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Full text of "Das antlitz der erde"

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The  Branner  Geological  Librar>' 


DAS 


ANTLITZ  DER  ERDE 


VON 


EDUARD  SUESS. 


MIT  18  TtXT-ABBILDUNGDN,  2  VOI,LlilLüEKN  UNI)   1  KARTEN  IN  FARBENDRUCK. 


ERSTER  BAND. 


ZWIlITK    UNVKRÄNDKRTE    AUFLAÜE. 
1/avkitks  hks  drittks  taijsknij.) 


PRAG.  WIEN.  LEIPZIG. 

F.  tempskv.  ^-   TKMPSKY  c.  frkytac.. 

nucniiÄNüi.i:K  nr«  k.\ib.  AK.\i>r.Mn    niiK  wississciiahln. 

1892. 


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Das  Recht  der  Uebersetzung  vorbehalten. 


INHALT  DES  ERSTEN  BANDES. 


Seite 
Einleitnng.    Keilflirmige  Umrisse    der    FestLHnder.    —    Grosse    Tiefe    der    Oceane.    — 
Verschiedenheit  des   pacifischen   und   des   atlantischen   Gebietes.  —   Einbrüche. 

—  Was  ist  eine  geologische  Formation?  —  Cyclen  der  Entwicklung.  —  All- 
gemeine Anwendbarkeit  der  stratigraphischen  Terminologie  Europa's.  —  Grösse 
der  Transgressionen.    —    Selbständigkeit    alter    Strandlinien    vom   Gebirgsbaue. 

—  Inhalt  der  folgenden  Theile i 

Erster  Theil.  Die  Bewegungen  in  dem  äusseren  Pelsgerüste  der  Erde. 

Erster  Abschnitt.  Die  Sintfluth.  Meeresfluthen.  —  Zwei  Berichte  in  der  biblischen 
Darstellung  vereint.  —  Berosus.  —  Das  Izdubar-Epos.  —  Oertlichkeit.  — 
Verwendung  von  Asphalt.  —  Warnungen.  —   Die  Katastrophe.  —   Strandung. 

—  Abschluss    des   Ereignisses.   —   Neuere  Vorgänge   an    ostindischen   Flüssen. 

—  Indus.  —  Ran   of  Kachh.  —   Ganges   und   Brahmaputra.  —  Wirbelstürme. 

—  Wesen  und  Verbreitung  der  Sintfluth.  —  Eintheilung  der  Berichte.  — 
Berosus  und  Izdubar-Epos.  —  Biblische  Berichte.  —  Aegypten.  —  Hellenisch- 
syrische  Gruppe.  —  Indien.  —  China.  —  Schluss 25 

Zweiter  AbSClmitt.  Einzelne  Schüttergebiete.  Verschiedene  Richtungen  der  Unter- 
suchung. —  Die  nordöstlichen  Alpen.  —  Das  südliche  Italien.  —  Das  Festland 
von  Central- Amerika.  —  Vermeintliche  rhapsodische  Erhebungen  von  Chile.  — 
Aufprellen  von  Gegenständen.  —  Bewegung  von  submarinem  Sediment.  — 
Valparaiso,  1822.  —  Concepcion,  1835.  —  Valdivia,  1837.  —  Hebung  des 
Landes  nicht  erwiesen 99 

Dritter  Abschnitt.  DisiOCatlonen.  Zerlegung  der  Spannungen.  —  Dislocation  durch 
tangentiale  Bewegung.  —  Faltung.  —  Schuppenstructur.  —  Ueberschiebungs- 
oder  Wechselflächen.  —  Verschiebungs-  oder  Blattflächen,  —  Torsion.  — 
Dislocation   durch   radiale  Bewegung.  —  Einsinken   auf  weichender  Grundlage. 

—  Flexuren  und  Verwerfungen.  —  Sprungnetze.  —  Kesselbrüche.  —  Dis- 
location   aus   vereinigter    radialer   und   tangentialer   Bewegung.  —   Rückfaltung 

und  Einklemmung.  —  Vorfaltung 142 

Vierter  Abschnitt.  VulCane.  Denudationsreihe.  —  Vesuv  un<l  M.  Nuovo.  —   ÄI.  Venda. 

—  Laccolithen.  Palandokän  und  Dary-dagh.  —  Whin  Sill.  —  Die  Hebriden.  — 
Predazzo.  —  Die  Spalte  im  Banat.  —  Syenitische  Narbe  von  Brunn.  —  Elk 
Mountains   und   Harz.    —    Batholithen;    Drammcngranit ;  Vogesen;    Erzgebirge. 

—  Maculae.  —  Einsacken.  —  Die  Reihe 190 

Fünfter  Abschnitt.  Verschiedenartiglceit  der  Bewegungen.  Versuche  einer  Eintheilung 

der  Erdbeben.  —  Dislocations-  und  vulcanische  lieben.  —  Blattbeben.  — 
Wechselbeben.  —  Senkungsbeben.  —  Der  Aetna  1780  und  1874  bis  i883. 
Verschiedenartigkeit  vulcanischer  Beben,  —  Die  Denudationsreihe 227 


IV  r.i.-.j«.r. 


Zweiter  TheiL   Die  Gebirge  der  Erde, 


Crtter  AlitoliRnt  Dm  wk^fcM  Virtw^  <«  Alyg—yiTB— ,  i.*t  -l- r,:i^  r^'r .  —  i<= 

Su'l«;l«-rj.  —   r>n  fri.i.<  ■.-.--  -.r.  ri'.  ■.•-.'»   -»:n;*  i.i;^. :!;•.:.   —    *  ..- .    13.;    ;-£  "'t^.a.  — 

Zweiter  AbtcliRitt.  Die  LtHSmhu  i«i  AJyüasyitan    l'^r  y:-:-^.:    :^  .^Lir-n   1:1: 

'l<'r    K*rpifr.*:a      --     V^r"!  - ->    V-.r-.*.-.  i!-,.^     i-*^-    A i.—'tarta : i-,    —    "'x'-jict:!^ 

< I «'^  Kri 'i*; '    'l*:7  K .« 'Vi : '*.  "^r.     —   '  'r. " : ■*■:  j^r* :i    i:r-    "v  t« i-t -ii: »ta. :  'ir j-.t.: h -ta    >  :•  ■  ■  r j- :■- . 

■    I ' w. \ß^ii(i r. ;f    ' .  •.      A  ;.•»:- .-..-..    —     ^ :.'":•»:: .    —     X :  r  Lifr.Tcjn:.-.: ii?;  -    ■  1-i :  ■  r^ .    — 

('tWff'^UMr    —    !/.',    V-    r-.  :    '-.r:    .^r^     —    ~' r';.r":7'-r.:;ri  Aa-riain;?    :er  L.:::- 

Dritter  AbeoliRitL  Die  airiaiitefce  SaAnf,   B: i-.iLixr  i^  AianL-^:::    —  itc  j-.ii- 

carj'.Tilirif';.  —  A'^^:, .'>.>.-:,  —   Zt.-:'-*-   J:::-:;«.-.?!  isi    :rra  Sncid  -:!i  S';]i>: 

—  Jffi  N''/r':»rT*    ':*r  A-vJ-rV.:.*    —   liri^;-   la:  'ji:"  ;r-it::i*.  —    L'^arr^ch-i    ;«:=r 

Vierter  AbechRltt  Das  Mittelaeer.  ?  :-:  -:-':. r.-:--  ?:--i-'^a  7-  iz^vii:'-;=i  ^:r-Ji-± 

-  -    f  ;<:/  j ':  h  'i  n  ;f '.  T.    z.  A  T.  -«rr :  *  .1.    —    U.  r    i:  [.in*::-.:  h  ;     '■•:  *-■"     —  •  >i.i  iai. :  ii- ■  u".    '  r  -  - 

t': rr:in:f »1  f t .  —  h:-  •  ir - . i* ."'.>-:  J ; i .- r. ; -  t.  :  :r,  —  Zj\-:  •-:_'.:"- 1 -  ^^ " z.  —  N t i::r i 
'A*:'U,   —    *•' '. r  . : -y, h '.   *■>  L •  V:     —   D :■ :  ! t v. -.*i  ?.•  - .'  r  !■: -  ; .   —   'S r ': •: r-: : '- :      .  5r c 

FUnfler  AbechRitt  Die  irotte  WüsteeUfef.   ^.:--i  ;=:  a*j77:i=.  —  Sii-Arij:- 
Seoheter  ANchnttt  Du|ebroche«e  iediscbe  Festlud.  ^'liifr.k-x.  -  Zr.t    -rti-iii^r.r 

M;it!iiri'.':I.    —    Mi :.;;,' .t-rrtr .    —    I'.!.':r-:.;h:     ...  .  .     .  5:0 

Siebenter  Abfchnitt.  Die  lodiecheR  Scbaamagea.  Di-,  -rin»:?.-!!  Ai.-<±:ikr::^s  —  ir.^ 

Sii1/.k«;tt';.  —  h'.'  t.rti.ir'Ti  K.':::Mi.  —  Dtr  -«^i-z! :■:•:■?  HiTiLiliji-  —  Ms-^uc-  ^- i 
KiJ':ri-liiri  —  lllu'.'i  Ku«h  cn  :  l'lT.ir,  —  IV.r  ~-:!::r.-.  H"rT-.ai:i7.i-  —  Barmah. 
Malakk.'i,    Surrutr,!.  I'':!i'.ri!c?.t  ....  ..  ..  .541 

Aohter  Abschnitt.  Die  Beziehnnien  der  Alpen  zi  ütm  asiatiscbeR  Gebirgen.  Aai^^:^ 

'li«■•.':^  Ah't:),nitV'-.  -  1  :;in-'ch\n  \- ,Ti  J,  Ma-:hk ■.:■,:?.  —  \V-.-tI::hj  Au-LIafer 
'l':«!  'J  i;in-vrh:in.  —  Niir.i-tiu,  **€h'.:rh-I>j-:Ii,  Mj.n2j:-cr.I:kk.  K-  h'-jn^eV-ir^  a=i 
iJori'rt/,.  farop-imi-iis,  rhora--.in,  Kop;t-:.\;;h.  Bilc?.än,  Kauki-a«.  Krim.  — 
Mal -r  hin.  —  JVilkan  urri  Karji.ith'.n.  —  Albur-,  IrinSoh-Tauri-chv  Sc h.T-ininj:. 
fiiiMri-*;}i^  r  Z'j;;.  —  /^"i-iinj;  'I*;r  wirl/«.lf''irnii;;;'':n  Anor-Inunj:  -ier  Alpen.  — 
IJr.il,    I';i':-<;}ioi    un'i    I  iman.  r'«'b';r-iV:ht  .     ,  ...  507 

Neunter  Abschnitt  Südamerika,  itu:  l^raMü-chc  M.i—..  —  i^i*:-  .ir;;cntiDi<cheD  Ketten. 

I>i'-  li'»Iivi-rh«  fi  iin«l  (.hilf:ni<(.h'^.n  An'I'.n  —  Di*:  Kri^ten-Coplilleren  uni 
I'alajjoni' II,  I'«  rii.   --    I'xtia'ior,    X.  Orana'ia    un«!   Venezuela.    —    L'ebersichl     655 

Zehnter  Abschnitt,  Die  Antillen.  I>rei  In-elr^ihen.  —  <.ii1>a.  —  Haiti.  —  Jamaica.  — 
Tii'-ftri  Kirr,  |,i.  Ii;trlia'lo-.  Jji';  '>>r'lillere  >U:r  Antillen.  —  Verj,'leich  mit 
'l'T    l'niraliirnin;;  «I«:     we-tlii-^Mn   Mittelrnerro.      -   Kr'llM.hen  *>^)^ 

Eilfter  Abschnitt.  Nordamerika.  i>u-  Faltnn^^'en  im  Osten.  --  l'rairitland  un<i  hlack 
IIlll^.  •  l'.inthf'iliui;;  '1er  ^iel>ir;^i/ii;je  'le-*  \V»ten-.  —  RfKky  Mountiin>.  — 
l'inia,  Wah  atrli  lui'I  K  rtti  n/.ii;;e  am  Snake-Kivcr.  —  Colora'lo-Plateau. — 
I)as  lloflilan'l  von  Utah  lUi'l  '1er  ;jrri<<-e  T^inon  'le*«  <>)lora'lo.  —  l'asin  Rani»c>. 
Sierra  Neva'la.  I)i«-  K  ii'*t*n-<^or'lilIeren  un'l  Nie«ier-(^alifornien.  —  Der 
rana'lisrh'-    Wevlcn,  I  rebe-r^ieht ...7IJ 

Zwölfter  Abschnitt.  Die  Contlnente.  Alte  un'l  neue  Welt.  —  Unhaltharkeit  dieser 
Au  .»Iriirk«-.      -    Alt'r    «Nr    '.'»nlin«  iil«-.  Amerika.    —    Trennung'    von    Indo- 

Afiika  un'l  l'Jiia.ia.  Kiltuni:  von  I'.ura^ia.         Man-hai   und  die  turke>tanische 

Ni<-dtiun);.  I)i<-   Mitt<lm«efr.      -    I)rr    iudi<<elif  Orcan.  —    Die    j^rossen  l'Lin- 

lieitm.  Manni|dalh;^k»il    dei    (irhirj»«-.   -      ZU'»amnienbru('h    der    Lithosphäre     764 


EINLEITUNG. 


Keilförmige  Umrisse  der  Festländer.  —  Grosse  Tiefe  der  Oceane.  —  Verschiedenheit  des 
pacilischen  und  des  atlantischen  Gebietes.  —  Einbrüche.  —  Was  ist  eine  geologische  For- 
mation? —  Cyclen  der  Entwicklung.  —  Allgemeine  Anwendbarkeit  der  stratigraphischen  Ter- 
minologie Europas.  —  Grösse  der  Transgressionen.  —  Selbständigkeit  alter  Strandlinien  vom 

Gcbirgsbaue.  —  Inhalt  der  folgenden  Theile. 


iVönnte  ein  Beobachter,  aus  dem  Himmelsraume  unserem 
Planeten  sich  nähernd,  die  röthlichbraunen  Wolkenzonen  unserer 
Atmosphäre  bei  Seite  schieben  und  die  Oberfläche  des  Erdballes 
überblicken,  wie  sie,  unter  seinen  Augen  rotirend,  sich  im  Laufe 
eines  Tages  ihm  darbietet,  so  würde  vor  allen  anderen  Zügen  der 
südwärts  keilförmig  sich  verengende  Umriss  der  Festländer  ihn 
fesseln. 

Dieses  ist  das  auffallendste  Merkmal  unserer  Erdkarte  und 
ist  wohl  auch  als  solches  bezeichnet  worden,  seitdem  man  diese 
Karte  kennt.  Diese  keilförmige  Gestalt  wiederholt  sich  in  den  ver- 
schiedensten Breiten.  Cap  Hörn,  das  Cap  der  guten  Hoffnung, 
Cap  Comorin  in  Ostindien,  Cap  Farewell  in  Grönland  sind  all- 
bekannte Beispiele. 

Es  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  diese  Umrisse  durch 
eine  heute  angeblich  vorhandene  grössere  Anhäufung  von  Wasser 
gegen  den  Südpol  zu  erklären.  Diese  Vorgebirge  tauchen  aber 
nicht  allmälig  unter  das  Meer,  sondern  sie  sind  felsig  und  ihre  Ab- 
hänge fallen  in  den  meisten  Fällen  schroff  in  grosse  Tiefen  hinab. 
Eine  gleiche  Anhäufung  des  Wassers  gegen  den  Nordpol  würde 
ähnliche  keilförmige  Umrisse  nicht  erzeugen. 

Diese  Umrisse  sind  daher  in  der  Structur  der  äusseren  Theile 
des  Planeten  selbst  bedingt.  — 

S  u  e  s  s.  Das  Antlitz  der  Erde.  ^ 


2  Tiefe  der  Meeresbecken. 

Hierüber  würde  demselben  Beobachter  nicht  der  geringste 
Zweifel  bleiben,  wenn  er,  so  wie  er  die  Wolkenzonen  der  Atmo- 
sphäre bei  Seite  schob,  nun  auch  die  Meere  zu  entfernen  und  das 
Felsgerüste  des  Erdballes  in  seiner  Nacktheit  zu  überblicken  im 
Stande  wäre.  Die  ausserordentliche  Tiefe  der  Meeresbecken  in 
ihrem  Gegensatze  zu  der  geringen  Höhe  der  Festländer  und  der 
steile  Abfall  eines  grossen  Theiles  der  Küsten  würden  ihm  dann 
vor  die  Augen  treten. 

Schon  Alexander  von  Humboldt  verglich  die  Continente  tref- 
fend mit  ,FlateauxS  welche  aus  den  grossen  Tiefen  aufragen. 

Carpenter  schätzt  die  mittlere  Höhe  der  Festländer  rund  im 
höchsten  Falle  auf  looo  Fuss,  die  mittlere  Tiefe  der  Meere  auf 
13.000  Fuss.* 

Krümmel  veranschlägt,  auf  Leipoldt  gestützt,  die  mittlere 
Höhe  der  Festländer  auf  440  M.,  die  mittlere  Tiefe  der  Meere  auf 
3438-4  M.  (1880  Faden).  Nach  Krümmel's  Angaben  würde  bei 
Ausgleichung  aller  Unebenheiten  die  ganze  Oberfläche  des  Pla- 
neten von  einer  Meerestiefe  von  0*339  Meilen  =  2*52  Km.  — 
1375  Faden  überdeckt  sein.* 

Das  mittlere  Maass  der  vorhandenen  Unebenheiten,  welches 
sich  aus  der  Summe  der  mittleren  Höhe  der  Continente  und  der 
mittleren  Tiefe  der  Meere  ergibt,  würde  daher  nach  Carpenter 
14.000  Fuss,  nach  Krümmel  3878*4  M.  betragen.  Aber  jener  Be- 
obachter des  entblössten  Erdballes  würde  einen  noch  grösseren 
Contrast  der  Tiefen  und  Höhen  sehen,  denn  bei  Ermittlung  dieser 
Ziffern  ist  ein  Umstand  ausser  Betracht  geblieben,  welcher  einen 
guten  Theil  der  Steilheit  der  Küsten  und  des  Gegensatzes  von 
Land  und  Meer  verhüllt,  nämlich  die  Attraction,  welche  von  den 
Festländern  auf.  die.  Masse  der  Meere  ausgeübt  wird. 

Man  pflegt  von  der  Voraussetzung  auszugehen,  dass  die 
Meeresfläche  allenthalben  gleich  hoch,  d.  i.  dass  jeder  Theil  der- 
selben und  folglich  auch  jeder  Theil  der  Strandlinie  gleich  weit  von 
dem  Mittelpunkte  der  Erde  entfernt  sei.  Diese  Voraussetzung  ist, 
obwohl  auf  derselben  ein  so  grosser  Theil  unserer  geodätischen 
Arbeiten  beruht,  eine  unhaltbare.  Nach  den  älteren  Arbeiten  von 
Saigey  und  Stokes,  insbesondere  aber  nach  den  neueren  Unter- 
suchungen Fischer's  und  der  klaren  Darstellung  der  Sachlage, 


fr 


Attraction.  3 

welche  Hann  geliefert  hat,  muss  es  als  erwiesen  gelten,  dass  die 
Massen  der  Continente  eine  beträchtliche  Anziehung  auf  die  Meere 
ausüben,  und  dass  folglich  die  Oberfläche  der  Meere  gegen  die 
Continente  hin  ansteigt.'^ 

Führt  man  also  einen  Schnitt  in  der  Ebene  eines  Parallelkreises 
quer  über  einen  der  grossen  Oceane,  so  wird  sich  ergeben,  dass 
die  Mitte  des  Oceans  dem  Mittelpunkte  der  Erde  näher  liegt  als 
die  beiden  Strandlinien.  Der  Unterschied  der  Höhen  in  Metern  stellt 
sich  nach  Fischer  annähernd  gleich  I2  2mal  dem  Unterschiede  der 
Anzahl  der  täglichen  Pendelschwingungen.  Dies  gäbe  bei  einem 
Unterschiede  von  z.  B.  neun  Schwingungen  auf  einer  oceanischen 
Insel  im  Vergleiche  zur  Küste  eine  thatsächliche  Höhendifferenz 
von  etwa  i  loo  M.  oder  3380  Pariser  Fuss.  Die  Küsten  der  Fest- 
länder und  diese  selbst  erscheinen  dem  Auge  daher  viel  zu  niedrig; 
dieses  Anschmiegen  des  Meeres  verhüllt  einen  grossen  Theil  des 
Gegensatzes,  welcher  thatsächlich  zwischen  Continent  und  Ocean 
besteht.* 

Die  Bedeutung  dieses  Umstandes  tritt  hervor,  wenn  man  an- 
nimmt, dass  diese  Attraction  aufhöre.  Der  jetzt  an  den  Rändern 
der  Continente  aufsteigende  Theil  der  Meere  würde  zurücksinken, 
ein  grosser  Theil  der  tiefer  in  die  Continente  eingreifenden  Buch- 
ten würde  gänzlich  trockengelegt,  die  Continente  würden  etwas 
an  Umfang  und  viel  an  Höhe  und  Zusammenhang  gewinnen.  Aber 
während  die  Festländer  hervortreten,  würden  zugleich  die  Meere 
an  Tiefe  zunehmen,  und  die  gleichförmige  Ausbreitung  der  bisher 
von  den  Continenten  festgehaltenen  Meerestheile  würde  vielleicht 
hinreichen,  um  eine  Anzahl  flacher  oceanischer  Inseln  dauernd  zu 
überfluthen. 

Die  Lothungen,  welche  von  der  Küste  gegen  das  offene  Meer 
hinaus  vorgenommen  werden,  sind  demnach  nicht  auf  einen  hori- 
zontalen, sondern  auf  einen  concaven  Wasserspiegel  zu  beziehen, 
wodurch  sich  die  Profillinie  des  Untergrundes  wesentlich  verändert. 

Carpenter  schätzt,  wie  gesagt,  die  mittlere  Höhe  der  Fest- 
länder auf  höchstens  1000  Fuss,  Krümmel  auf  440  M.;  das  Bei- 
spiel, welches  für  das  Ausmass  der  Attracttonswirkung  angeführt 
wurde,  ergab  1 100  M.  für  das  Ansteigen  des  Oceans,  also  weit 

mehr  als  das  Doppelte,  ja  fast  das  Dreifache  der  höheren  Schätzung 

1* 


i 


A  Vermuthcte  Persistenz  der  Meere. 

der  mittleren  Hohe  der  Festländer.  Wenn  nun  auch  diese  Ziffer 
eine  ausnahmsweise  sein  und  der  mittlere  Ertrag  der  Attraction 
auf  weniger  als  die  Hälfte  derselben  herabsinken  mag,  was  zu  be- 
urtheilen  mir  allerdings  die  Anhaltspunkte  fehlen,  so  bleibt  immer 
noch  Ursache  zu  einer  weitgehenden  Correctur  der  bisherigen 
Anschauungen. 

Sucht  man  ferner  die  Entfernung  der  mittleren  Höhenlinie  der 
Festländer  von  der  mittleren  Tiefenlinie  der  Meere,  also  das  mitt- 
lere Ausmass  der  Verschiedenheiten  des  Reliefs  zu  ermitteln,  so 
genügt  es  nicht,  die  beiden  Ziffern  KrümmeFs  440  M.  -f  3438*4  M. 
=  3878*4  M.  zu  addiren,  wie  oben  geschehen  ist.  Es  kömmt  hiezu 
noch  eine  Ziffer  für  das  Ausmass  der  Attraction  zu  fügen,  welche 
diese  Summe  beträchtlich,  und  zwar  jedenfalls  weit  über  4000  M. 
erhöhen  muss.  Dies  erst  wäre  das  mittlere  Maass  jener  Uneben- 
heiten, welche  sich  jenem  Beobachter  zeigen  würden. 

Eine  lange  Reihe  der  schwierigsten  Fragen  tritt  uns  aus  dieser 
ersten  Betrachtung  der  grossen  Züge  der  Erdoberfläche  entgegen. 

Wie  mögen  diese  grossen  Tiefen  des  Meeres  entstanden  sein? 

Unter  dem  Eindrucke  des  ausserordentlichen  Ausmasses  der- 
selben und  unter  der  Ueberzeugung,  dass  die  älteren  Ansichten 
über  Erhebung  und  Senkung  des  Landes  durchaus  nicht  hinreichen, 
um  so  gewaltige  und  ausgedehnte  Verschiedenheiten  des  Reliefs 
zu  erzeugen,  hat  die  Ansicht  Wurzel  gefasst,  dass  die  oft  erwähn- 
ten Veränderungen  in  der  Vertheilung  von  Ocean  und  Festland 
denn  doch  nur  innerhalb  gewisser,  nicht  allzuweiter  Grenzen  nach- 
weisbar und  überhaupt  denkbar  seien,  und  dass  von  jeher  die 
Lage  der  grossen  Festländer  und  •  der  grossen  Meeresbecken  in 
der  Wesenheit  unverändert  geblieben  sei.*^ 

In  der  That  möchte  es  wohl  scheinen,  als  ob  die  Ueber- 
fluthungen  unserer  heutigen  Continente  in  früheren  Zeiten,  d.  i. 
seit  dem  Abschlüsse  der  unteren  Silurablagerungen,  kaum  weiter 
gediehen  seien  als  bis  zu  einem  verhältnissmässig  geringen  Bruch- 
theile  der  mittleren  Tiefe  der  heutigen  Meere.  Murray  hat  in 
grosser  Ausführlichkeit  und  in  überzeugender  Weise  nachgewiesen, 
dass  die  Sedimente  der  grossen  Tiefen  nur  organischen,  oder  vul- 
canischen,  oder  meteorischen  Ursprunges  sind.  Jede  Beimengung 
einer  der  trockenen  Erdoberfläche  entnommenen  Einschlämmung 


Mächtigkeit  der  AblagcTungen.  S. 

bleibt  ihnen  fremd,  und  sie  sind  folglich  verschieden  von  der  über- 
grossen Masse  jener  Meeresablagerungen,  welche  in  unseren  Ge- 
birgen und  Ebenen  angetroffen  werden,  und  deren  Analoga  man 
heute  in  geringerer  Entfernung  und  in  massiger  Tiefe  vorfindet.  " 

Die  häufigen  Einschaltungen  von  Süsswasserbüdungen  in  den 
späteren  Zeitabschnitten,  sowie  der  in  diesen  Zeiten  sich  geltend 
machende  vicarirende  Charakter  der  einander  folgenden  Land- 
faunen, in  welchen  sich  die  Continuität  des  Lebens  auf  dem  trocke- 
nen Lande  so  deutlich  ausprägt,  können  als  eine  Bekräftigung 
dieser  Meinung  für  die  jüngeren  Perioden  angesehen  werden. 

Auf  der  anderen  Seite  ist  aber  die  Mächtigkeit  der  Meeres- 
ablagerungen, welche  an  dem  Aufbaue  der  Continente  theilneh- 
men,  zuweilen  so  ausserordentlich  gross,  dass  es  schwer  wird,  den 
Mangel  abyssischer  Merkmale  zu  erklären,  und  nicht  nur  die  Ein- 
verleibung so  beträchtlicher  Massen  von  Sediment  in  die  Conti- 
nente, sondern  auch  die  Frage  nach  jenen  Festländern,  durch 
deren  Abschwemmung  diese  mächtigen  Massen  erzeugt  wurden, 
bleibt  ein  Räthsel.  Ich  erinnere  an  die  Tausende  von  Füssen 
triadischen  und  rhätischen  Kalksteins  in  den  Alpen  und  die  Mäch- 
tigkeit des  so  viel  jüngeren  Flysch,  um  von  der  grossen  Entwick- 
lung paläozoischer  Ablagerungen  ip  England  nicht  zu  sprechen. 
Nach  einer  Messung  von  Ashburton  beträgt  die  Summe  der  Mäch- 
tigkeiten auf  einer  Profillinie  in  Central -Pennsylvanien  von  dem 
Niveau  der  Alleghany-River-Coal-Series  bis  zum  Trenton-Lime- 
stone,  also  noch  ohne  die  tieferen  Glieder  des  Silur,  18.394  Fuss. ' 

Es  wäre  nicht  eben  schwer,  eine  gute  Anzahl  von  Gegenden 
zu  ermitteln,  in  welchen  die  Summe  der  Mächtigkeit  der  vorhan- 
denen Meeressedimente  ebenso  gross  ist,  als  die  ganze  beiläufige 
mittlere  Tiefe  der  heutigen  Meere,  also  etwa  4000  bis  5000  M., 
erreicht.  Wie  tief  muss  aber  nach  den  herrschenden  Voraus- 
setzungen die  Senkung  eines  Landstriches  einst  gewesen  sein, 
wenn  nicht  etwa  seine  Meeresbedeckung,  sondern  wenn  sogar  die 
Sedimente  eine  solche  Mächtigkeit  erreichten? 

Der  ausserordentliche  Antheil,  welchen  paläozoische  Sedi- 
mente an  dem  Aufbaue  der  Festländer,  z.  B.  in  China,  nehmen, 
ist  ein  untrügliches  Zeichen  für  das  grosse  Maass  des  eingetre- 
tenen Wechsels.  Die  hohen  Sockel,  auf  welchen  unsere  Continen^f 


6  Pacifischcs  Gebiet. 

liegen,  mögen  also  sehr  alt  sein,  sie  mögen  zum  grossen  Theile 
weit  in  die  mesozoische  Zeit  zurückreichen,  aber  für  die  paläozoi- 
sche Periode  könnte  man  der  Voraussetzung  allgemein  persistiren- 
der  Festländer  nicht  zustimmen,  und  jener  Theil  der  continentalen 
Ränder,  welche  quer  über  das  Streichen  junger  Kettengebirge 
gebrochen  ist,  hat  sicher  nur  ein  gar  geringes  Alter. 

Es  handelt  sich  also  bei  Betrachtung  der  keilförmigen  Gestalt 
der  Festlandmassen  nicht  um  etwas  seit  der  Bildung  des  Erd- 
körpers unverändert  Gegebenes,  sondern  es  wird  sich  jeder  Ver- 
such, die  Bewegungen  und  die  Formveränderungen  der  Erdrinde 
zu  verstehen,  mit  diesen  grössten  Merkmalen  der  planetarischen 
Oberfläche  zu  beschäftigen  haben.  — 

Denken  wir  uns  nun  weiter,  dass  derselbe  Beobachter  dem 
Erdballe  sich  so  weit  genähert  habe,  dass  er  nicht  nur  den  Umriss 
und  die  Steilheit,  sondern  auch  die  Beziehungen  der  Umrisse  der 
Continente  zu  den  Gebirgen  auf  denselben  wahrzunehmen  im  Stande 
sei.  Nun  wird  er  erkennen,  dass  auf  diesem  Planeten  sich  zwei 
Gebiete  unterscheiden  lassen,  in  welchen  die  Grenzen  der  Meeres- 
becken in  einem  wesentlich  verschiedenen  Grade  von  Abhängigkeit 
stehen  von  den  Gebirgsketten  der  Festländer. 

Von  Chittagong  am  nördlichen  Ende  der  Bucht  von  Bengalen 
bis  Java  und  entlang  der  asiatischen  Küste  des  pacifischen  Occans 
durch  Japan  und  die  Kurilen  und  dann  ostwärts  durch  die  Aleuten 
bis  Aljaska  zeigen  sich  auf  dem  Festlande  selbst  oder  auf  langen 
vorliegenden  Inselreihen  mehr  oder  minder  zusammenhängende 
Linien  von  Gebirgsketten,  deren  Streichen  entweder  der  Küste 
parallel  oder  gegen  dieselbe  concav  ist,  so  dass  die  Inseln  wie 
ebensoviele  hängende  Blumenkränze  das  Festland  umgeben  und 
dass  bestimmte  Beziehungen  zwischen  der  Umgrenzung  des  Fest- 
landes und  seiner  Structur  nicht  zu  leugnen  sind. 

In  ebenso  unverkennbarer  Weise  tritt  der  Zusammenhancf  des 
Verlaufes  der  Küste  mit  dem  Streichen  der  Gebirgsketten  an  der 
amerikanischen  Westküste  bis  Californien  hinab  und  durch  ganz 
Südamerika  hervor. 

Vom  Ganges  bis  zum  Cap  Hörn  ist  also  eine  Wechsel- 
beziehung dieser  Art  die  Regel;  dieses  ist  der  pacifische 
Typus. 


Atlantisches  Gebiet.  7 

Begeben  wir  uns  an  die  Ostseite  von  Cap  Hörn,  so  zeigt  sich 
sofort  eine  geänderte  Sachlage.  Die  Gebirge  streichen  gegen 
Staten  Island  hinaus  und  Cap  Hörn  selbst  folgt  noch  der  pacifi- 
schen  Regel.  Aber  für  die  ganze  patagonische,  für  die  brasilische, 
ja  für  die  ganze  ostamerikanische  Küstenlinie  bis  Grönland  hinauf, 
mit  Ausnahme  der  Antillen-Region,  gilt  diese  Regel  nicht.  Wo  ein 
Gebirge  in  der  Nähe  des  Meeres  liegt,  wie  die  Appalachien,  ist 
es  abgewendet  vom  Meere;  es  ist  weithin  gar  kein  ursachlicher 
Zusammenhang  zwischen  der  Küstenlinie  und  der  Structur  des 
Continentes  sichtbar.  So  ist  es  auch  auf  der  ganzen  Westküste  der 
alten  Welt,  mit  Ausnahme  eines  Theiles  der  westlichen  Pyrenäen. 
Schottland,  die  Bretagne,  Portugal  bieten  auffallende  Beispiele 
von  quer  die  Structur  durchschneidenden  Küstenlinien,  und  nament- 
lich im  nördlichen  Schottland  kann  man  deutlich  erkennen,  wie  die 
grossen,  nach  Nordost  streichenden  Verwerfungen,  welche  das 
ganze  Land  durchqueren,  gegen  das  Meer  auslaufen,  während 
das  Ufer  mit  zackigem  Umrisse  zwischen  diesen  Verwerfungen 
eingebrochen  ist.^ 

Diese  Unabhängigkeit  des  Verlaufes  der  Meeresküste  von 
jener  der  Gebirgsketten  ist  bezeichnend  für  die  atlantische 
Region. 

Der  heutige  Umriss  der  Bedeckung  des  Planeten  mit  Wasser 
fällt  also  in  dem  grössten  Theile  des  pacifischen  Gebietes  mit  leicht 
erkennbaren  Zügen  der  Structur  des  Erdballs  zusammen,  während 
für  das  atlantische  Gebiet  eine  solche  Uebereinstimmung  nicht 
sichtbar  ist.  Sobald  man  aber  versucht,  diese  Unterscheidung  auf 
den  indischen  Ocean  anzuwenden,  zeigt  es  sich,  dass  wohl  die 
ganze  Ostseite  Afrikas,  die  arabische  Küste  und  jene  der  ganzen 
indischen  Halbinsel  bis  zum  Ganges  ähnlich  gebaut  sind  wie  die 
atlantischen  Umrisse,  und  dass  dasselbe  weit  im  Südosten  für  die 
australischen  Küsten  gilt,  dass  aber  zwischen  diesen  von  Chitta- 
gong  bis  über  Java  hin,  wie  schon  gesagt  wurde,  der  pacifische 
Bau  hervortritt.  Man  muss  nun  auf  dem  Festlande  die  Grenzen 
beider  Gebiete  finden.  Diese  Grenze  verläuft  aus  dem  bengali- 
schen Tieflande  nach  den  äusseren  Ketten  des  Himalaya  gegen 
Nordwest,  folgt  dann  vom  Punjab  dem  Indus  bis  zu  seinen  Mün- 
dungen, ferner  dem  persischen  Meerbusen  und  dem  Unterlaufe 


8  Brüche. 

des  Euphrat  und  findet,  wie  sich  später  zeigen  wird,  unter  gar  ver- 
wickelten Verhältnissen  ihre  Fortsetzung  vom  Meerbusen  von  Gabes 
durch  Marocco  bis  zur  atlantischen  Küste  Afrikas.  Auf  diese  Art 
werden  die  drei  grossen,  nach  atlantischem  Typus  umgrenzten 
Massen  von  Afrika,  der  indischen  Halbinsel  und  Australien  süd- 
wärts abgeschieden. 

Die  mächtigsten  Gebirgsketten  der  Erde  sind  nur  unterge- 
ordnete Glieder  sehr  grosser  Structurerscheinungen,  welche  den 
ganzen  Erdball  beherrschen.  Man  mag  die  Schichtstellung  und  den 
Bau  eines  Gebirges  im  Einzelnen  beobachten  und  beschreiben, 
aber  man  vermag  nicht  eine  Erklärung  für  dieselben  zu  geben, 
ohne  die  Beziehungen  dieses  Gebirges  zu  der  Vertheilung  der 
Gebirgsketten  überhaupt  im  Auge  zu  halten.  — 

Lassen  wir  nun  denselben  Beobachter  zur  näheren  Betrachtung 
der  Schichtstellung  in  den  einzelnen  Gebirgsketten  seinen  Fuss  auf 
den  grünen  Rasen  unserer  Erde  setzen.  Er  wandert  über  Berg 
und  Thal,  aber  er  sieht  nur  gar  wenig  von  den  gewaltigen  Be- 
wegungen, an  welchen  viele  Theile  der  Erdoberfläche  theilge- 
nommen  haben.  Die  Höhen  sind  abgewittert  und  abgewaschen, 
die  Niederungen  verschlämmt  und  versandet.  Grosse  Gebirgszüge 
sind  niedergehobelt  zu  Hügelland  oder  gar  zu  Platten.  Bruch- 
flächen, an  welchen  sich  Verschiebungen  von  GebirgsschoUen 
gegen  einander  im  Ausmasse  von  vielen  Tausenden  von  Füssen 
vollzogen  haben,  sind  dem  Auge  so  vollständig  entzogen,  dass 
sie  nur  zufällig  durch  unterirdische  Arbeiten  überhaupt  bekannt 
werden. 

Die  Verwerfung  im  Tunnel  von  Fuveau  bei  Marseille,  welche 
etwa  I200  M.  beträgt  und  den  Muschelkalk  mit  viel  jüngeren 
Schichten  in  Berührung  bringt,  ist  zu  Tage  gar  nicht  bekannt  ge- 
wesen. ^ 

Die  Brüder  Rogers  nehmen  in  den  Kohlenfeldern  Virginiens 
Versenkungen  von  Schichten  bis  zum  Ausmasse  von  7000 — 8000 
Fuss  an,'°  und  nach  Lesley  ist  in  diesem  Gebiete  die  Westseite  der 
Anticlinale  ,Cove  Canoe'  durch  einen  20  (engl.)  Meilen  langen 
Bruch  abgetrennt  und  um  wenigstens  20.000  Fuss  hinabgesenkt." 

Man  versuche  aber  nur  in  irgend  einem  genauer  bekannten  Ge- 
biete die  Wirkungen  der  Denudation  im  Geiste  zu  entfernen,  und 


Wahrer  Betrag  der  Dislocationen.  o 

es  bauen  sich  gar  oftmals  Gebirge  auf  von  Höhen,  die  allerdings 
vielleicht  niemals  wirklich  bestanden  haben,  da  die  Denudation  in 
ihrer  Wirkung  stetig  die  Gebirgsbildung  selbst  begleitet  haben  mag, 
deren  Dimensionen  aber  nichtsdestoweniger  uns  das  wahre  Aus- 
mass  der  vorgekommenen  Verticalbewegungen  geben.  Man  denke 
sich  anstatt  der  kleinen  Lappen  von  Rothliegend  und  Kreide, 
welche  das  hohe  Alter  der  Denudation  verrathen,  auf  die  Höhe  des 
Erzgebirges  jenen  ganzen  Mantel  von  paläozoischen  Bildungen 
von  Sachsen  her  fortgeführt,  welcher  heute  gefaltet  sich  nur  an 
den  Nordsaum  des  Gebirges  lagert.  Man  führe  auf  die  älteren 
Felsarten  unserer  Alpen  nur  einen  Theil  der  mesozoischen  Neben- 
zonen herauf,  und  wie  ausserordentlich  ändert  sich  sofort  das  Bild 
unserer  Gebirge!  So  kommt  es,  dass  Clar.  King,  von  Ost  her  die 
angelagerten  paläozoischen  Schichten  fortsetzend  bis  auf  den 
Kamm  des  Bruches,  an  welchem  am  grossen  Salzsee  der  west- 
liche Theil  des  Wahsatch  absinkt,  für  das  Maass  dieses  Absinkens 
mindestens  30.000  Fuss  und  mit  Hinzufügung  der  Kreideformation 
40.000  Fuss  annimmt."  Dies  ist  die  grosse  Bedeutung  jener  Stereo- 
gramme, welche  Powell  nach  Gilbert's  Vorschlag  von  den  Uinta- 
Mountains  entwarf,  und  aus  denen  erst  das  wahre  Ausmass  der 
Einsenkung  deutlich  vor  das  Auge  gebracht  wird.'^ 

Es  wird  sich  aber  Gelegenheit  finden,  zu  zeigen,  dass  die  Erd- 
rinde nicht  etwa  nur  von  einzelnen  Brüchen  dieser  Art  durchsetzt 
ist,  sondern  dass  ausgedehnte  Gebiete  an  Systemen  von  Brüchen 
zur  Tiefe  gesunken  sind.  — 

Wir  wollen  auch  diese  Reihe  von  Erfahrungen  verlassen  und 
wollen  denselben  Beobachter,  nachdem  er  unter  den  Wolken- 
gürteln die  keilförmigen  Umrisse  der  Festländer,  dann  unter  dem 
Meere  die  grosse  Tiefe  der  oceanischen  Becken,  dann  die  Ver- 
schiedenheit der  pacifischen  und  der  atlantischen  Seite,  endlich 
die  weitgehende  Verhüllung  der  grossen  Brüche  erkannt  hat,  nun- 
mehr aus  den  Bergen  hinabführen  in  unsere  Schulen.  Aus  einem 
Wanderer  wird  er  ein  Zuhörer.  Die  Grundzüge  des  erhabenen 
Wissensgebietes  der  Erdgeschichte  werden  ihm  dargelegt.  Er  hört 
von  den  wunderbaren  Erweiterungen  der  menschlichen  Kenntnisse, 
welche  durch  die  Untersuchung  der  Spectra  der  Himmelskörper 
herbeigeführt  wurden,  dann  von  den  verschiedenen  Phasen  der 


lO  Stratigraphische  Einthcilunfj. 

Erkaltung,  in  welchen  sich  heute  die  einzelnen  Himmelskörper 
befinden,  von  den  Folgerungen,  welche  sich  hieraus  für  die  Bildung 
unseres  Sonnensystems  und  für  jenen  langen  ersten  Theil  des 
Bestandes  unseres  Planeten  ergeben,  während  dessen  die  Bedin- 
gungen für  organisches  Leben  noch  nicht  vorhanden  waren ;  dann 
hört  er,  dass  in  der  Folge  Wasser,  Luft  und  Leben  entstanden 
sind,  und  dass  man  den  letzten,  seither  abgelaufenen  Zeitraum 
abtheilt  in  geologische  Formationen,  in  Epochen,  Perioden  und 
Stufen. 

Ist  der  Hörer  nun  einmal  so  weit  gekommen,  ist  er  an  der 
Pforte  der  stratigraphischen  Geologie  und  zugleich  an  jener  der 
Geschichte  des  Lebens  angelangt,  so  sieht  er  sich  umdrängt  von 
einer  kaum  zu  beherrschenden  Menge  von  Einzelheiten  über  die 
Verbreitung,  die  Lagerung,  die  Gesleinsbeschaffenheit,  die  tech- 
nische Benützbarkeit  und  die  organischen  Reste  jeder  einzelnen 
Unterabtheilung.  Er  hält  inne  und  fragt:  Was  ist  denn  eigentlich 
eine  solche  geologische  Formation?  welche  Umstände  bedingen 
ihren  Anfang  und  ihr  Ende?  wie  ist  es  denn  zu  erklären,  dass  gleich 
die  erste  derselben,  die  silurische  Formation,  in  so  entlegenen 
Theilen  der  Erde,  vom  Ladoga-See  bis  zu  den  argentinischen 
Anden  und  vom  arktischen  Amerika  bis  Australien  in  so  deutlich 
wiederkehrenden  Merkmalen  sich  wiederholt,  und  wie  kommt  es, 
dass  die  Gleichstellung  bestimmter  Horizonte  aus  verschiedenen 
Zeitaltern  und  ihre  Unterscheidung  von  anderen  Horizonten  über 
so  weite  Flächen  durchgeführt  werden  kann,  ja  dass  thatsächlich 
sich  diese  stratigraphischen  Abgrenzungen  über  den  ganzen  Erd- 
ball erstrecken? 

Diese  Frage  ist  gewiss  naheliegend  und  berechtigt,  aber  wenn 
wir  alle  die  hervorragendsten  Meister  unserer  Wissenschaft  heute 
zu  einem  glänzenden  Tribunale  vereinigen,  und  diesem  die  Frage 
des  Schülers  vorlegen  könnten,  ich  zweifle,  dass  die  Antwort  eine 
einstimmige,  ja  ich  weiss  nicht,  ob  sie  überhaupt  eine  bestimmte 
sein  würde.  Gewiss  ist,  dass  sie  im  Laufe  der  letzten  Jahrzehnte 
nicht  immer  gleich  gelautet  hätte. 

Blicken  wir  in  die  Jahre  1849 — 185g  zurück.  Die  Lehre  von 
der  wiederholten  Erschaffung  neuer  Bevölkerungen  herrscht  allent- 
halben.   Jeder  grössere  Abschnitt  bedeutet  einen  Schöpfungsact. 


Stratigraphische  Eintheilung.  I  I 

Dabei  fehlt  es  aber  nicht  an  weitgehenden  Meinungsverschieden- 
heiten über  den  Anstoss  zum  Untergange  einer  Fauna.  In  Belgien  und 
Frankreich  entstehen  lebhafte  Discussionen  über  diese  Frage.  Am 
häufigsten  begegnet  man  der  Voraussetzung,  dass  die  Erhebung 
der  Gebirgsketten  anzusehen  sei  als  die  Ursache  dieser  Kata- 
klysmata,  und  man  sucht  nach  einer  Uebereinstimmung  zwischen 
den  Erfahrungen  der  Paläontologie  und  den  Versuchen  Beaumont's, 
eine  geometrische  Gesetzmässigkeit  in  der  Vertheilung  und  eine 
geregelte  Altersfolge  der  Gebirge  nachzuweisen. 

Dumont  behauptet  unter  dem  Widerspruche  Koninck's,  die 
heutigen  zonenförmigen  Verschiedenheiten  der  Klimate  seien  von 
jeher  vorhanden  gewesen,  Faunen  wie  die  silurische,  devonische 
und  Carbon-Fauna  möchten  leicht  zugleich,  doch  in  verschiedenen 
Breiten  gelebt  haben  und  seien  nacheinander  allmälig  von  den 
Polen  zum  Aequator  vorgedrungen.  Dabei  leugnet  Dumont  keines- 
wegs die  Richtigkeit  und  den  Werth  der  Beaumont'schen  Anschau- 
ungen; er  betrachtet  aber  neben  den  angeblich  raschen  Erhebun- 
gen der  Gebirge  die  langsamen  Bewegungen  der  Erdrinde,  das  Vor- 
dringen oder  Zurückweichen  gewisser  Ablagerungen  auf  grossen 
Strecken,  und  benützt  diese  zur  Feststellung  von  Unterabtheilun- 
gen der  Tertiärformation.  Man  könnte  sagen,  dass  Dumont  strebt, 
neben  den  Discordanzen  auch  die  Transgressionen  zur  Geltung  zu 
bringen.'^ 

Barrande  untersucht,  bis  zu  welchem  Grade  die  Gebirgser- 
hebungen  als  örtliche  Erscheinungen  aufzufassen  seien,  hält  sich  an 
Beaumont's  Angabe,  dass  jedes  Gebirgssystem  sich  ausdehnen 
könne  auf  einen  Kreisausschnitt,  gelegen  zwischen  zwei  grössten 
Kreisen  mit  der  Aequatorialentfernung  von  20  Grad,  und  er- 
wartet erst  von  einem  Vergleiche  der  von  der  Paläontologie  er- 
reichten chronologischen  Tafel  mit  der  Chronologie  der  Discor- 
danzen weitere  Erfolge. '^ 

Bald  spricht  d'Archiac  mit  Bestimmtheit  die  volle, Unschäd- 
lichkeit' der  grossen  Dislocationen  der  Erdrinde  gegenüber  den 
Gesetzen  der  Lebensfolge  aus,'^  und  im  Jahre  1859  zeigt  Hebert 
die  Ausdehnung  der  Süsswasserschichten,  welche  Jura  und  Kreide- 
formation trennen,  vom  Juragebirge  bis  Hannover  und  England, 
und  folgert  aus  derselben  die  Abhängigkeit  dieser  Vorkommnisse 


I  2  UnVollständigkeit  der  Ueberliefcrung. 

von  der  Oscillation  weiter  Bodenflächen,  nicht  aber  von  den  loca- 
len  Erhebungen  der  Gebirge. '^ 

Während  in  Frankreich  die  ältere  Ansicht  von  dem  wieder- 
holten plötzlichen  Untergange  alles  Lebens  mehr  und  mehr  zurück- 
gedrängt wird,  hat  Edw.  Forbes  in  England  bereits  gelehrt,  wie 
man  selbst  innerhalb  der  heutigen  Bevölkerung  Europa's  Elemente 
von  verschiedenem  Alter  zu  unterscheiden  vermöge,'^  und  Bey- 
rich  in  Norddeutschland  wesentlich  auf  Grund  einer  weithin  nach- 
gewiesenen Transgression  die  oligocäne  Schichtgruppe  der  Tertiär- 
formation umgrenzt.*^  Daneben  haben  sich  aber  immer  noch  die 
Spuren  einer  älteren,  von  Brocchi  herrührenden  Meinung  erhalten, 
nach  welcher  den  einzelnen  Arten  selbst  eine  Lebensdauer  von 
vorneherein  gesetzt  sei,  wie  den  Individuen,  und  es  überhaupt 
eines  äusseren  Anlasses  zu  ihrem  Untergange  nicht  bedürfe. '° 

Gegen  das  Jahr  1859  hin  suchte  die  Mehrzahl  der  Forscher 
die  Ursache  der  Verschiedenheit  der  Ablagerungen  un'd  der  Fau- 
nen in  langsamen  und  ausgebreiteten  Schwankungen  der  Fest- 
länder und  in  wiederholten,  vielleicht  mit  diesen  Schwankungen 
zusammenhängenden  klimatischen  Veränderungen. 

Da  erschien  Darwin's  Buch  über  die  Entstehung  der  Species. 
,Eben  da  der  Process  der  Ausrottung,'  sagt  der  Verfasser,  ,in 
ausserordentlichem  Maassstabe  sich  vollzogen  hat,  muss  die  Zahl 
der  vermittelnden  Varietäten,  welche  früher  die  Erde  bewohnten, 
wahrhaft  ausserordentlich  sein.  Warum  ist  also  nicht  jede  geo- 
logische Formation  voll  von  solchen  vermittelnden  Gliedern?  Ge- 
wiss enthüllt  uns  die  Geologie  nicht  eine  solche  feingraduirte  or- 
ganische Kette,  und  dieses  ist  vielleicht  die  naheliegendste  und 
ernsteste  Einwendung,  welche  gegen  meine  Theorie  erhoben  wer- 
den kann.  Die  Erklärung  liegt,  wie  ich  meine,  in  der  ausserordent- 
lichen UnVollständigkeit  der  geologischen  UeberHeferung.* 

An  einer  späteren  Stelle  äussert  sich  Darwin  weiter:  ,Ich 
glaube,  dass  die  Erde  kürzlich  einen  dieser  grossen  Cyclen  des 
Wechsels  durchgemacht  hat,  und  dass,  von  dieser  Ansicht  aus- 
gehend, verbunden  mit  der  Abänderung  durch  natürliche  Auswahl, 
eine  Menge  von  Thatsachen  in  der  gegenwärtigen  Vertheilung 
sowohl  gleicher,  als  auch  verwandter  Lebensformen  erklärt  wer- 
den kann.'" 


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weilen  ein  ebenso  eer..\ue5  v-cirr; -*.;;<  \  ^    •       -  vx      ^ 


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zwischen  zwei  räumlich  ber.aohlw-:^^ 
Es  tritt  also  in  der  That  der  ."u 
den  paläontologischen  Stadion  \ov.  l\-j;  ■,;  /.-c  v'.   •  «   v  *^    *  v-x^^* 
Daneben  bleibt  nichfsdestv^wonic^r  vVo   rh.it^/wV.v^  ,,v.'vv  **.:,  vla^^ 
wir  nicht  innerhalb  der  einzelnen  Ka:r.iI:o:\  ^Hirv  rKi::u:v^v  !\  vlir 
Art^m  allmälig  und  zu  vorschiodonon  /x\W\\  sich   ä:ulcrn  srhrn, 
sondern  dass  es  ganze  Gesellschaüoii,  gan.'c  iH^völknuiimMi  und 
F'-'.ren  oder,  wenn  ich  mich  so  ausdrückon  darf,  gan/i^  i\kiMu>iin 
^.i-.hr  rlinhriten  der  Natur  sind,  wt'lchi^  gmuMUsc  haftliih  aullivtrn 
i:t:    v-e^ler  gemeinschaftlich  verschwinden.    Hies  ist  um  so  nnil. 
vir:i^-t:r.   a!.-^  die  Aenderungcn  der  Bevölkerungen   <lr-.  M«'i'  > 


I  ^  Einheit  der  Terminologie. 

und  jener  des  trockenen  Landes  keineswegs  immer  zusammen- 
fallen, wie  dies  z.  B.  für  die  einzelnen  Abtheilungen  der  Tertiär- 
formation in  der  Niederuni»"  von  Wien  auf  das  Unzweifelhafteste 
nachgewiesen  ist.  Aus  diesem  Umstände  kann  man  mit  Sicherheit 
entnehmen,  dass  hier  Veränderungen  der  äusseren  Lebensverhält- 
nisse massgebend  gewesen  sind. 

Freilich  ist  die  Ueberlieferung  in  hohem  Grade  unvollständig. 
Ein  deutliches  Zeichen  hiefür  liegt  in  der  örtlichen  Recurrenz  ein- 
zelner Gruppen.  Die  Recurrenz  gewisser  Gattungen  von  Ammo- 
nitiden  im  mitteleuropäischen  Jura  ist  von  Neumayr  bereits  be- 
nützt worden,  um  die  ersten  Grundlinien  zur  Abgrenzung  der  thier- 
geographischen  Provinzen  während  der  einzelnen  Abtheilungen  der 
Juraperiode  zu  ermitteln. ^-^  Es  sind  zwischen  diesen  Provinzen  von 
Zeit  zu  Zeit  Verbindungen  eröffnet  und  wieder  unterbrochen  wor- 
den, aber  die  Thatsache,  dass  nicht  nur  trotz  der  untergeordneten 
Verschiedenheiten  der  Synchronismus  der  Unterabtheilungen  in 
den  einzelnen  Provinzen  in  vielen  Fällen  mit  hinreichender  Sicher- 
heit ermittelt  werden  kann,  sondern  dass  über  die  ganze  Erde  hin 
dem  wohlbekannten  Gesammttypus  der  Juraformation  der  ebenso 
wohlbekannte  Typus  der  Kreidezeit  folgt,  belehrt  uns,  dass  es 
Veränderungen  gegeben  hat,  deren  Wirkungsgebiet  noch  ausge- 
dehnter war  als  diese  grossen  Provinzen. 

Auf  diesem  Umstände  beruht  auch  die  Einheit  der  strati- 
graphischen  Terminologie. 

Die  vortrefflichen  Arbeiten  der  englischen  Geologen  im 
östlichen  Australien,  die  Berichte  der  geologischen  Landesauf- 
nahme in  Ostindien,  die  Darstellungen  unserer  Reisenden  in  China 
wie  in  den  arktischen  Gegenden,  die  ausgedehnten  Publicationen, 
mit  welchen  Nordamerika  uns  beschenkt,  wie  die  Schriften  deut- 
scher Forscher  über  die  südamerikanischen  Anden,  die  Beschrei- 
bungen vom  Cap  und  die  allerdings  noch  sparsamen,  aber  höchst 
werthvollen  Nachrichten,  welche  wir  aus  den  schwerer  zugäng- 
lichen Theilen  Afrika's  erhalten  haben,  sie  bedienen  sich  Alle  an- 
standslos zur  Bezeichnung  der  wichtigeren  Glieder  des  geschich- 
teten Gebirges  jener  selben  Ausdrücke,  welche  ursprünglich  zur 
Gliederung  der  Sedimente  in  einem  beschränkten  Theile  Europa's 
gewählt  worden  sind.  Der  Geologe  in  Neu-Seeland  oder  Victoria 


I 


Einheit  der  Terminologie.  I  5 

weiss,  wenigstens  so  oft  es  sich  um  Meeresablagerungen  handelt, 
ganz  so  gut  wie  sein  College  im  nördlichen  Russland  oder  auf  Spitz- 
bergen, ob  er  paläozoische  oder  mesozoische  oder  noch  jüngere 
Ablagerungen  vor  sich  hat,  und  Ausdrücke  wie  , Kohlenkalk*, 
,Jura', , Kreide*  haben  in  diesem  Augenblicke  bereits  auf  der  gan- 
zen von  Geologen  besuchten  Oberfläche  der  Erde  das  Bürger- 
recht erlangt. 

Der  grösste  Theil  dieser  Nomenclatur  stammt  aus  England 
und  hat  Geltung  erlangt,  obwohl  schon  im  mittleren  Europa  ein- 
zelne mächtige  Meeresablagerungen  erscheinen,  deren  Zeitäqui- 
valente in  England  einen  wesentlich  anderen  Charakter  zeigen  und 
nicht  sofort  wieder  zu  erkennen  sind.  Beispiele  sind  die  Trias- 
bildungen der  Ostalpen  und  die  tithonische  Stufe.  Zugleich  lernen 
wir  durch  die  Arbeiten  Abich's  über  die  Vorkommnisse  Arme- 
nien's,  sowie  durch  Waagen  und  Griesebach  aus  Ostindien  jene 
Meeresfaunen  kennen,  welche  die  gewaltige  Lücke,  die  sich  in 
Europa  gegen  den  Schluss  der  paläozoischen  Gruppe  einstellt, 
mehr  und  mehr  ausfüllen.  Man  wird  jedoch  bei  genauerer  Ueber- 
legung  leicht  zu  der  Meinung  geführt,  dass  nicht  die  Vollständig- 
keit der  marinen  Formationsreihe  im  südöstlichen  und  mittleren 
England,  sondern  gerade  jener,  wenn  ich  so  sagen  darf,  mittlere 
Grad  der  Lückenhaftigkeit,  welcher  ihr  zukömmt,  das  Erfassen 
natürlicher  Gruppen  in  einer  Weise  erleichtert  hat,  welche  an 
anderen  Orten,  wo  eine  Meeresbildung  auf  die  andere  folgt, 
nicht  geboten  ist.  In  solchen  Gegenden  aber,  in  welchen  die 
Lückenhaftigkeit  der  Serie  eine  besonders  grosse  ist,  und  wo 
z.  B.  das  Uebergreifen  der  cenomanen  Kreide  hervortritt,  zeigt 
sich  höchst  auffallende  Uebereinstimmung  über  weite  Flächen  und 
in  beiden  Hemisphären.  Diese  Uebereinstimmung  war  es,  welche 
mich  bereits  vor  längerer  Zeit  vermuthen  Hess,  dass  die  sogenann- 
ten säcularen  Hebungen  und  Senkungen  der  Continente  nicht  aus- 
reichen, um  die  engere  Verbreitung  der  einen,  die  weitere  der 
anderen  Formation  zu  erklären,  sondern  dass  irgend  eine  gemein- 
same, wenn  auch  unbekannte  Ursache  zu  Grunde  liege.''* 

In  ähnlicher  Weise  hat  E.  v.  Mojsisovics  seither  die  ,der 
Hauptsache  nach  ganz  parallel  schreitende  Entwicklung  der  beiden 
grossen  Festlandmassen  der  Nördhemisphäre*  und  den  , überein- 


1 6  Cyclen  der  Ablagerung. 

Stimmenden  Cyclus  dynamischer  Umgestaltungen  diesseits  und 
jenseits  des  Oceans'  als  eine  der  merkwürdigsten  Erfahrungen 
bezeichnet/^ 

Schon  mehrere  Jahre  früher  meinten,  einer  ganz  anderen  Rich- 
tung der  Beobachtungen  folgend,  bedeutende  amerikanische  Geo- 
logen innerhalb  der  Schichtenreihe  ihres  Continentes  eine  gewisse 
Wiederkehr  jener  Umstände  zu  erkennen,  unter  welchen  sich  die  Ab- 
lagerung der  Sedimente  vollzieht.  Man  wollte  wahrnehmen,  dass 
jede  grosse  Formation  mit  einer  thonigen  oder  sandigen  Bildung 
in  seichterem  Wasser  beginnt,  dann  von  einer  kalkigen  Meeres- 
bildung gefolgt  wird,  worauf  wieder  die  Tiefe  des  Meeres  ge- 
ringer wird.    Man  nannte  diese  Reihen  .Cycles  of  deposition^. 

So  hat  Dawson  eine  ausführlichere  Besprechung  der  vier 
Cyclen  für  Untersilur,  Obersilur,  Devon  und  Carbon  gegeben,*^  und 
Newberry,  nachdem  er  die  paläozoischen  Cyclen  in  Ohio  erkannt, 
dieselbe  Anschauung  auf  die  mesozoischen  Ablagerungen  des  Süd- 
westens, namentlich  auf  die  Trias  von  Neu-Mexico  und  die  Kreide 
vom  Colorado  bis  Kansas  und  Texas  ausgedehnt.^^ 

Die  Vorgänge  in  der  Natur,  meinte  Newberry,  seien  aller- 
dings so  mannigfaltig,  dass  durch  dieselben  die  Einfachheit  der 
Grundlinien  leicht  verhüllt  werde.  Insbesondere  treffe  man  z.  B. 
in  dem  flötzreichen  Carbon  kleinere  Cyclen  innerhalb  der  grossen, 
nämlich  Perioden  der  Ruhe  oder  der  Regression  in  dem  Verlaufe 
dieser  Bewegungen. 

Unter  solchen  Voraussetzungen  aber,  und  sobald  man  das 
untergeordnete  Gefüge  einer  sedimentären  Reihe  in  seiner  Ab- 
hängigkeit von  den  grossen  Regeln  der  Bildungsverhältnisse  an- 
sieht, kann  die  Art  der  Schichtung  und  selbst  die  einzelne  Bank 
eine  Bedeutung  als  Glied  einer  grossen  rhythmischen  Erscheinung 
erhalten,  welche  ihr  bisher  nicht  zuerkannt  wurde.^'* 

Jener  Vorbehalt,  welchen  ich  in  Betreff  der  Chronologie  der 
F'aunen  des  trockenen  Landes  gemacht  habe,  gilt  insoferne,  als  eine 
Veränderung  der  Landfauna  durchaus  nicht  nothwendig  immer  mit 
einer  Veränderung  der  Meeresfauna  gleichzeitig  ist,  aber  die  aus- 
gedehnten Arbeiten  von  Marsh  und  Cope  zeigen  bereits  deutlich 
genug  den  beträchtlichen  Grad  der  L^ebereinstimmung  der  nord- 
amerikanischen tertiären  Landfaunen  mit  jenen  Europa's.    Diese 


Physikalische  Ursachen.  I  '1 

Thatsache  ist  darum  besonders  lehrreich,  weil  sich  aus  derselben 
noch  schlagender  wie  aus  der  Betrachtung  der  Meeresablagerun- 
gen das  gleichzeitige  Verschwinden  ganzer  Gesellschaften,  ganzer 
ökonomischer  Einheiten  auf  ausserordentlich  weite  Strecken  hin 
ergibt,  sowie  das  Erscheinen  neuer  Faunen,  jenes  selbe  Phänomen, 
welches  Heer  schon  vor  langer  Zeit  als  eine  »zeitweise  Umprä- 
gung der  Organismen*  nicht  ohne  Glück  bezeichnet  hat. 

Die  in  Europa  allerdings  noch  mehr  als  in  den  Vereinigten 
Staaten  örtlich  wechselnde  Art  des  Vorkommens  der  Landthiere 
bringt  es  mit  sich,  dass  hier  der  Forscher  noch  weit  mehr  als 
bei  den  Meeresablagerungen,  ja  fast  lediglich  auf  die  organi- 
schen Reste  seine  chronologischen  und  stratigraphischen  Folge- 
rungen zu  stützen  genöthigt  ist.  Aber  es  bedarf  kaum  der  Bemer- 
kung, dass  der  jeweilige  Charakter  der  Fauna  wohl  ein  höchst 
werthvoUes  passives  Merkmal  ist,  dass  aber  die  physikalischen  Ur- 
sachen der  Veränderungen  dereinst,  nachdem  sie  richtig  erkannt 
sein  werden,  die  einzige  natürliche  Grundlage  einer  Abgrenzung 
der  Zeitabschnitte  sein  werden. 

Diese  physikalischen  Ursachen  sind  wahrscheinlich  von  sehr 
verschiedener  Art.  Wie  der  kurze  Rückblick  auf  das  Schwanken 
der  Meinungen  im  Laufe  der  letzten  Jahrzehnte  gezeigt  hat,  sind 
es  vornehmlich  die  Bewegungen  der  Erdrinde  gewesen,  in  welchen 
man  die  Veranlassung  zu  den  Veränderungen  der  organischen 
Welt  gesucht  hat.  Die  Fortschritte,  welche  die  Kenntniss  von  dem 
Gefüge  der  grossen  Gebirgsketten  gemacht  hat,  führen  uns  je- 
doch einem  Verständnisse  dieses  vermeintlichen  Zusammenhanges 
nicht  näher.'  Die  Art  und  Weise,  in  welcher  sich  die  Contraction 
der  Erdrinde  an  der  Oberfläche  des  Planeten  äussert,  die  Bildung 
von  Falten  und  Einbrüchen,  steht  nicht  im  Einklänge  mit  der  Vor- 
aussetzung von  langsam,  auf  weite  Strecken  hin,  gleichförmig,  zu 
wiederholten  Malen  auf-  und  wieder  absteigenden  continentalen 
Tafeln.  Die  gleichartige  Entwicklung  der  sedimentären  Reihe 
und  die  Uebereinstimmung  ihrer  Lücken  auf  beiden  Seiten  des 
atlantischen  Oceans  erklären  sich  auf  diesem  Wege  nicht.  Wenn 
in  einzelnen  der  trefflichsten  Darstellungen  der  Structur  irgend 
eines  Gebirgszuges  neben  der  Darlegung  der  Bildung  der  Falten 
und  Brüche  noch  zur  Erklärung  der  etwaigen  Lückenhaftigkeit  der 

Suess,  Das  Antlitic  der  Erde.  2 


!i 


I 
1 


l  8  Dislocation  und  Transgression. 

Serie  von  ,Massenerhebungen*  gesprochen  wird,  welche  unab- 
hängig sein  sollen  von  der  Bildung  der  Gebirgskette,  so  sieht  sich, 
meine  ich,  der  prüfende  Leser  vor.  eine  den  übrigen  Erklärungen 
fremde  Annahme  gestellt.  Es  bleibt  der  Eindruck  zurück,  als  seien 
grundverschiedene  Erscheinungen  nicht  hinreichend  von  einander 
gesondert. 

Man  vergleiche  den  Gegensatz  zwischen  dem  Begriffe  einer 
Formationsgrenze  im  Beaumont'schen  Sinne  und  jenen  Anschauun- 
gen, von  welchen  Beyrich  bei  der  Theilung  der  mittleren  Tertiär- 
ablagerungen ausgegangen  ist.  Dieser  Gegensatz  findet  den  deut- 
lichsten Ausdruck,  indem  man  dem  Worte  ,Dislocation*  das  Wort 
,Transgression'  entgegenstellt. 

Die  Dislocation,  mag  sie  eine  Faltung  oder  eine  Senkung 
sein,  bleibt  auf  ein  gewisses  Gebirgssystem,  oft  nur  auf  einen  ganz 
geringen  Theil  desselben  beschränkt;  die  Transgression  erstreckt 
sich  weithin  über  grosse  Theile  der  Erdoberfläche.  Die  Intensität 
der  Dislocation  mag  örtlich  sehr  rasch  wechseln;  die  Transgression 
lässt,  sofern  nur  ein  einzelner  Gebirgstheil  betrachtet  wird,  Ver- 
schiedenheiten der  Intensität  kaum  erkennen,  und  die  Transgres- 
sion mag  weithin  in  vollster  Concordanz  mit  der  Unterlage  vor 
sich  gehen.  Die  dislocirte  Schichte  war  vor  dem  Eintritte  jenes 
Ereignisses  vorhanden,  dessen  Natur  wir  prüfen  wollen ;  die  trans- 
gredirende  Schichte  hat  sich  darnach  oder  während  desselben  gebil- 
det. Die  Dislocationen  hat  man  durch  die  Erforschung  des  Gefüges 
der  grossen  Gebirgszüge  in  neuerer  Zeit  mit  immer  grosserem 
Verständnisse  für  die  Ursachen  zu  verfolgen  gewusst;  in  Betreff 
der  Transgressionen  schwankt  das  Urtheil  zwischen  widersprechen- 
den Annahmen. 

Dass  die  Dislocationen  aus  wahren  Bewegungen,  d.  i.  aus 
gegenseitigen  Ortsveränderungen  einzelner  Theile  des  Planeten 
hervorgegangen  sind,  bedarf  keiner  Erläuterung;  das  Wort  selbst 
drückt  es  aus.  Es  gilt  dasselbe  nicht  von  den  Transgressionen; 
auch  ist  dieses  Wort  gar  nicht  in  gleichem  Sinne  gewählt. 

Seit  langer  Zeit  und  unter  verschiedenen  Gestalten  ist  die  An- 
sicht hervorgetreten,  dass  neben  den  Bewegungen  der  Erdrinde 
auch  Formveränderungen  der  Meeresoberfläche  vor  sich  gehen.  Die 
ausserordentliche  Ausdehnung  einzelner  Transgressionen  führt  zu 


Selbständigkeit  der  alten  Strandlinien.  I  Q 

dieser  Ansicht  zurück.  Nur  eine  genaue  Betrachtung  der  jüngsten 
Vorgänge,  insbesondere  des  Auftretens  verlassener  Strandlinien 
über  dem  heutigen  Strande,  kann  hier  zu  bestimmteren  Ansichten 
führen.  Aber  schon  die  erste  Betrachtung  solcher  Strandlinien  lehrt 
ihre  unbedingteste  und  vollständigste  Unabhängigkeit  von  dem  geo- 
logischen Baue  der  Küste.  Man  trifft  an  den  italienischen  Küsten 
die  Linien  einstiger  Meeresniveaux  in  ungestörter  Horizontalität 
an  den  verschiedenen,  zum  Meere  vortretenden  Bruchstücken  der 
Apenninen,  da  auf  Kalkstein,  dort  auf  den  alten  F'elsarten  Cala- 
brien's,  dort  endlich  an  dem  Aschenkegel  des  Aetna.  Diese  gänz- 
liche Unabhängigkeit  der  alten  Strandlinien  von  der  Beschaffenheit 
der  Gebirge  ist  an  hunderten  von  Beispielen  erweisbar.  Nun  lässt 
sich  aber  die  Voraussetzung  einer  so  gleichmässigen  Erhebung 
oder  Senkung  eines  doch  so  vielgestaltigen  und  in  so  viele  Frag- 
mente zerbrochenen  Festlandes  ohne  jede  gegenseitige  Verschie- 
bung der  Theile,  wie  sie  zur  Erklärung  des  horizontalen  Verlaufes 
dieser  Linien  um  die  einzelnen  Bruchstücke  eines  Gebirges  erfor- 
derlich ist,  gar  nicht  in  Einklang  bringen  mit  den  heutigen  Er- 
fahrungen über  den  Bau  der  Gebirge  selbst.  Und  so  führt  dieser 
Umstand  ebenfalls  zu  der  Annahme  von  selbständigen  Bewegungen 
des  Meeres,  d.  i.  von  Veränderungen  der  Gestalt  der  Hydrosphäre 
zurück.  — 

Es  mag  nun  derselbe  Beobachter,  Wanderer  und  Zuhörer  den 
Hörsaal  verlassen  und  in  unserer  reichen  Literatur  Belehrung  über 
das  wahre  Wesen  einer  geologischen  Formation  suchen.  Würde 
er  es  der  Mühe  werth  finden,  auch  das  Buch  aufzuschlagen,  welches 
ich  hiermit  der  Oeffentlichkeit  übergebe,  er  würde  die  Beantwor- 
tung seiner  Frage  nicht  in  demselben  finden.  Diese  Antwort  ist  die 
grosse  Aufgabe  der  uns  nachfolgenden  Generation  von  Fachge- 
nossen. Hier  soll  nur  versucht  werden,  durch  eine  kritische  Vereini- 
gung von  neuen  Erfahrungen  manchen  alten  Irrthum  zu  beseitigen 
und  eine  vorurtheilsfreie  Ueberschau  vorzubereiten. 

Zu  diesem  Ende  ist  dasselbe  in  vier  Theile  geschieden. 

Der  erste  Theil  handelt  von  den  Bewegungen  in  dem  äusse- 
ren Felsgerüste  der  Erde.  Er  zerfällt  in  mehrere  von  einander 
ziemlich  selbständige  Studien.  Die  erste  bespricht  das  grösste 
Naturereigniss,  von  welchem   Berichte  vorhanden  sind,  nämlich 


20  Inhalt  "der  folgenden  Theile. 

die  Sintfluth.  Es  ergibt  sich  hierbei  die  Gelegenheit,  eine  Reihe 
von  Vorkommnissen  zu  vergleichen,  welche  den  Mündungsgebieten 
grosser  Ströme  eigen  sind,  und  durch  deren  Verkennung  die 
falsche  Beurtheilung  z.  B.  der  Erscheinungen  des  Ran  of  Kachh 
herbeigeführt  worden  ist.  Der  folgende  Abschnitt  betrifft  ein- 
zelne Schüttergebiete,  nämlich  die  Ostalpen,  das  südliche  Italien 
und  das  Festland  von  Centralamerika ;  dann  wird  die  Frage  ge- 
prüft, ob  bei  den  chilenischen  Erderschütterungen  wirklich  dauernde 
Erhebung  des  Bodens  eingetreten  ist.  Hierauf  folgt  der  Versuch 
einer  Uebersicht  der  verschiedenen  Arten  von  Dislocationen,  dann 
ein  Abschnitt  über  Vulcane,  endlich  eine  kurze  Erörterung  der 
Frage,  welche  Beziehungen  zwischen  den  fühlbaren  Bewegungen 
der  Erde  und  den  Dislocationen  bestehen  mögen. 

Der  zweite  Theil  bespricht  den  Bau  und  den  Verlauf  einer 
Anzahl  grosser  Gebirge.  Er  beginnt  mit  dem  nördlichen  Vor- 
lande der  Karpathen;  dann  fogt  das  nördliche  Vorland  der  Alpen 
und  eine  längere  Reihe  von  Einzelschilderungen  aus  allen  Welt- 
theilen.  An  diese  lediglich  beschreibenden  Abschnitte  schliesst 
sich  ein  Ueberblick  der  Structur  der  Oberfläche  unseres  Erdballes 
und  die  nähere  Erläuterung  der  Verschiedenheit,  welche  zwischen 
dem  pacifischen  und  dem  atlantischen  Becken  besteht. 

Der  dritte  Theil  erörtert  die  Veränderungen  der  Ober- 
flächengestalt des  Meeres.  Zuerst  wird  eine  Uebersicht  der 
Schwankungen  der  Ansichten  über  diesen  Gegenstand  gegeben. 
Es  wird  hierauf  zur  Erlangung  einer  neutralen  Ausdrucksweise  vor- 
geschlagen, von  positiven  und  von  negativen  Verschiebungen  der 
Strandlinie  zu  sprechen,  und  werden  in  einer  Reihe  beschreibender 
Abschnitte  die  Spuren  dieser  Verschiebungen  rings  um  die  Fest- 
länder und  die  oceanischen  Inseln  verfolgt.  Den  Schluss  bildet 
eine  Uebersicht  und  Discussion  dieser  Beobachtungen. 

Der  vierte  Theil  führt  die  Aufschrift:  das  Antlitz  der  Erde. 
Er  fasst  den  Inhalt  der  vorhergehenden  Theile  zusammen,  und  er 
vergleicht  die  aus  denselben  erkennbaren  Veränderungen  mit  dem 
allgemeinen  Charakter  jener  Veränderungen,  welche  seit  dem  Be- 
ginne der  Tertiärzeit  in  den  Landfaunen  der  nördlichen  Hemi- 
sphäre eingetreten  sind. 


Anmerkungen  zur  Einleitung. 


'  Will.  Carpenter,  Land  and  Sei,  considcred  in  rclation  to  jjeoloj».  Time;  Vor- 
trag im  Roy.  Instit.  of  Gr.  Hrit.,  Jan.  23*1,   1880,  p.  4. 

^  O.  Krümmcl,  Versuch  einer  verj»l.  Morphologie  der  Meeresräume,  8'»,  T.eip/.ig 
1879,  S.  102,   106,   107. 

3  Fischer,  Untersuchungen  über  die  Gestalt  der  Erde,  8",  1868;  Hann,  lieber 
gewisse  beträchtliche  Unregelmässigkeiten  des  Meercsniveau's;  Mitth.  Gcogr.  Ges.  Wien, 
1875,  VIII.  S.  554-5<59. 

4  Listing  hat  eine  grossere  Anzahl  von  Werthen  für  die  Attraction  zu  ermitteln 
gewicht  und  fand:  London  118  M.,  Paris  268  M.,  Insel  Maranon  (n.  brasil.  Küste)  567  M., 
Bonin-Insel  —  i3o9  M.,  St.  Helena  —  847  M.,  Spitzbergen  —  217  M.,  Berlin  377  M., 
Königsl>crg  92*6  M.;  vgl.  Listing,  Neue  geometr.  und  dynam.  ("onstanten  des  Kr<lkr»r|)<*rs, 
Nachrichten  d.  k.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Göttingen,   1877,  S.  749—815. 

5  L.  Agassiz,  Rep.  upon  Dcep-Sea  Dredgings;  Bull.  comp.  Zool.  Harvard  ('oll., 
Cambridge  Mass.,  3d  ser.,  1869,  p.  368;  Dana,  Am.  Journ.  Sc.  Arts,  1873,  3  sur.  VI; 
p.  169;  Gcikic,  On  Geographical  Evolution;  Proc.  Roy.  Geogr.  Soc,  1879,  ncw  scr.  I, 
p.  422—443. 

^  Murray,  On  thc  Distribution  of  volcanic  debris  over  thc  floor  of  the  Occan ; 
Proc.  Roy.  Soc.  Edinb.,   1877,  IX,  p.  247—261  u.  a.  a.  O. 

7  Ch.  A.  Ashburton,  A  measured  section  of  thc  Palacoz.  Rocks  of  ('cntr.  Penn- 
sylvania; Proc.  Am.  Philos.  Soc.  Philadelphia,    1877,  XVI,  p.  519—560. 

8  Judd,  The  Secondary  Rocks  of  Scotland,  I;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1873, 
XXIX,  p.  i3o  und  pl.  VII,  Karte  des  Moray  Firth. 

9  Dieulafait,  Comptcs  rend.,   1879,  t.  88,  p.  351. 

»o  H.  D.  Rogers,  Thc  Geol.  of  Pennsylvania,  40,  Philad.,    1858,  vol.  IIb,  p.  897. 

>»  Dana,  Manual  of  Geol.,  3d  ed.,  p.  399. 

«2  Clar.  King,  U.  St.  Explor.  Expcd.  of  thc  40.  Parall.,  4",  1878,  I,  p.  44;  Emmons, 
ebcnd.  II,  p.  340. 

'3  J.  W.  Powell,  Report  on  the  Geol.  of  thc  Eastern  Portion  of  the  Uinüi  Mount., 
4",   1876,  p.  175,  Atl.  pl.  III. 

'4  A.  Dumont,  Note  sur  l'Emploi  des  Caractcres  gcomc^trirjues  result.  des  mouve- 
ments  IcnLs  du  sol,  pour  6tablir  Ic  synchronismc  de  form.ations  gcologir|ues;  Bull.  Acad. 
Roy.  Belg.,  1852,  XIX b,  p.  514-518. 

«5  Barrandc,  Observations  sur  les  Rapports  de  la  Stratigraphic  et  de  la  P.dconto- 
logie;  Bali,  de  la  Soc.  g^ol.,   1854,  2^  scr.,  XI,  p.  3ii — 326. 

>6  d^Archiac,  Histoire  des  Progrcs  de  la  Geologie,  1857,  VII,  tcrr.  jura^s..  p.  599: 
.rinnocaite  compK*te.  si  Ton  peut  s'exprimcr  ainsi  .  .  .' 


2  2  Anmerkungen  zur  Einleitung. 

'7  Hdbert,  Observations  sur  les  phdnomenes  qui  sc  sont  pass6s  h.  la  Separation  des 
p^riodes  g^ologiques;  Bull,  de  la  Soc.  geol.,   1859,  2«  s6r.,  XVI,  p.  596 — 6Ö5. 

»^  Edw.  Forbes,  On  the  Connexion  between  the  Distribution  of  the  existing  fauna 
and  flora  of  the  British  Isles  and  the  geol.  changcs  etc.;  Mem.  Geol.  Surv.  Off.  I,  p.  340. 

»9  Beyrich,  Ueb.  d.  Zusammenhang  d.  norddeutsch.  Tertiärbildungen;  Abh.  K.  Akad. 
Wiss.  Berlin,   1855,  S.  1—20,  und  Karte. 

20  Brocchi,  Riflessioni  sul  perdimento  delle  specie;  Conchol.  foss,  subapp.,  18 14,  I, 
p.  219—240;  vgl.  auch  H.  V.  Meyer,  Act.  Ac.  Leop.-Carol.,  XVI,  2,  S.  474;  Zur  Fauna 
von  Oeningen,  S.  48;  Ch.  Darwin,  A  Journal  of  Researches,  p.  212;  Rieh.  Owen,  Brit. 
fossil.  Mammal.,  p.  270 ;  Barrande,  Parall.  entre  les  d6pöts  silur.  de  Boheme  et  de 
Scand.,  p.  54. 

21  Darwin,  On  the  Origin  of  Spccies,  Chapt.  IX:  On  the  Imperfcction  of  Geo- 
logical  Record;  Chapt.  XII:    Geographical  Distribution,  am  Schlüsse. 

22  Aristot.,  Meteor.  XII. 

23  Neumayr,  Ueber  unvermittelt  auftretende  Cephalopodentypcn  im  Jura  Mittel- 
Europa's;    Jahrb.  d.  geol.  Reichsanst.,   1878,  XXVIII,  S.  37—80. 

24  Die  Entstehung  der  Alpen,  8",   1875,  ^'  115  —  120. 

25  E.  Mojsisovics  v.  Mojsvär,  Die  Dolomitriffe  von  Südtirol  und  Vcnetien 
8«,   1879,  S.  9.  -e 

26  Dawson,  Acadian  Geology,  8",   1868,  p.  137. 

27  Newberry,  On  Circles  of  Deposition  in  Secondary  sedimentär}-  Rocks,  Ame- 
rican and  Foreign;  Proc.  Lyceum  Nat.  bist.  New-York,  2^  scr.,  n"  4,  lö^h  March  1874, 
p.  122  —  124. 

28  H.  O.  Lang,  Ueber  Sedimentärgesteine  aus  der  Umgebung  von  Göttingen; 
Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.  Ges.,  1881,  XXXIII,  S.  273,  Anm. :  ,Der  Aus<lruck  Schich- 
tung wird  .  .  .  für  eine  Erklärung  gebraucht,  welche  man  als  Ausfluss  einer  Periodi- 
cität  in  den  Bildungsverhältnissen  betrachtet.' 


ERSTER  THEIL 


niE  BEWEGUNGEN  IN  DEM  ÄUSSEREN 
FELSGERÜSTE  DER  ERDE. 


i 


ERSTER  ABSCHNITT. 


Die  Sintfluth. 


Meercsfluthcn.  —  Zwei  Berichte  in  der  biblischen  Darstellung  vereint.  —  Berosus.  —  Das  Izdu- 
bar-Epos.  —  Oertlichkeit.  —  Verwendung  von  Asphalt.  —  Warnungen.  —  Die  Katastrophe. 

—  Strandung.  —  Abschluss  des  Ereignisses.  —   Neuere  Vorgänge   an  ostindischen  Flüssen. 

—  Indus.    —    Ran  of  Kachh.    —    Ganges  und  Brahmaputra.    —    Wirbelstürme.    —    Wesen 
und  Verbreitung  der  Sintfluth.    —   Eintheilung  der  Berichte.    —  Berosus  und  Izdubar-Epos. 

—  Biblische  Berichte.  —  Aegypten.   —  Hellenisch-syrische  Gruppe.  —  Indien.  —  China.  — 

Schluss. 


V^harles  Lyell  hat,  wie  Niemand  vor  ihm,  gezeigt,  aufweiche 
Weise  in  der  Natur  durch  kleine  Kräfte  grosse  Wirkungen  erzielt 
werden.  Aber  der  Maassstab  für  Klein  und  Gross,  sowie  für  die 
Dauer  und  die  Heftigkeit  einer  Naturerscheinung  wird,  wie  Ernst 
V.  Baer  in  tief  durchdachten  Worten  gelehrt  hat,  in  gar  vielen 
Fällen  aus  der  physischen  Organisation  des  Menschen  ge- 
nommen. Das  Jahr  ist  ein  Zeitmaass,  welches  das  Planetensystem 
uns  darbietet;  sprechen  wir  von  einem  Jahrtausend,  so  haben  wir 
das  Decimalsystem  und  damit  den  Bau  unserer  Extremitäten  ein- 
geführt. Berge  messen  wir  oft  noch  nach  Füssen ;  lange  und  kurze 
Zeiträume  unterscheiden  wir  nach  der  mittleren  Lebensdauer  des 
Menschen  und  folglich  nach  der  Gebrechlichkeit  unseres  Körpers, 
und  für  die  Bezeichnungen  ,heftig'  oder  , minder  heftig'  entnehmen 
wir  in  gleicher  Weise  unbewusst  das  Maass  dem  Kreise  der  per- 
sönlichen Erlebnisse. 

So  haftet  das  Urtheil  an  dem  physischen  Leibe  und  liebt  zu 
vergessen,  dass  der  Planet  wohl  von  dem  Menschen  bemessen 
werden  mag,  aber  nicht  nach  dem  Menschen.  Indem  man  sich 
der  Bewunderung  des  Korallenthierchens  hingab,  welches  das  Riff 
thürmt,  und  der  Betrachtung  des  Regentropfens,  welcher  den  Stein 


2()  Die  Sintfluth. 

höhlt,  hat  sich,  fürchte  ich,  aus  der  friedlichen  Alltäglichkeit  des 
hürjjerlichen  Lebens  ein  gewisser  geologischer  Quietismus  her- 
übtTgeschmeichelt  in  die  Beurtheilung  der  grössten  Fragen  der 
Erdgeschichte,  welcher  nicht  zu  der  vollen  Beherrschung  jener  Er- 
scheinungen führt,  die  für  das  heutige  Antlitz  der  Erde  die  maass- 
gt*l)endsten  waren  und  sind. 

Die  Zuckungen,  von  welchen  weit  häufiger,  als  man  noch  vor 
kurzer  Zeit  annahm,  einzelne  Stücke  des  äusseren  Felsgerüstes 
dvr  ]{rde  ergriffen  werden,  mahnen  deutlich  genug,  wie  einseitig 
tnne  solche  Anschauung  der  Dinge  ist.  Die  heutigen  Erdbeben 
sind  gewiss  nur  gar  schwache  Erinnerungen  an  jene  tellurischen 
Bewegungen,  von  welchen  der  Bau  fast  jedes  Gebirgszuges  Kennt- 
niss  gibt.  Es  sind  zahlreiche  Beispiele  des  Gefüges  grosser  Ge- 
birgsketten bekannt,  welche  innerhalb  der  Stetigkeit  der  grossen 
Vorgänge  einzelne  Episoden  als  möglich,  in  gewissen  Fällen  so- 
gar als  wahrscheinlich  erscheinen  lassen,  von  so  unsagbar  erschüt- 
t(Tnder  Gewalt,  dass  die  Einbildungskraft  sich  sträubt,  dem  füh- 
renden Verstände  nachzufolgen  und  das  Bild  auszugestalten,  für 
welches  aus  beobachteten  Thatsachen  dieser  die  Umrisse  setzt. 

Solche  Katastrophen  hat,  so  weit  geschriebene  Berichte 
reichen,  unser  Geschlecht  nicht  erlebt.  Das  gewaltigste  Natur- 
ereigniss,  von  welchem  menschliche  Erinnerungen  erzählen,  trägt 
den  Namen  der  Sintfluth,  und  es  soll  der  Versuch  unternommen 
werden,  die  physische  Grundlage  der  alten  Berichte  aufzusuchen. 
Dieser  Versuch  soll  unternommen  werden  auf  Grund  der  keil- 
schriftlichen Texte,  und  ich  habe  bei  demselben  eine  sehr  wesent- 
liche Unterstützung  in  der  freundlichen  Beihilfe  des  ausgezeich- 
neten Kenners  dieser  Denkmale  uralter  Cultur,  Dr.  Paul  Haupt 
in  Göttingen,  gefunden,  welcher  mir  über  viele  dunkle  Punkte  in 
den  alten  Texten  Aufschluss  gegeben  und  von  einzelnen  wichtigen 
Stellen  gütigst  eine  geänderte  Uebertragung  mitgetheilt  hat. 

In  den  Sagen  und  in  den  heiligen  Büchern  des  Alterthums 
finden  sich  zahlreiche  Berichte  von  grossen  Naturereignissen.  In 
den  Ueberlieferungen  des  europäischen  Nordens  überwiegen  solche 
Mittheilungen,  welche  sich  auf  vulcanische  Ausbrüche  beziehen. 
Ausserordentlich  verbreitet  in  der  alten  wie  in  der  neuen  Welt 
sind  die  Nachrichten  von  verheerenden  Fluthen. 


Mceresfluthen.  2  7 

Es  muss  nun  schon  vom  Beginne  festgehalten  werden,  dass 
an  so  grossen  Fluthen  die  atmosphärischen  Niederschläge  nur 
einen  untergeordneten  Theil  haben  können.  Sie  können  ihrer 
ganzen  Entstehungsweise  nach  ein  gewisses  Maass  nicht  über- 
schreiten; sie  bleiben  in  ihren  heftigsten  Formen  räumlich  be- 
schränkt, und  sie  fliessen  ab,  indem  sie  dem  Gefalle  der  Thäler 
folgen.  Ausserordentlich  viel  gewaltiger  sind  die  Fluthen,  welche 
von  Wirbelstürmen,  und  die  ausgedehntesten  sind  jene,  welche  von 
Erdbeben  verursacht  werden. 

Als  am  I.  November  1755  Lissabon  von  einem  gewaltigen 
Erdstosse  getroffen  wurde,  da  trug  der  Atlantische  Ocean  die  er- 
regte Brandung  bis  an  die  Antillen.  Als  am  23.  December  1854 
Simoda  in  Japan  durch  ein  Erdbeben  verheert  wurde,  schlugen 
die  erhobenen  Wellen  des  nördlichen  pacifischen  Oceans  an  die 
californische  Küste.'  Als  am  13.  August  1868  ein  mächtiger 
Schlag  bei  Arica  an  der  peruanischen  Küste  erfolgte,  konnte  aus 
weither  gesammelten  Nachrichten  Hochstetter  uns  zeigen,  wie  die 
Erregung  des  Meeres  hinspülte  nach  Nord  und  nach  Süd  längs 
der  Westküste  Amerika's,  wie  die  Wogen  an  den  Sandwich-Inseln 
sich  erhoben  in  tagelanger  Unruhe,  wie  sie  die  Samoa-Inseln  trafen, 
die  australische  Ostküste,  Neuseeland  und  die  Chatham-Inseln.* 
Die  französische  Fregatte  , Nereide'  aber  begegnete  damals,  gegen 
Cap  Hörn  reisend,  im  5 1 .  Breitegrade  grossen  Schaaren  frisch 
gebrochener  zackiger  Eisberge,  welche  die  mächtige  Fluth,  unter 
das  antarktische  Eis  dringend,  losgebrochen  hatte.^  Auch  bei  dem 
Erdbeben  von  Iquique  in  Peru  am  9.  Mai  1877  wogte,  wie  Eugen 
Geinitz  gezeigt  hat,  das  pacifische  Meer  auf  von  Japan  bis  zu  den 
Chatham -Inseln.^ 

•  Und  wehe  dem  Landstriche,  welcher  in  der  Nähe  des  Stosses 
von  solcher  Fluth  getroffen  wird!  So  war  es  am  28.  October  1746 
zu  Callao  in  Peru.  Ein  Beobachter,  welcher  kurz  darauf  den  Ort 
besuchte,  schreibt :  ,Nicht  das  geringste  Zeichen  seiner  früheren 
Gestalt  ist  geblieben.  Im  Gegentheile  bezeichnen  viele  Haufen 
von  Sand  und  Geschiebe  die  Stelle  der  einstigen  Lage;  es  ist  ein 
geräumiger  Strand  geworden,  welcher  sich  längs  der  Küste  hin- 
streckt. In  der  That  widerstanden  einige  Thürme  durch  die  Stärke 
ihrer  Mauern  eine  Zeit  hindurch  der  ganzen  Kraft  des  Erdbebens 


2  8  Mcercsfluthcn. 

und  der  Macht  der  Stösse;  aber  kaum  hatten  die  armen  Einwohner 
begonnen,  sich  von  dem  Grauen  des  ersten  Schreckens  zu  erholen, 
als  plötzlich  die  See  begann  anzuschwellen,  und  die  Anschwellung 
stieg  in  so  erstaunlichem  Maasse  und  mit  so  gewaltigem  Drucke, 
dass  das  Wasser,  von  der  erreichten  Höhe  herabstürzend,  —  ob- 
wohl Callao  auf  einer  Höhe  stand,  welche,  unmerklich  zunehmend, 
sich  bis  Lima  erstreckt,  —  mit  Wuth  vorwärts  drang  und  weit  über 
seine  Ufer  hinaus  Alles  mit  ungeheurer  Fluth  bedeckte,  den 
grössten  Theil  der  Schiffe  zerschellte,  welche  im  Hafen  vor  Anker 
gelegen  waren,  die  übrigen  über  die  Höhe  der  Mauern  undThürme 
erhob,  sie  vorwärts  trieb  und  weit  jenseits  der  Stadt  im  Trockenen 
zurückliess.  Zur  selben  Zeit  riss  die  Fluth  von  Grund  aus  Alles  auf, 
was  sie  an  Häusern  und  Bauwerken  bedeckte  .  .  ^ 

Von  fünftausend  Einwohnern  haben  etwa  zweihundert  diese 
Stunde  überlebt. 

Aehnliches  hat  sich  zu  wiederholten  Malen  ereignet.  Das 
Meer  zieht  sich  weit  zurück,  erhebt  sich  in  langem,  gewaltigem 
Rücken  und  stürzt  dann  verheerend  über  das  Land;  die  Flüsse 
stauen  zurück;  die  Städte  werden  verwüstet.  Das  Maass  des  Un- 
heils hängt  zum  grossen  Theile  von  dem  Umrisse  der  Küste  und 
der  Höhe  des  Landes  ab.  In  Südamerika  sind  solche  Fluthen  in 
neuerer  Zeit  besonders  auffallend  gewesen,  und  Lyell  hat  wohl  mit 
Recht  schon  vor  Jahren  die  Fluthsagen  der  araucanischen  In- 
dianer hieraus  zu  erklären  versucht.^  Die  Bewohner  der  Fidji-In- 
seln  berichten  von  einer  grossen  Fluth,  nach  welcher  man  durch 
viele  Jahre  Fahrzeuge  bereit  hielt,  um  sich  im  Falle  einer  Wieder- 
holung des  Ereignisses  zu  retten,  und  Lenormant  macht  in  seiner 
trefflichen  Uebersicht  der  Fluthsagen  aufmerksam,  um  wie  viel 
mehr  diese  Bemerkung  auf  eine  Hochfluth  des  Meeres,  als 
auf  eine  allgemeine  Ueberschwemmung  des  Erdball's  hinweist.^ 
Es  ist  aber,  meine  ich,  nach  den  im  Laufe  der  ^letzten  Jahrzehnte 
gesammelten  Erfahrungen  über  seismische  Hochfluthen  sehr  be- 
greiflich, dass  auf  den  entferntesten  Inseln  die  Berichte  von  grossen 
Fluthen  getroffen  werden.  In  einzelnen  dieser  Ueberlieferungen 
wird  sogar  ausdrücklich  gesagt,  dass  das  Meer  die  Fluth  er- 
zeugt habe.  Solche  seismische  Fluthen  sind  nur  auf  Inseln,  in  flach 
gelegenen  Küstenstrecken   und   in   dem   tieferen  Theile   grosser 


Biblisrte  Berichlc.    Berosus.  29 

Flussthäler  nach  dem  bisherigen  Stande  der  Erfahrung  voraus- 
zusetzen. 

Die  gangbare  Auffassung  des  biblischen  Textes  bot  daher 
jeder  physischen  Erklärung  Schwierigkeiten.  Man  mochte  nicht 
zugestehen,  dass  eine  seismische  Woge  das  Fahrzeug  Noah's  bis 
auf  die  Höhe  des  Ararat  getragen  habe,  und  auch  durch  meteori- 
sche Niederschläge  konnte  das  Ereigniss  nicht  erklärt  werden. 

Die  bibhsche  Darstellung  besteht  aus  zwei  von  verschiedenen 
Berichterstattern  verfassten  Aufschreibungen,  welche,  unter 
mehrfachen  Wiederholungen  und  mit  untergeordneten  Abwei- 
chungen von  einander,  auf  eine  Weise  vereinigt  sind,  welche  ihre 
Trennung  nicht  schwer  macht.  Sie  unterscheiden  sich  in  auffallen- 
der Weise  dadurch,  dass  der  eine  Berichterstatter  für  die  Gottheit 
den  Namen  Jahveh,  der  andere  die  Pluralform  Hlohim  anwendet, 
sowie  durch  die  Art  der  Darstellung  selbst.  Aber  die  Trennung 
beider  Berichte  fördert  nicht  wesentlich  die  Erkenntniss  der  da- 
maligen Vorgänge  in  der  Natur,  und  wenn  auch  versucht  worden 
ist,  durch  scharfsinnige  Exegese  zu  zeigen,  dass  unter  den 
Worten  Genesis,  VIII,  4  ,die  Berge  des  Ararat'  nicht  der  heutige 
Berg  dieses  Namens,  sondern  die  Berge  einer  Landschaft  zu  ver- 
stehen seien,  über  deren  Lage  Sicheres  nicht  vorliegt,  so  ist  auch 
hiedurch  noch  kein  wesentlicher  Erfolg  erzielt. 

A.   Das  T^diibar-Epos. 

Aus  den  erhaltenen  Bruchstücken  der  Schriften  des  Berosus, 
eifles  babylonischen  Priesters,  welcher  um  330  bis  260  v.  Chr. 
lebte,  weiss  man  seit  längerer  Zeit,  dass  in  den  Niederungen  des 
Euphrat  die  Ueberlieferung  von  einer  grossen  Fluth  bestand, 
welche  in  mehreren  Zügen  auffallend  mit  der  biblischen  Erzählung 
übereinstimmte. 

Diese  grosse  Fluth  ereignete  sich  nach  Berosus,  welcher  sich 
auf  die  heiligen  Schriften  beruft,  unter  der  Regierung  des  Xisu- 
thros,  Sohn  des  Otiartes.  Kronos  verkündet  dem  Xisuthros  im 
Traume,  dass  am  15.  des  Monates  Daisios  alle  Menschen  durch 
eine  Fluth  zu  Grunde  gehen  würden.  Hr  befiehlt  ihm,  die  Schriften 
zu  vergraben  zu  Sippara,  der  Stadt  der  Sonne,  dann  ein  l-'abr- 
zeug  zu  bauen,  dasselbe  mit  Nahrungsmitteln  zu  vtrsehen,  daj 


30  Entdeckungen  von  Kujundjik. 

es  mit  seiner  Familie  und  seinen  Freunden  zu  besteigen,  auch 
vierfüssige  und  fliegende  Thiere  mitzunehmen.  Xisuthros  befolgt 
die  Gebote;  die  Fluth  tritt  ein  und  bedeckt  das  Land;  sie  nimmt 
wieder  ab ;  er  lässt  Vögel  fliegen,  um  sich  von  dem  Zustande  der 
Dinge  zu  unterrichten,  verlässt  endlich  das  Fahrzeug  und  bereitet 
mit  seiner  Familie  den  Göttern  ein  Opfer.  Xisuthros  wird  nun 
zum  Lohne  für  seine  Frömmigkeit  erhoben,  um  unter  den 
Göttern  zu  wohnen;  ebenso  seine  Frau,  seine  Tochter  und  der 
Steuermann. 

Dies  ist  der  wesentliche  Inhalt  des  Berichtes  des  Berosus, 
wie  er  von  Alexarider  Polyhistor  überliefert  wurde.  ,Von  dem 
Schiffe  des  Xisuthros,*  so  schliesst  derselbe,  , welches  endlich  in 
Armenien  stehen  geblieben  war,  besteht  noch  ein  Theil  in  den 
kordyäischen  Bergen  von  Armenien,  und  die  Leute  scharren  das 
Erdpech  ab,  mit  welchem  es  aussen  bekleidet  war,  und  benützen 
dasselbe  als  Amulet  gegen  Krankheiten.  Und  als  die  Anderen 
zurückgekehrt  waren  nach  Babylon  und  die  Schriften  zu  Sippara 
wieder  gefunden  hatten,  erbauten  sie  Städte  und  errichteten  Tem- 
pel, und  so  wurde  Babylon  wieder- bevölkert.'^ 

Eine  Reihe  der  wunderbarsten  Entdeckungen  hat  nun  in  den 
letzten  Jahren  einen  guten  Theil  der  alten  Literatur  der  Euphrat- 
niederung  in  einem  alle  Hoffnungen  weit  übersteigenden  Maasse 
erschlossen,  und  es  ist  hiebei  auch  eine  neue  und  ausführliche  Dar- 
stellung der  Sintfluth  entdeckt  worden. 

Durch  den  von  verdientem  Glücke  begleiteten  Eifer  engli- 
scher Forscher,  wie  Layard,  Loftus,  G.  Smith  und  vor  Allen  durch 
Hormuzd  Rassam  sind  in  tausenden  von  mit  Keilschrift  bedeckten 
Thonscherben  die  Reste  der  königlichen  Bibliothek  von  Ninive 
aus  dem  Trümmerhaufen  von  Kujundjik  zu  Tage  gefördert  und 
der  wissenschaftlichen  Welt  wiedergegeben  worden.  Die  Schriften 
sind  nicht  nur  religiösen  Inhaltes,  sondern  umfassen  die  verschie- 
densten Zweige  menschlichen  Wissens.  Der  grösste  Theil  der 
uns  erhaltenen  Exemplare  dieser  uralten  Werke  wurde  in  der  Re- 
gierungszeit Asürbänipars  (670  v.  Chr.)  von  den  in  den  Bibliotheken 
von  Babylon,  Kutha,  Akkad,  Ur,  Erech,  Larsa,  Nipur  und  anderen 
Städten  aufbewahrten  Originalen  copirt;  dies  ist  insbesondere 
auch  der  Fall  mit  den  hier  zu  besprechenden  Tafeln. 


Das  Izdubar-Epos.  ^  I 

Der  Bericht  über  die  Sintfluth  ist  bemerkenswerther  Weise 
nicht  in  jenen  Tafeln  enthalten,  welche  von  der  Entstehung  der 
Welt,  dem  Sündenfall  der  Menschen  und  dem  Kampfe  des  Guten 
gegen  das  Böse  handeln.  Er  bildet  eine  Episode  in  einem  grossen 
Epos,  welches  die  Thaten  des  Helden  Izdubar  meldet.  Man  kennt 
verschiedene  Copien  dieses  Epos;  sie  wurden  auf  Befehl  Asür- 
bänipaFs  von  einem  weit  älteren,  wahrscheinlich  mehr  als  zwei 
Jahrtausende  vor  unserer  Zeitrechnung  niedergesetzten  Texte 
genommen,  welcher  damals  in  der  Priesterbibliothek  zu  Erech  auf- 
bewahrt wurde.  Mit  Recht  wird  dasselbe  von  G.  Smith  als  ein 
grosses  nationales  Werk  bezeichnet.  Es  besteht  aus  zwölf  Ge- 
sängen, welche  Rawlinson  nach  einzelnen  hervortretenden  Theilen 
des  Inhaltes  in  geistreicher  Weise  mit  den  zwölf  Zeichen  des  Zo- 
diacus  verglichen  hat.  Der  Lebenslauf  des  Helden  Izdubar,  wahr- 
scheinlich übereinstimmend  mit  dem  biblischen  Nimrod,  wird  nun 
in  diesen  zwölf  Gesängen  auf  unzweifelhaft  historischer  Grundlage 
vorgeführt  und  erhält  durch  die  Vergleichung  mit  den  Zeichen  des 
Thierkreises  eine  allegorische  Aehnlichkeit  mit  dem  Laufe  der 
Sonne.  Der  eilfte  Gesang,  der  Reihe  des  Zodiacus  nach  dem  Zeichen 
des  Wassermannes  entsprechend,  enthält  den  Bericht  über  die 
Sintfluth. 

Izdubar  hat  seinen  Freund  Eabäni  verloren,  ist  krank  und 
wandert  nun  weiter  hinab  an  die  Mündung  der  Ströme  zu  seinem 
Ahnen  Hasis-Adra,  welcher,  aus  der  Sintfluth  errettet,  von  den 
Göttern  dahin  versetzt  wurde,  um,  niemals  alternd,  dort  ein  un- 
sterbliches Leben  zu  führen.  Izdubar  findet  seinen  Ahnen,  befragt 
ihn  um  seine  wunderbaren  Erlebnisse,  und  dieser  erzählt 

Hasis-Adra's  Erzählung  liegt  in  mehreren  Uebersetzungen  vor; 
ich  nenne  jene  von  G.  Smith,^  hiezu  die  Bemerkungen  von  Fox  Tal- 
bot,*°  dann  jene  von  J.  Oppert,  F.  Lenormant"  und  Paul  Haupt.** 

Dem  Nachfolgenden  ist  Haupt's  letzte  Uebersetzung  zu 
Grunde  gelegt,  welche  ergänzt  ist  durch  manche  gütige  Mitthei- 
lung. Für  den  leider  sehr  unvollständigen  Theil  Col.  U,  Z.  i — 24, 
welcher  von  Haupt  nicht  wiedergegeben  ist,  habe  ich  Lenormant 
benützt. 

Indem  ich  nun  für  den  ausführlichen  Text,  so  weit  er  hier  nicht 
wörtlich  anzuführen  sein  wird,  auf  die  Schriften  der  genannten 


ä 


32  Der  keilschriftliche  Bericht. 

Forscher  verweise^  beschränke  ich  mich  auf  die  folgende  Inhalts- 
angabe von  Hasis-Adra's  Bericht: 
Col.  I,     8 — lo.  Einleitende  Ansprache  an  Izdubar. 

II  —  1 7,  a.  Die  grossen  Götter  beschliessen  die  Anrichtung 
der  Sintfluth  in  der  uralten  Stadt  Surippak  am  Euphrat. 

17,  b — 19.  Der  Gott  Ea,  der  Herr  der  unerforschlichen 
Weisheit,  der  Gott  des  Meeres,  war  im  Rathe  der 
Götter  und  theiltH.-Adra  den  Beschluss  derselben  mit. 

20 — 27.  Ea's  Warnung  und  Auftrag,  ein  Schiff  zu  bauen 
auf  trockenem  Lande. 

28 — 31.  j'j.-Adra  sucht  zu  widersprechen,  fürchtet  den 
Spott  des  Volkes  und  der  Aeltesten. 

32 — 45.  Ea's  neuerliche  und  ausführliche  Weisung,  Vor- 
hersage der  Fluth,  Auftrag  Korn  mitzunehmen,  Hab 
und  Gut,  Familie,  Knechte  und  Mägde,  Verwandte, 
Vieh  und  Wild. 

46 — 52.  H.-Adra  sagt  zu,  obwohl  noch  Niemand  in  dieser 

Weise  ein  Schiff  gebaut  (hier  leider  viele  Lücken). 

Col.  II,      I — 24.  (Leider  höchst  unvollständig.)  Bezieht  sich  nach 

den  vorhandenen  Resten  auf  den  Bau  und  die  Aus- 
rüstung des  Fahrzeuges. 

25  —  29.  H.-Adra  bringt  alle  Habe  an  Silber  und  Gold 
zusammen  und  allen  lebendigen  Samen,  den  er 
hatte;  das  Gesinde,  das  Vieh  und  das  Wild,  auch 
alle  Verwandten  lässt  er  einsteigen. 

30 — 36.  Letzte  Warnung  durch  eine  Stimme (?);  H.-Adra's 
Furcht. 

37 — 39-  l^r  besteigt  das  Schiff,  schliesst  es  ab  und  über- 
gibt den  grossen  Bau  sammt  seiner  Ladung  dem 
Steuermanne  Buzurkurgal. 

40 — 50.    Schilderung  des  Naturereignisses. 
Col.  111,      I — 3.    Fortsetzung  der  Schilderung  (unvollständig). 

4.  Es  sieht  der  Bruder  nicht  mehr  nach  dem  Bruder. 
Das  von  Fox  Talbot,  Trans.  Bibl.  Arch.  Soc. 
IV,  129,  mitgetheilte  Bruchstück,  welches  den 
Schrecken  und  die  Flucht  der  Menschen  und  Thiere 
beschreibt,  gehört  nicht  dem  Sintfluthberichte  an.) 


( 


Der  keilschriftliche  Bericht.  3  3 

5  —  7.    Furcht   der  Götter  selbst;    sie   flüchten   empor 
^  zum  Himmel  des  Gottes  Anu. 

8 —  1 8.  Laute  Klage  der  Göttin  Istar  über  den  Unter- 
gang der  Menschen;  Klage  der  Götter  über  die 
Wassergeister  der  Tiefe. 

19 — 23.  Dauer  von  Sturm  und  Fluth;  Abnahme. 

24 — 30.  H.-Adra  durchschifft  die  Fluth ;  Leichname  trei- 
ben umher;  erster  Ausblick ;  er  bricht  in  Thränen  aus. 

31.    Erstes  Erscheinen  von  Land. 

32 — 36.  Strandung  an  (dem  oder)  einem  Berge  des  Lan- 
des Nizir  und  sechstägiger  Aufenthalt. 

37 — 44.  H.-Adra  lässt  eine  Taube  (?)  heraus,  dann  eine 
Schwalbe,  dann  einen  Raben. 

45 — 48.  Er  verlässt  mit  allen  Begleitern  das  Fahrzeug 
und  bereitet  ein  Opfer. 

49 — 5^-  Die  Götter  kommen  herbei. 

3 1  — 53.  Istar  hebt  in  die  Höhe  die  grossen  Bogen  (?)  und 
schwört  nicht  zu  vergessen 
Col.  IV,    I — 5.    diese  Tage.    Alle  Götter  mögen  herankommen, 

nur  Bei  nicht,  welcher  die  Fluth  angerichtet. 
6 — 9.     Bels  Zorn  über  H.-Adra's  Errettung. 

9 —  1 1.  Der  Gott  Adar  weist  auf  Ea. 

12 — 22.  fia's  Rechtfertigung.    Der  Schuldlose  soll  nicht 
mit  dem  Schuldigen  leiden.   Reissende  Thiere,  Hun- 
ger und  Pest  mögen  den  Menschen  heimsuchen,  aber 
keine  Sintfluth  mehr. 
23 — 30.  Der  beruhigte  Bei  steigt  in  das  Innere  des  Fahr- 
zeuges, legt  H.-Adra's  Hand  in  die  seines  Weibes, 
hebt  beide  zu  den  Göttern  und  versetzt  sie  an  die 
Mündung  der  Ströme. 
I.  Der  Ausgangspunkt.    Aus  den  einleitenden  Bemerkun- 
gen hat  sich  ergeben,  von  wie  maassgebender  Bedeutung  für  die 
Beurtheilung  dieses  grossen  Naturereignisses  die  Frage  ist,  ob 
der  Schauplatz  ein  Flachland,  etwa  der  tiefere  Theil  eines  grossen 
Stromthaies,  oder  ein  Hochland  war. 

Der  eilfte  Gesang  des  Izdubar-Epos  nennt  mit  Bestimmtheit 
zwei  Orte,  nämlich  die  Stadt  Surippak  als  den  Wohnort  Hasis- 

Suess,  Das  Antlitz  der  Erde.  2 


\ 


7A  Die  Schiffstadt  Surippak. 

Adra's  und  den  Berg  des  Landes  Nizir  als  den  Ort  der  Strandung. 
Den  Ausgangspunkt  haben  wir  nun  näher  zu  betrachten. 

Die  erste  Stelle  lautet: 

Col.  I,    II.  Die  Stadt  Surippak,  die  Stadt,  w eiche ,  wie  du  weisst, 

(am  Ufer)  des  Euphrat  liegt, 
12.  diese  (Stadt)  war  (schon)  uralt,  als  die  Götter  darin 
13-  (\^^0  Anrichtung  einer  Sintfluih  ihr  Heri  antrieb; .  .  . 

Dass  in  dieser  Stadt  Surippak  eine  Bevölkerung  lebte,  welche 
im  Schiffbau  wohlerfahren  war,  geht  aus  dem  weiteren  Inhalte 
dieses  Gesanges  und  insbesondere  aus  der  Furcht  Hasis-Adra's 
vor  dem  Spotte  derselben  hervor.  Alle  Autoren  verlegen  diese 
Stadt  an  den  unteren  Theil  des  Stromes.  Rawlinson  sucht  ihre 
Lage  beiläufig  in  der  Nähe  des  heutigen  Howeiza  und  bezeichnet 
sie  nur  insoferne  als  eine  Stadt  des  Inlandes,  als  man  noch  niemals 
eine  Stadt  an  die  Seeküste  in  unmittelbarer  Nähe  eines  grossen 
Stromes  wie  der  Euphrat  gebaut  habe,  aus  dem  Grunde,  weil  dort 
die  Schiffahrt  durch  die  Verlandung  gefährdet  wäre.'-^ 

Unter  der  damaligen  Meeresküste  ist  jedoch  allerdings  kaum 
die  heutige  zu  verstehen.  Es  ist  in  hohem  Grade  wahrscheinlich, 
dass  ein  beträchtlicher  Theil  des  Tieflandes  in  der  Nähe  der  heu- 
tigen Mündungen  erst  in  den  letzten  Jahrtausenden  gebildet 
worden  ist.  Schon  Plinius  sagte  (VI,  cap.  26),  dass  kaum  an  irgend 
einer  anderen  Stelle  die  Bildung  von  Land  durch  einen  Strom  so 
rasch  vorschreite.  Beke  hat  bereits  vor  vielen  Jahren  versucht, 
aus  Arrian's  Nachrichten  von  der  Reise  des  Nearchus  und  aus 
den  Angaben  des  Plinius  über  die  Lage  von  Charax  das  Maass 
des  Vorschreitens  der  Küste  zu  ermitteln.'^  Loftus,  Rawlinson 
und  alle  neueren  Schilderungen  stimmen  in  diesem  Punkte  überein, 
und  es  mag  nach  Loftus'  Schilderung  nur  zweifelhaft  bleiben,  ob 
lediglich  die  schlammigen  Absätze  des  Flusswassers  das  neue  Land 
erzeugt  haben,  oder  ob  nicht  auch  ein  geringer  Rückzug  des 
Meeres  selbst  hiezu  beigetragen  hat.  Nach  den  Angaben  dieses 
zuverlässigen  Beobachters  hat  nämlich,  wie  junge  Meeresbildungen 
im  Lande  zeigen,  in  verhältnissmässig  später  Zeit  der  Ufersaum 
des  persischen  Golfes  gewiss  um  400  Km.  weiter  gegen  NW.  ge- 
reicht   als    die    heutige   Mündung   des   Schatt-el-Ardb,    und    um 


Lantlhilduni;  am  unteren  Euphrat.  35 

240  Km.  weiter  landeinwärts  als  die  Vereinigung  von  Euphrat 
und  Tigris  bei  Korna.'* 

Jedenfalls  ist  die  landbildende  Thätigkeit  der  beiden  grossen 
Ströme  eine  sehr  beträchtliche,  und  ihr  Gefälle  ist  in  dem  ganzen 
unteren  Theile  ein  so  ausserordentlich  geringes,  dass  die  Fluth 
am  Tigris  bis. zu  dem  Dorfe  Abdaliah-ibn-Ali  280  Km.  und  am 
Euphrat  in  den  Sümpfen  von  El-hammar  298  Km.  vom  Meere 
landeinwärts  bemerkbar  ist."^ 

Es  hat  Friedr.  Delitzsch  alle  aus  historischen  Quellen  sich 
ergebenden  Nachweise  für  die  Veränderung  des  Gebietes  der 
Mündung  gesammelt  und  sogar  den  Versuch  einer  Karte  des  ehe- 
maligen Zustandes  der  Dinge  entworfen.''  Wenn  hier  aus  dem 
Berichte  über  Sanherib's  (705 — 68 1)  Seeunternehmung  gegen  Elam 
gefolgert  wird,  dass  zu  jener  Zeit  der  Euphrat  eine  selbständige 
Mündung  besass,  so  scheint  mir  dies  für  den  Tigris  für  eine  aller- 
dings noch  ältere  Zeit  mit  noch  grösserer  Bestimmtheit  aus  In- 
schriften hervorzugehen,  welche  G.  Smith  mitgetheilt  hat,  und  nach 
welchen  unter  dem  Könige  Rim-sin  ein  Durchstich  vom  Tigris  zum 
Meere,  offenbar  zur  Erleichterung  des  Abflusses,  hergestellt  wor- 
den ist.  Von  Hammuragas  (etwa  um  i  500),  welcher  nach  Rim-sin 
di,e  Herrschaft  erlangte,  besitzen  wir  ein  ganzes  Verzeichniss  von 
grossen,  am  Tigris  ausgeführten  Wasserbauten ;  namentlich  rühmen 
die  Inschriften  einen  gewaltigen,  nach  grossen  Ueberschwemmun- 
gen  längs  des  Stromes  erbauten  Damm,  welcher  Kara-samas  ge- 
nannt wurde."'  Solche  Eindeichungen  mussten  aber  die  Verlandung 
des  vorliegenden  Meeresarmes  noch  beschleunigen.  Hiezu  kommt, 
dass,  wie  bereits  Friedr.  Delitzsch  hervorgehoben  hat,  den  Mün- 
dungen die  Insel  Dilmun  vorlag.  Aus  all'  diesen  Gründen  lässt 
sich  heute  ein  genauerer  Maassstab  für  das  Anwachsen  des  Landes 
nicht  gewinnen. 

Wenn  nun  diese  Angaben  dahin  führen  möchten,  eine  gänz- 
liche Trennung  beider  Flüsse  zu  jener  Zeit  anzunehmen,  so  wird 
doch  mit  vollem  Rechte  von  F.Delitzsch  erinnert  an  Hasis-Adra's 
späteren  Wohnort,  an  welchem  ihn  Izdubar  aufsucht. 

Col.  IV,  30.  Da  nahmen  sie  mich  und  in  die  Ferne,  an  div  Mim- 
düng  der  Ströme  versetzten  sie  mich. 


ß6  Asphalt. 

,Die  Mündung  der  Ströme'  aber  deutet  sicherlich  an,  dass, 
wenn  die  Ströme  noch  getrennt  waren,  sie  doch  nicht  weit  von 
einander  sich  in's  Meer  ergossen. 

Oberhalb  dieses  in  \^erlandung  begriffenen  Gebietes,  am 
Euphrat,  also  an  einer  heute  weit  landeinwärts  gelegenen  Stelle 
des  Flachlandes,  lag  die  schon  zur  Zeit  der  Sintflu^h  uralte  Stadt 
Surippak. 

2.  Die  Verwendung  von  Asphalt.  Hier,  bei  der  Betrach- 
tung der  Oertlichkeit,  ist  ein  positives  Merkmal  zu  erwähnen, 
welches  sich  in  der  Erzählung  Hasis-Adra's,  in  dem  Bruchstücke 
des  Berosus  und  in  dem  elohistischen  Berichte  der  Genesis  wieder- 
holt, und  welches,  wie  Ainsworth  und  Andere  schon  lange  erkannt 
haben,  auf  ein  bestimmtes  Merkmal  der  geologischen  Beschaffen- 
heit des  unteren  Euphrat- Gebietes  hinweist.'^  Es  ist  dies  die,  wie 
mir  scheinen  will,  noch  immer  nicht  mit  dem  verdienten  Nach- 
drucke betonte  Verwendung  von  Asphalt  bei  dem  Baue  des  retten- 
den Fahrzeuges. 

In  dem  leider  nur  mangelhaft  erhaltenen  ersten  Theile  von 
Col.  II,  in  welchem  die  Erbauung  des  Schiffes  und  seine  Einthei- 
lung  geschildert  werden,  lauten  die  Verse  9,  10,  11: 

Col.  IT,     9.  Ich  sähe  Spalten  und  fügte  das  Fehlende  hiniu 

10.  Drei  Saren  Erdpech  goss  ich  über  die  Aussenseite 

1 1 .  Drei  Saren  Erdpech  goss  ich  über  die  Innenseite.^ 

Berosus  erzählt,  dass  das  Erdpech  noch  in  späten  Zeiten  von 
der  Aussenseite  des  Fahrzeuges  abgescharrt  und  als  Heilmittel 
verwendet  worden  sei. 

Gen.  VI,  14  lautet:  Fac  tibi  arcam  de  lignis  laevigatis:  mansi- 
nnculas  in  arca  facies,  et  bitumine  linies  intrinsecus, 
et  extrinsecus.'''  — 

Ein  kleines  Bruchstück  einer  Thontafel  erzählt  die  Kindheit 
des  grossen  Königs  Sargon  I.;  es  beginnt: 

Sargon  der  mächtige  König,  der  König  von  Agade,  bin  ich. 
Aleine  Mutter  war  eine  Prin\essin,  meinen  Vater  habe  ich  nie  ge- 
kannt. Der  Bruder  meines  Vaters  wohnte  auf  dem  Berge  der  Stadt 
Aiiipiranu,  jr eiche  an  dem  Ufer  des  Euphrates  liegt.  Meine  Mutter 
die  Prinzessin  cmpjlng  mich;  heimlich  gebar  sie  mich.    Sie  set\te 


Asphall.  37 

mich  in  ein  Körbchen  von  Binsen,  mit  Erdpech  verschloss  sie  meine 
Thüre.  Sie  setzte  mich  in  den  Fluss,  welcher  mich  nicht  ertränkte." 

In  ähnlicher  Weise  wird  Exod.  II,  3  gesagt,  dass  das  Kästlein 
von  Rohr,  in  welchem  Moses  ausgesetzt  wurde,  mit  Erdpech  ver- 
schlossen worden  sei. 

Die  Niederung  des  Euphrat  und  des  Tigris  ist  von  asphalt- 
reichen miocänen  Höhen  umgeben.  Loftus  hat  eine  Reihe  von  As- 
phaltvorkommnissen aufgezählt. 

Setzen  wir  nun  neben  den  Bericht  von  der  Uebergiessung  des 
Sintfluthschiffes  mit  Asphalt  von  aussen  und  von  innen,  wie 
sowohl  Izdubar  -  Epos  wie  Genesis  ausdrücklich  sagen ,  eine 
Darstellung  heutiger  Gebräuche  am  Euphrat  von  dem  unbefan- 
genen Eisenbahn-Ingenieur  Cernik,  welcher  zur  Ermittlung  einer 
Bahnlinie  durch  Mesopotamien  vor  einigen  Jahren  das  Land  be- 
reist hat. 

Cernik  schreibt  über  den  Transport  der  bei  Hit  am  Euphrat  ge- 
wonnenen Naphtha:  ,Man  begnügt  sich,  ein  rohes  Korbgeflecht  zu 
erzeugen,  ohne  Kiel  und  mit  Tamariskenknüppeln  als  Rippen,  die 
Zwischenräume  mit  Stroh  und  Rohrgeflecht  ausgefüllt  und  der 
ganze  Bau  sodann  über  Gebühr,  sowohl  aussen  als  innen,  mit  einer 
Lage  Asphalt  verputzt.  Nichtsdestoweniger  besitzen  diese  Fahr- 
zeuge ein  bedeutendes  relatives  Tragvermögen  . .  ."^ 

Es  ist  also  in  Hit  am  Euphrat  zur  raschen  Herstellung  wasser- 
dichter und  tragfahiger  Fahrzeuge  heute  noch  derselbe  Vorgang 
in  Gebrauch,  welchen  vor  Jahrtausenden  Hasis-Adra  befolgte. 

Das  Erdpech  ist  in  uralter  Zeit  in  diesem  Landstriche  in  gar 
vielfaltiger  Weise  verwendet  worden.  Bei  dem  Mangel  an  Bruch- 
stein und  Kalk-  führte  man  grosse  Bauten  aus  Backstein  auf  und 
verwendete  Erdpech  als  das  Bindemittel. 

So  lautet  die  bekannte  Stelle  über  den  Thurmbau  zu  Babel 
Gen.  XI,  3:  Dixitque  alter  ad  proximum  suum:  Venite,  fadamiis 
lateres,  et  coquamus  eos  igni.  Habueritntque  lateres  pro  saxis  et 
bitiimen  pro  caemento. 

Herodot  erzählt  ausfuhrlich,  wie  der  Lehm  aus  dem  die  Stadt 
Babylon  umgebenden  Graben  ausgehoben,  in  Ziegel  geformt  und 
gebrannt  wurde,  und  wie  dann  aus  diesen  Zicguln  die  Mauer  er- 
baut und  Asphalt  statt  Mörtel  verwendet  wurd*.  DteAmhalt aber 


38  Schiflfbau. 

wurde  von  Is  gebracht,  einer  Stadt  am  Euphrat,  acht  Tagereisen 
von  Babylon.    Dies  ist  das  heutige  Hit.''* 

Solches  Mauerwerk  wird  aber  unter  den  Trümmern  da  und 
dort  reichlich  angetroffen,  und  Cernik  erzählt,  dass  heute  in  den 
asphaltreichen  Gebieten  ganze  Blocke  dieses  Stoffes  bei  Bauten 
verwendet  werden. 

Ebenso  dürfte  die  Verwendung  von  Erdpech  zur  Herstellung 
brennender,  vielleicht  sogar  explodirender  Wurfgeschosse,  welche 
in  späteren  Jahren  durch  ganz  Asien  in  Uebung  standen,  bereits  in 
den  allerältesten  Zeiten  bekannt  gewesen  sein,  bis  zu  welchen  die 
keilinschriftlichen  Berichte  zurückreichen.  Dies  ergibt  sich  aus  der 
Erzählung  von  dem  Kampfe  des  Gottes  Merodach  mit  dem  Drachen 
Tiämat,  welche  einen  Theil  der  babylonischen  Legende  vom  Sün- 
denfalle zu  bilden  scheint,  und  noch  deutlicher  aus  der  biblischen 
Darstellung  in  der  apokryphen  Historie  vom  Drachen  zu  Babel, 
V.  26.  Dies  ist  auch  die  Bedeutung  der  Donnerkeile,  mit  welchen 
Merodach  im  Kampfe  mit  dem  Drachen  in  den  Basreliefs  abge- 
bildet wird.^^ 

Kehren  wir  jedoch  zum  Schiffbaue  zurück. 

So  wie  die  Entwicklung  der  einzelnen  Richtungen  der  Bau- 
kunst beeinflusst  worden  ist  durch  die  Beschaffenheit  der  dem 
Künstler  zur  Verfügung  stehenden  Steingattungen,  so  sind  auch 
durch  die  Besonderheiten  der  von  der  Natur  zur  Verfügung  ge- 
stellten Hilfsmittel  örtliche  Eigenthümlichkeiten  des  Schiffbaues 
entstanden,  welche  sich  unter  Benützung  der  gleichen  Hilfsmittel 
durch  sehr  lange  Zeit  erhalten  haben.  Es  hat  Lane  Fox  in  einer 
lehrreichen  Zusammenstellung  gezeigt,  wie  sich  langsam  der  Fort- 
schritt von  dem  gehöhlten  Baume  zu  dem  gehefteten  Fahrzeuge 
und  von  diesem  zu  der  Anwendung  von  Stiften  vollzogen  hat,  wie 
aber  daneben  örtliche  Besonderheiten  sich  aus  der  ältesten  Zeit 
erhalten  haben.  Ein  Beispiel  geben  die  Bewohner  der  Insel  Ke, 
westlich  von  Neu-Guinea,  welche  wegen  ihrer  F'ertigkeit  im  Schiff- 
baue grossen  Ruf  besitzen.  Sie  bauen  ihre  Fahrzeuge  nach  alter 
Weise,  indem  sie  die  Rippen  anbinden,  und  erst  wenn  die  so  nach 
alter  Sitte  hergestellten  Rippen  unbrauchbar  geworden  sind,  werden 
neue  Rippen  nach  europäischem  Gebrauche  mit  Nägeln  befestigt. 
Der  Bewohner  der  Samoa-,  wie  jener  der  Fidji-Inseln  dichtet  sein 


Die  Warnungen.  2Q 

Fahrzeug  mit  Harz  vom  Brodfrucht-Baume,  jener  der  Kingsmill- 
Inseln  mit  Streifen  von  Pandanusblättern;  in  gewissen  Theilen  von 
Siam  soll  man  dazu  ein  poröses  Holz  verwenden,  welches  im 
Wasser  anschwillt/^ 

Am  Euphrat  verwendet  man  heute  noch  wie  vor  so  langer 
Zeit  das  Erdpech.  Aber  neben  diesen  verpichten  Fahrzeugen 
haben  sich  auf  dem  Euphrat  selbst  auch  jene  mit  Luft  gefüllten 
Schläuche  und  die  von  Schläuchen  getragenen  Flösse  in  Gebrauch 
erhalten,  welche  auf  assyrischen  Sculpturen  dargestellt  sind  und 
welche  Herodot  I,  1 94  so  ausführlich  beschreibt.  Diese  Fahrzeuge 
konnten  nach  Herodot  nur  zur  Thalfahrt  benützt  werden,  und  ihre 
hauptsächHche  Fracht  war  Dattelwein.  Schon  im  vorigen  Jahr- 
hundert wurde  Renell  durch  die  Uebereinstimmung  dieser  Schil- 
derung mit  den  heutigen  Fahrzeugen  in  Erstaunen  versetzt. 

Das  Fahrzeug  y asis- Adra's  ist  von  schwarzer  Farbe  gewesen ; 
es  war  wahrscheinlich  geheftet;  die  reichliche  Verwendung  von 
Erdpech  beim  Schififbaue  ist  eine  im  strengsten  Sinne  des  Wortes 
vorsintfluthliche  Sitte,  die  sich  bis  zum  heutigen  Tage  erhalten  hat. 

3.  Die  Warnungen.  Was  uns  über  die  physischen  Vorgänge 
bei  der  Sintfluth  mitgetheilt  wird,  kann  in  drei  Gruppen  gebracht 
werden,  nämlich  die  Warnungen,  das  Ereigniss  selbst  und  der 
Abschluss.,  Die  Schwierigkeit  einer  schärferen  Erfassung  liegt 
hauptsächlich  in  der  weitgehenden  Personificirung  aller  Natur- 
kräfte, doch  ist  diese,  wie  ich  meine,  nicht  nach  allen  Richtungen 
unüberwindbar. 

Alle  Warnungen  kommen,  was  wohl  zu  beachten  ist,  von  Ea, 
dem  weisen  Gotte  des  Meeres  und  der  Tiefe.  Er  sass  mit  zu  Rathe, 
als  die  Götter  die  Anrichtung  der  Sintfluth  beschlossen,  und  sagte 
seinem  treuen  Diener  Hasis-Adra  das  drohende  Strafgericht  voraus: 
Col.  I,  20.  .  .  .  Höre  .  .  .  und  merke  auf .  .  . 

21.  Marin  von  Surippak,  Sohn  des  Ubara-Tntii  (Otiaries), 

22.  verlasse  das  Haus,  baue  ein  Schiff;  rette,  was  du  von 
lebenden  Wesen  finden  kannst; 

22^.  sie  wollen  vernichten  den  Samen  des  Lebens;  erhalte 

du  am  Leben 
24.  und  bringe  hinauf  Samen  des  Lebens  von  jeglicher  Art 

in  das  Innere  des  Schiffes.^^ 


J.O  Die  Katastrophe. 

Von  welcher  Art  können  diese  Warnungen  des  Meeresgottes 
gewesen  sein?  Ich  meine,  es  können  dies  nur  kleinere,  wahrschein- 
lich seismisch  erregte  Fluthen  gewesen  sein,  ein  sich  wieder- 
holendes Hinausspülen  des  Meeres  über  seine  Ufer,  welches 
zugleich  den  Euphrat  staute  und  in  der  nicht  weit  vom  Meere  ge- 
legenen Stadt  Surippak  Furcht  erweckte  und  diese  Vorsichts- 
massregel veranlasste. 

Die  letzte  Warnung,  welche  der  Besteigung  des  Schiffes  un- 
mittelbar vorangeht,  ist  allerdings  von  etwas  anderer  Art: 

Col.  n,  30.  Als  nun  die  Sonne  die  bestimmte  Zeit  machte, 

ZI,  da  sprach  eine  Stimme (?):    am  Abend  werden  die 

Himmel  Verderben  regnen, 
2^2>'  Die  bestimmte  Zeit  ist  herangekommen, 
34.  sprach  die  Stimme  (?),  am  Abend  werden  die  Himmel 
Verderben  regnen. 

Auffallend  ist,  dass  die  sonst  so  allgemeine  Personificirung 
der  Naturkräfte  hier  nicht  durchgeführt,  sondern  eine  , Stimme*  als 
redend  eingeführt  ist,  als  würde  es  sich  um  eine  ganz  ungewohnte 
Erscheinung,  vielleicht  um  ein  seismisches  Dröhnen,  einen  Rombo, 
handeln.  Weitere  Vermuthungen  müssen  aber  hier  unterbleiben. 
Die  vorstehenden  Zeilen  sind  leider  nur  auf  einem  Exemplare  der 
Sintfluth-Tafeln  erhalten,  und  der  Text  ist  an  beiden  Stellen,  an 
welchen  das  hier  durch  , Stimme'  übersetzte  Wort  kiikrii  vor- 
kommt, sehr  verwischt.  In  anderen  Texten  aber  wurde  dieses 
Wort  noch  nicht  angetroffen. 

4.  Die  Katastrophe.  Der  wichtigste  Theil  der  Schilderung 
betrifft  das  Ereigniss  selbst;  er  fallt  in  den  Schluss  von  Col.  II  und 
die  leider  sehr  verstümmelten  ersten  Zeilen  von  Col.  III,  welche 
auch  durch  ein  neuerdings  gefundenes  Bruchstück  nur  wenig  ver- 
vollständigt worden  sind.  Nachdem  dem  Steuermanne  Buzurkurgal 
das  Schiff  übergeben  ist  (II,  39),  folgt  ein  Theilstrich;  hierauf: 

Col.   II,  40.   Da  erhob  sich  Alii-seri-ina-namäri 

41.  i>om  Grunde  des  Himmels,  schwar'^es  Gewölk, 

42.  in  dessen  Mitte  Rammän  seinen  Donner  krachen  Hess, 

43.  während  Nebo  und  Samt  auf  einander  losgehen, 

44.  die  ,Thronträger'  über  Berg  und  Land  schreiten. 


Die  Katastrophe.  A  I 

Co!.  II,  45.  Die  Wirbelwinde  (?)  enifesseli  der  gewaltige  Pestgott. 

46.  Adar  lässt  itnaufhörlich  die  Canäle(?)  überstrümen, 

47.  die  Anunnaki  bringen  Fluthen  herauf, 

48.  die  Erde  machen  sie  eriittern  durch  ihre  Macht, 

49.  Rammän's   Wogenschjvall  steigt   bis   iiim    Himmel 
empor: 

50.  Alles  Licht  verfällt  der  (Finsteniiss). 

Col.  m,     I.  In  einem  Tage  .  . .  der  Erde  ver(wiisten)  sie  tvie .  .  . 

2.  rasend  wehte  (bantis  iiiqä-ma)  .  .  .  Berg(?)  .  .  . 

3.  die  .  .  .  führen  sie  herbei  dum)  Kampfe  gegen  die 
Menschen. 

4.  Es  sieht  der  Bruder  nicht  mehr  nach  dem  Bruder,  die 
Menschen  kümmern  sich  nicht  mehr  um  einander.  Im 
Himmel 

5.  furchten  sich  die  Götter  vor  der  Sintfluth  und 

6.  suchen  Zuflucht,  steigen  empor  :{um  Himmel  des 
Gottes  Ana. 

7.  Wie  ein  Hund  auf  seinem  Lager,  kauern  sich  die  Götter 
an  dem  Gitter  des  Himmels  zusammen. 

Diese  Verse  lassen  sich  in  folgende  Gruppen  theüen:  a)  Col. 
II,  40 — 45  betreffen  Vorgänge  in  der  Atmosphäre;  b)  46 — 48  be- 
ziehen sich  auf  die  Erde;  c)  4g,  50  beziehen  sich  auf  beide; 
d)  Col.  in,  t — 3  sind  leider  in  ihrer  heutigen  Unvollständigkeit 
unverwendbar;  e)  4 — 7  schildern  den  Eindruck  auf  Menschen  und 
Götter.  Aus  der  pragmatischen  Anordnung  des  Stoffes  ergibt  sich 
zugleich  die  gewaltige  und  ergreifende  Steigerung,  welche  von 
dem  ersten  Erscheinen  einer  Wolke  am  Horizont  bis  zu  der  Flucht 
der  erschreckten  Götter  führt. 

a)  Die  Atmosphäre.  (Col.  II,  40 — 45.)  Delitzsch  deutet  den 
Ausdruck  in  Z.  40  mit:  .WasserderMorgenruthe  beiTagesanbruch.' 
Rammän  ist  der  gewaltige  Wettergott.  Auf  schweres  Gewölk  ist 
Gewitter  gefolgt,  dann  Wirbelwind.  Welche  Naturerscheinung  aber 
sind  die  über  Berg  und  Land  schreitenden  .Thronträger' ? 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  das  untere  Mesopotamien.  ,So 
selten,'  schreibt  Schläfli,  .eigendiche  Stürme  sind,  um  so  häufiger 
erscheinen  Wirbelwinde.  Der  Form  nach  die  überraschendste 
Aehnlichkeit  mit  einer  Wasserhose  darbietend  un-l  nur  scheiri 


A2  Staubtragender  Sturm. 

in  der  weisslichen  Färbung  von  ihr  unterschieden,  schwebt  die 
Colonne  aufgewirbelten  Sandes  und  Staubes  majestätisch  und 
leicht  die  Wüste  einher,  sich  mit  ihrem  oberen  Theile  in  dem 
blauen,  wolkenlosen  Aether  verlierend Ich  erinnere  mich,  wäh- 
rend meiner  Fahrt  von  Mossul  nach  Bagdad  Mitte  Juni  vorigen 
Jahres  (1861?)  in  einem  Moment  eilf  solcher  Staubsäulen  gezählt 
zu  haben. '^^ 

Diese  Säulen  schweben  allerdings  wie  Stützen  des  Himmels 
dahin.  Der  staubtragende  Sturm  mag  aber  gar  gewaltige  Macht 
erreichen.  Ein  Beispiel  trat  in  Bagdad  am  20.  Mai  1857  ein,  als 
bei  SW.-Wind  zuerst  die  Sonne  getrübt  wurde  und  das  Aussehen 
des  Mondes  annahm.  Dann,  um  5  Uhr  Nachmittags,  erschien, 
nach  der  Schilderung  des  Dr.  Duthieul,  eine  dunkle  Staubwolke; 
sie  hüllt  in  einem  Augenblicke  die  ganze  Stadt  ein  und  dringt  in 
Höfe  und  Zimmer.  In  weniger  als  einer  Viertelminute  tritt  man  vom 
Tage  in  die  finsterste  Nacht.  Die  Wirkung  war  erschreckend;  man 
konnte  sich  nicht  mehr  zurecht  finden,  nicht  einmal  in  den  Häu- 
sern. Diese  Finsterniss,  stärker  als  jene  der  finstersten  Nächte, 
dauerte  fünf  Minuten.  .  .  .  Die  erschreckten  Einwohner  glaubten, 
das  Ende  der  Welt  breche  herein.  In  der  That  Hess  der  Lärm  der 
erhobenen  Winde  und  das  ganze  Schauspiel  selbst  die  ruhigsten 
Geister  irgend  ein  grosses  Kataklysma  befürchten.  Der  Staub  war 
ziegelroth.  Der  Sturm  wurde  in  sehr  entfernten  Theilen  des  Landes 
verspürt.  Schläfli  nennt  ihn  eine  Staubtrombe;  Duthieul  meint, 
dass  dieser  heftige  Sturm  nicht  die  Gestalt  einer  Trombe  gehabt, 
sondern  dass  die  Staubmasse  weithin  gleichmässig  über  das  Land 
sich  bewegt  habe.  '^ 

b)  Die  Erde.  (Col.  II,  46 — 49.)  Das  Ueberströmen  der  Ca- 
näle  ist  eine  Erscheinung,  welche  bei  heftigeren  Erschütterungen 
des  Bodens  selbstverständlich  ist,  hier  aber  durch  Sturm  und  Rück- 
stau vermehrt  sein  mag. 

Von  grosser  Bedeutung  scheint  mir  Z.  47.  Die  Anininaki 
sind,  wie  namentlich  Haupt  gezeigt  hat,  die  Geister  der  Tiefe,  die 
Geister  der  grossen  unterirdischen  Wasser.  Sie  sind  es,  welche 
die  Erde  erschüttern  und  welche  aus  der  Tiefe  ,Fluthen  bringen*. 
Dieses  Herauftreten  von  Wässern  aus  der  Tiefe  entspricht  den 
oft  genannten  Stellen  des  elohistischen  Berichtes  Gen.  VII,   1 1 : 


Die  Brunnen  der  Tiefe.  A3 

Rupti  sunt  omnes  fonies  abyssi  magni  et  cataractae  caeli  apertae 
sunt  (da  aufbrachen  alle  Brunnen  der  Tiefe  und  thaten  sich  auf 
die  Fenster  des  Himmels;  Luth.)  —  und  VIII,  2,  nach  dem  Ereig- 
nisse :  Et  clausi  suntfontes  abyssi  et  prohibitae  sunt  pluviae  de  caelo 
(Und  die  Brunnen  der  Tiefe  wurden  verstopfet^  und  dem  Regen 
vom  Himmel  xvard  gewehret;  Luth.). 

