
Qlle§  rer5e]^rt  ^atte ,  .  .  fing  er  an  junger  ^u 
teiben."  2i\c.  15,  13  f. 

5er  ^vopljet  3faia§  geißt  mt5  am  (fnbe  ber  STage 
ba^  $QU^  be^  ^errn  auf  bem  ©ipfel  ber  Q3ert3e  im  2Inöefi*t 
üder  3^i3(!er  ber  ^rbe;  raie  bie  ^iDÜer  511  i()m  f)inftvümen  imb  §11 
einanberfprcdjen:  „kommet  mib  laffet  iuk^  Ijinanöe^en  jum  ^erge 
be§  §crru  unb  ^um  .gaufe  be^  @otte§  Sacob^o;  er  luirb  un§ 
let)reu  feine  SEege  unb  wir  raoHen  raanbeln  auf  feinen  ^faben." 
,,^Qnn",  fäljrt  er  fort,  „toirb  er  richten  bie  Golfer  unb  riele 
ilRationen  gurecltraeifen,  unb  fie  werben  i^re  6d)n)erter  in  ^flug-- 
f(Jaaren  umfi^mieben  unb  il^re  Sanken  in  6i(^eln;  nic^t  mel^r 
tt)irb  ^ol!  gegen  ^olf  ba^  ©djroert  erljeben,  nid)t  mel)r  lüerben 
fie  ft(^  üben  §uni  Kriege.  So  fomrnet  iljr  t)ont  §aufe  Qacob  unb  la&t 
unö  raanbeln  im  ^idjte  bec^  ^errn^)."  2)0^  ift  eine  troftreid^e  2^er= 
Ijeigung:  troftreid;  für  un§  alle,  bie  wir  bie  erfjabene  2öaljrl)eit 
Don  ber  Sintjeit  be^  5Utenfdjengef($(edjte§  tief  in  unfrer  6ecle 
cnipfinben.  2öenn  auä)  bie  3iiftänbc  in  ber  ©egenroart  mä) 
rceit  t)on  biefem  ^ilbe  be§  JyriebenS  entfernt  finb  unb  bie  3er= 
fplitterung  unter  ben  3}?eufdjeu  woä)  fo  meit  gebieljen  ift,  fo  mirb 
unb  foll  fie  bennod)  in  (Erfüllung  ge!)en.  ^ieUcidjt  ftel)en  mir 
unbemugt  fd)on  mitten  in  einer  ^emegung,  bie  nad;  biefem  ^kk 
l)infü^rt. 


1)  öf.  2,  3-5. 


.    —    11    — 

^Oi%\\  aber  müifen  bie  3}tenfd)en  \\6)  wieber,  mt  e§ 
in  biejeu  Söorteu  be^5  ^^^ropljcten  l^eigt,  t)on  ©ott  beleljreu  laffen 
unb  „in  bem  ßidjte  be§  ^errii  roanbern,"  in  jenem  i^id)te,  n)eld)e§ 
ron  feiner  übernatürlidjen  iDffenbarnnij  imb  bem  üon  il)m  9eiiirün= 
beten  £e{)ramte  au«i]el)t.  Dbne  biefe  Seituncj  ge!)!  bie  menfd)Iid)e 
i^ernnnft  in  bie  grre,  äl)nli($  mt  ba^  ^fuge  oljne  Sid)t  feinen 
^ienft  nidjt  erfüllt,  @o  grog  bie  gö!)ig!eit  be^  menfd)Iid)en 
©cifte^  in  @rforfd)ung  ber  emigen  SSa^rl^ieit  ift,  menn  er  fid)  t)on 
@ott  erleud)ten  unb  fnf)ren  lä^t,  fo  ol)nmn(^tic3  wirb  berfelbe, 
raenn  er  fic^  Jior$  uon  ©ott  abwenbet  unb  fi^  felbft  geniitjen 
luill.  2öie  ©Ott  in  ber  nbernatürlid^en  Dffenbaruncj  einen  ©c^q^ 
Don  2Bat)rl)eilen  Ijinterlegt  %q^\,  tüeld)en,  lüie  lüir  faljen,  ber  Stpoftel 
'^aulu^  aliS  ein  S^epofitum  bctrad;tet,  ba»  bie  ^irdje  treu 
beiöaljren  foU,  fo  \)qX  er  (^w^)  jebem  3Jlenfd)en  in  ben  natürlidjen 
gäl)iö!eiten  feiner  33ernunft  ein  folc^eg  S)epofitum  anvertraut. 
6r  foll  e0  bewai)ren,  aber  nid}t  mie  einen  (S(^a|  iiergraben,  fon= 
bem  baburc^  3^"?^"  tjeiftiger  (grfenntuife  gciüinnen.  2öa^  Ijaben 
aber  bie  3}?enfc^en,  n)el(^c  fi(^  t)on  ü^ott  unb  feiner  Cffenbaruucj 
abgeiuenbct  Ijaben,  mit  biefem  (Sd)al3  natürlidier  ©rfenntnife  angc= 
fangen'-?  (iienaubaffelbe,n)a§  berüerlorene  So^n  bei  (Eoango(ium§ 
mit  bem  Grbtl^eil,  melcfieg  er  Dom  3>ater  empfangen  (jatte, 
getljon  ^at.  €ie  f)aben  itjrc  gciftige  §ö^^  t)erfd)n)enbel ;  unb 
nacl)bein  fie  afiel  üerfc^menbct  Ratten,  finb  fie  in  geiflige 
."pungerionott)  gerat!)en.  S)at)in  !ommt  bie  3Sernunft,  bie  fid)  t)on 
©Ott  nic^t  belet)ren  laffen  mift.  2Bir  motten  biefe  Dtmmadjt  ber 
fid)  felbft  überlaffenen  5>ernunft  in  einigen  3^9^^^  "^^^^  ^"'^ 
Sluge  faffen,  um  bie  9iotf)menbigfeit  einer  göttlid;en  Leitung  bei 
menfdjtic^en  ©eifte^  ^u  erfennen. 

£'ie  t)öd;fte  natüilid)e  gäliigfeit  beio  ©eiftel  ift  bie  ber  (fr- 
tenntniB  ©ottel.  Sitten  anbre,  foioo(;l  auf  bem  ©ebiete  beS  @r= 
tenneniS  mie  bes  ^ri^\)Z\\^:> ,  Ijängt  von  i(jr  ab.  Qe  reiner  bie  ©otte^^= 
erlenntniö  in  einem  9}?enfc5en  unb  in  einem  ^solfe,  befto  l)öl)er 
fteljt  ber  9}lenfdj,  \io,^  3^ol!;  je  trüber  bie  ©otteicerfenntnif^,  befto 
niebriger  fteljen  fie.  2öal  \\Q,i  nun  im  ganzen  ^scrlaufe  ber  ©e^ 
fd)ic^te  be;3  3)^enfc^engefd)led;te» ,  foraeit  fie  wwy:^  bvfanut  ift ,  bie 
menfd^lidie  ^^ernunft  (\-\x^:)  ber  ©ottelerfcnntnife  gemadjt ,  mo 
fie  nid)t  üon  ber  Offenbarung  geleitet  mar?  ^ie  ©efc^id)te 
antwortet  barauf  mit  ben  ^Ijatfac^en  atter  ©räuel  be5  @öl3en= 
bienftel  vcc^  roljer  unb  feiner  ©ottelleugnung  in  alter  unb  neuer  ^i\i, 


—     12     — 

mit  allen  ©rniebrigunoien  be§  9)tenfd)enöefd)le($te^ ,  lueld^e  au^ 
biefeu  ^^erirrungen  be^  ©eilte  Ijeroorijegaiti^en  ftnb.  6ie  be-- 
ftätigt  bie  Söovte  be^  Ijeüigen  $aulu^:  „5Ra(^bcm  fie 
©Ott  erfannt  l)atten ,  ^aben  fie  iE)n  nid^t  al^  @ott  i?er^errlid)t 
no$  if)m  ®an!  gefacht,  fonbern  fie  luiirben  nid^tig  in  ifjren  @e= 
banfen  unb  \{)t  unDerftänbigeö  ^ev^  ift  finfter  getüorben,  S^beni 
fie  fic^  für  2öei)e  an^gaben,  finb  fie  ^T^oren  geraorben.  ©ie  üer- 
raed^felten  bie  igerrlidjfeit  be^  nnoergänglidjen  (3oik§>  mit  einem 
©leidjbirDe  mn  einem  Dergänglicbcn  9Jtenf(^en,  von  3Süge(n  unb 
anberen  ^iiieven.  ©egt^alb  gab  fie  ©ott  ben  ©eliiften  if)re^ 
^erjen»  prei^,  ber  UnlanterMt,  bag  fie  enteljrten  x^xe  Mbev  a)x 
fid)  felbcr;  fie,  meldte  bie  2öal)rl)eit  @otte^  mit  ber  ßüge  oer- 
tQuf^ten  unb  rielme^r  bem  ©efc^öpfe  ^^ere^rung  unb  ^ienft  er= 
miefen  aU  bem  6d)öpfer,  meld^er  gebenebeiet  ift  in  @tt)ig= 
feit^."  3^^^!^  3^9  ^^^f^^  33i(be§  ift  in  Erfüllung  gegangen 
big  auf  ben  l)eutigen  ^ag  an  aMx  3)lenfc^en  unb  33ö(fern, 
bie  fi(^  von  ber  Leitung  ©otte§  unb  feiner  Offenbarung  abgemen^ 
bet  t)aben.  Sie  roerben  „nidjtig  in  x^xzn  ©ebanfen,"  ,, finfter  in 
i^ren  unt)erftänbigen  §er§en/'  „fie  finb  3:;tjoren,  ba  fie  fid)  für 
Seife  l^alten/'  3n  il)rcr  6e(6ftt)ergötterung  rerjued^feln  )k  „bie 
§errlid)!eit  be§  unoergänglic^en  ©ottes"  balb  mit  fid^,  balb  mit 
ber  tobten  DJkterie,  unb  ^ur  Strafe  fallen,  fie  i()ren  ßüften  an^ 
{)eim  unb  cnteljren  i(;re  eigenen  Leiber.  3öörtlid),  bud)ftäblic^ 
get)t  bas  zi{ie§>  fort  unb  fort  in  Grfüttung. 

^on  ber  ®ottc§er!enntniB  Ijängen  aber  alle  anberen  ©r- 
fenntniffe  be§  menfdilidjen  ©eiftea  ab,  menigfien^  alle  jene,  bie 
bie  ]^öf)eren  unb  tieferen  gntereffen  bei  menfd)tid^en  @eifte§  he- 
rüljren.  Jßenn  baljer  ber  ©eift  in  feiner  5Xbroenbung  t)on  ber 
göttüd^en  Offenbarung  in  feiner  ©otte§er!enntni§  getrübt  ober  oerfiu^ 
ftert  mirb,  fo  fättt  auc^  ein  B6)atkn  auf  aEe  anbern  ©rfenntniffe. 

Wi  ber  ©ottelerfenntnife  \:)äni]t  ,3unäd)ft  innig  bie  eelbft^ 
ert'enntnif3  gufammen ,  bie  nad)  i^r  ha3>  l}oct)fte  ^ebürfniJ3  ber 
6eete  ift.  Qe  reiner  bie  ©ottelerfenntnife,  befto  reiner  bie  <Belb\'U 
errenntniä  unb  umge!et)rt.  ^eibe  taffen  fid)  von  cinanber  nic^t 
trennen,  metl  ber  ajienfd)  von  ©ott  erfd)affcn  ift,  aßel  oon  il)m 
empfangen  l)ai  unb  aU  gciftigel  2(bbilb  oon  ©ott  ficb  unb  feine 
2Bürbe  nur  in  biefem  emigen  Urbitbe  t)erftet)en  fann.    3öa>$  ^at 


1)  Möm.  l,  21  ff. 


—  Is- 
abel: bie^ßernunft  auö  ber  imtürlii^en  (gelbfterfenntnife  gemalt, 
wo  fie  ]\6)  üon  ber  ööttlii^en  Seitung  abgewenbet  Ifiat?  Sie 
l)at  w\6)t  nur  bie  voal^xe  ©elbfterfenntmfe,  tuelc^e  ber  2lug^ 
ÖQUcj^punft  ber  xüal)xtn  2öeisl)eit  ift,  bie  ©rfenntnife  i^reg  ^er= 
^ältniffe^  511  (Sott,  it)rer  SBürbe  unb  it)rer  roa^iren  ^eftimm= 
ung  verloren,  fonbern  fie  l)ai  ber  ©eele  ftatt  ber  loaliren 
6elbfterfenntnig  einen  blinben,  jänfteren,  raalinfinnigen  6toI§  wnb 
§o(i)niutf)  eingepflanzt  unb  fie  bann  gu  einer  Wienerin  unb  ©cla=: 
Diu  biefeg  finfteren  ©eifte^  gemadit.  ©ie  l^at  bie  ©eele  an  wahrer 
©elbfterfcnntnife  fo  arm  gemad;t,  bafe  fie  eublid^  fid)  felbft, 
il)r  Seben,  il^re  Unfterb(id;)!eit  leugnet,  bafe  fie  fid;  ber  t)cr= 
nunftlofen  Tlakxk  unb  bem  oernunftlofen  ^^iere  gleidiftellt. 
„3"^eg  fie  jagen,  fie  feien  2öeife,  finb  fie  Stl^oren  geraor-- 
ben/'  Sie  „entel)ren"  nid)t  nur,  wie  ber  Ijeilige  $aului3  fagt, 
„il)ren  £eib,"  fie  entel)ren  i^ren©eift;  unb  biefe  @ntel)rung  l)alten 
fie  für  ii)xen  9iul)m.  S)ie  ginfterniB  t)erl)errli(^t  bie  ginfternife 
aU  ba^  Sidjt.  20ie  fie  l)in  unb  l^er getrieben  werben,  inbem 
fie  balb  @ö|en  bieuen,  balb  ©ott  leugnen,  fo  fc^roanfen  fie 
audj  in  ber  i2e(bfter!enntniB,  inbem  fie  balb  ilire  5>ernunft  i)er= 
gi)ttern,  balb  iljr  S)afein  leugnen. 

3}?it  ber  (Selbfterfenntnife  fdiiuinbet  benn  auc^  bie  ^ruber^ 
liebe,  bie  red)te  ß'infii^t  üon  bem  innigen  ^ruberbanbe,  ba§ 
iing  mit  ben  3Jtitmenf(^en  tjerbinbet,  unb  üon  ben  Regierungen, 
bie  au0  bemfelben  l;ert)orgel)en.  ^ie  D^ädjfienliebe  berul)t  auf 
ber  6elbfter!enntni^ ,  mie  bie  ©elbfterfenntni^  auf  ber  roal)ren 
©otte§er!enntni6  ruljt.  S^on  bie  ßeljre  ber  Dffenbarung,  bafe 
mir  3)tenfd^en  alle  ber  <Secle  nai^  S3ilber  ©otteS  finb,  biefelben 
<gtammeltern  l^aben  unb  baburdj  trüber  finb,  ift  Don  unbered)en- 
barem  ©influ^  für  alle  Regieliungen  ber  3}lenfd;en  untereinan^ 
ber,  mie  bie  Seugnung  berfelben  in  biefer  §infic^t  t)on  un= 
bered)enbarem  (Schaben  ift.  (S^  ift  graar  au^  ein  natürlidje^ 
@efe^  be»  menfdjlidjen  ©eifte^:  2öag  bu  mä)t  miöft,  ba^  bir 
gef($el;e,  ba^  tl)ue  and)  beinem  9iäd)ften  nid)t.  Slber  biefe^  @efe|  mu§ 
§ugleid),  um  mirffam  ^u  merben,  von  ber  maleren  @otte§?  unb 
6elbfter!enntni^  getragen  merben.  «Eonft  mirb  e§>  feinen  ©influg 
auf  ba^  2tUn  üben.  Ser  SJ^enfd)  mirb  üiclmel^r  balb  ba^in 
fommen,  fein  ^erliältnig  ju  ben  3}litmenfdjen  nid^t  mel;r  nad^ 
biefem  ^ernunftgefefee,  fonDern  nadj  bem  unerfättli^en  ©eifte 
ber  ©elbftfuc^t  einjuri^ten.    2öa^  aber  bie  fid^  (elbft  überlaffene 


-     14    — 

menfd)li(^e   3]eruunft   au§   ber  9iäd)ftenl{ebe   madjt,   ba§   feigen 
Tüir  an  fo  fielen  ©rfdjeinungen  ber  ©egenroart. 

2öa§  l^at  fie  ferner  au^^  "om  nntürlid^en  C^kimblagen  ber 
bürgerlid^en  ©efeflfdjQft  getuad)t?  ^uä)  biefe  entfpringen  au^ 
©Ott.  Slffe»,  tüa^  511m  @ebetf)en  ber  bürgerlidjen  ©efellfc^aft  ge- 
fc^iel)t,  (jat  nur  in  Ujm  feine  ©runblage.  2(nf  biefer  ©runblage 
rnljt  bag  9ied)t  unb  bie  Slutorität,  ba^  @efe^,  bie  Pflege  ber 
©erec^tigMt,  bie  ^f(id)t  be^  ©e!)orfam§.  3a  bac^  gnnge  3)afein 
be§  ©taate§  Ijat  feine  fittlic^e  ©runblage  nur  in  ber  Uebcr^eug- 
nng,  hoi  er  nid)t  eine  töißfürlid^e  meufc^Iidje  ßrfinbnng,  fonbern 
eine  von  ©ott  gewollte  (Einrichtung  ift,  bie  rair  bejs^ialb  eljren 
muffen,  weil  ®ott  e^  raiH.  2öa§  Ijat  ber  menfd)Iid)e  @eift,  dou 
jeber  (jöljeren  Seitung  lo^gefagt,  von  allen  biefen  natürlidjenStüöen 
ber  bürgerlid)en  ©efeEf($aft  nod;  übrig  gelaffen?  ©r  Ijat  fie, 
eine  naä)  ber  anbern  angenagt  nnb  unterraüt)lt ;  er  Ijat  fie  alle 
befc^äbigt.  S)arau^  entfleljt  biefe  t)oll!ommene  politifc^e  HngewiB'- 
tjeit,  in  ber  fi($  bie  moberne  @efeflf($aft  befinbet;  unh  wenn  bie 
ftaatlidje  Drbnnng  no(^  befteljt,  fo  Derbanfen  loir  'oa^^  niäjt  jenem 
©eifte,  ber  fid)  von  ber  göttlii^en  Offenbarung  getrennt  Ijat  unb 
fid)  gebärbet,  al^  ob  er  bie  ftaatlidje  Drbnung  äufammenljielte, 
fonbern  mir  oerbanfen  e^  x)ielmel)r  im-  graben  ©egentl)eil  jener 
©efinnung,  bie  im  birecten  SBiberfprud)  ju  biefem  (^n}ie  nod)  in 
bem  c^riftlid)en  ^ol!e  fortmirft.  S)ie  ganje  moberne  6taat^3roei0= 
(jeit  mürbe  ni(^t  im  ©tanbe  fein,  bie  bürgerlidie  Drbnung  nur 
auf  fur^e  Qdt  vov  htn  tiefften  @rf($ütterungen  ju  beraa(;ren, 
menn  nii^t  ber  (^riftlid;e  ©eift  fte  fdjü^te,  x)on  bem  fie  fid;  ab-- 
geroenbet  !)at. 

2lel)nli(^  fte^t  e§>  au(^  mit  ben  natürlichen  ©runblagen  ber 
gamitie.  ®a§  geiftige  unb  leibliche  ^"ßoljl  be^3  Tten\^en  Ijängt 
meljr  mie  von  aUem  Slnbern,  üon  bem  ©ebeiljen  ber  gamilie  ab., 
StUeg  roa^  fie  befd^äbigt,  befdiäbigt  ben  3}Jenfc6en  am  Siefften. 
2111er  gortfdjritt  nü^t  bem  nid)te^,  ber  in  ber  gamilie  an  £^eib 
ober  ©eele  verpefiet  ift.  ^ie  natürlichen  ©runblagen.  ber  gamilie 
finb  biefelben,  meiere  aud^  hnxä)  bie  übernatürliche  Offenbarung 
al^  fol(^e  bejeidjuet  finb.  Sßie  wenig  ift  aber  bie  von  berDffen= 
barung  getrennte  Vernunft  im  6tanbe  gemefen,  fie  gum 
geile  ber  SJlenfc^en  aufredjt  5U  erl)alten.  3m  |)eibentljume 
naijm  vielmelir  bie  ä^^fiörung  aller  natürlid;en  ©runblagen  ber 
gamilie  mit  allen  entfet.lid)en  golgen  biefer  3^^'ftörung  ganj  im 


—     15    — 

3Serl)ältni6  ber  roadifenben  geiftigen  ^ilbung  in  unb  in  gang  ä^inlid^er 
S[ßei{e  arbeitet  auä)  jefet  lieber  ber  ^eibnifc^e  ©eift  unferer  ^age 
baran,  biefe  l^eiHgfte  Btätk,  rco  aüe  {jeiligen  unb  ^o^en 
Sntereffen  ber  3}ienf(^l[)eit  gepflegt  raerben,  §u  bef^äbigen.  2öenn 
nid)t  bie  gi)ttlid;e  Dffenbarung  bie  Tten\ä)tn  jc^ü^te,  fo  raürben 
TOir  bie  ^erraüfiungen  be§  alten  $eibentl)um;3  im  Familienleben 
n)ieber!el)ren  fel)en.  Sitte  angebli(^e  ionmanität  mürbe  bie  9}?enfd)en 
nic^t  \ä)ix^en  gegen  bie  SjRaä)t  ber  Seibenfc^aften,  bie  fic^  ba  gel= 
tenb  mad^en  fönnen. 

SSie  aber  bie  von  ber  Offenbarung  getrennte  Vernunft  aEe 
biefe  natürlidjen  2öal)rl)eiten  üergeubet  ^nt,  fo  mai^t  fie  e§  äljnlid^ 
auä)  mit  ben*übernatürlid)en  2Sal)rljeiteu  ber  Dffenbarung.  Sind) 
biefe  fann  fie  ni^t  lauter  unb  ungefdjmälert  erl)alten  oljue 
l)öl;ere  §ilfe;  aud)  biefe  uerfc^menbet  fie  nad;  unb  nad)  bi^ 
gur  legten  diriftlic^en  Sel;re  unb  bi^  §um  legten  Sud^flaben 
ber  ^eiligen  (Sdfirift,  mie  un^  \>a§>  bie  ©efd)i(ite  ber  von  ber 
Äirdje  (^etx^nnten  Ijinreii^enb  beraiefen  l)at.  ^oä)  barauf  tommen 
mir  fpäter  gurüd. 

SJon  biefem  ©efe|  mad^en  nur  jene  natürlii^en  ^enntniffe  einiger 
3}Za§en  eine  2lu5nal)me,bie  fic^  ganj  auf  ber  Oberfläche  ber  natürlichen 
©rfd^einungen  Ijalten  unb  bem  ©eifte  be§  3JJenf(^en  auf  bie  l)öd;= 
ften  unb  mid;tigften  gragen ,  auf  ba§  „SBo^er''  unb  „2Bol)in" 
feine  Slntroort  geben.  55or  allem  ift  e^  jener  ^l)eil  be§  natür= 
lidjen  Seben^,  ber  \iä)  lebiglii^  nad)  med^anifd^en  ©efe^en  richtet, 
na(5  ben  ©efe^en,  bie  für  bie  3}iaterie  von  ©ott  gegeben  finb, 
ber  bann  nod^  bem  menfc&li(^en  ©eifte  jugänglic^  ift.  ^ie  blogc 
SBiffenfd^aft  biefer  ©efe|e  fann  aber  ben  3Jienfd)engeift  ebenfomenig 
befriebigen,  mie  bie  3)^aterie  felbft,  unb  ber  ©ögenbienft  mit  ber= 
felben  ift  nur  raieber  eine  anbere  gorm  für  ben  (^ö^enbienft 
ber  3Jlaterie. 

^ie  Vernunft  aber,  bie  e^  t)erfc^mäl)t ,  fid)  von  bem  über= 
natürlichen  Sid)te  erleud^ten  su  laffen,  mirb  niC^t  nur  bie 
natürlichen  ^enntniffe,  bie  ©ott  i^r  ant)ertraut  Ijat,  meljr 
ober  weniger  verlieren,  unb  an  ben  Isolieren  geiftigen  ©ütern 
mie  ber  t)erlorene  ©ol)n  junger  leiben;  fie  mirb  no$  übers 
bieg  einem  anberen  ©eifte  bienftbar  merben,  fie  mirb  oft  bal)in 
fommen,  alle  il)re  pl)ig!eiten ,  atte  il)re  ^enntniffe  im  ©ienfte 
ber  Süge  unb  be^  ^öfen  in  t)ermenben.  2Bie  l^äufig  ift  ba^  ber 
g'all  in  unferen  ^agen !    3e  l)öl)er  bie  &ahm  be§  ©eifle»  finb, 


—     IG     — 

bie  ©Ott  ber  9Kenf${)eit  cerliel^en  ^at,  befto  t)erberbli(^er  rairfen 
fie,  raenn  fie  nid)t  me^r  @ott  bienen.  ®ie  Vernunft  fül)rt  unter 
@otte0  Leitung  gur  etoigen  Söal^r^eit;  raenn  fie  aber  fidö  üon  ©ott 
obroenbet,  bann  wirb  fie  eine  3^erf ü^rerin ,  rael^e  bie  9}len)$en 
t)om  Söege  ber  2ÖQ!)rl)eit  ableitet.  3)a§  finbet  aber  in  ber  au^- 
gejeid^netften  35?eife  jegt  ftatt.  5öie  wirb  biefeg  ^öd)fte  SSermögen 
ber  6eele  mi^braut^t!  2öie  rairb  e^  benu|t,  um  bie  3)ien' 
fd^en  irre  ju  fü()ren  unb  gu  Derberben!  3Beld)  ein  furd)tbare$ 
(Softem  r)on  2nq,  unb  ^rug  l)at  fi^  bieffr  (jimmlifc^en  ^ahe 
ber  SSernunft  unb  ber  SBiffenfd^aft  bemäd^tigt!  ^abei  wurzelt 
in  ber  ©eele  ber  3Jlenfd^en  ha^  S3etDufetfein,  baft  bie  5Ber= 
nunft  ber  3Bal)rl^eit  bienen  foK ,  fo  tief,  "i^a^  ein  großer  %i)e\i 
berfelben  biefe^^  ^rugfpiel  mit  ber  Sßa^r^eit  niä)t  erfennt,  unb 
biefeg  Vertrauen  ^ur  Vernunft  ift  bann  für  fie  ein  neue§  TOttel 
be^  ^etrugC^  $Die  Vernunft,  pon  ©ott  bcflimmt,  ber  SBa^r^eit 
5u  bienen,  lüirb  bann  eine  Wienerin  beg  ©elbeio,  ber  ©e- 
n)innfu(^t  unb  oller  Qntereffen ,  bie  ha§>  ©elb  befriebigen 
fann.  ^a§>  ift  nur  gu  l^äufig  ber  3^ftö^^  i^^^^  ^nteßigenj  in 
unferen  ^agen,  bie  fo  ftolg  einljerf^reitet  unb  ber  Söelt  t)erfünbet, 
ba§  fie  i^r  £i(^t  bringe  unb  "oa^  fie  nur  bem  ßid)te  biene.  6ie 
lügt  unb  betrügt.  Qn  iljrem  Kampfe  gegen  ba^  ©Ijriftent^um 
bient  fie  nidjt  ber  Söaljrlieit,  fonbern  bem  ©elbe;  fie  erfd^öpft 
atte  3Jiittel  be§  ©eifteg  gur  ^erfül)rung  ber  9)lenfd^en  in  biefem 
©elberroerbe.  ©in  großer  ^Ijeil  ber  ©rgeugniffe  ber  mobernen 
Literatur,  mit  iljren  @ottlofig!eiten  unb  i^ren  entfepd;en  (Sit- 
tenlofigleiten  ift  gemeiner  ©elbermerb.  £)iefe  erljabene  l^imm-- 
lifd^e  (^ahe,  bie  gntelligenj,  bie  ben  3Jlenfd^en  erljeben  fott  bi^  gn 
ben  emigen  Si^träumen,  mo  ©ott  tl;ront  um  bort  niebergufinfen 
anb  anzubeten,  mu§  !^ier  auf  ©rben  fo  üielfad;  in  biefem  teuf^ 
lifd;en  ©efci^äft  ber  ^erfül^rung  unb  ©ntfittlid^ung  ber  9Jienf$en 
menfd^lid^er  ^o^ljeit  unb  ^^ermorfenl^eit  bienen.  5Dat)in  fommt 
bie  SSernunft  ol)ne  Offenbarung,  ol)ne  ©nabe,  ol)ne  2tutorität.  60 
arm  wirb  fie,  n)enn  fie  in  ftoljer  lleberl)ebung  nii^t  auf  ©otte^ 
6timme  Ijören  mill.  Statt  bie  3}ienfc^en  gu  i^ereinen  unb  fie 
vereint  nad^  jenem  ^erge  ^otteä  ju  füljren ,  non  meld;em  ber 
^ropl)et  rebet,  ftatt  fljuen  jenen  feiigen  grieben  gn  bringen, 
trennt  fie  bann  bie  3Jlenf(^en,  fül)rt  fie  ah  von  ©ott  unb  mad^t 
aug  bem  2eUn  ber  ^Henfd^en  einen  nie  enbenben  Äampf  ber 
^elbftfud^t  unb  ber  6innlid^!eit, 


III. 

£)ai  hm\  (5att  }\i  htn  MUnfdjtn  gcfprodjen,  fo  5aß  pe  fchte 

«Stimme  Ijörni  konntfii?   Kfkt  er  awd)  jr^t  itod)  ("o  tjenicl)m- 

lid),  fo  bfftimmt  }\\  «tiö,  kß  mir  mit  uollcr  ©emißljeit,  md)t 

irre  ^u  geilen,  nns  feinen  IDorten  annertranen  können? 

„3u  oielen  3)JaIen  iinb  in  oielerlci  SEeifen  l^at  cinft 
@ctt  511  bcn  SJätern  burcf}  bie  ^ropl^eten  gerebet; 
jule^t  in  bicffti  tragen  t;Qt  er  311  un§  bur*  ben 
©o^m  gerebet;  irelcfien  er  3uni  ©rben  über  2lire§ 
gefegt,  burd;  'melden  er  auc^  bie  Sßelten  gemac&t 
r;at.'"'  §e6r.  1,  2. 

^uf  bicfc  gvagen  fönnen  mir  nur  uon  ber  ©ef(3^i(^te  eine 
2Intn)ort  crljalten. 

1.  2ÖQ§  faßt  un§>  barübcrbie  erfie  ©efc^idjte  be^  Wniä)en' 
o,^\ä)kä)ie§>  vox  beni  SünbenfaHe  ? 

©Ott  felbft  rcbet  bort  mit  ben  9)kni(^cn.  @r  ükiiie^  fie 
nid)t  au^fditie^lii^  bem  ^idjte  it)rer  ^^evnunft.  Dbn)o!)l  er  it)nen 
Qujger  ben  natürlii^en  g^äliigfeiten  be^  ©eifte^  noi^  übernatüiiid;e 
geiftige  ®aben  gcfpenbet  liatte  unb  obiuol)!  jene  natürUd)en  ^aben 
nod)  iMjt  burd)  bie  (Siiubc  beeinträchtigt  waren  —  bennoc^  rebete 
er  mit  if)nen.  ßr  felbft  \QQnetc  [ie  unb  fenbete  i^nen  bamit  bie 
9öttli(^e  §ilfe ,  um  ha^»  gu  t)o(Ibnngen ,  um5  er  iljuen  befel^ten 
luoUte;  er  felbft  übertrug  iljucn  bann  bie  §crrfc^aft  über  bie 
9tatur  unb  über  oHe  (i)efd)i3pfe^);  er  gab  iljncn  felbft  ein  ©ebot, 
ein  äu^ere^  pofitiüe^^),  obmol)!  er  iljnen  and)  ein  innere;^  fd^on 
in  bie  Seele  gefi^rieben  batte,  ha§>  allgemeine  Sittengefe^.  2)iefe5 
QUBere  ©ebot  foHte  il)ren  ©eljorfam  prüfen;  fie  füllten  baburd) 
bie  iljnen  übertragene  §errfd)aft  über  bie  gefammte  9?atur  nur 
in   ber    Untermerfung  unter  feine    Dber^errf(^aft  üben    lernen. 


1)  I.  üßof.  1,  28-30.  —  2)  1.  mol  2,  16  f. 
p.  Rette l et,  bag  attgemeinc  Couctt. 


^     18    --^ 

^al  äußere  ©cfej  foHte  fie  and)  ha^xn  er^ietien,  bap  fie  ba«  innere 
@efe|  gleid^faE^  aU  ©otte^  ©ejeg  erfännten  unb  nid)t  i^rem 
eigenen  SöiHen  jufdjdeben.  ©ott  felbft  legte  enblid)  fdjon  bamaB 
bie  ©runblagen  ber  gamilie  unb  gab  il)r,  raeit  fie  raieber  bie 
©runbloge  aller  anbevn  menydjlidjen  ^erbinbungen  werben  foUte, 
i\)x  n)unberbareg  ©runböcfe|,  ha^  and)  l^eute  imerjdjüttert  fort= 
beftel)t.  ©Ott  rcbete  aber  nid;t  nur  Einmal  ^u  bem  9J^enf(^en, 
fonbern  er  Der!el)rte  fo  (iebeocE  mit  biefem  ©efdjöpfe,  raeldjeg 
er  nad)  feinem  ßbenbilb  erid)Qffen  ^atk ,  bQ§  er  un§  in  ber 
^eiligen  6d)rift  mie  ein  ^ater  roanbelnb  im  ^arabiefe  bargeflellt 
roirbi).  2ßir  ^inber  ber  Offenbarung  fonnen  un§  über  eine 
1oId)e  6pra($e  md)t  luunbern,  ba  ja  ©Ott  auc^  in  bem  je^itjen 
Suftanbe,  roo  ba§  TOiebeiljergeftcHt  unb  üoUenbet  werben  foH, 
roa^  wir  im  ^arabie;?  befaßen  unb  burc^  bie  6ünbe  ijerloren 
^ahen,  in  bem  ©eljeimniB  feiner  £^iebe,  bem  allerl)eiliv3ften  6acra= 
mente  unter  un§  looljnt;  unb  ba  mx  ferner  raiffcn,  ba§  e^ 
unfere  ©nbbeftimmung  ift,  ewig  @ott  ju  fi^auen.  ß»  be^ 
meift  aber,  wie  ba^  Sieben  ©ottc^  gu  ben  3}lcnfd;en ,  wie  ber 
SSerfel^r  ©otte-S  mit  ben  äRcnji^en  fo  gan§  gu  feinem  oäterlidien 
^slane  gehört.  Un^  erf<^eint  ein  31tbcn  ©otte»  mit  un^  nur  be6> 
(;Qlb  oft  fo  fremb,  weil  un»  burd)  bie  (Biinhe  ber  ^t'üante  fo 
fremD  geworben  ift,  wie  innig  wir  @ott  angel^ören. 

2.  2Ba§  fagt  un§  barüber  bie  ©efc^id;te  be.§  alten  8unbe^, 
bie  3ßit  ber  SSorbereitnng  auf  'iitn  fommenben  ©ilö[er,  bie  Qeii 
ber  SSorbilber  t)on  bem  3fieid;c  ©oite§,  ha^  jener  auf  ©rben 
fiiften  wollte? 

®er  Slpoftcl  ^auluiS  fa§t  bie  ganje  ©efd;id)te  be^  alten 
Sunbe»  in  ben  SBorten  sufammen:  „Qn  oiclen  9}ialen  unb  in 
vielerlei  Söeifen  Ijat  einft  ©ott  gu  ben  ^NÖtcrn  huxd)  bie  ^roplieten 
gerebet^)."  5Daö  ift  bie  ^ebeutung,  ba§  bie  ganje  ©efdjid)te  be^ 
alten  33unbeg :  „üeus  loquens  patribus  in  prophetis  —  ©ott  mit 
ben  3)lenf(^en  rebenb  burd)  bie  $ropl;eten."  5Dcr  3^^^^  ^'^^^ 
bie  3)Zenfc^en  wieber  ju  fid)  äurüd  ju  fül)ren,  ben  ©eift  be^ 
3)^enfd;en  §u  feiner  ©rfenntnife,  ha^  ^exh  ^^^  3Jlenid;en  ju  feiner 
Siebe.  ^a!§  \\t  and)  ber  Qwed  ber  ganzen  Grlöfung,  wäl)renb 
ba5  ganje  55erberben  ber  6ünbe  in  bem  ©egentljeil  beftel)t;  in 


1)  1.  ÜJiof.  3,  8.  -  2)  ^ihx.  1,  1. 


-lo- 
ben 3]erirrmi9eu  bei  ©eifiel,  bev  ®ott  tiid^t  meljr  erfennt  unb 
bamit  auf  alle  3rrroege  ber  Süge  gerätl),  in  ben  5>enrrungen  bei 
.gerjenc,  ba§  ©ott  m(f)t  nielir  liebt.  5l(§  @ott  bef^loifen  liatte, 
aüe  bie[e,  wie  uenrrte  od^afe  von  bem  rechten  2i5ege  abgeit)i(^enen 
Menfd^eufeelen  iinb  3}tenid;enliev5en  lyieber  auf  beni  reiften  Söege 
5u  bem  einen  3^^^^  5^^^'  ßrfemitnife  ber  einen  unb  ^öd)ften  2öa^r= 
l)eit,  5ur  Siebe  he§>  einen  unb  Ijödiften  ©ute»  Ijin^ufü^ren,  ba  er= 
fannte  er  in  feinet*  göttlichen  Sßeielieit  ein  Mittel  unb  biel  wav : 
Dens  loquens  patribus.     Crc  felbft  rebete  in  ben  3}len|($en. 

^Ibcc  ein  llnterfc^ieb  wat  3raif(^en  bem  kleben  ©otte!^  mit 
ben  3}Ienfd^en  im  "^arabiefe  unb  im  alten  53unbe.  3m  ^arabiefe 
rebete  er  felbft  iin'o  unmittelbar  mit  htn  3)tenf(f;en;  fpäter  rebete 
er  „bur*^  bie  ^ropt)eteu''  gu  iljnen.  5Dafür  fönnen  rair  unl 
meljrere  förünbe  hmhn.  Grftene  waren  bie  9)tenfdjen  unroiirbig, 
in  ilirem  iegigen  S^^f^^"^  ^«^  ^Ingefidjt  ^>ottel  gu  f($auen; 
fie  foüten  ja  baju  erft  luiebcr  vorbereitet  luerben.  3^^^^^^"^  ^^^^ 
lag  in  biefem  5>erfal)ren  ber  gi^ttlidjen  5?orfel}ung  ^ugleii^  ba» 
roaljre  Heilmittel,  um  "iini  3Jienfd;eu  burc^  htn  ©lauben  gu  fic^ 
^nrüdjufüljren.  Unb  enblid;  brittenS  war  ber  alte  ^^unb  roie  ein 
Statten  be)3  neuen  ^unbe§ ,  wie  ein  6d)atten  von  jenem  ^^er- 
fel^r  ©ottel  mit  bem  9)leufc^cn,  ber  im  neuen  ^unbe  roieber  ein- 
treten foUte. 

(S'in  anfd)auli(^el  ^ilb  uon  biefem  dU'om  ©otte»  burd) 
3Henfc^en  gu  ben  3)ienf(^en  im  alten  Sunbe  gibt  un^Seuemiag, 
wo  er  erjäijlt,  mie  er  üon  ©Ott  in  biefem  Slmte  berufen  mürbe. 
©Ott  rebete  gu  \i)m:  „(El;e  ic^  bi(^  bilbete  im  3)lutterleibe,  l^abe 
id)  bid;  gefannt  unb  elje  hn  l)en)orgingeft  au§>  bem  S($oo6e,  l)abe 
i^  bi^  geljeiligt  unb  aU  ^ropljeten  für  hie  ^öikt  bid;  gefegt." 
SeremiaiS  gerietl;  barüber  in  gro^e  5lngft  unb  antwortete : 
„5ldv  §err  unb  ©ott !  (Sielje  i6)  meiB  nid)t  ^u  rebcn ;  't^mn  ein 
Änabe  bin  iä)."  $[)a  fprad;  ©ott  gu  il)m:  „Sage  nic^t:  ,@in 
^nabe  bin  id^/  benn  ju  allem,  mo^u  id)  bi^  fcnbe,  follft  bu 
gel)en,  unb  alle»  j^mal,  wa§>  immer  id;  bir  auftragen  werbe, 
follft  bu  reben.  gürdjte  bid)  nid)t  cor  il)nen;  \)enn  mit  bir  bin 
i^,  bid;  ^u  erretten."  ©amit  aber  begnügte  fid;  ©ott  no(^  nic^t; 
er  wollte  feinem  Wiener  unb  -^ropl;eten  anä)  nod;  eine  Ijö^ere 
©nabe  jur  Erfüllung  biefe;^  Ijeiligen  Slmteä  mittljeilen.  ßr  ^redte 
baljer  feine  §anb  aul,  berüljrte  feinen  3}lunb  unb  fprai^  ju  il)m: 
„6iel;e,   \6)   lege   meine  Söorte  in  bcinen  3}hinb;   i^   I)abe  bid^ 

2* 


___     20     — 

\)euk  befteßt  über  bie  ^>ölfer  imb  über  bie  ^ömgrei^e,  um  aus- 
zurotten unb  5u  jerftören,  .  .  um  ju  bauen  unb  ^u  pftauoen')." 
3n  bicfer  äöeife  alfo  rebele  ®ott  im  alten  ^m'^e  gu  h^n  3}lenfd)en. 
iix  mä^tc  nd)  h>r^n  feine  Wiener  au^^]  er  wax  mit  ilt)nen  mit 
feiner  ®m\)C,  er  gab  i(;nen  if)re  (Beübung;  er  rüftete  fie  an^  mit 
einer  entfpredjenben  .^raft;  er  haü^xU  in  übernatürli(5er  2ßeife 
iljren  3]iunb  unb  legte  feine  3Sorte  in  il)ren  3}lnnb.  S)arum 
war  basd,  iüqc^  fie  rebeten,  @otte^  SSort,  unb  @ott  felbft  rebete 
burd;  fie  ^u  hen  SJZenfdjen. 

SBeldje  2öir!ung  aber  biefe!§  Tteben  @otte^  gum  Qubenüolfe 
Ijatte;  erfennen  mir,  roenn  mir  einen  ^lid  auf  bie  ©ef^id^te 
biefe»  ^olfe!«  unb  auf  bie  aller  §eibnif(^en  53i3ller  mcrfen  unb 
hahci  nur  ba»  (Sine  in  33etrad)t  ^ieljen,  cor  meldten  dJraneln  be§ 
©ij^enbienfteic  bie  ^n'oen  baburd;  bemaljrt  mürben,  'Oa^  (3ott 
burd;  biefea  Sieben  if)nen  ben  ©lanben  an  ben  einen  maljren 
^ott  erljielt. 

3.  ^a§>  fagt  un^  barübec  (Sljriftu-o  felbft? 

^a§>  gange  2ehm  Qefu  ift  eine  Slntmort  auf  biefe  grage. 
^er  Slpoftel  'X^  a  u  l  n  §>  fa^t  e»  in  ben  5Boi1en  jufammen :  „S^^^^l^  i^ 
biefen  ^agen  l)at  @ott  gu  xuk^  \)nvd)  feinen  ©oljn  gerebet,  meti^en  er 
5um  ©rben  über  5I(le^  gefegt,  burc^  melden  er  and;  bie  SBelten  ge- 
mad)t  l}ai,  raeldjer  ber  ^Ibglan^  feiner  *gerrlid)feit  unb  ba.^3  ©benbilb 
feines  SBefenS  ift  unb  bur^  baS  SBort  feiner  ^raft  aEeS  trägt ')." 
S}aS  ift  alfo  ber  Untcrfdjieb  gmifdjen  bem  alten  unb  bem 
neuen  ^unbe,  gmifc^en  bem  ^Jteben  ©otteS  bort  unb  ^ier. 
S)ümaliS  fprad;  er  hnxd)  bie  ^]3ropl)eten ,  jel^t  rebet  er  \)nxd) 
feinen  ©olju,  mcld)er  ber  Slbglan^  feiner  §errli(^feit  unb 
ba»  ©benbilb  jetneS  ^JöefenS  ift;  rceldier  mit  iljm  ein  unb 
biefelbe  emige  göttlid;e  Statur  unb  2öefcnl^eit  befifet;  meld^er,  mie 
baS  ßoncil  dou  S^icäa  fagt,  „@ott  oon  (^ott,  £id)t  üom  2id)te, 
wai)xcx  ©Ott  Dom  maljren  ß)otte,  gezeugt  ^  ni^t  gemadjt ,  bem 
^ater  mefenSglei^  ift/'  Seist  rebct  alfo  ©ott  felbft  unmittelbar 
5u  ben  3}ienfc^en,  aber  in  menfd)lid)er  ©eftalt;  ber  ©ott5  9}tenf  d) 
ift  unfer  ;^el;rer  um  mill  burd)  fein  'iöort  unS  3)ienfd)en ,  nn- 
fern  ©eift,  unfer  ^er^  füljreu  unb  leiten.  3e^t  rebet  ^u  unS  bie 
ouf  (j'rben  erfc^ienene  5l^al;rl)eit:  „Qd^  bin  ...  bie  2öa^rl)eit '0 ;" 


1)  ^erern,  1,  5-10.-  8)  §ebr.  1,  1-3.  --  3)  ^o^.  14,  6. 


-    21     - 

ba§  auf  (grben  erfd^ienene  £id;t:  „Qcf;  bin  ba§  ßi$t  bei*  2Bctt<)." 
©Qtt^  foIgert(^ttg  erinnert  benn  ancCi  ber  5lpofteI  ^anlu§  an 
bie  groge  iiserantiüortung  ,  )t)el(^e  wir  auf  un§  laben,  wenn  mir 
un§  Don  (Sf)riftn§  unb  feinem  Sßort  nic^t  leiten  laffen.  3^a$bem 
er  nämlid)  barnnf  ^ingeraiefen,  baß  biefeg  ^eben  ©otte§  ju 
nn^  in  feinem  eigenen  ©ol)ne  nod;  t)iel  glaubroürbiger  fei,  al^ 
rcenn  er  felbft  einen  ©ngel  von  feinem  3::i)rone  al^  33oten  ju  un§ 
gef($ic!t  l)ätte,  !ommt  er  ju  bem  6d;luffe:  „^arum  muffen  wir 
um  fo  meljr  an  bem  Ijalten,  ma^  mir  (uon  il)m)  geljört  Ijaben; 
benn  raenn  ba§  hmä)  Gngel  üerfünbete  Söort  \ä)on  guüerläffig 
ift  unb  jebe  Ueberfd^reitung  unb  jeber  Ungeljorfnm  bie  geredete 
S^ergeltung  empfangen  hat,  me  merben  mir  entf(icl)en,  menn  mir 
fo  großes  geil  Dernai^Iäffigen  ^j !"  ,,^arnm,  ruft  er  enblic^  au§, 
l)cilige  trüber,  DJJitgenoffen  be-S  Ijimmlifdjen  ^erufe^v  ^jöbet  ^ä)t 
auf  Q^f^iiu,  ben  ©efanbten  unb  .&ol)cnpriefter  unfere»  ^efennt- 
uiffe§3)/' 

3n  meld^er  2(rt  aber  ber  ©otju  ©otte)§  gn  ben  Wlen]d)ai 
rebete,  baoon  mollen  mir  nur  ein  febr  be§eid)nenbe§  ^eifpiel  an^ 
füliren.  lieber  ben  ©inbrud ,  meli^en  bie  ^ergprebigt  auf  bie 
3ul)örer  mad)te,  er^^ätjlt  nämlidö  ber  l)eiligc  5lpoftel  3Jiattl)äu§: 
„Unb  e^  gefd^ab,  aU  QefuS  biefe  ^eben  beenbet  l)atte,  erftaunten 
bie  6c^aaren  ob  feiner  Seljre."  SBorin  Ijatte  biefe§  ©rftaunen 
feinen  (5)runb  ?  ßtma  in  ber  ©rljabenl^eit  ber  vorgetragenen  2e^i 
reu?  S^ein ,  menigften§  nidjt  l)auptfä(^li(§.  ©er  5lpoftel  gibt 
einen  anbern  @runb  an:  „©enn  er  leljrte  fie  mie  (Siner,  ber 
3}lac^t  l)at,  unb  nidjt  mie  ihre  ©djriftgeleljrten  unb  ^Ijari^ 
fäer^)."  @o  lehrte  ber  Sobn  @otte§ ,  fo  rebete  ©ott  burd^ 
il)n  3U  ben  ^enfdf)en.  (Seine  Seljren  roaren  überaus  rer^« 
nünftig,  überaui^  menfdjenfreunblid) ,  überaus  liebeooll;  aber  er 
ftügte  fid)  nid}t  auf  3}lenfd)enmei5l)eit,  auf  (Sefc^idtid)!eit  ber  9tebe, 
auf  ^ernunftbemeife,  um  bie  SJlenfc^en  jum  Glauben  ju  filieren, 
fonbern  er  rebete  ^u  i^nen  al§  il^r  @olt  unb  §err  unb  verlangte 
von  feinen  3^^örern  befeljalb  Untermerfung  unter  feine  SBorte; 
er  verlangte  ©lauben  von  iljuen ,  raeil  er ,  bie  eroige  2Eal)rl)eit, 
gu  tl)nen  rebete,  unb  meit  fein  55ernunftbemei§  fo  ber  SSernunft 
entfpredienb   ift   aB   ber,   baf?   bie  3Sernnnft  be^  SJ^enfc^en  fid^ 


1)  ^0^.  8,  12.  —  2)  .s>br.  2,  1  ff.  —  3]  .t>eljr.  3,  1.  —  4)  5}Jcitt]^. 

28  f. 


—    22    — 

©Ott,  wenn  et  rebet,  mitevraerfen  muß.  ^r  rebete  gu  tljnen  be^- 
l)Qlb  löte  ©incr,  „ber  'Ma6)t  Ijai/'  Xaxa\\\  be^teljt  fic§  auä),  rua6 
ber  3lpoftel  $quIu§  oon  bem  Glauben  fa^t:  „^ie  2:i5affcn  iin= 
fereö  ^anipfe^  finb  ni$t  fleifd^ltdi,  jonbern  mädjtig  burd)  ®ott, . . . 
inbcm  toir  3]eriumft)djlüffe  bavnieberraevfen  unb  alle  §ol)eit,  toel^e 
fid^  erl^ebt  tüiber  bie  @r!enntni6  ©otte^,  unb  öcfaittjcn  nel)men 
ithm  SSerfianb  §um  ©el^orfam  6f)rifti^)."  60  l)ai  @ott  in  feinem 
6ol^ne  gu  ben  9)len|d}en  oefpro^en  unb  fo  IjaUn  bie  9}^enf$ert 
fein  SBort  ouföenommen.  ^Il^S  (Einer,  „ber  ^aä)i  Ijat/'  ^ai  er 
SU  il;ncn  gerebet  unb  weil  fie  biefe  Wlaä)t  in  itjm  erfannten,  be&= 
l^olb  f)Qbcn  fie  i^ren  3^erftanb  ^um  ©eljorfam  gegen  ©^riftu§  ge- 
fangen gegeben. 

4.  2ßa0  fagt  enblic^  über  bie  aufgeftettte  gtage  bie  tir(^e 
eörifli? 

Sie  antwortet,  baB  d^^riftu^  ibr  (In  Seljramt  übertragen 
!^at,  ba6  fie  felbft  auf  (grben  „eine  ©äule  unb  ©runbuefte  ber 
2BaI)rf)eit  ifi^);"  't^a)^  ßfjrifiue  bur(^  fie  gu  ben  3}^enf(^en  rebet 
bi0  an  ba5  ©nbe  ber  23elt. 

^a  wir  biefe0  Dieben  ©otte^  gu  ben  3}^enfd)en  burd^  feine 
^iri^e  mn  Derfd^iebenen  Seiten  betrad^ten  nuiffcn,  fo  befd^rän!en 
wir  uns  in  biefcm  Stbfdjuitte  barauf,  nur  bie  ßinfegung  eines 
fold^en  £ef)ramteS ,  burd^  weld^eS  ©ott  p  ben  9Jtenfd)en  rebet, 
ins  Sluge  ju  faffen. 

©Ott  hat  im  ^arabiefe  gu  ben  3)2enfd^en  gefproc^en;  ©ott 
l^at  im  alten  ^unbe  ^u  ben  3Jlenfd}en  gefpro$en;  ©ott  Ijat  enb= 
lic^  in  unb  burd^  feinen  Soljn  ^u  ben  3)lenfd^en  gerebet,  um  fie 
5U  leiten  unb  gu  füf)ren.  Sollte  ba  auf  einmal  bie  lebenbige 
Stimme  ©otteS  auf  (Srben  yerftummen  unb  ein  tobteS  ^nä)  beffen 
Stelle  einnel^men?  SoUte  r>on  ba  an  aßeS  fc^weigen  un'o  jebeS 
göttUd^e  £el)ramt  auf()ören?  SoHtcn  bie  Sdjatten  im  Seljramte 
beS  alten  S3unbeS  !^öl)er  ftel^en,  als  bie  SBirflidjfeit  im  neuen 
^unbe?  Sollte  bort  ein  Mann  im  9iamen  ®otte;5  leliren,  beffen 
Sippen  ©Ott  mit  feiner  ßanb  berülirte  unb  in  beffen  3}Iunb  er 
fein  lebenbigeS  2Bort  legte,  unb  bagegen  l^ier  nur  mebr  ein  ges 
fd)riebeneS  Pergament,  ein  gebrudteS  ^^apier  baS  Drgan  ©otteS 
fein?  Unm6glid()!  Qm  neuen  ^unbe,  im  i^leid^e  ß^rifti  auf 
ßrben,  in  biefer  ^irc|e  beS  lebenbigen  ©otteS,  ba   muffen  alle 


1)  2.  C^ev.  10,  4  f.  —  2;  1.  Ximot^.  3,  15. 


-~    23    - 

S?orbilber  be0  alten  Sunbe^  üerrcirflici^t  fein,  ha  mag  eine 
lebenbige  Stimme  ertönen ,  buri^  bie  ®ott  gu  un§  rebet  unb 
groar  bentlii^er,  beftimmter  wie  im  alten  SSuiibe.  S)a  mu§ 
eine  lebenbiije  Stimme  forttönen,  bnr^  bie  ber  lebenbige  ©f)rifluS 
üerneljmbav  jn  nn0  fpridjt;  eine  lebenbige  Stimme ,  bie  immer 
im  5Ramen  ©otte^  nnjmeifelliaft  antwortet ,  menn  bie  getrübte, 
tjerirrte,  in  galjGofen  ^rngfd}lüffen  uermicfelte  SSernnnft  ber  ^Jlen^ 
fd}en  nad^  allen  35erirrnngcn  immer  mieber  von  S^enem  fragt: 
Quid  est  veritas,  2öa§  ift  2Bal)rl)eit?  —  Unb  in  ber  ^l;at, 
eine  fol(^e  Stimme  gibt  e§  anf  (£rben  fo  geraife,  mie  bie  SBortc 
Sefn  geroife  finb.  §immel  unb  ©vbe  werben  oergelien,  aber 
feine  SBorte  unb  feine  S^erljeiBungen  werben  nid^t  üerge^^en.  Seber 
neue  geitabf^nitt  unb  jebc!§  fommcnbe  ©efd)le(5t  mufe  S^i^9"^& 
geben  ron  ber  Erfüllung  aller  feiner  Söorte. 

©r  Ijat  gu  ben  Slpcfteln  gefagt:  „©eljet  l)in  unb  (eieret 
alle  Golfer!*'  $Da§  ifi  ber  5luftrag ,  ba§  ift  ha^»  2d)xamt 
Ueberau§  mcr!würbig  finb  aber  bie  SBorte,  welcfee  ber  ©infe^ung 
bicfe^  £eljramte§  ijoraulgeljen  unb  \\)x  folgen,  guerft  beutet 
gefu^  l)in  auf  bie  S?cllma($t,  mit  ber  er  felbft  gele!)rt  unb  in 
ber  er  and)  Sel)rer  auf  ßrben  beftcHen  !ann.  ^eg^alb  fagt  er: 
„3Jlir  ift  alle  ©ewalt  gegeben  im  §immel  unb  auf 
(^rben."  ^a  fprac^  er  and)  wieber  Söorte  wie  ©iner,  „ber 
maä)t  l)aV'  unb  wie  feiner  auf  (^rben  cor  ober  na6)  i^m  reben 
fonnte.  Unb  nac^bem  er  bann  in  biefer  göttlid;en  SSollmai^t  iljuen 
befohlen  l)atte ,  alle  ^^ölfer  au  lehren,  fälirt  er  fort:  „Sie^e, 
i^  bin  bei  eu(^  alle  ^age  bi§  gum  (Snbe  ber  Sßelt^/' 
§ier  [td)t  Me§  auf  einer  £inie:  bie  'Ma6)t,  mit  ber  er  Sluftrag 
ertlieilt ,  ber  5luftrag  felbft  unb  bie  ^auer  beffelben.  2lIIc§  ift 
l^ier  göttlich,  9Bir  liaben  alfo  ein  üon  ©ott  gegrünbeteS  fie^r^ 
amt;  ein  Seljramt,  ha§>  für  alle  SSölfer  unb  für  alle  Reiten  fort* 
befte^en  fod;  ein  Sel)ramt,  bem  ber  33eiftanb  ©otteS  U§>  an'5 
©übe  ber  SSelt  üerljeiBen  ift.  3n  biefem  Seljramte  rebet  alfo 
wol)rl)aftig  Gliriftu^J,  ©ott  felbft,  fort  unb  fort  gu  ben  gjlenfc^en 
unb  wir  Ijören  &otk§>  Stimme,  wenn  wir  bie  Stimme  biefe§ 
Se^ramteS  Ijören.  Qn  biefem  Seljramte  ift  me^r  al^3  Seremia^, 
beffen  3Jlunb  ©ott  berül^rte  unb  in  ben  er  feine  Söortc  legte  2). 


1)  maiif).  28,  18—20. 

2)  Um   99?t^öerftäubn{ffe  üöer  baS  SBerJ^ältni^  te§  atten  ^ropj^eten-- 
t^um§  unb  be§  Se^ramtcö  ber  ^irc^e  ju  befeitigen,  bemer!en  TOtOa^  bie 


—    24    - 

3Jlit  ber  SSeftätißung  biefel  göttlichen  Seljvamte^  raoHte  er 
ober  auc^  fein  ganjeg  ©rlöfung^roer!  auf  ©rben  befi^Iiegen,  benn 
alle§  wirb  ja  t)on  bemfelben  getragen  unb  o^ne  ba^felbe  rairb 
aEe§,  et;riftu^  felbft,  un§  ungewiß  nnb  feine  ganje  Se^re  uwS 
unilax  unb  unbeftimmt.  ^aljer  fpra(^  er  gu  bcn  SIpofteln  un^ 
mittelbar  t)or  ber  §tmmelfaf)rt:  „®e^et  ^in  in  bie  gange 
SBelt  unb  prebiget  ba§  ©oangeliunt  aller  Kreatur!  SBer 
glaubt  (ndmlid)  ma^  iljr  prebigt)  unb  getauft  ift,  rairb 
feiig  werben;  wer  aber  nic^t  glaubt,  wirb  oer-- 
bamntt  werben...  Unb  ber  §err  3efu§  warb,  nai^bem 
er  gu  i^nen  gerebet  l^atte,  l)inauf genommen  in  ben  gimmel  unb 
fi^et  gnr  Sftei^ten  ©otte^^).''  Sßel($  ein  Sluftrag,  md6)  ein  er= 
!)abene§  Slmt,  ba§  er  ben  5lpopeln  übertrug !  (Eie  f ollen  ge^en  ,;in 
bie  gange  Sßelt/'  „prebigen  allen  Kreaturen."  2öel(^ 
eine  furd)tbare  ^e!räftigung  ber  Slutorität  biefe^  Sel)ramte«, 
inbem  er  t)on  ber  gläubigen  2lnnal)me  ber  prebigt  ber 
2lpoftel  bie  6elig!eit  unb  bie  SSerbammung  alVl)ängig  ma$te! 
S^ad^bem  er  mit  biefem  Sluftrage  allen  SJlenfdjen,  bie  bur^  feine 
£el)re  feiig  werben  foHten,  bie  33er!ünbigung  feiner  2Borte  in  un^ 
getrübter  9^einl)eit  gefiltert  Ijatte,  fuljr  er  gegen  ^immel  unb 
fi^et  gur  9te(^ten  ©otte^,  um  von  bort  au§  mit  göttlicher  SJlai^t 
bie  (Erfüllung  ber  Sßorte  gu  bef(^ü^en,  welche  er  auf  ©rben  ge= 
fpro^en  l^atte. 

®a^er  fonnte  auä)  ber  göttli(^e  §eilanb  fd^on  frül)er  gu  ben 
5lpofteln  fagen:  „2öer  eu(^  Ijört,  l)ört  mic^,  unb  wer  eud^  t)er= 
a^iet,  üerai^tet  m\^.  2ßer  aber  miij  rerad^tet,  Derad^tet  ben, 
ber  mii^  gefanbt  ^at^);  —  unb  begüglid^  ber  ^ird^e:  „2ßer  auf 
bie  ^ird^e  nid)t  l)ört,  ber  fei  bir  wie  ber  geibe  unb  offentlid^e 
6ünber3)/'  ©old^e  ^n^fprüd^e  laffen  fic^  nur  erllären  im  ^in- 
blitf  auf  ein  von  il)m  gu  grünbenbe^  Se'^ramt,  bem  er  nidf)t  nur 
göttlid^en  Sluftrag,   fonbern  and^   göttlichen  ^eiftanb   gewdlirte. 


Cffenboruiig  in  ©^riftitö  erfüllt  unb  aBo[efci^toffen  tft  unb  bal;et  btc  Ätrd^c 
nid^t  roic  bie  alten  ^ropfjeten  neue  Cffenbarunj^en  üerüinben  tann.  ©ie  Ue« 
Überlegenheit  be§  fird^lid^en  £el>ramtcö  befte^t  al[o  barin,  ba^  bie  Offenbarung 
in  (Ei^riftuS  biel  l^ö^er  fielet,  a(§  bie  in  ben  ^propl^eten,  unb  ba^  baö  Sel^r: 
amt  ber  ^ird^e  nic^t  wie  baä  ber  ^ro^^eten  für  ein  einjige^  SSol!,  fonbern 
für  alle  ajienfd^en  unb  für  aUe  S^iien  beftimmt  ift. 

1)  3Rarf.  16,  15  f.  19.   —  2)  Suf.  10,  16.  —  8)  a«attlj.  13,   17. 


20      — 


3Rad)  bcn  Söorten,  bie  er  bei  (^infet^imo  be§  Sc^ramte^S  öefprodjcn 
l)at,  ifl  e»  je^t  ooHfommen  liav,  wie  er  fagen  fontite:  „5öer  eu(^ 
l^ört,  Ijört  midj;  rcer  eud)  t)erad)tet,  mxaä)id  mid}/'  —  beim  in 
bcm  Mjramte  ber  ^ir(^e,  roclt^e^  üou  i^m  getragen  tüirb,  rebet 
ja  Gf)riftu^3  raa^r^jaft  gu  ben  3}lenfd^en  unb  ^raar  aUe  i^age  bi0 
an0  ©nbe  ber  SBett. 

5ra  aber  alle  9]^enf(^en  bem  Qrrtbum  imtertrorfen  finb,  unb 
3}?enf(5en  bie  Präger  unb  33er!ünb{ger  feinet  irrttjumSlofen  gött- 
\xö)cn  Sßorte^  fein  follten,  fo  ntu^te  Sf)riftu§  bafür  forgen,  bag 
bnr(5  biefe  Präger  feinet  2Borte§  feine  Seljre  mä)t  entfteEt  wer- 
ben fonnte.  ^a§>  t^at  er  snnäd)ft  bnrc^  bie  3^erf)ci^ung  feinet 
SBeiftanbe§  bi0  an  ba§  ©nbe  ber  SBelt.  ßr  wollte  aber  nod)  in 
einer  anbern  Söeife  ba§  Sel)ramt  feiner  ^ird)e  üor  Srrt^um  be= 
n)al)ren.  S^arnm  fprad;  er  jn  ben  5lpofteln:  „3d)  werbe  ben 
Später  hiikn  nnb  er  wirb  end^  einen  anbern  ^röfter  geben,  ba^ 
mit  er  bei  cnä)  bleibe  ewigli(^:  ben  @eift  ber  Söal^rljeit,  wcldjen 
bie  SBelt  nid)t  empfangen  fann,  weil  fie  il^n  m^t  fielet  nnb  il)n 
nid)t  fennt.  3l)r  aber  !ennet  iljn,  weil  er  M  end;  bleiben  nnb 
in  ^u6)  fein  wirb^)"  —  nnb  gleid)  baranf:  ,;^er  ^eilige  @ei(l, 
weld^en  ber  ^ater  fenben  wirb  in  meinem  Flamen,  er  wirb  end) 
alles  leliren  nnb  en^  aUeS  nal)elegen ,  wa§  \ä)  en(5  je  gefagt 
l)abe2)/'  SSo^l  finb  e§  3Jlenfc^en,  bie  baS  £el)ramt  in  ber  ^irdje 
beforgen,  aber  nidjt  fie  finb  e§,  fonbern  e§>  ift  ber  göttlid^e  ^ei^ 
ftanb  Sefn  ei)rifti,  eS  ift  ber  göttlid^e  ^eiftanb  beS  l^eiligen 
©eifteS,  beS  ©eifteS  ber  Sßalirljeit,  anf  ben  wir  üertranen,  mnn 
wir  nnfern  55erftanb  bent  ©lanben  gefangen  geben. 