Das  Izdubar-Epos  meldet  also  wirklich,  dass  Wasser  aus 
der  Tiefe  gekommen  sei,  und  in  der  biblischen  Darstellung  ist  an 
zwei  Orten  das  Wasser  aus  der  Tiefe  im  Gegensatze  zum  Regen 
vom  Himmel  genannt.  Dieses  Hervortreten  grosser  Wassermengen 
aus  der  Tiefe  ist  aber  ein  Phänomen,  welches  in  bezeichnender 
Weise  die  Erderschütterungen  in  den  Alluvialgebieten  grosser 
Flüsse  begleitet.  Es  breitet  sich  in  diesen  grossen  Flächen  zu 
beiden  Seiten  des  Stromes  weithin  das  Grundwasser  in  den  jungen 
Ablagerungen  aus,  und  seine  obere  Grenze  steigt  allmälig  gegen 
rechts  und  gegen  links  mit  der  Entfernung  vom  Strome  mehr  und 
mehr  über  den  Stand  des  Mittelwassers.  Was  unter  dieser  Grenze 
liegt,  ist  durchfeuchtet  und  beweglich;  der  Boden  über  derselben 
ist  trocken  und  brüchig.  Treten  nun  seismische  Undulationen  in 
solches  Gebiet,  so  bricht  der  spröde  obere  Theil  des  Bodens  in 
langen  Spalten  auf,  und  aus  den  Brüchen  tritt  gewaltsam  bald  in 
grossen  Massen,  bald  in  vereinzelten,  selbst  mehrere  Meter  hohen 
Strahlen  das  Grundwasser  rein  oder  als  schlammige  Majsse  hervor. 
So  ist  es  in  kleinerem  Maassstabe  eingetreten,  als  am  9.  No- 
vember 1880  die  AUuvien  der  Save  bei  Agram  erbebten;  ebenso 
in  etwas  grösserem  Maassstabe,  als  am  10.  October  1879  die  Auen 
der  Donau  bei  Moldova  erschüttert  wurden;  so  in  noch  weit 
grösserem  Maassstabe  an  der  unteren  Donau  bei  dem  wallachi- 
schen Erdbeben  vom  1 1.  (23.)  Januar  1838,  bei  welchem  das  junge 
Schwemmland  von  der  Dimbowitza  bis  über  den  Sereth-Fluss  hin- 
aus von  zahlreichen  Spalten  durchschnitten  wurde,  aus  welchen 
das  Wasser  an  vielen  Orten  ,klafterhoch*  emporsprudelte. ^° 

Dasselbe  ist  in  den  Alluvien  des  Mississippi  eingetreten,  als 
sein  Flussgebiet  am  6.  Januar  1 8 1 2  in  der  Nähe  der  Stadt  New- 
Madrid,  nicht  weit  unterhalb  des  Einflusses  des  Ohio,  erschüttert 
wurde.  Wir  besitzen  einen  drastischen  und  lesenswerthen  Bericht 
über   das   Schwanken   und   Aufbrechen   des  Bodens   von    dem 


AA  Das  Hervorbrechen  von  Grundwasser. 

Augenzeugen  Bringier.  Indem  die  unterirdischen  Wassermengen 
sich  den  Durchweg  erzwangen,  wurde  die  Erde  mit  lauten  Explo- 
sionen in  die  Höhe  getrieben.  Sie  stürzte  allerorten  hervor,  eine 
ungeheure  Menge  verkohlten  Holzes  mitbringend,  welches  meist 
in  Staub  verwandelt  war,  der  i  o  bis  15  Fuss  hoch  emporgeschleu- 
dert wurde.  Unterdessen  sank  die  Oberfläche  und  eine  schwarze 
Flüssigkeit  erhob  sich  bis  zum  Unterleibe  des  Pferdes.^'  Es  wider- 
spricht diesen  Angaben  nicht,  dass  durch  dieselbe  Erderschütte- 
rung ein  kleiner  bestehender  See,  Lake  Eulalie  bei  New-Madrid, 
plötzlich  durch  Spalten  entwässert  wurde.^'  In  diesem  Falle  lag 
der  See,  wie  dies  so  oft  vorkommt,  in  einem  gedichteten  Bette  und 
er  entleerte  sich  in  das  tiefer  liegende  Grundwasser. 

Am  12.  Januar  1862  wurde  die  ganze  südHche  Umgebung 
des  Baikal-Sees  von  einem  heftigen  Schlage  getroffen,  und  zwar 
insbesondere  das  Delta  des  in  denselben  mündenden  Flusses  Se- 
lenga.  Die  Steppe  östlich  vom  Selenga,  auf  welcher  sich  eine  Bur- 
jäten-Niederlassung befand,  senkte  sich  auf  eine  Länge  von  etwa 
21  Km.  und  eine  Breite  von  9*5  — 15  Km.  zur  Tiefe.  Wässer 
brachen  allenthalben  hervor,  wurden  auch  aus  den  Brunnen  her- 
vorgestossen,  endlich  trat  das  Wasser  des  Baikal  in  die  grosse 
Senkung  und  füllte  sie  ganz  mit  Wasser  an.  Springquellen  ent- 
standen an  vielen  Orten,  so  zwischen  dem  Dorfe  Dubinin  und  der 
Steppe  Sagansk.  In  der  Ortschaft  Kudara  wurden  die  Holzdeckel 
der  Brunnen  wie  Stöpsel  aus  Flaschen  in  die  Höhe  geschleudert, 
und  es  erhoben  sich  Quellen  von  lauem  Wasser  stellenweise  bis 
zur  Höhe  von  drei  Sagenen  (6*4  M.).  Die  Erschütterung  erstreckte 
sich  südwärts  über  Kjachta  bis  gegen  Urga  und  die  Mongolen 
wurden  durch  dieselbe  so  erschreckt,  dass  sie  die  Lama's  zu  reli- 
giösen Ceremonien  veranlassten,  um  die  bösen  Geister  zu  be- 
ruhigen, welche  nach  ihrer  Meinung  die  P>de  bewegten.^^ 

Die  Erdbeben  in  dem  Unterlaufe  des  Indus,  Ganges  und 
Brahmaputra  haben  zahlreiche  Beispiele  des  mächtigen  Empor- 
schleuderns  von  Grundwasser  aus  dem  gesprengten  Alluvial- 
boden gegeben,  von  welchen  einige  an  späterer  Stelle  angeführt 
werden  sollen.  — 

Das  sind  die  Fluthen,  welche  die  Anunnaki  heraufbringen, 
die  aufgebrochenen  Brunnen  der  Tiefe,  welche  die  Genesis  anführt, 


Andeutungen  einer  Cyklone.  45 

für  den  Geologen  meines  Erachtens  der  Beweis,  dass  es  sich  hier 
um  eine  seismische  Erschütterung  in  einem  breiten  Flussthale  han- 
delt. Nie  hat  man  solche  Erscheinungen  in  grösserem  Maassstabe 
ausserhalb  der  grossen  Grundwasserniederungen  wahrgenommen, 
und  sie  wären  auch  ausserhalb  derselben  ganz  unverständlich. 

Col.  n,  46 — 49  bedeuten  daher:  Schwankungen  des  Wassers 
in  den  offenen  Gerinnen,  Hervorbrechen  des  Grundwassers  des 
Euphrat  unter  gleichzeitigem  Erzittern  des  Bodens. 

c)  Dritte  Gruppe.  (Col.  II,  49,  50.)  Es  ist  wohl  zu  bemerken, 
dass  bis  hieher  noch  keine  Rede  von  der  Hochfluth  ist,  ja  das 
Schwanken  des  Wassers  in  den  Canälen  und  die  Erscheinungen 
des  Grundwassers  lassen  sich  überhaupt  nur  vor  einer  ausgebrei- 
teten Ueberfluthung  beobachten.  Erst  mit  Z.  49  tritt  uns  diese 
entgegen.    Sie  lautet: 

39.  Rammäns  Wogenschwall  steigt  \iim  Himmel  empor. 

In  den  ersten  Worten,  in  welchen  die  Fluth  erwähnt  wird, 
steigt  sie  schon  zum  Himmel,  und  nicht  Ea,  der  Meeresgott,  wel- 
cher vielmehr  der  wohlwollende  Warner  gewesen  ist,  sondern 
Rammän,  der  Wettergott,  wird  genannt.  Das  sind  wohl  nicht 
nur  sturmgepeitschte  Wogen  einer  seismisch  erregten  Ueber- 
fluthung. Vor  solchen  Wogen  wären  die  Götter  nicht  in  den 
Himmel  Anu's  oder,  wie  einzelne  Keilschriftforscher  diese  Stelle 
deuten  wollten,  aus  der  Sphäre  der  Planeten  in  jene  der  Fixsterne 
geflohen. 

Plötzlich  und  furchtbar  sind  die  Ueberschwemmungen,  welche 
durch  Cyklonen  herbeigeführt  werden.  Sie  kommen  nur  in  der 
Nähe  des  Meeres  vor,  entweder  auf  Inseln,  oder  in  den  Niederun- 
gen des  Unterlaufes  grosser  Ströme.  In  einer  Breite  von  hunderten 
von  Seemeilen  nähert  sich  die  Cyklonenwelle  dem  Festlande,  und 
wird  sie  durch  den  sich  verengenden  Umriss  des  Meeres  gestaut, 
so  erhebt  sie  sich  mehr  und  mehr  und  stürzt  endlich  über  das 
Flachland  verwüstend  hin.  Geradezu  grauenvoll  sind  die  Folgen, 
welche  man  auf  den  westindischen  Inseln  und  an  den  ostindischen 
Flussmündungen  erlebt  hat :  ich  werde  Beispiele  aus  unseren  Tagen 
anzuführen  haben,  in  welchen  der  Verlust  an  Menschenleben, 
welcher  in  einer  einzigen  Nacht  eintrat,  auf  ein-  bis  zweimalhun- 
derttausend  Seelen  geschätzt  wird.    In  der  Regel  fallen  überaus 


46  Die  Finsterniss. 

heftige,  von  den  heutigen  Beobachtern  oft  geradezu  als  ,sintfluth- 
artig*  bezeichnete  Regenmassen,  namentlich  an  der  Vorderseite 
des  vorschreitenden  Wirbelsturmes  vom  Himmel;  häufig  treten  zu- 
gleich starke  Gewitter  auf. 

In  einzelnen  Fällen  sind  auch  Erderschütterungen  zugleich 
mit  Cyklonen  beobachtet  worden,  so  in  der  noch  weiter  zu  erwäh- 
nenden verhängnissvollen  Nacht  vom  11. — 12.  October  1737 
bei  Calcutta.  Als  der  sogenannte  , grosse  Orkan*  vom  10.  October 
1780  über  die  westindischen  Inseln  hin  gerast,  in  S.  Pierre  auf 
Martinique  das  Meer  25  Fuss  hoch  erhoben  und  auf  dieser  Insel 
9000,  auf  S.  Lucia  6000  Menschen  ertränkt  und  unermessliche 
Verheerungen  angerichtet  hatte,  drückte  Sir.  G.  Rodney  seine  feste 
Ueberzeugung  aus,  dass  so  gewaltige  Zerstörung  der  festesten 
Gebäude  nur  durch  ein  Erdbeben  möglich  sei,  und  dass  nur  die 
Heftigkeit  des  Sturmes  die  Einwohner  verhindert  habe,  dasselbe 
zu  bemerken.^^  — 

Wir  kehren  zum  Texte  des  Izdubar-Epos  zurück. 

Es  meldet  nun  Z.  so  den  Eintritt  der  Finsterniss. 

Am  2.  September  1860  gerieth  die  preussische  Kriegscor- 
vette  ,Arkona'  an  der  japanesischen  Ostküste  in  einen  Wirbel- 
sturm, welchen  sie  in  ruhmvoller  Weise  bestanden  hat.  ,Um  acht 
Uhr  (Morgens),'  heisst  es  in  dem  Berichte,  , wurde  es  so  dunkel, 
dass  man  das  Ende  des  Schiffes  nicht  mehr  sehen  konnte;  Meer 
und  Wolken  schienen  sich  zu  verschlingen.  Die  Wogen  standen 
Mauern  gleich,  und  der  Sturm  peitschte  den  Wasserschaum  wie 
dichten  Nadelregen  durch  die  Luft.  See-  und  Regenwasser  ergoss 
sich  in  Strömen  über  das  Deck  und  durch  alle  Oeffnungen  in  die 
Batterie  hinunter;  Wind  und  Wellen  rauschten  nicht  mehr;  Alles 
bebte  und  donnerte.  .  .  .'^^ 

Das  ist  Rammän,  der  die  Wogen  zum  Himmel  hebt,  bis  die 
zitternden  Götter  selbst  nach  höheren  Sphären  entfliehen,  und 
welcher  alles  Licht  verfallen  lässt  der  Finsterniss.  Und  die  Worte, 
in  welchen .  unmittelbar  nach  der  Thätigkeit  der  Anunnaki  sein 
Eingreifen  geschildert  wird,  legen  die  Vermuthung  nahe,  dass  mit 
dem  Erdbeben  eine  Cyklone  aus  dem  persischen  Meerbusen  in  die 
mesopotamische  Ebene  getreten  ist.  In  ähnlicher  Weise  ist  am 
I.  Mai  1769  ein  heftiges  Erdbeben  in  Bagdad,  welches  tausende 


Das  Ende  der  Katastrophe.  A^ 

von  Häusern  niederwarf,  von  einem  furchtbaren  Sturme  und  von 
einem  ,sintfluthartigen*  Regen  und  Hagel  begleitet  gewesen.^^ 

Die  verheerendste  Naturerscheinung  der  Gegenwart,  die  von 
einer  Erschütterung  der  Erde  begleitete  Cyklone,  ist  zugleich  jene, 
welche  der  Darstellung  Hasis-Adra's  von  dem  grössten  Natur- 
ereignisse des  Alterthums  am  Genauesten  entspricht. 

Die  drei  nachfolgenden  Verse,  Col.  III,  Z.  1,2,  3,  sind,  wie 
gesagt;  leider  zu  unvollständig,  um  eine  nähere  Deutung  zuzu- 
lassen. Man  erkennt  aus  den  losen  und  von  den  verschiedenen 
Uebersetzern  in  abweichender  Weise  wiedergegebenen  Worten 
nur,  dass  hier  eine  Fortsetzung  der  Schilderung  des  Naturereig- 
nisses gegeben  war. 

Col.  in,  4  schildert  den  Eindruck  auf  die  erschreckten  Men- 
schen, 5 — 7  jenen  auf  die  Götter;  ich  habe  dem  über  die  letzteren 
Zeilen  bereits  Gesagten  nichts  mehr  hinzuzufügen. 

5.  Weiterer  Verlauf  und  Ende  der  Katastrophe.  Es 
folgt  die  Klage  der  hehren  Menschenmutter  Istar  über  den  Ver- 
nichtungskampf gegen  die  Menschen,  und  die  Götter  klagen  mit 
ihr  über  die  Anunnaki;  hierauf: 

Col.  in,  1 9.  Sechs  Tage  und  sieben  Nächte 

•20.  behält  Wind,  Sintfluth  (Wirbelstunn)  und  Sturm  die 
Oberhandy 

21.  beim  Anbruche  des  7.   Tages  (aber)  Hess  der  Sturm 
nach,  die  Sintfluth  (Wirbelsturm),  die  einen  Kampf 

22.  geführt  wie  ein  (gewaltiges)  Kriegsheer, 

22^.  beruhigte  sich;  das  Meer  nahm  ab  und  Sturm  und 
Sintfluth  (Wirbelsturm)  hörten  auf. 

24.  Ich  durchschiffte  das  Meer  jammernd^ 

25.  dass  die  Wohnstätten  der  Menschen  in  Schlamm  ver- 
wandelt waren; 

26.  wie  Baumstämme  trieben  die  Leichen  umher, 

27.  Eine  Luke  hatte  ich  geöffnet,  und  als  das  Tageslicht 
auf  mein  Antlit^  fiel, 

28.  da  luckte  ich  zusammen   und  setzte  mich  weinend 
nieder, 

29.  über  mein  Antliti  flössen  meine  Thränen, 


50 


Das  Land  Nizir. 


Kaliu  lind  trat  ich  ein  in  das  Gebiet  der  Stadt  Babite.  Ich  verliess 
Babite  itnd  näherte  mich  dem  Laiide  Ni\iry  welches  man  auch 
Lullu-Kinipa  nennt.  Ich  nahm  die  Stadt  Bunasi,  ihre  feste  Stadt 
und 3o geschlossene  Städte  ihrer  Grenze.  Die  Männer  hatten  Furcht 
und  "{ogen  sich  {uriick  in  das  unzugängliche  Gebirge.  Aber  Asür- 
näcir-pal,  welcher  als  der  Erste  in  ihrer  Verfolgung  marschirte,  ging 
sie  aufiusuchen  xvie  Vögel,  Er  :{erstreute  ihre  Leichname  in  den 
Bergen  des  Landes  Ni{ir.  Er  hieb  in  Stücke  326  ihrer  Krieger;  er 
nahm  ihre  Pferde.  Er  tödtete  den  Rest  in  den  Schluchten  und  Ein- 
rissen des  Berges.  .  .  /  So  bei  Lenormant,  Orig.  IIa,  p.  10,  11. 
Nach  Oppert,  Exp^d.  M^sop.,  folgen  die  Worte :  ,  Die  majestätischen 
Spitzen  dieser  Berge  sind  gerade  wie  ein  Dolch.  Verborgen  j^or 
meinen  Kriegern^  erstieg  ich  ihre  Zufluchtsstätten .  . .  /  Und  eine 
spätere  Stelle  lautet:  ,Ich  i^erliess  die  Stadt  Kal:{u;  ich  kreuzte  den 
unteren  Zab  und  ich  trat  ein  in  das  Land  der  unmittelbaren  Nähe 
der  Stadt  Babite.' 

Kalzu  (Kakzi  bei  Oppert)  wird  mit  Schamämek  bei  Erbil  (Ar- 
bela)  identificirt,  d.  i.  die  Landschaft  Schemamlik  am  Fusse  des 
Dehir  Dagh. 

Vergleicht  man  diese  Angaben  mit  Cernik's  Darstellung,  so 
lässt  sich  Folgendes  erkennen: 

Der  assyrische  König  trat  seinen  Marsch  an  derselben  Stelle 
an,  über  welche  mehr  als  fünfhundert  Jahre  später  nach  der  un- 
glücklichen Schlacht  bei  Gaugamela  das  grosse  Heer  des  Darius 
Codomanus  vor  dem  siegreichen  Alexander  gegen  Arbela  floh. 
Die  Seehöhe  beträgt  hier  etwa  290 — 325  M.  Die  Stadt  Babite  war 
am  selben  Tage  zu  erreichen  und  muss  in  unmittelbarer  Nähe  des 
unteren  Zab  gelegen  sein.  Der  Zug  ging  gegen  OSO.  Es  waren 
Kriegswagen  dabei;  der  Fluss  wird  in  der  Nähe  des  heutigen 
Strassenzuges,  d.  i.  nicht  weit  von  Altyn-Kjöprü  gekreuzt  worden 
sein.  Unter  dem  Lande  Nizir  wird  man  das  Land  zu  verstehen 
haben,  welches  durch  die  miocänen  Höhenzüge  des  Karatschok 
Dagh,  Baruwän  Dagh  und  weiter  gegen  Süd  durch  den  nörd- 
lichen Theil  des  Djebel  Hamrin  von  der  Ebene  des  Tigris  abge- 
trennt ist.  Mehrere  Flüsse,  unter  ihnen  auch  der  untere  Zab, 
durchbrechen   in   engen   Schluchten   diese  Höhenzüge,   und   die 


Das  Fahrzeug  treibt  nordwärts.  5  l 

tertiären  Conglomeratbänke  bilden  häufig  wild  zerrissene  Fels- 
wände von  beträchtlicher  Höhe.^' 

Die  Seehöhe  dieser  dem  Lande  Nizir  vorliegenden  Berge  be- 
trägt im  Durchschnitt  etwa  3000  M. ;  die  eingerissenen  Flüsse  liegen 
viel  tiefer.  Ich  finde  aber  keine  Veranlassung  zu  der  Annahme, 
dass  diese  Berge  überfluthet  worden  seien. 

Das  Fahrzeug  treibt  über  die  grosse  Niederung  dahin,  geräth 
in  das  Gebiet  des  tiefer  liegenden  Tigris  und  strandet  an  dem 
Gehänge  eines  dieser  gegen  Nordost  und  Nord  die  Niederung 
begrenzenden  miocänen  Vorberge.  Es  erreicht  nicht  den  Gipfel 
des  Berges,  aber  die  Geretteten  verlassen  dann  das  Schiff  und 
ersteigen  den  Berg,  denn  es  heisst  an  späterer  Stelle: 
Col.  III,  46.  Ich  richtete  her  einen  Altar  auf  dem  Gipfel  des  Berges 

Entscheidend  für  das  Wesen  der  ganzen  Katastrophe  aber 
scheint  mir,  dass  das  Fahrzeug  entgegen  dem  Gefalle  der  Flüsse 
vom  Meere  hinweg  landeinwärts  getrieben  worden  ist.  Jede  nach 
der  verbreiteten  Auffassung  des  Ereignisses  vornehmlich  durch 
Regen  veranlasste  Fluth  hätte  dasselbe  sicherHch  vom  unteren 
Euphrat  in's  Meer  hinausgetragen. 

Es  ist  aber  diese  allgemein  verbreitete  Auffassung  des  bibli- 
schen Berichtes  durch  diesen  selbst  kaum  sicher  zu  begründen. 
Schon  im  vorigen  Jahrhunderte  haben  hervorragende  Exegeten 
behauptet,  dass  (den  hebräischen  Texten  fehlte  bekanntlich  ur- 
sprünglich die  Vocalisirung)  in  Gen.  VI,  17  und  VII,  6  anstatt 
,majim',  aqiiae,  Wässer,  —  ,mijam',  a  mari,  vom  Meere,  gelesen 
werden  solle.  So  übersetzte  schon  vor  mehr  als  hundert  Jahren 
J.  D.  Michaelis,  welchen  Bunsen  einen  der  Begründer  der  neueren 
Bibelforschung  nennt,  die  betreffenden  Stellen: 
VI,  i-j.Tch  aber  mll  von  der  See  her  eine  Ueberschivemmung 
über  die  Erde  bringen,  um  alle  beseelten  Leiber  unter  dem 
ganzen  Himmel  \ii  vertilgen. 

Und  ferner; 
Vn,  6.  Noach  war  damals  sechshundert  Jahre  alt,  als  die  Ueber- 
schwemmung  von  der  See  her  über  die  Erde  einbrach, 
lind  er  ging  selbst  nebst  seinen  Söhnen,  seiner  Frau  und 
seiner  Sohne  Frauen  in  das  Schiff,  um  dem  Wasser  der 
Sündßulh  ^u  entkommen. 


5  2  ^  Abschluss. 

Hiezu  wird  die  sehr  vernünftige  Bemerkung  gemacht:  ,In  der 
That  mussdie  Sündfluth  hauptsächlich  aus  der  See  entstanden  seyn, 
denn  die  Luft  kann  bey  weitem  so  viel  Wasser  nicht  halten,  als  zu 
ihr  erfordert  wird,  folglich  auch  nicht  im  Regen  herabschütten. '^** 

Gegen  diese  Auslegung,  welche  mehrere  hervorragende 
Bibelforscher  des  vergangenen  Jahrhunderts  theilten,  wird  einge- 
wendet: ,Die  Aenderung  von  majim  in  mijam  sei  unnöthig  und 
unzulässig,  weil  ja  auch  der  Regen  besonders  stark  mitwirkte.**' 
Wie  ausserordentlich  aber  durch  dieselbe  die  biblische  Erzählung 
den  heutigen  Erfahrungen  über  ähnliche  Ereignisse  genähert  wird, 
bedarf  keiner  Erläuterung. 

7.  Abschluss,  Zeit  des  Ereignisses.  Die  noch  folgenden 
Theile  der  Erzählung  Hasis-Adra's  sind  namentlich  in  ihren  engen 
Beziehungen  zu  dem  biblischen  Texte  von  äusserstem  Interesse, 
aber  sie  bieten  keinen  wesentlichen  Aufschluss  über  die  hier  be- 
rührten Fragen. 

Die  Episode  der  Aussendung  der  Vögel  wurde  behandelt 
von  Delitzsch  und  Eb.  Schrader,  welche  die  grössere  Ursprüng- 
lichkeit des  chaldäischen  Berichtes  und  die  überraschende  Gleich- 
artigkeit einzelner  Zeilen  des  biblischen  Textes  hervorheben. 
Die  grossen  Bogen  Anu's,  welche  die  Göttin  Istar  in  die  Höhe 
hebt  vor  ihrem  Gelübde,  der  Regenbogen  der  Genesis,  sie  be- 
stätigen  den  Regen.  Ea,  der  Gott  des  Meeres,  tritt  besänftigend 
auf,  und  er  ist  es,  welcher  den  streitbaren  Bei  auffordert,  keine 
Sintfluth  mehr  zu  veranstalten.'''  — 

Nach  dem  bisher  Gesagten  haben  wir  als  den  Schauplatz  dieser 
Vorgänge  das  untere  Stromgebiet  Mesopotamiens  von  der  nahe 
dem  Meere  am  Euphrat  liegenden  Stadt  Surippak  bis  zu  den  Ab- 
dachungen der  Berge  von  Nizir  jenseits  des  Tigris  zu  betrachten. 
Es  ist  jedoch  gegen  diese  Auffassung  vor  Kurzem  von  hochacht- 
barer Seite  eingewendet  worden,  dass  die  ganze  Färbung  des 
chaldäischen  Berichtes  eine  specifisch  babylonische  sei;  dieser 
Bericht  sei  »babylonisch  localisirt'.  Trotz  dieser  Localisirung  zeige 
derselbe  doch  keine  einleuchtende  Anknüpfung  an  die  klimatischen 
Verhältnisse  des  Landes,  und  zwar  wird  bemerkt,  erstens:  dass 
die  Ueberfluthung  nicht  in  Bezug  stehe  mit  den  periodischen 
Hochwässern  der  Flüsse  im  November  und  im  Frühjahre,  und 


Zeit  des  Ereignisse9.  ci 

zweitens:  dass  gar  nicht  einzusehen  sei,  warum  das  von  einem 
Steuermanne  geleitete  Schiff  so  weit  gegen  Nord  gefahren  sei. 
Verständlich  werde  die  Sache  nur,  wenn  auch  in  der  babylonischen 
Sage  die  Abkunft  der  neuen  Menschheit  vom  Norden  her  noch  ein 
feststehender  Zug  war.  Dann  aber  sei  sicher,  dass  Babylonien 
nicht  die  ursprüngliche  Heimat  der  Flutherzählung  war." 

Diese  Einwürfe  scheinen  mir  nur  aus  jener,  wenn  ich  so  sagen 
darf,  binnenländischen  Auffassung  dieses  grossen  Naturereig- 
nisses hervorzugehen,  welche  in  dem  Regen  die  Hauptquelle  der 
Ueberfluthung  zu  sehen  geneigt  ist,  obwohl,  wie  bereits  erwähnt 
worden  ist,  bei  so  grossen  Fluthen  der  Regen  nur  als  eine  Neben- 
erscheinung auftritt.  Die  Fluth  kam,  wie  alle  grossen  Fluthen  der 
heutigen  Tage,  vom  Meere  her;  Erdbeben  und  Cyklone  stehen  in 
keinen  Beziehungen  zu  den  periodischen  Anschwellungen  der 
Flüsse,  und  sie  sind  auch  die  Ursache  gewesen,  dass  das  Schiff  so 
weit  gegen  Nord  getrieben  wurde. 

Die  Untersuchungen  über  die  genaueren  Angaben  von  Tag 
und  Monat  des  Beginnes  der  Sintfluth,  welche  sich  bei  Berosus  und 
in  Gen.  VII,  1 1  finden,  sowie  über  RawHnson's  merkwürdigen  Ver- 
gleich der  Gesänge  des  Izdubar-Epos  mit  den  Zeichen  des  Thier- 
kreises  fallen  nicht  in  den  Bereich  meiner  Aufgabe.  Das  genauere 
Datum  der  Sintfluth  hat  Bosanquet  in  London  geglaubt  auf  Grund 
der  Beobachtungen  über  Sonnenfinsternisse  im  Alterthume  fest- 
stellen zu  können.  Dieser  Versuch  führte  auf  das  Jahr  2379  v.  Chr.; 
ich  erwähne  diese  Ziffer  nur  der  Vollständigkeit  halber.  Allen  An- 
zeichen nach  fallt  die  Katastrophe  in  eine  viel  frühere  Zeit." 

Hiemit  breche  ich  vorläufig  die  Betrachtung  des  Izdubar-Epos 
ab,  um  der  Sintfluth  ähnliche  Ereignisse  aus  unseren  Tagen  zu 
besprechen.  Diese  sind,  wie  die  Berichte  aus  den  letzten  Jahr- 
zehnten lehren,  weit  häufiger,  als  man  im  mittleren  Europa  voraus- 
zusetzen gewöhnt  ist.  Als  Beispiele  wurden  die  Vorkommnisse  an 
den  Mündungen  des  Indus  und  des  mit  dem  Brahmaputra  vereinig- 
ten Ganges  gewählt.  Dann  erst  soll  zu  abermaliger  Erörterung 
der  von  Hasis-Adra  geschilderten  Katastrophe  und  zu  einer  kurzen 
Prüfung  jener  Sintfluth-Sagen  anderer  Völker  geschritten  werden, 
aus  welchen  man  die  Ausbreitung  der  Katastrophe  über  die  ganze 
Oberfläche  des  Planeten  zu  erweisen  versucht  hat. 


5j.  Neuere  Vorgänge. 


B.  Neuere  Vorgänge  an  den  ostindischen  Flüssen, 

Hasis-Adra  bringt  das  Opfer  dar;  wie  Fliegen  sammeln  sich 
die  Götter  über  demselben  und  saugen  den  wohlriechenden  Duft  ein. 
Und  die  Menschenmutter  Istar,  nachdem  sie  die  grossen  Bogen  (?) 
aufgerichtet,  schwört  nimmer  zu  vergessen  dieser  Tage,  und  der 
weise  Ea  ermahnt  Bei,  er  möge  auf  den  Sünder  fallen  lassen  seine 
Sünde  und  auf  den  Frevler  seinen  Frevel,  aber  eine  Sintfluth 
(abübu)  möge  er  nicht  mehr  anrichten.  Löwen  mögen  kommen, 
und  Hyänen  mögen  kommen,  und  Hungersnoth  und  Pest,  um  die 
Menschen  zu  vermindern,  aber  die  Sintfluth  möge  nicht  wieder- 
kehren. 

Auch  Noah  bringt  sein  Opfer  dar,  und  Jahveh  riecht  den 
angenehmen  Duft  und  verspricht  in  seinem  Herzen,  keine  allge- 
meine Vertilgung  mehr  folgen  zu  lassen. 

Von  Elohim  wird  der  Bogen  in  das  Gewölke  gesetzt  und  der 
Bund  des  Friedens  aufgerichtet  für  alle  Zeiten  mit  dem  Menschen 
und  aller  lebenden  Creatur. 

Und  die  Euphratniederung,  obwohl  häufig  noch  von  Erder- 
schütterungen heimgesucht,  ist  in  den  letzten  Jahrtausenden  in  der 
That  der  Schauplatz  solcher  Ueberfluthung  nicht  wieder  gewesen. 
Die  Flussmündungen  sind  durch  Verlandung  vorgeschoben,  die 
befruchtenden  Canäle  vertrocknet,  das  Land  ist  verödet;  an  Babel 
sind  die  grässlichen  Prophezeiungen  Jeremiah's  in  Erfüllung  ge- 
gangen, die  stolzen  Königsstädte  sind  zu  formlosen  Trümmer- 
haufen geworden,  aber  eine  Sintfluth  ist  nicht  wieder  über  dieses 
Land  gekommen. 

In  den  Niederungen  anderer  grosser  Ströme  sieht  man  jedoch 
in  unseren  Tagen  noch  oft  das  Wirken  der  Anunnaki  und  fühlt 
den  Zorn  des  furchtbaren  Rammän.  Darum  verlassen  wir  nun  die 
Ueberlieferungen  der  Vergangenheit  und  wenden  wir  uns  den 
Erlebnissen  der  Gegenwart  zu. 

Bei  allen  Völkern  galten  von  jeher  die  Quellen  als  begnadete 
Orte,  und  in  wasserarmen  und  heissen  Gegenden  in  noch  höherem 
Grade  als  im  Norden.  Aber  die  Vorgänge  der  Verdunstung  und 
der  Infiltration  waren  unbekannt,  und   in   mannigfaltiger  Weise 


Mündungen  des  Indus.  CC 

suchte  man  ihre  Speisung  zu  erklären.  Man  sah  auch  den  Wasser- 
spiegel der  Brunnen  unter  der  Ebene.  Das  sind  die  ,Wässer  der 
Tiefe',  welche  aufbrechen  und  hervorsteigen  bei  Erderschütte- 
rungen, und  indem  sie  sich  an  der  Oberfläche  entleeren,  sinkt  wohl 
auch  ein  beträchtliches  Stück  dieser  Oberfläche  in  den  durch  die 
Entleerung  entstehenden  Hohlraum.  So  entstand,  wie  wir  früher 
sahen,  der  neue  Wasserspiegel  auf  der  Stelle  der  Burjätennieder- 
lassung in  der  Nähe  des  Baikal. 

Im  grössten  Maassstabe  ist  dieses  Hervorbrechen  des  Grund- 
wassers und  das  Einsinken  des  Bodens  in  dem  oft  von  Erderschüt- 
terungen heimgesuchten  unteren  Flussgebiete  des  Indus  ein- 
getreten. 

Dieses  Beispiel  wollen  wir  zuerst  betrachten. 

Die  Mündungen  des  Indus  nehmen  den  weiten,  flachen  Theil 
der  Küste  zwischen  Kurrachi  im  Nordwesten  und  Lukput  im  Süd- 
osten in  Anspruch.  Dieses  Tiefland  ist  an  der  rechten  Seite  be- 
grenzt durch  die  Höhenzüge,  welche  vom  Khirthargebirge  bis 
Cap  Monze  bei  Kurrachi  sich  fortsetzen.  Noch  unter  Haiderabad, 
bei  Jerruck,  und  noch  zwischen  Tatta  und  Pirputta  treten  von 
diesem  Gebirge  her  Felsmassen  an  den  Strom  und  halten  ihn  fest, 
während  schon  weit  oberhalb  dieser  Punkte  grosse  Arme  von  der 
linken  Seite  abgegangen  sind.  Die  Frage,  wohin  unter  solchen 
Verhältnissen  das  Haupt  des  Delta's  zu  verlegen  sei,  kann  daher 
auf  verschiedene  Weise  beantwortet  werden,  und  wenn  man  es 
nach  Tatta  verlegt,  umfasst  man  nur  einen  verhältnissmässig  ge- 
ringen Theil  des  weiten  Schwemmlandes,  welches  unter  dem  Ein- 
flüsse dieses  gewaltigen  und  an  Sinkstoffen  sehr  reichen  Stromes 
aufgebaut  worden  ist. 

Die  Mündung  des  Hauptstromes  steht,  wie  Tremenheere  ge- 
zeigt hat,  unter  dem  Einflüsse  von  vorherrschend  gegen  Nordwest 
gerichteten  Bewegungen  des  Meeres,  so  dass  ein  Theil  seiner  Se- 
dimente bis  in  die  unmittelbare  Nähe  von  Kurrachi  getragen  wird. 
Die  Mündung  selbst  ist  nach  derselben  Richtung  abgelenkt.  Zahl- 
reiche trockene  Gerinne  zwischen  dem  sehr  weit  oberhalb  ab- 
zweigenden Narra  und  dem  Indus  deuten  darauf  hin,  dass  der  ge- 
sammte  Abfluss  und  mit  ihm  die  Ausbildung  des  Delta's  mehr  und 
mehr  gegen  Nordwest  gerückt  worden  sind.^^ 


c6  Zerstörte  Städte. 

Cunningham  schreibt  dieses  Drängen  aller  Flussläufe  des 
Penjäb  nach  rechts  der  Rotation  der  Erde  zu  und  stellt  den  Zeit- 
punkt des  Verlassens  des  Narrabettes  in's  Jahr  680  n.  Chr.  Im 
Jahre  7 1 1  n.  Chr.  war  der  Hauptstrom  bereits  bei  Rori  in  sein 
heutiges  Bett  eingegraben,  er  floss  aber  damals  noch  östlich  von 
Haiderabad  und  erst  um  das  Jahr  1592  scheint  er  sich  westlich  von 
dieser  Stadt  sein  Bett  gewählt  zu  haben. ^^ 

In  der  Niederung  des  Indus  sind  grosse  und  volkreiche  Städte 
die  Opfer  von  Naturereignissen  geworden.  Mit  Tausenden  von 
Einwohnern  wurden  sie  wohl  öfters  binnen  wenigen  Augenblicken 
zerrüttet,  und  die  Vernichtung  der  Bewässerungsanlagen  oder  die 
Ablenkung  des  Flusslaufes  überhaupt  verhinderte  die  Wiederauf- 
richtung durch  die  Ueberlebenden.  Nach  Jahrhunderten  trifft  dann 
der  Reisende  auf  ausgedehnte  Ruinen  und  auf  die  figurenreichen 
Bildwerke  einer  verlassenen  Hauptstadt,  an  dem  trockenen  Ge- 
rinne des  abgelenkten  Flusses,  und  die  Ergründung  auch  nur  ihres 
Namens  mag  schon  das  Ziel  des  Ehrgeizes  unserer  Alterthums- 
forscher  werden. 

,Ich  reiste,'  schrieb  Ibn  Batuta  im  Jahre  1333  unserer  Zeit- 
rechnung, , durch  Sind  zu  der  Stadt  Lähari,  welche  an  den  Küsten 
des  Indischen  Meeres  gelegen  ist,  wo  der  Sind  (Indus)  sich  mit 
demselben  vereinigt.  Sie  hat  einen  grossen  Hafen,  in  welchem 
Schiffe  aus  Persien,  Yemen  und  aus  anderen  Gegenden  anlegen. 
Wenige  Meilen  von  dieser  Stadt  sind  die  Ruinen  einer  anderen 
Stadt,  in  welcher  Steine  in  der  Gestalt  von  Menschen  und  Thieren 
in  fast  unzähliger  Menge  angetroffen  werden.  Das  Volk  dieses 
Ortes  sagt,  es  sei  die  Ansicht  seiner  Geschichtsschreiber,  dass 
einstens  an  dieser  Stelle  eine  Stadt  gestanden  sei,  deren  Einwohner 
zum  grössten  Theile  so  sündhaft  gewesen  seien,  dass  Gott  sie, 
ihre  Thiere,  ihre  Pflanzen  und  sogar  die  Samen  in  Stein  verwan- 
delte; und  in  der  That  sind  die  Steine  in  Gestalt  von  Samen  hier 
beinahe  zahllos.'  Hier  werden  Nummulitenkalk  und  Sculpturen 
zusammengestellt.  Es  sind  wahrscheinlich  die  Reste  des  berühm- 
ten Hafenortes  Debal  gemeint,  welcher  zwischen  Kurrachi  und 
Tatta  lag. 

Die  Nachricht  von  solchen  Städten  ist  vielfach  gegen  West 
und   Nordwest  gedrungen,   und  manche  Uebereinstimmung  mit 


Rao  of  Kachh.  5  7 

localen  Sagen  lässt  vermuthen,  dass  Zobe'ide's  Erzählung  in 
»Tausend  und  Eine  Nacht',  dass  sie,  von  Bassora  absegelnd, 
nach  zwanzig  Tagen  in  dem  Hafen  einer  grossen  Stadt  Indien's 
gelandet  sei  und  dort  den  König,  die  Königin  und  alles  Volk  in 
Stein  verwandelt  gefunden  habe,  sich  auf  eine  der  bildreichen 
zerstörten  Städte  des  Indus-Delta's,  vielleicht  auf  dasselbe  Debal 
beziehe." 

Viel  weiter  im  Lande,  nordöstlich  von  Haiderabad,  besuchten 
im  Jahre  1854  Bellasis  und  Richardson  die  Ueberreste  von  Brah- 
minabad,  an  dem  trockenen  Bette  des  Narra,  einst  einer  weit- 
läufigen und  volkreichen,  aus  gebrannten  Ziegeln  erbauten  Stadt, 
jetzt  ein  weiter  Trümmerhaufe,  aus  dessen  Mitte  noch  der  untere 
Theil  eines  gewaltigen  Rundthurmes  aufragt.  Offene  Plätze,  die 
Lage  des  Bazar's  sind  noch  kennbar,  und  die  ersten  Aufgrabungen 
haben  Skelete  von  Einwohnern  in  ihren  Häusern,  Münzen  und 
Cameen,  Bildhauerwerke,  welche  hier  der  Zerstörungswuth  isla- 
mitischer Ikonoklasten  entgangen  waren,  ja  sogar  kunstvoll  ge- 
arbeitete Schachfiguren  unter  der  wohl  nahezu  tausendjährigen 
Schuttdecke  enthüllt.  Die  vollkommene  Zerrüttung  sehr  starker 
Bauwerke,  die  Abwesenheit  von  Brandspuren,  die  Reste  der  Ein- 
wohner selbst  und  ihrer  Habseligkeiten  bestätigen  die  Sage, 
nach  welcher  die  Stadt  plötzlich  durch  ein  P>dbeben  zerstört 
worden  ist.'" 

An  dem  östlichsten  der  alten  Arme  des  Indus,  dem  Khori, 
nahe  seiner  Mündung,  liegt  die  Stadt  Lukput.  Hier  endet  der  von 
Südost  her  längs  der  Küste  sich  hinstreckende  Höhenzug  von 
Kachh,  welcher  den  Ran  of  Kachh,  eine  südöstliche  Erweiterung 
des  Flachlandes  der  Mündungen,  vom  Meere  abtrennt. 

Die  unübersehbare  Ebene  des  Ran  ist  bald  bei  Südwest- 
Monsun  von  Lukput  her  mit  Salzwasser  überdeckt,  bald  bei  Hoch- 
wässern im  Indusgebiete  durch  die  Gerinne  des  Bunass  oder  des 
Luni  von  Süsswasser  überfluthet,  bald  weithin  trocken  und  dann 
mit  grossen,  blendend  weissen  Salzflecken  überstreut. 

Wynne,  welcher  die  geologische  Karte  von  Kachh  entworfen 
hat,  schildert  in  anschaulichen  Worten  den  belastenden  Hindruck 
des  Schweigens  und  der  Einöde  im  Ran,  in  welchem  ausser  etwa 
selten  einmal  einer  flüchtigen  Heerde  wilder  Esel,  kein  lebend« 


58  Erdbeben  von  18 19. 

Wesen  sichtbar  wird  und  die  Luft  sich  erfüllt  mit  den  wunderbar- 
sten Spiegelungen/^ 

Der  dem  Sanskrit  entlehnte  Name  selbst  zeigt  das  hohe  Alter, 
denn  Kachchha  bezeichnet  einen  Sumpf  und  Irina  (Ran)  eine 
Salzwüste.  Der  grosse  chinesische  Reisende  Hwen  Tsang,  welcher 
im  Jahre  641  n.  Chr.  in  Sind  war,  beschreibt  diese  Gegend  bereits 
als  niedrig,  feucht  und  den  Boden  als  mit  Salz  erfüllt.  ^° 

Die  wunderbaren  Luftspiegelungen  des  Ran  sind  die  Quelle 
vieler  Legenden  und  Zaubermärchen  geworden.  Die  Eingebornen 
sehen  in  denselben  das  Trugbild  der  Besitzungen  eines  frommen 
Königes,  dem  es  gelungen  war,  so  vollständig  ein  goldenes  Zeit- 
alter der  Tugend  wiederherzustellen,  dass  seine  Hauptstadt,  alles 
Unreinen  entledigt,  allmälig  selbst  sich  zum  Himmel  erhob.  In 
einem  entlegenen  Hause  jedoch  war  ein  unreines  Thier,  ein  wilder 
Esel,  vergessen  worden,  der  durch  Wiehern  seine  Gegenwart  ver- 
rieth.  Das  Emporschweben  der  Stadt  wurde  unterbrochen,  und 
seither  schwebt  sie  über  dem  Ran  zwischen  Himmel  und  Erde.^* 

Dieser  Ran  of  Kachh  wurde  im  Jahre  1 8 1 9  von  einer  gewal- 
tigen Erderschütterung  betroffen,  welche  von  vielbesprochenen 
Veränderungen  der  Erdoberfläche  begleitet  war.  Ich  folge  bei  der 
Besprechung  derselben  zunächst  wörtlich  der  von  Alex.  Burnes 
gegebenen  Schilderung  der  thatsächlichen  Vorgänge,  auf  welche 
sich  auch  die  von  Lyell  gegebene  Beschreibung  stützt.  ^^ 

Vor  der  Schlacht  von  Jarra,  im  Jahre  1762,  sagt  Burnes,  in 
welcher  die  Einwohner  von  Kachh  sich  muthig  gegen  eine  Armee 
aus  Sind  unter  Ghulam  Schah  Kulora  vertheidigten,  mündete 
der  östliche  Arm  des  Indus,  gewöhnlich  der  Phurraun  genannt,  in 
das  Meer,  indem  er  an  den  westlichen  Küsten  von  Kachh  vorbei- 
floss,  und  das  Land  an  seinen  Ufern  genoss  die  Vortheile,  welche 
dieser  Fluss  durch  seinen  ganzen  Lauf  spendet.  Seine  jährlichen 
Ueberfluthungen  bewässerten  den  Boden  und  lieferten  reiche 
Ernten  von  Reis;  diese  Uferlandschaften  waren  damals  unter  dem 
Namen  ,Sayra'  bekannt. 

Diese  Segnungen,  welche  die  Natur  der  sonst  unfruchtbaren 
Gegend  verliehen  hatte,  erreichten  ihr  Ende  mit  der  Schlacht  von 
Jarra,  denn  der  Häuptling  aus  Sind,  erzürnt  über  den  Misserfolg 
seines  Feldzuges,  kehrte  voll  Rachegefühl  in  sein  Land  zurück  und 


Burnes'  Bericht.  jg 

versetzte  den  tiefsten  Nachtheil  dem  Lande,  welches  zu  unter- 
jochen ihm  nicht  gelungen  war.  Bei  dem  Dorfe  Mora  warf  er  einen 
Damm  von  Erde,  oder,  wie  es  genannt  wird,  einen  ,Bund'  auf, 
quer  über  jenen  Arm  des  Indus,  welcher  Kachh  befruchtete ;  in- 
dem er  so  den  Strom  ablenkte,  welcher  den  Einwohnern  so  sehr 
zu  statten  gekommen  war,  und  indem  er  ihn  in  andere  Gerinne 
führte,  in  öde  Theile  der  eigenen  Besitzungen,  zerstörte  er  zu- 
gleich eine  weite  und  reiche  Strecke  bewässerten  Landes  und  ver- 
wandelte er  eine  productive  Reisgegend,  welche  zu  Kachh  gehört 
hatte,  in  eine  sandige  Wüste. 

Der  aufgeworfene  Damm  schloss  nicht  gänzlich  das  Wasser 
des  Indus  von  Kachh  ab,  hinderte  jedoch  so  sehr  die  Bewegung 
des  Hauptstromes,  dass  aller  Ackerbau,  welcher  von  der  Bewäs- 
serung abhing,  ein  Ende  fand.  Im  Laufe  der  Zeit  verschwand  auch 
dieser  geringe  Rest  von  Wohlstand;  die  Talpur's,  welche  den 
Kalora's  in  der  Herrschaft  über  Sind  folgten,  warfen  neue  Dämme 
auf,  und  um  das  Jahr  1802  wurden  durch  die  Errichtung  eines 
solchen  zu  Ali  Bunder  alle  Wässer  des  Indus,  selbst  zur  Zeit  der 
Hochwässer,  von  dem  Canale  abgeschlossen,  welcher  sie  einst  an 
Kachh  vorüber  zum  Meere  geführt  hatte.  Nun  hörte  jener  Streifen 
Landes,  welcher  vormals  den  fruchtbaren  District  von  Sayra  ge- 
bildet hatte,  auf,  auch  nur  einen  Halm  von  Pflanzenwuchs  zu  lie- 
fern, und  wurde  einTheil  des  Ran,  an  den  er  früher  gegrenzt  hatte. 
Der  Canal  des  Flusses  bei  der  Stadt  Lukput  wurde  seichter,  und 
oberhalb  Sindree  füllte  er  sich  mit  Schlamm  und  vertrocknete. 
Tiefer  unten  verwandelte  er  sich  in  einen  Arm  des  Meeres. 

Unter  diesen  Verhältnissen,  erzählt  Burnes  weiter,  erfolgte 
im  Juni  18 19  ein  heftiger  Erdstoss,  durch  welchen  Hunderte  von 
Einwohnern  getroffen  wurden  und  jeder  befestigte  Punkt  im  Lande 
in  seinen  Grundvesten  erschüttert  wurde.  Es  bildeten  sich  im  Ran 
zahlreiche  Spalten,  aus  welchen  durch  drei  Tage  ungeheure 
Massen  von  schwarzem,  schlammigen  Wasser  hervortraten,  und 
aus  den  Brunnen  des  an  den  Ran  grenzenden  Landstriches  Bunni 
sprudelte  das  Wasser  hervor,  bis  ringsum  das  Land  bis  zu  6,  ja 
selbst  10  Fuss  hoch  überfluthet  war." 

Gegen  Sonnenuntergang  wurde  der  Stoss  zu  Sindree,  der 
Zollstation  von  Kachh,  gefühlt,  welche  an  der  Hauptstrasse  nach 


60  Ullah-bund. 

Sind  und  an  den  Ufern  dessen  lag,  was  vor  Zeiten  der  östliche 
Arm  des  Indus  gewesen  war.  Dieses  kleine,  aus  Ziegeln  erbaute 
Fort  von  150  Fuss  im  Gevierte  wurde  durch  einen  vom  Ocean 
herHuthenden  Wasserstrom  überwältigt,  welcher  sich  nach  allen 
Richtungen  ausbreitete  und  dieselbe  Strecke,  welche  bisher  hart 
und  trocken  gewesen  war,  im  Laufe  weniger  Stunden  in  einen 
Binnensee  verwandelte,  der  sich  von  Sindree  nach  jeder  Rich- 
tung I  7  Miles  weit  ausdehnte.  .  .  .  Bald  entdeckte  man  jedoch, 
dass  dies  nicht  die  einzige  Aenderung  in  dieser  denkwürdi- 
gen Convulsion  der  Natur  sei,  da  die  Einwohner  von  Sindree  in 
einer  Entfernung  von  beiläufig  5  Miles  gegen  Nord  einen  Damm 
(a  mound)  von  Erde  oder  Sand  bemerkten,  an  einer  Stelle,  wo  zu- 
vor der  Boden  eben  und  niedrig  gewesen  war.  Er  erstreckte  sich 
auf  eine  beträchtliche  Strecke  gegen  Ost  und  gegen  West  und 
durchcjuerte  unmittelbar  den  Canal  des  Indus,  gleichsam  für  immer 
den  Phurraunfluss  abtrennend  vom  Meere.  Die  Eingebornen 
nannten  diesen  Damm  , Ullah-bund'  oder  den  Damm  Gottes, 
mit  Bezug  darauf,  dass  er  nicht  wie  die  anderen  Dämme  des 
Indus  von  Menschenhand,  sondern  von  der  Natur  aufgeworfen 
war.  .  .  . 

Diese  wunderbaren  Ereignisse  gingen  vorläufig  wenig  be- 
achtet vorüber,  denn  der  tiefe  Nachtheil,  welcher  Kachh  im  Jahre 
1762  zugefügt  worden  war,  hatte  diesen  Theil  des  Landes  schon 
so  gänzlich  zu  Grunde  gerichtet,  dass  es  gleichgiltig  war,  ob  der- 
selbe eine  Wüste  bleibe  oder  sich  in  einen  See  verwandle.  Ein 
schwacher  und  erfolgloser  Versuch  wurde  von  Kachh  aus  gemacht, 
ein  Zollamt  auf  dem  neu  gebildeten  , Ullah-bund'  zu  errichten, 
aber  die  Emire  von  Sind  erhoben  Einsprache,  und  da  Sindree  nicht 
länger  haltbar  war,  wurden  die  Beamten  auf  das  Festland  von 
Kachh  zurückgezogen. 

So  verblieben  die  Dinge  bis  zum  Monate  November  1826, 
als  Nachricht  einlangte,  dass  der  Indus  seine  Ufer  im  oberen  Sind 
durchbrochen  habe,  und  dass  eine  ausserordentlich  grosse  Wasser- 
menge sich  über  die  Wüste,  welche  dieses  Land  ostwärts  begrenzt, 
ausgebreitet,  alle  Dämme  gesprengt  und  sich  den  Weg  bis  zum 
Ran  of  Kachh  erzwungen  habe.  Im  März  1827,  also  8  Jahre  nach 
dem  Erdbeben,  reiste  nun  Burnes  von  Bhooj,  der  Hauptstadt  von 


UUah-bund  ist  kein  Damm.  6  I 

Kachh,  über  Lukput,  zu  Wasser  aufwärts  zu  jener  weiten  Wasser- 
fläche, welche  die  Ruinen  von  Sindree  umgab. 

Der  wichtigste  Theil  des  weiteren  Berichtes  von  Burnes  ist 
die  Beschreibung  des  üliah-bund.  Dem  Auge  erschien  derselbe 
an  einer  Stelle  nicht  höher  als  an  einer  anderen  und  er  Hess  sich 
nach  Ost  und  nach  West  so  weit  verfolgen,  als  das  Äuge  reichte; 
die  Eingebornen  gaben  an,  dass  seine  Länge  50  Miles  betrage. 
,Man  darf  sich  denselben  jedoch,'  so  sagt  ausdrücklich  Burnes, 
, nicht  als  einen  schmalen  Streifen,wie  einen  künstlichen  Damm 
vorstellen,  da  er  sich  landeinwärts  bis  Raomaka-bazar  ausdehnt, 
wohl  in  einer  Breite  von  16  Miles,  und  er  schien  eine  grosse 
Erhebung  der  Natur  zu  sein.  Die  Oberfläche  war  mit  salzreichem 
Boden  bedeckt,  und  er  besteht  aus  Thon,  Muscheln  und  Sand.  .  .  .' 

So  weit  Burnes.  Der  UUah-bund  ist  seither  öfters  besucht 
worden;  seine  Höhe  wurde  auf  10,  15,  18  und  sogar  auf  20'/^  Fuss 
bemessen,  aber  Wynne  bemerkt,  dass  sich  die  Angaben  auf  die 
Höhe  über  dem  wechselnden  Wasserstande  an  seinem  Fusse  be- 
ziehen. Die  Beobachter  stimmen  in  dem  entscheidenden  Punkte 
überein,  dass  der  UUah-bund  überhaupt  nurvon  Süden  her  den 
Anblick  eines  Dammes  biete,  gegen  Nord  aber  gar  kein  oder 
so  gut  wie  kein  Gefalle  habe,  und  dass  sich  eine  Nordseite 
desselben  überhaupt  in  keiner  Weise  kenntlich  mache. 

Der  UUah-bund  ist  demnach  gar  kein  Damm,  sondern  nur 
eine  plötzliche  Abstufung  des  Bodens. 

Das  oberhalb  dieser  Abstufung  gelegene,  angeblich  geho- 
bene Land  hat  eben  keine  Veränderung  erfahren.  Mit  voUem 
Rechte  hebt  Wynne  hervor,  dass  es  bei  einer  irgend  bemerkens- 
wertheren  Erhebung  dieses  Landstriches  den  Hochfluthen  des  In- 
dus im  Jahre  1 826  unmöglich  gewesen  wäre,  das  seit  dem  Jahre 
1762  abgedämmte  Bett  des  Phurraunarmes  wieder  zu  verfolgen 
und  quer  durch  den  UUah-bund  die  Senkung  von  Sindree  und  die 
Mündung  unterhalb  Lukput  zu  erreichen. ^^ 

Das  Land  südUch  vom  UUah-bund  mit  dem  Fort  von  Sindree 
ist  demnach  zugleich  mit  einem  grossen  Austritte  von  Grund- 
wasser während  des  Erdbebens  von  1819  eingesunken;  der  UUah- 
bund  ist  eine  scharfe  Abstufung  des  Schwemmlandes,  welche  die 
Grenze  der  Einsenkung  bezeichnet;  oberhalb  des  UUah-bund  ist 


62  Bucht  von  Bengalen. 

keine  wesentliche  Veränderung  eingetreten,  wie  aus  dem  unge- 
änderten  Gefälle  der  Flüsse  erhellt. 

Diese  einfache  Auffassung  der  Sachlage  stimmt  mit  der 
schmucklosen  Darstellung  überein,  welche  Carless  im  Jahre  1837 
in  einer  die  Vermessungsarbeiten  im  Indus-Delta  begleitenden 
Denkschrift  gegeben  hat.  Diese  spricht  nur  davon,  dass  das  nie- 
dere Alluvialland  »während  des  Erdbebens  von  18 19  an  mehreren 
Stellen  einige  Fuss  tief  gesunken  sein  soll',  wobei  ein  kleines  Fort 
in  dem  oberen  Theile,  nahe  dem  Flusse,  niedergeworfen  wurde. 
Jetzt  sei  die  Gegend  mit  Wasser  bedeckt.^^ 

Ch.  Lyell  dachte  an  eine  wahre  Erhebung  des  Landes  am 
ÜUah-bund.  Obwohl  ich  niemals  vergessen  werde,  wie  tiefe  Anre- 
gung mir  selbst  in  jüngeren  Jahren  durch  den  Umgang  mit  diesem 
seltenen,  stets  wohlwollenden  und  auch  stets  zur  Anerkennung 
und  Berichtigung  eigener  Irrthümer  bereitwilligen  Manne  gewor- 
den ist,  muss  ich  doch  unverhohlen  aussprechen,  dass  seine  in  viele 
Lehrbücher  übergegangene  Auffassung  der  im  Ran  of  Kachh  ein- 
getretenen Veränderungen  nicht  aufrecht  erhalten  werden  kann.^^ 
Es  handelt  sich  hier  weder  um  Erhebung  von  Land,  noch,  wie  ich 
selbst  einmal,  irregeführt  durch  andere  Darstellungen,  vermuthet 
habe,  um  Faltenbildung  an  der  Oberfläche,  sondern  nur  vim  das 
Hervordringen  von  Grundwasser  und  das  Nachsitzen  eines  scharf 
abgegrenzten  Theiles  des  schlammigen  Bodens.''^ 

Die  Uebereinstimmung  mit  den  Vorgängen  bei  New-Madrid 
am  Mississippi  und  in  der  Burjätensteppe  am  Baikal  ist  eine  voll- 
ständige. — 

Wir  suchen  nun  eine  Gegend  auf,  welche  sowohl  von  Erd- 
beben, als  auch  von  Cyklonen  heimgesucht  ist,  und  in  welche 
verheerende  Ueberfluthungen  vom  Meere  her  in  neuester  Zeit  zu 
wiederholten  Malen  eingetreten  sind,  das  Flachland,  welches  die 
Bucht  von  Bengalen  nordwärts  abschliesst.  Ganges  und  Brah- 
maputra ergiessen  sich  hier  in  vielfach  gegabelten  Armen  in  das 
Meer,  und  ich  will  versuchen,  die  Hauptzüge  der  heutigen  Be- 
schaffenheit dieser  Mündungen  darzustellen,  bevor  ich  über  ihre 
Geschichte  und  dann  von  den  Erdbeben  und  Wirbelstürmen  spreche. 
Hiebei  folge  ich  zunächst  der  meisterhaften  Beschreibung  dieses 


Terminologie  der  Niederungen.  63 

Gebietes  von  J.  Fergusson^*  und  den  Ergänzungen  zu  dieser 
Beschreibung  durch  Medlicott  und  Blanford.^^ 

Ziemlich  weit  ausserhalb  der  littoralen  Zone  der  Sunderbunds 
läuft  die  Fünf  -  Fadenlinie  von  den  Balasore  -  Roads  im  Westen 
gegen  Chittagong  im  Osten,  und  die  Küste  senkt  sich  sehr  allmä- 
lig  zur  Tiefe,  mit  Ausnahme  einer  merkwürdigen,  beiläufig  in  der 
Mitte  dieser  Strecke  und  etwas  südwestlich  ausserhalb  der  Harin- 
gota- Mündung  gelegenen  Region,  in  welcher  plötzlich  grosse 
Tiefen  sich  zeigen;  es  ist  dies  der  ,Swatch  of  no  ground',  in 
welchem,  namentlich  gegen  seinen  westlichen  Rand,  das  Loth  mit 
200  und  selbst  300  Faden  keinen  Grund  findet. 

Innerhalb  der  Sunderbunds  befindet  sich  ein  Netzwerk  von 
Wasserläufen,  welche  gemeinsam  an  der  Aufschüttung  von  be- 
wohnbarem Land  und  der  allmäligen  Ausfüllung  der  zahlreichen 
und  ausgedehnten  ,Jhils'  arbeiten. 

Die  Inder  besitzen  eine  weit  besser  ausgebildete  Termino- 
logie für  die  in  der  Natur  sich  wiederholenden  Gestaltungen  der 
Oberfläche  als  wir,  und  es  bleibt  die  Frage  offen,  ob  nicht  manche 
ihrer  Bezeichnungen  mit  Vortheil  in  allgemeineren  Gebrauch  treten 
könnten. 

Bhäbar  ist  für  den  Inder  die  stärker  geneigte  Aufschüttung, 
das  Gebiet  der  Halden  am  Fusse  der  Gebirge,  in  welchem  die 
aus  dem  Himalaya  hervortretenden  Flüsse  einen  Theil  ihrer  Wasser- 
menge verlieren  oder  gar  vertrocknen;  Tarai  ist  die  vegetations- 
reiche Zone,  in  welcher  das  Grundwasser  des  Bhäbar  wieder  zu 
Tage  tritt;  Bhängar  nennt  man  die  höher  liegenden  Flächen 
älteren  Schwemmlandes,  im  Gegensatze  zu  Khädar,  dem  tieflie- 
genden, in  der  Regel  durch  niedere  Steilränder  begrenzten  Allu- 
vialgebiete der  Ströme  im  engeren  Sinne. 

Ganges  und  Brahmaputra  treten  mit  beiläufig  gleichen  Wasser- 
mengen in  die  weite  Delta-Region  hinaus,  doch  bringt  der  Brahma- 
putra, wohl  vermöge  seines  grösseren  Gefälles,  eine  unvergleich- 
lich viel  grössere  Menge  von  Sinkstofifen.  Nichtsdestoweniger  ist 
das  Delta  des  Ganges  in  der  Anschüttung  viel  weiter  vorge- 
schritten und  befindet  sich  zum  grössten  Theile  in  dem  Zustande 
des  bewohnbaren  Bhängar,  während  am  Brahmaputra  w^eitaus 
die  bedeutendere  Fläche  häufig  überschwemmter  Khädar  ist.  Im 


(\l  Ganges  and  Brahmaputra. 

Zusammenhange  damit  steht  die  Lücke  in  dem  östlichen  Umrisse 
des  Delta 's. 

Bei  Räjmahäl  tritt  der  Ganges  um  das  von  älteren  vulkani- 
schen Felsarten  gebildete  Ende  des  Gebirges,  und  dieser  Punkt, 
an  welchem  der  Strom  etwa  20  Meter  über  dem  Meere  liegt,  wird 
als  das  Haupt  des  Delta's  angesehen.  Mit  Recht  erläutert  Fergus- 
son,  wie  seit  jener  Zeit,  in  welcher  das  Meer  bis  Räjmahäl  reichte 
und  die  Ausfüllung  begann,  eine  sehr  wesentliche  Veränderung  in 
dem  Maasse  der  Aufschüttung  bei  Räjmahäl  selbst  vor  sich  ge- 
i^angen  sein  muss,  und  wie  diese  mit  der  X'^erringerung  des  Ge- 
fälles sich  ausserordentlich  verlangsamen  musste.  Zwischen 
Räjmahäl  und  dem  Meere  vollzieht  sich  die  Landbildung  unter 
fortwährender  Verschiebung  der  Gerinne  und  unter  fortwährend 
sich  ändernder  Gabelung  derselben.  Der  Ganges  selbst  hat  in 
historischer  Zeit  auf  mehr  als  der  Hälfte  dieser  Strecke  sein  ur- 
sprüngliches Gerinne,  den  Bhagarutti,  verlassen;  dieser  gilt  denn 
auch  den  Eingebornen  für  heilig,  nicht  der  Zweig  Poddah,  in  wel- 
chem jetzt  der  Ganges  fliesst. 

Noch  weit  wichtiger  sind  die  Aenderungen,  welche  der  Brah- 
maputra erlitten  hat. 

Nördlich  von  Dacca  erstreckt  sich  bis  auf  etwa  1 1 2  Kilom. 
Länge  mit  einer  grössten  Breite  von  56  Kilom.  ein  grosses  Stück 
von  erhöhtem  Bhängar,  der  Madupore  Jungle,  mit  steilerem, 
etwa  40 — 50  Fuss  hohen  Abhänge  gegen  West  und  sanftem  Ge- 
falle gegen  Ost. 

Oestlich  vom  Madupore  Jungle  und  von  Dacca  kommt  die 
Gruppe  der  Silhetströme  von  Kachar  herab,  klare,  an  Sinkstoffen 
arme  Wässer,  welche  während  der  drei  Monate  der  Regenzeit 
unter  dem  Einflüsse  des  Monsun  ganz  ausserordentliche  Wasser- 
mengen führen;  sie  sind  von  den  Silhet-Jhils,  sehr  ausgedehnten 
stillen  Wasserflächen,  in  der  Nähe  des  Madupore  Jungle  begleitet 
und  bilden  in  ihrer  Vereinigung  den  Megna. 

Als  im  Jahre  1785  Renell  die  erste  Vermessung  dieser  Ge- 
gend vornahm,  floss  der  gewaltige,  schlammige  Brahmaputra  öst- 
lich vom  Madupore  Jungle,  arbeitete  an  der  Verlandung  der  Silhet- 
Jhils  und  nahm  die  Silhetflüsse  auf,  um  sich  endlich  durch  den 
Megna  ins  Meer  zu  ergiessen.  Jetzt  fliesst  der  Strom  westlich  von 


Ganges  und  Brahmaputra.  .  65 

dem  höheren  Lande,  und  der  ältere  Arm  ist,  wenigstens  durch  den 
grössten  Theil  des  Jahres,  nur  durch  eine  Kette  von  Sümpfen  und 
Lachen  angedeutet.    . 

Hiedurch  ist  der  Brahmaputra  in  die  Nähe  des  Ganges  ge- 
rückt, und  es  hat  sich  nun  ein  Kampf  zwischen  diesen  beiden 
Strömen  entwickelt,  in  welchem  der  Ganges  durch  die  grössere 
Menge  von  Sinkstoffen,  welche  sein  Gegner  führt,  in  immer  west- 
lichere Gerinne  gedrängt  wird. 

Fergusson  schreibt  die  Ablenkung  des  Brahmaputra  einer 
localen  Erhebung  der  Region  nördlich  von  Dacca,  des  Madupore 
Jungle,  zu,  und  bringt  die  Abklärung  des  Brahmaputra  in  den  Sil- 
het-Jhils  in  Verbindung  mit  dem  Zurückbleiben  der  Ausbildung 
des  Delta's  im  Osten.  Medlicott  und  Blanford  heben  aber  hervor, 
dass  eine  Senkung  der  Silhet-Jhils  dieselbe  Folge  gehabt  hätte. 
Im  Allgemeinen  sind  dieselben  geneigt  anzunehmen,  dass  so- 
wohl das  Thal  des  Brahmaputra  in  Assam,  als  die  Gegend  der 
Silhet-Jhils  in  verhältnissmässig  neuer  Zeit  gesunken  seien,  dass 
Madupore  Jungle  dieser  Depression  allein  entgangen  sei  und  die 
ursprüngliche  Höhe  der  Brahmaputra- Anschwemmungen  darstelle. 
Sie  vergleichen  den  Fall  mit  jenem  des  Ran  of  Kachh.^ 

Es  sind  gewiss  innerhalb  der  historischen  Zeit  beträchtliche 
Veränderungen  innerhalb  dieses  ausgebreiteten  Flachlandes  theils 
durch  Verlegung  der  Stromrinnen,  theils  durch  Verlandung,  viel- 
leicht auch  durch  Senkung  eingetreten. 

Die  historischen  Untersuchungen  von  Beveridge,  welche  die 
letzten  drei  Jahrhunderte  umfassen,  und  welche  sich  hauptsächlich 
auf  Berichte  von  Jesuiten  vom  Ende  des  i6.  Jahrhunderts  stützen, 
zeigen  allerdings  nicht,  dass,  wie  man  vermuthet  hatte,  die  Sun- 
derbunds  zu  jener  Zeit  bewohnt  gewesen  seien.  Aber  es  gab  da- 
mals in  den  östlichen  Niederungen  zwei  Königssitze,  zu  Bakla, 
welches  nicht  mehr  zu  bestehen  scheint,  und  zu  Ciandecan  (Chänd 
Khan).  Grössere  Theile  von  Backergunge  undjessore  mögen  aller- 
dings cultivirt  gewesen  sein,  sich  wieder  in  Jungle  verwandelt 
haben  und  dann  wieder  der  Cultur  zugeführt  worden  sein.^' 

Bedeutender  als  im  Osten  sind,  wie  aus  arabischen  Quellen  her- 
vorgeht, auch  in  diesen  letzten  Jahrhunderten  die  Veränderungen 
im  Westen   gewesen,  und  greift  man  bis  zur  Zeit  des  grossen 

Suess,  Das  Antlitz  der  Erde.  5 


66  Hwen-Tsang*s  Beschreibung. 

chinesischen  Reisenden  Hwen-Tsang  zurück,  dessen  Darstellungen 
schon  bei  Besprechung  des  Indus-Delta's  benützt  worden  sind,  so 
zeigt  sich,  dass  allerdings  im  siebenten  Jahrhunderte  unserer  Zeit- 
rechnung ein  guter  Theil  des  heutigen  Delta's  nicht  bestand.  Fer- 
gusson  schliesst  aus  den  Angaben  dieses  zuverlässigen  Beobach- 
ters sogar  die  Möglichkeit,  dass  die  Silhet-Jhils  noch  salzig  und 
mit  dem  Meere  in  offener  Verbindung  gewesen  seien.  Erwiesen 
sei  auf  alle  Fälle,  dass  die  damaligen  Hafenstädte  Sonargaon  und 
Satgaon  an  dem  Haupte  zweier  Buchten  oder  Aestuarien  lagen, 
in  welche  Brahmaputra  und  Ganges  sich  ergossen,  und  beinahe 
gewiss  sei  es,  dass  das  ganze  heutige  Delta  südlich  von  diesen 
Orten  zu  jener  Zeit  eine  grosse  Salzwasser-Lagune  gewesen  sei. 
Vermuthen  lasse  sich,  dass  die  Sunderbunds  damals  einen  Lido 
ausserhalb  dieser  Lagune  bildeten,  und  dass  der  Ganges  damals 
nicht  ostwärts  floss,  um  sich  mit  dem  Brahmaputra  zu  vereinigen, 
sondern  sich  selbständig  in  die  Lagune  ergoss.^^ 

Noch  viel  weiter  zurück  führt  eine  Schrift  Cameron's,  in 
welcher  versucht  wird  zu  erweisen,  dass  der  höher  liegende  Land- 
strich Tipperah,  welcher  dq^s  Delta  gegen  Ost  begrenzt,  dem  alten 
Taprobane  entspreche.  Ueber  diese  Vermuthung  steht  mir  kein 
Urtheil  zu.'^  — 

Der  ganze  Unterlauf  des  Ganges  und  des  Brahmaputra  ist 
häufigen  Erschütterungen  des  Bodens  unterworfen,  und  am  2.  April 
1762  wurde  ein  grosser  Theil  der  Niederung,  von  Chittagong  im 
Osten  bis  weit  gegen  West  und  landeinwärts  insbesondere  die 
Umgegend  von  Dacca  auf's  Heftigste  erschüttert.  Die  Wässer 
stürzten  wie  eine  brausende  See  aus  ihren  Gerinnen  über  das  Land; 
weit  und  breit  öffneten  sich  Spalten,  Wassermengen  wurden  viele 
Fuss  hoch  aus  dem  Boden  emporgeworfen  und  dabei  sank  das 
umliegende  Land  ein;  Inseln  nahe  dem  Strande  verschwanden 
gänzlich  und  einzelne  Flussgerinne  wurden  so  verlegt,  dass  die 
auf  der  Reise  begriffenen  Schiffe  aufgehalten  wurden.^* 

Am  3.  April  1810,  18.  September  1829  und  11.  November 
1842  wiederholten  sich  Erderschütterungen  in  Calcutta.  Wenige 
Monate  vor  dem  letzteren  Erdbeben  war  eine  Cyklone  über  Cal- 
cutta hingegangen. 


Enibeben  in  Knchar.  67 

Am  10.  Januar  i86g  trat  ein  heftiger  Erdstoss  in  der  Provinz 
Kachar,  östlich  vom  Brahmaputra  ein  und  veranlasste  grosse  Ver- 
änderungen in  den  Alhivien.  Auf  viele  Quadratmeilen  hin  liegen 
hier  30 — 40  Fuss  von  härterem  Thon  nach  Oldham's  Bericht  auf 
einer  mit  Wasser  gesättigten  Lage  von  bläulichem  Silt.  Nun  sah 
man  meilenlange  Sprünge  längs  der  Flüsse  entstehen  und  ebenso 
meilenweit  die  obere  Lage  des  Schwemmlandes  auf  der  wasser- 
reichen Unterlage  gegen  die  Flüsse  abgleiten.     Der  Silt  drang 


,  !o.  Jan 


durch  die  klaffenden  Sprünge  herauf;  zuerst  kam  mit  der  Heftig- 
keit eines  Kanonenschusses  trockener  Staub,  so  dass  man  wohl 
meinen  konnte,  es  schiesse  Rauch  empor,  aber  sofort  folgte  der 
zähe  Schlamm,  welcher  eine  Lippe  um  die  Oeffnung  bildete  und 
wohl  auch  abfloss. 

Als  die  Erschütterung  vorübergegangen  war,  sah  man  den 
Alluvialboden  von  den  grossen  Sprüngen  durchzogen,  welche  an 
vielen  Orten  durch  Senkung  einer  Seite  des  durchschnittenen 
Landes  zu  wahren  Verwerfungsklüften  wurden  und  dann  an  der 


68  Cyklonen  im  bengalischen  Busen. 

Oberfläche  nur  als  niedrige  Abstürze  erschienen,  und  zwischen 
oder  auf  diesen  Sprüngen  standen  runde  oder  elliptische  krater- 
ähnliche Oeffhungen,  oft  umgeben  von  einem  Walle  von  Schlamm 
oder  Sand.  Bei  vielen  der  grösseren  Oeffhungen  war  jedoch  nach 
dem  Hervorbrechen  Sand  und  Schlamm  wieder  in  die  Oeffnung 
zurückgeströmt  und  hatte  dabei  die  Kante  der  Oeffnung  mit  hinab- 
gerissen, so  dass  nur  eine  unregelmässige,  trichterförmige  Tiefe 
zurückblieb.^^ 

Die  etwa  seit  1874  fortlaufenden  Aufzeichnungen,  welche 
Col.  Keatinge  veröffentlicht  hat,  lassen  erkennen,  dass  ganz  Assam 
und  namentlich  das  Tiefland  nördlich  und  südlich  von  den  Khäsi- 
bergen,  das  Thal  des  Brahmaputra,  wie  die  Region  des  Silhet, 
sich  in  jahrelanger  Unruhe  befanden  und  vielleicht  heute  noch 
befinden.^  — 

Noch  weit  schrecklicher  als  die  Erdbeben  wüthen  in  dem 
Flachlande  dieser  Flussmündungen  von  Zeit  zu  Zeit  die  vom  Meere 
herkommenden  Wirbelstürme.  Viele  von  ihnen  entstehen  in  der 
Nähe  der  Andamanen.  Von  dort  ziehen  sie  Verderben  bringend 
gegen  Nord,  Nordwest  oder  West.  Bald  treten  sie,  ungeheure 
Wassermassen  herbeitragend  und  von  unermesslichem  Regen  be- 
gleitet, in  die  Mündungen  des  Megna  oder  des  Ganges,  bald 
stürzen  sie  sich  auf  die  Ostküste  des  Festlandes,  bis  Pondicherry 
hinab,  oder  sie  treffen  die  Insel  Ceylon. 

In  der  Nacht  vom  11. — 12.  October  1737  trat  ein  solcher 
Wirbelsturm  in  den  Ganges  ein  und  reichte  viele  Meilen  stromauf- 
wärts. Zugleich  erfolgte  ein  Erdbeben  und  in  Calcutta  wurden  200 
Häuser  niedergeworfen.  Schiffe  von  60  Tonnen  Tragfähigkeit 
wurden  über  die  Bäume  landeinwärts  ofetraeen.  Das  Wasser  im 
Ganges  soll  sich  um  40  Fuss  über  den  gewöhnlichen  Stand  er- 
hoben haben;  man  schätzte  damals  den  Verlust  an  Menschenleben 
auf  300.000  Seelen.^7  Diese  Ziffer  ist  übertrieben,  aber  ohne  Zweifel 
war  die  Katastrophe  eine  furchtbare. 

II.  Blanford  hat  ein  Verzeichniss  der  Cyklonen  der  Bucht  von 
Bengalen  von  dem  Jahre  1737  bis  zu  der  grossen  Cyklone  von 
1876  veröffentlicht  und  gezeigt,  dass  in  diesem  Zeiträume  von 
139  Jahren  1 12  grössere  und  geringere  Wirbelstürme  dieses  Meer 
bewegt  und  die  Küste  getroffen  haben. ^'** 


Beispiele  indischer  Cyklonen.  6q 

Ohne  in  die  höchst  verdienstlichen  Einzelbeschreibungen  ein- 
zugehen, welche  von  englischen  Forschern  einzelnen  dieser  Cy- 
klonen gewidmet  worden  sind,  greife  ich  mehrere  Beispiele  aus 
dieser  Liste  heraus. 

Am  19.  und  20.  Mai  1787  erreichen  Sturm  und  Sturmfluth 
Coringa  an  dem  Delta  des  Godavery  und  reichen  32  Kilom.  in  das 
Land;  es  gehen  nach  einer  beiläufigen  Schätzung  20.000  Seelen 
und  500.000  Stück  Vieh  verloren. 

Am  ig.  October  1800  zugleich  furchtbarer  Wirbelsturm  und 
Erdbeben  zu  Ongole  und  Masulipatam,  zu  beiden  Seiten  der  Mün- 
dungen des  Kistna. 

Im  Juni  1822  fegt  eine  Sturmfluth  über  den  östlichen  Theil 
der  Sunderbunds,  über  Burisal  und  Backergunge;  der  Sturm  soll 
nur  85  Kilom.  in  24 Stunden  vorgeschritten  sein;  50.000 Menschen 
sollen  das  Leben  verloren  haben. 

Den  3 1 .  October  1 83 1  trifft  eine  solche  Sturmfluth  den  äusser- 
sten  Westen  des  Flachlandes  des  Ganges,  wo  es  sich  südlich 
von  Calcutta  gegen  Kuttack  ausdehnt;  300  Ortschaften  werden 
hinweggefegt  und  mindestens  i  i.ooo  Menschen  ertränkt;  es  folgt 
Hungersnoth  und  wird  der  gesammte  Verlust  an  Menschenleben 
aus  diesem  Ereignisse  auf  50.000  Seelen  geschätzt. 

Den  2 1 .  Mai  1 832  ertrinken  durch  eine  solche  Fluthim  Ganges- 
Delta  8000 — 10.000  Menschen. 

Vom  12.  zum  17.  November  1837  kommt  Sturm  und  Fluth 
von  den  Andamanen  nach  Coringa;  die  Woge  war  8  Fuss  hoch; 
700  Menschen  verloren  ihr  Leben  auf  den  Schiffen;  6000  sollen 
am  Lande  umgekommen  sein. 

Für  den  weniger  durch  seine  Verheerungen,  als  durch  seine 
ausserordentlich  lange  Strasse  bemerkenswerthen  Wirbelsturm 
vom  October  1842  folgen  wir  dem  Berichte  Piddington's.^ 

Der  Wirbel  ging,  wie  so  oft,  von  den  Andamanen  aus;  in 
gerader,  rein  westlicher  Richtung  kreuzte  er  am  22.,  2^^,  und  24.  Oc- 
tober den  südlichen  Theil  des  bengalischen  Meerbusens,  und  seine 
Mitte  erreichte  noch  am  letzteren  Tage  nach  5  Uhr  Nachmittags 
die  Ostküste  etwas  nördlich  von  Pondicherry.  Nun  wendete  sich 
die  Richtung,  offenbar  abgelenkt  durch  die  Höhenzüge,  ein  wenig 
gegen  Südwest,  und  am  25.  Mittags  kreuzte  das  Sturmcentrum 


^O  Die  Strassen  der  indischeo  Cyklonen. 

in  Palgau tcherrypass  zwischen  Salem  und  Paniany  die  westlichen 
Ghats.  Hier  scheint  eine  Spaltung  eingetreten  zu  sein;  es  sind 
zwei  getrennte  Wirbeistürme  im  arabischen  Meere  erschienen.  Der 
südliche  Arm  ging  in  westnordwestlicher  Richtung  fort,  erfasste 
am  27'.  Oclober  Mittags  schon  weit  jenseits  der  Laccadiven  in 
lat.  1 1°  5'  N.,  long.  69°  09'  O-,  das  Schiff  ,Futty  Salam'  und  er- 
eilte am  31.  October  in  lat.  14°  N.,  long.  61°  O.,  nachdem  bereits 


etwa  der  achte  Theil  des  Erdumfanges  zurückgelegt  war,  nicht 
6  Längengrade  von  der  Insel  Sokolra,  mit  furchtbarer  Gewalt  das 
Schiff  ,Seaton',  welches  er  entmastete  und  als  hilfloses  Wrack  zu- 
rückliess.  Von  hier  an  hat  sich  der  Sturm  mehr  gegen  Nordwest 
gewendet.  Dies  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  zwischen 
Sokotra  und  dieser  Stelle  verkehrende  Schiffe  nur  von  seiner  ent- 
fernteren peripherischen  Erregung  getroffen  wurden. 

Der  nördliche  Ast  nahm  schon  von  der  ostindischen  Küste 
her,  wie  es  scheint,  einen  mehr  nordwestlichen  Verlauf.    Auf  der 


Die  Katastrophe  von  Backergunge.  n  \ 

ganzen  Küste,  vom  Eingange  In  den  persischen  Meerbusen  bis 
zum  Golf  von  Aden  und  an  dem  afrikanischen  Festlande,  noch  süd- 
lich von  Cap  Guardafui,  scheiterte  eine  grosse  Anzahl  von  Fahr- 
zeugen, und  der  in  Aden  lebende  Beobachter  Dr.  Malcolmson 
vermuthete  sogar,  der  Wirbelsturm  habe  noch  in  der  Nähe  der 
Insel  Bahrein  den  persischen  Meerbusen  gekreuzt.  Ueber  diesen 
nördlichsten  Theil  der  Strasse  werden  aber  leider  keine  directen 
Beobachtungen  mitgetheilt.  ^^ 

Vom  2.  bis  5.  October  1864  ging  eine  Cyklone  von  den  An- 
damanen  gegen  Nordwest;  im  Hooghly  schwemmte  die  Woge 
nahe  an  48.000  Menschen  und  100.000  Stück  Vieh  weg.  Zwei 
grosse  Postdampfer  wurden  trocken  auf  die  Felder  gesetzt;  alle 
Bäume  wurden  entlaubt. 

Blanford's  traurige  Liste  schliesst  mit  der  grossen  Cyklone 
von  Backergunge  vom  Jahre  1876.  EUiot  hat  dieses  Naturereig- 
niss  in  einem  selbständigen  Werke  geschildert,  dem  wir  Folgendes 
entnehmen: '' 

Am  27^,  October  1876  begann  im  Südosten  der  Bucht  von 
Bengalen  ein  Raum  von  vermindertem  Luftdrucke  sich  zu  bilden. 
Die  Bildung  schritt  in  den  nächsten  Tagen  vor,  und  am  26.  und  27. 
bemerkte  man  in  dieser  Region  bereits  heftige  vorticose  Winde. 
In  den  beiden  folgenden  Tagen  bewegte  sich  dieser  Raum  ver- 
minderten Druckes  gegen  Nord;  am  Abende  des  29.  hatte  sich 
bereits  eine  heftige  Cyklone  gebildet.  Die  Mitte  war  am  30.  October 
Mittags  in  lat.  14°  und  long.  89°.  Es  trat  eine  Ablenkung  gegen 
Nordnordost  ein,  und  Geschwindigkeit  und  Gewalt  des  Sturmes 
nahmen  zu.  Am  i.  November,  gegen  3  Uhr  Morgens,  erreichte 
derselbe  die  Mündung  des  Megna  mit  einer  Geschwindigkeit  von 
etwa  2>^  Kilom.  in  der  Stunde.  Die  Calmenregion  in  der  Mitte  des 
Sturmes  war  wahrscheinlich  elliptisch,  quer  auf  die  Richtung  des 
Vorschreitens  und  24 — 29  Kilom.  breit.  Noch  etwa  300  Kilom. 
von  dieser  Mitte  war  die  Gewalt  so  gross,  dass  Schiffe  entmastet 
wurden.  In  derselben  Nacht  war  kurz  vor  dem  Sturme  bei  Vollmond 
eine  ungewöhnlich  hohe  Fluthwelle  in  den  Megna  eingetreten  und 
hatte  den  Fluss  zurückgestaut.  Es  war  noch  nicht  die  Zeit  voller 
Ebbe  angelangt,  als  die  zurückweichende  lunare  Fluth,  von  der 
Sturmfluth  der  Cyklone   erfasst  und    überwältigt,  mit   dieser  zu 


^2  I^Je  Katastrophe  von  Backergunge. 

einer  gewaltigen  Woge  vereint,  landeinwärts  zurückkehrte.  Was 
gegen  West  und  Nordwest  lag,  wurde  von  gestautem  Süsswasser, 
was  ostwärts  lag,  von  Salzwasser  überfluthet.  Binnen  kurzer  Zeit 
waren  3000  Square  Miles  (etwa  1 4 1  geographische  Quadratmeilen) 
des  Flachlandes  und  der  grossen  vorliegenden  Inseln  3  bis  15,  ja 
bis  zu  45  Fuss  hoch  mit  Wasser  bedeckt.  Das  Centrum  des  Stur- 
mes ging  dabei  gegen  Nordnordwest  auf  das  höher  liegende  Ge- 
biet von  Tipperah  los,  zerschellte  an  demselben  und  löste  sich  auf. 

Der  Gouverneur  Sir  R.  Temple  schätzte  in  seinem  amtlichen 
Berichte  die  Zahl  der  ertränkten  Menschen  auf  215.000  bei  einer 
Gesammtbevölkerung  von  1,062.000  Seelen.  Blanford,  welcher 
später  schrieb,  meint,  es  seien  beiläufig  100.000  Menschen  ertränkt 
worden.  Die  Häusergruppen  sind  hier  in  der  Regel  von  Bäumen 
umstellt,  sonst  wäre  der  Verlust  noch  weit  grösser  gewesen. 

Entsetzlich  sind  die  Schilderungen  der  Beamten  von  dem  Zu- 
stande des  Landes  nach  der  Katastrophe;  die  Häuser  waren  zer- 
stört, die  Bäume  ihrer  Blätter  und  Aeste  beraubt,  das  Land  mit 
Lachen  bedeckt  und  in  Haufen  waren  die  Leichname  von  Menschen 
und  Rindern  zusammengefegt  —  das  wahre  Abbild  einer  vorüber- 
gegangenen Sintfluth.  Das  Gebiet  dieser  grossen  Cyklonenfluth 
ist  genau  dasselbe,  welches  von  dem  Erdbeben  des  Jahres  1762 
betroffen  worden  war. 

Es  ist  eben  gesagt  worden,  dass  das  Depressionsgebiet  an 
den  Höhen  von  Tipperah  zerschellte.  Elliot  hebt  ausdrücklich  her- 
vor, dass  nicht  die  Reibung  auf  der  Erde,  sondern  der  directe 
Widerstand  eines  Höhenzuges  die  Auflösung  der  Cyklonen  ver- 
anlasst oder  sie  ablenkt.  In  der  That  war  im  Anfange  desselben 
Monats  October  eine  kleinere  Cyklone  von  den  Andamanen  gegen 
Nordwest  nach  Vizagapatam  an  der  Ostküste  gekommen,  hatte, 
durch  die  östlichen  Ghats  abgelenkt,  sich  gegen  Nord  gewendet, 
und  war,  dem  östlichen  Fusse  des  Gebirges  folgend,  fortgereist, 
hatte  den  Ganges  zwischen  Patna  und  Monghyr  gekreuzt  und, 
allerdings  wesentlich  abgeschwächt,  sogar  die  Vorberge  des  Hi- 
malaya  erreicht,  daher  etwa  8  Breitegrade  auf  trockenem  Lande 
zurückgelegt. 

Im  Jahre  1737  zu  Calcutta  und  im  Jahre  1800  an  den  Mün- 
dungen des  Kistna  sind  Cyklone  und  Erdbeben  vereint  aufgetreten. 


Erdbeben  und  Luftdruck.  73 

Obwohl  beide  Erscheinungen  ihren  Ursachen  nach  einander  fremd 
sind,  und  obwohl  die  übergrosse  Anzahl  von  Cyklonen  ohne  be- 
merkbare Erderschütterung  und  ebenso  die  übergrosse  Anzahl 
von  Erdbeben  ohne  Wirbelsturm  eintritt,  wiederholt  sich  doch  das 
zeitliche  Zusammentreffen  von  Erderschütterungen  und  niedrigen 
Barometerständen  so  oft,  dass  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher 
auf  diesen  Umstand  gelenkt  werden  musste.  So  hat,  um  nur  einige 
der  Beobachter  zu  nennen,  welche  diese  Richtung  der  Studien 
verfolgt  haben,  Jul.  Schmidt  die  Vergleichung  von  vielen  hunderten 
von  Erschütterungen,  welche  in  den  letzten  Jahren  in  Griechenland 
verspürt  wurden,  mit  den  gleichzeitigen  Barometerständen  durch- 
geführt,^^  Rossi  Aehnliches  für  eine  Anzahl  italienischer  Erdbeben 
unternommen^^  und  G.  Darwin  sogar  in  der  letzten  Zeit  versucht, 
den  mechanischen  Effect  der  barometrischen  Entlastung  der  Erd- 
oberfläche der  Rechnung  zu  unterziehen.^' 

Man  kann  nicht  behaupten,  dass  die  directen  Beobachtungen 
auf  diesem  Gebiete  bereits  zu  irgend  einem  festen  Ergebnisse 
geführt  hätten,  aber  die  z.  B.  in  Griechenland  und  Italien  in  Ver- 
gleich gezogenen  Verminderungen  des  Luftdruckes  sind  weit  ge- 
ringer als  jene,  welche  bei  Wirbßlstürmen  vorkommen.  So  dürfte 
bei  dem  heutigen  Stande  der  Erfahrungen  angenommen  werden, 
dass,  wenn  in  einer  Gegend,  welche  sich  in  einer  Phase  seismi- 
scher Beunruhigung  befindet,  oder  in  welcher  sonst  die  Vorbedin- 
gungen für  eine  Erderschütterung  gegeben  sind,  jene  wesentliche 
Entlastung  von  dem  Luftdrucke  eintritt,  welche  die  Grund- 
bedingung des  Wirbelsturmes  ist,  diese  selbe  Entlastung  zwar  die 
Erderschütterung  nicht  erzeugt,  wohl  aber  ihr  Auftreten  beschleu- 
nigt oder  den  Grad  der  Heftigkeit  erhöht. 


C.  Wesen  und  Verbreitung  der  Sintfluth, 

Wir  kehren  zu  dem  Izdubar-Epos  zurück. 

Die  Naturerscheinungen,  welche  die  grosse  Katastrophe  be- 
gleiten, sind  solche,  wie  sie  heute  nur  an  flachen  Küsten  und  in 
den  Niederungen  grosser  Ströme,  namentlich  an  den  Mündungen 


74  Wesen  der  Sintfluth. 

der  letzteren,  beobachtet  werden.  Die  Ueberfluthung  kann  der 
Hauptsache  nach  nur  vom  Meere  gekommen  sein;  Regen  und 
Grundwasser  waren  lediglich  begleitende  Elemente  derselben. 

In  diesem  Umstände,  wie  in  der  örtlichen  Bedeutung  der 
Verwendung  von  Asphalt,  liegt  aber  eine  wesentliche  Bestätigung 
der  Ansichten  jener  ausgezeichneten  Erforscher  des  Alterthums, 
welche  in  dem  Sintfluthberichte  des  'eilften  Gesanges  des  Izdubar- 
Epos  nicht  eine  von  auswärts  entlehnte  und  hier  nachträglich 
localisirte  Sage,  sondern  die  Ueberlieferung  eines  einheimischen 
P>eignisses  sehen,  welches  sich  wirklich  in  den  bezeichneten 
Theilen  der  damals  noch  weniger  verlandeten  Euphratniederung 
zugetragen  hat. 

Es  folgt  ferner  hieraus,  dass  Gen.  VI,  17  und  VII,  6  in  der 
That  besser  mijam  als  majim  gelesen  wird. 

Die  Euphratmündungen  bieten  alle  für  ein  solches  Ereigniss 
nothwendigen  Vorbedingungen,  und  die  Verlegung  desselben  an 
irgend  eine  andere  Flussmündung  würde  dasselbe  aus  dem  Ge- 
biete der  heutigen  Traditionen  entfernen.  Man  könnte  z.  B.  etwa 
an  die  vereinigten  Mündungen  von  Ganges  und  Brahmaputra 
denken,  welche  heute  so  oft  von  Erdbeben  und  Cyklonen  heim- 
gesucht werden.  Aber  abgesehen  davon,  dass  gegen  diese  An- 
nahme wohl  von  derselben  Seite  noch  grössere  Bedenken  geäussert 
werden  würden,  ist  gerade  die  Häufigkeit  der  grossen  Ueber- 
fluthungen,  wahrer  Sintfluthen,  in  diesem  Gebiete  eher  ein  Argu- 
ment gegen  eine  solche  Annahme,  denn  die  vins  vorliegenden 
Sintfluthberichte  stammen  aus  Gegenden,  in  welchen  ein  solches 
Ereigniss  ein  höchst  seltenes,  ja  geradezu  etwas  Unerhörtes  war 
und  gerade  darum  so  unauslöschbaren  Eindruck  zurückliess.  Es 
ergossen  sich  die  Meeresfluthen  über  reich  besiedelte  Landschaf- 
ten, welche  niemals  früher  der  Schauplatz  eines  solchen  Ereig- 
nisses gewesen  waren,  und  es  auch  nach  dem  Ausspruche  der 
Gottheit  niemals  wieder  sein  sollten,  ein  Ausspruch,  welcher  sich 
in  einer  aus  dem  so  häufig  überflutheten  Ganges-Delta  stammen- 
den Ueberlieferung  gewiss  nicht  finden  würde. 

Der  seismische  Theil  der  Katastrophe  kommt  in  unzweifel- 
hafter Weise  zum  Ausdrucke  durch  die  Warnungen,  durch  das 


t 

Erdbeben  von  763  v.  Chr.  75 

Uebertreten  der  Canäle,  das  Hervorbrechen  der  Fluthen  der  Tiefe 
und  das  Erzittern  der  Erde. 

Mesopotamien  ist  seither  oft  von  Erdbeben  betroffen  worden. 
Die  bedeutendste  seismische  Phase  beginnt  mit  dem  Jahre  763 
V.  Chr.,  demselben  Jahre,  in  welches  die  zuerst  von  Hind  und 
Airy,  neuerdings  von  Lehmann  und  von  Oppolzer  festgestellte 
Sonnenfinsterniss  vom  14.  Juni  763  fallt,  deren  Datum  maassgebend 
geworden  ist  für  die  Chronologie  des  assyrischen  Alterthums.^^ 

Dieser  wichtige  Anhaltspunkt  ergibt  in  den  assyrischen  Ver- 
waltungslisten für  763  V.  Chr.:  Unruhen  in  Libzu.  Im  Monate 
Sivan  tritt  die  Sonne  in  eine  Verfinsterung.  —  762  Unruhen  in 
Libzu.  —  761  Unruhen  in  Arbacha.  —  759  Unruhen  in  Gozan.  — 
758  Ruhe  im  Lande.  Später,  für  746,  werden  abermals  Unruhen 
angeführt,  diesmal  in  Kalah,  dem  biblischen  Kelach  (Gen.  X,  11), 
südlich  von  Ninive  in  dem  Winkel  zwischen  dem  oberen  Zab  und 
Tigris,  wo  jetzt  das  Dorf  Nimrüd  liegt.^^ 

Nun  hat  Bosanquet,  einer  Anregung  Rawlinson's  folgend, 
angegeben,  dass  unter  diesen  »Unruhen'  nicht  aufständische  Be- 
wegungen der  Bevölkerung,  sondern  Erdbeben  zu  verstehen 
seien,  und  Bosanquet  zeigt  unter  dieser  Voraussetzung,  dass  diese 
Sonnenfinsterniss  vom  14.  Juni  763  dieselbe  sei,  welche  der  Prophet 
Amos  vorhersagte.^^ 

Die  Erderschütterungen  dieser  Phase  haben  sich  von  Assy- 
rien bis  nach  Palästina  erstreckt,  und  es  waren  die  Jahre  nach  763 
nicht  nur  durch  Erdbeben,  sondern  auch  durch  mehrere  Sonnen- 
finsternisse ausgezeichnet.  Unschwer  erkennt  man  den  Eindruck, 
welchen  diese  schreckenerregenden  Naturereignisse  auf  die  er- 
habene Redeweise  der  Propheten  ausgeübt  haben,  welche  die- 
selben an  mehreren  Stellen  genannt  oder  beschrieben  und  als 
Anzeichen  des  Zornes  der  Gottheit  angerufen  haben.  Noch  im 
nächstfolgenden  Jahrhunderte  war  in  Jerusalem  die  Erinnerung  an 
diese  Vorgänge  im  Volke  nicht  erloschen. 

Der  Prophet  Amos  datirt  I,  i  seine  Vision  ausdrücklich  .^wei 
Jahre  vor  dem  Erdbeben'  und  schildert  nicht  nur  die  Erschüt- 
terung, sondern  auch  die  Ueberfluthung  vom  Meere  her,  so  V,  8; 
IX,  6:  .  .  .  qui  vocat  aquas  mariSy  et  effundit  eas  super  faciem 
terrae.  —  Der  Prophet  Sophonia,  welcher  unter  Josias  (616 — 586) 


70  Die  syrischen  Erdbebcnliniai. 

schrieb,  führt  in  seiner  erschütternden  und  nie  übertroffenen  Vor- 
bildung des  Dies  irae  den  Untergang  von  Sodom  und  Gomorrha 
und  alles  Entsetzen  einer  seismischen  Katastrophe  vor,  und  Za- 
charia  spricht  XIV,  5 :  .  .  .  e/  Jugietis  Stent  fugistis  a  facie  terrae- 
motiis  in  diebus  O^iae  regis  Juda.  .  .  .  Das  ist  eben  das  von  Arnos 
angeführte  Erdbeben. 

Gerade  die  weite  Ausbreitung  dieser  Erdbeben  lässt  aber 
Zweifel  darüber  aufkommen,  ob  ihr  Ausgangspunkt  wirklich  in 
der  mesopotamischen  Ebene  zu  suchen  sei.  Der  Name  Arbacha, 
welcher  dem  griechischen  Arrhapachitis,  dem  armenischen  Albak 
entspricht,  möchte  uns  in  das  Gebirge  am  oberen  Zab  und  somit 
dem  heute  so  oft  erbebenden  Gebiete  des  Van-  und  Urmiah-See's 
näher  führen. 

Die  syrische  Wüste  ist  gegen  Nord  und  gegen  West  um- 
grenzt von  zwei  wichtigen  Erdbebenzonen,  aufweichen  seismische 
Thätigkeit  durch  viele  Jahrhunderte  bekannt  ist. 

Die  erste  dieser  Zonen  beginnt  am  Mittelmeere  in  der  Nähe 
von  Antiocheia.  Diese  unglückliche  Stadt  war  der  Schauplatz  der 
von  Dio  Cassius  beschriebenen  schrecklichen  Katastrophe  vom 
13.  December  115,  bei  welcher  Kaiser  Trajan  zugegen  war;  sie 
wurde  nach  minder  heftigen  Erdbeben  im  Monate  Mai  518  wieder 
zerstört,  dann  am  29.  November  528  abermals  niedergeworfen 
und  wurde  am  31.  October  589  wieder  das  Grab  von  Tausenden 
von  Menschen.^'*  Seither  ist  sie  noch  oftmals  erschüttert  worden. 
Von  Antiocheia  zieht  sich  die  seismische  Zone  gegen  Aleppo  und 
Mambedj  (Hierapolis),  kreuzt  den  Euphrat  und  setzt  sich  von  Urfa 
(Edessa)  wahrscheinlich  noch  in  der  Richtung  von  Diarbekr  gegen 
den  Berg  Nemrud  oder  Sipan-Dagh  an  dem  Nordrande  des  Van- 
See's  fort.  Ihr  fallen  die  grossen  Unglücksfalle  der  Jahre  7 1 5,  995, 
1003,  1091,  II 14,  1156  n.  Chr.  und  eine  Reihe  anderer  grosser 
Erdbeben  zu;  aus  dem  laufenden  Jahrhunderte  nenne  ich  nur  die 
Zerstörung  von  Aleppo  im  Jahre  1822.  Diese  Linie  fallt  in  den 
Bereich  jener  meisterhaften  Studie,  welche  kürzlich  H.  Abich  über 
die  Erdbeben  des  armenischen  Hochlandes  veröffentlicht  hat,  in 
welcher  bereits  diese  Zone  von  seismischen  Katastrophen  als  das 
Anzeichen  eines  in  der  Tiefe  verborgenen,  complicirten  Bruch- 
systems in  der  Erdrinde  dargestellt  wird.^^ 


Südlicher  Ursprung  der  Sintfluth-Beben.  J7 

Gerade  in  der  Nähe  des  eben  genannten  Aleppo  wird  diese 
Zone  von  einer  zweiten  gegen  Südsüdwest  laufenden  Erdbeben- 
zone gekreuzt,  welche  mit  dem  Jordanbruche  und  auch  mit  der 
Linie  der  syrischen  Küste  in  Zusammenhang  zu  stehen  scheint. 
Sie  beginnt  in  der  Gegend  von  Malatiah  am  oberen  Euphrat  und 
läuft  von  Aleppo  über  Hamah  (Epiphania)  nach  Homs  (Emesa) 
und  von  da  an  wahrscheinlich  zu  beiden  Seiten  des  Anti-Libanon, 
sowohl  über  Baalbek,  als  über  Damaskus  weiter  gegen  Süd.  Der 
nördliche  Theil  dieser  Zone  wird  vortrefflich  erläutert  durch  die 
Angaben  des  arabischen  Schriftstellers  As-Soydti  über  die  in  dem 
Jahre  552  Hedschra  (1158  n.  Chr.;  nach  anderen  Berichten  551 
Hedschra)  mit  einer  gewaltigen  Erschütterung  beginnenden  Reihe 
seismischer  Bewegungen.^  Auch  Hoff  hat  Nachrichten  über  die- 
selbe gesammelt  und  hebt  hervor,  dass  diese  Erdbeben  sich  auf 
einer  Linie  von  4  Breitegraden  äusserten.*'  Nach  As-Soydti's 
Angaben  dürften  die  Erschütterungen  im  Norden  begonnen,  erst 
später  gegen  Damaskus  vorgerückt  und  dann  wieder  gegen  Aleppo 
und  Hamah  zurückgekehrt  sein. 

Von  diesen  beiden  die  syrische  Wüste  umgebenden  und  in 
der  Nähe  von  Aleppo  sich  kreuzenden  Zonen  dürften  jene  Vor- 
gänge im  Jahre  763  v.  Chr.  und  den  folgenden  Jahren  ausge- 
gangen sein,  welche  Assyrien  beunruhigten  und  Palästina  er- 
schreckten, und  welche  in  den  assyrischen  Verwaltungslisten 
vermerkt  und  in  den  Büchern  der  Propheten  angerufen  sind. 

Es  ist  mir  aber  nicht  wahrscheinlich,  dass  jene  Erdbeben, 
welche  der  Sintfluth  als  Warnungen  vorhergingen  und  sie  beglei- 
teten, aus  diesen  Gebieten  stammten.  Schläfli  hat  während  seines 
allerdings  gar  kurzen  Aufenthaltes  in  Mesopotamien  nur  solche 
Erdbeben  kennen  gelernt,  welche  aus  der  Ferne,  entweder  von 
Norden  oder  von  Süden  her,  etwa  von  dem  oft  betroffenen  Schiras 
in  Persien,  dem  Lande  mitgetheilt  wurden. 

Die  Erdbeben  der  Sintfluth  lassen  einen  südlichen  Ursprung, 
wahrscheinlich  innerhalb  des  persischen  Meerbusens,  vermuthen. 

Grosse  Störungen  in  der  Atmosphäre,  unermesslicher  Regen 
und  Sturm  und  Finsterniss  haben  die  Erderschütterung  begleitet. 
Die  Finsterniss  war  nicht  jene,  welche  z.  B.  vorübergehend  bei 
dem  Erdbeben  von  Lissabon  herbeigeführt  wurde  durch  den  in  die 


7  8  Eindruck  grosser  Katastrophen. 

Luft  gewirbelten  Schutt  und  Staub  der  stürzenden  Stadt.  Auch 
berechtigt  uns  nichts  zur  Annahme  einer  durch  die  Asche  einer 
vulcanischen  Eruption  herbeigeführten  Finsterniss.  Es  ist  die  Fin- 
sterniss  des  hereingebrochenen  Wirbelsturmes. 

Die  Strasse  der  Cyklone  vom  October  1842,  deren  letzte 
zweifelhafte  Spuren  bis  gegen  die  Insel  Bahrein  zu  reichen 
scheinen,  schliesst  nicht  einmal  ganz  und  gar  die  Möglichkeit  aus, 
dass  sogar  von  dem  gewöhnlichen  Ausgangspunkte,  den  Anda- 
manen,  ein  Wirbelsturm  in  den  persischen  Meerbusen  gerathe/^ 

Der  eilfte  Monat,  welchem  nach  Rawlinson's  Meinung  dieser 
eilfte  Gesang  entspricht,  ist  nicht  Ea,  dem  Gotte  des  Meeres,  oder 
den  Anunnaki,  den  unterirdischen  Geistern,  sondern  Rammän,  dem 
Sturmgotte  geweiht;  die  wortgetreue  Uebersetzung  des  akkadi- 
sehen  Namens  ist:  , Monat  des  Fluches  des  Regens'  oder  kurz: 
,Monat  des  Fluches*.  ^^  — 

Es  ist  nicht  ganz  ohne  Interesse  für  das  Verständniss  so 
grosser  Naturerscheinungen,  zu  untersuchen,  wie  verschiedenartig 
ihr  Eindruck  auf  die  verschiedenen  Schichten  und  Richtungen  des 
Menschengeschlechtes  ist. 

Auf  den  Andamanen-Inseln,  welche  so  oft  von  Erderschütte- 
rungen heimgesucht  werden  und  die  wir  als  den  Ausgangspunkt 
der  meisten  indischen  Wirbelstürme  kennen  gelernt  haben,  hat 
sich  in  Abgeschlossenheit  ein  kleiner  Rest  einer  Urbevölkerung 
erhalten.  Nicht  einmal  bis  zum  Cultus  der  Sonne  haben  sich  diese 
Menschen  noch  erhoben.  Einen  Dämon  der  Wälder  kennen  sie, 
Eremchangala,  der  die  Erdbeben  verursacht,  und  einen  Dämon 
der  See,  Juruwinda.  Die  äusserste  Furcht  vor  diesen  ist  das  ein- 
zige Gefühl,  das  sie  bei  solchen  Katastrophen  erfüllt.  Das  ist  die 
zitternde,  schreckerfüllte,  nackte  Creatur  im  Anblicke  der  grossen 
Gewalten.  ^^ 

Betrachten  wir  das  Verhalten  einer  nächsten  Culturstufe.  Am 
10.  Juli  1862  wurde  Acera  an  der  Küste  von  Guinea  und  ein  be- 
trächtlicher Theil  der  benachbarten  Gebiete  erschüttert.  Der  hol- 
ländische Kaufmann  Euschart  befand  sich  an  jenem  Tage  zu  Abo- 
mey,  der  Hauptstadt  des  Königreiches  Dahomey.  Er  wurde  auf 
den  Marktplatz  beschieden.  Dort  sass  auf  einem  Throne  der 
König,  umgeben  von  seinen  bewaffneten  Amazonen,  und  erklärte. 


Eindruck  grosser  Katastrophen.  70 

es  sei  der  Geist  seines  Vaters,  welcher  die  Erde  erschüttert,  weil 
die  alten  Gebräuche  nicht  mehr  befolgt  werden.  Drei  kriegs- 
gefangene  Häuptlinge  wurden  hingerichtet,  um  dem  Geiste  des 
Verstorbenen  zu  melden,  dass  man  fortan  genauer  die  Gebräuche 
befolgen  werde/^ 

Auf  den  folgenden  Stufen  wird  die  Aeusserung  bestimmt 
durch  die  Richtung  der  Erziehung  und  den  Lebensberuf  des 
Einzelnen. 

Da  ist  zuerst  der  trotzige  Krieger.  Am  4.  September  1596 
war  grosses  Erdbeben  zu  Kiyoto  und  Osaka  in  Japan.  Die  Burg 
von  Fushimi,  viele  Häuser  von  Kiyoto,  auch  das  Gebäude,  in 
welchem  die  Statue  des  Gottes  Daibuzu  aufgestellt  war,  stürzten 
ein.  Da,  so  berichtet  Edm.  Naumann,  begab  sich  Taiko  Toyotomi 
Hideyoschi  nach  dem  Gebäude  des  Daibuzu,  stellte  sich  vor  dem 
gefallenen  Götzenbilde  auf,  beschuldigte  mit  zorniger  Stimme  den 
schwachen  Gott,  dass  er  statt  das  Land  zu  schützen,  sich  selbst 
nicht  zu  erhalten  die  Macht  habe,  nahm  Bogen  und  Pfeil  und 
schoss  nach  der  Statue.  ^^ 

Ganz  anders  urtheilt  der  Naturforscher.  Im  Jahre  62  oder  65 
n.  Chr.  war  ApoUonius  von  Tyana  auf  der  Insel  Kreta.  Als  er  an 
der  gegen  das  Libysche  Meer  liegenden  Küste,  an  einem  Vor- 
gebirge in  der  Nähe  von  Phästus  eine  Unterredung  mit  vielen 
Männern  hatte,  die  das  Heiligthum  auf  diesem  Vorgebirge  ver- 
ehrten, entstand  plötzlich  ein  Erdbeben.  Der  Donner,  sagt  Philo- 
stratus,  brüllte  nicht  von  den  Wolken  herab,  sondern  aus  der 
Tiefe,  und  das  Meer  zog  sich  wohl  sieben  Stadien  weit  zurück,  so 
dass  die  Menge  besorgte,  das  zurückweichende  Meer  werde  den 
Tempel  nach  sich  ziehen  und  sie  Alle  mit  hinwegspülen.  ApoUo- 
nius aber  sprach:  ,Seid  getrost;  das  Meer  hat  ein  Land  ge- 
boren.' Nach  wenigen  Tagen  erfuhr  man,  dass  zur  selben  Zeit 
sich  eine  neue  Insel  zwischen  Thera  und  Kreta  aus  dem  Meere 
erhoben  habe.^^ 

Wieder  anders  urtheilt  die  grosse  Menge.  In  dem  allgemeinen 
Schrecken  schwindet  nicht  nur  der  Trotz  und  die  Gabe  der  Be- 
obachtung, sondern  oft  auch  jede  Ueberlegung.  Das  Unzweck- 
mässigste  wird  unternommen;  man  flüchtet  an  den  Fuss  von  Säu- 
len, welche  den  Einsturz  drohen,  wie  auf  dem  Marktplatze  von 


oO  Eindruck  auf  Hasts-Adra. 

Sillein  in  Ungarn  am  15.  Januar  1858,  und  es  verloren  nach  Ha- 
milton's  Aufschreibungen  2473  Menschen  bei  dem  calabrischen 
Erdbeben  am  5.  Februar  1783  nur  durch  den  Umstand  das  Leben, 
dass  sie  sich  auf  den  flachen  Meeresstrand  bei  Scylla  flüchteten. 
Es  ist  bei  neueren  Erdbeben  wiederholt  vorgekommen,  dass  man 
Wasserbecken  nur  zu  dem  Zwecke  aufstellte,  um  sich  zu  über- 
zeugen, ob  die  Schwankungen  der  Erde  wirklich  noch  fortdauerten, 
da  man  unausgesetzt  solche  Schwankungen  zu  bemerken  meinte, 
und  wer  die  Schilderungen  des  Kleinmuthes  der  Ueberlebenden 
nach  dem  grossen  Erdbeben  von  Lissabon  vom  i.  November 
1755  liest,  begreift  auch  vollständig  den  Seelenzustand  Hasis- 
Adra's  nach  der  Sintfluth. 

Bei  dem  ersten  Sonnenstrahle  und  der  ersten  Oeffnung  einer 
Luke  bricht  er  in  Thränen  aus.  Gerettet,  opfert  er  sofort  den 
Göttern.  In  der  Erinnerung  an  den  Umstand,  wie  er,  ohne  des 
Hohnes  der  Menge  zu  achten,  sein  Schiff  gebaut,®*  gestalten  sich 
die  damals  beobachteten  wiederholten  Anschwellungen  der  Fluth 
zu  Warnungen  des  wohlwollenden  Meeresgottes,  und  der  farbige 
Regenbogen  wird  nach  solcher  Finsterniss  zum  Zeichen  des  Frie- 
dens in  der  Natur  und  der  Versöhnung  der  Gottheiten. 

Air  das  Wunderbare  dieses  Berichtes  löst  sich  auf  in  die 
Wirkung  jener  Empfindungen,  welche  auch  heute  unter  ähnlichen 
Erlebnissen  das  Menschenherz  bewegen  möchten,  und  indem  wir 
dies  anerkennen,  zeigt  sich  zugleich,  wie  seit  jener  entfernten  Zeit 
unter  dem  Wechsel  so  vieler  Dinge  das  menschliche  Gemüth  doch 
so  gar  nicht  verändert  worden  ist.  Und  darum  trägt  gerade  in 
diesen  Zügen  die  einfache  Erzählung  des  Hasis-Adra  den  Stempel 
ergreifender  Wahrheit.         ' 

Der  Schiffscapitän  vermerkt,  nachdem  er  mit  entmastetem 
Fahrzeuge  dem  Wüthen  der  Cyklone  glücklich  entkommen  ist, 
beruhigt  das  Steigen  des  Luftdruckes;  was  sonst  sein  Herz  fühlen 
mag,  das  sagen  die  Aufschreibungen  des  Logbuches  nicht.  Als 
aber  am  10.  October  1780,  während  Engländer  und  Franzosen  im 
Kriege  lagen,  die  grosse  Cyklone  über  die  Antillen  eine  breite 
Strasse  der  Verheerung  zog,  die  Flotten  zerstreute  und  zertrüm- 
merte und  zwei  englische  Schiffe  auf  Martinique  an  den  Strand 
warf,  da  schickte  der  französische  Befehlshaber  Marquis  de  Bouill^ 


Kosmogonische  Mythen.  8  I 

die  geretteten  Engländer  dem  feindlichen  Gouverneur  von  Santa 
Lucia  mit  dem  Bemerken  zurück,  er  könne  die  Opfer  einer  allge- 
meinen Katastrophe  nicht  als  Gefangene  behalten/^  Das  ist  eben 
jenes  Gefühl  des  Niedersinkens  alles  menschlichen  Streites,  jenes 
erdrückende  Bewusstsein  menschlicher  Kleinheit  im  Anblicke  der 
grossen  Gewalten  der  Natur,  welches  das  religiöse  Moment  der 
Sintfluthsage  ausmacht. 

Dieses  Moment  entspricht  aber  so  vollständig  der  Menschen- 
natur, dass  die  Ueberlieferung  von  diesem  gewaltigen  Ereignisse 
willige  Aufnahme  unter  die  heiligen  Mythen  der  verschiedensten 
Völker  gefunden  hat,  und  dass  gerade  wegen  der  grossen  Ver- 
breitung der  Sage  es  uns  um  so  schwieriger  wird,  die  thatsäch- 
liche  Ausbreitung  des  Ereignisses  zu  erkennen. 

In  den  weiten  Kreis  der  Sintfluthsagen  sind  auch  Traditionen 
aufgenommen  worden,  welche  von  der  Entstehung  der  Meere  han- 
deln, also  in  die  Gruppe  der  kosmogonischen  Mythen  gehören 
und  der  Sintfluth  ganz  fremd  sind.  So  ist  es  unter  den  Mythen  der 
alten  Welt  der  Fall  mit  jenem  grossen  Regen,  durch  welchen  nach 
dem  VII.  Capitel  des  Pehlevi  Bundehesch  die  Gewässer  der  Erde  er- 
zeugt wurden.  Ein  Beispiel  einer  solchen  kosmogonischen  Mythe 
der  neuen  Welt  ist  die  Sage  der  Antillenbewohner  von  den  Brü- 
dern, welche  die  Kürbisflasche  finden,  aus  welcher  sich,  nachdem 
sie  zerbrochen  wurde,  unermessliche  Wassermengen  ergiessen. 
In  der  ursprünglichen  Darstellung  dieser  Sage  durch  Petrus  Martyr 
ist  gar  nicht  die  Rede  von  einer  strafenden  und  vernichtenden 
Sintfluth,  sondern  von  der  Entstehung  der  Meere,  welche  die  tiefen 
und  bisher  trockenen  Theile  der  Erde  erfüllten,  und  wobei  die 
Berge  zu  Inseln  wurden.^ 

Bei  mehreren  amerikanischen  Völkerschaften  trifft  man  ferner 
Fluthsagen,  welche  von  so  bestimmten  Einzelheiten  aus  der  bibli- 
schen Darstellung  begleitet  sind,  dass  der  Einfluss  der  Missionäre 
auf  dieselben  unverkennbar  ist,  wie  dies  schon  oft,  insbesondere 
von  Waitz,  betont  worden  ist.^' 

Eine  andere  Reihe  von  Ueberlieferungen  ist,  hauptsächlich  an 
der  westlichen  Küste  von  Südamerika  und  auf  den  oceanischen 
Inseln,  bis  Fidji,  aus  verschiedenen  seismisch  erregten  Hochfluthen 
hervorgegangen.    Solche  Ueberlieferungen  sind  bereits  erwähnt 

S  u  e  •  s ,  Das  Antlitz  der  Erde.  6 


82  Izdubar-Epos  und  Berosus, 

worden,  als  von  dem  Schwanken  der  Oceane  bei  grossen  Erdbeben 
gesprochen  wurde.  R^ville  hat  kürzlich  oceanische  Sintfluthsagen 
gesammelt.  ^^ 

Nach  Ausscheidung  all'  dieser,  für  die  Beurtheilung  der  Aus- 
breitung des  mesopotamischen  Ereignisses  un  verwendbaren  Ueber- 
lieferungen  bleibt  uns  in  der  alten  Welt  eine  Anzahl  von  Berichten 
zurück,  welche  sich  in  mehrere  Gruppen  theilen  lassen. 

Die  erste,  dem  Ereignisse  selbst  zunächst  stehende  Gruppe 
von  Berichten  bilden  das  Izdubar-Epos  und  die  Bruchstücke  des 
Berosus. 

Dabei  erwähnt  der  Bericht  des  Berosus  einen  Umstand,  von 
welchem  das  Izdubar-Epos  vollkommen  schweigt,  nämlich  die  Ver- 
grabung  und  nachmalige  Auffindung  der  Schriften  in  der  Sonnen- 
stadt Sippara.  Eusebius  schreibt:  . .  .Mandavisse,  ut  libros  omnes, 
primos  niminim,  medios  et  Ultimos,  terrae  infossos  in  solis  urbe 
Sipparis  poneret ...  Es  ist  schwer  zu  sagen,  ob  Berosus  aus  einer 
anderen,  vollständigeren  Quelle  geschöpft  als  der  Verfasser  des 
Izdubar-Epos,  oder  ob  es  sich  um  eine  spätere  Zuthat  handelt. 
Die  Vergrabung  von  Urkunden  in  den  Grundvesten  von  Tempeln 
und  Palästen  war  von  altersher  in  Babylonien  üblich.  Wie  ein 
neugefundener  Cylinder  des  Königs  Naboned  (etwa  550  v.  Chr.), 
den  kürzlich  Pinches  beschrieben  hat,  berichtet,  hatte  der  König 
Nebukadnezar  (604 — 561)  vergeblich  unter  dem  Sonnentempel 
E-bara  zu  Sippara  nach  alten  Schriften  gesucht.  Erst  später  ge- 
lang es  seinem  Nachfolger  Naboned  in  einer  Tiefe  von  1 8  Ellen 
einen  uralten  Cylinder  aufzufinden:  ,Den  Cylinder  des  Naräm-Sin, 
Sohnes  des  Sargon,  welchen  durch  3200  Jahre  kein  König,  der 
vor  mir  wandelte,  gesehen  hatte,  hat  mir  Samas  enthüllt,  der 
grosse  Herr  zu  E-bara,  dem  Hause,  dem  Sitze  der  Ereude  seines 
Herzens.* 

Dies  führt  zum  Jahre  3750  zurück  und  stellt  den  alten  König 
Sargon  I.,  dessen  Aussetzung  oben  erwähnt  wurde,  etwa  in  das 
Jahr  3800  V.  Chr.^^ 

Die  zweite  Gruppe  vertreten  die  beiden  in  der  Genesis 
miteinander  verwobenen  Darstellungen  des  Jahvisten  und  des 
Elohisten.  Ihre  weitgehende  Ueboreinstimmung  mit  den  Angaben 
der  ersten  Gruppe  von  den  Warnungen  und  dem  Verpichen  des 


Berichte  der  Genesis.  83 

Fahrzeuges  bis  zu  dem  Aufrichten  des  Regenbogens  ist  augen- 
fällig. In  den  ziffermässigen  Angaben  über  die  Zahl  der  Thiere, 
wie  über  die  Zeiträume  weichen  beide  Berichte  von  dem  Izdubar- 
Epos  ab  und  widersprechen  sich  auch  untereinander.  Der  jahvi- 
stische  Bericht  gibt  der  Ziffer  sieben  jene  Bedeutung,  die  sie  so 
oft  in  assyrischen  Berichten,  so  auch  im  Izdubar-Epos  besitzt.  Es 
fehlt  ferner  nicht  an  anderen  kleineren  Abweichungen,  so  in  Bezug 
auf  die  ausgesendeten  Vögel,  und  dass  der  babylonische  Noah, 
wie  Gen.  V,  2^  von  Henoch  erzählt  wird,  zu  den  Göttern  ent- 
rückt wird. 

Die  wesentliche  und  bezeichnende  Verschiedenheit  liegt  aber 
darin,  dass  die  gesammte  Darstellung  in  der  Genesis  jene  Fär- 
bung angenommen  hat,  welche  die  Tradition  bei  einem  binnen- 
ländischen Volke  annehmen  musste.^^  Oft  schon  ist  darauf  auf- 
merksam gemacht  worden,  dass  hier  mangelnde  Vertrautheit  mit 
dem  Meere  bemerkbar  wird.  In  der  That  fehlt  der  Steuermann 
und  aus  dem  Schiffe  wird  ein  Kasten  oder  Koffer,  eine  ,Arche^. 
Selbstverständlich  ist  keine  Rede  von  all'  den  Gottheiten,  welche 
die  Naturkräfte  versinnlichen  sollen,  aber  es  tritt  dafür  nament- 
lich in  den  jahvistischen  Theilen  die  unmittelbare,  persönliche 
Thätigkeit  der  Gottheit  sehr  hervor,  wie  bei  dem  Verschliessen  des 
Kastens  (Gen.  VII,  16). 

Dabei  verwandeln  sich  zuerst  die  Berathung  der  Götter, 
welche  der  Fluth  vorangeht,  und  dann  die  besänftigende  Anrede 
£a's  an  Bei,  durch  welche  die  Gefühle  der  Gnade  nach  der  Kata- 
strophe wieder  wachgerufen  werden,  in  bemerkenswerther  Weise 
in  zwei  Selbstgespräche  Jahveh's,  welche  schon  seit  langer  Zeit 
Befremden  unter  den  Bibelforschern  hervorgerufen  haben.  Selbst 
die  hier  sonst  benützte  ed.  Tischendorf  bringt  nicht  den  ursprüng- 
lichen Text.  Sie  sagt  VIII,  2 1 :  Odoratusque  est  Dominus  odorem 
suavitatiSy  et  äit:  —  da  doch  nach  S.  Hieronymus  zu  sagen  wäre: 
et  äit  ad  cor  suiim:  —  entsprechend  bei  Luther:  Und  der  Herr 
roch  den  lieblichen  Geruch^  und  sprach  in  seinem  Herien:  Ich 
will  hinfort  nicht  mehr  die  Erde  verfluchen.  .  .  .^^ 

Für  uns  ist  die  Darstellung  der  Genesis  eine  entlehnte 
Darstellung,  doch  unzweifelhaft  auf  dasselbe  Ereigniss  sich  be- 
ziehend. 

6* 


84  Berichte  der  Aegj'pter. 

Wir  gehen  zu  einer  dritten  Gruppe,  den  Aegyptern.  Die 
Frage  nach  dem  Bestände  einer  einheimischen  Sintfluth-Tradition 
ist  hier  von  besonderer  Bedeutung,  da  das  Ereigniss  am  unteren 
Euphrat  in  eine  Zeit  fallt,  in  welcher  seit  lange  schon  ägyptische 
Cultur  blühte,  und  das  Fehlen  einheimischer  Berichte  als  ein  Be- 
weis dafür  angesehen  werden  darf,  dass  die  Katastrophe  das  Mittel- 
meerbecken nicht  erreicht  hat.  In  derThat  ist  das  Wenige,  was  sich 
von  ägyptischen  Ueberlieferungen  hieher  beziehen  lässt,  so  ab- 
weichend,  dass  entweder  die  wenigen  Anknüpfungspunkte  nur  als 
eine  scheinbare  oder  zufallige  Uebereinstimmung  anzusehen  sind, 
oder  dass  eine  gänzliche  Umgestaltung  der  aus  der  Fremde  er- 
haltenen Ueberlieferung  durch  den  Einfluss  der  Priester  ange- 
nommen werden  muss. 

Der  ausführlichste  Rest  ägyptischer  Mythologie,  welcher  hie- 
her bezogen  werden  könnte,  ist  der  Bericht  über  die  Vernichtung 
der  Menschen  durch  die  Götter,  welcher  die  vier  Wände  einer 
entlegenen  Kammer  in  dem  weiten  Grabe  Seti  I.  (etwa  1350 
V.  Chr.)  zu  Theben  bedeckt. 

Der  wesentliche  Inhalt  lautet  nach  Brugsch  folgender- 
massen :  '^ 

Ra  beruft  den  Rath  der  Götter.  Ra  zürnt  den  Menschen  und 
klagt,  dass  sie  Reden  gegen  ihn  führen.  Ihr  Untergang  wird  be- 
schlossen. Die  Göttin  Hathor  vollzieht  das  Werk.  Sie  kehrt  zurück 
und  wird  von  Ra  belobt;  bis  Heraklcopolis  ist  das  Land  mit  Blut 
bedeckt. 

Ra  ruft  alle  seine  Boten  zusammen  und  lässt  Menschenblut 
und  Früchte  der  Alraune  in  Gefässe  füllen;  siebentausend  Krüge 
des  Getränkes  werden  bereitet.  Ra  kommt  am  nächsten  Morgen, 
um  diese  Krüge  zu  sehen.  Und  es  war  Niemand  von  den  Menschen 
vernichtet  worden,  welche  zur  rechten  Zeit  aufwärts  gezogen 
waren.  Hierauf  spricht  die  Majestät  des  Ra:  Diese  sind  die  Guten!' 
Ich  werde  die  Menschen  beschützen  darum. 

Ra  befiehlt,  in  der  Nacht  das  Nass  aus  den  Krügen  zu  schüt- 
ten, und  die  Felder  werden  mit  Flüssigkeit  bedeckt.  Es  kommt 
am  Morgen  die  Göttin  und  sieht  die  überflutheten  Felder;  sie  ist 
erfreut  und  sie  trinkt  davon;  ihre  Seele  wird  fröhlich,  und  sie  er- 
kennt nicht  die  Menschen. 


Hellenisch-syrische  Berichte.  85 

Die  fernere  Fortsetzung  des  Mythos,  die  Geburt  der  Prie- 
sterinnen, die  weitere  Reue  Ra's,  das  Wiedererscheinen  von  Men- 
schen, ihre  Versöhnung  mit  Ra,  wie  Ra  den  einzelnen  Gottheiten 
ihre  Aufgaben  zutheilt  und  sich  selbst  zurückzieht,  —  das  Alles 
steht  mit  der  Sintfluth  nicht  in  Verbindung. 

Es  ist  vielmehr  die  Frage,  ob  auch  in  dem  vorhergehenden 
Theile  irgend  eine  solche  Verbindung  nachweisbar  ist.  Der  Rath 
der  Götter,  die  Vernichtung,  die  nachfolgende  Gnade  der  Gott- 
heit, sogar  das  Versprechen,  nicht  zu  wiederholen,  sind  vorhanden. 
Die  Katastrophe  selbst  ist  aber  von  ganz  verschiedener  Art.  Ha- 
thor  vollzieht  das  Gericht  auf  blutige  Weise.  Nachträglich  erst  ist 
von  einer  Ueberfluthung  die  Rede,  doch  offenbar  nicht  im  Sinne, 
einer  Strafe. 

Allerdings  ist  bemerkt  worden,  es  sei  jede  Ueberschwemmung 
für  das  ägyptische  Volk  so  sehr  mit  den  Begriffen  des  Reichthums 
und  des  Lebens  verbunden,  dass  es  nothwendig  gewesen  sei,  die 
ursprüngliche  Ueberlieferung  zu  ändern  und  dem  Gerichte  Ra's 
eine  andere  Gestalt  zu  geben.  ^'^  Hierüber  sind  verschiedene  An- 
sichten zulässig.  Es  geht  aber  aus  der  ganzen  Darstellung  her- 
vor, dass  in  Aegypten  selbst  die  grosse  Katastrophe  nicht 
eingetreten  ist  und  in  dem  ägyptischen  Volke  die  Erinnerung 
an  ein  solches  Ereigniss  nicht  bestand,  wenn  auch  vielleicht 
chaldäische  Berichte  zur  Kenntniss  der  Priester  gekommen  sind 
und  man  ihre  Spuren  in  diesem  Mythos  suchen  mag.  Brugsch 
leugnet  jede  Beziehung  zu  dem  chaldäischen  Mythos. 

Die  vierte  Gruppe  bilden  die  hellenisch-syrischen  Be- 
richte. Bei  ihrer  Vergleichung  darf  man  nicht  übersehen,  dass  die 
Küsten  des  östlichen  Mittelmeeres,  auch  die  hellenischen  Gestade, 
im  Alterthume  wie  in  neuerer  Zeit  häufig  von  seismisch  erregten  ' 
Fluthen  überspült  worden  sind.  Ein  Beispiel  seismischer  Bewegung 
des  Meeres,  welches  nicht  wenig  an  den  Untergang  des  Pharao 
Menephtah  erinnert,  trat  im  Jahre  479  v.  Chr.  ein,  als  Artabazus 
die  Stadt  Potidaea  belagerte,  welche  den  Zugang  zur  Halbinsel 
Pallena,  dem  westlichen  Vorgebirge  der  Chalcidyce,  abschloss. 
Herodot  erzählt,  wie  die  Belagerer  eines  Tages  eine  beträchtliche 
Ebbung  des  Meeres  wahrnahmen,  durch  welche  die  Bucht  gangbar 
wurde,  wie  sie  dieselbe  gegen  Pallena  durchqueren  wollten  und 


86  Die  Sitte  der  Wasserspende. 

plötzlich  von  der  rückkehrenden  Fluth  ereilt  wurden.^  Es  sind  noch 
viele  andere  und  weiter  in's  Land  reichende  Fluthen  derselben  Art 
aus  Hellas  bekannt;  J.Schmidt  hat  mehrere  Beispiele  aufgezählt.^ 

Unter  solchen  Verhältnissen  ist  es  begreiflich,  dass  in  Hellas 
Traditionen  von  wiederholten  Fluthen  vorhanden  waren,  so  jener 
dt\s  Oijyges,  des  Deukalion,  des  Dardanos;  daneben  bestanden 
vereinzelte  Ueberlieferungen  auf  den  Inseln,  wie  auf  Samothrake. 
An  diese  und  insbesondere  an  die  Berichte  von  der  Fluth  des 
Deukalion  wurden  einzelne  Theile  der  chaldäischen  Ueberliefe- 
rung,  wie  von  der  Rettung  in  einem  schwimmenden  Kasten,  dem 
Mitnehmen  von  Thieren  und  dem  Aussenden  von  Vögeln,  nament- 
lich einer  Taube,  geknüpft.  Bezeichnend  aber  für  diese  Gruppe 
von  Ueberlieferungen  ist  ihre  Verbindung  mit  einer  Ceremonie, 
welche  hier  noch  nicht  er^vähnt  worden  ist.  Es  ist  dies  die  Todten- 
feier,  welche  zur  Erinnerung  an  die  Fluth  des  Deukalion  zu  Athen 
jährlich  am  13.  des  Monats  Anthesterion  gefeiert  wurde.  Hieher 
gehört  nach  Mommsen's  Darstellung  die  Wasserspende,  Hydro- 
phoria,  und  die  Darbringung  von  Honig  mit  Zuthat  von  Mehl  an 
dem  Erdschlunde,  in  welchen  das  Wasser  der  Deukalion ischen 
Fluth  hineingeströmt  sein  sollte.  Der  Erdschlund  liegt  ausserhalb 
des  lenäischen  Bezirkes,  jedoch  benachbart,  beim  Tempel  des 
olympischen  Zeus.'"' 

Eine  vollständige  und  merkwürdige  Wiederholung  der  Ce- 
remonie der  Hydrophoria  trifft  man  in  der  Beschreibung  des 
Tempels  zu  Hierapolis  am  oberen  Euphrat,  welche  in  der  mit 
Recht  oder  Unrecht  Lucian  zugeschriebenen  Schrift  ,von  der  sy- 
rischen Göttin*  enthalten  ist.'°' 

Die  betreffenden  Stellen  lauten  wie  folgt: 

,Die  Meisten  sagen,  dass  Deukalion  Sisythes'**^  das  Heilig- 
thum  erbaut  habe,  dieser  Deukalion,  unter  welchem  die  grosse 
Wasserfluth  stattfand.  Von  Deukalion  hörte  ich  auch  in  Hellas  die 
Sage,  welche  die  Hellenen  von  ihm  erzählen,  die  sich  folgender- 
massen  verhält:  . . .  Nun  wird  die  Schlechtigkeit  der  ersten  Men- 
schen erzählt.  —  ,Zur  Strafe,*  —  heisst  es  dann  —  ,traf  sie  grosses 
Unglück.  Sogleich  sandte  die  Erde  aus  ihrem  Schoosse  eine 
Menge  Wasser  empor,  gewaltige  Regengüsse  traten  ein,  die 
Flüsse  schwollen  an,  und  das  Meer  ergoss  sich  weithin  über  das 


Gebräuche  zu  Hierapolis.  8^ 

Land,  bis  Alles  Wasser  wurde  und  Alle  umkamen,  nur  Deukalion 
blieb  von  den  Menschen  allein.  .  .  /  Er  hatte  nämlich  einen  Kasten 
gebaut  und  seine  Familie,  sowie  Paare  von  allerlei  Gethier  waren 
in  den  Kasten  getreten.  Alle  fuhren  in  dem  einen  Kasten,  so  lange 
das  Wasser  anhielt.    So  erzählen  die  Hellenen  über  Deukalion.* 

,Hiezu  fügen  die  Bewohner  der  heiligen  Stadt  eine  höchst 
merkwürdige  Geschichte:  es  sei  in  ihrem  Lande  eine  grosse  Erd- 
öffnung entstanden,  und  diese  habe  alles  Wasser  aufgenommen: 
Deukalion  aber  habe,  nachdem  dies  geschehen  sei,  Altäre  er- 
richtet und  neben  der  Erdöffnung  den  Tempel  zu  Ehren  der  Here 
erbaut.  Die  Erdöffnung  sah  ich,  es  befindet  sich  unter  dem  Tempel 
eine  sehr  kleine.  Ob  sie  in  alten  Zeiten  gross  war  und  jetzt  so  ge- 
worden ist,  weiss  ich  nicht:  die  ich  sah,  ist  sehr  klein.  Zum  Zeichen 
und  Gedächtniss  dieser  Geschichte  thun  sie  Folgendes:  zweimal 
in  jedem  Jahre  wird  Wasser  aus  dem  Meere  in  den  Tempel  ge- 
bracht. Dies  tragen  nicht  allein  die  Priester,  sondern  ganz  Syrien 
und  Arabien,  ja  von  jenseits  des  Euphrat  ziehen  viele  Menschen 
zum  Meere  hinab,  und  Alle  tragen  Wasser;  zuerst  giessen  sie  es 
im  Tempel  aus,  dann  geht  es  in  die  Erdöffnung,  und  die  kleine 
Erdöffnung  nimmt  eine  grosse  Menge  Wasser  auf.  Und  bei  dieser 
Ceremonie  sagen  sie,  Deukalion  habe  dieselbe  im  Tempel  zur  Er- 
innerung an  das  Unglück  und  seine  Wohlthat  eingesetzt.  Dies  ist 
ihre  alte  Sage  über  des  Heiligthum.' 

An  späterer  Stelle  wird  erzählt,  dass  im  Innern  des  Tempels 
ein  Götterbild  der  Here  stehe  und  ein  anderes  desjenigen  Gottes, 
,den  sie  obgleich  es  Zeus  ist,  mit  einem  andern  Namen  be- 
nennen'. »Zwischen  beiden  steht  eine  andere  goldene  Bildsäule 

Die  Assyrer  selbst  nennen  sie  das  Zeichen,  geben  ihr  keinen  be- 
sonderen Namen  und  wissen  nichts  von  ihrem  Ursprünge,  noch 
von  ihrer  Gestalt  zu  sagen.  Einige  beziehen  sie  auf  Dionysos,  an- 
dere auf  Deukalion,  noch  andere  auf  Semiramis.  Es  befindet  sich 
nämlich  auf  ihrem  Kopfe  eine  goldene  Taube:  aus  diesem  Grunde 
will  man,  dass  sie  die  Semiramis  darstellt.  Zweimal  in  jedem  Jahre 
wird  sie  nach  dem  Meere  geschafft,  um  das  Wasser,  von  dem  die 
Rede  war,  zu  holen.* 

Diese  Erzählung  habe  ich  ausführlicher  angeführt,  weil  sie 
ein  gutes  Beispiel  der  Vermengung  und  der  Uebertragung  des 


gg  Absorbirende  Spalte  zu  Hierapolis. 

Mythen  gibt.  Vergessen  wir  zuerst  nicht,  dass  Lucianus  in  dem 
zweiten  Jahrhunderte  unserer  Zeitrechnung  lebte,  und  der  Bericht 
folelich  unvergleichlich  viel  jünger  ist  als  alle  bisher  erwähnten. 
Gleich  an  seiner  Spitze  ist  der  Name  Deukalion'"^  mit  dem  helle- 
nisirten  Hasis-Adra  oder  Xisuthros,  hier  Sisythes,  vereinigt.  Ob- 
wohl das  Heiligthum  am  oberen  Euphrat  steht,  wird  der  erste 
Theil  ausdrücklich  als  Sage  der  Hellenen  angeführt,  welcher  doch 
in  allen  wesentlichen  Theilen  mit  der  uralten  chaldäischen  lieber - 
lieferung  übereinstimmt.  Sogar  die  drei  verschiedenen  Formen 
der  Ueberfluthung,  aus  der  Erde,  vom  Himmel  und  vom  Meere 
her,  sind  erwähnt. 

Im  zweiten  Theile  verbindet  die  Hydrophoria  das  weit  land- 
einwärts liegende  Heiligthum  mit  dem  Meere;  wir  mögen  helleni- 
sche Sitte  darin  sehen,  wenn  auch  die  Taube  auf  dem  Haupte 
lener  Gottheit,  welche  angeblich  zweimal  im  Jahre  die  Reise  zum 
Meere  machen  musste,  ganz  an  die  chaldäischen  Berichte  mahnt. 

So  ist  die  Sintfluthsage  vom  unteren  Euphrat  auf  verzweigten 
Wegen  nach  Hellas  und  von  dort,  wie  es  scheint,  wieder  zurück 
an  den  oberen  Euphrat  gelangt,  und  es  fragt  sich  nun,  warum  ge- 
rade hier  in  Hierapolis  absorbirende  Spalten  angegeben  wurden. 
Solche  Spalten  werden  bei  Erderschütterungen  wirklich  zuweilen 
o-ebildet;  die  bereits  erwähnte  Entwässerung  des  Lake  Eulalie  im 
Thale  des  Mississippi  ist  auf  diese  Weise  vor  sich  gegangen,  und 
Hierapolis  (Mambedj)  liegt  in  der  That  auf  der  grossen  Erdbeben- 
zone von  Antiocheia.  Die  wahre  Ursache  dürfte  aber  eine  einfachere 
sein.  Rey  hat  die  Ruine  des  Tempels  gesehen  und  einen  Plan  der- 
selben veröffentlicht;  sogar  von  einem  Fischteiche  innerhalb  der 
Umfassung  des  Heiligthums,  den  der  alte  Bericht  erwähnt,  ist 
heute  noch  ein  Rest  vorhanden,  und  Rey  vermuthet,  dass  unter- 
irdische Wasserläufe,  welche  in  der  Stadt  vorhanden  sind,  die 
Wiederholung  der  Fabel  von  dem  die  Sintfluth  absorbirenden 
Schlünde  und  die  Entstehung  des  Heiligthums  veranlasst  haben 
dürften/"»  — 

p]s  ist  nicht  meine  Absicht,  in  der  Vergleichung  dieser  aus 
dem  chaldäischen  Ereignisse  ganz  oder  zum  Theile  abgeleiteten 
Darstellungen  noch  weiter  zu  gehen. 


Indische  Berichte.  80 

Vier  Gruppen  haben  wir  kennen  gelernt.  Die  erste,  das  Iz- 
dubar-Epos  und  die  Bruchstücke  des  Berosus,  steht  dem  Ereig- 
nisse selbst  am  nächsten.  Die  zweite,  die  beiden  Berichte  der 
Genesis  umfassend,  schliesst  sich  nahe  an  und  weicht  hauptsächlich 
ab  durch  die  geringe  Kenntniss  derSeeschifffahrt.  Die  dritte  Gruppe 
ist  die  ägyptische;  nur  ein  einziger  Bericht,  aber  der  wichtigste, 
wurde  erwähnt.  Die  Vernichtung  der  Menschen  wird  nicht  durch 
eine  Fluth,  sondern  durch  die  blutvergiessende  Hathor  ausgeführt; 
eine  Fluth  erscheint  in  untergeordneter  Rolle  nach  dem  Strafge- 
richte. Der  Zusammenhang  mit  der  chaldäischen  Sage  ist  sehr  lose  * 
und  kann  sogar  überhaupt  angezweifelt  werden.  Die  vierte  Gruppe 
ist  die  jüngste.  Es  sind  die  hellenisch- syrischen  Traditionen;  sie 
umfassen  mehrere,  wahrscheinlich  seismische  Fluthen,  welche  Theile 
von  Hellas  oder  alle  Küsten  desselben  betroffen  haben  und  an 
welche  chaldäische  Anklänge  und  die  Ceremonie  der  Hydrophoria 
geknüpft  worden  sind. 

Aus  keinem  dieser  Berichte  lässt  sich  eine  Ausbrei- 
tung des  Ereignisses  von  Surippak  bis  in  das  Becken  des 
Mittelmeeres  erweisen. 

Bei  dem  hohen  Alter  ägyptischer  Cultur  und  der  Fremdartig- 
keit des  dortigen  Mythos  lässt  sich  im  Gegentheile  mit  nicht 
geringer  Sicherheit  annehmen,  dass  das  Mittelmeerbecken  nicht 
erreicht  wurde. 

Die  heiligen  Bücher  der  Inder  enthalten  mehrere  Berichte  von 
einer  grossen  Fluth,  und  zwar  sowohl  in  der  Rig-Veda,  als  in 
jüngeren  Schriften.  Viele  Umstände  sprechen  dafür,  dass  Satya- 
vrata  in  der  Bhägavata-Puräna,  welchem  von  Vischnu  die  grosse 
Fluth  verkündet  wird,  und  welcher  gerettet  wird  als  Bewahrer  der 
heiligen  Schriften,  dieselbe  Persönlichkeit  sei  wie  Hasis-Adra,  wo- 
bei noch  hinzutritt  die  aus  Berosus  bekannte  Episode  der  heiligen  ' 
Schriften.  Aber  all'  diese  unter  mannigfaltigen  Umgestaltungen 
erkennbaren  Anklänge  an  die  chaldäische  Ueberlieferung  deuten 
wohl  an,  dass  die  Tradition  von  dem  grossen  Ereignisse  hieher 
getragen  worden  sei,  nicht  aber,  dass  die  Fluth  selbst  hieher  ge- 
reicht habe.  Schon  dass  in  dem  ältesten  dieser  Berichte,  in  der 
Rig-Veda,  der  gerettete  Manu  Vaivasvata  sein  Schiff  an  einer  der 
Hochspitzen  des  Himalaya  befestigt,   zeigt,   dass  die  Sage  aus 


QO  Chinesische  Berichte. 

fremdem  Lande  eingeführt  und  in  gänzlich  naturwidriger  Weise 
localisirt  worden  ist. 

Von  weit  grösserer  Bedeutung  erscheinen  mir  die  chinesi- 
schen Berichte. 

Die  Schriften  der  Chinesen  reichen  bis  in  das  dritte  Jahrtau- 
send V.  Chr.  zurück;  diese  alten  Bücher  sind  historische  Aufzeich- 
nungen; frei  von  allen  Wundern,  ohne  den  Anspruch  auf  eine 
höhere  Offenbarung,  erzählen  sie  in  der  Regel  in  nüchterner  und 
bestimmter  Sprache  die  Begebenheiten.  Das  bedeutendste  der- 
•  selben  ist  der  Schü-King,  das  Buch  der  geschichtlichen  Documente ; 
es  wurde  durch  Legge's  treffliche  Ausgaben  dem  europäischen 
Leser  eröffnet. '°^ 

Aus  dem  Schü  ist  ersichtlich,  dass  unter  der  Regierung  des 
Kaisers  Yäo  eine  grosse  und  verheerende  Ueberfluthung  China 
bedeckte.  Das  Jahr  des  Regierungsantrittes  des  Kaisers  Yäo 
setzen  wir,  nachdem  J.  B.  Biot  aus  astronomischen  Angaben  diese 
ziemlich  allgemein  angenommene  Ziffer  für  richtig  hält,  mit  Legge 
auf  2357  V.  Chr.  Yäo  regiert  siebzig  Jahre.  Er  beruft  zuerst 
Khwän,  dem  durch  die  Ueberschwemmung  herbeigeführten  Uebel 
zu  steuern. 

Im  Schü,  Canon  des  Yäo,  3  lautet  die  betreffende  Stelle:  yDer 
Ti  sa^t:  Fürst  der  Vier  Berge,  zerstörend  in  ihrem  Ueberfliessen 
sind  die  Wässer  der  Ueberschwemmung.  In  ihrer  weiten  Ausdeh- 
nung umfassen  sie  die  Berge  und  überdecken  die  grösseren  Höhen, 
bedrohend  die  Himmel  mit  ihren  Fluthen,  so  dass  das  niedere  Volk 
uniufrieden  ist  und  murrt!  Wo  ist  ein  fähiger  Mann,  welchen  ich 
beauftragen  könnte,  diesem  Uebel  {w  steuern?^ '"^ 

Durch  neun  Jahre  bemüht  sich  Khwän  vergebens;  hierauf 
wird  Yü  berufen.  Binnen  acht  Jahren  vollendet  er  grosse  Werke;  er 
lichtet  die  Wälder,  regelt  die  Ströme,  dämmt  sie  ein  und  öffnet 
ihre  Mündungen,  schafft  der  Bevölkerung  Nahrung  und  ordnet  als 
grosser  Wohlthäter  das  ganze  Reich. 

Der  dritte  Theil  des  Schü,  welchen  die  Bücher  von  Hsiä  aus- 
machen, bildet  in  seinem  ersten  Buche  unter  dem  Titel  ,Yü-king* 
oder  ,der  Tribut  des  Yü'  nicht  nur  eine  eingehende  Darstellung 
der  von  Yü  durchgeführten  Arbeiten,  sondern  den  Umriss  einer 
Landesbeschreibung,  welche  Flüsse,  Gebirge  und  Seen  und  die 


Chinesische  Berichte. 


91 


Hilfsmittel  der  Provinzen  aufzählt.  Es  ist  unmöglich,  diesen  ehr- 
würdigen Rest  einer  uralten  Staatsverwaltung  zu  lesen,  ohne  zu 
Empfindungen  der  höchsten  Achtung  geführt  zu  werden  gegen 
eine  Nation,  welche  solche  Berichte  aus  so  ferner  Zeit  besitzt,  und 
welche  durch  die  folgenden  Jahrtausende  solchen  Thaten  des  Frie- 
dens und  der  Volkswohlfahrt  den  höchsten  Ruhm  zuerkennt. 

F.  V.  Richthofen  war  durch  seine  ausgebreitete  Kenntniss  des 
Landes  in  den  Stand  gesetzt,  aus  dem  Yü-king  den  Verlauf  der 
Ströme  vor  viertausend  Jahren  zu  ermitteln,  und  zu  erweisen,  dass 
seither  die  grosse  Ebene  keine  grossen  Veränderungen  erlitten 
hat,  mit  Ausnahme  jener,  welche  durch  Menschenwerk,  durch  den 
Wechsel  im  Laufe  des  gelben  Flusses  und  durch  das  Anwachsen 
der  Küste  verursacht  wurden.  Zugleich  aber  wurde  durch  Richt- 
hofen's  Nachweisungen  die  von  Ed.  Biot,  ja  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  von  Legge  selbst  bezweifelte  Genauigkeit  der  Angaben 
über  Yü's  grosse  Arbeiten  mit  dankenswerther  Ausführlichkeit 
sichergestellt.  '**^ 

Einzelne  Missionäre  haben,  wenn  auch  nur  in  sehr  umschränk- 
ter  Weise,  in  dieser  Ueberfluthung  einen  Anklang  an  die  biblische 
Sintfluth  vermuthet;  Bunsen  ist  dieser  Vermuthung  mit  grosser 
Schärfe  entgegengetreten ;  in  neuerer  Zeit  scheint  man  geneigt, 
dieselbe  dem  Ho  zuzuschreiben,  welcher  auch  seither  so. grosse 
Verwüstungen  angerichtet  hat,  dass  man  ihn  ,den  Kummer  China's* 
nennt.  Zu  dieser  Ansicht  bekennt  sich  auch  Legge.  ^'^^  Nichts  scheint 
näher  zu  liegen  als  diese  Annahme.  Leider  sind,  neben  der  Aus- 
führlichkeit, mit  welcher  Yü's  Reisen  und  Arbeiten  geschildert 
werden,  die  Angaben  über  die  Entstehung  der  Fluth  sehr  unvoll- 
ständig. Man  sieht  nur,  dass  durch  lange  Zeit  Wasserflächen  auf 
dem  Lande  gestanden  sind,  und  dass  die  eingetretene  Störung 
der  Lebensverhältnisse  eine  beträchtliche  war. '"^ 


DieErgebnisse  lassen  sich  in  folgenderWeise  zusammenfassen: 
i.-Das  unter  dem  Namen  der  Sintfluth  bekannte  Naturereig- 
niss  ist  am  unteren  Euphrat  eingetreten  und  war  mit  einer  aus- 
gedehnten und  verheerenden  Ueberfluthung  der  mesopotamischen 
Niederung  verbunden. 


92  Schlass. 

2.  Die  wesentlichste  Veranlassung  war  ein  beträchtliches  Erd- 
beben im  Gebiete  des  persischen  Meerbusens  oder  südlich  davon, 
welchem  mehrere  geringere  Erschütterungen  vorangegangen  sind. 

3.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  während  der  Periode  der 
heftigsten  Stösse  aus  dem  persischen  Golf  eine  Cyklone  von  Süden 
her  eintrat. 

4.  Die  Traditionen  anderer  Völker  berechtigen  in  keiner  Weise 
zu  der  Behauptung,  dass  die  Fluth  über  den  Unterlauf  des  Euphrat 
und  Tigris  hinaus  oder  gar  über  die  ganze  Erde  gereicht  habe. 

Dieser  Vorfall  ist  es  nun,  welcher  unter  ganz  verschiedenen 
Voraussetzungen,  durch  eine  sonderbare  Verkettung  der  Umstände 
und  nachdem  er  durch  Jahrtausende  der  Erinnerung  der  Völker 
eingeprägt  geblieben  war,  aus  den  heiligen  Büchern  des  Alter- 
thumes  in  die  geologische  Wissenschaft  Ausdrücke  wie :  , Diluvium*, 
,Diluvial-Formation*  und  , diluviale  Ablagerungen*  herübertreten 
Hess.  Er  ist  heftig  und  zerstörend  gewesen,  aber  es  fehlt  der 
Beweis  für  seine  weite  Ausbreitung.  In  schlichten  Worten  stellen 
sich  dem  Geologen  seine  Hauptzüge  etwa  folgendermassen  dar: 

In  einer  andauernden  seismischen  Phase  mag  durch  Erdstösse 
zu  wiederholten  Malen  das  Wasser  des  persischen  Meerbusens 
in  das  Niederland  an  den  Mündungen  des  Euphrat  geworfen  wor- 
den sein.  Durch  diese  Fluthen  gewarnt,  baut  ein  vorsichtiger 
Mann,  Hasis-Adra,  d.  i.  der  gottesfürchtige  Weise  genannt,  ein 
Schiff  zur  Rettung  der  Seinigen  und  kalfatert  es  mit  Erdpech,  wie 
man  heute  noch  am  Euphrat  zu  thun  pflegt.  Die  Bewegungen  der 
Erde  nehmen  zu;  er  flüchtet  mit  den  Seinigen  in  das  Schiff;  das 
Grundwasser  tritt  aus  dem  geborstenen  Flachlande  hervor;  eine 
grosse  Depression  des  Luftdruckes,  bezeichnet  durch  furchtbaren 
Sturm  und  Regen,  wahrscheinlich  eine  wahre  Cyklone,  vom  per- 
sischen Meerbusen  hereintretend,  begleitet  die  höchsten  Aeusse- 
rungcn  der  seismischen  Gewalt;  das  Meer  fegt  verheerend  über 
die  Ebene,  erhebt  das  rettende  Fahrzeug,  spült  es  weit  landein- 
wärts und  lässt  es  an  jenen  miocänen  Vorhügeln  stranden,  welche 
unterhalb  der  Mündung  des  kleinen  Zab  die  Niederung  des  Tigris 
gegen  Nord  und  Nordost  umgrenzen. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  I:  Die  Sintflutli. 


1  Bache,  Americ.  Journ.  Sc.  Arts,  1856,  2^  ser.,  XXI,  p.  37  —  43.  Hier  wurde  der 
erste  Versuch  gemacht,  aus  der  Fortpflanzung  der  Bewegung  die  Tiefe  des  Oceans  zu  be- 
stimmen. 

2  F.  V.  Hochstetter,  Ueber  das  Erdbeben  in  Peru  am  1 3.  August  1868  und  die 
dadurch  veranlassten  Fluthwellen  im  pacif.  Ocean;  Sitzungsber.  Akad.  Wiss.,  Wien,  1868, 
Bd.  58,  a,  S.  837,  u.  1869,  Bd.  59, b,  S.  109. 

3  Lettre  de  Mr.  Essarts,  Bull.  Soc.  g^ogr.,  1872,  6«  s6r.,  IV,  p.  3 16,  und  Comptes 
rend.,  t.  74,  p.  11 26. 

4  Eug.  Geinitz,  Das  Erdbeben  von  Iquiquc  am  9.  Mai  1877  und  die  durch  das- 
selbe verursachte  Erdbebenfluth  im  Grossen  Ocean;  Nova  Act.  Leop.  Car.,  1878,  XL, 
S.  385—444,  2  Taf. 

5  A  Truc  and  Particular  Relation  of  the  dreadful  Earthquake  which  happenM  at 
Lima  etc.  Published  at  Lima  by  Commaud  of  the  Vice  Roy  etc.,  8^,  2^  ed.,  London,  1748, 
p.   146—148. 

6  Ch.  Lyell,  Principles  of  Gcol.,  1  i'h  ed.,  II,  p.  154. 

7  F.  Lenormant,  Les  Origines  de  THistoirc  d'apr^s  la  Biblc  etc.,  I,  Paris,  1880, 
p.  487,  488. 

*  Die  Reste  des  Berosus,  welche  sich  auf  die  Sintfluth  beziehen,  finden  sich  bei 
Alex.  Polyhist.,  bei  ApoUodorus  und  Abydenus;  sie  sind  gesammelt  in  G.  Smith,  The 
Chaldaean  Account  of  the  Genesis,  8^,  London,  1876,  p.  37 — 47,  bei  Lenormant,  Orig.  I, 
p.  387 — 390  u.  a.  a.  O. 

9  G.  Smith  in  Transact.  Bibl.  Archaeol.  Soc,  1873,  II,  p.  2i3  u.  folg.  und  1874, 
III,  p.  534  u.  folg.;  ferner  Chald.  Genes,  p.  263  —  272. 

«o  Fox  Talbot,  Transact.  Bibl.  Archaeol.  Soc,   1875,  IV,  p.  49—83. 

"  Lenormant,  Orig.  I,  Append.  V,  p.  601  — 618,  und  IIa,  p.  9,  Note;  diese  Ueber- 
tragung  stützt  sich  auf  die  vorhergehenden  Arbeiten  Oppert's. 

»2  Paul  Haupt,  Der  keilinschriftliche  Sintfluthbericht,  eine  Episode  des  babylonischen 
Nimrod-Epos;  Habilit.-Vorl.  geh.  a.  d.  Univ.  Göttingen,  1880,  80,  Leipzig,  1881;  ferner 
desselben:  Excurs.  Der  keilinschriftliche  Sintfluthbericht,  in  Schradcr,  Keilinschrifteu  und 
altes  Testament,  2.  Aufl.,  Giessen,   i883. 

»3  H.  Rawlinson,  Notes  on  Capt.  Durand's  Report  upon  the  Islands  of  Bahrein; 
Journ.  Roy.  Asiat.  Soc,   1880.  XJI,  p.  205;  auch  Lenormant,  Orig.  I,  p.  393. 

M  Ch.  T.  Beke,  On  the  former  Extent  of  the  Pcrsian  Gulf  and  on  the  comparati- 
vely  recent  Union  of  the  Tigris  and  Euphrates;  Philos.  Magaz.,  i834,  ncw  ser.,  IV,  p.  107 
—  112;  Carter,  Remarks  etc.,  ebend.,  i834,  V,  p.  246—252;  Beke,  On  the  histor. 
Evidence  of  the  Advance  of  the  Land  upon  the  Sea  at  the  Head  of  the  Persian  Gulf;  cbend., 
1835,  VI,  p.  401—408. 


Ol  Anmcrkiuigeii  zu  Th.  L  Abccba.  L     Die  Siatfloth. 

'5  W.  K.  Loftus,  ijn  the  GeoL  of  Portioiis  of  thc  Tnrko-Peniaii  Frontier;  Quart. 
Joum.  Ge*-.!.  Soc,   '^55-  XL  p.  2$i. 

•^  AI.  Schlaf! i.  Zur  phy'>ikali>€hen  Geographie  von  Cntcr-Mesopocamien ;  Schweiz, 
rx-nk^hr^   18/^4,  S.  4. 

I-  F.  Delitzsch.  Wo  lag  da.*  Paraiie*.?  8»,  ii*i.  S.  173— 182.  Ebenso  Fr.  Hom- 
mel.  Die  vor^emiti^chcn  Cultoren.  8",  iW^i,  S.  196.  Sehr  an^führUch  hat  aoch  W.  Ains- 
worth  bereit«  vor  längerer  Zeit  diesen  Gegenstand  behandelt  und  dabei  gefunden,  dass 
vor  etwa  4 200  Jahren  die  Allavicn  beiläong  70  engL  Meilen  vom  heutigen  Stiande  entfernt 
•»ein  ni«>ohtcn:   vgl.  de<*.:   Researches  in  Assyria,  Babylonia  and  Chaldaea,  80,   l838.  p.  194. 

:"  G.Smith,  Early  history  of  Babylonia;  Tran*.  BibL  Arch.  Soc^  1872,  I,  p.  $$,  59,  62; 
F.  M  uralter,  Korigef.  Ge^rh.  Babylonien«  und  Assyriens,  1882,  S-  88. 

:>  W.  Ainsworth.  Researches  in  As53rria,  Babylonia  and  Chaldaea,  p.  89. 

20  Smith,  Chald.  Genes,  p.  266;  Lenormant,  Orig.  p.  606;  P.  Hanpt,  Keil- 
in>chriftL  Sintüuthbericht  S.  i3.  Dr.  Hanpt  i<t  in  seinem  Glossar  zum  Sintflnthberichtc 
(Schrader.  Keilinschr.  und  Alt.  Tc<  ,  S.  51Ö1  geneigt,  diese  Stelle  zn  übersetzen:  ,Drei 
Saren  Krdpcch  ver-^chmierte  ich  zum  Kalfatern,  drei  Saren  Blrdöl  [brachte  ich]  in  das 
Innere.*  Die  L'eberset/ung  des  Worto  q i  r u  . Au^senseite*  beraht  nur  auf  einer  Vermuthung, 
und  in  der  er>len  Zeile  mird  das  Wort  kuprn  1  Erdpech.  Asphalti,  in  der  zweiten  iddü 
^Krdr»!,  Xaphthai  %-erwendet :  letzterem  entspricht  im  Akkadischen  nach  Haupt  (ebendas. 
S.  510»  äsir  =  leuchtendes  Wasser  1  Petroleum«. 

*»  Die  biblischen  Texte  sind  nach  der  ed.  Tischendorf  citirt;  es  ist  meine  Ab- 
sicht nicht,  hier  auf  die  alte  Streitfrage  über  den  Ausdruck  ,de  lignis  laerigatis*  einzu- 
gchen; ich  verweise  hierüber  u.  AnJ.  auf  Beke  und  Carter.  Philos,  Magaz^  new  ser.  III, 
p.  io3:  IV,  p.  178,  280.  und  V.  p.  244. 

22  Smith,  Chald.  Genes.,  p.  2*^^rt:  Delitzsch.  Paradies.  S.  209;  Jos.  Halevy, 
Revue  crit.  1881,  p.  482  ;  Melange>  de  critique  etc..  Paris,   l883,  p.  162. 

23  Ingen.  Jos.  Cernik's  iechni>che  Studien-Expedition  durch  die  Gebiete  des  Euphrat 
und  Tigris,  bearb.  u.  herau'-g.  v.  Am.  Freih.  v.  Schweiger-Lerchenfeld;  Petermann's 
Gcogr.  Mittheil..  Erganzung<hefie  44    u.  45.   1875 — 76.  mit  7  Karten,  I,  S.  23. 

24  Herodotus,  Clio.    179. 

25  Smith,  Chald.  ff enes.,  p.  62.  <*8:  für  die  spätere  Entwicklung  der  Kunst,  solche 
Feuerge>cho->e  anzufertigen,  in^b.  R.  Maclagan.  On  early  Asiat.  Fire-weapons ;  Joum. 
Asiat.  Soc.  liengal,    1876.  XLV  a,  p.  3o— 71. 

2t^  Lane  Fox,  On  Early  Mo^ics  of  Navigation:  Jtmm.  AnthropoL  Inst.,  1875,  ^^'» 
p.  399—435. 

27  Haupt,  bei  Schrader  a.  a.  O.  S.  61   und  Gtltt.  Xachr.   l883,  S.  91. 

2-^  Schläfli,  CnL  Mcsop<H.,  S.  22,  23. 

29  Duthieul,  el>end.,  S.  23,  24. 

30  G.  Schueler,  Bericht  an  das  für^tl.  wallach.  h.  Ministerium  etc.  über  die  Erd- 
spaUungen  und  sonstigen  Wirkungen  des  Knibchens  v.  11.  23.  Jan.  l838,  foL,  Bukarest,  l838. 

3*  L.  Bringier,  Xotice  of  ihc  Gcol.  etc.  of  the  regions  around  the  Mississippi  and 
ils  conHuent  waters;  Sillini.  amer.  Joum.  1821,  III,  p.  20     22. 

32  Ch.  Lyell,  Principles  of  Geol.,   iiJ  ed.,  IT,  p.  109. 

3i  Die  au>führlichcn  Berichte  von  Lopatin,  Scmenof,  Phitingof  u.  A.  über  diese 
merkwürdigen  Erscheinungen  hat  Perrcy  gesammelt;  Note  sur  les  Tremblem,  de  Terre  en 
1862  p.  III   u.  folg.  und    i863  p.  67 — 92. 

34  H.  W.  Dove,  Ueber  das  Gesetz  der  Stürme;  Poggendorff's  Annal.  d.  Phys.  u. 
ehem.,  2.  Reihe.  XXII,   1841,  S.  40. 

35  Th.  Reye,  Die  Wirbelstürmc,  Tom.ido's  und  Wcltersaulen,  8®,   1872,  S.  115. 

3'i  Richar<l,  Hist.  natur.  de  FAir  et  des  Mcteorcs,    I2«>,   1771.  VHI,  p.  504. 

57  Dr.  Haupt  schreibt:  ,Was  das  hebrüischc  Xomen  proprium  der  Sintfhith  mabbül 
eigentlich  bedeutet,  ist   allerdings  nicht  recht  klar.      Die  gewöhnliche  Ableitung  von  jabal 


Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  I.  Die  Sintfluth.  Q  ^ 

„strömen**  hat  ihre  Bedenken.  —  Das  assyrische  abübu  übersetzte  Eb.  Schrader  in  der 
1.  Ausgabe  von;  Die  Keilschriften  und  das  Alte  Testament  (1872)  durch  „Aehrenhaufe", 
, Haufe",  unter  Vergleichung  des  hebr.  abib  „Aehren".  Vor  ihm  iibersetzten  Oppert  und 
Lenormant  das  Wort  durch  „Eclair",  fulmcn.  ■ —  Schrader  hatte  seine  Uebersetzung  aus 
Norris,  Assyr.  Diction.  I,  London,  1868.  —  Die  häufige  Phrase  kima  til  abübi  ashup 
„gleich  dem  Hügel  eines  abübu  warf  ich  nieder",  gab  Norris,  dem  Schrader  folgte,  durch 
„like  a  heap  of  corn  I  swept  away"  wieder.  —  Die  Uebersetzung  „Storm,  whirlwind" 
hat  zuerst  Smith  (Assurbanipal  56,  74)  angewandt.  —  Praetorius  adoptirte  dies  in  der 
Zeitschrift  der  Deutschen  morgenländ.  Gesellsch.  Bd.  28,  S.  89,  und  zog  das  arabische  habüb, 
„stark  blasend,  heftiger  Wind",  von  habba,  „heftig  wehen"  (woher  auch  habbäb,  „feiner 
Staub")  zur  Vergleichung  herbei.  Die  Redensart  kSma  til  abübi  fasste  er  als  „wie  ein 
Haufe,  eine  Ruine,  die  der  Sturm  zerstört  hat".  —  Pognon,  L'inscription  de  Bavian,  Paris, 
1879,  p.  93,  dagegen  sagt:  „Quant  ä  l'expression  til  abübi  que  Ton  rencontre  souvent 
dans  les  textes,  je  crois  qu*elle  d^signe  un  monticule  inhabitd  et  battu  par  le  vent";  so 
auch  im  Glossaire,  p.  178.  —  In  demselben  Jahre  übersetzte  dann  ich  in  meinen  Sumeri- 
schen Familiengesetzen  p.  19,  7  das  Wort  durch  »Sturfnfluth*.  —  Lotz,  Tiglathpilesar,  1880, 
p.  129,  schwankt  für  til  abübi  zwischen  ^Woge  der  Sturmfluth**  und  „Flugsandhügel".  — 
In  meinem  Sintfluth-Commentarc  in  Schrader's  Buche  wies  ich  dann  zuerst  darauf  hin,  dass 
abübu  wie  hebr.  mabbül  Nomen  proprium  der  Sintfluth  ist.  —  Es  ist  aus  Allem  ersicht- 
lich, dass  abübu  recht  wohl  mit  Lenormant  durch  Trombe  übersetzt  werden  kann.*  — 
Diese  Auffassung  entspricht  so  sehr  den  heutigen  Erfahrungen  an  den  Gangesmündungen, 
da-ss  ich,  Lenormant's  Anschauung  beitretend,  das  Wort  Wirbelsturm  angewendet  hätte, 
wenn  nicht  der  Einwurf  erhoben  werden  könnte,  dass  der  rotatorische  Charakter  der  grossen 
Stürme  zu  jener  Zeit  unbekannt  war. 

3^  Delitzsch,  Paradies,  S.  105;  Lenormant,  Orig.  IIa,  p.  6.  Es  scheint  mir  keine 
Veranlassung  vorhanden  zu  sein,  um  den  Pic  von  Rowandiz  oder  überhaupt  irgend  einen 
Hochgipfel  als  Stelle  der  Slrandung  anzusehen;  vgl.  Sayce,  Cuneiform.  Inscript.  of  Van; 
Journ.  Asiat.  Soc,  1882,  new  ser.  XIV,  p.  393.  lieber  den  Ausdruck  ,Berg*  spricht  auch 
Diestel,  Die  Sintfluth,  2.  Aufl.,  1876,  S.  i3  (Samml.  wiss.  Vortr.  v.  Virchow  und  Holtzen- 
dorff,  VI.  Sen,  137.) 

39  Cernik,  Studien  I,  S.  37—48,  und  II,  S.  I  —4. 

40  J.  D.  Michaelis,  Deutsche  Uebers.  des  Alten  Testamentes  mit  Anmerkungen 
für  Ungelehrte,  2.  Aufl.  II,  Göltingen,  1775,  S.  15,  16,  41,  43;  auch  desselben:  Orient,  und 
Exeget.  Biblioth.,  IX.  Bd.  Frankfurt  a.  M.,  1775,  S.  i83.  Es  fehlt  auch  nicht  an  Bemerkungen 
anderer  Autoren,  welche  auf  das  mögliche  Uebcrtrclcn  des  Meeres  hinweisen,  wie  z.  B. 
Delitzsch,  Paradies,  S.  212. 

4»  Aug.  K nobel.  Die  Genesis,  2.  Aufl.,  1860,  S.  88;  Aug.  Dillmann,  Die  Genesis, 
4.  Aufl.,   1882,  S.  i33. 

42  Ed.  Schrader,  Die  Keilschriften  und  das  Alte  Testament,  2.  Aufl.,  i883,  S.  50 
bis  52.  Zu  den  »grossen  Bogen  (?)  Anu's*  vergl.  übrigens  Haupt  bei  Schrader  a.  a.  O.  S.  517. 

43  Aug.  Dillmann,  Ueber  die  Herkunft  der  urgeschichtl.  Sagen  der  Hebräer; 
Sitzungsber.  der  k.  preuss.  Akad.  d.  Wi.ss.,  Berlin,  1882,  XXI,  S.  436 — 439. 

44  Bosanquet,  Synchron.  History  of  Assyria  and  Judaea;  Trans.  Bibl.  Arch.  Soc. 
III,  1874,  p.  19,  und  desselben:  Chronol.  Remarks  on  the  History  of  Esther  and  Ahasverus, 
ebend.  V,  1877,  p.  264.  Auf  wie  wenig  zuverlässigen  Voraus.setzungen  diese  Berechnungen 
beruhen,   ergibt  sich   z.  B.  aus   den  hier  folgenden  Angaben  über  die  Zeit  Sargon's  (S.  82). 

45  E.  W.  Tremenheere,  On  the  lower  Portion  of  the  River  Indus;  Journ.  geogr. 
Soc,  1867,  XXXVII,  p.  68—91. 

46  Cunningham,  The  ancient  Geography  of  India,  I:  The  Buddhist.  Period,  8^, 
1871,  p.  251,  280. 

47  Cunningham,  Anc.  Geogr.  I,  p.  299- 3oi;  nach  Vyse,  Geol.  Notes  on  the 
River  Indus,  Journ.  Roy.  Asiat.  Soc,  new  ser.  X,  1878,  p.  323,  wäre  der  Xarra  nicht  als 
ein  altes  Bett  des  Indus  anzusehen. 


q6  Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  I.  Die  Sintflath. 

4^  A.  F.  Bellasis,  An  Account  of  the  Ancient  and  Ruined  City  of  Brahminabad  in 
Sind;  Journ.  Bombay  Branch  of  the  Roy.  Asiat.  Soc,   1857,  V,  p.  4i3 — 425  und  467-477. 

49  A.  B.  Wynne,  Mem.  on  the  Geol.  of  Kutch;  Mem.  Geol.  Surv.  of  India,  1872, 
IX,  p.  15.  Es  ist  im  Folgenden  um  so  noth wendiger,  sich  auf  zuverlässige  neue  Pleobach- 
tungen  des  Thatbestandes  zu  stützen,  als  eine  oft  citirte  Autorität,  General  Ic  Grand-Jacob, 
in  Bezug  auf  wichtige  Punkte  die  Aussagen  der  Eingeborncn  für  unsicher  erklart;  Trans. 
Bombay  Geogr.  Soc,  1866,  XVI,  p.  65. 

50  Cunningham,  Anc.  Geogr.  I,  p.  3o4. 

5»  Bartle  Fröre,  Notes  on  the  Run  of  Cutch  and  neighbour.  Region;  Journ. 
geogr.  Soc,  1870,  XL,  p.  187. 

52  AL  Burncs,  A  Memoir  on  the  eastem  Branch  of  the  Indus,  and  the  Run  of 
Cutch,  containing  an  Account  of  the  Alterations  produced  on  them  by  an  Earthquake  in 
18 19,  also  a  Descript.  of  the  Run;  in:  Travels  into  Bokhara,  l834,  III,  p.  3iO;  vergl. 
auch  Baird  Smith,  Memoir  on  Indian  Earthquakes  II;  Journ.  Asiat  Soc.  Bengal,  1843, 
XII,  6,  p.  1027*  —  io33*;  B.  Smith  vcrmuthet  in  der  Nähe  einen  Vulcan,  dies  ist  ein 
Irrthum. 

53  Burnes,  Memoir,  p.  324,  auch  Bartle  Fröre,  Notes,  p.  192. 

54  Wynne,  Memoir,  p.  43,  auch  Blanford,  Mem.  geol.  Surv.  Ind.  VI,  p.  3l,  und 
Journ.  Asiat.  Soc  Bengal,  1876,  XLV,  pt.  II,  p.  95,  und  Medlicott  and  Blanford, 
A  Manual  of  the  Geol.  of  India,  8°,  1879,  I,  p.  421,  Note.  Es  hat  mir  nicht  ncithig  ge- 
schienen, hier  von  einer  angeblichen  neuerlichen  Senkung  im  Jahre  1845  ^^  sprechen,  da 
sie  von  dem  Berichterstatter  selbst  nicht  als  sichergestellt  angesehen  wird;  vergl.  Quart. 
Journ.  geol.  Soc,  1846,  II,  p.  lo3. 

55  Carless,  Memoir  to  accompany  the  Sur\ey  of  the  Delta  of  the  Indus,  in  i837; 
Journ.  geogr.  Soc,  i838,  VIII,  p.  328 — 366,  insb.  p.  364. 

56  Ch.  Lyell,  Princ  Geol.,   iith  ed.,  p.  98— 104. 

57  Entstehung  der  Alpen,  8°,   1875,  P*  ^5 2« 

58  J.  Fergusson,  On  Rccent  Changes  in  the  Delta  of  the  Ganges;  Quart.  Journ. 
geol.  Soc,  i863,  XIX,  p.  321—354. 

59  Medlicott  and  Blanford,  A  Manual  of  the  Geology  of  India,  insb.  vol.  I, 
p.  391  u.  folg. 

^  Ebcnd.  p.  409.  Allerdings  wird  daneben  von  den  Verfassern  die  Möglichkeit  einer 
leichten  Erhebung  nördlich  von  Dacca  nicht  ausgeschlossen. 

^»  H.  Bcveridge,  Were  the  Sumlarbans  inhabited  in  ancient  times?  Journ.  Roy. 
Asiat.  Soc.  Bengal,  1876,  XLVa,  p.  71—76. 

<^2  J.  Fergusson,  On  Hiouen-Thsang*s  Journey  from  Palna  to  Batlabhi;  Journ. 
Roy.  Asiat.  Soc,  new  scr.  VI,  1873,  p.  256;  für  den  heutigen  Zustand  von  Sundrgdon 
vergl.  J.  Wise,  Notes  on  Sundrgaon,  Journ.  Roy.  Asiat.  Soc.  Bengal,  1874,  la,  p.  82 — 96 
und  Karte. 

63  AI.  Mack.  Cameron,  The  Idenlity  of  Ophir  and  Taprobane,  and  their  Site 
indicated;  Trans.  Soc.  Bibl.  Arch.,  1873,  II,  p.  267 — 288. 

64  An  Account  of  an  Earthquake  at  Chaltigoan,  transl.  from  the  Persian  by  M.  Edw. 
Gulston  etc.  und  mehrere  weitere  Berichte  in  Philosoph.  Transact.  for  1763,  vol.  LIII, 
p.  251  -269. 

65  Godwin  Austen,  Notes  from  Assaloo,  N.  Cachar,  on  the  Great  Earthquake 
of  Jan.  loth  1869;  Proc.  Roy.  Asiat.  Soc.  Bengal,  1869,  p.  91  — io3;  Oldham,  Note,  ebend. 
p.  II 3  — 115,  und  desselben:  Notice  of  some  of  the  secondary  effects  of  the  Earthquake 
of  loth  Jan.  1869  in  Cachar;  with  remarks  by  Rob.  Mallet,  Quart.  Journ.  geol.  Soc, 
1872,  XXVIII,  p.  255 — 270,  und  insb.  Oldham,  The  Cachar  Earthquake  etc.,  Mem.  geol. 
Surv.  India,  1882,  XIX,  p.  1—98  mit  Karte  und  Taf. 

^6  Col.  Keatinge,  Record  of  the  Occurrcnce  of  Earthquakes  in  Assam;  Journ. 
Roy.  Asiat.  Soc.  Bengal,  1877— 188 1  a.  mehr.  Ort. 


AnmerkuDgcn  zu  Th.  I,  Abschn.  I.     Die   Sintfluth.  Q*^ 

67  R.  Baird  Smith,  Mem.  on  Ind.  Earthquakes  II;  Journ.  Roy.  Asiat.  Soc.  Bengal, 
XII,   1843,  p.  1040*. 

^  H.  F.  Blanford,  Catal.  of  Cycloncs  in  the  Bay  of  Bengal;  Journ.  Roy.  Asiat. 
Soc.  Bengal,   1877,  XLVIb,  p.  328—338. 

^  H.  Piddington,  Eighth  Memoir  on  the  Law  of  Storms  in  India;  Journ.  Roy. 
Asiat.  Soc.  Bengal,   1843,  XII  a,  p.  339 — ^99;  zwei  Karten. 

70  H.  Piddington  ,  ebend.,  p.  379. 

71  J.  EUiott,  Report  of  the  Vizagapatam  and  Backergunge  Cycloues  of  October 
1876,  4",  Calcutta,  1877;  vergl.  auch  Hann,  Oestcrr.  Zeitschr.  für  Meteorol.,  XII,  1877, 
S.  81—87. 

7*  Jul.  Schmidt,  Studien  über  Erdbeben,  2.  Ausg.,   1879,  S.  23 — 34. 

73  M.  St.  de  Rossi,  Meteorologia  Endogena,  8°,  1882,  II,  p.  383  —  393;  auch 
Grablowitz,  SuUe  Relaz.  fra  le  Altezze  barom.  ed  i  moti  microsism;  Boll.  Vulc.  ital. 
VTII,   1881,  p.  33;  Fagioli  und   Rossi  ebendas.  p.  105,  106. 

74  G.  H.  Darwin,  On  the  Mechan.  Effects  of  Barometr.  Pressure  on  the  Earth's 
Surface;  Philos.  Magaz.,   1882,  5^  ser.,  XIV,  p.  409— 416. 

75  P.  Lehmann,  in  Eb.  Schrader,  Keilinschriflen  und  Geschichtsforschung,  8", 
1878,  S.  338  u.  folg.;  Oppolzer,  Monatsber.  k.  Akad.  Wiss.  Berlin,   1880,  S.  184. 

7<J  Eb.  Schrader,  Keil  Inschriften  und  Altes  Testament,  2.  Aufl.,  S.  485.  Hier  mag 
auch  erinnert  werden  an  Justin.  XVIII,  3:  Tyriorum  gens  condita  a  Phoenicibus  fuit,  qut\ 
terrae  motu  vexati,  rclicto  patriae  solo,  Assyriiim  stagnum  primum^  mox  mari  proximinn 
littts  incolueruntj  condita  ibi  urbe,  quam  a  piscium  ubertate  Sidona  appeilaverunt. 

77  Bosanquet,  On  the  date  of  the  fall  of  Niniveh;  Trans.  Bibl.  Arch.  Soc,  1873, 
II,  p.  155.  Während  des  Druckes  erfahre  ich  durch  Dr.  Haupt,  dass  das  Wort  slhu  nach 
den  neuesten  Untersuchungen  nur  politischen  Aufstand,  nicht  Erdbeben  bedeutet;  hienach 
ändert  sich  die  Angabe  Bosanquet's. 

78  J.  Schmidt,  Studien  über  Erdbeben,  2.  Aufl.,  8°,   1879,  S.  144  u.  folg. 

79  H.  Ab  ich.  Geologische  Forschungen  in  den  kaukas.  Ländern,  II,  1882,  S.  390 
bis  449. 

80  As-Soyüti*s  Work  on  Earthquakes,  Transl.  from  the  Arabic  by  A.  Sprenger; 
Journ.  Asiat.  Soc.  Bengal,   1843,  Xllb,  p.  746—747. 

81  V.  Hoff,  Geschichte  natürlicher  Veränderungen,  IV,   1840,  S.  217. 

82  Der  Koran  führt  strafweise  Verheerung  durch  Sturmwind  an,  z.  B.  LXIX,  6,  7: 
,.  .  .  und  jene  von  Ad  kamen  um  durch  den  heftigen  kalten  Windsturm,  welchen  Er 
gegen  sie  lenkte  durch  sieben  Tage  und  acht  Nächte  ununterbrochen.  Du  mochtest  sehen 
das  Volk  niedergestür:{tf  als  wären  es  niedergeworfene  Palmstämme ,  und  kannst  Du  irgend 
Ueberlebende  schauen?'     Ebenso  LI,  41,  42;  LIV,   19,  20. 

.  83  Lenormant,  Orig.  I,  Append.  tab.  II. 

84  M.  V.  Port  man,  On  the  Andaman  Islands  and  the  Andamese;  Journ.  Roy. 
Asiat.  Soc,  new  ser.  XIII,  1881,  p.  475,  476. 

85  AI.  Perrey,  Notes  sur  les  tremblem.  de  terre  en   1862,  p.  156. 

86  Edm.  Naumann,  Ueber  Erdbeben  und  Vulcanausbrüche  in  Japan;  Mitthcil. 
der  deutsch.  Gesellsch.  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ost- Asiens,  15.  Heft;  4°,  Yokohama, 
1878,  S.  17. 

87  Philostratus.  Leben  des  Apollonius  v.  Tyana  IV,  34. 

* 

88  Es  ist  sonderbar,  dass  dieses  Moment,  welches  der  Bibel  und  allen  anderen  vor- 
christlichen Berichten  mit  Ausnahme  des  Izdubar-Epos  fremd  ist,  in  dem  sonst  so  unvoll- 
ständigen Berichte  des  Koran  wiederkehrt;  XI,  40,  41:  ,5o  machte  er  die  Arche,  und  so 
oft  die  Aeltesten  seines  Volkes  an  ihm  vorUberkamen ,  spotteten  sie  seiner.  Sprach  er: 
Wenn  ihr  unser  spottet,  wahrhaftig,  werden  wir  euer  spotten,  so  wie  ihr  jeti;t  spottet,  und 
ihr  sollet  es  sicherlich  wissen.' 

S  u  •  s  » ,  D.1»  Antlitz  drr  Erde,  7 


q3  Amnerkwigcii  zn  Th.  I«  Ab&chn.  L     Die  Siatflatk. 

^*  H.W.  Dore.  Ucbcr  das  Gesetz  der  Stönne;  Pc^igcndorCs  Asaal.  d.  Plir^  «»d 
Chrm..  2.  Reihe,  XXIL   I«4I.  S.  41. 

yi  De  Orbe  Novo  Petri  Martjris  ab  Angleria  MedioL  ProCo«.  Decades;  ConsfiL 
ap.  Mich.  d'Egnia,  anno  MDXXX,  Cap.  IX^  foL  XX« 

>i  Th.  Waitz.  Anthropologie  der  Xatnrrölker,  1862,  III,  S.  187.  Es  siad  mit  dem 
Aafvande  grr^ser  Bele^nheit  »ogar  Versnclie  «Bteraommea  vordem,  dem  URpnu^  aller 
Sintlhlth•i^agen  nach  Amerika  zn  Terlegen;  Noah  soDte  amf  Cmba  gefettet  seim  «.s.v.;  «o 
z.  B.  Paläorama,  an>  dem  Xachlasse  eines  amerikanischem  Xatmzibrsdiers,  8^,  Eriangem. 
186^,  S.  192  a.a.a.  O. 

>2  A.  Rcville,  Le*  Rä^5o«*   ies  Pemple^  mom-ciTilise&.  8«.  l883,  L  IL  a.  m.  O. 

-j  T.  G.  Pincke>.  S*>inie  nireat  Di«coTeries  etc.  Proc.  Soc  BibL  Arck.  7.  Not. 
1882,  p.  6— 12:  Frieir.  Dtirtrsch  in  Märdter.  Knrzgef.  Gesck_  S.  273  «.folg.;  TcrgL 
u-  And.  anch   TaTlcr  im  J.  Oppert.  fciped.  scientiL  Mesopot.  I,  p.  27!- 

A  Die*  ?ü^  >ekr  g«l  Lenormant.  Orig.  l,  2.  Aufl.,  p.  408. 

9«  Die  ec-  Tischendorf  gibt  folgende  Anmerkung  zn  VIII,  21 :  et  aü  ad  eiini  ^Xtimm 
<i  hie  tjjHsJm^is^^  Hkr.  roces  Hcbraicas  el-libbo,  q.  e.  ad  cor  suuim,  im  ammH>  smo;  Sq^t. 
otzw.^ö;.  Qmj^  rrt  :mr:tis  Codd.  Lathiis  Sixtini  expunxerttnt  hos  wocmlai^  mmUo  sententiat 
dt'trimi'nt^K  [k\iJ^-m:mMS  carum  h»a>  malebat :  ad  S€  —  animam  viventemt,  ammumtem.  Dill- 
mann. Genes.  S.  141,  meint,  der  Schriftsteller  wolle  die  Gedanken  Gottes  dolmetschen. 

«^  Ed.  Naville,  La  Destmction  des  Hommes  par  les  Dieox;  d*apres  ome  Inscript. 
Mylholog.  du  Tombcau  de  Seti  I  a  Ilielxrs;  Trans.  Bibl.  Arch.  Soc,  1876,  IV,  p.  I  — 19, 
und  insbesondere  H.  Brugsch,  Die  neue  Weltordnung  nach  Vernichtung  des  sündigen 
Men>chengeschlechtes,  8*»,  Berlin,    1881,  41    Sl  und  Taf. 

*>;   Vigouroux,  vgl.  Lenormant,   Orig.  I,  p.  454. 

9"*  Herodotus,  Urania,   129. 

90  Jul.  Schmidt,  Studien  über  Erdbeben,  2.  Aufl.,    1879,  S.  l38— 165. 

»oo  A.  Mommsen,  Heortologic;  Antiquarische  Untersuchungen  über  die  städtischen 
Feste  der  Athener,  S'^,    1864,  S.  365. 

IUI  Ich  gebe  die  Uel>ersctzung  von  Theod.  Fischer;  Lucian*s  Werke,  80,  1867, 
III,  S.  229,  23o. 

102  Ueber  den  Namen  Sisythes,  A£jzaXio>va  rov  SiovOsa,  nicht  Ix-jdsa,  Buttmann, 
Mythologus,  80,   1828,  S.  192. 

»oj  0£u-xaX(tuv  Lenormant,  Orig.  II,   157,  Note. 

i"4  E.  G.  Rcy,  Rapp.  sur  unc  Mission  scientif.  dans  Ic  Nonl  de  la  Syrie;  Arch. 
d.  Miss,  scientif.,   2«  ser.,  III,    1867,  p.  351,  pl.  X. 

105  James  Legge,  The  Chinese  Classics,  vol.  III,  pt-  I,  80,  Hongkong,  1865, 
und   in  Max  Müller,  The  Sacred  Books  of  the  East,  vol.  III,  80,  Oxford,   1879. 

106  Legge,  Sacr.  Books,  III,  p.  34;  nach  Chin.  Class.,  vol.  III,  pt.  I,  p.  25,  Note,  liest 
der  (Tommentator  Wu  Ching  anstatt  ^das  niedere  Volk",  —  „das  Volk,  welches  in  den 
Niederungen  wohnt",  doch  tritt  Legge  dieser  Meinung  nicht  bei. 

'07   F.  V.  Richthofen,  China  I,   1877,  '*^-  277—364;   Taf.  IV,  V;  insb.  S.  33$,  Anm. 

108  Legge,  Sacr.  Books  III,  p.  18. 

109  Die  Darstellung  des  Zustandes  der  Dinge  bei  Mencius  III,  I,  IV,  7  (Legge, 
Chin.  Class.  II,  p.  126,  127)  sagt  allerdings:  In  der  Zeit  des  Yäo,  als  die  Welt  noch 
nicht  ganz  geordnet  war,  verursachten  die  Flüsse,  aus  ihren  Betten  fliessend,  eine 
allgemeine  Ueberschwemmung  u.  s.  w.  Dies  scheint  mir  aber  nicht  ganz  mit  den  weit 
zuverlässigeren  Angaben  des  Yü-kung  übereinzustimmen. 


ZWEITER  ABSCHNITT. 


Einzelne  Schüttergebiete. 


Verschiedene  Richtungen  der  Untersuchung.  —  Die  nordöstlichen  Alpen.  —  Das  süd- 
liche Italien.  —  Das  Festland  von  Central- Amerika.  —  Vermeintliche  rhapsodische  Er- 
hebungen von  Chile.  —  Aufprellen  von  Gegenständen.  —  Bewegung  von  submarinem 
Sediment.    —    Valparaiso,    1822.    —   Concepcion,    1835.    —  Valdivia,   1835.    —   Hebung  des 

Landes  nicht  erwiesen. 


CfS  gibt  wohl  nur  wenig  Naturerscheinungen,  über  welche 
eine  so  grosse  Anzahl  von  verschiedenartigen  Ueberlieferungen 
und  von  Druckschriften  bestehen  würde,  als  über  die  Erdbeben. 
Die  Berichte  reichen,  wie  der  vorhergehende  Abschnitt  zeigt,  bis 
in  die  älteste  Zeit  zurück,  und  auch  jetzt  liefert  jedes  Jahr  Berei- 
cherungen. Leider  gehen  aber  diese  oft  sehr  verdienstlichen  Ar- 
beiten nach  den  verschiedensten  Richtungen  auseinander. 

Die  grösste  Zahl,  namentlich  der  älteren  Schriften,  malt  die 
Vorahnungen  der  Thiere  und  den  Schrecken  der  Menschen,  zählt 
den  Verlust  an  Leben  und  Geldwerth  auf  und  bietet  grelle  Farben, 
aber  wenig  deutliche  Umrisse. 

Andere  Arbeiten,  wahre  Muster  ausdauernden  Fleisses,  suchen 
nach  einer  Periodicität  der  Erscheinungen,  aber  zwei  Um.stände 
verurtheilen  jede  noch  so  ernst  gemeinte  Bemühung  dieser  Art, 
sobald  es  sich  um  die  Umfassung  langer  Zeiträume  und  zahlreicher 
Erschütterungen  handelt,  von  vorneherein  zur  Unfruchtbarkeit. 
Der  erste  liegt  in  der  alle  für  ähnliche  Arbeiten  zulässigen  Gren- 
zen weit  übersteigenden  Ungleichartigkeit  der  Ueberlieferung. 
Diese  befindet  sich  in  augenscheinlicher  Abhängigkeit  von  dem  je- 
weiligen Culturzustande  der  Menschheit  und  der  fortschreitenden 

7* 


I  OO  Methoden  der  Untersuchung. 

Erschliessung  entfernter  Landstriche.  Mallet  hat  im  Jahre  1858 
in  einer  kleinen  Tabelle  gezeigt,  in  wie  ausserordentlichem  Maasse 
die  Zahl  der  bekannt  gewordenen  Erdbeben  gegen  die  neuere 
Zeit  sich  vermehrt,  und  dies  mit  Recht  der  grösseren  Vollständig- 
keit der  Berichterstattung  zugeschrieben;  aus  demselben  Grunde 
fällt  für  Europa  das  Maximum  der  Zahl  der  Erschütterungen  in 
das  19.  Jahrhundert/  Erst  in  den  letzten  Jahren  ist  uns  durch 
Edm.  Naumann's'  und  J.  Milne's^  Arbeiten  Gelegenheit  geboten 
worden,  die  älteren  Aufzeichnungen  über  Erderschütterungen 
in  Japan  kennen  zu  lernen.  Die  zahlreichen  Angaben  aus  dem 
7.,  8.  und  insbesondere  aus  dem  9.  Jahrhunderte  unserer  Zeit- 
rechnung entsprechen  dem  hohen  Bildungsgrade,  welchen  Japan 
bereits  um  jene  Zeit  erreicht  hatte,  aber  auch  hier  schreibt  Nau- 
mann die  Spärlichkeit  der  Berichte  aus  dem  12.  und  16.  Jahrhun- 
derte den  politischen  Umwälzungen  und  den  kriegerischen  Unter- 
nehmungen der  damaligen  Zeitläufte  zu.  Und  für  wie  geringe 
Theile  der  Erdoberfläche  besitzen  wir  überhaupt  irgendwelche 
ältere  Berichte!  Indem  wir  in  tausenden  von  Daten  Spuren  einer 
Periodicität  suchen,  finden  wir  in  denselben  nur  die  Beweise  un- 
serer Unwissenheit. 

Der  zweite  Umstand  liegt  in  der  Unmöglichkeit  einer  festen 
Regel  für  die  Auswahl  der  zu  verzeichnenden  Einzelstösse  aus 
irgend  einer  längeren  seismischen  Phase.  Die  Fälle,  in  welchen  die 
seismische  Bewegung  sich  in  einem  einzigen  heftigen  Schlage  für 
lange  Zeit  erschöpft,  wie  dies  bei  dem  letzten  Erdbeben  von  Casa 
micciola  auf  Ischia  vorgekommen  ist,  gehören  zu  den  seltenen 
Ausnahmen.  Weit  häufiger  erscheint  eine  ganze  Reihe  von  Erd- 
erschütterungen, mit  oder  ohne  Begleitung  von  unterirdischem 
Getöse,  von  wechselnder  Intensität,  ja  öfters  sogar  auf  einer  be- 
stimmten Linie  das  Maximum  der  Intensität  von  Ort  zu  Ort  ver- 
schiebend, und  der  gewissenhafte  Beobachter  bleibt  im  Zweifel, 
welche  von  den  zahlreichen  stärkeren  oder  schwächeren  Bewe- 
gungen des  Bodens  er  in  seine  Tabelle  aufzunehmen  hat,  um  den 
etwaigen  Zusammenhang  der  irdischen  Erschütterungen  und  der 
jeweiligen  Stellung  des  Mondes  und  der  Sonne  zu  prüfen. 

Eine  weitere  Reihe  von  Bestrebungen  ist  dahin  gerichtet 
worden,   unter   Anwendung   geometrischer   Grundsätze  aus   der 


Gleichzeitige  Erschütterung.  lOI 

Zeitfolge  und  der  Richtung  der  Bewegungen  der  Erdoberfläche 
die  genaue  Tiefe  und  Lage  des  Ausgangspunktes  derselben  zu 
ermitteln.  Abgesehen  jedoch  von  dem  Gegensatze,  welcher  zwi- 
schen der  grossen  Schärfe  der  angewandten  Methode  und  der 
geringen  Schärfe  der  Beobachtungen  besteht,  auf  welche  in  den 
meisten  Fällen  die  Berechnung  gestützt  werden  muss,  ist  hier  die 
Voraussetzung  gemacht,  dass  dieser  Ausgangspunkt  ein  räumlich 
ziemlich  beschränkter  Ort  der  Tiefe  sei.  Diese  Voraussetzung  ist 
aber  nicht  erwiesen.  Es  ist  im  Gegentheile  viel  wahrscheinlicher, 
dass  in  der  Tiefe  Ablösungen  oder  plötzliche  Ortsveränderungen 
fast  gleichzeitig  auf  grösseren  Flächen  stattfinden.  Auch  mehren 
sich  thatsächlich  die  Angaben,  welche  auf  eine  ausgedehnte 
Gleichzeitigkeit  des  Stosses  hindeuten.  So  hält  es  Whitney  für  er- 
wiesen, dass  bei  dem  grossen  und  höchst  lehrreichen  Erdbeben 
von  Owen's  Valley  an  der  Ostseite  der  californischen  Sierra  Ne- 
vada am  26.  März  1872  der  Hauptschlag  in  der  Richtung  des 
Streichens  der  Sierra  gleichzeitig  auf  der  ganzen  Strecke  vom 
34.  bis  zum  38.  Breitegrade  eingetreten  ist,  während  die  seitlich 
abgehende  Undulation  die  Mitte  des  San  Joaquinthales  in  2 — 3  Mi- 
nuten, jene  des  Sacramentothales  in  3 — 4  Minuten  und  die  Küste 
zwischen  San  Francisco  und  Los  Angeles  in  4 — 5  Minuten  er- 
reichte.'* 

Auch  als  am  2.  März  1878  das  ganze  obere  Penjäb  sammt 
den  angrenzenden  Gebieten,  von  Banun,  Kohät,  Peshdwar  und 
Rawalpindi  bis  Lahore  und  Ferozpur,  und  bis  über  Simla  hinaus 
erschüttert  wurde,  vermochte  Wynne  wesentliche  Verschieden- 
heiten der  Zeit  des  Stosses  nicht  aufzufinden,  obwohl  die  äusser- 
sten  Beobachtungspunkte  in  der  Luftlinie  732  Kilom.  von  einander 
entfernt  sind  und  der  Bau  des  Untergrundes  auf  diesem  weiten 
Gebiete  ein  sehr  verschiedenartiger  ist.^ 

Ebenso  hat  Heim  für  mehrere  alpine  Beben  die  gleich- 
zeitige Aeusserung  des  Stosses  auf  grosse  Entfernung  hin  nach- 
gewiesen. 

Das  Erdbeben  vom  4.  Juli  1880  erstreckte  sich  von  der  Po- 
Ebene  quer  durch  die  Alpen  bis  in  den  Schwarzwald.  Die  grösste 
Erstreckung  war  beiläufig  305  Km.  von  Süd  gegen  Nord,  näm- 
lich von  Vercelli  bis  Lenzkirch;  quer  darauf,  von  Genf-Annecy 


I02 


Grosse  Häufigkeit  der  Beben. 


bis  Poschiavo-Chur,  betrug  die  Ausbreitung  etwa  280  Km.  Hiebei 
werden  folgende  Zeiten  angeführt: 


g^  19 


Zürich 9*"  20 

Wattwyl  (Topgenburg) 

Kinsiedcln 9*^  20 

Andermatt 9**  20 

Airolo 9**  21 

Faido  (Tessin) 9 


20 


40 
3o' 

47' 
3' 

3' 


St.  Bernhardin        .      .     .      .  9**  19'  3o' 

Brieg  (Wallis) 9°  19  40 

St.     I^onhard      bei     Sitten 

(Wallis) 9^  20'  35 

Genf 9**  20'    4 

Lugano 9**  19'  — 


ff 


>  f 


Heim  schliesst  hieraus,  dass  die  Ursache  des  Erdbebens  vom 
4.  Juli  1880  nur  in  der  gleichzeitigen  und  gleichartigen  ruckweisen 
Bewegung  eines  sehr  ausgedehnten  Stückes  der  Erdrinde,  nicht 
aber  in  einem  localen,  heftigen  Anstosse  liegen  könne.^ 

Es  sind  also  drei  Beobachter  in  verschiedenen  Welttheilen 
selbständig  von  einander  zu  demselben  Resultate  gelangt.  — 

Seitdem  man  nun  begonnen  hat,  diesen  Erscheinungen  er- 
höhte Aufmerksamkeit  zuzuwenden,  und  seitdem  die  Verbreitung 
der  Volksbildung  und  die  Mittheilungen  der  Presse  eine  extensive 
Beobachtung  möglich  gemacht  haben,  zeigt  es  sich,  dass  in  Mittel- 
Europa  die  seismischen  Bewegungen  der  Erde  ausserordentlich 
viel  zahlreicher  sind,  als  je  zuvor  vermuthet  wurde.  So  hat  Heim 
seit  Organisation  der  Beobachtungen  in  der  Schweiz  vom  No- 
vember 1879  bis  Ende  1880,  das  ist  durch  14  Monate,  69  Er- 
schütterungen der  Schweizer  Alpen  nachgewiesen.  Noch  weit 
zahlreicher  sind  die  Erdbeben  in  anderen  Theilen  der  Erde,  wie 
namentlich  in  Japan,  wo  Milne  vom  19.  October  bis  31.  December 
1881,  das  ist  in  73  Tagen  in  dem  Landstriche  zwischen  Tokio  und 
Kamaishi  36  verschiedene  Erdbeben  zählte.^  Aehnlich  verhält  es 
sich  gewiss  auch  in  anderen  vulcanischen  Regionen,  und  dabei  sind 
nicht  etwa  vorübergehende  Phasen  erhöhter  seismischer  Thätig- 
keit  ins  Auge  gefasst,  sondern,  soweit  wir  die  Sachlage  zu  beur- 
theilen  im  Stande  sind,  ein  ziemlich  normaler  Zustand  der  Dinge. 
Auch  handelt  es  sich  hiebei  nur  um  solche  Erschütterungen, 
welche  ohne  besondere  Instrumente  wahrzunehmen  sind.  Ist  es  ja 
doch  schon  so  weit  gekommen,  dass  einzelne  Beobachter  meinen, 
die  scheinbare  Ruhe  der  Erdrinde  sei  für  manche  Landstriche  nur 
ein  durch  die  mangelhafte  Beobachtung  hervorgebrachter  Ein- 
druck;   der  Besitz    hinreichend   empfindlicher  Instrumente   aber 


Auswahl  von  Beispielen.  IO3 

erweise  für  diese  Landestheile  einen  Zustand  andauernder  Be- 
wegung,^ und  dass  Andere  gar  vermeinten,  durch  die  ganze  Masse 
des  Planeten  hindurch  die  südamerikanischen  Erdstösse  in  den 
Schwankungen  der  Instrumente  auf  der  Sternwarte  zu  Pulkowa 
wiederzuerkennen.  ^ 

Auf  diesem  Gebiete  kann,  wie  auf  anderen,  nur  aus  einer 
thunlichst  genauen  Beobachtung  der  Erscheinung  selbst  die  För- 
derung der  Erkenntniss  erwartet  werden.  Beben  von  mittlerer 
Starke,  bei  welchen  der  Schrecken  und  die  Verheerung  nur  massig 
oder  nur  örtlich  beschränkt  sind,  mögen  ebenso  werthvoUe  Er- 
gebnisse liefern,  als  die  schrecklichsten  Katastrophen.  Es  muss 
eine  hinreichende  Anzahl  verständiger  Beobachter  über  das  Land 
vertheilt  und  die  Structur  desselben  muss  in  ihren  Grundzügen 
bekannt  sein.  Da  ferner  die  Verschiedenartigkeit  der  Bewegungen 
keine  geringe  und  die  Zahl  der  Fehlerquellen  gross  ist,  wird  es 
nöthig,  eine  möglichst  grosse  Anzahl  von  Beben  auf  einem  um- 
grenzten Gebiete  zu  vergleichen.  Es  handelt  sich  also  um  vorbe- 
dachte und  gegliederte  Arbeit. 

Zum  Glücke  ist  solche  Arbeit  seit  einigen  Jahren  da  und  dort 
in  Angriff  genommen  worden.  Die  Schweizer  Erdbeben-Commis- 
sion  verspricht  nach  den  bisher  veröffentlichten  Heften  einen 
wesentlichen  Beitrag  zu  liefern.  In  den  östlichen  Alpen,  in  Italien 
und  in  Japan  ist  reger  Antheil  an  solchen  Untersuchungen  erwacht, 
und  es  ist  mit  Bestimmtheit  zu  erwarten,  dass  binnen  wenigen 
Jahren  mit  weit  grösserer  Sicherheit  jene  Fragen  über  den  Zu- 
sammenhang des  Baues  der  Erdrinde  und  ihrer  Bewegungen 
werden  besprochen  werden,  als  ich  es  in  den  folgenden  Abschnitten 
zu  thun  versuchen  mag. 

Schon  aber  stellen  sich  einzelne  Erfahrungen  deutlich  genug 
heraus.  Es  sind  vier  Beispiele  von  Schüttergebieten  gewählt,  deren 
Natur  eine  verschiedene  ivSt. 

Das  erste  Beispiel  sind  die  nordöstlichen  Alpen;  kein 
Vulcan  ist  vorhanden;  nur  die  eigenthümliche  Uebereinstimmung 
der  Beobachtungen  gestattet,  hier  nach  wenigen  Jahren  der  Ar- 
beit schon  eine  Meinung  auszusprechen. 

Das  zweite  Beispiel  ist  das  südliche  Italien.  Vulcane  sind 
vorhanden,   doch   auf  diesem   engeren  Gebiete  nicht  zu  Linien 


I04  ^^^  nordöstlichen  Alpen. 

vereinigt;  ihr  Zusammenhang  mit  den  Erschütterungen  lässt  sich 
jedoch  erkennen. 

Das  dritte  Beispiel  ist  das  Festland  von  Central-Ame- 
rika.  Erdbeben  sind  häufig,  doch  wenig  gekannt.  Die  eigenthüm- 
liche  Anordnung  der  Vulcane  zeigt  aber  schon  ohne  Kenntniss 
von  den  Bewegungen  die  Lage  der  grossen  Störungslinien  an. 

Das  vierte  Beispiel  betrifft  gewisse  Vorkommnisse  an  der 
südamerikanischen  Westküste.  In  diesem  Falle  soll  eine  be- 
sondere Frage,  nämlich  die  von  hervorragenden  Autoritäten  be- 
hauptete rhapsodische  Erhebung  des  Landes  bei  Erdbeben,  ge- 
prüft werden. 

A.    Die  nordöstlichen  Alpen. 

Ein  fast  ununterbrochener  steiler  Abfall  läuft,  den  Westrand 
des  bayrischen  Waldes  bildend,  gegen  Passau  herab,  übersetzt 
dort  die  Donau  gegen  Süd,  tritt  unter  Linz  wieder  auf  die  Nordseite 
zurück,  greift  zwischen  Grein  und  Krems  wieder,  und  zwar  fast  bis 
St.  Polten  herüber  und  verläuft  dann  in  nordöstlicher  Richtung 
über  Maissau  und  Znaim  gegen  Brunn.  Dies  ist  der  scharf  ge- 
zeichnete Rand  der  böhmischen  Masse.  Oberhalb  desselben  liegen 
die  waldigen  und  feuchten  Hochflächen  des  nördlichen  Theiles  von 
Oberösterreich  und  des  niederösterreichischen  Waldviertels,  der 
Manhart  und  das  nordwestliche  Mähren;  sie  bilden  den  äusseren 
Theil  des  Plateau's,  welches  sich  weit  durch  das  südliche  Böhmen 
fortsetzt.  Granit,  Gneiss  und  alte  Schiefer  bilden  fast  ausnahmslos 
diese  hochliegenden  Gebiete. 

Unterhalb  des  Randes  liegt  die  Ebene,  welche  die  böhmische 
Masse  von  den  Alpen  scheidet;  die  Donau  gehört  fhr  an,  so  weit 
der  Strom  es  nicht  vorgezogen  hat,  streckenweise  sein  Thal  in  die 
südlich  vorspringenden  Felsmassen  des  alten  Plateau's  einzu- 
graben. Diese  Ebene  ist  in  Bayern  breit,  verengt  zwischen  Ybbs 
und  St.  Polten,  dann  abermals  erweitert  bis  weit  gegen  Nordost. 

Nördlich  von  Brunn  treten  devonische  Gesteine  von  den  Su- 
deten her  an  den  Aussenrand;  zwischen  Leipnik  und  Weisskirchen 
berühren  sich  die  äusseren  Zonen  der  Karpathen  und  die  devoni- 
schen Gesteine  der  Sudeten. 


Alpen. 


105 


Der  äussere  Saum  der  Alpen  und  der  Karpathen  bildet,  ab- 
gesehen von  der  Unterbrechung  bei  Salzburg  und  einer  langen 
Unterbrechung  zwischen  dem  Bisamberge  bei  Wien  und  dem  Mars- 
gebirge in  Mähren,  auf  welcher  Strecke  nur  da  und  dort  ein  Rest 
der  Aussenzone  sichtbar  wird,  —  eine  sehr  stetige  Curve.  Diese 
verläuft  von  Laufen  über  Steyer,  kreuzt  die  Donau  westlich  von 
Klosterneuburg  und  setzt  sich  östlich  von  Nikolsburg  gegen  Krem- 
sier  fort  bis  zu  dem  erwähnten  Berührungspunkte  mit  dem  Devon 


bei  Leipnik  und  Weisskirchen.  Dann  weicht  der  Bogen  über  Neu- 
titschein  und  Kenty  bis  gegen  Wieliczka  zurück.  Dort  stehen  ihm 
die  Höhen  von  Krakau  gegenüber. 

Wo  dieser  Saum  nicht  durch  spätere  Einsenkung  imterbrochen 
ist,  bildet  er  in  der  Landschaft  einen  ebenso  hervorragenden  Zug 
wie  der  Rand  des  Plateau's.  Der  Abfall  ist  nicht  so  steil  wie  jener 
des  alten  Gebirges,  auch  häufiger  von  Querthälern  durchschnitten; 
er  ist  noch  dichter  bewaldet,  und  innerhalb  desselben  erhebt  sich 


I06  Sillein  und  Neulengbach. 

in  stufenweise  erhöhten  Zügen  das  Gebirge  zu  weit  bedeutenderen 
Höhen  und  in  unvergleichlich  viel  mannigfaltigeren  Umrissen,  als 
sie  das  geschlossene  böhmische  Plateau  bietet. 

Der  Gegensatz  in  dem  Baue  und  der  Gesteinsfolge  in  diesen 
beiden  Gebirgssystemen  ist  ein  ausserordentlich  scharfer,  und  die 
schmale  Ebene,  welche  die  beiden  Ränder  trennt,  verhüllt  uns 
ohne  Zweifel  eines  der  merkwürdigsten  Störungsgebiete  unseres 
Welttheils. 

Die  grösseren  Erdbeben  des  äusseren  Saumes  der  Alpen 
haben  nun,  soweit  sie  in  neuerer  Zeit  bekannt  geworden  sind,  ein 
eigenthümliches  Streben  gezeigt,  sich  quer  über  diese  trennende 
Zone  in  das  jenseits  liegende  Plateau  fortzupflanzen. 

Das  Erdbeben  von  Sillein  am  15.  Januar  1858  hatte  sein 
Maximum  im  oberen  Waagthale  in  einem  unregelmässig  ellipti- 
schen, etwa  von  Nord  gegen  Süd  gestreckten  Räume,  in  welchen 
die  Granitmasse  des  Mincowberges  hineinragt.  Der  Schütterkreis 
dieses  Bebens  reichte,  allmälig  verengt,  südwärts  bis  Gran  an  der 
Donau.  Er  verbreitete  sich  östlich  bis  Tarnow  und  westlich  bis 
Brunn,  erstreckte  sich  in  unregelmässiger  Weise  durch  einige 
Theile  des  Riesengebirges  und  einen  grossen  Theil  der  Sudeten 
und  reichte  gegen  Nord  bis  Trebnitz  nördlich  von  Breslau.'*" 

Obwohl  dieser  Stoss  aus  dem  Innern  der  Karpathen  hervor- 
ging, hat  sich  die  Erschütterung  nicht  nur  quer  durch  die  vorlie- 
genden Ketten,  über  die  Ebene  und  bis  in  das  jenseitige  Gebirge, 
nämlich  das  Riesengebirge  und  die  Sudeten  fortgesetzt,  sondern 
es  liegt  sogar  ein  sehr  beträchtlicher  Theil  des  Schüttergebietes 
ausserhalb  der  Karpathen.  Die  grössere  Axe  desselben  steht  quer 
auf  das  Streichen  des  Gebirges. 

Das  Erdbeben  von  Neulengbach  in  Niederösterreich  am 
3.  Januar  1873  äusserte  sich  am  heftigsten  in  der  Nähe  des  Aussen- 
randes  der  Alpen.  Das  Maximum  befand  sich  in  der  Nähe  des 
Hummelhofes  bei  Neulengbach,  ganz  knapp  an  dem  äusseren 
Rande  der  Flyschzone.  Die  Grenze  der  verticalen  Bewegungen 
und  der  ansehnlicheren  Erschütterung  umfasst  ein  Gebiet,  welches 
die  Gestalt  eines  Kreuzes  hat.  Die  beiden  kürzeren  Arme  liegen 
zwischen  Königstetten  und  Pyhra  in  der  Nähe  des  Randes  der 
Plyschzone;  senkrecht  darauf  reicht  ein  längerer  Ast  bis  Hornstein 


Ausbreitung  gegen  Nord.  IO7 

in  die  Alpen,  also  gegen  Südost,  während  ein  noch  viel  längerer 
Ast  gegen  Nordwest  sich  erstreckt,  bei  Preuwitz  über  die  Donau 
setzt  und  durch  das  Kampthal  aufwärts  im  Granitgebiete  bis 
Wildberg  bei  Messern  sich  erstreckt.  Die  Grenze  des  Schütter- 
gebietes überhaupt  reicht  gegen  die  Alpen  nicht  wesentlich  über 
Hornstein  hinaus,  während  er  gegen  Nordwest  viel  weiter,  bis 
Meseritsch  und  Trebitsch  in  Mähren  hinaus  sich  erstreckt. 

Auch  hier  liegt  die  Axe  des  Schüttergebietes  senkrecht  auf 
dem  Streichen  des  Gebirges,  aber  das  erschütterte  Gebiet  liegt 
zum  grösseren  Theile  ausserhalb  der  Alpen  und  erstreckt  sich  als 
lange  Zunge  in  das  Granitgebirge.  Es  ist  das  Bild  einer  Erschüt- 
terung, welche,  vom  Rande  der  Alpen  ausgehend,  in  die  entgegen- 
stehende böhmische  Masse  hinein  sich  fortpflanzt. 

Am  12.  Juni  1874  wiederholte  sich  die  Erscheinung  an  der- 
selben Stelle,  doch  mit  geringerer  Intensität;  diesmal  reichte  der 
Stoss  gegen  Nordwest  bis  Raabs  und  gegen  Südost  bis  Klausen- 
Leopoldsdorf,  drang  also  im  Granit  jenseits  der  Ebene  abermals 
viel  weiter  vor  als  in  die  Alpen  hinein,  in  welchen  er  nicht  einmal 
die  Flyschzone  überschritt. 

Es  zeigt  sich  aber,  dass  dieselbe  Stelle  und  dieselbe  Fort- 
pflanzungslinie auch  in  früherer  Zeit  zu  wiederholten  Malen  heftig 
erschüttert  worden  sind,  wobei  das  Maximum  des  Stosses  bald 
knapp  an  dem  Aussenrand  der  Alpen  bei  Lengbach,  bald  inner- 
halb der  Alpen,  bei  Brunn  unweit  von  Wr.-Neustadt,  an  der 
Kreuzungsstelle  dieser  Erdbebenlinie  und  jener  Thermenlinie  lag, 
welche  die  Senkung  der  Alpen  von  Neustadt  bis  in  die  Nähe  von 
Wien  begrenzt.  Ueber  dieses  Senkungsfeld,  welches  mit  Tertiär- 
bildungen und  flach  aus  den  Alpen  hervorgeschobenen  Schutt- 
kegeln bedeckt  ist,  gegen  Süd  hinaus  hat  man  diese  seismische 
Linie  jedoch  niemals  verfolgt.  Es  sind  vielmehr  die  auf  dieser  Linie 
eingetretenen  Erderschütterungen  stets  gegen  Nordwest  in  die 
böhmische  Masse  hinaus  in  Entfernungen  fortgepflanzt  worden, 
welche  bei  heftigen  Stössen  grösser,  bei  schwachen  geringer 
waren,  aber  öfters  über  Prag  hinausreichten,  während  in  die  Alpen 
hinein  die  Erstreckung  stets  eine  viel  geringere  war  und  häufig 
mitlocalen,  zuweilen  für  die  Ortschaften  verheerenden  Zerrüttungen 
der  jungen  Ausfüllung  des  Senkungsfeldes  bei  Neustadt  endeten. 


I  o8  MarzziiHrhlag.     Sch^ibf>s.. 

Das  ErdFieben  vom  29.  Juni  1590  auf  dieser  Linie  reichte  bis 
Iglau;  jenes  überaus  heftige  vom  15.  September  1590,  das  hef- 
tigste, welches  seit  dem  Bestehen  ähnlicher  Nachrichten  von  die- 
sem Theile  der  Alpen  ausgegangen  ist,  hatte  auch  sein  Maximum 
in  der  Nähe  von  Neulengbach,  reichte  über  Iglau  mit  grosser 
Stärke  bis  Prag  und  war  noch  in  Leitmeritz  sehr  bemerkbar.  Am 
27.  Februar  1768  erfolgte  der  Hauptstoss  bei  Brunn  an  der  Ther- 
menlinie und  wurde  Neustadt  beschädigt;  der  Stoss  lief  auf  der- 
selben Linie  gegen  Nordwest  und  reichte  über  Iglau  hinaus. 

Diese  Beispiele  mögen  genügen,  um  die  Wichtigkeit  und  die 
Beständigkeit  der  Linie  und  den  Grad  der  Beständigkeit  in  dem 
Wesen  der  Erschütterungen  zu  ermessen.  Diese  Linie  wurde  die 
Kamplinie  genannt." 

Als  ausserhalb  der  Kamplinie,  an  dem  Südrande  des  Senkungs- 
feldes von  Neustadt,  in  Mürzzuschlag  und  am  Semmering 
am  14.  März  1 837  ein  heftiger  Schlag  erfolgte,  blieb  der  Charakter 
des  Schüttergebietes  derselbe.  Man  konnte  die  Bewegung  süd- 
wärts nur  bis  Brück  a.  d.  Mur  verfolgen,  während  sie  nordwärts 
über  Prag  bis  Alt-Bunzlau  beobachtet  wurde." 

Weiter  im  Westen  trat  am  17.  Juli  1876  ein  ziemlich  heftiges 
Erdbeben  in  der  Umgebung  von  Scheibbs  in  Niederösterreich 
auf;  das  Maximum  lag  wie  in  Lengbach  knapp  an  dem  äusseren 
Rande  der  Alpen,  und  die  Erschütterung  war  sehr  heftig  auf  einem 
langen  und  schmalen  Gebiete,  welches  von  Scheibbs  gegen  Süd- 
südost bis  Kindberg  in  Steiermark  und  gegen  Nordnordwest  über 
Scheibbs  hinaus,  bis  Persenbeug  am  Rande  der  böhmischen  Masse 
reichte.  Das  gesammte  Schüttergebiet  zeigt  aber  eine  bimför- 
mige  oder  flaschenförmige  Gestalt,  indem  es  in  die  Alpen  nur 
bis  Graz,  gegen  Ost  bis  Pressburg,  gegen  West  bis  Mondsee  und 
Passau,  gegen  Nord  aber  mit  allmälig  sich  verengendem  Umrisse 
bis  Dresden  sich  erstreckte.  Noch  in  Lobositz  an  der  Elbe  läuteten 
die  Glocken.*^ 

Auch  dieses  Erdbeben  erfolgte  also  quer  auf  das  Streichen 
der  Alpen  und  es  reichte  durch  die  ganze  Breite  der  böhmischen 
Masse  bis  nach  Sachsen. 

In  allen  diesen  Fällen,  das  ist  bei  allen  Erdbeben,  deren  Aus- 
gangspunkt in  diesem  Theile  des  Alpensystems  lag  und  deren 


Bclluno. 


109 


Schüttergebiet  genauer  bekannt  ist,  mit  Ausnahme  einiger  sehr 
untergeordneten  und  örtlich  beschränkten  Beben,  ist  die  Erschüt- 
terung quer  auf  das  Streichen  des  Gebirges  erfolgt.  Stets  schien 
dieselbe  vornehmlich  einer  mehr  oder  minder  scharf  begrenzten 
Linie  zu  folgen;  es  sind  zu  wiederholten  Malen  und  mit  verschie- 
dener Intensität  Beben  auf  derselben  Linie  aufgetreten,  und  der 
Stoss  hat  sich  jedesmal  weiter  nordwärts  in  das  gegenüber  lie- 
gende archäische  Plateau  fortgesetzt,  als  südwärts  in  das  gefaltete 
Kettengebirge,  aus  welchem  er  hervorging. 

Der  Grund  dieser  Uebereinstimmung  ist  heute  noch  nicht  be- 
kannt, aber  ich  halte  die  Ansicht  für  berechtigt,  dass  die  Ursache 
dieser  Erschütterungen  eine  gemeinsame  sei,  und  dass  die  in 
diesen  Erdbeben  sich  äussernde  Kraft  stets  vorhanden  ist  und  nur 
zeitweise  zur  Aeusserung  gelangt. 

Begibt  man  sich  tiefer  in  die  Alpen,  so  stösst  man  auf  ausser- 
ordentlich verwickelte  Verhältnisse.  Auch  das  Erdbeben  von 
Belluno  am  29.  Juni  1873  hat  sich,  obwohl  vom  südlichen  Rande 
der  Alpen  ausgehend,  quer  durch  die  ganze  Breite  der  Alpen 
fortgesetzt  und  ist  sogar  über  Linz  und  Freistadt  bis  in  das  ar- 
chäische Plateau  eingedrungen.*^ 

R.  Hörnes  hat  versucht,  am  Südfusse  der  Ostalpen  vom 
Gardasee  bis  über  Fiume  hin  eine  Zone  häufiger  Erdbeben,  gleich- 
sam eine  peripherische  Linie,  festzustellen,  von  welcher  eine  An- 
zahl von  Stosslinien  quer  in  die  Alpen  reichen  soll.'^  H.  Hoefer 
ist,  von  einer  Vergleichung  der  Erdbeben  in  Kärnten  ausgehend, 
zu  dem  Entwürfe  eines  Netzes  langer  Linien  gelangt,  von  welchen 
ein  Theil  dem  Streichen  des  Gebirges  folgt. '^  Gerade  dieses  Stück 
der  Alpen  besitzt  aber,  wie  sich  weiterhin  zeigen  wird,  einen  sehr 
verwickelten  Bau,  und  wir  müssen  von  weiteren  Studien  Aufschluss 
darüber  erwarten,  welche  dieser  beiden  Auffassungen  der  Wahr- 
heit näher  steht. 

Dass  es  sich  bei  den  transversalen  Beben  um  eine  horizontale 
und  ruckweise  Ortsveränderung  eines  Gebirgstheiles  gegen  einen 
andern  handelt,  wird  von  den  neueren  Beobachtern  übereinstim- 
mend angenommen.  Die  Art  der  Bewegung  deutet  auf  steile 
Flächen,  welche  senkrecht  auf  das  Streichen  des  Gebirges  stehen; 
es  ist  das  eine  Form  der  alpinen  Dislocationen,  welche  an  späterer 


I  lO  I^*i  südlicbe  Italien. 

Stelle  als  ,Blatt*  bezeichnet  werden  wird.  Im  Süden  hat  Hörnes 
versucht,  das  Erdbeben  von  Belluno  unmittelbar  auf  sichtbare 
Verschiebungsflächen  dieser  Art  zurückzuführen.'^  Bittner  hat 
den  Parallelismus  der  N.  15°  W.  streichenden  zahlreichen  Blatt- 
flächen des  nordöstlichen  Theiles  der  Alpen  mit  der  Kamplinie 
betont.'*  Man  wird  aber  darum  nicht  anzunehmen  haben,  dass 
solche  Blattflächen  sich  bis  in  die  jenseitige  archäische  Masse 
fortsetzen.  Demnach  wäre  die  weite  Verlängerung  der  Schütter- 
gebiete gegen  Nord  nur  ein  Phänomen  der  Fortpflanzung,  ein  An- 
zeichen der  Richtung  der  Stösse,  welche  aus  den  Alpen  hinaus 
erfolgt  sind. 


B.    Das  südliche  Italien. 

Wenn  Jemand  von  den  liparischen  Vulcanen  gegen  das 
Festland  oder  gegen  die  sicilische  Nordküste  blickt,  sieht  er  sich 
umgeben  von  steil  abgebrochenen  Massen  uralten  Gesteins. 
Gneiss  oder  Granit  bilden  den  grössten  Theil  dieser  Felsen,  und 
die  angelehnten  Zonen  von  Schiefer  und  jüngeren  Felsarten  bis 
zum  Flysch  befinden  sich  auf  der  den  Liparen  abgewendeten 
Seite  des  Gebirges. 

Gegen  Nordost  ist  es  der  M.  Cocuzzo,  welcher  dem  tyrrhe- 
nischen  Meere  seinen  steilen  Abhang  zuwendet;  eine  Scholle  von 
transgredirendem  Kalkstein  krönt  denselben;  landwärts  trennt  den 
Cocuzzo  das  Längenthal  des  Crati  von  dem  grossen  Gebirgskerne 
der  Sila.  —  Gegen  Osten  sieht  man  die  aus  Gneiss  bestehenden 
Höhen  des  Cap  Vaticano  und  die  granitischen  Klippen  der  Scylla, 
beides  abgesunkene  Fragmente  des  Aspromonte,  welcher  sich  mit 
schroffem  Abfalle  über  dieselben  erhebt  und  gegen  das  östliche, 
jonische  Meer  hin  mit  jüngeren  Gebirgszonen  bekleidet  ist.  — 
Gegen  Süd  endlich,  an  der  sicilischen  Küste,  sind  die  Ränder  der 
alten  peloritanischen  Masse  den  Liparen  zugewendet,  deren  älteste 
Granitmassen  in  dem  nordöstlichen  Theile  der  Insel  zu  Tage  tre- 
ten, während  an  ihrer  abgewendeten  Südseite,  g^g^n  den  Aetna 
hin,  sich  die  jüngeren  Zonen  des  Aspromonte  mit  gewendetem 
Streichen  fortsetzen. 


BnichriDiI  des  Aspromonte.  III 

So  zeigen  sich  Aspromonte,  vaticanische  Höhen,  Scylla  und 
das  peloritanische  Gebirge  von  vorneherein  als  Trümmer  eines 
einst  zusammenhängenden  Gebirgskernes,  den  heute  die  Strasse 
von  Messina  durchquert,  und  dessen  hauptsächlicher  Bruchrand 
an  der  Westseite  des  Aspromonte  gegen  die  Liparen  blickt." 


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Dieser  Bruchrand  ist  nun  die  Strasse  gewesen,  auf  welcher 
im  Jahre  1783  durch  einige  Monate  die  seismische  Thätigkeit 
unter  wiederholter  Verschiebung  des  Maximums  thätig  gewesen 
ist.  Schon  im  Jahre  i  780  scheint  die  Serie  dieser  Vorgänge  mit 
einem  Ausbruche  des  Aetna  begonnen  zu  haben,  welchem  bei  Ali 
und  Fiüme  di  Niso  an  der  sicilischen  Küste  heftige  locale  Stösse 
folgten;  dann  trat  ein  Ausbruch  auf  Vulcano  ein,  und  am  5.  Fe- 
bruar I  783   erfolgte  der  erste  Hauptschlag  an  dem  Bruchrande 


112  Seismische  Linien  der  Liparen. 

des  Aspromonte,  bei  Oppido  und  S.  Cristina,  wobei  sich  in 
langer  und  tiefer  Kluft  die  jüngeren  Tertiärablagerungen  weithin 
von  diesem  Bruchrande  ablösten.  Die  Erschütterung  breitete  sich 
gegen  Süd,  West  und  Nord,  aber  nur  wenig  gegen  Ost,  das  ist 
über  den  Bruchrand  hin,  aus.  Binnen  wenigen  Wochen  wanderte 
bei  unverkennbarer  Verschiebung  des  Angriffspunktes  der  seis- 
mischen Thätigkeit  das  Maximum  über  Soriano  und  Polia  bis  Giri- 
falco,  nahe  dem  nördlichen  Ende  der  Bruchlinie,  fort  und  kehrte 
dann  wieder  nach  Radicena  bei  Oppido,  also  in  die  Nähe  des  Aus- 
gangspunktes zurück.  Es  ist  eine  dauernde  Veränderung  an  dem 
Meeresstrande  mit  Ausnahme  grosser  Abgleitungen  im  Hafen  von 
Messina  nicht  eingetreten. 

Ein  Vergleich  mit  anderen  Erschütterungen  in  der  Umrandung 
des  südlichen  tyrrhenischen  Meeres  lässt  erkennen,  dass  die  Linie 
von  1783  nur  ein  Theil  einer  grossen  Curve,  so  ziemlich  eines  Kreis- 
bogens ist,  welcher  die  Liparen  gegen  Ost  und  Süd  umgibt  und 
durch  zahlreiche  Erschütterungen  ausgezeichnet  ist.  Dieser  Bogen 
läuft  östlich  vom  M.  Cocuzzo  durch  das  Cratithal,  und  zwar  über 
Luzzi  bei  Bisignano,  Cosenza,  Donnici  und  S.  Stefano  bei  Rogliano 
nach  Girifalco,  dann  längs  der  Dislocation  des  Aspromonte  über 
Pezzoni,  Soriano,  Terranova,  Oppido  und  S.  Cristina,  ferner 
jenseits  der  Meerenge  südlich  von  der  peloritanischen  Masse  über 
Ali  zum  Aetna,  von  wo  aus  er  sich  über  Bronte  und  Nicosia  zu 
den  Madonien  fortsetzen  dürfte. 

Ausser  dieser  peripherischen  Linie  ist  in  dieser  seilten  Region 
eine  Anzahl  anderer  Stosslinien  bekannt,  welche  strahlenförmig 
von  den  Liparen  ausgehen,  auf  welchen  die  Erschütterungen,  so 
weit  die  Erfahrungen  reichen,  meistens  von  den  Liparen  gegen 
Aussen  gerichtet  sind,  und  welche  zum  Theile  die  peripherische 
Linie  kreuzen  und  über  dieselbe  hinausgehen,  zum  Theile  aber, 
und  zwar  insbesondere  in  der  Nähe  des  Aspromonte,  an  dieser 
zu  enden  scheinen.  Solche  Linien  laufen:  gegen  Nordost,  von 
Amantea  quer  über  die  peripherische  Linie  und  die  ganze  Halb- 
insel bis  Rossano  an  der  Ostküste,  gegen  Ostnordost  in  den  Golf 
der  S.  Eufemia  und  über  Catanzaro  zur  Ostküste,  gegen  Süd 
von  Vulcano  in  den  Aetna  und  von  da  gegen  Südsüdwest  nach 
Mineo,  dann  weit  gegen  Südwest  über  Palermo  gegen  Favignana. 


Vcreinißiing  der  Radiallinien.  1^3 

Die  Bogenlinie  hat  einen  Radius  von  beiläufig  90 — 100  Km.; 
Cocuzzo,  das  vaticanische  Cap,  Scylla  und  das  peloritanische  Ge- 
birge liegen  innerhalb,  Sila  und  Aspromonte  ausserhalb  derselben. 
Die  Radiallinien  convergiren  gegen  die  Liparen.  Nun  hat  aber 
Fr.  Hoffmann  bereits  im  Jahre  1832  gezeigt/^  und  Judd  hat  es 
neuerdings  bekräftigt,"'  dass  innerhalb  der  Liparen,  südlich  vom 
Stromboli,  an  einer  vStelle,  welche  wir  annähernd  als  den  Mittel- 
punkt der  peripherischen  Linie  betrachten  könnten,  eine  Gruppe 
von  kleinen  Inseln  und  Klippen  liegt,  deren  Bau  von  jenem  der 
übrigen  Inseln  abweicht.  Denn  während  auf  den  anderen  Inseln 
orrössere  und  kleinere  Kratere  als  die  Anzeichen  ebenso  vieler 
Ausbruchstellen  sich  erheben,  besteht  diese  ganze  Gruppe  nur 
aus  den  Trümmern  eines  einzigen  gewaltigen  Kraters,  welchen 
Hoffmann  als  den  Centralkrater  der  Liparen  bezeichnet. 

Voii  dieser  unregelmässig  ringförmig  angeordneten  Gruppe, 
das  ist  von  den  Inseln  und  Klippen  Panaria,  Basiluzzo,  Dattilo, 
Lisca  bianca  mit  der  submarinen  Fumarole,  dann  Bottaro,  Pana- 
rella,  Formiche  und  Lisca  nera,  laufen  aber  nach  Hoffmann  und 
Judd  drei  radiale  Linien,  w^elche  mit  den  Ausbruchstellen  der 
Liparen  besetzt  sind.  Die  erste  geht  gegen  Westsüdwest  über 
Salina,  Filicuri  und  Alicuri,  die  zweite  erst  gegen  Südsüdwest 
nach  Lipari,  dann  gegen  Südost  durch  Vulcano  zur  Solfatara  auf 
Cap  Calava,  die  dritte  gegen  Nordnordost  durch  den  Stromboli. 

Vergleicht  man  nun  diese  schon  von  Hoffmann  auf  einem 
Kärtchen  verzeichneten  vulcanischen  Linien  mit  jenem  Netze  von 
Linien,  welches  lediglich  aus  den  seismischen  Angaben  gewonnen 
wurde,  so  wird  man  die  Folgerung  wohl  kaum  zurückweisen 
können,  dass  diese  radialen  Vulcanlinien  in  irgend  einer  engen 
Beziehung  zu  den  radialen  Stosslinien  stehen.  Es  haben  aber 
bereits  mehrere  zuverlässige  Beobachter  eine  Uebereinstimmung 
von  gesteigerter  Thätigkeit  des  Stromboli  mit  calabrischen 
Stössen  wahrgenommen,  so  Äthan.  Kircher  im  Jahre  1638,"  so 
auch  Conte  Ippolito,"^  Grimaldi"^  und  die  meisten  Zeugen  der 
grossen  Erschütterungen  von  1783.  In  gleicher  Weise  hat  Ferrara 
an  vielen  einzelnen  Beispielen  einen  Zusammenhang  zwischen  lipa- 
rischen  Ausbrüchen  und  Erschütterungen  der  sicilischcn  Nord- 
küste zu  erweisen  gesucht.  ^"^ 

Sucss,  Das  Antlitz  der  Erde.  w 


114  Einbruch  in  Vorl)creitiinjj. 

Man  hat  sich  also  wohl  vorzustellen,  dass  in  einem  durch  die 
peripherische  Linie  von  1783  abgegrenzten  Räume  die  Erdrinde 
schüsseiförmig  sich  einsenkt,  und  dass  hiebei  radiale 
Sprünge  entstehen,  welche  gegen  die  Liparen  conver- 
giren.  Diese  convergirenden  Linien  sind  in  der  Nähe  dieses 
Centrums  mit  vulcanischen  Ausbruchstellen  besetzt.  Jede  Gleich- 
gewichtsstörung der  einzelnen  Schollen  verursacht  gesteigerte 
vulcanische  Thätigkeit  auf  den  Inseln  und  Erschütterungen  des 
Festlandes  oder  Siciliens. 

Wird  einmal  dieser  Vorgang  der  Senkung  weiter  vorge- 
schritten sein,  so  werden  die  niedrigen  Gneissberge  des  vatica- 
nischen  \'orgebirges ,  die  Granitberge  der  Scylla  und  ein  guter 
Theil  des  peloritanischen  Gebirges  und  der  Madonien  unter  dem 
tyrrhenischen  Meere  begraben  sein,  welches  dann  den  Bruchrand 
der  westlichen  Seite  des  Aspromonte  nach  gänzlicher  Zerstörung 
der  tertiären  Vorlagen  gerade  so  bespülen  wird,  wie  es  heute  den 
westlichen  Bruchrand  des  Cocuzzo  bespült.  Die  Strasse  von  Mes- 
sina wird  erweitert  sein,  und  von  der  heute  noch  aus  den  Trüm- 
mern erkennbaren  Umbeugung  der  jüngeren  Gesteinszonen  des 
Appennin  wird  höchstens  zwischen  Ali  und  Taormina  ein  verein- 
zeltes Bruchstück  aufragen,  als  das  östliche  Vorgebirge  der  wesent- 
lich verkleinerten  Trinacria,  dem  Geologen  als  ein  schwer  zu  lösen- 
des Räthsel. 

Dass  durch  ähnliche  Vorgänge  in  einer  früheren  Zeit  die 
Abtrennung  Sicilien's  von  Nord- Afrika  sich  vollzogen  haben  mag, 
wird  sich  aus  einem  folgenden  Abschnitte  ergeben.  Für  jetzt  ent- 
nehmen wir  diesen  Erfahrungen,  dass  den  Einbrüchen  der  West- 
seite des  Appennin  die  Anlage  von  Radialspalten  nicht  fremd  ist, 
und  dass  vermuthlich  die  grosse  Anzahl  von  Ausbruchstellen  in 
den  Liparen  ihren  Grund  eben  in  der  Convergenz  dieser  Radial- 
spalten und  ihrer  gegenseitigen  Verschneidung  hat.  So  mag  auch 
der  Untergrund  der  phlegräischen  Felder  beschaffen  sein,  und  die 
Neigung  zur  Verlegung  der  Ausbruchstellen  läge  dann  in  der 
grösseren  Beweglichkeit  der  keilförmigen  Endstücke.  Die  be- 
ständigeren und  höher  aufbauenden  Einzelvulcane  liegen  mehr 
gegen  die  Randkluft  hin,  vielleicht  an  den  Durchschnittsstellen 
von  radialen  Sprüngen  und  dieser  Randkluft.  ""^ 


Vulcanc  von  Central- Amerika.  1^5 


C.  Das  Festland  von  Central- Amerika, 

Die  Vulcane  des  mittelamerikanischcn  Festlandes  sind  von 
den  Feuerbergen  von  Quito  ebenso  selbständig,  wie  von  dem 
bogenförmig  gekrümmten  Zuge  vulcanischer  Berge  in  den  kleinen 
Antillen  und  von  der  quer  über  den  Continent  von  West  gegen 
Ost  verlaufenden  Reihe  der  mexicanischen  Vulcane.  Sie  beginnen 
mit  dem  Vulcan  Chiriqui  in  8°  48'  nördl.  Br.,  verfolgen  eine  nord- 
westliche Richtung  bis  zur  Bucht  von  Fonseca,  und  von  dieser  an 
eine  etwas  mehr  westnordwestliche  Linie  bis  nach  Socomusco  in 
Mexico. 

Man  könnte  also  wohl  von  zwei  Hauptzügen  sprechen,  welche 
unter  einem  stumpfen  Winkel  in  der  Bucht  von  Fonseca  sich  ver- 
einigen, aber  beide  Z\xg^  haben  die  merkwürdige  Eigenschaft 
gemein,  dass  die  auf  ihnen  sich  erhebenden,  zum  Theile  riesigen 
Vulcane  in  vielen  Fällen  auf  deutlich  erkennbaren  Querspalten 
stehen.  Bald  hat  sich  eine  selbständige,  meilenlange  Querlinie 
gebildet,  wie  in  der  Reihe  von  Chiquimula  im  östlichen  Guate- 
mala, bald  zeigt  nur  der  Bau  des  Gipfels  die  Verschiebung  der 
Ausbruchstelle,  welche  quer  auf  die  Hauptlinie  vor  sich  geht. 
Dieses  Bestreben,  die  alte  Ausbruchstelle  zu  verlassen,  ist  all- 
gemein. 

Die  Hauptlinie  folgt,  insbesondere  westlich  von  der  Bucht 
von  Fonseca,  sehr  nahe  der  pacifischen  Küste;  die  Querlinien,  auf 
welchen  sich  die  eruptive  Thätigkeit  verschiebt,  laufen  aber  mehr 
oder  minder  senkrecht  auf  diese  Küste,  und  beinahe  in  allen  Fällen 
ist  der  südwestlichste,  d.  i.  der  pacifischen  Küste  zunächst  liegende 
Krater  allein  thätig. 

Die  Verschiebung  erfolgt  also  auf  kürzeren  oder 
längeren  Querspalten  in  der  Richtung  gegen  das  paci- 
fische  Meer.  Dieser  Vorgang  ist  aber  um  so  bemerkenswerther, 
als  er  in  gar  keiner  erkennbaren  Verbindung  mit  dem  Baue  jener 
Bruchstücke  älteren  Gebirges  steht,  welche  in  dieser  Region  vor- 
handen sind. 

Der  südlichsten  Ausbruchstelle,  dem  Chiri([ui,  folgt  gegen 
Nordwest  der  Robalo,  welcher  noch  nicht  genauer  untersucht  zu 


:* 


I  1 6  Vom  Chiriqui  gegen  Leon. 

sein  scheint,  und  hier  trifift  die  vulcanische  Hauptlinie  auf  die  aus 
Granit  und  Syenit  bestehende  Cordillere  von  Talamanca.  Auf- 
gerichtete und  gefaltete  Schichten  von  miocänem  Alter  begleiten 
gegen  Nord  das  granitische  Gebirge,  und  gerade  auf  der  Linie 
der  Vulcane  erhebt  sich  der  Pico  Blanco  zu  3620  M.  Er  wurde 
selbst  für  einen  Vulcan  gehalten,  bis  Gabb  ihn  bestieg  und  zeigte, 
dass  sein  Gipfel  aus  einem  Gang  von  altem  Porphyr  besteht, 
welcher  aus  dem  abgewitterten  Granit  hervorragt/' 

Die  vulcanische  Linie  wird  aber  durch  das  Granitgebirge 
nicht  abgelenkt,  sondern  es  sind  demselben  Vulcane  wie  der  Monte 
Lyon  und  wohl  audtl  der  Ujum  aufgesetzt/^  dann  folgen  die  Vul- 
cane Irazu  und  Turrialba,  Zurqui,  Barba  und  Poas. 

Der  Gipfel  des  Turrialba  wird  von  Seebach  als  ein  von  Ost- 
nordost gegen  Westsüdwest,  also  quer  auf  die  vulcanische  Haupt- 
linie verlaufender  Rücken  geschildert  und  als  ein  Typus  jener 
Vulcane,  welche  ihre  Ausbruchstelle  nach  einer  bestimmten  Rich- 
tung verlegen.  Die  jüngste,  zugleich,  wenn  man  den  Kraterboden 
vergleicht,  niedrigste  und  heute  noch  thätige  Ausbruchstelle  liegt 
gegen  Westsüdwest/^    Gabb  gibt  die  Höhe  mit  3461  M.  an. 

,In  dem  Poas,*  sagt  Seebach,  ,habe  ich  den  complicirtesten 
Vulcan  gefunden,  von  dem  ich  bisher  gehört.  Ein  Zwillingsvulcan 

mit  linear  fortschreitenden  Thätigkeitsaxen Merkwürdig  ist  bei 

allen  diesen  Gesellen,  dass  sie,  falls  eine  Hauptrichtung  vorhan- 
den, schief  auf  der  Hauptrichtung  der  Kette  stehen.  Nur  der 
Zurqui,  Rincon  und  Orosi  machen  eine  Ausnahme.*^" 

Die  Linie  der  grossen  Vulcane  erreicht  nun  den  pacifischen 
Küstensaum  und  folgt  demselben.  Es  erscheinen,  um  nur  einige 
der  wichtigsten  zu  nennen,  Guipilapa  (Mira valles) ,  Rincon  de  la 
Vieja,  Orosi,  im  See  von  Nicaragua  Omotepec,  Zapateca  u.  A., 
dann  Mombacho,  die  oft  besprochene  Gruppe  des  Masaya  und 
Nindiri,  dann  der  Momotombo.  In  der  folgenden  Ebene  von  Leon 
ragt  eine  grössere  Anzahl  von  Kraterbergen  empor.  Vom  Momo- 
tombo bis  zum  Vicjo  erheben  sich  in  gerader  Linie,  und  zwar  auf 
der  Hauptlinie  selbst,  Las  Pilas,  Orota,  Santa  Clara  und  mehrere 
ungenannte  Kegel. 

Die  Vulcane  von  Axusco  und  Telica  stehen  ein  wenig  näher 
gegen    das  Meer   und    scheinen    einer   zweiten,    der   Hauptlinie 


Neue  Vulcane  bei  Leon.  117 

parallelen,  also  ebenfalls  gegen  Nordwest  gerichteten  Zone  an- 
zugehören.^' 

Der  letztgenannte,  Telica,  ist  nach  Seebach  ein  quer- 
gestreckter Rücken  mit  fünf  Krateren,  von  welchen  wieder  der 
westlichste  es  war,  der  zur  Zeit  von  Seebach's  Besuch  im  Jahre 
1864  noch  schwache  Dämpfe  ausstiess.^^ 

Am  II.  und  12.  April  1849  hörte  man  in  der  Stadt  Leon 
unterirdisches  Grollen.  Am  13.  April  Morgens  bildete  sich  eine 
Oeffnung  an  dem  Fusse  des  längst  erloschenen  Vulcans  Pilas. 
Lavastücke  wurden  ausgeworfen  und  fielen  frisch  gegossenem 
Eisen  ähnlich  zu  Boden.  Es  folgte  diesem  unregelmässigen  Aus- 
wurfe das  Hervorquillen  eines  grossen  Lavastromes  durch  den 
Rest  des  Tages,  und  um  diese  Zeit  war  der  Boden  fast  ohne  Er- 
schütterung. Am  14.  April  hörte  die  Lava  auf  zu  fliessen  und  es 
begann  eine  lange  Reihe  stossweiser  Eruptionen  und  das  Hervor- 
schleudern von  Steinen.  Squier,  welchem  ich  diese  Angaben  ent- 
lehne, besuchte  die  Stelle  am  22.  April  und  fand  den  neuen 
Kegel  150  bis  200  Fuss  hoch.-^^ 

Seither  hat  sich  im  November  1867  in  der  Nähe  dieser  Stelle 
noch  ein  neuer  Vulcan  gebildet.  Der  Bericht  von  Dickerson  über 
diesen  Vorgang  ist  so  lehrreich,  dass  ich  demselben  einige  Ein- 
zelnheiten entnehmen  will.^* 

Am  14.  November  1867,  gegen  i  Uhr  Morgens,  begann  die 
Erscheinung  mit  einer  Reihe  von  filxplosionen,  welche  in  der  Stadt 
Leon  deutlich  bemerkt  wurden,  die  etwa  8  Leguas  westlich  von 
dieser  Stelle  liegt.  Es  entstand  in  der  Erdrinde  eine  Spalte  von 
ungefähr  einer  halben  (engl.)  Meile  Länge,  welche  beiläufig  in  der 
Mitte  zwischen  den  beiden  Vulcanen  Pilas  und  Orota  von  der  vul- 
canischen  Hauptlinie  gegen  Südwest  abging.  Schon  vor  dem 
Sonnenaufgange  des  14.  November  sah  man  aus  dieser  Spalte  an 
verschiedenen  Orten  Feuer  hervortreten.  Die  Explosionen  folgten 
einander  bald  in  kurzen  Zwischenräumen,  bald  je  nach  einer  halben 
Stunde,  aber  das  dumpfe  Geräusch,  das  unterirdische  Grollen  war 
fast  ununterbrochen.  Nach  einigen  Tagen  öffneten  sich  zwei  Kra- 
tere  auf  der  neuen,  gegen  Südwest  laufenden  Spalte,  welche  etwa 
1000  Fuss  von  einander  entfernt  waren;  der  eine,  gegen  Südwest 
gelegen,  warf  vulcanische  Massen  in  verticaler  Richtung  aus,  der 


I  I  8  Neue  Valcane  bef  Leon. 

andere,  j^ej^en  Nordost,  schleuderte  sie  schräge  unter  einem 
Winkel  von  45'' aus.  Am  22.  November  wurden  sie  von  Dickerson 
besucht;  damals  hatte  der  Hauptkrater  bereits  eine  Höhe  von 
etwa  200  Fuss  und  seine  Oefifnung  etwa  60  Fuss  Durchmesser. 
Am  27.  November  Nachmittags  begann  der  Vulcan  nach  einer 
Reihe  der  heftigsten  Explosionen  schwarzen  Sand  in  grosser 
Menge  und  schwerere  Felsstücke  auszuwerfen.  Am  nächsten  Mor- 
gen war  weit  und  breit  das  Land  mit  einer  Lage  feinen  schwarzen 
Sandes  bedeckt  und  eine  weite  leuchtende  Wolke  goss  einen 
Regen  von  Sand  herab.  Dieser  Sandregen  hielt  bis  zum  Morgen 
des  30.  November  an,  dann  erlosch  der  Vulcan,  welcher  durch 
seine  Ausbrüche  erschöpft  zu  sein  schien.  So  bedeckte  der  Sand 
alles  Land  in  einem  Halbmesser  von  mehr  als  80  Km.  Zu  Leon 
war  die  Schichte  Ys  Zoll  stark.  Näher  gegen  den  Vulcan  hin  stieg 
die  Mächtigkeit  der  Schichte  und  die  Grösse  des  Kornes.  Auf 
eine  englische  Meile  aus  dem  Krater  stieg  der  Durchmesser  des 
Kornes  auf  %  bis  Yg  Zoll  und  die  Mächtigkeit  erreichte  i  Fuss. 
An  der  Basis  des  Kegels  ist  es  nur  ein  Haufwerk  von  Blöcken  von 
4 — 5  Fuss  Durchmesser. 

Der  Kegel  selbst  mass  am  Schlüsse  der  Eruption  200  Fuss 
Höhe;  der  Durchmesser  des  Kraters  war  200  Fuss  und  seine  Tiefe 
ebenfalls  200  Fuss.  Ein  langes  Band  von  Schlacken  erstreckt  sich 
gegen  Nordost.  Sechzehn  Tage  hatte  der  Ausbruch  gedauert. 
Der  Sand  bestand  aus  Bruchstücken  von  Schlacke,  Chrysolith  und 
Feldspath.  — 

Dieser  neue  Kegel  steht  also  abermals  auf  einer  Querspalte ; 
der  hauptsächlichste  Punkt  der  Thätigkeit,  als  welchen  wir  den 
Krater  mit  verticaler  Wurfrichtung  anzusehen  haben,  lag  wieder 
gegen  Südwest.  Der  fertige  Kegel  gleicht  etwa  dem  Monte  Nuovo 
bei  Fuzzuoli,  indem  er  nur  einen  Ring  von  Auswürflingen  darstellt 
und  der  Boden  des  Kraters  nicht  wesentlich  höher  zu  liegen  scheint 
als  die  umliegende  Ebene.  Ausserordentlich  gross  muss  aber,  nach 
dem  Volum  der  ausgeschleuderten  Massen  zu  urtheilen,  der  zurück- 
gebliebene Hohlraum  gewesen  sein,  und  doch  erzeugten  diese 
grossen  Massen  nur  einen  Kegel  von  200  Fuss  Höhe.  — 

Kehren  wir  aber  zurück  zu  der  Verfolgung  der  vulcanischen 
Hauptlinie. 


Conseguina  1^9 

Jenseits  des  Viejo,  aber  wieder  etwas  seewärts,  ausserhalb 
der  Richtung  der  Hauptlinie,  folgt  nun  der  berühmteste  Vulcan 
dieser  Region,  der  Conseguina,  Seine  Eruption  vom  20.  Januar 
1835  gilt,  vielleicht  nicht  mit  Unrecht,  als  die  grossartigste  und 
schrecklichste  Erscheinung  dieser  Art  in  den  letzten  Jahrhunderten. 
So  unermesslich  war  die  Masse  ausgeworfener  Theile  des  Erd- 
innern,  dass  Dollfuss  und  Mont-Serrat,  deren  ausführliche  Be- 
schreibung der  Vulcane  von  Guatemala  und  Salvador  ich  in  dem 
Nachfolgenden  vielfach  benutzt  habe,  auf  Grund  einer  Sammlung 
amtlicher  Berichte  dem  von  Asche  und  Bimsstein  bestreuten  Theile 
des  Meeres  von  Ost  gegen  West  eine  Ausdehnung  von  2000  Km. 
zuschreiben.  In  der  ganzen  Umgebung,  noch  in  der  Stadt  S.  Mi- 
guel, welche  doch  80 — 90  Km.  vom  Conseguina  entfernt  ist, 
herrschte  durch  dritthalb  Tage  die  vollste  Finsterniss;  die  Aeste 
der  Bäume  brachen  unter  dem  Regen  von  Sand  und  Asche  und 
die  Vögel  fielen  todt  zu  Boden.  Selbst  in  der  Stadt  Guatemala, 
beiläufig  350  Km.  von  der  Ausbruchstelle,  war  die  Sonne  durch 
einen  dunklen  Nebel  getrübt  und  es  dauerte  daselbst  der  Aschen- 
fall bis  zum  31.  Januar.  Die  Erschütterungen  der  Erdrinde  aber 
waren  so  heftig,  dass  sie  sich  mit  erschreckender  Gewalt  gegen 
Nordwest  durch  Guatemala  bis  nach  Chiapas,  gegen  Nordost  bis 
Jamaica  und  gegen  Südost  bis  Bogota  fortpflanzten.^^ 

Wieder  entsteht  die  Frage  nach  dem  Ausmaasse  des  Hohl- 
raumes, welchen  dieser  ausserordentliche  Auswurf  zurückgelassen 
haben  mag.   — 

Conseguina  bildet,  seewärts  vortretend,  die  südliche  Ab- 
grenzung der  Bucht  von  Fonseca,  in  deren  Hintergrund  der  un- 
thätige  Vulcan  auf  der  Insel  Tigre  und  an  deren  Nordrand  der 
Conchagua  sich  erhebt,  welcher  nach  langer  Ruhe  am  2^,  Februar 
1868  ausbrach.  Mit  dem  Conchagua  beginnt  der  zweite,  etwas 
mehr  gegen  West  gerichtete  Theil  der  mittelamerikanischen  Vul- 
canenreihe. 

Das  nördliche  Guatemala  besteht,  wie  an  späterer  Stelle  aus- 
führlicher gezeigt  werden  wird,  eins  einem  Bruchstücke  eines  ein- 
seitig gebauten  Gebirgszuges,  welcher  gegen  Ostnordost,  ziemlich 
quer  über  das  nordamerikanische  Festland  streicht  und  seine 
Fortsetzung  in  Jamaica  und  Haiti  findet.    Die   nördlichste  Zone 


1  20  Aufeinanderfolge  von  Querlinien. 

ist  Kalkstein;  ihr  folgt  eine  Zone  älterer  Schiefergesteine,  welche 
im  Hintergrunde  des  amatischen  Golfes  und  östlich  von  demselben 
das  caraibische  Meer  erreicht;  südlich  von  dieser  taucht  eine 
schmale  Granitzone  nördlich  von  der  Stadt  Guatemala  hervor  und 
folgt  gegen  Ostnordost  eine  Strecke  weit  dem  Längenthaie  des 
Rio  Grande.  Alle  südlicher  folgenden  Höhenzüge  aber  bis  in  die 
Nähe  der  Bucht  von  Fonseca  und  bis  zu  einem  grossen  Abbruche, 
welcher,  schräge  das  Streichen  des  Gebirges  durchschneidend, 
nahezu  dem  Verlaufe  der  pacifischen  Küste  folgt,  sind  aus  einer 
Felsart  zusammengesetzt,  welche  Dollfuss  und  Mont-Serrat  als 
^Porphyre  trachytique^  bezeichnen.  Der  Kante  und  dem  Ge- 
hänge dieses  schrägen  und  der  pacifischen  Küste  parallelen  Ab- 
bruches sind  die  Vulcane  von  Salvador  und  Guatemala  auf- 
gesetzt. 

Von  diesen  Vulcanen  gelten  aber  alle  jene  eigenthümlichen 
Kennzeichen,  welche  die  Linie  vom  Chiriqui  bis  zum  Conseguina 
auszeichnen.  ,Man  bemerkt  in  der  That,*  sagen  Dollfuss  und  Mont- 
Serrat,  ,dass  man  es  nicht  mit  einer  Serie  vereinzelter  Vulcane  zu 
thun  hat,  welche  nach  irgend  einer  mehr  oder  minder  geraden 
oder  gebrochenen  Linie  gereiht  wären,  sondern  mit  einer  Auf- 
einanderfolge kleiner  Systeme,  welche  von  einander  ziemlich 
unabhängig  und  nach  Entfernungen  geordnet  sind,  die  zwischen 
verhältnissmässig  ziemlich  engen  Grenzen  schwanken.  Jede  dieser 
Gruppen  ist  von  einer  mehr  oder  minder  beträchtlichen  Anzahl 
von  Kegeln  und  Krateren  gebildet,  die  einen  erloschen,  die  an- 
deren noch  thätig,  gereiht  nach  einer  geraden  Linie,  deren  Rich- 
tung annähernd  senkrecht  steht  auf  jener  der  vulcanischen  Haupt- 
axe.'  ,.  .  .  Es  scheint  daher,  als  hätte  sich  an  jeder  Ausbruchstelle 
eine  Spalte  normal  auf  die  Hauptspalte  gebildet,  auf  welcher 
(Querspalte)  die  vulcanischen  Essen  stehen,  eine  nach  der  anderen 
gebildet  durch  einen  fortschreitenden  Gang  der  eruptiven  Thätig- 
keit.  Dass  dieser  Gang  stets  in  einer  bestimmten  und  unverän- 
derten Richtung  erfolgt  sei,  können  wir  nicht  behaupten,  aber  wir 
bemerken  dennoch  im  Vorübergehen  und  ohne  für  den  Augenblick 
hieraus  einen  Schluss  ziehen  zu  wollen,  dass  in  vielen  Fällen,  wenn 
einer  der  Vulcane  einer  besonderen  Gruppe  noch  thätig  ist,  der- 
selbe an  dem  südlichen  Ende  des  Systems  steht.* 


J6 


Izalco.  12  1 

Dem  Conchagiia  folgt  in  der  Richtung  gegen  Westnordwest 
auf  der  Hauptlinie  der  2153  M.  hohe  thätige  S.  Miguel,  bis  zu 
welchem  sich  vom  Conchagua  ein  weites  Lavafeld  hinzieht.  An 
diesen  reihen  sich,  ebenfalls  auf  der  Hauptlinie,  die  kleineren  Aus- 
bruchstellen von  Chinameca  und  der  Vulcan  von  Tecapa,  dann 
der  S.Vicente  (2400  M.),  hierauf  der  See  von  Ilopango,  aus  dessen 
Mitte  im  Februar  1 880  ein  neuer  Vulcan  hervortrat.  Rockstroh 
hat  denselben  anschaulich  beschrieben.^^ 

Den  See  umgeben  steile  Wände  älteren  Gebirges.  Land- 
einwärts gegen  Nordnordost  liegt  der  kleine  erloschene  Vulcan 
von  Cojutepeque. 

Jenseits  des  Sees  von  Ilopango  erhebt  sich  die  vulcanische 
Gruppe  von  San  Salvador,  dann,  ziemlich  auffallend  gegen  das 
Meer  vorgeschoben,  der  merkwürdige  Izalco  (21,  Fig.  5). 

K.  von  Seebach,  dessen  ausgedehnte  Arbeiten  in  diesem  Ge- 
biete bisher  nur  in  einzelnen,  allerdings  höchst  werthvoUen  Bruch- 
stücken in  die  Oefifentlichkeit  gelangt  sind,  hat  eine  lehrreiche 
Beschreibung  desselben  geliefert.^^ 

Dieser  Vulcan  ist,  wie  die  genannten  Ausbruchstellen  bei 
Leon,  wie  der  JoruUo  und  der  Monte  Nuovo,  ganz  in  historischer 
Zeit  entstanden,  und  zwar  seit  dem  29.  März  1793.  Kr  liegt  gegen 
Südwest  vor  dem  erloschenen  Cerro  Redondo  und  ist  seit  seiner 
Entstehung  mit  geringen  Unterbrechungen  thätig;  durch  viele 
Jahre  hat  er  ebenso  regelmässige  rhythmische  Eruptionen  gezeigt 
wie  der  Stromboli.  Er  erhebt  sich  nach  Seebach  597  M.  über  das 
Meer  und  292  M.  über  den  Boden  der  Kirche  zu  Izalco.  Hieraus 
berechnet  Seebach  das  Volum  des  Kegels  mit  26*88  Millionen 
Kubikm.  und  bei  fortwährend  gleichmässiger  ITiätigkeit  seit  1 793 
den  Auswurf  auf  07  Kubikm.  per  Minute.  Thatsächlich  dürfte 
das  Volum  der  ausgeworfenen  Massen  jedoch  noch  weit  grösser 
sein,  weil  bei  heftigeren  Ausbrüchen  nur  ein  geringer  Theil  zum 
Aufbaue  des  Kegels  dient  und  der  Rest  weit  über  Land  und 
Meer  hingetragen  wird. 

Eine  genauere  Vergleichung  der  jenseits  deslz^ilco  liegenden 
Vulcane  wird  erst  nach  Veröffentlichung  von  K.  von  Seebach's 
Arbeiten  thunlich  sein;  einstweilen  aber  mag  die  beifolgende,  nach 
DoUfuss  und  Mont-Serrat  entworfene  Skizze  zeigen,  bis  zu  welchem 


Grade  die  Querspalten  zur  PZntwicklung  gelangen.  Hier  steht  vor 
Allem  die  lange  Reihe  der  Vulcane  von  Chiquimula  (14 —  ib)  und 
jene  von  Cerro  Redondo  ([2,  13),  beide  nur  erloschene  Kratere 
umfassend,  auf  der  Hauptlinie  dann  der  thätige  Pacaya  (i  1)  und 
der  hohe,  durch  den  verheerenden  Ausbruch  von  Wasser  im 
Jahre  1541,  wahrscheinlich  den  Bruch  und  die  Entleerung  eines 
Kratersees,  bekannte  Vulcan  d'Agua.  Es  folgt  die  mächtig  Quer- 
linie  des  V.  de  Fuego  (7,  8,  9)  mit  dem  thätigen  Schlünde  an  dem 


südwesdichen  Ende,  hierauf  die  ebenfalls  riesige  Gruppe  des 
V.  d'Atitlan  {4,  5,  6),  abermals  mit  der  thätigen  Esse  am  südwest- 
lichen Ende,  dann  der  erloschene  V.  S.  Pedro  (3),  endlich  an  der 
mexicanischen  Grenze  die  beiden  Ausbruchstellen  von  Quezalte- 
nango  (i,  2),  von  welchen  ausnahmsweise  der  vom  Meere  ent- 
ferntere, nordöstliche  Schlund  thätig  ist. 

Auf  der  ganzen  Linie  von  Chiriqui  im  Südosten  bis  zur  Bucht 
von  Fonseca  und  bis  an  die  mexicanische  Grenze  im  Nordwesten 


i%"iederfaoli  sich  also  oftmals  die  Erscheinung:,  dass  die  \  ulcane 
entweder  auf  länj^eren  selbständigen  Ouerlinien  stehen,  >YeIche 
die  Hauptiinie  in  rechtem  oder  spitzem  Winkel  tretlen,  oder  es 
zeigt  sich  in  den  einzelnen  \'ulcanen  selbst  das  Bestreben,  ihre 
Ausbruchsstelle  quer  auf  die  Hauptlinie  zu  verschieben,  und 
zwar  erfolsrt  diese  Verschiebun^r,  wie  es  scheint,  in  allen 
Fällen,  mit  Ausnahme  des  Cerro  Ouemado  in  der  Gruppe  von 
Ouezaltenango  im  äussersten  Nordwesten,  in  der  Richtung 
gegen  das  pacifische  Meer. 

Diese  Wrschiebung  erfolgt  aber  ziemlich  rasch  und  sind  im 
Laufe  der  letzten  hundert  Jahre  bereits  einige  neue  Ausbruch- 
stellen in  dieser  Richtung  geöftnet  worden,  abgesehen  von  den 
zahlreichen  Erschütterungen  des  Bodens  und  den  Ausbrüchen  aus 
den  bestehenden  Essen,  welche  die,  man  könnte  fast  sagen,  ununter- 
brochene Bewegung  der  Erdrinde  in  diesen  Regionen  verrathen. 

In  Bezug  auf  eine  der  heftigeren  unter  den  neuen  Er- 
schütterungen, jene  vom  19.  December  1S62  und  den  folgenden 
Wochen,  hat  P.  Lizarzaburu  die  merkwürdige  Erfahrung  geschöpft, 
dass  dieselbe  nicht  von  einem  einzigen  Punkte,  sondern  von  einem 
grossen  Stücke  der  Hauptlinie,  und  insbesondere  von  dem  Vulcan 
d'Atitlan,  dem  V.  de  Fuego  und  dem  Izalco  auszugehen  schien. 
In  der  Nähe  dieser  drei  Vulcane  traten  die  grössten  Verheerungen 
ein.  Auf  dem  magnetischen  Observatorium  zu  Guatemala  begann 
die  erste  und  heftigste  Erschütterung  am  19.  December  i8()2 
7**  25'  pm.  mit  einem  Stosse  aus  Südwest,  das  ist  aus  der  Rich- 
tung zwischen  Atitlan  und  Fuego,  und  es  folgte  sofort  eine  Be- 
wegung aus  Südsüdost,  also  beiläufig  aus  der  Gegend  des  Izalco. 
Am  20.  December  trafen  weitere  Erschütterungen  aus  Südsüd- 
ost ein.  Nach  einer  Unterbrechung  bis  zum  26.  December  er- 
neuerten sich  die  Stcisse  aus  Südwest,  und  diese  hielten  bis  in  die 
zweite  Hälfte  des  Monats  Januar  an.^*^ 

Die  Uebereinstimmung  dieser  Angaben  mit  den  Beobach- 
tungen über  das  Wandern  der  Stosspunkte  auf  der  calal>rischen 
Hauptlinie  besteht  vor  Allem  darin,  dass  in  beiden  (icbi(l(*n 
gleichsam  unter  unseren  Augen  grosse  und  zusammenhängende 
Bewegungen  der  Erdrinde  sich  vollziehen  und  noch  weit  grösserem 
sich  vorbereiten.     Während   aber   in  Calabrien   die   deutlichsten 


124  Angebliche  Erhebungen  Südamerika's. 

Anzeichen  dieser  Vorgänge  auf  der  peripherischen  Randkluft  her- 
vorgetreten sind,  zeigt  sich  in  Mittelamerika  auf  der  ganzen  langen 
Erstreckung  vom  Chiriqui  bis  an  die  mexicanische  Grenze,  erst 
schräge  über  das  Festland,  dann  längs  der  pacifischen  Küste,  von 
8°  48'  bis  gegen  den  15.  Breitegrad  an  zahlreichen  Beispielen  das 
Bestreben  nach  weiterer  Ausbildung  von  Querspalten  in  der  Rich- 
tung des  pacifischen  Oceans.  Diese  Querspalten  dürfen  mög- 
licher Weise  im  Sinne  von  Radialsprüngen  aufgefasst  werden, 
welche  entweder  einem  sehr  grossen,  zusammenhängenden,  oder 
zweien,  in  der  Nähe  der  Bucht  von  Fonseca  zusammentreffenden 
Senkungsfeldern  angehören.  Der  Vorgang  würde  dann  bestehen  in 
der  Oeffnung  von  Radialsprüngen  von  aussen  gegen  innen. 
Dabei  greift  die  längste  dieser  Radiallinien,  jene  von  Chiquimula, 
weit  über  die  sonst  ziemlich  deutlich  ausgesprochene  peripherische 
Zone  hinaus. 

Ein  sehr  grosser  Theil  der  pacifischen  Seite  von  Mittel-Ame- 
rika ist  hier  im  Absinken  begriffen.  Dieses  Absinken  erfolgt  quer 
auf  das  Streichen  des  aus  Granit  und  geschichteten  Felsarten 
bestehenden  Kettengebirges,  welches  gegen  Jamaica  und  Haiti 
hinüberstreicht,  und  lässt  nicht  den  geringsten  Zusammenhang  mit 
der  Structur  dieses  Gebirges  erkennen. 


D.   Die  Angaben  über  rhapsodische  Erhebungen  der  süd- 
amerikanischen Westküste, 

In  Calabrien  wurden  bei  heftigeren  Erdbeben  auf  der  Strasse 
liegende  Steine  in  die  Höhe  geschnellt.  Bei  dem  chilenischen  Erd- 
beben vom  7.  November  1837  soll  ein  Mastbaum,  welcher  mit 
seinem  unteren  Ende  angeblich  10  Meter  tief  in  die  Erde  ver- 
senkt und  von  eisernen  Klammern  festgehalten  war,  ohne  Zer- 
störung der  Oeffnung  in  der  Erde  aus  derselben  hervorgestossen 
worden  sein.^°  A.  v.  Humboldt  erzählt  sogar,  dass  bei  der  Zer- 
störung von  Riobamba  im  Jahre  1797  durch  die  , minenartige  Ex- 
plosion' des  senkrechten  Stosses  viele  Leichname  der  Einwohner 
auf  den  mehrere  hundert  Fuss  hohen  Hügel  la  Cullca,  jenseits  des 
Flüsschens  von  Lican,  geschleudert  wurden.^' 


Vulcane  und  Terrassen.  I  2  ^ 

Diese  Erscheinungen  gleichen  in  der  That  sehr  wenig  jenen 
Bewegungen  der  Erde,  durch  welche  Gebirge  erzeugt  worden 
sind,  und  noch  weit  weniger  jenen  vermeintlichen  ausgedehnten, 
gleichförmigen  und  langsamen  Bewegungen  der  Erdfeste,  welche 
als  ,continentale,  säculare  Schwankungen*  bezeichnet  wer- 
den. Sie  deuten  vielmehr  auf  plötzliches,  locales  Aufschnellen, 
vielleicht  ein  Aufprellen  durch  Entlastung.  Dass  sich  dabei  eine 
bleibende,  wenn  auch  geringe  Ortsveränderung  gegen  aufwärts 
vollziehe,  ist  von  vorneherein  gar  nicht  unwahrscheinlich,  aber  um 
so  merkwürdiger  ist  die  Thatsache,  dass  eine  solche  dauernde 
Veränderung  zwar  oft  behauptet,  aber  bis  heute  kaum  irgendwo 
mit  hinreichender  Sicherheit  erwiesen  ist. 

Der  bekannteste,  in  den  Lehrbüchern  am  häufigsten  ange- 
führte, angeblich  am  sichersten  nachgewiesene  Fall  betrifft  die 
vermeintliche  wiederholte  Erhebung  der  westlichen  Küste  Süd- 
amerika's  bei  grossen  Erdbeben.  Diesen  will  ich  versuchen,  nach 
den  vorliegenden  Berichten  zu  prüfen. 

Allerdings  muss  vorausgeschickt  werden,  dass  gerade  hier 
die  äusseren  Verhältnisse  in  besonderem  Maasse  geeignet  sind, 
den  Beobachter  von  vorneherein  der  Annahme  wiederholter  rhap- 
sodischer Erhebungen  günstig  zu  stimmen. 

Zunächst  erhebt  sich  parallel  dieser  durch  so  viele  Breiten- 
grade fast  geradlinig  verlaufenden  Küste  eine  der  grössten  Vulcan- 
linien  der  Erde,  und  schon  dieser  Umstand  konnte  zu  einer  Zeit, 
in  welcher  die  Ansichten  über  den  Zusammenhang  von  Vulcanis- 
mus  und  Erhebung  von  den  heutigen  verschieden  waren,  einigen 
Einfluss  auf  das  Urtheil  üben. 

Ferner  ist  diese  Küste  auf  lange  Strecken  hin  umgürtet  von 
abgestuftem  Schuttlande,  in  welchem  über  dem  heutigen  Meeres- 
spiegel Conchylien  angetroffen  wurden.  Diese  Terrassen  zeigen 
ohne  Zweifel  beträchtliche  Veränderungen  in  der  Lage  des 
Strandes  an,  aber  irgend  eine  ursachliche  Verknüpfung  mit 
den  heutigen  Erderschütterungen  ist  nicht  ersichtlich;  sie  ge- 
hören einer  vergangenen  Zeit  an  und  sollen  an  einer  späteren 
Stelle  als  ein  Theil  einer  noch  sehr  weit  über  den  Schütter- 
kreiß dieser  Beben  hinaus  verbreiteten  Erscheinung  besprochen 
werden. 


120  Bewegung^  von  Sediment. 

Endlich  ist  der  Fuss  dieser  Küste  an  vielen  Stellen  mit 
Küchenüberresten  belegt,  und  diese  sind  sogar  an  manchen  Orten 
heute  noch  in  Ablagerung  begriffen. 

Als  Darwin  im  Jahre  1835  diese  Küsten  besuchte,  besass 
man  nur  wenig  Erfahrungen  über  die  ausserordentliche  Verbrei- 
tung solcher  Reste,  und  allerdings  musste  es  im  höchsten  Grade 
befremden  und  konnte  es  von  ihm  immerhin  nach  den  damaligen 
Erfahrungen  als  ein  Zeichen  junger  Hebung  angesehen  werden, 
als  er  auf  der  Insel  S.  Lorenzo  bei  Callao,  85  Fuss  über  dem 
Meere,  in  einer  Lage  von  Meeresconchylien  einen  Faden,  Stücke 
von  Flechtwerk  und  andere  Spuren  menschlicher  Thätigkeit  an- 
traft' Dana,  welcher  einige  Jahre  darauf  die  Stelle  besuchte,  hat 
dies  bereits  aufgeklärt/^ 

Bevor  ich  nun  weiter  an  die  Aufzählung  der  Berichte  aus 
Südamerika  schreite,  mag  an  den  Umstand  erinnert  werden,  dass 
die  seismischen  Wellen  des  Oceans,  so  wie  sie  aufreissend  und 
zerstörend  über  das  Festland  sich  wälzen,  so  auch  ausserordent- 
liche Mengen  von  losem  Sediment  vom  Meeresgrunde  heben  und 
fortbewegen.  Nach  der  grossen  Ueberfluthung  von  Callao  am 
28.  October  1746  blieben  auf  den  Trümmern  der  zerstörten  Stadt 
grosse  Haufen  von  Meeressand  und  Gerollen  zurück.'*^  Wo  eine 
Insel  die  seismischen  Wogen  zertheilt  oder  wo  sonst  zwei  seismisch 
erregte  Strömungen  sich  treffen,  entsteht  auf  diese  Art  leicht 
neues  Land.  Davon  bietet  Ostindien  ein  grosses  Beispiel.  An  der 
Malabar-Küste  wurde  nördlich  von  Cochin  im  Jahre  1341  bei 
einem  grossen  Erbeben  die  Insel  Vaypi  aufgeworfen.  Sie  besteht 
aus  Seesand  und  aus  denselben  Sedimenten,  welche  heute  von 
den  Ghäts  in  die  flachen  Districte  von  Malabar  h^rabgetragen 
werden.  Zugleich  wurde  das  Gebiet  der  Mündung  des  Flusses 
Cochin  gänzlich  verändert,  und  so  gewaltig  war  der  Eindruck  dieser 
Naturerscheinung  auf  die  Hindus,  dass  sie  von  ihr  eine  neue  Zeit- 
rechnung ,Puduvepa*  (Neue  Einführung)  zählten.'*'^ 

Nun  kehren  wir  nach  Südamerika  zurück,  und  zwar  zunächst 
zu  den  von  Tschudi  gesammelten  Beobachtungen  über  angebliche 
wiederholte  Hebung  und  Senkung  des  Landes  um  Callao. 

Von  den  Küchenresten  von  Callao  ist  bereits  die  Rede,  ge- 
wesen.   Ausser  auf  diese  beruft  man  sich  auf  den  Umstand,  dass 


Callao;   Valparaiso   1822.  I27 

die  heute  zwei  Seemeilen  vom  Festlande  entfernte  Insel  S.  Lorenzo 
demselben  bald  näher  gewesen  sei,  bald  weiter  von  demselben 
abgetrennt.  Im  Jahre  1742  sei  die  Entfernung  beiläufig  dieselbe 
gewesen,  wie  heute;  bei  dem  grossen  Erdbeben  von  i  746  sei  eine 
Versenkung  der  wStadt  eingetreten;  durch  eine  Hebung  der  Küste 
sei  1760  die  Insel  dem  Lande  wieder  so  nahe  gebracht  worden, 
dass  die  Jungen  mit  Steinen  hinüberwerfen  konnten.  Zwischen  der 
Insel  und  dem  Festlande  liege  eine  Untiefe,  ,Camotal*  genannt, 
weil  man  einst  auf  ihr,  als  sie  trocken  lag,  Camote,  das  ist  Kar- 
toffel gebaut  habe.  *'' 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  Landzuncre  zwischen  S.  Lorenzo 
und  dem  Festlandc,  welche  bald,  sei  es  durch  langsame  Verlan- 
dung  oder  durch  plötzliches  Hinwerfen  von  Sediment,  gebildet, 
bald,  vielleicht  von  einer  darüber  stürzenden  seismischen  Woge 
wieder  durchrissen  und  zerstört  wurde.  Eine  Schwankung  des 
Festlandes  folgt  hieraus  nicht.  Die  Berichte  von  1746  sprechen 
auch  nicht  von  einer  Versenkung  der  Stadt,  sondern  beschreiben 
im  Gegentheile  deutlich  das  Heransteigen  und  endliche  I  linstürzen 
der  Meereswoge  über  das  Land.  — 

Jene  Angaben,  welche  die  meiste  Verbreitung  gefunden 
haben,  betreffen  die  Erschütterungen  einzelner  Theile  Südame- 
rika*s  in  den  Jahren  1822,  1835  und  1837. 

Das  Erdbeben  vom  ig.  November  1822  schien  seinen  Aus- 
gangspunkt nordöstlich  von  Valparaiso  zu  haben.  Der  mass- 
gebende Bericht  über  die  gleichzeitige  Erhellung  des  Landes  ist 
ein  Brief  von  Mrs.  Maria  Graham,  welchen  die  geologische  Ge- 
sellschaft in  London  veröffentlicht  hat.  Diesem  Briefe  zufolge 
schien  es  am  nächstfolgenden  Morgen,  als  sei  die  ganze  Küste 
auf  eine  Enstreckung  von  mehr  als  100  Miles  über  ihr  früheres 
Niveau  erhoben.  In  Valparaiso  habe  die  Aenderung  etwa  3  Fuss 
betragen,  zu  Ouintero  beiläufig  4  P'uss.  Bei  Hochwasser  habe  man 
das  alte  Bett  des  Meeres  trocken  gesehen,  mit  Austern  und 
anderen  Muscheln  haftend  auf  dem  Felsen,  auf  welchem  sie  ge- 
wachsen waren,  jedoch  todt  und  sehr  üble  Gerüche  verlireitend.^' 

Spätere  Beobachtungen  von  Dr.  Meyen  und  And^rn-n  über- 
gehe ich,  weil  sie  erst  Jahre  lang  nach  dem  Ereignisse  gemacht 
wurden  und  kaum  Neues  hinzuführen. 


128  Widersprechende  Berichte. 

Den  bestimmten  Angaben  von  Mrs.  Graham  stehen  aber 
ebenso  bestimmte  gegentheilige  Angaben  entgegen,  deren 
wichtigste  allerdings  erst  im  Jahre  1835  veröffentlicht  wurden;  es 
sind  dies  Briefe  von  Capitän  Belcher,  Lieutenant  Bower  und 
dem  bekannten  Malacologen  Cuming  an  dieselbe  geologische 
Gesellschaft/^ 

Capitän  Belcher  bezweifelt,  dass  irgend  eine  Veränderung 
des  Niveau's  eingetreten  sei,  welche  die  dortigen  Sondirungen  be- 
einflusst  hätte,  weil  bei  den  an  der  chilenischen  Küste  stationirten 
königlichen  Schiffen  keine  Anzeige  dieser  Art  eingelaufen  sei, 
was  gewiss  geschehen  wäre,  wenn  die  Sache  den  ansässigen  Eng- 
ländern von  Bedeutung  erschienen  wäre.  Lieutenant  Bower  war 
im  Februar  1823  in  Valparaiso  und  hat  dort  Alles  in  demselben 
Zustande  gefunden,  wie  ein  Jahr  zuvor,  doch  ist  seit  dem  Erd- 
beben das  Wasser  allmälig  zurückgetreten  zwischen  der  Landungs- 
stelle und  dem  Marktplatze,  und  es  ist  eine  Reihe  fester  Gebäude 
errichtet,  wo  früher  das  Meer  floss. 

Herr  Cuming  war  in  Valparaiso  vom  Januar  1822  bis  1827 
und  mit  wenig  Unterbrechungen  bis  1 83 1 .  Er  war  Zeuge  des  Erd- 
bebens; sein  Haus  wurde  zerstört.  Er  hörte,  dass  das  Meer  sich 
zurückgezogen  habe  und  mit  grosser  Macht  wiedergekehrt  sei; 
als  er  am  nächsten  Morgen  an  den  Strand  kam,  bemerkte  er  die 
Wirkungen,  sah  aber  in  Bezug  auf  das  Meer  nichts  als  hohe  Fluth. 
Er  hat  nicht  von  einer  Erhebung  der  Küste  oder  von  einzelnen 
Felsen  gehört;  weder  er,  noch  seine  Freunde  könnten  den  An- 
gaben Mrs.  Graham's  zustimmen.  Er  habe  vor  und  nach  dem  Erd- 
beben und  bis  zum  Schlüsse  seines  Aufenthaltes  an  den  Felsriffen 
der  Bucht  Fuci,  Patellae,  Balanen  u.  s.  w.  gesammelt,  ohne  jemals 
eine  Aenderung  wahrzunehmen.  Die  Ansicht,  dass  das  Land  sich 
erhoben  hat,  möge  daher  rühren,  dass  seit  dem  Erdbeben  eine 
Anhäufung  von  Detritus  an  einer  Stelle  stattgefunden  habe,  welche 
vor  dem  Erdbeben  von  der  Fluth  erreicht  wurde,  und  auf  welcher 
Häuser  und  sogar  kleine  Strassen  errichtet  wurden.  Der  grösste 
Theil  dieser  Anschwemmung  sei  jedoch  erst  im  Juni  1827,  also  fünf 
Jahre  nach  dem  Erdbeben,  durch  heftige  Regen  erzeugt  worden, 
welche  den  losen  granitischen  Boden  der  nächsten  Gehänge  her- 
abtrugen. 


Hienach  halte  ich  die  Discussion  über  den  ersten  Fall,  das 
Erdbeben  von  1822,  für  erledijjt. 

Der  nächste  Fall  betrifft  das  Erdbeben  von  Concepcion 
vom  20.  Februar  1835. 


FiR.  ö.    Schiiu|i!a(7    .ia    Enllit-Iicn 

vom   20.  Ffbruar   iH.l; 

|n.ir!i  Cqnclu  i  T0..1). 


Werfen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  den  Schauplatü  der  wich- 
tigsten Begebenheiten.  Enr.  Concha  i  Toro  hat  den  geologischen 
Bau  desselben  kürzlich  beschrieben.  Die  Küste  besteht  hier, 
zwischen  36°  30'  und  37°  ;iO,  aus  den  alten  Felsarten  der  chile- 
nischen Küstencordillere,  auf  welchen  Schollen  der  Kreideforma- 
tion, der  Tertiärformation  und  von  quaternären  Ablagerungen 
Hegen.''' 


I  ßO  Fitzroy's  Bericht. 

Nördlich  von  der  Stadt  Concepcion  liegt  die  Bahia  de 
Talcahuano,  auch  Bucht  von  Concepcion  genannt,  an  dem 
südöstlichen  Ufer  derselben  die  alte  Hauptstadt  Penco,  gegen 
Nordost  der  baculitenreiche  Grünsandstein  von  Tome.  Die 
Insel  Quiriquina  legt  sich  quer  über  einen  grossen  Theil  der 
Bucht. 

Gegen  Südwest  von  Concepcion  befindet  sich  die  viel  aus- 
gedehntere Bahia  de  Arauco,  westwärts  begrenzt  durch  Punta 
Lavapies,  deren  Fortsetzung  die  Isla  de  S.  Maria  bildet.  Kreide- 
schichten bilden  die  Meeresküste  gegen  F.  Lavapies  hinaus  und 
ebenso  fortstreichend  die  Mitte  der  Isla  de  S.  Maria;  westlich  von 
diesem  Kreidestreifen  besteht  die  Insel  aus  tertiären,  östlich  von 
demselben  aus  quaternären  oder  noch  jüngeren  Bildungen.  Oest- 
lich  von  F.  Lavapies  mündet  der  Rio  Tubul. 

Capitän  Fitzroy,  in  dessen  Gesellschaft  bekanntlich  Ch.  Dar- 
win auf  dem  ,Beagle'  reiste,  befand  sich  an  dem  verhängniss- 
vollen Tage  in  Concepcion  und  hat  einen  anschaulichen  Bericht 
über  das  Ereigniss  erstattet.  *^° 

Dieser  Bericht  beginnt  mit  der  Angabe,  dass  am  20.  Februar 
1835,  um  10  Uhr  Vormittags,  die  Bevölkerung  überrascht  wurde 
durch  den  ganz  ungewohnten  Umstand,  dass  sehr  grosse  Züge 
von  Seevögeln  sich  landeinwärts  bewegten.  Um  1 1  Uhr  40  Mi- 
nuten trat  die  erste  Erschütterung  in  Concepcion  ein,  gleich 
darauf  die  allgemeine  Zerstörung.  Der  Stoss  schien  aus  Südost  zu 
kommen.  Das  niedrige  und  lose  Land  wurde  mehr  zerrüttet  und 
schien  sich  von  den  festeren  Bergen  zu  lösen.  In  Talcahuano  und 
Fenco  traten  dieselben  Erscheinungen  ein. 

Eine  halbe  Stunde  nach  dem  Hauptstosse  hatte  sich  das  Meer 
so  weit  zurückgezogen,  dass  selbst  Fahrzeuge,  welche  in  7  Faden 
ankerten,  trocken  lagen.  Alle  Felsen  und  Untiefen  in  der  Bucht 
von  Talcahuano  waren  sichtbar.  Dann  drängte  sich  eine  ungeheure 
Welle  durch  die  westliche  Strasse  zwischen  Quiriquina  und  dem 
Festlande,  bis  zu  30  Fuss  über  Hochwasser  Alles  vor  sich  hin- 
fegend. Es  folgte  eine  zweite  noch  grössere  und  noch  mehr  brau- 
sende Woge,  endlich  nach  einigen  Minuten  die  dritte  und  mäch- 
tigste. Erschöpfung  schien  zu  folgen.  Erde  und  Wasser  zitterten. 
Durch  drei  Tage  noch  ebbte  und  fluthete  die  See  ganz  unregel- 


Angebliches  Zurücksinken  des  Landes.  i  1  I 

massig  und  häufig.  Einige  Stunden  nach  dem  Ereignisse  stieg  und 
fiel  sie  zwei-  oder  dreimal  in  der  Stunde. 

Oestlich  von  Quiriquina  trat  eine  schwächere  Welle  ein.  In 
derselben  Zeit  meinte  man  an  einigen  Orten  jenseits  Quiriquina 
und  in  der  Bucht  von  S.  Vincente  rauchartige  Eruptionen  im  Meere 
wahrzunehmen.  Es  folgte  denselben  ein  Wirbel,  als  würde  die 
See  in  eine  Höhlung  sich  ergiessen. 