©0  fonnte  benn  and;  enblidj  bor  $ei(anb  Don  feiner  £ird^e 
fagen,  bag  fie  anf  einen  %d§>  gebant  fei  nnb  bag  bie  Pforten 
ber  ,gölle  fie  ni$t  überwältigen  würben  3)  ^ie  ^>forten 
ber  §ölle,  bie  nn»  3}^enf(^en,  nnfern  @eift,  nnfere  erljabenfte 
gäl)ig!eit,  bie  Söaljrljeit  jn  erfennen,  bebroljen,  finb  bie  9Jtad^t  ber 
Süge.  SldeS  anbere  Hebel  anf  ßiben  äme  ni^t  in  33etra(^t, 
voenn  bie  Süge  nicbt  wäre,  biefe  §ölle  in  ber  ©eele  beS  Wien-' 
f(!§en,  bie  3Scrfinfternng  feinet  ®eiftc§.  3ßeld)e  Wlad)t  Ijat  bie 
Süge  auf  ©rben!  2llle^  wirb  uon  i£)r  angenagt,  felbft  bie  jartefte 
^flanje  im  ©eifte  be§  ^inbe^.  51lle»,  alle§  unterliegt  biefer  §ötlen= 
mad)t,  nur  ein§  nid)t ,  biefeS   göttlid)e  Sel)ramt  ber  .^irdje ,   ba§ 


1)  ;3;crj.  14,  16  f.  —  2}  3:orj.  u,  2G.  —  3)  maiü).  IG,  18. 


-     26    - 

imtiier  urtüerrüd bar ,  unerf(^ütterlt(^  baffelüe  bleibt  unb  ba§= 
felbe  Icljit. 

2)a§  ift  Qlfo  bie  2lntn)ort  auf  nnfere  grage.  @d)on  im 
^arabieje  l)at  ®ott  511  beii  SJ^enfi^en  oe[prod)en  unb  iljre  ^er= 
nunft  geleitet;  in  hm  ^^rop^eten  be§  alten  S3unbe§  Ijat  er  gu 
bem  au^ern)äl}(ten  5>oIfe  öeyprü'i)en  unb  e^  baburd)  mx  ben 
©räuelu  ber  ^^crirrungen  beC^  @öl3enbienfte^>  bema^rt;  in  (El)riftu§ 
ift  ©Ott  felbft  er|d)ienen  unb  hat  unmittelbar  ba^  3J^enfc^en= 
aef(^lc(^t  angerebet,  um  alle  €ieelen  unb  alle  öerjen,  bie  auf 
ßvben  guten  SBiUen^  waren ,  micber  auf  ben  roaljren  2Beg  gu 
(Sott  bin^uleiten  unb  burdj  (Eljriftu»  leljrt  er  in  bem  göttUi^en 
Sel^ramte  ber  jlirc^e  fort  unb  fort  bie  SJlenfc^en  bi^  an  t>a^  ©übe 
bcr  STage. 

golge,  0  menfd)li($e  «Seele,  biefer  Stimme  ®otte§ ,  bie  gu 
bir  rebet,  menn  bu  nii^t  alle  ^age  beineö  irbifd)en  SDafeinö  eine 
^cnte  be§  ämeifel^  unb  enbli^  für  emig  ein  9iaub  bc^  Sügen- 
geifte^^  raerben  millft. 


IV. 

ß)tr  öflancit  brr  Jtnifri)  ^ntn  jBclil}  ^fr  lüaljrfn  £fljre  €l)ri|lt, 
^ur  iittgctrilbtnt  :^rnitttttfi  ^cr  nm  in  Cljiifluö  ttitgcbotnirn  |ftls- 
ttialjrl)ntnt?  Dn*  |)rotfflant  ntttiuortct:  Mvd]  Me  iFürfdjung 
ttt  In  Ijftlifjfn  5d)rtft;  bn*  :ßatljolili  aittiuortet:  Durd)  ks 
unfdjlbarc  £fljramt  kr  äxxd^  itiib  Me  imtrrc  0^a^c.  tPer 
l)at  ftfdjt  in  hhfn  ujidjtignt,  nttCd)nl)fitkn  /rage? 

„3o  fcnnnt  olfo  bcr  ©tctube  rom  §ören,  ba§  £>örcn 
abev  üon  ber  ^rfbi.9t  be§  SBortcä  ß^riftt." 

9fii3m.  10,  17. 

Öfie  tt)ir  in  nnferer  Unterfui^iunß  lueiterfi^reiten  unb  ba5 
ßeljramt  ber  ^irdE)e,  beffen  Stiftung  bur(^  ß^riftn^  wir  snlegt 
betrautet  ()aben,  nun  aud)  in  feiner  iBertmiilii^ung  in  ber  ©e- 
f(^id)te  in5  Singe  f äffen,  muffen  wir  bie  oben  aufgeftellte  gtage 
beantworten,  ^iefe  ^Beantwortung  wirb  un?  tiefer  in  bie  Se^ 
beutung  unb  ba0  redete  33erftänbni§  be5  !ird;lid}en  Seljramtel 
einfül)ren. 

i.  2öa^  fagt  über  biefe  entf(^eibenbe  ^rage  bie  ^eilige  Sd^rift 
felbft,  jene  I)eilige  llrhmbe,  weldje  wir  mit  ben  ^roteftanten  aU 
göttU^e  Duette  ber  Offenbarung  vereljren;  weld^e  bie  ^>ro- 
teftanten  fognr  aU  bie  einzige  Quelle  berfetben  unb  aU  ben  au^^ 
fdjliepc^en  ©runb  ifjrer  Seljre  betrachten?  ß^viftu^  wollte, 
ba§  feine  ;^eljre  „allen  Golfern/'  „allen  Stationen /'  „afier  Krea- 
tur/' „bi^3  an§  @nbe  ber  Söelt"  ungetrübt  !unb  werben  follte. 
^a§  ift  un3weifelf)aft.  ©r  mu^te  jur  (Srrei(^ung  biefer  5lbfid)t 
geeignete  9)tittel  anwenben,  ba  er  felbft  balb  bie  2Belt  t)erlaffen 
wottte.  2Seld)e§  SJlittel  ^at  er  nun  na^  bem  Seugniffe  ber  I;ei:= 
ligen  ©d)rift  felbft  gewäljlt,  bamit  feine  M)xe  allen  be!annt  werbe 
bi^  in  bie  fpäteften  3al)tl;unberte ,  bamit  fein  Sid)t  aüen  unge^ 
trübt  leuchte? 


-.    28    - 

^iefe5  üort  eijrifiu^  getüäfilte  MM  fjaben  wir  bereite 
!ennen  gelernt,  g^  ift  bas  t)on  i()m  eingefeMe  2el)xamt  (E§>  ift 
ber  t)onUjm  ben  2lpofte(n  gegebene  ^efel)l:  ,,Se:^ret  alle  Mfer  ^)/' 
„prebtget  ba^  ©oangclinm  allen  (Bt\6)ö\)U\\z)"  „hk^  ar\§>  @nbe 
ber  Söelt^)."  Sluöer  biefem  flnben  rair  fein  anberee  üon  (£ljriftu^ 
für  bie  SSerbreitnng  feiner  Seljre  exmäl)lie§>  3JJittel.  ßr  rebet 
immer  nur  von  ber  ^rebigt  feiner  £el)re,  um  fie  ju  tjerbreiten, 
namentlich  finbet  fic^  in  allen  feinen  di^\)en  unb  Slnorbnungen  nie 
eine  5lnbeutung  baüon,  baß  er  fi($  ba^u  nu(^  einer  ©(^rift  be= 
bienen  merbe.  Qx  Ijat  felbft  nur  geprebigt  unb  nie  gefc^rieben. 
©r  l^at  ben  5(pofteln  nur  befoljlen  ^u  prebigen  unb  nie,  feine 
Sel)re  nieber^ufcfireiben.  Mt  feine  5lpoftcl  Ijaben  befilialb  au6) 
\f)X  ganges  2ehen  gur  Verbreitung  ber  ßel)re  Sefu  mit  ^^rebi-- 
gen  §ugebrad)t,  aber  nid^t  alle  2lpoftel,  nid^t  einmal  bie  Wle^x^^aijl 
von  ibnen  Ijaimi  gefdjrieben.  Didier  Ijätten  alle  SSorte  Qefu  in 
Erfüllung  geljen  fönncn,  raenn  aud)  üon  ben  5lpofteln  !ein  ein^i^ 
gejo  2öort  niebergefd^ rieben  morben  märe.    - 

©anj  fo  mie  fein  $err  unb  Seljrmeifter  rebet  anä)  ber 
Slpoftel  ^auluS  nad)  bem  S^^Ö^^f^  berfelben  beiligen  6(^rift 
von  bem  Se^ramt  al§  9)iittel,  moburi^  .bie  Seljre  3efu  au\  ber 
©rbe  verbreitet  unb  ber  Glauben  gegrünbet  merben  foll.  Sßir 
!önneu  e§  mb$  nid)t  üerfagen ,  aUiS  ben  v'ickn  ^mei  ,3^wgniffe 
be§  lieiligen  ^^aulu^  im  3itfnmmenl)ange  anjufiil;ren,  um  un§ 
flar  gu  machen,  in  roeld^cr  ^ebeutung  er  'oa^»  Se^ramtber  ^irc^e 
auffaßte. 

SDie  erfte  bcle'^renbe  Stelle  l)ierüber  finben  mir  im  Srief 
an  \)k  9tömer*).  ©r  ftettt  ^ier  ben  6afe  t)orau»:  ,,3eber,  ber 
ben  IRamen  beS  <Qerrn  anruft,  mirb  feiig  merben/'  ©r  meint 
l^ier  benfclbeu  Dramen,  von  bem  er  fagt:  „3m  Diamcn  Qefu 
fo([  jebes  ^nie  fid)  beugen  im  .Fimmel,  auf  ßrben  unb  unter 
ber  ßrbe,  unb  jebe  Sun^e  foll  befennen,  ba^  ber  «gerr  QefuS 
G[)riftu§  in  ber  §errli($feit  ©otteS  beä  Vaters  ift-^)/'  2öie 
fommon  mir  aber  ju  biefer  ©rlenntniB  3efu,  um  il)n  bergeftalt 
anzubeten  unb  babur^  feiig  gu  merben?  darauf  gibt  ber  Slpoftel 
eine  entfdjeibenbe  5lntmort  in  einer  ')iei()c  von  (Edjlugfolgerungen, 
inbem  er  fagt:    „5Bie  merbon  fie  nun  ben  anrufen,   an  ben  fie 


1)  maitf).  28,  11).   —    2)  mavi,  16,  15.   —   3)  matih.  26,    20. 
4)  dVöm.  10,  13—17.  -  5)  %mnvv-  2,    10  f. 


—     29     — 

md)t  glauben  ?  Dber  tüie  raerben  fie  an  ben  glauben,  t)on  rael^em 
fie  nid)t  gcijört  {)aben?  2Bie  aber  werben  fie  l;ören  o^m  einen 
^rebiger?  Unb  rcie  fönnen  fie  prebigen,  wenn  fie  nii^t  gefanbt 
werben?"  S)arau^  5iel)t  er  bann  hen  6d)IuB:  „^o  fommt  alfo 
ber  ©laube  t)oni  §i)ren,  ba§  §örcn  aber  von  bcr  ^^rebigt  be§ 
2Borte§  dljrifti  ^)."  3n  biefer  ©d^lugfolgerung  ^.ängt  alles  feft 
gufammen  wie  bie  ©lieber  einer  ^ette.  21>ir  l;aben  Ijier 
fein  loögeriffene^  Söort  be^5  5lpoftell  üor  un^ ,  fonbern  einen 
abgef^lloffenen  ©ebanfen,  wo  ein  ©lieb  ba^  anbere  ftü^t  unh  er* 
Hart,  ©r  will  \)a§>  Wiid  angeben,  wobnri^  wir  gum  ©lauben 
an  6l)riftUtf  fommen,  nad)bem  er  ^uerft  au§gefpro($en  \)at,  ha^ 
wir  nur  bur^  (Eljriftu^  unb  babur$,  bafs  wir  iljn  anUten,  feiig 
werben  fönnen.  Sjiefc  2lnbetung  ift  aber,  fäljrt  er  fort,  unmi)g= 
lid)  ol;ne  @laube;  ber  ©laube  unmögli^  oljue  ^rebigt;  bie  ^re= 
bigt  aber  unniögli^  oljue  red)tmö§ige  Senbnng.  S^arau'S  bann 
bcr  ©d)luf5:  ^er  ©laube  alfo  fommt  t)om  ^i)ren,  'tfa'^  £)ören 
aber  burdj  bie  ^Nrebigt  unb  §war  burd)  bie  red^tntä^ige  ^rebigt 
beiS  SBorte^  ^Ijrifti.  ۟  flar  war  ber  Slpoftel  bariiber,  bafe  bag 
rec^tmäBige  ßcljramt  baiS  waljre  93tittcl  gur  ^egrünbung  be§ 
wahren  unb  rechten  ©lauben^3  fei. 

5Die  anbere  ©teile  entneljmen  wir  an^^  bem  ^rief  an  bie 
epl)efier.  ©ie  begreift  faft  baS  gange  vierte  Kapitel  unb  erfaßt 
ba§  fird;lid)e  Seljramt  in  feiner  tiefften  Sebeutung  5ur  ^egrnnbung 
unb  ©rljaltung  ber  Ginljeit  be^  ©eifte^  in  ber  ^ir^e  unb  §ur 
Stbwenbung  aller  Spaltungen.  2Bir  wollen  uerfudjen,  bie  ©runb= 
gebanfen  biefer  gaug  üom  ©eiftc  ©otteg  burdjweljten  Stelle  fur^  wk-- 
bergugeben.  SDer  Slpoftel  ermaljut  3uerft  bie  bortigen  (^l;riften,  „i^re» 
Serufe^  würbig  gu  wanbeln,"  „mit  aßer  ©emutl)  unb  ©anftmutl), 
mit  ©ebulb  cinanber  in  Siebe  ju  ertragen"  unb  fo  „bie  (Sinigfeit 
beö  ©eifte^  burc^  bai3  ^anb  beo  g-rieben§  3U  eiftalten."  2Iuf 
biefe  „Ginigfeit  be§  ©elftes"  in  ber  c^riftlid)cn  jürc^e  ift  nun  bcr 
©ebanfe  be^  2lpoftel§  l;ier  üor  allem  geri(^tet.  S^arin  fiubet  er 
insbefonbcve  ha^  „beruf^würbige  SÖanbeln"  be^5  (Ei)x\]Un.  Gr 
beginnt  bal)er  fofort  alle  jene  ©naben ,  wetdjc  wir  im  ßl)riften= 
tl)um  empfangen  unb  welche  biefe  „(Sinigfeit  bciS  ©eifteö'^  he- 
grünben,  auf^ugälilen.    „(2in  Seib  unb  (Sin  ©eift,"   „(gine  $off' 


1)  Mm.  10,  13  ff. 


™     30     - 

nung"  imb  ©in  ^eruf,  „ein  «gerr,  (Sin  ©(auSe,  (^ine  ^aufe, 
(Ein  ©Ott  unb  ^atev  oller,  bec  ha  ift  über  alte  unb  burc^  oIIe§ 
iniö  in  nn^  allen"  —  ba»  finb  bie  großen  %[td,  bie  öro^en  ©rnnb^ 
lagen  ber  dMjtit  be^  ©eifie^  im  (S[jnftentl)um.  ^ann  gel^t  ber 
älpoftcl  ba5U  über ,  baä  Wiiid  anjugeben ,  luoburd)  unter  un$ 
3J?en]d;en  biefe  (Einheit  be§  ©eiftes  begrünbet  n)irb.  (Er  eiinnert 
bc6l)alb  baran,  bafe  ,,einem  ^c\)en  unter  un§  (^nabe  üerlieljen  ift 
mä)  bem  a}iaf3e,  wk  ^xi]tu^%  fie  gegeben  Ijüt;"  unb  roelije 
(^nabengaben  er  Ijier  meint,  erflärt  erfofort,  inbem  er  fortfaf)rt: 
„Unb  er  felbft  l)ai  einige  gu  2lpofteIn,  einige  aber  gu  ^rop!)eten, 
einige  ju  ©oangeliften,  einige  aber  gu  §irten  unb  Seljrern  üerorb- 
uet.''  ^oierauf  gibt  er  auc-brücflii^  bie  ^e)limmiing  biefer  (Sin= 
rid)tung,  biefer  Seftellung  von  Wirten  unb  £ef)rcrn  an^  ©ie 
foflen  bienen  „jur  ^^oflenbung  ber  ^eiligen,  gum  S)ienft  be^  Stmte^, 
für  bie  (Srbaunng  be^  Seibe^  gl)rifti,  big  mir  alle  gufammen  ge= 
langen  §ur  ©inl)eit  be^  (5^iauben!3  unb  ber  ^rfenntnife  beg  6o^ne§ 
©otteg."  2Bie  ift  ba^  2(lleg  jo  erljaben,  fo  tief,  fo  göttlich !  5Der 
Slpoftel  fä^rt  bann  fort,  biefcn  (^ebanfen  uäljer  ju  beleu(^ten. 
^urc§  biefe  einrid;tnng,  biefeg  £el)r=  unb  |)irtenamt  werben  mir 
innerli^  bemaljrt  Dor  all'  hm  unfeligen  ©^manfungen,  meieren 
fonfi  unfer  @eift  liingegeben  ift ,  „bamit  mir  mä)t  me^r  ^inber 
feien,  bie  §in=  unb  Ijerflutljcn  unb  von  jebem  Söinbe  ber  Seigre 
um^er  getrieben  meiben  burc^  bie  ©d)alf^eit  ber  3}ienf'i^en,  burd) 
Slrglift  in  Qjerfüljrung  jum  Srrtljum,  fonbern  bai3  mir  3Bal)r^eit 
üben  in  2kbe  unh  guneljmen  in  aKen  binden  in  i^m,  ber  ba^ 
§aupt  ift,  eijriftuS;  burdj  meld)en  ber  ganje  £eib  ^ufammengefügt 
unb  üerbunben  mirb  unb  mittelft  aller  Sanbe  ber  S)ienftleiftung 
nad;  ber  einem  jeben  ©liebe  gugemeffenen  2Sir!famfeit  fein 
^ad)Ui)mn  erhält  §ur  Erbauung  feiner  felbft  in  Siebe/'  tiefer 
erl)abenen  (Einl)eit  beg  ©eifte»  in  ber  i^ird^e  unter  bem  einen 
^au\)ie  3[efu)S  (Eljriftu^,  ber  felbjl  alte  ©lieber  äufammen- 
l)ält,  aber  nur  „na(^  ber  einem  jeben  ©liebe  gugemeffenen 
2Birffam!eit ,"  ftellt  er  bann  baö  ^ilb  ber  geiftigen  Hneinigfeit 
unb  ginfterni^  jener  Söelt  gegenüber,  meldje  an  biefem  gbtt= 
liefen  ^ebtn  in  (Eljriftnö  feinen  Slntljcil  Ijat,  bereu  5(nl)änger 
„roanbeln  in  ber  ^itelfcit  il)reö  ©inne»,  bereu  ^erftanb  mit 
ginfterniB  oerbunfelt  ift,  bie  entfrembet  finb  bem  2chm  ©otte^ 
wegen  ber  Unmiffenljeit,  bie  in  iljnen  ift  mcgen  ber  33linbl)eit 
ilires  ^ergen^,  bie  in  35er§meiflnng  fic^  ber  2Bol)lluft  ergaben,  un= 


erfättUi^  in  ^erübmu]  aller  UnjuditO."  ^a§  ift  bie  5lntn)ort 
be§  f)eiliijen  ^rpofteU  über  ba§  9)]tttel,  woburc^  (S^riftu^  bie  (rin^ 
^ett  beo  ©elftem  imb  bie  @i!enntui6  feiner  roaljreu  £e()re  in  ber 
e^riften^eit  erljält.  ©^  ift  bie  J^irdje;  c5  ift  jene  ^ird)e,  bie  ber 
lebenbige  Seib  ^xi\i\  felbft  ift,  in  roddjtv  (Et)riflu^  roirft  hnx^ 
eigene  ööttlicl)e  ^rnft,  in  roeld^er  er  aber  nnr  wirft  in  iinb  burdj 
ben  DrganiÄmn^  mittetft  ber  2Ibftufnng  ber  üerfd^iebenen  ©lieber, 
rceldie  er  in  iljm  ßetjrünbet  Ijat.  Qn  biefen  ^bftnfnngen  unb 
©liebernngen  be^  geljeimnifeüoHen  £'eibe5  eijrifti  Q^ijöxt  aber  ba0 
2lmt  ber  STpoftcI,  ber  £Mrtcn  unh  Seljrer.  2i'ie  t)olI,  lebenbiß 
unb  göttlich  ift  bicfe^  3Jattel  jnr  (^rl)altung  ber  Scijre  3efu  anf 
(^rbeu!  Me  nüd;tern,  arm  unb  leer,  raenn  wir  biefem  lebenbi^ 
gen  Drgani§imi§  ein  tobtet  ^iv5)  aB  Wdikl  ^n  biefem  Qxotd 
entgegenfteHen ! 

©0  antn3ortet  bie  t)eilige  Sdjrift  felbft  auf  bie  aufgefteHte 
(Streitfrage  jiDifc^en  ^atl)oli!en  unb  ^rotcftanten.  6ie  antroor= 
tei  m^:  S^ic^t  iä)  hin  baö  von  Gljriftuy  gerüäblte  TOttel,  um 
allen  3}lenfd)en  jum  SSefitie  ber  raaljren  Seljre  Sefu  ßfirifti  ju 
üerljelfcn,  fonbern  haS»  Sebrarut  in  ber  Äirc^c  ift  biefe^^  TOttel. 
(?!§  bleibt  überaus  ben!raürbig,  ba^  ber  ^roteftanti^muS  ni^t  im 
©taube  ift,  ben  erften  ©ruubfa^  feinet  Seljrgebäube^ ,  baB  bie 
{)eilige  Schrift  bie  einzige  üuette  ber  Seigre  Qefu  fei,  au^  ber 
Ijeiligen  «Schrift  ju  beiueifen;  unb  baß  be^ljalb  biefer  erfte  ©runb= 
fa|,  auf  bem  alleS  ruljt  unb  auf  ''i)eM  aüe§>  anfommt,  einen  un* 
lösbaren  SBiberfpruc^  mit  bem  ganzen  ^rincip  bc;3  ^^roteftanti^^ 
mu»  enthält. 

2.  SS>a5  fagt  aber  bie  tird;e  felbft  über  ba^  mitkl,  U^ 
(li)xxfiu^  gewählt  I;at,  um  feine  £el;re  allen  3}2enfc^en  jngönglid) 
§u  mad)en. 

Sßir  tüüüen  iljre  5tntn)ort  bem  i!ated)i0mu§  eutneljuien,  bem 
Se^rbud)  für  ba^  S3olf.  'Sie  trägt  in  biefer  einfad)en  gorm  am 
©inleui^tenbften  ben  Gljarafter  il)rer  Sßa^rljeit.  Tiaö)  ber  2e\)xe 
über  bie  l)eilige  Sd)r[ft  al^  ber  einen  CueHe  ber  Offenbarung,  fäljrt 
ber  ^atedjiömu^  fort: 

//Sft  c^  9niug,  wenn  wir  nur  ba^  glauben,  was  in  ber 
l)eiUgen  ©d)rift  fieljt?  —  9]ein ;  wir  muffen  ebenfo  bie  Grblelire 
ober  Ueberlieferung  glauben,  b.  Ij.  jene  geoffenbarten  3öal)rl)eitcn, 


1)  epM.  4,  1-19. 


-     32     - 

löeld^e  bie  ^[poftel  groar  geprebigt,  aber  niä)i  lüebergejd^rieben 
baben.  ^arum  erniQl)nte  ber  Ijellige  ^aulii^  fdjon  bie  erften 
(Sf^riften:  ,60  fielet  beim  feft,  53niber,  uub  l)altet  aubenXXeber= 
liefecungen,  bie  iljr  erlernt  'i^aU,  c§>  fei  burd;  SBort  ober  bur(^ 
Sörief  von  nn^3'i)/'    @r  fäljrt  fort: 

„QaUn  benn  bie  5Ipoftel  nid^t  alle  Seigren  Qefu  anfge- 
fdjrieben?  —  SRein ;  bie  SIpoftel  Ijaben  raeber  alle  ^l;aten  nodj 
alle  Seljicn  3efn  anfgefi^rieben.  ,3efH»  l)at  nod;  viele  anbere 
3eid)en  oor  hzn  Slugen  feiner  Sünger  getljan,  raelc^e  nid;t  in 
biefcm^u^e  gefc^rieben  finb''^)/' 

„2öarum  Ijaben  bie  2lpoftel  nidjt  aüe  :^el)ren  Qefn  anfgc= 
fd^ricben?  —  Söeil  Qefn^  woHte,  baJ3  feine  Bkligion  fid;  burd) 
bie  ^rebigt  verbreite  unb  fortpflanze:  barum  fprai^  er  gn  fei= 
nen  Slpofteln :  ,^srebigt  Da^3  Goangelinni  atteii  @efd;opfen  ^y  unb 
,Ser  eu(^  ^ijrt,  ber  Ijort  mid;^).'  S)arnm  fagt  anä)  ber  l^eilige 
$aulu^:  ,S)er  ©laube  fouimt  vom  5Mjören,  ba§  2lnl)ören  aber 
von  ber  ^rebigt  be»  SBorte^S  (Sljrifti^).'  W^^mn  ber  §eilanb 
ivoßtc,  "^a^  feine  £el;re  blo,§  burd)  33ibcUefen  fic^  verbreite  xinb 
erljalte,  raarum  fc^rieb  er  benn  nldjt  fclbft?  umrum  gab  er  feinen 
^pofteln  nic^t  "oen  2Iuftrag  jufdjreiben?  roarum  fd;neben  fie  erft 
fpät  unb  nur  gelegentUd)  ?  ivurum  nldjt  ade?  nic^t  einmal  bie 
meiften?  warum  Ijat  er  fclbft  £eijrmeiftor  in  ber  i!ird;c  aufge- 
fteHt^)?  ivarum  gebot  eu  nidjt,  Icfeu  3U  lernen?  Unb  wie  !onn= 
tenbenn,  wie  ber  ^eilige  9 cen au^^  bezeugt,  mcljrere  d;riftli(5e  ^öU 
ferfd)aften  befteljen ,  mcldje  bie  Ijciligen  6djriften  nid)t  einmal 
befafeen?" 

„'^\i  eg  alfo  nid)t  genug,  ivenn  mir  uniS  bloy  an  bie  33ibel 
Ijalten?  —  3icin;  mir  muffen  andj  bie  hxtljolifdje  Grblcljre  an= 
neljmen;  benn  e^  fteljt  nidjt  in  beriBibel:  erften^?,  meld)ev  bie 
ädjten  33üd}er  ber  Ijeiligcn  6i^rift  finb;  unb  jmeiten^,  meld)e6 
bie  redjte  Slu^legung  berfelbcn  ift;  brittenS  finb  auc^  md;t 
alle  GKaubenoartifel  unb  65cbote  oollftänbig  barin  entljalten,  5. 33. 
von  ber  giltigen  5taufe  ber  ^inber,  von  ber  geiet  be^5  6onn= 
tagiS  anstatt  be^  Sabbat^^  u.  f.  m/' 

„'^a^^  muj3  bemnac^  ber  l'atljolifdje  ^x\\i  überljaupt  glau= 
hen"^,  —  ©r  muf5  alle^  glauben,  maa  ©ott  geoffenbart  Ijat  unb 


1)  11.  ^^cff.  2,  14.  -  2)  Oo^.  20,  30.  -  3)  maxi.  16,  15.  --  4)  Su!. 
10, 16.  —  5)  910m.  10, 17.  —  6)  I.  5^ov.  12.  (Jpl;.  4. 


-    33     - 

bie  !atljoIiI($e  ^ir(^e  gu  ßlauben  DorfteEt,  e§  mag  baffelüe  in  bet 
lieiligen  (Sd^vift  ent!)alten  fein  ober  nid)t." 

;,2ÖQrum  ift  e^  notljwenbig ,  bofe  bie  fat^lif($e  Äir^c 
un^  bie  geoffeiibarten  2öal)rl)eiten  Dorftelle?  ~  SSeil  wir  mir 
biird)  bie  !atljülif(^e  ^irdje  iinfet)lbar  roiffen  !önnen,  roa^  @ott 
geoffenbart  l^at." 

®er  9iad)brucf  in  bie[er  SIntmort  liegt  gang  anf  bem 
Söörtdjen  „unfeljlbar ;"  benn  ha^^  ift  bie  groge  grage,  ni^t 
Uo§>  ob  ©Ott  §u  ben  9}lenfd;en  gefprcc^en  liat,  loag  wir  mit  ben 
gläubigen  ^roteftanten  gemeinfdjaftlidj  anneljmen,  fonbern  ob  wir 
aud)  ein  fid;ercg,  ja  ein  unfel)lbare^  3Jlittel,  alfo  ein  ni($t  blo0 
natürlidje^,  fonbern  iibernQtürlidjc§  5IRittel  l)aben,  um  ha^  raaS 
©Ott  gefpro($en  liat,  in  erfal;ren.    $Der  ^atedji^mu^  fäl)rt  fort: 

„Söarum  fönnen  luir  nur  bur($  bie  !atljolifd)e  ^xx6)e  un^ 
feljibar  miffen,  was>  ©Ott  geoffenbaret  Ijat?  —  SBeil  mir  er* 
ftena  nur  oon  ber  fatljolifc^en  ilird^e  bie  6(^rift--  unb  ©rblel^re 
Ijaben,  loelc^e  bie  göttU(^en  Dffenbarungen  entölt,  unb  ixoeU 
tenS  burc^'  fie  allein  ben  waljren  ©inn  ber  6d;rift'  unb  ©rb? 
lel)re   kennen   lernen  i)." 

„5ßarum  Ijeifet  ba^  firdjli(^e  £el;ramt  unfel;lbar?  —  SBeit 
e5  burc^  hen  ^eiftanb  be^  Ijeiligen  ©eifteil  meber  in  fetner  ©lau* 
ben^^  nodö  <Sittenlel)re  irren  !ann." 

„^on  mem  Ijabeu  mir  bie  SSerfidjerung ,  ba&  ba§  !ir(^li4e 
£el)ramt  nid)t  irren  !ann?  —  ^on  (El)riftu^  felbft,  ber  unS  bie 
breifa^e  ^erljei^ung  gegeben  Ijat:  erften»,  bafe  ;,er  bei  il^m 
(bem  £el)ramte)  fein  merbe  alle  ^agc  bis  an'^^  (^nhe  berSßelt^);" 
gm  ei  teil»,  ha^  „ber  ©eift  ber  2öal)rljeit  bei  bemfelben  bleiben 
merbe  in  @n)ig!eit ^j /'  brittenS,  bafi  „bie  ^ird)e  niemals  von 
ber  §ölle  überioäüiget  merben  mirb^)."  2Ber  bemna(^  beljauptct, 
bie  !atl)olifd)e  Äird)e  fei  im  ^serlaufe  ber  Seit  in  S^^t^^m  ver* 
fallen,  ber  läftert  ©ott,  als  Ijabe  er  gegen  feine  auSbrüdlid^e 
^erljeigung  gugelaffen,  baB  bie  .^ird^e  oom  ©eifte  ber  ßüge  unb 
fomit  von  ber  §ölle  überroältiget  mürbe." 

„5öie  mirb  bie  ^ird^e  tljrer  Unfel)lbar!eit  megen  t)om  i)^U 
ligen  ^auluS  genannt?  —  ©ie  mirb  „bie  ©äule  unb  ©runboefte 
ber  SSai^rl^eit^)''  genannt '5)/' 


])  iTatf)oI{fd}cu  Ji^atec^iSmug  füv  bas  33i§t^um  SDidnj,  ©.  52—54.  — 
2)  maiü).  28,  20.  —  3)  ^o^.  14,  10.  17.  —  4)  2)iatt^.  16,  18.  — 
5)  1.  2:imot^.  3,  15.  —  6)  21.  a.  D.  ©.  92  f. 

».  bettele V,  ba3  ciügemciuc  eoncit.  3 


-     34     - 

„^lU'f  aljo  SRiemanb  bie  <B6)xi't  ober  (^rble[;re  bem  Sinne 
ber  !at!^o(if(f)en  ^irc^e  5un)iber  auSleöen?  —  9Mn;  benn  ba^ 
l)ie6e  Schrift  nnb  ©rbtebre  befier  r)erfte{)en  rooHen ,  aU  ber  l)eu 
Hge  ®eift,  roeldier  bie  ^irc|e  in  ben  raa^ren  Sinn  berfelben 
einführt" 

,,Qft  aber  hu  IjeiUge  Schrift  nic^t  tiax  unb  für  Qebermann 
Derftänblicl^  ?  —  SRein;  benn  bie  l^eilige  Schrift  ift  ein  öottlic^eg 
nnb  c^elieimni^üotte^  8u<^,  „raorin  mancl)e§  fd^irer  gu  oerfteljen 
ift,  raelcije^  imgeletirte  unb  Iei($tfinnige  3)tenfc^en  ju  il^rem  eigenen 
^erberben  miöbeuten  ^)/' 

„3Bag  l^at  bie  Äird)e  über  ha§>  33ibeIIefen  in  ber  3SoI!§= 
fpradje  x)erorbnet?  —  (£*rften^,  bQ§  man  bie  ba§u  nötljige  ^enntni§ 
unb  grömmigfeit  befil5en  foll ;  ^lueitenö,  h(i\}  bie  Heberfe^ung  mit 
Ürd^lid^er  ©utljeiBung  unb  mit  bemä^rten  Erläuterungen  Der- 
feigen  fein  foff.  ^urci)  biefc  meife  SInorbnung  mill  bie  ^irc^e 
ben  ©laubigen  ^v>ite^  Sßort  MueemegS  t)orentl)aIten,  ba  fie  uid)tÖ 
felinlic^er  münKbt,  a^3  ha^  aKe  baffclbe  raiffen  unb  be!)eräigen; 
i()re  ^Äh\iä:)t  ift  nur,  fie  uor  uerfälfi^ten  Bibeln,  bie  oft  llnraiffen- 
hm  abfiditlic^  angeboten  roerben ,  unb  i?or  irriger  Sluslegnng, 
vox  Secten  unh  Spaltungen  ^u  bemaljren^)/' 

So  beleljrt  ber  t'at^olifi^e  j^atei^i^mu^  ba^  !atl)olifc^e  §8ol! 
über  bie  beiben  Quellen,  an^$  benen  wir  bie  Se^re  S^f«  f^^öpfen, 
unb  über  bie  Stellung  be^  Hrd)lic^en  :^ebramte'S  gu  benfelben. 
SBir  xooUm  fein  Söort  beifügen,  ba  [)ier  a(Ie§  fo  !(ar,  fo  ein= 
^aä) ,  fo  folgerichtig  ''ift ,  bafe  eine  ©rüärung  nur  hen  ^n^aii 
ntxhunMn  !cnute. 

3.  9Bir  muffen  aber  aud)  unfere  ^^ernunft  über  unferc 
Streitfrage  bc^üglid)  bc5  WitUU ,  um  ^um  ^e[\^  ber  n)al)ren 
Seigre  Qeju  5U  kommen,  befragen.  2luc^  fie  bc^,eugt,  bag  raenn 
^§>  einmal  (5)ottc^^  S[ßiüe  luar,  fid)  ben  Wlm^d)en  auf  übernatür- 
lidje  Söeife  §u  offenbaren,  alfo  anber^  unb  »oüfommener  aU 
bur^  bie  ^^ernunft  allein,  ein  üielbeutige^  33ud^  unmöglid^  Präger 
biefer  Offenbarung  fein  fann.  ^a§  an^uncljmen ,  ift  in  ooHem 
SBiberfprU!^  mit  bem  aKein  benfbaren  Qwcd  einer  fold;en  Dffen= 
barung  3). 


1)  9.  ^et.  3,  16.  —  2)  2(.  a.  D.  'S.  54  f. 

3)    e.    3J?ürjIcr'ä    @i?nöoü(  §.   36:     „©fflcnfä^c    in    bcv   £e^rc 
t)on  ber  i^trctic,"  mo  Hefe  ©ebanfen  roeltcr  entiinc!ett  finb.     3Ctte  unfere  :2efer, 


-    35    - 

S)ie  öläubtöen  ^votefianten  nnb  lüiv  5!at^oli!en  finb  barin 
einig,  bag  bie  ^eilige  6$nft  (Sottet  SSort  ift ,  ©ottes;  iintrüg= 
lid^el  3öort.  S)ie  tieilige  6cf)rift  ift  alfo  an  fic^  irrt^umslol  roie 
©Ott  felbft.  ^abur(^  aber  finb  roir  nicfit  irrt^um^frei.  S)a§ 
raerben  wir  erft,  raenn  roir  \>a§>  irrt!)um^lofe  SBort  @otte§  auc6 
unr)erfälfd)t  unb  rein,  o^ne  ^eimi|(Jmtg  üon  Qrrttiümern,  in  unS 
aufnel)men.  ^efi^en  rair  nun  ein  folciie^  9Jlittel ,  um  ha^  irr^ 
t^umelofe  5öort  ©otte§  aud^  irrtljum^lo^  in  unferen  ©eift  auf^^ 
gun«^men?  S)a§  ift  bie  entfd^eibenbe  grage;  benn  roa§  nü^t 
mir  perfönli(^  alle  Offenbarung,  menn  iä)  fein  unfe^ilbarejS 
3Äittel  l^abe,  fte  mir  anzueignen?  menn  iä)  e§  nur  mit  bem 
graeifel  befi^en  fann,  ob  i($  e§  auc^  rein,  lauter  unb  malir  in 
meiner  @eele  trage? 

2öie  lautet  nun  bie  2tntioort  auf  biefe  entf(^eibenbe  grage? 

«Sie  lautet:  3a,  wenn  mir  ein  göttlid^e^,  unfel)lbare!§  Sel^r- 
amt  l)aben,  mie  bie  fatbolifd^e  ^ird)e  le^rt;  fie  lautet:  9^ ein, 
xotnn  mir  bie  ^eilige  ©d^rift  allein  befi^en,  mie  bie  ^roteftanten 
bel)aupten. 

5Die  l)eilige  6c^rift  allein  ol^ne  untrügli^e  ©rllärung  ilireS 
3nl)altea  ift  offenbar  Im  Tlittd,  um  über  il)ren  Sn^alt  mit 
2lu§fc^lu6  jeben  3^ßif^i^  o^^roi^  5U  merben.  6ie  ift  gunäc^ft  ein 
ftumme§  nrto  tobtel  33ud^,  Rapier  unb  gebrudte  ^u^\tahen,  bie 
erft  @eift  unb  Zehen  bekommen  burd^  bie  Deutung,  bie  unfer 
©eift  i^nen  gibt.  SBenn  nun  mein  @eift  bej  biefer  Deutung  ganj 
auf  fid^  angeroiefen  ift,  mie  lann  biefer  bem  ^rrt^um  untermor- 
fene  ©eift  mir  bie  oolle  ©eroiBljcit  bieten,  bafe  er  fid^  bei  5Deut= 
ung  ber  Söorte  ber  ©d^rift  nic^t  irrt,  bag  er  bie  unfel^I- 
bare  2öal)r]^eit  auc^  mir  unfel)l6ar  barfteHt?  Hnmöglid^I  ©in 
bem  S^rttjum  unterroorfencr  ©eift  fann  nimmermel)r  ein  irr^ 
tl)um§lofer  5(u^5leger  be^  QuljalteS  ber  gött(id)en  Offenbarung 
fein,    hiergegen  finb   nur  viex  3lugf(üd)te  möglid^.     (^ntmeber 


bie  5D^öl^ler'§  6bjnBo(i!  nicBt  fcnnen,  möd^ten  wir  rcd^t  bringenb  Bitten, 
biefe§  in  feiner  5{rt  einzige  ^Buclj  gu  Icfcn,  \a  ^u  ftubiren.  SBir  !önnen  nur 
mit  2)an!bQrfeit  baran  benfen,  iraä  ioir  bie[em  Suc^e,  n)e(cf)eS  nix  bei  feinem 
erften  ©rfd^einen  roiebcrl^olt  pelcfen  ^a&cn,  ccrbanfen.  SJJic^t  nur  XJ^cotogen, 
fonbern  aKe,  h?elrf)c  tiefer  cirtbringen  Wolkn  in  ba§  SBerftänbni^  ber  ©egen* 
fä^e  3it)ifc^en  Äatt^olüen  unb  ^roteftanten,  foUten  ftc^  mit  bem  ^n^alU  be3* 
felben  genau  belannt  mad^en. 

3* 


~     36    - 

mau  Tuug  Qunel)inen,  't^a^  @ott  ben  irrtl^um^fäljigen  ©eift  be»  (Sin- 
§elnen  bei  biefem  (^e|d)äfte  ber  Slu^^legung  ber  l^etiigeu  6i.^nft  üor 
Sri'tijum  hmal)xt  5Dann  nimmt  man  aber  saljttofe  SBuuber  an,  um 
einem  Söunber,  uämlid;  ber  göttUdjeu  Seituug  be^  Seljramte^ 
ber  c^ir(5e  ju  entgeljcn.  ^Danu  müßten  ferner  audj  alle  SDknfc^en 
in  ber  Siusleguni]  be§  3Sortei3  @otte^  übereinftimiuen,  raeil  ja  berfelbe 
Qöttlidje  @eift  allen  bafjelbc  faßen  müßte,  mae  offenbar  nid)t 
ber  gall  ift.  —  Ober  man  muß  anneljmen,  baß  bie  Ijeiligc  6c5rift 
fo  flar  fei,  'aa^  fic  unmotjUd;  auber^  aU  bem  einen  ridiUgen 
6inne  nad)  oerftanbeu  merben  fönne;  n)a§  ebenfo  in  2öiberfprud) 
mit  ber  äT^rfUdjfeit  \id)t  unb  im  Slngefii^t  ber  saljUofen  uor^an= 
benen  ^Spaltungen  über  biefcn  einen  ri^tigen  6inn  fein  üernünf= 
tiger  Menfd;  betjaupten  fann.  ~  Ober  man  muß  fi(^  inconfequent 
werben  unb,  nac^bem  man  unter  mn  ^ormaube,  ha^  bie  lieilige 
©d)rift  bie  einzige  ClueHe  beg  ©laubenl  fei,  ha^  Se^ramt  ber 
Äirc^e  geleugnet  i)at,  nun  bodj  mieber  dn  Seljramt  mit  ©pmbolen 
unb  33e!euntnißfdjriften  neben  ber  l)eiligeu  Bä)xi\t  gu  §ilfe  neh- 
men, um  fid)  gegen  bie  miüfüilic^en  Deutungen  berfelbeu  gu 
wehren,  ^^a^o  ift  bie  große  Qnconfequeng  be^  gläubigen  ^rote= 
ftanti^mu».  —  Ober  cublidj  man  muß  barau  wer^iueifeln,  ha§>  un^ 
trüglic^e  2öort  ©otte)3  fid)  in  einer  untrüglichen  SBeife  aneignen 
gu  t'önnen.  ®amit  ift  aber  ber  allein  benfbare  Qmed  ber  Offene 
barung  aufgegeben.  ®enn  ma^  faun  e^  mir  nii^en,  mmn  gmar  (SJott 
gu  ben  SReufdjen  gefpro(^en  Ijat,  um  fie  x)om  ä^^^^f^^  ä^t  befreien 
unb  i^nen  bie  ©emißljeit  ber  äöaljrljeit  gu  geben,  wenn  meine 
6eele  aber  fein  Wättd  befi^t,  um  mir  biefe  2öal)rl)eit  an- 
jueignen,  nnh  wenn  fie  beßbalb  üerurtbeilt  ift,  trog  bem 
6pre(^en  @otte» ,  im  3^^^^^^  /  biefer  tiefftcn  Oual  ber  6eele, 
fortzuleben. 

2Öir  mollen  baffelbe  von  einer  anbereu  6eile  betrad^- 
ten ,  um  nod^  tiefer  in  ba^  ^erftdubniß  ber  2Bal)rl)eit  ein= 
anbringen,  baß  bie  l;eilige  6d^rift  allein  üon  einem  meifen  ©otte 
uid)t  gum  Vermittler  ber  göttlid^en  Offenbarung  beftimmt  fein 
fonnte. 

@ott  Ijat  fein  uuenblii^e^  3Sefen  in  breifadjer  SSeife  ben 
3)len]d)en  gu  erfennen  gegeben.  (Srften^  burd^  bie  fid;tbare 
Söelt.  3n  biefer  §infi^t  fagt  ber  Slpoftel  ^  au  lug:  „5Da§  lln= 
fid)tbare  an  if)m  ift  feit  ©rfc^affuug  ber  SBclt  in  ben  erfd^affenen 
fingen  erfennbar  unb  fid)tbar,  nämlic^  feine  emige  ^raft  imb 


^-     37     - 

©ottfteit*)."  3meitcn^  l^at  (l)Ott  fid)  beit  9JJerif$en  offenbart 
in  übernatürlid}er  Söeife.  ®a^  ift  jene  Dffenbarunß,  n)eld)e 
ber  5(pofteI  $aulu§  be^eidjnet  al0  ,,©ott  rebenb  in  nnfereu 
Spätem  in  ben  $roplieten,  ^wT^ffet  in  biefen  Zagten  burd^  feinen 
6o^n2)/'  ©ublid;  brittenö  offenbart  fid)  ©ott  in  un§,  in  nn^ 
ferem  ©eifte ,  bnrc§  bie  natürlid^en  gälji gleiten  nnferer  @ee(e, 
hnxä)  ba§  ©eiüiffen,  bie  ^ernnnft.  ^iefe  innere  Dffenbarnng 
©otte§  I)at  aber  eine  boppelte  5lnfgabe:  fie  ift  erften^  eine 
xoa\)xe  Offenbarung  in  un^,  ein  S^wgnifi  nnferer  ©eele  für  ®ott; 
fie  ift  §raeiten§  ba»  Organ,  't}a§>  SSerfjeng ,  rcobnrd;  rair  bie 
ändere,  natürliche  wie  übernatüvlidje  Offenbarung  ©otte0  in  un§ 
anfneljnien.  Sind)  'ük  übernatürlidje  Offenbarung,  au^  bie  6tintnie 
©otte»,  hie  un§>  anrebet,  t)at  feinen  anberen  Sßeg  jur  ©eele,  aU 
bie  SSernunft  be^  9}^enf(^en.  ©o  ^at  (^Sott  e§  eingerichtet;  an 
biefeg  ©efeg  I)at  er  fic^  fclbft  gebunben.  ^aburc^  entfte^t  nun  bie 
große  €djiüierig!eit  für  bie  untrüglii^e  2IufnaI)me  einer  gött= 
lidjen  Offenbarung,  ^icfe»  Organ,  biefe^  SSerf^eug,  n)eld)e$  bie 
äußere  Offenbarung  aufnimmt  unb  nnferer  ©eele  vermittelt,  nn- 
ferer  ©eete  zuträgt,  ift  nid)t  unfelilbar,  untrüglich,  fonbern  viel- 
me!)r  in  I}ot)em  ©rabe  bem  3^^if^^  ^^^"^  "^^^  Srrt^um  au^gefe^t, 
namentlid)  in  ben  |öd6ften  unb  tiefften  gragen  ber  Seele. 

®a§  ift  ber  S^^ft^^^^  nnferer  6eele ,  ber  S^ftc^nb ,  in  roel= 
6)zm  wir  nn§>  befinben,  menn  ©ott  fic^  unB  offenbart.  SDenfen 
wir  nun  wieber  an  bie  aufgefteUte  ?^rage,  um  fie  Ijier  im  tiefften 
©runbe  nnferer  ©eele  ^u  entfd^eiben.  2öir  I)aben  gefragt:  2ßie 
gelangt  ber  9J^enfd)  5um  ungetrübten  ^efig  ber  Scljre  Qefu? 
^er  ^roteftant  fagt :  ®ur(5  bie  5^orf(^ung  in  ber  lieiligen  @d;rift ; 
ber  ^at^olü:  ^nxä)  ba§  unfehlbare  Seljramt  ber  ^iri^e  unb  bie 
innere  ©nabe.  2Ber  fyxt  3lcd;t  ?  Söclc^e  2(ntwort  fann  ber  ©eele 
©eroiBljeit  bringen  über  ben  33efi§  ber  geoffenbarten  Sßal)rl)eit? 

Offenbar  nidjt  W  proteftantifdje  5lntwort.  ^\n  fel)lbare§ 
Organ  !ann  o^ne  §ilfe  nid)t  ba^  3Jiittel  fein ,  um  etma^ 
an  fic^  Unfel)lbare§ ,  an  ft($  SSoHfommeneg,  in  bemfelben  S^ftfinb 
gu  vermitteln.  '^Sla^en  wir  un^  bie  <Baä)e  burd;  einige  Sei= 
fpiele  !lar. 

>[)en!en  wir  unio  ben  Sf^otenteyt  tine^  überaus  Dollfommenen 
^Conftüdes.    Wla^  bie  Harmonie,  bie  in  biefen  ^Rotenjeid^en  angc* 


1)  mm.  1,  20.  —  3)  §ebr.  1, 


-    3Ö    - 

beutet  ifl,  an  [\ä)  no^  fo  tJoHenbet  unb  Ijerrlid^  fein,  wenn  unS 
nur  ein  fi^le^teö,  fel^lerl^afte^  Qnftrument  gur  SSerfüguug  fie^t, 
fo  wirb  e^  nie  gelingen,  biefelBe  rein  nnb  in  i^rer  gangen  6d)öns 
l^eit  gut  ^arftettnng  gu  bringen.  2öet  nun  hk  ^öne  i)'6xi,  bie 
baS  falfc^e  Snftrument  ^ert)orbringt ,  tuirb  nimmermehr  ein  35er- 
pänbnig  erlangen  oon  ber  @rl)a6enl)eit  be^  3Jlufi!ftücfe§,  raeld^e^ 
in  ben  3^oten  entljalten  ift.  (^an^  baffelbe  gilt  oon  ber  Deutung 
ber  l^eiligen  S^rift  nad^  ber  Seljre  be§  $roteftanti§mu§.  Qfn 
einem  ä^n[icf)en  ^er^ältnig  wie  bie  9Joten  gur  3}^eiobie,  ftel)en 
bie  gebrucften  SBorte  gu  bem  geiftigen,  göttli(^en  Qn^alt  ber  ^ei- 
ligen  ©4rift.  ^^enn  nun  ber  3}ien|c^  nur  ein  fd)raad)eg,  bem 
Srrtl^um  untermorfene^  Qnftrument  befigt,  um  biefen  göttlichen 
3nl^alt  gu  erl)eben,  fo  ift  ba^,  wa§>  er  gerainnt,  fo  roenig  baffelbe, 
n)a§  in  jenen  SBorten  liegt,  al§  bie  ^öne  beg  fd)led;ten  Qnftrus 
mente§  pfammenfallen  mit  ber  Harmonie,  bie  in  htn  3^oten 
entljalten  ift.  "^ex  confequente  ^roteftant  l)at  alfo  feine  ©ett)i6= 
l^eit  bafür,  bafe  feine  Slnfic^t  ron  bem  c^riftlidjen  ©lauben  mit 
ber  £el)re  Qefu  gufammenfäHt,  unb  fann  fie  nic^t  l)aben. 

3^oc^  ein  anbere^  ^eifptel,  meli^e^  ber  geiftigen  ^l)ätig!eit 
ber  ©eele  nal)e  fte^t,  meil  eg  'oa^  natnrlidie  S3ilb  beS  geiftigen 
(5r!ennen^  ift,  nämlii^  bie  ©e^lraft  unfere^  2luge0.  Sie  rul}t  auf 
ä^nli(^en  @efe|en  wie  ha^  Seijen  unfere0  ©eifte;^.  Mac^  es  no4 
fo  mele  rt<^tbare  ^inge  geben,  fie  finb  jebem  t)on  u  n  §  nur  fii^ts 
bar  burd^  unfer  5luge,  wie  ai\6)  bie  geiftigen  5Dtnge  unä 
nur  fi(^tbar  finb  burd^  unfere  Vernunft,  ©iefe  bem  2luge  felbjl 
an^aftenbe  eigene  ©eblraft  !ann  aber  auc^  pcrme^rt  werben, 
fo  ba§  ba^  ^uge  nn  ^öljere^  Seljüermögen  erl)ält,  al^  e^,  auf 
fi($  angewiefen,  beft^t;  e§>  fann  burd)  gnflrumente  weit  über 
feine  natürlid^en  Gräfte  \)\mu§>  rerf^ärft  werben.  So  j.  ^.  ift 
ba§  unbewaffnete  Sluge  aü^^u  fd&wa^,  um  bie  ^eobafttungen  am 
geftirnten  Himmelsgewölbe  mit  ber  Sid^erlieit  anjuftellen,  weldje 
erforbert  ift,  um  ein  Softem  t)on  @efe(3en  für  bie  ^Bewegung  ber 
iQimmelSförper ,  worin  eben  bie  2Biffenfd;aft  ber  Sternfnnbe  he- 
fte^t,  aufjuftellen  unb  §u  üert^eibigen.  3n  ber  ^^at  üer= 
ban!t  ja  bie  Slftronomie  'ocn  größten  STlieil  il)reS  Ijeutigen 
gortfc^ritteS  ben  Derbefferten  Qnftrumenten.  Sol^e  3)littel, 
bie  Sel)!raft  gu  erl)5l)en,  finb  jwar  an  fid)  natürlid)e  SJlittel, 
bem  5luge  gegenüber  finb  fie  aber  cUva^  2lel)nli(^eS ,  wie  bie 
übernatürlichen  ©rfenntnifemittel,  woburi^  ber  ©eift  be§  3}ienf(Jen 


-    39    - 

über  feine  natürlii^en  5!räfte  erhoben  wirb,  ber  ^^ernunft  gegen* 
über.  S)a§  Sfuge  bleibt  aber  immer  für  beu  3)knfcöen  baS 
Organ  aUe^  6e(;en§,  roenn  t^  aud)  bur(^  fofd^c  dJliüd  Derf^ctrft 
Würben  ift.  Söenn  befe^alb  ba§  Slucje  felbft  fc^abljaft  ift,  fo  be^ 
!ommt  ber  93^enf<^  nie  ein  objectio  ric^tige^  53ilb  uon  ben  fid^tbaren 
^Dingen.  <So  ift  e§  aud)  mit  ber  Offenbarung  xmb  bem  Reifte  ber 
9J?enf$en.  D^ne  aüen  ^^^^^^f^^  ift  ^^^  ^eilige  @(^rift  ©otteö  Söort, 
o^ne  allen  ,3"^^^^^  ^ft  'i>kk^  ?ßort  eroig  roal^r  unb  unfehlbar. 
§at  aber  ber  93ienf(^,  um  biefe  gottli(J)e  3Sa()rljeit  innerli^  ju 
fc^anen  unb  fi^  babufrf)  anzueignen,  km  anbcre§  Wliitd,  aU  biefeS 
fd)tt)ad)e  5Iuge  ber  5>ernunft,  bann  muft  er  immer  in  3^^if^^ 
bleiben,  bann  fanu  er  nie  (^eioif^beit  l)aDen,  bag  ha^,  v)a^  er 
innerlich  fd)aut,  mit  ber  göttlid)en  Söaljrbeit  übereinftimmt.  3öir 
n)ieberl)olen :  ^er  ^^rotcftant  muf5  emig  gmeifeln,  wenn  er  con= 
fequent  fein  miOf. 

20ie  gan§  anber^,  wenn  mir  biefvi^age,  mie  ber  3}Jenfd^  jum 
nntrfigli(^en  ^efi^  ber  ßelire  3^fH  gelangt,  mä)  ber  fat^olif(^en 
Sel)re  beantworten.  6ie  fagt  un^ ,  baö  jum  ^ianUn  erftenS 
bie  innere  @nabe ,  ^weitene  eine  nntrüglid;  ri(^tige  äußere 
$DarfteIIung  ber  ©fauben^wabrlieit  erforbert  wirb.  Qene  foll  bie 
'Vernunft  erften»  v>on  i^rer  (5d)wäd)e  befreien,  5weiten§  i§re 
(^rfenntni^fraft  in  übernatürlicher  SSeife  erljeben  unb  erleuchten 
jur  Slufna^me  üöernatürli(^er  3öaörl)eiten.  So  wirb  bie  Ver- 
nunft geeignet^  ein  ^nftrument  für  has>  Sßort  ©ottel  p  fein;  fo 
ift  fie  befä()igt,  ba§  wag  i^r  aufaerlid)  geboten  wirb,  innerlich  rein 
unb  unoerfälf($t  bar^uftellen.  Slber  ha§  genügt  no($  nicl^t  allein, 
um  bie  Seiire  Qefu  untrüglich  §u  befugen.  DRad^bem  burd)  bie 
®nabe  bie  Seele  5ur  iunerli^en  5lufnabme  ber  9öal)rl)eit  befdl)igt 
ift,  muB  aiiä)  ie^t  bie  M)re  3efu  in  ooRer  Skinl^eit,  wie  fie 
3efng  felbft  gelel)rt  l)at,  bem  ^iluge  ber  Seele  Dorgeljalten 
werben,  ©a^  aber  gef(^iel)t  buri^  'oa§>  unfel)lbare  Sel)ramt.  2luf 
biefem  2öege  fann  bie  Seele  oon  allem  ^mex\d  befreit  werben 
unb  §um  froren ,  glüclfeligen  C^Jlauben,  ^um  truglofen  53efi^  ber 
M)re  3efu  gelangen. 

SDa^  antwortet  bie  SSernunft.  Sie  fann  mä  nic^t  a  priori 
fagen,  ba^  @ott  fi(^  geoffenbart  Ijat  ©a^  fann  fie  nur  al§  eine 
^l)atfa(^e  erfaffen  unb  au^erbem  bie  9]üfoüi^feit,  3)l5gli(^!eit,  ge- 
wiffermafeen  bie  DIotljwenbigfeit  ber  Offenbarung  naÄweifen;  fie 
!ann  un^  aber  fagen,  bafe"  wenn  \\ä)  (55ott  geoffenbaret  l)at,  um 


-     40    "- 

bic  9)lenf(^ett  t)om  3rrt!)UTiie  gu  befreien,  er  ii)mn.  auä)  ein  fic^ereS 
WiiUl  geben  mu^te,  bie  Dffenbarung  irrtl^umsfrei  pnben  §u 
fönnen;  fte  fann  \m§>  fagen,  bo^  bie  SInnciljme  be^  ©egent^ieil^, 
ba^  bie  Offenbarung  ©otteS  o'&ne  ein  fol(i)e§  93httet,  ein  SÖiber- 
fpru(5  gegen  bie  SSei^tjeit  @otte§  wäre;  [ie  fann  nn0  enbli^ 
fagen,  ba§  nur  ba^  3}iittel,  weldje^  bie  fatljolifdje  ^ir(^e  gu  be- 
fi^en  bel^auptet,  raa^rljaft  beut  graede  ber  Offenbarung,  bem  3u:: 
ftanbe  ber  6eele  unb  bem  ^ebürfniffe  ber  3)^enf(^!)eit  enlfpridjt. 

4.  2Ba0  fagt  enbM)  bie  ©rfalf)rung  ber  legten  brei  Qal^r^ 
l^unberte  fiber  unfere  grage?  2öa5  l)at  bie  SSernunft  ol)ne 
£ei)rautorität  aib^  ber  ^eiligen  6($rift  unb  i^rem  gcttlid^en  Sn^^ 
l)alte  gema(^t?  |iat  fte  biefelbe  treu  aU  ©otte^  Söort  beroal)rt? 
Sft  bie  I;eilige  ©(^rift,  nur  it)r  überlaffen,  ein  Wttel  geworben, 
um  bie  2lbfi(^t  Qefu,  'oa^  aEe  3]ölfer  unb  alle  @ef(5le(^ter  bie 
£el)re  Qefu  ungetrübt  f ernten  lernen  foUten,  ju  erreichen,  um 
aHe  9Jlenfc^en  in  ber  @inl)eit  biefe^  glüdfeligen  Glaubens  gu  üer^ 
einigen?  Söenn  je  eine  ^l)atfac^e  burd^  bie  (Sreigniffe  ber  ©e^ 
f(^i($te  feftgeftettt  roorben  ift,  fo  ift  e^  bie,  bafs  biefe  beiben  Qmde 
bur(^  bie  Seigre  be^  ^roteftanti^mu^  nid;t  erreidjt  tt)orben  finb. 

^ie  fti^  felbft  überlaffene  35ernunft  1)ai  bie  göttli^en  Ur^ 
funben  be§  (i^ljriftent^umg  mh  il;ren  Qn^alt  nidjt  treu  bemalirt 
unb  ni$t  von  ©efd^lec^t  gu  ©efd)lee^t  U^  gottlid;e  2lnfel)en  biefer 
^ü^er  unb  il)ren  gottlit^en  3nl)alt  allen  Golfern  gugetragen,  fie 
l^at  e§  melmeljr  ebenfo  gemacht,  lüie  mit  ben  natürlid;en  t)on 
©Ott  i^r  anoertrauten  2öal;rl)eiten.  Sie  !)at  biefe§  göttliche 
(Srbc  ni$t  bem  3]^enfdjengef($le(^te  erl^alten ,  fonbern  mal)rl)aft 
tjcrf^menbet.  3n  raeld^em  3uftanbe  befomnten  jc^t  bie  Wlen\^en, 
unfere  geitgenoffen,  unfere  9lad)fommen  biefe§  göttlidje  (^rbe !  ^^om 
3n)eifel  innerlid^  unb  au^erlii^  angenagt  unb  scrfreffen,  unfähig, 
einen  großen,  meltüberrainbenben,  feften  ©laubcn  in  hm  Seelen  ber 
mcn\^tn  SU  begrfinben.  Mn  ^ä),  \a  feine  Seite  ja  faft  feilten  mdy^ 
^iabzn  "i^at  bie  gmeifelnbe  ^ritif  unr)erfel)rt  gelaffen.  ^a<%  gilt  nod) 
me^r  üon ;  bem  3nl)alte.  ^eine  £el)re  ift  oerfi^ont  geblieben,  guerft 
Ijat  man  unterfd)ieben  groifdjen  mefentlic^en  unb  unroefentlidjen  Sei;-- 
ren  unb  bamit  einen  beliebigen  ^Ijeil  befeitigt ;  bann  Ijatman  untcr= 
fdjieben  gmif^en  ber  Se^re  ber  erften  unb  ber  fpäteren  3al^r= 
l^unberte  unb  bamit  abermals  gang  nad)  2öillfür  entfernt,  ma§ 
man  wollte ;  enblid)  i(l  man  in^  ittnerfte  $eiligtl)um  be^  eijriften= 
t^um0  eingebrungen  unb  l)at  felbft  bie  ©ottljeit  ^xi\n  unb  bie 


_     41     " 

©ettltd)feit  feinet  Söortc^  mit  frecher  mitjeilitjer  §aub  nnßefaftcf; 
jn,  rüa§>  baö  ©ntfepi^fte  ift,  bur($  biefe  l^eiliöe  €djrift  oI}ne  Seljt^ 
nutorilät  ift  c§  baljin  öcfommcn,  baf3  ade  M)xm,  tucldje  tiac^ 
ber  ^arfteHun^  be§  (jeiliijen  2lpofteI^5  So^anne^^)  gerabe  baS 
2öe[en  be§  3lntic[)riftentf)um^  au^mac^en,  jcljt  unter  beut  @($eine  bc§ 
fSljnftcnlljUTnel  cuf treten.  51lle^,  ma^je  berSüöcngeift  ^um  tanipf 
gegen  ba§  $Reid)  ©otte§  auf  ©rben  au^gefprodjen  l}at,  wirb  je^t 
([\i§>  ber  (jeilicjen  6djrift,  bie  ber  3öil(!ür,  ber  fubjectit)cn  S)cutung 
fd^ul5lü^  übergeben  ift,  unter  bem  Bäjme  be^  SBorte»  ©otteS 
felbft  geleljvt.  Qn  biefem  guftanbe  befinbet  fic^  bie  gotttidje  llr= 
!unbe  be§  (E^riftum^.  <^o  innerlich  unb  äußerlich  gerriffen,  ent- 
ftellt,  foH  \ie  in  bem  ^er^en  ber  Ijeranmad^fenben  Generationen  jenen 
d}rift(idjen  ©tauben  grünben,  ber  bie  2[öelt  umgeftaltet.  D  (Sott, 
xük  wäre  bog  möglid)!  SSenn  e^  fein  anbere^  SJ^ittel  für  ba§ 
©t)riftent!)U]n  gäbe  alg  biefeS,  bann  wäre  e»  mit  bem  (EIjriften= 
tljum  unb  mit  ber  Seljre  Qefu  gu  ©nbe.  ^er  meltüberminbenbe 
©laube,  biefer  Gbriftenglaube ,  ber  mit  greube  für  feine  lieber^ 
geugung  in  bcn  Sob  gebt,  fann  nidjt  in  ben  ^ergen  gepflanzt 
merben,  mit  biefem  an  fid)  fo  t)od)f)eiIigen  ^U(^e,  ba§  aber  biy 
pm  legten  ©ebanfen  r>om  ä^ö^if^^t  angenagt  unb  angefreffen  gu 
bem  ^erjen  be^  ^olfe§  unb  vox  allem  ber  Qugenb  gelangt. 