^Diirch  einige  Tage  nach  der  Zerstörung,^  sagt  Fitzroy  weiter, 
yStieg  das  Meer  nicht  bis  {ii  den  gewöhnlichen  Marken,  um  4  bis 
5  Fuss  vertical.  Einige  dachten,  das  Land  sei  gehoben  worden, 
aber  der  allgemeine  und  vorherrschende  Gedanke  war,  dass  das 
Meer  sich  yiirückgeiogen  habe.  Diese  Differenz  perminderte  sich 
allmälig,  bis  Mitte  April  nur  eine  Differen{  von  2  Fuss  ^wischen 
den  thatsächlichen  und  den  früheren  Hochwassermarken  bestand,^ 

Der  Beweis,  dass  das  Land  sich  erhoben  habe,  liegt  in  der 
Thatsache,  dass  die  Lnsel  S,  Maria  um  g  Fuss  gehoben  wurde. ' 

Die  Erhebung  des  südlichen  Endes  dieser  Insel  betrug  8  Fuss, 
der  Mitte  9  Fuss,  des  Nordendes  10  Fuss.  Die  Insel  wurde  zwei- 
mal besucht,  Ende  März  und  Anfangs  April.  Das  erste  Mal  wurde 
die  Erhebung  von  8  Fuss  ermittelt;  später  tauchten  Zweifel  auf 
und  man  kehrte  nochmals  zurück  und  bestätigte  auf  verschiedene 
Art  die  erste  Beobachtung.  Bei  Tubul,  am  Festlande,  betrug  die 
Erhebung  6  Fuss. 

So  weit  die  wesentlichsten  Angaben  von  Fitzroy;  Darwin  war 
zur  selben  Zeit  in  Valdivia. 

Man  ersieht  hieraus,  dass  auf  einer  Linie  von  Tubul  am  Fest- 
lande nordwärts  längs  der  Insel  S.Maria  sich  Verschiedenheit  zeigte, 
und  zwar  6  Fuss  in  Tubul,  dann  steigend  8,  9  und  10  Fuss  auf 
S.  Maria;  ferner,  dass  bei  Talcahuana  die  Differenz  anfangs  4  bis 
5  Fuss  betrug  und  sich  bis  Mitte  April  auf  2  Fuss  minderte;  ferner, 
dass  auf  S.  Maria  die  letzten  Beobachtungen  Anfangs  April  ge- 
macht wurden.  In  einem  späteren  Berichte  sagt  Darwin:  ,Es  er- 
scheint aus  den  Untersuchungen  des  Capitän  Fit^roy,  dass  sowohl 
die  Insel  S.  Maria  als  Concepcion  im  Laufe  einiger  Wochen  sich 
senkten  und  einen  Theil  ihrer  ersten  Erhebung  verloren/^' 

Caldcleugh,  welcher  ebenfalls  als  Augenzeuge  über  diese 
Vorgänge  berichtet  hat,   schreibt:   , Beide,   Capitän  Fit^roy   und 


o* 


1^2  Alte  Bauten  bei  Penco. 

Capitän  Simpson  von  der  chilenischen  Flotte,  sind  der  Meinung, 
dass  die  Erhebung  des  Bodens  sowohl  auf  der  Insel  als  in  Con- 
cepcion  ^ur  Zeit  des  Erdbebens  bedeutend  grösser  gewesen  sei,  und 
dass  die  vielen  folgenden  kleineren  Oscillationen  eine  Senkung  bis 
lu  dem  oben  genannten  Niveau  (8 — lo  Fuss)  herbeigeführt  haben 
mögen /^^ 

Nicht  lange  nach  Fitzroy,  am  3.  Mai  1835,  ankerte  Capitän 
Coste  bei  S.  Maria;  auch  er  fand  9  Fuss  weniger  Ankergrund  als 
im  Vorjahre.  Am  Ufer  sah  er  auch  ähnliche  Spuren  wie  Fitzroy, 
stellte  aber  leider  keine  genaueren  Messungen  an.^^ 

Zugleich  mit  den  Berichten  der  Forscher  des  Beagle  wurden 
der  geologischen  Gesellschaft  ein  Bericht  von  Don  Mar.  Rivero 
und  ein  Brief  von  Col.  Walpole  vorgelegt,  welche  sich  Beide 
gegen  jede  in  Chile  während  dieses  Erdbebens  vorgekommene 
Niveauänderung  aussprachen.^^ 

Selbst  Ch.  Lyell,  der  eifrigste  Vertreter  der  Ansicht  von  der 
Erhebung  des  Festlandes,  hat  sich  später  zu  der  Bemerkung  ver- 
anlasst gesehen,  dass  die  geringe  Höhe  der  alten  Bauten  von 
Penco  über  dem  Meere  geeignet  sei,  die  Meinung  über  eine 
dauernde  Erhebung  dieser  Küste  zu  beirren  und  einiges  Licht  auf 
die  in  den  letzten  Jahren  geäusserte  Meinung  zu  werfen,  dass  an 
der  chilenischen  Küste  die  Neigung  vorhanden  sei,  nach  jeder 
Erhebung  allmälig  wieder  zurücksinken  und  in  die  frühere  Lage 
zurückzukehren. ''5 

Unter  diesen  Umständen  sind  aber  alle  Schlussfolgerungen, 
welche  die  Vertheidiger  der  Elevationstheorie  gerade  an  diesen 
Fall  geknüpft  haben,  hinfäUig  und  drängt  sich  die  Frage  auf,  ob 
diese  vorübergehende  und  nicht  beträchtliche  Differenz  nicht  doch 
weit  einfacher  durch  die  überaus  heftige  Erschütterung  des  Meeres 
zu  erklären  sei.  Zwischen  P.  Lavapies  und  S.  Maria  tritt  heute  eine 
ansehnliche  Strömung  in  den  Golf  von  Arauco  ein,  um  denselben 
nordwärts  wieder  zu  verlassen ;  es  bleibt  die  Frage,  ob  dieselbe  für 
einige  Zeit  abgelenkt  sein  mochte,  und  ob  etwa  auch  hiedurch  eine 
vorübergehende  Niveaudifferenz  herbeigeführt  werden  konnte. 

Die  Angaben  über  eine  weitere  Erhebung  des  Landes  wäh- 
rend des  Erdbebens  von  Valdivia  am  7.  November  1837 
beschränken  sich  auf  eine  Mittheilung  des  Capitän  Coste  über  die 


Valdivia,   iSSy.  I^^ 

Insel  Lemus  im  Chonos- Archipel.  Als  dieser  am  1 1 .  December 
desselben  Jahres  die  Insel  besuchte,  traf  er  den  Meeresgrund 
um  mehr  als  8  Fuss  erhoben;  Felsen,  welche  sonst  stets  das 
Meer  bedeckte,  waren  entblösst,  eine  grosse  Menge  von  in  Zer- 
setzung begriffenen  Conchylien  und  Fischen  bedeckte  den  Strand, 
welchen  entwurzelte  und  vom  Meere  herbeigetragene  Bäume  in 
grosser  Zahl  umgaben.  Capitän  Coste  sah  darin  Spuren  entweder 
einer  raschen  Erhebung  des  Meeres  oder  von  Oscillationen  des 
Meeres.^^ 

Diese  letztere  Frage  aber  scheint  mir  die  entscheidende;  es 
müsste  vor  Allem  bekannt  sein,  ob  wirklich  Felsen,  oder  ob  Sand- 
bänke trocken  gelegt  wurden,  und  bis  zu  welchem  Grade  das 
Meer,  welches  die  Bäume  herbeitrug,  auch  durch  herbeigeschlepp- 
tes Sediment  etwa  die  Tiefe  verringert  habe.  Auch  bei  diesem 
Erdbeben  war  die  Bewegung  des  Oceans  so  bedeutend,  dass  auf 
den  Gambier-Inseln,  auf  einzelnen  der  Tonga-  und  auf  den  Samoa- 
Inseln  Hochfluthen  eintraten.  Auf  Wawau  in  der  Tonga-Gruppe 
wurde  die  ausserordentliche  Erregung  des  Meeres  durch  36  Stun- 
den bemerkt." 

Es  gibt  aber  an  mehreren  Punkten  der  westlichen  Küste 
Südamerika's  ältere  Bauwerke,  welche  jeder  beträchtlicheren  Er- 
hebung des  Bodens  von  vorneherein  widersprechen  Die  Grab- 
hügel und  Spuren  alter  Bauwerke,  welche  Bibra  in  der  Algodon- 
Bay  40 — 50  Fuss  über  dem  Meeresspiegel  traf,  führten  diesen 
Beobachter  zu  demselben  Schlüsse  ,5*^  und  ebenso  Dav.  Forbes, 
als  er  an  der  bolivischen  Küste  zahlreiche  indianische  Tumuli 
kaum  20  Fuss  über  dem  Meere  sah.'^'^  Ja  für  Valparaiso  selbst  hat 
Darwin  betont,  es  lasse  sich  aus  den  dortigen  Bauwerken  der 
Beweis  führen,  dass  seit  220  Jahren  die  grösste  mögliche  Er- 
hebung 1 5  Fuss  nicht  überschreiten  konnte.*^ 

Die  berufenste  Autorität  in  dieser  Frage,  Professor  R.  Phi- 
lippi  in  S.  Jago,  hat  schon  vor  Jahren  in  seiner  Beschreibung  der 
sogenannten  Wüste  Atacama  hervorgehoben,  dass  er  keine  That- 
sachen  gefunden  habe,  welche  auf  eine  neue,  in  historischer  Zeit 
eingetretene  Hebung  dieser  Gegend  hinweisen  würden,  und  hat 
seither  ausdrücklich  bemerkt,  dass  nach  der  gewaltigen  Erschüt- 
terung von  Arica  am  1 8.  August  1 868  weder  von  der  peruanischen 


j  7  j.  Phnippi'-s  Meinaog. 

noch  von  der  chilenischen  Küste  Berichte  über  Hebungen  oder 
Senkungen  des  Bodens  eingelangt  seien/'  Derselbe  hat  übri- 
gens auf  meine  Bitte  die  Güte  gehabt,  nochmals  Umfrage  zu 
halten,  und  schreibt  mir  am  12.  Juni  1882:  , Leider  haben  meine 
diesfalligen  Erhebungen  kein  Resultat  gehabt.  Es  gibt  noch  gegen- 
wärtig in  Chile  wenige  Personen,  die  sich  für  wissenschaftliche 
Fragen  interessiren,  und  im  Jahre  1835  gab  es  deren  noch  weniger; 
die  I  lafencapitane  aber  und  die  Seefahrer  der  damaligen  Zeit  sind 
längst  todt.  Ich  muss  wiederholen,  dass  mir  keine  neueren  Er- 
hebungen der  chilenischen  Küste  bekannt  geworden  sind,  aber 
ich  habe  in  Talcahuano  und  Corral  mehrfach  erzählen  hören,  dass 
das  Erdbeben  von  1835  Veränderungen  des  Meeresgrundes  her- 
vorgebracht habe,  und  dass  an  einzelnen  seichten  Stellen,  welche 
d«;n  Mschern  wohlbekannt  sind,  die  Höhe  der  darüber  stehenden 
Wassersäule  abgenommen  habe.  Diese  Behauptungen  der  Fischer 
sind  meines  Erachtens  kein  voUgiltiger  Beweis;  diese  Leute  achten 
wenig  auf  bestimmte  Daten,  und  es  ist  z.  B.  in  dem  Meerbusen 
von  Corral  leicht  möglich,  dass  die  Anschwemmungen  des  Valdivia- 
E'lusses  ein  Seichterwerden  des  Meeres,  und  zwar  ziemlich  allmälig 
bewirkt  haben,  welches,  als  es  sehr  auffallend  geworden  war,  dem 
erwähnten  Erdbeben  zugeschrieben  wurde.  Es  gibt  eine  Menge 
Leute,  auch  unter  den  Gebildeten,  die  bei  der  Erklärung  einer 
E>scheinung  niemals  die  einfachste  und  natürlichste  Ursache  an- 
nehmen.* 

,Auch  vom  Hafen  von  Ancud  wird  allgemein  behauptet,  sein 
Grund  habe  sich  in  Folge  des  Erdbebens  von  1835  verändert; 
von  einer  Erhebung  der  ganzen  Küste  habe  ich  nichts  gehört. 
Dies  ist  freilich  kein  Beweis  dagegen,  denn  eine  unbedeutende 
Erhebung  derselben  um  wenige  Fuss  würde  den  Anwohnern  kaum 
besonders  aufgefallen  sein.  .  .  .* 

Nach  einer  ausführlichen  Darlegung  über  Küchenreste  und 
alte  Strandlinien,  welche  an  späterer  Stelle  besprochen  werden 
sollen,  sagt  Professor  Philippi  weiters:  , Offen  muss  ich  gestehen, 
dass  ich  in  Folge  meiner  Beobachtungen  und  Erfahrungen  wenig 
geneigt  bin  zu  glauben,  dass  die  Anden  und  andere  hohe  Ge- 
birge lediglich  in  Folge  von  vielen  Tausenden  solcher  Erdbeben, 
die  jedes   den   Boden   um   ein    paar  Zoll    oder  ein  paar  Fuss, 


Darwin's  Folgerungen.  '35 

wenn  es  hoch  gekommen  wäre,  emporgehoben  hätten,  entstan- 
den sind.' 

Dies  führt  uns  zu  den  weittragenden  F'olgerungen,  welche 
vor  Jahren  aus  den  Beobachtungen  in  Chile  gezogen  worden  sind. 

Das  Erdbeben  vom  20.  Februar  1835  hat  in  der  That  die 
Anregung  zu  einer  der  bedeutendsten  Schriften  über  die  Erhebung 
der  Gebirge  gegeben,  ja,  fast  möchte  ich  sagen,  zu  dem  einzigen 
auf  directe  Beobachtung  der  Natur  gestützten  Versuche,  die 
älteren  Ansichten  von  der  Kraft,  welche  die  Gebirgsketten  auf- 
gerichtet haben  soll,  näher  zu  ermitteln.  Ihr  Verfasser  ist  Charles 
Darwin."  Es  ist  seit  jener  Zeit  kein  zweiter,  oder  doch  kein  Ver- 
such von  gleicher  Bedeutung  in  dieser  Richtung  gemacht  worden. 
Heute,  nach  fast  einem  halben  Jahrhunderte,  ist  es  wohl  gestattet, 
anders  über  diese  Fragen  zu  urtheilen  und  dennoch  die  Kühnheit 
der  Verallgemeinerungen  anzuerkennen,  welche  damals  schon  den 
grossen  Meister  verrieth. 

Darwin  sah  die  erwachende  Thätigkeit  der  Vulcane  während 
und  nach  dem  Erdbeben;  er  glaubte  die  wenn  auch  ungleich- 
förmige Erhebung  des  festen  Landes  zu  sehen;  er  sah  ferner  die 
Terra.ssen  längs  der  Küste.  Er  wusste  aber  auch,  dass  ähnliche 
Terrassen  die  Ostküste  Südamerika's  begleiten,  wo  es  keine  Vul- 
cane und  keine  Erdbeben  gibt.  Die  Erdbeben  mussten  daher 
seinem  Auge  als  die  örtliche  AeusscRing  einer  allgemeinen  Kraft 
erscheinen.  Die  säculare  Contraction  der  Erde,  welche  damals 
schon  von  Einzelnen  betont  wurde,  schien  mit  Recht  Darwin  voll- 
ständig ungeeignet,  um  jene  intermittirenden  Erhebungen  zu  er- 
klären, welche  die  Terrassen  ihm  anzeigten,  und  so  gelangte  er 
zu  dem  Schlüsse,  ,dass  die  Gestalt  der  flüssigen  Oberfläche  des 
Erdkernes  irgend  weichem  Wechsel  unterworfen  ist.  dessen  Ur- 
sache gänzlich  unbekannt,  dessen  Wirkung  langsam,  iutermittirend, 
aber  unwiderstehlich  ist'. 

Legen  wir  nun  vor  uns  eine  Karte  von  Südamerika  und 
denken  wir  uns  den  grossen  Continent  von  Nord  nach  Süd  nach 
der  ]Jnie  der  grössten  Länge,  und  ebenso  von  Ost  nach  West 
nach  der  grössten  Breite  in  vier  ungleiche  Theile  getheilt.  Ent- 
nehmen wir  ferner  einem  späteren  Abschnitte  hier  schon  die  That- 
sache,  dass  die  Terrassen  gegen  Süd  ihre  grösste  Entwicklung 


I  ^6  Räumliche  Vcrtheilung.     Boussinj^ault. 

haben,  und  sowohl  an  der  Ostküste  wie  an  der  Westküste  nord- 
wärts abnehmen  und  endlich  verschwinden. 

Es  zeigt  sich  nun,  dass  der  südwestliche  Theil  Südamerika's, 
jener,  der  Chile  umfasst  und  von  dem  hier  vorzugsweise  die  Rede 
war,  Vulcane  bietet  und  Erdbeben  und  Terrassen ;  der  südöstliche 
zeigt  Terrassen,  aber  keine  Vulcane  und  nur  sehr  selten  Erd- 
beben; der  nordwestliche  hat  Vulcane  und  Erdbeben,  aber  keine 
Terrassen;  der  nordöstliche  hat  Erdbeben,  aber  keine  Vulcane 
und  keine  Terrassen. 

Näher  betrachtend  sieht  man,  dass,  wie  schon  gesagt  wurde, 
die  Terrassen  im  Sinne  der  Parallelen  abnehmen  und  im  Norden 
fehlen,  dass  dagegen  die  Erdbeben  dem  Hochgebirge  folgen. 
Indem  dieses  gegen  Nordost  abschwenkt,  zeigen  sich  auch  im 
nordöstlichen  Theile  von  Südamerika  Erdbeben.  Die  furchtbaren 
Erschütterungen  von  Caracas  erfolgten  weit  ausserhalb  des  Ge- 
bietes der  Vulcane  und  der  Terrassen. 

Die  räumliche  Annäherung  dieser  Naturerscheinungen  in 
Chile  ist  also  nur  ein  Argument  von  geringer  Stärke  für  ihre  ur- 
sachliche Verknüpfung,  und  im  Norden  Südamerika's  sind  auch 
andere  Ansichten  über  das  Wesen  der  Erdbeben  erwacht.  In  dem- 
selben Jahre  1835  erklärte  Boussingault,  dass  die  grössten  Erd- 
beben der  neuen  Welt  überhaupt  nicht  mit  Eruptionen  in  Ver- 
bindung stehen.  Ihr  Ursprung  müsse  einem  wahren  Nachsinken 
(tin  veritable  iassement)  im  Innern  der  Cordilleren  zugeschrieben 
werden.  ,Diese  Nachsenkungen  der  Cordilleren,  welche  nach  ihrer 
Erhebung  so  häufig  sein  mussten,  dauern  in  unseren  Tagen  noch 
an.  Ich  nehme  nicht  Anstand,  ihnen  die  meisten  der  grossen  Be- 
wegungen zuzuschreiben,  welche  so  oft  die  Berge  erschüttern.'^^ 

K.  Fuchs  sagt,  dass,  seitdem  Erdbeben  wirklich  wissenschaft- 
lich beobachtet  und  deren  Erscheinungen  und  Folgen  untersucht 
werden,  sich  unter  vielen  Tausenden  von  Erdbeben  auch  nicht 
ein  Fall  von  Hebung  zugetragen  hat.^**  Gewiss  ist  es  sehr 
auffallend,  dass  seit  Jahren  und  bei  der  fortwährend  sich  steigern- 
den Aufmerksamkeit  für  solche  Fälle  keine  neuen  Angaben  über 
Erhebung  des  Landes  aus  Südamerika  eingelaufen  sind,  und  die 
von  Fonck  ausgesprochene  Vermuthung,  dass  der  Grund  in  der 
grösseren  Entfernung  der  letzten  Stosspunkte  von  der  Küste  zu 


Ergebnisse  der  Prüfung.  I  3  7 

suchen   sei,  scheint  mir  durch  die  vorliegenden  Beobachtungen 
nicht  hinreichend  unterstützt  zu  sein,^^ 

Das  Urtheil  über  die  so  oft  behaupteten  rhapsodischen  Er- 
hebungen des  westlichen  Südamerika  sollte  daher  meines  Er- 
achtens  folgendermassen  lauten : 

1.  In  Callao  wurden  irrthümliche  Meinungen  durch  Küchen- 
reste veranlasst;  hier  handelt  es  sich  um  wiederholte  Anschwem- 
mung und  Abschwemmung  einer  Bank  an  der  Landseite  der  Insel 
S.  Lorenzo. 

2.  In  dem  Falle  von  Valparaiso  1822  wird  von  den  be- 
rufensten Augenzeugen,  wie  Cuming,  jede  Veränderung  der 
Strandlinie  entschieden  geläugnet. 

3.  Bei  dem  Erdbeben  von  Concepcion  1835  war  die  Be- 
wegung der  Wassermasse  des  Pacifischen  Oceans  so  heftig,  dass 
bald  nach  dem  Stosse  einige  Fuss  Landes  am  Strande  trocken 
blieben;  dies  hielt  nicht  an;  mehrere  Wochen  vergingen  jedoch, 
bis  das  Gleichgewicht  des  Meeres  wieder  hergestellt  war. 

4.  Ueber  Valdivia  1837  liegen  überhaupt  keine  genaueren 
Angaben  vor. 

5.  Bei  keiner  der  zahlreichen  seitherigen  Erschütterungen 
des  westlichen  Südamerika  ist  eine  Erhebung  des  Landes  be- 
merkt worden. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  II :  Einzelne  Scliüttergebiote. 


=  Kilm.  Naumitnn,  Ueber  Enibeben  und  Vulcnnausbnichc  ia  Japan;  aus  den 
Miltlicil.  lUr  ili:ulS4:h.  GLSL-IWh.  f.  Xatur-  und  VSlkcrkumle  Ü.st-Askn\  15.  Heft,  (;'■  -l". 
Yokohama.   1S78,  S.  4,  5. 

^   J.  ^[ilnc,   Kotes   on   the   great   Earth(iu.ikrs   of  Js\an;    Trans.  SeismuL  Soc.  of 

Ja|>. »81.  in,  p.  iiä-  io=. 

I  J.  D.  Whitni-y,  The  Owen'ü  Valley  Earthquakc  nf  Mardi  jf.,  18;::  Overlaad 
Monthly  for  \ag.  and  Sept.  1872,  p.  273. 

!.  A.  11.  Wynne.  Notes  on  the  F-irthiiuakc  in  Ihc  Punjah  of  Marcli  I-",  1S7S; 
Journ.  As.  S.H-.  Itenunl,   :878,  XLVIIli,  p.   131  —  140. 

o  Alh.  Heim.  Die  schweizerischen  Enlbelx-n  vom  November   1871  bis  l£ndt    l«80; 
n.uh  di-n  von  i\vt  Knll>cben-Commission  (;e,™minulti;n  Rtnchlen,  4",  Bern,   1H81;  S.  18 — 20, 
7  J.  Milnc,  The  dislrib.  o(  seism.  Aclivily  in  Jap.-in;   Trans.  Ijeismol.  Soc.  of  Japan 
188;.   IV.  |i.  Jo. 

»  Kussi,  Meteoriilocia  F.ndo|,-ena,  8°,  vol.  II,    1882:   Micr»siNmo1oi;ia. 
9  Kyren,  Bull.  Acad.  Pitcrsb.   1877.  XXIV,  p.  507. 

>"  f..  H.  Jeiltcles,  Bericht  üh.  J.  Erdbolicn  .im  i;.  Janu.ir  1858  in  den  Karpathen 
und  Sudelen,  Silüiinirsber.  k.  Ak.vl.  Wiss.  Wien,  XXXV.  1858,  S.  ;il-5<)2  und  Knrle; 
Jul.  Schmidt,  Untersuchuni;cn  üli.  d,  Enlliebcn  vom  15.  Januar  1858.  Mitlhcil.  Reof;r. 
C.e-ellseh.  Wien,  11,  S.  l3i— 2o3  und  Karle;  A.  Kornhuber,  Erill>ebcn  vom  15.  Januar 
l8;8,  liesiinders  nicksichtlich  seiner  Verbreitung  in  Unjjam,  Her.  dei  Vereins  f.  Nalutk. 
in  l'rcssburg.   1858. 

■■  Die  Erdbeben  Xieder-Oe.sterreichs,  Denkschr.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,  1873,  XXXIII. 
S.  1  —  38  und  Karten. 

iJ  Die  Hauplquelle  für  diu.ses  Belwn  isl  eine  Note  in  rocgcndorff's  Ann.il.  I'hys. 
Chem.   l837,  42.  Bd.,  S.  685-690. 

'3  Xach  einer  Sammlung  noch  ungedruckter  Berichle. 

M  Bittncr.  Beitr.  ^ur  Kenntniss  des  Erdbebens  von  Itclluno  vom  29.  Juni  [873; 
Sitiunßsber.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,    1874,  Bd.  69,  S.  (1. 

•i  R.  Hoernes,  Erdbcbcnstudicn ;  Jahrb.  gcol.  Reichsanst.  1878,  XXVIII,  S.  38? 
bis  448  und  Karte, 

'6  H.  Hoefcr,  Die  Erdl>cben  Kärnten's  und  deren  Stosslinien;  Denkschr.  k.  Akad. 
Wiss.  Wien,  1880,  Bd.  42,  i.  Abth.,  S.   1  —  90  und  Karten. 

■7  R.  Hoernes,  Das  Erdbeben  von  Bclluno  am  29.  Juni  1873;  Mitlheil.  d.  naiunv. 
Vereins  (.  Steiermark,   1877,  u.  a.  .ind.  Orten. 

'*  R,  IJittnei,  Die  hi^oI.  Verh.ältnisse  von  Heraslcin  in  Niederiislerreich.  Mit 
thterit.  Sr.  k.  Höh.  des  Erih.  Leopold  hcr.iusgegeben  von  M.  A.  Becker,  I,  4",  1882,  S.  3o8. 
■9  Die  Erdbeben  des  südlichen  Italien,  Denkschr.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,  XXXIV. 
S.  1 — 32;  wesentliche  ErRänzungen  der  damals  gegebenen  Sh'w.r.c  des  geologivchen 
finden    sich    in    t..  Burgerslein  und  F.  Noe,  Geolog.  Beobachtungen  im  südlichen 


Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  II.     Einzelne  Schüttergebiete.  '39 

Calabrien,  Sitzungsbcr.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,  1880,  Bd.  81,  a,  S.  154,  mit  Karte  und  Prof., 
in  der  ausführlichen  Monographie  der  jüngeren  Ablagerungen  von  G.  Seguenza,  Le 
formazioni  terziarie  nella  prov.  di  Reggio,  Atti  della  R.  Accad.  dei  Lyncei,  3.  ser.,  VI, 
1880,  und  in  E.  Cortese,  Sulla  formaz.  dcllo  Stretto  di  Messina,  BoUet.  comit.  geol.  1882, 
XI ir,  p.  4  —  39,  tav.  I,  II. 

20  Fr.  Hoffmann,  Ucber  die  geognostische  Beschaffenheit  der  Liparischen  Inseln, 
Schreiben  an  Herrn  L.  v.  Buch;  Annal.  l*hys.  Chem.  i832,  S.  81—88,  Taf.  IV. 

2»  J.  \V.  Judd,  Contributions  to  the  Study  of  Volcanos,  Geol.  Magaz.,  Jan.  1875, 
insbes.  ]).  4  und  214  und  das  Kärtchen  auf  p.  7.  In  letzter  Zeit  hat  Cortese  folgende 
Spaltrichtungcn  angenommen:  l.  Ostwest:  Alicuri,  Filicuri,  Saline;  2.  Nordost-Süd- 
west: Stromboli,  l'anaria,  n.  Theil  von  Lipari;  3.  Nordsüd:  Lipari,  Vulcano,  Vulcanello; 
Cortese,  Sulla  cort.  geol.  dell'  Isola  di  Lipari;    Bollet.  comit.  geol.  1881,  2.  ser.,  II,  p.  502. 

22  Ath.  Kircheri  Mundus  subterraneus,  Praef.  und  p.  240. 

23  Cielppolito  in  Hamilton's  Bericht;  Philos.  Transact.  1783,  p.  2l3  u.  folg. 

24  Grimahli,  Descrizione  de*  Tremuoti  accad.  nelle  Calabric  nel  1783;  8°,  Napoli, 
1784,  p.  46. 

25  Ferrara,  Mem.  Sopra  i  Tremuoti  della  Sicilia  in  Marzo  l823;  8",  Palermo, 
1823,  insbes.  p.  23,  32  u.  folg. 

26  Es  ist  absichtlich  unterlassen  worden,  jenes  wunderbare  System  von  radialen 
Sprüngen  anzuführen,  welches  Rossi  als  vom  Albaner  Gebirge  ausstrahlend  beschrieben 
hat.  Den  Ergebnissen  dieses  emsigen  Beobachters  über  Bewegung  auf  Spalten  will  ich 
gerne  im  Wesentlichen  zustimmen,  ebenx)  einzelnen  Beobachtungen  von  Brüchen,  wie  ins- 
besondere dem  von  Ponzi  geführten  Nachweise  eines  Bruches  im  Tiberthale  in  Rom  selbst. 
Aber  es  scheint  mir  gerade  nach  Ponzi's  Arbeiten  kaum  thunlich,  auf  Breislak's  Meinung 
zurückzukommen,  dass  auf  dem  Forum  selbst  ein  Vulcan  sich  befunden  habe,  und  noch 
viel  weniger  dürfte  es  möglich  sein,  aus  Erderschütterungen  einzelne  so  nahe  anein- 
anderliegende Linien  mit  nur  einiger  Sicherheit  zu  erkennen,  nnmentlich  nicht  aus  einer 
Erschütterung,  welche  alle  zur  selben  Zeit  getroffen  hat.  Die  calabrischen  Radiallinien 
sind  von  einander  weit  entfernt  und  sind  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten  selbständige  seis- 
mische Stosslinien  gewesen;  M.  St.  de  Rossi,  Meteor.  Endog.,  I,  p.  2CX) — 238;  Atti  Accad. 
N.  Lyncei,    1873. 

27  W.  M.  Gabb,  Notes  on  Costa  Rica  Geology ;  Americ.  Journ.  sc.  arts,  1875, 
3.  ser.,  IX,  p.  198 — 204,  p.  320;  Humboldt  hielt  den  Pico  Blanco  für  einen  »ungeöff- 
neten Trachytkegel'  (Kosmos,  IV.  1858,  S.  3o7),  M.  Wagner  für  einen  Vulcan  (Naturw. 
Reisen  im  tropischen  Amerika,  8°,    1870,  S.  323  u.  folg.). 

2fi  Die  Lage  von  Lyon  und  Ujum  zum  Pico  Blanco  ist  gut  ersichtlich  auf  der  Karte 
in  Petermann's  geogr.  Mittheil.  1877,  XXIII,  Taf.  18;  für  die  nördlicher  folgende 
Gegend  bis  zum  See  von  Nicaragua  mag  die  Karte  von  Frantzius,  eb.  das.  1869,  XV, 
Taf.  5   dienen. 

29  K.  V.  Seebach's  Besteigung  des  Vulcans  Turrialba  in  Costa-Rica;  Petermann's 
geogr.  Mittheil.  1865,  XI,  S.  322,  Taf.  IX.  Das  Vorland  vom  Fussc  des  Turrialba  zum 
Golf  von  Nicoya  wird  von  Attwood  als  gänzlich  aus  verfestigter  Asche  mit  Zügen  von 
Augit-Andesit  bestehend  dargestellt;  es  enthält  die  Gold  und  Silber  führenden  Gänge  der 
Aguacate- Berge;    Attwood,    On   the   geol.  of  part  of  Costa-Rica,  Quart.  Journ.  geol.  Soc. 

1882,  XXXVIII,  p.  328—339. 

30  K.  V.  Seebach,  Petermann's  geogr.  Mittheil.  1866,  XII,  S.  274. 

3»  A.  DoUfuss  et  E.  de  Mont-Serrat,  Voy.  göol.  dans  les  Republ.  de  Guate- 
mala et  de  .Salvador  (Miss,  scientif.  au  Mexique  et  dans  l'Amer.  centr.,  Geologie),  40,  Paris, 
l8(>8,  p.   327. 

32  K.  V.  See b ach,   Petermann's  geogr.  Mittheil.  1866,  XII,  S.  273. 

33  E.  G.  S{juier,  The  Volcanos  of  Cenir.  America  and  the  geogr.  anrl  topogr. 
featuies  of  Nicaragua;  X.  Ann.  Meeting  of  the  Am,  Assoc.  at  New-Haven,  22.  Aug.  l8c;o. 
Aus  der  New-York  Daily  Tribüne,  80,    1850,  p.  5,  6. 


I  40  Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  IT.     Einzelne  Schüttergebietc. 

34  A.  B.  Dickerson,  On  thc  Volc.  Eruption  near  the  city  of  Leon,  Amer.  Journ. 
sc.  arts,  1868,  2.  scr.,  XLV,  p.  l3l  — 133;  auch  vollinhaltlich  abgedruckt  bei  AI.  Perrey, 
Note  sur  les  tremblements  de  terre  en  1866  et  1867  (aus  dem  Bull.  Acad.  roy.  Bclg.  i8(>8), 
p.  197 — 200  und  bei  Dollfuss  et  Mont-Serrat,  p.  827 — 33o. 

35  Dollfuss  et  Mont-Serrat,  p.  333  —  340. 

36  Dieselben  eb.  das.  p.  296,  297. 

i7  Edwin  Rockstroh,  Informe  de  la  Commission  scicntif.  del  Instit.  Nacion.  de 
Guatemala  nombr.  p.  et  Sr.  Ministro  de  Instrucc.  Publ.  para  el  Estudio  de  los  Fcnomenos 
volciin.  en  el  Eago  de  Ilopango;  80,  Guatemala,   1880,  61  pp.  und  Karte. 

3^  K.  V.  Scebach,  Ueber  den  Vulcan  Izalco  und  den  Bau  der  central-amerikani- 
schen  Vulcane  im  Allgemeinen;  Nachr.  v.  d.  kön.  Gesellsch.  d.  Wiss.  a.  d.  G.  A.  Univ. 
zu  Göttingen,  1865,  S.  521 — 547.  Prof.  v.  Fritsch  hat  die  ausserordentliche  Güte  gehabt, 
mir  aus  Seebjich's  Manuscripten  eine  Skizze  der  Umgebung  des  Izalco  mitzutheilen.  Doll- 
fuss und  Mont-Serrat  ist  sonderbarerweise  selbst  die  Thatsache  von  Seebach's  nicht  sehr 
lange  vorher  unternommenen  Besteigung  dieses  Vulcans  unbekannt  geblieben. 

39   J.    A.   Lizarzaburu,    Observaciones    Meteorol.   correspond.   al  anno    de     1862, 

hechas  en  el  Observat.  del  Seminario  de  Guatemala.     (Aus  der  Gaceta  de  Guatemala.)     8<^, 

17  pp.     Ich    verdanke    die   Mittheilung    dieser  Beobachtungen  Herrn  Edw.  Rockstroh    in 
Guatemala. 

•»o  Lettre  de  Mr.  Gay  ä.  Mr.  Arago;  Comptes  rend.   i838,  VI,  p.  833. 

4»  Humboldt,  Kosmos,  I,  S.  210. 

42  Ch.  Darwin,  Journal  of  Researches,  8°,    i839,  p.  451   u.  a.  and.  Ort. 

43  Ch.  Wilkes,  U.  S.  Exploring  Expedition,  X,  Geology  by  J.  D.  Dana,  4°, 
1849.  P-  591- 

44  A  True  and  Particular  Relation  of  the  dreadful  Earthquake,  which  ha])])end  at 
Lima  etc.  p.  146.  Von  einer  Hebung  des  Landes  ist  in  diesem  ausführlichen  Berichte 
keine  Rede. 

45  Newbold,  Summary  of  the  Geol.  of  South.  India;  Journ.  Roy.  Asiat.  Soc.  1846, 
VIH,  insbes.  p.  280  u.  folg.;  citirt:  Thomson,  Madras  Journ.  Litt.  Science,  Jan.  1837, 
p.   176,   177. 

46  V.  Tschudi,  Peru,  Reiseskizzen,  8«,   1846,  I,  S.  43  — 49. 

47  Mrs.  Maria  Graham,  An  Account  of  some  Effects  of  the  late  Earth(|uakes  in 
Chili,  extr.  from  a  letter  to  H.  Warburton  Esq.;  Transact.  Geol.  Soc.  1822,  2^  ser.,  I, 
p.  4l3 — 415;  Greenough  hatte  als  Präsident  dieser  hervorragenden  Gesellschaft  in  seiner 
Jahresadresse  vom  4.  Juni  i834  grosse  Zweifel  über  diese  Angaben  ausgesprochen;  es  folgte 
eine  selbständige  Schrift:  Mrs.  Calcott  (ehemals  Mrs.  Graham),  Letter  to  the  President  and 
Members  of  the  Geol.  Soc.  etc.,  8",  London,  i834,  welche  aber  keine  neuen  Thatsachen  brachte. 

48  Proceed.  geol.  Soc.  i838,  H,  p.  2i3;  Capitän  Belcher*s  und  Mr.  Cuming's 
Briefe  wurden  mitgetheilt  in  der  Sitzung  vom  2.  Dec.  183$.  Später  hat  E.  Chevalier 
(in  dem  Reisewerke  der  I^onite  und  in  einer  Note  sur  la  constit.  geol.  des  cnvir.  de  Val- 
paraiso et  sur  le  soulcvement  du  sol  de  la  cötc  du  Chili,  Bull.  soc.  g6ol.  1843,  XIV, 
p.  396 — 401)  auf  Grund  der  Vergleichung  der  Sondirungen  von  Ulloa,  1744»  und  von 
Dupetit-Thours,  i837,  ebenfalls  jede  wesentliche  Aenderung  in  der  Nähe  von  Valparaiso 
geleugnet,  aber  versucht,  sogar  alle  Conchylicn  führenden,  terrassirten  Ablagerungen  längs 
der  Küste  als  Wirkungen  seismisch  erregter  Hochfluthen  darzustellen. 

49  Don  PInrique  Concha  i  Toro,  Estudio  sobre  el  carbon  fosil  que  se  explota 
en  Chile;  Anal.  Univ.  Chile,  1876,  p.  337-423  und  2  Taf.;  auch  Sieveking,  Peter- 
mann's  geogr.  Mittheil.   i883,  XXTX,  S.  57—61. 

50  (R.  Fitzroy),  Sketch  of  the  Surveying  Voyages  of  H.  M.  Ships  Adventure  and 
Beagle;  Journ.  Roy.  Geogr.  Soc.  l836,  VI,  p.  3l9— 33i.  Noch  weiter  im  Süden  soll  die 
Insel  Mocha  (38°  12')  um  2  Fuss  gehoben  worden  sein,  doch  scheinen  die  Nachrichten 
wenig  bestimmt  zu  sein. 


Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  II.     Einzelne  Schüttergebietc.  I  4  I 

5>  Ch.  Darwin,  Geol.  Observ.  on  the  volc.  Islands  etc.,  2^  etl.,  1876,  p.  237;  ebenso 
Domcyko,  ,Sin  embargo,  por  las  noticias  recibidas  posteriorraente  por  FiUroy,  parece 
que  desde  entonces  el  mencionado  puerto  de  la  isla  ha  ganado  multo  en  ])roruudidad,  i 
quo  toda  csta  parte  de  la  costa  de  Chile  que  el  terremoto  de  i835  habia  lcvanta<lo,  ha 
vuelto  a  bajar  i  hundirse  en  el  mar*;  Solevantamiento  de  la  Costa  de  Chile,  Anal. 
Univ.  Chile,  1860,  p.  576. 

52  AI.  Caldclcugh,  An  Account  of  the  grcat  Earthquakc  experienced  in  Chile 
20.  Febr.  l835;  Philos.  Transact.    i836,  p.  24. 

53  Capit.  Coste,  Comptes  rcnd.  i838,  VII,  p.  706. 

54  In  der  Sitzung  vom  4.  Januar  1837.  Man  findet  in  den  Proc.  Geol.  Soc,  II, 
p.  179  eine  Note  von  Lieut.  Freyer  über  scheinbare  Erhebung  des  Landes  mit  Bezug  auf 
die  Aluschelbänkc  von  Arica  und  die  Insel  S.  Lorenzo  bei  Callao;  p.  209  den  ersten  Be- 
richt Fitzroy*s  über  S.Maria  und  eine  Mittheilung  von  R.  E.  Alison  über  diesen  Ge- 
genst;ind;  p.  444  eine  Abhandlung  von  Caldcleugh,  und  p.  446  eine  andere  von  Darwin; 
dann  ist  der  in  der  Zeitschrift  ,E1  Araucano*  enthaltene  Aufsatz  von  Rivero,  endlich  der 
Brief  (>)1.  AValpole 's  an  Palmerston  angeführt,  welche  beide  Letztert.n,  wie  gesagt,  jede 
Erhebung  o<ler  Senkung  des  Bodens  in  Abretle  stellen. 

55  Lyell.  Princ.  Geol.,  XI.  ed.,   1872,  II,  p.    156. 

56  Comptes  rend.   i838,  VII,  p.  707. 

57  Dumoulin,  Lettre  i\  M.  Arago;  Coincidence  de  date  de  (juehjues  mouvements 
extraordinaires  de  la  mer,  observes  dans  TOceanie,  avec  le  tremblement  de  terre,  (jui  en 
1837  renversa  la  ville  de  Valdivia  au  Chili;  Comptes  rend.  1840,  X,  p.  835  —  837. 

58  v.  Bibra,  Die  Algodon-Bay;  Denkschr.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,  1852,  IV, 
S.  75—116. 

59  D.  Forbes,  On  the  Geol.  of  Bolivia  and  S.  l*eru;  Quart.  Journ.  Geol.  Soc.  1861, 
XVir,  p.   10. 

^  Ch.  Darwin,  Journ.  Res.  p.  452;  Proc.  (leol.  Soc,  II,  ]>.  488.  Die  Kirche  S.  Augu- 
stin in   Valparaiso  wi<lerspricht  einer  Hebung. 

<5'  Philippi,  Die  sogenannte  Wüste  Atacama;  Peterniann's  geogr.  Mittheil.  1856, 
S.  56,  und  brieflich  in  H  och  stet  ter,  Erdbeben  von  Peru  und  seine  Fluth  wellen. 

6^  Ch.  Darwin,  On  the  Connexion  of  certain  Volcanic  Phenoniena  in  South- 
America  and  the  formation  of  Mountain  Chains  and  Volcanos,  as  the  Efl'ect  of  the  same 
Power  by  which  Continents  are  elevated;  Transact.  Geol.  Soc,  V,  i838,  p.  601 — 63 1, 
pl.  XLIX. 

^3  Boussingault ,  Sur  les  tremblements  de  terre  des  Andes ;  Ann.  ehem.  phys. 
1835,  t.  58,  p.  81,  85.  Die  angeführten  Beispiele  beziehen  sich  allerdings  nur  auf  den  Ein- 
sturz von  Berggipfeln ;  die  Ansichten  über  die  Erhebung  der  Gebirge  im  festen  Zustan<le 
und  die  Zusammensetzung  der  Ketten  aus  Schollen  von  verschiedtrner  (irösse  sind  jedoeh  für 
<iie  damalige  Zeit  sehr  bemerkenswcrth ;    siehe  auch  Humboldt,  Kosmos,  IV,  S.  219,  490. 

64  K.  Fuchs,  Vulcane  und  P>dbeben,  8°,  1875,  S.  178;  ähnlich  das  anonyme  Werk: 
Scepticism  in  (xcology  and  the   Reasons  for  it,  8°,  Lon<lon,    1877,   p.  10  u.  folg. 

^5  F.  Fouck,  Las  ajitaciones  oceanicas  causad.  en  les  costas  del  Pacifico  por  el 
tcrrem.  d.    l3.  agosto   1868;  An.  Univ.  Chil.   1871,  p.  3o2,  3o3. 


DRITTER  ABSCHNITT 


Dislocationen. 


Zcrlcgunjj  der  Spannungen.  -  Dislocation  durch  tangentiale  Bewegung.  —  Faltung.  — 
Schuppenstructur.  —  Ueberscliiebungs-  oder  Wechselflächen.  —  Verschiebungs-  oder  Blatt- 
flächen. —  Torsion.  —  Di.slocation  durch  radiale  Bewegung.  —  Einsinken  auf  weichender 
Grundlage.  —  Flexuren  und  Verwerfungen.  —  Sprungnetzc.  —  Kesselbrüche.  —  Dislocation 
aus   vereinigter   radialer   und   tangentialer  Bewegung.  —  Rückfaltung  und  Einklemmung.  — 

Vorfaltung. 


Üs  hat  sich  in  den  letzten  Jahren  in  Betreff  der  Bildung  der 
Kettengebirge  ein  wesentlicher  Umschwung  der  Meinungen  voll- 
zogen. Abgesehen  von  den  vortrefflichen  älteren  Arbeiten  Favre's, 
haben,  um  nur  von  Europa  zu  sprechen,  Heim,  Baltzer,  Mojsi- 
sovics  u.  A.  in  den  Alpen,  Paul  in  den  Karpathen,  Credner  im 
Erzgebirge,  Lossen  im  Harz,  MTherson  in  Spanien  und  viele  An- 
dere so  wesentlich  zu  einer  richtigeren -und  auf  eine  weitere  Er- 
fassung der  Thatsachen  begründeten  Auffassung  des  Baues  der 
grossen  Kettengebirge  beigetragen,  dass  es  überflüssig  geworden 
ist,  auf  eine  Widerlegung  der  älteren  Meinungen  von  der  Er- 
hebung der  Gebirge  einzugehen.  Andererseits  muss  zugestanden 
werden,  dass  die  neueren  Anschauungen  über  die  Bildung  der 
Gebirge  durch  allgemeine  Bewegungen,  welchen  gegenüber  alle 
Felsarten  in  gleichem  Maasse  passiv  sind,  dennoch  erst  in  ihren 
Grundsätzen  feststehen.  Die  Einzelheiten  der  Vorgänge  durch  eine 
genaue  Prüfung  und  Vergleichung  einzelner  Fälle  zu  ermitteln, 
ist  die  Aufgabe  der  nächsten  Jahre.  Jede  genaue  Untersuchung 
des  Wesens  irgend  einer  bestimmten  Dislocation,  jede  gewissen- 
hafte Darstellung  irgend  eines  grösseren  künstlichen  Aufschlusses, 
wie  das  Gotthard-Profil  von  Stapff  oder  das  Bötzberg-Profil  von 


Zerlegung  der  Spannung.  14^ 

Moesch,  gewinnt  hiedurch  erhöhtes  Interesse,  und  dankbar  wendet 
man  sich  auch  dem  grossen  Schatze  älterer  Beobachtungen  von 
Neuem  zu.  So  anerkenne  ich  hier  gerne  die  vielfache  Anregung, 
\velche  mir  aus  v.  CarnalFs  nun  bald  fünfzig  Jahre  altem  Buche 
über  die  Sprünge  im  Steinkohlengebirge  zu  Theil  geworden  ist. 
Ich  nehme  auch  keinen  Anstand,  zu  gestehen,  dass  bei  allem  In- 
teresse für  die  vielfachen  Versuche,  die  Erscheinungen  des  Bruches 
oder  der  Faltung  künstlich  hervorzubringen,  mir  für  den  Augen- 
blick die  Untersuchung  entscheidender  Punkte  in  der  Natur  selbst 
von  weit  grösserer  Wichtigkeit  erscheint.  Der  Querschliff  irgend 
eines  Brockens  von  gefaltetem  Schiefer  oder  der  genaue  Riss 
irgend  eines  bergmännischen  Aufschlusses,  etwa  wie  Köhler's 
Skizzen  aus  dem  westphälischen  Steinkohlengebirge,  führt  uns 
unmittelbar  dem  Verständnisse  einer  Reihe  von  mechanischen  Vor- 
gängen näher,  welche  früher  nur  selten  die  verdiente  Aufmerksam- 
keit gefunden  haben. ' 

Die  sichtbaren  Dislocationen  in  dem  Felsgerüste  der 
Erde  sind  das  Ergebniss  von  Bewegungen,  welche  aus 
der  Verringerung  des  Volums  unseres  Planeten  hervor- 
gehen. Die  durch  diesen  Vorgang  erzeugten  Spannungen  zeigen 
das  Bestreben,  sich  in  tangentiale  und  in  radiale  Spannungen 
und  dabei  in  horizontale  (d.  i.  schiebende  und  faltende)  und  in  ver- 
ticale  (d.  i.  senkende)  Bewegungen  zu  zerlegen.  Man  hat  daher  die 
Dislocationen  in  zwei  grosse  Hauptgruppen  zu  trennen,  von  welchen 
die  eine  durch  mehr  oder  minder  horizontale,  die  andere  durch 
mehr  oder  minder  verticale  Ortsveränderungen  grösserer  oder 
geringerer  Gebirgstheile  gegen  einander  erzeugt  worden  ist. 

Es  gibt  weite  Gebiete,  in  welchen  die  erste,  und  andere,  in 
welchen  die  zweite  Gruppe  vorherrscht,  und  es  gibt  auch  Strecken, 
in  welchen  beide  gemeinsam  erscheinen  und  ein  innerer  Zusam- 
menhang zwischen  beiden  erkennbar  ist,  in  welchen  daher  die 
räumliche  Zerlegung  eine  minder  vollständige  gewesen  ist.  Dieser 
wesentliche  Unterschied  in  den  Bewegungen  der  Lithosphäre  ist 
aus  einer  Vergleichung  der  Structur  der  alten  Welt  deutlich  er- 
kennbar; er  ist  auch  den  amerikanischen  Geologen  nicht  ent- 
gangen. Die  geologische  Provinz  des  Great  Basin,  sagt  Clarence 
King,    h^    zwei    verschiedene    Typen    dynamischer    Thätigkeit 


1^4  Tangentiale  Bewegung. 

erlitten:  einen,  in  welchem  sichtlich  tangentialer  Druck  der  haupt- 
sächliche Factor  war,  und  welcher  Contraction  und  Faltung  er- 
zeugte, wahrscheinlich  in  postjurassischer  Zeit;  einen  anderen 
von  streng  verticaler  Thätigkeit,  wahrscheinlich  innerhalb  der 
tertiären  Epoche,  in  welcher  wenig  Beweise  oder  Spuren  von  tan- 
gentialem Drucke  vorhanden  sind.* 

Unsere  Fachgenossen  jenseits  des  Oceans  sind  sogar  um  ein 
gutes  Stück  weiter  gegangen.  Schon  im  Jahre  1875  sprach  Gilbert 
bei  der  Vergleichung  der  gefalteten  Appalachien  mit  den  gesenk- 
ten Basin  Ranges  die  Vermuthung  aus,  dass  in  den  Appalachien 
die  bewegenden  Ursachen  oberflächlich,  in  den  Basin  Ranges 
tiefliegend  seien, ^  Wir  werden  Gelegenheit  haben,  aus  dem 
Verhalten  der  Alpen  gegen  ihr  nördliches  Vorland  zu  entnehmen, 
bis  zu  welchem  Grade  diese  Vermuthung  in  Europa  Bestätigung 
findet.  Es  mag  jedoch  schon  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden,  dass 
in  der  Regel  nur  die  Dislocationen  der  zweiten  Gruppe  von  vul- 
canischen  Ausbrüchen  begleitet  sind. 

Aus  diesen  allgemeinen  Betrachtungen  ergeben  sich  die 
Grundsätze,  nach  welchen  die  Terminologie  der  Gebirgsstörungen 
zu  ordnen  ist. 

A.    Dislocation  durch  tangentiale  Bewegung. 

Wir  beginnen  nun  mit  jenen  Bewegungen,  welche  aus  tan- 
gentialen Spannungen  hervorgehen. 

Die  einfachste  und  unmittelbarste  Folge  einer  annähernd 
horizontalen  Bewegung  der  obersten  Theile  der  Erde  ist  das  Ent- 
stehen langer  Falten,  deren  Sättel  eine  Strecke  weit  hinstreichen, 
dann  allmälig  verflachen  und  durch  andere  Sättel  abgelöst  werden, 
welche  parallel  und  mehr  oder  minder  abwechselnd  stehen.  Wohl 
mag  auch  einmal  ein  Sattel  sich  in  spitzem  Winkel  spalten.  Solche 
Falten  werden  gestaut  durch  entgegenstehende  Hindernisse,  und 
ihr  Streichen  krümmt  sich  dann  im  Sinne  der  allgemeinen  Bewe- 
gung nach  vorwärts.  Der  mittlere  Theil  des  Juragebirges  ist  ein 
seit  lange  bekanntes,  treffliches  Beispiel  für  diesen  Fall. 

Faltung  erscheint  in  den  verschiedensten  Formen  und  in 
den  verschiedensten  Felsarten  und  Höhen.    In  den  gelTänderten 


Pal  taug. 


145 


Menilit-führenden  Schiefer massen,  welche  in  Mähren  den  äusseren 
Saum  des  westlichen  Endes  der  Karpathen  begleiten,  sieht  man 
Faltungen  von  der  Regelmässigkeit  eines  schematisirten  Modells. 
Wer  die  Wände  des  Axenberges  an  dem  Vierwaldstättersee  ge- 
sehen hat,  wird  erstaunt  gewesen  sein  über  die  unentwirrbare 
Verknetung  der  Kalkbänke.  Auf  Höhen,  welche  die  höchsten 
Gipfel  der  Alpen  weit  überragen,  treten  im  Himalaya  gewaltige 


Falten  auf  Der  Faltenbau  der  Appalachien  ist  in  seiner  gross- 
artigen Einfachheit  der  Ausgangspunkt  von  wichtigen  tektonischen 
Arbeiten  in  Amerika  schon  zu  einer  Zeit  gewesen,  als  in  Europa 
noch  jeder  grössere  Faitensattel  als  eine  selbständige  Erhebungs- 
linie angesehen  wurde. 

Staut  sich  die  faltende  Masse  in  sich  selbst,  so  thürmt  sie 
sich  zu  Luftsälteln  auf,  welche  wohl  auch  gegeneinander  geneigt 
sein  mögen.  IJie  Luftsättel,  welche  Kauffmann  vom  Pilatus,  Escher 


I  ^6  Neigung  cict  Fallen 

vom  Säntis,  v.  Richthofen  vom  Formarinsee  in  Vorarlberg',  Lotti 
in  den  Apuanischen  Alpen  beschrieben  haben,  zei^^en  verschieden- 
artige Abänderungen  dieser  Erscheinung. 

Es  ist  ganz  richtig,  dass,  wie  Heim  hervorhebt,  bei  gleicher 
Bewegung  Falten  entstehen  können,  welche  nach  entgegen- 
gesetzten Himmelsrichtungen  geneigt  sind,  dass  also  z.  B.  in 
einem  nach  Nord  bewegten  Gebirge  nach  Nord  geneigte  und  auch 


nach  Süd  geneigte  Falten  auftreten  können,  und  wohl  eben  so 
richtig,  dass  als  der  erste  Anlass  für  die  Neigung  eines  solchen 
Luftsattels  die  Höhe  des  Fusspunktes  der  Faltung  angesehen 
wird.'  Aber  die  Erfahrung  lehrt,  Thurmann  hat  es  vor  Jahren  im 
Jura  gezeigt  und  Heim  selbst  bestätigt  es  an  vielen  Stellen  seines 
inhaltreichen  Werkes,  dass  die  übergrosse  Mehrzahl  der  geneigten 
Falten  eine  und  dieselbe  Neigung  hat,  so  zwar,  dass  der  Scheitel 
der  Falte  gegen  aussen,  die  folgende  Mulde  gegen  innen,  in  dem 


Finster-Aathorp-Masse.  ^47 

grössten  Theile  der  Alpen  also  der  Sattel  gegen  Nord,  die  Mulde 
gegen  Süd  gerichtet  ist.  Dieser  Umstand  ist  es  auch,  welcher  der 
von  B.  Studer  ausgesprochenen  Regel  zu  Grunde  liegt,  dass  die 
C-förmig  gekrümmten  Schichten  in  den  Schweizer  Alpen  die  offene 
Seite  nach  aussen  kehren.  Das  grösste  und  merkwürdigste  Bei- 
spiel von  Einfaltung  und  Ueberfaltung  bieten  die  von  Heim  und 
Baltzer  so  eingehend  dargestellten  Beziehungen  der  Trias  und 
des  Jurakalkes  zum  Gneiss  an  dem  Nordabhange  der  Finster- 
Aarhom-Masse.  ^ 

Der  Gipfel   der  Jungfrau   besteht   800  M.   hoch   aus   über- 
schobenem  Gneiss;  unter  demselben  sind  die  schroffen  Abstürze 


der  Nordseite  aus  jurassischem  Kalkstein  gebildet,  welcher  in 
zwei  grossen  Synklinalen  Falten  eingeknetet  ist  in  den  Gneiss, 
und  unter  den  Wänden  von  Jurakalk  tritt  wieder  der  Gneiss  her- 
vor. Der  höher  liegende  der  beiden  jurassischen  Keile  dringt 
aber,  sich  fortwährend  verengend,  3  Km,  tief  in  die  Gneissmasse 
ein,  während  der  tiefere  stumpf  endet.  Es  setzt  sich  ostwärts  an 
dem  ganzen  Nordabhange  des  grossen  Gebirgsstockes  unter  ver- 
-schiedenen  Abänderungen  diese  Ueberfaltung  fort.  Herr  Baltzer 
hat  die  Güte  gehabt,  mich  von  Hof  bei  Meyringen  auf  den  Urbach- 
sattei  unter  dem  Gstelli-Horn  zu  führen,  wo  fünf  liegende  Falten 
von   Gneiss,   zum   Theile  von  Triasformation   umgürtet,    in   den 


I  4o  Umwandlung  in  Marmor. 

Jurakalk  eingreifen.  Das  steile,  durch  Erosion  abgetrennte  Gstelli- 
Horn  besteht  aus  einer  Kuppe  von  Gneiss,  welche  ein  Theil  des 
obersten,  fünften  Gneisskeiles  ist,  unter  dieser  Kuppe  aus  einer 
eingefalteten  Masse  von  Jurakalkstein,  welche  schroffe  Wände 
bildet  und  an  deren  oberer  und  unterer  Grenze  Baltzer  Spuren 
der  Triasformation  fand,  dann  unter  diesen  Wänden  wieder  aus 
Gneiss,  nämlich  aus  einem  Theile  des  vierten  Keiles.  Es  ist  eine 
Stelle  von  wunderbarer  Klarheit,  und  Baltzer's  Darstellung  gibt 
ein  vortreflFliches  Bild  von  den  hier  in  all'  ihrer  Grossartigkeit  vor 
das  Auge  gerückten  Knetungen  der  festesten  Felsarten., 

An  den  Enden  der  langen  und  schmalen  Kalkfalten,  welche 
mit  Recht  als  ,ausgewalzte'  Synklinalen  angesehen  werden,  hat 
der  auf  den  Jurakalkstein  geübte  Druck,  verbunden  mit  einer 
horizontalen  Verschiebung  der  Theile,  den  höchsten  Grad  erreicht. 
An  solchen  Stellen  geschieht  es,'dass  einzelne  Kalkstücke,  ab- 
gequetscht von  der  Hauptmasse,  vereinzelt  im  Gneiss  getroffen 
werden.  Ebenso  sind  Gneissstücke  in  den  Kalkstein  gerathen. 

An  denselben  Stellen  der  grössten  mechanischen  Einwirkung 
treten  auch  jene  merkwürdigen  Umwandlungen  von  Jurakalkstein 
in  Marmor  auf,  als  deren  Ursache  die  Bewegung  des  Gebirges 
selbst  erkannt  ist.  Das  Ende  einer  solchen  Kalkfalte  kommt  vom 
Laubstock  an  die  Grimselstrasse  herab  und  ist  dort  auf  das  Leich- 
teste jedem  Besucher  des  Haslithales  zugänglich. 

An  allen  diesen  ausserordentlichen  Erscheinungen,  insbe- 
sondere an  der  Auswalzung  der  Kalkkeile,  scheint  der  Vorwärts- 
bewegung des  hangenden  Gebirges  der  wesentlichste  Theil  zu- 
zufallen. 

Schon  vor  vielen  Jahren  hatten  aufmerksame  Beobachter  der 
Faltungen  im  Juragebirge,  wie  Gressly,  wahrgenommen,  dass 
bei  stärker  geneigten  Falten  das  Bestreben  hervortrete,  nach  einer 
der  Axe  des  Sattels  entsprechenden  Fläche  sich  zu  theilen,  wor- 
auf dann  die  Ueberschiebung  des  hangenden  Theiles  auf  dieser 
Theilungsfläche  erfolgt.  In  gleicher  Weise  hatte  H.  D.  Rogers 
aus  seiner  Untersuchung  der  Appalachien  die  Regel  gewonnen, 
dass  bei  Ueberstürzung  einer  Falte  der  normal  gelagerte  Flügel 
über  den  umgestürzten,  also  der  hangende  über  den  liegenden 
Flügel  hinauf  bewegt  wird.^  Ist  die  ursprüngliche  Falte  nordwärts 


Schuppenstructur.  149 

geneigt  und  die  Bewegung  des  Gebirges  gegen  Nord  gerichtet, 
so  neigt  sich  die  Theilungsfläche  gegen  Süd. 

Man  sieht  nun,  dass  in  gewissen  Gebirgsth eilen  diese  Er- 
scheinung nicht  vereinzelt  auftritt,  sondern  in  mehreren  parallel 
hintereinander  streichenden  Faltensätteln  sich  wiederholt.  Die 
Folge  ist  eine  ganz  eigenthümliche  Structur  des  Gebirges.  In  dem 
ursprünglichen,  geneigten  Faltensattel  zeigte  der  liegende  Theil 
die  verkehrte,  der  hangende  die  normale  Reihenfolge  der  Schichten. 
Indem  nun  durch  die  Ueberschiebung  der  liegende,  das  ist  der 
überstürzte  Flügel  dem  Auge  gänzlich  entzogen  wird,  bleiben 
hintereinander  nur  die  hangenden  Flügel  mit  gegen  das  Innere 
des  Gebirges,  bei  nördlicher  Bewegung  also  südwärts  geneigter, 
doch  normaler  Schichtfolge  sichtbar,  so  dass,  um  eine  von  Albrecht 
Müller  in  Basel  gebrauchte  Bezeichnungsart  zu  wiederholen,  man, 
gegen  das  Innere  des  Gebirges  gehend,  die  Schichtfolge  trifft: 
abcde,  abcde,  abcde.  Ein  einfaches  Faltengebirge  aber 
würde  ergeben:  abcdedcbabcdedcba,  u.  s.  w. 

Es  wird  diese  Erscheinung  weiterhin  als  die  Schuppen- 
structur bezeichnet  werden. 

In  ausgezeichneter  Weise  ist  die  Schuppenstructur,  wie  Bittner 
nachgewiesen  hat,  in  dem  östlichsten  Theile  der  Kalkzone  der 
Alpen,  in  Niederösterreich,  entwickelt.  Die  langen  Streichungs- 
linien haben  hier  bereits  die  nordöstliche  Richtung  der  Karpathen 
angenommen,  und  dieselbe  Schichtfolge  wiederholt  sich  wieder 
und  wieder,  stets  nach  Süd  oder  nach  Südost  geneigt.  ,Man  wird,* 
sagt  Bittner,  ,die  aufeinanderfolgenden  Schichtwiederholungen  als 
ebenso  viele  Hangendflügel  schiefer  oder  liegender  Falten  aufzu- 
fassen haben,  deren  antiklinale  Axen  bei  weiter  fortschreitender 
Entwicklung  der  Falten  gerissen  sind,  wodurch  die  Hangendflügel 
übereinandergeschoben ,  die  liegenden  Flügel  dagegen  sammt 
und  sonders  verdrückt  wurden. '^ 

Derselbe  Bau  ist  auch  in  anderen  Theilen  der  Ostalpen  in 
mehr  oder  minder  ausgeprägter  Weise  anzutreffen,  und  er  wieder- 
holt sich  unter  eigenthümlichen  Umständen  im  östlichen  Jura  ge- 
rade an  der  Stelle  der  grössten  Stauung  gegen  den  Schwarzwald. 
Die  regelmässigen  Falten  des  Juragebirges  strecken  sich  in  weitem 
Bogen  von  West  und  Südwest  her.    Der  Einfluss  des  Schwarz- 


rjO  ,  Tafel-  und  Keltenjnta. 

Waldes  wird  nach  Albr.  Müller  östlich  von  einer  Linie  bemerkbar, 
welche  vom  Westrande  des  südlichen  Schwarzwaldes  gegen  Süd 
über  Kandern  und  Lörrach,  östlich  von  Basel,  längs  der  Birs,  an 
dem  westlichen  Abstürze  des  Gempen-Plateaus  vorbei  gegen  Nun- 
ningen  gezogen  würde.  Oestlich  von  dieser  Linie  liegt  eine  Zone 
von  jurassischen  Ablagerungen  ohne  Faltung,  mit  flachem  süd- 
lichen Fallen  gleichsam  auf  der  Schulter  des  südlichen  Schwarz- 
waldes; dies  ist  der  Tafeljura.  Südlich  von  diesem  Tafeljura 
streicht  der  gefaltete  Kettenjura. 

Von  Nunningen  an  über  Bretzwyl  und  Reigoldtswyl  ist  nun 
nach  demselben  Beobachter  der  nördliche  Theil  des  Kettenjura 
1  bis  1 7,  Km.  weit  auf  den  Tafeljura,  und  zwar  zumeist  der  Rogen- 
stein   des    mitrieren   Jura    auf  den    flach    gegen   Süd    geneigten 


) 


I',  !•         Tri«f„ni,al[«n;y'.y..y.  =    J„r.f..,n,;iti«n ;  »f,  ,c    =  cinKcfall.-lP    MiocSu.chi.h.^n. 

weissen  Jura  hinaufgeschoben,  während  südlich  von  dieser  Ueber- 
schiebung,  namentlich  in  der  Nähe  des  grossen  Ilauensteiner 
Tunnels,  hintereinander  drei  bis  vier  Muschelkalkgräte  mit  be- 
ständigem Südfallen  erscheinen.* 

Die  vorzüglichen  Arbeiten,  welche  Moesch  über  diesen  Theil 
des  Juragebirges  geliefert  hat,  gestatten  nun,  mit  grosser  Deut- 
lichkeit die  allmälige  Veränderung  des  Baues  im  Streichen,  d.  i. 
gegen  Nordost  zu  verfolgen.  An  den  Saalhöfen  unter  der  Gais- 
fluh,  östlich  von  Oltingen,  und  von  da  an  über  Densbüren  und  bis 
an  die  Aare  sieht  man  allenthalben  den  nördlichen  Rand  des  Ketten- 
jura als  ein  von  Süd  her  nordwärts  überworfenes  Gewölbe,  folglich 
mit  überstürzter  ■  Schichtfolge  sich  auf  den  Rand  des  Tafeljura 
legen,  wobei  die  miocäne  Molasse  in  einem  langen  Streifen  ein- 
geklemmt ist  zwischen  das  von  Süd  her  überschobene  Gewölbe 
und  den  von  Nord  her  flach  abdachenden  Tafeljura. 


Die  Habsburg.  I  C  i 

Der  Bötzberg -Tunnel  durchfahrt  von  Süden  her  das  ganze 
überstürzte  Gewölbe  von  Trias  und  Jura,  gelangt  dann  in  die  ein- 
gekeilte Zone  von  miocänen  Ablagerungen  und  durch  diese  end- 
lich in  die  flach  gelagerten  höchsten  Juraschichten  des  Tafel- 
gebietes. '^ 

Die  Ueberstürzung  des  nördlichen  Randes  des  Kettenjura 
setzt  sich  auch  über  die  Aare  fort.  Die  südwärts  geneigten  Bänke 
des  Muschelkalkes  durchqueren  bei  Bad  Schinznach  (/-,  Fig.  1 1)  den 
Fluss  und  streichen  dann  aufwärts  zur  Höhe  des  Wülpelsberges,  wo 
ihre  aufgerichteten  Köpfe  die  ehrwürdigen  Reste  der  Habsburg 


Fig.  II.    Die    Habsburg, 
r*  =  Muschelkalk;  /•  =  Kcupt^r;  ß,  /*,  J*  =  Jurafurroation. 

tragen.  Sie  führen  Placodus  und  Myophoria;  der  Thurm  der  alten 
Veste  steht  auf  ihrer  höchsten  Kante.  Unter  dem  Muschelkalke, 
durch  eine  steile,  bewaldete  Lehne  von  demselben  getrennt,  be- 
finden sich  Brüche  in  Keupergyps  (/^  Fig.  1 1);  diesen  unterlagert 
der  dunkle  Kalkstein  des  unteren  Lias.  Im  Wiesengrunde  darunter 
trifft  man  lose  Blöcke  von  Rogenstein  und  noch  tiefer,  am  Fusse 
des  Berges,  sind  die  Bänke  des  weissen  Jura  aufgeschlossen, 
welche,  60°  nach  Süd  geneigt,  diese  ganze  Schichtenfolge  unter- 
teufen. '° 

Während  so  die  Ueberstürzung  des  Nordrandes  anhält,  er- 
langen im  Innern  des  Kettenjura  die  Falten  mehr  und  mehr  ihren 
normalen  Bau  wieder,  welchen  die  innerste  südlichste  Zone  auch 
an  der  Stelle  der  stärksten  Entwicklung  der .  Schuppenstructur 
nicht  verloren  hatte. 

Die  langen  Falten  der  jurassischen  Ketten  zeigen  also  an 
der  Stelle  der  grössten  Annäherung  an  den   Schwarzwald  auf 


152 


Wechsel. 


eine  kurze  Strecke  hin  jene  Ueberschiebung  der  Hangendflügel, 
welche  für  die  Schuppenstructur  bezeichnend  ist,  und  jenseits  der 
Region  der  Stauung  hört  diese  Erscheinung  wieder  auf.  Der 
nördliche  Rand  des  Kettenjura  bleibt  aber  auch  weiterhin  über- 
werfen, und  der  innere  Rand  gibt  seinen  regelmässigen  Faltenbau 
auch  in  der  Region  der  Schuppenstructur  nicht  ganz  auf. 

Wir  werden  die  Schuppenstructur  in  Südtirol  und  an  anderen 
Orten  wieder  antreffen. 

Vergleicht  man  nun  diese  Vorkommnisse  mit  den  Erfahrungen 
der  Bergleute,  so  wird  es  klar,  dass  sie  nichts  Anderes  sind  als 
dieselben  Ueberschiebungen,  welche  man  unter  den  Namen  der 
jWechsel*  oder  , Seh  lachten*  von  den  Verwerfungen  zu  unter- 
scheiden gelernt  hat,  und  welche  in  England  ,Creeps*  genannt 
werden. 

Es  ist  das  besondere  Verdienst  Köhler's,  für  das  westphälische 
Kohlengebirge  die  neueren  Ansichten  über  den  Bau  der  Gebirge 
zur  Erklärung  der  vorhandenen  Störungen  angewendet  zu  haben. 
Das  flötzführende  Gebirge  in  Westphalen  ist  gefaltet  durch  eine 
von  Süd  gegen  Nord  wirkende  horizontale  Kraft. 

jUnter  Wechsel  oder  Ueberschiebung,*  sagt  Köhler, 
jVersteht  man  im  Allgemeinen  eine  solche  Störung  des  Gebirges, 
bei  welcher  ein  Flötz  im  Hangenden  der  ersteren  höher  liegt  als 
im  Liegenden.  .  .  .*  Die  Wechsel  treten  in  Westphalen  immer 
streichend  auf  und  haben  das  Einfallen  der  verschobenen  Flötz- 
theile,  nur  etwas  stärker.  Die  saigere  Grösse  der  eingetretenen 
Niveauveränderung  des  Flötzes  steigt  in  einem  Falle  auf  500  M. 
Die  grösseren  Wechsel  fallen  gegen  Süd;  es  kommen  jedoch 
Ausnahmen  vor,  welche  gegen  Nord  fallen.  Die  Wechsel  sind 
nichts  Anderes  als  ,die  höchste  Potenz  der  Faltung.* 

Hienach  vergleicht  Köhler  die  Wechsel  mit  Heim's  Darstel- 
lungen von  überschobenen  Gebirgsfalten. " 

Aus  den  vereinten  Beobachtungen  von  Wimmer,  Groddeck, 
Stelzner  und  Köhler  ist  festgestellt,  dass  die  berühmte  Lager- 
stätte des  Rammeisberges  bei  Goslar  auf  einem  solchen  Wechsel, 
auf  einer  Ueberschiebung  des  unterdevonischen  Spiriferen-Sand- 
steins  über  mitteldevonische  Schiefer  liege,  und  dass  die  eigen- 
thümliche  Gestalt  der  Lagerstätte  darin  ihren  Grund  hat,  dass  das 


Wildkirchli.  1 5  3 

Erz  selbst  an  den  Bewegungen  des  Gebirges  theilgenommen  hat. 
Die  Art  der  vorkommenden  Faltungen,  Einklemmungen  und  der 
Auswalzungen  des  Erzlagers  bis  zu  einem  blossen  Bestege  erinnert 
in  jeder  Beziehung  an  die  grossen  Vorkommnisse  der  Finster- 
Aarhorn-Masse. " 

Es  sind  einzelne  Fälle  bekannt  geworden,  in  welchen  die 
horizontale  Ueberschiebung  so  weit  reicht,  dass  ziemlich  ausge- 
breitete Lappen  älterer.  Schichten,  oft  sogar  durch  spätere  Erosion 
abgetrennt,  auf  jüngeren  Schichten  getroffen  werden.  Zu  den  weit- 
gehendsten Abweichungen  von  normaler  Lagerung  scheinen  in 
dieser  Richtung  die  Störungen  zu  gehören,  welche  M.  Bertrand 
vom  äusseren  Rande  des  Juragebirges  zwischen  Besancjon  und 
Salins  beschrieben  hat.'^  — 

Das  regelmässige  Streichen  der  Gebirgsfalten  ist  zuweilen 
durch  eine  plötzliche  S-förmige  Beugung  und  durch  das  Vorwärts- 
treten eines  Gebirgstheiles  gegen  den  anderen  unterbrochen. 
Noch  häufiger  sieht  man  einen  steilfallenden  Bruch,  welcher  beide 
Gebirgstheile  quer  auf  das  Streichen  trennt.  Diese  oft  beträcht- 
liche Verschiebung  einzelner  Gebirgstheile  gegen  einander  ist 
ohne  Zweifel  durch  eine  ungleichmässige  Bewegung  der  Massen 
hervorgebracht,  und  zuweilen  sieht  man,  dass  die  Falten  auf  einer 
Seite  der  trennenden  Fläche  weit  gedrängter  oder  weit  mehr  ge- 
neigt sind,  Wechsel  zu  bilden,  als  auf  der  anderen. 

Diese  Flächen  haben  eine  ausserordentliche  Bedeutung  für 
das  Verständniss  der  Entstehung  der  Faltengebirge. 

Als  im  Jahre  1854  der  edle  und  unvergessliche  Escher  mir 
den  Faltenbau  des  Säntis  erläuterte,  wies  er  nachdrucksvoll  auf 
eine  kleine  Wand  in  der  Nähe  des  Wildkirchli,  welche  einer  quer 
die  Falten  durchschneidenden  Kluft  anzugehören  schien.  Als  er 
im  Jahre  1857  zu  Trogen  vor  der  naturforschenden  Gesellschaft 
die  sechs  Falten  des  Säntis  beschrieb,  sagte  er:  , Während  man 
in  der  Längenrichtung  dieses  Gebirges  keinen  Spalten  (failles) 
begegnet,  so  zeigen  sich  dagegen  Ouerrisse,  die  oft  das 
ganze  Gebirge  durchsetzen,  wie  vom  Wildkirchlein  bis  zum 
Rheinthale.  Bei  diesen  Querspalten  beobachtet  man  auch  die  Po- 
litur der  gesprengten  Felsflächen,  sowie  auch  Dislocation  der- 
selben.' 


Verschiebungen  in  den  Ostalpen.  ^  5  5 

also  mehr  gegen  Nordnordwest  verläuft,  aber  es  fehlen  mir  nähere 
Angaben  über  dieselbe/** 

Die  Verschiebung,  welche  quer  auf  das  Streichen  in  der  Ge- 
gend des  oberen  Thunersee's  eintritt,  habe  ich  bereits  an  anderer 
Stelle  nach  Studer's  Beobachtungen  angeführt,  sowie  die  Ver- 
schiebung einzelner  Theile  der  Molasse  gegen  einander,  welche 
Kauffmann  zwischen  dem  Thuner-  und  Zürichersee  nachgewie- 
sen hat.'^ 

In  den  östlichen  Alpen  zeigen  sich  zahlreiche  Verschiebungs- 
flächen, welche,  wie  immer  auch  das  Streichen  des  betreffenden 
Gebirgstheiles  verlaufen  mag,  gegen  Nord  bis  Nordost,  sehr  vor- 
herrschend gegen  Nordnordost  gerichtet  sind.  Diese  Flächen 
fallen  steil  zur  Tiefe,  und  so  beständig  ihre  Streichungsrichtung  ist, 
ebenso  unbeständig  scheint  ihr  Fallen  zu  sein,  indem  es  leicht  aus 
Westnordwest  in  Ostsüdost  übergeht.  Die  Flächen  selbst  sind  oft 
bucklig,  doch  glatt  geschliffen,  nicht  selten  von  horizontalen  oder 
leicht  zum  Horizonte  geneigten  Striemen  oder  Furchen  bedeckt,  und 
begleitet  von  der  bei  der  Bildung  von  solchen  Harnischen  so  oft 
hervortretenden , Neigung,  kleinere  Gebirgstheile  keilförmig  oder 
linsenförmig  abzuquetschen.  Im  Kalkgebirge  sind  die  Wände  zu- 
weilen ganz  zusammengesetzt  von  den  nur  lose  zusammenge- 
backenen polyedrischen  Bruchstücken  des  bei  der  Bewegung  voll- 
kommen zertrümmerten  Gesteins  und  laufen  die  Schliffe  über 
diese  Bruchstücke  hin.  Im  Schiefer  oder  in  hartem  Mergel  geht 
die  Abquetschung  oder  netzförmige  Durchquerung  des  Gesteins 
mit  glänzenden  und  gestriemten  Flächen  wohl  auch  noch  viel 
weiter  und  wird  jene  eigenthümliche  Art  der  Zertrümmerung  er- 
zeugt, welche  man  im  Harze  ,Verruschelung'  nennt. 

Besuchen  wir,  von  Berchtesgaden  südwärts  gehend,  zuerst 
den  Königssee.  Wo  die  aus  geschichtetem  Kalkstein  bestehende 
Falkensteiner  Wand  am  weitesten  in  den  See  hervortritt,  zeigt 
sich  eine  grosse  und  glatte,  senkrechte,  in  Nordnordost  streichende 
Wand,  begleitet  von  parallelen  Klüften  in  der  Masse  des  Kalk- 
steins. Jenseits  des  See's  ersteigen  wir  die  mächtige  Kalkstein- 
masse des  Steinernen  Meeres.  Wiederholt  zeigen  sich  während  des 
Aufstieges  die  Nordnordost  streichenden  Flächen,  so  an  der  Quelle 
in  der  Saugasse,  dann  auf  dem  Plateau  des  Steinernen  Meeres 


I  1^6  Die  Gangstreichen  der  Tauem. 

selbst  in  dem  Hohlwege  oberhalb  der  Funtenseealpe.  Die  ganze 
Masse  der  Schönfeldspitze  mit  ihren  aufgebogenen  Schichten 
gleicht  einem  zwischen  Nord-  und  Nordnordost-Klüften  zerdrückten 
Gebirgstheile.  An  der  Buchlauer  Scharte  erreichen  wir  die  Kante 
des  südlichen  Absturzes,  zugleich  den  Südrand  der  Kalkzone. 
Der  östliche  Rand  der  Scharte  ist  durch  grosse  und  wieder- 
holte in  Nordnordost  gerichtete  Flächen  gebildet,  welche  das 
pfoilorförmige  oder  coulissenartige  Hervortreten  einzelner  grosser 
Theile  des  mächtigen  Absturzes  veranlassen,  genau  so,  wie 
sich   dies  im   Ennsthale  am   südlichen  Abstürze   des  Dachstein- 

gobirges  zeigt. 

Auf  der  Buchlauer  Scharte  umgeben  uns  starre  Wände  von 
woissijrauem  Kalkstein;  tief  unter  diesen  Wänden  breitet  sich  ein 
inM'undetes,  grünes  Bergland  aus.  Das  ist  das  paläozoische  Schiefer- 
i»-t^bin*-e  des  Mitter-Pinzgau ;  erst  in  grösserer  Entfernung,  gegen 
/oll  und  Taxenbach,  erhebt  es  sich  zu  beträchtlicheren  Höhen, 
und  über  diesen  ist  die  zackige  Linie  der  Tauern  sichtbar. 

Wir  durchqueren  dieses  Schiefergebirge. 

In  dem  Gneiss  der  Tauern  befinden  sich  jene  goldführenden 
,(iangstreichenS  welche  der  Stammort  des  , Goldes  der  Taurisker* 
sind  und  durch  Jahrhunderte  der  Anlass  zu  einem  reichen  und 
hochberühmten  Bergbaue  waren.  Diese  goldführenden  Gang- 
streichen oder  Blätter  sind  sehr  zahlreich  und  mit  sehr  wenigen 
Ausnahmen  streichen  sie  gegen  Nordnordost  oder  Nordost  und 
treten  hiebei  wohl  auch  maschenförmig  aneinander.  Zwei  Zonen 
oder  Bündel  solcher  Blätter  sind  besonders  bemerkenswerth,  näm- 
lich auf  der  1700  M.  langen,  gegen  Nordnordost  laufenden  Linie 
des  Rathhausberges,  und  auf  der  nur  um  ein  Geringes  mehr  gegen 
Ost  streichenden  Linie  Krzweise-Bockhardt-Siglitz,  welche  mit  ihrer 
südlichen  Fortsetzung  jenseits  des  Gletschers  sich  auf  7  Km.  ver- 
folgen lässt.  In  verticaler  Richtung  sind  diese  Blätter  bis  auf 
1 5 00  M.  verfolgt. 

Die  ausführlichste  Beschreibung  derselben  hat  in  neuerer  Zeit 
F.  Posepny  gegeben.  Dieser  Beobachter  sieht  in  ihnen  örtliche 
Verschiedenheiten  in  der  horizontalen  Bewegung  der  Gebirgs- 
masse:  ,Es  lag  in  diesem  Processe  nicht  so  sehr  die  Bildung 
einer  Spalte  oder  eines  Risses  zur  Tendenz,  als  vielmehr  eine 


Die  Blätter  in  Raibl.  I  5  7 

Verschiebung  des  Gesteinsmediums.*  Bei  diesem  Vorgange  sind 
nicht  ganz  lineal-gerade  und  auch  nicht  ganz  ebene,  sondern 
krummflächige  Risse  erzeugt  worden.  Bei  der  horizontalen  Bewe- 
gungwurden an  den  ausgebauchten  Stellen  jene  Reibungsproducte 
erzeugt,  weiche  zwischen  Harnischen  und  Rutschflächen  die  Blätter 
begleiten.  In  der  Nähe  des  Bockhardt  treten  die  Blätter  auch  in 
den  Kalkstein  über.'^ 

Wir  verlassen  dieses  in  seinen  Einzelheiten  höchst  lehrreiche 
Gebiet  und  wenden  uns  noch  weiter  gegen  Süd,  zu  dem  Gebirge 
der  Umgebung  von  Raibl.  Eine  mächtige  und  wohlgegliederte 
Serie  von  Triasablagerungen  ist  hier  vorhanden.  Sie  neigt  sich 
regelmässig  gegen  Süd.  Ein  Glied  derselben,  der  erzführende 
Kalk,  welcher  die  ganze  Masse  des  Königsberges  bildet,  enthält 
Lagerstätten  von  Bleiglanz  und  Galmei.  Schwarzer  fischführender 
Schiefer  überlagert  den  erzführenden  Kalk. 

Auch  von  diesen  Lagerstätten  hat  Posepny  eine  Monographie 
geliefert,  welche  zeigt,  dass  der  Bleiglanz  auf  einer  Reihe  von 
Blättern  oder  Sprüngen  auftritt,  welche  ein  nahezu  nördliches 
Streichen  besitzen  und  zu  einer  Anzahl  von  Zonen  verbunden  sind. 
Diese  Klüfte,  sagt  Posepny,  sind  mit  einem  feinen  Schnitt  in's 
Gestein  zu  vergleichen,  und  nur  selten  entstehen  aus  denselben 
förmliche  Spalten,  die  theils  offen,  theils  mit  zerriebenem  Gestein 
erfüllt  sind.  Die  Wände  sind  in  der  Regel  glatt,  zuweilen  mit  paral- 
lelen Rinnen,  wohl  auch  mit  sich  kreuzenden  Systemen  von  Striemen 
bedeckt.  Das  Fallen  wechselt  und  ist  bald  nach  Ost,  bald  wieder 
nach  West  gerichtet,  aber  wo  südwärts  diese  Klüfte  die  Grenze 
gegen  den  auflagernden  Schiefer  durchschneiden,  sieht  man,  dass 
dieser  Schiefer  geschleppt  und  das  ganze  Gebirge  nach  diesen 
Blättern  verschoben  ist.  Der  erzführende  Kalkstein  tritt  also  im 
Streichen  gleichsam  ruckweise  gegen  den  Schiefer  vor,  und  die 
Aufschlüsse  in  der  Grube  und  zu  Tage  haben  Posepny  gestattet, 
zu  erkennen,  dass  an  der  Westseite  des  Thaies  die  Summe  der 
Verschiebungen  gegen  den  Schiefer  an  den  einzelnen  Blättern 
etwa  420  M.,  an  der  Ostseite  dagegen,  wo  die  Sachlage  aller- 
dings weniger  klar  ist,  beiläufig  760  M.  erreiche.  Dabei  erfolgen 
diese  Verschiebungen  in  solcher  Weise,  dass  in  der  Tiefe  des 
Thaies,   welches   ebenfalls    nördlich   streicht,   der   Kalkstein   am 


I  58  Beispiele  von  Verschiebungen. 

weitesten  gegen  Süd  steht,  an  jedem  Abhänge  dagegen  der- 
selbe Kalkstein  bei  jeder  Verschiebung  mehr  und  mehr  nach 
Norden  tritt/^ 

Verlassen  wir  nun  Raibl  und  suchen  wir  ostwärts  das  parallele 
Lahnthal  auf.  Dort  zeigt  sich  eine  weit  beträchtlichere  horizontale 
Verschiebung.  Die  westliche  Thalseite  entspricht  beiläufig  der 
Fortsetzung  der  Gebirge  von  Raibl;  dann  folgt,  dem  Hauptthale 
und  nach  seiner  Gabelung  südwärts  seinem  linken  Hauptarme 
entsprechend,  vielleicht  von  da  durch  die  tiefe  Scharte  östlich  vom 
Mittagskogel  in's  Coritenzathal  sich  fortsetzend,  eine  in  Nord 
oder  Nordnordost  gerichtete  Trennung  des  Gebirges,  und  was 
östlich  von  dieser  Linie  liegt,  die  Bergmassen  der  Prinza,  des 
Mangart,  des  Jelouz  und  andere,  ist  um  etwa  3 — 4  Km.  gegen 
Nord  gerückt.'^ 

Zahlreiche  weitere  Beispiele  könnten  aus  den  Ostalpen  ange- 
führt werden;  es  mag  nur  noch  an  die  gleichfalls  Nordnordost 
streichende  Verschiebungslinie  von  Belluno  erinnert  werden, 
welche  bei  Besprechung  des  Erdbebens  von  Belluno  in  Betracht 
gekommen  ist. 

In  dem  nordöstlichsten  Theile  der  Alpen  tritt  eine  Ablenkung 
von  dem  sonst  so  beständig  gegen  Nord,  Nordnordost  oder  Nord- 
ost gerichteten  Streichen  der  Blätter  ein.  An  der  Hohen  Wand  bei 
Wr.-Neustadt,  wo  Triaskalk  über  Kreideablagerung  liegt,  sind, 
wie  Bittner  gezeigt  hat,  beide  von  gegen  Nordnordwest  streichen- 
den Flächen  durchschnitten  und  an  denselben  verschoben.'"  Diese 
lehrreiche  Kreuzung  von  Störungen  wird  an  späterer  Stelle  be- 
sprochen werden. 

In  jedem  Grade  des  Einflusses  auf  den  Gebirgsbau  lassen 
sich  diese  steilen  Verschiebungsflächen  in  den  östlichen  Alpen  ver- 
folgen, von  der  Dislocation  grosser  Gebirgstheile  an  beiden  Seiten 
eines  Ouerthales  bis  herab  zu  der  nur  wenige  Meter  betragenden 
Verschiebung  an  einem  erzführenden  Blatte  und  endlich  bis  zur 
feinen,  einem  geraden  Haarrisse  gleichenden  Trennungsfläche  im 
Kalkstein,  und  diese  letzteren  Flächen  scheinen  im  Gebirge  eine  ähn- 
liche Rolle  zu  spielen  wie  die  noch  weit  kleineren  Verschiebungs- 
flächen, welche  das  Mikroskop  in  gekrümmtem  Gestein  erkennen 
lässt. '' 


Merkmale  der  Blätter.  ^59 

Sie  fehlen  auch  anderen  Gebieten  nicht;  die  Medina-fault,  an 
welcher  eine  Hälfte  der  Insel  Wight  gegen  die  andere  verschoben 
wurde,  ist  dafür  ein  lehrreiches  Beispiel.  Dass  diese  Flächen  aus 
der  tangentialen  Spannung  hervorgehen,  wie  die  Ueberschiebungs- 
flächen,  bedarf  wohl  keines  weiteren  Beweises,  aber  es  fehlt  für 
dieselben  ein  bezeichnender  Name. 

Köhler  kennt  auch  Verschiebungen  dieser  Art  aus  dem  Stein- 
kohlengebirge und  rechnet  dieselben  zu  CarnaU's  ,Uebersprün- 
gen*.  Ich  werde  für  dieselben  den  dem  Bergbaue  in  den  Alpen 
entlehnten  Ausdruck  , Blätter*  benützen. 

Es  gehen  demnach  aus  der  tangentialen  Bewegung  im  Ge- 
birge zweierlei  Sprungflächen  hervor.  Die  erste  Gruppe  bilden 
Ueberschiebungsflächen,WechseloderSchlächten, durch  deren 
Wiederholung  die  Schuppenstructur  entsteht,  und  die  zweite  Gruppe 
sind  die  Verschiebungsflächen,  Blätter  oder  Uebersprünge. 

Das  Streichen  der  Wechsel  entspricht  dem  Streichen  der  Ge- 
birgsfalten  und  wird  mit  denselben  abgelenkt.  Das  Streichen  der 
Blätter  ist  mehr  oder  minder,  doch  nicht  immer  genau  senkrecht 
auf  das  Streichen  des  Gebirges;  es  ist  der  Ablenkung  nicht  unter- 
worfen, wie  jenes  der  Wechsel  und  gibt  wohl  ein  richtigeres  Bild 
von  den  allgemeinen  Bewegungen  der  Masse. 

Jede  einzelne  Wechselfläche  hat  eine  bestimmte  Fallrichtung, 
welche  an  demselben  Orte  gegen  die  Tiefe  anhält.  Die  Fallrich- 
tung der  Blattflächen  ist  fast  immer  ausserordentlich  steil,  mag 
aber  gegen  die  Tiefe  von  einer  Himmelsrichtung  in  die  entgegen- 
gesetzte sich  ändern  und  wieder  in  die  erste  zurückkehren. 

Die  Blätter  sind  weit  mehr  geneigt,  Thalbildung  zu  veran- 
lassen, als  die  Wechsel.  Die  Blätter  sind  zuweilen  erzführend,  die 
Wechsel  sind  es  weit  seltener. 

Die  Blätter  gehen  in  ihrer  normalen  Gestalt  aus  der  gleich- 
sinnigen, aber  ungleich  starken  Bewegung  von  Gebirgstheilen 
hervor.  Der  Parallelismus  der  Bewegung  beider  Theile  ist  öfters 
nur  in  Bezug  auf  die  Himmelsrichtung  vorhanden,  während  der  eine 
Flügel  weit  steiler  in  die  Tiefe  ziehen  mag,  als  der  andere.  Dies  wird 
insbesonders  dann  eintreten,  wenn  in  Folge  der  stärkeren  Bewegung 
der  vortretende  Flügel  sich  stärker  faltet.  Es  können  darum  an 
Blättern   beträchtliche   Niveauverschiedenheiten   eintreten ,   ohne 


1 6o  Torsion. 

dass  ein  eigentliches  Absinken  eines  der  beiden  Flügel,  eine  Ver- 
werfung im  engeren  Sinne,  eintrete,  und  bezeichnend  hiefür  ist, 
dass  selbst  in  diesem  Falle  keine  verticalen  Striemen  an  den  Har- 
nischen sichtbar  werden,  sondern  dass  die  Linien  auf  denselben 
sich  nur  leicht  gegen  den  Horizont  neigen,  oder  dass  zwei  Systeme 
von  Linien  über  einander  sichtbar  werden,  beide  von  verschie- 
dener und  dennoch  flacher  Neigung.  — 

Eine  ausserordentlich  viel  grössere  Verwicklung  all'  dieser 
Verhältnisse,  sowohl  der  Blätter  als  der  Wechsel,  tritt  dann  ein, 
wenn  sich  in  demselben  Gebiete  zwei  verschiedene  Faltungs- 
richtungen geltend  machen. 

In  dem  grössten  Theile  Europa's  nördlich  von  den  Alpen  zeigen 
die  Gebirgsketten  wie  im  Alpensysteme  selbst  eine  Faltung  gegen 
Nord.  Dies  hindert  aber  nicht,  dass  weithin  in  Mittel-Europa  zwei 
verschiedene  Richtungen  bemerkbar  werden,  von  welchen  die 
eine  mehr  gegen  Nordost,  die  andere  mehr  gegen  Nordwest 
streichende  Falten  und  Gebirgszüge  erzeugt  hat,  und  welche  als 
die  niederländische  und  die  hercynische  Richtung  bezeichnet 
werden. 

Wo  nur  eine  dieser  beiden  Richtungen  Ausdruck  findet,  wie 
im  südwestlichen  Irland,  wo  in  den  Gebirgen  um  Killarney-Lake 
das  Devon  hoch  aufgeschoben  ist  über  den  Kohlenkalk,"  oder 
längs  der  belgischen  Kohlenfelder,  oder  im  Erzgebirge,  da  bleibt 
trotz  aller  sonstiger  Complication  der  Verhältnisse  der  Zusammen- 
hang der  Dislocationen  und  der  Gebirgsbewegung  immerhin  noch 
leichter  erkennbar.  Unvergleichlich  viel  schwieriger  wird  die  Auf- 
gabe dort,  wo  auf  denselben  Höhenzug  zwei  Faltungsrichtungen 
Einfluss  genommen  haben. 

Nach  Lossen's  überaus  lehrreicher  Darstellung  ist  der  Harz 
als  ein  Gebirgsknoten  anzusehen,  hervorgegangen  aus  einseitiger 
Faltung,  welche  jedoch  zuerst  im  niederländischen,  dann  im  hercy- 
nischen  Sinne  erfolgte.  Zuerst  wäre  demnach  eine  Kraft  aus  Süd- 
ost wirksam  gewesen,  unter  deren  Einfluss  die  ersten  Grundlinien 
des  Baues  geschaffen  wurden;  später,  nachdem  diese  heute  noch 
in  dem  Streichen  eines  grossen  Theiles  des  Gebirges  erkennbaren 
Grundlinien  vorhanden  waren,  und  als  insbesondere  die  grosse 
Granitmasse  des  Brockens  schon   mit  ihrer  weiten  Buckelfläche 


Sprunßbiindcl  aus  Torsion.  I  6  I 

unter  dem  paläozoischen  Schiefer  und  Quarzit  lag,  hat,  nach 
dieser  Anschauung,  auf  dieses  mehr  oder  minder  nordöstlich 
streichende  Gebirge  eine  Kraft  im  hercynischen  Sinne,  d.  i.  aus 
Südwest  gewirkt.'^ 

Die  Sattellinien  der  Falten  und  die  Wechselflächen  wurden 
durch  diese  zweite  Bewegung  vielfach  windschief  verbogen.  Die 
Entstehung  jenes  grossen  und  merkwürdigen  Systems  von  Gang- 
spalten, welches  in  der  Nähe  von  St.  Andreasberg,  also  unweit  von 
dem  südlichen  Ende  der  Granitmasse  des  Brocken,  seinen  Ur- 
sprung nimmt,  und  dessen  strahlenförmige  Anordnung  Groddeck 
hervorgehoben  hatte,  wird  im  Zusammenhange  rtiit  diesen  Vor- 
gängen der  Gebirgsbildung  von  Lossen  als  die  Folge  einer  Torsion 
der  Gebirgsmasse  aufgefasst.  ^* 

Daubr^e  hat  bandförmige  Streifen  von  starkem  Glas  an  den 
schmalen  Enden  in  Backen  gespannt  und  dann  einer  schrauben- 
förmigen Drehung  bis  zu  20**  unterworfen.  Es  zeigte  sich,  dass  in 
regelmässigen  Abständen  von  dem  rechten  und  von  dem  linken 
Rande  der  Platte  strahlenförmig  ausgehende  Bündel  von  Sprüngen 
erzeugt  wurden.  ""^ 

Die  Sprünge  im  Harzgebirge,  von  welchen  einzelne  eine 
Länge  von  14  Km.  erreichen,  sind  unter  wesentlich  anderen  Be- 
dingungen entstanden.  Es  sind  jene  freien  Ränder  der  Platte  in 
der  Natur  nicht  vorhanden,  welche,  wie  die  Versuche  Daubree's 
zeigen,  für  die  Anordnung  der  Sprünge  auf  der  Glasplatte  maass- 
gebend  sind,  und,  was  sehr  wesentlich  ist,  während  Daubrt^e  that- 
sächlich  eine  schraubenförmige  Drehung  ausführte,  sind  in  der 
Natur  zwei  auf  einander  senkrechte  Bewegungen  gefolgt,  von  wel- 
chen die  eine  früher  und  die  andere  später  eintrat,  und  keine  dieser 
Bewegungen  ist,  für  sich  betrachtet,  eine  drehende  gewesen.  Den- 
noch besteht  in  der-That  ein  gewisser  Grad  von  Aehnlichkeit  zwi- 
schen dem  von  St.  Andreasberg  ausstrahlenden  Gangsystem  und 
den  auf  künstlichem  Wege  erzeugten  Bündeln  von  Torsions- 
sprüngen. 

Durch  Kayser's  Untersuchungen  ist  die  Kenntniss  von  diesem 
Spaltensystem  noch  wesentlich  vervollständigt  worden.  Hienach  ist 
jede  der  grösseren  Spalten  von  einer  Dislocation  des  Gebirges  zu- 
gleich in  horizontalem  und  in  verticalem  Sinne  begleitet,  und  diese 

Suess,  Das  Antlitz  der  Erde.  II 


I  6  2  Spalten  von  St.  Andreasberg. 

Dislocationen  betreffen  auch  den  Granit,  welcher  wie  die  anderen 
Gesteine  an  diesen  Sprüngen  verschoben  wird. 

Hauptlinien  sind:  die  Oderspalte,  die  Ackerspalte  und  die 
Andreasberger  Ruschein. 

Die  Oderspalte,  etwa  1 4  Km.  lang,  läuft  von  einer  Stelle  öst- 
lich von  St.  Andreasberg,  das  niederländische  Streichen  des  Ge- 
birges durchschneidend,  gegen  Nordnordwest;  sie  ist  gegen  Ost 
geneigt,  und  der  Ostflügel  des  Gebirges  ist  gegen  Nord  und  ab- 
wärts bewegt.  Oestlich  von  dieser  grossen  Linie  befindet  sich  eine 
Anzahl  in  Nordwest  streichender  Spalten,  welche  an  ihr  in  spitzem 
Winkel  enden;  an  der  südlichsten  derselben  ist  der  Ostflügel 
merklich  gegen  Nord  verschoben  (4,  Fig.  1 2). 

Die  Ackerspalte  beginnt  in  der  Nähe  des  Ausgangspunktes 
der  Oderspalte  und  ist  anfangs  gegen  Nordwest  gerichtet;  weiter- 
hin wendet  ihr  Streichen  mehr  und  mehr  gegen  Westnordwest,  so 
dass  sie  sich  immer  rascher  von  der  Oderspalte  entfernt.  An  ihr, 
sowie  an  einer  nördlich  vorliegenden  Parallelspalte  findet  eine 
sehr  merkbare  Verschiebung  des  Ostflügels  gegen  Nord,  weiter- 
hin, diesem  entsprechend,  des  Nordflügels  gegen  West  statt. 
Durch  die  Aenderung  ihres  Streichens  nähert  sie  sich  mehr  und 
mehr  der  Richtung  der  zahlreichen  und  langen  Clausthaler  Spalten, 
welche  in  den  geöffneten  Raum  zwischen  der  Oderspalte  und 
Ackerspalte  fallen  (3,  Fig.  12). 

Ein  südlich  der  Ackerspalte  nahe  gelegener  kleiner  Gang, 
auf  welchem  die  Baue  .Segen  Gottes*  und  , Neues  Glückauf*  liegen, 
strebt  in  seinem  Streichen  dem  Ausstrahlungspunkte  der  grossen 
Gänge  zu  und  begrenzt  mit  der  Ackerspalte  einen  längeren 
schmalen  Granitstreif  gegen  die  nordwärts  von  der  Ackerspalte 
und  südwärts  von  ihr  selbst  folgende  Grauwacke.  Ich  hebe  diese 
Linie  hervor,  weil  an  diesem  Gange  nicht  mehr  der  nördliche, 
sondern  der  südliche  Flügel  nach  abwärts  bewegt  ist,  und  das 
Fallen  der  Kluft  nach  Kayser  wahrscheinlich  steil  gegen  Süd  ge- 
richtet ist.  Da  die  südlich  folgende  Gruppe  der  Ruschein  durch 
südliches  Fallen  und  die  Senkung  der  Südflügel  ausgezeichnet  ist, 
würde  es  nach  den  vorliegenden  Beschreibungen  den  Anschein 
gewinnen,  als  stelle  der  besagte  schmale  Granitstreifen  in  der  That 
einen  Horst  dar,  von  welchem  das  Gebirge  beiderseits  sich  abstuft. 


Spalten  von  St.  Aadrea-sbcrg. 


163 


Die  Ruschein  sind  weite,  von  zerdrücktem  Gebirge  erfüllte 
Spalten,  welche  in  einem  keilförmigen  Räume  die  silberreichen 
Gänge  von  Andreasberg  gegen  Nord,  West  und  Süd  umgrenzen. 
Die  edlen  Gange  gehen  nicht  über  die  Ruschein  hinaus;  ihre  Lage 
gegen  den  gemeinschaftlichen  Ausstrahlungspunkt  ist  aus  Fig.  i  2 
ersichtlich. 

Die  nördliche,  Neufanger  Ruschel  fallt  nach  Süd  und  der  Süd- 
flügel sammt  dem  Erzrevier  ist  gesenkt.    Auch  die  südlichen  Ru- 


scheln  fallen  steil  nach  Süd,  aber  es  scheint  Meinungsverschieden- 
heit darüber  zu  herrschen,  ob  der  Südfiügel  der  südlichsten  der 
grossen  Kdelleuter  Ruschel  gesenkt  oder  überschoben  sei."*" 

Es  ist  ein  sehr  erfreulicher  Umstand,  dass  eine  so  schöne 
Aufgabe,  wie  die  Lösung  der  durch  die  zweifache  Faltung  und 
durch  die  strahlenförmige  Anordnung  der  Sprünge  angeregten 
Fragen  der  irdischen  Dynamik,  in  ein  leicht  zugängliches  Gebirge 


I  64  Senkunj,'. 

gelegt  ist,  wo  ausgedehnter  Bergbau,  gewissenhafte  und  ausge- 
zeichnete Forscher  und  alle  erforderlichen  Hilfsmittel  in  einer 
Weise  vorhanden  sind,  welche  hoffen  lässt,  dass  hier  noch  weitere 
Wesentliche  Fortschritte  für  das  Verständniss  des  Gebirgsbaues 
im  Allgemeinen  werden  gewonnen  werden.  Für  jetzt  mag  man 
recht  wohl  in  den  östlich  von  der  Ackerspalte  gesammelten  That- 
sachen  die  Spuren  einer  grossen  Schraubenanlage  erkennen,  und 
man  mag  allerdings,  wie  gesagt,  einige  Aehnlichkeit  zwischen 
der  Ausstrahlung  der  Gänge  und  den  Sprungbündeln  Daubree's 
finden.  Das  südlich  von  der  Ackerspalte  vorherrschende  Süd- 
fallen der  Spalten  bleibt  schwerer  vereinbar  mit  diesen  Vergleichen. 
Befände  sich  die  Oderspalte  vereinzelt  in  den  Alpen,  so  würde 
man  sie  wahrscheinlich  als  ein  normales  Blatt  der  älteren  nieder- 
ländischen Bewegung  ansehen.  Die  Beständigkeit  im  Streichen 
der  alpinen  Blätter  steht  aber  im  auffallendsten  Gegensatze  zu 
der  Lage  der  anderen  Sprünge.  Sicher  erwiesen  ist,  dass  der 
Granit  des  Harzes  diesen  Spaltenbildungen  gegenüber  vollkom- 
men passiv  bleibt.  — 

B.  Dislocation  durch  Senkung. 

Die  aus  der  Contraction  der  Erdmasse  hervorgehenden  Span- 
nungen zeigen,  sagten  wir,  die  Neigung,  sich  in  zwei  Richtungen 
der  Bewegung  zu  zerlegen,  von  welchen  die  eine  mehr  oder  minder 
tangential,  horizontal,  faltend,  verschiebend  oder  überschiebend, 
die  andere  vertical  und  senkend  wirke.  Wohl  sind  bereits  Blatt- 
flächen angeführt  worden,  an  welchen  die  Gleitlinien  auf  den  Har- 
nischen sich  abwärts  neigen  und  an  welchen  nicht  unbeträchtliche 
verticale  Dislocationen  eintreten  mögen,  aber  die  anregende  und 
bestimmende  Kraft  ist  doch  auch  in  diesen  Fällen  die  horizontale 
Componente  gewesen.  Es  wird  nun  um  der  Deutlichkeit  der  Dar- 
stellung willen  zu  empfehlen  sein,  dass  wir  die  bisher  verfolgte 
Reihe  von  Beispielen  unterbrechen,  um  die  äussersten  Fälle  der 
zweiten  Gruppe  von  Dislocationen  kennen  zu  lernen,  und  um  von 
diesem  P^xtrem  allmälig  zurückzukehren  zu  jenen  verwickelten 
Störungen  des  Gebirges,  in  welchen  beide  Componenten  wirksam 

« 

waren  oder  noch  sind. 


Passive  Senkung.  I  65 

Die  Erfahrung  lehrt,  dass  man  von  einer  radialen  Spannung 
nicht  sprechen  sollte,  sofern  man  nur  die  Störungen  in  dem  Baue 
des  äusseren  Felsgerüstes  im  Auge  hat.  Ein  activer  Zug  nach 
abwärts  ist  in  der  ganzen  umfangreichen  Gruppe  von  Disloca- 
tionen,  welche  ich  jetzt  zu  besprechen  versuchen  will,  nicht  sicht- 
bar. Wo  die  tangentiale  Bewegung  fehlt,  lassen  sich  die  vor- 
handenen Dislocationen  ungezwungen  durch  das  Weichen  der 
Unterlage  und  durch  die  Schwerkraft  erklären.  Was  man  sieht, 
sind  nur  verschiedenartige  Formen  von  passiven  Einsenkungen 
und  Einstürzen.  Es  bleibt  der  Eindruck,  als  wirke  die  radiale 
Componente  in  grösserer  Tiefe,  und  als  würden  hiedurch  unter 
einer  äusseren  Schale  Räume  geschaffen,  welche  gestatten,  dass 
grosse  Theile  der  äusseren  Schale  in  dieselben  hinabsinken. 

Diese  Auffassung  ist  nicht  neu;  man  begegnet  derselben  unter 
verschiedenen  Abänderungen  in  den  neueren  Schriften  über  Ge- 
birgsbau;  sie  ist  von  sehr  grosser  Bedeutung  für  das  Verständniss 
des  Gefüges  der  äusseren  Theile  des  Planeten,  aber  ihre  weitere 
Erläuterung  kann  nicht  an  dieser  einleitenden  Stelle  unternommen 
werden,  deren  Aufgabe  vielmehr  erst  die  Ermittlung  einer  bestimm- 
teren Gruppirung  und  Terminologie  der  Dislocationen  ist. 

Die  Untersuchung  eines  einzelnen  Einbruches  oder  einer  ein- 
zelnen Senkungslinie  führt  nicht  gar  weit.  So  lange  man  jede  F^alte 
eines  Kettengebirges  für  sich  zu  betrachten  und  jede  Antiklinale 
des  Juragebirges  als  das  Ergebniss  einer  gleichsam  individuellen 
linearen  Erhebung  anzusehen  gewohnt  war,  blieb  die  Einsicht  in 
das  Wesen  der  Faltenbildung  überhaupt  verschlossen.  So  wie  die 
Falten  einer  grossen  Kette  nach  gemeinsamen  Gesetzen  geordnet 
sind,  so  wie  jede  derselben  von  ihren  Nachbarfalten  und  von  der 
allgemeinen  Structur  der  Kette  abhängig  ist  und  so  wie  sie  alle 
aus  einer  gemeinschaftlichen  Ursache  hervorgegangen  sind,  so 
sieht  man  auch  in  ausgedehnten  Landstrichen  die  Senkungslinien 
zu  Netzen  oder  Systemen  sich  ordnen,  welche  gemeinschaftlich  die 
Lage  eines  Senkungsfeldes  zeichnen  und  ebenso  wie  die  Falten 
eines  Kettengebirges  aus  einer  gemeinschaftlichen  Ursache  her- 
vorgegangen sind. 

In  einem  normalen  Senkungsfelde  unterscheidet  man  zwei 
Hauptrichtungen   der  Sprünge,  welche  wir  in  Uebereinstimmung 


1 66  Bruchnetze. 

mit  der  schon  vor  vielen  Jahren  von  Deffner  für  die  Brüche  im 
schwäbischen  Jura  eingeführten  Bezeichnung  die  peripherischen 
und  die  radialen  Sprünge  nennen.  Ausserdem  finden  sich  stets 
noch  ohne  allgemein  giltige  Regel  hinzutretende  diagonale 
Sprünge  und  ferner  kürzere  untergeordnete  Quersprünge, 
welche  die  Hauptsprünge  rechtwinkelig  verbinden. 

Die  peripherischen  Sprünge  bilden  die  wichtigste  Gruppe. 
Sie  umgrenzen  nicht  nur  das  Sen-kungsfeld  mit  weitem  Bogen  oder 
Polygon,  sondern  sie  wiederholen  sich  innerhalb  dieses  Umrisses 
in  mehr  oder  minder  concentrischer  Weise,  wohl  auch  als  die 
Sehne  eines  Bogens  oder  quer  über  den  Winkel  des  Polygons  her- 
laufend, und  nicht  selten  bemerkt  man  eine  höchst  merkwürdige 
Regelmässigkeit  in  den  horizontalen  Abständen  der  einzelnen  gegen 
die  Mitte  des  Senkungsfeldes  einander  folgenden  Zonen  von  peri- 
pherischen Sprüngen. 

An  jedem  dieser  peripherischen  Sprünge  ist  mit  wenigen  Aus- 
nahmen der  gegen  die  Mitte  des  Senkungsfeldes  liegende  Flügel 
gesenkt,  so  dass  sich  der  Betrag  der  Senkungen  gegen  die  Mitte, 
das  ist  gegen  die  Tiefe  des  Senkungsfeldes,  summirt.    Es  kommt 
aber  allerdings  auch  vor,  dass  zwischen  irgend  zwei  peripherischen 
Sprüngen  ein  Gebirgsstreifen  zu  tief  gesunken  ist,  so  dass  dann 
die  äussere  Seite  des  folgenden  Sprunges  als  die  hangende  er- 
scheint und  eine  kleine  Compensation  eintritt.    Solche  zu  tief  ge- 
senkte Streifen  nennen  wir  nach  einem  alten  bergmännischen  Aus- 
drucke Gräben  oder  Grabensenkungen.  Es  kommt  ferner  vor, 
dass  in  dem  Streichen  einer  peripherischen  Linie  das  Ausmass  der 
Senkung  allmälig  sich  mindert  und  zugleich  in  nicht  allzugrosser 
Entfernung  eine  zweite  peripherische  Spalte  mit  parallelem  Ver- 
laufe beginnt  und  mit  zunehmender  Senkung  sich  fortsetzt,  so  dass 
die  eine  Spalte  durch  die  andere  abgelöst  wird,  wie  in  ähnhcher 
Weise  die  Falten  der  Kettengebirge  sich  ablösen.    Dann  bleibt 
zwischen  beiden  Sprüngen  ein  gleichsam  schwebendes  Stück  zu- 
rück, und  solche  Stücke  hat  Mojsisovics  bei  den  grossen  Senkungs- 
brüchen der  Südalpen  als  Brücken  bezeichnet. 

Nähern  sich  die  äusseren  Umrisse  zweier  Senkungsfelder  ein- 
ander und  bleibt  zwischen  beiden  ein  trennender  Rücken,  von 
welchem  nach  beiden  Seiten  die  Senkungen  mehr  oder  minder 


Horste.  167 

treppenförmig  abfallen,  so  bezeichnen  wir  diesen  Rücken  mit  einem 
ebenfalls  im  Bergbaue  üblichen  Worte  als  einen  Horst,  wohl 
auch  als  einen  Horst  erster  Ordnung,  im  Gegensatze  zu  den 
untergeordneten  Horsten,  welche  da  und  dort  zwischen  dem 
Spnmgnetze  sich  bilden.  Als  solche  Horste  erster  Ordnung  wer- 
den wir  z.  B.  den  Schwarzwald,  die  Vogesen,  den  Morvan  und  das 
Kaibab-Plateau  am  Colorado  kennen  lernen.  Dass  untergeord- 
nete Horste  schon  auf  Sprüngen  im  gefalteten  Gebirge  entstehen 
können,  sobald  diese  auch  von  verticaler  Bewegung  begleitet  sind, 
hat  das  Beispiel  an  der  Ackerspalte  bei  St.  Andreasberg  bereits 
gezeigt. 

Die  radialen  Sprünge  sind  in  ihrer  Anlage  lange  nicht  so 
regelmässig  wie  die  peripherischen  Sprünge.  Sie  sind  in  Senkungs- 
feldern von  massiger  Ausdehnung  besser  entwickelt;  sie  durch- 
schneiden dann  die  peripherischen  Sprünge  und  erzeugen  mehr 
oder  minder  trapezförmige  Schollen,  welche  zuweilen  eine  selb- 
ständige, schräge  und  abnorme  Bewegung  verrathen,  durch  welche 
die  Regelmässigkeit  des  Senkungsfeldes  örtlich  beirrt  wird.  Gegen 
die  Mitte,  wo  die  radialen  Linien  sich  zu  drängen  beginnen,  ent- 
stehen kleinere  Keile,  und  aus  der  weitgehenden  Zerstückelung 
der  Erde  gehen  stellenweise  eigenthümliche,  örtlich  verschiedene 
Einsturzfelder  hervor,  welche  bald  einen  runden,  bald  einen  un- 
regelmässig eckigen  Umriss  haben  können  und  deren  Ausdehnung 
in  ein  und  demselben  Senkungsfelde  eine  sehr  verschiedene  sein 
mag.  Als  solche  Einstürze  gegen  die  Tiefe  eines  Senkungsfeldes 
sind  z.  B.  der  Rieskessel,  der  Höhgau  und  die  Liparischen  Inseln 
anzuführen. 

Es  ist  bereits  erwähnt  worden,  wie  ausserordentlich  leicht 
selbst  sehr  grosse  Sprünge  dieser  Art,  welche  mit  verticalen  Dis- 
locationen  im  Betrage  von  tausenden  von  Füssen  verbunden  sind, 
unserem  Auge  verhüllt  bleiben  und  wie  oft  künstliche  Aufschlüsse 
solche  Störungen  dort  biossiegen,  wo  sie  früher  nie  vermuthet 
wurden.  So  wird  es  erklärlich,  dass  die  Sprungnetze  in  der  Regel 
nur  in  sehr  lückenhafter  Weise  bekannt  sind.  Böhmen,  sonst  so 
vielfältig  durchforscht,  ist  hiefür  ein  schlagendes  Beispiel.  Kein 
Anzeichen  verräth  an  der  Oberfläche  des  einförmigen  Hügellandes 
von  Przibram  das  Vorhandensein  der  Lettenkluft,  jener  gewaltigen 


I  68  Senkungen  in  Böhmen. 

Störungsfläche,  welche  die  dortigen  Silbergänge  durchsetzt,  jetzt 
bis  zu  einer  Tiefe  von  mehr  als  tausend  Meter  aufgeschlossen 
ist  und  welche  in  der  Tiefe  der  Grube  unter  den  azoischen  Ab- 
theilungen des  Silur  ihre  Unterlage,  den  Granit,  wieder  sichtbar 
werden  lässt.  Die  Lettenkluft  streicht  nordöstlich,  und  der  süd- 
östliche Theil  wird  als  der  gesenkte  anzusehen  sein.  ^^ 

Es  ist  aber  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  die  wenig 
südlich  davon  ebenfalls  gegen  Nordost  fast  geradlinig  zu  Tage 
verlaufende  Grenze  des  Granits  gegen  die  azoischen  Ablagerungen 
einem  zweiten,  ähnlichen  Bruche  entspricht,  und  dass  die  Letten- 
kluft und  diese  Granitgrenze  nur  Theile  einer  grossen  Gruppe 
nordöstlich  streichender  Sprünge  sind,  von  welchen  einige  durch 
die  verdienstlichen  Arbeiten  von  Krejci  und  Helmhacker  erst  kürz- 
lich zwischen  Beraun  und  Prag  ermittelt  wurden/^ 

Diese  Sprünge  liegen  im  Streichen  der  böhmischen  Silurmulde, 
welche  nach  diesen  Erfahrungen  anstatt  des  früher  gebotenen 
Bildes  einer  einfachen  Synklinale  mehr  und  mehr  das  Bild  einer 
sehr  breiten  und  verwickelten  Grabensenkung  annimmt.  Diese 
Gruppe  von  nordöstlichen  Sprüngen  ist  aber  wieder  nur  ein  Theil 
jenes  grossen  Systems  von  Sprüngen,  von  welchem  die  böhmische 
Masse  durchsetzt  ist,  welchem  die  Brüche  am  Fusse  des  Erzgebirges, 
die  wiederholten  parallelen  Senkungslinien  am  Fusse  des  Iser- 
und  Riesengebirges,  die  scharfe,  von  Elbe-Teinitz  gegen  Südost 
ziehende  Linie,  die.  von  Frag  gegen  Süd  ziehende  Linie  des 
Moldauthales  und  manche  andere  angehören,  von  welchen,  eine 
vorläufige  Skizze  mir  mitzutheilen,  Prof.  Krejci  die  Güte  hatte, 
und  deren  genauere  Ermittlung  die  dankbare  Aufgabe  unserer 
Fachgenossen  in  Prag  geworden  ist.  Heute  lässt  sich  jedoch  schon 
erkennen ,  dass  ein  sehr  grosser  Theil  Böhmens ,  insbesondere 
West,  Nord  und  Ost  des  Landes,  der  Schauplatz  ausgedehnter 
Senkungen  gewesen  ist,  welche  sich  auf  weichender  Unterlage  an 
zahlreichen  Sprungflächen  vollzogen  haben.  Die  schematische 
Unterscheidung  von  peripherischen  und  radialen  Sprüngen  findet 
in  diesem  Falle  freilich  keine  Anwendung.  Der  archäische  Süden 
des  Landes  ragt,  allerdings  auch  von  Sprüngen  durchsetzt, 
dennoch  im  tektonischen  noch  weit  mehr  als  im  orographischen 
Sinne  über  das  andere  Land  hervor;  gegen  Nordost  und  Nord- 


SenkuDf^n  ia  Utah.  I  6q 

west  stehen  als  Grenzen  die  Abhänge  des  Riesengebirges  und  des 
Erzgebirges. 

Die  Vorstellungen,  welche  sich  auf  den  enger  umgrenzten 
Gebieten  des  mittleren  Europa  bilden,  sind  aber  zum  guten  Theile 
nicht  übertragbar  auf  jene  weiten  Regionen  anderer  Welttheile, 


■if.  l3.      Die    Brüche    lU-r 

Hochiilateam    von 

Utah. 

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in  welchen  horizontal  geschichtete  Platten  auf  ausserordentliche 
Strecken  hin  durchschnitten  sind  von  grossen  Storungslinien,  in 
welchen  der  Begriff  von  peripherischen  Linien  selten,  jener  von 
radialen  Linien  noch  seltener  Geltung  erlangen  kann,  wo  bei  der 
Vertheilung  der  Linien  die  Durchkreuzung  selten  ist  und  folglich 
auch  die  Veranlassung  zu  localen  Einstürzen  fehlt,  und  bei  ihrer 


I  yo  Bruch  des  Wahsatch. 

ausserordentlichen  Länjje  nicht  nur  das  Ausmaass  der  Senkung 
sich  ändert,  sondern  sogar  die  Senkung  bald  auf  der  einen  und 
bald  auf  der  anderen  Seite  desselben  Sprunges  eintritt. 

Um  diesen  Gegensatz  zu  zeigen,  wähle  ich  das  ausgezeich- 
netste Beispiel,  nämlich  jenes  System  von  Störungen,  welches  die 
Hochplateaux  des  westlichen  Utah  durchsetzt,  und  von  welchem 
Dutton  ein  ebenso  anschauliches  als  lehrreiches  Bild  entwor- 
fen hat.  '^ 

Das  an  der  Ostseite  des  grossen  Salzsee's  und  des  Utah  Lake 
herabstreichende  Wahsatchgebirge  reicht  lange  nicht  so  weit  nach 
Süden,  als  unsere  Karten  in  der  Regel  angeben,  sondern  endet 
in  der  Nähe  des  M.  Nebo,  beiläufig  in  3c/  45'. 

Das  Wahsatchgebirge  ist  gegen  den  Salzsee  von  einem  von 
Nord  gegen  Süd  laufenden  grossen  Bruche  abgeschnitten,  an 
welchem  der  westliche  Flügel  abgesunken  ist.  Gegen  Süd  löst 
sich  dieser  Bruch  in  zwei  staffeiförmig  stehende  Brüche  auf.  Dem 
südlichen  Ende  des  Gebirges  gegenüber  erhebt  sich  M.  Nebo, 
eine  Masse,  welche  von  einem  meridionalen  Bruche  in  solcher 
Weise  abgeschnitten  ist,  dass  die  Osthälfte  sank,  und  man  be- 
trachtet den  Bruch  des  M.  Nebo  als  die  Fortsetzung  des  Bruches 
oder  der  parallelen  Brüche,  an  welchen  die  Westseite  des  Wah- 
satch abgesunken  ist. 

Von  M.  Nebo  an  folgt  bis  zum  grossen  Canon  des  Colorado 
hinab  ein  Landstrich,  welcher  gebildet  wird  von  gewaltigen  Schollen 
horizontal  geschichteten  Gebirges,  welches  den  Westrand  des 
grossen  Colorado-Plateaus  ausmacht.  Die  Schichten  bestehen  aus 
marinen  Ablagerungen,  welche  vom  Carbon  bis  in  die  Kreide 
reichen,  wobei  in  der  Kreide  die  Einschaltung  von  blattführenden 
und  wohl  auch  von  echten  lacustren  Schichten  sich  gegen  oben 
mehr  und  mehr  bemerkbar  macht;  hierauf  folgen  tertiäre  lacustre 
Sedimente  und  dann  ausgedehnte  vulcanische  Decken.  Die  Ober- 
fläche dieser  grossen  Schollen  liegt  in  vielen  Fällen  mehr  als 
I  i.ooo  Fuss  über  dem  Meere,  und  sie  sind  umgrenzt  und  durch- 
schnitten von  grossen  linearen  Störungen. 

Die  Anordnung  der  Störungslinien  ist  auf  Fig.  1 3  nach  Dutton, 
Atlas  PI.  IV,  ersichtlich  gemacht,  wobei  Dutton  für  den  südlichen 
Theil  die  Arbeiten  PowelFs  und  Gilbert's  zu  Grunde  gelegt  hat. 


Flexuren.  I  y  I 

Sie  gleicht  einer  ruthenförmigen  Zertheilung  des  Hauptbruches 
am  Wahsatch  und  Nebo,  wobei  im  Süden  zwischen  den  östlichen 
und  westlichen  Kaibabbrüchen  (6  und  7  auf  Fig.  13)  das  Kaibab- 
Plateau  im  Grossen  die  Stellung  eines  Horstes  einnimmt.  Die  öst- 
lichen Linien  mögen  dann  als  dem  westlichen  Theile  jener  peri- 
pherischen Linien  zulaufend  angesehen  werden,  an  welchen,  wie 
sich  später  zeigen  wird,  das  Colorado-Plateau  eingesenkt  ist,  wäh- 
rend die  westlichen  Linien  in  sehr  verwickelte  Beziehungen  zu  den 
Ketten  des  Great-Basin  treten. 

Durch  diese  Brüche  werden,  wie  gesagt,  grosse  Schollen 
umgrenzt. 

Die  erste  dieser  Schollen,  Wahsatch-Plateau,  erhebt  sich  süd- 
östlich von  M.  Nebo  und  dem  Ende  der  Wahsatch-Mountains  zwi- 
schen 39°  30'  und  39°.  Von  der  Westseite  dieser  Scholle  gehen 
die  weiteren  Störungslinien  aus;  sie  divergiren  gegen  Süd,  und 
indem  sich  neue  Linien  mit  ähnlicher  Anordnung  anschliessen,  ent- 
steht nun  jenes  grosse  Bündel  nordwärts  mehr  oder  weniger  gegen 
die  Westseite  vom  Wahsatch-Plateau  hinstrebender  und  südwärts 
auseinandertretender  Linien,  welche,  immer  weiter  von  einander 
entfernt,  die  Cahons  des  Colorado  kreuzen  und  noch  weiter  nach 
Süden  sich  fortsetzen.    Fig.  13  zeigt  sie  etwa  bis  35°  40'  hinab. 

Diese  Störungslinien  sind  auf  lange  Strecken  hin  mehr  oder 
minder  scharfe  S  förmige  Beugungen  der  Schichten,  welche  von 
den  amerikanischen  Forschern  im  Gegensatze  zu  den  ,folds\  d.  i. 
wahren  Falten  alpiner  Gebirgsbildung,  als  ^monoclinal  flexures^ 
bezeichnet  werden.  Es  fehlt  unserer  Nomenclatur  eine  kurze  Be- 
zeichnung für  diese  Form  der  Störungen,  und  ich  werde  sie  eben- 
falls Flexuren,  im  Gegensatze  zu  Falten,  nennen.  Diese  Flexuren 
ersterben  an  manchen  Orten  in  immer  flacherer  Beugung;  an  an- 
deren Orten  gehen  sie  in  steile  Brüche  über  mit  beträchtlicher 
Absenkung  einer  Seite.  Aus  der  zerrissenen  Flexur  wird  eine 
Verwerfung  mit  geschleppten  Flügeln,  wobei  der  gesenkte 
Flügel  nach  aufwärts,  der  andere  nach  abwärts  geschleppt  ist, 
gerade  wie  durch  Zerreissung  eines  Faltensattels  eine  Wechsel- 
fläche erzeugt  wird. 

Flexuren  und  Verwerfungen  haben  daher  nicht  als  wesentlich 
verschiedene  Erscheinungen  zu  gelten.    Beide  treten  abwechselnd 


1^2  Sevierbruch. 

auf  derselben  Störungslinie  je  nach  dem  Wechsel  des  Betrages 
der  Störung  auf,  und  es  kann  sogar  geschehen,  dass  an  derselben 
Stelle  eine  Störung  in  einem  höheren  Niveau  als  Flexur,  in  einem 
tieferen  als  Verwerfung  sichtbar  wird.  Nun  schwankt  aber  auf 
diesen  langen  Linien  nicht  nur  der  Betrag  der  Störung,  sondern 
es  kann  bald  der  östliche,  bald  der  westliche  Flügel  abgesunken 
sein,  wie  wir  dies  eben  an  dem  Hauptbruche  der  Wahsatch-Moun- 
tains  und  des  M.  Nebo  sahen,  und  wie  dies  ja  auch  z.  B.  Elie  de 
Beaumont  vor  Jahren  an  dem  Bruche  von  Zabern  in  den  Vogesen 
dargestellt  hat. 

Hin  Beispiel  soll  dies  zeigen. 

Wir  folgen  von  Süd  gegen  Nord  Dutton's  Darstellung  der 
Sevierlinie  (5,  Fig.  13).  Sie  beginnt  35  Miles  nördlich  vom  grossen 
Canon.  Anfangs  ist  sie  mit  der  gesunkenen  Seite  nach  abwärts 
gebeugt,  also  entgegengesetzt  der  gewöhnlichen  Schleppung, 
und  die  andere  Seite  ist  horizontal.  Fünf  Miles  entfernt  von  der 
Störung  Hegen  die  an  der  Störung  gebeugten  Schichten  auch 
horizontal  und  ebenso  hoch  wie  der  jenseitige  Flügel.  Weiter 
nördlich  ist  sie  abgestuft  in  zwei  Brüche.  Noch  weiter,  am  Rande 
des  Faunsagunt-Plateaus,  ist  die  gesunkene  westliche  Seite  auf- 
wärts gebeugt,  die  andere  horizontal.  Noch  weiter  nach  Nord 
treten  von  der  gesunkenen  Seite  her  Zweigbrüche  Hinzu,  und  es 
tritt  etwas  Stafifelbildung  ein.  Der  Bruch  vereinigt  sich  wieder, 
hat  aber  an  verticalem  Ausmaasse  verloren. 

Es  beträgt  die  Senkung  bei  Hillsdale,  noch  immer  am  Rande 
des  Faunsagunt-Plateaus,  etwa  in  3  7**  40',  nur  800  Fuss.  Dies  bleibt 
sich  durch  beiläufig  i  o  Miles  gleich ;  durch  die  nächsten  60  Miles 
folgt  eine  sehr  allmälige  Zunahme.  In  Panciuitch  Canon,  den  der 
Sevier  durchfliesst,  liegt  ein  grosses  eruptives  Centrum  und  wird 
die  Verfolgung  schwieriger,  doch  bildet  der  Hauptbruch  die 
grosse  Plateauwand  gegen  Ost. 

In  Circle -Valley  geht  nun  ein  Zweig  ab  und  kehrt  wieder 
zurück.  Noch  nördlicher,  bei  Fast  Fork  Canon  (38"  5' — 38°  10') 
sind  die  gesunkenen  Schichten  aufgebeugt  gegen  den  Bruch, 
gegen  oben  aber  abgetrennt,  mit  einem  Verwürfe  von  3000  Fuss. 
Das  Maximum  der  Dislocation  wird  bei  dem  Mormonendorfe 
Monroe  (38"  38')  erreicht,  dann  nimmt  der  Betrag  der  Störung  ab. 


Verschiedenes  Maass  der  Bewegung. 


173 


Zwischen  Glenwood  und  Salina  (zwischen  38°  43'  und  38"  75') 
scheint  derselbe  auf  Null  gesunken  zu  sein  und  nun  tritt  gänzliche 
Verkehrung  ein.  Während  auf  der  ganzen  Strecke  bis  hieher  der 
westliche  Flügel  gesenkt  war,  erfolgt  nun  die  Senkung  gegen  Ost. 
Der  Bruch  bildet  nun  den  Ostrand  des  San  Pete-Plateaus  und 
nimmt  fortwährend  zu,  bis  in  die  Nähe  des  M.  Nebo. 

Dutton  nimmt  an,  dass  in  diesem  nördlichen  TheÜe  eine 
jüngere  Bewegung  der  älteren  gefolgt  sei. 

Es  ist  mir  nöthig  erschienen,  so  weit  ins  Einzelne  zu  gehen, 
um  den  Wechsel  in  den  wesentlichsten  Merkmalen  erkennen  zu 
lassen.    Es  ist  ferner  die  der  gewöhnlichen  Schleppung  entgegen- 


gesetzte Auf  beugung  der  Schichten  am  südlichen  Ende  der  Sevier- 
Linie  hervorzuheben.  Dieser  Fall  trifft  Öfters  ein  und  wird  dadurch 
erklärt,  dass  an  derselben  Stelle  Dislocationen  im  entgegenge- 
setzten Sinne  eingetreten  seien,  d.  i.  dass  z.  B.  erst  der  östliche, 
dann  der  westliche  Flügel  der  tiefere  gewesen  sei. 

Das  Maass  der  verticalen  Dislocation  steigt  bis  auf  etwa 
7000  Fuss  an  einzelnen  die.ser  Linien,  lieber  die  Art  der  Bewe- 
gung, d.  i.  ob  der  tiefer  liegende  Flügel  gesenkt  oder  der  andere 
gehoben  sei,  sprechen  .sich  die  amerikani.schen  Forscher  ohne  Aus- 
nahme mit  der  äussersten  Zurückhaltung  aus  und  verwahren 
•sogar  ausdrücklich  dagegen,  dass  aus  den  von  ihnen 
drücken  eine  bestimmtere  Folgerung  gezogen  werde. 


I  y6  Alpine  Einbrüche. 

leicht  kennbarer  Streifen  von  eocänem,  petrefactenreichem  Grün- 
sand und  Eisenoolith,  begleitet  von  zuweilen  riffartig  hervortreten- 
dem, gleichfalls  eocänem  Lithothamnienkalk,  streicht  an  dem  äusser- 
sten  Saume  des  Gebirges  von  Baiern  her  gegen  Ostnordost,  bricht 
ab  und  taucht  mit  gleichem  Streichen  jenseits  der  Salzach  bei 
S.  Pankraz,  am  Wartberge  bei  Mattsee  und  an  anderen  Stellen 
wieder  hervor.  Innerhalb  dieses  äussersten  Saumes  und  grössten- 
theils  mit  demselben  ist  die  Flyschzone  ihrer  vollen  Breite  nach 
gegen  Ost  bis  an  die  Salzach  und  gfegen  Süd  bis  an  die  Kalk- 
wände  des  Untersberges  zur  Tiefe  hinabgesunken.  Es  fehlt  daher 
dieser  Gegend  das  waldige  Vorgebirge,  welches  sonst  das  land- 
schaftliche Mittelglied  zwischen  dem  grünen  Flachlande  und  den 
schroffen  Abstürzen  des  Hochgebirges  bildet;  aber  gerade  der 
hiedurch  hervortretende,  ungewohnte  Gegensatz  bedingt  die  un- 
vergleichliche Lage  der  Stadt  und  den  gewaltigen  Eindruck, 
welchen  die  Höhen  des  Stauffen-  und  des  Untersberges  hervor- 
bringen. 

Ein  zweites  Beispiel  ist  der  merkwürdige  Einbruch  des  Prät- 
tigau,  von  welchem  ich  bald  ausführlicher  zu  sprechen  haben 
werde. 

Ein  dritter  Fall  ist  der  Einbruch  von  Laibach,  mit  ausser- 
ordentlich unregelmässigem  Umrisse,  unterbrochen  und  getheilt 
durch  zahlreiche  aufragende  Klippen. 

Ein  viertes  Beispiel  ist  die  Senkung  von  Wien.  Diese  steht 
fast  ebenso  weit  nach  aussen  wie  jene  von  Salzburg,  aber  sie  um- 
fasst  ausser  dem  Flysch  die  gesammte  Breite  der  Kalkzone.  Diese 
Senkung  ist  im  Sinne  des  Streichens  des  Gebirges,  welches  hier 
gegen  Nordost  gerichtet  ist,. viel  länger  als  ihre  Breite.  Gegen 
Südwest  bildet  die  Thermenlinie  von  Baden  und  Yöslau  die 
Grenze,  doch  kennt  man  einzelne  Thermen  auch  an  dem  öst- 
lichen Rande. 

Ein  erneuerter  Besuch  des  Ostrandes  der  Alpen  gegen 
die  ungarische  Ebene  hat  mich  in  der  Ansicht  bestärkt,  dass  der 
Einbruch  von  Wien  im  Zusammenhanofe  mit  diesem  Rande  zu  be- 
trachten  ist. 

Die  Alpen  enden  hier  nicht  mit  geradlinigem  Bruche  und  sie 
dachen  nicht  mit  lang  unter  die  Ebene  hinablaufenden  Falten  ab, 


Ostrand  der  Alpen.  177 

wie  dies  allerdings  weiter  im  Süden  der  Fall  ist.  Es  sind  im 
Gegentheile  zwei  grosse,  bogenförmige  Ausschnitte  in  dem 
Gebirgsrande  vorhanden,  welche  zwei  Einsenkungsgebieten  ent- 
sprechen. 

Die  Umrahmung  der  ersten  Senkung  beginnt  mit  niedrigen 
Gneisskuppen  in  der  Nähe  des  südlichen  Endes  des  Neusiedler- 
sees und  verläuft  über  Kobersdorf  und  Landsee  gegen  Güns.  Bei 
Landsee  erhebt  sich  an  diesem  Rande  eine  nicht  unbedeutende 
Basaltmasse;  auch  im  Innern  der  Senkung  sieht  man  Basalt  bei 
Pullendorf. 

Das  zweite  Senkungsgebiet  ist  viel  ausgedehnter.  Es  reicht 
von  dem  aus  wahrscheinlich  devonischem  Schiefer  gebildeten  Süd- 
rande des  Gebirgszuges  von  Güns  in  weitem  Bogen  bis  Graz  und 
von  da  bis  Marburg  am  Ostende  des  Bachergebirges.  Wenn  man, 
von  Güns  kommend,  eine  Anzahl  jener  Thäler  gekreuzt  hat,  welche, 
in  weiche  tertiäre  Lagen  eingesenkt,  von  den  steirischen  Bergen 
zum  Raabflusse  hinabziehen,  so  kann  man  nahe  der  Westgrenze 
Ungarns,  z.  B.  auf  den  Höhen  zwischen  Grobendorf  und  Ulbern- 
dorf  oberhalb  Stegersbach,  den  Blick  gegen  Südwest  gerichtet, 
ein  für  alpine  Gebiete  seltenes  Bild  sehen. 

Zur  Rechten  weichen  die  hohen  und  dunklen  devonischen 
Berge  von  Graz  in  weitem  Bogen  zurück;  hinter  ihnen  erheben 
sich  die  aus  Gneiss  und  altem  Schiefer  bestehenden  noch  höheren 
Rücken,  welche,  südwärts  zur  Koralpe  ziehend,  allmälig  dem 
Auge  entschwinden.  Vor  den  Bergen  von  Graz  liegt  ein  Stück 
grüner  Ebene,  dann  mitten  in  der  Landschaft,  ganz  vereinzelt,  die 
grosse  kubische  Masse  der  Riegersburg,  der  Rest  einer  einst  viel 
weiter  ausgebreiteten  Decke  von  basaltischer  Breccie  und  Tuff. 
Ein  wenig  links  von  dem  senkrechten  Abstürze  der  Riegersburg 
werden  die  Umrisse  der  Trachytberge  von  Gleichenberg  sichtbar. 
Noch  weiter  links  verliert  sich  der  Blick  in  dem  Dufte,  welcher 
über  der  weiten  ungarischen  Ebene  ausgebreitet  liegt. 

So  endet  der  Hauptstamm  der  Alpen.  Es  ist  nicht  allmäliges 
Untertauchen,  sondern  Abbruch,  oder  vielmehr  zweifacher  bogen- 
förmiger Einbruch,  begleitet  von  vulcanischen  Ausbrüchen,  und 
es  ist  gar  kein  ursachlicher  Zusammenhang  kennbar  zwischen  dem 
Gefüge  des  Gebirges  und  dem  Verlaufe  dieser  Einbrüche.    Der 

Sness,  Das  Antlitz  der  Krde.  12 


I  y  8  Alter  des  Ostrandes  der  Alpen. 

Gebirgszug  von  Güns  tritt  wie  ein  Horst  zwischen  beiden  Ein- 
brüchen hervor. 

Der  Zusammenhang  dieser  beiden  Senkungen  mit  jener  von 
Wien  verräth  sich  durch  den  Umstand,  dass  es  dieselben  Glieder 
der  mittleren  Tertiärablagerungen  sind,  welche  sich  von  Wien  bis 
zum  Bacher  an  die  Bruchränder  schmiegen.  Die  erste  Mediterran- 
stufe, welcher  auch  die  Meeresmolasse  der  Schweiz  angehört, 
zieht  sich  von  Baiern  her  am  Rande  der  böhmischen  Masse  über 
Linz,  Melk,  Hörn  u.  s.  w.  hin;  sie  ist  noch  niemals  innerhalb  der 
eben  genannten  Senkungen  gefunden  worden,  aber  sie  tritt  süd- 
lich vom  Bachergebirge  wieder  in  ansehnlicher  Entwicklung  her- 
vor. Das  älteste  Glied,  welches  innerhalb  dieser  Senkungen  er- 
scheint, sind  die  lignitreichen  Schichten  von  Pitten  und  Eibiswald 
mit  der  Fauna  des  Mastod.  angustidens.  Ihnen  folgen  Meeres- 
schichten der  zweiten  Mediterranstufe  mit  Cerith.  lignitarum,  Py- 
rula  cornuta  und  der  westafrikanischen  Tugonia  anatina,  dann  die 
ganze  mannigfaltige  Serie  jüngerer  Glieder. 

Es  ist  daher  das  Alter  der  drei  Einsenkungen  von  Wien,  von 
Landsee  und  von  Graz  ziemlich  genau  bekannt,  und  wir  werden 
sehen,  dass  beträchtliche,  auaiserhalb  der  Alpen  gelegene  Ein- 
senkungen in  Mittel-Europa  auch  beiläufig  derselben  Phase  der 
Tertiärzeit  zufallen. 

Diese  Einsenkungen  sind  aber  die  Zeichen  eines  Weichens 
der  Unterlage  unter  einzelnen  Theilen  der  bereits  gefalteten 
Alpen. 

Noch  auffallender  als  in  den  Alpen  ist  die  kesseiförmige  Ge- 
stalt der  Einbrüche  an  der  Innenseite  des  Appennin.  Seitdem  ich 
vor  Jahren  das  bogenförmige  Eingreifen  dieser  Brüche  in  das 
gefaltete  Gebirge  beschrieb,  habe  ich  wiederholte  Gelegenheit 
gehabt,  mehrere  derselben  neuerdings  zu  besuchen,  und  bin  dabei 
in  meinen  damaligen  Ansichten  bestärkt  worden.  Schon  der  Um- 
riss  des  Golfes  von  Genua  ist  hier  zu  nennen;  die  toscanische 
Senkung,  mehr  nach  dem  Streichen  des  Gebirges  gestreckt  und 
bis  in  den  Innenrand  der  östlichen  Flyschzone  eingreifend,  gleicht 
in  vieler  Beziehung  der  Niederung  von  Wien.  So  wie  man  vom 
Westen,  z.  B.  von  München  kommend,  auf  der  Eisenbahn  nur  die 
Flyschzone  überschreitet,  um  sich  in  Wien  in  der  Tiefe  der  alpinen 


Westrand  Italicn's.  I  79 

Senkung  zu  befinden,  so  übersetzt  die  Eisenbahn  zwischen  Bo- 
logna und  Pistoja  auch  nur  den  Flysch,  und  Florenz  Hegt  ebenso 
auf  einer  Senkung  des  Appennin,  wie  Wien  auf  einer  Senkung 
der  Alpen. 

Gegen  Süd  wird  dann  die  kreisförmige  Gestalt  immer  deut- 
licher, so  am  Südrande  des  Golfes  von  Neapel  bis  Capri  hinaus, 
im  Golf  von  Salern  zwischen  Capri  und  Punta  della  Licosa,  im 
Golf  der  S.  Eufemia  zwischen  Cap  Suvero  und  dem  vaticanischen 
Vorgebirge,  endlich  im  Golf  von  Gioja  zwischen  diesem  Vor- 
gebirge und  Scilla.  Die  Horste  ragen  als  Vorgebirge  ins  Meer 
hinaus.  Die  Tiefe  dieser  Senkungen  kennen  wir  nicht,  aber  wir 
wissen,  dass  noch  mindestens  1500  Fuss  Asche  und  Tuff  unter 
der  Stadt  Neapel  liegen.  Selbstverständlich  hat  man  bei  Be- 
urtheilung  dieser  Einbrüche  nicht  die  flach  concave  Küstenlinie 
ins  Auge  zu  fassen,  sondern  den  bogenförmigen  Abhang  des  Ge- 
birges, welcher  in  seinem  Laufe  von  einem  Vorgebirge  zum  an- 
dern sich  mehr  oder  weniger  weit  landeinwärts  zieht.  Auch  die 
peripherische  Schütterlinie  Calabriens  scheint  nichts  Anderes  als  * 
der  Grundplan  zu  sein,  nach  welchem  ein  neuer  grosser  Einbruch 
dieser  Art  sich  allmälig  vorbereitet.  Ebenso  ist  vielleicht  der 
grosse  bogenförmige  Steilrand  entstanden,  welcher  den  Piano  di 
Catania  und  den  Aetna  umfasst  und  sich  vom  M.  Cieri  oberhalb 
Taormina  über  M.  Sordo,  M.  Gallina  oberhalb  Nicosia,  über  Castro 
Giovanni,  Piazza,  Caltagirone,  Vizzini,  zur  Küste  zwischen  Syracus 
und  Noto  erstreckt. 

Es  ist  also  die  Westküste  Italiens  mit  einer  langen  Reihe  von 
Einsenkungen  besetzt,  welche  in  ihrem  Zusammenhange  den  un- 
regelmässigen Abbruch  des  Appennin  und  die  wechselvolle  Glie- 
derung dieser  Küste  im  Gegensatze  zur  Ostküste  erzeugen.  Nur 
durch  Einbrüche  dieser  Art  konnten  Horste  erzeugt  werden  wie 
der  lange,  quer  auf  das  Streichen  des  Gebirges  aufragende  Kalk- 
zug von  Sorrent  und  Capri. 

Brüche  von  dieser  Art  können  aber  ein  noch  weit  grösseres 
Maass  erreichen.  Dies  lehrt  die  Beschaffenheit  vieler  Küsten, 
welche  steil  und  quer  auf  das  Streichen  gebrochen  sind. 

Betrachten  wir  z.  B.  die  Gebirge  der  Krim.  Schon  Pallas 
hielt  die  nördliche  Hälfte  des  Schwarzen  Meeres  für  ein  Senkungs- 


12 


->* 


l8o  Die  Krim. 

feld. ,  Viele  neuere  Beobachter,  unter  ihnen  Spratt,  schlössen  sich 
dieser  Meinung  an  und  begründeten  sie  durch  den  plötzlichen  Ab- 
sturz des  Meeresbodens  und  durch  die  Beschaffenheit  der  Bruch- 
ränder des  taurischen  Gebirges.  In  der  That  beträgt  die  Tiefe 
des  Meeres  nördlich  von  der  Linie  Cap  Emineh  —  Cap  Saritsch 
nur  70 — 80  M.,  während  sie  südlich  von  derselben  schnell  auf 
1 000 —  1 800  M.  steigt,  und  in  der  Mitte  der  Westhälfte  des  Pontus 
hat  Spratt  sogar  Tiefen  von  über  2100  M.  gefunden;  das  ist  bei- 
nahe der  doppelte  Betrag  der  Höhe  der  taurischen  Berge.^^ 

Auch  gegen  Ost  hin  hat  Em.  Favre,  gestützt  auf  Abich's 
Arbeiten,  sowie  auf  seine  eigenen  Beobachtungen,  sowohl  im 
Kaukasus  als  auf  der  Krim,  den  einstigen  Zusammenhang  dieser 
Gebiete  nachgewiesen.^* 

Der  Kaukasus  kann  gedacht  werden  als  bestehend  aus  zwei 
einseitigen  Ketten,  welche  von  Südwest  her  aneinandergerückt 
sind.  Grosse  Vulcane  stehen  hier  ausnahmsweise  mitten  im  Ge- 
birge, nämlich  Elbruz  und  Kasbek,  dem  südlichen  Abhänge  aber 
gehören  die  grössten  Brüche  und  Störungen  an.  In  der  Nordkette 
fallen  Jura,  Neocom  und  die  jüngeren  Schichten  concordant  gegen 
Nord,  während  die  südliche  Kette  eine  durchgreifende  Discordanz 
zwischen  Jura  und  Neocom  erkennen  lässt;  auch  fehlt  der  Nord- 
kette, wie  es  scheint,  die  ältere  Tertiärstufe  gänzlich. 

Die  südliche  Zone  des  Kaukasus  ist  es  nun,  welcher  das  tau- 
rische  Gebirge  nach  Favre  angehört;  in  diesem  ebenfalls  nord- 
wärts geneigten  Bruchstücke  wiederholen  sich  seine  stratigraphi- 
schen  Eigenthümlichkeiten. 

Das  taurische  Gebirge,  jenes  gegen  Süd  keilförmig  gestal- 
tete Bruchstück  der  äusseren  Ketten  eines  grossen  Gebirgszuges, 
ist  also  ein  Fragment  des  vom  Innenrande  her  eingesunkenen 
Kaukasus.  Sein  keilförmiger  Umriss  entspricht  seiner  Stellung 
als  Horst  zwischen  der  östlichen  und  der  westlichen  Einsenkung 
des  Pontus. 

Noch  weit  grössere  Beispiele  für  solche  Senkungen  anzu- 
führen, wird  sich  an  späterer  Stelle  die  Gelegenheit  finden. 


Vereinigte  Bewegung. 


C.  Dislocationen  aus  vereinigter  Senkung  und  tangentialer 
Betvegung. 

In  jenen  Fällen,  in  welchen  Senkung  und  tangentiale  Bewe- 
gung thätig  waren,  ist  zuerst  zu  unterscheiden,  welches  die  Strei- 
chungsrichtung der  hauptsächlichen  Bruchlinie  im  Verhältnisse  zu 
der  Richtung  der  faltenden  Kraft  ist.  Steht  der  Bruch  annähernd 
senkrecht  auf  der  Richtung  der  Gebirgsfalten,  ist  er  also  ein 
Querbruch,  so  wird  die  Störung  wahrscheinlich  durch  den  ver- 
schiedenen Grad  der  Faltung  auf  beiden  Seiten  mehr  oder  weniger 
der  schrägen  Bewegung  an  einer  Blattfläche  gleichen.  Ist  da- 
gegen der  Bruch  ein  Längsbruch,  was  viel  häufiger  vorkommt,  so 
ist  zu  unterscheiden,  ob  der  gesenkte  Theil  im  Sinne  der  faltenden 
Kraft  nach  innen  oder  nach  aussen  liegt,  ob  also  z.  B.  in  einem 
nach  Nord  gefalteten  Zuge  der  südliche  oder  der  nördliche  Theil 
abgesunken  ist. 

Wird  ein  gefaltetes  Gebirge  von  einem  Längsbruche  durch- 
schnitten und  sinkt  an  demselben  der  innere  Flügel  zur  Tiefe,  so 
zeigt  sich  nicht  selten  in  dem  Gebirge  das  Bestreben,  in  einer 
der  normalen  Faltung  ganz  entgegengesetzten  Richtung 
den  Bruch  zu  überfalten,  wodurch  an  demselben  nicht  nur 
Aufrichtung,  sondern  auch  Einklemmung  und  Umstürzung  der 
Schichten  entstehen  mag.  Diese  Erscheinung  nennen  wir  Rück- 
faltung, 

Das  mittlere  Europa  umschliesst  mehrere  sehr  ausgezeichnete 
Beispiele  von  Rückfaltung. 

Die  grosse  Masse  des  Riesen-  undlsergebirges  sammtder 
Heuscheuer  und  den  inneren  Theilen  der  Sudeten  ist  nach  Nord- 
ost bis  Ost  bewegt.  An  ihrem  Innenrande  ist  sie  auf  eine  lange 
Strecke  durch  einen  nordwestlich  streichenden  Bruch  abgeschnitten, 
und  auf  dieser  Linie  ist  in  einer  dem  normalen  Gebirgsbaue  ent- 
gegengesetzten Richtung  Granit  mit  anderen  archäischen  Fels- 
arten gegen  Südwest  über  weissen  Jura  und  Kreide  herüberge- 
beugt. Es  hat  in  letzter  Zeit  v.  Dechen  die  hierauf  bezüglichen 
Thatsachen  für  die  127  Km.  lange  Strecke  von  Oberau  bei  Meissen 
bis  Zittau  gesammelt.     Man   ersieht,    dass   an   einzelnen  Stellen 


I  8  2  Voglarn. 

Aufrichtung  von  Kreide  an  Granit,  an  anderen  wahre  Ueberschie- 
bung  von  Granit  über  Jura  und  Kreide  beobachtet  wurde.^^ 

Dieselbe  Erscheinung  wiederholt  sich  an  dem  südwestlichen 
Rande  der  böhmischen  Masse,  im  Angesichte  der  Alpen.  Bei 
Voglarn,  unweit  von  Ortenburg  in  Baiern,  haben  Egger  und 
Gümbel  eine  Ueberschiebung  von  Gneiss  über  eine  nach  ab- 
wärts gerichtete  Synklinale  von  oberem  Jura  gefunden,  und 
Ammon  hat  gezeigt,  dass  in  diese  Mulde  auch  die  Kreide- 
formation eingeklemmt  ist.  Auch  dieser  Bruchrand  ist  daher 
nach  Ablagerung  der  Kreideformation  vom  hangenden  Flügel 
her  überschoben.«^^ 

Aehnlich  dürfte  es  sich  auch  an  dem  Südrande  des  Teuto- 
burger  Waldes  verhalten.  Es  ist  allerdings  in  solchen  Fällen 
schwer  zu  sagen,  ob  wahre  Verwerfungen  überschoben  wurden 
oder  Flexuren;  bei  dem  grossen  Ausmasse  der  Brüche  wird  das 
Erstere  als  wahrscheinlicher  zu  betrachten  sein. 

Dieselbe  Rückfaltung  tritt  auch  in  den  alpinen  Einsturz- 
gebieten auf. 

Es  hat  H.  V.  Mojsisovics  die  Güte  gehabt,  das  Einsturzgebiet 
des  Prättigau  auf  Fig.  15  nach  dem  heutigen  Stande  der  Er- 
fahrungen darzustellen. 

Man  sieht,  wie  der  westliche  Theil  der  Kalkzone  der  östlichen 
Alpen  im  Rhaetikon  endet,  und  wie  an  diesem  Ende  die  Faltungen 
und  Wechsel  in  wahrer  Schuppenstructur  rechtwinkelig  umgebeugt 
werden,  so  dass  sie  zuletzt  nordsüdlich  streichen,  als  wäre  eine 
grosse  horizontale  Verschiebung  der  Ostalpen  gegen  die  West- 
alpen an  der  Rheinlinie  eingetreten,  und  als  sei  der  Rhaetikon 
horizontal  geschleppt.  Uebersteigt  man  nun  von  Norden  her  den 
Rhaetikon  und  erreicht  man  an  seinem  höchsten  Funkte,  der  Scesa 
Plana,  den  steil  abstürzenden  Südrand,  so  sieht  man  nicht,  wie  es 
etwas  weiter  gegen  Ost  der  Fall  ist.  Berge  von  älterem  Schiefer 
und  über  diesen  vergletscherte  Kämme  und  Zacken  von  Gneiss, 
sondern  tief  unten  das  grüne  Hügelland  des  Prättigaus,  zuerst 
aus  Jura  und  Kreidebildungen  von  helvetischem  Typus  zusammen- 
gesetzt, wie  sie  jenseits  des  Rheins  am  Säntis  zu  Tage  stehen, 
und  eine  grosse  Ausbreitung  von  Flysch.  Gegen  Ost  ist  der 
Bruch  ebenfalls  sehr  scharf  ausgeprägt,  und  eine  schmale  Um- 


Prätligau.  183 

randung  von  Triasbildungen   bezeichnet  die  Grenze  gegen  die 
Gneissmasse  der  Silvretta. 

Hier,  wo  im  Rhaetikon  die  Faltungsrichtung  gegen  Nord 
und  Nordwest  bis  zur  Bildung  von  Wechseln  und  Schuppenstructur 
gestiegen  ist,  findet  nichtsdestoweniger  an  dem  Südrande  des- 
selben und  zum  Theile  auch  an  dem  Westrande  der  Silvretta 
deutliche  Rückfaltung  statt,  so  dass  das  Senkungsfeld  gegen  Nord 


und  Ost  davon  in  mehr  oder  weniger  ausgeprägter  Weise  um- 
geben ist. 

Die  Hohe  Wand  bei  Wiener-Neustadt  ist  ein  ähnliches  Bei- 
spiel von  Rückfaltung  in  einem  alpinen  Einstürze.  Es  ist  dieselbe, 
deren  Blattflächen  S.  1 58  erwähnt  wurden.  Diese  Wand  läuft  der 
Thermenlinie  in  unmittelbarer  Nähe  parallel  und  bezeichnet  den 


I  $4  Hohe  Wand  bei  Wiener-Neustadt. 

Stärksten  Abbruch  des  östlichsten  Flügels  der  Kalkalpen.  Ob- 
wohl, wie  Bittner  gezeigt  hat,  dieser  ganze  Gebirgstheil  in  aus- 
geprägter Schuppenstructur  gegen  Nordwest  in  Schollen  gestaut 
ist,  sieht  man  an  diesem  inneren  Bruche  dennoch  Trias  über 
Kreideformation  im  entgegengesetzten  Sinne,  nämlich  gegen  Süd- 
ost überschoben,  und  es  kommt  dabei  zur  Bildung  einer  grossen 
Wechselfläche. 

Was  aber  diese  Stelle  besonders  lehrreich  gestaltet,  ist  der 
ebenfalls  von  Bittner  bereits  erwähnte  Umstand,  dass  die  ganze 


gegen  Südost  rückgefaltete  und  überschobene  Masse  von  jün- 
geren Blättern  durchschnitten  und  nach  denselben  etwa  in  ähn- 
licher Weise  Staffel  form  ig  verschoben  ist,  wie  der  Kalkabsturz 
am  Südabhange  des  Dachsteingebirges  oder  des  Steinernen 
Meeres,  und  dass  diese  Blätter  der  Richtung  der  nahen,  durch 
die  Erdbeben-Beobachtungen  bekannt  gewordenen  Kamplinie 
entsprechen.  — 

Wenn  nun  aber  in  einem  faltenden  Gebirge  Absenkungen  auf 
im  Streichen  liegenden  Sprüngen  in  solcher  Weise  sich  ereignen. 


Vorfaltung.  ^^5 

dass  ein  nach  aussen  Hegender  Gebirgstheil  gesenkt  wird,  dass 
also  z.  B.  in  einem  nordwärts  faltenden  Gebirge  auf  Ostwest- 
sprüngen nordwärts  von  der  Hauptregion  der  Faltenbildung  das 
Land  hinabsinkt,  dann  erfolgt  weit  grössere  Horizontal- 
bewegung, als  würde  sie  befördert  durch  die  vorliegende 
Senkung.    Dies  nennen  wir  Vorfaltung. 

Dies  scheint  der  Vorgang  zu  sein,  welcher  zu  den  verwickel- 
ten Lagerungsverhältnissen  in  den  belgischen  Kohlenfeldern 
geführt  hat. 

Aus  der  Gegend  von  Boulogne  bis  nach  Aachen  reicht  eine 
grosse  Ueberschiebung  des  Gebirges  gegen  Nord,  welche  es  dahin 
bringt,  dass  an  mehreren  Stellen,  im  Pas  de  Calais  wie  bei  Lüt- 
tich, das  flötzreiche  Carbongebirge  unter  devonischen  Schichten 
abgebaut  wird,  und  dass  bei  Namur  ein  nach  abwärts  gerichtetes 
Stück  eines  grossen  Faltensattels,  bestehend  aus  silurischen  und 
devonischen  Ablagerungen,  dem  in  gleichem  Sinne  nach  abwärts 
gekrümmten  carbonischen  Gebirge  auflagert. 

Der  ausgedehnte  Bergbau,  durch  welchen  überhaupt  all' 
diese  ausserordentlichen  Störungen  unter  dem  von  der  Kreide- 
formation bedeckten  flachen  Hügellande  erst  bekannt  geworden 
sind,  gestattet  nach  den  heutigen  Aufschlüssen  bereits  eine  Ana- 
lyse der  Erscheinungen. 

Nach  Cornet  und  Briart  hat  man  bei  Namur  zu  unterscheiden: 
zuerst  Bildung  der  silurischen  Cr6te  du  Condroz  durch  Faltung  aus 
Süd,  welche  die  Verschiedenheit  der  Devonablagerungen  im  Nor- 
den und  im  Süden  dieses  alten  Kammes  veranlasst;  hierauf  grosse 
postcarbonische  Faltung  aus  Süd,  durch  welche  die  erste  Ueber- 
schiebung des  dem  alten  Sattel  vorliegenden  Theiles  von  flötz- 
führendem  Carbongebirge  verursacht  wird;  dann  Bildung  eines 
ostwestlich  streichenden,  gegen  Nord  geneigten  Spnmges,  mit 
Absenkung  des  nördlichen  Theiles;  dies  ist  die  ^faille  de  Boussu^ 
{A  A  Ay  Fig.  1 7),  welche  den  nördlichen  Theil  der  alten  Faltung 
im  Streichen  schneidet  und  ihren  nördlichen  Theil  senkt.  Dann 
folgt  ein  zweiter  Sprung,  der  ^Cran  de  retour  d'A?i^in^  (B  B  B, 
Fig.  1 7),  im  Streichen  dem  ersten  fast  parallel,  mit  südlichem  Fallen 
denselben  im  Kreuz  schneidend  und  verbunden  mit  Senkuni^  eines 
sehr  grossen  südlichen  Gebirgstheiles  und  Verwerfung  der  beiden 


|86 


Belgisches  Kohlengehirge. 


Flügel  der  älteren  Faille  de  Boussu.  Diesen  von  untergeordneten 
Bewegungen  begleiteten  Hauptsenkungen  folgt  nun  die  Ueber- 
schiebung  des  südlichen  Gebirges  gegen  Nord  über  die  Brüche 
hin,  auf  der  ganzen  Erstreckung  des  Kohlengebietes,  auf  einer 
grossen  Wechselfläche;  dies  ist  die  ,  Grande  faille  du  Midi'  oder 
,FaiUe  Eifelienne'  {C  C  C,  Fig.  17).^' 

Das  ausserordentliche  Maass  dieser  Bewegung  ergibt  sich 
am  besten  aus  dem  Umstände,  dass  die  Mächtigkeit  des  bereits 
durch  Denudation  verminderten  Restes  des  flötzführenden  Ge- 
birges auf  2100  M.,  jene  des  Kohlenkalkes  und  Devons  auf  bei- 


^= 


läufig  2500  M.  geschätzt  wird,  und  dass  die  Ueberschiebung  im 
Jahre  1877  bereits  auf  eine  Länge  von  etwa  200  Km.  bekannt  war. 
Cornet  und  Briart  haben,  wie  Fig.  i  7  zeigt,  eine  ideale  Ergänzung 
des  überschobenen  Flügels  versucht,  um  das  Maass  der  einge- 
tretenen, wohl  die  Ueberschiebung  begleitenden  Zerstörung  und 
Abtragung  des  Gebirges  zu  beurtheilen,  und  veranschlagen  diese 
bei  Namur  auf  5000 — 6000  M. 

Ein  höchst  competenter  BeurtheÜer  dieser  Vorkommnisse, 
Gosselet,  sagt:  ,Die  Ursache  der  Faltung  liegt  in  der  Versen- 
kung der  centralen  Theile  des  Beckens  und  der  relativen  Erhebung 


Ueberschiebung  von  Senkungen.  ^87 

der  Ränder  mit  Gleitung  einer  Schichte  über  der  andern.  Die 
Versenkung  selbst  ist  eine  Folge  des  andauernden  Rückzuges 
der  Erdrinde.*  ^^  * 

Von  einer  Trennung  der  tangentialen  und  der  radialen  oder, 
wie  wir  sagten,  der  faltenden  und  der  senkenden  Bewegungen 
ist  bei  dieser  übersichtlichen  Betrachtung  der  Dislocationen  aus- 
gegangen worden;  die  letzten  Beispiele  und  insbesondere  die 
auffallende  Beförderung,  welche  die  tangentiale  Bewegung  durch 
gleichzeitige  Senkung  des  Vorlandes  erfährt,  leiten  uns  zurück  zur 
Prüfung  des  ursachlichen  Zusammenhanges  beider.  Diese  Prüfung 
kann  jedoch  nur  auf  Grund  der  Vergleichung  sehr  grosser  Theile 
der  Erdoberfläche  unternommen  werden.  Immerhin  kann  man  aus 
den  genannten  Beispielen  ersehen,  dass  in  all'  diesen  Fällen  ein 
gewisses  Bestreben  vorhanden  ist,  die  Senkungen  zu  über- 
schieben. Diese  Ueberschiebung  findet  in  grossem  Maassstabe 
statt,  wo  die  Senkung  vor  der  ohnehin  vorhandenen  normalen  Fal- 
tungsrichtung liegt,  wie  in  Belgien  vor  der  Faltungsrichtung  der 
Ardennen;  sie  fehlt  aber  auch  dann  nicht,  wenn  die  Senkung  nach 
innen  liegt,  und  dann  mag  sogar  eine  örtliche  Umkehr  der  Be- 
wegung eintreten,  wie  am  Südrande  des  Riesengebirges  oder  an 
dem  südwestlichen  Rande  der  böhmischen  Masse  bei  Voglarn, 
oder  im  Prättigau,  oder  an  der  Hohen  Wand  bei  Wiener-Neustadt. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  III:  Dislocationen. 


»  G.  Köhler,  Uebcr  die  Störungen  im  westphälischen  Steinkohlengebirge  und  deren 
Entstehung;  Zeitschr.  f.  Berg-,  Hütten-  u.  Salinenwesen,  1880,  XXVIII,  S.  195—210,  2  Taf.; 
B.  Lütti,  Sopra  una  piega  con  rovesciamento  degli  strati  paleoz.  etc.,  Boll.  Comit.  geol.  1881, 
XII,  p.  85—96,  t.  III;  ders.,  La  doppia  piega  d'Ami  e  la  sezione  trasvers.  delle  Alpe 
Apuanc;  ebendas.  p.  419—428,  t  IX. 

2  dar.  King,  U.  S.  Geol.  Explor.  40tb  Parallel,  4°,  I,   1878,  p.  744. 

3  G.  K.  Gilbert,  in  Wheeler,  Rep.  Geol.  and  Geogr.  Explor.  and  Surveys  West 
of  100.  Merid.,  40,  HI,   1875,  p.  62. 

4  A.  Heim,  Der  Mechanismus  der  Gebirgsbildung,  4°,   1878,  I,  S.  233;  II,  S.  207. 

5  Heim,  a.  ang.  Orte,  und  A.  Baltzer,  Der  mechanische  Contact  von  Gneiss  und 
Kalk  im  Berner  Oberland;  Beitr.  zur  geol.  Karte  der  Schweiz,  XX,  4",  Bern,  1880, 
und   Atlas. 

6  H.  D.  Rogers,  On  the  Laws  of  Structure  of  the  more  Disturbed  Zones  of  the 
Earth's  Crust;  Trans.  Roy.  Soc.  Edinb.  1856,  XXI  c,  p.  442:  Uninverted  side  of  Wave 
usually  shoved  over  the  Inverted. 

7  AI.  Bittner,  Die  geolog.  Verhältnisse  von  Hernstein,  S.  305. 

^  Albr.  Müller,  Ueber  die  anormalen  Lagerungsverhältnisse  im  westlichen  Basler 
Jura,  S.  428 — 462,  und  Tafel;  vgL  S  tu  der,  Geol.  der  Schweiz,  H,  S.  33o;  Moesch, 
Der  südl.  Aarg.  Jura,  Beitr.  zur  geol.  Karte  der  Schweiz,  X,   1874,  Taf.  II,  Fig.  3. 

9  Gas.  Moesch,  Der  Aargauer  Jura  und  die  nördlichen  Gebiete  des  Cantons  Zürich; 
Beitr.  zur  geol.  Karte  der  Schweiz,  IV,  4°,  1867,  insbes.  S.  266  und  folg.;  20  Profile  an 
der  Grenze  von  Plateau-  und  Kettenjura;  das  Profil  des  Bötzberg-Tunnels  in  desselben 
Anhang  zu  Beitr.  Heft  IV  (erschienen  mit  Heft  X,  1874).  Müller  hat  gemeint,  zur  Er- 
klärung der  Schuppenstructur  ausser  dem  auch  von  ihm  anerkannten  Drucke  aus  Süd  und 
der  Stauung  durch  den  Schwarzwald  noch  besondere  parallele  Brüche  und  insbesondere 
für  die  Wiesenberg  —  Mont  Terrible-Kette  und  die  Hasenhubel-Linie  »wiederholte  Stösse 
und  Aufrisse  aus  der  Tiefe'  annehmen  zu  sollen.  (Ich  theilc  jedoch  in  dieser  Beziehung 
die  ältere,  jetzt  von  Moesch  mit  grosser  Sachkenntniss  vertretene  Ansicht,  nach  welcher 
sich  alle  diese  Erscheinungen  auf  überschobene  Wellen  zurückführen  lassen.) 

10  Dieses  Profil  ist  zu  wiederholten  Malen,  so  kürzlich  erst  in  den  Verhandl.  Schweiz. 
Naturf.-Ges.  zu  Aarau,  1881,  S.  70 — 71,  beschrieben  worden.  Ich  habe  den  braunen  Jura 
und  Insectcnmcrgel  nicht  anstehend  getroffen. 

»I  Köhler  a.  ang.  Orte  S.  199,  200. 

"2  Köhler,  Die  Störungen  im  Rammelsberger  Erzlager  bei  Goslar;  Zeitschr.  für 
Berg-,  Hütten-  und  Salinenwesen,   1882,  XXX,  S.  3l-43  und  278;  4  Taf. 

13  M.  Bertrand,  Failles  de  la  lisiere  du  Jura  entre  Besan9on  et  Salius;  Bull.  soc. 
g6ol.   1882,  3e  ser.,  X,  p.  114— 126. 

»4  A.  Escher  v.  d.  Linth,  Geol.  Beschreib,  d.  Sentis-Gruppe  (herausgeg.  von  Moesch); 
Beitr.  zur  geol.  Karte  der  Schweiz,    1878,  XIII,  S.  71,  23 1. 

»5  A.  Jaccard,  Jura  Vaudois  et  Ncuchatelois ;  Beitr.  zur  geol.  Karte  der  Schweiz, 
1869,  VI,  p.  263,  264. 

»ö  Entstehung  der  Alpen,  S.  61  u.  folg. 


Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  III.   Dislocationen*  I  89 

17  F.  Posepny,  Die  Goldbergbaue  der  Hohen  Tauern  (aus  dem  Archiv,  f.  prakt. 
Geol.,  I),   1879,  S.  21,  92,  218  und  a.  and.  Ort. 

18  Ders.,  Die  Blei-  und  Galmei-Erzlagerstätten  von  Raibl  in  Kärnten;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.  1873,  XXIII,  S.  325  ^-  folg.  Die  bucklige  Oberfläche  des  ,Morgenblattes* 
ist,  wie  mir  Hr.  Bergmeister  Gröger  sagt,  bereits  auf  500  M.  in  verticaler  Richtung  be- 
kannt; die  drei  Hauptgruppen  der  Blätter:  Josefi,  Struggl  und  Morgenblatt  streichen  nörd- 
lich bis  nordnordöstlich,  und  es  sind  die  erzführenden  Blätter  von  zahlreichen  tauben 
Blättern  begleitet.  Der  Galmei  liegt  getrennt  und  abgeschnitten  durch  die  nordnordwestlich 
streichende  Galmei-Kluft. 

'9  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1867,  XVII,  S.  576. 

*o  Bittner,  Hernstein,  S.  245  u.  folg. 

*»  z.B.  Heim,  Mechanismus  der  Gcbirgsbildung,  Taf.  XV,  Fig.  8. 

22  E.  HuU,  The  phys.  Geol.  and  Geogr.  of  Ireland;  8«,   1878,  p.  i35,  Fig.  17. 

23  K.  A.  Lossen,  Ueber  den  Zusammenhang  zwischen  Falten,  Spalten  und  Eruptiv- 
gesteinen im  Harz;   Jahrb.  k.  prcuss.  geol.  Landesanstalt,  II,   1882,  S.  I — 50. 

*4  A.  V.  Groddeck,  Beitr.  zur  Geogn.  des  Oberharzes,  Zeitschr.  deutsch,  geol. 
Ges.  1877,  XXIX,  S.  440  u.  folg.;  Lossen,  ebendas.  S.  38. 

25  A.  Daubr6e,  Etudes  Synth6t.  de  G60I.  Experimentale,  8",   1879,  insbes.  pl.  IL 

26  E.  Kays  er,  Ueber  das  Spaltensystem  am  Südwestabfalle  des  Brockenmassivs; 
Jahrb.  k.  preuss.  geol.  Landesanstalt,  II,   1882,  S.  412 — 454,   Taf.  X,  XL 

27  F.  Posepny,  Ueber  Dislocationcn  im  Przibramer  Erzrevier;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.  1872,  XII,  S.  229—234. 

28  J.  Krejci  und  R.  Helmhacker,  Erläut.  zur  geol.  Karte  der  Umgebungen  von 
Prag;  Archiv  f.  d.  naturw.  Landesdurchforschung  von  Böhmen,  1879,  IV,  in.sbes.  S.  82-90; 
derselben  Verf.  Erläut.  zur  geol.  Karte  des  Eisengebirges,  ebendas.  1882,  V,  an  mehr. 
Ort.,  vervollständigt  wesentlich  das  Bild  des  böhmischen  Sprungnetzes  in  Südost. 

29  C.  E.  Dutton,  Rep.  on  the  Geol.  of  thc  High  Plateaus  of  Utah,  40,  1880,  mit 
Atlas,  insbes.  p.  25 — 54. 

30  J.  W.  Powell,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  East.  Portion  of  the  Uinta  Mountains, 
40,   1876,  p.  16;  Dutton,  p.  34. 

3<  Dutton,  p.  44. 

32  E.  Beyrich,  Ueber  die  Lagerung  der  Kreideformation  im  schles.  Gebirge, 
Abhandl.  Berl.  Akad.  Wiss.  1854,  S.  69;  auch  Kunth,  Ueber  die  Kreidemulde  bei  Lahn 
in  Niederschlcsicn ;  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  i863,  XV,  S.  743. 

33  Spratt,  Geol.  of  Varna,  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1856,  XIII,  p.  80. 

34  E.  Favre,  Rech.  g6ol.  dans  la  partic  centr.  de  la  Chatne  du  Caucase,  40,  1875, 
p.  106;  Etüde  stratigr.  de  la  Partie  Sud-Ouest  de  la  Crim^c,  4^»,  1877,  p.  66 — 72  (aus  den 
M^m.  de  la  Soc.  de  Phys.  et  d*Hist.  nat.  de  G^nfeve). 

35  V.  Dechcn,  Ueber  grosse  Dislocationcn;  Sitzungsbcr.  niederrhein.  Ges.  f.  Natur- 
und  Heilkunde,   1881. 

36  L.  V.  Ammon,  Die  Jura- Ablagerungen  zwischen  Regensburg  und  Passau;  Ab- 
handl. zool.-miner.  Ver.,  Regensburg,   1875,  -^»  S.  94 — 97. 

37  F.  L.  Cornet  et  A.  Briart,  Sur  le  Relief  du  Sol  en  Belgique  apr&j  les  temps 
paldoz.;  Annal.  Soc.  g6ol.  Belg.  1877,  IV,  p.  71  — II 5,  pl.  VI— XL 

38  Gosselet,  Sur  la  structure  generale  du  bass.  houill.  Franco-Belge ;  Bull.  Soc. 
g6ol.  fr.  1879—1880,  3«  scr.,  VIII,  p.  505. 


VIERTER  ABSCHNITT. 


Vulcane. 


Denudationsreihe.  —  Vesuv   und  M.  Nuovo.  —    M.  Venda.  —    Laccolithen.  —   Palandokän 

und  Dary-dagh.  —  Whin  Sill.  —   Die  Hebriden.  —   Predazzo.  —  Die  Spalte  im  Banat.  — 

Syenitische    Narbe  von    Brunn.    —    Elk   Mountains    und  Harz.    —    Batholithen;    Drammen- 

granit;  Vogesen;  Erzgebirge.   —  Maculae.  —  Einsacken.  —  Die  Reihe. 


Die  vulcanischen  Eruptionen,  die  Aschenkegel  und  die  Lava- 
ströme unserer  Feuerberge  sind  nur  geringe  und  oberflächliche 
Anzeichen  von  grossen  Vorgängen  in  der  Tiefe  des  Erdkörpers, 
von  deren  näherem  Wesen  bis  heute  trotz  der  unermüdeten  Thätig- 
keit  so  vieler  Forscher  doch  nur  gar  unvollkommene  Kenntniss 
gewonnen  ist.  Die  verschiedenen  Richtungen  dieser  Thätigkeit  zu 
verfolgen  ist  jetzt  nicht  meine  Aufgabe,  aber  es  mag  versucht 
werden,  von  den  bekanntesten  Vulcanbergen  der  Gegenwart  aus- 
gehend, so  weit  als  thunlich  durch  die  Auswahl  entsprechender 
Beispiele  die  allmälige  Entkleidung  und  Zerstörung  eines  vulcani- 
schen Berges  zu  verfolgen.  Dies  ist  einer  jener  Wege,  welche  zur 
Kenntniss  des  tieferen  Schlotes  und  der  abyssischen  Vorgänge 
führen  sollten,  und  mancher  Punkt  ist  allerdings  auf  demselben 
bereits  verständlicher  geworden.  Es  ist  also,  wenn  der  Ausdruck 
gestattet  ist,  eine  Denudationsreihe,  welche  ich  aufsuchen 
möchte. 

An  früherer  Stelle  (S.  67)  wurde  mit  einiger  Ausführlichkeit 
jener  Trichter  und  Sandkegel  gedacht,  welche  auf  Sprüngen  in 
den  Alluvien  bei  Erdbeben  hervorgebracht  werden.  Die  am  9.  No- 
vember 1880  bei  dem  Erdbeben  von  Agram  im  Gebiete  der  Save 
gebildeten  Sandkegel  waren  nicht  höher  als  0*3  M.   Manche  dieser 


Vulcane.  I  g  I 

kleinen  Kegel  waren  vereinzelt,  andere  ständen  auf  gemein- 
schaftlicher Basis  oder  waren  auf  einer  kleinen  linearen  Spalte  ge- 
kuppelt.* 

Diese  winzigen  Kegel  haben  in  Bezug  auf  den  mechanischen 
Vorgang  bei  ihrer  Entstehung  eine  grössere  Aehnlichkeit  mit 
unseren  grossen  vulcanischen  Bergen,  als  man  in  der  Regel  zuzu- 
gestehen geneigt  war.  Spalten  werden  gebildet,  und  die  zähe  oder 
flüssige  Masse  dringt  aus  der  Tiefe  an  einzelnen  Stellen  hervor; 
es  mag  die  Umgebung  nachsinken  und  dadurch  das  Emporquellen 
gesteigert  werden. 

Im  Wesentlichen  wiederholen  sich  diese  Umstände  bei  den 
Vulcanen.  Es  entsteht  durch  Senkung  oder  auf  andere  Art  ein 
Sprung;  an  einer  Erweiterung  desselben  oder  dort,  wo  er  von 
einem  Quersprunge  gekreuzt  wird,  bietet  sich  die  Gelegenheit  zur 
Entlastung  der  mit  gespannten  Wasserdämpfen  erfüllten  Laven, 
und  diese  dringen  hervor.  Explosion  und  Zerstäubung  erfolgt.  Ein 
Aschenkegel  wird  aufgeschüttet;  der  Aschenkegel  reisst  an  der 
Seite  auf,  oder  der  Rand  seines  Kraters  wird  überwältigt;  ein 
Strom  heissen  Gesteins  breitet  sich  an  seinem  Fusse  aus;  oftmals 
fehlt  auch  der  Strom.  Das  ist  in  der  Regel  Alles.  Aber  es  ist  auch 
schon  bemerkt  worden,  und  Geikie  hat  es  kürzlich  wieder  betont, 
dass  die  grossen  Decken  von  Laven,  welche  da  und  dort  über 
viele  Quadratmeilen  ausgebreitet  angetroffen  werden,  nicht  auf 
diesem  Wege  gebildet  worden  sind,  sondern  dass  sich  wahrschein- 
lich die  Spalten  selbst  ihrer  Länge  nach  öffneten.*  In  solchen 
Fällen  möchte  wohl  auch  durch  das  Nachsinken  grösserer  Ge- 
birgstheile  das  Emporquellen  vermehrt  worden  sein,  wie  bei  den 
grossen  Ergüssen  an  den  Sprunglinien  der  Hochplateaux  von  Utah 
vorausgesetzt  wird. 

Man  kann,  die  Aufschüttungskegel  untereinander  vergleichend, 
verschiedene  Typen  der  Ausbildung  unterscheiden,  wie  Vesuv  und 
M.  Nuovo,  aber  wenn  irgendwie  haltbare  Ergebnisse  erreicht 
werden  sollen,  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  auf  diesem 
Gebiete  jeder  Versuch  einer  strengeren  Schematisirung  ein  Irr- 
thum  wäre. 

Berge  mit  Somma  und  Atrium,  wie  der  Vesuv,  bauen  und 
verfestigen  sich  auf  eigenthümliche  Weise.    Das  Gebälke   von 


ig2  Inneres  Gerüste  des  Vesuv. 

Laven,  welches  von  der  Asche  verhüllt  wird,  hat  ohne  Zweifel 
einen  recht  verwickelten  Bau.  Jeder  grössere  seitliche  Ausbruch 
eines  solchen  Berges  schafft  einen  verticalen  Eruptivgang,  welcher 
wie  eine  Wand  von  dem  Schlot  bis  zur  äusseren  Fläche  des 
inneren  Kegels,  also  bis  zum  Atrium  reicht,  —  ferner  einen 
kürzeren  Strom  von  Ergüssen  an  dem  äusseren  Mantel  des  inneren 
Kegels,  welcher  unmittelbar  aus  den  reihenweise  gestellten  Bocchen 
oder  Eruptionsschlünden  auf  dem  Eruptivgange  hervortritt,  — 
dann  einen  mehr  oder  minder  geschlossenen  Atrialring,  welcher 
durch  Ausbreitung  im  Thale  des  Atriums  erzeugt  wird,  —  endlich 
den  grossen  und  freien  Lavastrom,  welcher  durch  die  Scharte  der 
Somma  hervortritt  und  über  den  Abhang  des  äusseren  Kegels 
herabfliesst. 

Seit  jenem  grossen  Ausbruche,  welcher  den  Schlund  der 
Somma  des  Vesuv  erzeugte,  sind  an  diesem  Berge  Ausbrüche 
dieser  Art  oft  eingetreten.  Im  Laufe  dieser  Zeit  ist  durch  den  Auf- 
bau des  centralen  Kegels  das  Atrium  an  den  Wänden  der  Somma 
immer  weiter  nach  aufwärts  gerückt  worden.  Stärkere  Ausbrüche 
und  vorübergehende  Zerstörungen  des  centralen  Kegels  haben 
diesen  Vorgang  öfters  unterbrochen,  aber  das  endliche  Ergebniss 
ist  doch  Erhöhung  des  Atriums  und  zugleich  Vergrösserung  seines 
-Durchmessers  gewesen.  Die  im  Atrium  erstarrten  Ergüsse  haben 
Ringstücke  von  immer  grösserem  Durchmesser  gebildet,  und  diese 
übereinander  gelagerten  Atriairinge  setzen  heute  im  Innern  des 
Berges  einen  grossen,  konischen  und  nach  oben  geöffneten  Becher 
zusammen,  welcher  den  centralen  Kegel  von  dem  äusseren  Kegel 
absondert  und  alle  jüngeren  Eruptivgänge  des  Centralkegels 
umschliesst.  Diese  stehen  mit  ihrem  unteren  Theile  in  diesem 
Becher,  vertical  und  zugleich  strahlenförmig  gegen  den  centralen 
Schlund. 

Ein  solches  Gerüste  kann  selbstverständlich  nur  entstehen, 
wo  aus  ein  und  demselben  Schlünde  zahlreiche  Ausbrüche  ein- 
ander folgen.  Am  M.  Nuovo,  in  den  Phlegrärischen  Feldern  über- 
haupt, sieht  man  nichts  Aehnliches.  Es  sind  wenig  Lavaströme 
vorhanden  und  viele  Ausbruchstellen.  Die  Neigung  zur  Verlegung 
der  Ausbruchstellen  tritt  auf  das  Deutlichste  hervor.  Der  M.  Nuovo 
ist  nur  ein  ringförmiger  Haufe  von  Asche  und  einigen  Schlacken, 


M.   Vend.i.  ig^ 

dessen  Kraterboden  erstaunlich  tief,  ja  fast  in  der  Tiefe  des 
äusseren  Fusses  liegt,  sich  also  nur  wenig  über  das  Meer 
erhebt. 

Der  Gegensatz  von  Vesuv  und  den  Phlegräischen  Feldern  ist 
also  sehr  gross,  und  er  ist  auch  allbekannt.  Er  liegt  nicht  nur  in 
der  Verschiedenheit  der  Laven,  sondern  ganz  vorzüglich  in  der 
Beharrlichkeit  des  Schlundes  am  Vesuv  und  der  Veränderlichkeit 
der  Eruptivstellen  in  den  Phlegräischen  Feldern. 

Der  Grund  hiefür  muss  aber  in  der  Beschaffenheit  der  Spalten 
gesucht  werden,  und  ein  Vergleich  mit  den  Liparischen  Inseln 
bietet,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  vielleicht  einige  Aufklärung.  — 

Nun  wird  ein  solcher  vulcanischer  Kegel  den  zerstörenden 
Einflüssen  ausgesetzt.  Die  Asche  wird  herausgewaschen;  das  stei- 
nige Gerüste  mag  sich  erhalten,  so  weit  es  aus  steilen  Gängen 
besteht;  die  Ergüsse,  welche  auf  Asche  ruhen,  stürzen  ab.  Auf 
dem  Scheitel  des  Berges  treten  in  strahlenförmiger  Anordnung 
die  Eruptivgänge  hervor.  Zugleich  wird  der  Sockel  des  Vulcans 
rings  um  seinen  Fuss  blossgelegt. 

Man  sieht  die  Reste  der  Krone  und  man  sieht  einen  Theil 
der  Unterlage,  aber  man  sieht  nicht  den  Schlot.  Dies  ist  der  Zu- 
stand, in  welchem  sich  der  M.  Venda  in  den  euganäischen  Bergen 
bei  Padua  befindet. 

Sein  Bau  und  seine  Gesteine  sind  oft  beschrieben  worden,  am 
eingehendsten  von  E.  Reyer.^ 

Wir  wollen  die  Unterlage  betrachten. 

Die  tiefste  sichtbare  Felsart  ist  eine  am  westlichen  Fusse,  bei 
Fontana  Fredda,  entblösste  Masse  von  Oligoklas-Trachyt.  Ueber 
ihr  folgen  tithonische  Lagen  mit  Phylloceras  und  Terebr.  diphya, 
knapp  dem  Trachyt  auflagernd,  flach  nordwestlich  geneigt,  auf  2 
bis  3  Fuss  vom  Trachyt  in  lichten  körnigen  Marmor  umgewandelt, 
auf  weitere  8  Fuss  lichtblaugrau,  minder  marmorisirt,  mit  erkenn- 
baren Petrefacten,  noch  höher  oben  von  dem  gewöhnlichen, 
knollig-flasrigen  Gefüge  der  tithonischen  Ablagerungen,  doch  sind 
auch  in  dieser  Entfernung  die  Kalkknollen  noch  mehr  oder  minder 
marmorisirt.  Es  hat  also  der  Oligoklas-Trachyt  eine  Veränderung 
am  Contacte  gegen  oben  ausgeübt  und  muss  seitlich  zwischen 
die  Schichten  hereingetreten  sein. 

Surss,  Das  Antlitz  dpr  Erde.  l3 


^  94  Gesteinsfolge  des  M.  Vcnda. 

Ueber  dem  Tithon  liegt  Biancone  in  starken  Bänken,  mit  den 
bezeichnenden  Fossilien  des  Neocom,  dann  eine  Masse  von  Quarz- 
trachyt,  über  welcher  vielleicht  noch  etwas  Neocom,  dann  die  ganze 
Mächtigkeit  der  Scaglia  folgt,  als  Vertreterin  der  höheren  Theile 
der  Kreideformation.  Die  Scaglia  umschliesst  mindestens  zwei 
Massen  von  Trachyt,  hievon  die  grössere  gegen  Nordwest.  Knapp 
über  der  Scaglia  Hegt  wieder  Trachyt  (M.  Madonna,  M.  Grande  u.  A.). 
Das  nächste  Glied  ist  lichter,  tertiärer  Mergel,  zuweilen  einem 
Tuff  ähnlich ;  er  enthält  fossile  Blätter.  In  diesem  Mergel  liegt  der 
Trachyt  von  Schivanoja.  Darüber  folgt  der  Hauptnummulitenkalk 
mit  Fragmenten  vonConolyp.  conoideus  und  grossen  Nummulinen. 
Hierauf  tritt  eine  doleritische  Einschaltung  ein  (Teolo,  M.  Oliveto', 
unter  S.  Antonio  u.  A.);  es  sind  kleine  Mengen  dunkler  basischer 
Laven  vorhanden;  die  begleitenden  dunklen  Tuffe  führen  Orbi- 
toiden  und  dürften  beiläufig  in  den  Horizont  von  Priabona  zu 
stellen  sein;  diese  dunklen  Tuffe  reichen  an  dem  centralen  Kegel 
des  Venda  ziemlich  hoch  hinauf  und  werden  von  seinen  Eruptiv- 
gängen durchbrochen.  Ueber  dem  doleritischen  Tuff,  in  Bezug 
<iuf  welchen  mir  noch  nicht  alle  Zweifel  darüber  geschwunden  sind, 
ob  er  nicht  ein  Ausläufer  der  grossen  basischen  Tuff-  und  Lava- 
massen des  nahen  vicentinischen  Gebietes  sei,  folgt  abermals 
Trachyt  (M.  Altorre,  M.  Guin  u.  A.).  Dieser  Trachyt  ist  der  letzte; 
die  vereinzelten  Bergkuppen,  welche  er  krönt,  stellen  Theile  von 
Strömen  dar,  welche  heute  durch  Erosion  von  dem  centralen 
Kegel  abgetrennt  sind;  ihre  Entstehung  ist  gleichzeitig  mit  der 
Bildung  der  grössten  Radialgänge  (Pendise,  Forche,  Rua  u.  A.). 
Es  folgt  die  rhyolithische  Phase,  das  Aufschütten  von  weissem 
Tuff  und  die  Bildung  der  Ergüsse  von  Rhyolith.  Am  Fusse  des 
Sieve  enthält  der  weisse  Tuff  Versteinerungen,  welche  demselben 
das  Alter  der  Bryozoenschichten  von  Val  di  Lonte  an  der  Basis 
der  vicentinischen  Oligocänschichten  anweist.  Das  letzte  Glied 
dieser  langen  Reihe  endlich  sind  die  schwarzen  Laven  (Sievit  v. 
Rath),  welche  als  Decke  auf  M.  Sieve  und  den  benachbarten 
Höhen  erscheinen,  und  als  Gänge,  von  glasigen  Salbändern  be- 
gleitet, den  weissen  Tuff  durchsetzen. 

Aus  dieser  Gesteinsfolge  halte  ich,  wie  gesagt,  die  tieferen 
Trachytmassen  für  seitlich  eingetretene  Lagermassen.    Schon  vor 


Laccolithcn.  I QC 

längerer  Zeit  konnte  gezeigt  werden,  dass  hier  eine  grössere 
Menge  von  Oligoklas-Trachyt,  seitlich  zwischen  die  geschichteten 
jurassischen  Kalksteine  eindringend,  eine  bedeutende  Masse  der- 
selben abgerissen,  gleichsam  schwimmend  fortbewegt  und  an  ihrer 
unteren  Seite  verändert  habe.  Das  ist  die  am  Contact  veränderte 
tithonische  Scholle  von  Fontana  Fredda.  Ebenso  wurde  damals 
erwähnt,  dass  grössere  Massen  von  Trachyt  seitlich  keilförmig 
zwischen  die  auseinandertretenden  Schichtflächen  der  Scaglia  ge- 
treten seien,  ja  dass  grosse  Bruchstücke  von  Scaglia  bei  dieser 
Gelegenheit  förmliche  Breccien  mit  trachytähnlichem  Bindemittel 
gebildet  haben/ — 

Anderen  trachytischen  Vulcanen  Europa's  fehlt  entweder  die 
Mannigfaltigkeit  der  Schichtgesteine  des  Sockels  oder  die  günstige 
Erschliessung  desselben.  Um  Vergleichungspunkte  für  diese  seit- 
lichen Ausbreitungen  zu  erhalten,  wenden  wir  uns  nach  Amerika. 

In  den  letzten  Jahren  ist,  bei  sehr  erfreulicher  Uebereinstim- 
mung  der  Beobachter  in  Betreff  der  thatsächlichen  Verhältnisse, 
eine  Reihe  merkwürdiger  Entblössungen  von  in  Sedimente  einge- 
schalteten Laven  durch  unsere  Fachgenossen  in  Nordamerika 
als  ein  besonderer  Typus  eruptiver  Berge  beschrieben  worden. 
Allgemeine  Darstellungen  besitzen  wir  von  Peale,''  Gilbert^  und 
Endlich 7  und  gute  örtliche  Beschreibungen  fehlen  nicht.  Es  ergibt 
sich  aus  denselben,  dass  vereinzelte  Bergmassen  getroffen  werden, 
welche  in  verschiedenen  Horizonten,  von  der  Kohlenformation  bis 
zur  oberen  Kreide  hinauf,  das  Eintreten  postcretacischer  Eruptiv- 
gesteine zwischen  die  Sedimente  erkennen  lassen.  Am  häufigsten 
findet  dieses  Eindringen  in  die  weniger  widerstandsfähigen  Schiefer 
und  Mergel  der  Kreideformation  statt.  Bald  sieht  man  nur  kleine 
Intrusivstöcke,  bald  schwellen  sie  in  der  Gestalt  von  halben  Linsen 
oder  von  grossen  Broden  zu  gar  gewaltigen  Massen  an,  und  diese 
Massen  sind  es,  welche  Gilbert  als  ,Laccolithen*  bezeichnet.  In 
der  Regel  stehen  sie  gruppenweise  nahe  um-  und  übereinander; 
in  anderen  Fällen  trifft  man  sie  einzeln.  Die  sedimentären  Schichten 
wölben  sich  von  den  Rändern  über  den  Laccolith  herauf,  und  oft 
sind  beträchtliche  Theile  der  Kuppel  über  demselben  erhalten. 
Zuweilen  ist  die  Kuppel  wohl  auch  von  einem  Netze  radialer 
Sprünge  durchbrochen,  welche  als  sternförmig  gestellte  Gänge 


I  q6  Beispiele  von  Laccolitben. 

den  heutigen  Denudationsrest  überragen.  Die  meisten  sichtbaren 
Laccolithen  sind  aus  einer  mächtigen  Decke  von  lacustren  Ter- 
tiärbildungen herausgewaschen,  welche  einstens  weit  und  breit 
das  Land  bedeckte.  Sie  bestehen  aus  einer  Felsart,  welche  von 
Endlich  als  ,porphyritic  trachyte*  ausgeschieden,  von  Anderen 
schlechtweg  als  Trachyt  bezeichnet  wird;  nur  in  wenigen  Fällen 
sind  sie  aus  Rhyolith  gebildet.  Man  hat  noch  keine  Laccolithen 
von  basischen  Laven  gefunden. 

Die  wichtigsten  Beispiele  sind:  die  Berge  um  Park  View 
Mount.  auf  der  continentalen  Wasserscheide  zwischen  North  Park 
und  Middle  Park,  Spanish  Peaks  vor  dem  Ostabhange  der  Rocky 
Mountains  und  nordwestlich  von  diesen  die  vulcanischen  Berge 
des  Huerfano-Gebietes,  dann  jenseits  der  Rocky  Mountains,  auf 
dem  Colorado-Plateau,  die  isolirten  Massen  der  Sierra  la  Plata, 
S.  San  Miguel,  S.  el  Late,  S.  Carriso,  S.  Abajo,  S.  la  Sal  und  west- 
lich von  diesen  der  Zug  der  Henry  Mountains,  welcher  nahe  östlich 
von  der  S.  169  Fig.  13  dargestellten  Waterpocket-Flexur  an  dem 
Westrande  des  grossen  Plateaus  liegt.  Manche  dieser  Bergmassen 
sind  sehr  hoch.  Die  Basis  der  San  Miguelberge  befindet  sich  in  etwa 
2400  M.;  der  höchste  Gipfel,  allerdings  kein  Laccolith,  M.  Wilson, 
erhebt  sich  auf  dieser  Basis  bis  zur  Seehöhe  von  4352  M.  Der 
Gipfel  der  Spanish  Peaks  ragt  aus  dem  weit  niedrigeren  Vorlande 
der  Rocky  Mountains  zu  4152  M.  empor. 

Die  Einschaltung  der  Eruptivmassen  in  das  geschichtete  Ge- 
birge zeigt  sich  nun  unter  mannigfaltigen  Abänderungen.  Holmes 
hat  eine  lehrreiche  Zeichnung  der  Abhänge  des  Hesperus  Mount. 
in  der  Sierra  la  Plata  (südwestliches  Colorado)  gegeben,  welche 
deutlich  die  Einschaltung  der  Kante  eines  Laccolithen  zwischen 
die  cretacischen  Schiefer  mit  ebener  Grundfläche  und  gewölbtem 
Rücken  zeigt,  wobei  jedoch  über  dem  gewölbten  Rücken  in  den 
gleichförmig  gewölbten  cretacischen  Schichten  zahlreiche  kleinere 
Einschaltungen  von  Trachyt  sich  wiederholen.^  Höchst  anschau- 
lich hat  derselbe  Beobachter  geschildert,  wie  in  der  Sierra  el  Late 
(südwestlich  von  Sierra  la  Plata)  die  in  den  cretacischen  Schiefer 
gedrungenen  geschmolzenen  Massen  überfüllt  sind  mit  Bruch- 
stücken dieses  Schiefers,  dass  aber  alle  Fragmente  tieferer  Sedi- 
mente fehlen,  zum  Anzeichen,  dass  die  Kluft  in  der  Tiefe  scharf 


Spanish  Peaks.  IQ7 

abgegrenzt  sei.  Es  ist  hier  keine  volle  Ueberwölbung  sichtbar,  und 
der  tiefere  Horizont  der  Schiefer  ist  dem  Eruptivgesteine  so  innig 
beigemengt,  dass  er  gleichsam  von  demselben  aufgezehrt  wird. 

Noch  weiter  gegen  Südwest,  in  der  Sierra  Carriso,  sind  die 
höheren  Theile  der  Kreideformation  gänzlich  entfernt,  und  sieht 
man  die  Trachytmassen  eingeschaltet  in  Schichten  von  der  unteren 
Kreide  bis  zur  Trias  hinab.'' 

Die  Spanish  Peaks,  weit  im  Osten,  sind  durch  die  radialen 
Gänge  auf  ihrer  Oberfläche  besonders  ausgezeichnet.  Sie  wurden 
von  Endlich  beschrieben.  Es  sind  zwei  Spitzen,  deren  beträchtliche 
Höhe  und  deren  Lage  nahe  vor  dem  östlichen  Fusse  der  Rocky- 
Mountains,  oder  vielmehr  der  Sangue  de  Cristo-Kette,  bereits  er- 
wähnt worden  ist.  Der  östliche  Berg  besteht  aus  Eruptivgestein, 
der  westliche  vorherrschend  aus  sedimentären  Schichten,  nament- 
lich aus  Sandstein  und  Schiefer  von  carbonischem  Alter.  Diese 
Schichten  sind  nach  ihren  Fugen  auseinandergetrieben,  grosse 
eruptive  Keile  sind  eingedrungen,  das  oberhalb  liegende  Ge- 
wölbe wurde  gesprengt,  und  hier  bildete  sich  ein  Netz  von 
Gängen,  welches  bis  in  die  cretacischen  Schichten  hinaufreicht 
und  welches  vielleicht  bei  seiner  Bildung  nicht  in  allen  Theilen  die 
Oberfläche  erreichte,  während  auf  anderen  Gängen  ein  Ausquellen 
zu  Tage  stattgefunden  zu  haben  scheint.'" 

Das  ausführlichste  Bild  besitzen  wir  von  der  Reihe  der  Henry 
Mountains  in  Gilbert's  monographischer  Beschreibung  derselben. 
Es  sind  dies  fünf  Bergmassen,  welche  sich  in  beiläufig  gleicher 
Entfernung  von  der  grossen  Waterpocket-Flexur  auf  dem  hier 
1500  M.  hohen  Plateau  in  ihren  höchsten  Gipfeln  bis  zu  3429  M. 
(M.  Ellen)  und  3398  M.  (M.  Pennell)  erheben.  Die  Waterpocket- 
Flexur  ist  mit  einer  Senkung  des  Ostflügels  bis  zu  dem  Betrage 
von  7000  Fuss  (2134  M.)  verbunden,  und  die  Henry  Mountains 
stehen  auf  dem  flach  lagernden  gesenkten  Theile. 

Die  Laccolithen  liegen  in  Gruppen  über  und  neben  einander 
und  bilden  den  Kern  dieser  Berge.  M.  Ellen  zählt  vielleicht 
dreissig  derselben,  M.  Holmes  deren  zwei,  M.  Ellsworth  einen, 
M.  Pennell  und  M.  Hillers  je  einen  grossen  und  mehrere  kleine. 
Sie  reichen  nach  der  Höhe  des  Lagers  vom  Carbon  bis  zur  Kreide, 
aber  die  Zeit  ihrer  Bildung  ist  durchwegs  postcretacisch.    In  Klls- 


Iq8  Henry  Mountains. 

worth  und  Holmes  sind  vollständige  Ueberwölbungen  durch  sedi- 
mentäre Schichten  vorhanden.  Hillers'  Laccolith  ist  der  grösste; 
er  ist  zur  Hälfte  entblösst;  seine  Höhe  wird  über  2000  M.,  seine 
Basis  auf  6*4  und  5  "6  Km.  geschätzt.  Von  diesem  gibt  es  Ueber- 
gänge  bis  zu  den  kleinsten  eingeschalteten  Lagergängen.  Wo 
immer  die  vulcanischen  mit  den  sedimentären  Felsarten  in  Be- 
rührung  treten,  sind  die  letzteren  verändert.  Die  Laccolithen  liegen 
hier  ohne  Ausnahme  in  den  minder  widerstandsfähigen  Schiefer- 
horizonten, nie  in  den  sie  trennenden  festeren  Sandsteinbänken. 
Eine  schematische  Darstellung  zeigt  den  grossen  Laccolithen  von 
M.  Hillers  mit  seinen  kleinen  Begleitern,  von  welchen  der  tiefste 


Fig.  18.    Die  M.  Hillers-Gruppe  von  Laccolithen  (nach  Gilbert). 

a  Millers'  Laccolith,  und  b  Pulpit  Lace,  umgeben  von  kleineren  Intrusivraassen. 

Die   unterste  Horizontallinie    ist  die  Meeresflache,  die  zweite  die  obere  Grenze  des  Carbon,  die  höchste 

die  obere  Grenze    der  Juraformation. 

auf  der  Oberfläche  der  Steinkohlenformation,  der  höchste  aber 
etwa  300  M.  über  der  Basis  der  Kreideformation  ruht. 

Wir  sind  gewohnt,  vulcanische  Eruptionen  an  Senkungen  auf- 
treten zu  sehen.  So  ist  es  auch  in  dem  weiten  Gebiete  der  Basin 
Ranges,  westlich  vom  Colorado-Plateau,  welches  hier  noch  nicht 
zu  besprechen  Gelegenheit  war,  und  auf  welchem  gefaltetes  Ge- 
birge auf  langen  Brüchen  in  fast  meridian  verlaufenden  Streifen 
niedersinkt.  »Einzelne  Ketten,*  berichtet  Clar.  King,  , wurden 
in  drei  bis  vier  Blöcke  zertheilt,  welche  Tausende  von  Füssen 
unter  die  anderen  hinabsanken.  Die  grössten  rhyolithischen  Aus- 
brüche begleiten  diese  Stellen  der  Versenkung.  Wo  ein  grosser 
Gebirgsblock  abgelöst  wurde  von  seiner  Umgebung  und  in  die 
Tiefe  sank,  dort  sind  die  Rhyolithe  über  denselben  hingeflossen 
und  haben  sich  grosse  Anhäufungen  von  Auswürflingen  aufge- 
baut. ...  Es  gibt  einige  wenige  Fälle,  in  welchen  Gebirgszüge 
gespalten  wurden  und  durch  Gänge  ein  begrenzter  Ausfluss 
stattfand  über  hohe  Gipfel;  aber  die  allgemeine  Regel  war,  dass 


Vergleich  mit   den  Enganaen.  I  QQ 

die  grossen  Ejectionen  in  den  gesenkten  Gebieten  eintraten. 
Solche  rhyolithische  Ejectionen  haben  Berggruppen  aufgebaut, 
3000 — 6000  Fuss  mächtig,  in  Blöcken  von  70 — 80  Miles  (i  13  bis 
129  Km.)  Länge.*" 

Aehnlich  ist  auch  die  Regel  bei  den  grossen  Ausbrüchen, 
welche  die  Hauptsprünge  des  Colorado-Plateaus  begleiten,  und 
es  ist  nicht  thunlich,  den  Vorgang  bei  der  Eruption  der  gewaltigen, 
aus  Sprüngen  hervorgetretenen  Decken  zu  trennen  von  dem  Vor- 
gange des  Eindringens  der  Laccolithen,  welches  an  vereinzelten 
Stellen,  ausserhalb  dieser  Hauptsprünge,  sich  vollzogen  hat.  Es 
hat  Dutton  diesen  Umstand  ganz  richtig  erkannt.  Ich  stimme  unter 
dem  Eindrucke  jener  Vorgänge  am  Vesuv,  welche  durch  so  lange 
Zeit  vorbereitend  den  Ausbrüchen  vom  i.  und  17.  April  1871 
vorhergegangen  sind,  gerne  der  Ansicht  bei,  dass  man  geneigt  ist, 
die  Kraft  zu  überschätzen,  welche  dem  Wasserdampfe  in  der  Lava 
zugeschrieben  wird.  Das  Heraustreten  derselben  auf  viele  Meilen 
langen  Spalten  erfolgt  höchst  wahrscheinlich  nach  den  einfachen 
Gesetzen  der  Hydrostatik^  wobei  das  Hinabsinken  des  Gebirgs- 
blockes  selbst  eine  wesentliche  Rolle  bei  dem  Emporquellen  der 
geschmolzenen  Unterlage  spielen  muss.  Es  bleibt  die  Frage,  ob 
der  Druck,  welcher  durch  sinkende  Gebirgsmassen  auf  solche 
Lavamassen  ausgeübt  wird,  welche  nicht  zum  Durchbruche  ge- 
langen, jene  Intrusionen  hervorzubringen  vermag,  welche  eben 
besprochen  worden  sind.  '"^ 

Wir  wollen  nun  zu  den  euganäischen  Bergen  bei  Padua  zu- 
rückkehren. 

Die  Unterschiede  von  den  amerikanischen  Vorkommnissen 
liegen  zuerst  in  den  ausserordentlich  viel  kleineren  Dimensionen 
der  euganäischen  Intrusivmassen,  ferner  in  dem  Mangel  von  minder 
festen  Schichten  in  dem  gänzlich  aus  geschichtetem  Kalkstein  auf- 
gebauten Sockel,  endlich  darin,  dass  die  Radialgänge  des  Scheitels 
auf  dem  Venda  nicht  wie  etwa  auf  den  mächtigen  Spanish  Peaks 
aus  der  Sprengung  der  sedimentären  Kuppel  hervorgegangen 
sind,  sondern  aus  einander  folgenden  Eruptionen  innerhalb  eines 
Aschenkegels.  Im  Wesen  aber  sind  die  Vorgänge,  welche  zur 
seitlichen  Intrusion  geführt  haben,  offenbar  ganz  ähnliche  gewesen, 
und  mag  man  daher  allerdings  in  d(Mi  Euganäen  von  Laccolithen 


200  Erhebungskratere. 

im  Tithon,  im  Biancone  und  in  der  Scaglia  sprechen,  wenn  sie  auch 
hier  sich  nicht  allzusehr  von  dem  alten  Begriffe  der  Lagergänge 
entfernen.  — 

An  die  Vorstellungen  von  Auftreibung  der  sedimentären 
Decke  durch  vulcanische  Intrusion  knüpft  sich  leicht  eine  Ge- 
dankenreihe, welche  der  alten  Anschauung  von  einer  gewissen 
erhebenden  Thätigkeit  der  Laven  und  von  der  Bildung  der  so- 
genannten Erhebungskratere  parallel  zu  laufen  scheint. 

,Man  kann,*  sagt  L.  v.  Buch,  ,die  ganze  Gruppe  der  Canari- 
schtm  Inseln  nicht  anders  betrachten,  als  eine  Sammlung  von  In- 
seln, welche  nach  und  nach  und  einzeln  aus  dem  Grunde  der  See 
erhoben  worden  sind.  Die  Kraft,  welche  eine  so  bedeutende  Wir- 
kung hervorzubringen  vermag,  muss  sich  lange  im  Innern  sammeln 
und  verstärken,  ehe  sie  den  Widerstand  der  daraufdrückenden 
Masse  überwältigen  kann.  Daher  reisst  sie  auf  dem  Grunde  des 
Meeres,  wohl  auch  tiefer  im  Innern,  zwischen  anderen,  gebildeten 
liasaltischen  und  Conglomeratschichten  bis  über  die  Oberfläche 
trmpor  und  entweicht  hier  durch  den  gewaltigen  Erhebungskrater. 
ICine  so  grosse  erhobene  Masse  fällt  aber  wieder  zurück  und  ver- 
schliesst  bald  die  nur  für  solche  Kraftäusserung  gebildete  Oefif- 
nung.  Es  entsteht  kein  Vulcan.  —  Der  Pic  aber  steigt  aus  der 
Mitte  eines  solchen  Erhebungskraters  als  ein  hoher  Dom  von 
Trachyt  herauf.  Nun  ist  die  fortdauernde  Verbindung  des  Innern 
mit  der  Atmosphäre  eröffnet.  .  .  .*'^ 

L.  V.  Buch  unterscheidet  also:  Auftreibung  des  Bodens,  Ein- 
sturz und  Verschluss,  dann  Eruption  in  der  Mitte  des  Einsturzes. 
Die  Vorstellung  erwuchs  aus  der  Grossartigkeit  der  Somma- 
kränze;  nur  in  der  ersten  dieser  drei  Phasen  wird  der  vulcani- 
schen  Masse  eine  örtlich  umgrenzte,  activ  erhebende  Kraft  zu- 
geschrieben. 

In  diesem  beschränkten  Sinne,  ohne  Beziehung  auf  die  als 
l)ereits  bestehend  gedachten  grossen  Züge  der  Gestaltung  der 
Ketten  und  Brüche  und  nur  so  weit  örtliche  Erhebung  und  nach- 
folgender Einsturz  in  Betracht  kommen,  ist  diese  ältere  Anschauung 
wieder  hervorgetreten  in  jener  bewunderungswürdigen  Darstel- 
lung des  armenischen  I  lochlandes,  mit  welcher  H.  Abich  in  neue- 
ster Zeit  unsere  Wissenschaft  bereichert  hat. '^ 


Palandokän  und  Dary-dagh.  20I 

Zwei  Bergmassen  sind  es,  auf  welche  Abich  hiebei  sich  beruft: 
der  Palandokän  südlich  von  Erzerum  und  der  Dary-dagh  bei 
Djoulfa. 

Das  Gebirge  südlich  von  Erzerum  ist  aus  cretacischem  Kalk- 
stein, aus  Gabbro  und  Serpentin  gebildet,  über  welche  weithin 
tertiäre  Eruptivgesteine  ausgebreitet  sind.  Aus  diesen  besteht 
auch  der  mächtige  Palandokän  (2947  M.),  und  unter  seinem 
Gipfel  gegen  West  öffnet  sich  ein  grosser  Krater.  Seine  längere 
Axe  misst  9 — 10  Km.  Im  Innern  dieses  gewaltigen  Kraters  aber 
und  umgeben  von  den  vulcanischen  Massen  seiner  steil  abfallenden 
Ränder  trifft  man  klippenförmige,  in  Marmor  umgewandelte  Massen 
von  Kalkstein  und  Alabaster,  in  Verbindung  mit  Serpentin,  grün- 
lichem chloritischem  Schiefer  und  kieselreichen  Gesteinen  der 
Gabbrogruppe,  also  die  Felsarten  des  Grundgebirges.  Sie  bilden 
wesentliche  Bestandtheile  des  Kraterbaues  und  sind  , durch  die  vul- 
canischen Massen  überwältigt,  die  das  Grundgebirge  anscheinend 
gehoben,  auseinandergedrängt  und  nach  Süden  wie  nach  Norden 
hinausgeschoben  haben*. '^ 

Hievon  wesentlich  verschieden  ist  das  zweite  Beispiel. 

Im  Thalgebiete  des  Araxes,  südlich  von  Nachitschevan,  liegt 
über  dem  dislocirten  paläozoischen  Gebirge  eine  Serie,  welche 
mit  eocänemNummulitenkalk  beginnt  und  deren  jüngstes  Glied  die 
salzführenden  Ablagerungen  der  Miocänzeit  sind.  Rothe  Conglo- 
merate,  fast  ausschliesslich  aus  Trachyt  gebildet,  sind  dieser 
tertiären  Serie  eingeschaltet  und  gelten  als  Anhaltspunkt  zur 
Feststellung  des  Alters  der  nahen  Trachytberge.  Drei  Trachyt- 
berge  von  pfeilerförmiger  Gestalt  und  etwa  von  Nordnordwest 
gegen  Südsüdost  aneinandergereiht,  erheben  sich  östlich  von 
Nachitschevan  über  das  tertiäre  Land:  Nagajir,  Asabkew-dagh 
und  Ingatasch;  sie  stehen  auf  einer  gemeinsamen  Längenanschwel- 
lung des  Bodens.  Ihnen  folgen  gegen  Ost  und  Südost  noch  zwei 
ähnliche  Berge,  Ylanly-  und  Alanja-dagh.  In  der  Fortsetzung  der 
ersten  Serie  gegen  Südsüdost  und  als  sichtbare  Fortsetzung  der- 
selben ragt  östlich  von  Djoulfa  der  Dary-dagh  (1943  M.)  hervor. 
Seine  Zusammensetzung  ist  jedoch  gänzlich  verschieden  von  jener 
der  Trachytpfeiler,  als  deren  Fortsetzung  er  erscheint.  Er  besteht 
gänzlich  aus  den  Schichten  der  transgredirenden  Serie,  nämlich 


202  Basische  Eindringlinge. 

aus  Nummulitenkalk  und  den  trachytischen  Trümmergesteinen; 
diese  sind  zu  einem  mächtigen  Gewölbe  aufgebogen,  das  von 
einem  nordsüdlich  verlaufenden  Bruche  durchschnitten  ist,  mit 
Absenkung  des  westlichen  Theiles.  Auf  der  Bruchlinie  wird  nicht 
eruptives  Gestein  sichtbar,  sondern  Thonmergel  mit  Gyps  und  mit 
Arsenverbindungen.  '^ 

Da  die  trachytischen  Trümmerschichten  ebenfalls  theilnehmen 
an  der  Wölbung  des  Dary-dagh,  dieser  also  jünger  sein  muss  als 
alle  oder  wenigstens  ein  Theil  der  trachytischen  Eruptionen,  wer- 
den wir  hier  zu  der  Vermuthung  wiederholter  Dislocationen  auf 
derselben  Linie  geführt,  nämlich  älterer  Brüche,  auf  welchen 
Nagajir  und  seine  Genossen  hervortraten,  auf  deren  Kosten 
die  trachytischen  Conglomerate  und  Breccien  des  Dary-dagh 
gebildet  wurden,  dann  der  Wölbung  dieser  Trümmergesteine 
selbst,  dem  Einstürze  der  Wölbung  und  endlich  den  Arsen-Ema- 
nationen. 

Palandokän  zeigt  also  Ueberwältigung,  Durchdringung  und 
weitgehende  Contactveränderung  der  Sedimente,  wie  wir  sie  bald 
in  der  eruptiven  Spalte  des  Banates  wieder  finden  werden;  Dary- 
dagh  ist  verschieden,  deutet  auf  wiederholte  Bewegungen  des 
Gebirges  vor  und  nach  den  Eruptionen,  ohne  dass,  wie  mir  wenig- 
stens scheint,  eine  active  Gebirgsauftreibung  durch  Laven  noth- 
wendiger  Weise  angenommen  werden  müsste. 

Nach  dieser  Abschweifung  setzen  wir  die  Betrachtung  der 
Intrusionen  fort  und  kommen  nun  zu  jenen,  welche  von  basi- 
schen Felsarten  veranlasst  werden. 

Obwohl  man  aus  Amerika  basische  Vorkommnisse  noch 
nicht  beschrieben  hat,  kennt  man  doch  solche  aus  Europa.  In 
Kohlenwerken  sieht  man  basaltische  Eindringlinge  nicht  selten. 
Im  Allgemeinen  nehmen  aber  basische  Intrusionen  nicht  die  Ge- 
stalt mächtiger  Brode  oder  Linsen  an,  wie  die  trachytischen  Lac-- 
colithen,  sondern  sie  breiten  sich  bei  viel  geringerer  Mächtigkeit 
über  weit  grössere  Flächen  aus,  so  dass  man  sie  oft  schon  für 
gleichzeitige  Bildungen  gehalten  und  ihre  spätere  Einschaltung 
verkannt  hat.  Die  basischen  Intrusionen  verhalten  sich  also  ihrer 
Gestalt  nach  zu  den  trachytischen  ähnlich  wie  die  zu  Tage  sich 
bewegenden  Laven,  und  es  mag  dieser  Umstand  wohl  in  der  allge- 


Whin  Sill.  2O3 

mein  beobachteten  grösseren  Beweglichkeit  der  basischen  Massen 
begründet  sein. 

Hier  mag  es  genügen,  ein  einziges,  allerdings  ein  grosses  und 
merkwürdiges  Beispiel  zu  nennen.  Es  ist  dies  die  ausgedehnte 
Basaltlage,  welche  dem  unteren  Theile  der  Carbonformation  in 
Northumberland  eingeschaltet  und  als  der  Whin  Sill  bekannt 
ist.  Durch  lange  Zeit  schwankten  die  Meinungen  darüber,  ob  der 
Whin  Sill  als  ein  dem  Kohlenkalke  gleichzeitiger  deckenförmiger 
Erguss,  oder  ob  er  als  ein  Lagergang  von  ausserordentlichen 
Dimensionen  anzusehen  sei,  bis  die  genaueren  Aufnahmen  der 
Grafschaft  durch  Topley  und  Lebour  die  Richtigkeit  der  letzteren 
Ansicht  nachwiesen. 

Der  Whin  Sill  ist  mit  untergeordneten  Unterbrechungen  auf 
eine  Erstreckung  von  120 — 130  Km.  bekannt.  Er  erreicht  eine 
Mächtigkeit  von  2  3  M.  und  darüber  und  keilt  gegen  Westen  aus. 
Die  Einschaltung  erfolgt  auf  grosse  Strecken  zwischen  die  Schicht- 
tugen  des  Kohlenkalkes  und  der  begleitenden  Lagen  von  Sand- 
stein und  Schiefer;  es  erscheinen  Veränderungen  am  Contact  nicht 
nur  nach  unten,  sondern  auch  nach  oben,  und  werden  wohl  auch 
kleinere  Gänge  gegen  oben  abgegeben.  Es  hält  sich  aber  der  Whin 
Sill  nicht,  wie  man  einstens  glaubte,  an  dieselbe  Schichtfuge;  er 
steigt  in  den  mächtigen  Ablagerungen  der  Carbonzeit  nach  oben 
und  sinkt  wieder  tiefer,  so  dass  die  äussersten  verticalen  Schwan- 
kungen, welche  er  erfahrt,  nicht  weniger  als  etwa  520  M.  be- 
tragen. '7 

Die  ausserordentliche  Verbreitung  des  Whin  Sill  scheint  mir 
aber  die  Frage  anzuregen,  ob  auf  so  grosse  Entfernung  vom  Erup- 
tionsherde hin  wirklich  an  eine  auftreibende.  Tausende  von  Füssen 
erhebende  Kraft  gedacht  werden  darf,  deren  Träger  eine  Lava- 
mässe  von  doch  nicht  gar  bedeutender  Mächtigkeit  wäre.  Es 
dürfte  auch  hier  die  Annahme  näher  liegen,  dass  das  heutige  Auf- 
treten des  Whin  Sill  den  Verlauf  eines  schrägen  Sprunges  be- 
zeichne, welcher  auf  grosse  Strecken  den  Schichtfugen  gefolgt, 
wiederholt  jedoch  in  andere  Horizonte  übergesprungen  ist,  und 
welcher  von  dem  einströmenden  Basalt  erfüllt  wurde.  Sprünge 
dieser  Art  mögen  gar  leicht,  namentlich  durch  Schleppung  an 
Brüchen,  entstehen.  Ob  dann  auf  diese  die  Bezeichnung  ,1  n  t  r  u  s  i  o  n' 


204  Beschaffenheit  des  Schlotes. 

mit  vollem  Rechte  angewendet  werden  darf,  mag  vorläufig  unbe- 
sprochen  bleiben;  ich  würde  die  Bezeichnung  Jnjection*  vor- 
ziehen. — 

Alle  diese  Intrusionen  oder  Injectionen  gehen  in  irgend  einer 
Gestalt  seitlich  vom  Schlote  ab;  zu  diesem  gelangen  wir  jetzt. 

Es  ist  kein  Vulcan  bekannt,  welcher  so  tief  erodirt  wäre,  dass 
sein  Schlot  sichtbar,  und  welcher  noch  von  strahlenförmig  ge- 
stellten Eruptivgängen  gekrönt  wäre,  wie  der  M.  Venda.  Aller- 
dings gibt  es  aber  Fälle,  in  welchen,  nach  Zerstörung  des  Aschen- 
kegels und  seiner  Gänge,  und  nach  Blosslegung  des  Schlotes,  der 
Zusammenhang  mit  den  umgebenden  Lavaströmen  dennoch  kenn- 
bar geblieben  ist.   Diese  müssen  den  Ausgangspunkt  bilden. 

Auf  den  inneren  Hebriden  breiten  sich,  insbesondere  auf 
Skye  und  Mull,  grosse  basaltische  Ströme  aus;  die  Basalte  im 
nordöstlichen  Irland  sind  wahrscheinlich  als  ihre  Fortsetzung  an- 
zusehen. Unter  diesen  Strömen  sind  die  Reste  mesozoischer  Ab- 
lagerungen erhalten  worden,  welche  ohne  den  Schutz  dieser  Decken 
von  dem  paläozoischen  Untergrunde  hinweggefegt  worden  wären. 
Die  nahe  Westküste  von  Schottland  besteht  fast  ausschliesslich 
aus  dem  entblössten  alten  Gebirge. 

Judd  hat  gezeigt,  dass  aus  diesen  vulcanischen  Ergüssen  vier 
granitische  Massen  auf  einer  beiläufig  von  Süd  gegen  Nord  laufen- 
den Linie  sich  erheben,  welche  die  Kerne  von  ebenso  vielen  gros- 
sen Feuerbergen  darstellen.  Sie  sind:  der  Vulcan  der  Insel  Mull, 
jener  der  Halbinsel  Ardnamurchan,  dann  jener  der  Insel  Rum  und 
der  Insel  Skye.  Die  Entfernung  der  Mitte  der  nördlichsten  dieser 
vier  Ausbruchsstellen  von  der  Mitte  der  südlichsten,  also  die  Länge 
des  hier  erkennbaren  Theiles  einer  grossen  vulcanischen  Linie, 
beträgt  beiläufig  88  Km.  Diese  Linie  setzt  sich  aber  vermuthlich 
nach  Nord  und  nach  Süd  noch  weiter  fort.  Jeder  dieser  granitischen 
Kerne  ist  in  Verbindung  mit  später  heraufgedrungenen  basischen 
Felsarten,  namentlich  Gabbrogesteinen ;  die  Masse  von  Mull  ist 
vielfach  von  denselben  durchzweigt;  an  den  nördlichen  Massen 
steht  der  basische  Stock  neben  dem  Granit  und  gibt  Gänge  in  den- 
selben ab.  In  der  Nähe  dieser  Eruptionspunkte  sind  die  sedimen- 
tären Felsarten  sehr  verändert  und  die  basaltischen  Gänge  ausser- 
ordentlich gedrängt.  Der  Bildung  der  granitischen  Massen  scheint 


eine  Zeit  der  Ruhe  und  Denudation  gefolgt  zu  sein,  bevor  die 
basischen  Ausbrüche  eintraten.  Diese  ereigneten  sich  auf  trockenem 
Lande;  überwältigte  Wälder  und  Lagen  mit  miocänen  Pflanzen 
an  ihrer  Basis  geben 
hieven  Zeugniss.  Die 
grössten  Aschenkegel, 
jene  von  Mull  und  Skye, 
dürften  über  4000  M. 
Höhe  erreicht  haben.'* 

Diese  granitischen 
Massen  geben  auch 
wirkliche  LaccoHthen 
in  die  mesozoischen 
Schichten  ab. 

Schon  im  Jahre 
1871,  bevor  Judd  die 
Bedeutung  der  grani- 
tischen Kerne  dargelegt 
hatte,  erkannte  hier 
Geikie , amorphe'  intru- 
sive  Massen,  aus  Syenit, 
Felsit  oder  Quarzpor- 
phyr bestehend,  welche, 
durch  unregelmä.s.sige 
Brüche  gedrängt,  keine 
parallelen  Grenzflächen 
bilden.  Solche  Massen 
werden  erwähnt  auf  der 
Insel  Raasay,  welche 
nördlich  vom  Vulcane 
vonSkye  liegt,  auf  Skye 
.selbst  und  auf  Eigg, 
dann  zwischen  den  Vul-         iiruciinpii.-  auf  Ardnamur.      sviiicinpi.. 

Chan).  K.  Allr  Frl,.irtrn. 

canen  von  Rum  und  von    3,  iii.i,<:h<.  i..ivon, 

Ardnamurchan.  Insbesondere  werden  auf  Eigg  drei  solche  Felsit- 
massen  beschrieben,  welche  aus  den  umgehenden  Basalten  auf- 
ragen.   Die  grösste,  50  —  70  M.  hoch,  bildet  das  ni">rdlich(!  Ende 


2o6  Predazzo. 

der  Insel  und  »scheint  annähernd  längs  der  Schichtfläche  der  ooli- 
thischen  Schichten  aufgestiegen  zu  sein  und  auf  diese  Art  selbst 
eine  grosse  rohe  Lage  zu  bilden*/^ 

Judd  hat  die  Einschaltung  dieser  Massen  in  die  mesozoische 
Serie  bestätigt  und  schon  im  Jahre  1874  gezeigt,  dass  hier  die 
sauren  Felsarten  dicke,  linsenförmige  Intrusivmassen  bilden,  welche 
auf  massige  Entfernungen  vom  Eruptivstocke  beschränkt  sind, 
während  basaltische  Laven  den  Schichtfugen  auf  grosse  Strecken 
zu  folgen  vermögen.  Die  ersteren  bestehen  nach  diesen  Angaben 
aus  verschiedenen  Abarten  von  Felsit,  mehr  oder  minder  quarz- 
führend, häufig  von  porphyritischerStructur  und  durch  eingestreute 
Hornblendekrystalle  übergehend  in  Syenit-Granit.  .  Die  basischen 
Intrusionen  sind  fast  immer  doleritisch,  mit  viel  Olivin  und  Ueber- 
gängen  einerseits  in  feinkörnigen  Gabbro,  anderseits  in  Basalt. 

Es  ist  gesagt  worden,  dass  die  basischen  Laven  dieser  Vul- 
cane  auf  tertiären  blattführenden  Schichten  liegen;  in  gleicher 
Weise  sieht  man  auf  den  Faröer-Inseln  Braunkohle-führende  Ab- 
lagerungen eingeschaltet  zwischen  basaltische  Laven,  und  die 
entsprechenden  Vorkommnisse  auf  Island  sind  allgemein  bekannt. 
Es  geben  diese  Bildungen  Zeugniss  von  einem  ausgedehnten  Fest- 
lande, welches  in  der  späteren  Hälfte  der  Tertiärzeit  von  Schott- 
land weit  nach  Norden  sich  ausdehnte.^°  — 

Bei  Predazzo  in  Südtirol  ist  durch  das  von  Nord  gegen  Süd 
verlaufende  Thal  des  Avisio  und  durch  das  von  Osten  einmün- 
dende Val  Travignolo  der  Schlot  eines  Vulcanes  der  Triaszeit 
erschlossen.  Es  ist  eine  wunderbare  Stelle.  Seit  im  Jahre  1823 
Marzari-Pencati  die  erste  Schilderung  derselben  lieferte,  ist  sie 
bis  zu  dem  heutigen  Tage  der  Schauplatz  stets  erneuter  For- 
schungen gewesen,  und  die  Mannigfaltigkeit  der  Erscheinungen  ist 
noch  lange  nicht  geklärt." 

Hier  können  nur  wenige  Hauptzüge  der  Structur  angeführt 
werden.  Für  die  folgenden  Erörterungen  knüpft  sich  in  Predazzo 
das  Interesse  hauptsächlich  an  den  Umstand,  dass  mitten  in  den 
Alpen  das  Alter  eines  eruptiven  Stockes  von  Granit  und  Syenit 
mit  Bestimmtheit  ermittelt  werden  kann. 

Avisio  und  Val  Travignolo  treffen  sich  ganz  nahe  bei  dem 
Städtchen  Predazzo.  Den  Hauptrücken  westlich  vom  Avisio  bildet 


Eruptivslock  von  Predawo.  207 

der  Dosso  Capella  mit  dem  gegen  Predazzo  gewendeten  Ab- 
hänge ai  Canzocoli;  südlich  vom  Val  Travignolo  erhebt  sich  die 
Malgola,  nördlich  der  Mulat.  Fig.  20  ist  von  Osten  her  aus  Val 
Travignolo  gezeichnet;  links  steht  die  Malgola,  rechts  der  Mulat, 
ai  Canzocoli  und  der  Dosso  Capella  in  der  Mitte.  Es  sind  nur  drei 
Haupttypen  von  eruptivem  Gestein  auf  dieser  kleinen  Skizze  unter- 
schieden, nämlich  Granit,  Syenit  (Monzonit)  und  Melaphyr.  Die 
zahlreichen  Gänge  und  untergeordneten  Abänderungen  darzu- 
stellen, fallt  nicht  in  den  Kreis  meiner  Aufgabe.  Es  ist  links  der 
Mulat  bis  zu  seiner  Spitze  aus  den  Ablagerungen  der  unteren 
Trias  gebildet;  sein  Abhang  gegen  Predazzo  dagegen  besteht 


aus  eruptivem  Syenit;  die  Linie  des  Contactes,  der  Marmorisirung 
der  Triaskalke  u.  s.  w.,  also  die  äu-ssere  Grenze  des  Eruptivstockes 
geht  quer  über  den  Berg.  Der  Syenit  umschliesst  an  diesem  Ab- 
hänge eine  grössere  und  viele  kleinere  Schollen  von  marmorisir- 
tem  Triaskalk  und  zahlreiche,  steil  aufsteigende  Gänge  von  fleisch- 
rothem  Orthoklas-Porphyr,  welche  den  Eindruck  zurücklassen,  als 
gingen  sie  von  dem  Granitstocke  aus,  welchem  wir  sofort  auf  der 
anderen  Thalseite  begegnen  werden. 

Ebenso  scharf  und  deutlich  lässt  der  in  der  Mitte  der  Skizze, 
im  Hintergrunde  jenseits  Predazzo,  sichtbare  Dosso  Capella  die 
Umgrenzung  des  Eruptivstockes  erkennen.    Dieselbe  zieht  über 


208  Eruptivslock  von  Predazzo. 

den  Berg  schräg  nach  aufwärts.  In  dem  unteren  Theile  des  Ab- 
hanges ist  es  eruptiver  Syenit,  welcher  an  den  Kalkstein  tritt,  und 
hier  befindet  sich  an  der  Stelle  ai  Canzocoli  der  seit  vielen  Jahren 
berühmte  Hauptfundort  der  Silicate  der  Contactzone;  höher  oben 
grenzt  der  Kalkstein  an  Melaphyr.  Hinter  Dosso  Capella  sieht 
man  rechts  auf  den  Höhen  Melaphyr  auf  Kalkstein;  dies  ist 
schon  ein  Theil  der  von  dem  Vulcan  ausgegangenen  Lavaströme. 
In  der  Tiefe  des  Avisiothales  kommt  unter  dem  Syenit  ein  Granit- 
stock hervor;  er  ist  aber  hier  durch  den  Fuss  des  Mulatto 
verdeckt. 

Rechts  auf  der  Höhe  des  Mulatto  stehen  in  aufiTallenden, 
nicht  allzuhohen,  dunklen  Wänden  augitische  Gesteine  an,  welche 
sich  in  einem  langen  Gange  gerade  an  dem  vorspringenden  Rücken 
des  Mulatto  bis  zur  Tiefe  des  Thaies  gegen  Predazzo  fortsetzen 
und  alle  tieferen  Felsarten  durchschneiden.  Diese  letzteren  sind 
turmalinführender  Granit  und  Syenit;  sie  setzen  sich  auf  der  an- 
dern Seite  des  Berges  gegen  den  Fuss  des  Dosso  Capella  und 
der  Sforzella  fort.  Der  ganze  Mulatto  ist  vulcanischen  Ursprunges; 
die  Grenze  gegen  den  Triaskalkstein  liegt  nahe  rechts  ausserhalb 
der  Skizze,  in  einer  Thalfurche  gegen  M.  Viezzena. 

Die  Vertheilung  der  Felsarten,  die  Silicate  an  den  Contact- 
stellen,  die  zahlreichen  Gänge  und  die  Einschaltungen  der  Mela- 
phyrlaven  und  der  Tuffe  in  die  Triasbildungen  lassen  keinen 
Zweifel  über  den  eruptiven  Ursprung,  den  genetischen  Zusammen- 
hang und  das  Alter  dieser  merkwürdigen  Vorkommnisse.  Sie 
wiederholen  sich  unmittelbar  im  Nordosten  am  M.  Monzoni,  mit 
prachtvoller  Entwicklung  seitlicher  Gänge,  doch  ohne  dass  Granit 
sichtbar  würde.  Der  Bestand  von  Laccolithen  wurde  in  diesem 
Gebiete  noch  nicht  erwiesen. 

Nachdem,  wie  das  Beispiel  der  Finsteraarhorn-Masse  lehrt, 
die  Umwandlung  petrefactenführender,  geschichteter  Kalkablage- 
rungen in  weissen  Marmor  an  der  Grenze  von  Granitmassen  durch 
Druck  erfolgen  mag,  liegt  in  dem  Erscheinen  der  krystallisirten 
Silicate  in  der  Contactzone  das  entscheidendste  Merkmal  der  erup- 
tiven und  vulcanischen  Natur  der  Syenitmasse  von  Predazzo.  Das- 
selbe Merkmal  kommt  aber  auch  einem  Theile  des  Saumes  der 
gewaltigen  Masse  des  Adamello  zu. 


Adamello. 


2og 


Der  Stock  des  Adamello  erhebt  sich  zwischen  Val  Camonica 
und  dem  Judicarienthale  auf  der  Grenze  der  Lombardei  und  des 
südwestlichen  Tirol.  Die  Haupterstreckung  ist  gegen  Nordnord- 
ost gerichtet  und  folgt  nahe  der  östlich  liegenden  grossen  Bruch- 
Hnie  der  Judicarien.  Die  bemerkenswertheste  Felsart  dieses  Ge- 
birgsstockes  ist  leicht  kennbar  durch  zahlreiche  kurze  und  dicke 
Säulen  von  dunkler  Hornblende  und  dunkle  GHmmerblätter  in 
weisser  Grundmasse.  G.  v.  Rath  hat  diese  Felsart  Tonalit  genannt; 
Zirkel  betrachtet  sie  als  dem  quarzführenden  Diorit  zunächst 
stehend." 

Wo  in  seinem  südöstlichen  Theile  der  Tonalitstock  des  Ada- 
mello mit  Triaskalkstein  in  Berührung  kommt,  erscheinen  die  Con- 
tacterscheinungen  von  Predazzo  wieder.  Die  Skizzen,  welche 
Lepsius  aus  Val  Bona  und  Val  Bondol  veröffentlicht  hat,  lassen 
keinen  Zweifel  über  die  Uebereinstimmung  des  Wesens  der  Vor- 
kommnisse in  beiden  Gebieten.  So  sieht  man  z.  B.  an  dem  Süd- 
abhänge  der  aus  Tonalit  bestehenden  Cima  Bruffione  in  Val  Bondol 
diesen  mit  steiler  Grenze  in  Contact  treten  mit  triadischen  Knollen- 
kalken, welche  steil  gegen  den  Tonalit  geneigt,  in  Marmor  um- 
gewandelt und  mit  Contactsilicaten  imprägnirt  sind.^^ 

Wir  werden  bei  der  Besprechung  der  Südalpen  diesen  be- 
merkenswerthen  Umstand  wieder  zu  berühren  haben. 

Die  Vulcanenreihe  der  Hebriden  lässt  zugleich  die  Lage  der 
Schlote  und  Reste  der  ergossenen  Laven  erkennen;  ihre  Thätig- 
keit  erstreckt  sich  in  die  miocäne  oder  eine  noch  spätere  Zeit. 
Die  Vulcane  von  Predazzo  und  dem  Monzoni  lassen  ebenfalls  ihre 
Schlote  erkennen,  und  obwohl  ihr  Alter  unvergleichlich  viel  höher 
ist  als  jenes  der  Hebriden-Vulcane,  sieht  man  dennoch  auch  hier 
die  zugehörigen,  der  Triasformation  eingeschalteten  Laven  und 
Tuffe. 

In  einem  ähnlichen  Grade  der  Entblössung  befindet  sich  die 
von  Peters  und  Posepny  geschilderte  Ausbruchsstelle  von  Rez- 
bänya  im  südöstlichen  Ungarn,  in  welcher  wir  nun  zum  ersten 
Male  in  der  hier  angeführten  Reihe  von  Beispielen  Erzlagerstätten 
in  unmittelbarer  Verbindung  mit  dem  Eruptivstocke  in  der  Aura 
des  vulcanischen  Contactes  antreffen.  Felsarten,  welche  Peters  als 
Syenit  und  Syenitporphyr  bezeichnet,  verändern  ihre  Umgebung 

Soest,  Das  Antlitz  der  Erde.  14 


2  I O  Spalte  im  Banat. 

und  lassen  an  dem  Neocomkalkstein  das  für  den  vulcanischen  Con- 
tact  bezeichnende  Gemenge  von  WoUastonit,  Granat  und  blauem 
Kalkspath  erscheinen. 

Die  langen  und  dünnen  Gänge  von  Eruptivgestein,  welche  in 
die  Spalten  des  Gebirges  eindringen  und  spitze  Keile  desselben 
umschliessen,  sind  für  Posepny  ein  erneuter  Beweis,  dass  diese 
Eruptivmassen  nicht  treibende,  sondern  getriebene  Massen 
seien.  Die  Senkung  eines  benachbarten  Gebietes  sei  Veranlassung 
zu  solchen  Eruptionen,  die  Eruptivmasse  selbst  aber  sei  durch 
den  Druck  der  sinkenden  Masse  in  die  Gänge  eingepresst.** 

Südlich  von  dem  aus  Siebenbürgen  hervortretenden  Temes- 
flusse  zieht  sich  durch  das  Banat  ein  Gebirgszug  zur  Donau  herab, 
dessen  höchster  Gipfel,  Muntje  Semenik,  1450  M.  erreicht  und 
dessen  mittlere  Höhe  etwa  800  M.  betragen  mag.  Das  Streichen 
seiner  Structur  ist  von  Nordost  oder  Nordnordost  gegen  Südsüd- 
west gerichtet,  und  mit  dieser  Richtung  setzt  sich  das  Gebirge 
südwärts  über  die  Donau  nach  Serbien  fort.  Indem  der  grosse 
Strom  in  gewundenem  Laufe  dieses  Gebirge  und  seine  östlichen 
Parallelzüge  durchquert,  entsteht  von  Moldowa  abwärts  bis  zum 
Eisernen  Thore  eine  Reihe  grosser  Stromschnellen.  Uns  soll  hier 
nur  der  westliche  Theil  des  Gebirges  und  namentlich  der  gegen 
Westen  blickende  Rand  desselben  beschäftigen. 

Dieses  Gebirge  besteht  aus  langen  Falten  von  Glimmer- 
schiefer mit  etwas  Gneiss,  dann  flötzführenden  Carbonschichten, 
rothem  permischen  Sandstein,  aus  Jura  und  Kreidekalkstein.  Ein 
sehr  grosser,  von  Nord  nach  Süd  laufender  Bruch  durchschneidet 
das  Gebirge;  er  trifift  die  gegen  Südwest  und  Südsüdwest  strei- 
chenden Falten  in  spitzem  Winkel  und  schneidet  die  mesozoischen 
Schichten  gegen  Westen  ab,  so  dass  jenseits,  westlich  von  diesem 
Bruche,  fast  nur  niedrigere  Berge  von  Glimmerschiefer  oder  die 
offene  Ebene  zu  sehen  sind.  So  weit  dieser  Bruch  auf  der  Nord- 
seite der  Donau  im  Banater  Gebirge  liegt,  von  Deutsch-Bokschan 
im  Norden  bis  Moldowa  an  der  Donau  im  Süden,  ist  derselbe  mit 
einer  Reihe  von  alten  Ausbruchsstellen  besetzt,  wie  die  auf  Fig.  2 1 
dargestellte,  78  Km.  lange  Strecke  zeigt.  Aber  der  Bruch  über- 
setzt südwärts  die  Donau  und  ist  dort  von  ähnlichen  Ausbruchs- 
stellen begleitet. 


Als  die  Hauptquelle  für 
die  Kenntniss  des  gefalte- 
ten Gebirges  ist  die  im  Jahre 
1857  erschienene  Beschrei- 
bung des  wichtigsten  Thei- 
les  desselben  von  Joh.  Ku- 
dernatsch  zu  bezeichnen, 
in  welcher  so  manche  An- 
schauung über  Bau  und  Ent- 
stehung der  Gebirge  aus- 
gedrückt wurde,  die  erst 
viel  später  zur  Geltung  ge- 
kommen ist.  Für  das  in  Fig. 
21  dargestellte  Stück  des 
westlichen  Bruches  nenne 
ich  vor  Allen  die  im  Jahre 
1860  von  der  österreichi- 
schen Staatseisen  bahn -Ge- 
sellschaft herausgegebene 
geologische  Specialkarte 
desselben,  weicherauch  die 
von  Cotta  im  Jahre  1865 
veröffentlichte  Karte  ent- 
nommen ist.'' 

Die  wichtigsten  auf  die- 
ser Strecke  sichtbaren  Vor- 
kommnisse von  Eruptivge- 
stein sind  von  Süd  gegen 
Nord:  jene  von  Moldowa, 
von  Kohldorf  und  Szdszka, 
vonCziklowa  undOrawitza, 
von  Dognäcska,  endlich 
die  grosse  unregelmässige 
Masse  nördlich  von  Bok- 
schan.  Mit  Ausnahme  der 
letzteren  nimmt  jedes  die- 
ser Vorkommnisse  einen  in 


212  Spalte  im  Banat. 

der  Richtung  des  Bruches  sehr  verlängerten  Raum  ein,  so  zwar, 
dass  von  dem  hier  dargestellten  78  Km.  langen  Stücke  desselben 
thatsächlich  etwa  auf  47  Km.  das  Eruptivgestein  sichtbar  ist  und 
man  keinen  Grund  hat  zu  bezweifeln,  dass  bei  noch  tieferer  Ab- 
waschung der  Oberfläche  anstatt  dieser  vereinzelten  Vorkomm- 
nisse nur  eine  einzige  zusammenhängende  Zone  desselben  an  dem 
Bruche  sichtbar  sein  würde. 

Diese  eruptiven  Felsarten  wurden  anfänglich  als  Syenit  oder 
Granit  bezeichnet;  Cotta  nannte  sie  mit  einem  neuen  Namen  Ba- 
natit;  sie  sind,  wie  die  seitherigen  Untersuchungen  von  Niedz- 
wiezki,'^  Szabö^^  u.  A.  gezeigt  haben,  mannigfaltig  in  ihrer 
Zusammensetzung  und  werden  als  echte  Syenite  oder  als  quarz- 
führende Diorite,  als  Amphiboldiorite,  Andesite  und  Andesin- 
Quarztrachyte  bezeichnet.  Den  weitaus  verbreitetsten  Typus  unter 
denselben  nennt  G.  v.  Rath  mit  Niedzwiezki  Ouarzdiorit,  und  ver- 
gleicht  ihn  wie  Cotta  mit  dem  an  so  vielen  Orten  in  Ungarn  und 
Siebenbürgen  erzführenden  Propylit,  ferner  mit  dem  Tonalit  des 
Adamello.*^  Bei  Moldowa  ist  auch  ein  ansehnlicher  Gang  von 
Basalt  vorhanden. 

Wo  immer  die  syenitische  oder  dioritische  Felsart  mit  dem 
mesozoischen  Kalkstein  in  Berührung  kommt,  ist  dieser  verändert; 
es  erscheint  Granat,  Wollastonit,  Vesuvian,  Glimmer,  blauer  Kalk- 
spath  und  eine  ganze  Reihe  bezeichnender  Mineralien  des  vulca- 
nischen  Contactes.  In  der  Zone  des  Contactes  liegen  auch  die 
zahlreichen  Erzlagerstätten  dieses  Zuges;  Magneteisenstein,  Blei- 
und  Kupfererze,  Silber  und  Gold  finden  sich  in  demselben.  Je 
nach  ihrer  Lage  gegen  den  Kalkstein  sind  die  einzelnen  Eruptiv- 
stellen ganz  oder  nur  theilweise  von  dem  Contacthofe  umgeben. 
Das  Eruptivgebiet  von  Moravitza  liegt  im  Glimmerschiefer,  kreuzt 
aber  einen  Kalkzug  und  verändert  und  vererzt  denselben.*^ 

Cotta  hat  die  Meinung  geäussert,  dass  es  auf  dieser  Spalte 
nicht  zu  wirklichen  Ausbrüchen  an  der  Oberfläche  gekommen  sei, 
aber  der  fast  gänzliche  Mangel  an  seitlichen  Ergüssen  kann  hiefür 
kein  voller  Beweis  sein.  Die  Abtragung  von  Gebirge,  welche 
nothwendig  war,  um  diese  Form  der  Entblössung  der  Spalte  zu 
erzeugen,  ist  eine  so  bedeutende  gewesen,  dass  ihr  die  ausge- 
strömten Laven  auf  eine  weite  Umgebung  unterliegen  mussten. 


Narben.  2  1 3 

Es  sind  hier  cretacische  Kalksteine  verändert  worden;  wir 
werden  daher  dem  Quarzdiorit  dieser  Spalte  kein  höheres  als 
etwa  tertiäres  Alter  trotz  der  ausserordentlichen  Denudation  zu- 
schreiben können,  und  er  ist  vielleicht  gleichzeitig  mit  dem  Pro- 
pylit  der  Karpathen,  dessen  Ausbrüche  in  die  oligocäne  oder  in 
die  frühere  Hälfte  der  miocänen  Zeit  zu  stellen  sind.^°  — 

Die  etwa  seit  der  Mitte  der  Tertiärzeit  eingetretene  Ab- 
waschung scheint  hingereicht  zu  haben,  um  auf  einer  78  Km.  langen 
Strecke  in  mehr  als  der  Hälfte  der  Erstreckung  die  Spaltenausfül- 
lung blosszulegen.  Bei  weiter  vorgeschrittener  Zerstörung  würden 
wir  eine  einzige  Zone  von  Quarzdiorit  sehen.  Leicht  könnte  aber 
diese  Zerstörung  so  weit  reichen,  dass  die  benachbarten  meso- 
zoischen Kalksteine  und  mit  ihnen  die  Contact-  und  Erzbildungen 
verschwinden,  und  von  der  ganzen  heutigen  mannigfaltigen  Be- 
schaffenheit des  Gebirges  bliebe  dann  nichts  zurück  als  ein  diori- 
tischer  oder  syenitischer  Zug,  eingebettet  in  Glimmerschiefer  und 
Gneiss,  welchem  so  mancher  Beobachter  dann  ohne  Weiteres  ein 
archaisches  Alter  zuzuweisen  sich  bereit  finden  möchte. 

So  gelangen  wir  von  der  Betrachtung  der  Aschenkegel  der 
Gegenwart,  die  von  der  Denudation  gebotenen  Bilder  aneinander- 
schliessend,  allmälig  zu  den  vielgestaltigen  Producten  abyssischer 
Vorgänge,  welche  auf  den  alten  abgenagten  Gebirgsmassen  Böh- 
men's  oder  Norwegen's,  wie  auch  da  und  dort  in  den  jüngeren 
Faltungsbergen  sichtbar  werden.  So  wurde  jener  merkwürdige 
syenitische,  in  seinem  südlichen  Theile  granitische  Zug  gebildet, 
welcher  bei  Brunn  den  Ostrand  der  böhmischen  Masse  begleitet  und 
sie  abtrennt  von  den  Sudeten.  Die  nachfolgende  Figur  24  lässt  in 
rohem  Umrisse  ihre  Lage  erkennen  und  zeigt,  dass  durch  sie  zwei 
ganz  verschieden  gebaute  Schollen  der  Erde  geschieden  werden.^' 

Solche  entblösste  Eruptivzüge  werden  hier  als  Narben  be- 
zeichnet werden. 

Aber  nicht  nur  Narben  mögen  durch  Entblössung  sichtbar 
werden,  sondern  auch  alte  Lavadecken,  abyssische  Gänge  und 
Durchdringungen  mancher  Art,  vielleicht  auch  Intrusivmassen 
oder  wahre  Laccolithen  der  grossen  Tiefe. 

Dies  ist  der  Weg,  auf  welchem  Judd  dahin  gelangt  ist,  nach 
der   Untersuchung   der   Eruptivstöcke   der  Hebriden   auch   aus- 


Elk-MounUiD3.  215 

Kohlenkalk  und  eine  weitere  mächtige  Serie  folgt,  welche  bis  in 
die  oberen  Theile  der  Kreideformation  reicht.   Der  Kreideforma- 

— j r^^^^z 1  tion  sindintrusivmassen 

'^  — ^  von  Rhyolith  und  Tra- 

chyt  eingeschaltet. 

In  tektonischer  Be- 
ziehung sieht  man,  dass 
die  beiden  grössten Gra- 
nitstöcke, Snow  Mass 
Group  und  White  Rock 
Group,  auf  einer  ge- 
raeinsamen Störungs- 
linie stehen,  welche  als 
Bruchfalte  (Faultfold) 
bezeichnet  wird,  und 
welche  von  einer  deut- 
lichen seitlichen  Bewe- 
gung der  Massen  be- 
gleitet ist,  die  quer  auf 
das  Streichen  von  Nord- 
ost gegen  Südwest  ge- 
richtet war.  Diese  seit- 
liche Bewegung  ist  so- 
gar so  beträchtlich  ge- 
wesen, dass  an  dem  süd- 
westlichen Rande  des 
Granites  Ueberschie- 
bungen  desselben  ein- 
getreten sind  und  zwi- 
schen beiden  Massen 
eine  Einklemmung  von  sedimentären  Schichten  entsteht. 

Dieses  grosse  Maass  seitlicher  Bewegung  und  das  Auftreten 
trachytischer  Massen  in  der  cretacischen  Aussenzone  scheinen  den 
Anlass  dazu  gegeben  zu  haben,  dass  auch  diese  beiden  grossen, 
in  der  Tiefe  wohl  sicher  zusammenhängenden  -Granitstöcke  als 
echte  Laccolithen  von  postcretacischem  Alter  bezeichnet  worden 
sind,    und    dass    einzelne   Forscher    sogar    geneigt   waren,    die 


2  1 6  Eingeschaltete  Granitmassen. 

Intrusion  des  Granites  mit  der  Bildung  des  Gebirges  selbst  in  ur- 
sachliche Verbindung  zu  bringen. 

Holmes  drückt  sich  vorsichtig  aus,  es  sei  nicht  schwer,  sich 
vorzustellen,  dass,  während  die  seitliche  Verschiebung  und  Faltung 
vor  sich  ging,  die  unterliegende  plastische  Masse  diese  Bewegung 
begleitete  und  die  heutige  Sachlage  formte,  und  dass  während 
dieses  Vorganges  sie  sich  selbst  eindrängte  oder  eingedrängt 
wurde  durch  die  Bruchlinie  in  den  beiden  grossen  Massen  der 
Snow  Mass  und  White  Peak  Groups.^* 

In  dieser  Auffassung  bleibt  also  die  faltende  Kraft  als  das 
erste  und  anregende  Moment  des  Gebirgsbaues  anerkannt,  wäh- 
rend andere  Autoren  die  Elk-Mountains  geradezu  als  durch  das 
lundringen  eines  postcretacischen  Granites  gehoben  und  gefaltet 
ansehen.  Dieser  Granit  scheint  aber  durchwegs  in  demselben  stra- 
tigraphischen  Horizonte  zu  liegen,  und  er  erinnert  hiedurch  wie 
durch  seine  Lagerung  ganz  und  gar  an  die  passiv  überschobenen 
Massen  der  Cima  d'Asta  oder  der  Jungfrau. 

l^ie  von  Holmes  ausgesprochene  Meinung  schliesst  sich  aber 
ziemlich  nahe  an  die  von  Lossen  über  den  Granit  des  Harzgebirges 
aufgestellten  Ansichten  an.  Lossen  meint,  ,dass  die  einseitig 
(hcteroklin)  zusammengeschobene  Falte  bei  gesteigertem  Drucke 
in  eine  dem  Streichen  nach  durchrissene  Falte  mit  aufwärts  ge- 
vschobenom  Hangenden  und  diese  bei  abermalig  fortgesetzter 
vStoigorung  dos  Druckes  in  eine  Zerspaltung  mit  aufgepressten 
Mruplivgosleinen  übergehen  könne'.  In  seinen  neuesten  Schriften 
nennt  Lossen  den  Harz  ,ein  als  Gebirgsknoten  nachgewiesenes 
windschiefes,  elliptisches  Massengebirge  mit  ausgepresstem  Erup- 
tivmagma in  den  dynamischen  Brennpunkten'.  Aus  einzelnen  Stellen 
ergibt  sich  sogar,  dass  Lossen  sich  den  Granit  als  plastische  Masse 
direct  dem  Einflüsse  der  lateralen  Bewegung  ausgesetzt  vorstellt,und 
von  der  treppenförmigen  Anordnung  der  Falten  wird  gesagt:  ,Die 
Treppen  sind  die  Wellenberge  des  granitischen  Magma's,  welche  die 
Bewegungen  des  Faltungsprocesses  der  festen  Rinde  mitmachen.'^^^ 

Dieser  Granit  hat  die  Tanner  Grauwacke  am  Contacte  ver- 
ändert, welche  heute  noch  an  einzelnen  Stellen  sein  Dach  bildet; 
er  hat  daher  auch,  wie  die  amerikanischen  Laccolithen,  Contact- 
wirkung  nach  oben  ausgeübt. 


Eingeschaltete  Granitmassen.  217 

Nun  mag  nochmals  betont  sein,  dass  weder  nach  Holmes' 
Meinung  in  den  Elk-Mountains,  noch  nach  Lossen  im  Harze  die 
ältere  Anschauung  von  der  Erhebung  der  Gebirge  durch  den 
Granit  Stütze  findet,  sondern  dass  beide  Beobachter  die  Faltung 
des  Gebirges  doch  als  die  primäre,  beherrschende  Erscheinung 
und  die  Auspressung  des  granitischen  Magma's  als  eine  beglei- 
tende, durch  diese  Faltung  erst  veranlasste  Nebenerscheinung  an- 
sehen. — 

Es  sind  zahlreiche  Granitmassen  bekannt,  welche  folgende 
Merkmale  in  sich  vereinigen: 

a)  Sie  liegen  eingebettet  in  alte  geschichtete  Gesteine,  am 
häufigsten  in  Schiefer,  aus  welchen  sie  durch  die  Denudation  aus- 
geschält werden,  und  sie  haben,  so  weit  sich  dies  erkennen  lässt, 
die  Gestalt  von  grossen  unregelmässigen  Broden  oder 
Kuchen. 

bj  Sie  haben  Contactwirkung  nicht  nur  nach  den  Seiten, 
sondern  auch  nach  oben  ausgeübt,  sind  also  jünger  als  ihr 
Dach. 

cj  Sie  geben  in  vielen  Fällen  Apophysen  nach  der  Seite 
oder  wohl  auch  nach  oben  ab;  diese  Apophysen  sind  in  Spalten 
injicirt,  deren  Bildung  der  Injection  unmittelbar  vorausgehen 
musste. 

Der  Drammen-Granit  im  Gebiete  von  Christiania  wird  nach 
Kjerulf's  Schilderung  auf  nicht  unbeträchtliche  Strecken  von  ver- 
schiedenen Gliedern  der  Silurformation  flach  überlagert;  er  ver- 
ändert sie  alle  nach  oben  am  Contact,  schliesst  Bruchstücke  der- 
selben ein  und  gibt  Gänge  in  dieselben  ab.^^ 

Die  beiden  Granitstöcke  von  Barr-Andlau  und  von  Hohwald 
in  den  Vogesen,  deren  Contactwirkungen  auf  die  Steiger  Schiefer 
von  Rosenbusch  so  trefflich  untersucht  wurden,  sind  diesen  Schie- 
fern eingelagert  und  geben  Apophysen  in  dieselben  ab.^^ 

Die  grossen  Granitstöcke  des  Erzgebirges  zeigen  ähnliche 
Verhältnisse  und  sind  zum  Theile  heute  noch  überwaMbt  von  der 
Schiefermasse,  welcher  sie  eingeschaltet  sind  und  welche  sie  ver- 
ändert haben.  Mit  dem  Streichen  des  Erzgebirges  stehen  diese 
Stöcke  freilich  in  gar  keinem  sichtbaren  Zusammenhange;  der 
grosse  Neudecker  Stock  liegt  mehr  oder  minder  quer  im  Gebirge 


2  1 8  Bildung  von  Hohlräumen. 

und  wird  im  Süden  von  dem  grossen  Abbruche  des  Gebirges  ge- 
rade so  abgeschnitten,  wie  die  Massen  der  Vogesen  von  den  Ver- 
werfungen durchschnitten  werden,  welche  für  die  Gestaltung 
dieses  Gebirges  so  massgebend  sind.  — 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  die  wichtigsten  Merk- 
male dieser  Granitmassen,  und  insbesondere  die  Contactwirkung 
gegen  das  Dach,  sich  in  den  trachytischen  Laccolithen  Nord- 
amerika's  wiederfinden.  Ihre  Dimensionen  sind  aber  noch  weit 
grösser,  und  es  entsteht  die  Frage,  wie  denn  so  ausserordentlich 
grosse,  nach  ihrer  grösseren  Axe  zehn,  zwanzig  und  noch  weit 
mehr  Kilometer  messende,  kuchenförmige  Massen  nachträglich 
eingeschaltet  werden  konnten  in  einen  bestimmten  Horizont,  z.  B. 
in  eine  bestimmte  Schieferzone,  oder  doch,  wie  bei  Christiania,  in 
eine  ziemlich  nahe  bei  einander  liegende  Gruppe  von  geschichteten 
Gesteinen. 

Es  ist  unbedingt  nothwendig,  dass  der  Injection  der  graniti- 
schen Masse,  welche  eine  so  hohe  Temperatur  besass,  dass  sie  die 
Gesteine  zu  verändern  im  Stande  war,  die  Bildung  eines  ent- 
sprechenden Hohlraumes  vorausging. 

Man  hat  die  tangentiale  oder  faltende  Bewegung  der  äusseren 
Theile  des  Erdkörpers  zuweilen  eine  , Rindenbewegung'  genannt, 
aber  der  Begriff  der  ,Erdrinde'  ist  von  manchen  Unklarheiten  um- 
geben. Vorgänge  wie  an  der  belgischen  Faille  du  midi  zeigen,  dass 
ein  thatsächliches  Abheben  einzelner  Theile  und  ein  Hinübertreten 
derselben  über  andere  stattfinden  kann.  Dieses  Abheben  mag  in 
der  Tiefe,  namentlich  bei  ungleichmässiger  tangentialer  Bewegung 
oder  bei  ungleichmässiger  Stauung  recht  häufig  vorgekommen 
sein,  am  häufigsten  wohl  in  den  Schieferzonen  der  Tiefe,  welche 
hiezu  am  geeignetsten  sind,  und  so  mögen  sehr  grosse,  mehr  oder 
minder  linsenförmige  Hohlräume  gebildet  worden  sein,  in  welche 
sofort  die  granitische  Masse  eintrat,  die  Decke  verändernd  und 
Gänge  in  ihre  Spalten  entsendend.  Oft  deutet  nichts  darauf  hin, 
dass  die  ganze,  der  Fläche  des  Abhubes  oder  Abstaues  auflastende 
Masse  jüngerer  Sedimentgesteine  durchbrochen,  dass  es  an  der 
Oberfläche  der  Erde  zu  einem  vulcanischen  Ausbruche  und  der 
Bildung  der  Zerstäubungsproducte  gekommen  sei,  welche  die  Ex- 
plosion begleiten.    Das  Magma  trat  so  weit  ein,  als  der  Abstau 


Batholithen. 


219 


reichte,  und  erstarrte  in  demselben  zu  einem  felsigen  Kuchen, 
einem  wahren  Batholithen,  welcher  spätere  Gebirgsbildung 
zwar  niemals  zu  veranlassen,  aber  allerdings  dieselbe  in  gewissen 
Fällen  durch  seine  grosse  Masse,  seine  Festigkeit  und  seinen  Um- 
riss  in  einzelnen  untergeordneten  Zügen  passiv  zu  beeinflussen  im 
Stande  war. 

Die  granitischen  Stöcke  der  Pyrenäen  sind,  wie  Zirkel  deut- 
lich gezeigt  hat,  von  sehr  verschiedenem  Alter.  Aehnlich  verhält 
es  sich  mit  den  granitischen  Kernen  der  Alpen.  Mehrere  von  diesen 
liegen  wohl  als  wahre  Batholithen  in  Schiefer  von  carbonischem 
Alter,  andere  in  weit  tieferen  Horizonten,  andere  Granite  sind 
weit  jünger;  wie  solche  bei  Predazzo  mit  wahren  Eruptions- 
erscheinungen in  Verbindung  treten,  wurde  bereits  erwähnt. 

Hoch  über  dem  Bernina-Hospiz  liegen  auf  dem  Granit  Schollen 
von  weissem,  sei  es  durch  Druck,  sei  es  durch  vulcanischen  Con- 
tact,  halbmarmorisirten  Kalkstein,  welcher  zahlreiche,  wie  es 
scheint  rhätische  Fossilien  umschliesst.  Tief  unten  in  Val  Trompia 
entblössen  die  Bergbauten  der  Grube  Arnaldo  eine  Masse  von 
grünem  Granit,  deren  bucklige  Oberfläche  an  einer  Stelle  aufs 
Innigste  verwachsen  erscheint  mit  dem  auflagernden,  wahrschein- 
lich carbonischen  Thonglimmerschiefer,  während  sie  an  einer  an- 
deren, ganz  nahe  benachbarten  Stelle  unmittelbar  von  rothem  per- 
mischen Sandstein  bedeckt  ist. 

Aber  der  tiefe  Einblick,  welchen  das  Alpengebirge  eröffnet, 
lehrt  auch  andere,  gar  unerwartete  Erscheinungen  kennen.  Wäh- 
rend syenitische  und  dioritische  Felsarten  in  den  Schloten  tertiärer 
Vulcane  angetroffen  werden,  machen  uns  Stäche  und  John  mit 
Eruptivgesteinen  näher  bekannt,  die  nicht  wenig  den  jungen  An- 
desiten  und  Propyliten  gleichen,  und  welche  in  den  obersten 
Quellgebieten  der  Etsch  und  der  Adda  der  Unterlage  der  ganzen 
mächtigen  mesozoischen  Reihe  eingeschaltet  sind.-^^  — 

Kehren  wir  aber  nun  noch  einmal  zu  der  Bildung  grosser 
Hohlräume  im  Innern  des  Erdkörpers  zurück.  Der  Abstau  einer 
grösseren  Masse  geschichteter  Gebirge  mag  hinreichen,  um  das 
Eintreten  linsenförmig  erstarrender  und  ihr  Dach  verändernder 
granitischer  Massen  zu  erklären.  Unabhängig  hievon  ist  aber  schon 
vor  vielen  Jahren  aus  ganz  anderen  Gründen  die  Meinung  aus- 


220  Maculae. 

gesprochen  worden,  dass  es  im  Innern  der  Erdmasse  keine  zu- 
sammenhängende Pyrosphäre  gebe,  sondern  dass  die  Laven  in 
einzelnen  grossen  Hohlräumen  gleichsam  in  unterirdischen  Seen 
ruhen.  Hopkins  betrachtete  diese  Lavaseen  als  die  Reste  der 
ursprünglichen,  gluthflüssigen  Masse  des  Erdkörpers  und  bezeich- 
nete sie  als  ^residual  lakes^  Eine  merkwürdige  Erfahrung,  die 
trotz  aller  Ausnahmen  doch  überaus  auffallende  Wiederkehr  jener 
selben  Altersfolge  eruptiver  Felsarten  in  so  entfernten  Gebieten, 
wie  z.  B.  Ungarn  und  Westamerika,  welche  den  Namen  der  Richt- 
hofen'schen  Reihe  führt,  hat  zu  der  Erörterung  dieser  älteren  An- 
sicht zurückgeführt.  Propylit,  Andesit,  Trachyt,  Rhyolith,  Basalt 
lautet  jene  merkwürdige  Reihenfolge,  welche  Richthofen's  scharfer 
Blick  zuerst  erkannte,  deren  Beständigkeit  oft  geleugnet  worden 
ist,  deren  Wiederkehr  auf  den  weitesten  Gebieten  des  westlichen 
Amerika  jetzt  ausser  Zweifel  steht,  und  welche  nach  Godfrey  nun 
auch  auf  Japan  als  die  Regel  gelten  soll.^^  Ihre  Bestätigung  auf 
den  grossen  Bruchfeldern  der  Hochplateaux  von  Utah  hat  Dutton 
zu  theoretischen  Erörterungen  veranlasst,  in  welchen  zunächst  die 
locale,  umgrenzte  Beschaffenheit  der  Lavabehälter  der  Tiefe  be- 
tont, die  Auffassung  von  Hopkins  als  Residua  einer  früheren 
allgemeinen  Gluthflüssigkeit  aber  geleugnet  wird.  Nach  Dutton 
werden  solche  Behälter,  sie  werden  ,Maculae'  genannt,  im  Innern 
der  Erde  neu  gebildet,  und  es  wird  die  von  Cl.  King  neuerlich  be- 
tonte Ansicht  vom  Flüssigwerden  durch  Verminderung  des  Druckes 
mit  dieser  Voraussetzung  in  Verbindung  gebracht.^°  — 

In  dem  vorhergehenden  i\bschnitte  wurde  erwähnt,  dass  zwar 
die  Dislocationen  der  Erde  ein  Bestreben  zur  Zerlegung  der  Span- 
nungen in  tangentiale  und  radiale  Spannungen  erkennen  lassen, 
dass  jedoch  directe  Folgen  der  radialen  Spannung,  gleichsam  ein 
actives  Hinabziehen  gegen  den  Mittelpunkt  der  Erde  kaum  nach- 
weisbar seien,  wohl  aber  ein  häufiges  passives  Hinabsinken  grosser 
Schollen.  Dieses  passive  Hinabsinken  setzt  auch  grosse  Hohl- 
räume voraus.  In  solchen  Regionen  zeigt  sich  am  häufigsten  das 
Aufquellen  von  Laven.  Die  Vorstellung,  welche  sich  aus  der  Ver- 
gleichung  dieser  Erfahrungen  ergibt,  ist  also  etwa  diese: 

Die  obersten  peripherischen  Theile  des  Erdkörpers  sind  durch 
tangentiale  Spannung  festgehalten,  wie  ein  Gewölbe.    Entweder 


Nachsacken  der  Eniptivstocke.  221 

radiale  Spannung  oder  Abstau  trennt  einen  Theil  des  Erdkörpers 
gegen  innen  ab,  und  es  bildet  sich  eine  grosse,  der  Erdoberfläche 
mehr  oder  minder  parallele,  bei  radialem  A-briss  sehr  ausgedehnte, 
bei  Abstau  mehr  linsenförmige  Ablösung,  eine  Macula,  welche 
sich  mit  Laven  füllt.  Findet  an  der  Oberfläche  die  tangentiale 
Spannung  nach  irgend  einer  Richtung  ihre  Auslösung,  z.  B.  durch 
Faltung  oder  durch  Ueberschiebung  einer  anderen  Scholle,  so 
sinkt  hinter  der  Faltung  oder  Ueberschiebung  das  Gewölbe  in 
die  Macula,  und  auf  den  Sprüngen  oder  Einbrüchen  quillt  Lava 
hervor. 

Inwieferne  sich  diese  Vorstellung  bestätigt,  kann  jedoch 
erst  an  späterer  Stelle  genauer  geprüft  werden.  — 

Zum  Schlüsse  mag  noch  eine  Erscheinung  erwähnt  werden, 
welche  nicht  wenigen  Ausbruchsstellen  gemein  zu  sein  scheint.  Es 
ist  dies  das  umgrenzte  örtliche  Einsinken,  oder,  um  Reyer's  drasti- 
sches Wort  zu  gebrauchen,  das  Nachsacken  des  Vulcan's  und 
des  umgebenden  Gebirges.  Hiemit  will  ich  mich  nicht  beziehen 
auf  jene  Beispiele,  welche  aus  der  nächsten  Umgebung  jüngerer 
Vulcane,  z.  B.  von  dem  Signal  Post  Hill  auf  San  Jago  (Capverd'- 
sche  Inseln)  oder  von  einer  kleineren  Ausbruchsstelle  bei  Auck- 
land  (N.  Zealand)  öfters  erwähnt  worden  sind,  weil  es  sich  an 
diesen  Stellen  doch  nur  um  Vorkommnisse  von  ziemlich  geringer 
Ausdehnung  handelt.'*' 

Es  handelt  sich  um  die  ganze  Masse  des  Vulcans.  In  voller 
Uebereinstimmung  zeigt  Judd,  dass  der  Vulcan  von  Mull  nach- 
gesunken sei,  gibt  Mojsisovics  an,  dass  der  Eruptivstock  von  Pre- 
dazzo  sich  nachträglich  gesenkt  habe,  und  schildert  Reyer  die 
nachträgliche  Senkung  der  Masse  des  Venda.^^ 

,Man  erhält  den  Eindruck,*  sagt  Mojsisovics,  ,als  ob  an  der 
Peripherie  der  Eruptionsstelle  Theile  des  durchsetzten  Gebirges 
in  entstandene  Hohlräume  hinabgetaucht  worden  wären.'  Es  ist 
bereits  gelegentlich  erwähnt  worden,  wie  sehr  man  geneigt  ist,  das 
Volum  der  bei  einer  grossen  Eruption  hervorgestossenen  Massen 
zu  unterschätzen,  und  wie  klein  die  Aufschüttungskegel  im  Ver- 
gleiche zu  jener  Masse  fein  vertheilter  Materie  sind,  welche  bei 
ähnlichen  Katastrophen  auf  grosse  Strecken  hin  die  Sonne  ver- 
dunkelt. 


222  Die  Denudationsreihe. 

Um  nun  die  Denudationsreihe  in  ihren  Hauptzügen  zu  über- 
sehen, wollen  wir  auf  die  im  vorhergehenden  Abschnitte  erwähnten 
jüngsten  Vulcane  des  mittelamerikanischen  Festlandes  zurück- 
greifen. 

Es  beginnt  dann  die  Serie  mit  dem  jungen  Vulcan  bei  Leon, 
mit  der  Ausbruchsstelle  in  dem  See  von  Ilopango  und  dem  Izalco; 
keiner  dieser  Feuerberge  ist  noch  ein  Jahrhundert  alt;  neben  ihnen 
nennen  wir  etwa  Jorullo  und  M.  Nuovo. 

An  diese  jüngsten  Feuerberge  schliessen  sich  jene  unmittel- 
bar an,  welche  sich  in  ununterbrochener  eruptiver  Thätigkeit  be- 
finden und  dies  durch  einen  sichtbaren  glühenden  Lavaspiegel 
bekunden,  wie  Stromboli,  und,  in  allerdings  wesentlich  anderer 
Gestalt,  Kilauea.  Auch  der  bereits  genannte  Izalco  befand  sich 
wenigstens  noch  vor  nicht  langer  Zeit  im  strombolischen  Zustande. 

Es  folgen  jene  Vulcane,  welche  häufige  Eruptionen,  wie 
Vesuv  oder  Aetna,  oder  minder  häufige,  wie  Ischia,  bieten.  Ihre 
Zahl  ist  sehr  gross,  und  noch  grösser  die  Zahl  jener,  von  welchen 
Ausbrüche  historisch  nicht  oder  doch  nicht  mit  Sicherheit  nachge- 
wiesen sind,  welche  aber  ihre  Aschenkegel  vollkommen  bewahrt 
haben,  wie  die  Puys  der  Auvergne  oder  Rocca  Monfina. 

Die  nächsten  sind  solche  Vulcane,  welche  so  weit  zur  Ruine 
geworden  sind,  dass  aus  dem  theilweise  zerstörten  Aschenkegel 
das  Gerüste  desselben  hervortritt;  hierher  gehören  z.B.  M.  Venda 
in  den  euganäischen  Bergen,  an  dessen  blossgelegter  Basis  sich 
auch  schon  die  seitlichen  Intrusionen  enthüllen,  und,  nach  Doel- 
ter's  Beobachtungen,  einige  Ausbruchsstellen  ^uf  den  Ponza- 
Inseln.  Hier  sind  die  Lavadecken  schön  abgetrennt  von  der  Aus- 
bruchsstelle. 

Basische  Vulcane  mit  sichtbarem  Gerüste  sind  mir  nicht  be- 
kannt; aber  zahlreich  sind  die  Fälle  weithin  vereinzelter  basischer 
Stromtheile,  welche  Vulcane  dieser  und  nachfolgender  Phasen 
begleiten. 

Die  Erosion  dringt  weiter  vor,  und  was  unter  dem  Venda  nur 
in  kleinem  Maassstabe  sichtbar  war,  die  seitliche  Intrusion  oder 
Injection  von  Linsen  saurer  Laven,  das  zeigt  sich  in  grösstem 
Maassstabe  in  den  Henry  Mountains,  Sierra  el  Late,  San  Carriso 
und  anderen  Fällen  im  mittleren  Nordamerika. 


Die  Denudationsreihe.  223 

Noch  weiter  reicht  die  Zerstörung;  sie  lässt  z.  B.  in  Predazzo 
hoch  oben  auf  den  Bergen  die  der  Triasformation  eingeschalteten 
Laven  und  unten  im  Thale  die  Tiefen  des  Schlundes  erkennen, 
und  in  diesem  granitische  und  syenitische  Felsarten,  während  die 
Zonen  des  Contactes  an  den  Wänden  von  den  bezeichnenden  Sili- 
caten begleitet  sind.  Diese  Entblössung  der  Felsarten  der  Tiefe 
mag  auf  einer  Linie  von  mehreren  Ausbruchsstellen  erfolgen,  wie 
auf  den  Hebriden,  oder  es  mag  die  Entblössung  so  weit  reichen, 
dass  der  Zusammenhang  der  gemeinsamen  Spalte  so  deuthch  her- 
vortritt wie  im  Banat.  Endlich  mag  die  Zerstörung  so  tief  gehen, 
dass  nur  eine  Narbe  zurückbleibt,  wie  der  Syenitzug  von  Brunn. 

Alle  bisher  genannten  Vorkommnisse  sind  entweder  Auf- 
schüttungen auf  der  Oberfläche  des  Planeten,  veranlasst  durch 
Ausbrüche,  welche  aus  dem  Innern  desselben  hervordrangen,  oder 
es  sind  die  Reste  der  Schlote  und  Spalten,  durch  welche  diese 
Ausbrüche  ihren  Weg  fanden.  Die  Zerstörung  der  Erde  dringt 
aber  weiter  vor;  die  Denudation  enthüllt  uns  auch  Massen,  w^elche, 
wenigstens  in  den  meisten  Fällen,  die  Oberfläche  im  feurigflüssigen 
Zustande  nicht  erreicht  haben,  sondern  als  Batholithen,  als  ge- 
waltige Felsenbrode  in  der  Tiefe  erstarrt  sind,  wie  dies  häufig 
noch  eine  auf  ihrem  Rücken  uns  erhaltene  Scholle  von  verändertem 
Schiefer,  ein  Bruchstück  der  alten  Wölbung,  lehrt. 

So  gelangen  wir  von  den  Aschenhaufen  der  Gegenwart  zu 
denGranitmassen  desErzgebirges,  dem  DrammengranitNorwegens 
und  zu  der  Erkenntniss  der  ausserordentlichen  Mannigfaltigkeit 
io  der  Bildungsweise  der  Granite  der  Alpen. 

Endlich  führt  die  Kette  der  Erscheinungen  zu  der  Voraus- 
setzung von  Ablösungen  in  der  Tiefe,  welche  durch  tangentialen 
Abstau  oder  durch  radialen  Abriss  gebildet  sind,  und  es  bleibt 
weiter  zu  untersuchen,  inwieferne  dieser  Annahme  der  thatsäch- 
liche  Bau  der  Gebirge  entspricht. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  IV^:  Vulcane. 


«  (i.  I'cxidr,  Hcitr.  zur  Kenntniss  der  durch  das  Erdbeben  vom  9.  November  1880 
lifrvorjjrhrjiclilcn  Sandschlammauswurfc,  8^,   1880. 

»  Arcb.  (icikie,  The  I^ava-Kiehls  of  North- Western  Europe;  Naturc,  Nov.  4.  1880, 
vol.  XXIII,  p.  }     5. 

.1  E.  Keyer,  Die  Eufjanäen,  Bau  und  Geschichte  eines  Vulcans,  8°,  1877;  daneb. 
innbcN.  (I.  v.  Kath,  (icojjnostische  Mittheil,  über  die  euganäischen  Berge  bei  Padua,  Zeitschr. 
deutsch.  t:e()l.  (Jos.  1864,  XVT,  S.  461—529,  Taf.  XV,  XVI;  cbcndas.  S.  520  u.  folg.  be- 
findet sich  ein  Abdruck  von  de  Zigno's  Schrift  über  denselben  Gegenstand,  welche  die 
Jura-  und  Neocomschichten  von  Fontana  Fredda  aufführt. 

4  Der  Vulcan  Venda;  Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,   1875,  LXXI,  S.  12. 

5  A.  ('.  Peale,  On  a  peculiar  tyi>c  of  eruptive  Mountains  in  Colorado;  Hayden, 
Hüll.  U.  S.  Geol.  and  Geogr.  Surv.  territ.  1877,  Ilf,  p.  551—564. 

^  G.  K.  Gilbert,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Henry  Mountains;  4«,  1877,  (U.  S. 
Geogr.  and  (icol.  Surv.  J.  W.  Powell). 

7  F.  M.  Endlich,  On  the  enipted  Rocks  of  Colorado;  Hayden,  X.  Ann.  Rep. 
of  the  U.  S.  Geol.  and  Geogr.  Surv.  territ.  for  1876;   1878,  p.  199—272. 

8  M.  H.  Holmes,  Geol.  Rep.  on  the  San  Juan  District;  IX.  Ann.  Rep.  U.  S. 
Surv.  for.   1875;   1877,  p.  268,  pl.  XLV,  Fig.  i. 

9  Holmes,  ebendas.  p.  273,  274. 

«o  Endlich,  Geol.  Rep.  on  the  South  Eastern  District,  ebendas.  p.  127  u.  folg., 
pl.  XVI. 

"  Clar.  King,  U.  S.  Geol.  Explor.  of  the  40.  Parall.  1878,  I,  p.  694. 
"  Dutton,  High-Plateaus,  p.  129— i3i. 

i3  L.V.Buch,  Physikal.  Beschreibung  der  canarischen  Inseln,  1825;  Ges.  Schriften 
herausgeg.  von  Ewald,  Roth  und  Dames,  III,   1877,  ^'  5*0* 

M  H.  Ab  ich,  Geol.  Forschungen  in  den  Kaukasusländern,  II,  Geol.  des  armenischen 
Hochlandes,   I.  Westhälfte,  40,   1882,  Atl.,  S.  73,  78,  329  u.  a.  and.  Ort. 

»5  H.  Abich,  ebendas.  S.  76. 

16  H.  Abich,  ebendas.  S.  78  u.  folg. 

17  W.  Topley  and  G.  A.  Lebour,  On  the  Intrusive  Character  of  the  Whin  Sill 
of  Northumberland ;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1877,  XXXIII,  p.  406—421.  An  dieser  Stelle 
möchte  ich  erwähnen,  dass  in  den  letzten  Jahren  der  Versuch  unternommen  worden  ist, 
die  zahlreichen  Basaltströme  des  vicentinischen  Gebirges  einem  einzigen  Horizonte  zu- 
zuweisen und  den  grössten  Theil  derselben  als  intrusiv  zu  bezeichnen.  Diese  Ansicht  theile 
ich  nicht.  Nur  in  der  Nähe  von  Ronca  kenne  ich  im  Horizonte  des  Tuffes  mit  Strombus 
Fortisi  einen  kleinen,  gewundenen  wahren  Intrusivgang.  Die  Verschiedenheit  des  Alters 
der   Basalte    ergibt    sich    aus    der  Verschiedenheit    der  Versteinerungen   in    den   Tuffen    auf 


Anmcrkunfjen  zu  Th.  I,  Abschn.  IV.  Vulcane.  2  25 

unzweifelhafte  Weise.  —  Für  Beispiele  v^l.  Gcikie,   On  the  Carbonif.  Volcanic  Rocks  of 
the  Basin  of  the  Firth  of  Forth;  Transact.  Roy.  Soc.  Edinb.  1880,  XXIX,  p.  476. 

»8  J.  \V.  Judd,  The  Secondary  Rocks  of  Scotland,  2*1  pap.  On  the  ancient  Vol- 
canoes  of  the  Hebrides  and  the  Relations  of  their  Products  to  the  Mesoz.  Strata;  Quart. 
Journ.  geol.  Soc.  1874,  XXX,  p.  220— 3oü,  pl.  XXII,  XXIIf,  und  Uebersichtskartc  in 
1878,  vol.  XXXIV,  pl.  XXXI. 

»9  Arch.  Geikie,  On  the  tcrt.  Volc.  Rocks  of  the  Brit.  Islands,  id  pap.  Quart 
Journ.  geol.  Soc.  1871,  XXVII,  p.  294.  Diese  Massen  konnten  wegen  des  kleinen  Mass- 
stabes des  Kärtchens  P'ig.  19  auf  demselben  nicht  dargestellt  werden. 

20  Geikie,  On  the  Geol.  of  the  Faeroe  Islands,  Trans.  Roy.  Soc.  Edinb.  1880  — 81, 
XXX  a,  p.  240. 

21  Aus  der  reichen  Literatur  nenne  ich  nur:  F.  v.  Richthofen,  Geogn.  Beschreib, 
der  Umgebung  von  Predazzo,  S.  Cassian  u.  s.  w.  40,  1860;  tZ.  Do  elter,  Ueber  die  Eruptiv- 
gebilde von  P'leims  nebst  einigen  Bemerkungen  über  den  Bau  älterer  Vulcane;  Sitzungsber. 
k.  Akad.  Wiss.  Wien,  1876,  Bd.  74,  S.  857—878,  Karte  des  (Tcbietes  von  Predazzo; 
E.  v.  Mojsisovics,  Die  Dolomitriffe  von  Südtirol  und  Venetien,  8*»,  1879,  S.  344  —  393; 
Ed.  Reyer,  Predazzo,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  188 1,  XXXI,  S.  I  — 56,  und   Karte. 

22  G.  V.  Rath,  Beitr.  zur  Kenntuiss  der  erupt.  Gesteiuc  der  Alpen,  Zeitschr. 
deutsch,  geol.  (les.  1864,  S.  249;  Zirkel,  Lehrb.  der  Petrogr.  1866,  II,  S.  22. 

23  R.  Lepsius,  Das  westliche  Südtirol,  40,   1878,  S.  208,  222. 

24  C.  Peters,  Geol.  u.  mineral.  Studien  aus  dem  südöstlichen  Ungarn,  Sitzungsber. 
k.  Akad.  Wiss.  Wien,  1861,  XLITI,  S.  385—463  und  XLIV,  S.  81  —  187,  Karte  und 
Tafel;  F.  Posepny,  Geol. -montan.  Studie  der  Erzlagerstätten  von  R6zbdnya,  aus  Fcildtani 
Közl.  IV,   1874,  80,  Budapest,   198  S.,  Kart  und  Taf.,  insbes.  S.  190. 

25  Joh.  Kudernatsch,  Geol.  des  Banater  Gebirgszuges,  Sitzungsber.  k.  Ak.id. 
Wiss.  Wien,  XXIIT,  1857,  S.  39  —  148,  Karte  und  Tafel;  Beruh,  v.  Cotta,  Erzlager- 
stätten im  Banat  und  in'  Serbien,  8",  1865,  108  S.  und  Tafel.  L.  Löczi  .spricht  sich 
gegen  die  nördliche  Verlängerung  der  Spalte  aus,  welche  (.'otta  annimmt  (A  Ilegyes 
Drocsa-hegj'seg  Asvany-Lelhelyei,  8'»,  Budapest,    1877,  P-  ^^•) 

26  J.  Niedzwiezki,  Zur  Kcnntniss  der  Banator  Erui)tivgesteine;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst  1873,  XXIII;  Tschcrmak,   Minor.  Mitth.,  S.  255  —  262. 

^7  Szabo  in  Földt  KözL  VI,  1876,  S.  II2— 132  u.  a.  and.  Ort;  auch  F.  v.  Hauer, 
Die  Geologie  und  ihre  Anwendung  u.  s.  w.,   2.  Aufl.,  8",    1878,  S.  540. 

2^  Diese  merkwürdige  Stelle  wurde  näher  beschrieben  von  (x.  Marka,  Einige 
Notizen    über    das  Banater    Gebirge;    Jahrb.  geol.  Reichsanst.   1869,    XIX,    S.  3 18   u.  ft)lg., 

Taf.  vrrr,  ix. 

29  G.  V.  Rath,  Sitzungsber.  Niederrhein.  Ges.  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Bonn, 
l3.  Jonuar    1879. 

3"  Es  ist  in  demsell)en  Gebirge,  weiter  gegen  Ost,  noch  eine  zweite  ähnliche,  doch 
bis  heute  weit  weniger  l^ekannte  Einie  von  Eruptivstellen  vorhanden.  Sie  zieht  von  dem 
Bergorte  Mai<lanpek  in  Serbien  nonlwärts  herauf,  ül)ersetzt  die  Don.au  und  enthält  un- 
mittelbar nördlich  von  derselben  im  Ljubkowatliale  Erze  in  den  gleichen  Contactbildungen 
(Zej)harovich,  Berg-  und  Hüttenm.  Zeitschrift,  V,  S.  12;  auch  J.  Böckh,  (leol.  Notiz, 
über  d.  südl.  Theil  des  ('omit.  Sz(")reny,  aus  iMildt.  K(")zl.  1879,  S.  29  Anm.;  für  ähnliche 
Eruptiv>tellcn  aucli  cbendas.  iH8ü  und  insbesondere  Hugo  Szterenyi  ebendas.  l883,  S.  142.) 
Kudernatscli  meinte  sogar,  an  dem  westliclien  Rande  des  grossen  Granitzuges  des 
Puschkasch,  der  im  Osten  von  Steyerdorf  auftritt,  ebenfalls  im  Kalk  Contacterscheinungen 
zu  sehen  (Jalirb.  geol.  Reichsaust.  1855,  VI,  S.  228),  doch  l)edarf  die  Angabe  nach 
Tietze's  Beobachtungen  einer  neuen  Prüfung  (eben<las.  1872,  XXH,  S.  43). 