S)ie  ftdj  felbft  überlaffene  55ernunft  ala  ^Trägerin  ber  ^ei- 
ligen B^xilt  l)at  ebenfo  menig,  mie  fie  bie  llrfuuben  felbft  treu 
bemaljren  fonnte,  ha^  anbere  Qld  ber  ©rlofung,  bie  ^Bereinigung  unb 
5.'erbinbung  ber  3)Ienf4en  gu  erreidjen  üermo^t.  ^\u6)  ba^  befunben 
bie  3uftänbe  unfcrcr  Q^\t  ^er  ^roteftanti^mu^  fjai  feine  ßinljeit,  fo 
meit  fie  nodj  beftcljt,  nid)t,mie  e^fein  fottte,bcr  innernUebereinftimm= 
ung  in  ben  ^IBaljrljeiten  bog  d;riftlic^en  Glaubend,  fonbern  ben  l)iftori= 
f^en  SScrbänbeu,  bie  nod)  geblieben  finb,  unb  namentlid}  bem  barauS 
noc^  fortbefte^enben  ftaatli($en  (^influffe.  5u  ucrbanfen.  2öo  bie= 
fer  megfällt,  mirb  ba^3  SSort  öotte§  nid;t  meljr  ein  ^iubemittel, 
fonbern  ein  3}^ittel  enblofer  3erfplittcruug,  mie  ba^  bie  saljdofeu 
Beeten,  bie  allein  in  2lmerifa  bcfte^cn,  funbgeben. 

©0  bcftätigt  alfo  and)  bie  ßrfa^rung  ber  Icl^^ten  breiljunbert 
3alf)re  in  iljren  belTagen^inertljen  $)lefultaten ,  bafs  bie  Ijeilige 
S^rift  allein  unb  ol)ne  Sel)rautorität  nid;t  ba§  9Jlittel  fein  fann, 
um  untrüglid)  unb  gemig  gum  53eft^e  ber  maljren  Seljre  Q  e  f  u  unb  ber 
üon  il)m  ben  9}?enfd)en  bargebotenen  .<geil^?mal;rl)eiten  ^u  gelangen. 

1)  1.  ^c^.  -2,  22;  4,  3;  II.  ^of).  7. 


Y. 

Daß  fflirontt  htt  ^nö^t  in  htx  npopolirciifn  Mi  ml  tit  kn 
folgctibrtt  3ttl)rl)un5ntfn. 

„5(Is  biefe  nun  bem  §errn  ben  T^ciltgen  ^ienfl  bcv-- 
rid)teten  unb  fafteten/f|)rad)  ber  Ijctlige  @eift  ju  i^nen : 
@onbert  mir  ab  ben  ©aulu§  unb  SBarnabas 
§u  bem  äBerff,  n^o§u  i*fte  aufgenommen  ßabe.  2Uö- 
bann  fafteten  unb  beteten  fie  unb  legten  il^nen  bte 
^änbe  auf  unb  liefen  fte  giel^en.  55)iefe  nun  au^-. 
gefanbt  "ocm  heiligen  ©eifte,  sogen  nac^  ©eleucia." 
9l^oftelgefd;.  13,  2  ff. 

Wiix  fy\bm  hie  ©infe^ttng  ettieS  Seljvaniteg  biird^  ©^riftu^ 
heixadjkt.  @§  mav  bie  le|te  X\)at  ^eim^  ^ertüeiten^  auf  ^rben, 
weil  e^  ba§  3}tittel  fein  follte,  um  feine  Seigre  Bis  an  baS  (Snbe 
ber  Sßelt  allen  33öl!ern  ungetrübt  gu  erhalten.  2Bir  liaben  bann 
3ur  notieren  ^egrünbung  unb  (^inft($t  in  biefe  ^Beranftaltuuß  Qefu 
gefeljen,  ha^  bie  l)eilige  Urfunbe  ber  ^!)riften|eit,  bie  l^eiliae 
6(^rift  atfein,  mä)t,  rok  hie  ^roteftanten  lel)ven,  ein  für  biefen  Qxücd 
geeigneteig  SOlittel  fein  !onnte.  2öir  muffen  ie|t  betracfjten,  wie 
fic^  biefe  ©inrid)tunß  ß^rifti  in  ben  erften  ^eiUn  be«  ©firiften- 
t()umS  t)ern)ir!(i(^t  ftat.  ^ie  SBorte  Qefu  maren  ein  ©enfförnlein, 
ba§  er  auÄfäete  unb  mcl^e^  luai^fen  foff.  ^a§  äöa^fen  biefeS 
©enfförn(ein<o  ber  (Sinfe^unö^iuorte  bei  ßetiramte^  muffen 
wir  fe^t  prüfen,  namentlich  mie  gleid)  im  5Infange  in  ber  apofto= 
lifd^en  geit  unb  ben  erften  3nt)rl)uuberten  ba5  lebenbige  ^erou^t^ 
fein  üor^anben  mar,  bag  ine  Setjre  Sefu  huxö)  bie  im  5luftrag 
unb  in  ber  ^^ottm.a^t  Qe\u  geübte  ^rebitjt  fi(^  in  ber  ganzen 
2öelt  verbreiten  follte. 

1 .  ^iefel  ^emuf3tfein  erfüllte  gan^  bie  Slpoftel ,  mie  uujS 
bie  2(poftelgefd)ic!)te  erjäljlt.  3l)r  gan^e^  2öir!en  beraeift,  ba^  fte 
von  ber  Uebergeugung  burdjbrungen  maren ,  mit  ber  göttlirf^en 
©enbung   beauftragt   ju  fein,   bie  Seljre  ^e'ju   aUen  3}?enfd^en 


^     43     - 

tuxä)  ^Prcbiijt  ju  t)er!ünbeit.  ^a^5  nerljältnifeniöfeig  2Benti3e,  tüwS 
©inige  von  i^nen  fc^vieben,  war  nur  ein  2(ct  ber  Hebung  i^reS 
^rebigtamte^.  ^ie  ^rebtLjt  ift  iljr  götÜic^esJ  Slmt ,  ba§  5Rieber^ 
fd^reiben  einicjer  :2e^ren  nur  eine  befonbere  §Irt  unb  SBeife,  i()r 
^rebigtamt  ju  üben.  ^a§>  war  in  ber  apoftolifd)en  3^^^ ,  ba0 
ift  noci)  ^eute  \>a^  3Serf)ältni§  ber  f)etiigen  ©^rift  gum  Sebramte 
ber  tir«^e.  ^a§  ^e^ramt  ift  gleii)  einem  (ebenbigen  Strome  ber 
geoffenbarten  2öa()rl)eit,  ber  feinen  Sauf  nimmt  Don  ben  2ßorten 
Sefu:  „ßefiret/'  „prebiget"  „bi^  an  ba§  (gnbe  berSBelt!"  unb 
üon  ber  ©egemoart  3efu  mit)  ber  ^raft  be§  l^eiiigen  ©eifteS 
getragen,  fid^  burrf)  alk  ^riftlidjen  geilen  ergießt.  £ie  i)^U 
lige  €c^rift  bagegen  geprt  in  biefe^  Seljramt  aU  ein  mcfent^ 
lid)er  ^eftanbtf)eil  beffclben,  weldjer  non  biefcm  lebenbigen 
©trome  nie  getrennt  werben  barf. 

2ll5  Slpoftel,  ©enbboten,  TOffionäre  felien  mir  jene  9}Mnner 
t)on  ^fjriftu^  berufen,  bie  iljm  für  biefen  Qvoed  bienen  föHten  *).  ^ÄU 
2(poftel,  ^rebiger  treten  fie  nuf,  na^bem  fie  »om  Ijeiligen  ©eifte  gnr 
S>ollbringung  ibref^  ^rebigeramtc^  geftärft  morben  waren  -).  @leic^ 
am  ^spngfttage  tritt  "»^'etmio  mit  hen  ©rftlingen  bei  ürctilidjen 
^^rebigovamteg  auf,  Me  jene  S^riften,  weldje  bie  erfte  (^riftlidje 
©emeinbe  in  Serufalem  bilbeten  unb  ba§  ^orbilb  aller  d^riftlic^en 
©emelnben  geworben  finb,  fie  fiub  ber  Seiire  3e(n  gewonnen 
bur(^  ba^  ^rebigeramt,  lange  beüor  ein  ein^ige^  äöort  ber  l)eiligen 
6(^rift  be^  neuen  ^nnbe^  niebergef(|rieben  war.  i^or  ©erid)t 
geftellt  ]inb  befragt:  ,,^aben  wir  eu6)  nic^t  ftrenge  geboten,  nic^t 
meljr  ju  teljren  in  biefem  Slawen?  Unb  fiebe,  iljr  i^abt  3eru?alem 
angefüllt  mit  eurer  Se^re  unb  wollet  ha§>  ^tut  bie(e§  9}^enf(^en 
über  nM  bringen''  —  antworteten  ^etru§  unb  bie  Slpoftel  im 
53ewuf;tfein  il)rer  göttlidben  6enbung:  „Man  muB  t^)Ott  met)r 
geljori^en  aU  ben  ^13Zenf^en.  ©er  Ö)ott  unferer  SSäter  ftatS^l^^ 
auferwedt,  ben  il)r  an§  ^Jol^  gt'l)ängt  unb  getöbtet  l)abt.  3l)n 
\)at  ©Ott  jum  gürften  unb  .geilanb  erl)öl)t.  Unb  3^'^tgen  biefer 
!J)irtge  finb  wir  unb  ber  l)eilige  ©eift,  ben  @ott  allen,  wellte  il)m 
gel^orc^en,  t)erliel)en  ^at^)." 

2luf  biefen  ©brentitel,  3lpoftel,  ^rebiger  bor  Seigre  (El)rifti 
SU  fein,  berufen  fid)  bie  5lpofteIfürften  in  iljren  Briefen.  „^auluS, 
3)iener    3efu    (El)rifti,    berufener    5lpoftel,    au0erwäl)U    für 


1)  2Rattl^.  10,  2.  —  2)  Slpoftg.  2,  14—40.  —  3)  5(voft0.  5,  28-32. 


^    44     - 

bog  (foangelium  &otks>"  ift  ber  ^cQxnn  bc§  ^rief£§  an  bie 
9?ömciO.  (rbcnfo  itetmt  er  ftdj  in  bem  cvften  Briefe  an  bie 
(Sorintliei*:  „^saulnS,  berufener  5!poftel  3efu  Görifti  bur^ 
@ot!e^  äöillcn,  ...anbie  .^ird;e  @otte§,  bie  gu  (Eoxmii)  ifl').  Qn 
bem  graeiten:  ,,^s au I n§,  SIpoPel  Qefu  ßljrifti  burd)  ben  SöiKen 
©otte;?,  an  bie  ^ird^e  ©otte^  ^u  (Eoxmti'^)/'  ^n  bie  ©alater: 
,,^aulu§,  2lpo|leI  nidjt  :3on  3}lenfd)en ,  noi^  hnx^  einen 
>menf$en,  fonbern  burd^  S^fi^^  Cvf)riftu§  unb  ©ott  ben 
5Bater,  ber  iljn  auferwedt  f)at  von  ben  lobten  ^)"  n.  f.  vo.  in 
berfelben  SSeife  foft  in  jebem  feiner  Briefe.  60  f^reibt  ber  I;ei< 
lige  5^etru^:  „^etru^,  Slpoflel  3efu  Gf)rifti5);"  „Simon 
$etru§,  S)iener  unb  2tpoftel  3efu  e^rifti^)/' 

(^in  lebenbigeiS  ^ilb  biefe^  3lpoftolate^,  raoburij  bie  Slpoftel 
gußleid)  Seuöen  für  S^riRuö  waren,  entwirft  aud)  ber  ljei= 
IW  So^anne^  in  feinem  erften  Briefe:  „5öa§  üom  ^n- 
fange  an  n)ar,.nia§  rair  geijört,  roa§>  wir  mit  unfern  klugen 
gefeFien,  ma^  mir  gef($aut  unb  unfere  §änbe  berüt)rt  Ijaben  von 
bem  29orte  bc^  Seben^,  —  benn  ba§  fieben  f)ai  \iä)  geoffenbart  unb 
mir  l)oben  c-5  gefeiten  utib  geben  S^^ö^^^fe  baüon  unb  oerfünbigen 
mä)  bae  ewige  £eben,  weld^eö  bei  bem  SSater  war  unb  unl  erfi^ienen 
ift  —  wa§  wir  gefet)en  unb  gehört  traben,  DerMnbigen  wir  cnd), 
bamit  an'd)  iljr  ©emeinfi^aft  mit  un§  i)abet^)/' 

^er  ©otteebienft  ber  erften  (i^iiriften  beftanb  aber  barin 
bag  olle,  bie  ba^  SSort  ber  5Ipoftel  annahmen  unb  getauft  waren, 
„be()arrten  in  ber  Seigre  ber  51pofiel,  in  ber  ©emeinf(^aft 
ber  S3robbred^ung  unb  im  ©ebete^)."  ^iefe  brei  ^aufenb  burc^ 
bie  erfte  ^^^rebigt  be^  Ijeiligen  ^  etr u ^  be!ef)rten  (^^^riften  ful)ren  alfo 
fort  fic^  Don  hen  SIpofteln  belehren  §u  laffen,  fie  feierten  mit  il^nen 
't)a§>  Ijeilige  Opfer  besS  neuen  ^unbeS  unb  beteten  mit  iljnen.  ®er 
2(pofteP4?aulu^  fagt  be^jalb  auc^  feine  f$riftli(^en  ^el^ren  in  ber 
(^rmaljunng  gufammen:  „©teilet  benn  fep,  trüber,  unb  Ijaltet  on 
ben  Ueberlieferungen ,  bie  iljr  erlernt  \)ahet ,  fei  e§  burd) 
2ßort  ober  burd)  einen  33rief  von  uns-*).''  Utib  er  ermaljut  ben 
Slimot{)eu§,ni$t  nur  felbft  bie  i^m  anoertraute  .^interlage  treu 
5u  bewahren,   fonbern  and)  anbere  geeignete  3Jidnner  für  biefe§ 


1)  möm.  \,  1.  —  2j  I.  (iox.  ],  \l  ~  3)  II.  Sor.  1,  1.  —  4)  &al 
1.  1.  —  5)  1.  ^etr.  1,  1.  —  6)  U.  gJetr.  1,  1.  —  7)  I.  ^o(\  1,  1  f.  — 
8)  Hpoftg.  2,  42.  —  9)  H.  2:^fff.  2,  14. 


45 


opoftoUfdje  S(mt  nii^5un)äl)leii.  „©o  fei  nun  ftarf,  mein  6o^n, 
burd^  bie  ©nabe,  bie  in  ^!)nfio  3efu  ift,  iinb  mag  bu  geljört 
l)a]i  öon  mir,  unter  m\en  SniQen ,  ha^  üertrane  äuoerläffigen 
9JJenid}en  an,  n)eld}e  tüi^titj  finb,  md)  anbere  3U  teljrenO-" 

^ie  ganje  2lpofle{ije[d)id;te ,  bieje^  ööttUd^e  ^ocument  über 
bie  SBegrünbnng  be^  C^riftentl)unu3  naä)  bein  ^obe  nnb  ber  2Inf- 
erfte^ung  Seju,  fteüt  m\§>  aU  einsige^  3}tittel  ber  ^.Verbreitung  ber 
Se^re  3e[u  ot)ne  irgenb  raeldje  SluSnol^me,  nnr  bie  ^Nrebigt 
feiner  Sefire  bar ;  ^ie  ift  eine  fortgefe^te  ^eriuirflii^ung  be§  ^efel)le§ 
Qefn:  Docete,  praedicate! 

2.  ©in  {)öÄ;ft  bebeutungSüoHer  2Ict  beg  d;riftli($en  Set)r= 
amte^  in  ber  opofiolifd;en  Qeit  tritt  nn§  aber  in  bem  apofto= 
lifdjen  ©oncil  ju  gernfalem  entgegen.  S)ie  5(püftel  wie  i^re 
9iad;fülger ,  foöten  ifjr  5lmt ,  raelc^e^  fie  über  bie  ganje  3öelt 
gerflreute,  nid;t  »ereinjelt  üben,  nidjt  jeber  für  fid).  ®ie  Ü\xd)c, 
vodd)e  bie  2lufga6e  l)aik,  alle  3Jienf($eu  in  ber  (lin(;eit  be^  ©lan= 
ben§  §u  vereinigen,  mu^te  felbft  and;  in  i(jrer  S^erfaffung  biefe 
ßin^eit  barfteUen.  Ueberbiefe  mar  §TOar  baö  ßeljramt  ber  ^irdje 
unfehlbar,  aber  nid;t  alle  S^ad^folger  ber  ^Ipoftel,  nic^t  ade  Seljrer 
ber  Äirt^e  maren  nnfeljlbar.  ®er  (Sinjelne  nimmt  nnr  ^f)eil  an  ber 
llnfel)lbarfeit  ber  ^irc^e  burd;  feine  innere  T^erbinbung  mit  iljr,  mit 
bem  ©eifte  ber  2öal;rl;eit,  ber  in  i[;r  mo^nt  luxh  Ueibt  ©^ 
fonnten  baljer  6treitig!eiten  über  bie  Sebre  3efu  ni^^t  aus- 
bleiben; unb  ber  göttlidfje  ©tifter  ber  ^[\:d)e  muffte  für  bie  @r? 
Ijaltung  ber  (Sinl;eit,  für  bie  ©ntfdjeibung  biefer  Streitigfeiten 
feiner  Rixd)z  eine  entfpredjenbe  ßinridjtung  geben.  ®a5  ift  nun 
gefd^eljen,  tI)eiB  burdj  ben  5]orrang  be§  l).  ^etrui^,  tf)eil§  bur(^ 
bie  allgemeine  ^ird^enüerfammlung.  ®ie  erfte  unb  bie  ©runb- 
läge  aller  fpäteren  ift  ba^  merfimirbige  apoftolif c!^e  ßoncil. 
Sßir  finben  barin,  ba§  in  bem  2©orte  ©otte^  nietergelegte  ^or^ 
bilb  aller  fpäteren  allgemeinen  (Soncillen ,  mir  möd^ten  faft  fagen, 
roenn  ber  ^ilusbrud  nidjt  ju  profan  märe,  bie  in  ber  Ijeiligen 
6d)rift  entljaltene  ©ef^äft^^orbnung  für  alle  (Soncilien. 

^aului§,  obgleich  uon  ©ott  felbft  jum  5tpoftolate  berufen, 
er{)ielt  bennod)  feine  befonbere  6enbung  gugleid;  mit  33arna- 
ha§>  hnxd)  eine  feierlid;e  2öeil;e  unb  §änbeauflegung.     „2llebann 


1)  i(.  %'m.  2,  1  f. 


-     46     ~ 

fajleten  fie  unb  beteten  \mh  legten  i^nen  bie  öönbe  auf  unb 
liegen  fie  iie\)en^),"  80  „au^gefanbt  üom  l^ieiligen  Reifte 2)'' 
gelten  fie  auf  i^xe  erfte  SJ^iffion^reife.  5IU  fie  bann  nai^  2(n= 
tiod^ien  jurüdgefeirt  waren,  wo  bie  ©emeinbc  I)aupt]äcl)lic^ 
au^  Sl^riften  beftanb,  bie  au§  bem  ^eibent^um  Ijerübergefommen 
roaren,  ba  lamm  ©inige  au§>  ^uhäa ,  alfo  Suben ,  bie  in  3eru= 
folem  ober  ber  Umgegenb  ß^riften  geworben  waren ,  t)ielleid)t 
früt)ere  ^^^f)ari)äer ,  nnb  ki)ikr\ ,  M^  bie  (Efiriften  au§  bem 
§eibent]^ume  fid)  gleid)fall§  \>zn  jübifdjen  (Ecrcmonien  nnter- 
werfen  nmfeten.  „^enn  iljr  euc^  nid;t  befd^neiben  laffet  na(^ 
bem^raud)e  be§  3)Zofe§,  fo  fönnt  \{)x  ni(^t  ba^^eil  erlangen  •'^)." 
^aulu!^  \xn\i  ^CLixidha^  wiberf pradjen  iljnen  mit  großer  @nt= 
f(^icbenl)eit ,  unb  fo  entfianb  ein  ernfter  6treit.  ^xm  wichtigere 
grage  !onnte  für  m  ^ird}e  unb  il)re  ganje  ä^^^iiJ^ft  «i<^t  auf- 
geworfen werben,  ^er  alte  unb  ber  neue  ^unb  l)ingen  auf  ba^ 
gnnigfte  gufammen.  ^eibe  waren  Offenbarungen  beffelben  ©otte^, 
%\^t\h  eine^  (5)otte^reid)e^ ,  üereint  m  bem  einen  (^runb-  unb 
(Sdftein  Qefu^  (Slirifiu?.  ®a  f($ien  e§  auf  ber  einen  6eite, 
ba|3  bie  l^eiligften  ©ebräud^e  be^  alten  ^unbe§  notljwenbig  fort^ 
befteljen  müßten,  um  auij  jeben  Schein  5U  permeiben,  aliS  ob  ber 
neue  S3unb  t)on  bem  alten  getrennt  fei,  aU  ob  ber  neue  S3unb 
gewiffermapen  bie  Sflein^eit  unb  3Bal)rl)eit  ber  Offenbarungen  be§ 
ölten  33unbe5  befireite.  5Xuf  ber  aw^^tin  ©eite  wäre  baburd^  aber 
bie  ^ir^e  (S^rifti,  bie  ooll  ©eift  unb  2öal)rljeit  fein  foüte,  nid^t 
nur  an  ba§  Qoi^  aller  Seremonialgefe^e  be^5  alten  33unbe^  gebun= 
ben,  fonbern  a-a^j  in  aUe  ptjarifäifdjen  Einbiegungen  berfelben,  in  d^t 
iljre  geifttöbtenben  2leu§erlii^!eiten  t)erwidelt  worben.  S)er  neue 
SBunb  \)äiiz  bann  nie  aB  ba^  9iei(5  ber  SSalirljeit  fic^  entfalten  unb 
über  bie  gange  ©rbe  fic^  verbreiten  lönnen.  S)er  Streit  um  bie 
§Befd)neibung  bejog  fic^  felbftüerftänblid)  auf  ba§  gan^e  (5eremonial= 
gefe^,  oon  bem  bie  ^efd)neibung  bie  ©runblage  war.  2öa§  gefd^al; 
nun  in  biefer  gefalirüolten  Sage  für  bie  zltn  erft  entftanbene  junge 
(E^riftengemeinbe,  weld;e  gan^  geeignet  war,  einen  ^ampf  aiif  Seben 
unb2;ob  jwif^en  ben  ©Triften  aVi^  bem  3ubentl)um  unb  au0  bem 
$eibentl)um  §u  yeranlaffen ;  wa§  gefdial) ,  um  biefe  bebenllidje 
grage  §u  entf (Reiben?    2)a0  3Jlittel  ift  ebenfo  belel)renb,  wie  ber 


1)  STHtftg.  13,  3.  —  2)  91.  a.  O.  4.  —  3)  %y>o\U\g,.   15,  i. 


—     47     - 

©rfolö  entj^eiDenb.  „Man  befd^to^,  bafe  $aulu^  unb  S3arna^ 
ba^  unb  cinii]e  anbere  au^  ben  Ucbrigen  l^inaufgögen  gu  beu 
Slpofteln  unb  ^^reSbijtern  in  gerufalem  biefer  grage  raegenO." 
^ie?e§  3}Ztttel,  beu  ©treit  beijutegen  unb  borüber  pr  ©ntfd^eib^ 
ung  gu  kommen ,  rautbe  von  allen  fo  f e^r  al^  "oa^  ridjtige  er^ 
fannt,  ha^  felbft  ^aulu§,  n^eld^er  an  Slnfeljen  feinem  nac^* 
ftanb  unb  fo  oft  fid;  barauf  berief,  baß  er  ron  d^ftriftu.^  ,,be^ 
rufener  Slpoiler'  fei,  fic^  fofort  bereit  fanb ,  bie  9li(^tig!eit 
feiner  £ef)re  bem  Urt^eil  ber  in  3erufalem  üerfammelten  2lpofiel 
5U  unterraerfen.  Dh  in  ben  erften  ©(^riftengemeinben  über  biefe 
2lrt,  Streitfragen  ju  entfdjeiben,  eine  münblic^e  UeberIieferungt)on 
bem  §errn  felbft  yorl^anben  war,  ift  ni^^t  in  entfc^eiben.  SebenfattS 
er!annten  Mc  burc^  ben  ©eift,  ber  bie  ^irc^e  leitet,  übereinflimmenb 
barin  ha§  reditc  3Kittel,  um  bie  ©treitigfeit  beizulegen,  ^lui^in 
Qerufalem  war  man  nidjt  im  9}linbeften  gmeifell^aft,  ma^  §u  ge? 
fd;el)en  l)abe,  um  bie  (ginljeit  ber  Mjre  in  ben  d^riftlic^en  ©emeinben 
§u  erl^alten.  5ll§  bie  Slbgefanbten  bort  angefommen  waren,  „muxhen 
fie  ron  ber  ©emeinbe  unb  üon  ben  Ipopcln  unb  $re^bt)tern 
empf-angen/'  ^ladjbem  biefe  t)ann  \\)x  Slnliegen  geprt  Ratten, 
unb  an&j  bort  „einige  au§>  ber  <5ecte  ber  ^^ariföer ,  meld;e  ben 
©lauben  angenommen  ^aikn/'  bie  3Rotl)n)enbig!eit  be§  jübi^ 
f(^en  ©eremonialgefe^e^  behaupteten,  mar  man  gleid^  einig 
über  ba§  ein^u^altenbe  3Serfal)ren.  „®a  rerfammelten  fi(^ 
bie  5Ipofiel  unb  ^resbxjter,  biefe  6a^e  su  prüfen  2)."  3n 
biefer  ^erfammlung  mürben  nun  guerft  „rielc  gemeinfc^aft^ 
li(^e  llnterfud)ungen  gepflogen/'  SS)iefe  9Borte  finb  ^ä)^  be^ 
mer!en§mertl)  unb  belel)renb  über  bie  2lrt  unb  Söeife  ber 
llebtmg  be§  ^öc^ßen  5lcte5  ber  firjjlid^en  Sel^rautorität.  Ob- 
gleid)  nämlic^  nie  ein  3}lenfd)  nac^  ßlirifiuS  eine  l)öl)ere 
£el)rgemalt  befeffen  l)atte,  al^  bie  Slpoilel  unb  oor  Mem  ^etru«, 
fo  traten  fte  nid)t  fofort  mit  einer  ©ntfc^eibung  auf,  fonbern 
ließen  „Diele  gemeinfi^aftlic^e  Unterfuc^ungen"  oorl)ergel^en,  um 
avL^  aüe  menfd)li(^en  TOttel  jur  i^larftellung  ber  gragc  ^u 
erfc^öpfen.  ®a^  ift  bie  ^orfi^rift  geblieben  für  bie  5lu§übung 
ber  unfeljlbaren  Sel)rautorität  in  ber  ^ird)e,  beren  2lu5= 
fprüdie  nur  erfolgen,  nac^bem  alle  natürlid^en  unb  menf(^li$en 
3Jlittel  äur  ©rgrünbung  ber  fragen  uorauSgegangen  finb.    ^ann 


1)  5(.  a.  O.  2.  —  2)  SßfrS  0. 


-     48     «--. 

filier  trat  $etrul  auf.  @r  berief  \id)  guerft  auf  feinen  befon= 
beren  £e!)rbenif  für  ble  Reiben:  „'^i^v  rciffet,  bog  ©ott  t)or 
langer  3^^^  ^^^^^  ^^^^^  ^"^  ern)äl)lt  tiat,  bag  bie  Reiben  biird; 
meinen  3Jluub  \)a§>  Sßort  be^  Güangeliumg  pren  unb  glauben 
foUen^)/'  S)ann  erinnert  er  baran,  ha^  ©ott  felbft  f(^on  biefe 
grage  eigent(i<^  entfi^icben  Ijahc,  ha  er  ja  ben  Reiben,  mlä)e  im 
ßtjiiftentfjume  aufgenommen  feien ,  bereit»  gan^  biefelben  ©naben 
gefpenbet  Ijabe ,  namentlid;  hen  l^eiligen  ©eift ,  mie  aud)  ben 
9^i(i^tf)eiben.  Unb  fo  gibt  er  benn  feine  ©rftärung:  bag  ben 
Reiben  biefe§  3od;  nidjt  auf  ben  Fladen  gelegt  raerben  bürfe, 
inbem  nidjt  Ijieburi^,  fonbern  burd)  bie  ©nabe  be^  i^^rrn  Qefu 
(El)rifti  Reiben  unb  ^nhen  bie  Selig!eit  erlangten.  Mit  biefen 
SBorten  be§  Ijeiligen  $etr  uS  mar  bie  gan^e  Streitfrage  gelöft  unb 
ben  (Sinbrud  berfdben  gibt  bie  Ijeilige  ©^rift  trog  ber  üorlier- 
gegangenen  lebl)aften  S^erljaublung  mit  benSßorten:  „®afd)mieg 
bie  ganje  3}knge"  —  ein  bcbeutung^rolle»  Qdä^en  ber  Slutorität 
be»  Ijeiügen  ^setrui?.  31  un  traten  ^arnaba^  unb  ^ au lu^  auf 
unb  eräätjlten,  „roeldje  grofse  Qdd)cn  unb  Söunber  (Sott  bur(^  fie 
unter  ben  Reiben  getljan^)."  5Caburc^  moHten  fie  offenbar  beftä^ 
tigen,  ma^  ber  lieilige^^etruÄ  über  bie  SSirfung  ber  ©nabe  unter 
Un  Reiben  oljne  ^^eobad)tung  be§  ßeremonialgefege^  gefügt 
l;atte.  gum  Sc^tu§  erljob  fid)  ber  33ifd)of  üon  Qerufalem, 
ber  Ijeilige  5lpoftel  Sacobus;  iljm,  aU  bem  ^ifdjof  ber  ©emeinbe, 
bie  faft  nur  au^  gubeni^riften  b^iianh ,  !am  e«  gu ,  am^  noc§ 
über  biefe  grage  ^u  reben.  (Sr  beftätigte  Im  SluiSfprud;  be^ 
Ijeiligen  ^etru^,  inbem  er  auf  bie  ^roplje^eiljungen  be^üglic^ 
ber  S3erufung  ber  Reiben  Ijinmie^,  unb  fteEte  gum  Slbfdjlufe 
ber  SSerlianblungen  '^tw  SCutrag,  \\\  biefem  '6mxt  ein  ©i$rei:= 
ben  an  bie  (Eljriftengemeinben  gu  SIntiodjien  ^u  richten,  ^as; 
mürbe  einftimrnig  angenommen.  3)ian  bef(jloJ3 ,  ben  Slbgefanb^ 
ten  Don  3lntiod;ien  gmei  Slbgefanbte  Don  Serufalem  gur  ^e^ 
glaubigung  ber  Slntroort  mitzugeben.  ,3^re  ©ntfd^eibung  gaben 
fie  in  einem  edjrciben  mit  ber  Ueberfdjrift:  „^ie  ^Ipoftel 
unb  ^re^bijter  entbieten  aU  trüber  benen,  bie  gu  Slntioc^ien 
unb  in  €i)rien  unb  in  (Eiliclen  finb,  ben  ©rübern  au»  ben  $ei^ 
\iin  iljren  ©rufe-^).''  ®ann  fagen  fie  üon  jenen  Subenc^riften, 
meld;e   oon  Subäa   nac^   2(ntiod)ien  gekommen  unb  ben  ©treit 


1)  91  a.  D.  '^.  7.  -  2}  ii?.  1^. 


-  3)  ;«.  2: 


-     49     - 

über  bie  ^Sefdjueibunß  juerft  angefangen  \)aiien:  „Wa  Ijabcn  ge* 
f)ört,  bafj  dnmge,  loel^e  üon  un§  ausgegangen  ftnb,  eud^  beun; 
ru^iget  I)aben  bur($  if;re  Dieben  unb  eure  ©emüttjer  üerroirrt 
l)ahe\\,  benen  nur  feinen  5Iuftrag  gegeben  t)atten."  ®iefe  22orte  ber 
l)eiHgen  SSerfammlung  finb  in  boppclter  §infic^t  bemer!en»roert^. 
<Bk  geigen  erften^,  raie  pr  Hebung  beS  Sel^ramte»  bie  „@enb  = 
ung"  notl)Tt)enbig  ift;  graeiten^  wie  uu§  ber  ^Inmafeung 
beS  Seljramt»  ot)ne  (Beübung  bie  ^rrle^re  entfiele.  £)ie  (^nU 
fd)eibung  felbft  beginnen  fie  mit  ben  überaus  ben!rmicbigen2ö orten: 
„(fa  Ijat  bem  fjeiligen  ©eift  unb  un^^  gefallen,  tnä) 
roeiter  feine  Saft  aufzulegen,  aU  biefe  not^roenbigcn  ©tücfe,  ba^ 
i()r  en6)  entl)altet  von  ben  ©öfeenopfern,  vom  33(ute  unb  von  bem 
ßrftidlen  unb  t)on  ber  lln5udjt ')."  ^ie  §eibenc^riften  würben  alfo 
auf  ber  einen  (Seite  von  ber  ^eobadjtung  bcS  jübifd)en  6eremo= 
nialgefe^e^^  gmar  entbunbcn,  auf  ber  anbern  (Seite  aber  Derpftid)tet, 
fi(^  auc^  von  aßen  ljcibnifd;en  G^räueln  be;3  @ö|enbienfte»  doII= 
ftänbig  ju  entl)alten.  £)ie  Stbgefanbtcn  jogen  nun  nad;  2lntio= 
d;ien  (;inab,  „üerfammelten  bie  gan5e  ©emeinbe  unb  übergaben 
ben  S3rief/'  beffen  3nl)alt  alle  „mit  greube  unb  ^r oft  erfüllte^)." 
3Bie  in  Qerufalem ,  fo  mar  alfo  anä)  in  2lntiod;ien  mit  biefer 
(Sntfd^eibung  beS  apoftülifL^^en  (5oncil;o  bie  Streitfrage  üoHfommen 
beenbet,  unb  ftatt  ber  UneiniglVit  !el)rte  miebcr  triebe  unb  ^roft 
hä  il)nen  ein. 

^a  f)aben  mir  baS  erfte  ßoncil,  bie  ßJrunblage  unb  ba§ 
SSorbitb  aller  fpätercn.  gragt  man  un^ :  „%k  roirb  bie  beoor= 
|iel)enbe  aUgemeine  ^ird^enoerfammlung  abgel;alten  merben  V  —  fo 
fönnen  mir  feine  erfd^öpfenbere  5lntmort  geben,  alö  bie:  ©erabc 
fo  mie  biefe§  crfte  apoflolifdje  Goncil.  T)a  feljen  mir  baS  üon 
©Ott  gefegte  mitkl  um  ba-5  ^öd;fte  &nt  ber  Iir(^e,  baS  göttlidje 
(Siegel  iljrcr  göttlid)en  2tb!unft,  bie  (Eintjeit  in  ber  2Bal)rl)eit  gu 
maljren ;  bie  „unitas  Spiritus  in  vinculo  pacis  —  bie  @inl;eit  bei 
@eiftei§  im  ^anbe  be»  griebenl  ^)."  ®a  fel)eu  mir  bie  erfte  Spaltung, 
bie  erfte  @efal)r,  bie  ßinljeit  in  ber  iungen  6l)rifiengemeinbe  gu  3er- 
rei^en;  ein  S^^orbilb  jener  inneren  c^ämpfe,  roeldiebaS  (if;riftentl)um 
im  Saufe  ber  3al)rl)unberte  tiefer  befc^äbigen  fotlte,  aU  bie  btutigften 
^Verfolgungen.  ®a  fel)en  mir  in  5lntiod)ien  mie  in  Serufalem 
Dolle  einftimmigfeit  über   \>a^   Heilmittel  ber  Spaltungen:    bie 


1)  21.  n.  D.  28  f.  —  2)  ^.  30.  f.  —  3)  ß^^ef.  4,  3. 
».  Rettet  er,  ba8  aügemelne  doncil. 


—     50     — 

^Urjammlung  ber  reditmä^igen  35orfte()ev  ber  ^ird&e. 
^a  fef)en  mir  einen  ^ a u In »  unh  einen  33arnaba§  i^re  Sel)re 
biefer  Autorität  uub  @ntfd)eibung  ol)ne  ade  SBiberrebe  nntev= 
werfen.  5Da  jeljen  mk  bie  2lpofteI  uub  ^$re0bi;ter  gufammen^ 
treten,  um  burd^  eiugetienbe  ^erat^ung  alle  menfd;(id;en  WMd 
5ur  Sluffläruug  ber  (Streitfrage  gu  erfi$öpfen.  ^a  feigen  loir 
^Jßetru»  an  ber  Spi^e  biefer  ^'erfammlung,  unb  bei  atter  grei^eit 
ber  ©rörteruntj  ^at  feine  Stimme  ein  eutfdjeibeubeS  lXebergeroid)t. 
2)a  feigen  mir  eine  (rntfd^eibuntj  mit  bem  voUen  ^Beroufetfein, 
\>a§>  Drgan  be-o  ()cilißen  ©eifteg  §u  fein;  mit  bem  Semugtfein, 
ba6f^  in  biefer  ^erfammlun^  ba^  Söort  Qefu  ß1)rifti  evfüHe: 
^3^  mitt  ben  ^ater  hxikn  unb  er  mirb  eud)  einen  anbern^röfter 
geben,  bamit  er  emig  bei  md)  bleibe,  "t^cn  6)eift  ber  2öal)rl^eit^);" 
„er  wirb  md)  attesa  leljren  unb  eud;  an  aüe^  erinnern,  maS  \d) 
md)  gefagt  l)abe^)/'  ^a  feljen  mir  enblid),  mie  bie  erften  (Sl)riften 
ben  Slu^fprud)  \)Qx>  unfehlbaren  Seljramteig  mie  ben  ^u^fprn^ 
©otteio  felbft  anneljnieu. 

©0  finb  alle  (^iurid^tungen  ber  ^irdje  (Sljrifti,  meldje  fpäter 
eine  fo  ßro^e  Entfaltung  ncl;men  follten,  mie  ^eime  fdjon  in  ben 
erften  Slnfängen  ber  J^irdje  entljalten.  Mex>  roa^  m§>  bie  ©efc^idjte 
unb  alle  ^üd)er  unb  Slbljanblungen  über  bie  allgemeinen  ßoncilien  lel)^ 
ren,  ba»  fpre^en  biefe  ©runb^üge  bcö  apoftolifc^en  Soncil^  nad;  ben 
Sßorten  ber  l^eiligcn  Sdjrift  fdjon  flar  unb  beutlid;  au^^.  Sößie 
bamaliS  bie  ^poftcl,  fo  treten  jel^t  iljre  9]ad)folger  ^ufammen. 
^iBie  bamal^3  '^,Utru;5,  fo  ftel)t  je|t  fein  9tad)folger  an  ber  6pi|3e. 
3Bie  bamalig  ber  Ijeilige  @eift  burd)  biefe  Ijeilige  ^^erfammlung 
rebetc,  fo  lebet  aud)  je^t  ber  l)eiltge  ©eift  burd;  't^a^  allgemeine 
(£oncil.  Unb  mie  bamal^o  alle  menfc^lidjeu  Miiid  ^uerft  erfdjöpft 
mürben,  um  bie  gragen  flar  gu  fteEen,  fo  mirb  e§>  and)  je^t  fein. 

®ie  Autorität  ber  attgemeinen  (^oncilien  l)at  beg^alb 
aud^  auf  Erben  felbft  bei  jenen  gro^e^  2(nfe§en  bel)alten,  meld)e 
uic^t  me^r  unter  bem  ^orfits  be^  l>  $etru§  in  einer  ^eratl;ung 
sufammentreten  fönnen ,  raeil  fie  \id)  t)on  biefem  Einl;eit§vun!te 
ber  ^ird^e  getrennt  \)dben.  ^  S)a6  ein  allgemeine^  Eoncil  ba!§ 
3le(^t  ber  ©ntf^eibung  in  ©lauben^ftreitigfeiten  befi^t,  ift  ein 
£el)rfag/  ber  nod)  bie  ^ir^e  be^  Drient^  unb  be^  DccibentsS 
miteinanber  vereinigt,  ber  in  ber  anglicanifc^en  ^ird)e  nod)  grofee^ 


1)  ^0^.  14,  IG.  —  2)  ^o\).  14,  26. 


—     51     — 

2lnfe()en  l)Qt ,  ben  uiele  ^roteftanten  um  fo  tüenii^er  gans  Der- 
raerfen,  aU  auä)  bie  crften  ^fteformatoren  fid)  otifäuölid)  auf 
benfelben  beriefen.  Um  fo  bemerfeueroertljer  ift  esS,  bafe  feine 
d;riftlic^e  ©emeinfd^aft  auäer  ber  römifc^eu  !att)olitd)en  Äiri^e 
biefe  ©inndjtung  au§  ber  erften  Qpoftolifc^en  3eit  nod^  befi^t; 
bafe  feine  nur  baran  benfen  fann,  eine  ö!iimemfd)e  €t)uobe  §u 
berufen;  um  fo  bemerfeuiSroert^er ,  bafe  bagegeu  ber  9ia(^f olger 
be)§  ^eiligen  ^  e  t  r  u  ^  feinen  5lnftanb  nimmt,  bie  tjan^e  diriftlidje  2ßelt 
bap  einjulaben,  um  in  berfelben  ^eife  Dor  biefer  apoftoli|d;en 
3]erfammlung  bie  ©treitigfeiten  in  ber  6l)riftent)eit  ^ur  ßntfdjeibung 
5U  bringen,  wie  e^  bie  erften  ß^ljriften  im  ^oncil  ju  Serufalem 
getl}an  ^aben. 

3.  2Bie  aber  in  ber  apoftolif d)en  gßit  ha^  St^ramt  ber  iürdje 
bie  £e§re  Qefu  verbreitete  unb  bie  6treitigfeiten,  erleuchtet  x)om 
l;eiligen  ©eift,  unfehlbar  entfd;ieb,  fo  blieb  cö  aud)  in  ben  fpä- 
tern  Qa^r^unberten. 

Sßaio  ber  (^eift,  meld^er  gegen  (Eliiiftu^  fämpft,  bamaU  in  Sln- 
tio^ien  i;)erfud)te,  Spaltungen  im  Glauben  Ijeroorgurufen ,  ba^ 
„eine  |>er§"  unb  bie  „eine  ©cele"  in  ber  d)riftlid;en  ©emeinbe  gu 
gerrei^en,  follte  fort  unb  fort  ber  eigentlidje  Äampf  gegen  bag  Dletc^ 
ber  2öal)r^eit  werben.  60  gleid;  in  ben  erften  3al)rl)unberten.  2ßie 
jene  3}Jänner  auä  ^iMa  irrige  ßeljren  au^  bem  3ubentl)um  in 
bie  ^ir$e  ß^rifti  l)inein  tragen  moEten,  fo  oerfud^ten  balD  anbere 
au0  bem  $eibentl)um  3i*ftl)ümer  ciu^  ber  l;eibnifc^en^l)iloiopl)ie  unb 
Sßeltanfd^auung  in  ber  ^irc^e  ©()rifti  geltenb  3U  machen.  ^a5  fonnte 
bamaU  ebenfo  toenig  ausbleiben ,  raie  je^t  unb  ju  aEen  Q^ikn, 
^a§  3Jiaterial,  am  roeldiem  bie  ^ir(^e  baS  Üieidi  ©otteö  unb 
ber  SBaljrlieit  aufbaut,  entnimmt  fie  ja  fort  unb  fort  ber  2©elt; 
eS  finb  bie  3)^enfi^en  mit  aEen  3rrt^ümetn,  meldte  fie  au^o 
ber  iebeSmaligen  3^i<^^t""9  i^  f^d)  aufgenommen  Ijaben;  unb 
fo  merben  biefe  3rrtl)ümer  immer  fid)  bemül;en,  in  ba§  Se^r^ 
gebäube  ber  d)riftlidjen  2öal)rt)eit  einzubringen.  ®er  SIpoftel  t)er= 
gleid^t  bie  3}lenfc^en ,  foroeit  fie  uod)  nidjt  üom  ©eifte  (Elirijii 
burd)brungen  finb ,  mit  bem  milben  Del5n)eig ,  roeldjer  auf 
ß;i)riftu§  ben  göttlichen  Delbaum  gepflanzt  merben  foE^).  @l)e  e§ 
gelingt,  bie  9Zatur  be;o  alten  DelaroeigeiS  umsugeftalten ,  fud^t 
biefer  felbft  bie  S'^atur  be^  göttlid^en  Delbaume^  jn  oerberben. 


1)  mm.  11,  17  ff. 


yi 


So  ba§  bamalige  §eibentl)um  mit  aüen  leinen  2lnfid)teu ,  tnit 
feinen  feinen,  mannicjalHßen  pljitofopfiifc^en  Spftemen. 

9Iur  ein  roefentlidjer  llnterfdiieb  in  5>ergleid)  jum  goitalter  ber 
2lpofiel  war  eingetreten.  S)ie  Sipoftel  lebten  nidfjt  mel)r.  Dagegen 
l)atkn  einige  von  xijncn  nnb  iljre  erfien  6djüler  einige  6d)riften 
^interlaffen ,  tljeil^^  Gr^ölilungen  au!3  bem  Seben  3efu  nnb  ben 
erften  Qlnfängen  ber  .^irc^e,  tfjeilc^  S3riefe  an  ©emeinben  nnb 
•Schüler,  uieldje  nun  aU  Ifoftbare  ^>ermäd)tniffe  ber  2(poftel  aU- 
ntälig  gefannnelt  nnb  in  grcßem  2lnfel)cn  geljalten  wnrben.  <Bie 
bilben  bie  ^üc^er  be^o  neuen  S:efta]nentev.  Söeldje  ^ebentnng  fie 
()atten/  ob  fie  aU  (Eingebungen  beso  l;eiligen  ©eifte§  in  betrad}ten 
feien,  äljulid)  raie  bie  ^üdjer  bc§  alten  3::cftamente0 ,  barüber 
fagten  biefc  ^üd}er  felbft  mit  2lu^?nal)me  be§  ^u$e§  ber  gel)ei= 
men  Cffenbarnng  nidjtxv  2Öeld)en  5öertl)  fie  alfo  l^atten,  meldjen 
©rab  t)on  ©laubmürbigfeit ,  meldte  ^ü($er  baju  gelji^rten,  ba§ 
olle0  raupten  bie  S^riften  nur  burc^  Die  lebenbige  Strabition,  über- 
rüad)i  burd^  ba^  lebenbige  Seljramt  ber  ^ir($e.  ©benfo  erfldrte  and) 
biefe^  £el;ramt  hen  magren  Einn  biefer  ©djriften,  wie  benn  über^ 
'^anpt  bie  S^riften  felbft  nur  einem  ^l^eil  ber  (5l)riften  gugäng-- 
li(^  maren  nnb  bie  3Raffe  be^^  djiifili^en  5[?olfe§  nur  burd^  ^er- 
mittelung  be§  Sebramte^  ber  ^irdje  mit  bem  3nl)alte  biefer  ©d^riften 
be!annt  mürbe,  ^a^  lebenbige,  von  ß^l)riftn^  eingefe^te  Se^ramt 
unb  bie  Ijeiligen  ©d^riften  geljörten  baljer  mefentlid)  gufammen  nn\> 
le^tere  maren  nur  fd)riftlid)e  g5ttlid;e  llrfnnben  be§  lebenbigen 
:^el)ramte^^. 

S)iefe§  3>erl)ältni6  gmifdjen  bcnt  göttlid;en  Seljramte  nnb 
ben  gi3ttli($en  llrfnnben  be§  Gl)riftentl)nm^  jerrig  ^iin  gemaltfam 
jener  @eift  ber  Spaltung  unb  ber  ^rilebre,  melc^er  öie  g5ttlid)e 
Sel)re  Qefu  nad)  menid}lid;en  93teinungen  umgeftalten  moHte. 
©r  nal)m  bie  Urhmben  ber  ^irc^e,  ftül3te  fid)  auf  bay  2(nfel)en, 
TOeld)e^  fie  nur  burd)  bie  ^irdje  aU  öotte§  2i?ort  befoßen,  ri§ 
fie  aber  loö  von  bem  lebenbigen  ©eifte ,  meieren  bie  i'lirdic  al? 
bleibenbe  (^abe  gu  il^rem  ^erftänbniffe  erljalten  Ijattc  unb  legte 
feinen  ©eift  unb  feine  ©ebanfen  in  W  gormen  be§  göttlid)en 
S[ßorte§.  So  ift  e§  geblieben  oon  ben  erften  3al)rl)unberten  bi§ 
l)eute;  fo  finb  alle  Qrrleliren  unb  ©lauben»fpaltungen  oline  9ln^5' 
na^me  entftanben.  i^iele  finb  in  bem  ^nHjume  befangen,  al§  ob 
bei  \}cn  ©lauben^fpaltungen  ber  legten  3al)rl;unberte  juerft  biefer 
©egenfaj  pifdjen  ber  Ijeiligen  Sd;rift  aU  einziger  ©lauben^quelle, 


~     53    — 

Iebtglt(^  t)on  bem  ^riüatgeift  ittterprelirt,  imb  ber  t\x6)lx^en  von 
bcm  Seljramte  öetraijeucn  ^rabitiou  c^eltcub  (3^"w^t  lüorben  fei. 
fRx^t^  ift  unri^liijer.  ©auj  berfdbe  &eo,en\a^,  ber  l)eutc 
5tt)tfd^eu  ber  fatljolifdjen  ^ix6)c  imb  aüni  c^riftlidjen  S3efennt- 
niffen,  tueldje  nur  bie  ()eilu3e  6(^rift  aU  dniio^e  ©laubenö^ 
quelle  ouerfenuen  ,  befielet ,  hc^iaM\)  ö^h^  genau  fo  in  ben  erflen 
3al)rl)unberten.  Sllle  alten  Qrrle^rer  beriefen  fidj  gerabc  fo 
raie  t)or  brei  3al)r^unbcrten  bie  Sleforniatoren  immer  unb 
immer  auf  bie  Ijeilige  6d)rift.  6eit  bem  brüten  3aljrl;unbert 
ift  feine  3rrlel)re  anber^  entflanben.  Unb  ebenfo  beriefen  fid^  alle 
S3erl^eibiger  hcs>  fatl)olifdjen  ©laubene  bamal^  aan^  fo  auf  ba^  ßel)r= 
,amt  ber  ^iri^e,  auf  bie  üri^jlidje  ^rabition,  mie  e^  in  'oen  le|tett 
brei  Qaljrljiuibertcn  bie  ^^ertlieibiger  bor  ^irdje  getl;an  l^aben.  S)ie 
Orogen  'Apologeten  ber  erften  d^riftlid)en  3^it,  meld)c  auä)  bie 
gläubigen  ^roteftanten  al§  bie  ^^ertljcibiger  ber  maljren  Seljre 
Qefu  aiierfennen,  bebienen  fid)  berfelben  ©rünbe,  bereu  fic^ 
l;eute  noi^  bie  fatljoUfdje  ^.irdje  bebient.  £ie  r.uelle  aller  3rr« 
tl)ümer  ift  im  Saufe  aller  (^riftlid;en  3al)rl)unberte  bie  ^eilige 
6d)rift,  oom  9}tenf(^engeift ,  rom  ^^rioatgeift  interpretirt ;  bie 
Quelle  aller  d)riftlid)en  2Bal)rl)eit  bie  Ijeilige  ©dirift,  Dom  Ijeiltgen 
Reifte  im  Seljramte  ber  .^ird)e  interpretirt.  ,ß^%  ijat  bem  Ijeiligen 
©eift  xmh  uuic  gefallen ''  —  ba»  ift  unb  bleibt  bie  einzige  üon  ®ott 
gefegte,  roal^re  Sluslegerin  beg  SSorte^  ®otte§. 

2öir  motten  l)ierüber  no($  gmei  geioid^tige  g^'i^ö^iff^  anfül;^ 
reu ,  ha§>  eine  auf  fatljolifc^er  6eite ,  baö  anbere  von  einem 
^roteftanten. 

5D  Ölung  er  ^ao^t  über  bie  @lauben^ftreitig!eiten  ber  erften 
Qaljrljunberte : 

„Tiefe  ^atl)olicität  bei  @ laube nl  ober  baö  ^rincip 
ber  ^rabitiou  mar  e«  nun,  meldje^  bie  ^äter  all  ben  ftärfflen 
unb  attcin  fd^ou  pöllig  auereidjenben  33eroeil  für  bie  3öal)rl)eit 
ber  ^ird)enlel)re  ben  §äretifern  entgegenl^elten.  3nbem  fie  näm- 
ü^  bie  2Bai;ngebilbe  berfelben  befiritten  unb  bie  Sebre  ber 
^^ird^c  gegen  il)re  Singriffe  rert^eibigten ,  erfannten  fie,  'tia^  eS 
Smar  Ijeilfam  unb  notljroenbig  fei,  jeben  einzelnen  S^rtl^i^m  ju 
miberlegen ,  jeben  fpeciellen  ©inmurf  5U  beantroorten ,  jebe  SSer= 
bre^ung  einer  S^riftftette  ju  rügen,  bog  aber  biefcl  3?erfaljren 
attein  feinelioegl  binreidje,  bie  .^ird)c  fieser  5U  [teilen,  bie 
6d)ir)an!enben  im  ©laubcn  ju  bcfeftigen,  bie  buri^  bie  ^unftgriffe 


-    54    - 

«nb  6öpl)i§men  ber  §äreti!er  irregeleiteten  3urü(J§ufü!)ren ;  fte 
fallen,  bog  eine  aEgemeine,  iinfe{)Ibare  (Slaubeii^regel  aufgeftellt 
werben  muffe,  mittele  wctdjer  jeber  SRcnfi^  in  jebem  Momente, 
oI)ne  in  bie  ^injelnlieiten  ber  (S^ontroperfe  einguge()en,  bie  ää)k 
ßet)re  (S^^rifii  unb  ber  5Ipoftel  t)on  bcn  unäc^ten  n)in!ürli(^en 
SJleinungen  ber  .göretüer  unterfd;eiben  unb  ba§  ju  ©laubenbe 
mit  irrt{)um?4ofer  ©id^erl)eit  ergreifen  !önne.  ^iefe  ®laiibeng= 
regel  mar  gegeben  in  ber  allgemeinen  immermafirenben  Ueber^ 
lieferung,  meldte  mä)i§>  anbre^  ift,  al§>  ber  !atI;olif$e  ©laube  in 
feinem  Urfprunge  unb  feiner  gortpflangung  aufgefaßt.  Me 
SSäter  beriefen  fid)  gegen  bie  ^äretüer  auf  biefe  3:;rQbition,  ober 
mnö  baffelbe  ift,  fie  geigten  bie  9]otI)meitbig!eit,  ber^irdje  unb 
\l)x  allein  {niä)t  fi^  ober  einem  anbern  3nbit)ibuum) 
ju  glauben.  Qmi  von  xißxen  aber,  Qrenäu^  unb  ^ertuHian, 
PeUten  bag  ^rincip  ber  ^rabition  au^fü^rlid)  bar  unb  mad^ten 
gegen  bie  §ärefien  il)rer  geit  aUe  bie  Folgerungen  geltenb, 
tt)eld^e  fid)  notljmenbig  au6  bemfelben  ergaben,  unb  bie,-n)ie  baö 
^rincip  felbft,  iugleic^  für  alle  Reiten  giltig  finb.  ®er  erfte  i^at 
e§  in  feinem  2öer!e  gegen  bie  ©noftifer,  ber  Slnbere  in  einer 
eignen  ©dirift,  welker  er  Den  au§  ber  Sprad^e  be)§  römifc^en 
9^e$t§  entlelinten  STitel  Praescriptiones  gab^.  Qlire  S)arftellung 
be^  ^rincip^  unb  feiner  golgen  lögt  fic^  in  folgenben  Qno^en 
jufammenfaffen. 

1)  1)ie  ^ird^e  Ijat  ba^  (s;i)ariema  ber  3Saljrl)eit  aU  eine 
emig  fortbauernbe  (S^nabengabe  empfangen ;  bie  2Ipoftel  l)aben  mie 
in  einer  reidjen  33orratl)^!ammer  iljre  ?el)re  in  ber  ^ir^e  voH^ 
ftänbig  niebergelegt,  unb  nur  bei  il)r  ift  fie  bal^er  gu  finben. 
SSie  aber  bie  gefammte  tirc^e  in  bem  ^efi^e  ber  apoftolifdjen 
2ßal)rl)eit  ift,  fo  ift  e!o  ouä)  jebe  einzelne  ^iri^e  ober  ©emeinbe 
al^  ©lieb  be0  grof^en  @an§en  unb  fo  lange  fie  in  ber  organifd^en 
^[^erbinbung  mit  bem  (fangen  bleibt. 

2)  ^ie  Slpoftel  üben  unb  lel)ren  fort  in  iljren  9kd)folgern, 
ben  ^ifd)öfen;  biefe  finb,  mag  bie  5lpoftel  maren,  Organe  ju= 
gleid^  unb  2ööd)ter,  ^emal^rer  be^  ©laubeng,  ber  apoftolifd^en 
Üeberlieferung.    ^a  in  ben  ^irc^cn   eine  ununterbrod)ene  2luf- 


1)  „Praescriptio  r^ei^t  ein  ^icd^tegrunb,  burd^  Jüefrfien  ber  ^roceffirenben 
^nrtei,  o^ne  ba^  man  fid^  auf  bie  Unterfurfiung  ber  einzelnen  ÄlagepunJte 
einautaffen  traucbte ,  gteic^  luni  vorn  l^erein  baS  ffied)i  ju  nagen  aDge-- 
f^rod^en  h?erben  foH." 


—    55    — 

^eiuanberfoltje  dou  ^ifd;öfeii,  bte  mit  einem  3(poftet  ober  einem 
t)on  einem  Slpoftel  ©ingefe^ten  begonnen  ijat,  befteljt,  fo  ift  bnrd^ 
bieie  ^eifienfolge  andj  bie  nnnnterbvod;ene  g^ortpfianpng  be§ 
6lQuben§  uon  (^ef(^lc(^t  jn  (3c)d)M}t,  fo  wie  i^n  bie  SIpoftel 
mitoet^eilt  Ijabcn,  ücrbürcjt;  bie  Se^ve  ber  5lpoftel  ift  alfo  ni(^t 
etma^  ^engangcnei? ,  \x>a§>  erft  mieber  gefndjt  nnb  ^iftorifd)  ober 
fritif^  auegemittelt  werben  mü^te,  fonbern  etmag  SebenbigeiS, 
jebem  SJlomente  oortjunben  nnb  gegenioärtig. 

3)  Sßenn  3n)eifel  ober  Streitigfeiten  entfte!)en,  bann  Ijaben 
bie  apoftolifc^en  6tQmm=  ober  9}?utterfird)en  (ecolesiae  matrices), 
raeldje  unmittelbar  von  ben  SIpofteln  geftiftet  morben  finb,  eine 
entfdjeibenbe  Stimme,  Dorsiiglid)  aber  bie  9i.ömifd)e,  mit  melier 
alle  im  ©lanbcn  übereinftimmen  muffen.  3^^'^^^*  P"^  ^^^^^^  "^^^ 
fpater  entftanbenen  .^irdjen  apoftolifd),  burd^  mittelbare  2lb= 
ftammung  nnb  bnrdj  bie  ß^leid^ljeit  ber  Seigre  (pro  consanguini- 
tate  doctrinae);  aber  bei  biefen  S^oi^terürdjen  finbet  immer  ein 
^er^ältnig  ber  Unterorbnnng  gegen  bie  33Zntterfirc^en,  befonberö 
gegen  bie  9iömif(^e,  ftatt. 

4)  Qu  bem  Streite  mit  ben  §äretitern,  meldie  bie  ürc^lic^e 
5Intorität  nnb  "Irabition  Dermerfen  nnb  fid)  auf  bie  Ijeilige 
Sd)rift  berufen,  wirb  ^mar  bie  Sd^rift  dou  ber  ^rabition  unter= 
fd}icben;  aber  fie  gehört  al§  ^l)eil  5ur  lird)lid)en  ^rabition 
nnb  ift  mefentliij  (Sin§  mit  berfelben.  (S^3  ift  alfo  (Sin  (goan= 
gelium,  ba§  gefc^riebene  nnb  ba^  lebcnbigc,  ftet»  oerfünbigte; 
jene^  barf  nidjt  oon  biefem  lo^geriffen  merben,  ba  e§  aU  an 
ftc&  tobter  S3nd)ftabe  ber  3lu§legnng  nnb  Deutung  bcbarf,  meiere 
nur  mittelft  beiS  lebenbigen,  in  ber  ^tirdjc  fteto  forttönenben 
2Öorte§  ber  llcbcrlieferung  gcfd;el)en  !ann.  5Da  ferner  bie  miinb- 
lidje  5t;rabition  fd)on  ba  mar  vov  ben  erften  Hrfunben  ber  ge:= 
f(^riebenen  ^rabition,  b.  l).  uor  ber  beiligen  Sd)rift,  ba  biefe 
erft  au^  jener  gejc^öpft  ift,  fo  ift  bie  münblid;e  lleberlieferung 
(bie  ober  immer  von  einem  ,3eitabfd)nitte  jum  anbern  gngleid) 
aui^  eine  gefd;rieben-e  mirb)  ooUftänbiger  aU  bie  S(^rift.  ^ie 
§äreti!er  nun,  wel^t  fid^  von  bem  lebenbigen  ©oangelinm  ber 
^rabition  lo^gefagt  Ijaben,  nnb  für  meld)e  bal)er  bie  l^eilige 
S(^rift  nic^t  gel;ört,  tonnen  nid)t  jur  53erufnng  auf  biefelbe  ju= 
gelaffen  werben;  benn  e§  fel)lt  il)nen  ber  Sd;lüf]et  3um  ^tx-- 
ftänbniffe  ber  S^rift. 


-    56    "- 

5)  %a  bie  ^ir$e  nidjt  oI)ne  ben  @(aukn,  ber  ©laube 
m6)t  ol)ne  bie  ftete  3tetn[)eit  uub  2(ed;t^eit  ber  UeberliefenmQ  bc^^ 
fte{)cn  famt,  fo  fle^t  bieie  mxicv  ber  unmittelbaren  Seitun  13  be5 
ber  Rixö)e  oerljei^enen  unb  n)ir!li($  gegebenen  ^eifteg  ber  2öal)r= 
Ijcit.  ^ie  ßrljaltung  ber  reinen  apoftolifd)en  i^el^re  ift  alfo 
md)t  nur  »erbürgt  buri^  bav  !ird)li($e  Qnftitut  beö  @pi|fopat«, 
fonbern  aud)  burd)  bie  nie  auf^örenbe  Ginmirfung  be§  göttli(^en 
@eifte§  in  ber  Äird)e;  unb  bie  ^ird^e  ift  bemnad)  gegen  jebcn 
3rrti)um  gefid;ert  einmal  burc§  bie  ftete  gortbauer  be^o  2Ipoftolat§ 
ober  bie  ununterbro($ne  Succeffion  rei^tmä^ig  orbinirter  ^ifd)ofe, 
unb  bann  bur(^  ben  i(}r  inn)o!)nenben  göttUdjen  ©eift,  von  rael- 
djem  fie,  mie  au§  einer  immerbar  ftrbmenben  QueEe  \\)xt\i 
©tauben  in  jebem  3J?oment  iljre^  ^afein^  empfängt.  60  ftef)en 
etjriftu^  unb  ber  f)eilige  ©eift  in  fteter  TOttljeilung  unb  @emein= 
fd)aft  mit  ber  £ird)e  unb  bur»^  fie  mit  jebem  ßinjclnen.  5lud) 
barum  alfo  tann  bie  Ijeilige  ©dirift  nur  in  ber  ^ird)e  rid)tig 
erHärt  unb  Derilanbcn  merben,  rceil  nur  ber  ^ir(Je  jener  ©eift 
tnmoljnt,  melc^er  bie  (Schrift  felber  eingegeben  ^aV)." 