3*  Die  näheren  Beziehungen  dieses  Zuges  zu  den  benachbarten  Gebirgen  wurden 
bereits  Entst.  der  Alpen,  S.  67  —  71,  l)eNprochen. 

32  W.  H.  Holmes,  Reji.  on  the  (leol.  of  the  NW.  Portion  of  the  Elk  Ranj^e; 
Hayden,  Ann.   Rep.  for    187J,  8",    1876,  p.  5«>  u.  folg. 

Sucss,    r).is  Antlitz  «l»T   K.rdi-.  I5 


2  20  Anmerkungen  zu  Th.  I,  Abschn.  IV.  Vulcane. 

33  Endlich,  On  thc  enipted  Rocks  of  Colorado;  Hayden,  Ann.  Rep.  for  1876,  8°, 
1878,  p.  210—211. 

34  Holmes  a.  ang.  Orte,  p.  68. 

35  Lossen,  Geol.  und  petrogr.  Bcitr.,  S.  4,  21,  43. 

36  Th.  Kjerulf,  Die  Geol.  des  südl.  und  mittl.  Norwegen  (deutsch  von  A.  Gurlt), 
8",  1880,  insbes.  S.  73  und  S.  242,  Fig.  195;  E.  Reyer,  Vier  Ausflüge  in  die  Eruptiv- 
massen bei  Christiania,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1880,  XXX,  S.  27 — 42. 

37  H.  Rosen busch,  Die  Steiger  Schiefer  und  ihre  Contactzone  an  den  Granititcn 
von  Rarr-Andlau  und  Hochwald;  Abhandl.  zur  geol.  Specialkarte  von  Elsass-Lothringen, 
Bd.  I,  Heft  n,   1877. 

38  J.  Stäche  und  C.  v.  John,  Geol.  und  petrogr.  Beitr.  zur  Kenntniss  der  älteren 
Eruptiv-  und  Massengesteine  der  Mittel-  und  Ostalpen;  Jahrb.  geol.  Reichsanst  1877, 
XXVn,  S.  143—242,  und  1879,  XXIX,  S.  317—404,  Taf.  Ebenso  haben  Teller  und 
John  in  neuester  Zeit  zwischen  der  Granitmasse  von  Brixen  und  der  grossen  permischen 
Porphyrdecke  von  Bozen  das  merkwürdige,  vorherrschend  durch  Diorit  gebildete  Eruptiv- 
gebiet von  Klausen  genauer  kennen  gelehrt;  ebendas.  XXXII,   1882,  S.  589 — 684,  und  Taf. 

39  F.  Baron  Richthofe n,  The  Natural  System  of  Volcanic  Rocks,  Mem.  Cali- 
fornia Acad.  Sc.  1868,  vol.  I,  p.  39— 133,  insbes.  p.  Cy;  J.  G.  H.  Godfrcy,  Notes  on  thc 
Geol.  of  Japan,  Quart.  Journ.  Geol.  Soc.  1878,  XXXIV,  p.  542. 

40  Du t ton.  High  Plateaus,  p.  116,   128  u,  a.  and.  Ort. 

4»  Scrope,  Volcanoes,  p.  273;  Darwin,  Geol.  Observ.,  2'^  ed.,  p.  12;  Hcaphy, 
Quart.  Journ.  1860,  XVI,  p.  245. 

42  Judd  a.  ang.  Orte,  Quart.  Journ.  1874,  p.  256;  Mojsisovics,  Dolomitriffe, 
S.  377,  378;  Reyer,  Eugan.,  S.  75—78. 


FÜNFTER  ABSCHNITT. 


Verschiedenartigkeit  der  Bewegungen. 


Versuche    einer    Kintheilunjj    der    Krdbeben.   —    Dislocations-    und    vulcanische    Beben.    — 

Blattbeben.  —  Wechselbebon.  —  Senkungsbeben.  —  Der  Aetna  1780  und   1874  bis   i883.  — 

Verschiedenartij^kcit  vulcanischcr  Beben.   —    Die  Denudationsreihe. 


eine  strengere  Prüfung  lehrt,  dass  bis  zu  dem  heutigen  Tage 
eine  mes.sbare  Ortsveränderung  irgend  eines  Stückes  des  Fels- 
gerü.stes  der  Erde  gegen  ein  anderes,  sei  es  in  Form  einer  Er- 
hebung oder  vSenkung  oder  Verschiebung  fe.ster  Gebirg.stheile, 
nicht  mit  voller  Beweiskraft  festgestellt  ist.  Zwei  hervorragende 
Fälle,  die  Bildung  des  Ullah-bund  im  Ran  of  Kachh  und  die  an- 
gebliche wiederholte  P>hebung  der  Westküste  wSüdamerika's, 
welche  häufig  als  Beispiele  für  solche  Veränderungen  angeführt 
worden  sind,  wurden  bereits  besprochen  und  andere  werden  an 
späterer  Stelle  ähnliche  Ergebnisse  liefern.  Aber  wenn  auch  that- 
sächliche  Bewegung  vor  un.seren  Augen  nicht  erwiesen  worden 
ist,  lehren  doch  die  zahlreichen  üislocationen,  dass  solche  Bewe- 
gung oft  und  in  grösstem  Maassstabe  sich  ereignet  hat,  und  zeigen 
die  häufigen  Erderschütterungen,  dass  diese  Vorgänge  nicht  be- 
endet sind. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Erderschütterungen  ist  eine  sehr 
erosse,  die  Ersch(;inunt/  selbst  ihrem  Wesen  nach  schwer  in  scharfer 
Beobachtungsmethode  zu  erfassen,  und  die  Zahl  der  planmäs.sig 
durchgt^führten  Arbeiten  überhaupt  bis  heute  eine  gar  geringe. 
Bei  der  Picurtheilung  des  W(*S(mis  der  lu'dbeben  wird  dah(T  ein 
ganz  bos(Mld(M•(^s  Maass  von  Zurückhaltung  zur  Pflicht. 


'5* 


228  Eintheilung  der  Beben. 

In  den  letzten  Jahren  sind  Classificationen  der  Erdbeben  nach 
ihrer  Entstehungsursache  zu  wiederholten  Malen  versucht  worden. 
R.  Hoernes  unterscheidet  Einsturzbeben,  vulcanische  Beben 
und  tektonische  Beben.*  Toula  schliesst  sich  diesem  Vorschlage 
an  und  schlägt  vor,  die  letzteren  Dislocations-  oder  Structur- 
beben  zu  nennen.^  Lasaulx  trennt  zuerst  vulcanische  und  nicht- 
vulcanische  Beben  und  dann  unter  den  letzteren  Einsturz-  und 
Spaltenbeben.  Als  eine  Nebenerscheinung  nennt  noch  Lasaulx  die 
Gruppe  der  Relaisbeben,  nämlich  secundäre  Erschütterungen, 
welche  ausserhalb  des  engeren  Erschütterungskreises  eines  Erd- 
stosses  durch  diesen  auf  anderem  Gebiete  angeregt  werden.^ 

Dies  sind  die  ersten,  gleichsam  tastenden  Versuche,  um  die 
vielgestaltige  Menge  von  Erscheinungen  zu  theilen  und  womög- 
lich näher  zu  erfassen.  Als  wesentlich  erscheint  mir  in  denselben 
das  richtige  Bestreben,  solche  Erderschütterungen,  welche  wahre 
Ortsveränderungen  einzelner  Theile  der  Lithosphäre  begleiten 
oder  vorbereiten,  mag  man  sie  nun  tektonische  Beben  oder  Dis- 
locationsbeben  nennen,  von  allen  anderen  Beben  abzuscheiden. 

Vorausgesetzt  nun,  was  gerne  zugegeben  werden  mag,  dass 
keine  Dislocation  ohne  Erdbeben  gebildet  wird,  muss  es  ebenso 
viele  Arten  von  Dislocationsbeben  geben,  als  es  Gruppen  von 
Dislocationen  gibt,  und  dieselben  Grundsätze  der  Eintheilung 
müssen  auch  hier  Geltung  erlangen.  Hienach  hätten  wir  wenigstens 
in  jenen  typischen  Fällen,  in  welchen  die  Zerlegung  der  telluri- 
schen Spannungen  eine  vollständigere  ist,  zwei  Hauptgruppen  zu 
unterscheiden,  nämlich  Erdbeben,  welche  aus  tangentialen  Span- 
nungen, und  solche,  welche  aus  Senkung  hervorgehen. 

Alle  jene  Erdbeben,  welche  aus  dem  nördlichen  Theile  der 
Ostalpen  angeführt  worden  sind,  sowie  das  Erdbeben  von  Sillein 
am  15.  Januar  1858  in  dem  benachbarten  Theile  der  Karpathen, 
zeigen  in  übereinstimmender  Weise  eine  quer  auf  das  Streichen 
des  Gebirges  gerichtete  Axe.  Die  erregte  Bewegung,  welche  in 
vielen  Fällen  ihr  Maximum  knapp  an  dem  Aussenrande  des  Ge- 
birges hat,  pflanzt  sich  stets  geradlinig  weit  in  die  gegenüber- 
liegende böhmische  Masse,  und  zwar  nicht  selten  bis  Prag  oder 
Leitmeritz  fort;  sie  kann  sogar  Meissen  in  Sachsen  erreichen. 
Dies  gilt  von  allen  seit  dem  Jahre   1590  eingetretenen  Stössen 


Blatt-  und  Wechselbeben. 


229 


auf  der  Kamplinie  und  ebenso  von  dem  Erdbeben  von  Scheibbs 
vom  1 1.  Juli  1876.  Die  Analogie  der  Stosslinien  mit  jener  Gruppe 
von  Dislocationen,  welche  wir  Blätter  nennen,  und  Bittner's  Be- 
merkung über  dqn  genauen  Parallelismus  der  Blätter  und  der 
Kamplinie  sind  schon  angeführt  worden.  Alle  diese  Beben  sind 
demnach  als  Blattbeben  anzusehen. 

Von  dem  analogen  Erdbeben  von  Belluno  vom  29.  Juni  1873 
soll  an  späterer  Stelle  gesprochen  werden. 

Wenn  das  belgische  Erdbeben  vom  2;^.  Februar  1828,  welches 
durch  grosse  Ausdehnung  bei  massiger  Intensität  und  durch  ge- 
naues Verfolgen  des  Streichens  des  Kohlengebirges  ausgezeichnet 
war,  in  der  That,  wie  Lasaulx  vermuthet,  von  der  Faille  du  midi 
(S.  1 86,  Fig.  1 7)  ausging,  so  dürfte  es  als  ein  Beispiel  eines  Wechsel- 
oder Vorschubbebens  angesehen  werden.* 

Im  Allgemeinen  dürften  sich  die  Schüttergebiete  von  Wechsel- 
beben an  der  Oberfläche  weniger  scharf  abgrenzen  als  Blattbeben, 
deren  radial  aus  dem  Gebirge  hervortretende  Stossrichtung  be- 
zeichnend ist. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  grösste  Anzahl  der  Beben  in 
der  nördlichen  Hälfte  der  Alpen  aus  tangentialen  Bewegungen 
hervorgehe.  Solche  Beben  scheinen,  wie  schon  gesagt  worden 
ist,  nur  äusserst  selten  von  vulcanischen  Ausbrüchen  begleitet 
zu  sein.  — 

Bei  der  Besprechung  der  zweiten  Gruppe  von  Dislocationen 
wurde  bemerkt,  dass  die  zweite  aus  der  Contraction  des  Erd- 
körpers hervorgehende  Componente,  der  Zug  nach  abwärts,  in 
der  Beschaffenheit  der  Gebirgsstörungen  nicht  sichtbar  wird,  son- 
dern dass  die  in  diese  Gruppe  eingereihten  Dislocationen  sich 
lediglich  als  Aeusserungen  der  Schwerkraft  darstellen  und  den 
Eindruck  hervorbringen,  als  seien  Theile  der  Erdrinde  durch  eigene 
Schwere  hinabgestürzt  in  unter  ihnen  vorhandene  Hohlräume,  oder 
als  sinke  die  Oberfläche  auf  weichender  Unterlage. 

Hier  nun  stehen  die  meisten  Fragen  offen,  denn  es  führt  uns 
diese  Reihe  von  Erscheinungen,  namentlich  das  Einsinken  grosser 
Erdstücke,  zurück  zu  der  noch  so  wenig  umgrenzten  und  doch  so 
vielfach  begründeten  Meinung  von  der  Bildung  grosser  und  flacher 
Hohlräume  in  der  Tiefe  des  Erdkörpers,  welche  Dutton  Maculae 


230  Senkungsbeben. 

nennt,  und  gerade  hier,  gerade  in  diesen  Senkungsfeldern,  treten 
auf  den  Dislocationsbrüchen  und  mit  den  Erderschütterungen  die 
meisten  vulcanischen  Ausbrüche  hervor.  Hier  nun  entsteht  die 
Frage,  wo  die  Grenze  zwischen  Dislocationsbeben  und  vulcani- 
schen Beben  zu  ziehen  sei,  eine  Frage,  welche  im  abstracten 
Sinne  sehr  leicht  zu  lösen  ist,  indem  man  die  explosiven  Erschei- 
nungen als  bezeichnend  für  die  vulcanischen  Beben  festhält.  In  der 
Natur  aber  zieht  sich  diese  Grenze  nicht  so  leicht;  der  Vorgang 
der  Eruption  zerfällt  in  eine  Reihe  von  Abschnitten,  in  welchen 
die  Bewegungen  einander  nicht  gleichen,  und  es  erscheinen  Beben 
auf  einer  längeren  Linie,  welche  man  leicht  für  Dislocationsbeben 
halten  möchte,  die  aber  doch  nur  eine  Phase  des  Ausbruches  be- 
zeichnen. 

Das  grosse  calabrische  Beben  von  1783,  welches  auf  einer 
peripherischen  Randlinie  die  Stosspunkte  hin  und  her  treten  Hess, 
ist  ein  Dislocationsbeben  und  mag  als  ein  peripherisches 
Senkungsbeben  bezeichnet  werden,  zum  Unterschiede  von  den 
radialen  Beben  desselben  Gebietes.  Wo  sich  die  radialen  Linien 
durchschneiden,  wie  unter  den  Liparen,  mag  man  auch  von  cen- 
tralen Senkungsbeben  sprechen.  Eis  mögen  auch  verschiedene 
Schollen  eines  Senkungsfeldes  gleichzeitig,  doch  in  verschiedenem 
Sinne  erbeben.  In  allen  Fällen  bleibt  die  Eruption  der  Vulcane  bei 
den  Dislocationsbeben  eine  secundäre  Erscheinung. 

Viel  schwerer  ist  es,  diese  Bezeichnungen  auf  das  mittel- 
amerikanische Festland  anzuwenden.  Denn  wenn  auch  die  Senkung 
der  pacifischen  Region  deutlich  genug  hervortritt  und  eine  un- 
verkennbare vulcanische  Hauptzone  vorhanden  ist,  unterscheidet 
sich  dieses  Gebiet  doch  wesentlich  von  Süditalien  durch  das  ste- 
tige und,  abgesehen  von  dem  nordwestlichsten  Ende,  allgemeine 
Vorrücken  der  vulcanischen  Thätigkeit  auf  Querlinien  gegen  die 
Senkung  hin,  während  in  dem  engeren,  mehr  tellerförmigen  süd- 
italienischen Senkungsfelde  die  Erscheinungen  auf  den  Radialen 
nicht  so  regelmässig  sind. 

Um  nun  die  Verschiedenheit  der  Vorgänge  auf  italienischem 
Gebiete  und  den  Charakter  von  Vorgängen  auf  einer  solchen 
Radiallinie  näher  zu  zeigen,  wollen  wir  einen  Blick  auf  jene  Linie 
werfen,  welche  von  Vulcano  in  den  Aetna,   nach  Paternö   und 


Vulcano  —  Aetna  —  Mineo.  2  3  I 

Mineo,  also  etwa  von  Nordnordost  gegen  Südsüdwest  durch  den 
Aetna  läuft. 

Dem  calabrischen  Erdbeben  von  1783  war  durch  einige  Zeit 
Unruhe  auf  dieser  Linie  vorangegangen. 

Nachdem  der  Berg  durch  vierzehn  Jahre  geruht  hatte,  traten 
in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1780  wiederholte  Ausbrüche  des 
Aetna  ein;  am  18.  Mai  erfolgten  besonders  heftige  locale  Stösse 
an  der  Küste  zwischen  Taormina  und  Messina,  welche  mit  Explo- 
sionen verglichen  wurden;  im  Monate  Juni  brach  unter  furcht- 
barem Getöse  Vulcano  los;  am  14.  September  wurde  Patti,  an 
der  Nordküste  zwischen  Vulcano  und  dem  Aetna  liegend,,  von 
einem  heftigen  Erdstosse  getroffen;  am  i3.  Februar  1781  war 
Erdbeben  in  Messina;  am  4.  Mai,  als  der  Aetna  noch  in  Thätig- 
keit  war,  erfolgte  ein  Stoss  von  Nord  gegen  Süd,  von  Vulcano 
über  Patti  gegen  den  Aetna.  Später,  am  5.  Februar  i  783,  begann 
das  grosse  calabrische  Erdbeben. 

Diese  selbe  Linie  ist  seit  dem  Jahre  1873  in  Thätigkeit. 
Ueber  die  Vorgänge  auf  Vulcano  besitzen  wir  Berichte  von  Mer- 
calli  und  Picone;  jene  auf  dem  Aetna  und  in  Sicilien  sind  auf  das 
Eingehendste  von  Or.  Silvestri  untersucht  worden.*^ 

Seit  dem  Jahre  1 780  war  Vulcano  in  Ruhe  geblieben,  bis  er  im 
Monate  Juli  1873  begann,  mehr  und  mehr  Dampf  auszustossen.  Am 
7.  September  stieg  eine  hohe  Rauchsäule  empor  und  nun  folgten 
bis  zum  20.  October  rhvthmische,  strombolische  Ausbrüche  und 
bildeten  sich  vier  grosse  Oeffnungen  im  nördlichen  Theile  des 
Kraters.  Etwa  bis  zur  Mitte  des  folgenden  Jahres  1874  blieb  Vul- 
cano  in  massiger  Thätigkeit. 

Am  29.  August  1874  brach  Aetna  los.  Der  Gipfel  des  Berges 
war  vom  Cratere  elliptico  gegen  Nordnordost  auf  eine  Länge  von 
5  Km.  gespalten.  Eine  mächtige  Rauchsäule  trat  hervor;  Asche 
und  Schlacken  wurden  ausgeworfen;  durch  sieben  Stunden  ver- 
nahm man,  wie  Silvestri  sagt,  das  eigenthümliche  Gebrüll,  welches 
sich  bei  dem  F;mpor([uellen  der  Lava  vernehmen  lässt.  Da  be- 
gannen ganz  unerwarteter  Weise  die  Anzeichen  des  nahenden 
Ausbruches  abzunehmen,  und  am  folgenden  Tage,  den  30.  August, 
schien  dieser  Paroxysmus  beendet.  Nun  folgten  durch  längere  Zeit 
heftige  Erderschütterungen  an  dem  nördlichen  Fusse  des  Berges. 


232  Vulcano  —  Aetna  —  Mineo. 

Wir  gelangen  zu  einer  nächsten  Phase.  Diese  begann  am 
4.  October  1878  mit  einem  heftigen  Erdbeben  zu  Mineo,  am  süd- 
lichsten Ende  der  Radiallinie.  Weitere  Stösse  folgten;  in  den 
ersten  Tagen  des  Monats  December  traten  an  den  Schlamm- 
vulcanen  zu  Paternö,  welches  in  gerader  Linie  zwischen  Mineo 
und  dem  Gipfel  des  Aetna  liegt,  Ausbrüche  von  Gas  und  Schlamm 
auf,  welche  lange  andauerten.  Vulcano,  der  seit  1873  nicht  ganz 
zur  Ruhe  gekommen  war,  steigerte  vom  6.  Januar  1879  an  seine 
Thätigkeit.  Am  26.  Mai  wurden  wiederholte  Erdstösse  am  süd- 
lichen Fusse  des  Aetna  verspürt,  und  gegen  den  Abend  sah  man 
auf  der  Höhe  des  Berges  sowohl  von  SSW.  als  von  NNO.  schwarze 
Rauchsäulen  aufsteigen,  während  sich  aus  dem  Hauptkrater  weis- 
ser Dampf  erhob.  Die  ganze  Hochregion  des  Berges  hatte  sich  in 
der  Richtung  der  Radiallinie  von  SSW.  gegen  NNO.,  mit  leichter 
S-förmiger  Krümmung  die  Spalte  von  1874  wieder  eröffnend,  auf 
io  Km.  Länge  mitten  durch  den  Hauptkrater  gespalten.  Silvcstri 
hat  die  Einzelnheiten  des  Ausbruches  mit  bewundernswerthem 
Muth  und  Scharfsinn  verfolgt. 

Am  6.  bis  7.  Juni  konnte  dieser  Ausbruch  als  beendet  an- 
gesehen werden;  daneben,  ganz  ausserhalb  des  Gebietes  dieser 
Vorgänge,  tief  unten  an  dem  östlichen  Fusse  des  Berges,  in  der 
Nähe  der  Vorlagen  des  Val  del  Bove  gegen  das  Meer,  hatte  sich 
am  I .  Juni  ein  leichter  Erdstoss  eingestellt.  Während  die  Eruption 
zu  Ende  war,  hielten  hier  die  Erdstösse  an,  bis  am  17.  Juni  eine 
äusserst  heftige  sussultorische  Erschütterung  diese  scheinbar  ab- 
seits liegende  Gegend  traf.  Personen  auf  freiem  Felde  erhielten 
die  Empfindung,  als  hätten  sie  einen  Sprung  gethan.  Mehrere 
Ortschaften  wurden  erheblich  beschädigt.  Die  etwa  7  Km.  lange 
grössere  Axe  des  Schüttergebietes  war  aus  OSO.  gegen  den 
Gipfel  des  Aetna  gerichtet.^ 

Es  steigerten  sich  die  Ausbrüche  zu  Paternö;  am  13.  December 
1879  war  wieder  heftiges  Erdbeben  im  Süden  bei  Mineo. 

Schon  damals  konnte  Silvestri  aus  diesen  Vorkommnissen 
entnehmen,  dass  in  der  Tiefe  des  Erdkörpers  eine  Spalte  vorhan- 
den sein  müsse,  welche  den  Aetna  von  NNO.  gegen  SSW.  durch- 
setzt, und  dass  der  nördlichste  vorgeschobene  Nebenkrater  des 
Aetna,  bei  dem  Dorfe  Mojo,  dann  der  Hauptkrater,  die  Schlamm- 


Aufquellen  der  Lava  auf  Mauna-Loa.  ^33 

ausbrüche  bei  Paterno  und  Mineo  dem  Verlaufe  dieser  Spalte  ent- 
sprechen. Seither  ist  eine  weitere  Bestätigung  eingetreten,  indem 
am  2  2.  März  1883,  südlicher  und  tiefer  als  bisher,  doch  abermals 
von  SSW.  gegen  NNO.,  unter  M.  Concilio  der  Berg  auf  5  Km. 
Länge  barst;  doch  ist  auch  dieses  Mal  die  Menge  herausgetretener 
Lava  nur  eine  sehr  massige  gewesen.  Die  Thätigkeit  und  Lage 
von  Vulcano  aber  lassen  diese  Spalte  als  eine  Fortsetzung  der 
südlichen  Radiallinie  der  Liparen  erkennen.  — 

Diese  Einzelheiten  lassen  nun  die  grosse  Verschiedenheit 
zwischen  einem  aus  tangentialer  Spannung  hervorgegangenen 
Dislocationsbeben,  wie  etwa  einem  nordalpinen  Blattbeben,  und 
den  Vorgängen  auf  der  Radialkluft  eines  Senkungsfeldes  ersehen. 

Bei  den  neueren  Ausbrüchen  des  Vesuv  konnte  man  stets 
einen '  längeren  oder  kürzeren  Zeitraum  der  Vorbereitung  er- 
kennen. Silvestri  betont  ausdrücklich,  dass  am  Aetna  den  letzten 
grossen  Ausbrüchen  stets  eine  längere  oder  kürzere  strombolische, 
d.  i.  rhythmische  Thätigkeit  als  Einleitung  vorangegangen  war. 
Dies  deutet  an,  dass  es  sich  hier  nicht  um  Bewegung  grosser  Erd- 
schollen gegen  einander  handelt,  sondern  um  die  allmälige  und 
zeitweise  Wiedereröffnung  verschlackter  Kanäle,  welche  auf  den 
Bruchspalten  vorhanden  sind. 

Es  sind  aber  an  anderen  Vulcanen  Fälle  von  ruhigerem  Auf- 
quellen und  Abfliessen  von  grossen  Lavamengen  beobachtet 
worden,  und  ein  merkwürdiges  Beispiel  dieser  Art  hat  Dutton  an 
dem  Mauna-Loa  geschildert.  Die  Ausbrüche  der  Lava  erfolgen 
hier  plötzlich  aus  Radialspalten;  der  glühende  Strom  springt 
zuerst  zu  beträchtlicher  Höhe  auf  und  fliesst  dann  ab;  einer 
der  drei  Ströme  von  1881  — 1882  erreichte  die  Länge  von 
80  Km.,  aber  kein  Erdbeben,  keine  gewaltige  Erschütterung 
des  Berges,  auch  kein  Hervorstossen  von  Wolken  von  Wasser- 
dampf, auch  nicht  der  Aufbau  von  Aschenkegeln  wie  auf  Kilauea 
begleitete  die  Naturerscheinung.^  Wenn  wir  also  auch  bei  der 
Meinung  zu  beharren  haben,  dass  Dislocationen  stets  von  Erd- 
beben begleitet  sind,  gilt  dies  doch  von  Eruptionen  nicht.  Eine 
nähere  Vergleichung  der  Schilderung  Silvestri's,  namentlich  auch 
in  Bezug  auf  das  Verhalten  der  Schlammvulcane  von  Paterno, 
mit  den  Angaben   Dulton's  bestätigt  jedoch  die  Meinung,  dass 


234 


e  auf  äiteren  Emplivstocken 


das  Getöse  des  Ausbruches,  die  Zerstäubung  der  Gesteine  und 
selbst  gewisse  Erschütterungen  hauptsächlich  dem  Wasserdampfe 
zuzuschreiben  sind. 

Von  besonderer  Bedeutung  aber  scheinen  mir  die  nach  der 
Eruption,  zuweilen  abseits  eintretenden  Beben,  wie  jene  am  öst- 
lichen Kusse  des  Aetna  im  Monate  Juni  1879,  welche  einer  unter- 
brochenen Eruption  folgten. 

Auf  einer  langen  Linie,  von  Vulcano  bis  Mineo,  bewegt  sich 
die  Unruhe;  nur  an  einer  Stelle,  an  den  Flanken  des  Aetna,  hoch 
über  Vulcano  und  hoch  über  den  übrigen  erschütterten  Gebieten, 
tritt  Lava  hervor  und  erfolgen  die  Explosionen.  Tief  unten  am 
Fusse  folgen  aber  auch  Erdstösse  nach  dem  Ende  der  Explosionen. 
Alle  Erschütterungen  auf  dieser  langen  Linie  konnten  als  Vor- 
bereitungen zum  Ausbruche  angesehen  werden;  für  diese  Krd- 
stösse  kann  diese  Auffassung  nicht  gelten. 

Man  kennt  noch  eine  Gruppe  zuweilen  recht  heftiger,  zu- 
weilen örtlich  sehr  scharf  umgrenzter  Beben,  welche  bald  in  der 
Nähe  thätiger  Vulcane,  wie  am  18.  Mai  1780  bei  Ali  unweit  von 
Taormina  in  Sicilien,  oder  am  4.  März  1881  zu  Casa  Micciola 
auf  Ischia,  bald  von  jüngeren  erloschenen  Vulcanen,  wie  in  vielen 
Fällen  vom  Albaner  Gebirge  oder  vom  Vultur,  bald  von  alt  er- 
loschenen Eruptivstöcken  wie  am  21.  Mai  1882  vom  Kaiserstuhle 
im  Breisgau'  ausgegangen  sind,  welche  eine  Anzahl  gemeinschaft- 
licher Merkmale  besitzen,  und  von  denen  ich  auch  nicht  zu  ent- 
scheiden wüsste,  ob  sie  als  Explosivstösse,  alsNachsackungsbeben 
oder  wie  sie  überhaupt  aufzufassen  seien. 

Weitere  Beobachtung  wird  wohl  auch  hier  den  erwünschten 
Aufschluss  bringen.  — 

Es  ist  an  einer  früheren  Stelle  versucht  worden,  eine  Denu- 
dationsreihe der  Vulcane  zu  ermitteln.  Von  den  jüngsten  Aschen- 
kegeln der  Gegenwart  sind  wir  zu  solchen  gelangt,  deren  Gebälke 
i-Inseln)  und  in  deren  Unterbau  viel- 
I4uren  seitlichen  Intrusionen  sichtbar 
P%rgleichung  mit  den  grossen  amerika- 
r>*  Mountains  u.  A,)  einladen.  An  tieter 
-igten  sich  innerhalb  der  decken- 
.iltem  Typus  (Syenit,  Quarzdlorit, 


Schluss.  23  s 

Granit)  in  der  Tiefe  des  Schlotes  (Hebriden,  Südtirol);  die  Reste 
der  Decken  verschwanden,  der  sichtbare  Querschnitt  der  Aus- 
bruchsstellen  verlängerte  sich,  und  es  gewann  die  Linie  der  vulca- 
nischen  Spalte  mehr  und  mehr  Zusammenhang  (Banat). 

Diese  Phase  ist  es,  welche  sich  mit  Silvestri's  Beobachtungen 
über  die  Vorgänge  auf  der  grossen,  den  Aetna  durchsetzenden 
Spalte  vergleichen  lässt. 

Die  weitere  Zerstörung  der  äusseren  Hüllen  des  Planeten 
entblösst  nun  die  langgestreckten  Narben  und  jene  grossen,  in 
die  Sedimente  eingetretenen  granitischen  oder  syenitischen  Brode, 
welche  ihr  Dach  verändert  haben,  und  führt  uns  zu  den  Spuren 
einer  Reihe  grosser  abyssischer  Vorgänge.  Mit  diesen  \^orgängen 
scheint  das  Fehlen  der  radialen  Comi)onente  in  den  Dislocationen 
unserer  Gebirge,  das  passive  Absinken  grosser  Schollen  und  aus- 
gedehnter Tafeln  in  gewaltige  Tiefen  in  irgendwelchem  ursach- 
lichen Zusammenhange  zu  stehen. 

Die  Aufgabe  des  nächsten  Thciles  ist  es  nun,  das  Gefüge 
der  wichtigsten  Gebirgszüge  der  Krde  nach  dem  heutigen  Zu- 
stande der  Erfahrung  zu  überblicken,  und  dabei  zu  untersuchen, 
bis  zu  welchem  Grade  in  dem  Antlitze  des  Planeten  die  räumliche 
Zerlegung  jener  Spannungen  Ausdruck  findet,  welche  aus  der 
Verminderung  seines  Körperinhaltes  hervorgehen. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  V:  Verscliiedenarügkeit  der 

Bewegungen. 


»  K.  Hocrnes,  Krdbcbenstuilicn;  Jahrb.  gcol.  Reichsanst.  1878,  XXVIII,  S.  387 
und  fülj(. 

2  F.  Toula,  Uebcr  den  gegenwärtigen  Stand  der  Erdbebenfrage,  8",  Wien,  1881,  S.  54. 

3  A.  V.  La  sau  Ix,  Die  Erdbeben,  in  A.  Kenngott,  Handwörterbuch  d.  Mineral.,  Gcol. 
und  Paläontol.,  I,   i883,  S.  358—364. 

4  Die  Nachweisungen  über  dieses  merkwürdige  Beben  hat  Hoff  vereinigt;  Gesch.  der 
natürl.  Veränderungen  der  Erdoberfläche,  V,   1841,  S.  286 — 293. 

5  Or.  Silvestri,  Ueber  die  Eruption  des  Aetna  am  29.  August  1874,  übers,  von 
G.  V.  Rath,  Neues  Jahrb.  Mineral.  1875,  S.  36,  und  dess.:  Sulla  doppia  Eruzione  c  i  Terre- 
moti  deir  Etna  nel  1879;  2»  ed.  ampliata  del  i«  Rjipporto  present.  al  R,  Govcrno,  8", 
Catania,  1879,  46  pp.,  tav.;  dess.:  Lettera  all*  ill,  Prof.  L.  Palmieri  im  BoU.  Vulc.  ital., 
VII,  1880,  p.  9 — 12  und  82,  86;  ferner:  Sulla  Eruzione  dell'  Etna  scopp.  il  di  22  Marzo 
i883;  Rapport©  al  R.  Governo,  8^,  Catania,  i883;  für  Vulcano*s  Verhalten  um  diese  Zeit: 
G.  Mercalli,  Contribuz.  alla  Geol.  delle  Isole  Lipari,  Atti  d.  Soc.  Ital.  di  Sc.  nat.  Milano, 
XXn,   1879,  p.  367—380. 

6  II  movimento  del  suolo  fu  come  una  spinta  cosi  veemcnte,  che  la  gente  che  cra 
per  le  stradc  e  per  le  campagne  ebbe  la  coscicnza  di  aver  fatto  in  quel  momento  come 
un  salto  da  terra;  Silvestri,  Rapp.,  p.  39. 

7  C.  E.  Dutton,  Recent  Exploration  of  the  volc.  Phenom.  of  the  Hawaiian  Islands; 
Am.  Journ.  Science,  i883,  3*1  ser.,  XXV,  p.  222.  Der  ganze  gewaltige  Kegel  des  Mauna- 
Loa  ist  nicht  aus  Asche,  sondern  aus  blasiger  Lava  erbaut. 

**  A.  Knop,  Das  Erdbeben  im  Kaiserstuhl  im  Breisgau  am  21.  Mai  1882;  Beitr. 
z.  naturwiss.  Chronik  des  Grossh.  Baden,  1881 — 1882;  aus  den  Verh.  Karlsruh.  naturwiss. 
Vereines,   i883,  S.  1—6  und  Tafel. 


ZWEITER  THEIL 


DIE  GEBIRGE  DER  ERDE. 


ERSTER  ABSCHNITT. 


Das  nördliche  Vorland  des  Alpensystems. 


Die   russische  Tafel.  —    Die  Sudeten.  —   Das  fränkisch -schwäbische  Senkungsfeld.   —    Ries 

und    liöh^^au.    —    Die    Horste.    —    (Juarzgänge   in   denselben.    —    Die   zackigen  Theile^der 

Umrisse.  —  Su<lctisclie  Spuren.  —  Beziehungen  des  Alpensystems  zu  seinem  Vorlande. 


Die  Erschütterungen,  welche  von  dem  nördlichen  Rande  der 
Alpen  in  die  Granitberge  der  böhmischen  Masse  eindringen,  setzen 
dabei  von  einer  Scholle  der  Erdrinde  in  eine  andere  über  (S.  105, 
Eig.  3).  Die  Verschiedenheit  der  Structur  und  der  Schichtenfolge 
in  beiden  Gebirgen  ist  in  der  That  ausserordentlich  gross.  Der 
einheitliche  Bau  des  Aussenrandes  der  Alpen  und  der  Karj^athen, 
von  der  Schweiz  durch  Baiern,  Oesterreich,  Mähren,  Schlesien 
und  Galizien  ist  ebenso  unverkennbar,  als  die  Mannigfaltigkeit  in 
dem  Umrisse  der  nördlich  vorliegenden  Massen.  Dennoch  steht 
der  Verlauf  des  Umrisses  des  Alpensystems  und  seiner  äusseren 
Falten  augenscheinlich  in  einer  gewissen  Abhängigkeit  von  diesem 
nördlichen  Vorlande. 

Um  den  Bau  des  Alpensystems  zu  verstehen,  ist  es  also  noth- 
wendig,  auch  dieses  nördliche  Vorland  zu  kennen,  und  wenn  einer- 
seits bisher  zugestanden  worden  ist,  dass  der  Umriss  des  Alpen- 
systems von  diesem  Vorlande  abhängig  sei,  bleibt  andererseits 
die  Frage  offen,  ob  nicht  auch  die  Entstehung  der  Alpen  einen 
Einfluss  auf  die  Structur  des  Vorlandes  ausgeübt  hat. 

Das  nördliche  Vorland  der  Alpen  zerfällt  in  drei  von  einander 
sehr  verschiedene  Theile.  Diese  sind  von  Ost  gegen  West:  die 
russische  Platte,  die  Sudeten  und  die  mitteleuropäi.schen  Gobirgs- 
kerne.    Unter  der  letzteriMi  Bezeichnung^  fasse  ich  hier  der  Kürze 


240  Die  russische  Tafel. 

halber  die  böhmische  Masse  und  alles  westlich  davon  in  dem  Vor- 
lande der  Alpen  auftretende  alte  Gebirge  zusammen,  also  den 
Schwarzwald,  die  Vogesen,  die  kleine  Masse  bei  Dole,  das  fran- 
zösische Centralplateau  und  die  iberische  Meseta. 

A.    Die  russische  Tafel. 

Das  fremdartigste  Stück  des  Vorlandes  ist  die  russische 
Tafel.  Um  einen  Ausgangspunkt  für  ihre  Beschreibung  zu  finden, 
muss  man  weit  nach  Norden  gehen.  Schlagen  wir  Grewingk's 
Karte  der  Ostsee-Provinzen  auf.  Granit  und  Gneiss  bilden  den 
Boden  in  Finnland  und  das  nördliche  Ufer  des  finnischen  Meer- 
busens. Am  südlichen  Ufer  treten  die  tieferen  Abtheilungen  der 
Silurformation  in  ganz  flacher  Lagerung  hervor;  höhere  Abthei- 
lungen folgen  südwärts,  und  sie  umfassen  noch  den  nördlichen 
Theil  des  Peipus-Sees  und  gegen  West  die  Insel  Oesel.  Dann 
folgt  in  gleicher,  fast  horizontaler  Lagerung  der  rothe  Sandstein 
der  devonischen  Formation;  er  reicht  bis  zum  südlichen  Ende  des 
Peipus  und  bildet  fast  ringsum  das  Ufer  des  Riga'schen  Meer- 
busens. Noch  weiter  südwärts  lagern  dann  die  mittleren  und 
höheren  Theile  des  Devon,  über  weite  Flächen  ausgebreitet,  und 
gegen  das  nordwestliche  Kowno  hin  greift  endlich  Zechstein  und 
die  Jura-Ablagerung  von  Popilany  über  die  flachen  Tafeln  der 
silurischen  und  devonischen  Schichten.* 

Den  östlichen  Karpathen  steht  kein  Gebirgsabhang  entgegen, 
wie  etwa  der  Rand  des  böhmischen  Plateaus;  weit  breiten  sich  die 
Ebenen  aus,  welche  aus  Löss,  aus  verschiedenen  Ablagerungen 
der  jüngeren  Tertiärzeit  und  der  mittleren  und  oberen  Kreide  zu- 
sammengesetzt sind.  Der  Lauf  des  Dniestr  und  seiner  Neben- 
flüsse aber  lässt  unter  dieser  Decke  die  Fortsetzung  der  paläo- 
zoischen Platten  wiedererkennen,  welche  wir  eben  hoch  im  Norden 
erwähnt  haben.  Die  rothen  Sandsteinmassen  des  Devon,  die  merk- 
würdigen Fischreste,  die  Meeresconchylien  im  Silur  und  dabei 
dieselbe  flache  Lagerung  haben  längst  schon  die  Uebereinstim- 
mung  mit  der  grossen  russischen  Tafel  ausser  Zweifel  gesetzt. 
Sie  sind  niemals  gefaltet  und  neigen  sich  nur  wenig  gegen  Süd- 
west.   Malinski  und  Barbot  de  Marny  haben  in  neuerer  Zeit  die 


Südliche  Ausbreitung  der  Tafel.  ^  4  ^ 

Fortsetzung  dieser  Vorkommnisse  in  den  angrenzenden  Theilen 
des  südwestlichen  Russland  verfolgt,  und  Alth  hat  alle  älteren  und 
neueren  Beobachtungen  in  Oesterreich  und  Russland  zu  einem 
sehr  lehrreichen  Gesammtbilde  vereinigt.'  An  dieses  schliessen 
sich  ergänzend  die  Arbeiten  von  PauP  und  die  paläontologischen 
Bemerkungen  von  F.  Schmidt/  Endlich  hat  Alth  selbst  seither 
die  merkwürdige  Thatsache  festgestellt,  dass  sich  gegen  West 
zwischen  den  rothen  Sandstein  und  das  Cenoman  noch  eine  ober- 
jurassische Kalkbildung,  eine  Transgression  von  westlichem  Cha- 
rakter einschaltet.^ 

Die  Entblössungen  des  alten  Gebirges  sind  allerdings  auf 
die  Flussthäler  beschränkt,  aber  die  Vereinigung  der  Beobach- 
tungen lässt  nichtsdestoweniger  die  Hauptumrisse  der  Verbreitung 
erkennen.  Die  Granitplatte,  welche  am  Bug  weithin  sichtbar  wird 
und  sich  in  das  Gouvernement  Cherson  fortsetzt,  bildet  die  Unter- 
lage ;  sie  ist  am  Dniestr  etwa  bis  Jampol  unterhalb  Mohilew  zu 
sehen,  und  die  äusserste  Linie  von  Granitvorkommnissen  dürfte  sich 
von  hier  nordwestlich  gegen  Proskurow  am  obern  Bug  und  dann 
nordnordöstlich  gegen  Nowogrod -Wolynsk  in  Volhynien  er- 
strecken. Westlich  von  dieser  Linie  trifft  man  in  fast  horizontaler 
Lagerung  die  paläozoischen  Schichten,  und  zwar  werden  gegen 
West  immer  jüngere  Abtheilungen  sichtbar.^  Bei  Jampol  liegt 
Sandstein  als  tiefstes  Glied  des  Silur  auf  dem  Granit ;  dann  folgen 
höhere  Glieder  bei  Mohilew,  Kameniec-Podolski,  an  der  österreichi- 
schen Grenze  nordwärts  bis  Tarnaruda  und  innerhalb  derselben 
am  Dniestr  bis  oberhalb  Zalescyki.  An  den  Nebenflüssen  des 
Dniestr,  welche  alle  aus  dem  Norden  kommen,  hängt  ihre  Ent- 
blössung  von  dem  Maasse  der  Auswaschung  ab.  Den  höchsten 
Abtheilungen  des  wSilur  folgt  gegen  West  der  rothe  devonische 
Sandstein ;  er  ist  am  Dniestr  bis  über  Nieznow  hinauf,  ferner 
an  der  Zlota  lipa  und  im  Thale  des  Sered  bis  8  Km.  unter  Tar- 
nopol  sichtbar;  dann  verschwindet  er  unter  viel  jüngeren  Ablage- 
rungen. — 

So  liegt  also  im  östlichen  Galizien  unter  der  Ebene  ein  Theil 
jener  merkwürdigen  Scholle,  welche  vom  südlichen  Schweden 
durch  das  nördliche  und  mittlere  Russland  her  und  weit  nach 
Osten  hin  seit  den  ältesten  Zeiten  ihre  flache  Lagerung  bewahrt 

Supss,  Das  Antlitz  drr  l"".ril«'.  I(^ 


242  Versinken  der  russischen  Tafel. 

hat,  und  sie  lässt  auch  hier,  im  Flussbette  des  Dniestr,  eine  wesent- 
liche Beirrung  ihrer  Schichtenlage  nicht  erkennen. 

Zwischen  dem  Dniestr  bei  Zalescyki  und  dem  aus  gefalteten 
Neocomschichten  zusammengesetzten  Aussenrande  der  Kar- 
pathen  befindet  sich  noch  ein  beträchtlicher  Fluss,  der  Pruth,  aber 
sein  Thal,  welches  beiläufig  zur  selben  Meereshöhe  ausgewaschen 
ist  wie  jenes  des  Dniestr,  lässt  nur  tertiären  Sand  und  Thon  sicht- 
bar werden. 

Vergebens  sucht  man  die  Fortsetzung  der  paläozoischen 
Schichten;  nicht  einmal  die  Kreide  ist  sichtbar. 

Alth  vermuthet,  es  müsse  am  Ostrande  der  Karpathen  ein 
grosser  Einsturz  erfolgt  sein,  durch  welchen  ein  mehrere  Meilen 
breiter  Abgrund  gebildet  wurde,  welchen  später  die  tertiären  Ab- 
sätze ausfüllten.7  Paul  meinte  sogar,  es  könne  die  Frage  nicht  un- 
bedingt ausgeschlossen  bleiben,  ob, nicht  in  den  krystallinischen 
Schiefergesteinen  der  Karpathen  metamorphosirte  Aequivalente 
der  podolischen  Silurablagerungen  zu  suchen  seien. ^ 

Wie  dem  auch  sei,  so  viel  ist  sicher,  dass  diese  ganze  Serie 
von  mächtigen  und  gegen  Nord  und  Nordwest  so  weit  verbreiteten 
Ablagerungen  hier  plötzlich  dem  Auge  entzogen  wird.  In  der 
geographischen  Breite  der  böhmischen  Silurmulde  und  noch  süd- 
licher als  diese  kann  man  am  Dniestr  Eurypterus  Fischeri,  Illae- 
nus  Barriensis,  Phacops  Downingiae  und  andere  bezeichnende  Fos- 
silien des  Nordens  sammeln.  Noch  auffallender  ist  das  Auftreten 
des  alten  rothen  Sandsteins.  Mehr  als  30  Breitegrade  gegen  Nord 
kann  man  ihn  verfolgen,  seitdem  kürzlich  seine  Aequivalente  von 
Nathorst  auf  Spitzbergen  nachgewiesen  wurden.^  Von  Spitzbergen 
findet  der  alte  rothe  Sandstein  seine  Fortsetzung  über  die  Orkney's 
nach  Schottland  und  bis  nach  Wales.  Einzelne  alte  Sandstein- 
schollen in  Norwegen  scheinen  hieher  zu  gehören.  Die  südlichsten 
Strecken  sind  jene  im  Angesichte  der  Karpathen,  und  von  hier 
haben  wir  uns  wieder  weit  nordwärts  zu  wenden,  um  die  Fort- 
setzung der  scandinavischen  Vorkommnisse  am  Riga'schen  Meer- 
busen zu  treffen.  Von  hier  aber  zieht  die  weitere  Fortsetzuncr 
östlich  und  nordöstlich  gegen  das  weisse  Meer,  als  sollte  die  scan- 
dinavisch-finnische  Masse  rings  von  einem  grossen  Gürtel  des 
alten  rothen  Sandsteins  umgeben  sein.'°  — 


Die  Sudeten.  243 

Geht  man  von  dem  Rande  der  Karpathen  bei  Kutty  gegen 
Nordnordost,  so  erreicht  man  in  etwa  34*5  Km.  die  Mitte  des 
Pruththales  oberhalb  Sniatyn  und  nach  weiteren  25  Km.  die  pa- 
läozoischen Ablagerungen  bei  Zalescyki.  Innerhalb  dieser  25  Km. 
muss  dieser  ohnehin  stellenweise,  wenn  auch  nur  flach  gegen  Süd- 
west geneigte  Theil  der  russischen  Platte  durch  diese  flache  Nei- 

r 

gung,  durch  Beugung  oder  durch  Bruch  so  tief  gesenkt  sein,  dass 
er  im  Thale  des  Pruth  nicht  mehr  sichtbar  ist,  und  die  Senkung 
muss  wohl  auch  noch  weiter  gegen  die  Karpathen  hin  und  unter 
dieselben  sich  fortsetzen. 

Alle  Umstände  führen  zu  der  Vermuthung,  dass  ein  Theil 
der  russischen  Tafel  von   den   karpathischen   Faltungen, 
überwältigt  worden  ist. 

B.  Die  Sudeten. 

Die  flach  gelagerten  Glieder  der  russischen  Tafel  verschwin- 
den gegen  West  unter  der  Ebene ;  es  ist  nicht  sicher,  ob  sie  unter 
der  jungen  Ueberdeckung  den  Bug  überschreiten,  aber  es  ist 
sicher,  dass  sie  den  Sanfluss  nicht  erreichen. 

Schon  ziemlich  weit  östlich  von  diesem  Flusse,  in  der  Nähe 
des  Ortes  Lubaczow,  hat  Hilber  an  zwei  Stellen  das  Herauftauchen 
steil  aufgerichteter  Schichten  von  grauem  Schieferthon  wahrge- 


nommen." 


Im  südlichen  Radom,  bei  Sandomir,  Kielce  und  Chienciny 
erhebt  sich  ein  kleines  selbständiges  Gebirge,  welches  wir  mit 
Pusch  das  Sandomirer  Gebirge  nennen  wollen.  Es  besteht,  wie 
F.  Roemer  und  Hempel  gezeigt  haben,  aus  einer  Anzahl  öst- 
lich oder  ostsüdöstlich  streichender  Falten  und  tritt  nach  Tietze's 
Beobachtungen  auch  auf  österreichischem  Gebiete,  bei  Gorzyce, 
hervor."  Die  ganze  Reihe  der  Trias  und  ein  Theil  der  Jura- 
formation sind  vorhanden  und  haben  an  den  Faltungen  theil- 
genommen.  Das  tiefste  Glied  ist,  nach  Zeuschner  silurischer 
Graptolithenschiefer,  denn  die  mächtigen  Quarzite,  welche  an 
den  Sätteln  des  Gebirges  hervorragen,  dürften  schon  dem 
Unterdevon  zufallen,    j^uch  eine  reiche  mitteldevonische  Fauna 

hat  derselbe  hier  angetroffen,  welche  dem  Eiflerkalk  entspricht,'^ 

16* 


244  Sandomirer  Gebirge. 

I 

und  F.  Roemer  hat  noch  eine  oberdevonische  Fauna  nachge- 
wiesen, welche  mit  dem  Goniatitenschiefer  von  Büdesheim  und 
dem  Nassau'schen  Cypridinenschiefer  übereinstimmt.'^  Die  Car- 
bonformation scheint  gar  nicht  vertreten  zu  sein;  Zechstein  mit 
Productus  horridus  folgt  auf  Devon,  dann  Triasbildungen. 

Das  ist  nicht  mehr  die  Schichtfolge  und  die  Structur  der  rus- 
sischen Tafel,  und  wenn  auch  weit  im  Norden  in  den  Domanikschie- 
fern  ein  Aequivalent  der  Büdesheimer  Goniatitenschiefer  bestehen 
und  im  Ural  noch  Devonkalk  mit  Stringocephalus  Burtini  vor- 
kommen mag,  stimmt  doch  was  aus  dem  Sandomirer  Gebirge  be- 
kannt ist,  so  sehr  mit  allen  westlichen  Vorkommnissen  bis  zu  den 
Sudeten  überein,  dass  wir  eine  Grenzlinie  östlich  vom  Sanflusse 
suchen  müssen. 

In  der  That  taucht  nun  aus  dem  weit  gegen  West  sich 
erstreckenden  Lande  da  und  dort  altes  Schichtgebirge  hervor; 
so  Mitteldevon  und  Kohlenkalk  bei  Debnik  nördlich  von  Krzezo- 
wice,  Stringocephalen-Kalkstein  bei  Siewersz  und  devonischer 
Schiefer  bei  Tost,  nördlich  von  Gleiwitz,  bis  endlich  jenseits 
der  oberschlesischen  Kohlenfelder  die  Abhänge  der  Sudeten  er- 
reicht sind. 

Nur  der  südliche  Theil  der  Sudeten  wird  uns  beschäf- 
tigen. Ich  müsste  weit  über  den  Rahmen  dieser  Schrift  hinaus- 
gehen, wenn  ich  die  zahlreichen  verdienten  Forscher  aufzählen 
wollte,  welchen  die  Kenntniss  von  dem  Baue  dieses  Gebirgszuges 
zu  verdanken  ist.  Für  das  österreichische  Gebiet  nenne  ich  nur 
H.  Wolf  und  D.  Stur,'^  für  den  Rand  der  Karpathen  und  das  Ge- 
biet von  Krakau  Hohenegger  und  Fallaux,'^  für  Oberschleslcn 
und  die  benachbarten  Theile  Polens  F.  Roemer.'' 

Der  südliche  Theil  der  Sudeten  hat  ganz  monoklinale  Struc- 
tur, und  von  den  höchsten  Kuppen  gegen  Ost  herabsteigend  be- 
gegnet man  im  Allgemeinen  bis  weit  in  die  polnische  Ebene  hinaus 
immer  jüngeren  Schichten.  Die  ältesten  Abtheilungen  dieser  Serie, 
welche  am  höchsten  ansteigen,  Jiaben  im  Allgemeinen  auch  die  steilste 
Lagerung;  die  zunächstfolgenden  Glieder,  bis  zu  den  Kohlenflötzen 
hinab,  zeigen  oftmalige  untergeordnete  Falten  und  Knickun<:jen, 
durch  welche  ihre  ohnehin  beträchtliche  Mächtigkeit  scheinbar 
noch  vergrössert  wird.  Die  jüngeren  Glieder  lagern  in  der  Plbene 


Sudetische  Transgressionen.  24^ 

flach,  während  es  weiter  im  Norden  nicht  an  Anzeichen  fehlt,  dass 
noch  nach  der  Kreidezeit  grosse  Faltungen  eintraten. 

Eine  nähere  Prüfung  dieser  grossen  ostwärts  geneigten  Serie 
zeigt  aber,  dass  sie  nicht  vollständig  ist;  mehrere  Glieder,  wie 
Lias,  Neocom,  Gault,  Eocän,  fehlen  derselben ;  jeder  Lücke  ist 
eine  Transgression  gefolgt,  welche  auf  einer  weithin  abgewasche- 
nen Fläche  der  älteren  Bildungen  stattfand,  und  da  diese  älteren 
Bildungen  der  Abrasion  nicht  horizontale  Flächen  boten,  liegt 
z.  B.  bunter  Sandstein  da  auf  Culmschiefer  und  dort,  unweit  da- 
von, auf  carbonischem  flötzreichen  Gebirge  u.  s.  w.  Es  sind  aber 
offenbar  sehr  gleichförmige  und  einander  ähnliche  Bewegungen 
gewesen,  welche  zu  wiederholten  Malen  Abrasion  und  Transgres- 
sion veranlasst  haben. 

Der  Ostabhang  des  Gebirges  selbst,  von  der  Höhe  bis  herab 
zu  der  Ebene  des  flötzreichen  Gebirges,  besteht  in  einer  Breite 
von  mehreren  Meilen  aus  Devon  und  Culm.  Auf  den  muthmasslich 
archäischen  Felsarten  liegt  hier  unterdevonischer  Quarzit  mit 
Homalonotus  crassicauda,  Grammysia  Hamiltonensis  und  Spirifer 
macropterus.  Diese  Zone  streicht  in  der  Gegend  von  Zuckmantel 
und  Würbenthai  etwa  von  Nord  gegen  Süd  und  wendet  sich  dann 
gegen  Südsüdwest.  In  dieser  Richtung  erstreckt  sich  das  unter- 
devonische Gebirge  noch  sehr  weit  fort  und  erreicht  sogar  bei 
Petrowitz,  östlich  von  Raitz  (nördlich  von  Brunn),  jene  Narbe,  d.  i. 
jenen  grossen,  hier  durch  einen  Syenitzug  ausgezeichneten  Haupt- 
bruch, welcher  die  Sudeten  scharf  von  der  böhmischen  Masse 
scheidet. 

Die  nächste  Zone  gegen  Ost  ist  von  mitteldevonischem  Alter. 
Von  Bennisch  bis  Sternberg  herab  ist  dieselbe  durch  das  Vor- 
kommen eines  Zuges  von  Eisensteinen,  dann  durch  Schalsteine, 
Diabas-Mandelsteine  und  untergeordnete  Kalklagen  ausgezeich- 
net. Phacops  latifrons  bezeichnet  das  Alter.  Weiter  im  Süden 
besteht  diese  Zone  nur*  aus  Kalkstein  und  sie  erreicht  ebenfalls 
nördlich  von  Brunn,  und  zwar  in  beträchtlicher  Breite,  den  Syenit.'^ 

Nun  folgt  die  breiteste  dieser  Zonen,  der  Culm  mit  den 
Dachschieferbrüchen.  Stur  hat  innerhalb  dieser  Zone,  deren  Fels- 
arten sehr  mannio^faltli^  sind,  drei  Horizonte  unterschieden.  Posi- 
donomya  Becheri  und  Archaeocalamites  radiatus  sind  die  wich- 


Die  schlesischen  Kohlenflotze. 


247 


parallel  streichende  Zone,  wie  Devon  und  Culm,  sondern  es  schiebt 
sich  im  Norden,  wie  F.  Roemer  ausführlich  gezeigt  hat,  im  weiten 
Bogen  eine  Reihe  von  Culmvorkommnissen  vor,  von  dem  vor- 
springenden Theile  der  Hauptmasse  bei  Hultschin  über  Katscher, 
östlich  von  Leobschütz,  nördlich  von  Kosel  gegen  Tost,  und  diese 
Linie,  in  Verbindung  mit  dem  Auftreten  von  devonischem  Kalk- 
stein bei  Siewerz  und  von  Devon  und  Kohlenkalk  nördlich  von 
Krzezowice,  umgrenzt  den  Raum,  innerhalb  dessen  Kohlenflötze 
bekannt  sind.*-' 


Fijf.  25.  Das  Vorland  der  Ontkarpathen 
( hauptsächlich  auf  Grund  der 
Arbeiten  von  V.  v.  Hauer 
und  Althj.  Diu  crctacischc 
Transgrcssion,  die  miocancn 
und  jüngeren  ])ildun>:^cn  sind 
entfernt. 


Tamop4tl_  -— :i_-rJj  _ --T"  _"!_■ 


.?£^ 


~  jLi~_z:"  -~  -CKoarm- SiX^—j2 ~ 


(zcrnoruitz 


Arch  '.-  Archaische  Felsarten. 
Sit  —  Silur. 
RS  —  Alter  rother  Sandstein. 


Man  bemerkt,  dass  dieser  Bogen  gegen  Wes^,  Nord  und  Ost 
geschlossen,  gegen  die  Karpathen  hin  aber  offen  ist.  Bergdirector 
Jicinsky  hat  es  versucht,  auf  Grund  der  Erfahrungen  des  Berg- 
baues den  Zusammenhang  der  Hauptflötze  in  dem  gesammten 
Revier  zu  ermitteln  und  ist  ebenfalls  zu  einer  Reihe  von  grossen 
Bogen  gelangt,  welche  unter  der  Triasformation  sich  fortsetzen 
und  gegen  die  Karpathen  geöffnet  sind."° 

Diese  Lage  der  Dinge  ist  für  mich  der  Beweis,  dass  das 
schlesische  KohlcMigebirge  thatsächlich  unter  die  Kar- 
pathen sich  fortsetzt. 


2.i8  Kohlenflotze  und  Rand  der  Karpathen. 

Hochstetter  hat  diese  Vermuthung  schon  seit  langer  Zeit 
ausgesprochen ;"  ich  selbst  habe  sie  immer  getheilt ;"  Stur  ist  bei 
seinen  Betrachtungen  von  dieser  Voraussetzung  ausgegangen ;  ""^ 
Jicinsky  hat  die  muthmassliche  Fortsetzung  der  Klotze  unter  die 
Karpathen  schon  durch  Punktreihen  angedeutet  und  in  diesem 
Sinne  ein  ideales  Profil  entworfen.  Da  jedoch  dieses  Kohlen- 
gebirge concordant  auf  dem  Devon  und  dem  Culm  der  Sudeten 
lagert  und  die  Verschiedenheit  der  Oberflächengestaltung  nur  der 
grösseren  Zerstörbarkeit  des  Steinkohlengebirges  zuzuschreiben 
ist,  muss  man  dasselbe  als  einen  normalen  Bestandtheil  der  Sudeten 
selbst  ansehen,  und  es  folgt  hieraus,  dass  die  Faltungen  der  Kar- 
pathen sich  wohl  an  den  aufgerichteten  Schiefer-  und  Sandstein- 
massen der  Culmzone  gestaut  haben,  aber  über  die  niedrige  Fläche 
der  flötzreichen  Region  hinübergetreten  sind,  und  dass  in  der  That 
ein  Stück  der  Sudeten  unter  den  Karpathen  liegt. 

Man  hat  denn  auch,  z.  B.  bei  Schönhof,  mit  Erfolg  Schür- 
fungen bis  knapp  an  den  Rand  der  Flyschzone  der  Karpathen 
ausgeführt,  und  sogar  in  der  Nähe  von  Hustopec,  nördlich  von  der 
Berührungsstelle  von  Culm  und  Flysch  bei  Weisskirchen,  noch 
auf  Kohle  gebohrt.  Dort  traf  man  in  der  That  auf  ein  Flötz,  von 
welchem  es  sich  jedoch  bei  weiterer  Ausrichtung  zeigte,  dass  es 
nur  in  einen  sehr  grossen,  losen  Block  von  zertrümmertem  Stein- 
kohlengebirge eingeschlossen  sei.  Im  Allgemeinen  sind  merk- 
würdiger Weise  die  Störungen  und  Knickungen  der  Flötze,  so- 
weit die  heutigen  Aufschlüsse  beurtheilen  lassen,  gegen  die  Sudeten 
hin  steiler  und. heftiger  als  gegen  die  Karpathen. 

Trotz  der  grossen,  auf  österreichischem  Gebiete  auf  mehrere 
tausend  Fuss  geschätzten  Mächtigkeit  der  flötzreichen  Ablagerun- 
gen, glaube  ich  dennoch  nicht,  dass  sie  in  einer  dem  heutigen  Um- 
risse entsprechenden  Mulde  abgelagert  worden  seien,  sondern 
halte  sie  nur  für  Reste  einer  viel  weiter  ausgedehnten  Ab- 
lagerung, welche  in  einer  weiten  Mulde  bewahrt  worden  sind  von 
jener  grossen  vortriadischen  Abrasion,  welche  alles  Land  bei  dem 
Vordringen  des  bunten  Sandsteines  ebnete,  den  Culmsattel  bei 
Tost  hervortreten  Hess  und  die  permischen  Ablagerungen, 
von  welchen  nur  vereinzelte  Spuren  sichtbar  geblieben  sind, 
zerstörte.  — 


Sudetische  Aussenzonen.  2 49 

Ueber  diesen  paläozoischen  Ablagerungen  der  Sudeten  liegt 
nun  mit  sehr  flach  gegen  Ost  oder  Nordost  geneigten  Schichten 
eine  mannigfaltige  Reihe  von  mesozoischen  Meeresbildungen.  Der 
Verlauf  ihres  Westrandes  ist  bedingt  durch  das  Maass  der  Zer- 
störung, welcher  sie  unterworfen  gewesen  sind,  der  sichtbare  Ost- 
rand aber  durch  das  Ausmaass  der  Abwaschung  und  Zerstörung  des 
auflagernden,  nächst  jüngeren  Gliedes.  So  entstehen  jene  paral- 
lelen oder  concentrischen  Formationsgrenzen  auf  den  Karten, 
welche  so  oft  für  eben  soviele  Anzeichen  der  Senkung,  z.  B.  im 
Pariser  Becken,  angesehen  worden  sind. 

Diese  flache  Lagerung  ist,  so  weit  meine  Erfahrungen  reichen, 
^ur  durch  eine  grössere  Störung  unterbrochen,  über  deren  Zu- 
sammenhang mit  dem  sonstigen  Baue  des  Landes  ich  trotz  mehr- 
maligen Besuches  der  Strecke  zu  keinem  bestimmten  Urtheil  ge- 
langen konnte.  Es  ist  dies  eine  quer  auf  dem  Streichen  dieser 
mesozoischen  Gürtel  liegende  Synklinale  oder  Grabenverwerfung, 
an  welcher  alle  Schichten,  auch  die  Kreide,  theilnehmen,  deren 
Axe  etwas  nördlich  von  Krakau  liegt,  und  welche  mit  westnord- 
westlicher Richtung  über  Trzebinia  hinaus  gegen  Myslowitz  streicht 
(Fig.  24) ;  sie  ist  anfangs  ziemlich  weit,  wird  dann  enger  und  steiler 
und  dürfte  gegen  Myslowitz  in  einen  einfacheren  Bruch  übergehen; 
vielleicht  geht  noch  eine  zweite  solche  Störung  von  dieser  in  der 
Richtung  Trzebinia-Chrzanow  ab.  Mit  dieser  Ausnahme  ist  der 
Verlauf  der  mesozoischen  Zonen  sehr  regelmässig  und  wird  auch 
durch  die  hervortretenden  Kuppen  alten  Gebirges  wenig  beirrt. 

Die  Triaszone  ist  gegen  West  in  zahlreiche  einzelne  Kuppen 
aufgelöst,  sinkt  im  Norden  nach  Roemer's  Untersuchungen  etwas 
westlich  von  der  Wartha  unter  den  braunen  Jura  hinab,  wird  von 
der  eben  erwähnten  Störung  Krakau-Myslowitz  betroffen  und 
fällt  im  Angesichte  der  Karpathen,  südlich  von  dieser  Störung, 
den  Höhenzug  zwischen  Alwernia  und  Chelmek  bildend,  zur  Weich- 
sel ab.  Die  Lagerung  scheint  hier  ganz  flach  zu  sein.  Den  Fuss 
des  mit  den  Resten  der  Veste  Lipowec  gezierten  Abhanges  bildet 
bunter  Sandstein.  Jenseits  der  Weichsel  befindet  sich  der  Fuss  der 
Karpathen,  hier  nach  Hohenegger  aus  gefalteten  Nummuliten- 
schichtcn  bestehend.  Die  Entfernung  des  Fusses  beider  Höhen- 
züge beträgt  9*5  Km."'^ 


250  Jura  von  Kurdwanow. 

lieber  der  Triasformation  ist  die  rhätische  Stufe  nur  örtlich 
und  in  untergeordneter  Weise  vertreten ;  Lias  bleibt  ganz  unsicht- 
bar ;  im  Norden  treten  thonige  Gesteine  mit  Perisphinctes  Parkin- 
soni,  im  Süden  die  Oolithe  von  Baiin  mit  Stephanoc.  macrocephalum 
über  den  Keuper  vor;  über  diesen  erscheint  im  Süden  blauer  Thon 
mit  Belemn.  semihastatus,  dann  sind  sie  überragt  von  weissen  Jura- 
kalk-Felsen, welche  von  Czenstochau  an  einen  landschaftlich  sehr 
hervortretenden,  zusammenhängenden  Zug  an  der  Ostseite  der 
Wartha  über  Olkusz  bis  Krakau  und  bis  knapp  an  den  Fuss  der 
Karpathen  bilden.  Ostwärts  sinken  sie  bei  Lelow  und  in  der 
Nähe  von  Krakau  unter  die  zusammenhängende  Decke  von  Ce- 
noman.  Diese  Jurakalke  widerstehen  der  Denudation  in  höherem 
Grade  als  die  Sandsteine  und  Thone  der  älteren  Stufen  des  meso- 
zoischen Gebirges,  und  selbst  als  die  zwischen  minder  widerstands- 
fähige Schichten  eingeschalteten  Kalkbänke  der  Trias.  Dies  ist 
offenbar  der  Grund,  warum  man  den  Jurakalk  auch  quer  über 
das  Thal  der  Weichsel  bis  ganz  an  den  Rand  der  Karpathen  ver- 
folgen kann. 

Die  Breite  des  sich  in  einzelne  Kuppen  auflösenden  Jura- 
zuges im  Angesichte  der  Karpathen  zwischen  Mirow  und  Podgörze 
ist  eine  ganz  ansehnliche.  Zwischen  Tyniec*  und  Podgörze  über- 
schreitet derselbe  die  Weichsel,  mehrere  kleinere  Massen  ragen 
aus  den  AUuvien  hervor,  und  die  letzte  Kuppe,  bei  Kurdwanow 
westlich  von  Wieliczka,  steht  nur  2  Km.  vom  Karpathenrande 
bereits  innerhalb  jenes  Saumes  von  tertiärem  schwefel-  und  salz- 
führenden Thon,  welcher  bei  Wieliczka  selbst  von  den  Karpathen 
in  grossen  Falten  nordwärts  überschoben  ist.""^ 

Diese  sehr  bemerkenswerthe  Berührungsstelle  zeigt,  dass  der 
weit  aus  Nordost  herstreichende  Jurazug  in  der  Nähe  der  Kar- 
pathen keine  Ablenkung  erfährt,  sondern  dass  er  unter  die  Kar- 
pathen hinabsinkt. 

lieber  dem  Jura  fehlt  Neocom  und  Gault;  die  Cenomanstufe 
greift,  wie  das  an  so  vielen  Orten  sichtbar  ist,  weit  über  die  älteren 
Stufen  vor  und  grosse  vereinzelte  Schollen  erscheinen  sogar  west- 
lich von  der  Triaszone  bei  Oppeln  und  unmittelbar  auf  der  Culm- 
zone  bei  Hotzenplotz.  Diese  Transgression  verräth  das  grosse 
Ausmaass  der  Abrasion,  welche  vorhergegangen  sein  muss.  Der 


Hinabsinken  der  sudetischen  Aussenzonen.  2  5  I 

Culmschiefer  lag  bereits  bloss,  die  Trias  musste  von  einem  grossen 
Theile  des  Kohlenreviers  entfernt  sein,  und  es  bleibt  daher  wenig 
Zweifel  darüber,  dass  zu  jener  Zeit,  in  welcher  die  miocänen  Ab- 
lagerungen bei  Wieliczka  von  den  Karpathen  vorwärts  gedrängt 
wurden,  die  Abtragung  nicht  nur  des  Carbon,  sondern  auch 
von  Trias  und  Jura  beiläufig  ebenso  weit  vorgeschritten  war 
wie  heute. 

Ein  zusammenhängender  Saum  von  Kreideablagerungen  er- 
scheint aber  erst  im  Osten  zwischen  Wartha  und  Pilica,  zieht  sich 
bei  Krakau  in  die  Mulde  von  Trzebinia  hinein  und  erreicht  end- 
lich die  Weichsel ;  wie  die  Triasformation  ist  auch  die  Kreide 
gegen  die  Karpathen  hin  abgewaschen,  und  jenseits  der  Weichsel 
kenne  ich  wenigstens  in  der  Gegend  von  Krakau  nur  undeutliche 
Spuren.  Ostwärts  bedeckt  sie  nun  weithin  die  Ebene. 

Eocäne  Ablagerungen  sind  in  dem  ganzen  Vorlande  der  Kar- 
pathen nicht  bekannt ;  zahlreiche  vereinzelte  Schollen  einer  mio- 
cänen Meerestransgression  finden  sich  über  den  Kohlenfeldern; 
die  Ablagerungen  dieses  Alters  erlangen  am  Saume  der  Kar- 
pathen grosse  Mächtigkeit  und  sind,  wie  ich  bereits  erwähnt  habe, 
in  demselben  von  den  Karpathen  her  in  grosse  Falten  über- 
schoben. — 

Hiemit  sind  wir  an  jenen  Ablagerungen  angelangt,  welche 
an  den  Bewegungen  der  Karpathen  unmittelbar  Antheil  nehmen. 
Im  Ganzen  aber  erkennt  man  Folgendes : 

Die  archäischen  Gesteine  der  Sudeten  erreichen  südwärts 
ohne  Beirrung  den  grossen  Bruch  von  Brunn ;  dasselbe  gilt  von 
der  unterdevonischen  und  von  der  mitteldevonischen  Zope.  Der 
äussere  Rand  der  Culmzone  tritt  mit  dem  äusseren  Rande  der 
Karpathen  südlich  von  Weisskirchen  in  Berührung;  beide  sind  an- 
einandergepresst ;  alle  weiteren  Zonen  der  Sudeten  bis  zur 
polnischen  Ebene  hinaus,  Carbon,  Trias,  Jura  und  Kreide, 
sinken  von  Norden  her  unter  die  Karpathen  hinab. 

Was  zu  Tage  diese  Berührungsstelle  überschritten  hat,  näm- 
lich Archäisch,  I^evon  und  Culm,  wird  von  dem  Bruche  bei  Brunn 
gegen  die  böhmische  Masse  plötzlich  abgeschnitten,  und  die  Fort- 
setzunor  der  äusseren  Zonen  der  Sudeten  ist  unter  der  mährischen 
Ebene  zu  suchen. 


"^  ^j-  Div  fraBkiäcli-schwäbische  Senkangsfeld. 


W'^T  Jtis*.^  den  Bau  der  Karpathen  richtig  beurtheilen  will, 
..Ui  •  Hcic  aujjser  Acht  lassen,  dass  trotz  des  regelmässigen  Yer- 
auK^  ÄHüier  Falten  dieses  Kettengebirge  wenigstens  zum  Theile 
au*  iviei  anderen,  sehr  verschiedenartigen  Schollen  der 
b'rvirinvle  ruht,  nämlich  im  Osten  auf  der  russischen  Tafel 
uiid  im  Westen  auf  dem  südöstlichen  Theile  der  ostwärts 
i!onoiirten  Sudeten. 


C.  Das  fränkisch-schwäbische  Senkungsfeld. 

Ein  langer  Saum  von  Rothliegendem  bezeichnet  vom  Süd- 
fusse  des  Riesengebirges  her  den  wahren  Rand  der  böhmischen 
Masse.  In  der  Gegend  von  Brunn  neigen  sich  die  Schichten  steil 
ostwärts  gegen  den  Bruch ;  an  einer  Stelle,  bei  Rossitz  südlich 
von  Brunn,  erscheint  zwischen  der  archäischen  Unterlage  und  dem 
Rothliegenden  noch  eine  kleine  Scholle  des  oberen  Carbon  mit 
bauwürdigen  Plötzen,  und  noch  weit  im  Süden,  bei  Zöbing  unweit 
von  Krems,  haftet  an  der  Aussenseite  des  Bruches  eine  Scholle 
von  Rothliegendem. 

Bis  Brunn  hinab  standen  die  Sudeten  zwischen  der  böhmi- 
schen Masse  und  den  Karpathen ;  nun  reicht  der  Blick  von  den 
Abhängen  des  Manhartsgebirges,  welches  den  Rand  der  böhmi- 
schen Masse  bildet,  frei  über  die  Ebene  zu  dem  hier  allerdings 
durch  Einsturz  lückenhaften  Saum  der  Flyschzone. 

Auf  der  Höhe  der  böhmischen  Masse  sieht  man  hier  weithin 
nur  archäische  Felsarten,  aber  die  gleichsam  fragend  aufragenden 
Schichtenköpfe  des  Rothliegenden  an  dem  Randbruche  zeigen, 
dass  ihre  Fortsetzung  einst  das  ganze  Land  bedeckt  haben  muss. 
Jm  Norden  ist  ihre  Verbreitung  wohl  bekannt,  aber  auch  im  Süden, 
bei  Budweis,  mitten  in  dem  Hauptgebiete  archäischer  Felsarten, 
liegt  eine  vereinzelte  Scholle.'^ 

In  Sachsen  ist  eine  beträchtliche  Denudation  der  carbonischen 
Flötze  vor  der  Ablagerung  des  übergreifenden  Rothliegenden 
nachgewiesen. ''^  Sucht  man  aber  den  westlichen,  bairischen  Rand 
der  grossen  Masse  auf,  so  trifft  man,  wie  Gümbel  gezeigt  hat, 
auch  hier  einen  Abbruch,  welcher  noch  dazu  im  Fichtelgebirge 
und    durch    seine    ganze    Fortsetzung   im    Thüringerwalde    das 


Der  Bonaubnich.  253 

Streichen  des  Gebirges  quer  durchschneidet,  und  längs  dieses 
Abbruches  ragt  derselbe  Saum  von  steil  gestelltem  Rothliegenden 
empor  mit  denselben  vereinzelten  Schollen  des  oberen  flötzfüh- 
renden  Carbon,  welche  wir  an  der  Ostseite  bei  Rossitz  kennen. 
Die  Beschreibungen  der  Vorkommnisse  von  Stockheim  und  Erben- 
dorf, sowie  des  ganzen,  wenn  auch  unterbrochenen  Saumes  von 
Rothliegendem  an  dem  Rande  des  alten  Gebirges  vom  Thüringer- 
walde bis  zur  Walhalla  bei  Regensburg  herab,  welche  selbst 
noch  auf  Rothliegendem  erbaut  ist,  zeigen  die  auffallendste 
Uebereinstimmung  mit  der  östlichen  Bruchlinie  vom  Südfusse  des 
Riesengebirges  über  Brunn,  Rossitz  und  Zöbing.'*  — 

Was  jenseits  dieses  westlichen  Randes  liegt,  bis  weit  zum 
Schwarzwalde  hinüber,  hat  aber  einen  gar  eigenthümlichen  Bau. 
Die  ganze  Decke  von  Trias-  und  Jurabildungen,  welche  in  der 
Gestalt  eines  Dreieckes  gegen  Ost  vom  Thüringer-  und  Franken- 
walde, dem  Ende  des  Fichtelgebirges  und  dem  bairischen  Walde, 
gegen  West  vom  Oden-  und  Schwarzwalde  begrenzt  wird,  und 
welche  im  Süden  zwischen  Schaffhausen  und  Regensburg  an 
einem  grossen  Bruche,  dem  Donaubruche,  endet,  gleicht  der 
eingebrochenen  Eisdecke  eines  entwässerten  Teiches.  Von  den 
alten  Granit-  und  Gneissgebirgen  im  Osten  und  im  Westen  sinken 
Trias  und  Jura  in  Staffeln  zur  Tiefe;  bevor  der  grosse  Quer- 
bruch an  der  Donau  erreicht  ist,  fallen  noch  kreisförmige  Stücke 
mitten  im  Streichen  der  Juraformation  zur  Tiefe  hinab  und  eines 
derselben  erzeugt  den  wunderbaren  Rieskessel  bei  Nördlingen. 
Alle  die  mannigfaltigen  Lagen  der  schwäbischen  Juraformation 
brechen  aber  sammt  der  unterliegenden  Trias  jenseits  des  Ries- 
kessels längs  der  Donau  zur  Tiefe  hinab,  und  ihre  Fortsetzung 
befindet  sich  unter  jener  Ebene,  an  deren  südlichem  Rande  sich 
die  Alpen  erheben. 

Seit  längerer  Zeit  hat  man  den  Abbruch  an  der  Donau  als 
den  Rand  einer  grossen  Absenkung  und  den  Rieskessel  als  einen 
Einsturz  richtig  erkannt ;  dass  dies  aber  nur  Theile  eines  einzigen 
grossen,  bis  zum  Vogelsberge  und  bis  zum  Thüringerwalde 
reichenden  Vorganges  der  Einsenkung  sind,  zeigt  deutlich  eine 
lange  Reihe  von  Beobachtungen  über  die  Verwerfungen,  welche 
gegen  Ost  und  gegen  West  den  Fuss  der  alten  Gebirge  begleiten. 


254  Brüche  des  Thüringcrwaldcs. 

Ich  will  nur  einige  neuere  Angaben  anführen  und  beginne  im 
Nordosten,  am  Rande  des  Thüringerwaldes. 

H.  Credner  hat  die  linearen,  von  Nordwest  gegen  Südost 
,  verlaufenden  Verwerfungen,  welche  das  Land  zu  beiden  Seiten 
des  Thüringerwaldes  durchschneiden,  im  Jahre  1855  ausführlich 
beschrieben;  jene  des  südwestlichen  Abhanges,  welche  für  uns 
von  Bedeutung  sind,  haben  Bücking  und  Frantzen  neuerdings 
untersucht  und  von  einzelnen  derselben  geradezu  monographische 
Darstellungen  gegeben.'^ 

Diese  Arbeiten  beziehen  sich  hauptsächlich  auf  die  Strecke 
von  dem  ebenfalls  durch  eine  Verwerfung  abgegrenzten  archäi- 
schen Kerne  des  Thüringerwaldes  nördlich  von  Schmalkalden  bis 
Meiningen  herab.  Die  Verfasser  gehen  in  dankenswerther  Weise 
in  die  Einzelheiten  der  Bewegung  jeder  Scholle  ein.  Man  kann 
bemerken,  dass  einzelne  dieser  Verwerfungen  von  Stauung  oder 
Schleppung  begleitet  sind,  andere  dagegen  nicht,  und  dass  das 
staffeiförmige  Absinken,  obwohl  im  Ganzen  unzweifelhaft,  doch 
unterbrochen  wird  durch  einzelne  Brüche,  an  welchen  nicht  der 
südliche,  sondern  der  nördliche  Theil  abgesunken  ist,  durch 
Grabenbildungen,  d.  i.  durch  die  Versenkung  längerer  Streifen 
zwischen  zwei  Brüchen.  An  der  am  genauesten  von  Bücking  be- 
sprochenen Verwerfung  zwischen  Möckers  und  Benshausen  ist  in 
der  nordwestlichen  Hälfte  der  nördliche  Theil  gesenkt,  mit  einem 
Niveau-Unterschiede  von  370 — 450  M.,  während  gegen  Südost 
eine  ganz  kurze  Unterbrechung  vorhanden  ist,  verbunden  mit 
einem  Querbruche,  und  in  dem  übrigen  südöstlichen  Theile  die 
Südseite  gesenkt  ist. 

Hier  ist  also  mitten  in  dem  Verlaufe  des  Bruches  gleichsam 
eine  neutrale  Stelle  vorhanden  und  zu  beiden  Seiten  derselben 
die  Bewegung  im  entgegengesetzten  Sinne  erfolgt ;  dies  ist  die- 
selbe Erscheinung,  welche  an  der  grossen  Sevier-Linie  in  Utah 
erwähnt  worden  ist  (S.  172),  und  derartige  Vorkommnisse  ver- 
rathen  die  Passivität  der  sinkenden  Scholle. 

Weiter  gegen  Süd  gestalten  sich  die  Verhältnisse  einfacher ; 
Gümbel  hat  gefunden,  dass  an  dem  Aussenrande  des  Neuwaldes 
und  des  Fichtelgebirges  die  mesozoischen  Schichten  stets  aufge- 
richtet, stellenweise  sogar  überkippt  sind,  in  geringer  Entfernung 


Hercynische  Randbrüchc.  Odenwald.  ^55 

vom  alten  Gebirge  jedoch  eine  flache  Lagerung  annehmen.  Zu- 
gleich sind  vier  lange,  dem  Gebirgsrande  beiläufig  parallele 
Störungslinien  sichtbar,  welche  in  fast  gleichen  Zwischenräumen 
von  je  8  Km.  nebeneinander  herlaufen,  sich  gegen  Südost  bis 
an  den  Westrand  des  fränkischen  Juragebirges  erkennen  lassen 
und  zum  Theile  sogar  bis  gegen  die  Thalung  der  Donau  herab- 
reichen. 

Diese  vier  hauptsächlichen  ,Zerspaltungen'  sind  wohl  von 
Verschiebung,  Aufrichtung  und  Quetschung,  aber  nicht  von  Fal- 
tung begleitet.  Gümbel  hebt  hervor,  dass  ihr  Parallelismus  unter 
einander  und  mit  dem  Gebirgsrande  für  die  Identität  der  Ursache 
sprechen,  und  hat  diese  Brüche  mit  besonderen  Namen  belegt ; 
sie  sind  auf  dem  letzterschienenen  Blatte  der  geognostischen 
Karte  von  Baiern  auf  der  Strecke  von  Coburg  bis  über  Thurnau 
hinab  verzeichnet.^*" 

Nun  verlassen  wir  den  hercynischen  Rand  mit  seinen  süd- 
östlich streichenden  Störungen,  reisen  nordwärts  über  das  Trias- 
gebiet, treffen  bei  Kissingen  eine  Kreuzung  von  mächtigen  Ver- 
werfungen, welche  nach  Südost  streichen,  mit  solchen,  die  gegen 
Südwest  verlaufen,^'  und  wenden  uns  dem  Odenwalde  zu. 

Abermals  zeigt  sich  hier,  wie  zu  beiden  Seiten  der  böhmi- 
schen Masse,  ein  den  archäischen  Kern  umgebender  Gürtel  von 
steil  abfallendem  Rothliegend;  die  vereinzelten  Schollen  von 
Carbon,  welche  wir  dort  haben,  sind  aber  hier  bisher  vergeblich 
gesucht  worden.  In  dem  anschliessenden  mesozoischen  Lande 
folgen  auch  ähnliche  parallele  Brüche.  Benecke  und  Cohen  haben 
erst  jüngst  eine  Uebersicht  derselben  für  die  südlichen  Umge- 
bungen des  Odenwaldes  gegeben.^' 

Es  sind  nach  diesen  Angaben  drei  Systeme  von  Spalten  hier 
zu  unterscheiden,  nämlich  erstens  Spalten,  welche  gegen  Nord- 
nordost verlaufen  und  in  der  Nähe  des  Rheinthaies  liegen,  zwei- 
tens solche,  die  gegen  Nordost  streichen  und  dem  Aussenrande 
des  Odenwaldes  entsprechen,  und  endlich  eine  untergeordnete 
Gruppe  von  gegen  Nordwest  gerichteten  Spalten,  welche  die 
zweite  Gruppe  rechtwinklig  kreuzt. 

Die  erste  Gruppe  hat  die  Einsenkung  des  Rheinthaies  ver- 
anlasst;   sie   verräth   sich   hauptsächlich   an   dem   Ostrande    der 


256  Langenbrücken.  Schwarzwald. 

Vogesen,  des  Hardtwaldes  und  wohl  auch  des  Taunus,  und  an 
dem  Westrande  des  Schwarzwaldes  und  des  Odenwaldes;  dies 
sind  die  Rheinspalten.  Die  zweite  Gruppe  entspricht  der  Um- 
rahmung des  grossen  schwäbisch-fränkischen  Senkungsfeldes,  und 
die  dritte  betrachten  wir  als  die  Radialspalten  desselben. 

Südlich  von  Heidelberg,  wo  die  archäischen  Gesteine  des 
Odenwaldes  nicht  mehr  sichtbar  sind  und  die  Triasformation  an 
den  Rand  des  Rheinthaies  tritt,  treffen  die  Odenwaldspalten, 
welche  die  zweite  Gruppe  bilden,  auf  die  Rheinspalten,  und  hier 
liegt  die  schon  im  Jahre  1859  von  Deffner  und  Fraas  in  allen 
wesentlichen  Zügen  richtig  aufgefasste  Juraversenkung  von  Lan- 
genbrücken.^^ 

Knapp  an  dem  Rande  des  Rheinthaies  wird  nämlich  an  dieser 
Stelle  eine  Odenwaldspalte  mit  abgesunkenem  Nordflügel  von 
einer  Rheinspalte  geschnitten,  und  in  dem  spitzen  Winkel,  welchen 
beide  Spalten  bilden,  ist,  indem  gegen  den  Durchschnittspunkt 
die  Senkung  zunimmt,  eine  vereinzelte  keilförmige  Scholle  der 
Juraformation  mitten  im  Triasgebiete  vor  der  Zerstörung  bewahrt 
geblieben,  als  eines  der  nicht  seltenen  Zeichen  einer  früheren 
grösseren  Verbreitung  dieser  Schichten. 

Sowie  aber  an  der  Versenkung  von  Langenbrücken  der  dem 
Odenwalde  näherstehende,  nämlich  der  nordwestliche  Flügel  der 
gesunkene  ist,  so  ist  es  auch  an  der  von  Benecke  und  Cohen  be- 
schriebenen Hilsbacher  Linie  der  Fall,  und  die  genauer  bekannten 
Verwerfungen  der  südöstlichen  Abhänge  des  Odenwaldes  zeigen 
daher  im  Gegensatze  zu  der  grossen  Mehrzahl  der  anderen  Brüche 
des  fränkisch-schwäbischen  Senkungsfeldes  den  nördlichen  Flügel 
in  tieferer  Lage. 

Anders  ist  es  im  Schwarzwalde.  Die  schlagendsten  und  ge- 
nauesten Beobachtungen  hat  hier  Fraas  an  den  Eisenbahnlinien 
gemacht.  Die  Schwarzwaldbahn  von  Zuffenhausen,  unweit  von 
Stuttgart,  nach  Calw  zeigt  eine  Niveaudifferenz  der  verschiedenen 
Abtheilungen  der  Triasformation  von  350 — 450  M.,  welche  nicht 
durch  ursprüngliche  Ablagerung  herbeigeführt  ist,  sondern  durch 
acht  grössere  und  zahlreiche  kleinere  Verwerfungen,  wobei  immer 
der  östliche  Theil  an  dem  westlichen,  dem  Schwarzwalde  näher 
liegenden  Theile,  abgesunken  ist,  ohne  dass  jedoch  nothwendiger 


Schwarzwaldbrüche.  2  S  7 

Weise  die  Neigung  der  Schichten  gegen  Ost  gerichtet  wäre. 
,Die  heutige  Oberflächenbildung  des  Landes/  sagt  Fraas, 
»erscheint  hienach  als  das  Resultat  treppenförmiger  Ein- 
senkungen  der  Schichten,  welche  zwischen  dem  Schwarz- 
walde und  dem  Neckar  statthatten.  In  Folge  der  Einsen- 
kungen  brachen  tausendfach  die  Schichtentafeln  entzwei,  einfach 
dahin  sich  neigend,  wo  ein  Raum  es  gestattete.' ^^ 

Senkrecht  auf  die  Längenbrüche  sind  auch  hier  Querbrüche 
vorhanden.  Es  wird  gezeigt,  dass  die  Richtung  beider  vom 
Schwarzwalde  gegen  Stuttgart  hin  sich  verändert,  und  zwar  so, 
dass  im  eigentlichen  Schwarzwaldgebiete  die  beiden  Richtungen 
hör.  I  und  7,  bei  Stuttgart  aber  durch  allmälige  Wendung  bereits 
hör.  3  und  9  sind,  das  heisst,  dass  die  Richtung  der  langen  Haupt- 
brüche im  Schwarzwalde  Nord  —  Süd  ist,  diese  Richtung  gegen 
Stuttgart  hin  sich  in  Nordost  —  Südwest  verändert  und  gleich- 
zeitig die  Richtung  der  Querbrüche  aus  Ost  —  West  in  Nord- 
west —  Südost  übergeht. 

Ebenso  zeigt  die  Bahnlinie  Rottweil- Villingen  das  Abfallen 
der  Schichten  in  mindestens  sieben  Treppen;  das  jüngere  Gebirge 
ist  an  dem  älteren  abgesunken,  und  es  kann,  nach  den  Worten 
desselben  Beobachters,  ,von  einer  Anlagerung  des  schwäbi- 
schen Flötzgebirges  an  den  Schwarzwald  eigentlich 
keine  Rede  mehr  sein.*^^ 

Dasselbe  System  von  Brüchen  zieht  sich  aber  auch  südwärts 
um  den  Schwarzwald;  die  Bohrungen  auf  Steinkohle  haben  ihr 
Vorhandensein  bewiesen,  und  noch  bei  Zeiningen  unweit  Rhein- 
felden  trifft  eine  aus  Ostsüdost  streichende  Verwerfung  eine 
andere,  welche  nach  Südwest  Vferläuft.^^  So  ist  auch  der  Tafel- 
jura zerstückt  und  abgesunken,  als  würde  der  gefaltete  Jura  von 
Süden  her  über  eine  einbrechende  Platte  getreten  sein  (S.  150, 
Fig.  10). 

Ringsum,  am  Schwarzwalde  wie  am  Odenwalde  und  jenseits 
am  Thüringer  und  am  bairischen  Walde,  vollzieht  sich  die  Ab- 
trennung der  mesozoischen  Tafeln  vom  alten  Gebirge  in  mehr 
oder  minder  dem  Gebirgsrande  parallelen  Brüchen,  welche  häufig 
von  Querbrüchen  rechtwinkelig  gekreuzt  werden.  Wendet  man 
sich  der  Mitte  des  Gebietes  zu,  so  trifft  man  auch  hier  auf  zahl- 

Suess,    Das  Antlitz  der  Krde.  17 


2^8  DefFner's  Ansichten. 

reiche  und  unzweideutige  Zeichen  des  Einbruches.  Es  enthalten 
einzelne  Hefte  der  ,Begleitworte  zur  geognostischen  Specialkarte 
von  Württemberg'  einen  ganzen  Schatz  von  ähnlichen  Beobach- 
tungen, als  die  erste  Grundlage  zur  Entwerfung  einer  das  ganze 
Senkungsfeld  umfassenden  Karte  des  Bruchnetzes,  und  Fraas  hat 
erst  kürzlich  eine  Uebersicht  der  wichtigsten  Linien  veröffentlicht.-'^ 
Gerechtes  Staunen  und  die  vollste  Anerkennung  der  Unbefangen- 
heit des  Urtheiles  muss  aber  die  Thatsache  erwecken,  dass  schon 
vor  mehr  als  zwanzig  Jahren  einer  der  Mitarbeiter  an  dieser  Spe- 
cialkarte, C.  Deffner,  im  Gegensatze  zu  vielen  hervorragenden 
Autoritäten  nicht  nur  die  Natur  dieser  Brüche  und  die  Allgemein- 
heit der  Einsenkung  richtig  erkannt,  sondern  auch  für  das  zwischen 
solchen  Brüchen  eingesunkene  Gebiet  am  mittleren  Neckar  süd- 
lich von  Stuttgart  eine  Karte  dieser  Brüche  angefertigt,  periphe- 
rische und  radiale  Brüche  mit  diesen  selben  Ausdrücken  unter- 
schieden, die  bogenförmige  Krümmung  der  peripherischen  Linien 
aus  Nordsüd  fast  bis  Westost  nachgewiesen,  ferner  mit  Bestimmtheit 
ausgesprochen  hat,  dass  die  jüngeren  Eruptivgesteine,  welche  da 
und  dort  diese  Brüche  und  Einsenkungen  begleiten,  nicht  die  Ur- 
sache, sondern  die  Folge  der  durch  andere  Ursachen  hervor- 
gerufenen Spaltungen  der  festen  Erdrinde  seien.  Deffner  hat  sich 
in  dieser  bemerkenswerthen  Schrift  sogar  schon  die  Frage  gestellt, 
ob  nicht  ein  Zusammenhang  zwischen  dieser  ausgedehnten  Ein- 
senkung und  der  Entstehung  der  Alpen  bestehe,  , etwa  in  der  Weise, 
dass  eine  Bewegung  des  flüssigen  Erdkernes  gegen  die  Hebungs- 
linie der  alpinen  Centralkette  hin  ein  Nachsinken  der  peripheri- 
schen Umgebung  bis  in  eine  gewisse  Entfernung  zur  Folge  haben 
müsste'.^* 

Der  Parallelismus  des  Donaubruches  mit  dem  Alpenrande 
wird  auch  von  Fraas  betont.  ,Zur  selben  Zeit,'  sagt  Fraas,  ,als 
die  Falte  der  Alpen  sich  erhob,  barst  das  Tafelland  des  Jura  im 
gleichen  Sinne.' ^^ 

Der  Umriss  des  Senkungsfeldes  ist  nordwärts  deutlich  keil- 
förmig und  die  peripherischen  Brüche  sind  lang  und  gerade  und 
schneiden  sich  nach  den  vorliegenden  Angaben  nordwärts  in  spitzen 
Winkeln;  es  scheint,  dass  sie  gegen  die  Mitte  hin  sich  mehr  im 
Bogen  vereinigen;  ob  sie  endlich  der  Linie  des  Donaubruches 


Ries  und  Höhgau.  2  59 

sich  nähern,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Nördlich  vom  Do- 
naubruche aber  tritt  nun  eine  andere  Form  der  Einsenkung  auf, 
nämlich  kesseiförmige  Einstürze.  Der  kleinste  dieser  Einstürze, 
wenn  er  überhaupt  in  diese  Gruppe  zu  stellen  ist,  befindet  sich  bei 
Steinheim  unweit  Heidenheim;  sein  Durchmesser  beträgt  kaum 
I  Km.  und  er  ist  mit  tertiären  Süsswasserbildungen  angefüllt.  Als 
typisch  haben  zu  gelten:  der  Rieskessel,  in  welchem  Nördlingen 
liegt,  und  der  Kessel  des  Höhgaues. 

7).  Ries  und  Höhgau. 

Von  den  Schriften,  welche  sich  auf  den  Bau  des  Rieskessels 
beziehen,  reicht  es  hin,  jene  von  Deffner  und  Fraas  für  den  württem- 
bergischen, jene  GümbeFs  für  den  bairischen  Antheil  zu  nennen/® 

Es  bietet  das  Ries  mancherlei  Belehrung  zu  dem  Verständ- 
nisse der  Einbruchsfelder  in  den  Alpen,  und  ich  will  daher  etwas 
ausführlicher  von  demselben  sprechen.  Dass  ich  dies  zu  unter- 
nehmen vermag,  danke  ich  meinem  nie  ermüdeten  Freunde  und 
Meister  Oscar  Fraas,  welcher  die  Güte  gehabt  hat,  mich  an  die 
wichtigsten  Stellen  zu  führen  und  mir  dieselben  zu  erläutern. 

Von  einer  Höhe,  etwa  vom  Scheitel  des  Ipf  bei  Bopfingen 
aus  betrachtet,  gleicht  das  Ries  einem  weiten,  flachen  Teller.  Es 
ist  eine  kreisförmige  Ebene  von  12  — 15  Km.  Durchmesser,  welche 
mit  geringem  Gefälle  ihren  Abfluss  südwärts  durch  eine  Enge 
findet.  Zwei  niedrige  Höhenzüge  strecken  sich  von  Süden  her  in 
etwas  divergirenden  Richtungen  durch  die  kreisförmige  Ebene; 
die  westliche  zieht  über  Nördlingen  gegen  den  Wallerstein,  die 
östliche  über  den  Spitzberg  zum  Wenneberge. 

Jeder  dieser  Höhenzüge  besteht  aus  zwei  verschiedenen 
Theilen,  nämlich  aus  einer  alten  Unterlage  und  einer  jüngeren 
Krönung.  Die  alte  Unterlage  ist  zum  grössten  Theile  zersetztes 
archäisches  Gebirge,  Granit  oder  ein  flasriges  Hornblendegestein, 
das  wohl  auch  als  Diorit  bezeichnet  worden  ist.  Da  und  dort  sieht 
man  aber  auch  zwischen  diesen  archäischen  Trümmern  eingekeilte 
Stücke  von  rothem  oder  blauem  Keuperletten,  von  Unterlias,  von 
Amaltheenthon  oder  einzelne  Stufen  des  braunen  Jura.  Am  Wenne- 
berge  tritt   auch   ein   kleiner  Gang   von  jungem  Eruptivgestein 


,7* 


26o  ^cr  Ricskessel. 

auf.    Dies  sind  die  sichtbaren  Gipfel  der  versunkenen  Schollen, 
deren  Rest  die  Ebene  bedeckt. 

Die  Krönung  der  Höhenzüge  ist  aus  tertiären  Süsswasser- 
ablagerungen  gebildet,  bald  aus  einer  Schale  vonLittorinellenkalk, 
bald  aus  einer  Breccie,  welche  durch  Süsswasserkalk  gebunden 
ist,  in  den  bezeichnendsten  Fällen  aber  aus  grossschaligen  Sinter- 
bildungen, welche  von  gasreichen  Quellen  inmitten  des  tertiären 
Sees  aufgebaut  wurden.  Aus  solchen  Quellenbildungen  besteht 
insbesondere  der  steile  und  auffallende  Wallerstein,  welcher, 
einem  breiten  Granitrücken  aufgesetzt,  heute  nur  mehr  ein  Bruch- 
stück eines  einst  viel  grösseren,  glockenförmigen  Aufbaues  zeigt, 
und  welcher  mit  seinen  Genossen  am  Spitzberge  u.  A.  den  glocken- 
förmigen Gebilden  nicht  wenig  gleichen  mochte,  welchen  heute 
Pyramid-Lake  im  westlichen  Nevada  den  Namen  verdankt.^' 

In  diesen  Quellenbildungen  nun  hat  Fraas  einen  unerwarteten 
Reichthum  an  organischen  Resten,  Knochen,  Federn  und  Eier  von 
Vögeln  und  Bruchstücke  kleiner  Säugethiere  entdeckt  und  durch 
sie  den  Nachweis  geboten,  dass  diese  Quellgebilde  die  Nistplätze 
zahlreicher  Pelikane  und  Enten  mitten  in  dem  tertiären  See  ge- 
wesen seien. 

Die  Schollen  des  gesunkenen  Gebirges  ausserhalb  dieser 
Höhenzüge  sind,  wie  wir  eben  sagten,  von  der  Ebene  bedeckt. 
Da  und  dort  lagert  noch  etwas  vulcanischer  Tuff  an;  Braunkohle- 
führendes Tertiärland  und  Lehm  bilden  den  Boden  der  Ebene  selbst ; 
sie  sind  stellenweise  mit  200  Fuss  nicht  durchsunken  worden. 

Nähern  wir  uns  nun  dem  äusseren  Rande  der  Ebene,  so  er- 
gibt sich  eine  grosse  Schwierigkeit  in  der  tektonischen  Umgren- 
zung des  Einsturzes.  Rings  um  den  Rand  des  Kessels  ist  alles 
Gebirge  bis  auf  eine  nicht  geringe  Entfernung  von  demselben 
verstürzt  und  zerbrochen.  Weithin  ist  ferner  der  Rand  des  Ries 
mit  Travertinbildungen  oder  mit  einer  Breccie  von  tertiärem  Alter 
überklebt.  Bald  kommt  unter  diesem  Granit  hervor,  bald  ragen 
längs  dem  Rande  gereihte  Riffe  von  weissem  Jura  auf,  in  steiler 
Schichtstellung,  verstürzt  und  nicht  selten  durch  den  Druck  so 
vollständig  zertrümmert,  dass  ein  leichter  Schlag  genügt,  um  den 
Kalkstein  in  zahlreiche  eckige  Stückchen  auseinanderfallen  zu 
lassen. 


Vulcane  im  Ries.  201 

In  vereinzelten  Gräben  zwischen  diesem  zerrütteten  Rand- 
gebirge und  ausserhalb  der  Ebene  des  Ries  stehen  die  merk- 
würdigsten Eruptionsstellen  dieser  Gegend.  Ich  habe  jene  am 
Heerhofe  südlich  von  Kirchheim  und  an  der  alten  Bürg  (Dom- 
bruch) westlich  von  Edernheim  kennen  gelernt. 

Am  Heerhofe  sieht  man  zwischen  jurassischen  Bergen  einen 
breiten  und  gerundeten  Bühl,  welcher  aus  grobgeschichteten  Mas- 
sen von  Asche  und  Auswürflingen  besteht.  Die  etwas  abweichende 
Fallrichtung  in  zwei  benachbarten  Brüchen  deutet  wohl  die  Aus- 
bruchsstelle an.  Man  sieht  weder  Gänge  noch  Ergüsse,  aber  in  der 
Asche  liegen  zahlreiche  Schlackenfetzen  von  ohrförmiger  oder 
Spiral  eingerollter  Gestalt,  zuweilen  kometenartig  nach  rückwärts 
zu  einem  langen  Schwänze  ausgezogen,  einstens  rotirende  Tropfen, 
im  Niederfallen  flachgedrückt  und  so  erstarrt.  Sie  lassen  über  die 
unmittelbare  Nähe  des  Schlotes  keinen  Zweifel. 

An  der  alten  Bürg  gibt  es  ähnliche  Boliden;  viele  Stücke  von 
archäischem  Gebirge  liegen  in  der  Asche,  und  ein  grosser  Block 
von  jurassischer  Breccie  ist  in  dieselbe  eingesunken. 

Schon  vor  Jahren  folgerte  Gümbel  aus  dem  Vorkommen  ein- 
zelner Bomben  im  Ries,  dass  wahre  Eruptionsstellen  innerhalb 
dieses  Gebietes  vorhanden  seien.  Gerade  der  Mangel  an  Gängen 
und  Ergüssen  an  diesen  Stellen  erinnert  an  die  wechselnden  Aus- 
bruchsstellen der  phlegräischen  Felder,  an  M.  Nuovo  und  ähn- 
liche Berge,  welche,  durch  einen  einzigen  Ausbruch  gebildet, 
nicht  bleibend  zu  Ausbruchsstellen  geworden  sind.  — 

Die  Frage,  ob  der  Rieskessel  als  ein  selbständiger  kesseiför- 
miger Einbruch  der  Erdrinde  anzusehen  sei,  wofür  der  kreisförmige 
Umriss  der  Ebene  spricht,  oder  ob  das  Absinken  zwischen  langen 
geradlinigen  Brüchen  stattgefunden  habe,  welche  über  die  Gegend 
des  Ries  hinausreichen,  ist  nur  schwer  zu  entscheiden.  Durch 
Deffner  und  Fraas  wurde  in  dem  zertrümmerten  Randgebirge  des 
Ries  eine  Anzahl  geradliniger  Brüche  erkannt  und  mit  Namen 
wie  die  Sigart-Hürnheimer  Axe,  die  Zipplinger  Axe  u.  A.  belegt, 
und  wurde  ferner  in  diesem  Gebiete  eine  Anzahl  kleiner,  abge- 
trennter , Umwälzungssporaden*  ausgeschieden,  unter  welchen 
das  kleine  Einbruchsfeld  von  Herdtfeldhausen  das  merkwürdig- 
ste ist. 


202  Kreisförmiger  Umriss  des  Rieskessels. 

Die  bedeutendste  selbständige  Bruchlinie  ist  jedenfalls  die 
Linie  Sigart-Hürnheim,  auch  die  Utzmemminger  Linie  genannt, 
welche  von  Nordwest  gegen  Südost  streicht,  als  Tangente  dem 
südwestlichen  Theile  des  Riesgebietes  sich  nähert  und  von  kleinen 
Parallelbrüchen  begleitet  ist.  An  dem  südwestlichen  Rande  des 
Ries  kann  man  sogar  einen  vom  unteren  braunen  Jura  bis  in  den 
weissen  Jura  reichenden  Schichtencomplex  sehen,  welcher,  vier- 
mal durch  Verwerfungen  gekreuzt  und  eben  so  oft  sich  wieder- 
holend, mit  seiner  ganzen  Mächtigkeit  vom  Rieskessel  ab-  und  süd- 
südwestlich gegen  die  Utzmemminger  Bruchlinie  geneigt  ist. 

Diese  und  ähnliche  Umstände,  insbesondere  die  geringen 
Dimensionen,  bis  zu  welchen  die  Einbruchsstellen,  z.  B.  bei  Herdt- 
feldhausen,  herabsinken  können,  der  kreisförmige  Umriss  des 
kleinen  Einbruches  von  Steinheim,  die  weitgehende  Zerbröckelung 
des  Jurakalkes  am  Rande  des  Ries,  dann  die  Angaben  von  dem 
Vorkommen  anderer  ausgedehnter,  doch  in  verticalem  Sinne  min- 
der ausgeprägter  Senkungsfelder  in  der  Nähe  des  Ries,  wie  bei 
Neresheim,  dann  zwischen  Ellenberg  und  Bopfingen,  endlich  in 
Begleitung  vulcanischer  Vorkommnisse  bei  Urach,  haben  in  mir 
den  Eindruck  zurückgelassen,  dass  dreieckige  oder  trapezoidale 
Schollen  durch  die  Verschneidung  mehrerer  Brüche  umgrenzt 
werden,  und  dass  bei  dem  Vorschreiten  des  Einsinkens  durch  das 
Abdrücken  der  Ecken  das  Dreieck  zum  Sechseck,  das  Viereck  zum 
Achtecke  wird,  bis  durch  die  mehr  oder  minder  regelmässige  Ver- 
mehrung der  Seiten  des  Polygons  in  staffeiförmigen  Brüchen 
der  kreisförmige  Umriss  des  inneren  Senkungsfeldes  erreicht 
wird,  welcher  nun  von  einem  Saume  zertrümmerten  Gebirges 
umgeben  ist. 

Auf  diesem  Wege  mögen  hier,  getrennt  von  einander,  grosse 
und  kleine,  tiefe  oder  minder  tiefe,  von  vulcanischen  Ausbrüchen 
begleitete  oder  nicht  begleitete  Einbrüche  entstanden  sein.  Den 
Einbrüchen  ist  aber,  wie  in  so  vielen  Senkungsgebieten,  ein  an- 
derer Vorgang,  und  zwar,  wie  es  scheint,  hier  erst  viel  später,  nach- 
gefolgt, nämlich  die  Ueberschiebung  einzelner  Gebirgsstücke  über 
andere.  Fraas  hat  eine  solche  Ueberschiebung  auf  einer  geschlif- 
fenen und  gestriemten  Oberfläche  von  weissem  Jura  y  bei  dem 
Tunnel  von  Lauchheim   westlich   vom  Ries   nachgewiesen,   und 


Höhgau.  263 

später  hat  Defifner  die  Ueberschiebung  einer  grossen  Masse  von 
braunem  und  etwas  weissem  Jura  noch  näher  am  Ries,  nämlich 
am  Buchberge  bei  Bopfingen,  auf  das  Genaueste  festgestellt.  Die 
geschliffene  Ueberschiebungsfläche  gehört  auch  hier  dem  weissen 
Jura  Y  an ;  die  Richtung  der  Bewegung  war  Ostnordost  — West- 
südwest, und  es  wurde  ermittelt,  dass  die  scheuernden  Ouarz- 
körner  auf  dieser  Fläche  nicht  aus  dem  überschobenen  braunen 
Jura  stammen,  sondern  aus  einer  Sandablagerung,  welche  wahr- 
scheinlich jünger  ist  als  die  Tertiärformation.  — 

Entfernt  vom  Ries,  nahe  dem  südwestlichen  Ende  der  schwä- 
bischen Alb,  schon  im  Angesichte  der  Hochgebirge  der  Schweiz, 
befindet  sich  das  Einbruchsfeld  des  Höhgaues.  Grosse  vulcani- 
sche  Massen  erheben  sich  in  seinem  Innern,  und  die  Aschenkegel 
dieser  Vulcane  haben  vielleicht  einmal  die  ganze  Fläche  des  Ein- 
bruchsfeldes eingenommen.  Der  Umriss  nähert  sich  mehr  einem 
Vierecke  als  einem  Kreise,  und  die  grösste  Dimension  beträgt 
etwa  18  Km.  Das  Einbruchsfeld  ist  nicht  geschlossen,  sondern 
südwärts  gegen  den  Bodensee  offen.  Flaches  Torfland  begrenzt 
scharf  gegen  innen  auf  längere  Strecken  den  Bruchrand.  In  der 
Mitte  der  Senkung  ragt  zunächst  eine  breite  Gruppe  vielfach  mit- 
einander verbundener  Hügel  von  Süsswassermolasse,  vulcanischem 
Tuff  und  erratischem  Haufwerke  empor,  und  aus  diesem  erheben 
sich  die  vulcanischen  Zacken.'*^ 

Die  westlichen  Ausbrüche,  zu  welchen  der  Hohenstoffel  ge- 
hört, sind  basaltisch,  die  östlichen  Berge,  der  Hohentwiel,  Hohen- 
krähen  und  Mägdeberg,  bestehen  aus  Phonolith.  Fraas  hat  die 
Meinung  ausgesprochen,  dass  so  steile  Massen  wie  der  Twiel  in 
der  Asche  selbst  erstarrt  seien;  in  der  That  sieht  man  an  dem- 
selben, und  insbesondere  an  seiner  Westseite,  beträchtliche  Theile 
der  alten  Aschenhülle,  und  die  scharfe  Erhaltung  des  Umrisses  der 
zartesten  sechseckigen  Gllmmerplättchen  zeigt,  dass  diese  Asche 
seit  ihrer  Aufschüttung  nicht  umgewaschen  worden  ist. 

Die  Rundsicht  vom  Hohentwiel  erachte  ich  für  eines  der  lehr- 
reichsten Bilder,  welche  mir  jemals  in  Bezug  auf  das  Verhalten 
verschiedener  Gebirgssysteme  zu  einander  vor  das  Auge  getreten 
sind.  Nach  drei  Seiten  umgibt  den  Berg  der  Einbruch  des  Jura- 
gebirges,  und   nur  seine   dazwischentretenden   vulcanischen  Be- 


264  ^^®  Horste. 

gleiter  hindern  den  Ueberblick  des  Bruchrandes.  Südwärts  zieht 
sich  flaches  Land  weit  hinaus,  und  am  Ufer  des  Untersees  erkennt 
man  die  Hügel  der  Süsswassermolasse  von  Oeningen,  in  welche 
die  Einstreuungen  der  Hohgau-Asche  erfolgt  sind  w^ährend  des 
Daseins  jener  reichen  Flora,  die  uns  durch  Heer's  Bemühungen  so 
deutlich  bekannt  geworden  ist.  Und  jenseits  vom  Untersee,  hinter 
dem  dunklen  Umrisse  der  Stadt  Constanz  und  der  spiegelnden 
Fläche  des  Bodensees  thürmen  sich  die  gewaltigen  Luftsättel  des 
Säntis,  wie  eine  überwältigend  vortretende  Brandung  der  Erd- 
masse selbst. 

E,  Die  Horste. 

Wir  steigen  über  den  Schw^arzwald  ins  Rheinthal.  Dort  hat 
scholl  vor  vielen  Jahren  filie  de  Beaumont  das  Vorhandensein  zahl- 
reicher Verwerfungen  nachgewiesen,  welche  ziemlich  parallel  gegen 
Nordnordost  streichen  und  die  beiden  dem  Rhein  zugekehrten 
Abhänge  des  Schwarzwaldes  und  der  Vogesen  in  Streifen  zer- 
legen. Nach  Beaumont's  Ansicht  erfolgte  zuerst  eine  Aufwölbung 
des  ganzen  Landes,  welche  beide  Gebirge,  Vogesen  und  Schwarz- 
wald, umfasste,  und  hierauf  ein  beiderseits  treppenförmiger  Ab- 
sturz ins  heutige  Rheinthal.  Der  Umstand,  dass  auf  den  höheren 
Theilen  der  Vogesen  nur  Vogesensandstein  zu  finden  ist,  der 
bunte  Sandstein  dagegen  erst  in  den  tieferen  Treppen  sichtbar 
wird,  und  die  durch  geneigte  Lage  der  abgesunkenen  Streifen 
herbeigeführte  scheinbare  Discordanz  des  bunten  Sandsteins  gegen 
den  höher  liegenden  Vogesensandstein  veranlassten  ihn  zu  der 
Meinung,  dass  der  Vogesensandstein  trocken  gelegt  worden  sei, 
und  dass  der  bunte  Sandstein  sich  an  dem  Fusse  des  Gebirges 
abgelagert  habe.'*^ 

Diesen  Irrthum  hat  zuerst  Bleicher  im  Jahre  1870  berichtigt. 
Dass  der  Vogesensandstein  nur  selten  vom  bunten  Sandstein  be- 
deckt werde,  schreibt  Bleicher  lediglich  der  weitgehenden  Ab- 
schwemmung der  jüngeren  Schichten  zu  und  spricht  mit  Bestimmt- 
heit aus,  dass  der  Vogesensandstein  einstens  nicht  nur  vom  bunten 
Sandstein,  sondern  von  der  ganzen  Trias-  und  Juraformation  be- 
deckt gewesen  sei,  welche  von  Lothringen  her  über  dieses  ganze 
Gebiet  sich  bis  nach  Württemberg  erstreckte.^^ 


Bedeutung  der  Horste.  265 

Eine  lebhafte  Discussion  hat  sich  noch  in  den  letzten  Jahren 
über  Beaumont's  Ansichten  erhoben;  die  Discordanz  zwischen  Vo- 
gesensandstein  und  buntem  Sandstein  hat  noch  bis  in  die  neueste 
Zeit,  namentlich  in  Baden  Vertheidiger  gefunden,  aber  ich  meine, 
dass  nach  Benecke's  Darstellung  der  Sachlage  diese  Frage  als 
gegen  Beaumont  entschieden  anzusehen  ist/^  Dabei  bleibt  dem 
grossen  französischen  Forscher  ungeschmälert  das  Verdienst, 
die  Lage  der  wichtigsten  Bruchlinien  und  die  Hauptzüge  des 
eigenthümlichen  Baues  des  Rheinthaies  zuerst  richtig  erkannt 
zu  haben. 

Kreuzen  wir  nun  die  Vogesen,  so  finden  wir  nicht  nur  an 
ihrem  Westabhange,  sondern  weithin  um  viele  Theile  des  fran- 
zösischen Centralplateaus,  sowie  insbesondere  um  sein  nordöst- 
liches Vorgebirge,  den  Morvan,  in  grosser  Anzahl  ähnliche  Ver- 
werfungen, wie  sie  soeben  aus  Baiern  und  Württemberg  beschrie- 
ben worden  sind.  Die  neuere  französische  Literatur  enthält  viele 
Beweise  hiefür.  Es  kann  demnach  kein  Zweifel  darüber  herrschen, 
dciss  ringsum  die  genannten  Gebirge,  an  den  Rändern  des  bairi- 
schen  und  Thüringerwaldes,  um  den  Schwarzwald  und  die  Vo-  ^ 
gesen,  um  den  Odenwald  und  weithin  gegen  West  um  einengrossen 
Theil  des  französischen  Centralplateaus,  die  Tafeln  mesozoischer 
Schichten  eingesunken  sind,  und  dass  aus  dieser  allgemeinen 
Einsenkung  die  genannten  Gebirge  als  Horste  hervor- 
ragen, selbst  nur  Stücke  alter,  gefalteter  Gebirge,  deren  Streichen 
gar  häufig  mit  ihrem  Umrisse  nicht  übereinstimmt,  und  deren 
archäisches  Gestein  nur  durch  Abwaschung  sichtbar  geworden  ist. 
Man  wird  sich  vorstellen  dürfen,  dass  vom  Centralplateau  bis  an 
.  den  Böhmerwald  eine  gemeinschaftliche  und  zusammenhängende 
Unterlage  von  paläozoischen  und  archäischen  Bildungen  bestand, 
auf  welche  die  Schichten  der  Trias-  und  Jurameere  abgelagert 
wurden,  deren  Ufer  uns  heute  nirgends  in  diesem  weiten  Gebiete 
erhalten  sind.  Wir  wissen  nicht,  ob  dieselben  einen  grösseren  oder 
nur  einen  geringeren  Theil  der  beiden  grösseren  Plateaux,  näm- 
lich des  böhmischen  und  des  französischen,  bedeckt  haben,  doch 
kann  zwischen  diesen  beiden  grossen  Massen  eine  sehr  beträcht- 
liche Unterbrechung  des  Meeres  nicht  als  erwiesen  angesehen 
werden.    Diese  gemeinschaftliche  Unterlage  nun  mit  allen  meso- 


206  Zusammenhang  der  Horste. 

zoischen  Schichten  ist  zur  Tiefe  gegangen,  und  die  Horste,  welche 
zwischen  den  einzelnen  Senkungsfeldern  stehen  blieben,  verdanken 
ihre  heutige  Höhe  nicht  eigener  Erhebung,  sondern  diesem  allge- 
meinen Absinken  der  Umgebung.  Man  müsste  auf  Vogesen, 
Schwarzwald  und  ihre  nördlichen  Fortsetzungen  die  ganze  Mäch- 
tigkeit der  Trias  und  des  Jura  aufthürmen,  um  das  wahre  Maass 
der  Bewegungen  der  Erdrinde  nach  abwärts  und  der  seither  ein- 
getretenen Abwaschung  zu  versinnlichen. 

Es  kann  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  ganze 
böhmische  Masse  einer  weitgehenden  Denudation  unterworfen  war 
vor  Ablagerung  der  carbonischen  Flötze;  es  ist  eine  zweite  De- 
nudation eingetreten  vor  der  Ablagerung  des  Rothliegenden;  es 
ist  der  Cenomanstufe  wieder  eine  sehr  ausgedehnte  Entblössung 
und  Abrasion  vorangegangen.  Aehnlich  verhält  es  sich  auf  dem 
französischen  Centralplateau  und  auch  auf  jener  ausgebreiteten 
Scholle,  welche  einen  grossen  Theil  der  iberischen  Halbinsel  ein- 
nimmt und  welcher  bald  unter  dem  Namen  der  iberischen  Meseta 
zu  besprechen  sein  wird.  Es  fehlt  noch  jeder  Ueberblick  über  den 
zeitlichen  Zusammenhang  dieser  Vorgänge.  Dagegen  treten  die 
ersten  Linien  des  räumlichen  Zusammenhanges  hervor.  Schon 
sucht  man  in  den  Kohlenflötzen  von  Rochebrune,  am  Südrande 
der  Vogesen,  die  Fortsetzung  der  Flötze  des  Morvan.  Indem  die 
mesozoischen  Tafeln  zur  Tiefe  gehen,  enthüllt  sich  auf 
den  Horsten  ein  älteres  Europa. 

Die  Vorstellung,  dass  die  Ränder  dieser  Horste  als  Ufer- 
ränder der  mesozoischen  Zeit  anzusehen  seien,  ist  ganz  unhaltbar; 
schon  die  Verbreitung  einzelner  hervorragender  Glieder,  wie  des 
Muschelkalkes,  welcher  die  Rheingebirge  rings  umgibt,  um  inner- 
halb der  Niederung  von  Paris  zu  enden,  zeigt  dies  recht  deutlich. 
Aber  ebenso  irrig  wäre  die  Meinung,  dass  allenthalben  einheitlich 
fortlaufende  peripherische  Rapdklüfte  diese  Massen  abgrenzen. 
Sprünge  verschiedener  Art,  in  vielen  Fällen  wahre  Radialsprünge, 
setzen  aus  den  gesunkenen  mesozoischen  Schollen  in  die  alten 
Gneiss-  oder  Granitmassen  fort  und  sind  dort  in  der  Regel  durch 
Quarz-  oder  Schwerspathgänge  bezeichnet. 

Die  Umrisse  der  Horste  selbst  werden  durch  solche  Sprünge 
beeinflusst.    Die  Art  und  Weise,  in  welcher  nach  Grebe's  Auf- 


Gangspalten .  267 

nahmen  die  mesozoischen  Tafeln  an  einem  Netze  theils  nordöst- 
lich und  theils  nordnordöstlich  streichender  Brüche  zu  beiden  Seiten 
vom  Hochwalde  bei  Trier  absinken  und  hiedurch  den  Hochwald 
wie  einen  Sporn  in  das  Senkungsfeld  von  Paris  ragen  lassen,  ist 
ein  treffliches  Beispiel,  um  zu  zeigen,  wie  schwer  es  ist,  eine 
bestimmte  Regel  für  die  Art  der  Umgrenzung  der  Senkungsfelder 
aufzustellen.^^ 

Die  Brüche,  welche  den  nördlichen  und  westlichen  Morvan 
nach  M.  L^vy  und  V^lain  ,in  Tangenten*  umgeben  und  das  ge- 
schichtete Gebirge  treppenförmig  abfallen  lassen,  sind  zuweilen 
von  Quarzgängen  begleitet,  wohl  auch  von  Gängen  von  rothem 
Hornstein,  Flussspath  und  Baryt.  Auf  der  Höhe  des  Morvan 
liegen  in  den  Verwerfungen  Bruchstücke  des  Lias.'*^ 

Ueberhaupt  zeigen  sich  in  dem  Randgebiete  des  französischen 
Centralplateaus  die  Merkmale  der  Senkung  und  Denudation  noch 
viel  deutlicher  als  in  Süddeutschland.*** 

In  den  Vogesen  hat  schon  Beaumont  den  Zusammenhang  der 
Verwerfungen,  der  Erzgänge  und  der  mächtigen,  zuweilen  meh- 
rere hundert  Fuss  über  die  Umgegend  aufragenden  Quarzmauern 
anerkannt  und  ausführlich  besprochen.**^  Neben  den  in  der  Rich- 
tung der  Rheinspalten  streichenden  Gängen  im  Granit  mag  hier 
nur  im  Südosten  des  grossen  O.  35°  N.  laufenden  Quarzganges 
von  Val  d'Ajol  gedacht  sein,  in  dessen  Nähe  die  Thermen  von 
Plombieres  liegen. 

Der  Quellstollen  selbst  durchschneidet  Gänge,  welche  Quarz, 
Flussspath,  Schwerspath  und  Kiese  führen,  und  die  Quellen  haben 
bekanntlich  nach  Daubree's  meisterhaften  Untersuchungen  in  dem 
römischen  Mauerwerke  Flussspath  gebildet.^" 

An  dem  Westrande  des  grossen  fränkisch -schwäbischen 
Senkungsfeldes  fehlt  es  nicht  an  ähnlichen  Gängen;  sie  haben 
hier  vorherrschend  die  Richtung  von  Radialsprüngen. 

Es  mag  zuerst  der  von  Benecke  und  Cohen  beschriebene 
Schriesheimer  Schwerspathgang  genannt  sein,  welcher  ostsüdöst- 
lich streicht.^* 

Auf  den  breiten  Streifen  von  Buntsandstein,  welcher  südlich 
von  Pforzheim  ins  Rheinthal  hinübersetzt,  befinden  sich  zahlreiche 
südöstlich  streichende  Gänge,  und  weiter  gegen  Süd  folgen  mit 


208  Gänge  des  Kinzigthales. 

gleichem  Streichen  die  Gänge  von  Neu-Bulach;  ihre  Ausfüllung 
ist  vorherrschend  barytisch,  und  sie  finden  ihre  weitere  Fortsetzung 
in  Brüchen  der  Triasformation,  namentlich  in  der  von  Bach  be- 
schriebenen Hochsträss-Verwerfung,^''  welche  gleichfalls  südöst- 
lich streicht  und  sie  mit  dem  Bruchnetze  der  schwäbischen  Trias 
verbindet. 

Noch  auffallender  ist  diese  Verbindung  etwas  weiter  im 
Süden. 

Bei  Freudenstadt,  auf  württembergischem  Gebiete,  sinkt  näm- 
lich, wie  Paulus  gezeigt  hat,  zwischen  zwei  parallelen  und  etwa 
8  Km.  von  einander  entfernten  Verwerfungen,  welche  gegen  Süd- 
ost verlaufen,  eine  beträchtliche  Scholle  von  Muschelkalk  in  den 
bunten  Sandstein  ein.  Hier  befinden  wir  uns  bereits  ganz  in  dem 
Gebiete  von  Deffner's  Radialspalten.  Beide  Verwerfungen  sind 
durch  Spalten  bezeichnet,  welche  auf  grosse  Strecken  hin  von 
Schwerspathgängen  ausgefüllt  sind,  welche  in  der  Tiefe  in  Quarz- 
gänge übergehen  und  Kupfer  und  etwas  Bleiglanz  führen.  Zwi- 
schen beiden  Hauptgängen  erscheint  noch  eine  Gruppe  kleinerer, 
ebenfalls  paralleler  Schwerspathgänge.^^ 

Diese  Gänge,  welche,  wie  gesagt,  in  Einbruchslinien  der 
schwäbischen  Trias  liegen,  sind  aber  nur  ein  Theil  einer  ausge- 
dehnten Gruppe  von  Gängen,  welche  über  Rippoldsau  und  Wit- 
tichen  im  Kinzigthale  ihre  grösste  Entwicklung  finden,  und  sie 
zeigen,  dass  die  Klüfte,  an  welchen  die  Trias  verworfen  wurde, 
weit  in  den  archäischen  Kern  des  Schwarzwaldes  hineinreichen. 
Diesen  Zusammenhang  haben  alle  Beobachter  anerkannt,  insbe- 
sondere auch  F.  Sandberger,  welcher  die  Gänge  des  Kinzigthales 
auf  das  Genaueste  untersucht  hat.^*  — 

An  den  Gehängen  des  bairischen  Waldes  sind  die  Verhält- 
nisse viel  grössere  und  es  treten  bemerkenswerthe  Abänderungen 
ein.  Um  aber  die  Structur  dieses  Gebirgsrandes  deutlicher  dar- 
stellen zu  können,  will  ich  einige  Worte  über  ein  ähnliches  Gebiet, 
das  nördliche  Schottland,  vorausschicken. 

Archäische  und  silurische  Gesteine  und  alter  rother  Sandstein 
setzen,  vielfach  in  parallele  Falten  gelegt,  dieses  rauhe  Gebirgs- 
land  zusammen.  Wohl  kannte  man  seit  langer  Zeit  kleine  verein- 
zelte Schollen  von  jurassischen  Ablagerungen,  wie  das  kohlen- 


Nordöstliches  Schottland.  269 

führende  Fragment  von  Brora,  aber  erst  in  neuerer  Zeit  wurde 
durch  Judd  gezeigt,  dass  dieses  ganze  Land  mit  der  heute  so  viel- 
gestaltigen Oberfläche  vor  Zeiten  mit  einer  Decke  von  Trias-  und 
Juraschichten  und  von  Ablagerungen  der  mittleren  und  oberen 
Kreide  bedeckt  war.  Die  geringen  Reste  dieser  Decken  sind 
theils,  und  zwar  namentlich  im  Westen,  unter  Bruchstücken  ter- 
tiärer Lavaergüsse  und  theils  durch  gewaltige  Verwerfungen  bis 
auf  den  heutigen  Tag  erhalten  geblieben.  Solche  Verwerfungen 
nehmen  einen  bestimmenden  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Küsten 
von  Sutherland  und  Ross.  An  diesen  Bruchlinien  ist  das  Land 
herabgesunken  unter  den  Dornoch  Firth  und  Moray  Firth.  Ein 
schmaler  und  sehr  unterbrochener  Saum  von  Trias-  und  Jurabil- 
dungen ist  unter  den  Verwerfungen  knapp  am  Rande  des  Meeres 
sichtbar.  In  Sutherland  wird  auf  eine  Strecke  hin  die  Verwerfung 
staffeiförmig,  und  ein  Saum  von  Mitteldevon  erscheint  auf  der 
höheren  Stufe,  oberer  Oolith  auf  der  tieferen,  lieber  diesen  Stufen 
steht  Granit  zu  Tage.  Alles  höhere  Land  bildet  Untersilur  und 
alter  rother  Sandstein,  während  unter  dem  wenig  tiefen  Meere 
vielleicht  auf  weite  Strecken  hin  die  mesozoischen  Ablagerungen 
noch  erhalten  sind.  Der  Bruch,  welcher  Moray  Firth  gegen  West 
begrenzt,  ist  aber  wahrscheinlich  die  Fortsetzung  jener  grossen 
Störung,  welche  am  caledonischen  Kanäle  das  ganze  Land  von 
Meer  zu  Meer  durchcjuert." 

Auch  hier  erscheint  die  Masse  des  alten  Gebirges  als  ein 
Horst;  an  seinen  zackigen  Rändern,  in  tieferem  Niveau  liegen  die 
mesozoischen  Ablagerungen. 

Auch  am  Fusse  der  Vogesen  kann  man  in  kleinerem  Mass- 
stabe einen  zackenförmigen  Umriss  wahrnehmen,  erzeugt  durch 
das  Herantreten  der  langen  einzelnen  Rheinbrüche  an  die  Sohle 
des  Flussthaies.  Würde  aber  heute  das  östliche  Baiern  und 
namentlich  das  Flussgebiet  der  Naab  vom  Meere  bedeckt,  so 
würde  das  böhmische  Festland  gegen  West  einen  Umriss  zeigen, 
welcher  in  den  Hauptzügen  jenem  des  nordöstlichen  Schottland 
gleichen  würde.  Die  Buchten  von  Weiden  und  Schwandorf  würden 
dem  Dornoch  und  Moray  Firth  entsprechen,  und  sowie  der  grosse 
Bruch  des  caledonischen  Kanals  an  der  Westseite  des  Moray 
Firth  sich  kennbar  macht  bis  in  die  Nähe  von  Tarbet.Ness,  würde 


270  Riesige  Quarzgänge. 

man  die  Fortsetzung  eines  viele  Meilen  langen  Bruches,  der  Linie 
des  Pfahls,  aus  dem  archäischen  Gebirge  hervortreten  und  die 
Nordgrenze  des  Busens  von  Schwandorf  bilden  sehen  bis  in  die 
Nähe  von  Amberg. 

Dieses  archäische  Gebirge  ist,  wie  wir  aus  den  umfangreichen 
und  mühsamen  Untersuchungen  GümbeFs  wissen,  im  Norden, 
namentlich  im  Fichtelgebirge,  gefaltet,  und  die  Falten  streichen 
gegen  Nordost,  so  dass  dieser  Theil  eine  Fortsetzung  des  Erz- 
gebirges bildet.  Im  Süden  dagegen  herrscht  ein  gleichförmiges 
Fallen  der  Schichten  gegen  Nordost,  so  dass  die  ältesten  Gebirgs- 
glieder  an  der  Donau  und  an  dem  Bruche  östlich  von  Amberg 
sichtbar  werden.  In  diesem  Gebirgslande  nun  erscheinen  mehrere 
riesige  Quarzzüge,  welche  ich  als  die  grössten  Denkmale  linearer 
Dislocation  ansehe,  die  überhaupt  in  unserem  Welttheile  be- 
kannt sind. 

Drei  dieser  Züge  sind  von  besonderer  Bedeutung: 

Den  ersten  haben  Reuss  und  Jokely  beschrieben.  Er  beginnt 
in  dem  nordwestlichsten  Theile  von  Böhmen,  nordwestlich  von 
Asch,  zieht  sich  gegen  Südost  quer  durch  den  Glimmerschiefer, 
den  Gneiss  und  den  Granit  des  Erzgebirges,  also  quer  durch  die 
wichtigsten  Gesteinszonen  der  Kette,  dann  quer  durch  den  schmalen 
Gneisszug,  welcher  bei  Seeberg  den  Südfuss  des  Erzgebirges  be- 
gleitet, verschwindet  unter  der  tertiären  Decke  der  kleinen  Nie- 
derung von  Franzensbad  und  Eger,  taucht  jenseits  derselben  im 
Granitgebirge  von  Sandau  sofort  wieder  hervor  und  erstreckt  sich 
in  demselben  bis  südlich  von  Königswart.  Die  Entfernung  der  End- 
punkte beträgt  beiläufig  40  Km.^^ 

Dieser  Quarzzug,  welcher  durch  die  Art,  in  welcher  er  das 
Erzgebirge  kreuzt,  sich  auf  eine  ganz  unzweifelhafte  Weise  als  ein 
Gang  zu  erkennen  gibt,  hat  zwar  nicht  einen  streng  linearen  Ver- 
lauf, entfernt  sich  jedoch  so  wenig  von  der  geraden  Richtung, 
dass  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  durch  das  Tertiärland 
getrennten  Theile  leicht  erkennbar  ist.  An  seinem  südlichen  Ende 
ist,  wie  Hochstetter  in  seinen  Studien  aus  dem  Böhmerwalde  ge- 
zeigt hat,  eine  nachträgliche  Störung  in  dem  Baue  des  Gebirges 
erkennbar.  An  dieses  Ende  des  ersten  Quarzzuges  schliessen  sich 
gegen  Südwest  kleinere  Gänge  oder  Trümmer,  und  noch  etwas 


Der  böhmische  Pfahl.  2  7  I 

weiter  gegen  Südwest,  als  wäre  eine  Verschiebung  eingetreten, 
tritt  bei  Hals  nordwestlich  von  Tachau  der  Anfang  des  zweiten 
grossen  Quarzzuges  hervor,  welchen  Hochstetter  zuerst  verfolgt 
und  den  böhmischen  Pfahl  genannt  hat.^^ 

Dieser  Zug,  dessen  ursprünglicher  Zusammenhang  mit  dem 
Zuge  von  Asch  höchst  wahrscheinlich  ist,  verläuft  im  Allgemeinen 
gegen  Südsüdost.  Anfangs  beschreibt  derselbe  eine  merkliche 
Krümmung  gegen  Ost,  dann  kehrt  er  in  die  gerade  Richtung  zu- 
rück und  tritt  in  der  Nähe  von  Fürth  über  die  bairische  Grenze; 
noch  am  westlichen  Abhänge  des  Hohen  Bogen  sieht  man  einige 
abgetrennte  kleinere  Gänge,  die  das  südliche  Ende  bezeichnen.^^ 

Die  Entfernung  der  Endpunkte  dieses  Zuges  beträgt  beiläufig 
55  Km.  Die  Mächtigkeit  ist  an  einzelnen  Stellen  30  M.,  an  an- 
deren scheint  sie  auf  70 — 100  M.  zu  steigen.  Der  Quarz  bezeichnet 
auf  eine  sehr  lange  Strecke  scharf  die  Grenze  zwischen  Gneiss 
und  Hornblendegestein ;  dieser  Umstand  und  seine  sehr  beträcht- 
liche Mächtigkeit  mögen  die  Veranlassung  sein,  dass  er  zuerst  als  ein 
Lager  aufgefasst  wurde;  aber  abgesehen  davon,  dass  an  einzelnen 
Punkten,  wo  das  Hornblendegestein  eine  Ausbuchtung  bildet,  der 
Quarz  dieser  Ausbuchtung  nicht  folgt,  sondern  dieselbe  in  gerader 
Linie  durchschneidet,  weicht  er  gegen  Süd  von  dieser  Grenze  ab 
und  tritt  ganz  in  die  Hornblendegesteine  über.  Es  ist  derselbe  also 
wirklich  ein  Gang,  gerade  so  wie  der  nördliche  Zug,  w^elcher  das 
Erzgebirge  durchschneidet,  und  der  Umstand,  dass  er  weithin  die 
Grenze  zweier  Felsarten  bezeichnet,  verräth  nur  das  ausser- 
ordentliche Ausmass  der  eingetretenen  Dislocation  und  der  Ab- 
waschung. 

Der  dritte  Quarzzug,  der  Pfahl,  Valium,  ist  von  allen  der 
beträchtlichste.  Einen  Theil  desselben  hat  Wineberger  verzeich- 
net; eine  eingehende  Darstellung  verdanken  wir  den  Arbeiten 
Gümbel's.s^ 

Der  Pfahl,  oder  wie  wir  ihn  zur  Unterscheidung  vom  böhmi- 
schen Pfahl  nennen  wollen,  der  grosse  Pfahl,  weicht  weniger 
von  der  geraden  Linie  ab  als  die  anderen  Züge.  Seine  Richtung 
ist  N.  58"  W.,  seine  Mächtigkeit  eine  wechselnde;  in  dem  gröss- 
ten  Theile  wenigstens  seiner  nördlichen  Hälfte  dürfte  sie  70  bis 
1 1  5  M.  im  Durchschnitte  betraijen.    Der  Pfahl  beginnt  am  Kolm- 


272  Der  grosse  Pfahl. 

berge  südöstlich  von  Amberg,  bezeichnet  von  hier  an  gegen  Süd- 
ost auf  eine  Strecke  von  etwa  44  Km.  die  Grenze  des  Granits 
gegen  Trias  und  braunen  Jura,  tritt  dann  westlich  von  Cham  ganz 
in  das  archäische  Gebiet  ein  und  verfolgt  unbeirrt  seine  gerade 
südöstliche  Richtung  über  Viechtach,  Grafenau  und  Freyung  bis 
an  die  österreichische  Grenze.  Die  gesammte  Länge  vom  Kolm- 
berge  bis  dahin  beläuft  sich  auf  etwas  mehr  als  150  Km.  Die  Yer- 
theilung  der  Gesteine  auf  oberösterreichischem  Gebiete  und  der 
vollkommen  übereinstimmende  Lauf  des  oberen  Mühlthales  machen 
es  aber  wahrscheinlich,  dass  die  Dislocation  noch  weiter  gegen 
Südost  reiche.  Gegen  Nordwest  erstreckt  sich  weit  über  Amberg 
hinaus  in  der  fortgesetzten  Richtung  des  grossen  Pfahls  eine  Stö- 
rung der  mesozoischen  Schichten,  begleitet  von  einem  Gange  von 
Eisenerz,  den  Gümbel  dem  tiefsten  Horizonte  der  Kreideablage- 
rungen dieser  Gegend  zuzählt. 

Auch  der  Pfahl  wurde  als  ein  Lager  aufgefasst.  Es  hat  jedoch 
Gümbel  selbst  die  gewichtigen  Bedenken  aufgezählt,  welche  die- 
ser Auffassung  entgegenstehen,  vor  Allem  seine  ausserordentlich 
lange,  gerade  Erstreckung,  welche,  es  darf  wohl  gesagt  werden, 
gar  kein  normales  Schichtgebilde,  am  wenigsten  in  archäischen 
Gebirgen,  an  irgend  einer  Stelle  Europa's  zeigt,  und  die  Wieder- 
holung gewisser  vorherrschender  Streichungsrichtungen  nördlich 
und  südlich  vom  Pfahl,  welche  denselben  nicht  ablenken.^"*  Bedenkt 
man  ausserdem,  dass  gegen  Nordwest  eine  Dislocation  sichtlich 
die  Richtung  des  Pfahl's  fortsetzt,  dass  ihm  zwischen  Kotzing  und 
Bodenmais  in  8 — S'/^  Km.  Entfernung  ein  Parallelzug  folgt,  dass 
der  südliche  Bruchrand  des  Gebirges  an  der  Donau  ihm  ebenfalls 
nahezu  parallel  ist,  und  dass  heute  wohl  Niemand  daran  zweifelt, 
dass  die  grossen  böhmischen  Quarzzüge  Gänge  seien,  so  muss 
man  auch  den  grossen  Pfahl  als  die  Ausfüllung  einer  grossen  Dis- 
locationskluft  anerkennen. 

Es  sind  viele  untergeordnete  Quarzzüge  neben  den  grossen 
Linien  vorhanden,  so  im  Granit  von  Tirschenreuth.  Es  treten  auch 
hier  barytische  Bleigänge  innerhalb  des  Gebietes  der  mesozoischen 
Brüche  auf. 

Das  schräge  Hervortreten  grosser  Brüche  aus  der  archäi- 
schen Masse  bleibt  bezeichnend  für  den  bairischen  Bruchrand  und 


Sudetische  Spuren.  -73 

veranlasst  die  grossen  Zacken  des  Umrisses,  welche  an  die  schot- 
tische  Ostküste  erinnern.  Hierin  besteht  völliore  Wrschiedenheit 
von  dem  einheitlichen  östlichen  Rande  der  böhmischen  Masse, 
welcher,  wie  wir  bereits  sahen,  als  die  Fortsetzung  des  Bruches, 
welcher  die  Sudeten  abtrennt,  einen  geschlossenen  Abhang  von 
Brunn  bis  an  die  Donau  bildet. 


F,  Siidetische  Spuren, 

An  dem  Gebirgsrande  längs  der  Donau,  unterhalb  von  Regens- 
burg, treten  nun  sehr  bemerkenswerthe  Erscheinungen  auf.  Das 
Rothliegende,  welches  wir  als  den  Begleiter  des  Gebirgsrandes 
kennen  gelernt  haben,  erscheint  zum  letzten  Male  bei  Donaustauf. 
Dann  kennt  man  es  nicht  mehr  um  den  ganzen  Südrand  der  böh- 
mischen Masse  herum,  bis  es  wieder  an  dem  östlichen  Bruchrandc 
bei  Zöbing  nördlich  von  Krems  sichtbar  wird.  Der  Gneiss  beginnt 
die  Donau  zu  überschreiten  und  versinkt  in  der  Gegend  südlich 
von  Engelhardtszell  in  Oberösterreich  sehr  allmälig  unter  der  ter- 
tiären Bedeckung. 

Schon  weit  von  Nordwest  her  erkennt  man  in  Franken,  wie 
einzelne  Glieder  der  Trias  und  des  Lias  an  Mächtigkeit  abnehmen 
und  verschwinden.  Jenseits  von  Regensburg  aber,  der  Donau  ent- 
lang gegen  Passau,  sieht  man,  was  sonst  in  dem  ganzen  Gebiete 
nicht  gesehen  wird,  einzelne  Schollen  des  oberen  Jura  sich  un- 
mittelbar an  die  äusseren,  der  grossen  Ebene  zugekehrten  Ge- 
hänge des  archäischen  Gebirges  legen,  so  namentlich  in  der  Nähe 
von  Straubing,  von  Hofkirchen  und  in  grösserer  Ausdehnung, 
allerdings  nur  durch  unterbrochene  Entblössungen  unter  dem  Ter- 
tiärlande bekannt,  südlich  von  der  Donau  bei  Ortenburg  und  noch 
näher  an  Passau.  Mittlere  und  obere  Kreide  begleiten  den  Jura 
auf  dieser  Strecke. 

Betrachten  wir  zuerst  die  Lagerung.  Am  unteren  Laufe  des 
Regen  schliesst  sich  Jura,  etwas  Lias  und  Keuper  in  steiler  Stel- 
lung an  den  Granit,  südlich  von  Regenstauf  sind  die  Schichten 
überworfen  und  fallen  unter  den  Granit.  Die  letzte  mit  der  Haupt- 
masse des  fränkischen  Jura  noch  in  unmittell^arer  Verbindung 
stehende  Scholle  erreicht,  steil  an  Granit  gelohnt,  zwischen  Regens- 

Suess,   Das  Antlitz  der  l'>(lo.  I  <S 


2  74  Schieb tfolgc  bei  Passau.  Trumsee. 

bürg  und  der  Walhalla  die  Donau.  Der  Umriss  des  Granitgebirges 
bildet  fast  einen  rechten  Winkel.  Bei  Donaustauf  erscheint  zum 
letzten  Male  das  Rothliegende. 

Die  vereinzelten  Stücke  der  Juraformation,  welche  bei  Strau- 
bing noch  von  Keuper  begleitet  sind,  haben  grosse  Störungen 
erfahren ;  bei  Voglarn  unweit  von  Ortenburg  ist  sogar,  wie  bereits 
gesagt  worden  ist,  eine  Synklinale,  nach  abwärts  gerichtete 
Falte  vorhanden,  deren  Mitte  aus  Gneiss  besteht,  während  die 
beiden  Flügel  aus  überworfenen  Juraschichten  gebildet  sind,  und 
unter  diese  Juraschichten  taucht  noch  die  Kreide  hinab,  welche 
auch  an  dieser  ausserordentlichen  Bewegung  theilgenommen  hat. 
(S.  182).'' 

Zugleich  tritt,  je  mehr  man  sich  von  Regensburg  entfernt,  eine 
um  so  grössere  Veränderung  in  der  Zusammensetzung  der  juras- 
sischen Ablagerungen  ein ;  der  Lias  verschwindet ;  mittlerer  und 
oberer  brauner  Jura  vereinigen  in  einer  Bank  sonst  getrennte 
Formen,  wie  bei  Krakau,  und  eine  Anzahl  von  Arten,  welche  mit 
dem  braunen  Jura  Krakau's  gemein  sind,  zeigt  sich.  Ebenso  auf- 
fallend ist  die  Veränderung  des  weissen  Jura ;  was  F.  Roemer  und 
Neumayr  vor  längerer  Zeit  vermutheten,  kann  nach  den  letzten  Ar- 
beiten von  Ammon  und  Uhlig  als  erwiesen  gelten,  nämlich  die  Ueber- 
einstimmungder  Jurabildungen  von  Passau  mit  den  vereinzelten  Vor- 
kommnissen von  Brunn  und  mit  den  Jurabildungen  des  Gebietes  von 
Krakau  und  der  einstige  Zusammenhang  dieser  Ablagerungen. ""^ 

Bei  Passau  endet  diese  an  das  alte  Gebirge  gelehnte  Zone 
von  Jura  und  Kreide,  aber  weit  gegen  Südsüdwest,  gerade  dort, 
wo  eine  von  Passau  gegen  Salzburg  gezogene  Linie  den  äusserstcn 
Saum  der  Alpen  durchschneiden  würde,  zeigen  sich  an  dem  Trum- 
see bei  Mattsee  fremdartige  Vorkommnisse,  Nummulitenreicher 
Grünsandstein,  die  Fortsetzung  der  Ablagerungen  des  Kressen- 
berges, bildet  hier  den  vordersten  Saum,  und  aus  ihm  besteht  der 
kleine,  schroff  in  den  See  vortretende  Wartberg.  Hart  an  dem 
Rande  des  Sees  sind  aber  an  ein  oder  zwei  ganz  beschränkten 
Punkten  Kreideablagerungen  mit  Belemnitella  bekannt,  und  am 
jenseitigen  Ufer  erhebt  sich  aus  dem  Flachlande,  südlich  von  dem 
Dorfe  Fruham,  eine  kleine  Kuppe  von  weissem,  vielleicht  juras- 
sischem Kalkstein,^^ 


Leitzcrsdorf.  Olomutschan.-  2  7  S 

Durch  eine  sehr  lange  Strecke  fehlt  nun  jede  ähnliche  Spur. 
Erst  jenseits  der  Donau  wiederholt  sich  Aehnliches  knapp  vor 
dem  äussersten  Saume  der  Alpen.  Bei  Leitzersdorf,  nördlich 
von  Stockerau,  knapp  vor  den  aufgerichteten  Schichten  des  alpinen 
Orbitoidenkalksteins,  wurde  blauer  Thon  angetroffen,  dessen 
reiche  Foraminiferen-Fauna  nach  F.  Karrer  mit  dem  westphälischen 
Senon,  der  Mucronatenkreide  von  Lemberg  und  mit  dem  böhmi- 
schen Baculitenthone  übereinstimmt.^^  Unweit  davon  ragt  aus  dem 
mit  fremden  Blöcken  beladenen  Mergel  und  Schiefer  der  Flyschzone 
ein  Stock  von  lichtem  Kalkstein  hervor,  welcher  vielleicht  von  juras- 
sischem Alter  ist.  Eine  steile,  glattgeschliffene  Blattfläche,  welche 
nordwestlich  streicht,  schneidet  denselben  gegen  Süden  ab. 

Nun  beginnt  in  der  Richtung  gegen  Nordnordost  knapp  vor 
dem  äusseren  Rande  der  weithin  versunkenen  Flyschzone  eine 
lange  Reihe  jurassischer  Berge,  welche  steil  aus  der  Ebene  herauf- 
ragen und  über  Ernstbrunn,  Staats,  Falkenstein,  zu  den  ebenfalls 
jurassischen  Folauer  Bergen  bei  Nikolsburg  ziehen.  Man  trifft  hier 
die  Schichten  von  Nattheim  in  Württemberg  mit  den  bezeichnend- 
sten Merkmalen  wieder,  dann  lichte,  tithonische  Kalksteine.  Die 
Erforschung  dieses  Zuges  ist  nicht  vollendet. 

Endlich  erreichen  wir  die  jurassischen  Schollen,  welche  bei 
Olomutschan  in  der  Nähe  von  Brunn  theils  auf  Syenit,  theils  auf 
mitteldevonischem  Kalkstein  lagern.  Die  Art  ihrer  Lagerung  lehrt, 
dass  der  grosse  Bruch  von  Brunn  und  der  Syenitstreifen  schon 
um  die  Mitte  der  Juraformation  beiläufig  in  derselben  Weise 
bestanden  wie  heute.  ,In  ihrer  Zusammensetzung*,  sagt  Uhlig  am 
Schlüsse  seiner  Untersuchungen  über  diese  Juraschichten,  »haben 
sie  die  meiste  Aehnlichkeit  mit  den  niederbairischenundschlesisch- 
polnischen  Jura- Ablagerungen  und  sind  als  der  letzte  Denudations- 
rest ehemals  ausgedehnter  Küstengebilde  zu  betrachten,  welche 
die  frühere  Verbindung  der  beiden  genannten  Gebiete  durch  einen 
den  Südrand  des  böhmischen  Massivs  umgebenden  Meeresarm 
beweisen. '^5 

Weit  von  dieser  merkwürdigen  Stelle,  an  der  grossen  Bruch- 
linie des  Riesen-  und  Isergebirges,  liegt  bis  nach  vSachsen  hin,  wie 
bereits  erwähnt  worden  ist,  ein  Saum  von  Jurakalk,  welcher,  be- 
gleitet von  mittlerer  und  oberer  Kreide,  ganz  wie  zwischen  Regens- 


1» 


* 


2  76  Jura  in  Böhmen. 

bürg  und  Passau  streckenweise  unter  den  Granit  geneigt  ist.  Nun 
hat  G.  Bruder  gezeigt,  dass  der  Jurakalk  von  Sternberg  bei  Zeid- 
1er,  welcher  diesem  Saume  angehört,  die  Zonen  des  Peltoc.  bimam- 
matum  und  der  OppeUa  tenuilobata  mit  Merkmalen  umfasst,  welche 
dieses  Gebiet  ebenfalls  der  polnisch- mährisch -niederbairischen 
Region  zuweisen. ^^ 

Dies  beweist  zunächst,  da  ältere  Theile  der  Juraformation  bei 
Brunn  horizontal  auf  Devon  und  Syenit  liegen,  dass  im  nördlichen 
Böhmen  auf  dem  Bruche  am  Fusse  des  Isergebirges  noch  spätere 
Bewegungen  eingetreten  sind  als  an  dem  Bruche  bei  Brunn.  Es 
sind  aber  ferner  diese  böhmisch-sächsischen  Jurakalke,  wie  schon 
ihre  Zusammensetzung  beweist,  gewiss  nicht  als  Ablagerungen  in 
einem  langen  und  schmalen  Fjord  anzusehen ;  auch  sie  sind  De- 
nudationsreste, durch  ihre  eigenthümliche  Lagerung  vor  der  gänz- 
lichen Zerstörung  bewahrte  Spuren  einer  weitreichenden  Trans- 
gression. 

So  zeigt  es  sich,  dass  die  Juraformation,  welche  bei  Kurd- 
wänow  unweit  von  Krakau  unter  den  Karpathen  verschwindet, 
südlich  von  dem  Berührungspunkte  von  Weisskirchen  (S.  246, 
Fig.  24)  mit  ähnlichen  Merkmalen  wiederkehrt,  nie  von  Lias,  fast 
immer  von  mittlerer  und  oberer  Kreide  begleitet.  IJeberall  fehlen 
die  Thone  mit  Waldh.  impressa ;  die  Zone  des  Peltoc.  bimamma- 
tum  tritt  stets  durch  ihre  Mächtigkeit  hervor. 

Wir  erkennen  ein  durch  viele  Merkmale  vereinigtes  Jura- 
gebiet, welches,  unbeirrt  durch  das  Vordrängen  der  Karpathen, 
von  Czenstochau  bis  Kurdwänow,  bis  Brunn,  dann  aus  dem  nord- 
östlichen Böhmen  bis  gegen  Meissen  in  Sachsen  und  an  der  Donau 
bis  gegen  Regensburg  sich  erstreckt. 

F,  Die  Be{ielmngcn  des  Alpeiuystems  -{ii  seinem  nördlichen 

Vorlande, 

Die  russische  Tafel  lässt  sich  mit  unveränderten  Merkmalen 
aus  dem  Norden  bis  in  die  Nähe  des  Ausscnrandes  der  östlichen 
Karpathen  verfolgen  und  scheint  unter  dieselben  hinabzusinken. 
Die  einzelnen  von  West  gegen  Ost  gereihten  Zonen  der  Sudeten 
treten   unmittelbar   an    den   äusseren   Rand   der  Westkarpathen 


Beziehungen  der  Alpen  zum  Vorlande.  2  7  7 

heran;  die  widerstandsfähigere  Juraformation  erscheint  sogar  noch 
an  dem  gefalteten  miocänen  Vorlande,  nur  2  Km.  vom  Gebirgs- 
rande.  Kreide,  Jura,  Trias  und  Carbon  tauchen  anscheinend 
nacheinander  unter  die  Karpathen  hinab;  jene  Glieder  der  Sudeten 
aber,  welche  heute  orographisch  hervortreten,  Culm  und  Devon, 
werden  bei  Weisskirchen  von  dem  Saume  der  Karpathen  berührt, 
welcher  sich  an  ihnen  zu  stauen  scheint.  Diese  stauenden  Glieder 
der  Sudeten  reichen  südlich  von  dem  Berührungspunkte  bis  an 
den  Bruch  von  Brunn ;  es  sind  aber  in  Mähren  südlich  von  der 
Berührungsstelle  einige  ziemlich  klare  Andeutungen  des  Wieder- 
erscheinens von  Spuren  der  versunkenen  Jurazone  vorhanden. 

Wo  die  Alpen  westlich  von  St.  Polten  sich  der  grossen 
archäischen  Masse  am  meisten  nähern  und  die  Ablenkung  gegen 
ihre  karpathischen  Bogen  beginnt,  dort  ist  diese  Masse  nackt; 
nicht  einmal  jene  Schollen  von  RothHegend  sind  hier  bekannt, 
welche  sonst  den  Abbruch  begleiten.  Von  Passau  an  gegen 
Donaustauf  liegt  dann  eine  Zone  von  Jurabildungen,  welche  noch 
immer  durch  einige  bemerkenswerthe  sudetische  Merkmale  aus- 
gezeichnet sind,  und  mit  derselben  trifft  man  Schollen  der  nordi- 
schen, wahrscheinlich  böhmischen  Kreideformation ;  der  Abbruch 
der  Masse  ist  überschoben  und  Bruch  und  Einklemmung  sind 
jüngere  als  die  mittlere  Kreide. 

Das  ganze  Trias-  und  Juragebiet  vom  Fichtelgebirge  und  bairi- 
schen  Walde  bis  zum  Schwarzwald  und  Odenwald  ist  in  grossen  und 
kleinen  Schollen  zur  Tiefe  gesunken  und  bricht  an  derDonau  endlich 
völlig  zur  Tiefe.  Hier,  vor  dem  Hauptbruche,  erfolgen  noch  einige 
grosse  Kesselbrüche  wie  im  Ries  und  Höhgau.  Die  das  Senkungs- 
feld gegen  Ost  und  West  umrahmenden  Gebirge  ragen  als  Pfeiler 
oder  Horste  aus  der  grossen  Senkung.  Einzelne  Brüche  dringen 
aus  dem  Senkungsfelde  auch  in  die  alten  Felsarten  der  Horste 
ein,  oft  nur  als  grosse  Ou^rzmauern  kennbar. 

Die  Brüche  der  Absenkung  setzen  sich  nun  auch  um  den 
südlichen  Schwarzwald  in  den  Tafeljura  fort,  und  wohl  mag  man 
die  Art  des  Vortretens  der  vordersten,  überschlagenen  Welle  des 
Kettenjura  (Bötzberg-Profil,  S.  150,  Fig.  10;  Habsburg,  S.  151, 
Fig.  1 1)  als  das  Anzeichen  des  thatsächlichen  Hinübertretens  eines 
Gliedes  des  Alpensystems  über  das  Vorland  ansehen. 


278  Alter  der  Einbrüche. 

Es  ergibt  sich  aber  Folgendes.  Oestlich  von  dem  südlichen 
Ende  der  böhmischen  Masse  scheinen  die  Alpen  sammt  dem  ganzen 
karpathischen  Bogen  über  zwei  andere  Gebirge  hinübergedrängt 
zu  sein,  nämlich  über  die  mesozoischen  Zonen  der  Sudeten  und 
über  die  russische  Tafel.  Ebenso  tritt  südlich  vom  Schwarzwald 
der  Kettenjura  über  den  gebrochenen  Tafeljura.  Zwischen  beiden 
Gebieten  jedoch,  vom  Schwarzwalde  bis  Regensburg,  wo  man  ein 
Herübertreten  über  das  fränkisch-schwäbische  Senkungsfeld  er- 
warten sollte,  hat  sich  der  ganze  den  Alpen  zunächst  liegende 
Theil  desselben  durch  den  grossen  Abbruch  längs  der  Donau  ab- 
getrennt und  dem  Auge  gänzlich  entzogen ;  die  Ebene  bedeckt 
ihn.  Es  ist  allerdings  möglich,  dass  dieser  Bruch  durch  das  Vor- 
dringen der  Alpen  bewirkt  wurde.  Die  allgemeine  Absenkung  des 
Trias-  und  Juragebietes  in  Franken  und  Schwaben  ist  aber  von  den 
Alpen  unabhängig;  das  zeigt  schon  der  Umstand,  dass  sie  sich 
gegen  Paris  hin  wiederholt. 

In  diesem  ganzen  Vorlande  sind  ctllerdings  alte  Faltungen 
nachweisbar;  es  sind  auch  seit  der  mesozoischen  Zeit  einzelne 
Ueberschiebungen  und  Einklemmungen,  wie  am  Buchberge  bei 
Bopfingen,  oder  bei  Voglarn,  oder  am  Fusse  des  Isergebirges, 
eingetreten,  ^ber  es  ist  nichts  vorhanden,  was  sich  nur  annähernd 
den  grossen  tangentialen  Bewegungen  des  Alpenrandes  ver- 
gleichen Hesse.  Die  Zerlegung  dieser  Spannung  ist  daher  in  diesem 
Gebiete  eine  sehr  ausgesprochene. 

Es  mag  hier  vorläufig  nur  an  Gosselet's  Meinung  über  die 
Beziehungen  des  belgischen  Kohlengebietes  und  der  Bewegung  auf 
der  Faille  du  midi  (S.  1 86)  zu  dem  dortigen  Vorlande  erinnert  sein 
und  an  Gilbert's  Ansicht,  dass  die  Ursache  der  Bewegung  in  den 
gefalteten  Appalachien  oberflächlich,  in  den  gesenkten  Basin 
Ranges  tiefliegend  sei  (S.  144). 

An  früherer  Stelle  wurde  bemerkt,  dass  der  Einbruch  der 
Alpen  bei  Wien  und  die  grossen  Einbrüche  des  Ostrandes  über 
Graz  bis  zum  Bachergebirge,  nach  der  Beschaffenheit  der  in  die 
Bruchfelder  eingedrungenen  und  den  Brüchen  discordant  ange- 
lagerten Tertiärschichten  zu  urtheilen,  einer  und  derselben  Stufe 
der  Tertiärformation,  nämlich  der  Stufe  der  Braunkohle  von  Pitten 
und  Eibiswald  mit  Mastodon  angustidens  angehören  (S.  178).  Diese 


Alter  des  äusseren  Bruchrandes.  ^79- 

Stufe  entspricht  dem  Alter  nach  sehr  genau  der  Süsswasser- 
molasse  von  Oeningen,  welcher  die  Asche  der  I  löhgau- Vulcane 
eingestreut  ist.  Insbesondere  ist  es  dieselbe  Landfauna,  welche  in 
Pitten  und  in  Oeningen  angetroffen  wird,  und  welche  wohl  auch 
die  Fauna  von  Sansans  genannt  worden  ist.  Die  Landfauna  des 
Süsswasserkalkes  von  Steinheim  und  die  Vogelfauna  des  Quellen- 
kalkes im  Ries  gehören,  wie  die  von  Fraas  ausgeführten  Unter- 
suchungen derselben  zeigen,  dieser  selben  Fauna  an. 

.  Diese  inneralpinen  und  ausseralpinen  Einbrüche  fallen  also 
der  Zeit  nach  nahe  aneinander,  und  es  ist  immerhin  möglich,  dass 
sie  ganz  gleichzeitigen  Ereignissen  ihren  Ursprung  verdanken. 

Es  gibt  einige  Anzeichen  dafür,  dass  der  äussere  Bruchrand 
älter  sei.  Glieder  der  ersten  Mediterranstufe  ziehen  sich  an  dem 
äusseren  Rande  der  böhmischen  Masse  von  Retz  über  Eggenburg 
und  Hörn,  wo  sie  spätere  Störungen  erlitten  haben,  in  vielen  ein- 
zelnen Vorkommnissen  über  Wiedenfeld  bei  Krems,  Melk,  Wallsee, 
Linz,  Ortenburg  bei  Fassau  u.  s.  w.  bis  gegen  den  Donaubruch  und 
scheinen,  so  viel  ich  diese  Sache  zu  beurtheilen  weiss,  an  diesem 
Bruche  auch  eine  ähnliche  Stellung  einzunehmen.  Diese  Ablage- 
rungen sind  älter  als  die  Landfauna  von  Oeningen,  Steinheim  und 
Eibiswald.  Sie  scheinen  in  die  erwähnten  Einbrüche  ausserhalb 
der  Alpen  ebensowenig  einzutreten  als  in  die  alpinen  Einbrüche. 


Aniiierkungen  zu  Abschnitt  I:  Das  nördliche  Vorland  des 

Alpensystenis. 


»  C.  Grewiiigk,  Geogn.  Karte  der  üstseeprovinzen  Liv-,  E>th-  uiul  Kurland; 
Archiv  für  Naturkunde,  Dorpat,   1879,  Bd.  VlII. 

2  A.  V.  Alth,  Ueber  die  pal»Hozoischeii  Gebilde  Podolien's  und  deren  Verstei- 
nerungen; Abhandl.  geol.  Reichsanst.  1874,  VIT,  insbes.  S.  I  — 21,  und  die  Ergänzung  dess.: 
Die  Gegend  von  Nizniow  und  das  Tlial  der  Zlota  Lipa  in  üstgalizien;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.  1877,  XXVII,  S.  319—340. 

3  Paul,  Grundzüge  der  Geol.  der  Bukowina;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1876,  XXVI, 
S.  328—330. 

4  ¥t.  Schmidt,  Einige  Bemerkungen  über  die  podol.-galiz.  Silurforraation  und  deren 
Petrefactcn;  Bull.  Acad.  St.-P6tersb.,   1875. 

5  A.  V.  Alth,  Die  Versteinerungen  des  Nizniover  Kalksteines;  Beitr.  zur  Palueont. 
von  Oesterr.-Ung.  von  Mojsisovics  und  Neumayr,   1881,  I,  S.  i83  u.  folg. 

6  Die  Lagerungsverhältnisse  in  Volhynien  sind  mir  allerdings  noch  unklar;  Os- 
sowski's  schöne  geol.  Karte  von  Volhynien  (Fol.,  Paris,  1880)  zeigt  gegen  West  Kreide 
und  Tertiär;  gegen  Ost  aber,  jenseits  des  Flusses  Slucz  und  in  seinem  Ouellgebictc 
azoischen  Quarzit,  weiterhin  auch  Kalk  und  Schiefer.  Der  Ouarzit  aber  liegt  unmittelbar 
auf  Granit. 

7  A.  V.  Alth,  Paläoz.  Geb.,  S.  4;  ein  Profd  von  Pruth  zum  Dnie^tr,  allerdings  h:iuj)t- 
sächlich  mit  Bezug  auf  die  Tertiärbildungen,  gibt  Petrino,  Verhandl.  geol.  Reichsnnst. 
1875,  S.  218. 

^  Paul,  Geol.  Bukow.,  S.  33o. 

9  A.  G.  Nathorst,  Ueber  die  wissenschaftl.  Resultate  der  letzten  schwedischen 
Exped.  nach  Spitzbergen  (übers,  v.  Th.  Fuchs);  Verhandl.  geol.  Reichsanst.  l883,  S.  25. 

10  Godwin-Austen,  Jones,  Ramsay,  Geikie  leugnen  den  marinen  Ursprung 
des  Old  Red  und  betrachten  Scandinavien  mit  seiner  Fortsetzung  zu  den  llebriden  als 
ein  sehr  altes  Festland;  Geikie,  ()n  the  Old  Red  Sandstone  of  West.  Europe;  Trans.  Roy. 
Soc.  Edinb.,   1878,  XVIII,  p.  346,  350. 

11  V.  Hilber,  Geol.  Aufnahmen  um  Lubaczow  und  Sieniawa  in  Galizien;  Verhandl. 
geol.  Reichsanst.  1882,  S.  3o7. 

1-?  Ferd.  Roemer,  Geogn.  Beobacht.  im  polnischen  Mittelgebirge,  Zeitschr.  deutsch, 
geol.  Ges.  1866,  XVIII,  S.  667—690,  Taf.  XIII;  J.  de  Ilempel,  Descr.  geol.  des  cnvi- 
rons  de  Kielce,  de  Chenciny  et  de  Malagoszcz,  situes  au  Centre  de  la  Pologne,  Ann.  des 
Mines,  1867,  6*^'  ser,  XII,  p  141  — 183,  mit  Karte;  E.  Tietze,  Verhandl.  geol.  Reichsanst. 
|883,  S.  3l.  Die  Umgebung  von  Chmielnik  und  Pinczow  auf  russischem  (iebiete  ist  dar- 
gestellt auf  der  geol.  Karte  eines  Theiles  des  Gouvern.  Kielce  von  S.  Kontkiewicz, 
Sprawozdanie  z  Badan  geol.  etc.,   Pamietn.  Fizyjgraf.  Warszaw.,    1882,   II,   tab.  X. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  I.  Das  nordliche  Vorland  des  Alpensystems.      28  I 

»J  Zcuschner,  Ucber  das  Vorkommen  von  Diceras  arietiua  in  Korzetzko  bei 
Chenciny,  Zeitschr.  deutsch.  i:,'eol.  Ges.  1868,  XX,  S.  576 — 580 ;  Ue])er  die  eigcnthüm- 
liche  Entwicklung  der  Triasformation  zwischen  Brzeziny  und  Pierzchnica  u.  s.  w.  ebendas. 
S.  727—740,  Taf.  XV';  Uebcr  die  neuentdeckte  Silurformation  von  Kleczanow  bei  Sando- 
mierz  im  südl.  Polen,  ebendas.  1869,  XXI,  S.  257-262,  und  Geogn.  Beschr.  der  mittleren 
devonischen  Schichten  zwischen  Grzcgorzowice  und  Skaly-Zagaje  bei  Nowa  Slupia,  ebendas. 
S.  263 — 274;  ferner:  Ueber  den  silurischen  Thonschiefer  von  Zbrza  bei  Kielce,  ebendas. 
S.  569 — 573  und  Karte.  Es  bleibt  mir  in  der  That  noch  einiger  Zweifel  darüber,  ob  nach 
Hempel's  Darstellung  die  mesozoischen  Schichten  an  allen  Bewegungen  des  alten  Gebirges 
hier  theilgcnommen  haben.  J.  Trcjdosiewicz,  Opis  badan  geol.  etc.,  Sprawozd.  Komis, 
fizyjogr.  XIII,  Krakau,  1879,  hat  bei  Zbrza  auch  mitteldevonischen  Kalkstein  angetroflen 
und  zählt  den  dortigen  Quarzit  zum  Unterdevon. 

14  Ferd.  Roemer,  Geogn.  Beobacht.,  S.  675;  Leth.  geogn.,   1880,  I,  S.  23,  49. 

15  Resultate  dieser  Arbeiten  sind,  soweit  sie  Devon  und  Carbon  betreffen,  zu  einer 
eingehenden  Gesammtdarstellung  vereinigt  von  D.  Stur,  Die  Culmflora,  I,  S.  91  —  io3; 
II,  S.  317— 366;  Abhandl.  geol.  Reichsanst.  1875-1877,  VIII. 

16  L.  Hohenegger,  Geogn.  Karte  der  Nordkarpathen  in  Schlesien  u.  s.  w.,  mit 
Erläuterungen,  Gotha,  1861;  dess. :  Geogn.  Karte  des  ehemaligen  Gebietes  von  Krakau, 
zusammengest.  von  Com.  Fallaux,  Denkschr.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,   1866,  XXVI. 

17  Ferd.  Roemer,  Geol.  von  Oberschlesien;  geogn.  Karte  von  Oberbchlesien,  in 
12  Blättern,   1870. 

»8  Es  ist  in  letzter  Zeit  die  Meinung  wieder  hervorgetreten,  dass  der  schmale,  west- 
lich vom  Syenit  liegende  Kalk/ug  am  Schlosse  Eichhorn  dem  Devon  zuzuzählen  sei  (C.  v. 
Camerlandcr,  Verhandl.  geol.  Reichsanst.  l883,  S.  57);  hieraus  würde  folgen,  dass 
nicht  ein  einheitlicher,  sondern  zwei  oder  mehr  Brüche  an  dieser  Stelle  nebeneinander  die 
Grenze  der  Sudeten  bezeichnen ;  eine  weitere  Aenderung  der  hier  versuchten  Darstellung 
würde  sich  nicht  ergeben. 

»9  Ferd.  Roemer,  Geol.  von  Oiierschlesien,  Atlas,  Uebersichtskärtchen,  Bl.  I. 

20  W.  Jicinsky,  Der  Zusammenhang  der  mähr.-schlcs.  und  der  preuss.-schles. 
Kohlenformation;  aus  der  (Jest.  Zeitschr.  für  Berg-  und  Hüttenwesen,  1877,  ^'^^-  '^' 
ders.:  Der  Zusammenhang  der  einzelnen  Klötze  und  Flötzgruppen  im  Ostrau-Karviner 
Steinkohlenreviere,  ebend.  1880,  S.  409  u.  folg.,  Taf.  XVTI. 

21  F.  V.  Höchst etter,  Ueber  das  Vorkommen  von  Erdöl  und  Erdwachs  im  San- 
decer  Kreise  in  Westgalizien;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1865,  XV,  S.  206. 

22  Entstehung  der  Alpen,  S.  71. 

23  D.  Stur,  Culmllora,  S.  3 19,  320. 

24  L.  Hohenegger 's    Karte   von  Krakau   zeigt   aufs  Deutlichste   diese  Verhältnisse. 

25  Bemerkungen  über  die  Lagerung  des  Salzgebirges  bei  Wieliczka;  Sitzungsber. 
k.  Akad.  Wiss.  Wien,   1868,  Bd.  58,    l.  Abth.,  S.  544. 

26  D.  Stur,  Vorläufige  Notiz  über  die  dyadische  Flora  der  Anthracit-Lagerstätten  bei 
ßudweis  in  Böhmen;   Verhandl.  geol.  Reichsanst.  1872,  S.  165  — 168. 

27  H.  Credner,  Die  geol.  Landesuntersuchung  des  Königreichs  Sachsen,  8",  1881, 
S.  9.  (Aus  den  Mitth.  des  Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig,    1880.) 

2^*  Gümbel,  Die  geogn.  Verhältnis>e  der  fränkischen  Alb  (aus  der  ,Bavaria'),  8", 
1864,  S.  14;  Geogn.  Beschreibung  des  Ktiiiigreiches  Baiern,  II,  S.  656  u.  folg.;  HI,  S.  555 
u.  folg.  und  an  vielen  anderen  Stellen.  Das  Hinzutreten  des  Zechsteins  im  nördlichen 
Theile  dieses  Gebietes  ändert  die  Sachlage  nicht  wesentlich;  auch  F.  Beyschlag,  Geogn. 
Skizze  der  Umgegend  von  Crock  im  Thüringerwalde,  Zeitschr.  für  ges.  Naturw.  Halle, 
Bd.  55,  1882,  gibt  auf  Taf.  VIF  die  Darstellung  einer  solchen  Rothliegend-Scholle  und  der 
Randbrüche;  hier  ist  das  Flöt/  jxrmisch. 

29  H.  Bücking,  Gebirg^störungen  und  Erosi()nser>cheinungen  südwestlich  vom 
Thüringerwalde,  Jahib.  der  k.   preu.^>.  geol.  Landesanstalt  und  Bergakad.  zu  Berlin   für   I8S0, 


282       Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  I.  Das  nördliche  Vorland  des  Alpensystems. 

I,   1881,   S.  60  —  105,    Taf.  II,   III;   W.  Frantzen,   Die   Störungen    in    der    Umgegend    des 
grossen  Dollmars  bei  Meiningen,  ebendas.  S.  106 — 136,  Taf.  IV,  V. 

30  Gümbel,  Geogn.  Beschreibung  Baiems,  11,  S.  592.  Sie  sind:  die  Culmbacher, 
Weismainer,  Lichtcnfelser  und  Staffelsteiner  Spalte.  Der  Verfasser  stellt  noch  viel  genauere 
Darstellungen  dieser  merkwürdigen  Störungen  in  Aussicht. 

3'  Gümbel,  Geol.  Rundschau  von  Kissingen  (aus  dem  Werke:  Bad  Kissingen  von 
Sotier),  S.  i3 — 16. 

32  E.  W.  Benecke  und  E.  Cohen,  Geogn.  Beschreibung  der  Umgegend  von  Heidel- 
berg, 8",   1881,  insbes.  S.  595  u.  folg. 

33  G.  Dcffner  und  O.  Fr  aas.  Die  Juraversenkung  bei  Langenbrückeu  (aus  dem 
N.  Jahrb.  für  Mineral,  u.  s.  w.),  8",  Stuttgart,  1859.  Nach  den  ausdrücklichen  Angaben 
voiv  Benecke  und  Cohen  sind  hier  die  Rhein-  und  Odenwaldspalten  getrennt;  Knop  und 
Jordan  haben  die  von  Süd  nach  Langenbrücken  gelangende  Rheinspalte  in  der  Oden- 
waldspalte ihre  Fortsetzung  ünden  lassen:  Das  rhein.-schwäb.  Erdbeben  vom  24.  Januar 
1880,  Verhandl.  des  naturwiss.  Vereins  zu  Karlsruhe,   1880. 

34  O.  Fraas,  Geol.  Profil  der  Schwarzwaldbahn  von  Zuffenhausen  nach  Calw; 
Württcmb.  Jahresh.  1876,  XXXII,  S.  128. 

35  Ders.,  Vorlage  der  Eisenbahnprofile  Bietigheim-Bruchsal  und  Rothweil- Villingen; 
ebendas.  1872,  XX VIII,  S.  66. 

36  A.  R.  Ausfeld,  Geol.  Skizze  der  Gegend  von  Rheinfelden,  Mittheil.  Aargauer 
Naturf.  Ges.  1882,  III,  S.  83  — 102;  F.  Mühlberg,  Sammelprofil  der  Bohrungen,  ebendas. 
mit  Tafel. 

37  O.  Fraas,  Geogn.  Beschreibung  von  Württemberg,  Baden  und  Hohenzollern, 
8",  1882,  S.  XX — XXVI.  Eine  Reihe  wichtiger  Anhaltspunkte  hat  C.  Regel  mann  ge- 
sammelt; Trigonom.  Höhenbestimmungen  u.  s.  w.,  Württemb.  Jahrb.  für  Statistik  u.  s.  w., 
1877,  V.  ,Das  Schichtgefälle  scheidet  den  Albkörper  in  drei  dem  Streichen  parallele 
Zonen:  in  eine  nahezu  horizontale  nördliche  Randzone,  eine  schwach  geneigte  Mittelzone 
und  eine  stark  einfallende  südliche  Randzone*  (ebendas.  S.  i37). 

3^  C.  Deffner,  Die  Lagerungsverhältnisse  zwischen  Schönbuch  und  Schurwald, 
Württemb.  Jahresh.  1861,  XVII,  S.  170 — 262,  Taf.  IV,  V,  insbes.  S.  256  u.  folg.,  und  in 
Ergänzung  der  Darstellung  derselben  Gegend:  Fraas,  Begleitworte  zum  Atlasblatt  Stutt- 
gart, 1865;  H.Bach,  Athisbl.  Böblingen,  1868;  Deffner,  Atlasbl.  Kirchheim,  1872,  u.  And. 

39  O.  Fraas,  Geogn.  Beschreibung  von  Württemberg,  S.  XIX. 

40  G.  Deffner  und  O.  Fraas,  Begleitworte  zur  geogn.  Specialkarte  von  Württemberg, 
Atlasblätter  Bopfingcn  und  Ellenberg,  40,  1877;  ferner:  Fraas,  Geogn.  Beschreibung  von 
Württemberg,  S.  XXXI  u.  161 ;  insbes.  über  die  vulcanischen  Erscheinungen  im  Zusammen- 
hange mit  dem  Baue:  Gümbel,  Ueber  den  Riesvulcan  und  über  vulcanische  Erscheinungen 
im  Rieskessel,  Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss.  München,  1870,  I,  S.  153 — 200;  G.  Deffner, 
Die  Granite  in  den  vulcanischen  Tuffen  der  schwäb.  Alb,  Württemb.  Jahresh.  1873,  XXIX, 
S.  121  u.  folg.,  und  viele  andere  Schriften.  Auch  v.  Dechen  anerkennt  den  Rieskessel 
als  Einsturz  und  fasst  auch  das  Urgebirge  im  Ries  als  Theil  eines  alten  Festlandes  auf: 
Ueber  auffallende  Lagerungsverhältnisse,  Verhandl.  naturhist.  Vereins  Rheinl.  Wcstph., 
Sitzungsber.  1880,  XXX VH,  S.  37.  Für  Ueberschiebung  insbes.  G.  Deffner,  Der  Buch- 
berg bei  Bopfingen,  Württemb.  Jahresh.  1870,  XXVI,  S.  95—142,  3  Taf. 

4«  Cl.  King,  Rep.  on  the  Geol.  Explor.  of  the  401I»  Parallel,  4",  1878,  T,  ]).  515. 
pl.  XXHL  Die  ,rohe  bothryoidische  Oberfläche,  welche  aus  riesigen  schwamnuihnlichen  Ge- 
stalten aufgebaut  .scheint,  die  sich  wie  Dachziegel  überdecken',  entspricht  auch  ganz  und  gar 
den  Ablagerungen  des  Wallersteins. 

42  O.  Fraas,  Geogr.  Karte  von  Württemberg,  Bl.  Hohentwiel  und  Begleitworte,  1879. 

43  Elie  de  Beaumont,  Explic.  de  la  Carte  göol.  de  la  France,   1841,  I,  p.  267  —  437. 

44  G.  Bleicher,  Essai  de  G60I.  compar6e  des  Pyrenies,  du  Plateau  central  et  des 
Vosges;  These  pres.  ä  la  fac.  des  Sciences  de  Strasbourg,  8",  Colmar,   1870,  p.  71   u.  folg. 


Anmerkungen  zu  Th.  IF,  Abschn.  I.  Das  nördliche  Vorland  des  Alpensystems.       283 

45  K.  W.  Benecke,  Ueber  die  Trias  in  Elsass-Lothringen  und  Luxemburg,  Abhandl. 
zur  geol.  Specialkarte  von  Klsass-Lothringcn,  1877,  I,  S.  794  u.  folg.,  und:  Abriss  der  Geol. 
von  Elsass-Loth ringen,  8°,  Strassburg,  1878,  S.  1 10  u.  folg..  Sandberger  und  Platz  mögen 
als  Vertreter  von  Beaumont's  Ansicht,  Lcpsius  und  Laspeyres  für  die  entgegengesetzte 
genannt  werden. 

46  H.  Grebe,  Ueber  das  Ober -Rothliegende,  die  Trias  etc.  in  der  Trier*schen 
Gegend,  Jahrb.  k.  preuss.  geol.  Landesanst.  für  1881,  S.  471  u.  folg.,  Taf.  XII;  für  die 
Fortsetzung  gegen  Metz:  G.  Steinmann,  Geol.  Führer  der  Umgegend  von  Metz,  Jahresber. 
des  Vereines  für  Erdkunde  zu  Metz,  IV,  1882,  S.  10;  auch  Benecke's  wohlbegründete  Be- 
merkungen im  Neuen  Jahrb.  für  Mineral,  u.  s.  w.,   1880,  I,  S.  222. 

47  Mich.  L6vy  et  Ch.  V^lain,  Sur  les  failles  du  revers  occidental  du  Morvan, 
Bull.  soc.  geol.  1877,  3e  s6r.,  V,  p.  350—365.  Es  scheinen  im  Morvan  die  Brüche  des 
Ostrandes  weit  nach  einwärts  zu  reichen ;  sie  sind  bei  Alligny,  südlich  von  Saulieu,  mit 
Basalt  injicirt;  ebendas.  p.  562  u.  folg.;  Beaumont,  Explic.  geol.,  II,  p.  207,  273  und 
an  and.  Ort.;  auch  Grüner,  Essai  sur  une  Chissitic.  des  principaux  filons  du  Plateau 
Central  de  la  France,  Ann.  des  Sciences  de  la  Soc.  imp.  de  Lyon,  1856,  2^  ser.,  VIII, 
p.  202  u.  folg. 

48  Bei  Thiviers  in  der  Dordogne,  am  südwestlichen  Rande  des  Plateaus,  an  einem 
grossen  Randbruchc,  sind  die  Belemniten  des  Ooliths  in  Schwerspath  verwandelt;  Harle, 
Note  sur  la  form,  jurass.  et  la  position  des  depöts  manganesiferes  dans  la  Dordogne,  Bull, 
soc.  geol.  1864,  2'-  s6r.,  XII,  p.  ii  u.  folg.;  am  SO.-Rande  siud  die  Verwerfungen  in  den 
Coirons  bereits  gänzlich  durch  Abrasion  geebnet  gewesen,  als  sie  von  Basalt  überdeckt 
wurden;  Torcapel,  ebendas.  1882,  3»-'  s6r.,  X,  p.  409,  412. 

49  £lie  de  Beaumont,   Explic.  carte  geol.,  II,  p.  417  u.  folg. 

50  Daubree,  M^m.  sur  la  Relation  des  Sources  thermales  de  Plombi^res  avec  les 
filons  m^talliferes,  Ann.  des  Mines,  XIII,  1858;  es  sei  hier  nur  kurz  an  die  Ouellen 
von  Kreuznach  und  von  Dürckheim  a.  d.  Hardt  erinnert,  welche  auf  den  Rhein- 
brüchen liegen;  die  ältesten  bekannten  Ouellabsätze  bestehen  auch  hier  aus  Quarz; 
Laspeyres,  Kreuznach  und  Dürckheim  a.  d.  Hardt,  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1867, 
XIX,  S.  803—922,  Taf.  XII,  und  1868,  XX,  S.  153-204,  insbes.  S.  188  und  198,  199; 
ebenso  liegt  am  Westabhange  des  Schwarzwaldes,  knapp  an  der  Therme  von  Baden- 
weiler, der  Gang  Haus-Baden  auf  einem  Rheinbruche;  Sandberger,  Geol.  Beschrei- 
bung der  Umgegend  von  Badenweiler,  Beitr.  inn.  Stat.,  VII,  1858,  S.  14,  15;  Daub 
wollte  im  Jahre  1851  einen  Zusammenhang  solcher  Gangtrümmer  so  ziemlich  durch  die 
ganze  Länge  des  Schwarzwaldes  erkennen  und  wies  damals  schon  auf  den  Parallelismus 
mit  den  von  Beaumont  beschriebenen  Verwerfungen  der  Vogesen  hin;  Daub,.  Die  Feld- 
steinporphyre und  die  Erzgänge  des  Münsterthaies  bei  Staufen,  Neues  Jahrb.  für  Mineral, 
u.  s.  w.,   185 1,  S.  1—23. 

5^  E.  \V.  Bc necke  und  E.  Cohen,  Umgegend  von  Hci<lelberg,  S.  178  u.  folg. 

52  H.  Bach,  Beglcitworte  zur  geol.  Karte  von  Württemberg,  Atlasbl.  Calw, 
1869,  S.  18. 

5J  E.  Paulus,  Begleitworte  zur  geogn.  Specialkarte  von  Württemberg,  Atlasbl. 
Freudenstadt,  4«>.   1866,  S.  i3. 

54  Sandberger,  Geol.  Beschreibung  der  Umgebungen  der  Renchbäder,  Beitr.  zur 
Statistik  der  inn.  Verwalt.  des  Grossherzogthums  Baden,  Heft  XVI,  l863;  Vogelgesang, 
Geogn.  bergmänn.  Beschreibung  des  Kinzigthaler  Bergbaues,  ebendas.  Heft  XXT,  4",  1865, 
und  insbes.  F.  Sandberger,  Untersuchungen  über  die  l'>zgänge  von  Wittichen  im  bad. 
Schwarzwahle,  Neues  Jahrb.  für  Mineral,  u.  s.  w.,  1868,  S.  388;  Sandberger  erwähnt  in 
seiner  in  Bezug  auf  die  Art  der  Füllung  dieser  Gänge  so  lehrreichen  Monographie  des 
Schapbacher  Hauptganges  (Untersuch,  über  Erzgänge,  1882,  I,  S.  45)  eines  Gerölles  aus 
Vogesensandstein,  welches  zeigt,  dass  schon  vor  Ablagerung  des  letzteren  hier  Barytgänge 
gebildet   wurden,    läs.^t    aber    darum    den    Leser    nicht    im    Zweifel    tlarüber,    dass    die    hier 


284       Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  I.  Das  nördliche  Vorland  des  Alpensystems. 

besprochenen  Gänge  von  jüngerem  Alter  seien  und  sich  häufig  in  BuntMUuUtein  und   Rcttli- 
liegendem  als  quarzige  oder  barytische  Trümmer  fortsetzen. 

55  J.  W.  Judd,  The  Secondary  Strata  of  Scotland,  yuart.  Journ.  (Jeol.  Soc.  1S7.?, 
1874,   1878,  insbes.  1873,  p.  i3i  — 134,  pl.  VII. 

56  A.  E.  Reu  SS,  Die  geogn.  Verhältnisse  tles  Egercr  Bezirkes  und  des  Ascher  (ic- 
bietes  in  Böhmen,  Abhandl.  geol.  Keichsanst.  1852,  I,  S.  3o  — 32;  J.  Jokely,  Zur  Kcnnt- 
niss  der  geol.  Beschaffenheit  des  Egererkreises  in  Böhmen,  Jahrb.  geol.  Keichsanst.  1856, 
VII,  S.  527,  528.  Diese  grossen  Quarzzüge  sind  auch  verzeichnet  auf  F.  von  Hau  er 's 
geol.  Karte  von  Oesterreich. 

57  F.  v.  Hochstetter,  Geogn.  Studien  aus  dem  Böhmerwalde,  IV;  Jahrb.  geol. 
Keichsanst.  1855,  VI,  S.  767 — 774  und  die  schematische  Zeichnung  S.  762. 

58  Gümbel,  Geogn.  Karte  des  Königreiches  Baiern,  Bl.  IX,  Cham. 

59  L.  Wineberger,  Geogn.  Beschreibung  des  bairischen  und  Xeuburger  Waldes, 
8",  Passau,  1851,  und  Gümbel,  Geogn.  Beschreibung  des  Königr.  Baiern,  11,  »S.  372  u.  folg., 

497»  50^  ^^^  a«  ^^^-  ^rt- 

60  Gümbel,  ebendas.  S.  377. 

öl  J.  G.  Egger,  Der  Jurakalk  bei  Ortenburg,  aus  dem  I.  Jahresber.  des  naturhist. 
Vereines  in  Passau  für  1857,  S.  6  u.  folg.;  Gümbel,  Geogn.  Beschreibung  des  Kiwiigr. 
Baiern,  II,  S.  695;  L.  v.  Ammon,  Die  Jura- Ablagerungen  zwischen  Kegensburg  und  Passau, 
Abhandl.  des  zool.-mineral.  Vereines  in  Regensburg,   1875,  ^»  ^-  94~97- 

6^  F.  Roemcr,  Geol.  Oberschlesiens,  S.  276;  M.  Neumayr,  Die  Cephalopoden- 
fauna  der  Oolithe  von  Baiin  bei  Krakau,  Abhandl.  geol.  Reichsanst.  Wien,  1871,  V, 
^«  50,  51;  Ammon,  a.  ang.  Orte,  insbes.  S.  151 ;  V.  Uhlig,  Die  JurabiMungcn  in  der 
Umgebung  von  Brunn,  Mojsisovics  und  Neumayr,  Beitr.  zur  Paläont.  Oesterr.-Ung.,  iSSi, 
I,  S.  141— 145.  U^ber  den  Charakter  der  Kreidebildungcn  Carl  Gerster:  Die  Pläner- 
bildungen  um  Ortenburg  bei  Passau,  Nova  Acta  Acad.  Leop.  Carol.,  1881,  XLII,  ]>.  57,  58. 
Diese  entsprechen  dem  Pläner  von  Hundorf  und  Strehlen,  dem  Baculitenmcrgel  und  den 
Schichten  von  Kieslingswalda ;  aus  dem  letzteren  Umstände  wird  auch  die  Möglichkeit  einer 
Verbindung  mit  dem  norddeutschen  Meere  über  Schlesien  als  denkbar  erklärt.  Ferner  soll 
die  Kreideablagerung  von  Siegsdorf  bei.  Traunstein  weit  mehr  den  Vorkommnissen  von 
Lemberg  und  Norddeutschland,  als  jenen  von  Böhmen  und  Sachsen  sich  nähern. 

63  Jurassische  Versteinerungen  wurden  noch  nicht  gefunden;  die  Stelle  ist  erw;ihnt 
bei  F.  V.  Hauer,  Ueber  die  Eocängebilde  im  Erzherzogthum  Oesterr.  u.  s.  w.,  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.,  IX,  1858,  S.  119;  sie  wurde  in  neuester  Zeit  von  Frauscher  untersucht.  Das 
Vorkommen  der  Belemnitellen  in  dem  See  ist  seit  längerer  Zeit  bekannt. 

^4  F*.  Karr  er,  Ueber  ein  neues  Vorkommen  von  oberer  Kreideformation  in  Leitzers- 
dorf  bei  Stockerau;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1870,  XX,  S.  157 — ^.184*,  2  Taf 

«^5  Uhlig,  a.  ang.  Orte,  S.  145. 

t>6  Ct.  Bruder,  Zur  Kenntniss  der  Jura-Ablagerungen  von  Sternberg  bei  Zcidler  in 
Böhmen;  Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss.  1881,  Bd.  83,  S.  47—49,  2  Taf. 


ZWEITER  ABSCHNITT. 

Die  Leitlinien  des  Alpensystems. 

Der  Nordnind  der  Alpen    und   der  Karp.itheu.    —    Oertlichc    Vorschübe    des   Aussenrandes. 
—    Umbeiijjunf;   des    Endes   der   Karpathen.    —    Unibeu^'unjj   des    westsiebenbürgischen   Ge- 
birges. —  Umbeuj;un{j  des  Appennin.  —  Sicilien.  —   Xordafrikanisches  Gebirge.  —  Gibraltar. 
—  Die  betische  Cordillere.  —   Wirbelforniige  Anordnung  der  Leitlinien. 

Je  mannig-faltiijer  die  Umrisse  der  einzelnen  Gebirgstheile 
sind,  welche  das  nördliche  Vorland  der  Alpen  und  der  Karpathen 
bilden,  um  so  bemerkenswerther  ist  die  Einheit  der  lanjjen  und 
leicht  jjeschwunq^enen  Curve,  welche  den  Nordrand  des  Ketten- 
jjebirges  bezeichnet,  und  welche  sich  auch  dort  ohne  Mühe  ver- 
folgen lässt,  wo  in  Niederösterreich  und  Mähren  Theile  des  Aus.sen- 
randes  zur  Tiefe  gesunken  sind. 

Am  südlichen  Ende  des  Schwarzwaldes  treten  die  Falten  des 
Juragebirges  mit  überbogenem  Vorderrande  über  den  gesenkten 
Tafeljura. 

Innerhalb  des  Juragebirges,  an  dem  ganzen  äus.seren  Saume 
der  Alpen  und  auch  in  den  Karpathen  kündigt  sich,  welches  auch 
die  Beschaffenheit  des  Vorlandes  sei,  das  Vordringen  des  Gebirges 
durch  einen  oder  mehrere  lange  Faltensättel  in  den  miocänen  Ab- 
lagerungen an.  Es  ist  überflüssig,  hier  von  der  Wölbung  der 
Schweizer  Molasse  zu  sprechen.  Die  Schwierigkeiten,  welche  sich 
durch  lange  Zeit  der  Verfolgung  dieser  Falten  in  den  weichen  und 
daher  leicht  zerstr)rbaren  Miocänschichten  gegen  Osten  entgegen- 
setzten, sind  in  neuerer  Zeit  dadurch  behoben  worden,  dass  ge- 
rade in  diesem  äusseren  Saume  bercfmännische  Arbeiten  den  a;c- 
wünschten  Aufschluss   lieferten.    Gümbers  Quorprofil  durch  das 


286  Ueberfaltung  des  karpathischcn  Aussenrandcs. 

Leitzachthal  zeigt  in  den  kohlenführenden  Tertiärschichten  dieses 
Saumes  bei  Miesbach  zwei  oder  drei  nordwärts  überschobene 
Falten/  Sehr  weit  davon,  in  den  Gruben  von  Wieliczka,  haben  in 
gleicher  Weise  Paul's  Untersuchungen  das  Vorhandensein  von 
zwei  oder  drei  spitzen  und  nordwärts  überschobenen  Falten  nach- 
gewiesen, welche  die  eigenthümliche  Lage  der  Salzflötze  in  dem 
miocänen  Tegel  erklären/  Noch  weiter  gegen  Ost  liegt  ebenso 
an  dem  äusseren  Saume  der  Karpathen  die  wichtige  Lagerstätte 
von  Ozokerit  bei  Boryslaw  in  einem  antiklinalen  Sattel  des  mio- 
cänen Salzthones.  Mit  Recht  hebt  Paul  hervor,  dass  diese  beiden 
wichtigsten  Productionsorte  des  galizischen  Bergbaues,  nämlich 
der  Salzbergbau  von  Wieliczka  und  die-  Ozokeritgruben  von  Bo- 
ryslaw, unter  dem  Einflüsse  derselben  tektonischen  Erscheinung 
stehen.  ,Derselbe  nordwärts  wirkende  Gebirgsschub,  der  die  Salz- 
flötze von  Wieliczka  zu  steilen  Falten  zusammenbog,  richtete  auch 
den  Schichtensattel  von  Boryslaw  auf  und  schuf  so  die  Bedin- 
gungen zur  Ansammlung  eines  Productes,  durch  dessen  Ausbeu- 
tung bereits  Millionen  gewonnen  wurden.'^ 

Allgemein  ist  die  Regel,  dass  die  bauwürdigen  Mengen  von 
Erdöl  sich  auf  den  Antiklinalen  angesammelt  vorfinden,  und  die 
Ozokerit-  und  Erdölzone  von  Boryslaw  setzt  sich  weit  gegen 
Osten,  stets  dem  äussersten  Saume  des  Gebirges  folgend,  bis 
Sloboda  rungurska  und  Lucza,  also  bis  südlich  von  Kolomea  fort, 
und  noch  viel  weiter,  wo  in  der  Wallachei  die  Karpathen  beginnen, 
sich  aus  Nord — Süd  gegen  Nordost — Südwest  umzubeugen,  setzt 
sich  dieselbe  Erscheinung,  hier  noch  in  viel  jüngeren  Schichten, 
den  Congerien-  und  Paludinenschichten  fort.  Im  Flussgebiete  des 
Slonik,  nördlich  von  Buzeu,  in  dem  südöstlichen  Theile  der  Kar- 
pathen, stehen  nach  Cobalcescu  die  salzführenden  Thone  steil 
aufgerichtet  und  die  discordant  ihnen  vorliegenden  Paludinen- 
schichten sind  in  Falten  gelegt,  welche,  der  Beugung  des  Gebirges 
entsprechend,  von  Nordost  gegen  Südwest  streichen.'* 

Die  Molassefalten  der  Schweiz  liegen  innerhalb  des  Jura- 
gebirges; jene  des  Leitzachthaies  in  Baiern  liegen  südlich  von 
Regensburg  und  von  dem  Anschlüsse  des  grossen  Donaubruches 
an  dem  überbogenen  Bruchrand  der  archäischen  Masse;  die 
Falten  von  Wieliczka  befinden  sich  in  unmittelbarer  Nähe  der 


Oertliche  Vorschübe  des  alpinen  Ausscnrandcs.  287 

mesozoischen  Zonen  der  Sudeten,  welche  gerade  hier  unter  die 
Karpathen  hinabzusinken  scheinen,  und  sie  setzen  sich  fort 
durch  das  ganze  Gebiet,  in  welchem  die  russische  Tafel  das  Vor- 
land bildet. 

Genauere  Prüfung  zeigt  freilich  einige  untergeordnete  Be- 
irrung  in  dem  sonst  so  stetigen  Verlaufe  dieser  äusseren  Curve. 
Diese  Beirrung  wird  durch  das  örtliche  raschere  Hervortreten  ein- 
zelner  Gebirgstheile  herbeigeführt.  Wo  die  Flysckzone  aus  der 
Schweiz  nach  Oesterreich  übertritt,  in  der  Gegend  des  Bodensees, 
tritt  in  flacher  S-förmiger  Beugung  die  östliche  Fortsetzung  um 
ein  gutes  Stück  über  die  westliche  Streichungsrichtung  vor.  Die- 
ses Vortreten  des  Aussenrandes  entspricht  im  Innern  des  Gebirges 
der  Schleppung  des  Rhaetikon  an  der  Rheinlinie  (S.  183,  Fig.  15) 
und  dem  Einstürze  des  Prättigau. 

Aehnliches  wiederholt  sich  bei  Salzburg.  Die  Flyschzone  ist 
versenkt,  aber  deutlich  erkennt  man,  dass  sie  an  der  Salzach,  wo 
sie  wieder  hervorragt,  weiter  nach  Norden  gerückt  ist. 

Noch  schärfer  bemerkt  man  dieses  bei  Wien;  an  dem  Durch- 
bruche der  Donau  tritt  der  nördlich  von  dem  Fli^sse  liegende  Theil 
der  Flyschzone  um  2 — 3  Km.  mit  seinem  Aussenrande  über  die 
Fortsetzung  des  südlichen  Aussenrandes  vor. 

Dies  sind  Verschiebungen  im  Sinne  von  Blattflächen.  Sie 
gehen  aus  tangentialer  Bewegung  hervor,  wie  die  überschobenen 
Randfalten  selbst ;  abertrotz  der  massgebenden  Bedeutung,  welche 
diese  Bewegung  für  das  ganze  Streichen  und  den  Bau  dieser 
grossen  Zonen  hat,  scheinen  sie,  auch  abgesehen  von  den  ofter- 
wähnten örtlichen  Einbrüchen,  nicht  frei  zu  sein  von  langen  linearen 
Brüchen.  Der  um  dieKenntniss  der  westlichen  Alpen  hochverdiente 
Lory  sucht  sogar  in  grossen  Senkungsbrüchen  den  wesentlichen 
Zug  des  Aufbaues  dieses  Theiles  der  Kette.  Zwei  derselben  hat 
Mojsisovics  im  Salzkammergute  verfolgt ;  weitere  Studien  müssen 
zeigen,  wie  weit  und  unter  welchen  Formen  die  tangential  bewegte 
Masse  hier  zugleich  gesenkt  ist."* 

A.  Umbeiigung  des  Endes  der  Karpathen. 

Schon  vor  mehreren  Jahren  konnte  es  ausgesprochen  werden, 
dass   die  tangentiale  Kraft  nicht  nur  in  den  Alpen,  sondern  in 


288  Umbeugung  des  Endes  der  Karpathcn. 

Pluropa  überhaupt  vornehmlich  gegen  Nord  gerichtet  sei,  mit  Ab- 
weichungen gegen  West  und  gegen  Ost.  Wir  werden  sehen,  dass 
durch  seitherige  Arbeiten  dieses  Ergebniss  für  die  damals  betrach- 
teten Gebirgstheile  vollkommen  aufrecht  bleibt,  dass  aber  neue 
Erfahrungen  sich  hinzufügen,  welche  das  Gesammtbild  des  Alpen- 
systems doch  gar  wesentlich  verändern. 

In  den  westlichen  Theilen  der  Alpen,  wurde  damals  gesagt, 
ist  die  bewegende  Kraft  gegen  West  gerichtet,  in  der  Ostschw^eiz, 
in  Baiern  und  bis  Wien  gegen  Nord,  in  den  Karpathen  gegen 
Nordwest,  Nord,  Nordost,  endlich  rein  gegen  Ost,  so  dass  nord- 
südliches Streichen  eintritt  und  die  Gebirgskette  einen  weiten 
Bogen  beschreibt. 

Nun  wurde  eben  erwähnt,  dass  an  dem  südöstlichsten  Aussen- 
rande  der  Karpathen,  in  der  Wallachei,  gegen  Südwest  streichende 
Falten  auftreten.  Noch  viel  weiter  gegen  West,  imPrahovathale,  ist 
Flysch  und  in  demselben  Acanthoceras  mamillare  bekannt,^  und 
es  scheint  sich  eine  volle  Umbeugung  zu  vollziehen.  Die  mir  be- 
kannt gewordenen  Beobachtungen  sind  jedoch  zu  unvollständig, 
um  erkennen  zu  lassen,  in  welche  Beziehungen  die  Flyschzone 
hier  zu  dem  höchst  verwickelten  Gebirgszuge  tritt,  welcher  von 
den  Stromschnellen  der  Donau  durch  das  östliche  Serbien  zum 
Balkan  zieht.  ^ 

Bleiben  wir  nun  auch  auf  wallachischem  Boden  heute  noch  in 
Zweifel  über  das  volle  Maass  der  Umbeugung  der  tangentialen 
Bewegung,  so  ist  in  Siebenbürgen  für  eine  innere  Parallelkette 
bereits  Sicherheit  erlangt.  Es  hat  nämlich  Loczy  gefunden,  dass 
der  westsiebenbürgische,  innerhalb  des  karpathischen  Bogens  sich 
erhebende  Gebirgsstock  gegen  Ost,  Südost  und  auch  gegen  Süd 
von  einer  gefalteten  Zone  von  Flysch  mit  regelmässigen  Auf- 
brüchen von  Klippenkalk  umgürtet  ist,  welche  innerhalb  der  Krüm- 
mung des  Marosflusses  bogenförmig  hinstreicht.  ^ 

Hier  vollzieht  sich  thatsächlich  volle  l'mbeugung  gegen  Süd. 
Es  erleidet  innerhalb  des  pannonischen  Gebietes  die  tangentiale 
Bewegung  eine  Ablenkung  von  beiläufig  2 '/,  Quadranten  oder  2  2  5°. 
Dieses  Ergebniss  fordert  zur  neuerlichen  Betrachtung  des  süd- 
lichen Endes  des  Appennin  auf. 


Der  Appennin.  280 


B.  Umbeugung  des  Endes  des  Appennin, 

Das  Kalk-  und  Sandsteingebirge  der  Basilicata  erreicht  im 
Golf  von  Tarent  das  jonische  Meer ;  die  äussersten  Ausläufer  der 
Kalkberge  reichen  etwa  bis  Spezzano;  was  südlicher  folgt,  ist  ein 
aus  Granit,  Gneiss  und  älterem  Schiefer  bestehendes  Gebirge  mit 
den  Merkmalen  der  älteren  Felsarten  unserer  Alpen.  Wir  betrach- 
ten nur  das  südlichste  Stück,  den  Stock  des  Aspromonte,  welchen 
die  beiden  Busen  von  Squillace  und  S.  Eufemia  abschnüren.  Die 
Westseite  ist  abgebrochen ;  diese,  sowie  den  Kamm  bilden  die 
älteren  krystallinischen  Gesteine.  Am  östlichen  Gehänge,  oder 
vielmehr  gegen  SO.  und  nur  gegen  Sinopoli  auf  die  Höhe  über- 
greifend, schliesst  sich  eine  sehr  unterbrochene  Schieferzone  an. 
Auf  diesen  älteren  Felsarten  erscheinen  vereinzelte  Schollen  von 
tithonischem  Kalkstein,  zuweilen  mit  Nerineen,  und  von  cenomanen 
Ablagerungen  mit  afrikanischem  Typus,  endlich  in  etwas  grösserer 
Ausdehnung  tertiäre  Flyschsandsteine  mit  eihem  kleinen,  Anthra- 
cotherium -führenden  Kohlenflötze.  Alle  diese  Transgressionen 
gehören  dem  Südosten  und  Süden  des  Aspromonte  an,  und  sie 
reichen  bis  an  die  südlichste  Spitze  in  der  Gegend  von  Mellito. 

Sowohl  die  älteren  krystallinischen  Felsarten,  als  die  Schiefer- 
zone greifen  nach  Sicilien  hinüber,  wo  sie  den  Kern  des  pelorita- 
nischen  Gebirges  bis  über  Cap  Calavä  hinaus  bilden,  wie  es 
Seguenza  so  genau  beschrieben  hat.^  Auch  die  Transgressionen 
erscheinen  wieder,  so  insbesondere  mehrere  Schollen  der  afrika- 
nischen Cenomanbildungen,  welche  in  der  Umgebung  von  Bar- 
celona dem  alten  Gebirge  auflagern.  Zugleich  schliesst  sich  aber 
eine  ausgezeichnete  Zone  von  Sedimentbildungen  an  den  äusseren 
Rand  der  Schieferzone,  in  welcher  man  das  Rothliegende,  die 
Dolomite  der  Triasformation,  rhätische  Schichten  mit  Spirigera 
oxycolpos  u.  A.,  zwei  oder  drei  petrefactenführende  Stufen  des 
Lias,  dann  Tithon  und  Neocom  unterscheidet.  Cap  S.  Alessio  im 
Südosten  und  Militello  im  Westen  bezeichnen  am  besten  den 
Verlauf  dieser  Zone.  Südlich  folgt  dieser  eine  Höhenzone  von 
tertiären  Flysch bergen,  deren  Fuss  von  den  Laven  des  Aetna 
bespült  wird. 

Suess,  Das  Antlitz  der  Erde.  '9 


2QO  Sicilisches  Streichen. 

Obwohl  ich  selbst  das  Vergnügen  gehabt  habe,  unter  der 
Führung  des  Herrn  Seguenza  diese  merkwürdige  Zone  zu  be- 
suchen, welche  in  ihrer  Zusammensetzung  mehr  als  irgend  ein  Theil 
des  Appennin  an  die  Ostalpen  erinnert,  habe  ich  wegen  der  ver- 
hältnissmässig  geringen  Längenerstreckung  derselben  bis  jetzt 
nicht  gewagt,  weitergehende  Schlüsse  an  ihr  Auftreten  zu  knüpfen. 

Seither  hat  sich  die  Kenntniss  von  dem  Baue  der  sicilischen 
Gebirgszüge  beträchtlich  erweitert.  Es  ist  insbesondere  aus  Gem- 
mellaro's  wichtigen  Untersuchungen  bekannt  geworden,  dass  die 
Triasformation  der  Ostküste  durch  die  Madonien  sich  fortsetzt  und 
dann,  in  zwei  grosse  Züge  gabelförmig  getheilt,  einerseits  längs 
der  Nordküste  bis  zum  M.  S.  Giuliano  bei  Trapani,  andererseits 
gegen  SW.  bis  in  die  Nähe  von  Sciacca  reicht.  Sie  bildet  an 
vielen  Orten  die  Unterlage  einer  mannigfaltigen  Reihe  von  rhä- 
tischen,  jurassischen  und  cretacischen  Ablagerungen  und  ist  oft 
durch  Fossilien,  insbesondere  durch  Daonellen  und  Halobien  kenn- 
bar. Die  tiefsten  Lagen  erscheinen  am  M.  S.  Elia,  an  der  Nord- 
küste in  der  Nähe  von  Bagheria,  O.  von  Palermo. '° 

Ebenso  ist  seither  durch  eine  neuere  Arbeit  Mottura's  auf 
weite  Strecken  hin  sowohl  am  Südrande  der  Madonien,  als  auch 
weiter  gegen  SO.  über  Raddusa  gegen  den  Westrand  der  Ebene 
von  Catania,  und  im  SW.  gegen  Caltanisetta  das  Hervortauchen 
mächtiger  Massen  von  Flyschgesteinen,  von  Argille  scagliose  mit 
Fucoiden,  von  Albarese,  Sandstein  und  Nummulitenkalkstein  in 
früher  kaum  vermutheter  Ausdehnung  nachgewiesen  worden." 

Nachdem  nun  sogar  von  Boschetello  bei  Vizzini  cephalopoden- 
reicher  Neocom  als  die  Unterlage  jener  Hippuritenkalksteine  be- 
kannt geworden  ist,  welche  gegen  SO.  bis  zum  Cap  Passaro 
streckenweise  sichtbar  sind,"  wird  man  sich  der  Meinung  nicht 
mehr  verschliessen  dürfen,  dass  die  südwärts  geneigte  Verrucano- 
und  Triaszone  des  Cap  Alessio  thatsächlich  als  ein  Theil  des 
Schichtenkopfes  einer  weitgestreckten  Kalkzone  anzusehen  ist. 

Wenn  nun  die  Einheit  des  Aspromonte  in  Calabrien  und  des 
peloritanischen  Stockes  in  Sicilien  ausser  Zweifel  steht,  wie  die 
gegenseitige  Lage,  die  Umbeugung  der  allerdings  lückenhaften 
calabrischen  Schieferzone  und  die  Identität  der  cretacischen  Trans- 
gressionen  zeigt,  so  folgt  hieraus,  dass  die  gefalteten  Sediment- 


Fortsetzung  durch  Dak'hcla.  2QI 

bildungen  am  Aussenrande  des  Appennin  unter  einem  Theile  des 
jonischen  Meeres  eine  scharfe  Beugung  gegen  West  erfahren. 

Und  nun  sehen  wir  uns  plötzlich  vor  ein  neues  Problem  ge- 
stellt. Im  Nordosten  Siciliens  erblicken  wir  ein  Fragment  alter  kry- 
stallinischer  Felsarten,  umgürtet  von  einer  aus  Calabrien  herüber- 
reichenden Zone  von  Schiefer;  dieser  folgen  Zonen  von  Verrucano, 
Trias,  rhätischer  Stufe,  Lias  bis  Neocom,  Alles  auf  ein  ziemlich 
schmales  Band  zusammengedrängt,  das  kaum  über  Taormina 
herabreicht;  dann  folgen  die  Flyschgesteine.  Zuerst  erscheinen 
sie  als  ein  ansehnlicher  selbständiger  Saum  bis  in  die  Nähe  des 
Aetna,  dann  sinken  sie  unter  die  jüngeren  Bildungen  hinab,  ent- 
hüllen sich  nur  stellenweise  und  lassen  wohl  auch  ihre  Unterlage, 
Hippuritenkalk  und  Neocom,  zu  Tage  treten. 

Ein  Theil  der  horizontalen  jüngeren  Tertiärschichten  findet 
seine  leicht  erkennbare  Fortsetzung  auf  dem  tafelförmigen  Malta. 
Die  Fortsetzung  des  Eocän-  und  Kreidegebirges  aber  liegt,  wie 
Coquand  schon  vor  vielen  Jahren  ganz  richtig  erkannte,  im  nörd- 
lichen Afrika.'^  Weit  zieht  sich  von  dort  das  Vorgebirge  Dak' 
heia  mit  dem  Cap  Bon  gegen  Sicilien  herüber;  es  ist  zum  grossen 
Theile  aus  Neocom  und  Flysch  zusammengesetzt,  wie  die  Vor- 
kommnisse am  Cap  Bon  selbst,  bei  Zaghouan  und  an  der  Südseite 
gegen  den  Golf  von  Hammamet  lehren."* 

Dort  also  haben  wir  unsere  Vergleichungen  fortzusetzen. 

C.  Die  nordafrikanische  Kette. 

Unter  den  Felsarten,  aus  welchen  das  grosse  nordafrikani- 
sche Kettengebirge  aufgebaut  ist,  bemerken  wir  nun  zuerst  eine 
Reihe  jüngerer  vulcanischer  Vorkommnisse,  welche  da 
und  dort  als  Inseln  aus  dem  Meere  aufragen,  an  einzelnen  Stellen 
aber  auch  auf  das  Festland  übergreifen. 

Wir  treffen  zunächst,  schon  in  einiger  Entfernung  vom  Lande, 
auf  die  schroffe,  350  M.  hohe  Insel  Galita  und  die  sie  begleiten- 
den Riffe  und  kleineren  Inseln.  Mit  Ausnahme  einer  steil  aufge- 
richteten Scholle  von  dunklem  Kalkstein  und  Schiefer  besteht  die 
ganze  Insel  aus  Trachyt  und    einem   dunklen,    doleritähnlichen 

Gesteine.  '^ 

19* 


■  -  »^'^ 


2Q2  Vulcanische  Zone  in  Nordafrika. 

Weiter  gegen  West  liegt  die  Fortsetzung  auf  dem  afrikani- 
schen Festlande;  ich  erwähne  die  basaltischen  Massen  von  Dellys 
in  Kabylien.  Noch  weiter,  westlich  von  Algier  und  der  Ebene  der 
Mtidja,  greifen  diese  Gesteine  etwas  tiefer  in  das  Land.  Sie  er- 
scheinen im  Gebiete  von  Milianah  sogar  in  drei  getrennten 
Zonen,  deren  erste  am  Meere  bei  Scherschel  und  an  anderen 
Orten,  die  zweite  am  Südrande  der  landeinwärts  folgenden  ersten 
Ketten  von  Bergen  der  Kreideformation,  und  die  dritte,  süd- 
lichste mit  einer  Länge  von  mehr  als  50  Km.  am  Südfusse  der 
nächsten  Kette  der  Kreideformation,  der  grossen  Sra  Kebira, 
liegt.  '^ 

Auch  in  Oran  treten  vulcanische  Gesteine  auf,  und  zwar 
Trachyte  und  Basalte.  Hier  stehen  sie  in  inniger  Verbindung  mit 
jüngeren  Tertiärschichten  und  sogar  mit  einer  älteren  Abtheilung 
der  quaternären  Bildungen.  Die  Trachyte  scheinen  im  Allgemeinen 
etwas  älter  zu  sein  als  die  Basalte. '^ 

Die  Insel  Habibas  besteht  aus  Mühlsteintrachyt.'^ 

Noch  weiter  gegen  West  zeigen  sich  zu  beiden  Seiten  des 
Wadi  Tafna  grössere  Basaltmassen;  in  der  Basaltinsel  von  Ain- 
Temouchent,  an  der  Grenze  von  Oran  und  Tlemcen,  ergiessen 
sich  Basaltströme  über  quaternäre  Lagen  mit  Landschnecken. '^ 

Die  Insel  Raschgoun  liefert  Puzzuolane  und  glasigen  Feld- 
spath/° 

Auch  bei  Nemours  treten  wieder  grössere  Basaltmassen 
hervor. 

Die  Djafarän-Inseln,  westlich  von  Nemours,  bestehen  aus 
Trachyt  und  Phonolith."  Auf  der  sehr  kleinen  Insel  Alboran, 
welche  weit  entfernt  von  der  Küste  liegt,  trifft  man  ein  steil  auf- 
gerichtetes Stück  einer  geschichteten  Scholle,  wie  es  scheint  von 
jungem  sedimentären  Ursprünge,  und  darüber  eine  Lage  von 
olivinhaltiger  Felsart." 

Es  ist  also  auf  den  Inseln  und  längs  der  Küste  diese  Reihe 
jüngerer  Eruptivbildungen  bis  weit  gegen  West  nachweisbar. 

Als  eine  nächste,  doch  etwa  mit  Ausnahme  der  kleinen  Insel 
Plane,  westlich  von  Oran,  schon  ganz  dem  Ufersaume  des  Fest- 
landes angehörige  Zone  unterscheiden  wir  eine  Reihe  von  Vor- 
kommnissen älterer  Felsarten,  nämlich  Gneiss  und  älteren  Gra- 


Gneiss  des  Dj.  Edough,  Kabylien,  Algier.  2 93 

nit,  Glimmerschiefer  und  Thonschiefer  mit  Lagen  von  körnigem 
Marmor. 

Die  erste  Gneissmasse  ist  jene  des  Dj.  Edough,  westlich 
von  Bona.  Sie  ist  durch  den  Fetzara-See  südwärts  begrenzt.  Ihr 
gegenüber,  an  der  Westseite  des  Golfes  von  Stora,  bestehen  die 
,Sieben  Caps*  bei  Collo  aus  Granit  und  Quarzporphyr.  Die  süd- 
lich folgende  Schieferzone  reicht  vom  Edough,  der  Küste  ziemlich 
parallel  laufend,  über  Philippeville,  dann  südlich  von  Collo  biis 
gegen  Djidjelli  im  Golf  von  Bougie,  wo  an  der  Küste  wieder 
Quarzporphyr  sichtbar  wird.*^ 

Die  nächste  ist  die  grosse  kabylische  Gneissmasse,  west- 
lich vom  Busen  von  Bougie,  welche  mit  den  begleitenden  älteren 
Schiefern  das  ganze  Gebiet  des  bei  Dellys  mündenden  Wadi  Se- 
baou  umfasst.  Sie  erhebt  sich  landeinwärts  bis  zur  Höhe  von 
1420M.  und  bleibt  daher  beträchtlich  niedriger  als  der  sie  südlich 
umgebende  und  überragende  gewaltige  Schichtenkopf  des  aus 
Kalkstein  bestehenden  Djurdjura,  dessen  Höhen  zwischen  1730  und 
2517  M.  schwanken.  Die  kabylische  Gneissmasse  ist  stellenweise 
durch  transgredirende,  nummulitenführende  Schichten  verdeckt, 
doch  bleibt  sie  in  drei  grösseren  Gruppen  sichtbar,  deren  südliche, 
die  älteren  Schiefer  inbegriffen,  von  West  nach  Ost  54  Km.  bei  einer 
mittleren  Breite  von  1 6  Km.  erreicht.  Gegen  Dellys  und  das  Meer  hin 
scheint  sie  vollständig  von  tertiären  Ablagerungen  bedeckt  zu  sein.** 

Das  nächste  Auftauchen  älterer  Felsarten  ist  besonders  be- 
zeichnend für  die  Art  des  Einbruches  der  jetzt  unter  dem  Meere 
begrabenen  Theile  dieses  grossen  Gebirgszuges.  Sowie  zwischen 
der  Bucht  von  Neapel  und  jener  von  Salerno  die  Landzunge  von 
Sorrent  mit  der  Insel  Capri  hervorragt,  zwei  selbständige  Einsen- 
kungen  als  Horst  abgrenzend,  ragen  östlich  und  westlich  von  der 
Bucht  von  Algier  zwei  Halbinseln  ins  Meer  hinaus,  im  Osten  Cap 
Matifou,  im  Westen  die  Halbinsel  von  Bouzar^a,  und  jedes  dieser 
Vorgebirge  besteht  aus  je  einem  Stücke  der  Schieferhülle  der 
versunkenen  Masse  von  Algier.  So  wenigstens  allein  kann  ich  die 
vielfach  vorliegenden  Darstellungen  auffassen.  Auf  Bouzarea  ist 
die  sichtbare  Masse  alter  Felsarten  viel  bedeutender  als  auf  Cap 
Matifou;  man  sieht  hier  eine  Folge  von  granatführendem  Glimmer- 
schiefer, Talk-  und  Thonschiefer,  mit  einer  mächtigen  Einschaltung 


2  94  Mostaganem,  Räs-el-Deir,  Ras  Torf. 

von  dunkelblauem  Kalkstein  ;  gneissartige  Zwischenlagen  und 
vereinzelte  kleinere  Granitvorkommnisse  innerhalb  des  Schiefers, 
wie  sie  am  Edough  und  im  peloritanischen  Gebirge  bekannt  sind, 
werden  auch  hier  angetroffen.  Die  Lagen  neigen  sich  bei  Algier 
gegen  Süd,  und  die  Steilheit  ihrer  Neigung  nimmt  südwärts  zu. 
Auf  der  Höhe  von  Bouzar^a  ist  das  Streichen  bogenförmig  ge- 
krümmt. Dieses  Fragment  ist  südwärts  durch  die  Ebene  der 
Mtidja  vom  Kalkgebirge  getrennt.^^ 

Noch  weiter  gegen  West,  an  der  Westseite  der  Bucht  von 
Mostaganem,  in  dem  Küstensaume  von  Oran,  erscheinen  grani- 
tische Gesteine,  fein  gefältelte,  seidenglänzende  Thonschiefer, 
Kalkstein  und  galmeiführender  Dolomit  unter  einer  Gruppe  von 
rothem  Schiefer  und  von  Ouarzsandstein.  Diese  älteren  Felsarten 
bilden  viele  Küstenpunkte  westlich  von  Oran,  ziehen  sich  in  der 
Richtung  der  Küste  fort  und  treten  nach  Bleicher  in  den  Höhen 
südlich  von  Nemours  auf.*^ 

Auch  weiter  südlich  von  Nemours,  gegen  Oudjda,  treten 
ältere  Felsarten  in  längerem  Zuge  auf  einer  Antiklinale  hervor, 
welche,  der  Richtung  des  Gebirges  folgend,  über  die  marokkani- 
sche Grenze  streicht.  Auch  hier  gibt  es  vereinzelte  Granitvor- 
kommnisse im  Schiefer.''^  Dem  östlichen  Theile  des  Gebirges  fehlen 
so  tiefgreifende  innere  Aufbrüche,  wie  es  scheint,  gänzlich. 

Verfolgen  wir  die  Meeresküste,  so  zeigt  sich  auf  marokkani- 
schem Gebiete  nach  Coquand's  mühevollen  Beobachtungen  Fol- 
gendes. Während  die  ebengenannten  Gebirgsfalten  von  Tlemcen 
gegen  WSW.  landeinwärts  fortstreichen,  bleibt  eine  Reihe  von 
Aufbrüchen  alter  Felsarten  dem  bogenförmig'gekrümmten  Meeres- 
saume treu,  ohne  tiefer  in  das  Land  einzudringen.  An  den  Vor- 
gebirgen erscheinen  die  ältesten  Glieder,  so  auf  dem  weit  vor- 
ragenden Räs-el-Deir  (Cabo  tres  Forcas)  bei  Melilla;  Ras  Torf 
(Cabo  Negro)  nördlich  von  Tetuan  hat  seinen  Namen  von  dem 
dunklen,  granatführenden  Glimmerschiefer,  welcher  hier,  begleitet 
von  Thonschiefer  und  jüngeren  Granitgängen,  auftritt.  Dieselben 
alten  Felsarten  bilden  das  Vorgebirge  von  Ceuta,  welches  sich 
vom  Dj.  Mousa  abzweigt. 

So  erreichen  die  alten  Felsarten  längs  des  Südufers  des  Mittel- 
meeres die  Strasse  von  Gibraltar;  landwärts  sind  sie  hier  von  altem 


Djaritz.  Rother  Sandstein.  ^QS 

Sedimentgebirge  begleitet,  welches  den  grössten  Theil  der  Ufer- 
strecke von  Tetuan  bis  durch  das  Rif  hinab  innerhalb  der  eben 
erwähnten  noch  älteren  Schollen  zu  bilden  scheint,  und  an  einer 
Stelle,  bei  Djaritz  oberhalb  Tetuan,  hat  Coquand  Reste  von  Tri- 
lobiten,  Orthoceras,  Orthis  u.  A.  in  einem  höheren  Gliede  dieser 
Zone  getroffen.  Ihr  Streichen  geht  dabei  allmäligaus  ONO. — WSW. 
in  Süd-Nord  über.** 

Das  nächste  Gebirgsglied  ist,  abgesehen  von  vereinzelten 
Vorkommnissen  von  Kohlenkalk,  welche  Bleicher  in  Oran  anführt, 
ein  dunkelrothes  Conglomerat  oder  rother  Sandstein,  in  welchem 
man  fossile  Stämme  angetroffen  hat,  und  welches  von  Pomel  für 
permisch  gehalten,  von  Bleicher  noch  zum  Carbon  gezählt  wird. 
Es  erscheint  dasselbe  über  dem  Schiefer  und  unter  dem  mesozoi- 
schen Kalkgebirge  im  nördlichen  Theile  der  Provinz  Constantine, 
dann  auf  dem  Dj.  Khar,  d.  i.  dem  Löwenberge  bei  Oran,  am  Cap 
Falcon,  über  dem  Schiefer  des  östlichen  Tlemcen  und  an  anderen 
Orten.  Im  Westen  umgibt  ein  von  Ferne  sichtbarer  Bogen  von 
rothem  Sandstein  von  Tetuan  an,  und  wie  es  scheint  auch  durch 
das  Rif,  die  Uferzone  der  alten  Schiefergesteine.  Es  ist  sehr 
möglich,  dass  diese  rothe  permische  Serie  jener  mächtigen 
rothen  Schichtfolge  im  Süden  des  Landes  und  des  hohen  Atlas 
entspreche,  welche  Fritsch  als  , Wan s er o -Sandstein*  be- 
zeichnet.'^ 

Ueber  diesem  rothgefärbten  Gliede  liegt  das  hohe  Kalk- 
gebirge. Dass  ein  tiefster  Theil  desselben  wenigstens  im  Osten 
der  Trias  zufällt,  ergibt  sich  trotz  des  Mangels  an  Petrefacten 
aus  der  Ueberlagerung  durch  den  Lias;  eine  Anzahl  von  Be- 
obachtern hat  dies  anerkannt.^"  Lias  ist  an  mehreren  Punkten  im 
nördlichen  Theile  der  Kette  bekannt;  jurassische  Bildungen  nehmen 
einen  grösseren,  jene  der  Kreide-  und  Eocänformation  aber  den 
grössten  Antheil  an  dem  Aufbaue  jener  gewaltigen  Faltungen, 
aus  welchen  sich  die  südwärts  durch  die  Niederung  der  Hodna 
und  eine  Reihe  von  Schotts  getrennte  Gebirgskette  zusammen- 
setzt. Ihr  Streichen  ist  von  Tunis  an  weithin  unausgesetzt  WSW., 
bis  etwa  im  marokkanischen  Rif  jene  Beugung  gegen  Nord  eintritt, 
welche  wir  bereits  in  den  inneren  Zonen  kennen  gelernt  haben, 
und  welche  den  Abschluss  des  Mittelmeeres  bewirkt. 


2q6  Gefaltete  Kalkzonc;  Sebcha*s  und  Sahara. 

So  kommt  es,  dass  nach  Coquand  das  Cap  Spartel  aus  Flysch 
besteht,  dass  Desguin  so  wie  Lenz  auf  der  ganzen  Strecke  von 
Tanger  bis  Meknfes  und  Fes  nicht  auf  ältere  Schichten  als 
höchstens  auf  solche  des  oberen  Jura  gestossen  sind,  und  dass  die 
einzigen  mesozoischen  Fossilien,  welche  Desguin  südlich  von 
Tanger  antraf,  dem  Horizonte  der  Ostrea  scyphax  angehören.^* 

Auf  französischem  Gebiete  ist  in  der  Entwirrung  der  Falten 
des  Kalkgebirges  bereits  ganz  Ausserordentliches  geleistet  wor- 
den, wie  denn  überhaupt  die  Entzifferung  der  Structur  der  nord- 
afrikanischen Ketten  durch  französische  Geologen  zu  den  erfreu- 
lichsten Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  beschreibenden  Geologie 
gezählt  werden  darf  und  den  Betheiligten  zur  grössten  Ehre 
gereicht. 

Hier  ist  es  nicht  nöthig,  auf  die  Einzelheiten  des  Faltenbaues 
einzugehen ;  es  verdient  aber  erwähnt  zu  werden,  dass  nach  den 
schönen  Karten  Brossard's  jene  Querverbindung,  welche  im  Ge- 
biete von  Bou  Saada  südwestlich  von  der  Hodna,  von  dem  nörd- 
lich von  den  Sebcha's  liegenden  Gebirge  zu  dem  südlichen  her- 
überzieht, ebenfalls  aus  Falten  zusammengesetzt  ist,  welche  das 
Streichen  der  Hauptketten  haben  und  quer  abgesunken  sind. 

Mit  einer  Regelmässigkeit,  wie  man  sie  etwa  im  Juragebirge 
anzutreffen  gewohnt  ist,  streichen  die  Falten  durch  das  Gebirge 
nördlich  von  den  Sebcha's,  und  an  seinem  Rande  zeigen  sich  sehr 
junge  tertiäre  Schichten,  welche  an  den  Störungen  theilgenommen 
haben.^^ 

Südlich  von  der  Zwischenebene  der  Sebcha's  erhebt  sich  das 
gefaltete  Gebirge  abermals  zu  beträchtlichen  Höhen,  es  ist  aber 
in  demselben  keine  ältere  Ablagerung  nachgewiesen  als  oberer 
Jura,  lieber  diesem  folgt  Neocom,  dann,  etwa  im  Niveau  des 
Gault,  eine  grosse  Mächtigkeit  von  flyschartigem  Sandstein,  dar- 
über die  mittlere  und  obere  Kreide.  Das  Cenoman  besteht  aus 
Gyps,  Mergel  und  Kalkstein,  die  höheren  Kreideglieder  aus  Kalk- 
stein. Gegen  Ost  tritt  Eocän  hinzu. 

Von  Figuig  weit  im  Westen  an  der  Grenze  von  Marokko,  bis 
über  Laghouat  hin,  wo  dieses  Gebirge  Djebel  Amour  heisst,  endet 
dasselbe  nach  Rolland's  Angaben  steil  und  geradlinig  mit  nord- 
östlichem Streichen  gegen  die  unermessliche  Sahara ;  der  Aussen- 


Appenninischcr  Bau  der  afrikanischen  Kette.  207 

rand  besteht  aus  gegen  SO.  geneigten  Schichten  von  Kreidekalk- 
stein, dem  äusseren  Abfalle  einer  grossen  Sattelfalte.  Gegen 
Biskra  ist  der  Umriss  weniger  geradlinig,  der  Bau  des  Gebirges 
aber  derselbe.^^ 

Wir  erkennen  demnach  in  den  nordafrikanischen  Ketten  eine 
Anzahl  von  parallelen  Zonen.  Die  erste  ist  die  vulcanische,  zum 
grossen  Theile  inselförmig  aus  dem  Meere  hervorragend,  von  der 
Insel  Galita  im  Osten  durch  eine  Reihe  einzelner  Punkte  vertreten 
bis  zu  den  Djafar^-n-Inseln  in  der  Bucht  von  Melilla  im  Westen. 
Die  zweite  Zone,  öfters  in  der  Gestalt  von  Halbinseln  ins  Meer 
hervorragend,  besteht  aus  mehr  oder  minder  fragmentarischen 
Vorkommnissen  von  Gneiss,  Granit  und  altem  Schiefergebirge, 
vom  Edough  bis  zum  langen  Räs-el-Deir  und,  der  Krümmung  des 
Ufers  folgend,  bis  zu  den  Säulen  des  Hercules.  Den  Zusammen- 
hang der  einzelnen  Glieder  dieser  Zone  haben  französische  Geo- 
logen längst  erkannt,  und  Pomel  hat  sie  in  einem  Gesammtbilde 
dieses  Gebirgszuges  schon  vor  mehreren  Jahren  trefflich  geschil- 
dert.^* lieber  dem  Schiefergebirge  liegt  rothes,  für  permisch  oder 
carbon  gehaltenes  Conglomerat  und  rother  Sandstein ;  dann  er- 
heben sich  die  schroffen,  hohen  Schichtenköpfe  des  gefalteten 
Kalkgebirges,  welches  südwärts  bis  zur  Hodna  und  darüber  hin- 
aus bis  zur  Sahara  reicht.  Es  wiederholt  sich,  südwärts  ge- 
wendet, in  Nordafrika  der  Bau  des  Appennin. 

Auch  hier  ist  die  Zone  der  krystallinischen  Felsarten  einge- 
brochen bis  auf  wenige  Reste  und  ist  das  gefaltete  Gebirge  land- 
einwärts gestaut ;  auch  hier  bezeichnen  vulcanische  Gesteine  die 
Region  der  Einbrüche,  welche  auch  hier,  wie  an  der  Westküste 
Italiens,  nicht  nach  langen  Linien,  sondern  in  vereinzelten  Kesseln 
erfolgt  zu  sein  scheinen,  wie  die  aus  den  Trümmern  der  älteren 
Gesteine  bestehenden  Vorgebirge  anzeigen. 

Von  diesen,  den  Mittelmeerküsten  folgenden  Ketten  scheint 
jedoch  der  hohe  Atlas,  so  weit  er  überhaupt  bekannt  ist,  nicht 
nur  dem  Streichen,  sondern  auch  der  Zusammensetzung  nach  sehr 
verschieden  zu  sein.  Er  entfernt  sich  mit  westsüdwestlichem 
Streichen  weit  von  dem  nördlichen  Gebirge,  welches  bei  Gibraltar 
sich  nordwärts  kehrt,  und  erreicht  im  Cap  Ghir  die  atlantische 
Küste. 


298  Das  südliche  Spanien. 


D.  Die  betische  Cor  diller  e. 

Im  Rif  und  bis  zu  den  Säulen  des  Hercules  schwenken  die 
nordafrikanischen  Ketten  in  grossen  Bogen  gegen  Nord  und 
führen  uns  nach  Europa  zurück. 

Das  südliche  Spanien  zerfallt  in  drei  natürliche  Gebiete;  das 
erste  ist  die  Region  der  Ketten  der  betischen  Cordillere,  welche 
mit  ostnordöstlichem  Streichen  die  Küste  des  Mittelmeeres  be- 
gleiten; dann  folgt  das  etwa  in  gleicher  Richtung  verlaufende  Thal 
des  Guadalquivir,  und  jenseits  dieses  Flusses  liegt  der  scharf  ge- 
zeichnete Südrand  der  grossen  iberischen  Meseta,  welcher  der- 
selben Richtung  folgt.  Diese  ausgedehnte  Meseta,  deren  wichtig- 
stes Glied  im  Süden  die  Sierra  Morena  ist,  gleicht  in  der  weiten 
Verbreitung  archäischer  Felsarten,  der  Lückenhaftigkeit  der  meso- 
zoischen Serie,  in  dem  das  Streichen  der  Felsarten  durchschnei- 
denden Umrisse,  und  in  der  weiter  im  Norden  hervortretenden 
Transgression  des  Cenoman  ganz  und  gar  der  böhmischen  Masse 
oder  dem  französischen  Centralplateau,  und  die  Sierra  Morena 
erhebt  sich  gegen  den  äusseren  Rand  etwa  so,  wie  das  Mannhart- 
gebirge in  Niederösterreich. 

Unsere  Aufmerksamkeit  ist  zunächst  den  betischen  Ketten 
zugewendet,  und  um  ihren  Bau  zu  schildern,  soll  derselbe  Weg 
verfolgt  werden,  den  ich  soeben  bei  Besprechung  des  nordafrika- 
nischen Gebirges  einzuschlagen  versucht  habe.  Auch  hier  wollen 
wir  uns  vom  Mittelmeere  her  dem  Festlande  nähern  und  die  ein- 
zelnen Zonen  aufsuchen  und  verfolgen. 

In  dem  am  weitesten  entgegentretenden  Theile  des  Fest- 
landes, dem  Cabo  de  Gata,  begegnen  wir  einer  ziemlich  ausge- 
dehnten Kette  junger  vulcanischer  Vorkommnisse,  durch  deren 
Eruption  die  südöstliche  Küste  der  Provinz  Almeria  bis  in  die 
Nähe  von  Mojacar  gebildet  wurde  und  welche  sich  von  da  in  ver- 
ein zelten  Punkten  nordöstlich  über  Vera  hinaus  fortsetzen.^-  Kleinere 
Vorkommnisse  von  vulcanischen  Felsarten  sind  noch  weiter  gegen 
NO.  in  der  Nähe  der  Meeresküste  sichtbar,  und  östlich  von  Car- 
tagena  wird  nach  Botella's  Darstellung  das  kleinere,  aus  altem 
Schiefer  bestehende  Felsenstück,  welches  im  Cabo  de  Palos  endet. 


Vulcanische  Zone.     Schiefergebirjje.  ^QQ 

durch  eine  Kette  vulcanischer  Höhen  vom  Festlande  getrennt. 
Auch  die  kleinen  Riffe  in  der  Lagune  Mar  Menor  bei  Cartagena 
bestehen  aus  Trachyt  und  Basalt.^^ 

So  ist  also  der  ganze  südöstliche  Rand  der  iberischen  Halb- 
insel von  Cabo  deGata  bis  Cabo  de  Palos  mit  jungen  vulcanischen 
Bildungen  besetzt;  mit  Ausnahme  der  Umgebung  von  Lissabon 
ist  auch  kein  Theil  der  Küste  heftigeren  und  häufigeren  Erschütte- 
rungen der  Erde  ausgesetzt  als  dieser.^^ 

Dieser  vulcanischen  Zone  folgt  landeinwärts  ein  sehr  ausge- 
dehntes Schiefergebirge,  mit  geringer  Entwicklung  von  Gneiss, 
hauptsächlich  aus  granatführendem  Glimmerschiefer,  Talk-  und 
Thonschiefer  und  aus  Lagen  von  krystallinischem  Kalkstein  zu- 
sammengesetzt. Dieses  Schiefergebirge  beginnt  im  Osten  mit  dem 
schon  erwähnten  Rücken  zwischen  Cabo  de  Palos  und  Cartagena, 
zeigt  sich  in  einzelnen  Aufbrüchen  nördlich  von  dieser  Stadt  und 
setzt  sich  gegen  SW.  fort.  Dann  bildet  dasselbe  mehrere  sehr 
grosse  antiklinale  Sättel,  welche  von  ONO.  gegen  WSW.  streichen. 
Der  erste  dieser  grossen  Sättel  oder  Aufbrüche  ist  die  Sierra  Al- 
hamilla,  der  nächste,  nördlich  von  dieser,  die  weite  Sierra  de  los 
Filabres.^^  Es  reiht  sich  weiter  an  dieselben  die  grösste  Wölbung 
dieser  Art,  die  mächtige  Sierra  Nevada.  Auch  diese  besteht 
nach  den  Angaben  von  Ansted^^  und  Drasche^°  aus  einer  ein- 
fachen, gegen  West  allmälig  an  Höhe  zunehmenden,  dann  steil 
endigenden  Antiklinale  von  Glimmerschiefer,  Thonschiefer  und 
altem  Kalkstein.  Gonzalo  hat  diese  grosse  Masse  neuerdings 
genau  beschrieben  und  gezeigt,  wie  sie  gegen  SW.  ihre  weitere 
Fortsetzung  in  der  schroffen  Sierra  de  Almijara  in  der  Nähe  der 
Küste  findet.'*' 

Zwischen  dem  südöstlichen  Theile  der  Sierra  Nevada  und  dem 
Meere  erhebt  sich  aber  noch  die  durch  ihren  Reichthum  an  Blei 
und  Zinkerzen  berühmte  Sierra  de  Gador,  westlich  von  Almeria, 
welche  eine  triadische  Scholle  ist.^' 

Es  erstreckt  sich  nun  das  alte  Schiefergebirge  weit  in  die 
Provinz  Malaga,  bis  endlich,  begleitet  von  Gneiss,  Granit  und 
archäischem  Schiefer,  oberhalb  Marbella  ein  grosser  Serpentin- 
stock sichtbar  wird.  Dieser  ist  nach  Mac  Pherson's  eingehender 
Beschreibung  gegen  NO.  gegabelt,  nimmt  an  dieser  Seite  Antheil 


300  Betische  Kalkzone.    Gibraltar. 

an  der  halbkreisförmigen  Umrahmung  der  Hoya  de  Malaga  und 
bildet  gegen  Südwest  den  ausgedehntesten,  wenn  auch  nicht  den 
höchsten  Theil  der  Serrania  de  Ronda.  Er  fällt  steil  zum  Meere 
ab;  bei  Marbella  sieht  man  noch  am  Meeressaume  einen  schmalen 
verworfenen  Saum  von  Schiefer  und  mesozoischen  Schichten.  Ein 
ebenfalls  von  Verwerfungen  begleiteter  Saum  von  stark  gefal- 
teten dolomitischen  Lagen,  die  für  paläozoisch  gehalten  werden, 
begleitet  die  alten  Gesteine  der  Serrania  de  Ronda  und  westlich 
von  Marbella,  bei  Manilba,  enden  in  der  Nähe  des  Meeresufers  der 
Serpentin  und  der  alte  Dolomit.^^ 

Hiemit  ist  das  Gebiet  der  älteren  Felsarten  in  der  betischen 
Cordillere  abgeschlossen.  Niemals  hat  man  in  diesem  ausgedehn- 
ten Schiefergebirge  bisher  organische  Reste  angetroffen,  obwohl 
auf  der  gegenüberliegenden  Meseta  nahe  dem  Rande,  z.  B.  in 
der  Nähe  von  Alcaräz  in  der  Provinz  Murcia,  von  Verneuil  schon 
vor  vielen  Jahren  silurische  Petrefacten  nachgewiesen  worden 
sind.  Dieser  so  vielfach  an  alpine  Vorkommnisse  mahnenden 
Schieferzone  folgt' nun  eine  Zone  von  mesozoischem  und  eocänem 
Alter,  welche  von  Verwerfungen  vielfach  durchschnitten  und  in 
hohem  Grade  gefaltet  ist. 

Wir  betrachten  zuerst  die  vereinzelte  Kalkscholle  von  Gib- 
raltar. Bei  einer  Untersuchung  dieses  Punktes  haben  kürzlich 
Ramsay  und  Geikie  das  gegenüberliegende  afrikanische  Ufer  be- 
sucht, dort  den  bereits  erwähnten  alten  Thonschiefer  bei  Ceuta 
mit  westlicher  Neigung  angetroffen  und  sich  von  der  Ueberein- 
stimmung  des  Djebel  Mousa  oberhalb  Ceuta,  d.  i.  der  zweiten 
Säule  des  Hercules,  mit  dem  Felsen  von  Gibraltar  -in  Streichen 
und  Gestein  überzeugt.  Wir  haben  also  anzunehmen,  dass  diese 
höchst  wahrscheinlich  jurassische  Kalkzone  von  Afrika  nach  Eu- 
ropa herüberstreicht.  Der  Fels  von  Gibraltar  selbst,  welcher  von 
einer  grossen  Verwerfung  durchschnitten  ist,  streicht  erst  Süd — 
Nord  und  weiter  gegen  Nord  wendet  sich  sein  Streichen  mehr  und 
mehr  gegen  Nordost.'** 

Dieser  Richtung  folgend,  erreichen  wir  den  nördlicheren,  aus 
mesozoischem  Kalkstein  und  eocänen  Schichten  bestehenden,  hoch 
aufgefalteten  und  von  zahlreichen  im  Streichen  liegenden  Brüchen 
durchsetzten  Theil  der  Serrania  de  Ronda,  deren  südlicher  archäi- 


Faltung  der  betischen  Cordillere.  ßO  I 

scher  oder  paläozoischer  Theil  bereits  erwähnt  worden  ist.  Dieser 
Gebirgstheil  ist  der  Gegenstand  mehrerer  inhaltsreicher  Schriften 
von  Mac  Pherson  geworden/^  In  welchen  auch  zum  ersten  Male 
hervorgehoben  wurde,  dass  der  ganze  Gebirgszug  des  nördlichen 
Afrika  nicht  durch  eine  Bewegung  der  Massen  gegen  Nord,  son- 
dern durch  eine  süd-  oder  südostwärts  gerichtete  Bewegung  ge- 
bildet worden  sei/^ 

Die  betische  Cordillere  ist  als  ein  nord-  oder  nordwestwärts 
gefaltetes  Gebirge  anzusehen;  ,das  gewaltige  Phänomen  der  Fal- 
tung, der  Brüche  und  der  einseitigen  Structur,  welche  die  Zusam- 
mensetzung aller  Sierren,  welche  die  Cordillera  B^tica  bilden, 
beherrscht,  scheint  mir,*  sagt  Mac  Pherson,  ,einfach  das  Ergebniss 
jenes  ausserordentlichen  seitlichen  Druckes  zu  sein,  welcher  diesen 
Theil  der  Erdrinde  gegen  die  bereits  zur  Faltung  unfähige  Masse 
der  centralen  spanischen  Meseta  presste.  .  /^^ 

Die  Verwerfungen,  welche  die  Serrania  de  Ronda  durchsetzen, 
und  welche  die  stark  gefalteten  einzelnen  Streifen  des  Gebirges  in 
einzelnen  Fällen  in  sehr  abnorme  Stellung  zu  einander  gebracht 
zu  haben  scheinen,  können  diese  schon  durch  die  Vertheilung  der 
Felsarten  im  Grossen  vorgezeichnete  Auffassung  nicht  beirren. 
Sie  enthält  ihre  weitere  Bestätigung  in  den  weiter  gegen  Nord- 
ost gesammelten  Beobachtungen,  insbesondere  durch  das  von 
Ortuega  veröffentlichte  Profil  über  die  Sierra  de  Abdalagis  nörd- 
lich von  Alora  in  der  Provinz  Malaga.'*^  Diese  mesozoische  Zone 
streicht  gegen  ONO.  über  Lorca  und  Murcia  und  nördlich  von 
diesen  Städten,  wenn  auch  mehrfach  von  jungtertiären  Ebenen 
unterbrochen,  fort  und  erreicht  in  der  Provinz  Alicante  das  Meer. 

Den  äusseren,  nördlichen  Saum  der  betischen  Cordillera 
begleiten  in  den  Thälern  des  Guadalete  und  des  Guadalquivir 
zunächst  heftig  gefaltete  tertiäre  Schichten.  Endlich  sinken  sie 
unter  die  Ebene;  es  folgen  die  AUuvien  des  Guadalquivir  und  bei 
Sevilla  ist  der  steile  Rand  der  Sierra  Morena  und  der  centralen 
Meseta  erreicht. 

Man  trifft  demnach  in  diesem  Theile  der  iberischen  Halbinsel, 
vom  Mittelmeere  landeinwärts  schreitend,  zuerst  eine  Gruppe 
jüngerer  vulcanischer  Bildungen  von  Cabo  de  Gata  bis  Cabo  de 
Palos,  dann  eine  gegen  Ostnordost  streichende  Zone  von  altem 


302  Anordnung  der  alpinen  Leitlinien. 

Schiefergebirge ,  welchen  wir  die  Serpentinmasse  der  Serrania 
de  Ronda  sammt  den  begleitenden  älteren  Felsarten  zuzählen  und 
deren  hervorragendstes  Glied  die  Sierra  Nevada  ist.  Sie  reicht  von 
Malaga  bis  Cabo  de  Palos.  Dieser  Zone  folgt  eine  Zone  von 
mesozoischem  Kalkstein  und  eocänen  Schichten,  welche  vom  Fel- 
sen von  Gibraltar  mit  seinem  bogenförmig  gekrümmten  Streichen 
über  die  nördlichen  Theile  der  Serrania  de  Ronda  gegen  die  Sa- 
gra  Sierra  sich  fortsetzt  und  bis  in  die  Provinz  Alicante  zieht. 
Ausserhalb  dieser  Zone  liegen  die  gefalteten  Tertiärschichten  der 
Ebene  des  Guadalquivir,  dann  folgt  der  Fluss,  dann  die  entgegen- 
stehende Meseta. 

Das  ist  dieselbe  Reihenfolge,  wie  sie  im  nördlichen  Afrika, 
im  Appennin,  in  den  Karpathen  mit  geringen  örtlichen  Abände- 
rungen angetroffen  wird.  Die  betische  Kette  wendet  dem  Mittel- 
meere den  abgebrochenen  Innenrand  zu,  an  welchem  vulcanische 
Eruptionen  stattgefunden  haben;  der  gefaltete  Aussenrand  ist 
gegen  die  Meseta  gerichtet. 

Ob  diese  Kette,  wie  mehrfach  vermuthet  worden  ist,  ihre 
Fortsetzung  in  den  Balearen  findet,  wage  ich  trotz  der  vorliegen- 
den trefflichen  Studien  über  diese  Inseln  nach  dem  verwickelten 
Baue  derselben  nicht  zu  entscheiden. 


E.  Die  Anordnung  der  Leitlinien, 

Die  weitgehende  Uebereinstimmung  in  der  Structur  dieser 
Ketten  und  die  eiq-enthümliche  und  wiederholte  Ablenkunof  der 
Falten  laden  zu  dem  Versuche  ein,  absehend  von  allen  neben- 
sächlichen Abweichungen,  in  dem  Verlaufe  jener  grossen  Fal- 
tungen der  Erdrinde  in  Südeuropa,  welche  unter  dem  Namen  des 
Alpensystems  zusammengefasst  worden  sind,  die  hauptsächlichen 
Streichungslinien,  gleichsam  die  Leitlinien  der  Falten,  aufzusuchen 
und  zu  verzeichnen. 

Die  nebenstehende  Figur  gibt  hievon  einen  allerdings  rohen 
und  sehr  schematischen  Versuch. 

Ein  nach  Nordwest  convexes  Bogenstück  zeigt  das  Jura- 
gebirge; sein  südliches  Ende  ist  den  Nordalpen  entschieden  näher 


Jura.   Alpen.    Karpathcn.  3^3 

als  das  nordöstliche.    Die  Bewegung  der  Falten  ist  nach  aussen 
gerichtet. 

Die  Alpen  beginnen  westlich  von  Genua;  innerhalb  des  Jura- 
gebirges dehnt  sich  der  Bogen  ihrer  Faltungen  erst  gegen  Nord, 
dann  mehr  und  mehr  gegen  Ost.  Es  sind  hier  mehrere  concen- 
trische  Leitlinien  eingezeichnet,  entsprechend  dem  Anschaaren 
mehrerer  Ketten  in  dieser  Region.  Die  nördlichste  dieser  Linien 
wendet  sich  um  das  südliche  Ende  der  böhmischen  Masse  und 
bildet  den  Bogen  der  Karpathen,  welcher  übertritt  über  Theile 
der  Sudeten  und  der  russischen  Platte.  Auch  auf  dieserJJnie  ist 
die  Bewegung  stets  nach  aussen  gerichtet,  erst  gegen  West  und 
Nord,  wie  im  vorliegenden  Juragebirge,  dann  mit  allmäliger  Wen- 
dung aus  Nord  wieder  mehr  gegen  Nordwest  in  Mähren,  dann  in 


— «^.... 


"'s. 


\ 


r 


Fin.  26.    Sc  hrm.iti  s  i  r  tc  r  Entwurf  tl  o  r  Leitlinien  des  A  1  pensy  ste  m  s. 


Galizien  gegen  Nord,  endlich  in  der  Moldau  und  der  Wallachei 
gegen  Ost  und  Südost. 

Eine  andere  Leitlinie  verläuft  aus  den  Alpen  längs  des  Platten- 
sees gegen  Nordost;  das  ist  die  Linie  des  ungarischen  Mittel- 
gebirges; die  Bewegung  ist  hier  gegen  Nordwest  gerichtet. 

In  Siebenbürgen  verzeichnen  wir  innerhalb  des  Buges  des 
Maros-Flusses  ein  Bogenstück,  welches  gegen  Ost  und  Süd  ge- 
wölbt ist;  es  ist  dies  der  Rand  des  siebenbürgischen  Erzgebirges. 
Die  faltende  Kraft  ist  auch  nach  aussen,  d.  i.  gegen  Ost,  Südost 
und  Süd  gerichtet. 


304  Appennin.  Nordafrika.   Betische  Kette. 

Die  letzten  Beobachtungen  Toula's  im  westlichen  Balkan 
verrathen  einen  so  ausserordentlich  verwickelten  Bau,  dass  ich  es 
noch  nicht  unternehmen  kann,  diese  Betrachtungen  auf  den  Balkan 
auszudehnen/' 

Der  Appennin  scheint  in  der  Bucht  von  Genua  mit  einer 
Krümmung  gegen  Nord  zu  beginnen;  dann  wendet  sich  der  Ge- 
birgszug gegen  Südost;  die  faltende  Kraft  ist  hier  gegen  Nordost 
gewendet. 

In  Sicilien  ziehen  wir  ein  Linienstück  beiläufig  von  Ost  gegen 
West;  es  entspricht  jenem  Gebirgsstücke,  dessen  archäischer, 
mit  den  calabrischen  Gebirgen  übereinstimmender  Kern  in  dem 
nordöstlichen  Theile  der  Insel  sichtbar  ist;  hier  geht  die  faltende 
Kraft  gegen  Süd. 

Als  eine  Fortsetzung  dieses  Bruchstückes  erscheint  die  gegen 
WSW.  laufende  Linie  des  nördlichen  Afrika;  sie  beugt  sich  im 
Westen  gegen  Nord.  Auf  dieser  Linie  ist  die  Faltung  gegen  Süd, 
dann,  entsprechend  der  Beugung,  mehr  und  mehr  gegen  West 
gerichtet. 

Diese  Beugung  tritt  bei  den  Säulen  des  Hercules  nach  Eu- 
ropa herüber  und  scheint  eine  volle  Verbindung  zwischen  den 
Falten  des  nördlichen  Afrika  und  jenen  der  betischen  Cordillere  zu 
vermitteln. 

Die  Leitlinie  dieser  Cordillere  streicht  gegen  ONO. ;  die  Fal- 
tung ist  gegen  NNW.  gewendet. 

Will  man  die  alten  Massen  von  der  iberischen  Meseta  bis 
zur  russischen  Platte  als  Nordgrenze  des  Alpensystems  ansehen, 
so  ist  hiemit  die  Reihe  der  langen  Hauptfalten  geschlossen;  will 
man,  da  ja  auch  im  Innern  der  besprochenen  Ketten  fremde 
Massen,  wie  die  von  Mojsisovics  kürzlich  betonte  serbisch-croati- 
sche  Masse,  keineswegs  zu  fehlen  scheinen,  auch  die  Pyrenäen  in 
dieser  Gruppe  von  Gebirgszügen  nennen,  so  erhält  man  noch 
eine  lange,  beiläufig  von  WNW.  nach  OSO.  verlaufende  Linie,  in 
welcher  die  faltende  Kraft  nach  NNO.  gerichtet  zu  sein  scheint. 

Auf  diese  Weise  ergibt  sich  eine  Anzahl  von  Linien,  welche 
auf  eine  sehr  eigenthümliche  Weise  wirbeiförmig  angeordnet 
und  mit  Ausnahme  der  Pyrenäen  alle  in  demselben  Sinne  gefaltet 
sind.    Die  Mitte  dieses  Wirbels  liegt  südwestlich  von  Genua.''*' 


Westliches  Mittelmecr  und  Ungarn.  305 

So  lange  man  nur  die  in  Europa  liegenden  Theile  des  Alpen- 
systems betrachtet,  scheinen  sie  allerdings  mit  geringen,  den 
äussersten  Theilen  der  Ketten  angehörigen  Ausnahmen  nach  Nord- 
west, Nord  oder  Nordost  bewegt.  Schon  in  Sicilien  hat  sich  aber 
das  Verhältniss  geändert ;  die  Einbeziehung  der  nordafrikanischen 
Kette  ändert  vollständig  das  Bild. 

Die  Art  der  Auffassung  dieser  grossen  Curven  bedarf  aller- 
dings noch  einer  Erläuterung.  Bei  dem  stetigen  Verlaufe  des 
äusseren  Umrisses  der  meisten  dieser  Ketten  und  den  vielfachen 
Unterbrechungen,  welche  die  inneren  Zonen  erleiden,  wurde  neben 
dem  Streichen  etwa  der  Mitte  der  gefalteten  mesozoischen  Aussen- 
zone  der  äussere  Umriss  als  Anhaltspunkt  zur  Verzeichnung  der 
Curve  gewählt.  Darum  kommt  z.  B.  die  grosse  Verschiebung, 
welche  innerhalb  der  Alpen  vom  oberen  Tessin  gegen  Nordost 
sich  zu  vollziehen  scheint,  gar  nicht  zum  Ausdrucke.  Von  eben  so 
grossem  Einflüsse  ist  dies  für  die  Linie  des  Appennin.  Nachdem 
man  auf  Corsica  durch  Dieulafait  die  Länge  der  rhätischen  Zone 
kennen  gelernt  und  Lotti  gezeigt  hat,  dass  die  Serpentine  Cor- 
sica's  ein  eben  so  hohes  Alter  besitzen  als  jene  der  See-Alpen 
und  Ligurien's,  und  dass  sie  vielleicht  nur  die  Fortsetzung  der 
alpinen  Vorkommnisse  seien,  welche  sich  bis  Elba  und  möglicher- 
weise noch  weiter  bis  Giglio  und  zum  M.  Argentario  erstrecken 
könnte,  hat  die  Ansicht  Boden  gefasst,  dass  die  wahre  Fortsetzung 
der  alten  calabrischen  Gesteine  auf  Corsica  zu  suchen  sei.^' 

Ohne  weiteren  Untersuchungen  vorgreifen  zu  wollen,  will 
ich  bemerken,  dass  der  äussere  Umriss  des  Appennin  nicht  für 
eine  solche  Erklärung  spricht,  dass  es  nach  den  heutigen  Beob- 
achtungen vielmehr  scheint,  als  seien  hier  Bruchstücke  eines  selb- 
ständigen, an  die  Innenseite  des  Appennin  anschaarenden  Gebirgs- 
zweiges  vorhanden,  dass  aber  selbst  in  dem  Falle  der  Bestätigung 
dieser  neueren  Ansicht  die  wesentlich  auf  das  Streichen  der  äus- 
seren Zonen  begründete  Anlage  dieser  Curven  hiedurch  nur  wenig 
beeinflusst  würde. "^^ 

Um  so  bemerkenswerther  ist  aber  gegenüber  den  Beobach- 
tungen auf  Corsica  die  Thatsache,  dass  in  Sardinien  die  Merk- 
male eines  ausseralpinen  Landstriches  immer  mehr  in  den  Vorder- 
grund treten,   wie  namentlich  durch  Bornemann's  Nachweis  von 

Sufss.   D.is  Antlitz  drr  Krdc.  20 


3o6  Transgressionen  innerhalb  der  Curven. 

transgredirender  ausseralpiner  Trias  in  dem  südwestlichen  Theile 
der  Insel,  welche  mir  sehr  an  die  rothen  transgredirenden  Schollen 
der  iberischen  Meseta  zu  erinnern  scheint." 

So  bleiben  in  diesem  Theile  der  Mittelmeer-Region  mehrere 
wichtige  Fragen  offen.  — 

Zwei  Umstände  mögen  hier  noch  betont  werden. 

Der  erste  ist  die  auffallende  Uebereinstimmung  des  west- 
lichen Mittelmeerbeckens  mit  der  ungarischen  Ebene. 
Jedes  dieser  Gebiete  liegt  innerhalb  des  Bogens  einer  grossen 
Erdfaltung,  umgeben  von  zahlreichen  grösseren  und  kleineren  Ein- 
brüchen, welche  mit  Vulcanen  besetzt  sind  und  bald  mehr,  bald 
weniger  tief  in  den  paläozoischen,  den  mesozoischen  Kalkgürtel  oder 
in  den  Flyschgürtel  eingreifen,  die,  bald  mehr,  bald  weniger  deutlich 
von  einander  gesondert,  den  gefalteten  Wall  zusammensetzen. 

Der  zweite  Umstand  besteht  darin,  dass  trotz  der  augen- 
scheinlichen Jugend  mancher  sehr  grosser  und  allgemeiner  Be- 
wegungen dennoch  dieses  Gebirgssystem  gewiss  nicht  ganz  und 
gar  einer  jungen  Zeit  angehört.  Auf  den  entblössten  älteren  Fels- 
arten finden  sich  nämlich  Transgressionen  vor,  welche  in  vieler 
Beziehung  an  die  Transgressionen  auf  den  Horsten  des  Vorlandes 
mahnen. 

Mittlere  und  obere  Kreide  und  Oligocän  bezeichnen  zwei 
Hauptstufen  der  Transgression  im  ausseralpinen  Deutschland.  In 
Kärnten  und  westlich  von  Graz  liegen  Kreideschichten  unmittel- 
bar auf  Devon  und  noch  älteren  Gesteinen.  In  Kärnten  und  Krain 
dringen  oligocäne  Ablagerungen  von  dem  Alter  der  Schichten  von 
Sangonini  und  von  Castel  Gomberto  in  das  Gebiet  der  Triaskalke 
und  der  krystallinischen  Schiefer.  Am  Col  de  Chaberton  in  den 
Cottischen  Alpen  liegen  mitten  in  Gebieten,  deren  Felsarten  für 
sehr  alt  gehalten  werden,  Kalksteine  der  Kreideformation.  Bei 
Genua  liegt  eine  grosse  oligocäne  Flyschmasse  auf  granitischen 
Gesteinen;  die  Kohle  mit  Anthracotherium  magnum  liegt  bei  Sa- 
vona  unter  dieser  Flyschdecke  unmittelbar  auf  Granit.  Die  Trans- 
gressionen im  östlichen  Calabrien  und  das  Uebergreifen  der  afri- 
kanischen Cenomanschichten  auf  den  Granit  im  nordöstlichen 
Sicilien  habe  ich  bereits  erwähnt.  Auf  die  kabylische  Masse  greift 
der  Flysch. 


Transgressionen  innerhalb  der  Curven.  3^7 

Ebenso  findet  man  innerhalb  dieser  grossen  Curven  einzelne 
Strecken,  auf  welchen  solche  Transgressionen  sichtbar  sind.  An 
dem  inneren  grossen  Bruchrande  der  Karpathen,  auf  den  verein- 
zelten Stöcken  von  Gneiss  und  Glimmerschiefer,  welche  im  nord- 
westlichen Siebenbürgen,  südlich  von  dem  Trachytgebirge  von 
Nagy-Bänya,  hervortreten,  beginnt  die  Transgression  mit  ober- 
cretacischen  Schollen.^^  In  Croatien,  dann  bei  Fünfkirchen  und  in 
mehreren  Theilen  des  südlichen  Ungarn  trifft  man  auf  eine  Anzahl 
völlig  ausseralpiner  Merkmale. 

Gerade  diese  Thatsache,  das  Wiedererscheinen  gewisser 
Transgressionen  innerhalb  der  grossen  Leitlinien  der  Gebirgs- 
züge und  sogar  auf  den  älteren  Zonen  dieser  Gebirgszüge  selbst, 
wie  in  Kärnten  und  in  Sicilien,  ist  von  wesentlicher  Bedeutung  und 
lässt  sich  ohne  die  Vergleichung  anderer  Gebirgsketten  nicht  be- 
urtheilen. 

Die  alpinen  Linien  sind  nicht  ganz  ohne  Parallele  auf  der 
übrigen  Erdoberfläche.  Die  nächste  Annäherung  an  eine  solche 
Anordnung  findet  sich,  so  weit  die  heutigen  Erfahrungen  reichen, 
in  der  Art  der  Umrandung  des  caraibischen  Meeres. 

Die  Leitlinien  anderer  grosser  Gebirge  sind  nun  aufzusuchen. 
Bevor  jedoch  dieser  Versuch  unternommen  wird,  bleibt  das  grosse 
Senkungsfeld  zu  betrachten,  in  dessen  Tiefe  das  adriatische  Meer 
liegt,  welches  mit  seinen  grossen  gegen  innen  überschobenen  Bruch- 
linien bis  über  den  See  von  Idro,  bis  Meran  und  bis  Idria  in  die 
Alpen  hereingreift,  und  durch  welches  die  Beziehungen  der  auf 
Fig.  26  nicht  verzeichneten  dinarischen  Gebirgszüge  zu  den  Alpen 
in  so  hohem  Masse  beeinflusst  werden. 


20* 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  II :  Die  Leitlinien  des  Alpensystems. 


'  Gümbel,  Ausflugskarten  in  das  Tertiärgebiet  von  Miesbach  und  in  den  Hoch- 
gcbirgsstock  zwischen  Tcgcrnsee  und  "Wendelstein;  gewidmet  der  deutschen  geol.  Ges.; 
München,   1875. 

2  K.  M.  Paul,  Ucber  die  Lagerungsverhältnisse  in  Wicliczka;  Jahrb.  geol.  Reichsanst., 
XXX,   1880,  S.  688. 

3  Ders.,  Die  Petroleum-  und  Ozokeritvorkommnisse  Ost-Galiziens;  ebendas.  XXXI, 
1881,  S.  l63. 

4  G.  Cobalcescu,  Geol.  Untersuchungen  im  Buzeu'er  Districte;  Vcrhandl.  geol. 
Reichsanst.  1882,  S.  227—231. 

5  E.  V.  Mojsisovics,  ebendas.  i883,  S.  3. 

6  Verhandl.  geol.  Reichsanst.  1877,  S.  71. 

7  P.  Lehmann  hat  im  Fogarascher  Gebirge  nur  eine  gegen  N.  und  S.  abfallende 
Antiklinale  von  alten  Felsarten  getroffen;  Beobachtungen  über  Tektonik  und  Gletschcr- 
spuren  im  Fogarascher  Hochgebirge,  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1881,  XXXIII,  S.  109 
—  117,  Taf.  XIV. 

8  Loczi,  L.,  Jelent6s  a  Hegyes-Drocsa-Hegys6gben  tctt  földtani  Kirandulasokröl ; 
Földtani  Közlöny,  1876,  80,  Budap.,  S.  22,  23. 

9  G.  Seguenza,  Brcve  nota  int.  le  formazione  primaric  e  secondarie  della  Prov. 
di  Messina;  Bollet  Comit.  giol.  dTtil.  1871,  II,  p.  49,  97,  145  (vgl.  Anmerk.  zu  I,  Ab- 
.schnitt  II,  S.  i38,  Note  19),  und  insbes.   Cortese  in  Bollet.  Comit.  geol.  1882,  p.  348. 

«o  G.  G.  Gemmellaro,  Sul  Trias  della  Regione  occid.  della  Sicilia,  Accad.  di 
Lincei,  1881  — 1882,  3o  ser.,  XII;  aus  Gerollen  sind  auch  vortriadischc  Ccphalopoden  be- 
kannt geworden,  welche  solchen  aus  dem  Sandstein  von  Artinsk  zunächst  stehen;  Mojsi- 
sovics, Verhandl.  geol.  Reichsanst.  1822,  S.  3i. 

>»  Mottura,  Appendice  alla  Memoria  sulla  Formazione  terz.  nella  zona  solfifera  di 
Sicilia;  Mem.  r.  Comit.  geol.  1872,  II,  p.  5  —  8. 

»2  R.  Travaglia,  La  sezione  di  Licodia-Eubea  e  la  serie  dei  terr.  nella  regione 
S.  PI.  della  Sicilia,  Bollet.  1880,  XI,  p.  250,  597;  Ippol.  Cafici,  ebendas.  p.  495. 

»3  An  mehreren  Orten,  so  z.  B.  in  Coquand,  Descript.  geol.  de  la  partie  septentr. 
de  l'emp.  du  Maroc,  Bull.  soc.  g6ol.,  1847,  2«  s6r.,  IV,  p.  1189,  und:  Sur  la  format.  cr6tac. 
de  Sicilc,  ebendas.  1866,  2^  ser.,  XXIII,  p.  497—504. 

>4  A.  Pomel,  Le  Sahara,  Observ.  de  g6ol.  et  de  geogr.  phys.  et  biol.  avec  des 
aper^us  sur  1' Atlas  et  le  Soudan;  Publ.  de  la  soc.  de  climat.  d'Alger,  1872,  p.  32; 
G.  Stäche,  Geol.  Touren  in  der  Regentschaft  Tunis,  Verhandl.  geol.  Reichsanst.  1876, 
S.  34— 38;  Tchihatcheff,  Espagne,  Algerie  et  Tunisic,  80,  Paris,   1880,  p.  495. 

»5  Ich  folge  hier  der  Darstellung  von  V61ain,  Constit.  g<^ol.  des  ilcs  voisincs  du 
litoral  de  l'Afrique,  du  Maroc  h  la  Tunisie,  Comptes  rend.  1874,  t.  78,  p.  73.  Rcnvu 
hat  vor  längerer  Zeit  eine  geol.  Karte  der  Insel  veröffentlicht  und  die  porphyrartigen  Varie- 
täten des  Trachytes  für  Granit  angesehen;  Explor.  scientif.  de  l'Algerie,  40,  1848,  Geologie, 
p.  61,  pl.  II.  Auch  Issel  hat  auf  Galita  Granit  verzeichnet  und  betrachtet  die  Insel  als  eine 
Fortsetzung  Sardinien's;  Ann.  Mus.  civ.,  Genova   1879—80,  XV,  p.  250. 

'6  A.  Pomel,  Descript.  et  Carte  g^ol.  du  Massif  de  Milianah;  Soc.  de  Climatol. 
Algörienne,   1872,  p.  i3o  — 138. 

»7  Bleicher,  Rech,  .sur  Torigine  des  Clements  litholog.  des  tcrr.  tcrt.  et  quat.  des 
cuv.  d'Oran,  Comptes  rend.  1874,  t.  78,  p.  700,  und:  Note  sur  la  geol.  rles  environs  d'(^ran, 
Bull.  soc.  g^ol.  1875,  3«  s6r.,  III,  p.  187—195. 


Aumerkungcu  zu  Th.  II,  Al>schn.  II.    Die  Leitlinien  des  Alpensystems.  ^qq 

»<*  Vilain,  a.  ang.  Orte  p.  72. 

»9  Pouyanne,  Notice  j^'eul.  sur  la  subdivis.  de  Tlemcen;  Ann.  des  Mines,  1877, 
7c  .s«ir.,  XII,  p.  i38. 

20  V ciain,  a.  anj:j.  Orte  p.  71,  und:  Sur  un  feldspath  orthose  vitreux  des  pouzzolanes 
de  nie  Rachgoün,  Comptes  rend.  1874,  t.  79,  p.  250. 

21  V^lain,  a.  ang.  Orte. 

2^  F.  M.  Davila,  Isla  de  Alboran;  Boletin  de  la  Comis.  de  Mapa  j^eol.  d'Ksp., 
1876,  IIT,  p.  177—179- 

23  Eine  höchst  ausführliche  Schilderung  des  Kdou^h  hat  Coquand  geliefert;  Descr. 
geol.  de  la  prov.  de  Constantine,  Mem.  j-oc.  geol.  1854,  2^'  scr.,  V,  p.  12  u.  folg.;  die  Schiefer- 
zone bei  L.  Hardouin,  Sur  la  g^ol.  de  la  subdiv.  de  Constantine,  Bull.  soc.  g6ol.  1868, 
2«  ser.,  XXV,  p.  328,  pl.  V;  auch  Parrant,  Carte  g(iol.  du  d6p.  de  Constantine  par  Tissot, 
ebendas.  1882,  3^  ser.,  X,  p.  299 — 3o6. 

24  A.  Peron,  Sur  la  constit.  geol.  des  Montagncs  de  la  grande  Kabylie.  —  Sur 
les  roches  du  inassif  d'Alger  et  d'autres  points  du  littoral  afric.  Bull.  soc.  geol.  1867, 
2«-  scr.,  t.  XXTV,  p.  627—652;  Note  von  P.  Marcs,  ebendas.  1867,  2«  ser.,  t.  XXV, 
p.  135,  und  insbes.  L.  Ville,  Etudes  geol.  faitcs  dans  la  Kabylie,  ebendas.  t.  XXV, 
p.  251—276,  pl.  III. 

25  Renou,  Descr.  geol.  de  TAlg.,  p.  66—74;  Profil  des  Vorgebirges,  pl.  III,  Fig.  22; 
P.  Marcs  in  Bull.  soc.  geol.  1861,  p.  365  —  368  u.  a.  and.  Ort.  —  Cap  Matifou  hat  kürz- 
lich Tchihatcheff  etwas  ausführlicher  besprochen  in:  Espagne,  Algerie  et  Tunisie, 
p.  206  u.  folg. 

26  Pouyanne,  Tlemcen,  p.  84,  l35. 

^7  Bleicher,  Rcchcrches  sur  les  terr.  antcrieurs  au  jurassicjue  dans  la  prov.  d'Oran; 
Bull.  soc.  geol.  1880,  3t?  scr.,  VIII,  p.  3o3  —  309.  Hier  scheint  es  auch,  z.  B.  bei  Ncdroma, 
an  der  Strasse  SO.  von  Nemours,  nicht  an  Contacterschcinungen  zwischen  Granit  und 
Schiefer  zu  fehlen;  Chiastolith- und  Andalusit-führende  Schiefer  treten  in  diesem  (lebicte  auf. 

28  H.  Cocjuand,  Descr.  geol.  de  la  partie  septentr.  de  l'empire  du  Maroc,  Bull, 
soc.  geol.  1847,  2*^  scr.,  t.  TV,  p.  l  198  — 1205.  Lenz  hat  kürzlich  Thonglimmerschiefer  bei 
Ceuta  erwähnt;  Mittheil,  der  afrikan.   Ges.    1880,  II.  S.  76. 

29  V.  Fritsch,  Uc])er  die  geol.  Verhältnisse  von  Marokko;  Zeitschr.  ges.  Naturwiss. 
1881,  3.  Ser.,  VI,  S.  204. 

30  Z.  B.  Coquand,  Prov.  de  Constantine,  p.  44 — 60;  Maroc,  p.  12 18. 

3'  Mourlon,  Estjuisse  geol.  sur  le  Maroc,  18  pp.,  aus  dem  Bull,  de  l'Acad.  roy. 
de  Belgique,  1870,  2*^'  ser.,  t.  XXX  (nach  Aufsammlungen  von  Desguin);  Bleicher, 
Sur  la  g6ol.  des  r^gions  compriscs  entre  Tanger,  el  Araich  et  Meknes,  Comptes  rend.  1874, 
t.  78,  p.  1712  — 1716. 

^^  Brossard,  Constit.  phys.  et  g^ol.  de  la  subdivis.  de  Setif,  M6m.  soc.  g6ol., 
2«  scr.,  VIII,  p.  271,  pl.  XX  für  den  Südrand  im  Setif,  namentlich  in  der  Niederung  von 
Zahrez;  für  westliche  Strecken  im  Gebiete  des  Nähr  Uassal:  Bou rguignat,  Etudes  geol. 
et  paR'ont.  des  Hauts  Plateau.v  de  l'Atlas  entre  Boghar  et  Tiharet,  4°,  Paris,  1868,  wo 
p.  33  sogar  eine  dache  Sattelwölbung  beschrieben  wird,  an  welcher  (juarternäre  Schichten 
theilnehmen  sollen. 

U  G.  Rolland,  Sur  le  terr.  cret.  du  Sahara  se])tentrional.  Bull.  soc.  g^ol.  1881, 
3*-*  scr.,  IX,  p.  510  — 515;  für  den  Südrand  des  Aoures-Gebirges:  Duboccj,  Mem.  sur  la 
constit.  geol.  des  Zibün  et  de  l'CJuad  R'ir,  Ann.  des  Mines,  1852,  5c  scr.,  II,  p.  249 — 33o, 
und  für  den  westlich  folgenden  Theil  bis  weit  in  die  Wüste  hinaus:  Ville,  Exj)lor.  geol. 
du  Beni  Mzab,  du  Sahara  et  de  la  reg.  des  steppes  de  la  ]*rov.  d'Alger,  4",  Paris,    1867. 

34  Cocjuand,   Constantine,  p.  43  u.  a.  and.  Ort.;   Pomel,   Le  vSahara,  ]).  26. 

35  F.  M.  Dona  vre,  Dat<)>  para  una  Resona  fisica  y  gcolögica  de  la  region  S.  E. 
de  la  Prov.  de  Almeria;  l^oletin  de  la  Comision  del  M;ii)a  geol.  de  Esi)ana,  1877,  IV, 
p.  16-  3l. 


3  I O  AnmerkuDgen  zu  Th.  11,  Abschn.  II.   Die  Leitlinien  des  Alpensystems. 

36  Fed.  de  Botella  y  de  Hornos,  Descripc.  Geol.  Min.  de  las  Provincias  de  Murcia 
y  Albacete,  Fol.,  Madrid,   1868,  Specialkarte  von  Cartagena,  p.  43. 

i7  Es  reicht  hin,  an  das  Erdbeben  vom  10.  Juni  i863  zu  erinnern,  welches  das  Thal 
des  Almanzora-Flusses  erschütterte  und  welchem  lange  Unruhe  folgte;  C.  de  Prado,  in 
Perrey,  Tremblem.de  terre  en  i863,  p.  139,  172  u.  folg. 

38  Donayre,  a.  ang.  Orte  p.  3i — 50;  L.  N.  Monreal,  Apuntes  fis.  geol.  referentes 
a  la  Zona  central  de  la  Prov.  de  Almen'a;  Bolet.  1878,  V,  p.  54 — 76. 

39  D.  T.  Ansted,  On  the  Geol.  of  Malaga  aud  the  Southern  Part  of  Andalusia; 
Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1859,  XV,  p.  588. 

40  R.  v.  Dräsche,  Geol.  Skizze  des  Hochgebirgstheiles  der  Sierra  Nevada;  Jahrb. 
geol.  Reichsanst.  1879,  XXIX,  S.  93  — in. 

4»  D.  Joaq.  Gonzalo  y  Tarin,  Resefia  fis.  y  geol.  de  la  Prov.  de  Granada;  Bolet. 
Com.  Mapa  geol.  1881,  VIII,  insbes.  p.  i3  u.  folg.,  lam.  A. 

42  Ders.:  Edad.  geol.  de  las  Calizas  metalif.  de  la  Sierra  de  Gador;  ebendas.  1882, 
IX,  p.  97— III. 

43  J.  Mac  Pherson,  Relacion  entre  las  formas  orogrdficas  y  la  Constituciön  geol. 
de  la  Serrania  de  Ronda,  8^,  Madrid,   1881,  34  pp.  und  Karte. 

44  A.  C.  Ramsay  und  J.  Geikie,  On  the  Geol.  of  Gibraltar;  Quart.  Journ.  geol. 
Soc.  1878,  XXXIV,  p.  513.  Nach  dem  Vorkommen  einer  für  Rhynchonella  concinna 
gehaltenen  Art  wird  der  Kalk  von  Gibraltar  zum  Jura  gerechnet.  Die  im  Westen  auf- 
lagernden Schiefer  und  Sandsteine  von  S.  Roque  und  Algesiras,  welche  auch  in  der  grossen 
Verwerfung  im  Fels  von  Gibraltar  erscheinen,  bilden  wohl  die  Fortsetzung  der  unteren 
Kreide  und  des  Flysch  der  Gegend  von  Tanger. 

45  Mac  Pherson,  Breve  Noticia  acerca  de  la  especial  Estructura  de  la  Peninsula 
Ibörica,  aus  den  Ann.  de  la  Soc.  Esp.  de  Hist.  Nat.  1879,  VIII,  26  pp.;  Estudio  geol.  y 
petrogr.  del  Norte  de  la  Prov.  de  Sevilla,  Bolet.  Com.  Mapa  geol.  1879,  VI,  insbes.  p.  156 
— 172;  Uniclinal  Structure  of  the  Iberian  Peninsula;  Ann.  de  la  Soc.  Hist.  Nat.  1880,  IX, 
vgl.  auch  Anm.  43. 

46  Mac  Pherson,  Uniclin.  Structure,  p.  24,  25. 

47  Mac  Pherson,  Sevilla,  p.  171. 

48  Dom.  de  Oructa,  Bo»<|ucjo  ffs.  geol.  de  la  region  septentr.  de  la  Prov.  de  Md- 
laga;  Bolet.  Com.  Mäpa  geol.  1877,  IV,  lam.  D. 

49  F.  Toula,  Grundlinien  der  Geol.  des  westlichen  Balkan;  Dcnkschr.  k.  Akad. 
Wiss.  Wien,   1881,  XMVb,  S.  I— 56,  Taf.  I— IV  und  Karte. 

50  H.  Haben  ich  t,  Die  Grundzüge  im  geol.  Baue  Europa's,  8»,  Gotha,  1881,  mag 
hier  darum  erwähnt  werden,  weil  in  dieser  Schrift  (Carton  3)  der  erste  mir  bekannte,  wenn 
auch  mangelhafte  und  insbesondere  durch  irrige  Auffassung  des  Appennin  beirrte  Versuch 
einer  kartographischen  Darstellung  der  Faltungslinien  des  Alpensystems  enthalten  ist. 

5>  Hollande,  Geol.  de  la  Corse,  Ann.  des  Sciences  gdol.,  1877,  IX,  Art.  2,  114  pp., 
pl.  VIII— XII;  Dieulafait,  Serpentincs  de  la  Corse,  leur  äge  et  leur  origine,  Comptes  rend. 
1880,    t.  91,   p.   1000 — 1003;    H.   Reu  seh,    Note  sur  la  G60I.  de  la  Corse,    Bull.  soc.  geol. 

1882,  3c  s6r.,   XI,'  p.  56 — 67;   B.  Lotti,   Appunti  geol.  sulla  Corsica,  Bollet.  Comit.  geol. 

1883,  2«  ser.,  IV,  p.  65—73. 

52  C.  J.  Forsyth- Major,  Die  Tyrrhenis;  Zeitschr.  Kosmos,   i883,  VII,  S.  104. 

53  G.  Bornemann,  Sul  Trias  nella  parte  merid.  dell*  isola  di  Sardegna;  Bollet.  Comit. 
geol.  1881,  2"  ser.,  II,  p.  267  —  275,  2  Taf. 

54  C.  Hof  mann,  Bericht  über  die  im  Sommer  1882  im  südöstl.  Theile  des  Szath- 
märer  Comitates  ausgeführten  geol.  Specialaufnahmen;  Földt.  Közlöny,   i883,  XIII,  S.  106. 


DRITTER  ABSCHNITT 


Die  adriatische  Senkung. 


Bedeutung  des  Adamello.  —  Die  Judicaricnlinie.  —  Astabrüche.  —  Zwischen  Judicarien 
und  dem  Bruche  von  Schio.  --  Im  Norden  der  Astibrüchc.  —  Drau-  und  Gailbrüchc.  — 
Dinarischc  oder  Karstbrüche.   —  Junge  Erweiterung  des  adriatischcn  Meeres.  —  Uebersicht. 


eine  einheitliche  und  stetige  Curve  bezeichnet,  sagten  wir, 
den  Nordrand  der  Alpen;  sie  lässt  sich  leicht  auch  dort  verfolgen, 
wo  in  Niederösterreich  und  Mähren  Theile  des  äusseren  Randes 
zur  Tiefe  gesunken  sind,  und  der  Nordrand  der  Karpathen  ent- 
spricht der  Fortsetzung  dieser  selben  stetigen  Curve. 

Der  Gegensatz  zwischen  diesem  Aussenrande  und  dem  zer- 
trümmerten, von  grossen  vulcanischen  Ergüssen  begleiteten  Innen- 
rande des  karpathischen  Zuges  ist  oft  erwähnt  worden,  aber  der 
Geeensatz,  welcher  zwischen  dem  nördlichen  und  dem  südlichen 
Saume  der  Alpen  besteht,  ist  auch  so  gross,  dass  man  sogar  auf 
weite  Strecken  im  Zweifel  bleiben  mag,  wo  denn  überhaupt  der 
südliche  Rand  der  Alpen  zu  verzeichnen  sei. 

Besteigen  wir  am  frühen  Morgen  den  Dom  zu  Mailand,  so 
erblicken  wir  von  den  Seealpen  zu  unserer  Linken  bis  weithin  zur 
breiten  Masse  des  Monte  Rosa  und  noch  weiter  zur  Rechten  einen 
herrlichen,  die  reiche  Ebene  umfassenden  Bogen  weisser  Gipfel 
und  Ketten.  Hier  ist  allerdings  der  Südrand  der  Alpen  scharf  ge- 
zeichnet ;  gerade  hier  ist  auch  die  Verschiedenheit  der  Gesteine 
des  nördlichen  und  des  südlichen  Randes  der  Alpen  am  grössten. 

Surss,  Das  Antlitz  di*r  Erde.  21 


3  I  2  Adamello. 

Alte  Felsarten  bilden  diesen  breiten  Bogen;  B.  Studer  wusste 
schon  vor  vielen  Jahren,  dass  derselbe  der  Bruchrand  eines  weiten 
Senkungsfeldes  sei,  welches  von  der  lombardischen  Ebene  bedeckt 
ist,  und  es  ist  höchstens  die  vereinzelte  Hügelgruppe  der  Superga, 
südlich  von  Turin,  welche  mit  ihren  südwärts  geneigten  Schichten 
als  ein  Bruchstück  dieser  gesunkenen  Masse  angesehen  werden  mag. 

Erst  vom  Lago  Maggiore  an  gewinnt  ein  Saum  von  meso- 
zoischen und  tertiären  Ablagerungen  am  Südrande  des  Gebirges 
einige  Bedeutung.  Suchen  wir  seinen  Fuss  als  den  Südrand  der 
Alpen  festzuhalten,  so  führt  er  uns  über  Como  und  Bergamo  gegen 
Brescia ;  östlich  von  dieser  Stadt  bleiben  wir  in  Zweifel,  ob  den 
nackten  und  karstähnlichen  Hügeln  des  unteren  Lias  zu  folgen 
sei,  welche  gegen  Nordost  die  Weitung  der  Ebene  bis  Salo  am 
Gardasee  umgrenzen.  Wir  folgen  ihnen  nicht,  sondern  bleiben  in 
der  bisherigen  gegen  OSO.  zielenden  Richtung  Como— Bergamo  — 
Brescia.  Sie  leitet  uns  südlich  vom  Gardasee  gegen  Verona;  nun 
wendet  sich  aber  der  Bergesrand  mehr  und  mehr  aus  OSO.  gegen 
Südost  und  wir  gelangen  weit  hinab  gegen  Este,  an  das  südliche 
Ende  der  euganäischen  Berge.  Wo  aber  liegt  nun  die  weitere 
Fortsetzung  des  Alpenrandes,  und  liegen  Padua  und  Treviso  und 
die  ganze  venetianische  Niederung  von  Vicenza  bis  Görz  wirk- 
lich innerhalb  der  Alpen  ? 

Adamello.  Wir  treten  in  die  Alpen  selbst  ein  und  suchen 
zunächst  die  aus  Granit  und  Tonalit  zusammengesetzte  Gebirgs- 
masse  des  Adamello  auf,  welche  sich  nördlich  vom  See  von  Idro, 
an  der  Grenze  Tirols  und  der  Lombardei,  zwischen  dem  Judica- 
rienthale  im  Osten  und  Val  Camonica  im  Westen  erhebt.  Oest- 
lich  von  Cedegolo  wird  die  granitische  Masse  durch  von  beiden 
Seiten  vortretendes  Sedimentgebirge  so  sehr  eingeengt,  dass  man 
mit  mehr  Recht  von  zwei  durch  einen  schmalen  Streifen  zu- 
sammenhängenden granitischen  Gebieten  sprechen  möchte,  von 
welchen  das  südliche  weniger  hoch  und  weniger  ausgedehnt  ist 
und  Kh  di  Castello  (2879  M.),  Cima  di  Danerba  (2844  M.),  Corno 
Busecca  (2660 M.)  u.  A.  umfasst,  während  dem  nördlichen  Gebiete 
Adamello  (3547  M.),  Car^  alto  (3461  M.),  die  Firn-  und  Gletscher- 
felder nördlich  von  Val  di  Fumo,  dann  in  weiterer  Fortsetzung  die 
Cima  Fresanella  (3561  M.)  und  ihre  Umgebung  zufallen. 