©an5  äl)nlid)  fprii^t  fid)  Seffing^)  in^^e^ug  aufbieprotc= 
ftantif^e  ©lauben^regel  an§,  bag  bie  ^eilige  6(f;rift  bie  aue= 
fi^liefelic^e  üueße  ber  Sef)re  Qefu  fei.  Qu  feinem  bcfannten  6treitc 
mit  bem  gauptpaftor  ©oe^e  in  Hamburg  t)ertl)eibigte  Seffing 
unter  anberen  folgenbe  ©äge: 

„2lud;  mar  bie  ^Religion,  efje  eine  ^ibel  mar." 

„^a^  (E^riftentt)um  mar,  e^c  ©üangeliften  unb  SIpoftel  ge= 
((^rieben  f)atten.  Q:^  t)er{ief  eine  geraume  3eit,  e()e  ber  erfte 
j)on  ilinen  fdirieb;  unb  eine  fe^r  beträ(^t(id)e,  elje  ber  ganje 
Ganon  in  Staube  fam." 

„e§  mag  alfo  ron  biefen  Schriften  nod)  fo  oiel  abljangcn: 
fo  !ann  boc^  unmöglich  bie  gange  2öal)r^eit  ber  c^riftlic^en  iHe^^ 
ligion  auf  if)nen  berufen.'' 

,,2ßar  ein  geitraum,  in  melc^em  fie  (bie  c6riftlid;e  '^c^ 
ligion)  bereite  fo  ausgebreitet  mar,  in  me(d)em  fie  fid)  bereits  fo 


1)  Dr.  2)  ö  l  n  n  g  e  r ,  ^^nnbburf)  ber  tfjviftticfien  Äirc^cn.ieid)lcl;tc.  ^an'ii^' 
l^ut  183B.     33b.  1.  §.  26. 

2)  £effing  toar  freitic^  nirfit  gläubig  unb  fanf,  luie  feine  Briefe  über 
3lai^an  ben  2Bcifen  bnvt^un,  au^  ben  Stanbinmft  bc§  inilgärcn  ^nb![forcii= 
tigmuä  gurütf;  ba§  beeinträchtigt  aber  bie  3^icf}tig!eit  feiner  vJ^i^ofop^itfcben 
unb  ^iftcrifrfien  Äritif  in  biefcv  Badje  offenbar  nicfit. 


t)ieler  Seelen  kmäd^ttriet  Ijaite  mtb  in  nield^em  gleii^iooljl  no(^ 
fein  ^iK^ftabe  an§>  bem  von  Hjx  auföejeicfjnet  raar,  ma^  bi5  auf 
ung  ße!ommen  ift:  fo  nmfe  e^  anä)  inö(](i(^  fein,  ba§  aÜeS,  n)a§ 
bie  (^üQnßcliften  unb  3(poftel  gefd^rieben  f)aben,  raiebcrnm  verloren 
gtentje  nub  bic  von  iljnen  geleljvte  9le(igion  boÄ  beftünbe*)." 

5.^ort  feinem  ©egner  onfoeforbert ,  fid^  p  erüären,  raaä  er 
unter  „ber  (^riftlicl^en  Steligion"  üerftelje,  rae^e  beftel)en  fönne, 
„wenn  auä)  bie  Sibel  üößiöt  üerloren  öi^nge,  wenn  fie  fdöon  längft 
üer(oren  gegangen  wäre,  loenn  fie  niemati^  geroefen  wäre"  — 
antwortete  Seffing,  bag  er  nntcr  ber  d)riftU(^en 'Migion  „alle 
btejenigen  ©lauben^Mjren  üerftelje,  welche  in  ben  6i)mboli§  ber 
erften  üier  ^al^rl^nnberte  ber  d^riftlid^en  £ir($e  entl)alten  finb." 
^i(uf  (55runb  biefer  ©rflnrung  fteUt  er  bann  folgenbe  (Söge  auf : 

„%ex  Inbegriff  jener  ®laubenc>be!enntniffe  fieigt  bei  bcu 
älteften  53Ötern  Regula  fidel/' 

„®iefe  Eegula  fidei  ift  nid;t  au^  'om  @d)riften  be»  neuen 
^eftament^  gebogen." 

„^iefe  Regula  fidei  mar,  d)c  noä)  ein  einjige^  35uc^  be5 
neuen  5teftament^  eyiftirte." 

„TOt  biefer  Regula  fidei  Ijaben  fic^  ni($t  alleitt  bie  erften 
(Sf)riften  bei  Sebjeiten  ber  5(poftel  begnügt:  fonbern  anä)  bie 
nad)foIgenben  6[)riften  ber  ganzen  erften  mer  3[a()rl)unberte  ^aben 
fie  für  roflfommen  Ijinlänglic^  gum  (£l;riftentl^ume  gel)alten." 

„®iefe  Regula  fidei  alfo  ift  ber  %eU,  auf  meldten  bie  ^ird^e 
6t)riftt  erbauet  morben,  unb  nid)t  bie  Sd^rift/' 

„^k  d^riftlidje  9fletigion  ift  in  "om  erften  uier  3a!)rl)un^ 
berten  au§^  ben  (gdjriften  beö  neuen  ^eftamentiS  nie  ermiefen, 
fonbern  (jöd)ften^  nur  beiläufig  erläutert  unb  beftätiget  morben." 

„'5)er  33emei^,  baß  bie  Slpoftel  unb  ßoangeliften  il)re  6d)riften 
in  ber  2lbfid^t  gefc^rieben,  bag  bic  djriftlid&e  9teligion  ganj  unb 
xjoflftänbig  barau^  gebogen  unb  ermiefen  roerben  lönne,  ift  nid)t 
gu  fül)ren/' 

,,^er  33emeil,  ha^  ber  beiltge  ©eift  burd)  feine  Leitung  e§ 
bennod^,  felbft  ol)ue  bie  5lbftd}t  ber  Si^riftfteller,  fo  georbnet  unb 
öcranftaltet ,  ift  nod)  weniger  ^u  fül)ren." 


1)  £cffing§  fämmtt.  3Ber!e.    Serliu    18(30.    e.  143—148. 


—     o8     — 

„^n^  niä)t  einmal  aU  autljentifd^er  (Kommentar  ber  ge^ 
fornrnten  Kegula  fidei  ftnb  bie  6($riften  ber  5lpoftel  in  'om  erften 
3a!)rljunberten  Uixofi)Ut  lüorben," 

„Hub  bog  war  eben  ber  ©runb,  roanim  bie  ältefte  St\xä)e 
nie  erlauben  troUte,  baf3  fid^  bie  le^er  auf  bie  Schrift  beriefen. 
S)ag  raar  ehtn  ber  ©runb,  warum  fie  burd)au»  mit  feinem 
^eger  an^  ber  6d)rift  ftreiten  wollte^)/' 

3m  weiteren  Verlaufe  ber  ßontroDerfe  erHärte  Seffiug 
„runb  Ijerau^,  "oa^  ei  ni(^t  maljr  fei,  ba^  alle  2e):)xtx  ber 
c^riftli^en  ^ird)e,  oljne  llnterfd)ieb  ber  üerfc&iebenen  Parteien, 
bie  S3iBel  für  ben  einigen  fielirgrunb  ber  djriftlic^en  Religion  Ijal- 
ten/'  $Diefe  ^eljauptung  liatte  ihm  nämlicl)  fein  Gegner  aU 
einen  „üon  aUen  vernünftigen  (Sf)riften ,  oon  aUen  Seigrem  ber 
d)rifllid)en  Äirdie"  angenommenen,  „feinem  gmeifel  unterworfenen 
©runbfa^"  entgegen  gehalten. 

Unter  2lnberem  weift  bann  Sejfing  auf  bie  ®efd)id]te  bei 
erften  ©oncili  oon  5^icäa  l^in,  wo  bie  rerfammelten  ^ifdjöfe 
in  i^rem  SSerfaljren  gegen  bie  Slrianer  fidi  auf  einen  gan§  an- 
bereu  Seljrgrunb  fteEteu,  weli^en  Seffing  in  folgenbe  @ä|e 
jufammenfagt: 

„^er  @ieg  ber  l;eiligen  Schrift  über  bie  ^e^erei  ober  bie 
^raft  ber  l)eiligeu  €c^rift  in  33eftimmung  ber  ^ed^tgläulng!eit 
l)ai  iiä)  auf  bem  ^^icöifc^en  ^oncilio  nur  fdjledjt  erwiefen.  ^uxä) 
bie  Bä)x\\t  ift  auf  bemfelben  fdjledjterbingi  nidjtiS  au^gemadjt 
worben/' 

,,.3a,  ben  red;tgläubigen  ^^ätern  !am  ei  im  geringften  nid)t 
ein,  iljreii  Sel)rfa|  au§  ber  6d)rift  auä)  nur  erweifen  gu  wollen. 
@ie  flauen  bloi  bie  ^erablaffung,  auf  bie  ©i^riftftellen ,  weldje 
bie  5(rianer  bagegen  anfülirten,  übel  unb  böfe  ju  antworten." 

„©ie  gaben  il)ren  Sel)rfa|  für  feine  3Bal)rl)eit  an^ ,  bie  in 
ber  @(^rift  flar  unb  beutli$  entljalten  fei,  fonbern  für  eine 
2öal)r6eit,  bie  fi$  t)on  ^l)rifto  unmittelbar  l)erfc^reibc  unb  iljuen 
Don  §8ater  auf  Botyx  treulid)  überliefert  worben." 

„Sie  erwiefen  alfo  nur,  ba§  bie  ©^rift  biefen  Ueberlie= 
ferungen  niä)i  wiberfpred^e." 

„Unb  ber  G^ebraud),  ben  fie  \om^  von  ber  6d)vift  machten, 
war  ein  ganj  anbrer,  aU  ber,  ben  man  uni  neuerer  geit  auf- 


1)  21.  a.  0.  e.  239-243. 


-     59     - 

gebrungen  Ijat;  raeld^em  gu  golgc  na^  bem  gar  mä)i  gefragt 
wirb,  roaS  unö  überliefert  raorben,  fonbern  aus  ber  einzigen 
6(^rift  unmittelbar  beftimmt  roirb,  wa^  uns  Ijätte  überliefert 
werben  f ollen." 

,,6ottte  bie  Ueberlieferung  gar  ni(f)t  mit  in  SÄnfd^lag  !om= 
men:  fo  müßte  man  beljaupten,  bafe  jeber  vernünftige  3}^ann, 
ol^ne  im  geringften  eUva§i  oon  bem  (s;i)riftentl)ume  gu  miffen,  baS 
gange  6l)riftentl)um  auS  ben  neuteftamentlid^en  ©c^riften  einzig 
unb  allein  gieljen  unb  abfonbern  fönne;  unb  baran  peifle  i^  fel^r." 

„@($abe,  'oa^  baoon  feine  @rfal)rung  gemad;t  werben  fann, 
inbem  n)ol)l  fdfiraerlid)  ein  vernünftiger  SJlann  §u  hen  neutefta^ 
mentli^en  6(^riften  !ommen  bürfte,  ol^ne  baS  ©^riftentl)um  t)or= 
l)er  §u  fennen;  unb  bie  ^unft,  es  wieber  §u  vergeffen,  wenn  er 
gu  biefer  vermeinten  einigen  Duelle  nun  felbft  fommt,  no($  foll 
erfunben  werben*)-" 


1)  91.  a.  D.  ^.  245—25!, 


VI. 

Die  irratje  aller  iragcn:  äDaljdjctt  ökr  ^cepticiömuö? 

„3ßüQ  t[t  Sßo^rl^eit?"      3ot>.  18,  38. 

^tleia  Ijängt  alfo  baüon  ab,  ob  \ene§>  Söort  ber  ^Ipoftel  auf 
t{)rem  ^oncil:  „Q^'ö  Ijat  bem  fieilicjcn  ©eift  mib  iin§  öefallen" 
aud)  jefet  ncd)  roatjr  ift,  ob  aud)  je|t  nod;  ber  Ijeiütje  ©eift 
burd)  bie  Äirdie  über  ben  rcaljren  Qnljalt  ber  Scl;re  ^efii  un= 
trüglid)  cntjd)eibet,  ob  e§  ein  unfeljlbare^  Seliramt  ber  ^ir(%e 
gibt.  Jl^eun  e^3  !einel  gibt,  bann  finb  aUe  Streitfracjcn  über  ben 
lüabren  3n(jalt  ber  Dffenbarnng  unlösbar,  ^r^tr  muffen  bann 
barauf  oeräid)ten,  ben  ©inn  berSef)re  Qefu  untrüglid;  auf^ufin^ 
ben.  ^a§  liei&t  aber  ben  (Eceptici^mu^v  bie  Seigre,  eg  gebe  gar  feine 
fidlere  SBaljrljeit  unh  aUe§>  fei  ^roeifel^aft,  auf  \)a§>  (SfiriftenKjuni 
anroenben.  S)ann  muffen  mir  aber  aud)  barauf  oerjid^ten,  felbft 
über  bie  legten  natürlichen  ^aljrtjciten  üolle,  truglofe  @emi§()eit 
gu  finben,  bann  bleibt  bie  gragc :  ,,5[öa§  ift  3Baljrljcit?''  —  unge= 
lüft  auf  ©rben,  bann  bleibt  ber  B^^if^^t  ^'^^  nnfclige  Soo^  be§ 
2Jlenf($engefd)Iedjt§ ,  bann  fällt  ber  menfd)lid)e  ©eift  and)  auf 
biefem  (^chkte  bem  8ceptici§mu§  onf)eim, 

1.  O^ne  unfe()lbare  M)rautorität  gibt  Cy  fein  'Mittel,  um 
bie  Streitigfeiten  in  ber  G(;riften()eit  über  bie  Se^re  gefu 
gur  Gntfd;eibung  §u  bringen;  fein  9}littel,  je  mieber  bie  @lau= 
ben''einl)eit  f)er§ufte[Ien. 

2)a§  fann  uidjt  beftritten  nn\)  mufe  oon  aiien,  bie  eine 
tiefere  Ginfid;t  in  bie  @ef^id}te  ber  ^Haubeneftreitigfeiten  baben, 
zugegeben  merben.  5(ud)  bie  ^rütfftanten  muffen  anerfen= 
neu ,  bag  nad^  t>cn  ©rfaljiungen  ber  lobten  brei  3al)rf)unberte 
iebe  Hoffnung  eitel  ift,  burd^  geleierte  Sluylegung  ber  Ijeiügen 
6(^rift  bie  Streitigfeiteit  unter  ben  (Stjriften  über  bie  ma^re 
Sel)re  Qefu  beizulegen  unb  fo  eine  ^sereinigung  ^ergufteHen.  ^a§ 


—     Ol     — 

ift  ahex  für  jebc^^  Gfiriflett^er^  ein  tvofttofer,  unerträgli^Jer  (53c= 
banfe ;  bae  muB  iebem  ^roteftanten,  ber  (Ei)riftu^^  liebt,  bie  grac^e 
nahelegen,  ob  bcnn  md)t  6f}viftu§  ben  3JJenfd)en  ein  anbere^ 
SJiittel  öCijeben  \)at,  um  bie  ©laubene^einl)eit  ju  ben)al;ren. 

e^riftnio  ift  mit  ber  erflärten  5lbfi(^t  aufgetreten,  alle 
SJJenfdjen  in  ber  9BaI)r!)eit  unb  in  ber  Siebe  §u  üereinüjen,  unb 
^mar  in  fi(^,  in  feiner  ^^^erfon,  in  feiner  flöttlidjen  unb  menfd)- 
lid)en  5Ratur.  2öie  er  in  ber  9J?enfd}merbung  bie  menfdjlid)e 
DIatur,  bie  er  angenommen,  mit  fid)  üereinigt  t)at,  fo  mitt  er  in 
ber  ganzen  SBirffamfeit  feiner  c^iri^e  jeben  einzelnen  3}^enf d^en 
mieber  mit  feiner  9}^enfd)Ijeit  unb  baburd;  mit  feiner  ©ottljeit 
Dereinigen,  ^o ,  oXl  9)littelpun!t  ron  allem,  tritt  er  auf : 
,,3c&  i^in  ber  ma^re  SBeinftod;"  „bleibet  in  mir  unb  \^  in  eui^I" 
„3d^)  bin  ber  2©einfiocf,  i()r  feib  bie  Sfteben;  raer  in  mir  bleibt 
unb  id)  in  ibm,  ber  bringt  Diele  grudjt^."  „3<^  bin  bie  Sliif- 
erftel;ung  unb  ba§  Seben ;  roer  ^x^.  mid)  glaubt,  mirb  leben,  felbft 
menn  er  geftorben  ift,  unb  jeber  ber  ba  lebt  unb  (\xi  m^  glaubt, 
ber  mirb  ni(^t  fierben  in  @tt)ig!eit.  ©laubft  bu  ba§?"  ^Hiartba 
antraortete :  „Qa,  §err !  \^  glaube,  \io!^  bu  (5l)riftu0  ber  ®ol)n  be§ 
lebenbigen  ©otteg  bift,  ber  in  bie  SBelt  gefommen  ift^)."  5l(Ie§ 
bejielit  er  auf  fii^ ,  auf  feine  ^erfon.  Gt  felbft  ift  bie 
©runblage  be§  $riftlid;en  Sel)r=,  Sebenö=  unb  Siebe^©ebäubel. 
35>er  i^n  er!ennt,  erfenntburc^  il)n  alle  2öal)rljeit,  mer  il)n liebt, 
liebt  in  iljm  unb  burd^  il)nalle;o  ^5ute.  2)arum  belobt  er  ben 
©laubenbe^  $etru^  unb  be§  5ll|omaö  an  feine  ©ottl)eit;  barum 
TOill  er  mel)r  geliebt  fein,  al5  3^ater,  3)tutter  \\^  .tinb.  <So  einigte 
er  in  fi($,  in  feiner  ^^erfon  feine  jünger  unb  befiegelte  biefe  6inig= 
ung  burd^  jeneg  3lbenbmaljl,  melc^eg  iljnen  in  bem  maleren  ©e- 
nu6  feine»  Seibeio  unb  ^lute»  eine  ganj  übernatürlid)e  maljrl^atte 
Bereinigung  mit  il^m  oerliel).  ®iird)  bie  (Scnbung  be!3  Ijeiligen 
@eifte§  erl;ielt  bann  biefe  Ginljeit  il)re  Botlenbung,  ba  biefer 
eroige,  göttlidjc  ©eift,  ber  3Sater  unb  €ol)n  in  eroiger 
Siebe  vereint,  nun  and)  feinen  2Bol)nfig  in  ben  ^er^en  ber  ©r= 
Ibften  nel)men  unb  \i(x^  tiefinneilidjfte  ^rincip  il)rer  @inl)eit 
roerben  rooHte. 

Um  aber  jn  biefer  Ginljeit  in  6l)riftul  gu  gelangen,  bebarf 
ber  9)ienfd)  einer  fo  reinen,  lebenbigen  unb  ungetrübten  ßr!ennt= 


1)  ^0^.  15,  1.  4-5.  —  2)  ^ol;.  II,  25  ff. 


—     62     -~ 

ni^  ber  ^erfon  Qcf  u,  wk  bie  2lpoftel  fie  Cjatten.  ^enn  e^  geiiört  5um 
SSefen  ber  geiftigen  Statur,  bofe  fie  burd^  @r!ennen  unb  Siebe  mit 
einem  Slnbern  geeinigt  unb  üerbunben  merbe.  ^a§>  ©rfennen 
ift  aber  roieber  bie  Orunblage  ber  Siebe.  SBir  lönmn  3eful  nid^t 
naä)  feinem  S3efel)le  über  aUeg  lieben,  xoenn  mir  i^n  nid^t  juerft 
aU  über  aEeS  lieben^raürbig  erfannt  ^aUn.  Um  jebod;  gu 
biefer  ©rfenntnife  Qefu  gu  gelangen  unb  burd)  biefe  (£r!ennt- 
uiB  unb  Siebe  in  iljm  mit  allen  SHiti^riften  in  ber  „©inl^eit  be^ 
©eifteiS"  unb  bur«^  ha^  „^anb  be§  grieben^''  geeinigt  ^u  merben, 
muffen  mir  mit  roller  5!(ar^eit  miffen,  roer  er  ift,  raa^  er  roill. 
Qebe  tlngemifel)eit,  jebe  lln!larl)eit,  jeber  S^Jeifel  über  bie  ^er= 
fon.Qefu  gerftört  in  i^rer  ©runblage  bie  (5inl)eit  ber  ß^riften^eit, 
meil  biefe  einzig  unb  allein  auf  ber  ^eifon  (El)rifti  unb  in  ber 
S3erbinbung  mit  il)r  berul)t. 

2)iefer  fefte,  !lare  ©laube  an  3efu§,  an  feine  ©ott^eit, 
feine  Se^re,  feine  ®nabe,  ber  bie  3Jlenf(^cn  fo  innig  mit  6l)riftu^ 
x)erbinbet ,  ba§  baburd;  ^inmieber  bie  fo  üerbunbenen  3Jlen= 
fd^en  ©in  ^erj  unb  (Sine  Seele  merben,  fefet  aber  eine  göttlid^e 
Se^rautorität  t)orau§;  eine  Slutoritöt,  bie  be^^alb,  meil  fie  gött= 
lid;er  ©infefeung  ift,  mit  berfelben  6i(j^erl)eit  bie  @r!enntni§  Qefu 
»ermittelt,  mie  fie  bie  Slpoftel  burd^  ben  Umgang  mit  3efu^ 
erl)ielten;  fe|t  eine  ^ixä)e  rorau^  mit  berfelben  göttlid)en  ^c^ 
glaubigung,  mie  ߣ)riftuS  fie  an  fi^  trug  unb  fie  in  feinem 
Seben,  in  feinen  2ßunbern,  in  feiner  übernatürlidjen  ©rfd^einung 
hm  3Jlenfd;en  offenbarte,  ^ie  Äird^e  ift  befe^alb  nid^t  nur, 
wie  mir  f^e  biMjcr  betrad^tet  Ijaben,  eine  Seljrerin  ber  Seljre 
3efu,  au^geftattet  mit  ber  Unfel)lbarfeit,  um  biefen  göttlid^en 
<5(li)a^  ungetrübt  allen  9}Zenfc^en  jujutragen;  —  fie  ift  nod^  me^r, 
fie  ift  gugleid;  eine  immer  fortlebenbe,  ben  ß;^ara!ter  göttlid;er 
S9eglaubigung  an  fid^  tragenbe  3^wgin  t)on  bem  Seben,  ben 
SBunbern,  ber  2luferftel)ung ,  ber  ©ottl^eit  3efu.  ^al)er 
bag  tiefe  SBort  be^  l^eiligen  5luguftinu§:  „^6)  mürbe  bem 
©oangelium  nid;t  glauben ,  xoenn  mid^  nid;t  bie  Slutori- 
tät  ber  Äird^e  baju  beftimmte  0-"  5Dal)er  aber  auä)  bie  (Sr= 
fd^einung,  bag,  rao  ber  ©influfe  ber  .^irdje  fd)roinbet  unb 
bie   Sel)rautorität    ber  ^ird^e  t)ermorfen   rairb,  bie  ©inl)eit  be^ 


1)  Contr.  epist.  Manirh.  (Fundam.)  c.  5.  edit.  Migne  tom.  8.  p.  176. 


-     63     — 

©Iauben§  mel)r  unb  meljr  Derloren  ßeljt,  bi^a  man  enbUc^  felbft 
an  if)rer  3)^öglidi!ett  üergweifelt. 

®a§  beiueift  ber  gläubige  ^roteftanti^muiS.  3Ba^  an  leben-- 
bigem  (Etji'ifteuglauben  nod)  Dor^anben  ift  im  proteftantifdien 
)l>ol!e,  baic  t)erban!t  e§  lebiglii^  bem  fat^oUfdien  ©laubeii^princip, 
ha§>  im  ^roteftantiemu^  nocl)  mä($tig  fortraivft,  ber  Slutovitdt  unb 
bcr  Ambition  in  ben  gamilien  unb  ber  ^rebigt.  5DQg  be= 
weift  bie  gried)ifd)e  Üix6)e.  2öa0  bort  an  lebenbigem  (E^riften- 
glauben  no(^  übrig  ift,  t)erban!en  fie  ber  Slutorität,  bem  Sel^r^ 
amte.  ^a§  bemeift  oor  allem  bie  fatljolifd^e  ^ird)e  mit  il^rer 
maljren  Seljrautoritdt,  rce^e  rui)t  auf  bem  gunbamente  ber 
Slpoftel.  5Da!3  beroeift  enblii^  jene  Ü^ic^tung  im  $roteftanti§= 
mu^^ ,  meldte  fid^  von  aller  £et)rautorität  lo^gefo^t  unb  rein 
auf  ba§  proteftantifije  $rincip  ber  inbioibueEen  $yorfd)ung  in 
ber  (jeiligen  6d)rift  fi(5  gefteüt  l^at.  ^iefe§  göttliche  S3u(5  mirb 
bann  ni$t  eine  Cueße  ber  (Sinigung,  fonbern  ber  Spaltung;  ber 
menfc^lic^e  @eift  gibt  feinen  3rrtt)ümern  unb  Irrwegen  ben 
6(^ein  einer  ^ö^eren  ^eredjtigung  unb  gerrt  fo  lange  an  bem 
SBuc^ftaben,  bi^>  er  enblti^  bie  @öttli(^!eit  ber  ^eiligen  Urfunbe 
felbft  leugnet.  Sleljnlid)  rcie  ber  SJlaterialii^mug  ben  @eift  im 
3Jlenfc^en  leugnet,  weil  er  i^n  nid^t  fie^t,  fo  leugnet  biefe  3^id^t= 
ung  §ule|t  auc^  ben  ©eift  ©otte^  in  bem  gefd^riebenen  2öortc 
®otte§.  ^a»  le|te  6tabium  ber  SSerirrung  ift  "oann  enblid^ 
ein  ©oangelium,  eine  ^irdje,  ein  (El)ri)tent^um  mit  ^^er^id^t^ 
leifluug  auf  jebeS  gemeinfd;aftlid^e  ©laubensbefenntniß.  ®a§ 
ift  bie  mobernjle  entmicflung  im  fogenannten  ^roteftanten^ 
oerein;  ein  2luf geben  jeber  d;riftli(^en  2öal;rl;eit  unter  bem 
edieine,  'oa^  ha§>  bie  malere  ^ird^e  eijrifti  fei.  Söeld^  eine 
«erirrungl  Söelc^  eine  Um!el)r  be^  ei)riftent^umg !  SBeld^  eine 
2:äufc^ung  be^  d^riftüdjen  ^olfeö!  3mar  fagt  man,  bag  man 
bem  einzelnen  ben  (S)lauben  nid^t  uerroe^re,  aber  bie  2lnfid)t 
©injelner  maä)t  Mne  religiöfe  (^emeinfd^aft  an^;  ba§u  mufe  bie 
SSerbinbuug  al§  folc^e  oon  einem  gemein(c&aftlid[)en  ^efenntnig 
getragen  fein,  (^im  befenntni&lofe  SSerbinbung  ift  feine  re= 
ligiöfe  5,^erbinbung ,  Mne  ^ird;e,  feine  d;riftlid^e  ^ird^c,  fonbern 
ein  6pottbilb  berfelben.  (So  roeit  fül)rt  bie  letzte  Gonfequeuj  besS 
„5öorte!§  ©otteS"  o^ne  5lutorität;  ha§>  ift  ber  ©cepticiSmuS 
im  ei)riftentl)um  unter  bem  ©c^ein  be^  (i;i)riftentl):im§;  bie  D^egation 
ber  ^ird^e  unter  bem  ©d^ein  einer  d)riftlid§en  Äird^e;   baig  ift 


—     04     — 

bic  ^ergtüeiflumj   bei   men)d;[id^en    ©eiftel    an    ber    d)riftli(^en 
2öo!)r^eit. 

2Benn  e^  bal^er  fein  dou  ©Ott  gefe^te^  SeE)ramt  gibt,  burd) 
roel^el  rair  gum  ^eft|e  bei:  n)al)ren  Sel;re  3efu  gelangen,  bann 
muffen  roir  folglid^  auf  alle  l)eiligen,  I)oI)en  Sbeale  be^-  (5t)rifteu= 
tt)um»  verjiditen;  bann  bleibt  Spaltung  in  ber  ß'l)riften^eit  bi§ 
au»  Gnbe  unb  fie  wirb  immer  meiter,  immer  tiefer,  immer  allge= 
meiner ;  bann  ift  ha^»  cor  iinum  et  anima  una  für  immer  i)on 
ber  (Erbe  üerfc^rounben. 

Wö6)kn  bod)  alle,  bie  (El^riftul  lieben,  babei  aber  felbft 
\)a^  TDon  ©Ott  gur  §ütung  ber  d)riftli($en  3.lVil)rl)at  gefegte  fiel)r- 
amt  üerroerfen,  beben!en,  bafj  erfteny  ii)r  eigener  GVlaube  nid)t 
bie  maljre,  göttUdje  ©runblage  Ijat;  bajs  ^loeiten^  fie  fid^  ba= 
burd)  5aljllofer  ©naben  bei  (I^riftentl)umi-3  berauben  unb  \>a^  fie 
~b ritten 5  einer  ©eiftesrii^tung  angeboren,  bie  'ba^^  (El)rifientl)um  un= 
auefpred)li(^  üerroüftet  unb  fie  fid)  felbft  oorunferem  ^errn  unb  3}^ei- 
fter  S^iuS  (i;i)riftu»  5um  ?0^itfd)ulbigen  biefer  ^erraüftung  ma^en. 

erften»:  3i)r  Glaube  l^at  ntd)t  bie  ma^re  ©runblage. 
Wlaw  fann  nidjt  baö  ©lieb  einer  Mk  gerreifjen  unb  biefen  dli^ 
baburd)  Ijeilen,  baß  man  an  bem  einen  @nbe  t)iele  neue  klinge  an* 
fegt,  ^ie  Sänge  be»  einen  önbe»  eifert  nidjt  tien  6(^aben. 
60  !ann  ber  ^roteftanti^muS  nid)t  burd)  bie  feit  ber  Spaltung  abge= 
laufene  Bteilje  von  Sauren  hm  9Uf5  auc^füüen,  ben  er  burd;  bie  S^renn= 
ung  Donber  ^ird)e  (E^rifti  l)eroorgerufen  l)at.  ®ie  apoftolif^e  ^ette, 
in  ber  fidj  bie  red)tmäBige  6enbung ,  bie  5>orimad;t ,  "t^a^»  2lmt 
üon  (£ljriftu§  Ijer  fortpflanst,  ift  unb  bleibt  gerriffen  unb  !ann  burd) 
nic^t^  gel)eilt  tuerben.  ©»  ift  fein  2luftrög  ba  unb  feine  3Sollmad)t. 

3 m  e i te n ^^ :  6ie  berauben  fid)  un^äljUgcr  ©naben.  'änd) 
jene  apoftolifd)e  ^ük,  in  ber  fid)  bie  übernatürlid^en  ©naben 
fortpflanzen,  ift,  üon  ber  ^aufe  abgelesen,  für  fie  gerriffen:  bie 
jaframentale  ©nabenfette.  S5^ie  fein  Sel)ramt  ha  ift,  fo  ift  feine  Wla6)t 
ba,  ben  Meufd^en  übernatürliche  ©naben  5U  fpeuben.  ©^  ift  feine 
6ünbenuergebung  ba,  e»  ift  feine  ^ollmad)t  ba,  ha^  allerl)eiligfte 
6aframent  bei  Slltarl  giltig  ju  üermalten,  unb  baljer  feine  maf)re 
©egenmart  Qefu  6l)rifti  im  Saframent. 

S)rittenl:  ©ie  felbft  müd)en  fid)  ju  ©enoffen  einer 
Sfli^tung,  bie  fie  fo  tief  betlagen,  meil  fie  nod^  an  (5l)riftul 
glauben,  ß^riftu»  lieben  unb  in  il)m  il)r  einjigel  §eil  finben. 
(So  lange   fie  bie  von   ^Ijriftul   eingefegte   Se^rautorität   vtx- 


^    65    - 

werfen,  tragen  fie  im  ©rnnbe  bie  3Jiitfc^ulb  unb  bie  SJUtoer^ 
antroortUc^feit  für  jene  unfelige  gerfe^ung  unb  ^lufTöfung  im 
ef)riftentl)um,  raelije  wir  t?or  Slugeu  '^o.htw  unb  roeld^e  im  ©runbe 
eine  totale  Seugnung  be^  großen  @e{)eimniffe§  göttUd^er  ^x- 
barmung  in  ber  SJIenfd^raerbung  be^  6oI;ne»  ©otte^  ifi 

2.  S)ieSeugnung  einer  uon  ©ott  eingefe^ten  Sel^rautorität 
für  bie  unüerfälfd^te  Q3en)al;rung  ber  Sel;re  3efu  füf)rt  aber 
fc^liegUii)  nic£)t  nur  gur  33er5n)eif[ung  an  jeber  objectiü  fieberen 
©rfenntnig  ^riftUd^er  S©al)rl^eiten ,  guni  d)riftli(^en  (Sceptici^= 
mu^,  fonbern  aud^  jur  ^^er§n)eiflung  (\xi  ber  ^JJöglic^feit  einer 
objectio  roaljren  unb  begljalb  roßfontmen  fid)ern  @r!ennt= 
nig  ber  ^öd)ften  3]ernunftmaljr^eiten.  ©ie  mad^t  aße^  ©r- 
fennen  be^  3)knfd)en  über  l^ö^ere  unb  tiefere  gragen  §u 
einem  relatioen  3}leinen;  fie  fü()rt  batjin,  ba^  ber  3JIenfd^  auf 
bie  grage:  Söa^  ift  SSaljrljeit?  —  antiüortet:  2öir  n)iffen  e^ 
nid^t;  n3ir  roiffen  rooljl,  bag  wir  in  un5  ein  ©eelenrermögen 
t)aben,  meld^eiS  nad)  SSaljrljeit  I)ungert  unb  bürftet,  wir  wiffen 
\od^\,  ba6  fein  S3ebürfni§  ber  Dktur  fo  gro^  ift,  aU  ba§  ^e* 
bürfnig  nac^  2öa^rl)eit  unb  bennod^  gibt  e^  !eine  fid;ere  2öaf)r= 
t)eit  für  un§  3JJenfd^en.  ®a^  ift  bie  Sftücüe'^r  gum  ljeibnif($en 
©ceptici^mu^  am  Gnbe  ber  öielen  c^riftli^en  '^(x):jx^i\x[\>txit ,  '^k 
l^inter  un§  liegen. 

tiefer  Suftanb  ift  in  ber  %\)o,i  eingetreten.  S)a^  ift 
t)ielfa(^  ber  3wftanb  be^  menfd)lidf)en  ©eifte^  in  ber  ©egen= 
wart,  nad^bem  er  ftd^  üon  ber  göttlidjen  £e!)rautorität ,  Don 
jener  forttönenbcn  Stimme  @otte§  lo^gemad^t  Ijat.  ^eibe  @r= 
f($einungen  ftammen  aui§  berfelben  Quelle;  bort  \ia^  33er^ 
gierten  auf  eine  objectio  ridjtige  unb  begfjalb  allgemein  gil= 
tige  ©rfaffung  ber  Sel)re  Qcfu,  Ijier  ein  ^^erjid^teu  auf  eine 
objectio  ridjtige  unb  befeljalb  allgemein  giltige  ßrfaffung  ber 
!)öl)eren  35ernunftwal)rl)eiten.  daraus  entfpringt  bann  Ijier  wie  bort 
bie  tief  in  bie  (^eifter  unfere^  Qaljrliunbert^  eingebrungene  2ln= 
fd;auung,  \^o.'^  in  \)txi  l)ö duften  gragen,  dou  benen  bie  (ix- 
fenntnife  unb  bie  (Srrei(5ung  unferer  ^eftimmung  abljängt,  jebe 
3}ieinung  gleid;  beredjtigt  fei.  SSoljl  fennt  ba^  ei)riftentl)um  unb  bie 
SSernunft  ben  ©runbfa|  an,  baß  ber  3J?enfd),  ber  einem  unoerfd^ul- 
beten  3rrtl)um  rebli(^  l)ulbigt,  feine  ^Verantwortung  für  ilju 
trägt  unb  bafe  wenn  er  nad;  bemfelben  Ijanbelt,  iljn  leine  6djulb 

».  Rette I et,  tag  aügemcine  ßoncit.  5 


~     60     — 

trifft,  ^orau^  aber  bie  gol9erunt3  gielien ,  'oai  jebe  fubjectbe 
2lnfid)t  gleid)  gut  fei,  auf  gleidjeo  9Ied)t  2lnfprud)  l)abe,  ift  nidjt 
mei)x  eine  golßerung  au§  ber  eben  be5ei($neten  2Bat)rt)eit,  fonbern 
eine  2lnfid)t,  lüeld^e  in  ber  ^er^iüeiflung  an  einer  bfeibenben  ob- 
jectiüen  Söaljrljeit  ober  rcenigfteng  Sföaljvljeit^evfenntnife  für  un» 
3)^enfc^en  iljren  ©runb  Ijat. 

^iefe  ©eifte^rid^tnng  nun,  bie  \)a§>  (i(;ara!teriftif(^e  nnferer 
3eit  ift  unb  auf  bem  ©elnete  ber  natürlid)en  SBnI;rl)eit  ebenfo  an 
einer  fi(^ern  2öat)rt)citöer!enntni^  Deräraeifelt  roie  bie  t)orl)er  ge- 
fd)ilberte  auf  bem  ©ebiete  ber  (^riftüd)en  'löatirtjeit,  Ijat  ä^n- 
i\6)  n)ie  le^tere  im  ^roteftantenuerein,  and)  eine  ^erbinbung  in 
bem  :^0i3ent)ereine,  in  bem  gveimaurertljume,  foiüeit  nämli(^  bas- 
felbe  in  bem  ßemöfinlidjcn  Sogenleben  ben  3}Iitgliebern  fnnb  roirb. 
©ans  ^^^  ^^^  ^roteftanteuüerein  ein  3]erein  angeblich  für  ßl)riften 
ift,  o^ne  nur  eine  einzige  (^riftlii^c  2öal)rljeit  gur  SSebingung  ber 
3Jlitgliebfd;aft  ^u  machen,  gan^  fo  n)i(l  ber  9}laurerbunb  ein  ^er=^ 
ein  affer  9)ienfdjen  fein  ^ur  Pflege  be^  l^umaniemuCv  aUe§>  ©nten 
unb  ^djönen  in  ber  SJtenfdjljeit,  oljne  nur  eine  einzige  Ijö^ere 
^ernunftmaljrbeit  über  't)m  malfiren  (l^runb  be^  ©uten  unb  (Sd)ö= 
nen  feft^uljalten.  ©er  $roteflantent)erein  mit  feiner  5ßoI!ö!tr(^e 
ift  ein  SSerein  pon  Sljriften,  mo  jcber  über  (E^riftu^,  ß;f)riftent{)um, 
(Etjriftenleljre,  ßf)riftengnabe  benfen  !ann ,  rt)a§  er  miE;  alfo  ein 
angeblid)  djriftlic^er  i^erein,  oI)ne  ba^  ein  d)rift(id)er  ©ebanfe  bie 
STtitglieber  Dereinigt  —  ein  SBiberfprud)  in  fid)  fclbft.  €o  ift  bie 
Soge  ein  SSerein,  ber  'i:>tn  3}lenf($en  gu  feinem  ]E)öd)ften  meufd^en- 
roürbigen  ©afein,  jur  Ijödjften  fittlic^en  Sßürbe  erljeben  n)iff,  ofjne 
anä)  nur  bie  not^roenbigfte  ©runblage  aller  6ittlid;!eit,  ben 
©lauben  an  einen  perfönlidjen  (^oti  von  ben  TOtgliebern  in  forbern  ^). 
Uebrigen^  finb  beibe  Vereine  naf)e  nevmanbt:  ber  ^roteftanteuDerein, 
—  ber  organifirte  d;riftlid;e  ScepticiiC^mu,«,  ba^5  greimaurertljum  — 
ber  organifirte    ^^ernunftfceptici^mu^S  beim  ber  ScepticienuijS  ift 


1)  ^ic  brci  öi'o|3cn  SJhitterlogeii  itt  33erliii  galten  nccl)  [djcinbar 
ba§  dn-iftlidjc  ^riuciv  fc[t,  b.  f}.  bie  33ebinguni],  baf]  ein  3)Jitgricb  (Sfjrift  fein 
muffe.  2;iefe  2lnfcrbening  ift  a&cr  in  ber  lleOunii  gang  liur!iuuv?tco  gelüor- 
ben  unb  faft  in  aikn  Sogen  aufgegeben.  eiefteBt  and)  mit  ben  „alten  ^flid): 
ten"  gana  im  2Biberfv>nid;)  unb  ift  nuv  fpäter  eingefüf^rt.  Siebe  hierüber  bie 
i^reimaui'erfd;rift  Satomia,  ^^b.  2G.    S.  1  ff. 


—     07     — 

überall  berfelbe.  ^eibe  rcben  t)on  (^(jviftii^,  ß^riftentljum,  ^ird^e, 
©Ott,  Steügion,  ^^ot^iöetibüjfdt  berfelben ,  in  fllcid)  über- 
f(^tx)änßli($er  SBeife,  beibe  geljen  aber  baüon  au^,  baß  man  t)on 
aUcn  biefen  Ijerrlic^en  ^iiu]en  eUn  md)i§>  ©eraiffe^  raiffen  fönne. 
^a§  aber  eine  ^Idjtung  ror  S)inoen,  raeld^e  fo  ungeraig  finb, 
ba§  jebe  2lnfi(^t  über  fie  gleid)  gut  ift,  gu  bebeuten  Ijat,  üerftet)t 
fii^  Don  felbft.  53eibe  3]creine  arbeiten  bat)er  au«^  für  einan- 
ber.  ^er  ^roteftantenucrein  mit  feinem  $roje!te  einer  5>ol!§s 
!ir($c  ift  eine  ©ytenfion  ber  Soge  in^  d;riftUt^  proteftanlifd)e 
Sßol!;  eine  ^orljalle  für  jene,  beren  gu^befleibung  gu  fdjmugig 
ift ,  um  in  bie  geraeif)ten  9täume  ber  Sogen  ein§ntreten ;  er  ift 
ber  mit  bem  Sd^eine  ber  d)riftlid)en  ^irt^e  §ugebedte ,  unter 
i()m  üerftedte  Q.serfud^,  ba^  gläubige  proteftantifd^e  SSolf  unter  bie 
§anb  ber  Soge  gu  bringen,  ^aljer  ftcl)en  aud)  Sogenbrüber 
überall  an  ber  ©pi|e  ber  53en)egnng  jur  ©rünbung  ber  neuen 
^o[Ut\xä)e.  ©ine  SJlijfion  von  (El)riftu^3  !)aben  fie  ba^u  gemife 
nid;t,  ob  fie  eine  TOffion  ber  Soge  baju  Ijaben,  fteljt  ba^in. 

Uebrigen»  !ann  unl  biefe  SSer^meiflung  be»  fit^  felbft  über- 
laffenen  menfd)lic^en  ©eifte^o,  aEgemein  giltig  unb  objectio  üoHs 
fommen  ridjtig  bie  Seigre  Qefu  unb  bie  Ijö^ern  ^Senunft^roa^r- 
l)eiten  über  ©ott,  Urfprung  unb  3^^'^  ^^^  3Jlenf^en  erfennen  ju 
fönnen,  nii^t  überrafd;en.  ©^  liegt  tl)r  t)ielmel)r  eine  relatioe 
9lott)n)enbig]feit  gu  ©runbe  unb  fie  fonnte  and)  j[e|t  erft  in  biefer 
SluÄbeljuung  ben  ©eift  ber  3Jlenfd)en  erfaffen.  ©er  3Jieufd)engeift 
toar  im  Slltertljume  hti  feinen  gorfi^ungen  nie  ganj  frei  üon 
jeber  Seitung.  @r  ftanb  üielmeljr  unter  jal)(lofen  bered)tigten  unb 
unbered)tigten  beftimmenben  ©inflüffen.  ©ie  uralten  ^rabitionen 
bCiS  2}^enfrJ^engefdjlec^te^3,  bie  Staatlreligionen  unb  ha^  ©taatjS- 
wefen,  W  3Jleinung  ber  3Sorfal)ren  übkn  auf  ben  ©ebanfenfrei;! 
ber  3}tenf(^en  hen  tiefeingreifenbften  (Hinflug.  S)a§  mar  feljr  ua= 
türlid),  ha  ja  ha§>  ganje  3Jlcnf(^engefc^led)t,  je  nü^er  c»  feinem 
Urfprunge  ftanb,  bie  ©inbrüde  jener  Slutorität  in  fid;  tragen 
mu^te,  bie  e§>  burd^  il)re  2lllmacl)t  au§  bem  9ti(^t§  in§  ©afein 
gerufen  {)atte.  @rft  ßljriftu^  l)ai  ben  mcnfd^lid^en  ©eift  von 
a\itn  falfd)en  Slutoritäten  befreit;  freilid^  nur  in  ber  2lbfid^t,  um 
if)n  ber  maliren,  göttlid^en  Slutorität  ganj  §u  unterroerfen.  "^enn 
nun  biefer  ^hnfcliengeift,  ber  uon  feiner  ©efd)id)te,  feiner  ^rabi= 
tiort,  feinem  2lnfel)en  ber  58oreItern  mel)r  getragen  ift,  ber  feinen 
6tols  barin  fe^t,  nii^t^  mel)r  al§  Slutorität  gelten  gu  laffen,  fid^ 


—    68    ~- 

au$  von  biefer  ßöttltd&en  5lutorität  tu  (E^riftu§  lo^madjt,  fo  fann 
eg  nur  gu  leid)t  gefd^e^eu,  ba&  er  enblid^  bei  ber  ^ergmeifluug 
an  ber  3Jtö9lid;!eit  einer  bur($au^  fiebern  ©rfenntnife  ber  ^ö^ern 
2öa{)rl)eit  anlangt. 

S)er  nienfd^lii^e  ©eift  gang  auf  fid;  angeraiefen,  ift  nnb  bleibt 
jroar  befäl^igt,  SBar^l^eit  ju  erfenuen,  nnb  er  verliert  befeljalb 
nie  ganj  biefeö  ^eraufetfein;  er  ift  aber  and)  bem  grrttium  un= 
terroorfen.  ßr  fann  \iä)  n\d)t  üer^e^len,  raie  Diele  3}iitmenf($en 
von  feinen  '^n\id)kn,  mögen  biefe  nod)  fo  reblidö  fein,  abroeii^eu. 
Sßie  leidet  fann  il)u  ha  in  hen  Ijödjften  nnb  loidjtigften  gragen  ber 
graeifel  befi^leic^en,  ber  ©ebanfe :  Qft  ha§>  raaljr,  raa^  'i)n  benfft, 
!5nnte  e^  nid)t  auber^  fein?  gerner  ift  ber  nienf(^(ic^e  ©eift 
nid^t  ber  abfolute  ©eift,  nid^t  ber  ©eift,  ber  an  unb  au§  fic^  eroig  ber^ 
felbe  ift,  eroig  unb  unronnbelbar  bie  2ßal)rl)eit  erfennt.  2Bie  oft  ha^ 
gegen  roirb  ber  3)ienfd;  baran  erinnert,  bQ§  fein  teufen  an  unb 
an§>  fid^  fel}r  Ijinfcidig  ift;  roie  oft  fiel)t  er  felbft  im  ^^erlaufe 
be^  eigenen  Seben^  feine  Segriffe,  mit  benen  er  bie  ^ingc 
f  äffen  roill ,  fid)  änbern;  roie  oft  finbet  er,  ha^  biefe  Segriffe, 
bie  gorm  feiner  ©ebanfen  üon  'ücn  S)ingen,  nid;t  objectii) 
rid^tig,  ha^  fie  §u  flein  ot>er  in  roeit  ober  gar  unoernünftig 
roaren,  bajß  itjuen  3}lomente  fehlten,  bie  ju  bem  3Befen  ber 
^inge  geljörten.  Unfer  ganje»  2cben  ift  ja  ein  Sftingen  nac^ 
biefen  objectio  rid)tigen  Segriffen,  ^enn  nun  ber  menfdjlic^e 
©eift  babei  gan§  fidj  fclbft  iiberlaffen  ift ,  roie  feiten  roirb  e^  bann 
in  ber  Sage  fein,  mit  jroeifedofer  ©eroiglieit  fagen  gu  fönnen:  Qdö 
befi^e  j[egt  bie  2öal)rl)eit,  roie  fie  an  fid)  ift,  roie  fie  für  mid^  unb 
für  alle  ift,  roie  fie  eroig  bleiben  roirb.  ^a^  ift  faft  unmöglid^ 
für  ben  gan§  fid)  felbft  überlaffenen  9Jlenfc^engeiit.  Söie  fe^r  ift 
er  bann  ber  ©efaljr  au^gefel^t,  ba§  nad)  langem  vergeblichen 
Sftingen  jeneö  fd)redlid;e  ©djidfal  aud;  iljn  treffe,  roeld)e^  un^ 
ber  Slpoflel  ^aulu§  üon  jenen  Reiben  fd^ilbert,  bereu  „Ser* 
ftaub  mit  ginfterniB  t)erbuu!elt  ift,"  „bie  eutfrembet  finb  bem 
2ehcn  @otte§  burd)  Unroiffenljeit,  bie  blinb  finb  in  iljrem  gergen 
unb  enblid^  in  ber  Ser^roeiflung  an  ber  2Bal)rl)eit  fid;  allen 
Süften  be^  Seben^  l^ingeben^)." 

<So  notljroenbig  bebarf  ber  Wlcn\d)  einer  göttlichen  Leitung  auf 
bem  Sßege  gur  2[i5aljr]^eit ,   fo  tief  entfprid^t  bie  £e^re  ber  d;rift* 


1)  epl^ef.  4,  18.  19. 


—    69    -. 

Ii$en  ^ir$e  Don  il^rer  unfeljlbaren  Sc^irautorität  bem  imierften 
SBebürfni^  ber  Bede  be^  SJJenfc^en,  ^a0  ift  't)a^  „©ntroeber 
—  Ober"  für  ben  3}tcnfc5en9eifi : 

©ntroeber  er  folgt  ber  ©timme  (Sf)rifti,  bie  gu  il)m  rebet. 
^ann  rcirb  er  felbft  ben  grieben  firtben,  oon  £{$t  ju  2\^t,  t)on 
©eimfeljeit  §u  ©eraiglieit  f ortfi^reiten ,  in  jene  glüdfelioe  geiftige 
SSerbinbnng  eintreten ,  bie  fo  ijiele  ©eelen  bnr($  alle  d;rifilid^en 
3Ql^rl;unberte  anf  Grben  nnb  im  gimmel  mit  (S!)riftn§  cerbinbet, 
bi§  er  felbft  gnr  eroigen  2lnf(^auung  be§  eroigen  Sid^te^  gelangt; 

Dber  er  folgt  nur  fid;  nnb  bem  £id)te  feiner  SSernunft. 
^ann  roirb  i^n  ber  3"^eifel  verfolgen  nnb  raftlo^  treiben  bis 
ans  ßnbe  feines  ©afeinS  ;  bann  roivb  er  t)on  einer  3)kinung  jur 
anberen  roie  Dom  Sßirbelroinbe  uml)ergetrieBen  roerben;  bann  roirb 
er  in  ber  ^erjroeiflung  an  ber  SSa^rf^eit  unb  an  feinem  (Seifte, 
an  aUcn  Ijöl^eren  ^'i^een,  fic^  blinblingSin  bie  9)laterie  ftür^en;  bann 
roirb  er  alle  geijligen  33anbe  gerreifeen,  roelc^e  iljn  mit  anberen 
9}lenf(^en  vereinigen  nnb  enblid^  ein  Sltom  unter  rielen  anberen 
Sltomen  werben,  bie  alte  üereingelt  auf  eigenen  Qrrroegen  roanbelm 

3e  meljr  biefer  ©eij^  beS  ScepticiSmnS,  ber  S^erjroeiflung 
an  l)öl)erer  2öal;rl)eitoer!enntnig  in  nnferen  ^agen  zugenommen 
I)at,  befto  roeniger  !önnen  roir  uns  rounbern,  ba§  ©ott  roieber 
in  an^erorbentli($er  2ßeife  gu  ben  SJJenfc^en  reben  roiH,  um  fie 
üon  biefen  Qrrroegen  äurüd^ufül^ren. 


VII. 

®f$rn|latt?)  ititb  ffirenjcn  bcs  ttttfel)ll)arrn  £fl)raittteö  ber  Ätrd)e. 

„©Ott  ter  §crr  bracMe  l^crüor  .  .  bcn  33aum  be§ 
2e6en§  in  ber  STcitte  beö  ^arabie|e§  unb  ben  93oum 
bei-  (Srfenntni^  be^  ©utcn  unb  beä  Sbfen  xmb  ein 
^lu^  ging  auä  com  Drte  ber  SBonne,  um  baä  ^arabieä 
gu  beitJäffern."  1.  3?Jof.  2,  9  f. 

§ie  tjcilioe  €d)rift  kßinttt  bie  ©efdjiditc  ber  9)lenfd)I)eit 
mit  bctn  irbifdjen  ^^arabiefe.  6ie  ie\o,t  ur\§>  in  bemfelben  einen 
„^Qum  be§  SebenS''  unb  einen  „33aum  ber  ©ifenntnife  be^  ©uten 
imb  SBöfen^).''  ^urc^  ben  ©cnuß  t)Dm  S3annte  bes  Sebens^  fol(= 
ten  bie  3Jienf$cn  ba§  Seben  fid)  beraaljren.  ©ie  bnrften  aber 
»  nur  fo  lange  t)on  bemfelben  effen  unb  baburc^  ba§  Seben,  n)eld)e^ 
nuS  einer  übernatürlidjen  ©emeinfdjaft  mit  ©ott,  bem  emigen  Seben 
unb  ber  alleinigen  üuelle  alle.^^  Sebcn§  cntfpringt,  aU  fie  im 
©e^orfam  gegen  ©ott  fid)  erl)ieltcn.  Wdt  bem  Ungel)ovfam  marb 
ber  3Jlenf$  au§>  bem  ^arabiefe  vertrieben,  „bamit  er  ni$t  me()r 
uel)men  fönne  oon  bem  ^aume  be^  ßebene  unb  effe  unb  lebe  2).''' 
5)enn  er  mar  je^t  bem  ^obe,  ber  Trennung  üon  @ott  verfallen. 
Sieben  bem  33aume  be§  SebenS  unb  ber  ©ilountnift  feljen  mir  bann 
no(^  bcn  Strom,  ber  von  bem  Orte  ber  SBonne  au»gel)t,  „um 
ba§  ^arabie^  5U  boraaffern  ^)/' 

2öie  bie  göttlid)e  Offenbarung  aber  mit  bem  2lnfang  ber 
irbifd)en  Sjinge  beginnt,  fo  fdjliefjt  fie  mit  bem  ©nbe  bcrfelben, 
mo  fie  in  bie  ®roig!eit  übergeljen.  2öie  ba!)er  bie  erften  ^üd^er 
üom  irbifd^en  ^arabiefe  reben,  fo  reben  bie  legten  '^üd)er  ber  l)eili= 
gen  6d)rift  com  eraigen  $arabiefe,  üon  bem  jene«  nur  ein  ^or= 
bilb  mar.     SDaburc^  eilcuneu  mir  nun  mit   tJoHer  Älarl^eit  ben 


1)  1.  2«of.  2,   9.    —   2)  1.  3)?of.  3,    22.    —    3)  1.  3}?of.  2,    10. 


—     71     — 

waljren  erijabenen  6iun  jeuer  Ssorbilbcr  im  erften  ^arabiefe.  ®a 
^eigt  Ulli  ber  Ijeilige  QoIjauueS  „beu  neuen  §immel  unb  bie 
neue  ßube,  bie  Ijeilige  <Bia\)t,  bal  neue  Qerufalem/'  ,,bQ§ 
3elt  @ottey  bei  ben  3JJenfd;en,  wo  er  bei  iljuen  raofjut  unb  fie 
fein  ^ol!  finb,  unb  @ott  felbft  mit  iljuen  i()r  @ott  ifl  unb  jeg= 
Iid)e  ^fjräne  von  i^ren  Singen  txoänet^)/'  S)ort  ift  er  bol 
5llpl;a  unb  bal  Dmega,  ber  Slnfang  unb  t)ay  ßnbe.  @r  gibt 
bort  bem  ^ürftenben  au^  ber  üuefle  be§  Söafferl  beio  Seben^^). 
^ort  ift  bie  .gerrlicbfeit  ©otteg  unb  ha^^  Sendeten  berfelben  ift, 
wie  bal  Sidjt  fid)  bricht  in  ber  ^arbe  aller  ßbelfteine  nnh  ^xiy- 
ftatte^).  U]ib  einen  3:;empel  fa^  er  nid^t,  benn  ber  §err  ©ott, 
ber  2lllmäd)tige  i\i  ii)x  Tempel  unb  ba§  £amm.  Unb  bie  Stabt 
bebarf  nid^t  ber  ©onne  unb  bei  93Zonbel ,  bog  fie  iljr  Ieud;ten, 
benn  bie  §errlid)feit  ©ottel  erleuchtet  fie  unb  iljr  Sic^t  ift  bal 
£amm^).  S)ann  fiel)t  ber  ^eilige  Soljannel  einen  ^trorn  le= 
benbigen  Söafferl.  (Er  ift  IjcE  rcie^njftall  unb  er  geljt  an^^  von 
bem  %f)xom  ©ottel  unb  bei  Sammel.  2ln  biefem  6trome  fte{)t 
luieber  wie  im  ^oraDiefe  ber  SBaum  bei  Sebenl,  unb  bie  33lätter 
'i)c<^  33aumcl  finb  gur  Heiligung  ber  Golfer.  Unter  biefen  fte^t  ber 
^fjron  ©ottel  unb  bei  £ammel  unb  fie  finb  feine  Wiener.  Unb 
fie  feljen  fein  2(ngefid;t  unb  tragen  feinen  'Ramcn  auf  il;rer  @tirne. 
Unb  ^lad)t  ift  nidjt  meljr,  unb  nur  me()r  £i($t,  bal  von  ©ott 
fetbft  aulftraljlt,  unh  fie  [)errfi$en  mit  if)m  von  ©roigfeit  ju 
(£-rüig!eit5).  ^a§>  ift  bal  ^immlifdje  ^arabiel.  öier  finb  aile 
Silber  unb  3Sorbilber  in  ber  3^atur  unb  Offenbarung  im 
alten  unb  neuen  Sunbe  oeridirounben.  ®a  ift  ©ott  allel;  ba  ift 
!ein  3^^t,  Mn  Tempel,  ba  ift  fein  ^arabiel ,  ba  ift  fein  Sidjt 
unb  fein  Sßaffer,  ba  ift  fein  jörob  unb  feine  Ütaljrung,  ba  finb 
nfle  3<^^^^i^/  ö^fß  Sd;atten,  alle  Silber  üerfatlen,  ba  i]t  nur  bal 
eroige  Sendeten  ©ottel  unb  bei  Sammel  unb  bie  eroige  @ommu= 
uion  ber  ©efdjöpfe  in  ber  STlieilnaljme  am  Scben  ©ottel  felbft. 
3»t)if d;en  jenem  erften  ^arabiel,  von  bem  3}^ofel  er^älilt, 
unb  biefem  legten  eroigen,  von  bem  ber  I)eilige  3  o  Ij  a  n  n  e  I  rebet, 
fte^t  ber  alte  unb  ber  neue  ^unb;  ber  alte  all  @d;atten 
bei  neuen,  roie  biefer  roieber  in  geroiffem  Sinuc  @d;atten  bei 
eroigen  ^unbel   im  §immel  ift.    3Bir   fonnen   unl   baljer   nid;t 


1)  Dn'enö.  21,  1—4.  -2)  31  a.  C.  «cr§  6.  —  o)  2(.  a.D.  SBer§  11. 
4)  3(.  a.  C.  3^er§  22—23.  —  5)  Cffenl).  22,  1—5. 


-    72    - 

wunbern,  mnn  wir  au$  in  biefer  Qäi  bcr  SSorbereitung  auf 
baö  ewige  ^arabieS  in  ber  ^irdje  ©otte§  göttlid^e  Snftitutionen 
finben,  bie  m^  il)rem  SS^efen  unb  iljver  ^ebeuturtg  ganj  mit  jenen 
S3ilbern  im  ^arabiefe  unb  i^rer  (Erfüllung  im  eimgen  2ehen  3U= 
fammcnf aßen.  2tu$  bie  ^ird)e  ©otte^  auf  ©rben  tjat  ben  £eben§= 
bäum  im  aller!)eiligflen  Slltarfacramente,  beffen  gvuc^t  mir  effen, 
unb  baburdö  ernige^  2thm  unb  Heiligung  erlangen.  Sluc^  bie 
^irc^e  ©otteiS  't}ai  itjren  ©trom  lebenbigen  333affer^,  ber  t)on  bem 
^^rone  ©otte^  unb  be^^  Samme^  au^ge!)t  unb  in  ben  fieben 
Sacramenlen  fic^  über  bie  ©eclen  ergiefst,  Sind)  bie  ^ird}e  ©otteS 
l§at  il)ren  SBaum  ber  ©rfenntnife  in  bem  Sel)ramte  ber  ^ird^e. 
Sßer  fi($  i^m  untermirft,  erf)alt  gutritt  §um  Seben^buum,  mer  ii^ 
il)m  nidjt  unterwirft,  barf  and;  bie  grudjt  be§  Lebensbaumes  ni$t 
genießen.  2Bie  an  bem  S3aume  ber  ßr!enntni6  baS  ©utc  unb 
äöfe  offenbar  mürbe  burd;  @eI)orfam  ober  Ungel^orfam,  fo  wirb 
auc§  an  biefem  kannte  ber  ©rfenntnife,  an  biefcm  göttlid^en  ßeljr- 
amte  baS  ©ute  unb  Söfe  in  unS  offenbar,  je  nad)bem  mir  unS 
i^m  im  ©eljorjam  unterwerfen,  ober  in  ©mpörung  unb  ©tolj 
beS  ©eifteS  nn^  bagegen  aufleljuen. 

Qe  wichtiger  aber  biefer  @eI)orfam  gegen  bie  ^irdje  ift,  je 
fdjwerer  e§  bem  3}lenf($en  fällt,  feinen  geiftigen  ©tolj,  weld^er  fid), 
wie  ber  5lpofteI  fagt,  gegen  bie  ©rfenntnig  (3oik§>  erliebt^,  ju 
überwinben  unb  ben  35erfianb  im  ©eljorfam  gegen  ß^firiftuS  ge# 
fangen  p  geben,  befto  not()wenbiger  ift  cS,  oon  bem  Umfang 
biefer  göttli$en  Seljrgewalt  einen  wahren  entlpred)enben  begriff 
gu  l)aben  unb  aEe  irrigen  3]orftelIungen  fern  p  galten,  ^nä) 
l[)ier  fönnen  wir  baS  Sföort  beS  gerrn  anwenben,  bag  fein  Qod^ 
fü6  unb  feine  SBürbe  leii^t  ift  2).  Söenn  bennod^  3)ielen  ber  ©e* 
ban!e  unerträglii^  ift,  it)ren  ^erftanb  (Et)riftu5  unb  feiner  ^irc^e 
gefangen  p  geben,  fo  fommt  eS  nid;t  feiten  bal)er,  weil  fie  von 
bem  Umfange  ber  Sel)rgewalt  ber  ^irc^e  gan^  irrige  ^Begriffe 
l)aben.  ©S  ift  ba^er  wid;tig,  i^ren  waljren  ©egenftanb  wie  il)re 
©renken  genau  gu  fennen  unb  ju  wiffen,  welcl)e  SluSfprüdje  ber 
Äird^e  wir  als  2IuSfprü(^e  il)rer  unfel)lbaren  ße^rautorität  aner- 
!ennen  muffen. 

2)ie  ^irdie  Ijat  als  bie  üon  G^riftuS  gegrünbete  Slnftalt, 
um  feine  £el)re  ungetrübt  unb  rein  bis  an  baS  (^n'i)e  ber  2öelt 


1)  II.  eor.   10,   5.   —  23  maii^.   11,  30. 


-     73     - 

atten  SSöÜern  gu  t)er!ünben,  eine  breifad)e  Slufgak  er^altctt. 
©ie  ift  bie  von  ©^riftiig  kftelltc  3^"9^^  f^i"^^  Sel)re,  fie 
tft  bie  von  i{)m  befteHte  ^^id^tevin  über  ben  n)al)ren  2^i\)a[t 
feiner  £ef)re,  fie  ift  eriblii^  bie  Setjrerin  feiner  gött(i$en  Se^re. 
^iefe  breifai^e  2lufgQbe  geigt  itnS  md)  ben  (SJegenflanb  unb 
bie  ©renken  i^ver  Seljrantoritat.  2Bir  muffen  fie  nnter  biefem 
@efi(^t^pun!te  nö^er  Mxaä)Un,  felbft  auf  bie  ©efQ!)r  l^in,  einiges 
§u  Wieb  erholen,  roa^  mx  bereits  angebeutet  l^aben. 

<Sie  ift  erftenS  bie  t)on  S^riftuS  befteUte  g^itgin  feiner 
2e1)xe  unb  foll  als  fotd^e  t»on  berfelben  a\i(n  3}?enf($en  bis  in  ben 
fpöteften  ®efd)Ie($tern  mit  berfelben  Sic^erljeit  unb  ©ewifetjeit  .^unbe 
geben,  wie  eS  bamalS  gefc§ef)en,  als  ©l)riftuS  felbft  fie  üerüinbete. 
S)er  ^eilanb  fagt  über  ben  Qwed  feiner  ©rfc^einung  auf  ©rben: 
„^a^n  bin  \ä)  geboren  unb  baju  in  bie  2öelt  gefommen,  um  von 
ber  SBalirljeit  3ß"9"i6  abzulegen.  2öer  immer  ouS  ber  ^a^x- 
Ijeit  ift,  ^ört  meine  stimme ^)."  ©r  ift  ein  »oHgiltiger  3^"Öß 
für  bie  Sßaljrlieit.  ba  er  ja  als  @ott  bie  2öal;rl)eit  felbft  unb  ein 
emiger  3^^9^  ^^^  göttli(^en  SebenS  in  ber  allerl;eiligften  ^rei* 
faltigfeit  ift.  5lber  maS  ^tk  unS  allen,  bie  mir  ni(^t  mit 
iljm  gelebt,  nic^t  i^n  ,  biefen  ©otteSfoljn,  gefeljen  nnb  gcljört 
I)aben,  bief eS  3^"9"i6  Ö^^ii^t,  menn  mir  nur  fold^e  S^n^^n  fein  er 
Sel)re  l)ätten,  bie  mie  alle  2Jienfd)en  an  fid^  bemQrrt^ume  unter= 
roorfen  mären.  (Sine  ^laä)x\ä)i,  meldte  mir  gebrai^t  mirb,  l)at,  fie 
mag  an  fid^  nnb  i^rem  tlrfprunge  na^  no(^  fo  gut  bezeugt  fein,  für 
mi$  bod;  nur  bie  ©laubroürbigfeit  beS  legten  Sen^zn ,  ber  fie 
mir  bringt.  3ft  biefer  bem  ^rrtl^um  unterroorfen  ober  felbft  un^ 
glaubroürbig,  fo  bleibt  fie  mir  ungeroig,  fie  mag  in  il^rem  Ux= 
fprung  no(^  fo  gemig  fein.  SBenn  bal^er  baS  ^^«gnig  3  e  f  u 
©Ijrifti  für  bie  Sßatirljeit  aller  fpäter  lebenben  SJ^enfdjen  nid^t 
mieber  oerloren  gel)en  ober  menigftenS  gan^  nnfid}er  werben  foHte, 
eine  2lnnal)me,  meldte  eine  übernatürliche  Offenbarung  gmecfloS 
unb  folglidf)  unoernünftig  madjcn  mürbe,  fo  mußte  er  für  alle 
fpätere  Qdkn  S^^Ö^^  ^it  einer  öl)nlid)en  ©laubroürbigfeit ,  mie 
er  fie  felbft  als  ©ott=9}^enfc^  l)atte,  für  feine  ßel)re  auffteden. 
®aS  maren  unb  finb  aber  bie  2lpoftel  unb  bie  „auf  bem  gunba-- 
m  ente  ber  SlpofteP)"  in  ununterbvodjenem  gufammenl^ange,  mie  ein 
©tein  beS  ©ebäubeS   ben   anbern  trägt,    auferbaute  apoftolifd;e 


1)  Sol^.  18,  37.  —    2)   e^rjef.  2,  20. 


—     74     - 

^ird^e,  wel6)e  ß^riftu^  felbft  wie  bajo  ^oupt  bie  ©Heber  sufnm= 
inenljolt  i),  unb  in  raeld^er  ber  ©eift  ber  2öat)rlje{t  (jegenroärtio  ift, 
um  fie  „alle^  gulelfiren  unb  an  a Heg  3U  erinnern  2)/' raaö  Gljriftuö 
gelehrt  l)at.  5I(^  S^i^ö^^  ^^^^  f^i^^i^  S^^^i^ß  w«b  feinem  SOöer!e  l)at 
er  feine  SIpoftel  in  bemfelben  feierlidjen  3Ingenblicfe  beftctft,  aU 
er  bieSBelt  üerloffen  raoflte,  unb  iljuen  nodi  ple|t  ben  Sluftracj 
n)iebert)olt,  feine  £eJ)re  allen  ©efdjöpfen  ^u  t)er!ünben.  3nbem  er 
auf  bie  ^'erljoigung  Ijinroie^,  me\ä)e  er  il)nen  vor  feinem  Seiben 
gegeben,  fprad)  er  :  „3f)r  werbet  bie  ^raft  be§  fjeilißen  ©eifte^,  ber 
auf  eud)  !)erabfommen  mirb,  empfangen,  unb  iljr  raerbet  mir 
3eugen  fein  in  Qerufalem  unh  in  ganj  3ubäa  unb  6amaria  unb  bi§ 
an  Ue  ©renken  ber  ©rbe  3)/'  ©nio  mar  bie  3(u^3rüftuiig,  bie 
armatura  Dei^),  mie  ber  ^Ipoftel  fie  nennt,  für  ba^  5IpüftoIat,  unb 
ba§  mar  ber  luftrag,  bie  ©enbung :  bie  Slu^rüftung,  ber  l)eilige 
©eift  felbft  mit  feiner  göttlidjen  Straft;  ber  Stuftrag:  ,,^[)x  foat 
mir  Senge  fein."  €0  ift  e^ ,  fo  bleibt  e§,  üon  feiner  <oimmel= 
fal^rt  h\§>  gu  feiner  Sßieberfunft.  ^x§>  baljin  ift  bie  £ir($e, 
mit  il)rem  gunbamente,  ben  Slpofteln,  auf  ©rben  bie  Qeno^in 
Sefu.  2ßag  (£[}.riftu§  burd)  feine  ©ottljeit  mar,  alfo  aug  fid) 
felbft,  S^uc^e  ber  eroigen  2öal)rl)eit,  ift  bie  5lird)e,  fo  meit  fie 
an§>  3}^enfd)en  befte^t,  nidjt  au§  fid),  fonbern  burd&  bie  Straft 
3efu  (S^rifti;  unb  roie  (E^riftu^ St'Wflnife  ablegt  von  fid)  felbft, 
fo  legt  bie  Slirdje  3^i^Ö^^^6  ^^  ^o"  ß^riftu^.  21B  3^^!^^^  (Sljrifti 
traten  bie  Slpoftel  gleid)  nad)  bem  erften  ^fingftfefie  auf.  „liefen 
3efu§  '{)at  ©Ott  aufermedt;  befe  finb  mir  alle  Sengen^)."  ®a§ 
mieberljolt  Der  l)eilige  $etru§,  fo  oft  er  öffentlid)  rcbet:  „^2öir 
finb  3^"9^^^  ^0^1  allem,  ma§  er  im  Sanbe  ber  S^^^en  unb  in 
Serufalem  getrau  ^at*^)."  2ln  bie  ©teile  be§  ^errätl)er^  3uba^ 
mirb  3)lattl;ciu§  gcmäljlt,  bamit  er  mit  ben  Slpofteln  ein  S^'wge 
ber  2luferftel)ung  ^efu'')  fei.  ®iefe§  S^^^n^ife  Ijaben  bie3lpoftcl 
fortgefe^t  in  ber  ^ird^e  burd;  (Ijre  3tad)folger  bi^  Ijeute.  ^äe 
Äirc^e  aber,  inbem  fie  S^^^P^fe  Ö^'^'*^  ^^n  3efu^3,  feinem  Scben, 
feinem  3:^obe,  feiner  Sluferftel^ung,  !ann  immer  mie  bie  5lpoftel 
fagen:      „5öa!§    mir    geljört,    roa^o     mir    mit    unfern    Slugen 


1)  ©pM-  4,  15  f.  —  2)  So^-  14,  20.  —  3)  5(poftcr(i.  1,  8.  — 
4)  ep^cf.  0,  11.  -  5)  2lpL>ftcIg.  2,  32;  l^gl.  3,  15.  —  (>)  2lVo[tcl9.  10,  39. 
wnb  5,  32.  —  7)  3(poftfl9    1,  22. 


<0 


gefeljen ,  wa§>  . . .  unfere  gäiibe  hmi^xi  I)akn ,  . .  baö  be^ 
geiujen  unb  t)er!ütiben  wir  cu^  ^)  "  €ie  ift  biefelbe  in  iljrem 
Slnfanije  unb  Ijeute;  fie  ift  ber  leknbige  Seib  (Et)rifti,  fie  ift  in 
i()rem  Slnfange  ^nräeit  ber  2(pofte(  3^"9i^  ^^^  Sebenl,  bergim- 
melfalirt  Qefu  ßcircfcn,  wie  fie  einft  S^^Ö^"  ff^^^^^*  2Sieber!unft 
fein  rairb.  (Sie  begeuöt  allen  ^sölfern,  iua§  fie  felbft  non  Jjefu^ 
gefeljen  i^at.  SSenn  aber  (^f)riftu5  felbft  feine  ©(anbraürbigfeit 
bnr(^  (Srfüüuno  aller  ^roplje^eiljungen  be§  alten  ^unbe§  unb 
burd)  2Bnnber,  jule^t  burc^  feine  Sluferfte^nng  beftätiöt  l^at,  fo 
trägt  aud)  bie  J!ird}e  in  iljrem  ^efteljcn  feit  ac^tjeljnljunbert  3al)ren, 
in  iljrem  raunberbaren  Seben,  baS  eine  offenbare  (Erfüllung  aller 
^erljeif^ungen  Sefn  ift,  ha§>  überatt  ©otte§!raft  unb  G)otte0= 
iDirfen  be!unbct  unb  and)  bie  SBunber  3 ein  in  bem  3Bir!en 
ber  «geiligen  burdj  aöe  Sabr^unberte  fortfe^t,  —  in  il^ren 
üier  großen  3)ler!malen  ber  (Sinljeit,  5Illgemeinl)eit ,  Slpofto- 
licität  unb  ^eiligfeit  ha§>  Ijödjfte  unb  übernatürlidje  Siegel  ber 
©laubraürbigfeit  an  ficb.  9iid)t  von  einem  tobten  Su^ftaben 
wirb  auf  ©rben  ba§  :^eben  bes  ©ottmcnMjen  bezeugt,  fonberu 
tion  ber  ^lirdje,  bie  ba^>  Siegel  ber  ©öttlidjfeit  an  fid)  trägt. 

■5)ie  ^irdje  ift  g weitend  bie  t)on  (EliriftUiS  beftellte  dlid)- 
teriu  über  bie  n)al)re  Seiire  ^c]vl  bei  eintretenben  Streitige 
feiten,  über  il)ren  3nl)alt  unb  Sinn.  ^a§>  ift  eine  notl)men= 
bige  golg<>  ber  eben  befprod^enen  3Sollmad^t.  2lUnnt  bie  Äircbe 
allen  SJfenfc^en  eine  beglaubigte  ScuQxn  ber  maljren  Sel)re  3efu 
fein  fon,  fo  mufe  fie  audi  bei  entftel)enben  Streiti;.]feiten  über 
Sinn  unb  3nl}alt  biefer  Sel)re  eine  üon  ßljriftu^  beftellte  91id)= 
terin  iein.  ^er  göttlid^e  $eilanb,  iDeldjer  irollte,  bafe  feine 
£el)re  alleu  3)lenfd;en  unb  33öl!ern  bi»  an  ba^  ©nbe  ber  5\>elt  i)er= 
lünbct  mcrben  foQte,  mu^te  §ngleid),  n)eld)e  ©efal)r  leine  ßeljre 
uor  allem  bebroljte.  Sd;on  an  fid)  max  e§  ber  Diatur  ber  ^inge 
nadj  nnmöglid),  baf3  über  feine  Seljre,  ba  fie  für  bie  fernften 
3al)rl)unberte  unb  für  alle  ^^ölfer  mit  ben  uerfc^icbenflen  "än^ 
fiepten,  Spradben,  Gegriffen  beftimmt  mar,  im  ßaufe  ber  Qdi 
nidjt  bie  oerfdjiebenften  Slnfidjten  entfleljen  mürben.  2öo  finbet 
fic^  ein  58uc^,  uor.taufenb  Qaljren  gefdjrieben,  unter  einem  an^ 
bereu  ^olfe  mit  anberen  Sitten,  in  einer  fremben  Sprad^e,  ba^ 
nid)t   äu    ben   t)erfd)iebenften   ^ilu^legungen   Slnlag    gibt.     2)a$u 


1)  1.  ^0^.  1,   1-3, 


—    76    -. 

tarn,  bng  er  ba§  ^d^  ber  Sßa!)r]^eit  im  Kampfe  öegen  ben 
ßücieiigeift  grihiben  trollte,  mib  raie  !ann  hk  fiüge  bie  Sßaljrl^eit 
QTiber^  üU  burd^  ©ntfteHuttg  befämpfen.  ©nblii^  raoHte  er  burd^ 
feine  Seigre  ba^  ^öfe,  bie  ©ünbe,  bie  Seibenfc^aften  be3  ntenfclj^ 
liefen  .gerjen^  überrainben,  unb  atte  biefe  böfen  9ftid;tun9ert 
be§  3)tenfd;enl;ergen0  mußten  ^Buubeggenoffen  beS  SügengeifteS 
Tücrben,  um  bie  ßel)re  S^fi^  ^od;  i(jrem  6intie  au^ul^i 
gen.  ©egraegen  marnte  ber  §eilanb  fo  bringenb  mx  ben 
falfd^^n  ^ropl^eten,  rael^^e  auftreten  mürben  i).  2Bie  i)ätte  er 
feine  Se^re  o^ne  ]f){nrei($enbe§  @d;ugmittel  gegen  atte  biefe  ©e^ 
faljren  einer  ©ntfleüung  (äffen  fönnen,  o^ne  ef>  ben  DJlenfd^en,  für  bie 
fie  beftimmt  mar,  unmöglid^  gu  mad^en,  fie  §u  finben.  ^t^raten 
boc^  f(^on  IUI  g,e\t  ber  SIpoftel  Qrrlcljrer  auf,  meiere  bie  ©runbs 
lagen  ber  c^riftliijen  Söa^rl^eit  gu  erf($üttem  bro()ten;  unb  fo  ift 
e§  geblieben  bnrd)  alle  Sabrljunberte.  ^on  ben  erften  ^eiUn  an 
erfannten  bie  dl^riften  in  ber  ^Serfälfd^ung  ber  reinen  Seigre  3 efu 
eine  f^merere  SSerfoIgung  ber  ^irc^e,  al§  fclbft  bie  blutigen  e§ 
maren.  9^ur  bie  ^ird)e  bema()rt  ba^  göttlid^e  ÜJlittel  gur  ^nU 
fd)eibung  biefer  (Spaltungen.  2öer  biefe^  3JJittel  nidjt  aner= 
fennt,  ber  mu§  nid;t  nur  für  ft($  barauf  üerjid^ten,  unter  bem 
Söiberftreit  galiUofer  6treittg!eiten  über  bie  Sel)re  3efu,  mit 
©i(5erl;eit  hk  maljre  p  finben,  er  mu^  auc§  gugeben,  bafe  (5;i)riftuö 
felbft  huxä)  feine  ©inrid)tung  e§  bem  3}^enfd}en  unmöglid)  ge= 
ma6)t  l)a5e,  feine  maljre  £el)re  mit  üoUer  ©eroiglieit  ^gu  er- 
fennen.  T)tefe§  9}tittel  ift  aber  fein  anbere^  al0  ba§  bei  bem 
erften  Streite  auf  bem  apoftolifd^en  (Eoncil  angeroanbte:  bie 
©ntl(5eibung  be§  l)eiligen  @eifte§  burcj  'oa^  in  ber  ^ir$e 
gegrünbete  2lpoftolat.  ©er  Slpoftel  ^aulu^  fagt  üon  hen 
d^riftlii^en  3öa^rl)eiten ,  bie  er  t)er!ünbete:  „9Jleine  9iebe  unb 
meine  ^rebigt  beftanb  nid)t  in  überrebenben  SBorten  menf^li($er 
2Beic^l)eit;  fonbern  in  (?rmeifung  von  @eift  unb  ^raft,  bamit  euer 
©laube  nitjt  auf  9)knfc^enuiei5l)eit  berul)e,  fonbern  auf  ©otte^ 
^raft.  3nbeg  lel)ren  mir  boi^  SBeieljeit  bei  ben  53oIIfommenen, 
abn  nidjt  23ei§^eit  biefer  2öelt,  nodj  ber  (SJrofeen  biefer  3öelt, 
bie  in  nidjte  merben,  fonbern  mir  leljvcu  ©otte§  2Beiöl)eit,  bie 
im  (S^el)eimniffe  verborgen  mar,  meldte  ©ott  Dor  aller  Qdt  ju 
unserer   .fierrlii^leit   beftimmt  l^at^)."     ®araug   jie^t   bann   ber 


1)  ^aiif).  1,  15.  —  2)  1.  (Sor.  2,   4—7. 


—    77     — 

Slpoftel  eine  roidjtige  golgening:  „2ßer  oon  ben  Wlen\6)zn  m\% 
wag  be§  äTcenfdjen  ift,  al§  nur  ber  @nft  be»  3Jienf$en,  ber 
in  iF)m  felbft  ift?  <Bo  erfennt  aud)  feiner,  raas  ©otteiS  ift,  al^ 
nur  ber  ©eift  ©otte^.  3öir  aber  Ijaben  nic^t  ben  ©eift  biefer 
äöelt  empfanöen,  fonbern  hm  @eift,  ber  au§>  ©ott  ift,  bamit 
loir  wiffen,  xoa§>  von  ©Ott  un^  getjeben  i)V)".  ^amit  ift  ein 
für  QÜetnal  im  tiefflen  ©runbe  bie  llnmöglid)!eit  für  ben 
SJlenfd^en  nai^geroiefen ,  über  bie  Set)re  .Qefu  unb  ii)xen  Ijö^e- 
ren  übernotürlidjen  Sinn  nüt  rein  natürli^en  Wittdn  in^ 
Dieine  gu  fomnien.  9^ur  wo  ber  ©eift  ©otte^  ift,  fann  über 
ben  ©tun  biefer  Seljre  entfdjieben  raerben.  §ier  begegnet  un0 
baffelbe  SSerpItnig.  Sßie  eine  übernatürlidje  %l)ai^aä)i  il;rc 
übernatürlii^e  ©etüißljeit  nur  beiüaljvt  burc^  einen  Q^n^m, 
ber  eine  f)ö^ere,  qI^  blos  menfdjlic^e  Beglaubigung  ^at,  fo 
!ann  über  ben  roaljxen  6inn  einer  göttlidjen  Offenbarung  nur 
eine  l)öt)ere,  von  ©ott  felbft  in  übernatürlicher  3Beife  geleitete 
Sel)rautorität  ßntfd)eibung  geben.  ®er  f\^  felbft  überlaffene 
3Jlenfc^engeift  fann  ebenfo  wenig  barüber  entfd^eiben,  raie  ein 
©efd)öpf  nieberer  Drbnung  über  baiS,  raa^  bie  Vernunft  be^g 
2}ien[d;en  forbert. 

S)ie  Äird^e  ift  b ritten^  Dermöge  \i)xe^  £el)ramte^  bie  von 
6l)riftug  beftettte  Se^rerin  ber  Söaljrljeit.  ,,Sel)ret  alle  ^^ölfer^)," 
„prebiget  "oa^i  (Suangelium  aßen  ©efc^öpfen  •^)/'  ©ie  ^at  bie 
allein  legitime  ©enbung  gum  2lpoftolate,  im  ©rofeen  unb  im 
kleinen,  in  ber  ^Verbreitung  be^  ßl)riftent^um§  unter  aßen 
Golfern,  mie  im  Unterricht  be^  diriftli^en  3Sol!e§  felbft.  D^ur 
fie  l;at  bie  3}lijfion  von  (Sl^riftuS  unb  begt^alb  nur  fie  eine 
red)tma6ige  3)tiffion.  3Son  aU^n  Slnbern,  bie  oljne  biefe  9)Jiffion 
lel)ren,  gilt,  rva§>  bie  ^Ipojlel  auf  beut  apoftolif($en  (Soncil 
an  jene  3ubend)riften  nad)  2lntiod)ien  f($rieben,  meldje  bie  ba^: 
malige  Streitfrage  üeranlafet  Ijatten:  „^ir  l)aben  geljört,  bafe 
Einige,  ■rr)eld)e  von  un^  ausgegangen  finb,  eud)  hnxä)  iljue  £e§ren 
beunrul)igt  unb  eure  ©eifter  tjenoirrt  Ijaben;  benen  mir  aber 
feinen  Stuf  trag  gegeben  l)atten^)." 

Slu^  biefer  breifadjen  Slufgabe  bei  unfeljlbaren  Sel;ramtcg 
ber    Äird^e   ergeben    fid)    nun    m^    bie  ©renjen   ber  II n- 


1)  Sr.  a.  D.  3Jer§  11.  f.   -   2)  üTatt^.  28,  29.  -  3J  maxt  IG,  15. 
—  4)  2(^^D[terg.  15,  24. 


—     78     — 

fe^lbar!eit   ber   ^irdje   t)on  felbft.    SBir    f äffen    fie    in  brei 
®runbfä|en  ^ufammen. 

(Srfteng:  ^er  auefd)lie6(id)e  ©egenftanb  ber  Unfe{)lbav!eit 
ber  .^ird}e  ift  alfo  bie  übernatürlid^e  Dffenbavnnt],  in^befonbere 
bie  Se[)re  Qefu,  bie  geoffenbarte  ©lauben§=  unb  6ittenlef)re. 
®ap  geljört,  raeil  fonft  bie  .^irc^e  biefe  iljre  ^lufgabc,  bie  2eE)re 
Qefu  rein  unb  unuerfalfd^t  §u  erhalten,  nid^t  erfüllen  fönnte, 
not!)n)enbig  auä)  bie  ßntfdjeibung  barüber,  ob  ft(^  eine  foId)e 
©ntftcHung  ber  Seljre  Qefu  nnrüid^  in  einem  beftimmten  Se^r- 
fi)ftem  üorfinbet  ^).  darüber  Ijinaul  gel)!  aber  nid^t  bie  Un- 
fc^lbar!eit  ber  ^irdje,  ©in  treue»  ilinb  ber  ^ir$e  n)irb  ^raar 
Se^ren,  welche  in  ber  jlirdje  ein  gro^c^  Slnfeljen  Ijaben  üon 
3}Mnnern ,  au^geseidjuet  burc^  SiÖei^ljeit  unb  §ei(ig!eit ,  wx^ 
getragen  unb  uon  ber  ^\xä)e  nidjt  nur  lange  geit  gebul= 
bet,  fonbern  geförbert  raorben  finb,  aud)  bann  fel;r  in  ©l)ren 
l)alten,  wenn  fie  fid)  über  ©egenftänbe  verbreiten,  bie  nii^t 
juni  3nl)alt  ber  gbttlid)en  Offenbarung  geijören  unb  ba§  um  fo 
mc^v,  je  inniger  fie  mit  ber  Offenbarung  ^ufammcn  l)ängen. 
2Ber  baoon  überzeugt  ift,  bafs  ber  lieitige  ©eift  bie  ^ird^e  leitet, 
wirb  fdjioer  anneljmen,  ba§  Seljren,  raeldie  ein  grogeg  Slnfel^en 
in  ber  ^ird)e  lange  Qni  genießen,  oljue  ©runb  fein  follten. 
(Sr  TOirb  fie  bal)er  nur  nad)  ber  reifften  Prüfung  unb  in  5!?olge 
^raingenber  ©rünbe  üerruerfen.  ^t\x\ac^  anbere»  aber  ift  biefe 
©efinnung,  meldte  ben  §od;mut^  au^f^liegt,  unb  eixoa^  anbere^ 
bie  ^f(id)t  ber  Unterraerfung  unter  bal  unfel;lbare  Seljramt  ber 
^ixä)e.  5I:iefe  erftredt  fid;  nur  auf  bie  ß^lauben§=  unb  ©itten^^ 
leljre  ber  übernatürlichen  Offenbarung.  2)arau^  ergibt  fid;  aber, 
toie  fel)r  Qene  im  3rrtl)um  finb,  raeldje  meinen,  bie  ^ird)e  Tonne 
unfer  freiet  ®en!en  beliebig  befdjränlen  unb  nadj  Sßillfür  alle» 
S)en!bare  iljrem  unfeljlbaren  Seljramte  unterwerfen,  ^ie  geoffen^^ 
barteu  2öal)rl)eiten  bilben  nur  einen  2::()eil  t)on  bem  Slllen, 
maö  ber  üllenfdjengeift  5U  ben!en  unb  p  erforfd)Crt  uermag.  ©ie 
finb  nur  wie  ©runbpfeiler ,  auf  meld;e  ber  Wlcn\ä)  ben  33au 
ber  (Srfenntnig  auffüljren  foll;  fie  finb  oon  @ott  erridjtete  ©äulen 
auf  bem  SBege  be§  menfd;lid)en  2ehtn^,  meldte  il)m  bie  Srrmege, 


1)  Xk  fogenannteu  bootnQtifdjen  2^at[ad)cn.  ©onft  wäre  jebcc  ^vvt 
Ief;rer  im  ©tanbe,  bie  ©ntfdjeibung  ber  Äird}e  immer  burc^  bie  $8er;viu^tung 
Abauipenben,  bie  Äird^e  f)aU  ihn  ni*t  ridjtig  ijevftanben. 


bie  imx  ^erberben,  unb  beii  raa^ren  Söeg,  TOeld^cr  pm 
^^ben  füijrt,  ^eii^en.  greiüd^  fteljen  fie  mit  onbern  ^aijX'- 
l)eiten  in  innerer  ^.^erbinbnng ,  luw  ber  ß^rift,  rcelcfier  in  ber 
^ir^e  bie  Slnftalt  @otte§  er!ennt,  bel^ält  begljalb  niä^t  bie  ^rei- 
Ijeit,  anf  anberen  Gebieten  be»  menf($li(^en  ©rfennen<5  mit  ]id) 
felbft  nnb  mit  ben  göttlicljen  Dffenbarnnö^lel^ren  in  SSiberfprnd) 
gu  treten.  ^a§  ift  aber  feine  Hemmung  üernünftiger  grei()eit, 
jonbern  mir  eine  5lner!ennung  be^  auä)  üim  ber  S^ernnnft  geforberten 
6a|e!o,  ha^  eine  2[ßa{)rl)eit  einer  anberen  2öa!)rl^eit  nic^t  nnber= 
fpred^en  fann^).  ^ie  geoffenbarten  ©lauben^mafirljeiten  Ijemmen 
nidjt  ha^  SDenfen,  fonbern  geben,  meit  fie  Sid)t  unb  2ehm 
finb ,  bemfelben  rietmeljr  feine  (jödifte  ^raft.  ®aö  bezeugt  ge= 
rabe  aud^  bie  lefete  ^eriobe  be§  3)littelalter5.  Sßenn  ber  Glaube 
bie  geiftige  J!raft  unb  Energie  ber  3}ienfd)en  läi)mte,  bann  l)ätte 
boc^  am  @nbe  be^  ^Tüttelalter^,  biefem  g^^^^^ter  be§  ©lauben^, 
eine  geiftige  Setfjargie  t)orI)anben  fein  muffen,  bie  allen  geiftigen 
Sluffd^rcung  xierijinbert  l^äüe.  ^al  gerabe  @egentf)eil  mar  ber 
galL  ©elbft  noc^  'Da^  ©nbe  be^  Mittelalter^  mar  bie  Qeii 
einer  großen  geiftigen  grij'die  unb  Seraegung.  ^ie  ©rünbung 
jal;lreid)er  Uniüerfitäten  mit  itjren  angefüttten  §örfäälen,  mit 
i^rer  33egeifterung  für  bie  2Biffenf^aft;  felbft  ber  .^umani^^ 
mu§,  meld)er  in  fur^er  QQ\t  eine  Steilje  t)on  Scannern  l)ert)or= 
rief,  bie  \\ä)  ber  alten  flaffifdjen  gormen  ber  6pra(^e  unb 
ber  Slunft  mit  einer  3}leifierfdjaft  bebienten,  bie  ben  SJleiftern  be§ 
§eibentl)um!3  nid)t  nac^fteljt,  finb  beffen  geugen.  greilid;  fdjraoll 
biefe  geiftige  Strömung  fo  l)oc^  an,  baj3  fie  bie  ^ämme  burd)= 
bradj,  bie  ©ott  iljr  gefegt  Ijat,  unb  baburd;  \tatt  fegen^reidj, 
t)erberbli(5  mürbe.  6ie  jeigt  aber,  bafe  bie  eraigen  2öaf)rl)eiten,  wddje 
ba§  unfel)lbare  Sel^ramt  ber  ^ird;e  \)ükt ,  ein  Ijeilige^,  göttlid)exv 
geiftige^  geuer  finb,  melc^e^  ben  ©eift  ber  2Renf$en  ni^t  tobtet, 
fonbern  i^n  entflammt  im  etreben  nad)  (gr!enntni§  unb  2öal)rl)eit. 
3meiten§:  9^idjt  alle^,  ma§  in  ber  ^ird;e  auc^  dou  ®enen, 
meiere  eine  (Senbung  gum  Seljramt  l)aben,  gelel;rt  mirb,  fällt 
unter  ben  33egriff  ber  unfeljlbaren  Slu^fprüd^e  ber  ^ird)e,  fonbern 
nur  jene  (^ntfd^eibungen  über  "om  roal)ren  3nl)alt  ber  Offenbarung, 
roeldje  fid^  anä)  i^rer  gorm  nadj  aU  bogmatifd;e  Sluöfprüd^e  ber 


1)  58(^1.  3Köl;tevö  Sbrndoli!  §.  3G. 


™    80    - 

^xx^t  !unb  o,thtX[,  5)iefc  Seftimmung  ber  ©renken  be^  un^ 
fef)tbaren  Mjtamte^  ber  ^ird^e  ift  oon  ^o^er  Söid^tigfeit.  ^ie 
^ir(^e  äugert  it)r  £el^r  =  2lpoftolüt  in  ber  mannigfaltigften  gorm. 
^alb  üU  \\t  es  burd^  ben  cinfad^en  ^riefter,  balb  bur(^  ben 
^if($of,  balb  bur($  ben  $apft;  balb  fd^riftlii^,  balb  münbli($. 
©elbft  jene  ©lieber  ber  ^ir^e,  raelc^c  nlcl)t  bur(5  bie  SKeil^e  am 
Slpoftolate  unmittelbar  Slntl^eil  l)aben,  fönnen  in  einem  geioiffen 
^erl)ältni^  Drgane  ber  le^renben  tird^e  fein.  60  raar  eS  oft  bei 
^eiligen  ber  gall.  ^a  entfteljt  alfo  bie  grage :  Söelc^e  ftnb  jene 
SluSfprüi^e,  benen  rcir  imio  qI»  ©rflärungen  ber  unfel)lbaren  £el)r= 
autorität  unterroerfen  muffen?  5)iefegrage  ift  um  fo  roid^tiger,  ba 
eS  feine  anbere  gibt,  bei  xotl^tx  "t^a^  §öd)fte  im  3i}lenf(^en,  feine 
SSernunft,  meljr  betljeiligt  luäre.  ^ie  menfd)lid)e  Vernunft,  baS 
§ö(^fte,  ^eiliöfte,  ©rljabenfte  ber  mentdyiicl;en  ^jiatur,  baS  Sid^t 
feiner  ©eele,  raoburd;  biefe  für  "^a^  ^\6:)i  unb  beffen  eraige  Quelle 
empfänglid^  ift,  \^Q.i  jiöci  ©efa^ren.  Einmal  falfd^e  Slutoritäten, 
bie  in  ba§  G^iftige  ^eili^tljum  beS  33^eufd;en  einbringen  unb  bort 
baS  Sidjt  Derbunleln;  sioeiteuy  eine  unbered^tigte  Hnabliängigfeit, 
tooburc^  bie  ©eele  unoermerft  roieber  galjßofe  falfdje  Slutoritäten 
ber  mujeorbneten  ©elbfi^  3Selt=  unb  6innen=£iebe  in  fid^  sulägt, 
rcäljrenb  fie  <^\(x\xhi,  §errin  gu  fein.  3i^"^^tten  biefer  beiben  ©e-- 
fal)ren  betoegt  fic^  bie  innerfte  ©efc|i(^te  ber  3}tenfd^l)eit.  Sßenn 
ba^er  ßl)riftuö  in  ber  ^ird^e  bem  3Jlenfd^en  jum  ^^)u%t  ö^Ö^" 
biefe  ©efaljren  eine  n)al)re  2lutorität  iy.'ithm  wollte,  fo  rooHte  er 
jugleic^  bie  ^Jlenfi^en  fid;er  ftellen,  bamit  unter  biefem  Scheine 
uid)t  toieber  falfd;e  Slutoritäten  fid)  bem  Reifte  ber  2)lenfd^en  auf= 
brängen  fonnten.  9]i(^t  atte  Slcte  ber  Organe  ber  Selirgeraalt  ber 
^ird)e  finb  baljer  2lcte  il)re§  unfel)lbaren  Seljramte»,  fonbern 
nur  jene,  bie  fiel)  als  (Sntfd)eibuugen  über  \>n\  3nljalt  ber  Dffen= 
barung  in  ber  redeten  gönn  !unb  geben.  2lnbere  2luSfprüd)e  ber 
Seljrer  ber  Äird^e  oljue  eine  fold;e  gorm,  weldje  bie  Slbfic^t  einer 
Sel;rentfdjeibung  lunbgibt,  faEen  ni(^t  unter  ^^nx  begriff  ber  un= 
feljlbaren  SluSfprüc^e  beS  SeljramteS.  5DaS  gilt  avi6)  Don  päpft= 
lid^en  ßrlaffen,  mögen  \xt  an  fic§,  ba  fie  uom  Dberl;aupte  ber 
Mrd;e  auSgel)en,  no(^  fo  bcleljrenb,  uod^  fo  e'^rmürbig  fein;  baS 
gilt  bon  politif d)en  Sleu^erungen,  welche  in  il)nen  entljalten  finb 
unb  tjielfad)  mit  ber  jebeSmaligen  SBeltlage  jufammenl^ängen ; 
baS  gilt  t)on  t)ielen  Slnorbnungen  beS  lanonifd^en  Üied^teS.  3Bir 
finben  bort  überall  5BeiSl)eit,  33elel)vung;   loir  finb,   fo  loeit  fie 


—   8i   — 

ba0  9fled)t  ber  ^{v(^e  bilben,  ©eI;orfam  fc^ulbig,  el  wäre  aber 
überall»  irrig,  fie  alle  al»  SIcte  ber  unfeljlbaren  ^irdje  an^ufe^en, 

dritten ^:  ©elbft  bie  unfehlbaren  2lug[prüd;e  ber 
üixä)e  finb  aber  für  xm§>  nnb.  bie  3)ienfc^l)eit  ni$t  fo  fertig 
unb  abgefdiloffen,  ba^  nid)t  and)  l)ier  ein  gortfi^ritt  mög= 
lid^  roäre.  Slde  6ittengefefee  ber  ß^riftenljeit  finb  aU  2lu^- 
brud  beä  ewigen  göttlichen  ©efel3e^  unraanbelbar,  in  §infi($t  auf 
ba§  Seben  be§  einjeluen  3)lenfd;en  unb  aüer  gefeüidjaftli^en 
^anbe  feinet  Sufammenleben^  finb  fie  aber  einer  Entfaltung 
fäl;ig,  bie  fid)  im  t)orau0  ni(^t  berechnen  lägt.  @o  finb  aii^ 
aUe  ®lauben^raal)rl)eiten  al§  Slu^brud  ber  ewigen  göttlid^en 
2Baljrl)eit  unraanbelbar,  in  §infic^t  auf  unferen  @eift  unb  auf 
bie  roiffenfd^aftlic^e  ©rfaffuitg  berfelben  fönnen  fie  aber  raad^fen, 
mel)r  unb  me^x,  bi^  fie  in§  eroige  (5d;auen  übergel)en.  ^a^  ift 
ber  n)al)re  befeligenbe  gortfc^ritt:  bie  götttid^en\^eime ,  n)eld;e 
(Sott  in  feinem  ©efe^^e  unb  feiner  ©lauben^lel^re  uiebergelegt  ^at, 
immer  mel^r  im  2ehen  be0  Einjelnen  unb  atter  menf(^U($en  Sn* 
ftitutionen  §u  entfalten, 

^a§  ift  alfo  bie  ©renje  be»  unfeljlbareu  Seljramte^;  e^ 
erftredt  fic^  erften^^  nur  auf  ben  ^rei^  ber  offenbarten  ©laubenS^ 
unb  Sittenleljre,  in^befonbere  auf  bie  Seljre  Qe  f  u ;  ^weiteniS  nur  auf 
jene  2(u$fprüd)e  ber  tirdje,  TOeld)e  fid^  al^  bogmatifd)e  (gnt= 
fd;eibungen  über  bie  ©lauben^-  unb  (Sittenlel)re  für  aße  !unb  geben, 
^ritteng  au^  bejügli(^  biefer  er!lärten  ©laubenB^  unb  6itten= 
leiere  finbet  !ein  6till)lanb  ftatt,  fonbern  il)re  SInroenbung  auf 
bag  2tUn  be§  ©injelnen  unb  ber  ©efeEfc^aft,  wie  and)  bie  gct= 
füge  ©rfaffung  berfelben  unb  bie  ©infid^t  in  iljren  3ufammen^ang 
mit  allen  anberen  übernatürlid)en  un'i)  natürlid)en  2öal;rl)eiten 
lägt  einen  gortfd)ritt  §u,  ber  nic^t  eljer  ein  iEnhe  l;at,  bi^  mir 
ftatt  beS  @efe^e§  ©otte§  mxh  feiner  Offenbarung  (Sott  felbft 
befi^en  unb  f(^auen  merben. 

(So  feljen  mir  in  biefer  Seljre  uon  ber  Unfeljlbarfeit  ber 
^ird^e  auf  ber  einen  6eite  bie  greil)eit  beiS  (Seiftet  ooüfommen 
geroalirt,  unb  auf  ber  anberen  «Seite  biefe  greil;eit  fo  befd^ränft, 
raie  e^  ba^  Söefen  ber  menfd)lid^en  5't*ßi^)ßit  fcll^ft  erforbert,  wenn 
fie  nid^t  ftd^  felbft  burd^  6d;rau!enlbfig!eit  gerftoren  mill.  (Sine 
munberbare  Sßeiöljeit  (Sottet  in  ber  Seitung  feine»  ©efd^öpfe^, 
ha^  in  greil)eit  unb  bod^  wieber  in  red^ter  ^efd;rän!ung  nur 
feine  SSoUenbung  erreid^t    33eibe0  ift  i^m  gleid^  not^roenbig. 


».  Jlettetet,  taS  «trgemeine  ßPiKil.      "  Q 


vni. 

Organe  ^es  «ttffljlbarfn  ffl)ramteö  öer  £trd)e. 

„Xn  bift  betrug  (ber  ^elö)  unb  auf  biefen  Reifen 
Wiü  id^  meine  Äird^e  hamn  unb  bie  Pforten  ber 
<Qötte  foKen  fte  nid^t  überwältigen." 

«DMtt^.  16,  18. 

^ac^bem  wir  ben  ©egenftanb  imb  bie  ©renken  ber  Un« 
felf)Ibar!eit  ber  ^irdje  fcnnen  (jelernt  ^aben,  muffen  roir  p  ben 
Organen  übergel^en,  rccburd)  fie  il^r  2t^xami,  üjr  Slpoftolat  übt. 

^ur(^  wen  bet^ätigt  bie  ^ird^e  if)r  Sel^ramt?  Qn  roeli^em 
58eri)ättnif3  fiel)!  bie  Se^rgeraalt  ber  33iftf)öfe,  beg  ^apfteg,  ber 
ßoncilien?  Sßelc^e  6telle  nimmt  im  2lpoftolate  ber  $apft  ein? 
3ft  ber  ^apft  unfeljlbar?  @te!)t  ein  allgemeine^  Soncil  über 
bem  ^apft? 

®iefe  gragen  muffen  mir  beantworten,  raenn  mir  ein  rec^te^ 
S^erjiänbni^  von  biefem  göttlii^en  Sorredjte  ber  5!ird)e,  il)rer  Un- 
fe^lbarfeit  gewinnen  motten. 

5Dag  bie  Mrc^e  aU  „Corpus  Christi  —  Seib  ßfirifti/'  mie 
ber  Slpoftcl  fie  fo  oft  nennt,  nnfeljlbar  fein  mng,  üerftel)t  fid; 
eigentli(5  ebenfo  x)on  felbft,  al§  'üa'^  atte  ©lieber  biefem  Seibe^ 
an  fi(5  fel)lbar,  bem  3rrt^um  unterworfen  finb.  3Sir  bebürfen 
ba^er  vor  aUem  einer  näljeren  ©infidjt,  mie  biefe^  ©öttlit^e  an 
ber  £irc^e,  meld^em  attein  bie  ©igenfd)aft  ber  Unfel;lbar!eit  an 
fi(^  §u!ömmt;  mie  ß^riftu^,  ber  mit  feiner  göttlid;en  ^raft  in 
biefem  Seibe  gegenwärtig  ift  unb  bie  3}^enfd;en  aU  ©lieber 
vereint  unb  \i^  einpflanzt;  wie  ber  l)eilige  ©eift,  ber  ©eift  ber 
2öat)r^eit,  welcher  in  xl)X  wolf)nt,  \iä)  buri^  menfc^lic^e  Drgane 
!unb  gibt,  o'^ne  von  ber  menfd)lid;en  3rrtl)um^fäl)ig!eit  berüljrt 
ju  merben.  (i;i)viftug,  ba^  ercige  B(a)t,  lägt  fein  Sidjt  lend^ten, 
aber  burd)  irbif^e  3Jiittel;  wie  gefd^ie^t  e^  ba,  ha^  bie  ^lar^eit 


-     83     - 

be^  göttlichen  Si(^te5  nid)t  burc^  bieje  beeinträditigt  wirb?    ^uri^ 
welche  @tnri($tmigen  l^at  (Et)nftu§  bafür  geforgt? 

1.  2ln  ber  Unfe^lbarfeit  ber  ^\xä)e  erlangt  fc^on  jeber 
toal^re  ©!)rift  einen  geraiffen  2lntl^eil  unb  iwax  in  bem  Umfange, 
aU  er  bnrd;  bie  öugere  ^f)ätig!eit  ber  Bixä)e ,  mit  ber  er  ju= 
nädjft  in  ^e^ieljung  !ommt,  in  bie  innere  ©emeinfd;aft  mit  ber 
©eele  ber  tiri^e  eintritt.  ®ie  6eete  ber  ^ird^e  beftet)t  erften^ 
in  jenen  übernatürlii^en  ©aben,  welche  ber  (Ef)rift  in  ber  ^irc^e 
empfängt,  nämli(j^  bie  6eiligmad)enbe  @nabe,  rcoburd)  er  über 
feine  natürlii^en  gäl;ig!eiten  Ijinan^  in  einen  l)b^eren  3^^^"^  ^^- 
i)oben  mirb.  6ie  ftnb  eine  l)immlifd)e  3^9^^^  h^^  3^atur.  ®ie 
natürlichen  ©aben  finb  eine  erfte  @abe,  bie  ©ott  un§>  gegeben 
^aXf  bie  übernatürlid^en  eine  ^roeite  ®abe  um  be^  ^erbienfteä 
(E^rifti  mitten.  S)ie  ©eele  ber  ^ird)e  befteljt  ferner  in  bem  ber  ©eele 
bur(^  jene  (3ahen  üerliel^enen  Ijöljeren  2ehen  für  ©ott,  mel$e5 
fid^  burc&  ©laube,  Hoffnung  unb  Siebe  üott§ie!)t.  ©ie  beftel)t 
enbli^  britten^  in  bem  2ehen  in  ßfirifto  unb  im  l^eiligen  ©eifle 
f elbft ;  benn  hie  innigfte  perfönlidie  3]erbinbung  ber  ©laubigen  mit 
(Eliriftuö  aU  ©lieber  feinet  £eibe0  unb  mit  bem  l)eiligen  ©eift  aU 
Stempel,  in  melden  er  mo^nt,  um  un§  gu  lebenbigen  unb  croigen 
Stempeln  feiner  göttlichen  §errli($!eit  §u  geftalten,  ift  ja  bie  l^ö^fte 
SBeftimmung  ber  ^irc^e.  Qe  tiefer  ber  ©eift  nun  eingebt  in 
biefe^  innere  ©nabenleben,  in  biefe  (Seele  ber  ^ird^e,  befto  melir 
Slnt^eil  erlangt  er  an  bem  göttlichen  Qnl^alt  beffelben,  befto  me^r 
wirb  er  t)om  ©eifte  ber  2Ba^rl)eit  erfüttt  unb  in  einem  ge- 
miffen  5ßerl)ältni6  unfeljlbar.  ©old^e  ©Triften  !önnen  bann  aud^ 
an  ber  £el)rtl)ätig!eit  ber  ^ird^e,  ol;ne  befonbere  orbentlid^e 
6enbung,  tiefeingreifenbeu  2lntl)eil  erlangen.  SSiele  finb  in 
biefer  Söeife  groge  £el)rer  in  ber  ^irc^e,  Seigrer  ber  £el)rer  ge« 
geworben,  üor  attem  in  jener  SBei^ljeit  be^  l)öl)eren  diriftlic^en 
Seben^,  mel^e  ber  Ijeilige  ©eift  hen  6eelen  unmittelbar  mit- 
tljeilt.  ®iefe  (El)riften  finb  aber  nid)t  bie  orbentlic^en  Drgane  be^ 
SCpoftolat^  in  ber  ^ir^e. 

2.  Drbentli<§e  Drgane  be§  unfel)tbaren  M)tamU§>  ber  ^ird^c 
finb  erfteng  atte  ron  il;r  beftettten,  burd^  bie  l;eiligen  233ei()en  ba^u 
auggerüfteten  Seljrer  ber  geoff enbarten  2Baljrl)eit,  in^befonbere 
alfo  jene  ^riefter,  meld;e  in  jeber  einzelnen  ©emeinbe  bie  beftettten 
£el)rer  ber  ^irt^e  finb.  ©ie  finb  graar  nid^t  perfönlid^  irrtl)um§lo5 
bei  ^erfünbigung  ber  £el)re  3efu;  bei  ber  munberbaren  ©inrid^t- 

6* 


—      Ö4      — 

ung  ber  ^ir$e,  rao  berfelbe  ©eift  ber  2öa!)rf)eit,  ber  bie  ^ird^e 
leitet,  aiicf;  in  ben  Seelen  ber  ©in^elnen  wol^nt,  wo  ein  einiget 
tiefet  ^erftänbniB  ber  Seljre  3efu  ben  ganzen  Körper  ber  ^trd)e 
burd^bringt,  wo  ba^  ganje  (^riftlid^e  5]oI!  Don  bem  (i^ebanfen 
erfiittt  ift,  bog  ber  Seljrer  nic^t  feine  Se!)re,  fonbern  (Ef)rifti  imb 
ber  .^iri^e  £eljre  oerüinben  nuife,  rao  enblid^  bie  ^irdje  felbft 
barüber  load^t,  'oa^  bie  göttlid^e  §interlage  be§  ©lauben^  iin= 
t)erfef)rt  bleibe,  entfteljt  jebod;  lelbft  bei  Hebung  biefe»  ße^ramtl 
eine  (Stetigfeit,  eine  <Biä)exl)dt,  eine  ©inftimmigfeit,  bie  überaß 
ben  eiiarafter  einer  nnfeljlbaren  2öal)r^eit,  bie  burd)  alle  biefe 
Drgane  fpridjt,  an  fi($  trägt. 

3.  Drgane  be»  nnfeljlbaren  Sel)ramte§  finb  bann  in  l)o- 
t)erer  Stufe  bie  ^ifd^öfe  ber  ^ird^e.  5lll  5Ra(^folger  ber  2lpoftel 
nehmen  fie  eine  anbere  Stelle  gum  nnfel)lbaren  Seljramt  ber  ^irc^e 
ein,  aU  jene  l^elirer  ber  erften  Stufe.  Sie  laben  iwax  anä^  nid;t 
bie  perii)nlid)e  Xlnfel)lbar!eit,  wie  bie  Slpoftel  fie  nad;  bem  ©lau^- 
ben  ber  ^ir(^e  Ratten ;  fie  finb  aber  für  il)re  ^iöcefe  bie  befteHten 
Slpoftcl  ber  ^irc|e,  mit  einer  äl)nlid)en  3Sollma(^t  von  d^riftu^  au^s 
gerüftet,  raie  bie  Slpoftel;  fie  finb  be»l)alb  wie  jene  bie  £e|rer, 
bie  3^W9^^/  ^^^  9flid)ter  ber  Se^re  Qefu  für  il)re  ^iöcefe,  fo 
lange  fie  in  SSereinigung  mit  bem  gefammten  Slpoftolate  unb  mit 
beffen  Dberl)aupte,  bem  3^a(^f olger   be^  Ijeiligen  ^etru^  ftel)en. 

4.  2lbermal§  ein  l)ö|ere»  Organ  beg  nnfeljlbaren  Sel)r= 
amteg  ber  ^irc^e  ift  ber  ^^apft.  2ll§  9lad^folger  beg  l)eiligen 
$etru0  nimmt  er  gu  bemfelben  eine  anbere  Stette  ein  rcie  bie 
übrigen  ^ifdjöfe.  Um  biefeg  mid^tige  Q^eri^ältni^  gmifd^en  bem 
Sel^ramte  beg  ^apfteg  unb  bem  Seljramte  ber  S3ifd^öfe  !lar  gu 
machen,  woHen  mir  un§>  ber    Söorte  eine0  Slnberen  bebienen: 

„SBoUen  mir  hen  bemunbernngsmürbigen  ^lan  ber  ^ir($e, 
il^rc  SSerfaffung,  bie  Drbnung  iljrer  ^ierard^ie  unb  iljrer  Wiener 
lennen  lernen  unb  bie  Slrt  nub  SSeife,  mie  il^r  £el)ramt  immer 
beftel)en  mirb,  nnb  ''t>a§>  iljr  anucrtraute  (^lauben^^gut  ftet^  foll 
rein  nnb  nnt)erfäli(^t  überliefert  unb  erl)alten  raerben;  fo  muffen 
mir  bag  Sllle^  entnel)men  an^  ben  Sßorten  Qefn  ©Ijrifti  felbft, 
meld;er  ber  göttliche  ©rünber  nnb  33aumeifter  ber  ^irc^e  ift. 

J8etrad)ten  mir  nun  feine  nn^  gemad^ten  ^erlieifeungen. 
Sllle  feine  Siöorte  muffen  für  alle  3^iten  fi($  beiualjrlieiten  nnb 
erfüllen,  benn  e§  finb  2ßorte  ©otte§:  ,,§immel  unb  (Srbe  raerben 
oerge^en,  aber  meine  ^orte  merben  nic^t  t)ergel)en.''  2Bir  öffnen  bai3 


—    85    — 

6t)ani3eltum  mib  fittben,  bafe  3efu^  (Eljriftu^,  rto^bem  er  gmölf 
2lpoftel  gu  feiner  ^Mc^folge  berufen  unb  au^exxüälß,  an  ben  ©r- 
ften  berfelben,  roeld^em  er  ben  S^amen  ^etrul  gegeben,  bie  SSorte 
gerichtet:  „®u  bift  $etru§  nnb  auf  biefen  gelfen  voxK  iä)  meine 
^ird^e  bauen  unb  bie  Pforten  ber  §ölle  foden  fie  mä)i  über- 
wältigen. Unb  ic§  ipill  bir  bie  ©djiüffel  be§  §intmelrei($g  ge^ 
ben.  We^,  waö  bu  auf  (Srben  binben  rairft,  n^irb  aud)  im 
Fimmel  gebunben  fein:  unb  alle^,  voa§>  bu  auf  ©rben  löfen 
wirft,  mirb  auä)  im  §immel  gelöfet  fein/'  (Bin  anberea  3}?al 
fpric^t  er  gu  if)m:  „3$  f)abe  für  bid^  gebetet,  ba§  bein  ©laube 
nic^t  manfe,  unb  bu,  einft  belehrt,  befeftige  beine  SBrüber."  Unb 
mieberum:  „Söeibe  meine  Sämmer!  —  SBeibe  meine  6(^afel'' 
60  fpr adj  ©briftu^  in  Gegenwart  ber  übrigen  2lpoftel  gu  ^etru§ 
allein. 

gerner  finben  mir,  mie  ^^riftu0  au$  gu  \)m  5lpofteIn  — 
^etru§,  ber  bereite  ^nm  Oberhaupt  unb  ©runbftein  be^  \i^U 
baren  ©ebäube^  ber  ^ird)e,  §um  Qnfeaber  ber  ©d^lüffelgemalt 
unb  §um  ^irten  ber  gangen  §eerbe  (S^rifti  ernannt  mar,  mit 
einbegriffen  —  gefpro(^en  l)at:  „2Bie  mid)  ber  SSater  gefanbt 
l)at,  fo  fenbe  iä)  eud),  D^^el^met  l)in  ben  l)eiligen  ©eift!  Sßa5 
il)r  auf  (Srben  binben  merbet,  ba§  mirb  an<5)  gebunben  fein  im 
^immel,  unb  mag  \t)x  auf  ©rben  löfen  merbet,  mirb  and)  ge^ 
löfet  fein  im  §imme[/'  gerner:  „©eljet  in  alle  Söelt,  lel)ret 
unb  taufet  alle  3Söl!er,  lel)ret  fie  alleg  l)alten,  ma§>  xd)  end)  ge^ 
boten  l^abe/'  Sßieberum:  „^er  l^eilige  @eift  mirb  eu^  alle 
2ßal)r^eit  lel)ren."  ©ublic^  Derljie^  er  allen  feinen  95eiftanb  mit 
ben  Sßorten:  „Unb  fiel)e,  \d)  bin  M  end)  alle  ^age  bi^  an'^ 
©nbe  ber  SBelt/' 

Sllle  biefe  5au§fprüd;e  ^efu  ^xi]ii  muffen  in  Erfüllung 
gelten  gu  allen  geiten  unb  in  ber  2lrt  unb  Sßeife,  mie  er  fie 
getljan.  ^^  mug  bemnad),  ma^  er  gu  ^etru^  allein  gefproi^en 
^at,  and)  für  $etru^  allein  in  (Erfüllung  gel)en;  unb  wa^ 
er  gefagt  ^at  gu  allen  5lpofteln  in^gefammt,  mug  gleidjer:^ 
meife  erfüllt  merben  für  alle  Slpoftel  in^gefammt.  5llle  feine 
Slusfprüdje  unb  jeber  berfelben  muffen  erfüllt  merben.  ßrfaffcn 
mir  bieg  rcoljl;  nic^t  ein  %1i)eil  nur  mufe  erfüllt  werben,  fonbern 
bag  ©ange.  S)ie  ©rfüflung  eine»  STl^eil»  muß  ganj  ftimmen  ju 
ber  Erfüllung  beg  anbern  ^IjeiU  unb  aller  sufammengenommen. 

^emül^en  mir  un§,  gang  burc^brungen  gu  merben  von  biefen 


—    86    — 

2Bal)rf)eiten ;  fui^en  tüir  aEe  biefe  Slu^fprüd^e  uiib  ^^erl^eigungen 
fiets  por  Stugen  §u  {)Qben  unb  bem  ©eifte  gegenwärtig  gu  er= 
Italien;  mä)t§>  havon  möge  un^  entgelten.  6e^en  ratr  nun,  n)el= 
6)tn  5luff(^lu6  rair  au§  il)nen  gewinnen  fönnen,  um  un§  eine 
DoHfommene  Qbee  Dom  ^lane  unb  ron  ber  ^erfaffnng  ber  ^ird^e 
ju  bitben. 

^ä)  fel)e  ein  ßoßegium  von  groölf  SIpofteln;  ic^  fef)e  ein 
Oberl;Qupt,  erraäp  qI§  ©runbftein,  auf  ben  ba^  ftdjtbare  (^e^- 
bäube  ber  ^ir(^e  gebaut  ift.  Qc^  fet)e,  ba^  biefem  gunbamentc 
unb  bem  ganzen  ©ebäube  eine  geftigfeit  ift  t)erl^eigen  roorben, 
ttjiber  tt)eld)e  bie  Pforten  ber  .göHe  nic^t^  vermögen  werben; 
bafe  biefem  Dberljaupte  bie  ©(^(üffel  be§  ^immelreid^^  gegeben 
finb  mit  einer  Doüfommenen  Mad)t,  ^u  binben  unb  gu  löfen,  unb 
ba  biefe  SJIac^t  rerlieljen  ift  ©inem  allein  unb  von  berfelben 
ni(^t0  aufgenommen  ift,  fo  finb  felbft  bie  Ipoftel  il)r  unterge^ 
orbnet.  ^ä)  fel^e,  'oa^  3efu§  ©liriftu»  für  biefem  Dberl)aupt  ge= 
betet  l^at,  bamit  fein  ©taube  nid)t  manle;  ba§  er  i^m  ben  5luf= 
trag  gegeben,  feine  33rüber  §u  ftär!en,  unb  i^n  befteHt  !^at  aU 
^  n  girten  feiner  @(^afe  unb  Summer,  b.  i.  feiner  ganzen  §eerbe, 
worunter  auc^  bie  Slpoftel  mit  einbegriffen  finb.  5Dag  finb 
bie  5lugfprüd)e  unb  ^erl)ei6ungen ,  bie  fid)  auf  bag  gunbament, 
auf  ba§  fi^tbare  Dberljaupt  ber  ^irdje,  auf  ben  §irten  ber 
ganzen  §eerbe  bestellen. 

SDa  aber  biefe  §eerbe  fid^  ausbreiten  foHte  über  bie  ganje 
SBelt,  fo  l;at  QefuS  ß:i)riftug  au^  nod)  anbere  §irten  befteUt, 
bie  Slpoftel  nämlid),  unb  iä^  fel)e,  ha^  ber  $err  and)  biefen  3^er= 
l^eif3ungen  gegeben  t^at  Um  nun  ben  $lan  S^fu  ©l)rifti  in 
feiner  ganzen  ^oUftänbigfeit  gu  erfaffen,  ift  e§>  notl)menbig,  l)ier 
ha^  Slugenmer!  üorsüglid)  auf  jroei  fünfte  gu  richten;  erftenS 
barf  \6)  nid)t  oergeffen,  bafe  ber  $err  nic^t  5U  ben  2Ipofteln  — 
obgefonbert  Don  ^etruS  —  gefprod)en  l^at,  b.  i.  p  hm  2(po= 
fteln,  aU  getrennt  dou  bemienigen,  ber  bereits  ju  tl)rem  ^irten, 
ju  ilirem  Dberl)aupte  unb  jum  gunbamente  beS  ganzen  @ebäu= 
beS  ber  ^ird^e  ernannt  mar;  ^meitenS  aber  bafi  burd)  biefe  ben 
gefammten  2lpofteln  —  ^^etruS  mit  einbegriffen  —  gettianen 
3Serl)ei6ungen  burd)auS  biejenigen  nid^t  fönnen  oernidötet  werben, 
bie  bem  ^etruS  allein  fdjon  gegeben  finb.  Qd^  fe'^e  bemnad^, 
wie  QefuS  ^tiriftuS  rebenb  ju  ben  Dcvfammelten  5lpofteln,  unter 
benen  aud^  ^etruS  gegenwärtig  war,  ju  i^nen  fprad):  baf?  wie 


-     87     - 

i^n  ber  58ater  gefanbt  f^abe,  alfo  anä)  er  fte  fenbe;  bu§  er  il^nert 
ben  l^eüigen  ©eift  gebe  unb  bie  3Jiad)t  §u  binben  unb  gu  (Öfen; 
ba§  er  i^nen  befaljl,  §u  ge^ien  in  alle  Söett,  gn  prebigen  nnb 
gn  taufen,  inbem  er  if)nen  t)er!)ieg  ben  ^eiftanb  be^  Ijeüigen 
©eifte^,  raie  aud),  bag  er  felbft  bei  il;nen  bleiben  würbe  bi5  anä 
©nbe  ber  Seiten. 

®a  fef)en  wir  bie  an  bie  Slpoftel  gerichteten  2lu§fprü$e 
nnb  ^ßerl^eigungen,  unb  iä)  jiel^e  an^  benfelben,  gentäg  ber  oben 
gemad^ten  beiben  Semerhmgen,  biefe  iwd  Folgerungen: 

1)  Sitte  biefe  S^'erljeigungen  finb  aud)  bem  Slpoftel  ^etru§, 
bem  Kollegium  ber  Slpoftel  aber  finb  fie  al0  t)ereint  ntit 
betrug  gegeben. 

2)  5Durc^  zhen  biefe  ^erljeiBungen  werben  jene  anbern,  bie 
bem  ^etrn^  attein  gemad)t  finb,  bur(|au§  ni(^t  aufge« 
l)oben. 

©^  wirb  bemnac^  betrug  —  in  notliraenbiger  golgerung 

—  um  ni^tg  weniger  verbleiben:  ba§  Dberljaupt,  ber  ©runbs 
ftein  be§  ®ebäube§,  ber  ^irt  ber  ©d^afe  unh  ber  Sämmer,  felbft 
ber  5lpoftel,  enblii^  ber  gangen  §eerbe;  um  nid^t§  roeniger  roirb 
er  l)aben  bie  6c()lüffel  be0  $immelrei(^^  mit  jener  ooEen  Wta^t 
in  binben  nnb  p  löfen,  ber  bie  5lpoftel  glei^faH^  untergeorbnet 
finb;  er  rairb  zhen  fo  nod^  au^gerüftet  fein  mit  jener  @abe  be^ 
©lauben^,  ber  in  iljm  nie  raan!en  rairb,  unb  mit  ber  Slutorität, 
feine  33rüber  gu  ftär!en. 

33i0  l)ierl)er  fd^eint  mir  ber  $lan  vortrefflich;  märe  aber 
biefeiS  ©ebäube  ein  ^Jtenfc^emoerl,  bann  fönnte  id^  bie  unoer^ 
meiblidjen  golgen  oon  ©d^mad^ljeit  unb  Unbeftanb  befürd^ten. 
3d^  müßte  ber  ^eforgnife  9taum  geben,  bag  einmal  biefeg  gun= 
bament  man!e,  unb  fielje  '^a  —  e^  ftürgt  ba5  ganje  ©ebäube; 
bafe  "Die  (Steine  vom  gunbameute  fid^  trennen,  unb  e^  erfolgt 
ber  9ftuin  be^  .gaufe^;  bag  ber  §irt  ficf)  oerirre,  unb  er  fül)rt 
bie  §eerbe  §u  tobbringenben  S^öeiben  unb  Slbgrünben;  baß  bie 
©d^afe  bie  (Stimme  be§  ^irten  nid)t  mel)r  l)ören,  unb  fie^e  ba 

—  3]ern)irrung  unb  Sluflößung  aller  Drbnung  unter  ber  ^eerbe; 
befürd)ten  müßte  id)  enblic^,  baß  einerfeit^  ba»  Dberl)aupt  ber 
5lpoftel  im  ©lauben  manfe,  ober  anbererfeit^  bie  Slpoftel  bie  2lu- 
torität  be§  Dberl)aupte5  nid^t  adjten;  ha^  'oa^  ^an^t  vom  Seibe 
ficf)  trenna  unb  ber  Seib  vom  Raupte  —  unb  fielje  ba  —  eS 
gel)t  atteg  ju  ©runbe  —  ba0  öaupt  unb  ber  £eib. 


-    88    - 

(lö  finb  aber  biefe  Söeforgniffe  in  imferem  gaffe  nur  nt$i 
ttge  ©c§re(ibilber.  SDie  B\xä)e  ift  fein  3Jlcnfd^enroer!,  fie  ift 
©otte^^roer!  unb  ©ott  l^at  fold^e  5Iugfprü(^e  gettjan  unb  fol(^e 
^erl^ei^ungen  gegeben,  bie  feinen  ^an  raiber  äffe  berartige  ©e= 
faljren  fidlem  unb  be^djirmen.  (^v  felbft  '^at  ben  gel^  erraä^lt, 
Quf  ben  ev  feine  ^irdjc  gegrünbet,  unb  mit  jener  geftigfeit  fie 
begabt,  ba§  W  Pforten  ber  §öffe  fie  nientaU  überwältigen  roer^^ 
ben.  ©r  felbft  ^ai  gebetet,  bafe  ber  ©lanbe  be»  ^etruB  nie- 
mals wank;  hen  5Ipofteln  in^gefammt  l^ot  er  ben  ^eiftanb  be^ 
l)eiligen  ©eifte^  ^er^eifeen,  unb  ba^  er  felbft  hä  il)nen  bleiben 
würbe  bi^  an^  @nbe  ber  3^^^^'!^;  ^^b  loem  biefe  ^erl)eigungen 
nod^  nid;t  pir  Döffigften  Q3erul)igung  genügen,  ber  beben!e,  raie 
bet  §err  gleid^faff^  gefagt  l)at:  ba^  feine  Schafe  Igoren  werben 
bie  ©timme  be§  ^irten  nnb  bafj  nur  @in  6d;afftaff  unb  ßin 
§irt  fein  wirb;  ber  bebenlfe,  wie  nad;  bem  legten  2lbenbmal)l, 
ba^  er  -mit  feinen  Slpofteln  Ijielt,  nad)  jener  gärtlidjen  unb 
bemunberung^mürbigen  91ebe,  bie  ber  Ijeilige  Qo^anne^  Qufge^ 
geidjuet  unb  bie  mau  gleidjfam  "oa^  ^eftament  Qefu  (El)rifti 
nennen  mö(^te;  ber  Woente,  fage  id^,  ha^  jener  göttliche  Sel)rer 
einige  2lugenblicfe  vox  feinem  Reiben  ju  feinem  eroigen  S3ater 
flehte  für  bie  ^ird)e,  für  äffe  Slpoftel,  für  äffe,  't)k  an  i^n  glau-- 
ben  mürben;  ha^  er  geffeljt  Ijat:  „'oa^  äffe  @in^  feien,  roie  hn 
SSafcr  in  mir  bift  unb  i^  in  bir  bin,  bamit  au^  fie  in  un^  (gin§ 
feien,  ..  bamit  fie  ©iuiS  feien,  mie  au^  mir  (^in^  finb/'  ^a^ 
finb  bie  2tuefprüd^e  unb  SSerljeißungen ,  bie  htn  ^eftanb,  bie 
gortbauer  unb  ©inl^eit  ber  ^ird^e  verbürgen. 

3$  fel)e  nun  bie  berounberung^roürbige  (Sinridjtung  unb 
ben  göttlidjen  $lan  biefe^  ©ebäube»  in  feiner  ©anjlieit  unb  SSoff- 
ftänbigl'eit ;  iä)  faffe  nieber  unb  htte  an  bie  äöeiM)eit  ©otte^  in 
ber  ©eftaltuug  feiner  ^irc^e,  unb  e^  fd;imnben  äffe  gurd;t,  äffe 
3roeifel,  ^eben!ü$!eiten  unb  fragen. 

2ln  bie  6teffe  beg  Ijeiligen  ^etrul  brauche  ic^  je^t  nur 
feinen  5Rad)folger,  htn  ^^apft  ju  fe^en  unb  an  bie  6teffe  be^  mit 
^etru^  vereinigten  (Soffegium^  ber  5lpoftel  bie  @c|ammtl)eit  ber 
Sifd)bfe  ber  !atl)olifdjen  ^ixä)e,  fie  mögen,  nun  bei  il^ren  ^^eerben 
roeilen  ober  im  ©oncil  Derfammelt  fein,  jebo(^  ftetä  in  S3er= 
einigung  mit  bem  ^apfte,  unb  ic^  finbe  in  biefem  33ilbe  ganj 
benfelben  ^lan,  biefelbe  gorm  ber  ^erfaffung,  ber  g^erard^ie, 
Sflegierung  unb  be^  Seljramt^  ber  ^ird^e  roieber. 


-    89    — 

2ßenn  tc^  nun  Don  biefem  ©efic^t^pnnft  am  unb  mit 
jener  ©efinnung,  wie  ein  Gljrift  fie  fjoben  fofl,  bie  ^ir^enge^ 
fddtd^te  lefe,  imax  ni(^t  in  Slutoren,  roel^e  biefelbe  gur  3?ert^ei= 
bigung  befonberer  ^J^einungen,  in  benen  fic  befangen  raoren,  ge^ 
jd^rieben  ^ahm,  jonbern  fie  lefe  in  !ir($li(5en  3)^onuntenten  ober 
in  t)orurtljeillfreien  @ef(^i(^t§forf($ern,  bann  wirb  mir  bie  für 
ein  gläubige^  ©erg  fo  füge  S3erul)igung  §u  ^^eil,  mal^rsuneljmen, 
roie  ba§  2Ber!  ©otteö  fi(^  erfüllt,  alle  feine  SSer^eigungen  fi^ 
ben)al)rl^eiten  imb  jebeS  feiner  Sßorte  auf  ba§  ©enauefte  ein^ 
trifft,  „gimmel  unb  ©rbe  merben  Derge^en,  meine  SBorte  aber 
merben  nid&t  t)ergel)en/' 

2öol)l  ftoge  i$  auf  ^ärefien,  auf  ©(^i^men,  auf  SSerroir- 
rungen  unb  SSerfolgungen ,  anä)  ift  'oa^  M^^  roirflic^  t)orl)ergc= 
fagt;  aber  id^  finbe  jugleii^,  mie  bie  ^ird^e  bie  Qrrtpmer,  bie 
^äretüer,  W  ©djiematifer  t)on  fi($  aueflößt  unb  ftet^  uner^ 
f(^ütterlid;  auf  bem  gelfen  verbleibt,  auf  welchen  fie  gegrünbet 
ift;  finbe  fiet^  ben  9]ad;f olger  ^etri  an  il)rer  6pi|e;  ftets  ben 
©lauben  $etri,  ber  niemals  manft;  bie  übrigen  §irten  mit 
$etru^  tjereint  unb  bie  ganje  §eerbe,  bie  nur  ©inen  6($afPalI 
bilbet  unter  ©inem  Ritten  ^)." 

SBir  f (fließen  un^  biefer  ganzen  ^arftellung  an  unb  glau- 
ben, baf3  fie  eben  fo  rein  unb  unbefangen  ben  ©ebanfen  ber 
SBorte  ber  Ijeiligen  6(^rift  au^brüdt,  mie  fie  ber  Stellung  be5 
$apftt^um0  in  ber  ©ef(^id;te  bi0  auf  bie  ©egenroart  entfpric^t 
Söenn  in  ben  erften  3al)r^unberten  ber  Primat  nic^t  immer  mit 
berfelben  @ntf($ieben^eit  in  ben  ^orbergrunb  tritt,  mie  in  ber 
l^eiligen  ©c^rift  felbft  unb  in  ben  fpäteren  3al)r^unberten,  fo  liegt 
bas  barin,  meil  bie  ^ir^e  nai^  ben  SSorten  be^  göttlid^en  §ci- 
lanbe^  in  i^rem  ©ntftel)en  unb  3Bacl)fen  „gleid^  ift  einem  6enf= 
!orn,  meld^e^  ein  9JJenf($  genommen  unb  auf  feinen  2lcler  gefäet 
^at;  felbe§  ift  groar  fleiner  al^  alle  6amen,  roenn  e»  aber  Ijeran- 
gema^fen,  .  .  wirb  e^  ein  SSaum,  fo  "oa^  bie  33ögel  he^  §immeB 
fommen  unb  roo^mn  in  feinen  ^roeigcn^)/'  60  ift  au^  ber 
Ijeilige  Drgani^mu^  ber  lird^e  @otte^  meljr  unb  melir  offenbar 
geworben  unb  l^at  fic^  nac^  bem  Pane  entroicfelt,   ben   mir  in 


1)  Söriefe  beo  ©avb.  Sitta  übet  bie  fog.  bier  2(ttifcl  be8  ^leruä 
Don  ^ranfreicfi.  2)eu[c^  3J?ünfter  1844.  6.  88—95.  9Bir  !önnen  biefeä 
Dortteffrid^e  S3uc^  nidjt  genug  empfe^ren.  —  2)  SKatt^.  13,  31  f. 


—    90    - 

bem  SSorte  ©otte§  fo  beutlid^  üorgegeti^net  feiert,  Seber  einjelne 
Sug  bte[es  gottUd^en  39aupIaTi^  ber  Söorte  Qefu  entfpvid^t  in 
roflenbeter  Streue  ber  Jat^oUfdjen  ^ird^e,  wie  mx  fie  vox  un§  fe^en. 
^aS  ift  überaus  wunberbar  unb  ber  Unglaube  fann  unmöglid^ 
bie  ^vaft  be§  Seraeife^  für  bie  ©ottlid^feit  ber  ^ir$e  rerfennen, 
n)el($er  bortn  beftel)t,  bafe  i^r  Stifter  x^x  mit  wenigen  SKorten 
eine  33erfaffung  gegeben  i)at,  welche  no($  in  hen  fpäteften  3a^r* 
^unberten  in  i^rer  ganzen  ^raftunb  ^oHenbung  f ortbauert  unb  eine 
^eis>lie\t  fuub  gibt,  bie  jebe^  l)inäu!ommenbe  3al)r!)unbert  nur 
beftätigtO. 

2ßenn  aber  alle  35erl)ei6ungen,  rceld^e  ef)riflug  ben  2lpofteln 
gegeben  l)at,  fon)o!)l  jene,  bie  er  bem  ^^5etru§  allein,  al^  auc^ 
jene,  bie  er  i^m  mit  ben  übrigen  SIpofteln  ^ufammen  gab,  gleid)^ 
mä^ig  im  Primate  mie  im  ^poftolatc  in  Erfüllung  gel;en  muffen, 
fo  ift  faum  5u  benfen ,  bag  ber  ^apft,  menn  er  aU  D^adifolger 
be§  l)eiligen  $etru^  t)on  feinen  5.^ttmad)ten  ©ebrauc^  mad)t; 
menn  er  in  golge  be^  Sefe^leg  :  „2öeibe  meine  Sämmer,  meibe  meine 
©d^afe') !''  ferner:  „3(^  i)abe  für  bic^  gebeten,  bafe  bein  ©laube  nid)t 
manfe,  unb  roenn  hu  einft  bc!e!)rt  bift,  fo  ftär!e  beine  trüber  3)," 
l^anbelt,  babei  felbft  bem  Qrrt^um  verfallen  unb  bie  §eerbe  ßfjrifti 
roie  feine  trüber  irre  füljren  !onnte ;  e^  ift  nidjt  §u  benfen ,  bafe  ber 
gel^,  auf  ben  bie  ^ird^e  aU  Se{)ranftalt  ber  2öal)r^eit  gegrünbet 
ift,  gegen  ben  bie  Tlaä)t  be§  ßügengeifte^  nichts  vermag,  felbft 
bem  ^rrt^ume  foHte  oerfaHen  fonnen. 

§ier  ftel)en  mir  aber  fd)on  mitten  in  ber  Streitfrage  Don 
ber  Unfel)Ibar!eit  be^  ^apfte^,  unb  ha  bie  ^ird}e  fie  nid^t  als 
©lauben^fa^  entfd;ieben  ^at,  fo  loollen  mir  un^3  barauf  befd)räu= 
!en,  3}ligoerftänbmffe  ^u  befeitigen,  inbem  mir  fie  !(ar  unb  ein- 
fad^  barlegen  unb  genau  angeben,  meldte  SDleinungen  nad^  ber 
fie'^re  ber  bemäf^rteften  ^Ijeologen  geftattet  finb  unb  meldte  nidE)t. 
Biv  föuiien  Ijierüber  üier  5lnfid}ten  unterfd^eiben*). 


1)  93e!anntnc&  leugnet  ein  ^fjeil  bor  ^prcteftanten,  tine  ueuertingö  ber 
^ofprebiger  unb  ®enerat:©upetintenbent  2Ö.  C^offmann  in  feinet  ©c^rtft : 
„®eut[d;ranb  einft  unb  jc^t,"  baj^  Gf;riftuä  feiner  5lird)e  dm  SScrfaffung  gegeben 
l^abe.  3)aS  beioeift  aber  nur,  lüie  auc^  bie  üarften  Söorte  :3  e  f  u  nid)t  mcl^v  feine 
Slbfic^t  gegen  bie  SEßilt!ür  ber  ^riüatau§(egung  ^u  fcfiü^en  i?ermögen.  ^eine  Seigre 
be§  (Sf)riftent^umö  ift  beutlidjer  in  bem  2Bortc  ©otteg  auSgefprorfien  alö  bie, 
bo^  er  bie  2l|)oftel  unb  ihre  Dfac^folger  jur  Seitung  ber  ^irrf^e  berufen  Ijnt. 

2)  ^ol^.   21,  15—17.  —  3)  £ul.  22,  32, 

4)  (:r.   Biliar  min.  de  Rom.  PontiC.  üb.  IV.  r.  2. 


—    91     - 

^ie  erfle  5lnfic^t  bef)aiiptet,  ber  $apft  !önne  au^  bann 
wenn  er  mit  einem  allgemeinen  ©oncil  eine  ©ntfd^eibnng  über  ben 
©lanb^n  gibt,  felbft  in  3rrte!)ren  fallen  nnb  §ärefie  lehren. 
®iefe  5lnfid)t  leugnet  überl)aupt  bie  Unfehlbarst  ber  ^ird^e  unb 
mirb  von  benen  aufoeftellt,  meldte  auger  ber  ^irdje  fielen,  ©in 
^atI)oli!,  rceld^er  i^x  iiulbigt,  gel^ört  innerlid)  nid)t  mel^r  ber 
Äird^e  an  unb  ift  üon  iljr  aulgefdiieben. 

®ie  ^roeite  Slnfid^t  lel)rt,  ber  $apft  fönne  au^  aU  $apftO 
felbft  in  einer  2xxh\)xe  befangen  fein  unb  2lnberen  eine  ^xxk^xe 
leljren,  wenn  er  außer  einem  allgemeinen  ßoncil  eine  @utf($eib< 
ung  über  geoffenbarte  ®Iauben»=  nnb  6ittenlel;ren  trifft,  ^on 
biefer  2lnfi(^t  fagt  (Earbinal  Sellarmin,  bag  fie  nic^t  förmlid^ 
pretifc^  fei,  meil  bie  ^ir(^e  no6)  jene  in  il)rem  6($o^e  bulbe, 
meli^e  i!)r  anpngen,  fie  fd^ein^  aber  bnr($au§  irrig  nnb  ftelje 
ber  §ärefte  na^e'^). 

®ie  b ritte  3rnfid)t  ge^t,  mie  33 eil ar min  fagt,  in  ba§ 
onbere  ©ytrem  über  unb  behauptet,  ber  ^apft  fi)nne  nie  unb  in 
feiner  Söeife  einer  3rrlel)re  verfallen,  no($  eine  fotd&e  öffent= 
lid)lel)ren,  foofter,  aud^  allein,  etma§>  entf (Reibet,  ^ellarmin 
fagt  t)on  biefer  Slnfid^t,  baß  ft(^  für  biefelben  groar  ©rünbe  an* 
fül^ren  liegen,  fie  feien  aber  nid)t  geroig. 

^ie  t)ierte  2lufi(^t  enbli(5  lägt  bie  grage  unerörtert,  ob 
ber  $apft  in  ®laubenfa(^en  perfönlii^  irren  !önne  ober  niä)t,  unb 
befd)rän!t  fic^  barauf  5U  bel)aupten,  bag,  roenn  ber  $apft  über 
©lanben§fad)en  für  bie  gan§e  Rixä^e  eine  feierliche  @ntf(5eibung 
gibt,  biefe  @ntf(5eibung  nidjt  l)Qretifc§,  nid^t  irrig  fein  fönne.  ^iefe 
Slnfidit  nennt  ^ellarmin  „bie  aEgemeinfte  faft  aüer  Äat^o- 
lifen,"   hk   fic^erfte  unb  jene,  roeld^e  er  t)ertl)eibigen  roill. 

®ie  brei  legten  Slnfic^ten  finb  alfo  naö)  S3ellarmtn  inner- 
balb  ber  i!ird)e  nod^  Snläffig,  b.  l>  man  fann  fie  bel^aupten,  ol)ne 


1)  ^^er  2lu§bruc!  ,Japft  ar§  ^a|3ft"  bebeutet  folc^e  päpftlid^e  Äunb« 
gebungen,  bei  benen  er  olö  Oberf;au|)t  unb  Sekret  ber  ©efammtürd^e  auftritt. 
^l)mn  gegenüber  fielen  [ofc^e,  bie  feinem  ^ßribatleben  angel^i^ren  ober  bei 
benen  er  nirf)t  al^  Se^rer  unb  ^idjkv  über  ©laubenöroa^rl^eiten  für  bie  ganje 
^ird^e  auftritt. 

2)  Um  biefe  2lu§brüc!e  ju  unterfcbeiben,  bemcrfen  loir ,  baB  ^äretifc^ 
nur fotd^e  9lnfid^ten  über  gecffenbnrte  2öal^r^eiten  finb,  loeld^e  einer  ausbrüds 
lid^  erftärten  @taubcn§roafjrl^eit  tüiberfprec^en  unb  rcelc^e  bie  5?irc^e  bei  benen 
nid^t  bulbet,  bie  ifjr  angehören  lüoUen.  ©§  fann  bal^er  ettüa^  an  fi*  irrij 
fein,  ber  ^rrrefjre  ncif)e  fte^en,  ol^ne  förmtirf»e  §ärefie  3U  fein. 


-    92    - 

t)Ott  ber  ^ir^e  Qu§gefcE)Ioffen  gu  werben,  ^a  mir  nii§  aber  bcr 
legten  Slnfidjt  entf($ieben  anfdiüegen,  roeldje  55eUarniin  hk 
communissima  fere  omuium  catholicorum  nennt  nnb  bie  cer- 
tissima ,  fo  ift  eg  notljrcenbig,  noc^  nal)er  gu  beftimmen,  voa^  [xe 
mä)t  enthält  nnb  n)Q§  fie  entl)ä(t. 

6ie  entl)ält  erften0  nidjt  bie  3}leinnng,  bafe  ber  ^apft  über- 
Ijanpt  ivrljum^Iog  fei,  oud^  bejüßlid)  ber  S)in9e,  roeld^e  ni$t  gur 
rffenbarnng  geljören.  ^ag  raäre  ^f)orl)eit  nnb  ift  noc^  nie  von 
einem  £atI}oIi!en  beI)Qnptet  roorben. 

Bie  entölt  peiten^  au^  nii^t  bie  SJ?einnng,  ba^  ber  ^aiß^ 
in  @laubengfad)en  für  feine  ^erfon  ni$t  irren  fönne.  hierüber 
fagtSellarmin  an  berfelben  Stelle :  „Wt  ^at^olüen  ftimmen 
mit  hen  3^rtel;rern  barin  überein ,  ...  ha^  ber  ^apfl  al^ 
^l)eoIog  (Doctor  privatus)  anifi  in  allgemeinen  JJragen  über 
©lanben^s  nnb  Sittenlehren  an^  UnfenntniB  irren  fönne,  mie 
e§  ani^  M  anbern  ^^eologen  t)or!ommt." 

©ie  entl^ält  britten^  nid^t  bie  ^eljanptung,  ha^  alle  3}leinnng§s 
än§ernngen  ber  ^äpfle  in  S3nIIen  nnb  33ret)en  nnfel)lbar  nnb  beg^ 
megen  irreformabel  feien.  3^  W\n  ^el^anptnng  neigt  bie  britte 
ber  obenangefüI;rten  2lnfid)ten.  ^aljer  ift  eg  änroellen  gef($el)en, 
jeben  ©ag  eineg  päpftli^en  2lu^f($reiben^,  beffen  6inn  ganj  oon 
3eit'  un'b  Socaberljältniffen  abijtng,  aU  unfeljibare  5ln!cfprü$c 
geltenb  ju  mai^en  nnb  allgemein  angnmenben ,  raa§  mir  nic^t 
billigen  !önnen.  (itwa§>  5lnbere§  ift  e§>  bagegen,  ob  nid^t  ßr= 
flärnngen  be^  ^apfte^,  felbft  roenn  fie  nic^t  'oen  d^axaitn  einer 
allgemeinen  binbenben  ©ntfi^eibnng  über  -ben  ©lanben  an  fid^ 
tragen,  bi§  ^n  ilirer  5lbänberung  befolgt  merben  muffen,  nid)t  meil 
fie  nnfel)lbar  finb,  fonbern  meil  fie  t)on  bem  an^geljen,  ber  über 
bie  ©inl)eit  ber  ^ird^e  gn  \m<^en  nnb  fie  gn  leiten  l^at,  ma^  mir 
nnbeben!lid^  gugeben. 

Sie  entljält  Dielmel)r  mir  bie  33el)anptnng  einer  befd^ränften 
Unfe^lbarfeit,  inbem  fie  annimmt,  ba^,  rcenn  ber  ^apft  als 
£berl)aupt  ber  ^irc^e  über  bie  geoffenbartc  3Bal;rl)eit  einen 
2ln§fprnd^  tl)nt,  um  baburd^  bie  gange  ^ird;e  ju  oerpflid^ten ,  in 
biefem  Slu^fprud)  feine  ^rrleljre  entt)alten  fein  fönne.  6old^e 
SluSfprüd^e  fegen  immer  gugleid)  eine  Jyorm  t)orau§,  moburd^ 
fie  fidö  S^bem  uubesmeifelt  als^  eine  ©ntfdjeibung  über  eine  be- 
ftimmt  begrenzte  Streitfrage  in  ©lauben^fadien  funbgeben. 


.  —    93    - 

5Die  jo  begrenzte  unb  beftimmte  Srrtiiutn^lofigfeit  be^  ^apfteS 
ge^t  aber  au»  bcn  35erl^eigungen  (ilrifti  für  $etru§,  wdä)e  voxx 
betrad^tet  f;aben,  Tüie  un§  fdieint,  utijraeifel^aft  ^erüor. 

5.  3n  l^ödjfter  6tufe  finb  enblid^  Organe  be0  unfehlbaren 
Sef)ramte^  ber  Mr(!)e  bie  allgemeinen  ^oncilien. 

Wlan  l)ai  bie  grage  aufgeworfen,  ob  ein  attgemeine^  (Eoncil 
über  bem  ^apfte  ftelje,  ober  umge!el)rt.  ^bgefel;en  aber  ron  3?iten 
einer  jn)eifelt)aften  $apftn)al)l  ift  biefe  grage  ganj  unjuläffig,  raie  e§ 
jene  raäre,  ob  beim  erften  apoftolif($en  (Eoncil  ^  e  t  r  u  s  über  ober  un^ 
ter  bemfelben  geftanben  ^ahe.  ©in  (Eoncil  ol)ne  ober  gar  gegen  hen 
red;tmägigen  $apft  ift  fein  allgemeine^  ßoncil  mit  hcn  5?olI> 
machten  beffclben.  ©§  läfet  fid)  fogar  nad^  ben  5Serl)eiBungen 
ß;i)rifti  ber  gall  gar  nid^t  ben!en,  ba^  auf  ber  einen  ©eite  ber 
gmeifeüo^  red^tmägige  $apft,  auf  ber  anberen  ber  gefammte 
(Spi^copat,  auf  einem  (Soncil  t)erfammelt,  fid^  gegenüber  ftänben. 
"^ann  märe  ja  bie  Äirc^e  in  ber  3Serfaffung  gerftört,  rceli^e  iljr 
(I'l)riftu§  gegeben  l)at. 

(Ein  allgemeines  ßoncil  aber,  bei  meld)em  ber  ^apft  ent= 
roeber  felbft  ober  burd^  feinen  Slbgefanbten  ben  SSorfig  fül)rt, 
roie  ^  e  t  r  u  S  auf  jenem  2lpoftelconcil,  ift  ber  f eierlic^fte  unb  ent= 
fc^eibenbfte  2lct  beS  apoftolifi^en  SeljramteS,  baS  glorreid)fte  3^"9' 
ni6  für  \)k  raal;re  Sel)re  ^ef  u,  bie  Ijöt^fte  2lutorität,  burd^  meldte 
ber  f)eilige  ©eift,  ber  ©eift  ber  2Bal)r^eit  §u  hen  SJ^enfdjen 
rebet.  3n  biefer  @inrid)tung  be§  !ird^li(^en  Sel)ramte§  muffen 
mir  aber  bie  SBeiS^eit  unb  ©üte  ©otteiS  bemunbern.  S)ie  ©in^ 
l)eit  ber  £ird)e  unb  bie  forttt)äl)renbe  Üieinerljaltung  ber  Sel)re 
3efu  forberte  ein  Slmt  in  ber  ^irdie  mie  ba§  bc^  l;eiligen 
^etruS.  S)ennoc^  roottte  @ott,  ha^  aud^  biefeS  l)eilige  2lmt, 
meil  e§  einem  fd)n)ad)en  3)^enfd^en  übertragen  mürbe,  in  einer 
SBeife  geübt  merbe,  meldte  ben  menfd)lid^en  ^erl)ältniffen  mög- 
lid^ft  augemeffen  fei.  ^ie  Unfel)lbarfeit  ber  ^ird^e,  bie  eine 
göttliche  ©abe  ift,  follte  gugleid^,  um  eS  un-3  SJ^eufd^en  leidster 
5U  mad^en,  il)r  gu  folgeit,  unb  xim  bie  Sträger  berfelben  in  ber 
^emut^,  in  ber  (grfenntnig  iljrer  9^id)tig!eit  gu  erl;alten,  mit 
einer  gorm  umgeben  merben,  bie  aud;  mcnfdj)lid;  hk  l)öd^fte 
©idf)erl)eit  ber  2Bal^rl)eit  bietet.  S)aö  gefc^ieljt  aber  burd^  bie 
Seratl;ung  im  Goncil.  ©anj  mie  in  ber  natürlid^en  Drbnung 
ber  (Segen  ©otteS  bie  menfd^lid^e  ^l)ätig!eit  nid^t  auSfd^liegt, 
fo  fd^lie^en  bie  übernatürlid^en  (3ahcn  ber  ^ird;e  bei  ber  ^er= 


—     94    — 

ülTibtgurtg  ber  2Bal£)rIjeit  nx^t  bie  natürliijen  Wliikl  iljxcx  ©r- 
forf(^ung  au^.  ^uxä)  bie  Slpoftel  in  Qerufalem  wollte  ber  ^eilige 
©eift  fprei^en,  benno$  aber  berietl;en  fte  in  menfc^li(^er  Söeife, 
el^e  fie  befi^Ioffen.  SDort  waren  bie  Häupter  ber  2lpoftel 
o^ne  Sraeifel  perfönli(5  unfel)lbar,  bennoc^entic^ieb  nic^t  ^^Petru^, 
nid^t  ^aulu0  allein,  fonbern  bie  gange  S^erfammlung  antwor^ 
tete:  „©5  l^at  bem  ][)eiligen  ©eifte  unb  un^  gefallen."  ©o  ge* 
f(^ie^t  es  anc§  jegt  nod^  in  ber  ^ird^e  auf  ben  allgemeinen  Son^ 
cilien.  Sa  felbft  in  ben  feltenen  gätten,  in  raeld^en  ber  ^apft 
üon  feiner  ^öd^ften  3SoIIma(^t  aufeer  ben  Soncilien  ©ebraui^  mad^t, 
^anbelt  er  nx^t  getrennt  t)on  ber  ^ird;e  unb  bem  ©pi^copate. 
©r  fpridEit  x)ielme^r  in  folc^en  pllen  ha^  SSeiüufetfein  ber  gangen 
Äird^e  au^,  nad^bem  er  norl^er  aUe  menfi^lic^en  Mittel  gur  @r^ 
forfc^ung  ber  SBa^r^eit  erfd)5pft  unb  nid&t  feiten  einen  großen 
5r^eil  ber  Sif(^ofe  felbft  über  i^re  3}leinung  gu  '^at^e  gebogen  Ijat. 


IX. 

Die  ailgmeitien  Concilien  in  ber  Mtd^t, 

„®enn  e§  f)ai  betn  fjeiligen  ©eifte  unb  unö  gefallen, 
eud^  !eine  n^eitere  Saft  aufzulegen,  al§  biefe  not^« 
njenbigen  ©tüöe/  2l^ofterg.  15,  28. 

^ir  ge^en  je|t  bagu  über,  einen  furjen  Ueberblid  über 
bie  aßgemeinen  ßoncilien  gu  geben,  ha  if)V  Eingreifen  in  bie  ©e^ 
^ö)\ä)k  ber  Äird^e  un§  gugleic^  ben  fi($erften  51nl)alt  gibt,  um 
bie  ^ebeutung  bei  nädjften  ß;oncill  für  bie  gufunft  gu  beurtljeilen. 

©0  furg  Quc^  biefe  Ueberfid)t  fein  mug,  fo  rairb  fie  bo(5 
§raei  groge  n)e(tgefc|i(^tli($e  ^l^atfud^en  üollftänbig  !lar  machen, 
ba§  nämlid;  erfteng  bal  ganje  ^ehen  ber  ^irdje  ein  ununter^ 
broi^ener  ^ampf  mit  ben  mö^tigften  geinben  ift,  namentlid^  mit 
fteti  neu  fid)  erl^ebenben,  na<^  unb  nai^  aHe  Söal^rl^eiten  bei 
(£^riftent{)uml,  ja  bal  ef)riftent^um  felbft  in  feinen  gunbamenten 
angreifenben  Qrrleljren;  ba^  graeitenl  bie  allgemeinen  ßoncilien 
ju  üUen  Seiten  bie  ]^auptfäd)Iid^ften  3}littel  geraefen  finb,  mobur(^ 
bie  offenbarte  Sßafirljeit  in  il)rer  ganzen  ^oüftänbigfeit  unb  3ftein= 
i)eit  gegen  alle  jene  Qrrtljümer,  unb  bie  ^irc^e  unb  ß(;riftenljeit 
gegen  atte  jene  geinbe  fiegreid;  nertljeibigt  raurbe. 

5Dreil)unbert  Qaljre  lang  l^atte  ha^  §eibentt)um  Dergeblidj 
fic^  abgemü!)t,  burd^  meltlii^e  ©ewalt  unb  blutige  ^Verfolgungen 
bal  ßliriftentl^um  aul^urotten.  S)al  ^lut  ber  SJZartprer  biente 
nur  ba§u,  ha^  ©ljriftentl)um  um  fo  meljr  auljubreiten  unb  gu 
befefligen.  5D er  Eintritt  Eonftantin'l  bei  Großen  in  bie^ird^e 
befiegelte  enblid;  bie  Sefeljrung  bei  römifc^en  SBeltreidjel.  "^a^ 
§eibentl)um  ging  unter;  bem  (E^riftentljum  geljörte  üon  nun  an 
bie  S^^iii^ft«  ®ßt  Söiberfadier  ßl^rifti  gab  fid;  aber  nid^t  über^ 
munben,  fonbern  änberte  nur  feine  ^ampfelmeife.  5Durd^  bie 
folgenben  Dier  Söljtljunberte  erl^ob  fid;  eine  fur($tbare  3rrlel;re 


-    9G    - 

m^  ber  auberen,  um  mit  ben  ©runbraatirl^eiten  be§  (J^riften- 
t^um^  btefeg  felbft  t)on  3nnen  §erau§  ju  jerftören. 

$Dte  erfte  grofee  Srrleljte,  ber  2lriani^mu§  (fo  genantit 
t)on  ifirem  Stifter,  bem  SlIeranbrinifcEien  ^riefter  Slriu^)  war 
fofort  gegen  jene  2öa!)r^eit  geridjtet,  auf  ber  alle  2Ba^rt)eit  unb 
äffe  ©nabe  bei  ^F)riftentl;um0  berulEit,  nämlic^  gegen  bie  @ott  = 
Jieit  3efu  eiirifti  unb  baburc^  auä}  gegen  ba^  ©e^eimni^  ber 
afferl^eiligften  $Dreifatttg!eit.  2lr  in  1  letjrte  nämlid),  ber  eingeborene 
©oljn  ©ottel,  b.al  Söort,  ba§  t)on  Slnfang  an  wax  unb  bur($  bal 
2llle^  erfc^affen  ift^,  feinid^t  im  raal^ren  unb  eigentlii^en,  fonbern 
nur  in  einem  uneigentlid^en  ©inne  ©ott;  beim  and)  ber  ©o{)n 
©ottel  fei  ein  ©efd^öpf  an§>  nid^tl;  groar  fei  er  'oa§>  erfte  unb 
{)ö(ifte  unter  ollen  @efd;öpfen  unb  burc^  x[)n  l)abe  ©ott,  mie 
burd)  ein  SSerf^eug  aUeg  ^tnbere  erf (Raffen ;  aber  göttlidjen  SBefenl 
unb  emig,  wie  ber  3?ater,  fei  er  nic^t,  fonbern  nur  megen  feiner 
l)oI)en  ©igenfd^aften  unb  STugenben  oon  ©ott  mit  bem  göttlidjen 
5Ramen  unb  göttlit^en  @l)ren  gefd)müdt.  ^iefe  3rrlel}re  mar  um 
fo  gefä^rlid^er,  ha  2lriug  fie  mit  groger  ^unft  p  verbergen 
unb  fid^  ben  2lnfd;ein  ju  geben  wu^te,  aU  ob  aud)  er  ßl)riftum 
al§  ©Ott  anbetete,  ßr  gemann  ^aljllofe  5lnl^änger,  barunter  felbft 
^riefter  unb  Sifd^öfe. 

5Da  üerfammelte  fid^  unter  bem  5]orfi|5e  ber  Slbgefanbten 
unb  (Stellvertreter  bei  ^apftel  Silvefter  I.  unb  unter  hem 
©c^uge  bei  ^aiferl  ^onftantin  im  3al)re  325  ju  '^xcäa  in 
Meinafien  bal  erfte  allgemeine  (Eoncil.  ©l  maren  318  SBifd^öfe 
Dereinigt  unb  nie  I;at  bie  ©rbe  eine  (jeiligere  unb  el)rn)ürbigere 
^erfammlung  gefeljen;  eine  beträd)tlid)e  3^^^^  berfelben  trug  in 
tiefen  3Rarben  unb  cerftümmelten  (^liebem  nod)  bie  ©puren  bei 
3}Jartt)riuml  an  fid),  bal  fte  in  ber  t)orl^ergegangenen  legten 
^t)riftent)erfolgung  erbulbet.  ^iefe  Ijeilige  ^ir($ent)erfammlung 
fprad^  nun  in  feierlid)fter  SBeife  ben  alten,  ererbten,  maljren  (^l)riften= 
glauben  ani,  ben  (Glauben,  ben  bie  Slpoftel  allen  Golfern  gepre^ 
bigt,  für  ben  bie  3Jlartt)rer  geblutet,  ber  bie  SBelt  überrounben: 
„^ir  glauben  an  QefuI  ß;i)riftul,  ben  ©ingeborenen 
©ol)n  ©ottel,  ber  ha  ift  mal^rer  ®ott  Dom  maleren 
©Ott,  gegeugt  von  ©roigfeit  unb  nid^t  erfd^affen, 
ßinel  Sßefenl  mit  bem  S8ater."    Unb  mod^ten  nun  aud^  bie 


1)  ^of).  1,  1-3. 


—     97     — 

SIrianer  Tiöd)  bur^  mel)r  olö  ein  Saljvfjunbert  ben  ^ampf  öcgen 
biefcio  ©laubensbefenntttife  mit  Sift  imb  ©cmalt  fovt[c|rn,  nioditen 
fie  felbft  ben  <So(jn  nnb  9kd)folcier  G^onftantin\^  beö  ©rofeen 
für  fid)  gerainnen  unb  auf  einige  geit  bnrcl)  bie  ^ilfe  ber  raelt= 
liefen  Gewalt  bie  Ijdbe  2öeU  mit  fid)  fortreiten ;  bQ§  (SIanben§= 
befenntni^  be^  (iioncily  üon  9]icäa  blieb  bie  galjne ,  um  bie  üUe 
raat)ren  nnb  treuen  (5l)riftcn  fid)  faminelten,  el  befiegte  ben  2lrianig= 
muö  nnb  l)eute,  nad)bem  bie  leiste  ©pur  biefcr  einft  gewaltigen 
3rrlel)re  feit  niel)r  aU  einem  3al)rtaufenb  Derfdjraunbcu  ift,  ertönt 
in  jeber  ^leiligen  33ieffe  roie  ein  ^vinmpljlieb  ha§>  ©lauben§befennt= 
nife  be^  aEgcmeinen  Goncil^  von  '^Ikäa  nnb  rairb  uon  öden,  bie 
an  ßljriftuio  glauben,  aU  ber  unfoljlbare  ^luebrud  beö  ädjten  nnb 
unt)erfälfd;ten  ßljriftenglauben^  oereljrt. 

©c^on  im  ^al)xe  3S1  nnitbe  ein  ^raeite^  oll  gemeine  3 
ßioncil  in  (Eonftantinopel  geljalten  gegen  ben  S^'leljrer  SJiaces 
boniU)§,  rael($er  bie  ©ottl)eit  be§  l)eiligen  ©eifteö  leugnete. 

60  ranrbe  bie  groge  ©rmibraaljrtieit  bes  (El)rifieutl)nmg,  auf 
ber  alle  anbeten  Söaljrlieiten  berul)en,  W^  ncimlid;  ber  ©ol)n  unb 
ber  l)eilige  ©eift  mit  bem  ^ater  ber  (Eine  raaljrc  ©ott  finb  ober 
ber  ©lauben»artilel  üon  ber  aEerljciligften  5i)reifaltig!eit  burc^ 
bie  beiben  erften  allgemeinen  ßoncilien  fiegreid;  gegen  9u'uer- 
ung  unb  Qrrtljum  uertljeibigt.  2lber  f<$on  erl)oben  fid;  anberc 
md)t  minber  gefä^rlid;e  3^^"^^^)^^^^  /  ^^^  l^^^^  ^^^4^  ^i^  ©ottljeit 
be§  SoljneiS  angriffen,  aber  in^gefammt  barauf  abhielten,  bie 
2Bal)rl)eit  feiner  3Jienfd;n)erbnng  balb  in  biefer ,  baibin 
jener  Sßeife  gu  üerfälfdjen  nnb  §n  jerftören. 

5f^eftoriu§,  ^atriard;  uon  ßonftantinopel ,  leugnete  jene 
raunberbare  unb  über  alle  unfere  begriffe  innige  Bereinigung  ber 
menf(^lid^en  mit  ber  göttlidjen  91atur  in  ber  ^erfon  beg  gi3ttUd)en 
Soljue»,  vermöge  raeldjer  in  (El)riftu»  graar  jraei  'Jiaturen  fiub, 
bie  göttlidje  nnb  bie  meufdjlidje,  aber  nur  ©ine  gi3ttli($e  ^erfon 
unb  nur  Sin  eijriftu;o  ift,  raaljrer  ©ott  unb  waljxcx  3JJenfd^ 
pgleidj.  @r  leljrte  nämlid),  in  bem  SJlenfdjen  Qefu^  l)abe  ber 
6ol)n  ©otte^  nur  gerooljnt,  äljnlid)  raenn  auc^  oollfommener,  raie 
©Ott  in  ber  ©eele  eine§  jeben  9}tenfd)cn  raoljut,  ber  im  (£tanbe  ber 
©nabe  \iä)  bcfinbet.  ©r  Icbrte  baljer  eiucn  boppelten  (vl)iiftu^,  einen 
göttli(^en  unb  einen  menfd)lid)en  unb  alfo  nid)t  nur  imei  D^iaturen, 
fonbern  and)  §raei  ^erfonen  in  ßljriftu^, 

tt.  Jtettcler,  ba«  aifgcmeiuc  GoiicU.  7 


--    98    - 

3JJer!it)ürbig  ift  f)ierbet,  ta^  Bereite  in  jener  alten  QeW 
ber  Sügengeift  feinen  Eingriff  auf  ß^riftu^  unter  einem,  mit  fd)ein= 
l)eili(jer  S^eretjrung  gegen  ben  ©oI;n  @otte^  üerljüHten  Singriff 
gegen  ben  l^öd;ften  ^orjug  ber  aUerfeligften  Smigfrau  3}laria 
gu  oerbergen  fudjte,  nämlic^)  gegen  iljren  Spanien  nnb  il)re  Söürbe  aU 
3)ktter  (^otte§,  @otte;§=@ebärerin.  ®a  9ieftoriu§  nämlii^  leugnete, 
ba6  ber  von  DJZatia  feiner  3}lenfc^l)eit  nac^  geborene  ß^riftu^ 
perfönlid;  unb  n)al)rl)aft  ber  eingeborene  6ol)n  ©otteö  fei,  unb 
if)n  nur  für  einen  3)lenfd)en  bielt,  in  n)eld;em  ha§>  emige  Söort 
nur  wie  in  einem  Tempel  iDoljnte,  fo  bel)auptete  er,  man  bürfe 
3)laria  nid)t  ©otte^gebärerin ,  fonbern  nur  ^Ijriftu^gebärcrin 
nennen,  dimx  fo  nterfroürbig  ift  aber  auc^ ,  ba&  gerabe  biefer 
Eingriff  gegen  bie  Ijeilige  3JJutter  ©otte§  guerft  feine  Qrrle^re 
burc^  'om  fid^  erljebenben  allgemeinen  llnmitten  be§  gläubigen 
^olfe^  an^  ^age^^lid^t  brad;te. 

(B^  mar  t)a§  allgemeine  (^oucil  von  ©pljefu^  unter 
^apft  eöleftin  L,  mcld;e^  im  3al)re  431  bie  ^rrleljre  be^ 
9leftoriu0,  bie  bag  „grofee  ©el)eimniJ3  ber  (^ottfeligMt 0/'  bie 
waljre  3)Ienfd;merbung  be^  ©oljney  (3otk§>  t)erni($tete ,  feierli(5 
»ermarf  unb  äugleid)  jum  3ubel  be^  gläubigen  ^ol!e)S  erklärte, 
baJB  bie  allerfeligfte  3ungfrau  äJ^aria  mie  btjaljer,  fo  au($  alleaeit 
3Jiutter  ©otteg  unb  ©otte^gebärerin  gu  nennen  unb  al^ 
fold)e  in  SBal^rl^eit  gu  befennen  |ei. 

3uglei(^  beftätigte  biefe»  allgemeine  (^oncil  bie  burd)  eine 
^leilje  t)on  ^articularfijuoben  bereit»  au»gefpro(^ene  ^erurtljeilung 
ber  3rrlel)re  be^  ^elagiug,  roeldje  in  berfelben  3^it,  roo  9^e  = 
ftoriu^  bie  9}ienfd;tDerbung  ©otte§  im  3Jtorgenlanbe  angriff, 
im  Slbenblanbe  eine  anbere  ©runbmal)rl)eit  be^  (E[)riftentl)um§  leug= 
nete,  nämlid)  bie  2Bal)rl)eit,  ba§  'i)a^  ganje  ?3tenfd;engefd)lei^t  burc^ 
ben  6ünbenfa(l  feinet  6tammt)ater»  ber  urfprünglid^en  @ered^tig= 
feit  beraubt,  fünbl)aft  unb  bal;er  erlöfung^bebürftig  gemorben  ift 
un'o  ha]^  mir  nur  burd;  bie  ©nabe  (?l)rifti  unfere  ^efe^rung 
beginnen,  fie  Dollenben,  barin  bel)arren,  ba0  gi3ttlid)e  ®efe|  er= 
füllen  unb  un§>  he§>  emigen  Scben§  mürbig  mad)en  tonnen. 

2lber  nod;  mar  ber  i!rei»  ber  3rrtl)ümer,  meldje  fid;  gegen 
ßl;riftu§  erl;oben,  ni(^t  erfd)öpft.  Söäljrenb  bie  ©inen  bie  3rr- 
tl)ümer  be^  9]eftoriani2!mu§  erneuerten,  traten  5al)lreid;e  3rrle(;rer 


1)  I.  Xim.  3,  IG. 


—    99     — 

in  t)erfd)iebencn  formen   auf,    n)eld;e  untec   bem  6d)eme   einer 
falfcTjcn   55römnüci!eit   ben   Unterjc&ieb   ber   beiben  ^Raturen  unb 
namentlich  bie  5ßaf)rljeit  bor  ntenf(i)lidjen  3^atur  in  ^x\^io  leng^ 
ncten,    inbem  fie  Iel)rten,    bag  in  6()riftu^,  wie  nur  ©ine  gbtt^ 
Uc^e  ^erfon ,    fo  aud)  nur  ©ine  9]atur  fei ,    weil  bie  menfi^Iii^e 
Dktur   burd)   il)re  SSereinipnß   mit   ber  göttlidjen  t)on  biejer  fo 
5U  fagen  t)erfd;lungen   unb   in   fie   üevmanbelt  morben  fei.    (S§ 
maren  neue  aliöemcine  (FonciUen   —  bas  (Eoncil  oon  ©(lalce- 
bon  (451)  unb  ba^  graeite  unb  britte  (Eoncil  üon  Sonftan- 
tinopet  (553  unb  680)   unb    unfüi]lid)e  9M{)en   unb   ilämpfe 
notljiücnbig,  um  ba^  ß(;riftentl)um  getjen  alle  biefe  l)eillofen  SSer-- 
fälfd}uni]en  ju  fc^ü^en.    Wld)x  aU  einmal  jc^ien  e^,  al§  ob  bie 
Öütllidje  2Bal)rl)eit  in  bem  ©eraüljle  mcnfdjlid;er  3rrtl)ümer  unb 
fieibenfd;aften  untertjel)en  muffe;  aber  bie  ber  £ird;e  geöcbene  3]er= 
{lei^ung:  „bie  Pforten  ber  §ölle  raerben  fie  nic^t  übermältiöen^)" 
ging  allezeit  in  Erfüllung  unb  alle  S3(enbmer!e  falfd^er  2öiffen= 
fd;aft   unb    fectirerifd)er  ©djmärmerei   yeifdjioanben   enblid)   Dor 
bem  Ilaren  Sid}te  be^  cinfad)en  fatl)oliid;en  ©lauben§,  mie  er  bur(^ 
bie  pon  ^tjriftu§  gefegte  unb  t)om  Ijeiligen  ©eifte  verbeiftanbete 
leljrenbe  ^ird)c  auf  ben  allgemeinen  Goncilien  Derüinbigt  raurbe. 
Unb  mie  hmn  überljaupt  ba^  33ö[e,  obrooljl  e^  an  fid^  nur 
üerberbli^  ift,  ple^tbennoc^  burd)  @otte^  ^ovfel)ung  bem  (3\ikn 
bienen  mu^,  fo  brad)ten  aud)  biefe  großen  kämpfe  mit  ben  Qrr- 
lel)ren  einen  großen  unb    bleibenben  ^eiuinn.    3Ri(^t  nur   rourbe 
babur^  bie  fiegenbe  ^laä)t  ber  fatljolifd^en  2öal;rljeit  unb  bie  Dl)n^ 
ma^i  avi6)  ber  mäd;tigften  3rrtl)ümer  offenbar,  fonbern  e5  mur^ 
ben  and)   burd;  bie   !ir(^lid)en  £el;rentfd)eibungen   unb  burc^  bie 
Slrbeiten  unb  2öer!e   ber  )ßertl;eibiger  bc;3  fatljolifdjen  ©laubenS, 
jener  großen  unb  Ijeiligen  3}Mnner,  meldje  W  ßljriften^eit  unter 
bem  Dcamen  „^irdjenoäter"  oereljrt,  ber  unenblidje  innere  dldd)' 
tl)um  ber  c^riftlidjen  Seljre  immer  flarer  belendjtet  unb  Ijerrlid^er 
entfaltet.    6o  üoUftänbig  mar  ber  6ieg  be^  ©lauben^S,  baß  auf 
3al)rl)unberte  l)in  feine  Srrleljre  mel;r  2i5ur§el  faßte,  unb  e!3  !onnte 
fic^  nun  ungeftört,  in  bem  :^id)te  unb  ber  ßinl)eit  bc5  maleren  ®lau= 
ben^,  bie  au§  htn  STrümmern  be^  9lomerrei($e»  unb  au^%  bem  ßljao^ 
ber  5?bl!ermanberung  roie    eine  neue  ©d;i)pfung  Ijeroorgegangene 
europäi((^e    SSölferfamilie,  unb    in    unb    mit    il)r  jene    grofee 


1)  Tlaiib.  10,  18. 


-     100    - 

c^riftlidjc  Siüilifation  \\ä)  entmiäcln ,  bie  I)eute  iioc^,  tro^ 
aller  Störungen,  bic  SBelt  l)el)errfd)t  unb  begliidt  nnb  von 
beren  grüc^ten  felbft  bicjentgen  leben,  raeld;e  ba§  Seben^^princip 
«nferer  ©efittung ,    ha§>  ^xifi^nt^um   gu  gerftören  fachen. 

SlHein  aud)  jeneS  d)rift(id)  germanifdje  DJttttelalter ,  n)el(^e» 
Stiele  au§  ^Norurtljeit  unb  Stbneigung  gec^en  bie  fatfjolifdje  ^ircfte 
f(^mäf)en  unh  veva6)Un,  Slnbere  aber  über  ©ebüE)r  erljeben,  mar  für 
baf>  ei)riftentl)um  unb  bie  ^irdje  reid;  an  @efaf)ren  unb  kämpfen. 

^§>  raaren  l)aupt]äd)Iid)  fünf  groge  Uebel,  weldje  im3JJitte(= 
alter  bie  dljriftenljeit  befdjtibigten. 

S)a§  erfte  unb  gröf^te  von  allen,  beffen  traurige  folgen  mt 
l^^uie  nod)  betueinen  muffen,  war  ba§  griediifdje  ©d)i§ma, 
raoburcl)  bie  im  SlUertljum  fo  glorreichen  unb  I)eiligen  ^ir^en  bc§ 
3JJorgenIanbe^  von  ber  !atl)oIifd)en  ßin^eit  losgeriffen  mürben. 

^a0  gmeite  mar  ber  3Jiu]^amebani^mu§,  ber  ba^  d)rift= 
li(^e  3Jlorgenlanb  cermüftete,  in  einem  großen  Stlieile  beffelben 
ba^  (i;^riftentl)um  m't  att  feinen  Segnungen  ausrottete  unb 
3at)r!)unberte  l^inburi^  mit  furi^tbarer  ©eraalt  and;  ha^  diriftlidje 
Slbenblanb  bebrängte,  um  ifyn  baffelbe  ©d)idial  gu  bereiten. 

S)a§  britte  groge  Hebel  mar  ba§  ^eflreben  djriftlic^er  5!aifer 
unb  Könige,  bie  ^ird)e  il)rer  öerrfd)aft  §u  untermerfen  unb  il)ren 
gmeden  bienftbar  §u  machen  unb  bie  barauS  lierüorge^enben 
traurigen  unb  Derberblidjen  kämpfe  gmifi^en  ^aifertl)um 
unb  ^apfttljum,  gmifc^en  meltlic^er  unb  geiftlidjer  ßJemalt, 

S)a§  vierte  Hebel  mar  baS  2Iuffommen  gefäl)rlid;er,  f  dimär- 
merifi^er  ©eften,  meldie  bie  ©runblagen  ber  c^riftlidien  unb 
äugleid^  ber  gefeüfdjaftlidien  Drbnung  untergruben. 

SDaju  fam  enbli(^  gegen  ha§  ©nbe  bie^r  ^^eriobe  ha^  gro^e 
abenblänbif(^e  Bä)i^ma,  jene  fd}redlid)e  Qtit,  in  meld;er 
baS  l^öd)fte  Dberl)irtcnamt,  ba§  SljriftuS  ^ur  33eraa^rung  ber  ©in= 
l^eit  eingelegt  Ijatte,  fetbft  ^u  einem  2lula(3  beö  Sroiefpalte^"  mürbe, 
mo  bem  redjtmäfeigen  ^apfte  ©egenpäpfte  gegenüber  ftanben  unb  bie 
^ermirrung  in  ber  G:t)riftenl)cit  fo  grofe  mar ,  baß  man  üielfad^ 
nic^t  mel)r  mußte,  auf  welcher  Seite  ber  red)tmäJ3ige  ^apft  fid;  fanb. 

©emiß  maren  baS  große  Hebel,  unermeßlid;e  öefaljren,  benen 
jebel  bloße  3}^enfd)enmerf  Ijätte  unterliegen  muffen.  Slber  bie 
^irc^e  @otte§  unterlag  nid)t,  fonbern  fiegte,  menn  anä)  mit  fd)meren 
SSnnben,  über  ade  bicfe  geinbe,  unb  mieber  maren  c§>  vox  adem 


—     101     — 

bie  aHgemeinen  (SoncUien,  hnx^  roetd^e  fie  i^re  g5ttlid&e  ©enbung 
erfüllte  unb  beiüäljrte.  2luf  bem  oierteu  allgemeinen  (Eoncil  von 
©onftontinopel  (869)  war  ba^  gvied)ifd)e  Sd^i^ma  in  feinem 
Url)e6er  ^  l)  otiu^  üerurtljeilt  raorben ;  auf  bem  jnjeitcn  allgemeinen 
(^oncil  Don  Spon  (1274)  unb  bem  attgemeinen  Soneil  üon 
glorenj  (1439)  rourbe  bie  3Siebert)ereinigung  ber  @rie(^en  mit 
ber  allgemeinen  i^ird)e  tljeil^  roirtlid)  t)ottbrad;t,  tljeilio  roenigften^ 
für  eine  beffere  3u!unft  vorbereitet. 

5Durc^  bie  gleidifall^  auf  ber  ^artüularfijuobe  üon  (Sler- 
mont  unb  auf  ben  allgemeinen  Goncilien  t)om  Sa  t  er  an  (1123) 
unb  von  Stion  (1245)  geförberten  ^reugjüge  mnrbe  bie  33Ia(^t 
be§  S^lam  gebro^en  unb  bie  ©l)riftenl)eit  gefräftigt  unb  gel)oben, 
raenn  auä)  il)r  näc^ftcg  3^^^/  ^i^  Befreiung  be;*  Ijeitigen  ©rabe§ 
auy  ber  §anb  ber  Ungläubigen  nidjt  bleibenb  erreidit  mürbe. 

®urdj  bie  allgemeinen  ßoncilien  vom  2at^xan  (1123) 
unb  t)on  St)on  (1245)  mürben  tljeiU  bie  ©runblagen  maljrer 
(Sintrad^t  §mifd;en  ^Irdje  unb  ©taat  befeftigt,  iije'iU  bie  greil)eit 
ber  £ird)e  gegen  bie  Slcrgerniffe  ber  raeltlid^en  ©eroalt  pertl)eibigt. 
^ie  rerberblid^en  Qrrle^ren  be^  3}Uttelalterg  mürben  auf  bem 
britten  unb  vierten  Sateran^Goncil  (1179  unb  1215)  i^erur- 
t^eilt.  ^a^3  grof3e  abenblänbifd;e  ©d^i^ma  aber  fanb  auf  bem 
eoncil  §u  eonftan^  (1414—1418)  fein  @nbe. 

5lm  6djluffe  beö  3Jiittelaltcr§ ,  unmittelbar  uor  bem  ^n^- 
brücke  ber  Sfleformation ,  fteljt  noc^  ba§  fünfte  ßateranem 
fifi^e  (Soncil  (1512— 1517),  \deiä)e^^  bereite  ein  Uebel  befämpfte, 
baig  erft  in  unferer  3^it  inx  xjoHen  ©ntraidelung  !ant.  @§  mar 
bamalö  ha§>  Qnialtu  ber  f.  g.  Sknaiffance ;  ein  franfljafter 
(^ntljufiaemu^  für  bie  anti!'l}eibnifdje  ilimft  unb  Siteratur  ^atie 
bie  ©elfter  ergriffen  unh  manche  (55elel)rte!t  bal)in  gefül)rt,  ha)^  fie,  bie 
2Bege  ber  d^riftlii^en  2ßei^l)eit  üeradjtenb,  in  3rrtl)ümer  verfielen, 
über  meldte  felbft  bie  beffern  l)äbnifd)en  ^$£)ilofopl)en  erl)aben 
maren.  Sie  leugneten  bie  Unfterblidjfeit  ber  Seele  unb  üerfielen 
tljeilmcife  in  ganj  materialiftifd)e  Sel)ren.  3Bcil  aber  bamal^^  bie 
2Belt  —  ^an!  ber  2(utorität  unb  @inl)eit  ber  ^irc^e  — nod^burd^  unb 
burd)  d^riftlid)  mar,  felbft  biefe  neul^eibnifc^en  ©eleljrten  fid)  rül)mten, 
treue  ©öljue  ber  ^irdje  ju  fein,  fo  fud)ten  fie  beibe^  miteinanber  gu 
üereinigen :  ba^  (£l)riftentl)um  unb  tl)re  melir  aU  l)eibnifd)e  ^l)ilo= 
fopl)ie.  gu  biefem  3mecfe  [teilten  fie  bie  Sel)auptnng  auf,  ^^ilo- 
fop^ie  unb  ©laube  feien   fo   abfolut   unab(;ängig  oon  einanber, 


-     102    - 

bag  eine  p5ilofop!)if$e  53el)auptun9  raaljr  fein  fönne,  wenn 
fie  anä)  mit  ber  (^[aubcnlrüntjrljeit  in  2öiberfprucf)  ftel^e.  (^egen 
biefc,  eben  fo  unoernünftiöe  aU  gottlofe  £el;re  fprad^  nun  biefeg 
allgemeine  (^oncil  bie  alte  SBal)rl;eit  au§,  ba^  nieunb  nimmei' 
ein  2öiber)pru$  beftelien  fann  smifc^en  ^.^crnunft  nnb  ©(auben, 
5n)if(^en  maljrer  $l)i(ofop(jie  unb  mal^rer  'Xi)eolog,\e,  nnb  ba6  bafjer 
jebe£el)re,  meldte  mit  ber  üon@ott  geoffenbarten  SBaljr^eit  in  2öiber= 
fprnc^  fteljt,  nie  unb  nimmer  eine  miffenfc^aftlidie  2öal)r!)eit,  fonbern 
nur  ein  Qrrtl^nm  unb  eine  Unraal^r^eit  fein  !ann. 

2öir  fommen  enblidj  gu  bem  legten  allgemeinen  (Soncil,  bem 
üon  5i;rient  (1545—1563),  auf  ha§>  feit  brei  ^aljr^unbertcn  be^ 
reita  bie  gan^e  !atl)olif(^e  Gljriftenljeit  aU  auf  ben  6tern  be§ 
©lanben^  unb  bie  &li^t)d)nur  be^  2ehen§>  in  allen  2lnliegen  unb 
kämpfen  ber  DMigion  Ijinbliilt,  mie  \>a§  djriftlid^e  2lltertl;um  auf 
ba§  erfte  Ü^oncil  t)on  WKäa  Ijlnjublicfen  gemofmt  mar. 

©§  mar  biefe§  (Eoncil  berufen,  um  bie  gröfste  unb  f(^mer5= 
li^fte  SÖBunbe  gu  »l^eilen,  meld;e  ber  ^ir$e,  bicfem  geiftigen  £eibe 
Qefu  (El)rifti,  im  ganzen  langen  33erlaufe  ber  ©ef(^i$te  jemals 
gefi^lagen  morben  mar.  ©in  grofser  unb  überau»  ebler  ^^eil 
be0  (^riftlic^en  5Xbenblanbe»  Ijatte  fi(^  von  ber  !atl)olif(5en  S?ird)e 
lo^geriffen  unb  betra^tete  nun  biefe  3}lutter  aller  djriftlid^en  9^a= 
tionen  aU  ein  entartetet  ^eidj  be^  Slberglauben^  nnb  ^er= 
berben§,  ben  D^^a^folger  $etri  aber,  harn  ^Ijriftu^  \)a§  Dber= 
l)irtenamt  über  feine  Äir^e  auüertrant  l^aik,  aU  ben  2lnti(^rift. 
^ie  neue  Se^re  l)ielt  ben  ©lauben  an  ben  breieinigen  ©Ott  unb 
an  3efu§S^riftu§,  ben  6ol)n  ©ottel  nnb  einzigen  ©rlöfer  ber 
3}Jenf(^l)eit  feft,  aber  fie  mar,  t)ielfac^  ol)ne  bafe  iljre  llrbeber  e5 
erfannten,  gegen  bie  ^ird^e,  ben  geiftigen  Seib  ß^ljrifti,  gegen  ha§> 
Sßer!  be§  ^eiligen  ©eifte^  in  ber  ^irdje  unb  in  ben  (Seelen  gc^ 
rtd^tet.  6ie  leugnete  ba^  fird)li($e  Seliramt,  inbem  fie  an  bie 
6telle  ber  unfel)lbaren  !ir(^(id;en  5lutorität  bie  ^riuat=5Iu§legnng 
ber  l)eiligen  ©c^rift  fe|te.  ©ie  leugnete  ba§  ^rieftertl)um  unb 
feine  ^Soran^^efeung,  ba§  immenralirenbe  Opfer  be»  neuen  33unbe5 
unb  gerftörte  baburd)  baSjenige,  roa§  feit  ber  2lpoftel3eit  ben 
lern  unb  3}^ittelpun!t  beio  d^riftlii^en  @otte^5bienftc§  bildete.  6ie 
jerftörte  ben,  aUm  ^ebürfniffen  ber  Seele  entgegenlommenben 
Organismus  ber  ficben  l)eiligen  6a!ramente  unb  leugnete  nament= 
li(^  jenes  ©aiframent,  melc^eS  für  bie  Heiligung  ber  ©eele  praf- 
lif(^  ba$  tpid^tigfte  ift,   ba^   l;eilige  6a!rament  ber  ^ufee.    6ie 


—     103    -r 

leugnete  bie  freie  9)?itn)ir!utiö  be»  meiifd^U^en  SSilleit^  mit  bet 
©iiabe  unb  bie  S'Jotl^roenbiöfeit  bev  Siebe  unb  ber  outen  Sßerfe 
^um  §eil,  iubem  fie  ju  unserer  Sftedjtfertigung  unb  Seligfeit 
nid^tg  für  notfiroenbig  er!lärte,.  aU  ben  ©lauben  ötlein, 
nömli(^  ben  ©tauben,  ba&  un§  um  Gfjrifti  miffen  unfere  <2ünben 
nidjt  zugerechnet  merben.  ©ie  leugnete  enblid^  ben  lebenbigen  gu- 
famment)ang  jroifd^en  ^ie^feit§  unb  ^enfeitö,  inbem  fie  eine§= 
tl)eil§  bie  (Stattt)aftig!eit  be»  ©ebete^  für  bie  Slbgeftorbenen  unb 
beffen  35orau§fe|ung,  bie  ©yiftenj  einer  ^uge  unb  Üieinigung  \xa^ 
bem  ^obe,  unb  anberntljeilg  bie  gürbitte  ber  ^eiligen  für  un^  t)er= 
warf.  Hub  alle  biefe  Söal^rljeiten  unb  ©nabenmittel  be^  ^^riften- 
tljum^  befämpfte  man,  inbem  man  he't^auifikk ,  bafe  buri^  biefe 
!at^ o(ifc§en  Se^ren  unb  Einrichtungen  bie  ß!)re  ßtirifti  a\§>  bc5 
einzigen  Erlofer^  ber  3}lenfc()en  bceinträdjtigt  unb  an  bie  ©teHe 
be§  (Sotte^merfe^  ber  ©rlöfung  SJlenfc^enrcer!  unb  menfdjlic^e 
6elbftgered)tigfeit  gefegt  merbe:  aU  ob  ha§>  fir(^Ii(^e  2e\)xamt  einen 
anbern  :^wed  ^tte  aU  ben,  bac^  2öort  ®otte§  unb  bie  Offenbarung 
ß()rifti  rein  gu  beroal^ren;  aU  ob  bie  ^riefter  tima^  anbereS 
mären  al§>  „Wiener  (Etirifti  unb  ©penber  feiner  ©el^eimniffei);'' 
aU  ob  'i)a§>  (^eilige  SJ^egopfer  dvoa^2  Slnbere^  märe,  aU  bie  ^e= 
ftänbige  S3ergegenmärtigung  unb  3Ser!)err(i(^ung  be§  ^reuge^- 
opfert,  biefer  einzigen  DueKe  unfere§  §eile§ ;  aU  ob  bie  ^eiligen 
6a!ramente  nid)t  oon  (Et)riftu0  eingefe^t  mären,  um  un§>  feine 
mannigfaltigen  ©naben  unb  ©aben,  unferen  ^ebürfniffen  unb  unfercr 
menfc^lidien  Df^atur  entfpred^enb ,  mit^utljeilen ;  al§  ob  unfere 
©ered)tig!eit  unb  unfere  guten  Sßerfe  eiroa^  anbere»  mären  al5 
bie  gru(^t  ber  ©nabe  Qefu  ßlirifti  unb  aU  ob  bie  mer!= 
t^ätige  Siebe  oom  redjtfertigenben  ©lauben  getrennt  merben  !önnte; 
aU  ob  enbli(^  alle  unfere  gürbitten  für  bie  5I6geftorbenen  unb 
alle  gürbitten  ber  ,§eiligen  für  un^  nid^t  oon  (Eliriftug  allein 
il)re  ^raft  empfingen  unb  aU  ob  fie  in  einem  "^anberen '  iJiamen 
gef(^el)en,  al^  allein  im  Dramen  ^e^n. 

W  biefen  traurigen  3rrtl)ümern  unb  3J?i^üerftänbniffen 
gegenüber  Ijat  ba^  allgemeine  (Soncil  uon  Orient  bie  alte 
fatljolifi^e  £el)re  in  allen  jenen  Seljrpunf ten ,  meld;e  angegriffen 
ober  mi^oerftanben  maren,  mit   rounberbarer  ^raft   unb   J^lar= 


)  1.  eor.  1,  1. 


—     104     — 

l^eit  bargeleßt ;  eö  !)at  aber  auc^  ju  ßlei^er  Seit  buri^  feine 
]^errli(!)eu  ^ef^lüffe  über  bie  ^ircf)euüerbeffci*un(]  jene  3JiiBbräuc^e 
befeitigt,  bie  nid;t  burd)  ©diilb  ber  c^ivd)e  unb  iijxet  M)xe,  fon- 
bern  burc5^  6d)ulb  ber  DJIcnfdjen  in  bie  (^(jviftentjeit  einijebrunc^en 
waren  unb  §um  St^eil  bie  .^lrd;enfpaltuni]  Deranla^t  f)atten  unb 
namentlich  Urfadje  maren ,  bog  \o  mandje  gut  gefinnte  33Mnner 
oon  benx  ©trome  ber  ^eroegung  mit  fortgeiiffen  mürben. 
3mar  erreidjte  bie  ilird)ent)eifammlung  von  S^^rient  ben  3^^^"^ 
nic^t,  raoäu  fie  ^auptfäd)lidj  Dcrjammelt  roorben  mar,  nämlid;  bie 
©paltung  §u  (jeiten  unb  Die  (Getrennten  mit  ber  ,!^ird)e  in  t)er= 
följnen.  5Iber  Don  i()r  an  begann  in  ber  !atf)olif($en  ^ird}e  felbft 
eine  ^errlidje  @dfte^=  unb  Sebeuv-erneuerung,  eine  grojäe  3}^enge 
Ijeiliger  ä)iänner  füljrten  burd)  i^r  2eUn  unb  Sßirfen  ben  ^e-- 
mei§,  ba6  bie  vid  angeHagte  ^ird)e  bennod)  bie  I) eil  ige  ^ird)e 
nidjt  blo§  {)ci§e,  fonbern  au($  mirflid)  fei.  Qu  bem  ^la^c  üU 
burd)  ha^»  53emüf}en  großer  $äpfte  unb  frommer  Sifc^öfe  bie  ^e= 
fdilüffe  'be»  ßoncils  oon  S^rient  au^5gefü(jrt  mürben ,  erblühte  in 
@eiftlid)!eit  unb  ^ol!  ein  neue^5  Scbeii  beg  ©laubeng  unb  ber 
^ugenb.  S)ie  diriftlidie  SÖiffenfdjaft  nal)m  einen  mädjtigen 
Sluffdjraung.  Qn  'i^en  nod^  Ijeibnifc^en  Säubern  feierte  bie  ^ird)e 
große  6iege  unb  breitete  ba§  9^eid)  (5l)rifti  meit  über  feine  bi§- 
^erigen  @ren5en  an^,  2lud)  auf  3]iele  unter  ben  Getrennten  übte 
ba§  (Eoncil  ron  3:;rient  unb  bie  von  il)m  auicge^enbe  gebend? 
erneuerung  in  ber  fatljolijc^en  Äirdje  mm\  Ijeiljamcn  Einfluß ;  eö 
Derfölinte  53iele  mit  bei  ^ird)e  unb  befeftigte  in  nid)t  Sßenigen  ber 
ebelften  ©elfter  bie  ©rfenutniß ,  baß  bie  3:;rennung  ein  großem 
Uebel  unb  bie  3öieberoereinigung  ein  mit  aller  ^raft  ^u  erftreben= 
beg  l)ol)eg  unb  notl)menbtge!o  Qki  fei. 


X. 

jDie  Aufgaben  ks  bctJorftrljenliftt  ÖLondl^. 

^a  fagte  ^efuö  ju  itjncn:  §abt  if>r  niemals  in  bcr 
©cf^rift  gelefen:  „ber  ©tein,  ben  bie  Sauleute  bcr* 
toorfen  f^aben,  ber  ift  5um  (Sdftein  geioorben.  S3om 
§errn  ift  biefeö  gefc^e^cn  unb  eS  tft  raunberbar  in 
unferen  SCugen.''  2Katt^.  21,  42. 

Peutc  fte^ea  n)ir  am  33orabenbe  eine§  neuen  allgemeinen 
ßoncii^,  unb  e^  rairft  fi($  nn^  ganj  natürlid^  bie  graße  auf, 
n)cld;e^  benn  bie  3iTt()ümer  feien,  bencn  eg  bie  gottgeoffenbarte 
unb  oon  ben  Slpoftcln  l;er  überlieferte  SBaljrljeit  entgegenftellen, 
roel(f}c^3  bie  Uebel,  bie  e^5  be!ämpfen,  bie  Heilmittel,  bie  e§ 
auiuenben  mecbe.  5Diefe  grage  fann  nur  ba^  Goncil  felbft 
uuic  beantmorten  unb  e5  ift  unftattl)aft,  ben  @rleucl)tungen  unb 
gül)ruiigen  be«  l)eiligen  (Seiftet  x)or5ugreifen.  2Bol)l  aber  ift  e§ 
erlaubt  unb  nü^lid; ,  burc^  eine  ^etrad^tung  ber  gegenwärtigen 
Sage  ber  ßljriftenljeit ,  ber  ilirc^e  unb  ber  3Belt  un§  einiger- 
majen  bie  @igentljümlicl)!eit  unb  bie  ©röfee  ber  Slufgaben  !(ar  ju 
machen,  raeldje  bie  i!ird)e  ©otteiS  in  ber  Söeltperiobe,  meldjer  wir 
angeliüren,  ju  löfen  l)at. 

äöenn  mir  unfere  3^^^  wit  ben  früljeren  3al)rf)unberten 
nergleidjen ,  big  Ijinauf  ju  jenem  3^^lp^"^^/  ^o  'oa^»  erfle  attge= 
meine  Goncil  bie  ooübradjte  ^eleljrung  ber  alten  ^eibnifd;en  2Belt 
güm  ei)riftentl)um  befiegelte,  fo  fäüt  un^  fofort  ©in  groger 
IXnterfdjieb  in'ö  Singe. 

2)ie  3rrtl)ümer,  mit  benen  frül)er  bie  ^ird^e  ^u  fämpfen 
l^atte,  raaren  fämmtlii^  3rrtl)ümer  im  ©lauben,  tljeilmeife  ^er- 
fälfc^ungen  unb  33er!ümmerungen  ber  offenbarten  2öal;rl)eit  als 
fold)er.  ^i)xt  Url)eber  unb  Slnljänger  erfannten  fämmllic^  bie 
Offenbarung  beS  alten  unb  neuen  ^unbe^  als  göttlich  an;  iftr 
gel)ler  lag  nur  barin,  baß  fie  biefelbc  balD  in  biefem,  balb  in 
jenem  fünfte  nic^t  nad)  ber  einl)elligen  Seljre   ber  5?äter,   nad^ 


~     106    — 

ber  9li(^tf$mir  be§  ürd^Ud&en  ße^rantte^  unb  beS  überlieferten 
©lauben.?^  fonbern  nad;  i()rem  eißenen  (Sinne  auslegten.  ^al;er 
lam  e^  anä),  bog  alle  3rrlel)rer  ber  frül^eren  galjrljunberte  in 
t)ielen,  oft  in  ben  meiften  6tücfen  mit  ber  fatfjolifd^en  £ef)re 
übercinftimmten  nnb  nur  in  geroiffen  fünften  t)on  iljr  abroid^en. 

3n  nnferer  Söeltperiobe  bagegen  ift  ber  groge,  bie  2öelt 
bel)errfd^enbe  Si^^t^^nt,  mit  bem  \)a§>  ©(jriftentljum  ringt  unb  hen 
e§  lu  übcrrainben  berufen  ift,  ein  ganj  anberer,  e§  ift  bie  grunbs 
fagtid^e  Seugnung  jeber  übernatürlichen  Offenbarung  unb  folglich 
(lu^  jeber  übernatürliij^en  ^eil^orbnung,  fo  mie  aller  ber  TOttel, 
bie  gur  S3eroal^rung  unb  9Jlittl;eilung  ber  göttli^en  Offenbarung 
bienen,  alfo  ber  Ijeiligen  6c^rift  al§  2öarte§  ©otte§  gerabe  fo, 
mie  eine0  tjon  ©ott  eingefe|ten  unb  üerbeiftanbeten  ürd^lic^en 
Seljramte^. 

®a  biefer  @runbirrtl;um  unferer  Seit  aUe^  Uebernatürlic^e 
leugnet  unb  nid^t^  al^o  rcal)r  unb  mirüidj  aner!ennt,  aU  einzig 
unb  allein  bie  Statur  unb  bie  Dkturorbnung ,  fo  !ann  man  il;n 
am  begeid^nenbften  mit  bem  S^^amen  9Uturali§mu§  nennen, 
ober  aui$  9tationali§mn^,  meil  er  nämlii^  bem  ent^ 
fpred)enb  lel)rt,  bafe  e§  feine  anbere  Duelle  ber  2öal)rljeit  für 
un§  3Jlenf$en  gebe ,  al-S  lebiglid;  bie  menf$lid;e  3Sernunft,  iljr 
gorfd)en  unb  ^Denfen,  rüa§>  f^liefelic^  gur  ^Zaturoergötterung  unb 
^ernunftoergötterung  fül)rt.  tiefem  jebe  offenbarte  ^teligion,  in^be^ 
fonbere  ba§  (E(jriftentl;um  in  ber  Söurgel  gerftörenben  unb  fomit 
im  eigentlid)en  ©inne  antidnnftli($en  3rrtl)um  gegenüber  Ijat  alfo 
bie  ^ix^e  in  nnferer  3^it  t)or  altem  bie  2öal)rl)eit  gu  üerll)eibigen, 
bafe  ber  SJlenfd^  nic^t  bloj^e^  S^aturmefen  unb  t>on  @ott  nidjt 
lebiglic^  baju  beftimmt  fei,  buri^  ben  @ebrau($  feiner  natura 
liä^en  Gräfte  eine  gemiffe  natürliche  SSolIfommenl)eit  unb  ©lüd^^ 
felig!eit  gu  erreid)en,  fonbern  ba^  ©ott  urfprüngli(5  unb  ein  f\Jr 
aUemal  bie  3Jlenfc^en  §u  einer  übernatürlii^en  Seftimmung  er- 
Ijoben,  eine  übcrnntüvlidje  (Eeligfeit  il)m  al§  Sof)n  feiner 
^reue  rer^eigen,  iinh  bem  entfprec^enb  and)  feinem  ©eifte  noc^ 
eine  l)öl)ere  ©rfeuntniBquelle,  aU  bie  rein  natürlid)cn  ©r!ennt= 
nißqueHen  finb,  in  ber  übernatürlidjen  Offenbarung  eröffnet,  unb 
fomit  auf  ber  (^runblage  ber  ^Ratur  unb  natürlichen  Orbnung 
eine,  bie  5Ratur  t)or  S^erberbni^  ben)al)renbe  unb  übernatürli(^ 
t)erüoll!ommnenbe,  übernatürlid^e  Orbnung  erri(^tet  \)at,  mie  ba§ 
2llle§  f(^on  oben  näl)er  eri^rtert  rourbe. 


—     107    — 

Mein  bie  Seugttung  ber  übernatürlichen  Dffenbarnng  ift 
nnr  bie  eine  ©eite  ber  großen  inteUectuellen  3?evirrnnß  nnfere^ 
3citalter^^  2öie  rair  oben  bereits  gefeljcn  f)aben,  fäUt  ber  SOkn- 
fcftengeift,  wenn  er  bie  §ilfe,  bie  ©Ott  i{)m  bnrc^  bie  übernatür- 
li(f)e  Offenbarung  anbietet ,  ftolj  guvüiJroeift ,  um  (ebiglid)  feine 
eigenen  Sl^ege  gu  geljen,  ben  größten  unb  traurigften  33erirrungen 
awä)  auf  bent  ©ebiete  ber  blofeen  5ßernunft  imb  ber  natürli$en 
Söa^rljeiten  an[)eim.  Qene  brei  großen  ^Sernunftroaljrlieiten ,  auf 
benen  foroo^l  bie  Sßiirbe  beS  SJlenfcfjen  als  ber  33eftanb  ber 
menfdjtid^en  (^efeEfd^aft ,  raorauf  dleä)t,  greitjeit  unb  ©ittli(^!eit 
unb  jebe  voa\)xe  3(utorität  beruljen ,  nämlic^ :  bie  @r!enntnif5  beS 
perfönlid;en  unb  lebenbigen  ©otteS;  bie  ©rfenntni^  ber  in  ber 
©eiftigfeit,  grei()eit  unb  lXnfterblid)!eit  beftelienben  natürlichen 
@ottebenbilbli(^!eit  unferer  ©eele;  bie  (^rfenntnife  beS  ©ittenge- 
fe|e.§  aU  einer  in  ©otteS  §eiligfeit  unb  ©erei^tigfeit  gegrünbc^ 
ten  unraanbelbaren,  üon  jeber  9JJenfc^enn)i(l!ür  unabijängigen  ^ei- 
ligen Drbnung,  werben  bann  uerbunfelt  imb  ungeljeure  Qrrtljümer 
treten  an  bie  ©teile. 

^ie  ß^orruption  biefer  großen  3]ernunftma!)rl)eiten  ift  aber 
eine  üollenbete  ^^atfadje  in  ber  moberneu  Sßelt.  ^J^a^bem  üon 
©  p i n  0  §  a  bis  §  e g  e  l  ber  ^ a  n  1 1) ei  S  m u S  in  ber  ^Ijilofopljie  ge^ 
I)errf(5t  Ijatte,  ift  ber3)Ute  rialiSmuS  bie  f)errf($enbe  Qrrlcljve 
unferer  geit  geworben,  biefe  niebrigfte  3^orm  beS  2ltl)eiSmuS, 
biefe  tieffie  ©tufe  ber  58eritrung,  gu  weli^er  ber  mcnfd)li($e  ©eift 
in  Seiten  einer  falfd)en,  jur  S3arberci  prücüeljrenben  Hebercultur 
ljerunterfin!t.  ,,©»  gebe  feinen  ©ott.  ©S  gebe  !eine  ©eele.  @S 
gebe  ni$ts,  als  bie  !örperlid)en  ©toffe  unb  bie  ber  SRatur  iune= 
woljnenben  pl)r) füalif d;en  unb  c^emifd)en  Gräfte.  ©S  fei  bal)er 
eine  5^äufd^ung,  wenn  wir  unfer  $Denfen  unb  SßoHen  für  etwas 
©eiftiges  Ijalten.  teufen  unb  SBoHen  fei  etwas  rein  !Örpetlid;eS, 
baS  ©rjeugnife  t)on  ©el)irntl)ätigfeiten ,  bie  ebenfo  pbtjfifdj  uotl)= 
wenbig  wirfcn,  wie  bie  ^^ätigfeiten  ber  ßingeweibe."  tiefes  finb 
bie  ^auptleljren  beS  3)laterialiSniuS ,  uuD  ber  $antl)ei?muS, 
biefe  feinere,  aber  bereits  überlebte  gorm  beS  2ltl)eiSnniS ,  läuft 
in  ben  praftifdien  ßrgebniffen  ganj  auf  baffelbe  l)inauS.  SDie 
pra!tif(^en  golgen  unb  Seljren  biefer  ©otteSleugnung,  ber  materiali^ 
fiifd^en,  wie  ber  pantljeiftifc^en,  finb  aber  nidjt  minber  nerberb^ 
li(^  wie  bie  Seljre  fetbft  üerabfdjeuungSmürbig. 

©ibt   es   nämlid)   feinen   ©Ott,   fo  ift   jebc   9kligion   ein 


—     i08    — 

2Ba^n;  benn  bie  Sfleligion  ift  ©otte^öeretjnmg.  SDanu  ift  olfo  bie 
DMigion  nidjt  bto^  iiberftüffig,  fonbent  fd)äblid)  mib  ber  ^ort^ 
fc^ritt  ber  SOtenf(^E)eit  mag  barauf  l)inaibeiten,  bie  ^k^IiQion 
immer  melir  üerfdjminben  gu  maäjen  unb  aug  ben  bitten  unb 
bem  Serou^tfein  be§  ^^oI!e§  au^^jnrotten.  ^urau^  er!(ärt  fid) 
aud)  jener  tiefe  §q6,  von  bem  bie  SInljänger  biefer  2e^xm  gegen 
ba§  e()ri)lentl)nm  unb  vox  aüem  gegen  bie  fatljoUfdje  ^ird^e, 
biefe  ftartfte  6tü|e  ber  9ieIigion,  erfüßt  fiub  unb  raomit  fie, 
mcnn  möglid;,  t)a§  gange  ^olf  erfüllen  motten. 

§aben  wir  ferner  feine  unfterblic^e  6ee(e,  feinen  immote^ 
rieflen  ©eift,  bann  finb  au^  alle  ^ötjeren,  geiftigen  ^been  unb 
Qntereffen  ein  3Ba^n;  bann  fann  ber  gange  gwcd  be»  menfd}Iidjen 
Seben^  fein  anberer  fein,  al§>  ba^  irbifc^e  Sßoljtfein,  ber  irbifd^e 
©enug,  unb  bc  ber  ©enufe  bur($  ben  ^efi§  bebingt  ift,  (Srgeugung 
unb  Erwerbung  matericCer  ©üter.  dloä)  mef)r;  ift  alle§  nur 
3Jlaterie  unb  geftaltet  fid)  unfer  Seben  nad;  materietten  unb  barum 
mit  blinber  D^otfjraenbigfeit  wirfcnbcn  ©efegen,  bann  gibt  e« 
feine  greif)eit  be^  Söiüen^,  im  raaljren  6inne  be«  2öorte;5,  unb 
befe^alb  auc^  feine  ütiMje  SSerantmortlic^feit,  feinen  roefentlic^en 
Unterfd)ieb   groifdjen   bem   fittlic^  ©uten  unb  r^m  fittlid^  Söfen. 

©ibt  e^  aber  feine  fittli^e  greil)eit  unb  fein  ©ittengefe^, 
bann  gibt  eg  aud;  fein  dM)t,  biefeg  2öort  in  feiner  n)af)ren  S3e= 
beutung  genommen,  feine  unmanbelbare  von  ber  ©eroalt  unb  'oen 
bloßen  %i)at'\ad)cn  unab()ängige  ©erei^tigfeit ;  an  bie  Stelle  be§ 
9fled^te§  treten  bie  S:l)atfadjen,  an  bie  eteHc  ber  ©erec^tigfeit  tritt 
bie  ©eroalt.  2Bie  in  ber  materiellen  äßelt  bie  ftärferen  Gräfte 
unb  bie  größeren  SJlaffen  bal,  roa^  fi^roäd^er  ift,  germalmen  unb 
fid;  unterroerfen,  fo  ift  e§>  bann  anä)  in  ber  menfd;li^en  ©eiell= 
fc^aft:  il)r  ©efcg  ift  nidjt  jeneg  ©efe|  ber  ©eredjtigfeit,  ba^  aud^ 
ben  S^roäd^ften  gegen  hen  ©tärfften  fc^ütjt  unb,  roenn  felbft 
auf  ©rben  bie  ©eroalt  obfiegt,  hoä)  gulelt  burc^  ben  eroigen  Südö- 
ter  SSoEftredung  finbet  —  fonbern  ha§>  bie  ©efeUfdjaft  bel)errfd)enbe 
©efeg  ift  ha§>  düd)i  be^  Stärferen ;  mag  nun  biefe  (Stärfe  auf 
H^)  6d)roert  ober  auf  ba§  ©elb  ober  auf  ßift  unb  ^lugl)eit  ober 
auf  alk§>  btefeg  gugleidf)  fiel)  grünben.  ©o  roie  bemnad^  ber  2ItI)ei^= 
mu^  ber  ^obfeinb  ber  Dfleligion  ift,  fo  ift  bie  atljeiftifdje  ©itten? 
unb  9^edl)t§lef)re,  bie  üielmel)r  bie  £eugnung  aller  6ittlid)feit  unb 
aHe^  dle6)k§>  ift,  bie  geinbin  ber  gangen  gefellfdjaftlid)en  Drb= 
nung,  bie  fol($en  Sel)ren  gegenüber  nid)t  einen  Slngenblid  fort- 


—     109     — 

Befte!)en  löniite,  tuenn  nic^t  bie  auf  'i)a§>  (S^riftentljum  gebaute  ge^ 
fdjidjtlidje  Drbnung  unb  ba§  d;rift(id)e  ^en)u§tfein  be§  3SoI!e^ 
SBiberftanb  leiftete. 

@i6t  e^  feine  fittlic^e  greil^^it  unb  fein  Sittengcfeg,  bann 
^ertf^t  aber  nic^t  nur  in  ber  bürgerlid^en  Drbnung  ba§  9icd)t 
beg  ©tärferen,  fonbern  auc^  in  allen  perfönli(^en  S3e3ief)ungen 
ber  3}^enfd;en  unter  einanber,  bann  Ijat  bie  9iä($ftenliebe  feinen 
©inn  ttteljr,  bann  ift  'ba^»  3)ätleiben  mit  ber  5Rot!)  ol^ne  5Sernunft 
unb  ©runb,  bann  ift  ber  ©ine  gum  ©lenb,  ber  Slnbere  jum  ©e= 
nuffe  naturnottiwenbig  beftimmt,  bann  liggt  c^  in  ber  9Mur  ber 
S)inge,  bafe  ber  eine  ^Ijeil  ber  2}lenfd)en  ben  anbern  aU  2ßer!- 
5eug  gebraudjt,  um  ilju  für  biefen  ©enug  auszubeuten  unb  il^n 
ol)ne  SD^itleib  in  ^totl)  unb  @(enb  gu  ®runb  getien  lägt,  raenn  er 
biefem  Qxved  h\§>  §ur  legten  (Sridjöpfung  gcbient  ^at 

®ie  ^irc^^e  l)at  boljer  in  unfern  %ag,en  nicfit  nur,  mie  in 
ben  früljeren  3al^rf)unberten ,  ben  53erui,  bie  £el)ren  ber  Offen* 
barung  gegen  Srrleljren  gu  fdjügen,  fonbern  fie  Ijat  t)ielmel)r  bie 
überaus  erljabene  2lufgabe,  bie  SSernunft  felbft  unb  bie  grogen 
SSernunfttt)al)rl)eiten,  bie  natürlii^e  ©ittlidjfeit,  ha^  natürlid)e  ^e6)t, 
bie  erften  ©runblagen  ber  menfdjlidjen  ©efeEfd^aft  gegen  bie  Sin- 
griffe  beS  ©eifteS,  ber  von  ©ott  abgefallen  ift,  gu  t)ert{)eibigen.  ©ine 
größere  unb  glorreichere  Slufgabe  ^at  bie  ^irc^e  ©otteS  nod^  nie 
geljabt,  wie  in  unfern  Zaij^en,  6ie  ift  nid)t  nur  ber  gels,  auf 
bem  baS  ©l)riftentl)um  rul)t,  um  e§  gegen  bie  Pforten  ber  §ölle 
gu  f(^ü|en;  fie  ift  and;  ber  %eU,  auf  bem  bie  gan^e  natürli(Je 
Drbnung  xnlji,  um  fie  gegen  biefelben  feinblid)en  SJZäc^te  §u  üer- 
t^eibigen.  60  erfüllt  fi^,  maS  fdjcn  t)or  graeiljunbert  ^al^ren 
ber  groge  beutfc^e  Pjilofopl)  fieibnig  üortjer  fa^,  bag  Reiten 
fommen  mürben ,  rao  bie  ^ird)e  nid)t  fomoljl  \)tn  ©lauben ,  aU 
vklmeljx  bie  SSevnunft  gegen  bie  Eingriffe  bei  Unglauben»  rcerbe 
in  Dertl)eibtgen  Ijaben  unb  bafe  bie  legte  .^rrlelire  ber  Slt^eiS* 
mu§  fein  merbe.    S^iefe  3sit  ift  offenbar  gefommen. 

Um  aber  bie  übernatürlid)c  unb  bie  natürlidje  SBal^r? 
]E)eit  in  il)rer  5lnmenbung  aufS  menfdjlid;e  Mmi  gegen  bie 
S[>erfälfd)ungen  be»  naturaliftifc^en  g^^^Ö^^P^^  l^  üerttjeibigen, 
!ann  fid^  bie  ^ird)e  nii^t  bamit  begnügen ,  jene  SBaljrljeiten  bloS 
auSpfpre(^en ,  fie  mug  t)ielmel)r  auf  beren  lebenbige  ^er- 
mirflidjung  im  2ehen  ber  3J^enfc^^eit  unb  bamit  auf  alle  jene 
grogen  gragen  eingeljen,  um  meiere  fic^  im  innerften  ©runbe  alle 


—     HO     - 

ll'ämpfe  ber  ©egenraart  bre(;en.   ©ie  wirb  baljer  naä)  ber  9li$tfd;mir  , 
ber  erüitjen  2Ba()rI;eit  au§ipre($en  muffen,  in  lüel^em  ^serljäUmife 
ba§  S^viftentljum  unb  bie^irdje  ^ur  2ötffenf  d^aft  imb6$u(e, 
§urgQmilieimb@[je,§um6taate  mib  ber ©efellfdjaft  ftef)t 

S)enn  baraiif  ift  ber  ^(an  be§  Sügent3eifte^,  ber  imfre  ^niee 
t)or  ber  Diatur  flatt  vor  beni  einen  uiaf)ren  (3oii  bengen  raiff, 
geviditet,  bie  Söiffenfdjaft,  bie  6c^ule ,  bie  gamilie,  bie  ©(je, 
ben  Btaat,  bie  @efellfd)aft  vom  (E()riftent^um  unb  bann  t}on  jeber 
Dteligion  gn  emancipiren  nnb  fid^  felbft  l)öriß  gu  niad)en,  nm  fo 
hnxä)  äöiffenfdjQft,  6d)ule,  6fat§geiua(t,  ja  fo^ar  burd^  bie 
gamüie  ben  ©ö^enbienft  ber  9?atnr  gnr  3ßeltreli(]ton  jn  erljeben. 
baljer  jenc^  allgemeine  gelbgefd^rei  nnferer  3eit  anf  3::rennnng 
ber  Söiffenfd^aft  Dom  ß^lanben,  ^rennnng  ber  6c^nle  üon  ber  ^ird)e, 
Trennung  be!3  ©taate^  Don  ber  ^irije,  ^rennnng  ber  ©(je  üon  ber 
tird^e!  (Getrennt  fott  werben,  \va§>  ©ott  ijerbnnben  i)at,  ma^, 
feit  ©Ott  bie  2ße(t  erfc^affen  (jat,  x)er()unben  lüar  nnb  üerbnnben 
bleiben  mng ,  menn  nidjt  bie  3}^enfdjen  bem  fiügengeift  nnb  hem 
^erberben  an^tim  fallen  jt)onen. 

S)a§  ift  aber  ber  Q\mä  biefer  3eitridjtnng,  bnrd)  bicfe  Trenn- 
ung bie  ©ntcl)riftli(^nng  be§  3>olfex^  allmälig  aber  fidjer  Ijerbei^nfülj^ 
ren.  ^nrc^  biefe  5:rennnng  foll  nämlidj  bem  ß(jriftent(jnme  aller 
Seben^boben  entzogen  nnb  e^  babnrdj  gnm  Slbfterben  gebrad^t 
werben.  ®a»  ©(jriftentljnm  ift  lüejentlidj  baju  beftimmt ,  mie  Wn 
gangen  äJienfd^en  in  all  feinen  Gräften  nnb  5t(jätig!eiten,  fo  and) 
bie  gange  SJknf^^^eit  in  air  i()ren  gefeüfdjaftlidjen  ©liebernngen 
nnb  £eben»änßernngen  gn  bnrdjbringen ,  gn  reinigen,  gu  t)erebeln 
unb  gn  Ijeiligen.  S)e|3l)al6  cergleidjt  e^  fein  göttlidjer  ©tifter 
mit  bem  ©anerteig,  ber  bie  gange  3}taffe  be^  9Jleljle§  bnrd^fänert. 
2)a0  große  2öer!  ©ottc§  in  ber  Söeltgefi^ii^te,  ber  maljre  G)Ott= 
gewollte  gortfc^ritt  ift  bie  immer  rollfommenere  ^X'erdjdftlidjnng 
ber  3}ienfdj(jeit.  ©o  lange  in  ben  erften  djriftlidjen  3al)r= 
l)nnberten  nur  bie  ©ingclnen  gläubig  marcn  nnb  iljre  9leligion 
in  iljren  §ergen,  in  bem  Qnnern  i()rer  Käufer,  in  ben  ^ata!om= 
ben  verbergen  mußten,  mäljrenb  ba§  gange  öffentlidje  unb  gefeilt 
fdjaftlid^e  Seben,  SiffenfdE)aft  unb  ^unft,  ©d^ule  nnb  ©rgieljung, 
^taat  nnb  ©efeUfdjaft  (jeibnifdj  blieben,  war  eben  bie  3Belt  unb 
bie  3}^enfd^l)eit  nodj  ljeibnif(^  nnb  nidjt  djriftlidj.  ©Ijriftlid^  würbe 
fie  chtn  in  bem  Tla^c,  aU  nidjt  blo»  ©ingelne  burdj  ha^  ©Ijri- 
ftentljum  geljeiligt  nnb  gerettet,  fonbern  aU  bie  menfdjlidje  ©e^ 


-   111   — 

feUfdjaft  ielbft  mit  bem  $rift(i($en  ©elfte  erfüttt  roiirbe.  ^afe 
foldje^  immer  mel}r  iinb  mel^r  gef(^el)e,  bafe  bie  imc^riftlii^en 
Elemente,  b.  !).  Unroa^rl)eit,  llugcredjtigfeit  ;mb  ©elbftfuc^t,  in 
ber  menf^lidjen  ©efetlfc^Qft  immer  meljr  überrounbeu  imb  bie 
©eftalt  ber  ©ejcUfd^aft  bem  ©eifte  be§  (Eljriftentl^iime^  immer 
(:ileid)förmiger  merbe,  ba§  ift  unb  bleibt  baC^3i^^  oto  @ef($id)te, 
bQ!^  ift  ba§  3beal,  welchem  ©olt  bie  3Jienfdjl)eit  immer  meljr  luib 
meljr  sufüljren  mid.  S)a5  gerabe  ©egentl)eil  ftrebt  nun  jener 
©eift  an,  ber  ha  beftänbig :  Trennung,  irennnng !  ruft,  mäljrenb 
ber  dln\  ©otte^  unb  ber  5Huf  ber  Siebe  auf  Bereinigung  unb 
Bcrf()l)nung  geridjtet  ift.  SDa  e^  aber  nod)  nidjt  auc^fül)rbai' 
erj^eint,  ben  ©lauben  mit  cinemmal  an§>  ben  ^erjen  ber  3Jiittionen 
lu  reiben  ober  mie  einften»  im  alten  91  om  ba§  (i;ijriftentl)um 
ielbj^  gu  profcribiren ,  fo  fott  eiS  menigften^  x)orerft  meljr 
unb  me^r  au§>  bem  ^ehen  üerbrängt,  in  bie  x)ier  3}lauern  ber 
Äird)en,  in  bie  ©ubjectiuität  ber  ©injelnen  eingefd^loffen  werben. 
3)abei  unterläßt  man  nid^t,  hm  Sdjein  gu  verbreiten,  al§  ob 
biefe  S^rennung  im  gntereffe  be^  n)al)ren  gortfdjritt^,  ber  SSiffen^ 
fdjaft,  ber  greiljeit  notljroenbig  fei,  mäljrenb  ba»  gerabe  @egen- 
tl)eil  maljr  ift,  unb  oljne  9teligion  unb  (El)riftentljum  üielmeljr 
atter  gortfd^ritt,  alle  malire  Sßiffenfd^aft  unb  greiljeit,  alie§ 
ma^re  ©lud  ber  S35lfer  xmmögli»^  ift,  meil  ba0  5ltte^  nur  in 
ainb  burdj  ©ott  errungen  werben  !ann. 

Sene  2öi]jenfd)aft  oljne  ©Ott  ift  feine^ireg^  bie  ma^re  Söiffen- 
fc^aft.  6ie  ift  nid^t  bie  Sßiffenfd^aft,  bie  mit  9teblid;feit  nad) 
2ßaljrl)eit  forfdjt,  befelialb  aber  cin^  bie  Sc^ranfen  unb  bie 
©ebrcd)lidj!eit  ber  menfdjlid^en  5^ernunft  anerfennt  unb  bie  Ijödjfie 
2Öal)rljeit  l^eilig  l)ält ;  fie  ift  ni$t  bie  SSiffenfd^üft ,  meldje  bur$ 
bie  6i(^er=  unb  Marftellung  ber  natürlichen  Sßaljrljeiten  bie 
Borl)aEe  bilbet  gu  ber  un^^  burc^  ©ott  gefd)entten  ljöl)eren  über= 
natürlidjen  äÖeigl)eit ;  bie  2öiffenfc^aft ,  meiere  bie'  ^^atfad^e  ber 
Dffenbarung,  bie  ®öttli(^!eit  be^  Sljriftent^umjo  unb  bie  göttlidje 
Stiftung  ber  Äirc^e  bur(^  oernünftige  unb  gefd^idjtlidje  ©rünbc 
beweift  unb  an  ber  §anb  unb  im  Sichte  be^  ©lauben§  mel^r  unb 
meljr  ba^  ^Serftänbni^  ber  offenbarten  Söaljrljeiten  uii»  erfd^lie^t : 
fonbern  e^  ift  eine  SBiffenfd^af t ,  bie  oon  üorn^erein  mit  ebenfo 
unroiffenfc^aftlid^er  aU  x)orurtl)eil^t)olIer  2öill!ürlid)!eit  jebe  Offen- 
barung leugnet  unb  aUeS  Uebernatürlid)e  für  Sßaljn  erHärt, 
bie  aber  audj  befe^allv  weil  fie  fidj  t)on  ©ott  unb  ©otteC^  Offen- 


—     112     — 

barung  gefüifenttid^  obicenbet,  rettung^Sloö  allen,  and)  ben  id}limm^ 
ften  ^Serirrungen  be§  gefattenen  2)ienfd)engeifte§  —  bem  ^ei^titu^, 
bem  ^antf)ei0mug,  bem  SOhterialienmg  anl)eimf ällt ;  e§  ift  jene 
2öiffenfd)aft,  n)eld;e  f(^on  ha§>  apoftolifd;e  3Sort  i)  mit  fo  einf'^nei-- 
benber  2öa^r{)eit  fennseic^net ,.  raenn  e^fpric^t:  „€ie  Iciftern, 
wa§>  fie  nid)t  t)erftel;en  (nämlii^  aUe^  Uebernatiirüd^e 
unb  ©öttlit^e);  baö  aber,  ma§>  fie  pon  DIatur,  raie  bie 
üernunfttofen  ^l;iere  (nämlid^  hmd)  bie  8inne  nnb  burd^ 
eine  2Biffen(d)aft,  bie  feine  2isa!)rl)eit§quette  ancrfennt  al»  bie 
6inn2  allein)  raiffen,  gereidjt  il)nen  gnm  3Serb erben 
(weil  fie  el  gu  ,i()rem  unb  Slnbever  intettectueHem  unb  fittlidjen 
^erberben  miB6raud;en)/'  ©^  ift  bal)cr  eine  23if|enfdjaft, 
bie  bent  ß;()riftentl)um  nidjt  unparteiifc^ ,  fonbern  feinblid; 
gegenüberfte^t.  ^iefe  2Bif)enfd}aft  mitt  ba^er  bie  (Sdiule 
nur  befe^alb  von  ber  ^ird^e ,  unb  ben  (Staat  von  ber  Dleligion 
trennen,  um  beibe,  ©(^ule  unb  Btaat  ju  be^eirfd)en  unb 
mit  i^rem  ©eifte  ^u  burdjbringen;  um  in  ben  6d)ulen  unb 
£e!^ranftalten  oon  ben  |üd)fteu  bi^  gu  t^en  niebrigften  'iia^^  !)eran-' 
mad^fenbe  @eid)Ied^t ,  vor  allem  aber  bie  l^errfc^enben  unb  ton= 
angebenben  klaffen  ber  ©efeüidjaft,  jene  bie  aU  ^Beamte  unb  aU 
SSolf^Dertreter  ben  <Btaat ,  hk  ©emeinben,  bie  gefammte  ©efell= 
fd^aft  Derroalten,  leiten  unb  umgeftalten  werben,  nad)  iljren 
©runbfä^en  gu  unterrid)ten  unb  gu  erjieljen  unb  fo  einen  (Einfluß 
ouf  ba§  öffentU{$e,  gefettfijaftüdje  unb  priDate  Seben  au^^uüben, 
raie  \l)n  m  bicfem  Umfange  ha^  (E()viftent{)um  nie  geübt  unb  bie 
^'ir^e  nie  in  2lnfprud)  genommen  "i^at 

^enn  ß^riftenttjum  unb  ^ird^e  a^ten  grunbfä^Iic^  bie 
natürlidje  unb  red^tmä^ige  grei(;eit,  mie  be§  3Jfenf$en,  fo  bea 
©taateg  unb  ber  ©efettfcbaft ,  bagegen  biefe  ©eifteeridjtung  famt- 
!eine  (Bdjxanhn,  vox  benen  fie  fülle  fielet,  am  menigften  a6)td  fie 
ba^  d{ed)t  unb  bie  gi^ei^eit  be§  d;riftlic^en  ©emiffenö  unb  ber 
d^riftlid)en  jürdje.  ^enn  a[§>  oberftcS  ^rincip,  al§  ben  Stnfang  unb 
ba^  ßnbe  il)rer  poIitifd;=focialen  2e()re  ftellt  fie  ja  ben  6a^  auf, 
bafe  ber  Staat  nid;t  etwa  blo^  ber  ©d^ü^er,  fonbern  ber  alleinige 
unb  unumid)rän!te  Urljeber  be§  Died^te^  fei,  unb  jmar  fo,  ha^  aber 
aud)  nur  ba^  Siedet  fein  fott,  ma^  ber  Biaat  üerorbnet,  b.  l).  mal 


1}  ^ub.  4,  10. 


—    113    — 

Sette  lüollen  unb  befcä^Iiegen,  bie  fa!tif(5  bie  Staatsgewalt  in  ^än«^ 
ben  Ijaben  ober  fie  beeinfluffen.  S)araui§  folgt  bann,  ba^ 
bie  einzelnen ,  bie  gamilien ,  bie  focialen  ^örperfc^aften,  unb 
barin  vor  allem  bie  ^ird^e  nur  infofern  Siechte  '^abe ,  aU 
biefer  <Btaat  fie  i^nen  5uer!ennt,  unb  nur  fo  lange  er  pe  i^nen 
äuerfennt,  unb  bafe  jebe  ©eltenbmad^ung  eine^  eigenen,  roenn  aud^ 
no(5  fo  leiligen  d\eä)k§>  gegenüber  bem  Staate  unb  feinem  ab? 
foluten  SBillen  aU  (Empörung  unb  §0($t)erratl)  gilt. 

©^  braucht  bal^er  biefer  Staat  nur  gu  befijliefeen,  bie 
Schulen  foHen  confeffion^lol,  b,  ^.  oljue  jegliche  pofitioe  Migion 
unb  hk  Altern  foHen  angehalten  fein,  i^re  ^inber  in  biefe  Sj^ulen 
§u  fc^iden  —  fo  iji  \>a^  mefentlii^fte  (Slternred^t  x)erni(^tet  unb 
bie  (^riftli^en  ©Item  muffen  jufel^en,  raie  il)re  ^inber  un(^riftli$  in 
ben  Sd^ulen  erlogen  werben.  Unb  wenn  ber  (Btaai  erflärt ,  nur  bie 
ß^iüilel^e  fei  giltig,  fo  l)at  bie  (^riftli($e  @l)e,  obwohl  feit  3al)rl^unberten 
t)oEbere(^tigt,  aufgehört,  in  ber  ©efellfd^aft  unb  im  öffentli^en  2zhm 
©eltung  gu  befi^en.  Unb  berfelbe  Btaai  brandet  nur  ba§  ©efe^  ju 
mad)en :  ha§>  !löfterli($e  ^ehen  ift  v^xhokn,  bie  S3ifd^öfe  unb  ®ei^ 
liefen  fönnen  nur  mit  Staatggenel)migung  gemeil^t  unb  angeftettt 
werben,  fo  ift  ber"  innerfte  ßeben^nero  ber  ^iri^e  gelähmt  unb 
biefe  mu§  in  ftummem  @el)orfam  gufeljen,  wie  ha^  Seben  l^o^erer 
SSoEfommenlieit  in  il;r  unterbrücft ,  wie  ein  göttlicher  Söeruf  in 
üielen  ßl)riftenfeelen  erfticft,  wie  ber  ©piScopat  unb  ber  (Sleru§ 
f^ftematifd^  rerberbt  wirb  —  unb  ^§  ift  nur  coniequent,  wenn 
biefer  moberne  Staat  fi(^  eine§  ^age0  berei^tigt  glaubt,  wie  er 
bereits  in  feinem  blutbefCccftenUrfprunge  im  3al)re  1793  in  grau!« 
rei(^  wirflid^  getl)an  l)at,  ju  becretiren,  bie  Uebung  ber  !atl)olifc§en 
^Religion  fei  tjerboten,  ja  ber  ©laube  an  (Boit  unb  beffen  Slnbetung 
unterfagt. 

^aö  ift  bie  Sage  ber  ^inge  in  ber  mobernen  SSelt,  biefeS 
finb  bie  SluSgangS-  unb  3iß^pun!te  jener  Bewegung,  wel^e  in  un- 
erljörtem  3JliPraud)  beS  l)eiligen  9kmen§  ber  grei^eit  eine  freie 
SBiffenfd^aft,  eine  freie  Schule,  einen  freien  Staat  anftrebt,  bereu 
angebliche  grei^eit  aber  nichts  ift  aU  eine  red^tlofe  Empörung  gegen 
Wn  lebenbigen  ©ott,  al§  bie  Befreiung  oon  ben  ©efefeen  ber  2Bal)r^eit 
ber  ©ere(5tig!eit,  ber  Dieligion,  um  bie  3Jlenf(^en  ber  ^ned^tfc^aft 
aller  ßeibenf^aften  unb  aller  2BiIIfür  unb  jeglichem  ©goiSmuS  ju 
überliefern,  um  fie  Don  einem  Slbgrunb  beS  3$erberben§  in  ben 
anberen  gu  ftürgen,  um  bur^  \)^n  <Btaat  ben  SXbfall  ber  3)ienfd^5 

».  Rettelet,  ba8  attflcmeine  Öoneil.  g 


—    114    — 

^eit  t)on  ©Ott  unb  bie  ©elbfioergöttenm^  ber  5)^enfd;()eit  ju 
DoEürincjen.  ©anj  ber  ^lan  ber  alten  (Sd^lange:  „3l)r  luerbet 
wie  ©Ott  \m^y 

.  "2öa^  rairb  bie  ^irdje  3efu  Sl^rifti  biefem  oI;nmä(^tiöen  Unter- 
nel)men  ber  ^o^tjeit  nnb  53erblenbung  gegenüber  tl)nn?  Sie  toirb 
im3Ramen  nnb  in  ber  l^raft  beg  aEmädjtigen  ©otte^  ben  Unter- 
neljmnngen  be^  Sügengeifte^  gegenüber  bie  eiuigen  2öaf)rl}eiten  ber 
Vernunft  nnb  be^  6fjriftent[>nmg  ber  2öelt  Derlünben. 

^er.Sßiffenfdjaft  rairb  fie  fagen:  ®n  l)aft  einen  l^o[;en  ^e-- 
tuf  nnb  hu  bebarfft  einer  großen  grei^eit,  bie  id)  bir  im  noüften 
3Jia6e  geioäljre ,  weil  @ott  fie  bir  gen)äl)rt  ^at  $Dn  foßft  jnr 
S^ereblnng  nnb  jnm  9tn^en  be;?  ganzen  3}lenfd^engefd)led)tey  bie 
2öa[)rl;eit  erforfi^en  nnb  tel^ren,  fo  wät  fie  ber  inenfd;Iid}eit 
SSernnnft  jugänglid;  ift.  Slber  chm  raeil  bein  Qkl  bie  ^a^r- 
{)eit  ift,  l^aft  hu  über  bie  3SafjrI)eit  fclbft  feine  ©en^alt,  fonbern 
foüft  iijre  ^Dienerin  fein.  @ott  aber  ift  bie  ^öd)fte  2öal;rljeit  nnb 
wenn  ©ott  felbft  §n  ber  9}lenfd)I)eit  gerebet ,  fo  mnfet  hu  in  ®e= 
nmtl)  Dor  @ott  nnb  feiner  SSaljrtjdt  bi($  bengen;  fonft  rairft  hu, 
inbem  bn  ©ott  glei(^  fein  nnb  befeljalb  feinen  ©ott  nnb  fein 
©otte^'SBort  über  bir  anerfennen  raißft,  rettnng^Io^  bem  Sügen= 
geifte  verfallen.  Söiltft  bn  bal)er  in  beinern  berei^tigten  nnb  ^od;^ 
l^erjigen  Streben,  bie  3Bal)rl)eit  gn  erforfd^en,  nid;t  anf  2lbn)ege 
unb  in  bie  tieften  Slbgrünbe  gerat{)en,  fo  barfft  bn  jenen  Ijimm- 
Ufi^en  ^olarftern  einer  unfehlbaren  Söaljrljeit,  ben  ©ott  in 
feiner  Offenbarung  ber  3Jienfd)ljeit  gegeben  Ijat,  ni($t  t)erad^ten  unb 
nu^  bem  Singe  verlieren.  SBillft  hu  bic^  aber  no(5  l)öl)er  erl^eben, 
üU  hu  auf  ben  Stufen  ber  ©efd;öpfe  hux^  eigene  ^raft  gu  ge^ 
langen  vermagft,  raiU)^  bu  jene  übernatürlid^en  2öal)rl;eiten  er- 
fennen,  bie  gnle^t  allein  im  Staube  finb  bie  großen  gragen  ber 
3}icnf(^l)eit  §u  löfen  ,  fo  mu^t  hu  üom  göttlidjen  ©lanben  bid;  leiten 
laffen  unb  mußt  glauben,  um  §u  erfennen.  S)ie  SBiffenfdjaft  ift  ba0 
2Berf  ber  menf^Uc^en  ^crnnnft,  unb  and)  bie  menfd)li$e  ^er^^ 
nunft  unb  fie  t)or  allem  bebarf  be§  ©rlöfer^,  unb  nur  burd;  il;n 
fann  fie  ^ur  üollcn  2ßal)rl)eit  gelangen ,  nur  in  il;m  leben  unb 
2iihen  verbreiten. 

5Die  Schule  mirb  bie  ^irc^e  jurufen:  ^u  bift  i)'C^ä)\t  eljrmür* 
big  unb^eineiS  ber  foftbarften  ©üter   ber  3)^enfd)l)cit.    ^^   fegne 


1)  1.  3Jtof.  3,  5. 


.^    115    - 

uub  crmuntere  bid^;  jebe  äd^te  ^ilbung  iflüom  ß;^riftent^um  ge- 
bißiöt  unb  ein  ©ercinn  für'^  ß{)riftentlf)um.  3ßiEft  bu  aber  TOo^r- 
l^aft  eine  ©rjiefierin  ber  3J?enj'c^{)eit  fein,  iljc  juut  §eile  unb  ni$t 
^unt  3Serberben,  fo  barfft  bn  von  bem  Sef)rmeifter  otter  3)Zenf$en, 
ß()riftu^  beni  §errn,  bii^  nid)t  losfagen»  2öo(Iteft  bu  !)ingegen 
bie  Ijeranroai^fenbe  !l}?en[d}ljcit  anftatt  für  (II)riftu§,  für  ba§  Un- 
d)riftentl)um  er3ie^en,  fo  raäro  ba§  bcr  Ijödjfte  unter  aUtn  greüeln, 
wellte  g^eo^m  @ott,  oeßen  bie  gamilie,  öegen  bie  9Jlenfd;^eit  be- 
gautjen  luerben  !onnen. 

2)cm  Staate  rolrb  bie  ^irdje  fagen  :  ^u  bift  mit  ber  I)ö(^)1ten  ir- 
bifd^en  Majeftät  befteibet,  unbmie  (E^riftu^3,  mein§err  unb  9^id)ter,  bem 
^aifer  o^ab,  ma»  be§  ^aifer§  ift,  fo  crfenne  and)  iä)  bi$  an  im  58olI=^ 
ma§e  aEer  bir  üon  ©ott  üerlicljenen  d1ed)k  unb  ©emalten.  ^u  trägft 
ba»  ©diracrt,  um  t)ie  9Iedjte  ^IUer,  ^umeift  ber  ©i^wad^en  unb 
2öel)rlofen  5U  fdjü^en  unb  bie  greoler  gu  ftrafen,  bu  befi^eft  bie 
gütte  irbifd^er  (^üter  unb  ©eiyalten,  um  bie  gemeinfnme  2Öol)lfal[)rt 
gu  förbern-  2lber  bu  bift  nid)t  ©ott  unb  barfft  bic^  nidjt  fegen 
an  bie  ©teile  @otte§.  ^u  bift  üielmeljr  ©otte»  Wiener  gur 
ßanbl)abung  ber  ©eredjtigfeit.  ^ie  ©efege  ber  Söaljrljeit  unb 
ber  ©erei^tigfeit,  bie  er  felbft  in  ha^$  ©eiDiffen  be»  3JJenfc^en  ge- 
fc^rieben,  ^a\t  bu  junäc^ft  §ur  31id)t{d^nur  beiner  ©efeße  unb  affer 
beiuer  ganblungen  su  nebmen;  dmi  befeljalb  ^laft  bu  su  fc^ü|en 
iebe^5  rooijlermorbene  9fled)t,  unb  foffft  e§  nid)t  beutjen,  um  einen 
fd)einbaren  Dingen  ju  erreid;en.  ^aju  ift  jeber  @taat,,felbft  ber 
Ijeibnifdtie,  "üerpfüdjtet. 

$Die  Staaten  ber  cioilifirten  3öelt  finb  aber  feine  l^eibnifd^en 
Staaten.  Europa  oor  2(IIem  ift  (^riftlid;  burd^  ©otteiS  affmädjtige 
§anb  unb  ©nabe,  burd)  ba^  33lut  oon  üiel  STaufenb  3Jlartt)rern, 
burd;  bie  5lrbeit  uub  ba§  2ehen  t)on  me^r  aU  fünfzig  (Generationen. 

S)ie  3Sol!er  ©uropa^  finb  feine  Ijeibnifd;en  3Sölfer.  ®ie  ^ird^e 
mirb  baf)er  ber  'Btaat^malt  fagcn:  ^u  f)aft  nid^t  ba§  '^ed)t, 
baö  dt)rift(id)e  5ßolf  wie  ein  Ijeibnifd;e0  5U  be^anbeln^  noc^  roeniger 
mie  ein  3Solf  otjue  Üleligion.  ^^nn  bu  and)  äffen  bie  greil)eit 
ber  rcligiofen  Ueber^eugung  geroäfjrft,  ja  fclbft  bie  greiljeit,  gottlob 
3U  fein,  fo  ^aft  bu  nid)t  \)a^%  Siecht,  ber  ©ottlofen  wegen  and^ 
ba§  gan^e  Sßolf  wie  ein  gottlofe^  gu  beljanbeln.  ®u  Ijaft  W 
^füdjt,  hie  Ükligion  beine^  d;riftlic^en  3SoIfe^  gu  e()ren,  bie  Äird^e 
gu  fc^ügen  unb  nidjt  nur  felbft  in  ben  meltlid^en  Slngelegen- 
Ijeiten   bie   natürildje    ©ered^tigfeit   malten  gu    laffen,   fonbern 


"-    116    - 

au^  bem  $riftli$en  ©elfle  ben  gebil^renben  ®inftu§  ^n  geftatten. 
SBenn  bageöen  bie  ©taatSgeraalt  \i^  jum  SBetJjeuge  eines  bem 
ei)nfient^um  unb  ber  ^ird^e  feinbfeligen  ©eifieS ,  fclbft  big  jur 
Sßerle|ung  ber  natürlid^en  ©eredötigfeit  l^ergeben  toürbe  —  fo  ift 
bttS  ni^t  erlaubt  imb  ifi  jeber  ß^rift,  raie  t)iel  me^r  bie  ^ir$c 
e^rifti  tjerpflic^tet,  @ott  mel^r  511  geI;or(5en,  aU  ben  9Jlenf(5en, 
«nb  !ann  folijer  gret)el  nur  gum  S5erberBen  berer  gereii^en,  bie 
il^n  üben:  benn  an^  hm  üönigen  unb  58öl^ern,  ben  Staaten  unb 
S^eic^en  gilt  bü0  SSort  beä  Slpoftelfürfien:  bieg  follt  t^r  iDiffen, 
ba§  anä)  eu6)  in  feinem  anberen  Dramen  §eil  gegeben  ift,  al§ 
allein  im  S^amen  Qefu  (E^rifti^). 

S)en  Sfteic^en  mxxh  fte  fagen:  ©ott  J^at  bie  ©üter  biefer 
SBelt  für  alle  OJlenfc^en  beflimmt  unb  m6)t  bloS  für  eu($.  (Sott 
will,  ba6  alle  ^enfd^en  an  i^nen  in  einem  gemiffen  Umfang 
Slntl^eil  l^aben.  3§r  feib  ni$t  unbefd)rän!te  ©igent^ümer, 
fonbern  SSertoalter  ber  irbif(§en  ©üter.  3^r  jeib  bal^er  t)erpflic&' 
Ut,  euere  armen  3Jiitbrüber  p  lieben,  i^nen  einen  red^tmäfeigen 
^erbienft  p  geroä^ren  unb  i^nen  nac^  beftem  SSermögen  gu  §ilfe 
ju  eilen,  ^cnn  i^r  baS  nic^t  tl^ut,  töenn  i'^r  pielme^r  euere 
(Süter  nur  ha^u  hmüi^et ,  um  euere  ©lüdfeligfeit  im  ©enuffe  ber 
irbifd;en  ßüfte  ju  finben,  euere  2)Zitmenf^en  lebigli($  gu  2Ber!|eugen 
jur  Sßermel^rung  euerem  D^lei^t^umS  §u  machen:  fo  begebt  il^r 
ein  3Serbre$en  gegen  @ott  unh  ein  ^erbrei^en  an  ber  Tlen\ä)f 
l^eit,  bie  il)r  enttoürbigt. 

S)en  Firmen  rcirb  fie  fagen:  ©eib  gufrieben  mit  bem 
©taube,  morin  ©ott  eu($  gefegt  ^at,  begebt  !eine  llngere$tig!eit 
iinb  (^emaltt^at,  murret  nxä)t  gegen  (Sott  unb  ©otteS  Drbnung 
unb  erfennet  üor  allem  felbft ,  baß  bie  Söürbe  unb  bie  ©lücf- 
feligfeit  beg  3Jlenfd^en  nid^t  in  ^teic^tl^um  unb  in  irbifc^en  (Se= 
nüffen  befte^t,  fonbern  in  ber  Sßürbe  unb  bem  ©lüde,  bie  mir 
burd^  bie  3^ad^folge  S^rifii  erlangen,  ber  obrool^l  er  (Sotteö  ©o§n 
mar,  ben  9leid^t^um  t)er[($mä^t,  bie  2lrmut§  ermä^lt  ^ot. 

Sßie  aber  bie  ^ir($e  auf  ber  einen  6eite  alle  uatürlicJ^en 
unb  übernatürlid^en  (Süter  ber  a)^enf(5l)eit  gegen  bie  Singriffe  be§ 
©eifteö  be§  SlbfaÄS  t?on  (Sott  unb  feiner  Orbnung  oertljeibigen 
mufe,  fo  mu{5  fie  au^  inöbefonbere  bie  grei^eit  fidj  er!ämpfen, 
bie  fie  bebarf,  um  i^re  göttlid&e  ©enöung  gu  erfüllen. 


1)  Slpoftg.  4,  IJJ. 


—     117    — 

©ie  tüirb  ba^er  im  tJoHfien  Umfang  bte  ^rei^eit  in  2lnfprud) 
nelfimen,  bte  (5ripli(^e  2öal)r^eit  ju  rerfünbigen  unb  ju  lef)ren, 
nid^t  etvoa  Uo§>  burd^  ^rebtgt  unb  ©^rifienlef)re,  fonbern  in  jeber 
SOBeife,  bie  ha  red^tmagig  unb  würbig  ifl,  t)or  2IIIcm  burd)  bie 
Pflege  ber  JBiffenfi^aft  unb  hnxä)  bie  freie  ^enu^ung  ber  treffe, 
©ie  n)irb  in  5Infpru(5  nel;men  ha§>  'äeä^t,  i^re  ^riefter  pm  $rie= 
fiert^um,  il^re  Jünber  für  ba§  ^l^rifient!)um  p  er§iel)en  unb  par 
ni(^t  ua^  bem  3)fia§e,  welches  eine  migtroutfi^e  ober  feinbfelige 
©taatSgeroalt  i^r  guniigt,  fonbern  in  bem  ganjen  Umfang,  rote 
eS  in  ber  3^atur  ber  ©ad^e  Uegt 

Sie  roirb  in  Slnfprud^  nel^men  bie  ^rei^eit,  i^xe  ©iener^ 
t)or  alletn  bie  S3if{^öfe  nai^  bem  Wla^e  i^rer  SSürbigfeit  unb 
Slü(5tig!eit  unb  ol^ne  frembartige  ©inflüffe  p  mahlen  unb  ein* 
pfe^en. 

<Sie  mirb  für  i^re  ©öl^ne  unb  ^öc^ter  \)a§>  l^eiligfle  unter 
allen  9J?enfc^en=  unb  (5:^rifienre($ten  proftamiren,  bie  greitjeit,  im 
©taube  ber  et)angelif(5en  §8ollfommenf)eit ,  na^  bem  ^eifpiel 
ber  ^eiligen  unb  nac^  ber  SSorf($rift  ber  ^trd^e,  roie  im  (^ingelnen, 
fo  aud^  in  ©emeinfd^aft  p  leben  unb  p  mirfen. 

©ie  n)irb  ba^  l^eilige  ^e^t  pdj)  magren,  ®uU^  p  if)m, 
offe  SBerfe  ber  d^rifllii^en  Sarml^er^igfeit  p  üben,  im  SDienfle 
be^  9^äd;ften  fid^  p  opfern,  unb  wirb  mit  ©ntrüflung  jene  uu'- 
erträglid^e  ^t^prannei  von  fi^  llogen,  meiere  un^  ^inbern  mill,  um 
e^rifti  SBillen  unb  nad^  ^fjrifti  Sßorbilb  ^uU§>  p  tl^un. 

§ßor  allem  aber  mirb  bie  ^ird^e  in  unferer  Qeit,  wo  iljxe 
Slufgabe  größer  unb  fd;n)ieriger,  unb  mo  bie  3Belt  feinbfeliger  ift 
aU  je  pt)or,  barnad^  mit  aEer  Äraft  l^inftreben,  il^re  3JJitgIieber 
unb  pmal  il^re  getoäl^Iten  ^Diener  unb  ^riefter,  bie  beg  ^olfeö 
güljrer  unb  55orbilb  in  ber  S^ad^folge  Sefu^^rifli  fein  follen,  gu 
(jeiligen  unb  §u  einer  großen  ^oHfommenl^eit  gu  erl^cben  unb  beg- 
Ijalb  alles  p  befeitigen ,  ma§  ber  Entfaltung  ber  d^riftlid^en  unb 
priefterlid^en  STugenben  im  SOßege  ftel^en  fann. 

Unb  gerabe  l^ierauf  follen  wir  mit  ber  ^ird^e  aU*  unfere 
Hoffnung  fegen.  3e  me^r  bie  Äird^e  pd^  l^eiligt,  mirb  jmar  bie 
SSut^f)  ber  §ölle  gegen  fte  entbrennen,  aber  biefe  Söutl;  mirb  anä) 
um  fo  ol£)nmäd^tiger  merbett,  bie  .gerben  ber  3}lenfd^en  aber  werben 
t)on  ber  ©nabe  ©otteS  bewegt  unb  burd^  baS  gegebene  ^eifpiel 
angezogen,  ftd^  ber  J^irc^e  juroenben. 


'—    118    — 

Söenn  batjer  bie  ^irc^e  SlHel  aufbietet,  um  mit  ber  ©nabe 
©otte^  bie  2Balji1)eit  d^Ijrifti  ju  tierüiubißen,  bie  greiljeit  ber  ^ird&e 
§u  rcrtljeibiöen,  bie  (Sfirifteutieit  in  ^aupt  unb  ©liebem  §u  ^cili:; 
gen,  bann  !ann  fie  aud)  mit  ö^öjserem  Vertrauen  \iä)  an  jene 
efjriften  menben,  bie  uicijt  burc^  if)re  eigene  unb  nid;t  burd;  un= 
fere  (Sdjulb,  fonbern  hwxä)  (Sd^ulb  längft  Derganßener  Seiten  von 
ber  (^\ni)^\t  ber  ^ird)e  getrennt  finb,  um  fie  mit  innigfter  Siebe 
aufsuforbern,  surüd^nfeliren  gur  üerlaffenen  ©in^eit.  Xiefer  3fluf 
ber  Siebe  mirb  fi(J  um  fo  mäd)tiger  crmeifen,  je  !(arer  e§  jebem 
Unbefangenen  einleudjten  muB,  \)ai  bie  ©in'^eit  ba§  !öniglid)e 
'Mexlmal  ber  23a{)rljeit ,  bie  innerfte  ^raft  be5  (Itjriftentljume» 
ift  unb  baf?  bie  SBiebevIjerfiettung  ber  ©inljeit,  aber  quc^  fie 
aEein,  ben  Sieg  be§  G^riftent^ume»  über  bie  Söelt  unfel)lbar  gur 
golge  l;aben  mirb  —  unb  bamit  \men  grieben,  jene  Erneuerung  unb 
jene  SBo{)lfaf)rt ,  meldie  bie  SJIenfdjljeit  fdjon  auf  (^rben  bur<^ 
(s;{)riftu§  \)m  Sßelterlöfcr  erlangen  foll  unb  nur  burd^  ifin  erlan= 
gen  !ann. 

Unb  gerabe  je  rafdjer  unb  fur(^tbarer  fii^  bie  (Eonfequenjen 
be§  5lbfaIIe^  Don  ©(;riftu§  unb  feiner  5lirdje  entroicteln,  um  fo 
nätjer  fleljen  mir  jenem  großen,  von  ©otte^  SSeisFieit  unb  ©nabe 
!)erbeigefüörten  Söenbepunfte  ber  Seiten ,  wo  bie  '3}Jenfdj[)eit  im 
©rofeen  unb  ©anjen  micber  er!ennt,  ha^  ber  Stein,  ben  bie 
ftclgen  unb  tl^örid^ten  53auteute  üermorfen  l)aben, 
nämlid^e^riftu0,  benno($  Don  ©ott  gum  ©runb=  unb 
(g(fftein  gemacht  ift,  auf  bem  2(Ile^  rul[)t. 


XI. 

Bie  Öorurlljeile. 

„?ß  rufet  Qirc§,  h?a§  gut  tft  ßel^attet." 
I.  2;^eff.  5,  21. 

5i(^t  nur  ba§  ß^riftentl^um,  fonbern  aud)  f$on  bte  Stimme 
iinferer  S[>ernunft  forbert,  baß  wir  3}?eiifd)en  in  allem  SSaljren 
unb  ©Uten  einig  feien  unb  un^  getjenfeitig  in  Siebe  jur  @r^ 
rei(^ung  biefer  I)ol)en  S^dc,  von  benen  unfer  ©lud  abljöngt,  unter« 
ftü^en.  ^tatt  beffen  feigen  wir  bie  3}?cnfd)en  auf  atten  ßeben^= 
gebieten  in  hcn  erbittertften  kämpfen  befangen,  aU  ob  ©treit 
unb  IXneinigfeit  'oa^  ©diidfal  unb  bie  SSeftimmung  be§  Wlcn\^en^ 
gef($(edjteg  xü'dxe.  ©inen  raefentlidjen  Slntljeil  an  ber  33itter!eit 
unb  SRefuItatlofigfeit  biefer  kämpfe  I;aben  neben  ben  Seiben- 
fd^aften  \)k  beftel^enben  ^orurtljeile,  bie  unriijligen  Slnfid^ten  über 
bie  3}^einung  ber  ©egner.  2Jlan  fann  faft  nie  eine  ber  großen 
©ontrouerfen,  lüeld^e  unter  hm  3)Zenf($en  t)er!)anbe(t  werben  unb 
fie  geiftig  fpalten ,  verfolgen,  o^ne  auf  unrit^tige  ^orau^fe|ungen, 
irrige  Urtljeile,  Uebertreibungen  ober  ^erfleinerungen  gu  fto^en, 
raeldje  bod^  notliraenbig  befeitigt  fein  muffen,  ef)e  eine  S]erftän= 
bigung  mkß^  ift.  2öir  fe^en  \)a§>  faft  in  allen  Organen  täglid^ 
oor  Stugen,  in  meieren  bie  t)erfd)iebenen  Parteien  i^re  5lnftd^ten 
geltenb  mai^en.  ^ie  meifien  von  i^nm  fämpfen  fo,  aU  ob  ato 
Söaljre,  Mehlige  unb  (^ute  auf  iljrer  Seite,  atte0  Unmalire,  Hn^ 
red)te  unb  ^öfe  auf  (Seiten  ber  ©egner  liege.  2luf  fold^en  2Bcgen 
ift  ein  Dtefultat,  ha§>  bie  Streitenben  in  ber  2Bal^rl)eit  einigt, 
nid^t  möglich- 

®ag  gilt  nun  an^  namentlid)  ron  ben  großen  religiöfen 
Streitfragen,  ^a  entftel^en  ^orurt^eile  um  fo  leid;ter  unb  rair^en 
um  fo  oerberblic^cr,  je  tiefer  gerabe  fie  bie  menf($lid)e  Seele  be= 
rül^ren.  Sie  bilben  fid^  in^befonbere  in  folgen  3ßitabf($nitten, 
rao  bie  geiftige   2lufregung  unb  Seibenfc^aft  am  l^eftigften  tft. 


—     120     - 

eine  fol(^e  Seit  war  bie  geit  ber  ©laubett^fpaltitng.  2Bir  fitib 
mä)  weit  havon  entfernt,  alle  bie  ^orurtljeile,  n)eI(J^e  ftd)  bamalS 
me  ^o^e  53erge  graifi^en  ben  6treitenben  auftürmten,  n)e99e= 
räumt  in  ^aben.  SSir  ftnb  aber  in  eine  3eit  eingetreten,  mo, 
mir  möchten  fagen,  bie  5lcten  über  bie  ©rünbe  ber  Spaltung  wie 
über  il^r  ^Refultat,  reribirt  werben,  um  gu  ermeffen,  ob  biefelben 
in  Söal^rl^eit  befleißen  unb  au^  }e|t  no(^  t)orl)anben  finb.  5Diefe 
9li(^tung  ber  Qeii,  mel(^e  gmar  je^t  noi^  me^r  in  anbern  Sän^ 
bern  aU  in  S)eutf$lanb  auftritt,  \i^  aber  auc^  hei  m§>  f(^on 
geigt  unb  immer  mächtiger  werben  wirb,  ifi  überaus  erfreulich- 
6ie  ift  bie  Morgenrötfee  bejo  griebeng ,  ber  erfie  SSorläufer  ber 
^Bereinigung.  ^\^t^  ift  unbere(^tigter,  al^  eine  Spaltung,  ^ren= 
nung  wegen  ^orurtl)eiIen ,  wegen  unrid^tiger  SSorau0fe|ungen. 
6ie  muffen  mit  vereinten  Gräften  überwunben  werben.  5Daran 
muffen  wir  alle  arbeiten  auf  allen  ©eiten.  <Dag  ift  eine  gorbe^ 
rung  ber  Sßabr^eit:  eine  objectit)  richtige  ^Darlegung  aller  wir!= 
U(^en  ©egenfä^e,  na^  (Entfernung  atter  ©ntfiellungen ,  wel(^e 
i^nen  bie  ßeibenfd^aft  beg  ilampfeS  unb  SSorurt{)eiIe  gegeben 
l^aben. 

3n  biefer  S^id^tung  i)ahen  wir  ^atl^olüen  eine  große  ^luf- 
gäbe,  inbem  wir  bie  Seigren  unferer  Äir^e  mit  9lüdfid^t  anfalle 
»or^anbenen  3)^i§beutungen  fo  barfteHen,  ba§  fie  mögli(5ft  rein 
unb  !lar  pr  Slnfc^auung  !ommen.  ^a§  wollten  bie  einfid^tigflen 
3Jiänner,  ba^  wollte  namentlii^  ^öffnet  in  feiner  berühmten 
„Darlegung  ber  (Jripi^en  Seigre/'  ba§  wollte  auä)  in  unfern 
^agen  SDlö^ler  in  feiner  „6t)mboli!/  ^ier  ^ahen  wir  no$ 
Wlan^e§>  wieber  gut  ju  machen,  ^er  DrbenSmann  unb  $uma= 
nift  £ippu§  Slureliug  33ranboIini  fteUte  für  öen  rid)tigen 
Slu^brud  bie  3flegel  auf :  „^an  mug  ft(5  bemühen,  bafe  ber  Sefer 
ober  3u^örer  nic^t  nur  unfere  JReben  oerfle^en  fann,  fonbern  baß 
er  fie  nid^t  miBoerfle^en  !ann,  felbft  wenn  er  e§  wollte  0." 
Seiber  gibt  e§  man$e  firi^lii^e  ©(^riftfteHer,  bie  im  @cgen- 
t^eil  es  gewiffermagen  barauf  anlegen,  fic^  fo  au^^ubrüäen, 
\>a^  §war  ein  richtiges  ^Serflänbniß  mögli^  ijl,    mißüerftanbli^e 


1)  Danda  igitiir  opera  est,  ut  lector  atque  auditor  non  modo  poasit 
nostram  orationem  intelligere,  sed  ut  7ioti  possit  eaiii,  etiam  si  velit.  7i07i 
intelligere.  Lippi  Aurel.  Brandolini  Oratio  de  Passione  Domini  ad  Alexan- 
drum VI.  Pontif.  Max.  habita.  ^erauggegeben  bon  H,  Bone.  Mainz,  1869. 
pag.  36. 


—    121     — 

Sluffaffunnen  aber  no$  nä!)er  liegen.  ^a§  ift  geraig  fe^r  oer* 
!el)rt.  @§  ift  gegen  bie  2öa§rl)eit  unb  gegen  bie  Siebe  ge= 
fel^lt.  2)iefe  forbern  nid^t  nur,  ha^  eine  raalire  Deutung 
möglich  bleibt,  fonbern  »erlangen,  ba^  jebe  unrid^tige  S)eu= 
tung  möglid^ft  au^gef(^loffen  fei.  ^ine  fol($e  2lu§bru(f^raeife  fann 
naä)  !einer  (Seite  bereiä^tigt  fein,  ©ewig  gibt  e^  eine  Sprache 
beö  ^ger^en^,  bie  il^r  9le$t  l)at,  um  fo  mel)r,  ba  un§  ja  bie 
9leligion  fo  riefe  ©egenftänbe  Uekt,  bie  alle  ©efül)le  unfere^ 
§er§enS  in  Slnfprud^  nehmen.  2lber  aui$  btefe  ©pradie  mu^ 
fid^  jener  Siegel  unterroerfen,  roenn  fie  ni(^t  ba§  ©egentl^eil  oon 
bem  förbern  wiH,  roaS  fie  eigentli(5  be^roecft.  SSenn  roir  3J?ig' 
üerfiänbniffe  unb  5?orurtl)eile  anregen,  fo  förbern  wir  ni$t  bie 
SSerel;rung  beffen,  n)a§  wir  preifen,  fonbern  ^inbern  fie.  ^a§ 
finbet  namentlid^  Slnraenbung  auf  alte  ßontroöer^lel^ren  üon 
ber  SSerel^rung  ber  geiligen,  ber  S3erel)rung  ber  3Jlutter  @otte§, 
von  bem  Primat  be§  ^apfte^  2C.  2C..  ^ie  2Bürbe  ber  3Jlutter 
©otteg  ftel)t  fo  ^06),  bafe  !eine  menfd^lid^e  3wnge  im  ©tanbe  ifl, 
Tie  angemeffen  ju  preifen;  bennod^  fann  e^  auä)  Ijier  eine  2luS^ 
brudSroeife.  geben,  bie  unri(^tige  3Sorftettungen  unb  SSorurtl^eile 
Ijeroorruft  unb  rael^e  wir  begl)alb  üermeiben  muffen,  wenn  mir 
nid^t  gegen  ben  @eift  ber  2ßaljrl)eit  unb  ber  ßiebe  lianbeln  motten. 

©ine  fold^eßeljre  nun,  über  meldte  fel^r  t)iele  3JJigt)erftänbniffe 
beftel^en,  ift  bie  über  H§>  Sel^ramt  ber  ^ir$e,  roel^e  mir  bi^l)er 
bel^anbelt  l^aben,  unb  in  SSerbinbung  bamit  über  bie  6tettung  ber 
!at^olif(^en  55riefter  in  ber  ^ird^e. 

SBegüglic^  be§  fiel)ramte5  beftelit  namentlid^  ein  boppelte^ 
S3orurtl)eil,  inbem  e^  auf  ber  einen  <Beite  feinem  ©egenflanbe  nad^ 
aU  ein unbefd^ränte  ^e6)t  gu  leieren  aufgefaßt  mirb,  unb  in 
golge  beffen  auf  ber  anbern  ©eite  ebenfo  alä  eine  unbefd^ränfte 
^flid^t,  fid^  bemfelben  gu  untermerfen.  Söir Ijaben bie 
3rrig!eit  biefcr  Slnfd^auung  nad&gemiefen.  ®ie  ©d^ran!e,  meldte 
e§  bem  menfc^lid^en  ©eifte  auflegt,  ^t  nid^t  roeiter,  al^  bie  Se^re 
Sefu  eiirifti  felbft.  Sdai  aber  atte,  meldte  an  bie  ©ottl;eit 
3efu  ©l^rifli  glauben,  il^re  SSernunft  feiner  Sel;re  unter= 
werfen,  ift  eine  notl^menbige  golge  biefe^  ©laubenS. 

S)agegen  fd^eint  e§  angemeffen,  bem  anbern  SSorurtl)eile  be-- 
güglid^  be§  5träger§  biefe^  Sel)ramte§  nod^  ein  2öort  ju  roibmen. 
S)affelbe  beftelit  namentlid^  in  ber  5lnf^auung,  baß  bie  !atl)olifd|e 
ßel^re  üon  bem  ^rieftert^um  bie  ©tettung  (E^rifti  al§  be5  einjigen 


-    122    — 

©rlöferS  unb  9}?ittter§  her  9JJenfd)l^ett  beeintrödjtige  imb  "oa^  (^rifl^ 
lic^e  53ol!  von  ber  unmittelbaren  35erbinbung  mit  ©^riftuS  bem 
©rlöfer  obl^alte ,  mäl^renb  bie  proteftantifi^e  £ef)re  ben  SBorjug 
hkte,  hen  (Ei)xx\ten  in  bie  unmittelbare  SSerbinbung  mit  bem  @r- 
löfer  gu  fe|en.  SSie  weit  biefe§  ^orurtl;eil  öel)t,  barüber  motten 
n)ir  einen  Mann  reben  laffen,  rccl(^er  bemfelben  ben  fi^ärfjien 
5lu0brudf  gegeben.    2öir  finben  bei  il)m  folgenbe  6ä|e : 

^3nbem  91  om  einen  Statthalter  an  ß^rifli  ftatt  auf  ©r^ 
ben  eingefegt  Ijat,  fo  Ijat  e§>  bamit  pgleidj  erklärt,  ba§  (Sljriftu^ 
feine  ^ird^e  auf  (^rben  nid^t  felbft  regiere.  ©^  f)at  an  Ue  ©tette 
ber  göttli^en  eine  menfd)li(^e  9iegierung^gemalt  in  ber  ^irc^e  ein: 
geri($tet;  e§  Ijat  bamit  ^l)riftu^,  ben  Sol^n  ©otteg,  in  ber  ^ird^e 
I)inter  ben  ^apfl,  ben  SDIenfi^en  surüdgeftettt." 

„3(^  bin  geroig  nic^t  I)art,  menn  ii^  fage:  bie  f($mere 
6(^ulb,  mel($e  auf  ber  römifi^en  Iir(^e  laf^et,  beftel)t  gerabe  barin, 
bag  fie  3^fw§  (Sljriftu^  gurüdgeftettt  unb  ha^^  emige  §eil  von 
seitlichen  Kreaturen  abl)ängig  gemacht  l^at,  rcä^renb  baffelbe 
hoä)  nur  Don  ©ott  unb  bem  menfdjgemorbeuen  ®ol)ne  ©otte§ 
!ommen  !ann." 

„®ie  römif(^e  ^ird^e  l)at  in  Se^re  unb  d^ultu»  uid^tl  unter- 
laffen,  um  biefe  (^riftlii^en  Snbiribuen,  bie  fogenannten  Saien,  fo 
t)iel  al§  möglii^  üon  ber  ©emeinf(Jaft  mit  il^rem  §eilanbe  ab^u^ 
löfen.  ®iefe§  SSerfa'^ren  ^ängt  auf«S  ©enauefte  mit  il)rem  gangen 
!unftrei(j^en  €t)ft?m  gufammen.  S)iefer  ^ird)e  ift  es  nämlic^  im 
tiefften  ©runbe  liberott  um  bie  (Sl)re  bei  3JJenf(5en  unb  ni($t  um  bie 
©Ijre  (5)ottel,  um  bie  ^^er'^errlidjung  ber  §ierar(^ie  unb  nic^t 
um  bie  ^Serljerrlidjung  ^Ijrifti  gu  tl)un." 

,,@l  (nämli($  ba§  6t)ftem  ber  fatljolifdjen  ^ird^e)  mad^t  im 
©runbe  bal  (Seelenlieil  von  SQ^enfdien  unb  nid^t  von  @ott,  von 
menfd;lic^er  3}iitmir!ung  unb  menfd)lid^cm  %^nn  unb  nid^t  von 
göttlicher  ßinmirfung  unb  göttlid^er  ©nabe  abl)ängig/' 

„gulegt  ift  e§  bod)  nur  $apft ,  S3if$of  ober  ^riefter  unb 
immer  roieber  ber  ^riefter,  bem  atte  Maä)t  unb  atte  (£l)re  gufättt. 
9^ur  bem  ^riefter  ift  e§>  möglich  gu  bemirfen,  bag  bie  irbifd^en 
iSubftanjen  fid^  in  ben  l)imnilifd)en  Seib  (El;rifli  üermanbeln  2c.  ic." 

„2öenn  (S^^riftul  miiHi(^  ein  göttlidjel  5öefen  ift,  mofür 
il^n  bie  römifc^e  ^ird)e  ja  anä)  erflärt,  fo  !ann  er  unmöglid^  auf 
bie  2lu§übung  feiner  Sftegierungigemalt  in  ber  ^ixä)t  ju  ©unften 


-    123    - 

eine^  tjereinselten  fünbioen  9}lenf$en  ücrji^tet  ^kit.  ^ie 
römif^e  Se!)re  fd^Itegt  l)ier  einen  inneren  2öibcrfprn(^  in  \iä)/' 

„@i5t  e^  benn  eine  bürf tigere  ^orfteHnng  von  bem  cgeilanb 
ber  2öelt  aU  bie,  bog  man  fid)  feinem  ^Ijrone  niijt  einmal  nat)en 
barf?  eine  t)er!el)rtere  oon  bem  WxtiUx  iwi\^en  @ott  unb  ben 
g}lenf(Jen  aU  ble ,  ba|3  man  nl^t  'onxä)  il;n ,  fonbern  Hxä) 
^JRebenperfonen  bie  SSermittlung  bei  @ott  finben  muffe?" 

®a§  finb  nun  eben  fo  piele  ^ornrtl)ei(e  gegen  bie  Seigre 
ber  to$e,  aU  Sßorte;  SJligoerftänbniffe ,  xüd^e  au^  einer  2In- 
fc^auung  Ijerporgelien ,  bie  mit  ben  !at^o(if($en  2lnf(^auungen 
nic^t§  3U  f^un  l)aben.  ©»  mirb  nid;!  fd^roer  fein ,  ba§  na$' 
guroeifen. 

^ie  ^roteftanten  nehmen  mit  nn§  qu(^  ben  alten  ^unb 
aU  eine  göttlidje  Dffenbarung  an.  6ie  erfennen  be6l)al5  mit  un§ 
an,  bag  ^ott  in  bemfelben  ben  Stamm  Seoi  §um  ^rieftertljum 
befteßt  l;at,  bag  er  i^m  3>o[lma(^ten  übertrug,  bie  er  allein, 
aber  nur  in  feinem  DIamen  üben  burfte,  nid)t  für  fi<^,  fonbern  für 
(^ott  unb  für  ha§,  3?oI!.  §at  ©ott  etwa  befe^alb  felbft  ni$t  regiert 
im  alten  ^unbe?  ^am  e^  befe^alb  im  alten  33unbe  nid^t  auf 
bie  (Sl)re  ©otte^  an'^  2ßar  baburi^  an  bie  6telle  ber  göttlidien 
eine  menfd)li(^e  Slegicrung^gemalt  angeorbnet?  S)a^  mirb  gcmi^ 
Diiemanb  beljaupten. 

(S^riftug  l)at  ol)ne  S^^^f^'^  ^^^  5lpofteln  ^ottma^ten  über- 
tragen,  raeldie  bie  übrigen  (^l)riften  nidöt  mit  iljnen  tl)ei(ten.  @r 
l)at  bem  ^etru^  gefagt:  „^ir  übergebe  x6)  bie  6d)lüffel  be^ 
§immelreid)e5i)."  ^Darauf  bejielit  e^  fi(^  au(5,  menn  bie  ^a^ 
tl)oli!en  ben  9lad)folger  ^etri  ben  ^tait'{)altex  (E^rifti  auf  ©rben 
nennen.  @r  ^ai  il)m  ferner  gefagt:  „5öeibe  meine  Sämmer,  meibe 
meine  ©djafe^}.^'  Hnmögli($  !ann  man  annel)men,  bag  er  biefe 
3?oIIma(^t  allen  (Sl)riften  gegeben  Ijabe,  bae^  ja  ein  Unfinn  märe, 
menn  er  allen  bie  6(^lüffel  be§  |)immelreid^^,  allen  \)en  5luftrag 
gegeben  l)ätte,  feine  Sd)afe  gu  meiöen.  (E^  mar  alfo  jebenfallä 
eine  befonbere  '^oümaä)t  für  $etru5,  roa§  anerlannt  merben 
mufj ,  raenn  man  auc^  leugnet ,  ba§  biefe  5^offmad^t  auf  feine 
3fla(^folger  übergegangen  ift.  §at  nun  ßl)riftu5  baburd^  aufge- 
ge'^ört,  felbft  gu  regieren,  meil  er  biefe  5)oflma$t  bem  $etru!§ 
übertragen  l)at?    $at  er  baburi^   ben  ©ol^n  ©ottel,    \xä)  felbft, 


1)  2KQtt^.  16,  19.  —  2}  ^0^.  21,  15  f. 


—    124    - 

lf)tnter  ben  9Jlenf(^en,  ben  ^etru§,  sutMgeflellt?  §at  er  ba^ 
bur(5  auf  feine  ©eronlt  gu  ©unften  eine^  einzelnen  fünbigen 
3Renf(5en  t)er§ic^tet?  Dber  ift  er  babur(^  fogar  mit  feiner  eigenen 
ßebre,  bag  er  ber  «Sol^n  @otte§  fei,  in  30ßiberfpru($  geratf)en? 
^at  enblid^  ©f)riftu§,  inbem  er  ^etru§  bie  ©(^lüffel  be^  §immel= 
rei(^ö  übergab,  inbem  er  i^n  beauftragte,  feine  §eerbe  ju  meiben, 
bie  SJlenfi^en  abgehalten,  ft(^  feinem  Xlirone  gu  naiven  ober  f)at 
er  gar  angeorbnet,  bog  man  fi(^  m$t  mel)r  bur(^  il)n,  fonbern 
nur  burd^  5Rebenperfonen  an  ©ott  menben  !önne?  ©a§  OTe^ 
mirb  fein  t)erftänbiger  Sljrift  bel^aupten.  @r  mirb  üielmel^r  eine 
fold^e  2luffaffung  aU  ein  unbegreifli$e0  TOgoerftänbnig  ber  ^n^ 
orbnung  ^efu  jurüdroeifen.  ©r  mirb  e^  faum  fürmöglid^  l)alten, 
bag  man  bie  SSoEmad^t,  bie  3  e  f  u  ^  ben  Slpofteln  gab,  in  feinem  3^a= 
men  unb  Sluftrag  feine  geerbe  ju  roeiben,  fo  auffaffen  fönnte,  aU  ob 
baburc^  ber  <Bo^n  @otte§  auf  feine  eigene  Tla^i  t)er5i(^tet  l)abe. 
©ben  fo  grog  ift  aber  bag  TOBoerftänbnig,  n)enn  man  bie  Seljre  ber 
!at]^olif$en  Äird^e,  meldte  in  biefer  ^infid^t  nur  barin  beftet)t, 
bag  bie  ^ottmad^ten,  welche  (S^riftu^  feinen  3IpofteIn  übertragen, 
auf  feine  D^ai^folger  übergegangen  feien,  nun  fo  auffaßt,  al^  ob 
befelialb  (El^riftuS  nid^t  me!)r  bie  ^\xä)e  regiere ,  aU  ob  baburc^ 
(E{)riftu§  l^inter  SJZenfd^en  jurüdgefe^t  mürbe. 

2öir  !önnen  biefe  grage  bei  jeber  ^Sottmac^t,  bie  (S^riftuJ 
ben  Slpofteln  übertragen,  it)ieberl)olen.  60  fprad^  g-  33.  ber  §eilanb 
§u  i^nen:  „3Bie  mic^  ber  ^ater  gefanbt  l)at,  fo  fenbe  iäj  eud^^);'' 
einen  attgemeineren  Stuftrag ,  eine  größere  SSoHmad^t  lonnte  er 
tt)a!)rli$  ben  Slpofteln  nid^t  geben.  2öie  unau^fpred^Ud^  i^nä)t 
märe  bie  S3eljauptung,  bafe  biefer  5luftrag  mit  berSBürbe  (Eljrifti, 
mit  feiner  ß^re,  mit  feiner  Sftegierungggemalt  im  Söiberfpruc^ 
fte^e,  baß  baburd^  ba^^ol!  üon  ßljriftuö  abgelialten  morben  feil 
Unb  bod^  müßte  ha^  2lKe^  bel^auptet  werben,  menn  man  mit 
©runb  ber  !at^olifd)en  ^ird^e  unb  il^rem  $rieftertl)um  bie  er- 
mäl)nten  SSormürfe  mad^en  fönnte. 

S)iefe  3}Jißt)erftänbniffe  über  bie  malere  S3ebeutung  ber  Seigre 
ber  5lir(^e  t)om  ^rieftertl)um  merben  unö  aber  nod^  einleud&ten^ 
ber  unb  bie  2e\)xe  felbft  mirb  baburd^  eine  neue  33eftätig= 
ung  pnben,  menn  mir  jum  ^djlu^  nod^  einen  S3Iidf  werfen  auf 
bie  Slrt  unb  SBeife,  mie  ©Ott  überl)aupt  an6)  außer  ber  ^ird^e 


1)  ^oJ}.  20,  21. 


—    125    — 

unb  bem  ß^riftcntt)um  bie  3Jlenj(^en  leitet.    2öir  erfennen  barau^^ 
toie  ber  göttlii^e  ^lan  ber  Seitung  ber  3Kenf{^en  überatt  berjelbe  ift 

6d)on  in  ber  gamilie  finben  rair  eine  ganj  äl;nlid^e  Orb^ 
nung,  wie  in  ber  ^ircje;  eine  älinlid^e  Leitung  (Sottet,  nämlid^ 
beö  einen  3}knfc^en  bnr(^  ben  anbern ;  be^  einen,  ber  im  Dramen 
©otte^  eine  geroiffe  ©eraalt  übt,  be0  anbern,  ber  im  dUmm 
©otte^  fi(^  biefer  Seitnng  unterwirft;  unb  aüe  SSorroürfe,  bie  in 
ben  oben  angeführten  ©teilen  ber  !atl)olif(^en  Äird^e  gemad^t 
werben,  würben  f(^on  bie  gamilie  treffen,  wenn  fie  überl)aupt 
begrünbet  unb  nid^t  abfolut  gel^altlo^  wären.  SBenn  @ott  'om 
ißater  in  ber  gamilie  al^  feinen  ©tettoertreter  beftellt  l)at,  fo 
\)ai  er  bamit  nid^tö  feiner  3Jlajeflät  Unwürbige^  getl)an ;  fo  §at 
er  bamit  gewi§  nid;t  feiner  göttlid;en  ^aä)t  unb  (Ei)xe  entfagt ;  fo  l)at 
er  bamit  gewi§  nic^t  fic^  felbft  Ijinter  bie  SJlenfd^en  gurüdgefe^t;  fo  ^at 
er  bamit  gewife  ni($t  ben  35ater  gwifd^en  fid^  unb  bie  ^inber  ge^ 
fteßt,  fo  bafe  jefet  bie  iütiber  nid)t  melir  gum  l)immlifc^en  ^ater 
felbft  Swgcing  ptten;  fonbcrn  e0  ift  überall  unb  in  allen  ^un!s 
ien  ba^  gcrabe  ©egentl)eil  ber  gall.  Qnbem  bie  ^inber  um 
©otte^  SBillen  bem  ^ater  folgen,  f ollen  fie  gur  SSerel)rung  unb 
äum  ©el)orfam  gegen  (^ott  ]^ingefül)rt  werben;  unb  inbem  ber 
^ater  bie  ^flid^t  Ijat,  §u  feinen  ^inbern  von  ©ott  §u  reben  unb 
il^nen  gu  fagen,  bag  er  ber  fid^tbare  ©teHüertreter  be^  einigen, 
unfii^tbaren  ©otte^  fei,  foHen  bie  ^inber  nid^t  vom  antritt  p 
©Ott  abgeljalten,  fonbern  i^re  bergen  follen  §u  ©ott  ^im 
gefül)rt  werben.  Söenn  ber  3Sater  bem  Äinbe  'otn  2Beg  weift, 
auf  bem  e^  ©Ott  finbet,  fo  wirb  ber  ^ater  nid^t  ein  ^ßermittler 
gwif^en  bem  ^inbe  unb  ©ott,  ber  ben  unmittelbaren  5ßer!el)r  be« 
^inbe^  mit  ©ott  l)inbert,  fonbern  er  wirb  ein  üon  ©ott  befteHter 
Reifer,  bamit  bie  6eele  be^  ^inbe^  ©ott  um  fo  leichter  unb 
fid;erer  finben  !ann. 

(Sine  äljnlid^e  Drbnung  finben  loir  aud^  in  ber  üon  ©ott 
gewollten  (Einrichtung  ber  bürgerlid;eu  ©efellfd;aft.  Qu  ber  waljren 
Sluffaffung  ruljt  alle  iljre  Slutorität  unb  aller  ©eljorfam  auf  ©ott. 
S)er  Slpoftel  fagt :  „(S0  gibt  feine  ©ewalt,  außer  oon  ©ott ;  bie  aber 
befleißen,  finb  tjon  ©ott  gefe(5t  ^y  Sebiglid)  barauf  ruijt  bie  ©e^: 
wiffenöpflid^t  be^  ©eljorfam^.  ©o  Ijaben  wir  alfo  aud;  Ijier  in  bie= 
fer  tjielglieberigen  Drbnung  lauter  Präger  einer  göttlid^en  ©ewalt  in 


1)  3iömer  13,  1. 


—     126    — 

ben  uerf^iebenften  Functionen,  in  ber  ^iegierunö^^eraalt,  in  ber  rid)- 
terlidjen  ©ewalt  2c.  zc.  SSenn  bie  ^Sorroürfe,  bie  oben  ber  ^irdje 
gemadjt  raurben,  begrünbet  raären,  fo  würbe  ba3  5l(Ie^  fid;  auc^ 
auf  biefem-^ebiete  ujieberljolen;  bann  lf)ätte  ©ott  burd;  biefe  gange 
(^inridjtung  ber  bürgerlid;en  @efell)($aft  feiner  ©t)re  aU  6d)öpfer 
unb  §crr  entfagt ,  fi(^  3Jienf(^en  untergeorbnet ;  bann  rcäre  er 
mit  fic^  felbft  in  Sßiberfprudj  geratljen;  bann  {)ätte  er  atte  biefe 
Wlen\ä)en,  bie  jur  bürgerli($en  ©efellfd^aft  ge()ören,  baburd^  von 
fid^  au^gefd^Ioffen  u.  f,  ra,,  raie  all  bie  ^orroürfe  Ijeifjen.  Dffens 
bar  ift  ba5  Mt^  nid;t  ber  %aU.  Slud;  bie  bürgerlid;e  ©efeUfc^aft 
foH  t)ielme()r  gur  @(;re  @ottC)o  gereii^en  unb  jeber  ber  in  becfelben 
eine  3}lad)t  üU ,  foll  anerfennen,  baß  er  nid;t»  a(^  ein  Wie- 
ner beg  2lIIerl)ödjften  ift^. 

9}lit  allen  biefen  natiivlidjen  ßinddjtungen  @otte§  für  ben 
3}lenfdjen  ftel)t  nun  aui^  bie  übernatürliche  in  ber  ilir($e  ©otte^ 
in  üoßfoinmener  Harmonie  unb  Uebereinftimmung.  2ßie  @ott  fi^^ 
in  ber  gamilie  tmb  ber  ©efellfd;aft  ber  2}lenfd)en  bebient,  um  bie 
9J^enfd)en  gu  leiten,  fo  bebient  fic^  eijfiftue  au6)  in  feiner  ^ir$e 
ber  3}^enfdjen ,  um  bie  Gljriften  ju  leiten.  Unb  raie  in  jenen 
natürlichen  Drbnungen  biefe  (Sinrid)tung  nidjt  ber  2öürbe  unb  ber 
ßljre  ©otte^  entgegenfleljt ,  fo  aud)  ni^t  in  ber  ^irdje.  greilid) 
!ann  bort  raie  l)ier  ber  SDiener  ©otteic  feine  Stellung  uerfennen  unb 
ba^,  roa0  ilju  nur  ^ur  ©emutl;  antreiben  follte  unh  ju  großer  gurdjt, 
inbem  er  an  bie  9le(^enfd^aft  beulet,  bie  er  ^u  geben  Ijat,  ^ur  ^^e- 
friebigung  feinet  ^^od)mut(;e§  mißbraud)en.  ®a§  liegt  aber  ni(^t 
in  ber  göttlichen  Einrichtung,  fonbern  in  bem  unfeligen  3}ZiBbraud) 
berfelben,  ber  \a  leiber  überatt  möglich  ift,  rao  freie  3}^enfc^en  be- 
ftettt  finb,  um  ©otteö  @a$e  §u  oertreten. 

Sitte  jene  ^orioüvfe  finb  alfo  buri^au^S  nur  3}Ußoerftänbniffe 
über  ba^  Söefen  be^  Sel;ramte§  unb  be§  ^rieftertljume^ ,  raeld;e 
lebigli(^  in  S>orurtljeilen  iljren  @runb  l^aben. 


1)  2)affelße  gilt  bei  eiiicv  bloä  untüvlicfu'u  Sluffafjimg  beä  ©taateä. 
^eber  ^xrrfdfier ,  ieber  ©taat  ift  angeiuiefen,  feine  StaatC^j^cioalt  burd^ 
^Beamte  ju  üben,  ©ntfaot  er  babuvd^^  feiner  3Bürbe?  feiner  9Ka*t?  ©tefft  er 
fid)  bobiird)  hinter  feine  ^Beamten?  ©eniefjt  ber  einzelne  Staatsangehörige 
nicbt  mebr  felbft  bie  33ortf;eite  bcä  ©taate^ ,  fonbern  nur  burc^  ^ßermitttung 
ber  SSeamten  2C.? 


XII. 

„53ittet,  jo  rcirb  eucf;  gegeöeit  roerben." 

3naiii).  7,  7. 
„Söa'^rUd^,   roa^rlid)  jag'  id}   eud^:    2öenn  if;r 
beit  S3ater  in  meinem  5?amen  nm  etmaö  bitten  raerbet, 
fo  h)irb  er  eä  euc^  geben."  ^o^.  16,  23. 

^ir  !önnen  unfere  Slbljanbtung  nid)t  beffer  befc^liegeu, 
al^  mit  bem  lebete,  iDelc^ee  Qefu^  am  ©nbe  feiner  Slbfd^iebe^^ 
rebe  von  feinen  Süngern  in  bem  Stucjenbliiie  t)erncl)tete,  aU  er 
fi(^  feinen  geinben  §nr  ^arbringnng  beso  Opfert  für  bie  ©rlöfung 
ber  gangen  2Belt  übergeben  rcollte.  ©»  entljält  bie  lyöä)\k  unb 
feierlid;fie  S3eftätigung ,  für  alle^  bi!3()er  über  U^  £e(;ramt  ber 
Äir$e  unb  bie  Slufgabe  be^  fünftigen  (EonciB  ©efagte. 

„34  ^abe  i^nen  bein  Sßort  gegeben  unb  bie  Söelt  l)at 
fie  geljQ^t,  meil  fie  nidjt  t)on  ber  SBelt  finb,  fowie  aud^  i^  ni(^t 
üon  ber  Söelt  bin.  ^ä)  bitte  ni$t,  bog  bu  fie  von  ber  3^elt 
l)inn)egneljmeft,  fonbern  bafe  bu  fie  vox  bem  S3öfen  beraaljreft.  ©ie 
finb  ni(^t  von  ber  2öelt,  foraie  aud^  ic^  nidjt  t)on  ber  Sßelt 
bin.  ^eilige  fie  in  ber  2Bal)r{)eitI  bein  ^ort  ift  Sßa^r^eit.  eo 
mie  bu  mid)  in  bie  SSelt  gef anbt  Ijaft,  fenbe  and)  id)  fie  in  bie 
Söelt  unb  für  fie  ^eilige  id;  mid;  f eiber,  bamit  and)  fie  in  ber 
Sßal;r!)eit  gef)eiliget  feien,  '^od)  nid;t  für  fie  bitte  id;  aEein,  fon-- 
bem  aud;  für  bie,  meld;e  hnxd)  if)r  3i'ort  an  mid;  glauben  werben, 
bamit  alle  ©ing  feien,  fomie  H,  3Sater,  in  mir  unb  id)  in  bir, 
bamit  and)  fie  in  nn§>  ßin§  feien,  bamit  bie  2öelt  glaube,  ba^ 
bu  mid;  gefanbt  l;aft.  Unb  id;  l)abe  bie  ^errlic^feit,  bie  bu  mir 
gegeben  l^aft,  and)  il;nen  gegeben,  bamit  fie  ©insS  feien,  roie  aud; 
mirßing  finb:  i^  in  il)nen  unbbu  in  mir,  bamit  fie  oollfommen 
ein0  feien;   bamit  bie  Söelt    er!enne,    ba§    H   mid;   gefanbt 


-     128    — 

unb  fte  Qcliebt  l)a%  fotoie  bu  mii^  geliebt.  Sater,  bte  bu  mir 
gegeben  l^aft,  raiQ  i($,  bag,  roo  id^  bin,  aud^  fie  feien,  bamit  fie 
meine  §errli(^!eit  fd^auen,  bie  bu  mir  gegeben,  meil  bu  mid^  ge- 
liebt l)aft,  e^e  bie  SKelt  gegrünbet  mar.  ©ered^ter  58ater!  bie 
Sßelt  l)at  bid^  nic^t  er!annt ;  \^  aber  l^abe  bii^  erfannt  unb  biefe 
l)aben  erfannt,  bafe  \)n  mi^  gefanbt  l)aft;  unb  id^  l^abe  il)nen 
beinen  3^amen  !unb  gegeben  unb  id^  raerbe  i^n  funb  geben,  ba^ 
mit  bie  £iebe,  mit  raelc^er  bu  mid^  geliebt,  in  il^nen  fei  unb  ic^ 
in  il)nen^)." 

2öenn  man  bebenft,  wa^  Qefu^  hi§>  §u  biefer  6tunbe  für 
bie  Slpoftel  getrau  '{)atk,  fo  ift  eö  unmöglid^  anjuneljmen,  bafe 
ba§  2llle§  nur  für  fie,  nur  für  bie  ^auer  i^re§  Sebeng,  l;auptfäd^^' 
lid^  nur  be^lialb  gef$el)en  fei,  bamit  fie  einige  ©djriften  tjerfafe- 
ten  unb  'üa^  bann  mit  il)rem  Seben  il)re  Beübung,  i|r  ^eruf 
für  feine  ^ird^e  aufl)ören  foHe.  Sllle^  trägt  t)ielmel)r  offenbar 
ben  (Sl)ara!tcr  einer  bleibenben  gürforge  für  feine  ^ir($e  an  fii^, 
einer  gürforge,  meldte  fortbefteljen  follte,  fo  lange  mie  bie  ^ird^e 
felbft.  darauf  beutete  bie  fo  feierlid^e  Slu^roa^l  unb  ^Berufung 
ber  Stpoflel,  barauf  bie  befonbere  ©r§iel)ung  unb  Slu^bilbung, 
meld)e  er  iljucn  burd^  einen  breijälirigen  vertrauten  Umgang  für 
i^ren  Seruf  gab;  barauf  alle  SoHmad^ten,  mel(^e  er  il)nen  über= 
trug,  alle  ^efel)le  unb  2luf träge  bi§  gu  feiner  Himmelfahrt.  Söie 
jene  2Borte:  „Qd^  bin  hei  en^  alle  ^age  big  an§>  ßnbe  ber 
SBelt^)"  auSbrüdlid^  erllären,  ba§  bie  (Sinrid^tung,  meldte  er  in 
ben  Slpofteln  grünben  rcoüte,  ni($t  für  bie  $Dauer  il)reg  ßeben^, 
fonbern  für  bie  5Dauer  ber  ^irdje  auf  ©rben  bered^net  mar,  fo 
trägt  aud^  jebe^  Söort  ber  Ijeiligen  ©d^rift,  ba^  x)on  htn  Slpofteln  l)an= 
belt,  biefen  ©eift  an  fid^.  3efug  fal)  in  ben  Slpofteln  ba0 
2lpoftolat  unb  im  Slpoftolat  bie  bleibenbe  gürforge  für  bie  die- 
gierung  feiner  ^ird)e,  für  bie  ßrljaltung  unb  ^Serbreitung  feiner 
£el)re,  für  bie  Slu^fpenbung  feiner  (^nabenmittel. 

3n  biefem  ©eifte  Mek  aud^^efnö  jegt  in  bem  l)od^feier= 
lidjen  2lugenblid  für  feine  Slpoftel.  @r  Ijatte  foeben  ba^  2lbenb= 
maljl  eingefe^t  unb  il)nen  'oa^'  „^rob  ©otteä"  gegeben,  „mcldje^ 
Dom  §immel  Ijerab  geftiegen  unb  ber  ^Mt  'iia^^  Seben  gibt  3)/' 
©r  mar  im  S3egriffe,  jenen  Seiben»roeg  anzutreten,  meld^er  mit 
bem  Dpfertobe  für  biefelbe  SBelt    auf  bem  ßabarienberge  enben 


1)  :3or;.  17,  14— 2G.  —  2)  3Katt^.  28,  20.  —  3)  ^ol).  G,  33. 


—     129    — 

foHte.  3n  biefem  Slugenblide  ftanben  bie  Slnliegen  aUex  9}ienf(5en 
cor  feinem  göttltd)en  ©eifte,  niä)t  Uo§>  bie  ber  Slpoftel.  Qn 
i^nen  fa^  er  nur  feine  Wiener,  rael^e  bie  (Knaben  feineiS  Dpfer^ 
tobeg  b\§>  am  @nbe  ber  2Belt  tf^n  QJienfc^en  au^fpenben  follten. 
60  Mete  er  je^t:  Q(^  ^ahe  i^nen  bein  2Bort  gegeben. 
2Ba^  er  barunter  cerftanb,  ^atte  er  !urj  uor^er  ncilier  qu§= 
gefpro($en:  ®ie  Söorte,  bie  bu  mir  gegeben,  ^abe  id^ 
il^ neu  gegeben^).  SBo^u  er  i^nen  aber  ba§  Söort,  n)el(i)e»  er  t)om 
3Sater  empfangen,  übergeben,  ba^  Ijatte  er  iljnen  bereite  oft  gefagt, 
unb  er  moöte  eö  tljnen  bi^  §ur  §immelfa{)rt  raiebertjolen:  Se!)ret 
aHe^öl!erI  ^aum f)atte aber  ber  §eilanb  baran gebad)t,  bajs  er 
it)nen  biefe^  Si^ort  feinet  3Saterl,  um  e§>  ber  Söelt  gu  oertünbigen, 
anuertraut  ^ahe ,  '^a  gebeult  er  aucf)  he§>  Söiberftanbel ,  ben  bie 
SBelt  ber  5lnna!)me  beffelben  entgegeufteEen  roerbe,  unb  be^  §affe^, 
meld^er  begfialb  feine  SIpoftel  unb  bas  ßel;ramt  feiner  £ird^e 
treffen  merbe:  $Die  2Belt  ^at  fie  gel^ia^t.  @o  oft  t)atte  er 
t)on  bieiem  gafe  gefprod;en,  hen  fie  feinetroegen  gu  erbulben  \)ahen 
würben,  unb  ber  @eban!e  an  biefen  §a^  lag  in  biefem  3lugenblic!e 
n)ol)l  nalje,  ba  er  wenige  Stunben  fpäter  benfelben  an  fid) 
felbft  in  ber  furdjtbarften  2öeife  empfinben  foHte,  unb  fein 
liebeootte^  ^erg  begljalb  um  fo  meljr  geftimmt  raar ,  wo 
er  an  bie  ©enbung  be^  Slpoftolat^  H6)te ,  aud^  an  ben 
2lntl)ei(  %\\  benfen ,  ben  bie  Slpoftel  unb  ifire  3flac^fo(ger 
biefeg  2(mtei3  megen  an  bem  §affe  ber  Sßelt  gu  tragen  ^)aiexi 
würben  2), 


1)  ^0^.  6,  8. 

2)  2)erfe(6e  3)iann,  ber  fic|  in  feinen  S8orurtf;ci(en  ju  ber  93el^auptimg 
l^inrei^en  (ie^:  „^ie[cr  5lircl)e  (nämÜd)  ber  römifcI;=!atl^oIifd}en)  ift  e§  im  tief? 
ften  ©runbe  überaU  iim  ^\t  ©^ce  be§  3JJenfd;en,  unb  nid}t  um  bie  ß^re 
@ottc§,  um  bie  $8er^errlid}ung  (S(;ri[ti  %\\  t^un,"  ift  in  neuerer  ^eit  %m%  üon 
bem  einen  ©ebanten  erfüllt :  „®ic  Erneuerung  bcö  (s:r;riftent{)umö  w.yx%  auö 
bem  iüeltlid)en  (Sutturleben  fjerüorroad;fon."  3luf  biefen  ©a^  rebucirt  fid)  für 
i^n  ba§  gefammte  e^riftentf)um.  Unfere  2efer  mögen  erlvägen,  töo  ba§  ©tre^ 
ben  nac^  mcnfd}lid)er  ®^rc  mol^t  am  meiften  l^erDortritt,  —  auf  ©eiten  einer 
Äirc^e,  tveldie  noc|  freute  tr»egen  i^rer  Streue  gegen  bi#  fiel^re  ^efu  ben  §a^ 
ber  äßelt  trägt,  ober  bei  biefen  fertnlen  Sd;meidj[crn  beö  äBeltgeifteä.  Sßenn 
rcir  3JJenfd)engunft  fucbten,  bann  mürben  mir  baö  Goangcüum  (S^^rifti  <x\i 
bie  ^ageömcinungen  lierratl)en;  bann  mürbe  \\\\^  balb  fo  oicl  9JJenfcl^en- 
el^re  ju  ^f;ei(  merben,  ba^  man  barübcr  mof)l  gar  mand^en  ber  bermaligen 
^ro^leten  beg  „lüeltlic^en  ©uUurIeben§"  balb  «ergeffen  mürbe. 

».  Rettet  er,  ba«  aügemelne  (Joncil.  9 


—    130    — 

hierauf  betet  nun  ber  ^eilonb  für  bie  Slpoftel  unb  für  alle, 
roeldje  nad;  iljnen  ha§>  SBort  feinet  SSater§  ber  SSelt  r)er!ünben 
foEten ;  unb  ba^ ,  um  raa»  er  für  fie  bittet,  ftet)t  rateber  mit 
x^xem  Sel)rQmte,  mit  biefer  (genbuuö  in  inniöfter  ^crbinbung: 
geilige  fie  in  ber  2BQl)rl)eitl  bein  Sßort  ift  2öal)r^eit. 
®ie  £el;re,  raeli^e  er  com  Spater  empfangen  unb  bem  5lpofto= 
lote  übergeben ,  ift  fd)led)t^in  bie  Söal^rljeit.  '^axin  liegt  SlUe^. 
Qn  biefem  Söorte  tritt  roieber  ba§  ©runbroefen  beö  ©rlöfung§= 
voexh^  l^erpor,  meli^e^  ber  Sügengeift  in  unferer  geit  bem 
(E^riftent^um  xauUn  mbd)U,  nämlid^ :  ein  :2et)rgebäube  ber  2SQl^r= 
Ijcit  5U  fein,  ^aum  l)Qt  aUx  ber  §ei(anb  l)teran  geba<^t,  fo 
rebet  er  gleid^  mieber  von  ber  3J^iffion,  n)eld)e  er  iljnen  in  ^ejug 
auf  biefe  2öat)rl)eit  übertragen  ^atl  2öie  bu  mid;  in  bie 
SBelt  gefanbt  l^aft,  fo  fenbe  auc^  i^  fie  in  bie  SBelt. 
^a§  ift  bie  grofee  ©enbung  ber  5lpoftel  unb  be^  2lpoflolate^  in 
ber  ^ird)e;  ba^  eine  überaus  feierli($e  ^eftätigung  berfelben. 
2öie  märe  e§  möglid),  ^ier  nur  an  bie  ^erfon  ber  Slpoftel  gu 
benfenl  SBie  bu  mid;  in  bie  2Belt  geianbt  ^aft,  fo 
fenbe  auä)  iä)  fie  in  bie  SBelt;  raie  bu  mir  bein  SBort 
gegeben  l)aft,  um  e^  in  ber  Söelt  ju  t)er!ünben,  fo  gebe 
xä)  iljuen  baffelbe  2Bort  in  berfelben  Slbfidjt ;  mie  mid)  bie 
SBelt  befemegen  Ijafet,  U§>  fie  ^um  ©lauben  fommt  unb  bann 
il)ren  Qa^  in  Siebe  oerroanbtit,  fo  mirb  fie  eud)  l;af)en ;  unb  mie 
id)  eü6)  mit  biefem  2luftrage  auiofenbe,  fo  follt  and)  i^r  mieber 
anbere  auefenben  mit  bemfelben  Sluftrage.  ©o  ift  e^  in  ber 
!atljolif(^en  Äird)e  geblieben  in  ununterbrochener  9ieil)enfolge  von 
hm  Slpofteln  bi§  ^mtc;  ha§>  ift  bie  ^rieftermeitje  in  ber  fatl)oli= 
fc^en  ^ird)e;  eine  immer  fortgeljenbe  Befüllung  ber  2ßorte:  2ßie 
mxd)  ber^ater  gefanbt  Ijat,  fo  fenbe  id)  eud>  60  finben 
wir  überatt  eine  üoHenbete  ©in^eit  unb  Uebereinftimmung  §n)i)d)en 
benSßorten  Qefu  unb  ber  ßetjre  iiiib  ben  ©inridjtungen  ber^ird;e. 

ßr  gebeult  aber  in  biejem  l)ol)eiipriefterlic^en  (3chcte  n\d)t 
nur  ber  6enbung,  roeldje  er  hen  Slpofteln  in  ^e^ug  auf  bie 
2öal^rl)eit  gegeben  Ijatte;  er  gebeult  aud;  ber  mit  biefem  2lmte 
»erbunbenen  6tanbe^pf{id)t ;  er  gebeult  ber  mefentlidiften  ^e- 
bingung,  um  biefe^  2lmt  ber  2öal)rl)eit  ju  erfüllen,  ^eferoegen 
betet  er:  geilige  fie  in  ber  SBaljrljeit!  Sefu^  fpric^t 
Ijier  jmei  midjtige  2öal;rl)eiten  au!3:  (Srften^,  bafe  bie  ©runblage, 
bie  duelle   aüer  Heiligung  hk  2öaljrl;eit  ift,   nnh  gmar  feine 


—    131     — 

SSal^rfieit,  bie  Sßal^rljeit,  wel^c  er  t)er!ünbet  I)at  unb  n)el(^e 
bie  51  po fiel  t)er!ünben  foUen;  ^raeiteng,  ba§  bie  3Ser!ünbiger 
ber  2ön!)rf)eit  Dor  ädern  nadj  §eilitjMt  ftreben,  lf)ct(ig  roerben 
foßen.  S3eibe§  ift  ßleid^  it)id)ttg.  geiUg  fein  Ijn^t  ©ntt  gefällig 
fein.  Wlan  tann  alfo  nicftt  gottgefäflig  fein  of)ne  2öa^rl)eit.  ^an 
!ann  ber  eroir^en  2Bal)r!)eit  nid^t  gefntten,  oljne  jene  2öal)rt)eit, 
bie  er  bur$  Sefug  unb  bie  SIpoftet  ber  2öelt  gibt.  Um  biefer 
eraigen  2öa[)rl)eit  i,u  gefallen,  mnß  bie  2Ba^rl)eit  au^  in  unferer 
©eele  fein;  unb  jemebr  biefe  2öa(}r!)eit  unfere  Seele  gan§  buri^- 
bringt,  um  fo  gottgefiilltger  raerben  wir.  SBeil  aber  bie  SBa^r^ 
l^eit  Queue  ader  §ciUg!cit  ift,  fo  folgt  barau§,  ba^  ber  SIpoftel, 
ber  Präger  biefer  l)eiligenben  SBabrljeit,  felbft  l)eilig  fein  mug. 
®e6l)Qlb  rougte  ber  §ettanb  für  feine  ^tpoftel  in  biefem  erl)abe= 
nen  ^(ugeriblide  um  nicbt ,g)öl)erel  §u  hittm,  aU:  1^ eilige  fic; 
l^eilige  biefe  meine  Senbboten  in  ber  2Bal)rfteit,  meiere  fie  in 
beinern  unb  in  meinem  Dramen  ber  2öelt  T)er!ünben  fetten! 

SBeil  aber  ber  (55eift,  ber  bamaU  in  QefuS  UUie,  qu$ 
bie  ^irdie  leitet,  fo  !önnen  mir  o^ne  53^benfen  be{)aupten,  bag 
ber  (^egenftanb  biefe^  feierlicben  (3ehete§>  beg  §eitanbe^  aud^  bie 
!)öcl)fte  Slufgabe  be§  ß^onciB  ift:  <o eilige  fie  in  ber  ^a^x- 
l)eitl  ^eilige  bie  .öirten  unb  £el)rer  beiner  5?{r4e!  3a,  mir 
nehmen  nid^t  ben  alterminbeften  2lnftanb  in  bel^aupten,  ba6  ba§ 
bet)orftel)enbe  ßoncil  genau  in  bemfelben  SJlafee  mäd)tig  in  bie 
gufunft  eingreifen  rairb,  aU  e^  einen  mäd^tigen  Qmpul^  gur 
Heiligung  ber  Olpoftel  ber  ^irc^e  unb  atter,  bie  am  SCpoftolate 
S(ntl)eil  nebmen,  geraäbren  mirb.  Mc^t,  mie  ^iele  glauben,  bie 
5lUeIl)eit  unb  9Reul)eit  ber  33efd)lüffe  wirb  über  bie  33ebeutung 
be^  ßoncilg  für  bie  !ommenben  3al)rbunberte  cntfd^eiben,  fonbern 
il)re  S^^^^^tt^^feigi^eit ,  um  ba§  2lpoftolat  §u  l)eiligen;  um  bie 
^inberniffe  gu  befeitigen,  bie  biefer  §eiligung  entgegenftel)en ;  um 
bie  WlWtd  aufjufinben,  bie  fie  förbern ;  um  unl)eilige  3J?iet^linge, 
wdä)e  ber  feinbfelige  Söeltgeift  ber  ^irdje  aufbringen  miß,  üon 
aUm  ^ird^enftetten  f ern^ul;alten ,  meldte  im  S^Iamen  3efu  t)er^ 
maltet  werben;  um  gel)eiligten  Wienern  (Sl)rifti  Ue  5lemter  ber 
^ird§e  ju  übertragen.  ®afür  betet  S^fi^^/  ^^Wr  Ijat  er  inS- 
befonbere  fein  .^reujeC^opfer  bargebrad^t:  Unb  für  fie  l)eiligc 
id)  mid)  felber,  bamit  aud)  fie  in  ber  2öal)rl^eit  ge= 
lieiligt  feien,  ^afür  mu§  ba^  (Soncil  6orge  tragen,  bamit 
eg  mie  Qefu^  gefinnt  fei. 


—     132     — 

^ber  Qefu^  Ijat  'oa§>  3(poftoIat  in  feiner  ühdje  md)t  tm^ 
gefegt  gum  33eften  ber  Slpoftel  unb  für  fie  allein,  fonbern  für 
alle  3}knfd)en,  für  W  er  fein  Slnt  rergiefien  roodte,  bamit  fie 
feiig  würben.  '^a§>  SIpofloIat  raar  nid)t  ba§  g^xd,  fonbern  nnr 
ein  9}litteL  $Da§  Qxd  ift  hk  ©eele  jebe»  einzelnen  3J?enf(^tn; 
bie  gange  Rix6)c  mit  aEen  iljren  @inrid)tungen  ift  für  bie  ein^ 
gelne  ©eele  ba.  Qebe  d^^riftenfeele  !ann  mit  aller  S[öal)r§eit 
fagen:  60  forgt  Qefu^  für  mi(^  in  feiner  göttlichen  Siebe,  ha^ 
er  bie  ^'irc^e  für  mic^  eingerichtet  nnb  in  berfelben  ^apft,  S3ifd)öfe 
unb  ^riefter  §um  ^ienfte  meiner  6eele  beftimmt  Ijat.  ^arurn 
gel)t  3efn§  t)on  ben  5lpofleln  gu  allen  (s;(jriften  über  unb  fäl)rt 
fort:  ^oä)  nidjt  für  fie  bitte  iä)  allein,  fonbern  au6) 
für  bie,  meldte  burc^  i^r  Söort  an  mxd)  glauben  mer« 
ben,  bamit  alle  (Bxn§>  feien,  raie  bu  SSater  in  mir 
unb  x6)  in  bir,  bamit  au(^  fie  in  un§  @in§  feien.  Qu 
biefen  Sßorten  liegt  nun  'oa^  eigentli^e  3i^l  be§  ganzen  (El)riften= 
tl)um§  t)or  un^  ^).  —  ®em  foE  aEe^  bicnen,  bafür  ift  aEe§  ba, 
—  Slpoftolat,  ©enbung,  ©otte^  3Bort,  ©alramente,  ©otle^bienft 
u*  f.  ro.:  aEe0  ba^  foE  bie  aJienfd)en  einen;  einen  in  ber  Söalir^j 
l^eit  unb  ber  ^ugenb;  einen  in  ber  innigften,  fefteften  Siebe; 
einen  in  ©o'tt  felbft,  ber  emigen  2Bal)rl)eit,  ber  emigen  ?iebe, 
ber  emigen  ©lücffeligfeit ,  bem  eroigen  ßeben;  einen  fo,  ba§  aüe 
@in^  finb,  mie  ber  SSater  im  ©o^ne  unb  ber  6ol^n  im  3Sater. 
^ie  ^äter  erinnern  baran,  ha^  ber  §eilanb  Ux  biefen  mnnber^ 
baren  3lu^fprüd)en  mol)l  in^befonbere  an  jenee  „^rob  ©otteö" 
bad)te,  oon  melc^em  ber  2lpoftel  fagt :  „©in  S3rob,  ©in  Seib  finb 
mir  SSiele,  mir  SIEe,  bie  mir  üon  bem  einen  33robe  effen^)."  6ie 
fagen,  bafe,  mie  ber  3Sater  mit  bem  ©ol)ne  in  berfelben  göttUdien 
Statur  unb  2öefenl)eit  geeinigt  fei,  fo  auc^  bie  Slpoftel  unb  aEe 
©laubigen  untereinanber  nerbunben  mürben  in  ber  SBefenljeit 
ber  men((^lid)en  unb  göttlid^en  ^atnx  ©l)rifti,  meldte  mir  in  ber 


Ij  2Kan  i)ergreicl^e  bamit,  Um  ben  Bi§  gum  äu>3^rften  ©egenfa^  gctrie-- 
benen  M^aU  oon  ber  göttlichen  Seigre  beS  ©l^riftent^umg,  ber  in  unfern  ^agen 
unter  bem  Steine  beö  (S^riftentl^umS  auftritt,  ju  ernennen,  iüieber  bie  vox-- 
l^er  citirten  SBorte:  „^ic  (Erneuerung  be§  G^riftent^umä  mu^  au§  bem  ttelt^ 
licfjen  (Kulturleben  ^erooriyad^fen."  2ßelcf)e  geiftige  Slrmutl;,  meldte  trcftlofe 
S3erfla(^ung  unb  Seerl^eit  im  SSergleid^  mit  ber  gi3ttUd)cn  ^^ütte  unb  Xiefe 
ber  ^riftlic^en  2ßar;r^eit!  —  2)  I.  (5or.  10,  17. 


—     133    — 

l)eüicjen  ©ud^artflie  empfangen  i).  3n  ber  %i)at  tann  man  an 
ber  ^Sejieljnni]  biefer  Sßorte  Qefu  auf  bo§  aUer^eiligfte  Ittar^^ 
faframent  um  fo  meniger  §meifeln,  raenn  man  gugleic^  kben!t, 
bag  er  ja  unmittelbar  t)or  biefem  ©ebet  ba^  aller^eiligfte 
Slltarfaframent  eingefe^t  f)atie,  unb  bag  befeljalb  feine  ganjc 
Seele  no(^  roH  war  t)on  bem  großen  ©etieimniß  ber  Siebe, 
voel6)e§»  in  bemfelben  erfüllt  morben  war.  5Die  Kommunion  ift 
aber  nur  bie  SSoHenbung  biefer  Einigung,  mä^renb  aHe  Se^ren 
unb  ©naben  ber  ^ir^e  baffelbe  3iel  ^aben :  alle  3Jlenfc^en  eins 
5U  machen  in  ei)riftuS  unb  in  ©Ott. 

^iefe  l)ö4fte  33eftimmung  beS  (S^riftent^umS  in  bem  ©ebete 
3efu  !ann  bal)er  au^  nur  ber  ivoeik  allgemeine  Qmä  be§ 
!ünftigen  ß^oncil^  fein.  @§  mirb  alle  SJlittet  unb  2öege  auffu^en, 
welche  bie  ^irc^e  mit  !Hücfftd)t  auf  bie  3Serl)ältniffe  ber  ©egen= 
wart  bietet,  um  biefe§  3^^"^  i^  erreichen ;  um  bie  3}lenf(5en ,  mie 
fie  @inen  Urfprung  unb  ©ine  Q3eflimmung ,  mie  fie  alle  ©inen 
Sßater  im^immel  l)aben,  wie  für  alle  ein  unb  baffelbe  malir,  ein 
unb  baffelbe  gut  ift,  gum  maliren  grieben,  gur  raaliren  ©in^eit  in 
(5;i)riftu§  in  fül)ren.  3ßel(^  ein  l)o|e§,  glü(f feligeS ,  menf(^enfreunb= 
li(5e§  giel  1  2öir  fönnen  bie  2öege,  meli^e  ba§  ©oncil  l)iefür  ein^ 
f^lagen  mirb ,  m6)i  nöl)er  be^ei^nen ,  ba  biefe  vor  allem  vom 
l^eiligen  ©eifte  il)m  werben  gegeigt  mcrben;  mir  fönnen  aber 
au(^  in  biefer  §infid)t  auSfprec^en,  baß  "oa^»  ©oncilin  bem  9Jla6e 
für  bie  Su'fw^ft  fegenSreic^  fein  mirb,  als  eS  auc^  für  biefen 
graeiten  Qmed  bie  beften  TOttel  finben  wirb. 

Heiligung  beS  5lpoftolateS,  ©inigung  aller  3Jienf(^en  in  ©Ott 
unb  in  3efuS  —  baS  mar  ber  ©egenftanb  biefeS  )^o^en  ^^Me^ 
Qefu,  meldieS  er  im  5lngefi(^te  beS  ÄreujeS  oerrii^tete ;  baS  ift 
unb  bleibt  bie  ^eftimmung  ber  ^ix^^  ©liriftt;  baS  ift  bie  2luf= 
gäbe  beS  nä(5ften  ©oncilS. 

3ur  @rrei(^ung  biefer  l)ol)en  Slufgabe  fönnen  aber  alle  unfere 
lieben  Sefer,  bereu  §ergen  geraiß  l)0(^  fd)lagen  in  bem  feljufü^tigen 
SSerlangen,  baß  biefe  giele  burd^  baS  ©oncil  geförbert  werben  möd;ten, 
fel)r  mirffam  mitroirfen.  ^ie  TOttel  bagu  finb  Derfd^ieben  nad^ 
ber  Stellung,  bie  uns  (Sl)riftuS  am  £eibe  ber  ^iriiie  angemiefen 
l)at.    Slber   ^roei  3Jlittel  fönnen  unb  follen   mir  alle  anmenben. 


1)  Cf.  Coniel.  a  Lapid,  comin,  in  Joan.  17,  U, 


—    134    — 

uttleve  Heiligung  unb  unfer  ©ekt.  ^op  follen  no^  biefe 
©i;lu6tüorte  unfere  Sefer  aufforbern.  D  möd^te  fid)  über  bte 
gnti^e  2ßelt  ein  beiUöer  ®ebet^3eifer  verbreiten!  9jjö(j^ten  aUe 
^ricfter  in  iljren  ©emeinben,  alle  3Säter  unb  TOitter  in  i()ren 
ganülien,  alle  frommen  Se^rer  unb  Sef)rerinuen  in  iljren  Spulen, 
nlle  Drbenc^leute  in  i^ren  Käufern,  olle  frommen  ßüiriften  in 
if)rem  Söirfu  gl!reife  mitmirfen,  um  biefen  ©eift  be^  ©ebeteö 
in  allen  ©cmeinben,  allen  gamilien,  aikn  6$uten,  allen  Drben^- 
l^äufevn,  ollcn  Seben^freifen  tägli«^  anzuregen.  D  möd)te  biefer 
©eift  beö  (3ehtte^  n)a(^fen  unb  raad^fen,  je  nä!)er  bie  Qdi  biefer 
!)eiltgen  ^Nerfammlung  l^eranrücft  unh  mit  bcr  größten  ^nbrunft 
fortbauern,  menn  bie  SSer^nblungen  felbft  ftattfinben.  3Röd^te 
W  gan§e  ©l)ciften^eit  bann  vereint  mit  i!)rem  §o!)enpriefter  ^^f  u§ 
beten:  „§ci(ige  beine  ^riefter,  bamit  fie  roürbige  2Ber!§euge 
beincr  S[bfid)ten  werben;  vereinige  un^  3Jlenfc&en,  bie  mir  jegt 
fo  mcit  von  einanber  getrennt  finb,  in  ©inem  ©tauben  unb  ©iner 
£iebe,  bamit  alle  (Sin^  feien,  roie  bu  im  33ater  unb  ber  55ater 
in  S)ir.  6enbe  au§  ben  ©eift  ber  2öal)r{)eit,  bamit  er  bie  £ügen 
aus  unfein  gerben  verbanne,  unb  ben  ©eift  ber  Siebe,  bamit 
er  un§  mit  ber  n)a!)ren  ©otteSliebe  unb  5^äd)ftenliebe  erfülle. 
SDiöd^ten  enbli^  alle  mit  biefen  ©ebeten  perfönlid^e  Heiligung  ver- 
binben,  l^eilige  (5;ommunionen  aufopfern,  l&eilige  3Jleffen  anbören, 
Opfer  ber  S^äcöftenliebe  barbringen;  mi3c^ten  enblid^  felbft  bie 
Traufen  auf  il^rem  ©(^mergenSbette  il)re  Seiben  mit  bem  Opfer 
3efu  vereint  für  biefen  groed  barbringen.  3eful  l)at  gefagt: 
„53ittet  unb  i^r  merbet  empfangen.''  „^a^xli^,  roa^rlic^,  fage 
i(^  eu$r  menn  iljr  ben  3Sater  in  meinem  9^amen  um  etroaS  bitten 
werbet,  fo  mirb  er  e§  euc§  geben  0-"  2BeI$eS  SSertrauen  !önnen 
mir  ba  ju  einem  (^^htk  ^aben ,  bei  melc^em  mir  unfer  ©ebet 
ganj  mit  feinem  ^thek  vereinigen. 


1)  ^0^.  16,  24;  23. 


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