Contactzone  des  Adamello.  3^3 

Es  ist  bereits  erwähnt  worden,  dass  sich  an  dem  Saume  dieser 
granitischen  Massen  im  Triaskalkstein  Erscheinungen  des  vul- 
canischen  Contactes  wie  bei  Predazzo  zeigen  (S.  209). 

Schon  als  im  Jahre  1 846  der  um  die  Kenntnisse  Tirols  hoch- 
verdiente J.  Trinker  die  östlichen  Abhänge  dieser  Gebirgstheile 
untersuchte,  fand  er,  dass  der  Kalkstein  ,in  krystallinische  Gebilde 
umgewandelt  ist,  wo  er  mit  plutonischen  Felsarten  zusammentrifft*, 
so  in  Val  di  Breguzzo  und  Val  di  Daone,  und  erwähnte  er  das  Vor- 

« 

kommen  von  Granat  mit  Kalkstein  in  Val  di  Daone.'  Nicht  lange 
darauf  beschrieb  Escher,  welcher  von  Westen  her  den  Rand  des 
Granites  erreicht  hatte,  am  Lago  d'Arno,  welcher  oberhalb  Cede- 
golo  in  einem  Seitenthale  des  Val  Saviore  liegt,  einen  »Streifen 
höchst  eigenthümlicher  Gesteine,  die  zum  Theile  in  hohem  Grade 
an  die  Silicatbildungen  der  Sommablöcke  im  Tuffe  von  Neapel 
oder  an  die  Contacterscheinungen  am  Monzoni  erinnern*.^  Curioni, 
Ragazzoni,  Bittner  haben  einzelne  Theile  dieser  merkwürdigen 
Umrandung  beschrieben;^  die  ausführlichsten  Angaben  sind  von 
Lepsius^  und  Stäche^  gegeben  worden. 

Lepsius  hat  im  Südosten  die  Contactzone  auf  eine  Länge 
von  15  Kilom.  verfolgt,  das  triadische  Alter  der  in  Marmor  um- 
gewandelten Kalkbänke  ausser  Zweifel  gesetzt,  das  häufige  Vor- 
kommen von  Granat,  Vesuvian,  Epidot,  WoUastonit  und  anderen 
bezeichnenden  Mineralien  vulcanischen  Contactes  an  vielen  Punkten 
nachgewiesen  und  den  Tonalitstock  als  die  Quelle  der  Umwandlung 
anerkannt.  Nichtsdestoweniger  schrieb  er  dem  Tonalit  archäisches 
Alter  zu  und  gelangte  zu  der  Annahme,  dass  derselbe  passiv  aus 
jener  Tiefenstufe  hervorgehoben  worden  sei,  ,in  welcher  derselbe 
eine  solche  Eigenwärme  besass,  die  nicht  genügte,  um  den  Tonalit 
zu  schmelzen  oder  in  einen  plastischen  Zustand  zu  versetzen,  die 
aber  hinreichte,  um  die  Contactmetamorphose  zu  bewirken*.^ 

Auf  noch  weit  grössere  Erstreckung  hat  Stäche  dieselben 
Randbildungen  in  ihrem  unregelmässig  schleifenförmigen  Ein- 
greifen in  die  Tonalit-  und  Granitmasse  rings  um  den  Südost-,  Süd- 
und  Westrand  der  Masse  verfolgt  und  in  seiner  letzten  Veröffent- 
lichung über  diesen  Gegenstand  an  der  Westseite  weit  gegen  Nord 
früher  für  viel  älter  gehaltene  Gesteine  als  Umwandlungen  des  Ser- 
vino,  also  der  tiefsten  Theile  der  Triasformation  erkannt.  Stäche 

21* 


1 1  4  Contactzonc  des  Adamello. 

hält  für  sicher,  dass  in  der  östlichen,  südlichen  und  westlichen 
Umgebung  des  Adamellogebirges  während  der  permischen  und 
triadischen  Zeit  sich  Perioden  vulcanischer  Thätigkeit  wiederholten, 
während  die  zahlreichen  Einschaltungen  von  deckenartigen  dioriti- 
schen  Lagermassen  in  die  Randzone  denselben  zu  der  Meinung 
führten,  diese  Gesteine  seien  als  eine  schon  ursprünglich  unter 
aussergewöhnlichen  Verhältnissen  gebildete  ,epikrystallinische 
oder  eventuell  subvulcanische  Facies*  anzusehen.  Zugleich  hebt 
jedoch  Stäche  mit  Recht  hervor,  dass  in  keiner  der  Conglomerat- 
oder  Breccienbildungen  irgendwelcher  vorglacialen  Zeitperiode, 
auch  nicht  in  den  mächtigen  und  häufig  Porphyre  führenden  per- 
mischen Conglomeratbänken  je  ein  Gerolle  von  Tonalit  gefunden 
worden  sei. 

Die  Beziehungen  der  sedimentären  Schichten  zu  dem  Granit 
und  Tonalit  des  Adamello  sind  gänzlich  verschieden  von  jenen, 
die  sich  in  anderen  grossen  Gebirgskernen  der  Alpen  zwischen  me- 
sozoischen Lagen  und  den  Granit-  oder  Gneissmassen  erkennen 
lassen.  An  dem  Nordrande  der  Finsteraarhorngruppe  sind  die 
Trias-  und  Jurabildungen  in  lange  Falten  gelegt  (S.  147),  welche 
die  ältesten  Lagen  gegen  oben  und  unten,  die  jüngsten  in  der 
Mitte  zeigen,  welche  in  den  Gneiss  oder  Granit  eingefaltet  sind  und 
an  den  keilförmigen  Enden  der  Synklinalen  die  viel  besprochene 
Umwandlung  des  Jurakalkes  in  Marmor  erkennen  lassen.  Dieser 
Marmor  mag  auf  Klüften  und  auf  Verschiebungsflächen  von  einem 
grünen  talkartigen  Mineral  überzogen  sein,  dessen  nähere  Be- 
schaffenheit noch  zu  untersuchen  ist,  aber  die  Silicate  des  vul- 
canischen  Contactes,  wie  Granat,  Epidot  u.  A.  hat  man  auch  an 
diesen  Stellen  höchster  mechanischer  Einwirkung  nie  angetroffen. 

Obwohl  die  Triasschichten  am  Adamello  insbesondere  an  der 
Stelle  der  grössten  Einschnürung  östlich  von  Cedegolo  schleifen- 
förmig  in  das  Tönalitgebiet  eingreifen  und  nur  gegen  Nordost  die 
Abgrenzung  eine  mehr  geradlinige  ist,  sind  diese  Triasschichten 
doch  durchaus  nicht  keilförmig  eingefaltet  wie  in  der  Finster- 
aarhorngruppe. Während  dort  stets  die  ältesten  sichtbaren  Sedi- 
mentgebilde in  den  Falten  dem  Granit  oder  Gneiss  zunächst  lagern, 
ist  es  rings  um  den  südlichen,  östlichen  und  westlichen  Theil  und 
namentlich  rings  um  den  südlichen  Abschnitt  des  Rc  di  Castello, 


Monte  Doja. 


315 


sowie  an  der  eingeschnürten  Stelle  stets  das  jüngste  sichtbare 
Glied  der  sedimentären  Bildungen,  welches  zunächst  an  die  kry- 
stallinische  Felsart  herantritt  und  auf  grössere  oder  geringere  Ent- 
fernung von  dem  Contacte  umgewandelt  ist. 

Wie  im  Südosten  die  Triasschichten  des  Monte  Doja  unter 
die  Granit-  und  Tonalitmassen  des  Corno  Busecca  mit  immer  stei- 


9  Ri  di  Cailello.    Ncigi 


lerem  Winkel  hinabtauchen,  hat  Lepsius  anschaulich  beschrieben. 
An  der  Grotta  rossa  {2188  M.)  im  Süden  und  dem  Cingolo  rosso 
(3178  M.)  im  Südosten  streicht  mit  weithin  leuchtender  rother 
Farbe  der  Grödener  Sandstein  durch ;  der  Werfener  Schiefer  kreuzt 
das  zwischen  beiden  Höhen  liegende  Val  aperta  in  der  Nähe  der 
obersten  Alphütte  und  hierauf  folgen  die  Kalkbänke  der  Trias- 
formation  im  Monte  Doja,    in  mächtigen  und  wohlgeschichl 


7  I  6  Quarzit  im  Contact. 

Massen  sichtbar,  welche,  steiler  und  steiler  geneigt,  in  einer  hohen 
Runse  im  obersten  Thalgrunde  den  Contact  erreichen.^  Nahe 
unter  dem  Gipfel  des  gegenüberliegenden  Monte  Rema  (2372  M.) 
läuft  die  Zone  des  Contactes  hin  und  an  seinem  südlichen  Gehänge 
hat  die  Grenze  einen  ziemlich  scharfen  Bug  ausgeführt,  um  von 
hier  an  die  Richtung  gegen  NNO.  zu  verfolgen.  Der  weisse  Mar- 
mor, gerade  hier  überaus  reich  an  krystallisirten  Silicaten,  lässt 
die  Zone  der  Berührung  auf  grosse  Entfernung  hin  verfolgen. 

Nähert  man  sich  nun  aber  anstatt  durch  Val  aperta,  durch 
das  nördlich  folgende  Val  di  Daone  der  Zone  des  Contactes,  so 
erreicht  man  5500  M.  im  NNO.  von  Monte  Rema  die  Granit- 
grenze in  etwa  11 00  M.  tieferer  Lage.  Der  Grödener  Sandstein 
besitzt  im  untersten  Theile  dieses  langen  Thaies  seine  normale 
rothe  Färbung  und  unter  demselben  wird  im  Thalgrunde  der  per- 
mische Porphyr  sichtbar.  Schon  mehr  als  tausend  Meter  vom  Con- 
tact aber  verwandelt  sich  dieser  wegen  seiner  grossen  Feuer- 
beständigkeit in  den  Schmelzwerken  der  Alpen  so  hoch  geschätzte 
Sandstein  in  einen  braungrauen  Quarzit;  in  eine  ähnliche  Felsart 
gehen  auch  einzelne  Bänke  der  unteren  Trias  über,  wie  das  Vor- 
kommen scharfer  Hohlräume  der  Naticella  costata  in  denselben 
beweist.  Solche  Quarzitbänke  bilden  in  grosser  Mächtigkeit  die 
Gehänge  des  Thaies,  während  darüber  erst  die  unveränderten  und 
petrefactenreichen  Bänke  des  Muschelkalkes,  näher  am  Granit  aber, 
hoch  oben,  die  in  Marmor  verwandelten  Fortsetzungen  desselben 
liegen.  In  dieser  Tiefe  scheint  der  Grödener  Sandstein,  leicht 
gegen  den  Granit  geneigt,  bis  an  den  Contact  zu  reichen  und  voll- 
zieht sich  die  Berührung  also  oben  in  Muschelkalk,  unten  aber 
in  Grödener  Sandstein. 

Dringt  man  aber  noch  weiter,  über  den  Contact  hinaus,  durch 
das  Gebiet  des  harten  weissen  Granits  in  das  Val  di  Daone  auf- 
wärts, so  gelangt  man  in  die  Region  der  grossten  Einschnürung  des 
Gebirgskernes,  und  westlich  oberhalb  der  Alphütte  Nudole  gegen 
den  einsamen  Lago  di  Campo  wird  die  westliche  Marmorzone 
erreicht.  Wir  befinden  uns  nun  an  dem  nördlichen  Gehänge  des 
Re  di  Castello.  Weisser  Marmor  mit  Granat  und  anderen  bezeich- 
nenden Mineralien  des  Contactes  begleitet  in  steiler  Schichtstellung 
ganz  wie  an  der  östlichen  Zone  die  Grenze  des  Granites.  Er  zieht 


► 


Lago  (li  Canipo. 


317 


vom  Lago  d'Arno,  wo  ihn  Escher  sah,  über  den  Grenzpass  deüa 
Forcellina  (Taf.  II)  zum  Lago  di  Campe,  wendet  dann  in  grossem 
Bogen  und  zieht  unter  Cima  delle  Casinelle  hin,  wie  dies  Stäche 
genau  beschrieben  hat.  Der  dunkle  und  dlckbankigeQuarzit  inner- 
halb der  Marmorzone  ist  aber  identisch  mit  dem  veränderten  Grö- 
dener  Sandstein  des  unteren  Val  di  Daone.  Etwa  im  Horizonte  der 
Werfener  Schiefer  erscheinen  wahre  Fleckschiefer. 

So  weit  uns  der  Rand  der  südlichen  Hälfte  des  Adamello- 
gebietes  bekannt  ist,  sinken  von  allen  Seiten  die  sedimentären 


Gesteine  unter  den  Granit  und  Tonalit  trichterförmig  ein  oder 
sie  brechen  in  steilem  und  geschlepptem  Bruche  ab.  Die  jüngsten 
Lagen  befinden  sich  zunächst  am  Contact;  die  älteren  liegen  mehr 
und  mehr  gegen  aussen.  So  erklärt  sich  die  umgürtende  Marmor- 
zone. Kein  anderer  grosser  Granitstock  der  Alpen  zeigt  ähnlichen 
Bau;  kein  anderer  zeigt  die  Silicate  des  vulcanischen  Contactes, 
Die  kleinen  Stöcke  von  Predazzo  und  Monzoni  sind  die  einzigen, 
welche  ähnliche  Merkmale  besitzen. 

Mit  Predazzo  und  Monzoni  hat  Adamello  und  sein  südlicher 
Abschnitt,  der  Re  di  Castello,  den  wohl  abgegrenzten  massigen 


7  I  8  öänge  der  Contactzonc. 

Kern  gemein  und  den  Marmorsaum  mit  den  Silicaten  des  vulcani- 
schen  Contactes.  Auch  dürften  die  umgewandelten  Gesteine  in 
allen  drei  Fällen  von  ziemlich  gleichem  Alter  sein,  nämlich  noch 
etwas  über  das  Alter  des  Muschelkalkes  heraufreichen.  Eine  Ver- 
schiedenheit besteht  jedoch  darin,  dass  die  Gänge  und  Ergüsse  von 
Melaphyr  sammt  den  begleitenden  Tuffen,  welche  die  Ausbruch- 
stellen von  Predazzo  und  Monzoni  umgeben,  der  Nachbarschaft 
des  Adamello  vollständig  fehlen.  Oestlich  von  demselben,  sowie 
gegen  Süden  und  auch  im  Norden  gegen  den  Ortler,  sowie  gegen 
West  in  den  mesozoischen  Falten,  welche  den  Bernina  durchziehen, 
kennt  man  die  höheren  Glieder  der  Trias,  gegen  Süd  und  Ost  auch 
die  lange  Reihe  jüngerer  Sedimente,  aber  es  sind  nirgend  jene 
massenhaften  Decken  von  Laven  oder  Asche  bekannt,  welche 
einer  so  grossen  Ausbruchsstelle  entsprechen  würden. 

In  der  500  bis  höchstens  2000  M.  breiten  Aura  des  Contactes 
fehlt  es  allerdings  nicht  an  mannigfaltigen  Einschaltungen.  Leicht 
unterscheidet  man  drei  Gruppen  derselben.  Die  erste  umfasst  die 
den  Schichten  der  Trias  normal  eingeschalteten  Tafeln  oder  Decken 
von  braunrothem  Porphyr  (tc,  tc  Fig.  27);  ich  halte  sie  für  über- 
einstimmend mit  den  triadischen  Porphyrdecken,  welche  in  den 
Südalpen  vom  Luschariberge  bei  Raibl  bis  Val  Trompia  und 
noch  weiter  gegen  West  an  so  vielen  Punkten  sichtbar  sind.  Die 
zweite  Gruppe  sind  Ausfüllungen  von  Spalten  in  dem  braunen 
Quarzit  des  Grödener  Sandsteins.  Die  Ausfüllung  besteht  aus 
grossen  Krystallen  von  weissem  Orthoklas,  grossen  weissen  Glim- 
merblättern und  Bündeln  von  Turmalin  in  grauem  Quarz,  also  aus 
einem  grosskörnigen  Granit,  wie  er  als  Ganggranit  in  so  vielen 
Granitgebieten  auftritt;  hier  reichen  diese  Gänge,  welche  ganz 
den  Charakter  von  Secretionsgängen  an  sich  tragen,  wie  gesagt, 
bis  in  den  Grödener  Sandstein.  Die  dritte  Gruppe  endlich  sind 
wahre  Intrusivgänge ;  die  wenigen,  welche  ich  sah,  bestehen  aus 
einer  zersetzten  grünen  Felsart  mit  weissen  Feldspathkrystallen ; 
man  sieht  unter  Passo  della  Forcellina  einen  solchen  Gang  die  ge- 
bänderten Kalkschichten  schräge  durchschneiden,  ohne  dass  er 
durch  irgend  eine  Randkluft  vom  Kalk  getrennt  wäre.  In  den 
von  Stäche  untersuchten  Randtheilen  des  Westens  scheinen  die 
Intrusionen  beträchtlicher  und  häufiger  zu  sein. 


Judicarienlinie.  3^9 

Die  Zone  vulcanischen  Contactes,  welche  die  ganze  Gruppe 
des  Re  di  Castello  und  einen  guten  Theil  des  Adamello  umgibt, 
zwingt  uns,  dieses  grosse  Granit-  und  Tonalitgebirge  als  ein  vul- 
canisches  Gebilde  anzusehen,  welches  jünger  sein  muss  als  die 
Zeit  des  oberen  Muschelkalkes.  Es  mögen  Meinungsverschieden- 
heiten darüber  bestehen,  ob  man  dasselbe  als  Narbe  oder  als  Lac- 
colithen  aufzufassen  habe,  d.  i.  ob  die  vulcanische  Masse  in  der 
That  zur  Eruption  an  die  Erdoberfläche  gelangt  sei  oder  nicht. 
Zur  Aufhellung  dieser  Frage  verfolgen  wir  nun  zunächst  den  Stock 
in  seinem  weiteren  Verlaufe  gegen  NNO. 

Die  Linie  der  Judicarien.  Es  nimmt  die  Ostgrenze  des 
Tonalitgebirges  einen  geraden  gegen  NNO.  gerichteten  Verlauf. 
Stäche  hat  diese  Grenze  begangen  und  in  Val  di  Breguzzo,  sowie 
in  den  nördlich  folgenden  Thälern  keine  Marmorzone  mehr,  son- 
dern Gneissphyllit  angetroffen,  welcher  jedoch  gleichfalls  west- 
wärts unter  den  Tonalit  sich  neigt.  Die  Erstreckung  der  Hauptaxe 
des  ganzen  Gebirgsstockes  gegen  NNO.,  sowie  der  Verlauf  dieses 
Grenzbruches  verrathen  das  Vorhandensein  enger  Beziehungen 
zwischen  dem  Tonalitstocke  und  der  östlich,  ganz  nahe  und  in  der- 
selben Richtung  verlaufenden  grossen  Störungslinie  der  Judicarien. 

Wer  vom  Idrosee  nordwärts  in  das  Thal  des  oberen  Chiese, 
die  Judicarien,  eintritt,  sieht  zu  seiner  Linken  mächtige  dunkle 
Massen  von  permischem  Porphyr,  Tuff,  Schiefer  und  Sandstein,  zu 
seiner  Rechten  aber  die  bleichen  Kalkwände  der  oberen  Trias. 
Das  Absinken  des  Gebirges  zur  Rechten  mag  wohl  leichtlich 
2000  M.  betragen.  Das  ist  jener  gewaltige  Bruch,  mit  welchem 
das  Absinken  alles  ostwärts  gegen  die  Etsch  liegenden  Gebirges 
beginnt.  Auch  bei  Storo  besteht  dieser  Gegensatz  beider  Thal- 
seiten. Etwa  9  Kilom.  weiter  in  dem  geradlinig  gegen  NNO.  ge- 
richteten Thale,  am  Ausgange  des  Val  di  Daone  ist  der  Bruch 
in  eine  grosse  Flexur  übergegangen.  Dieselben  Bänke  des  Mu- 
schelkalkes, welche  weiter  gegen  West  mit  Granat  und  Epidot 
beladen,  als  weisse  Marmorlagen  westwärts  unter  den  Granit 
tauchen,  neigen  sich  hier  als  dunkle  petrefactenreiche  Bänke  in 
grossen  Bogenstücken  ostwärts  zum  Thale,  um  unter  die  höheren 
Triasbänke  hinabzusinken,  welche  in  flacher  Lagerung  die  Ostseite 
der  Judicarien  bilden.'* 


320  Judicarienlinie. 

Der  Bruch  stellt  sich  bald  wieder  ein.  Wo  das  Judicarienthal 
gegen  Nordost  biegt,  behält  derselbe  seine  gerade  gegen  NNO. 
laufende  Richtung,  setzt,  wie  Bittner  gezeigt  hat,  von  Roncone 
gegen  Verdesina  durch  das  Gebirge  und  erreicht  so  Val  Ren- 
dena;  diesem  Thale  folgt  er  bis  Pinzolo;  von  da  setzt  er  mit  un- 
veränderter Richtung  wieder  in  das  Gebirge,  durchquert  dasselbe 
und  kreuzt  bei  Mal6  am  Ausgange  des  Rabbithaies  das  grosse 
Val  di  Sole.  Von  hier  an  beginnt  seine  Richtung  aus  NNO.  allmälig 
sich  etwas  gegen  Nordost  zu  wenden;  er  setzt  sich  nun  von  Male 
über  Bevia  gegen  Mocenigo  fort  und  erreicht  südlich  von  dem 
Ausgange  des  Ultenthales  das  Thal  der  Etsch.*-' 

Die  Länge  dieser  für  alle  späteren  Betrachtungen  so  wichtigen 
Linie  beträgt  vom  Idrosee  bis  zur  Stelle,  wo  bei  Verdesina  das 
Val  Rendena  erreicht  wird,  etwa  34  Kilom.,  von  da  bis  in  das 
Val  di  Sole  bei  Mal6  36  Kilom.  und  von  Mal^  bis  ins  Etschthal 
unterhalb  Lana  32  Kilom.,  folglich  in  den  bisher  erwähnten  Stücken 
102  Kilom.  Den  Ostrand  des  Bruches  bildet  das  abgesunkene 
mesozoische  Gebirge  des  Etschthales,  welches  jedoch  sehr  häufig 
in  der  Nähe  des  Bruches  gegen  denselben  geneigt  zu  sein  scheint, 
und  dessen  ältere  Unterlage.  An  der  mächtigen  Laugenspitze,  süd- 
lich von  der  Kreuzung  des  Etschthales,  ist  es  der  permische  Por- 
phyr, welcher  als  die  Unterlage  des  mesozoischen  Kalkgebirges 
an  dem  Ostrande  des  Bruches  sichtbar  wird. 

Die  Westseite  des  Bruches  besteht  im  Süden  gegen  den  Re 
di  Castello  und  Adamello  zunächst  aus  jenen  Streifen  von  permi- 
schem und  triadischem  Gestein,  welche  wir  soeben  an  dem  Ost- 
rande der  Masse  des  Adamello  kennen  gelernt  haben;  der  Ostrand 
der  Presanella,  in  welcher  eine  Felsart  sich  bemerkbar  macht,  die 
als  Tonalitgneiss  bezeichnet  wird,  ist  nach  Stäche  nur  durch  eine 
schmale  Zone  älterer  Phyllite  von  der  Judicarienlinie  getrennt. 
Gneiss  und  Phyllit  bilden  nun  weiter  gegen  Nord  vielfach  den 
Westrand,  bis  wieder  einzelne  Kuppen  von  Tonalit  und  jüngerem 
Granit  erscheinen.  Endlich  taucht,  noch  bevor  das  Etschthal  er- 
reicht ist,  an  dem  Westrande  des  Bruches,  von  St.  Pankraz  im 
unteren  Ulten  bis  zur  Etsch,  ein  neuer  grosser  Tonalitstock  her- 
vor. Porphyr  und  Grödener  Sandstein  bilden,  wie  gesagt,  hier  den 
Ostrand  des  Bruches. 


Granit  an  der  Brennerstrasse.  32  1 

Die  von  C.  W.  C.  Fuchs  veröffentlichte  Karte  der  Umgegend 
von  Meran  zeigt  deutlich,  wie  der  Tonalitstock,  der  grosse  Bruch 
und  die  Porphyre  und  permischen  Ablagerungen  seiner  Ostseite  in 
der  Nähe  dieser  Stadt  schräge  das  Etschthal  überqueren.'"  Durch 
die  höchst  verdienstvollen  Arbeiten  Teller's  ist  in  den  letzten 
Jahren  auch  die  weitere  Fortsetzung  bekannt  geworden.  Der  Judi- 
carienbruch  lässt  sich  durch  die  Naifschlucht  bei  Meran  bisWeissen- 
bach  im  Penserthal  verfolgen ;  hier  wendet  sich  seine  Richtung  aus 
Nordost  mehr  und  mehr  gegen  Ost.  Diese  letzte  Strecke  beträgt 
26  Kilom.,  so  dass  die  Gesammtlänge  des  Bruches  vom  Idrosee 
bis  ins  Penserthal  etwa  128  Kilom.  misst.  Das  merkwürdigste 
Ergebniss  aus  Teller's  Untersuchungen  ist  jedoch  der  Nachweis 
der  Fortsetzung  des  Granitstockes  bis  weit  gegen  Ost.  Der  Iffinger 
oberhalb  Meran  (2551  M.),  schon  von  Fuchs  als  die  Fortsetzung 
der  jenseits  der  Etsch  auftauchenden  Tonalitmasse  erkannt,  ist 
nur  ein  Theil  eines  sehr  langen  Zuges,  welcher  in  seiner  Haupt- 
masse aus  Granit,  an  der  Nordseite  aber  aus  einer  fortlaufenden 
Zone  von  Tonalitgneiss  besteht,  und  welcher  durch  das  Penserthal, 
dann  ostwärts  bei  Mauls  und  der  Franzensfeste  quer  über  die  Brenner- 
strasse streicht."  In  der  Nähe  der  Brennerstrasse,  wo  der  Granitzug 
seine  grösste  Breite  erlangt,  ist  an  seinem  Südrande  der  Judicarien- 
bruch  nicht  mehr  sichtbar  und  der  Granitzug  selbst  lagert  gegen 
Nord  und  Süd  wie  ein  Gewölbe  unter  den  angrenzenden  Gesteins- 
zonen. Nachdem  er  das  Pusterthal  bis  in  die  Nähe  von  Brunneck 
begleitet  hat,  scheint  dieser  Granitzug  hinabtauchend  sein  Ende 
zu  erreichen,  aber  es  tritt  jenseits  des  Ahrenthales  nördlich  von 
Brunneck  aus  Gneiss  und  Gneissphyllit  im  Antholzer  Gebirge 
(Schnebiger  Nock,  3390  M.)  ein  neuer,  von  Tonalitgneiss  rings 
umgebener  Dom  von  Granit  hervor,  welcher  nach  Teller  mit 
den  Gneissphylliten  der  Umrandung  in  inniger  Verbindung  steht; 
diese  enthalten  zahlreiche  kleine  linsenförmige  Einschaltungen  des- 
selben Granites,  ja  gegen  Südwest  hin  wird  eine  linsenförmige 
Nebenmasse  so  ausserordentlich  gross,  dass  sie  als  ein  langge- 
streckter Zug  die  Grenzkämme  dreier  nicht  unbeträchtlicher  Thäler 
überquert." 

Wir  sehen  daher  eine  sehr  grosse  Bruchlinie  vom  Idrosee 
durch  Judicarien,  durch  Val  Rendena,  über  Male,  durch  die  Naif- 


322  GraoUische  Zone  Südtirols. 

Schlucht  bei  Meran  bis  in  das  Penserthal  auf  beiläufig  128  Kilom. 
sich  erstrecken  und  dabei,  nachdem  bis  in  die  Nähe  von  Meran 
die  gerade  Richtung  gegen  NNO.  eingehalten  war,  eine  haken- 
förmige Beugung  gegen  NO.  eintreten.  Wir  sehen  auf  der  ganzen 
Länge  die  östliche  Seite  des  Gebirges  abgesunken.    Ferner  er- 


blicken wir  westlich  von  den  Judicarien  die  grosse  im  Sinne  des 
Bruches  gedehnte  Masse  von  Tonalit  und  Granit,  welche  den  Re 
di  Castello,  Adamello  und  die  Presanella  umfasst,  welche,  wo  sie  im 
Süden  mit  Triaskalk  in  Berührung  kommt,  von  demselben  am  Rande 
unterlagert  wird  und  denselben  in  vulcanischem  Contacte  verändert. 
Weiter  gegen  Nord  tritt  eine  zweite  grosse  Granitzone  hervor. 


Keil  am  SeilspiU.  3^3 

diese  nur  an  der  Nordseite  von  Tonalitgneiss  begleitet  und  an  der 
Südseite  hart  an  dem  gebogenen  Ende  des  grossen  Bruches  gelegen, 
die  Beugung  des  Bruches  begleitend,  allmälig  aus  NNO.  in  NO., 
endlich  in  östliches  Streichen  übergehend.  Sie  ist  an  ihrem  Ende 
begleitet  von  der  mit  Gneiss  innig  durch  Einschaltungen  verbundenen 
Antholzer  Masse.  Es  gestaltet  sich  nun  die  oben  gestellte  Frage 
dahin,  ob  die  beiden  durch  tonalitische  Ausbildung  und  die  Be- 
ziehungen zu  dem  grossen  Bruche  ausgezeichneten  Granitzüge  von 
ganz  verschiedenem  Alter  seien,  oder  ob  es  ein  gleichzeitiger  Zug 
von  Laccolithen  sei,  welcher  im  Re  di  Castello  die  Triasschichten 
verändert  und  an  seinem  andern  Ende,  in  der  Antholzer  Masse, 
in  weit  tieferem  Horizonte  in  dem  Gneissgebiete  sichtbar  ist. 

Wo  sich  die  Beugung  des  Bruches  und  des  Granitzuges  zwi- 
schen Eisack  und  Etsch  vollzogen  hat,  tritt  eine  merkwürdige  tek- 
tonische  Erscheinung  ein,  welche  ebenfalls  von  Teller  richtig  er- 
kannt worden  ist.  Das  nordwärts  liegende  Gebirge  schiebt  sich 
über  den  Granitzug  herüber;  es  ist  Gneiss,  Glimmerschiefer, 
Phyllit,  Verrucano  und  Diploporen-führender  Triaskalk.  Von 
Sterzing  an  der  Brenn erstrasse  südwärts  zum  Penserjoch  anstei- 
gend sieht  man  unter  der  Seilspitze  die  Fig.  30  dargestellte 
flache  Ueberschiebung  des  wahrscheinlich  carbonischen  Fhyllits 
über  den  Triaskalk.  In  den  tieferen  Theilen  des  Kalkkeiles  richten 
sich  die  Bänke  in  demselben  auf,  als  sträubten  sie  sich  gegen  die 
Ueberwältigung  durch  die  Masse  der  älteren  Schiefer.  (Fig.  3 1 .) 
Man  bemerkt,  dass  dieser  grosse  Kalkkeil  nicht  wie  meistens  in 
der  Masse  des  Finsteraarhorn  in  das  Gebirge,  sondern  dass  er 
gegen  aufwärts  und  auswärts  gerichtet  ist.  Die  Gneisslagen, 
welche  den  Kalk  unterlagern,  enthalten  auf  der  Höhe  des  Joches 
eingeknetete  Streifen  von  Verrucano-Conglomerat.  Südwärts  vom 
Joche  liegen  alte  Schiefer;  es  scheint  noch  eine  Spur  eines  Kalk- 
streifens durchzuziehen;  ein  kleiner  Bau  auf  Fahlerz  befindet  sich 
im  tieferen  Theile  des  Abhanges,  und  in  der  Thalsohle  bei  Asten 
beginnt  dann  der  Tonalit.'^ 

Die  Astabrüche.  Die  Judicarienlinie  und  die  begleitenden 
Granit-  und  Tonalitzüge  bilden  gegen  West  und  Nordwest  den 
Rahmen  eines  ausgedehnten  Senkungsfeldes,  welches  .^^egen  Ost 
und  Südost  von  den  Flexuren  und  Brüchen  des  Karstes  und  der 


324  Astabrüche, 

dalmatinischen  Küste  umfasst  wird,  und  in  dessen  Tiefe  das  Adria- 
tische  Meer  liegt.  Erst  in  den  letzten  Jahren  ist  hier  schrittweise 
der  Zusammenhang"  der  Erscheinungen  klar  geworden.  Noch  im 
Jahre  1875  konnte  ich  nur  von  einzelnen  damals  als  Ausnahme 
erscheinenden  Ueberschiebungen  gegen  Süd  an  der  Cima  d'Asta, 
bei  S.  Orso  unweit  Schio  und  an  einzelnen  der  Karstbrüche  spre- 
chen, während  Senkung  und  vielfach  auch  Ueberschiebung  heute 
über  das  weite  Gebiet,  allerdings  unter  eigenthümlichen  und  von 


den  Vorkommnissen  der  Nordalpen  wesentlich  verschiedenen  Um- 
ständen, als  Regel  erkannt  sind. 

Den  grössten  Fortschritt  haben  hier  die  bewunderungswerthen 
Untersuchungen  herbeigeführt,  welche  Edmund  von  Mojsisovics 
und  seine  Mitarbeiter  im  südlichen  Tirol  und  den  angrenzenden 
Gebirgen  Italiens  durchführten  und  durch  welche  für  einen  grossen 
Theil  des  Westens  das  Bruchnetz  festgestellt  wurde.  Schon  im 
Jahre  1879  konnte  Mojsisovics  eine  Uebersicht  der  Bruchlinien 
zwischen  Etsch  und  Piave  veröffentlichen,  und  die  seitherigen  For- 
schungen österreichischer  und  italienischer  Fachgenossen  haben 
das  Bild  nach  allen  Seiten  vervollständigt." 


Hetz  von  Brüchen.  325 

Im  Jahre  1882  hat  es  T.  TarameUi  unternommen,  einen  Ent- 
wurf der  wichtigsten  Störungslinien  vom  Gardasee  bis  nach  Istrien 
zu  entwerfen,'^  Nachdem  ich  einen  beträchtlichen  Theil  des  Ge- 
bietes aus  eigener  Anschauung  kennen  gelernt  habe,  will  ich  es 
nun  versuchen,  einen  neuen  Ueberblick  der  bisher  gewonnenen 
Erfahrungen  zu  geben,  und  hiebei  in  gewisse  Einzelheiten  ein- 
gehen, welche  mir  für  das  Verständniss  des  Gefüges  und  der  Ent- 
stehung grosser  Gebirgsketten  überhaupt  von  Werth  scheinen. 


<^%^^^'"''^ 


Vorerst  mag  jedoch  erinnert  sein  an  die  ruthenförmige  Ver- 
theilung  der  von  dem  Westrande  des  Wahsatch  ausgehenden 
Tafelbrüche  von  Utah  (S.  169,  Fig.  13),  an  den  wechselnden  Betrag 
ihrer  Dislocation  und  an  die  Beziehungen  der  dortigen  Flexuren  zu 
den  Brüchen.  Man  wird  Mojsisovics'  Darstellung  der  grossen  süd- 
alpinen Brüche  nicht  lesen  können,  ohne  die  ausserordentliche 
Uebereinstimmung  vieler  Kennzeichen  zu  bemerken.  Die  fächer- 
förmige Zersplitterung  einzelner  Brüche,  die  Intermittenz  der  ge- 
ringeren Bruchlinien,  die  parallele  Zersplitterung  als  Vertreterin 
einer  einzigen  mächtigeren  Dislocation  an  anderem  Orte,  dasUeber- 
setzen  des  grö.sseren  Betrages  derDi.slocation  von  einer  Brnchlinie 


328  Linie  von  Belluno. 

beträgt  beiläufig  140  Kilom.  Die  ausserordentliche  örtliche  Ver- 
schiedenheit in  der  Mächtigkeit  der  permischen  Porphyrdecken, 
sowie  auch  der  Kalkmassen  der  Triasformation  erschwert  die 
genaue  Ermittlung  des  Ausmaasses  der  verticalen  Dislocation,  doch 
muss  dieselbe  an  der  Südstirn  der  Cima  d'Asta  weit  mehr  als 
2000  M.  sein;  vielleicht  beträgt  sie  mehr  als  3000  M.  Allenthalben 
an  dieser  Hauptlinie  ist  der  Südflügel  gesunken  und  dies  gilt  als 
Regel  für  die  ganze  Gruppe  der  Cima  d'Asta-Linien,  so  dass  sich 
der  Betrag  der  Senkungen  gegen  Süden  summirt. 

Die  zweite  wichtige  Linie  dieser  Gruppe  hat  Mojsisovics  die 
Belluneserlinie  genannt.  Sie  zweigt  schon  nahe  an  dem  Ur- 
sprünge der  Val  Suganalinie  von  dieser  ab,  wird  im  Val  Sugana 
durch  die  untergeordnete  Linie  des  Monte  Zaccon  von  ihr  getrennt 
und  erstreckt  sich  gegen  OSO.  nördlich  von  Feltre  bis  in  die  Ge- 
gend nördlich  von  Belluno,  in  ihrem  ganzen  östlichen  Theile,  wie 
Hörnes  gezeigt  hat,  die  Gestalt  einer  Flexur  annehmend.  Bei 
Belluno  trifft  sie  auf  die  gegen  Nord  gerichtete  Querlinie  von 
S.  Croce.  Die  mächtige,  von  Nord  gegen  Süd  vortretende  Masse 
des  Monte  Cavallo  scheint  nach  den  bisher  vorliegenden  Angaben 
nicht  von  der  Flexur  durchquert  zu  werden,  aber  bei  Barcis  in 
Val  Zelline,  an  dem  Ostabhange  des  Monte  Cavallo,  beginnt  nach 
Taramelli's  Darstellung  eine  neue,  sehr  lange  und  in  leichter  Krüm- 
mung ebenfalls  gegen  NNO.  verlaufende  Senkungslinie,  welche 
nach  seiner  Meinung  als  die  Fortsetzung  der  Linie  von  Belluno 
anzusehen  ist,  bei  Gemona  den  Tagliamento  kreuzt  ^und  bei  Sta- 
rasella  unweit  von  Caporetto  das  Gebiet  des  Isonzo  erreicht.^ 

Diese  Linie,  welche  auf  dem  grössten  Theile  ihres  Verlaufes 
von  Barcis  über  Gemona  gegen  den  Isonzo  die  Grenze  des  hö- 
heren Triasgebirges  gegen  die  abgesunkenen  und  nun  südlich  vor- 
liegenden Kreide-  und  Tertiärberge  ausmacht,  hat  von  Taramelli 
den  Namen  ,Frattura  periadriatica'  erhalten,  eine  Bezeich- 
nung, welche  auf  alle  Brüche  dieses  ausgedehnten  Bruchfeldes, 
bis  Meran,  bis  Lienz  und  bis  Idria  angewendet  werden  mag. 

Bevor  diese  Linie  Starasella  erreicht  hat,  ist  sie  allerdings 
für  eine  kurze  Strecke  in  das  Gebiet  der  Trias  und  der  rhätischen 
Kalksteine  getreten,  die  Masse  des  Monte  Matajur  absondernd  von 
dem  grossen  Hauptgebiete  der  Triaskalksteine,  aber  sofort  bei 


Linie  von  Bcllano.  329 

Caporetto  trifft  sie  wieder  zusammen  mit  der  schon  im  Jahre  185S 
von  Stur  erkannten  Störungsregion  an  dem  Südrande  der  grossen, 
östlich  vom  Isonzo  liegenden  Kalkgebirge.  An  dieser  Stelle,  zwi- 
schen Monte  Canin  und  dem  Natisone,  unterscheidet  aber  Stur  drei 
von  Norden  her  überschobene  Brüche,  bei  welchen  der  rhätische 
Kalk  über  die  Kreideformation  tritt.  Dies  ist  das  Gebiet,  in 
welchem  die  Gruppe  der  Karstbrüche  hervortritt,  welche  an  spä- 
terer Stelle  zu  besprechen  sein  wird." 

Die  Linie  von  Belluno  misst,  wenn  man  das  jenseits  vom  Monte 
Cavallo  liegende  Stück  im  Sinne  Taramelli's  hinzuzählt,  bis  an  den 
Isonzo  nicht  weniger  als  180 — [90  Kilom.  und  auch  östlich  von 
Caporetto  liegt  die  Kreidegrenze  gegGti  Deutschruth  in  ihrer  wei- 
teren Fortsetzung.  Der  Zusammenhang  dieser  Stücke  ist  aber 
noch  nicht  erwiesen. 


(dunkel  b( 
Tuff  irit  ( 


,  W'tchcc  lieh  ;in  den  Runde  der  K] 
diK-rrantlurr !  hirriuf  nril  lur  Ebrn« 
del  ipilie  M.  Glmn;  nun  folKl  rinr  n 


'«itlicli  vnn  der  Rrenk». 

bl.  beitebt  am  maTlnen  Ab- 
n«  seneicte  Scbiotcbichlen.  dann  nualt 
■  mäcbÜEe  Serie  von  Korallcnknlk,  »eh 
ilpini  vnn  S.  Uicbel«  (ai  der  Stur«  tob 
Zu;  von  KchioicbichlcD,  dann  abermali 
.nn  Lsvrrda,  lieferei  Terllür  und  Kreide. 


Südlich  von  der  Westhälfte  der  Linie  von  Belluno  sinkt  das 
Gebirge  noch  weiter  in  grossen  Flexuren  zur  Tiefe,  welche  jedoch 
nicht  mit  der  Gruppe  der  Cima  d'Asta-Brüche  in  unmittelbare 
Verbindung  treten.  Eine  solche  Flexur  durchzieht  mit  nach  Süden 
convexer  Streichungslinie  die  Sette  Communi.  Die  Kalkberge 
südlich  von  der  Cima  d'Asta  bilden  nach  Vacek's  Beobachtungen 
eine  Kuppel,  deren  nordwestliche  Ecke  (Monte  Dosso)  örtlich  ein- 
gestürzt ist.  Die  Schichten  neigen  sich  hierauf  südwärts  ein  wenig, 
erheben  sich  wieder  und  fallen  in  grosser  Flexur  ab,  welche  erst 
gegen  Ost,  dann  Nordost,  nördlich  von  Frimolano  durchzieht. 

Eine  zweite,  weit  längere  Flexur  ist  an  ihrem  Beginne,  bei 
S.  Orso  östlich  von  Schio,  südwärts  überschoben  und  zieht  weiter 


^^O  Zwischen  Judicarien  und  Schio. 

gegen  Nordost  über  Bassano  gegen  Serravalle,  den  Aussenrand 
gegen  die  Ebene  bildend  und  streckenweise  von  einem  parallelen 
Bruche  begleitet,  welcher  in  dem  äussern  Saume  eine  Verdoppelung^ 
der  tertiären  Schichtfolge  veranlasst  (Fig.  33)." 

Nach  diesen  Beobachtungen  darf  man  annehmen,  dass  der 
Bau  der  südlichen  Alpen  etwa  vom  See  von  Caldonazzo  südlich 
von  Trient  über  die  Südstirne  der  Cima  d'Asta  bis  Agordo,  Pieve 
di  Cadore  und  Rigolato,  und  von  dieser  gegen  Nordost  gerichteten 
Linie  südwärts  bis  zur  Ebene,  einer  grossen  südwärts  blickenden 
Treppe  gleicht,  deren  Stufen  gegen  Ost  an  Breite  und  Zahl  zu- 
nehmen, an  Höhe  aber  abnehmen  und  von  welchen  einige  der 
höchsten  sich  dem  Graben  an  der  Südseite  der  Cima  d'Asta  nä- 
hern. Die  der  Ebene  zunächst  liegenden  Stufen  haben  die  Gestalt 
von  Flexuren,  während  bei  den  nördlichen  Stufen  fast  ausschliess- 
lich Brüche  sichtbar  sind. 

Zwischen  dem  Judicarienbruche  und  dem  Bruche  von 
Schio.  Aus  dem  nordwestlichen  Theile  des  Bruchfeldes  ragt  mit 
unrcgelmässigem  Umrisse  jener  grosse  Schild  von  permischem 
Poq^hyr  hervor,  in  dessen  Tiefenlinien  bei  Bozen  Etsch  und  Eisack 
sich  vereinigen  {tz,  t:  Fig.  29).  Gegen  Süd  und  gegen  Nord  treten 
ältere  Bildungen  unter  dem  Porphyr  hervor;  gegen  Ost  und  gegen 
West  sinkt  er  unter  jüngere  Bildungen  hinab.  Gegen  Süd  wird 
der  Thonglimmerschiefer  und  mit  demselben  der  Granit  der  Cima 
d'Asta  sichtbar,  deren  südwärts  gerichteter  Abbruch  soeben  be- 
sprochen wurde.  Gegen  Nord  ist  es  ebenfalls  der  Thonglimmer- 
schiefer, welcher  hervortritt.  Die  jüngeren  Gebilde,  welche  ost- 
wärts dem  Porphyr  auflagern,  bilden  den  durch  seine  landschaft- 
liche Schönheit  berühmten,  ziemlich  irrig  als  die  , Dolomitregion' 
bezeichneten  Theil  von  Südtirol.  Der  Westrand  sinkt  steiler  und 
streckenweise  die  Gestalt  einer  westwärts  überbogenen  Flexur 
annehmend  unter  eine  lange  und  schmale  Scholle  von  Ablage- 
rungen hinab,  welche  die  ganze  Reihe  von  der  permischen  bis 
zur  mittleren  Tertiärzeit  umfasst,  und  welche  in  einen  grossen 
Graben  zwischen  die  Flexur  des  westlichen  Porphyrrandes  und 
die  Judicarienlinie  eingesenkt  ist. 

Diese  schmale  Scholle  ist  das  Etschbuchtgebirge;  ihm 
gehört  der  breite  Nonsberg  an,  das  wilde  Brentagebirge  mit  der 


Das  Etschthal.  3  3  I 

Cima  Tosa,  welche  sich  in  mehreren  Spitzen  über  3CX)o  M.  erhebt, 
und  eine  Reihe  anderer  mächtiger  Züge,  welche  sich  durch  mehr 
oder  minder  ausgesprochenes  nordöstliches  Streichen  auszeichnen. 
Diese  Richtung  tritt  namentlich  gegen  Süd  hervor,  wo  die  Judi- 
carienlinie  und  der  Rand  des  Porphyrschildes  auseinandertreten. 
Noch  weiter  gegen  Süd  erweitert  sich  das  Gebiet  dieser  Scholle 
mehr  und  mehr,  die  Grabensenkung  endet  und  die  Fortsetzung 
des  Etschbuchtgebirges  umfasst  beide  Ufer  des  Gardasees  und 
weithin  alle  Berge  und  Vorberge  bis  zu  der  grossen  Bruchlinie 
von  Schio. 

Wir  kehren  zu  dem  nördlichen  Theile  zurück. 

Der  Porphyr  umgibt  den  Nordrand  der  Scholle  und  reicht 
an  der  Judicarienlinie,  wie  wir  bereits  sahen,  bis  über  die  Laugen- 
spitze herab ;  noch  tiefere  Schiefergesteine,  da  und  dort  auch 
Granit,  kommen  durch  Aufschleppung  an  der  Judicarienlinie  zum 
Vorschein ;  in  Val  Rendena  ist  auf  eine  längere  Strecke  der  Por- 
phyr wieder  aufgeschleppt,  so  dass  er  auch  hier  auf  beiden  Seiten 
des  Grabens  sichtbar  ist. 

Vacek  und  Bittner  haben  den  Bau  des  Etschbuchtgebirges 
untersucht.^^  Die  wesentlichen  Züge  sind  die  folgenden. 

Der  Graben  ist  nicht  symmetrisch.  An  seiner  Ostseite  ist 
eine  einzige,  westwärts  gesenkte  und  etwas  westwärts  überbogene 
Flexur  an  dem  Rande  des  Porphyrs  vorhanden,  während  das 
zwischen  dieser  Flexur  und  der  Judicarienlinie  Liegende  durch  eine 
grössere  Anzahl  von  Flexuren  zertheilt  ist,  welche  alle  im  Sinne 
der  Judicarienlinie  ostwärts  oder  südostwärts  gesenkt  und  über- 
bogen sind.   Ich  bezeichne  diese  Störungslinien  wie  jene  südlich 

von  den  Sprüngen  der  Cima  d'Astagruppe  als  Flexuren,  obwohl 

» 

sie  alle  sich  von  dem  einfachen  Typus  der  stufenförmigen  Fle- 
xur durch  zwei  Merkmale  unterscheiden,  nämlich  dadurch,  dass 
der  Hangendflügel  überbogen  oder  überkippt  ist,  und  dass  der 
liegende  Gebirgstheil  eine  wenn  auch  flache  Neigung  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  hat.  Hiedurch  erhalten  diese  Störungen  das 
Aussehen  von  sehr  oberflächlichen  schiefen  Falten,  aber  es  muss 
wohl  jede  Flexur  diese  Abänderung  erfahren,  wenn  zugleich  mit 
der  Senkung  eine  horizontale  Bewegung  nach  der  Richtung  der 
Senkung  staltfindet. 


332 


Das  Etschthal. 


Diese  Flexuren  streichen,  wie  gesagt,  mehr  oder  minder  der 
Judicarienlinie  parallel  und  sind  in  gleichem  Sinne  gesenkt,  mit 
Ueberschiebung  des  hangenden  Flügels,  also  im  entgegengeselz- 
;  ten   Sinne   als  der  Porphyrrand.    Sie   reichen    durch   das  ganze 

I'  Etschbuchtgebirge  und  zu  beiden  Seiten  des  Gardasees  herab. 

'  Gegen  Südwest  treten  Verwicklungen  ein  durch  die  Interferenz 

■  mit  Störungslinien,  welche  in  der  Richtung  OSO.  bis  ONO.  aus 

dem  lombardischen  Senkungsgebiete  herübertreten.    Eine  Haupt- 
j;  Störung  dieser  Art  kommt  von  Val  Trompia  her  bei  Ponte  di  Caf- 

I  faro  an  die  Judicarienlinie  und  scheint  dieselbe  zu  kreuzen ;  in  den 

von  Edmund  Fuchs  beschriebenen  Gängen  von  Barghe  in  Val  Sab- 
bia  und  an  mancher  anderen  Stelle  zeigt  sich  das  Herübertreten 
dieser  lombardischen  Flexuren  und  Sprünge.^^ 

An  der  Ostseite  des  Gardasees  sind  judicarische  Flexuren 
noch  in  ihrer  typischen  Gestalt  zu  treffen.  Eine  solche  schiefe  Fle- 
xur  bildet,  wie  Bittner  und  Nicolis  gezeigt  haben,  den  Rücken  des 
Monte  Baldo.  Am  Ostufer  des  Sees  sind  vereinzelte  Tertiär- 
schollen auf  Kreide  sichtbar ;  dann  steigen  allmälig  ostwärts  die 
Schichten  höher  und  höher,  um  von  dem  Hauptrücken  gegen  Ost 
theils  als  Knie  und  theils  als  Bruch  so  zu  enden,  dass  die  tertiären 
Schichten  an  der  Trias  sich  aufbiegen  oder  an  derselben  scharf 
abstossen.^'' 

Diese  Linie  am  Ostrande  des  Monte  Baldo  scheint  es  auch 
zu  sein,  an  welcher  die  oft  besprochenen  seismischen  Phänomene 
dieses  Bergzuges  auftreten.^^  Noch  jenseits  der  Etsch  befindet 
sich  an  der  Ostseite  des  Monte  Pastello  und  Pastelletto  eine  der 
Baldolinie  entsprechende  Parallelstörung.  So  weit  reicht  das  Ge- 
biet der  judicarischen  Flexuren. 

Es  gebührt  nun  Vacek  das  Verdienst,  gezeigt  zu  haben,  dass 
einzelne  dieser  Flexuren,  zumeist  in  der  Nähe  des  Etschthales, 
bogenförmig  umschwenken  und  mit  gänzlich  verändertem,  mehr 
oder  minder  gegen  Ost  gerichtetem  Streichen  in  jene  Flexuren 
übergehen,  welche  den  Astabrüchen  parallel  laufen.  Diese  Er- 
scheinung" halte  ich  darum  für  wichtig,  weil  sie  den  Zusammen- 
hang der  verschiedenen  Bewegungen  verräth,  und  wir  werden  sie 
in  weit  grösserem  Massstabe  in  Ostindien  wieder  antreffen. ''^  In 
gleicher  Weise  scheint  sich  auch  im  Süden  die  Pastellolinie  umzu- 


Der  Bruch  von  Schio.  333 

beugen  und  ihre  Fortsetzung  in  jener  Flexur  zu  finden,  welche 
vom  Südabhange  des  Corno  d'Aquiglio  an  den  südlichen  Rand 
der  Monti  Lessini  bezeichnet/^ 

Vom  Etschthale  bis  gegen  Schio  hin  sind  nun  mehrere  Fle- 
xuren  vorhanden,  welche  in  der  Regel  eine  gegen  Süd  leicht  con- 
vexe  Streichungslinie  haben;  ihr  südlicher  Flügel  ist  gesenkt,  der 
nördliche  zuweilen  über  denselben  geschoben.  Eine  bedeutendere 
solche  Flexur  zieht  südlich  von  dem  Kessel  von  Recoaro  hin  und 
bezeichnet  hier  die  Grenze  zwischen  den  Triasbergen  und  den 
niedrigeren  Kreide-  und  Tertiärrücken.^^ 

Wir  haben  nun  nochmals  nordwärts  in  das  Etschbuchtgebirge 
zurückzukehren,  um  eine  von  diesen  Flexuren  verschiedene  Reihe 
von  Störungen  kennen  zu  lernen. 

Alle  neueren  Beobachter  stimmen  darin  überein,  dass  schon 
im  Norden,  vom  Nonsberge  herab,  einzelne  scharfe  Sprünge  mit 
gesenktem  Ostflügel  vorhanden  sind,  welche  die  Flexuren  (oder 
schiefen  Falten)  in  spitzem  Winkel  schneiden,  und  welche  von  Nord 
gegen  Süd  ziehen.  Zwischen  Trient  und  Riva  sind  drei  bis  vier 
solcher  Sprünge  vorhanden.  Sie  wiederholen  sich  mit  gleicher 
Richtung  von  Nord  gegen  Süd  auch  südlich  von  Val  Ronchi 
und  gegen  Velo ;  ein  grosser  solcher  Sprung  mit  östlichem  Ab- 
sinken, doch  mehr  gegen  NNW.  gerichtet,  ist  von  Bittner  aus  der 
Gegend  von  Montecchiä  über  Bolca  zum  Monte  Spitz,  als  die 
westliche  Grenze  des  Hauptgebietes  der  vicentinischen  Tertiär- 
bildungen verfolgt  worden,  und  mit  Recht  bemerkt  Bittner,  dass 
durch  die  Richtung  dieses  Sprunges  eine  fächerförmige  Anordnung 
angedeutet  wird,  deren  letztes  Glied  der  grosse  Bruch  von 
Schio  ist.^"" 

.  Dieser  grosse  Bruch  beginnt  in  dem  höheren  Gebirge  nord- 
westlich von  Schio  und  bildet  bis  in  die  Nähe  dieser  Stadt  den 
westlichen  Rand  der  gewaltigen,  bei  S.  Orso  südwärts  überscho- 
benen  Flexur,  welche  die  Bergmassen  des  Tretto  unter  die  Ebene 
von  Thiene  sinken  lässt.  Von  Schio  angefangen  aber  bezeichnet 
dieselbe  Linie  den  Rand  der  Scaglia  und  der  tertiären  Bildungen 
gegen  diese  Ebene.  So  kreuzt  sie  Malo,  ostwärts  schon  von  Schio 
an  von  steilen  aufgeschleppten  Scherben  der  alt-mediterranen 
Schioschichten  begleitet,  streicht  dann  in  der  Nähe  von  Vicenza 


234  Vicenza. 

durch  und  bildet  die  ösüiche  Grenze  der  berischen  und  der  euga- 
näischen  Berge  gegen  die  Ebene.  Ihre  Richtung  ist  zwischen  NW. 
und  NNW.,  ihre  Länge  bis  gegen  Battaglia  beiläufig  70  Kilom.^' 
Westlich  von  dieser  Linie  liegt  das  tertiäre  Hügelland  von 
Vicenza  und  dieses  bildet  sammt  den  berischen  und  den  euganäi- 
schen  Bergen  einen  langen,  in  die  Ebene  vorragenden  Sporn, 
welcher  auf  der  Linie  Verona — Este  unter  die  Ebene  des  Po  hinab- 
taucht. Man  bemerkt  keinen  ursächlichen  Zusammenhang  zwischen 
den  eocänen  und  oligocänen  Basalt-  und  Trachytausbrüchen  dieser 
Gegend  und  dem  grossen  Sprunge  von  Schio,  welcher  jünger  ist 
und  an  dem,  wie  gesagt,  alt-mediterrane  Schichten  aufgeschleppt 
sind.  Dieses  ganze  Gebiet  hat  vielmehr  den  Bau  einer  flachen 
Mulde;  in  dem  südlichsten  Theile  kommt  zwischen  Este  und  Bat- 


^i?«  34*  Monteccht  und  Capuleti  westlich  von  Vicenza. 

Br  basaltische  ürecciola;  a  Bryozocnmergcl ;  b  grosse  Rustcllarien,  Crassutella,  darüber  Ostr.  rari- 
lamella;  C  Clyp.  Hreunigi;  J  Kurallcnkalk;  e  Lithothamnicnkalk ;  [i,  [i,  3  sehr  kleine  Auf  läge  ninj^tm  vun 
BasalttufF  in  nicht  ganz  sicherem  Horizont;  /(unter  dem  Schlosse  der  Montecchi)  Kicselkalk  mit  Korallen; 
m,  m  Spalten,  jene  links  mit  organischen  Resten  aus  dem  Horizonte  von  Sangonini,  jene  rechts  mit  solchen 

von  Castel'  Gomberto. 

taglia  in  grosser  Ausdehnung  die  Kreideformation,  an  einer  Stelle, 
bei  dem  S.  193  erwähnten  Fontana  Fredda,  sogar  der  obere  Jura 
wieder  zum  Vorschein. 

Untergeordnete  Störungen  werden  z.  B.  im  Südwesten  von 
Vicenza  sichtbar;  die  Verwerfung,  mit  welcher  hier,  an  den  Schlös- 
sern der  Montecchi  und  der  Capuleti,  die  vulcanische  Mandelstein- 
breccie  an  die  mittleren  Tertiärschichten  stösst,  ist  von  Sprüngen 
begleitet,  welche  in  weichem  Mergel  wohlerhaltene  oligocäne 
Meeresconchylien  enthalten. 

Auf  dem  Stücke  der  Südalpen,  welches  bisher  besprochen 
wurde,  lassen  sich  daher  folgende  Dislocationen  beobachten.  Es 
sind  lange,  stellenweise  in  Brüche  übergehende  Flexuren  vorhanden, 
welche  der  Judicarienlinie  parallel,  ostwärts  gesenkt  und  ostwärts, 
richtiger  aus  WNW.  gegen  OSO.  überschoben  sind.  Diese  reichen 


Im  Norden  der  Astibrüche.  335 

von  der  Judicarienlinie  bis  an  die  linke  Seite  der  Etsch  unterhalb 
Peri.  Ferner  sind  ähnliche  Flexuren  vorhanden,  welche  den  Asta- 
brüchen  mehr  oder  minder  parallel  laufen,  südlich  von  diesen 
liegen  und  südlich  gesenkt  und  zuweilen  südlich  überschoben 
sind.  Einzelne  der  judicarischen  Flexuren  schwenken  in  scharfem 
Buge,  beiläufig  in  der  Nähe  des  Etschthales,  in  die  Richtung  der 
Astaflexuren  um. 

Der  Betrag  der  Senkung  an  den  einzelnen  Flexuren  nimmt 
im  Allgemeinen  sowohl  mit  der  Entfernung  von  den  judicarischen, 
als  auch  von  den  Astasprüngen  gegen  die  Ebene  ab. 

Ausser  diesen  Flexuren  sind  geradlinige,  im  Grossen  fächer- 
förmig gestellte  Brüche  mit  gesenktem  Ostflügel  vorhanden,  welche 
vom  Nonsberge  bis  in  den  nördlichen  Theil  der  Provinz  Verona 
die  nordsüdliche  Richtung  beibehalten;  von  Montecchiä  läuft  dann 
ein  solcher  Bruch  gegen  NNW.,  und  das  letzte  Glied  dieser  Gruppe 
scheint  der  Bruch  von  Schio  zu  sein,  welcher  noch  mehr  gegen 
Nordwest  gerichtet  ist. 

Während  die  flexuren  gegen  die  Ebene  an  Bedeutung  ab- 
nehmen, steigert  sich  die  Bedeutung  dieser  Linien  in  der  Richtung 
des  Bruches  von  Schio ;  wenigstens  deutet  hierauf  die  Bedeutung 
der  beiden  letzten  Linien  dieser  Gruppe. 

Dislocationen  im  Norden  der  Astabrüche.  Die  Masse 
der  Cima  d'Asta  verhält  sich  sammt  dem  Porphyr  allen  bisher 
aufgezählten  Störungen  gegenüber  wie  ein  grosser  Horst.  Dieser 
Horst  selbst  ist  von  einzelnen  grossen  Dislocationen  durchquert, 
welche  ebenfalls  stufenförmiges  Absinken  herbeiführen,  aber  sein 
Absinken  ist  nicht  gegen  Süd,  sondern  gegen  Nord  ge- 
richtet. E.  V.  Mojsisovics  und  sein  Mitarbeiter  R.  Hörnes  haben 
diese  merkwürdige  Thatsache  festgestellt,  und  was  ich  über  dieses 
Gebiet  zu  sagen  habe,  ist  fast  ausschliesslich  den  trefflichen  Dar- 
stellungen des  Ersteren  entnommen.^^ 

Von  Lavis  im  Etschthale,  an  der  südwestlichen  Ecke  der  Por- 
phyrdecke, läuft  der  Umriss  derselben  ziemlich  geradlinig  gegen 
Nordost  in  die  Richtung  von  Trudcn,  östlich  von  Neumarkt,  und 
scheint  seine  unmittelbare  Fortsetzung  in  einer  Störungslinie  zu 
finden,  welche  (|uer  ül)er  das  ganze  Porphyrgebiet,  mehr  und 
mehr  gegen  ONO.  gerichtet,  bis  in  die  Nähe  des  Latemargebirges 


336  Das  Porphyrgebiet. 

mit  abgesunkenem  Nordflügel  sich  erstreckt.  Dies  ist  die  Linie 
von  Truden;  sie  ist  um  so  bemerkenswerther,  als  sie  räumlich 
etwa  in  die  Mitte  zwischen  den  grossen  Val  Suganabruch  und  den 
Judicarienbruch  fallt  und  zugleich  eine  mittlere  Richtung  einhält. 

Ein  zweiter  wichtiger  Querbruch  im  Porphyr  ist  die  Linie 
von  Tiers;  sie  beginnt  bei  Virgl  in  der  unmittelbaren  Nähe  von 
Bozen,  läuft  gegen  OSO.  nach  Tiers  am  Ostrande  des  Porphyrs 
und  setzt  sich  als  eine  Flexur  von  etwa  800  M.  Fallhöhe  zwischen 
Rosengarten  und  Schiern  fort.  Auch  hier  ist  der  ganzen  Länge 
nach  der  Nordflügel  abgesenkt. 

Eine  ähnliche  Flexur  umgibt  die  gewaltige  Pyramide  des 
Langkofel  gegen  Nord  und  Nordwest. 

Der  Eisackfluss  kreuzt  den  Porphyr  in  einer  Grabensenkung, 
welche  durch  stafifelförmige  Verwerfungen  beiläufig  in  judicarischer 
Richtung  gebildet  ist,  und  nördlich  von  diesen  Brüchen,  in  der 
Nähe  des  Bergortes  Klausen,  trifft  man  den  Beginn  jener  bedeu- 
tenden Dislocation,  welche  Mojsisovics  als  die  Bruchlinie  von 
Villnöss  bezeichnet  hat.  Diese  wollen  wir  etwas  näher  betrachten. 

Dem  Phyllit,  welcher  gegen  Nord  unter  dem  Porphyr  her- 
vortritt, ist  nördlich  und  nordwestlich  von  Klausen  eine  Anzahl 
dioritischer  Laccolithen  eingeschaltet.  Diese  Massen  sind  nach 
Teller,  welcher  ihre  Lagerung  und  ihre  Contactzone  untersucht 
hat,  ,als  Intrusionskerne  aufzufassen,  welche  erst  nach  der  Ab- 
tragung der  Deckschichten  als  freie  Kuppen  aus  der  Schicht- 
gesteinsumhüllung heraustraten'.^^  Dies  sind  eben  die  Merkmale 
wahrer  Laccolithen.  Da  Gerolle  desselben  Diorits  von  Teller  in 
den  permischen  Conglomeraten  unter  dem  Porphyr  angetroffen 
wurden,  sind  diese  Intrusionen  von  hohem  Alter.  Die  beiden 
grössten  dieser  Körper  werden  von  einem  gegen  OSO.  laufenden 
Bruche  mit  gesenktem  Nordflügel  abgeschnitten.  Dieser  Bruch 
ist  in  den  übereinanderliegenden  Stollen  am  Pfundererberge  auf 
mehr  als  400  M.  Höhe  mit  ausserordentlich  steilem  Einfallen  auf- 
geschlossen worden,  aber  die  Fallhöhe  der  Dislocation  muss  noch 
weit  beträchtlicher  sein.***  Dies  ist  der  westliche  Beginn  der  Bruch- 
linie von  Villnöss. 

Sie  kreuzt  den  Eisackfluss,  läuft  durch  das  Villnössthal  hin 
und  lässt  an  der  gesenkten  Nordseite  Schollen  von  Porphyr  im 


Linie  von  Villnöss.  337 

Gebiete  des  Thonglimmerschiefers,  endlich  auch  einen  Sporn  von 
Trias  sichtbar  werden.  Im  mittleren  Villnöss  bemisst  Mojsisovics 
die  Höhe  der  Dislocation  auf  mindestens  800  M.  Nun  tritt  der 
Bruch  in  das  Triasgebirge,  und  es  hat  an  dieser  Stelle  nach  Hörnes 
der  Betrag  der  Senkung  wesentlich  abgenommen;  gegen  Campil 
nimmt  er  rasch  wieder  zu.  Im  Süden  davon  stellt  sich  im  Garde- 
nazzagebirge  ein  grosser,  wohl  1000  M.  betragender  Grabenbruch 
ein,  welcher  Schollen  der  Kreideformation  neben  die  rhätischen 
Wände  legt;  den  Villnösser  Bruch  selbst  begleiten  kleinere  und 
grössere  Parallelbrüche,  und  von  dem  Thale  von  Wengen  gegen 
Ost  ist  nun  nicht  mehr  der  nördliche,  sondern  der  südliche 
Theil  gesenkt.  So  setzt  derselbe  quer  durch  das  Fanesgebirge 
und  erreicht  in  der  Nähe  von  Peutelstein  das  Thal  von  Ampezzo; 
auf  dieser  Strecke  ist  er  von  Gräben  begleitet,  in  welchen,  z.  B.  an 
der  Senkung  unter  der  Croda  di  Antruilles,  Streifen  der  Kreide- 
formation, eingekeilt  zwischen  die  rhätischen  Massen,  vor  der 
Denudation  bewahrt  geblieben  sind. 

Nun  durchschneidet  der  Bruch  die  Masse  des  Monte  Cristallo, 
von  welchem  gegen  Süd  und  Südwest  der  hohe  und  lange  Rücken 
des  Monte  Pomagagnon  abgesunken  ist.  Wieder  entsteht  ein  Gra- 
ben; bevor  das  Mesurinathal  erreicht  ist  enden  die  Brüche,  aber 
sofort  stellt  sich  nur  wenig  südlicher  in  Val  Buona  ein  neuer,  be- 
trächtlicher Bruch  ein,  welcher  sich  leicht  als  die  aus  der  Richtung 
gesprungene  Fortsetzung  des  Bruches  von  Villnöss  zu  erkennen 
gibt,  und  dieser  zieht  sich  am  Nordrande  des  Monte  Marmarole 
gegen  Auronzo  und  von  dort  in's  Comelico. 

Sowie  nun  der  Bruch  von  Villnöss,  östlich  vom  Thale  von 
Wengen,  nicht  mehr  den  nördlichen,  sondern  den  südlichen  Flügel 
absinken  lässt,  sieht  man  an  den  mehr  oder  minder  parallelen  Brü- 
chen und  Flexuren,  welche  ihn  gegen  Süd,  bis  zu  den  Astabrüchen 
hin,  begleiten,  ebenfalls  den  südlichen  Flügel  gesenkt;  die  Bruch- 
linie, welche  den  Monte  Anteiao  durchschneidet,  und  die  Linie  von 
Fauzarego  sind  Beispiele. 

Wir  kehren  aber  zur  Linie  von  Villnöss  zurück.  Ihr  östlichster 
Theil  ist  durch  die  Arbeiten  Harada's  bekannt  geworden.  Die 
Richtung  derselben  ist  von  Val  Buona  an  mehr  und  mehr  ONO., 
und  so  wird  dieselbe  nahezu  parallel  mit  dem  östlichen  Theile  der 


238  Drau-  und  Gailbrüche. 

Val  Suganalinie.  In  einer  Entfernung  von  8 — 10  Kilom.  laufen 
nun  etwa  vom  Piave  angefangen  beide  Linien  nebeneinander  her, 
durch  Quersprünge  fast  rechtwinkelig  verbunden.  Jenseits  Come- 
lico  inferiore,  am  Fusse  der  Terza  piccola,  springt  plötzlich  der 
Villnössbruch  rechtwinkelig  gegen  NNW.  ab  und  umschliesst  das 
Phyllitgebiet  des  Monte  Zovo;  dann  erwacht  er  wieder  bei  Sap- 
pada für  eine  Strecke  als  Bruch  eines  Gewölbes.  Die  Val  Su- 
ganalinie aber  zeigt,  wie  Harada's  Aufnahmen  erkennen  lassen,  in 
diesem  östlichsten  Theile  auf  eine  lange  Strecke  den  nördlichen 
anstatt  des  südlichen  Flügels  gesenkt,  aber  es  mag  vielleicht  die 
starke  östliche  Absenkung  an  dem  Querbruche  des  Val  Frisone 
hiezu  beigetragen  haben. 

Mit  einer  grossen  Flexur  sinkt  nun  südlich  von  der  Val  Su- 
ganalinie das  Gebirge  südwärts  zum  Tagliamento  ab.^^ 

Die  Drau-  und  Gailbrüche.  Es  sind  wesentlich  andere  Er- 
scheinungen, zu  welchen  wir  nun  gelangen. 

Der  bisher  betrachtete  Theil  der  Südalpen  ist  gegen  West 
von  der  Judicarienlinie,  gegen  Nord  von  der  aus  der  Gegend  süd- 
lich von  Meran  bis  gegen  Brunneck  sich  streckenden  Granitmasse 
und  weiterhin  von  dem  Phyllitgebirge  begrenzt,  welches  unter  den 
Schichtenköpfen  der  permischen  und  triadischen  Ablagerungen 
hervortritt.  Diese  Schichtenköpfe  ziehen  vom  mittleren  Enneberg 
in  leichtem  Bogen  ostwärts  gegen  die  Quellen  der  Drau  bei  Innichen 
und  nehmen  von  da,  den  Bogen  fortsetzend,  eine  südöstliche 
Richtung,  so  dass  der  Phyllit  ziemlich  tief  in  das  Thal  des  Piave 
hinabreicht,  wo  ihn  das  östlichste  Ende  des  Bruches  von  Villnöss 
umgibt. 

Dieses  weite  Gebiet  nun,  vom  Idrosee  bis  Meran,  bis  an  die 
Quellen  der  Drau  und  bis  an  den  oberen  Piave  und  auch  noch 
ein  gutes  Stück  des  östlich  folgenden  Kalkgebirges  umfassend, 
gleicht  einer  grossen  Schüssel.  In  zahlreichen  Sprüngen  und  Fle- 
xuren  sinkt  das  Gebirge  hinab  zur  venetianischen  Ebene,  aber  in 
der  westlichen  Hälfte  ragt  ein  mächtiger  Horst  hervor,  der  Stock 
der  Cima  d'Asta,  welcher  nicht  nur  dieser  allgemeinen  Senkung 
nicht  gefolgt  ist  und  so  die  gewaltigen  Brüche  an  seiner  Südseite 
hervorgebracht  hat,  sondern  auch  von  diesem  Südrande  an  bis 
weit  gegen  Nord,  ja  bis  nahe  an  den  Granitrand  des  Nordens  hin. 


Der  Lauf  des  DrauHusscs.  339 

ein  entgegengesetztes,  nördliches  Absinken  des  Gebirges  veran- 
lasst hat.^^ 

Der  Schichtenkopf  von  permischen  und  Triasbildungen  nun, 
welcher  als  der  Rand  der  Schüssel  gegen  Nord  und  Nordost  über 
den  Phyllit  sich  erhebt,  wird  von  allen  Beobachtern  als  ein  Denu- 
dationsrand aufgefasst;  Loretz  hat  eine  Reihe  guter  Profile  über 
ihn  veröfifentlicht.^7  Es  ist  dies  sicher  kein  Bruch,  wenn  auch  zu- 
weilen das  Abfallen  der  Trias  vom  Phyllit  so  steil  ist,  dass  man 
eine  abgewaschene  Flexur  voraussehen  möchte. 

Wir  treten  nun  über  diesen  Rand  der  Schüssel  hinaus. 

Jede  Karte  der  Alpen  lässt  leicht  erkennen,  wie  der  Draufluss 
in  seinem  oberen  Laufe  zwei  sehr  scharfe  knieförmige  Beugungen 
macht.  Er  wendet  sich  zuerst  gegen  Nordost  nach  Lienz,  dann 
nach  Südost  gegen  Oberdrauburg;  von  da  bildet  er  ein  zweites 
Knie,  an  dessen  Scheitel  Sachsenburg  liegt,  und  die  folgende  ge- 
rade Strecke,  welche  ganz  nahe  östlich  von  Sachsenburg  beginnt 
und  bis  zu  der  Vereinigung  mit  dem  Gailflusse  bei  Villach  reicht, 
ist  der  Strecke  Lienz — Oberdrauburg  parallel.  Ganz  im  Gegen- 
satze hiezu  besitzt  der  Gailfluss  von  seinem  Ursprünge  an,  welcher 
nahe  südlich  vom  Drauflusse  liegt,  bis  an  den  Südfuss  des  Do- 
bratschberges  bei  Villach,  also  bis  ganz  nahe  an  seine  Mündung, 
d.  i.  durch  etwas  mehr  als  loo  Kilom.  ein  geradlinig  gegen  OSO. 
verlaufendes  Thal.  wSo  wird  durch  diese  Tiefenlinien  mitten  in  den 
Alpen  ein  Gebiet  umgrenzt,  welches  an  seiner  Südseite  gerad- 
linig gegen  OSO.  von  Sillian  bis  zum  Dobratsch  längs  der  Gail 
sich  erstreckt  und  gegen  Norden  zwei  keilförmige  Stücke  vor- 
treten lässt;  der  Scheitel  des  einen  liegt  bei  Lienz,  jener  des 
andern  bei  Sachsenburg.  Es  ist  derselbe  Raum,  von  welchem 
L.  V.  Buch  im  Jahre  1824  eine  geologische  Uebersichtskarte  ver- 
öfifentlicht  hat,  welche  heute  noch  zur  Erläuterung  des  Nach- 
folgenden benützt  werden  mag.^'* 

Wer,  vom  Brenner  oder  aus  dem  Etschthale  kommend,  auf 
der  Eisenbahn  durch  das  enge  Drauthal  unterhalb  Sillian  gegen 
Lienz  fahrt,  kann  zu  seiner  Rechten  hohe  Abhänge  von  Kalkstein, 
an  einzelnen  Stellen  auch  die  gewaltsam  gewundenen  rothen  Lagen 
des  Lias  wahrnehmen,  während  die  Abhänge  zur  Linken  Gneiss 
und  alte  Schiefer  zeioren.  Sillian — Lienz  ist  eine  Störuncfslinie.  Die 


3  40  Licnz. 

andere  Seite  des  Keils,  Lienz — Ober-Drauburg,  ist  es  auch,  und 
dieser  Bruch  setzt  sich  geradlinig  durch  das  Gitschthal  gegen  Süd- 
ost bis  gegen  den  Gailfluss  in  der  Nähe  von  Hermagor  fort  und 
tritt  dort,  wie  es  scheint  etwas  mehr  gegen  Ost  gewendet,  zu  jener 
Gruppe  von  Brüchen,  an  welchen  südlich  von  Bleiberg  die  marine 
Kohlenformation  sichtbar  wird.   Dies  ist  der  Gitschbruch.^^ 

Der  dreieckige  Raum,  welchen  die  Linie  an  der  Drau  von 
Sillian  bis  Lienz,  der  Gitschbruch  und  das  Gailthal  umschliessen, 
ist  vielfach  beschrieben  worden,  so  insbesondere  von  Emmrich  und 
Stur.^""  Der  Bau  dieser  Scholle  ist,  abgesehen  von  minder  wichtigen 
Störungen,  der  folgende. 

Die  Schichten  streichen  quer  über  das  Dreieck  von  Ost  gegen 
West.  Die  Abhänge  gegen  den  Gailfluss  bestehen  durchwegs  aus 
Phyllit;  diesem  folgen  einige  kleine  Spuren  von  Porphyrdecken, 
dann  ein  weithin  sichtbares  Band  von  rothem  Grödener  Sandstein 
und  diesem  in  grosser  Mächtigkeit  und  zu  beträchtlichen  Höhen 
sich  erhebend  die  Triasformation.  Nordwärts  stürzen  dann  mit 
steilen  Schichtflächen  die  auflagernden  Plattenkalke  in  gewaltigen 
Wänden  zur  Tiefe  und  an  ihren  Fuss  lehnen  sich  petrefactenreiche 
rhätische  Bänke  und  die  dünn  geschichteten  und  vielfach  zerknit- 
terten Schichten  des  Lias.  Bis  ganz  nahe  an  den  Scheitel  des 
Dreieckes  reicht  diese  mächtige,  nordwärts  geneigte  Serie,  da 
plötzlich  kommt  jenseits  des  Lias  wieder  die  rhätische  Stufe  her- 
vor; das  Kalkriff  des  Rauchkofels  bei  Lienz  vertritt  die  lichten 
Massen  der  Trias;  an  dem  kleinen  Tristachersee  streicht  noch  ein- 
mal der  rothe  Grödener  Sandstein  durch  und  unter  demselben  er- 
scheint der  Phyllit,  in  geringer  Ausdehnung  in  den  Heimwäldern 
bei  Lienz  den  nördlichsten  Theil  der  keilförmigen  Scholle  bildend. 

Man  könnte  diese  Scholle  daher  als  einen  Ausschnitt  aus  einer 
ost-westlich  streichenden  Synklinale  bezeichnen,  aber  der  nörd- 
liche Flügel  ist  im  Verhältnisse  zu  dem  südlichen  von  so  ausser- 
ordentlich geringer  Entwicklung  und  so  ganz  auf  die  Spitze  des 
Dreieckes  beschränkt,  dass  das  ganze  Gebiet  mehr  einer  dreiecki- 
gen, monoklinal  nordwärts  geneigten  Scholle  mit  aufgeschlepptem 
oder  aufgestauchtem  Scheitel  gleicht. 

Die  Draulinie  Lienz — Sillian,  welche  die  Westseite  des  Drei- 
eckes bildet,  scheint  nach  den  bisher  bekannt  gewordenen  Beob- 


Licn7. 


341 


achtungen  eine  sehr  wichtige  Verschiebungslinie  zu  sein.  Obwohl, 
wie  gesagt,  Phyllit  und  Gneiss  an  dem  linken  Drauufer  sich  be- 
merkbar machen,  hat  doch  schon  Emmrich  an  einer  Stelle  des 
linken  Ufers,  an  der  Lienzer  Klause,  ein  Vorkommen  von  rhäti- 
schen  Schichten  gesehen/' 

Erst  in  der  neuesten  Zeit  aber  ist  von  Teller  gezeigt  worden, 
dass  dieses  Gebirge  von  zwei  Falten  von  mesozoischem  Kalkstein 
durchzogen  ist,  welche  in  vielen  Punkten  der  S.  323  erwähnten 
Triasfalte  vom  Penserjoche  gleichen.  Der  erste  Zug  ist  nur 
2^1^  Kilom.  lang,  befindet  sich  mitten  im  Schiefer-  und  Gneiss- 
gebiet, westlich  von  Inner- Villgraten,  ist  sehr  steil  gegen  Süd  ge- 
neigt und  besteht  aus  diploporenführendem  Kalkstein;  er  scheint 
von  Verrucano  begleitet  zu  sein.  Weit  beträchtlicher  ist  der  zweite 
Zug.  Dieser  beginnt  bei  Winbach  unweit  Sillian,  lässt  hier  Trias 
und  belemnitenführenden  Lias  mit  Bestimmtheit  unterscheiden  und 
ist  nur  durch  einen  Schuttkegel  vom  Drauflusse  getrennt.  Von 
hier  wurde  er  durch  Teller  längs  des  Drauthales  gegen  West  durch 
33  Kilom.  bis  zu  dem  Dolomitriffe  der  Stadt  Brunneck  verfolgt 
(Fig.  29,  S.  322).  Dieser  Zug  ist  eine  gegen  Süd  überschobene  Falte 
im  Phyllit.  Der  Lias  an  seinem  östlichen  Ende  besteht  aus  rothen 
Adneter  Schichten  und  aus  Fleckenmergel,  wde  im  Lienzer  Ge- 
birge. Teller  spricht  in  der  That  die  Vermuthung  aus,  dass  dieser 
lange  Zug  nur  die  verschleppte  Fortsetzung  des  Triaszuges  vom 
Rauchkofel,  also  eines  Theiles  des  Keiles  von  Lienz  sei.^' 

Es  steht  fest,  dass  unmittelbar  nördlich  von  jenem  Schichten- 
kopfe, den  wir  zuvor  als  den  Rand  der  Schüssel  bezeichnet  haben, 
innerhalb  des  Phyllitgebietes,  bei  Brunneck  sogar  noch  auf  dem 
Südgehänge  des  Pusterthaies,  ein  Gebiet  beginnt,  in  welchem  der 
Bau  und  die  Zusammensetzung  des  Gebirges  andere  sind.  An  die 
Stelle  des  weiten  schüsseiförmigen  Einbruches  treten  enge,  in  den 
Schiefer  gepresste  Falten  und  die  Merkmale  der  Ablagerungen 
selbst  weisen,  wie  schon  vor  Jahren  Emmrich  erkannte,  auf  die 
Nordalpen. 

Wir  begeben  uns  jetzt  an  die  Ostseite  des  Dreieckes  von  Lienz. 

Der  Bau  der  Scholle,  an  deren  nördlichem  Scheitel  Sachsen- 
burg liegt,  ist  verschieden  von  jenem  der  Scholle  von  Lienz.  Wäh- 
rend hier  der  Phyllit  hauptsächlich  im  Süden  sichtbar  war,  die 


34-2  Die  Scholk  von  Sachsenburg. 

mesozoischen  Schichten  sich  vorwaltend  gegen  Nord  neigten  und 
im  Norden  nur  ein  recht  kleines  Stück  Phyllit  hervortaiichte,  be- 
steht in  der  Scholle  von  Sachsenburg  der  nördliche  Theil  weithin 
aus  Phyllit  mit  einem  eingelagerten  Zuge  von  Marmor,  und  es  ist 
im  Süden,  an  der  Gail,  das  ältere  Gebirge  nur  in  massiger  Aus- 
dehnung an  grossen  Brüchen  sichtbar." 

Es  ist  nicht  nothwendig,  dieses  Gebiet  weiter  zu  verfolgen. 
Wir  sehen  den  winkeligen  Lauf  der  Drau  durch  Brüche  bedingt. 


den  nordwärts  gesenkten  Keil  von  Llenz  hineinragen  in  das  ältere 
Gebirge,  ais  würde  er  einer  von  Nord  kommenden  Bewegung  Wider- 
stand leisten,  und  sehen  die  grosse  südwärts  geschobene  Falte  von 
Brunneck,  welche  so  sehr  der  Kalkzone  von  Pens  gleicht.  Der  Bau 
dieses  Gebirges  ist  verschieden  von  jenem  der  grossen  Schüssel; 
auch  die  lithologischen  und  paläontologischen  Merkmale  mehrerer 
Glieder  sind  andere;  es  ist  dasselbe  Kalkgebirge,  welches  von 
Villach  viele  Meilen  weit  nach  Osten,  quer  durch  Kärnten  in  das 
südliche  Steiermark  und  bis  an  den  Südfuss  des  Bachergebirges 


Die  CarnischcR  Alpen 


343 


südlich  von  der  Drau  sich  fortsetzt,  und  welches  wir  nun  bis  in  die 
Stadt  Brunneck  zu  verfolgen  gelernt  haben. 

In  dem  Winkel, welchen  der  Schichtenkopf  der  grossen  Schüssel 
mit  dem  Lienzer  Gebirge  bildet,  liegt  der  Beginn  der  Carnischen 
Alpen,  eines  Gebirgszuges,  welcher  durch  das  Auftreten  petre- 
factenreicher  Ablagerungen  von  obersilurischem  und  von  carboni- 
schem Alter  ausgezeichnet  ist.  Vor  Allem  ist  hier  der  Grapto- 
lithenschiefer  zu  erwähnen,  welchen  zuerst  Stäche  in  Kärnten, 
dann  Taramelli  in  dem  benachbarten  oberitalienischen  Gebiete 
antraf.*' 


Die  Structur  dieses  Gebirgstheiles  ist  eine  sehr  verwickelte, 
und  ich  beschränke  mein  Urtheil  auf  den  östlichen  Theil,  welchen 
ich  durch  wiederholten  längeren  Aufenthalt  kennen  gelernt  habe. 
Südlich  von  Hermagor  ist  die  paläozoische  Schichtenreihe  auf  die 
Mitte  des  Gebirgszuges  beschränkt,  und  es  ist  leicht  erklärlich,  dass 
man  die  mächtigen  lichten  Triaskalksteine  im  Norden  und  im  Süden 
für  normal  aufgelagert,  ja  sogar  für  eine  Vertretung  der  permi- 
schen Zeit  gehalten  hat.  PIs  sind  dies  aber  im  Norden  wie  im  Süden 
an  Längsbrüchen  eingesunkene  Massen,  und  ist  namentlich  die  den 
Botanikern  als  der  Standort  der  wunderbaren  Wulfenia  Carinthiaca 
bekannte  Masse  des  Gartnerkofels  reich  an  Triasversteinerungen 
und  durch  sehr  scharfen  Senkungsbruch  gegen  das  Carbon  ab- 
gegrenzt. Aehnlich  verhält  es  sich  südwärts  gegen  Malborghetto 


244  Karstbrüche. 

und  Pontafel.  Der  Betrag  dieser  Senkungen  ist  ein  ausserordent- 
lich grosser,  doch  zififermässig  nicht  festzustellen. 

Die  Karstbrüche.  In  der  Nähe  von  Caporetto  am  oberen 
Isonzo  zeigt  sich  die  erste  jener  langen  Dislocationslinien,  welche 
von  hier  an  jedenfalls  bis  Antivari,  d.  i.  durch  vier  Breitegrade, 
wahrscheinlich  aber  noch  viel  weiter  gegen  Süden  fortziehen,  und 
welche  mit  beständigem  südöstlichen  Streichen  für  den  Bau  der 
östlichen  Küstenländer  des  adriatischen  Meeres  massgebend  sind. 

Es  gibt  kein  Gebiet  in  Europa,  in  welchem  Dislocationen  von 
SQ  ausserordentlicher  Länge  und  Regelmässigkeit  bekannt  wären, 
und  es  ist  dasselbe  durch  den  rühmlichen  Wetteifer  österreichi- 
scher Geologen  im  Karstgebiete,  im  westlichen  Croatien,  sowie 
durch  die  ganze  Erstreckung  Dalmatiens  erforscht  worden.  Stur 
hat  die  nordwestlichen  Theile  am  Isonzo,^^  Stäche  Istrien  und  die 
benachbarten  Theile,*^  Hauer  den  Zusammenhang  durch  ganz  Dal- 
matien  geschildert. ''^  Aber  erst  nachdem  auch  das  westliche  Bos- 
nien und  die  Herzegowina  erforscht  waren,  konnte  Mojsisovics 
ihren  Zusammenhang  mit  dem  Senkungsgebiete  der  Südalpen  an- 
deuten*^ und  konnte  Bittner  zeigen,  dass  bis  in  die  Herzegowina 
das  Wesen  dieser  langen  Dislocationen  dasselbe  ist.*^  Endlich  hat 
sie  Tietze  auf  dem  montenegrinischen  Gebiete  noch  weiter  gegen 
Süd  verfolgt.5°  Es  sind  durchwegs  Flexuren  oder  Brüche,  deren 
südwestlicher,  dem  Meere  zugekehrter  Schenkel  gesenkt  und  deren 
nordöstlicher  Schenkel  zuweilen  überschoben  ist.  Es  wiederholt 
sich  also  in  weit  grösserem  Maassstabe  der  Bau  der  Flexuren  Süd- 
tirols; während  aber  dort  Senkung  und  Ueberschiebung  gegen 
Südost,  weiterhin  gegen  Süd  erfolgte,  tritt'  sie  hier  gegen  Südwest 
ein.  So  vollzieht  sich  das  Absinken  des  dinarischen  Gebirgszuges 
gegen  die  Tiefe  des  adriatischen  Meeres. 

Die  Art  des  Eingreifens  dieser  Linien  in  die  Alpen  verdient 
einige  Beachtung. 

Ein  sehr  grosser  Bruch  von  beiläufig  ostwestlicher  Richtung 
schneidet  nach  Stur  östlich  von  Caporetto  das  Gebirge  von  Dach- 
steinkalk ab,  welches  den  mächtigen  Krn  und  die  Höhen  südlich 
vom  Wocheinthale  bildet,  und  der  Dachsteinkalk  ist  südwärts  über 
die  abgesunkenen  Kreidekalke  geschoben.  Dieser  Bruch  scheint 
die  Fortsetzung  jener  langen  Dislocationslinie  zu  sein,  welche  nach 


Envcitcninjj  des  adriatischcn  Meeres.  345 

Taramelli's  Angaben  von  Barcis  über  Gemona  nach  Starasella  bei 
Caporetto  läuft. 

Südlich  von  diesem  Hauptbruche  zeigt  sich  die  erste  der  süd- 
östlich laufenden  Linien.  Sie  scheint  nicht  in  die  Richtung  der 
vorhergehenden  Linie  einzulenken.  Sie  entspricht  dem  Flusslaufe 
des  Isonzo  bei  Tolmein,  findet  ihre  Fortsetzung  im  Thale  der  Idria 
gegen  Tribussa,  legt  bei  der  Bergstadt  Idria,  wo  sie  von  vielen 
untergeordneten  Brüchen  begleitet  ist,  die  überstürzten  und  gänz- 
lich verkehrten  Lagen  des  Carbon  und  der  Trias  auf  eine  längere 
Strecke  knapp  neben  den  abgesunkenen  Kreidekalk^'  und  ver- 
läuft weiter  über  Zirknitz  gegen  Laas. 

Eine  zweite  Linie  erscheint  südwestlich  von  Canale,  läuft 
nördlich  von  Görz  an  dem  Fusse  der  über  die  abgesunkenen  Ge- 
birge hinübergeschobenen  Bergmassen  des  Tarnowaner  und  Birn- 
baumer Waldes  hin  und  ist  von  Stäche  durch  die  Spalte  von  Buc- 
cari,  nördlich  von  Fiume,  bis  an  die  Meeresküste  bei  Novi  und, 
in  Zersplitterung,  auf  die  Insel  Veglia  verfolgt  worden. 

Eine  dritte  Linie  beginnt  hart  am  Meere,  bei  Duino  nord- 
westlich von  Triest;  sie  führt  schräge  über  die  istrische  Halbinsel 
und  zerlegt  sich  hier  in  treppenförmige  Abstürze.  Im  Westen  von 
Veglia,  auf  der  Insel  Cherso,  auf  Lussin  und  Unie  erscheinen  die 
weiteren  Fortsetzungen  dieser  istrischen  Dislocationen. 

So  streichen,  bald  durch  Zersplitterung  vermehrt,  bald  in  ge- 
ringerer Zahl,  diese  grossen  Störungslinien  fort;  eine  derselben 
bildet  einen  grossen  Theil  der  Küste  des  dalmatinischen  Fest- 
landes. Sie  im  Einzelnen  gegen  Südost  zu  verfolgen  ist  aber  hier 
nicht  meine  Aufgabe. 

Erweiterung  des  adriatischen  Meeres.  Die  mittel- 
tertiären Meeresablagerungen  reichen  von  Norden  her  nicht  all- 
zuweit nach  Bosnien,  und  was  von  jüngeren  Schollen  im  Westen 
dieses  Landes,  sowie  überhaupt  dem  periadriatischen  Gebiete  von 
Istrien  bis  Montenegro  etwa  da  und  dort  auflagert,  ist  in  süssem 
Wasser  gebildet.  Auch  die  im  Gebiete  der  Dislocationslinien  lie- 
genden Küsten  des  Festlandes  und  die  zahlreichen  Inseln  sind  ganz 
frei  von  jenen  jüngeren  Meeresbildungen,  welche  doch  sonst  in  so 
grosser  Ausdehnung  an  vielen  Küsten  des  Mittelmeeres  angetroffen 

werden.  Die  kleine  Insel  Pclagosa,  mitten  im  adriatischen  Meere 

2^* 


34^^  Conero,  Gargano,  Apulien. 

und  jjerade  an  jener  Stelle  gelegen,  an  welcher  sich  die  Insel- 
gruppen des  Ostens  und  des  Westens  am  meisten  nahem,  ist  der 
nördlichste  Punkt,  an  welchem  solche  Ablagerungen  bekannt  sind, 
und  Stäche  betrachtet  geradezu  die  Inselkette  Lagosta — Pelagosa — 
Tremiti  als  die  Südküste  des  einstigen  adriatischen  Festlandes. "^^ 

In  der  That  findet  sich  längs  der  italienischen  Ostküste  eine 
Reihe  von  Vorkommnissen,  welche  als  Bruchstücke  der  eingesun- 
kenen dalmatinischen  Tafel  aufgefasst  werden  können.  Die  erste 
dieser  Schollen  ist  der  Monte  Conero  bei  Ancona.  Das  zweite, 
viel  bedeutendere  Stück  ist  das  breite  und  vielfach  gegliederte 
Vorgebirge  des  Monte  Gargano.  Dasselbe  erhebt  sich  in  einzelnen 
Theilen  über  looo  M.,  bricht  steil  gegen  den  Apennin  ab  und 
ist  durch  eine  von  jungen  Meeresablagerungen  erfüllte  Niederung 
von  demselben  getrennt.  Seine  steil  geneigten  Schichten  bestehen 
nach  Bucca*s  Angaben  aus  tithonischem,  cretacischem  und  eocä- 
nem  Kalkstein  und  aus  eocänem  Mero^el.'^  Endlich  sind  hieher  die 
ausgebreiteten  Vorkommnisse  von  Kreidekalkstein  zu  rechnen, 
welche  in  den  Murgien  von  Bari  und  unter  den  jüngeren  Ab- 
lagerungen Apuliens  bis  Otranto  hinaus  bekannt  sind. '^  Der 
Gegensatz  all*  dieser  Strecken  gegen  den  Apennin  ist  so  gjoss, 
dass  de  Giorgi  vorschlug,  dieselben  als  ein  besonderes  orographi- 
si^hes  S)*stem^  als  ,Apulo-Garganische  Gruppe*  abzuscheiden.-^ 

Zur  Bekräftigung  der 'Ansicht,  dass  hier  ein  Zusammenhang 
quer  über  die  heutige  Adria  stattgefunden  habe,  macht  XeumajT 
aufmerksam,  dass  nach  Kobell  die  heutige  Landschneckenfauna 
vles  Monte  Ganrano  nicht  italienischen,  sondern  dalmatinischen 
Charakter  an  sich  tra^ft,'^ 

Ks  fehlt  auch  nicht  an  zahlreichen  anderen  Spuren  des  Zu- 
s;xntn:onhani:x^s.  In  den:  südlichsten  Theile  der  istrischen  Halbinsel 
lit^vn  an  vier  Ostküste  sehr  iunv:^^  Massen  von  Sand  über  der  be- 
kann:en  terra  rv\^^\,  weiche  sich  von  hier  auf  c:e  kleinen  west- 
Uohor,  lns^\n  Inie,  die  beiden  Canidv^Ie  ur.d  S^insego  fortsetzen : 
S5,whe  unvl  Marvhese::i  halvn  dit^elin^n  :r.  leiricr  Zeit  untersucht 
und  Msirv  h^^t^^;::  ha:  unter  den:  Ss.inv!e  vor.  Sar.st^^o  eine  verhärtete 
La^v  :r,:;  S^^halen  von  IoIh  :u:c::  Arten  von  Lanisohnecken  auf- 
ox^\:nv:en.  l'^t^o  lV\^Kivh:er  Ssihen  hierin  v::e  S:^::n:ente  eines 
5^r\xss<"^:x^::  Svron:os.^ 


Periadriatischc  Erdbeben. 


347 


Auf  vielen  Inseln  erscheinen  in  ßreccien  die  Reste  grosser 
Landthiere;  so  ist  kürzlich  wieder  von  Neumayr  und  Woldrich 
das  Vorkommen  von  Pferd,  Bison,  Hirsch  und  Rhinoceros  auf 
Lesina  als  ein  Beweis  für  den  einstigen  Zusammenhang  dieser  Insel 
mit  dem  Festlande  betont  worden.^®  Der  merkwürdigste  Fall  dieser 
Art  scheint  das  kleine  Felsriff  Silo  unweit  von  der  Südspitze  der 
Canidole  piccola  zu  sein.  Nach  Marchesetti  liegt  dieser  Fels,  dessen 
Oberfläche  nur  wenige  Quadratmeter  misst,  so  tief,  dass  er  bei 
jeder  höheren  Fluth  ganz  vom  Meere  bedeckt  wird.  Nichtsdesto- 
weniger finden  sich  in  seiner  Breccie  zahlreiche  Reste  grosser 
Wiederkäuen^^  Es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  dass  auf  mehreren 
der  dalmatinischen  Inseln  der  Schakal  (Canis  aureus)  noch  heute 
lebend  angetroffen  wird. 

Es  ist  aber  aller  Grund  vorhanden,  zu  vermuthen,  dass  die 
Bewegungen,  durch  welche  in  neuerer  Zeit  das  adriatische  Meer 
erweitert  wurde,  auch  heute  nicht  abgeschlossen  sind.  Die  Region 
der  periadriatischen  Brüche  ist  heute  häufigen  und  verschieden- 
artigen Bewegungen  ausgesetzt.  Es  ist  nach  den  Beobachtungen 
von  Bittner  und  Hörnes^  anzunehmen,  dass  das  bedeutende  Erd- 
beben von  Belluno  vom  29.  Juni  1873  auf  zwei  parallel  gegen 
NNO.  gerichteten  Verschiebungsflächen,  auf  wahren  Blättern,  vom 
Südrande  der  Alpen  (juer  durch  dieselben  bis  in  die  böhmische 
Masse  erfolgt  und  daher  jenen  Erdbeben  sehr  ähnlich  gewesen 
ist,  welche  am  Nordabhange  der  Alpen  eintreten.  Eine  Erklärung 
für  diese  aus  dem  Senkungsfelde  heraus  erfolgende  Erschütterung 
bin  ich  zu  geben  nicht  in  der  Lage.  Allerdings  sind  auch  andere 
ähnliche  Blätter  mit  Verschiebungen  z.  B.  bei  Raibl  und  im  Thale 
von  Weissenfeis  vorhanden,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
auch  das  grosse  Erdbeben  von  Villach  vom  Jahre  1348  ein  Quer- 
beben gewesen  sei. 

Aber  es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  dass  Zengg,  Zara,  Ra- 
gusa und  andere  Theile  der  durch  Dislocationslinien  gebildeten 
Küstenstrecken  Dalmatiens  zu  wiederholten  Malen  der  Schauplatz 
der  heftigsten  P>schütterungen  gewesen  sind,  und  Hörnes  hat  mit 
Recht  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  in  den  Jahren  1 869  und 
1870  die  Karstlinie  Görz — Klana — Fiume — Ottocac,  d.i.  die  zweite 
der  S.  345  angeführten  Dislocationslinien,  eine  Strasse  wandernder 


350  Vordere  Kante  der  Alpen. 

frei  entwickelt  über  dem  gesenkten  Vorlande,  zuletzt  in  weitem 
Bogen  nordwärts  vortretend,  gibt  sich  nach  Allem,  was  von  seinem 
Baue  bekannt  ist,  zu  erkennen  als  die  vordere  Kante  einer 
höher  liegenden  Schuppe  des  Erdkörpers,  welche  hin- 
übertritt über  gesenktes  Vorland. 

Diesen  Saum  überschreitend,  treffen  wir  gegen  das  Innere 
des  Gebirges,  bald  mehr,  bald  weniger  regelmässig  angeordnet, 
in  gefalteten,  überschobenen,  auch  durch  lange  Brüche  gegen 
vorne  gesenkten  Ketten,  Streifen  und  Scherben,  ältere  und  ältere 
Gesteine,  bis  weit  im  Süden  wieder  Einsturz  erfolgt. 

Mannigfaltig  ist  das  Vorland  der  Alpen,  einheitlich  ihr  Aussen- 
rand,  mannigfaltig  wieder  ihre  Innenseite. 

Die  Einstürze  oder  Einsenkungen  der  Innenseite  erfolgen  auf 
verschiedene  Art.  In  den  Karpathen  sind  es  Brüche  mit  vulcani- 
schen  Eruptionen ;  bald  greifen  sie  tief  ins  Gebirge,  wie  von  To- 
kaj  gegen  Eperies,  und  es  bleibt  nur  die  Flyschzone  des  Gebirges 
sichtbar,  bald  wieder  bleibt  der  innere  Theil  des  Gebirges  in 
grosser  Breite  sichtbar,  wie  unmittelbar  westlich  davon.  Die 
Senkung  von  Wien,  jene  am  Ostrande  der  Alpen  bei  Landsec 
und  südlich  davon  von  dem  Sporn  bei  Güns  bis  hinab  zum 
Bachergebirge  wurden  bereits  ausführlicher  erwähnt. 

Hier,  südlich  vom  Bacher,  scheint  jener  selbständige,  ein- 
seitige Ast  der  Alpen  Ursprung  zu  nehmen,  welcher  als  das 
ungarische  Mittelgebirge  gegen  Nordost  zur  Innenseite  der  Kar- 
pathen zieht  und  dessen  versenkte  innere  Zonen  unter  dem  Platten- 
see liegen ;  ihre  Reste  erscheinen  bei  Stuhlweissenburg. 

In  Uebereinstimmung  mit  Mojsisovics  meine  ich  die  verein- 
zelten Gebirgsstöcke,  welche,  westlich  von  Agram  beginnend,  im 
Süden  längs  der  Save,  im  Norden  bis  über  Fünfkirchen  hin  aus 
der  Ebene  hervortauchen,  als  Theile  einer  grossen,  ihrer  Zusam- 
mensetzung wie  ihrem  Baue  nach  den  Alpen  fremden  Masse  an- 
sehen zu  sollen.  An  diese  ist  die  von  Serpentinzügen  begleitete 
Flyschzone  des  dinarischen  Zweiges  gestaut,  welcher  unter  dem 
Einflüsse  dieser  nahen  Masse  nicht  in  gleich  typischer  Weise  wie 
die  anderen  Zweige  des  Alpensystems  sich  zu  entwickeln  vermag. 
Schon  von  der  Senkung  von  Laibach  her  und  bis  hinab  nach 
Montenegro,  so  weit  die  neueren  Untersuchungen  reichen,  ziehen 


Absenkung  zur  Adria.  35  ^ 

langgestreckte  Körper  von  Schiefer,  grösstentheils  von  carboni- 
schem Alter  hin,  weit  mehr  den  flachen  Gewölben  der  toscanischen 
Catena  metallifera  gleichend,  als  den  Gneisskernen  der  Alpen.  Sie 
bilden  die  älteste  Serie  dieses  Gebirges,  und  westlich  von  ihnen 
beginnen  jene  langen,  ihnen  parallel  streichenden  Brüche  und  Fle- 
xuren,  an  welchen  alles  westliche  Land  absinkt  gegen  das  adria- 
tische  Meer.  Der  Karst  ist  sammt  der  Halbinsel  Istrien  nur  ein 
Stück  dieses  selben  Gebirges;  dieselben  Störungslinien  durch- 
ziehen ihn  und  ihre  Richtung  prägt  sich  scharf  aus  in  dem  ge- 
zackten Laufe  des  Isonzo. 

Nun  sind  wir  wieder  an  dem  Hauptstamme  der  Alpen  ange- 
langt. Wo  am  Isonzo  diese  Linien  in  die  Alpen  eingedrungen 
sind,  erscheinen  neue  Brüche,  welche  nun  weithin  bis  Meran  und 
bis  an  den  See  von  Idro  sich  erstrecken.  Alle  diese  grossen  Linien, 
von  Montenegro  bis  an  den  See  von  Idro,  umgeben  das  adriatische 
Meer  gegen  Ost,  Nord  und  Nordwest  und  können  mit  Recht  die 
periadriatischen  Brüche  genannt  werden. 

Diese  Linien  bezeichnen  Treppen  der  Absenkung  und  das 
adriatische  Meer  liegt  in  der  Tiefe  der  Senkung.  Die  Lage  des 
adriatischen  Meeres  ist  daher  in  dem  Gefüge  der  Südalpen  vor- 
gezeichnet. Aus  dieser  allgemeinen  Absenkung  ragt  jedoch  in 
Südtirol  die  granitische  Masse  der  Cimad'Asta  als  ein  Horst  hervor, 
und  was  nordwärts  von  dieser  liegt,  ist  in  entgegengesetztem  Sinne 
abgestuft;  die  periadriatischen  Linien  zeigen  aber  in  dem  ganzen 
Gebiete  nicht  nur  Absenkung,  sondern  auch  ein  Herübertreten  des 
höheren  über  den  gesenkten  Gebirgstheil  und  da,  mit  Ausnahme  des 
Gebietes  nördlich  von  der  Cima  d' Asta,  der  letztere  stets  dem  Meere 
zunächst  liegt,  erfolgt  die  Ueberschiebung  rings  von  den  Gebirgen 
gegen  das  Meer,  d.  i.  von  der  Höhe  gegen  die  Tiefe  der  Senkung. 
Sie  ist  daher  in  dem  Etschbuchtgebirge  und  am  Gardasee  gegen 
Südost,  südlich  von  der  Cima  d'Asta  gegen  SSO.  oder  Süd,  in 
Istrien,  Croatien  und  Dalmatien  aber  gegen  Südwest  gerichtet. 

Diese  verschiedenen  periadriatischen  Dislocationslinien  sind, 
wie  sich  zeigt,  nach  demselben  Grundplane  gebaut;  verticale  und 
horizontale  Bewegung  ist  eingetreten  und  zugleich  scheinen  alle 
Umstände  die  im  amerikanischen  Westen  schon  vor  Jahren  von 
Gilbert  gewonnene  Anschauung  zu  bestärken,  dass  die  verticale 


352  Nord-  und  Südalpen. 

Bewegung  eine  tiefer  liegende,  die  horizontale  eine  mehr  ober- 
flächliche sei  (S.  144). 

Es  liegt  die  Versuchung  nahe,  diese  Erfahrungen  auf  die  nörd- 
lichen Alpen  anzuwenden  und  in  wesentlicher  Annäherung  an  die 
von  Herrn  Lory  in  den  Westalpen  vertretenen  Ansichten  alle 
Falten  der  Nordalpen  als  überschobene  Brüche  oder  Flexuren  an- 
zusehen/' Ich  bin  der  Meinung,  dass  dies  über  den  wahren  Sach- 
verhalt hinausführen  würde. 

In  den  Südalpen  treten,  wie  sich  zeigte,  senkende  und  tangen- 
tiale Bewegungen  ein ;  parallele  Flexuren  mögen  so  parallele  schiefe 
Synklinalen  und  auch  Schuppenstructur  erzeugen.  Es  mag  in  den 
Westalpen  im  Angesichte  des  französischen  Centralplateaus  durch 
grosse  Bruchlinien  der  Bau  der  Alpen  wesentlich  beeinflusst  sein, 
und  Aehnliches  scheint  nach  den  neueren  Beobachtungen  in  den 
Nordalpen  in  der  Nähe  der  böhmischen  Masse  einzutreten.  Aber 
die  Falten  der  Finsteraarhornmasse,  welche  sich  in  derselben  Fels- 
wand mehrfach  übereinander  wiederholen  und  in  welchen  der  Jura- 
kalk  nach  oben  und  nach  unten  von  Trias  umgeben  ist,  die  Falten- 
sättel des  Pilatus  oder  Säntis,  alle  die  in  sich  selbst  zusammen- 
geknitterten Gebirgstheile  gestatten .  eine  solche  Erklärung  nicht. 
Der  Verlauf  der  langen  Jurawellen,  die  Bewegung  und  Stauung 
der  Alpenkette  in  ihrer  Gesammtheit,  die  Structur  der  Karpathen 
mit  ihren  langen,  durch  die  Bauten  auf  Erdöl  erschlossenen  Sätteln 
zeigen  ein  unverkennbares  Uebergewicht  der  tangentialen  Rich- 
tung, wenn  auch  in  den  letzten  Jahren  in  dem  nördlichen  Theile 
der  Ostalpen  eine  grosse  Anzahl  von  Senkungen  nachgewiesen 
worden  ist,  und  wenn  auch  ganz  insbesondere  die  Südgrenze  der 
Flyschzone  in  diesem  Theile  der  Alpen  mehr  und  mehr  sich  als  eine 
ausserordentlich  grosse  und  langgestreckte  überschobene  Dislo- 
cation  herausstellt. 

Es  besteht  aber  vor  Allem  ein  durchgreifender  Unterschied 
zwischen  dem  nördlichen  und  dem  südlichen  Theile  der  Ostalpen 
darin,  dass  im  Norden  alle  tangentiale  Bewegung  gegen  aussen, 
etwa  gegen  die  böhmische  Masse  gerichtet  ist,  während  in  dem 
ganzen  betrachteten  Theile  der  Südalpen  diese  Bewegung  gegen 
innen,  gegen  die  concave  Seite  der  Curve,  d.  i.  gegen  die  Tiefe 
der  adriatischen  Senkung  gerichtet  ist.  Das  ist  das  Bestreben  die 


Vordere  Kante  des  Apennin.  353 

Senkung  ZU  überschieben,  welches  wir  (S.  187)  auch  an  ausser- 
alpinen  Gebirgen  wahrgenommen  haben  (S.  182). 

Dieses  Senkungsfeld  entspricht  seiner  Lage  nach  einer  wei- 
teren Umgrenzung  des  adriatischen  Meeres,  und  es  mag  daher 
recht  wohl  gesagt  werden,  dass  der  Rand  der  adriatischen  Sen- 
kung bis  nach  Meran  in  die  Alpen  greife.  Zugleich  zeigt  aber  ein 
Blick  auf  Taf.  HI,  dass  eine  ganz  sonderbare  Uebereinstimmung  in 
den  Umrissen  des  adriatischen  Meeres,  dieses  Senkungsfeldes  und 
des  fränkisch-schwäbischen  Senkungsfeldes  jenseits  der  Alpen  be- 
steht. Zwischen  den  letzteren  aber  liegt,  einem  versteiften  Balken 
ähnlich,  die  zusammengefaltete  Masse  der  Alpen. 

In  den  Südalpen  trifft  man  weiter  gegen  West,  etwa  an  der 
grossen  Flexur  der  Maniva  beginnend,  ein  zweites,  das  lombar- 
dische Senkungsgebiet,  in  dessen  östlichem  Theile,  am  Comersee, 
auch  eine  südwärts  überschobene  Flexur  bekannt  ist.  Im  Innern 
der  Alpen  bezeichnet  der  ganz  eigenartige  vulcanische  Stock  des 
Adamello  beiläufig  die  Scheide  beider  Gebiete. 

So  stehen  also  dem  Apennin  zwei  Senkungsfelder  gegenüber, 
nämlich  das  lombardische  und  das  adriatische.  Bei  Ancona,  am 
Monte  Gargano  und  in  Apulien  ragen  Reste  des  gesunkenen  Adria- 
landes  hervor.  Wenn  die  früher  gestellte  Frage,  wo  denn  eigent- 
lich der  von  Verona  gegen  Südost  nach  Este  ziehende  Rand  der 
Alpen  seine  Fortsetzung  finde,  eine  tiefere  Berechtigung  besässe, 
wenn  man  überhaupt  berechtigt  wäre,  einen  solchen  einheitlichen 
Rand  vorauszusetzen,  müsste  man  sagen,  dass  diese  Fortsetzung 
von  Este  in  derselben  Richtung  gegen  Südost  an  der  Westseite 
des  Monte  Conero  bei  Ancona  und  weiter  an  der  Westseite  des 
Monte  Gargano  zu  suchen  sei. 

Der  Apennin,  welcher  weitaus  selbständiger  auftritt  als  die 
bisher  aufgezählten  Zweige  des  Alpensystems,  wiederholt  nun  jenen 
Vorgang,  von  welchem  der  Aussenrand  der  Alpen  Zeugnlss  gibt. 
Unerachtet  der  Mannigfaltigkeit  des  Vorlandes  tritt  er  in  ununter- 
brochener, stetiger  Curve  gegen  die  lombardische,  wie  gegen  die 
adriatische  Senkung  vor  und  ganz  wie  der  äussere  Saum  der  Alpen 
erscheint  uns  auch  dieser  Saum  wieder  als  die  vordere  Kante 
einer  höher  liegenden  Schuppe  des  Erdkörpers,  welche 
hinübertritt  über  tiefer  liegendes  Vorland. 


254  Virgation. 

Wir  Übersteigen  den  Apennin  und  befinden  uns  an  seiner 
Westseite  wieder  im  Gebiete  der  Einstürze;  Vulcane  begleiten  sie, 
wie  in  den  Karpathen;  wie  bei  Eperies  nur  die  Flyschzone  zurück- 
geblieben war,  so  ist  es  bei  Florenz  wieder;  dieselbe  Zertrümme- 
rung des  inneren  Randes  wiederholt  sich. 

So  zeigt  sich  also  in  dem  allgemeinen  Vortreten  der  stetigen 
Curven  dieser  Schuppenränder  über  mannigfach  gesenktes  und 
gebrochenes  Vorland  das  Wesen  des  ruthenförmigen  Auseinander- 
tretens  der  einzelnen  Aeste  der  Alpen,  der  Virgation  des  Ge- 
birges. Diese  Anordnung  bringt  es  aber  mit  sich,  dass  eine  Region, 
welche  Rückland  ist  für  einen  Ast,  das  Vorland  bildet  für  den 
nächstfolgenden. 

Die  Faltenkette  ist  stets  scharf  abgegrenzt  gegen  das  Vorland, 
aber  ihre  Beziehungen  zu  dem  Rücklande  sind  in  den  Alpen  sehr 
schwer  zu  erkennen.  Zwischen  dem  mittelungarischen  und  dem 
dinarischen  Zuge  scheint  wirklich  ein  fremder  alter  Kern  vorhanden 
zu  sein.  Im  Apennin  tritt  dagegen  eine  Reihe  von  Beziehungen 
zum  Rücklande  recht  deutlich  hervor,  wie  Lotti  kürzlich  gezeigt 
hat.^^  Auf  Elba  liegt  nämlich  unter  den  Silurschichten  alter  Ser- 
pentin, welcher  auf  Giglio  und  Argentario  und  im  nordöstlichen 
Corsica  sich  fortsetzt  und  wahrscheinlich  den  grossen  alten  Ser- 
pentinmassen der  westlichen  Südalpen  entspricht.  Es  folgen  Ab- 
lagerungen von  wahrscheinlich  permischem  Alter,  aber  nun  fehlt 
dem  ganzen  Inselgebiete  die  Trias,  sowie  sie  dem  grössten  Theile 
der  Catena  metallifera  auf  der  Halbinsel  fehlt,  und  da  wie  dort,  in 
der  Catena  metallifera,  in  Elba  und  auf  Gorsica  liegt  die  rhätische 
Stufe  transgredirend  sogar  auf  vorsilurischen  Gesteinen.  Eine 
weitere  Transgression  tritt  auf  Elba  für  einen  Theil  des  oberen 
Lias  ein;  über  diesem  folgt  eine  neue  grosse  Lücke  für  das  ganze 
Gebiet  und  die  eocänen  Schichten  transgrediren  wie  in  der  Halb- 
insel auch  auf  Elba  und  Corsica  über  weit  ältere  Gesteine. 

Man  sieht  also  das  Rückland  durch  Lücken  und  Transgres- 
sionen  ausgezeichnet,  und  der  Umstand,  dass  diese  selben  Unter- 
brechungen der  normalen  Schichtfolge  bis  in  die  inneren  Ketten 
des  Faltengebirges,  namentlich  in  die  Catena  metallifera  zu  ver- 
folgen sind,  zeigt  den  einstigen  Zusammenhang  an. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  III:  Die  adriatisclie  Senkung. 


»  J.  Trinker,  Bericht  über  die  im  Sommer  1846  vorjjcnommene  j;eoj»n.  mont.  Reise 
in  Sftdtirol,  in :  Bericht  über  die  IX.  Generalversammlung  des  Vereines  zur  jjeojjn.  monl. 
Durchforschung  von  Tirol  und  Vorarlberg,  8",  Innsbruck,   1847,  '^^  9»  '7- 

2  Es  eher  in  B.  Studer's  Geol.  der  Schweiz,   185 1,  I,  S.  294. 

3  Curioni  hat  hauptsächlich  den  südlichen  Theil,  und  zwar  die  Einbuchtung  des 
Tonalits  gegen  Blumone  und  den  hohen  Uebergang  in  das  Thal  des  Leno,  ferner  Lago 
di  Campo  beschrieben;  über  den  Forcellinapass  ist  Ragazzoni  gegangen;  G.  Curioni, 
Ricerche  geol.  sull'  Epoca  dell*  Emersione  delle  Rocce  sienit.  (Tonalite)  della  Catena  d. 
Monti  deir  Adamello;  Mem.  Ist.  Lomb.,  1873,  XII,  p.  341 — 36o.  Bemcrkenswerth  sind  die 
hier  beschriebenen  Keile  von  Schiefer,  Kalk  und  Granitfels  in  Tonalit. 

4  R.  Lepsius,  Das  westliche  Südtirol,  4",  Berlin,  1878,  insbes.  S.  67  —  77,  M^ — '52f 
189,   191 — 229,  334,  336  u.  A. ;  auch  Verhandl.  geol.  Reichsanst.,   1879,  S.  339—343. 

5G.  Stäche,  Die  Umrandung  des  Adamellostockes  und  die  Entwicklung  der 
Permformation  zwischen  Val  buona,  Giudicaria  und  Val  Camonica;  Verhandl.  geol.  Reichs- 
anst, 1879,  S.  3oo  -3l0;  Aus  den  Randgebieten  des  Adamello,  ebendiis.,  1880,  p.  252 — 255, 
u.  a.  and.  Orten. 

6  Lepsius,  Südtirol,  S.  76;  Doelter*s  Bemerkungen  hiegegen  in  den  Verhan<il. 
geol.  Reichsanst.,   1878,  S.  349— 351 ;  Lepsius,  ebendas.  1879,  S.  3i. 

7  Fig.  27  ist  dieselbe  Stelle,  welche  von  Lepsius,  Südtirol,  S.  73  und  222  abgebildet 
wurde;  Cima  Bruffione  bei  Lepsius  ist  Corno  Busecca;  die  Feststellung  der  tifel förmigen 
Gestalt  der  Por]ihyreinschaltungen  habe  ich  insbesondere  Dr.  C.  Diener  zu  danken,  welcher 
das  Gehänge  bis  zu  den  entscheidenden  Stellen  erklettert  hat. 

8  Diese  Stelle,  welche  sehr  klar  und  lehrreich  ist,  wurde  kürzlich  von  Bittner  aus- 
führlich beschrieben;  lieber  die  geol.  Aufnahmen  in  Judicarien  und  Val  Sabbia;  Jahrb.  der 
geol.  Reichsanst,   1881,  XXXI,  S.  219  u.  folg. 

9  G.  Stäche,   Verhandl.  der  geol.  Reichsanst,    1879,  S.  127,  250. 

>o  C.  W.  C.  Fuchs,  Die  Umgebung  von  Meran;  Neu.  Jahrb.,  1875,  S.  812—848, 
Taf.  XVI. 

"  F.  Teller,  Ueber  die  Aufnahmen  im  unteren  Vintschgau  und  im  Iffinger-Gebietc 
bei  Meran;  Verhandl.  der  geol.  Reichsanst.,  1878,  S.  392 — 396;  Aufnahmen  zwischen  Etsch 
und  Eisack,  cbendas.  1880,  S.  91 — 98;  Tektonik  der  Brixencr  Granitmasse  un<l  ihrer  nörd- 
lichen Umrandung,  ebeudiLs.  1881,  S.  69—74;  Aufnahme  im  llochpusterthale,  ebend;us.  1882, 
S.  342  — 346;  siehe  auch  P  ichler,  Beitr.  z.  Geogn.  von  Tirol,  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1871, 
S.  256  u.  folg. 

I-'  Teller,   Verhandl.  geol.  Reichsanst,   1882,  S.  345. 

'3  Hier  habe  ich  grosse  Blöcke  von  wachsgelbcm  Hornstein  angetroffen,  wie  sie  mir 
sonst  nirgends  in  ilcn  Alpen  begegnet  sind;  möglicher  Weise  stammen  sie  aus  dem  ('ontact 
von  Tonalit  und  Schiefer. 

M  E.  Mojsisovics  v.  Mojsvar,  Die  Dolomitrifl'e  von  Südtirol  un<l  Venctien,  8", 
1879,  S.  lüf),   515,  518  u.  A. 


356  Anmerkungen  zu  Th.  U,  Abschn.  III.   Die  adriatische  Senkung. 

»5  T.  Taramelli,  Geol.  delle  Prov.  Venete;  Mem.  Accad.  Lyncei,  1882,  XIII,  tav.  II. 

»6  L.  V.  Buch,  Ueber  die  geogn.  Beschaffenheit  der  Gegend  von  Pergine;  Der 
Gcsellsch.  naturf.  Freunde  zu  Berlin  neue  Schriften,  1801,  III,  S.  233;  auch  in  den  Geogn. 
Beöb.  auf  Reisen  1802  und  Gesamm.  Schriften,  hgg.  von  Ewald,  Roth  und  Eck,  1867,  I, 
S.  328;  auch  G.  V.  Rath,  Die  Lagoraikettc  und  das  Cima  d* Astagebirge ;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.,   i863,  XIII,  S.  121  — 128. 

»7  Diese  Stelle  ist  von  mir  beschrieben  worden  in:  Ueber  die  Aequivalcntc  des 
Rothlicgcnden  in  den  Südalpen,  Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,  I-VII,  1868,  S.  23o 
u.  folg.  Taf.  I;  auch  Entstehung  der  Alpen,  S.  86 — 89,  und  Mojsisovics,  Dolomitriffe, 
insbes.  S.  417. 

>*  Diese  westliche  Gegend  hat  W.  Gümbel  beschrieben  in:  Geogn.  Mittheil,  aus 
den  Alpen,  III;  Sitzungsber.  Akad.  München,   1876,  VI,  S.  61  u.  folg. 

>9  Toyokitsi  Harada,  Ein  Beitrag  zur  Geol.  des  Comclico  und  der  westlichen 
Camia;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.,   i883,  XXXIII,  S.  151—188,  Taf.  I,  II. 

20  T.  Taramelli,  Spiegazione  della  Carta  geol.  del  Friuli,  120,  Pavia,  1881,  p.  172, 
und:  Geol.  delle  Prov.  Venete  (Mem.  Accad.  Lyncei,  XIII,   1882),  p.  201,  tav.  II. 

a>  D.  Stur,  Das  Isonzothal  von  Flitsch  abwärts  bis  Görz  u.  s.  w.;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.,  IX,   1858,  S.  365,  366. 

22  M.  Vacek,  Die  Sette  Communi,  Verhandl.  geol.  Reichsanst,  1877,  S.  211  — 21 3 
und  3oi — 305;  Bittner,  Die  Tertiärbildungen  von  Bassano  und  Schio,  ebendas.  S.  207 — 210, 
und:  Das  Tertiär  von  Marostica,  ebendas.  1878,  S.  127 — i3o. 

23  M.  Vacek,  Die  Umgebungen  von  Roveredo;  ebendas.  1878,  S.  341 — 345;  Um- 
gebungen von  Trient,  ebendas.  1881,  S.  157  — 162;  Nonsberg,  ebendas.  1882,  S.  42 — 46; 
A.  Bittner,  Sedimentgebilde  in  Judicarien,  ebendas.  1880,  S.  233 — 238;  derselbe,  Jahrb. 
geol.  Reichsanst,   1881,  XXXI,  S.  359  u.  folg.  u.  a.  and.  Orten. 

24  Edm.  Fuchs,  l^tude  sur  les  gisements  mctallif^res  des  Vallöes  Trompia,  Sabbia 
et  Sassina,  Ann.  d.  Mines,  6«  s6r.,  XIU,  1868,  p.  420,  pl.  XVI,  Fig.  7;  ich  bin  nicht 
sicher,  ob  die  von  Edm.  Fuchs  und  später  von  mir  beschriebenen  Gänge  des  Val  Trompia 
den  judicarischen  Flexuren  oder  richtiger  den  sofort  zu  besprechenden  Nordsüdsprüngen 
zuzuzählen  .seien;  Ueber  das  Rothliegende  im  Val  Trompia,  Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss. 
Wien,  1869,  LIX,  S.  107  u.  folg.  Die  grosse  Verwicklung  des  Baues  dieser  Gegend  hat  neuer- 
dings Bittner  dargestellt  in  seinen  Nachträgen  zum  Berichte  über  die  geol.  Aufnahmen  in 
Judicarien  und  Val  Sabbia,  Jahrb.  geol.  Reichsanst,  i883,  XXXIII,  S.  438  u.  folg. 

25  In  ihrem  südlichen  Theile  wendet  sich  die  Baldolinie  allerdings  aus  dem  judi- 
carischen Streichen  gegen  West  und  Senkung  und  Ueberschiebung  erfolgen  gegen  Süd; 
Bittner,  Der  geol.  Bau  des  südlichen  Baldogebirges,  Verhandl.  geol.  Reichsanst.,  1879, 
S.  396—402,  und  Enr.  Nicolis,  Note  illustr.  alla  Carta  geol.  d.  Prov.  di  Verona,  8°, 
Verona,   1882,  p.  118—122. 

26  So  wenigstens  würde  sich  aus  Goiran's  Ortsbezeichnungen  ergeben;  dessen 
Meteorologia'endogena,   12°,  Verona,   1879,  p.  22  u.  folg. 

27  Zunächst  muss  erinnert  werden,  dass  östlich  und  südöstlich  von  Trient,  in  der 
Richtung  gegen  Pergine  und  den  Lago  di  Caldonazzo,  die  Enden  der  grossen  Astasprünge 
liegen.  Thonglimmerschiefer  wird  bis  hiehcr  zwischen  den  Sprüngen  sichtbar  und  die 
Endigung  der  Sprünge  scheint  mit  einem  localen  Auskeilcn  der  Porphyrdecken  zusammen- 
zufallen (Fig.  29).  Nun  vollzieht  sich  nach  Vacek  die  Umbeugung  der  ersten  Flexur  quer 
über  den  Etschfluss  in  solcher  Weise,  dass  dieselbe,  aus  Südwest,  vom  Orto  d'Abramo  her- 
ziehend, gerade  nördlich  von  Trient  die  östliche  Richtung  erreicht,  also  nördlich  von  dem 
Ende  <ier  Aslasprünge,  und  dass  diese  Flexur  hiebei  windschief  wird.  Während  nämlich 
im  Orto  d'Abramo  bei  judicarischem  Streichen  auch  in  judicarischcm  Sinne  der  Ostflügcl 
gesenkt  und  der  Westflügel  über  denselben  getreten  ist,  zeigt  das  nördlich  von  Trient 
liegende  und  gegen  Ost  streichende  Stück  den.  nördlichen  Flügel  gesenkt,  und  der  süd- 
liche ist  über  diesen  geschoben.  Pline  zweite  Flexur  streicht  in  gleicher  Richtung  wie 
jene   des   Oito   d'Abramo,   vom   Monte   Bastornata   nördlich   von    Rovcrcto    zur   Etsch    und 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  III.   Die  adriatischc  Senkung.  357 

übersetzt  das  Thal  mit  ähnlicher  Krümmung  bei  Calliano,  also  südlich  von  den  Asta- 
sprüngen,  und  diese  wird  nicht  windschief,  sondern  es  bleibt  derselbe,  also  im  M.  Bastor- 
nata  der  östliche,  jenseits  Calliano  der  südliche  Flügel  gesenkt.  Gegenüber  von  der  nörd- 
lichen Flexur  (Orto  d'Abramo— S.  Agatha  nördl.  von  Trient)  befindet  sich  am  M.  Kalis 
zwischen  S.  Agatha  und  dem  Porphyr  eine  in  SSW.  übcrbogene  Flexur,  als  würde  zwischen 
dem  Ende  der  Astabrüche  und  der  Porphyrmasse  von  Lavis  ein  kleinerer  Graben  durch- 
ziehen; Vacek,  Verhandl.  geol.  Reichsanst,   i88i,  S.  i6i. 

28  Vacek  bei  Bittner,  V.  Sabbia,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.,   1881,  XXXI,  S.  365. 

29  Bittner,  Das  Alpcngebict  zwischen  Vicenza  und  Verona,  V<irhandl.  geol. 
Reichsanst,  1877,  S.  226  — 23 1. 

30  Ders.,  Vorlage  der  Karte  der  Tredici  Communi,  ebendas.  1878,  S.  59  —  63. 

31  Dieser  grosse  Bruch  wurde  von  Schauroth  im  Jahre  1855  als  solcher  erkannt; 
in  seinem  nördlichsten  Theile  hat  Bittner  Aufschleppung  des  westlichen  Flügels  angetroffen, 
während  von  Schio  gegen  Süd  der  östliche,  gesunkene  Flügel  aufgeschleppt  ist;  Verhandl. 
geol.  Reichsanst.,  1879,  S.  77.  Es  ist  ganz  dieselbe  Erscheinung,  welche  S.  172  an  den 
Sprüngen  des  Coloradoplatcaus  erwähnt  wurde. 

32  Edm.  Mojsisovics  V.  Mojsvdr,  Die  Dolomitriffe  von  Südtirol  und  Venetien,  8", 
Wien,  1879  u.  Karte;  die  Uebersicht  der  Störungen  auf  S.  515  u.  folg.;  für  die  Linie  von 
Truden  S.  i35,  Linie  von  Tiers  S.  i3i,  181,  Linie  unter  dem  Langkofel  S.  193,  Villnösslinic 
S.  123,  206,  220,  255,  265  u.  a.  and.  Orten. 

33  F.  Teller  und  C.  v.  John,  Geol.  petrogr.  Beitr.  zur  Kenntniss  der  dioritischen 
Gesteine  von  Klausen  in  Südtirol,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.,  1882,  XXXII,  S.  589—684, 
2  Taf.,  insb.  S.  636  u.  672. 

34  Teller  hält  diesen  Bruch  zugleich  für  den  Eruptivcanal  der  Laccolithen ;  das  steile 
Einfallen  desselben  ist  ersichtlich  bei  F.  PoSepny,  Die  Erzlagerstätten  am  Pfundererberg, 
Archiv  f.  prakt.  Geol.,  I,   1880,  Taf.  X,  Fig.  2,  3. 

35  Toyokitsi  Harada,  Ein  Beitr.  z.  Geol.  des  Comelico  u.  der  westlichen  Car- 
nia,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.,  i883,  XXXIII,  S.  151  — 188,  2  Taf.,  insb.  S.  153  u.  186. 
Die  Uebcrkippung  der  Tagliamentoflexur  vor  dem  Bruche  der  Scholle  Ugoi-Lavinamondo 
(S.  178)  erinnert  ausserordentlich  an  das  Verhalten  der  Flexur  von  S.  Orso  gegen  den  Bruch 
von  Schio. 

36  Man  trifft  alle  wesentlichen  Züge  dieser  Auffassung,  sq  die  Betonung  der  ,auf- 
fallenden  Localisirung  der  Nordwerwerfungen*  und  Andere  schon  in  der  ersten  Gesammt- 
darstellung  dieses  Bruchnet/.es  durch  Edm.  v.  Mojsisovics,  Dolomitriffe,  S.  515  u.  folg. 

37  H.  Loretz,  Das  Tirol -Venetianische  Grenzgebiet  der  Gegend  von  Ampezzo, 
Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.,    1874,  XXVI,  Taf.  VIII,  Fig.  1—5;  Taf.  IX,  Fig.  6. 

38  L.  V.  Buch,  Ueber  die  karnischen  Alpen;  ein  Schreiben  an  d.  Geheimrath 
V.  Leonhard,  Mineral.  Taschcnb.  f.  1824,  S.  396  —  437,  Taf.  IV;  auch  L.  v.  Buch 's 
Gesamm.  Schriften,  herausg.  v.  Ewald,  Roth  u.  Dames,  III,  1877,  i'^sb.  S.  177  u.  folg., 
Taf.   V. 

39  Edm.  V.  Mojsisovics  hat  denselben  beschrieben;  Verhandl.  geol.  Reichsanst., 
1872,  S.  351 — 353;  die  Brüche  bei  Bleiberg  habe  ich  ausführlich  besprochen  in:  Aequiv.  des 
Rothliegendcn,  I,  Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss.  Wien,   1868,  LVII,  S.  252  u.  folg.,  Taf.  I. 

40  II.  ICmmrich,  Notiz  üb.  d.  Alpenkalk  der  Lienzer  Gegend,  Jahrb.  geol.  Rcich.s- 
anst.,  1855.  VI,  S.  444—453;  D.  Stur,  Geol.  Verhältnisse  der  Thäler  der  Drau,  Isel, 
Müll  und  (lail,  ebend;Ls.  1856,  VII,  S.  414—424  u.  Prof.  Es  hat  Mojsisovics  einige 
Brüche  im  Süden  erkannt,  welche  ich  für  <len  Bau  der  ganzen  Scholle  nicht  für  so  mass- 
geben«!    hielt,    um    sie    hier    hervorheben    zu    sollen;     Verhandl.    geol.    Reichsanst,     1873, 

s.  235—237. 

4^  Dies  dürfte  übereinstimmen  mit  dem  von  Stur  angeführten  Auftreten  von  Alpen- 
kalk bei  Bannberg. 

42  F.  Teller,  Neue  Vorkommnisse  diploporenführendcr  Dolomite,  Verhandl.  geol. 
Reichsanst.,   i8«3,  S.  H)3— 200. 


358  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  III.   Die  adriatische  Senkung. 

43  An  wenigen  Orten  tritt  die  Bedeutung  der  grossen  Bruchlinien  für  den  Bau  der 
Alpen  so  eindringlich  zu  Tage  wie  in  dem  westlichen  Theil  der  Sachsenburger  Scholle, 
etwa  auf  einer  Wanderung  von  Lind  im  Drauthale  gegen  Süd  nach  S.  Lorenzen  am  Gitsch- 
bruche.  In  Fellbach  oberhalb  Lind  beginnt  der  Anstieg.  Wir  gehen  über  südlich  geneigten 
Thonglimmcrschiefer,  welcher  gegen  oben  grüne  Lagen  aufnimmt.  Es  folgt  gegen  Süd 
geneigt  der  Grödener  Sandstein  und  in  schönem  Aufschlüsse,  beinahe  senkrecht  gestellt, 
die  untere  Trias,  dabei  Lagen  mit  Spir.  fragilis,  Retzia  trigonella  u.  A.  Auf  der  Hohe 
des  Rückens  liegt  Marmor,  blaugrau  und  geschichtet,  50—  60«  S.  ein  wenig  in  W.  ge- 
neigt. Wir  steigen  über  zahlreiche  Schichtenköpfe  hinab  zum  Weissensee,  denn  der  Trias- 
kalk ist  steiler  gegen  Süd  geneigt  als  der  Abhang.  Der  See  liegt  beiläufig  im  Streichen; 
wir  kreuzen  ihn  an  seiner  engsten  Stelle;  erst  steigen  wir  jenseits  über  weissen  Dolomit, 
dann  folgt  schwarzer  Schiefer  mit  Resten  von  Fischen  und  Krebsen,  wohl  der  Fischschiefer 
von  Raibl,  hier  mit  Homsteinlagen ;  er  ist  nur  3o — 40"  S.  etwas  in  W.  geneigt.  Der  zweite 
Rücken  ist  erstiegen  und  gewährt  uns  einen  herrlichen  Blick  über  die  südlichen  Gipfel; 
noch  immer  hält  dieselbe  Fallrichtung  an;  unter  der  Lorenzer  Hütte  folgt  brauner  Schiefer 
mit  zahlreichen  Schalen  von  Cardita.  Die  Neigung  ist  45°  Süd.  Dem  Schiefer  folgt  Dolo- 
mit, in  grösseren  Wänden  entblösst.  Absteigend  erreichen  wir  geschichteten  Kalk;  es  ist 
der  Plattenkalk.  Dieser  stellt  sich  steiler,  endlich  senkrecht  und  vollzieht  einige  S-formige 
Beugungen;  ein  kurzer  Abhang  folgt  gegen  S.  Lorenzen;  der  Plattenkalk  biegt  auf  dieser 
kurzen  Strecke  facherfcirmig  bis  zu  3o<»  Nordfallen  um.  Die  Sohle  des  Gitschthalcs  ist  er- 
reicht. Der  grüne  jenseitige  Abhang  ist  Phyllit.  Jede  Fortsetzung  der  mächtigen  in  Süd 
geneigten  Serie,  durch  welche  wir  seit  dem  Köhlerhause  ob  Fellbach  gegangen  waren,  ist 
verschwunden.  Der  Weg  betrug  in  der  Luftlinie  9  Kilom.,  die  Mächtigkeit  zum  Mindesten 
3 — 4  Kilom.    Alles  ist  abgesunken  an  dem  Gitschbruche. 

44  Zuletzt  dargestellt  von  G.  Stäche,  Aus  dem  Westabschnitt  der  karnischen  Haupt- 
kette. —  Die  Silurformation  des  Wolayergebirges  und  des  Paralba-Silvellarückens;  Verhandl. 
geol.  Reichsanst.,   i883,  S.  210—216. 

45  D.  Stur,  Das  Isonzothal  von  Flitsch  abwärts  bis  Görz  u.  s.  w.,  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.,  1858,  IX,  S.  324—367  u.  Taf.  Auf  S.  366  befindet  sich  eine  sehr  treffende 
Darstellung  der  passiven  Ueberschiebung  der  grossen  tafelförmigen  Kalkgebirge  über  die 
cocünen  Mergel  und  Sandsteine  des  gerenkten  Flügels;  für  den  ob.  Isonzo  auch  F.  v.  Hauer, 
Sitzungsber.  k.  Akad.  Wiss.  1857,  XXV,  S.  328  u.  folg. 

46  G.  Stäche,  Die  Eocängebiete  in  Innerkrain  und  Istrien,  ebendas.  1859,  X,  S.  272 
—332,  Taf.  VIII;  1864,  XIV,  S.  11  — Il6,  Taf.  I  und   1867.  XVII,  S.  243—290,  Taf.  VL 

47  F.  V.  Hauer,  Erläuterungen  zur  geol.  Uebersichtskarte  der  österr.  Monarchie, 
ebendas.  1868,  XVIII,  S.  431—454  u.  a.  and.  Orten;  G.  Stäche,  Geol.  Uebersichtskarte  der 
Küstenländer  von  Oesterreich-Ungarn,   1878,  Fol. 

48  Edm.  V.  Mojsisovics,  E.  Tietze  und  A.  Bittner,  Grundlinien  der  Geol.  von 
Bosnien-Herzegowina,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.,  1880,  XXX,  S.  17,  21;  vgl.  P'ntstehung 
der  Alpen,  S.  92. 

49  Bittner,  ebendas.  S.  265,  269. 

50  E.  Tietze,  Geol.  Uebersicht  von  Montenegro,  ebendas.  i883,  XXXIV,  S.  92. 

5»  M.  V.  Lipoid,  Erläut.  zur  geol.  Karte  der  Umgebung  von  Idria,  ebendas.  1874, 
XXIV,  S.  425—456,  Taf.  IX,  X;  auch  Stur,  Verhandl.  geol.  Reichsanst.,  1872,  S.  234—240. 

52  G.  Stäche,  Geol.  Notizen  über  die  Insel  Pelagosa,  Verhandl.  geol.  Reichsanst., 
1876,  S.  123 — 127;  vgl.  auch  Stur,  ebendas.  1874,  S.  391;  über  das  Adrialand  auch 
Mojsisovics,  DolomitrifTe,  S.  53l;  Marchpsetti,  Descrizione  dell*  isohi  di  Pelagosa, 
BoU.  Soc.  Scienze  Nat.  Trieste,  1876,  II,  S.  283— 3o6;  R.  F.  Burton,  A  Visit  to  Lissa 
and   Pelagosa,  Journ.  geogr.  Soc,   1879,  XLIX,  p.  184  u.  folg. 

53  L.  Bucca,  Appunti  geol.  sui  Monti  del  Gargano,  Boll.  com.  geol.,  1881,  XII, 
p.  556  u.  563. 

54  C.  de  Giorgi,  Note  stratigr.  e  geol.  da  Fasano  ad  Otranto,  ebendas.  1881,  XII, 
p.  187—203,  tav.  IV. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  III.    Die  adriatische  Senkung.  359 

55  Ders.,  ebendas.  1879,  X,  p.  622. 

56  M.  Neumayr,  Ueber  den  geol.  Bau  der  Insel  Kos,  Denkschr.  Akad.  Wien,  1879, 
XL,  S.  263  Note;  Kobelt,  Jahrb.  deutsch,  malakoz.  Ges.,   1879,  S.  144. 

57  Stäche.  Verhandl.  geol.  Reichsanst.,  1872,  S.  221;  C.  Marchesetli,  Cenni 
gcol.  sull*  isola  di  Sansego;  Bollet.  soc.  adriat  Trieste,   1882,  VII,  p.  289-  304. 

58  M.  Neumayr,  Verhandl.  geol.  Reichsanst.,  1882,  S.  161 ;  J.  Woldrich,  Beitr. 
z.  Fauna  der  Breccien  u.  s.  w.,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.,   1882,  XXXII,  S.  454  u.  folg. 

59  Marchesetti,  a.  ang.  Orte,  p.  3oo. 

60  Bittner,  Beitr.  zur  Kenntniss  des  Erdbebens  von  Belluno  vom  29.  Juni  1873, 
Sitzungsber.  Akad.  Wien,  1874,  l.XIX,  2.  Abth.,  S.  541 ;  R.  Hornes,  Erdbebenstudien, 
Jahrb.  geol.  Reichsanst.,  1878,  XXVIII,  S.  387 — 44^»  '^♦'^f-  ^I»  für  die  Erschütterungen 
der  .Südalpen  in  Zusammenhang  mit  den  Dislocationslinicn  in.sbes.  H.  Hoefer,  Die  Erdbeben 
Kärntens  und  deren  Stosslinien,  Denkschr.  Akad.  Wien,  1880,  XLII,  90  S.,  3  Taf.  (S.  87 
Einscnkung  der  Adria)  und  R.  Canaval,  Das  Erdbeben  von  Gmünd  am  5.  November  1881, 
Sitzungsber.  Akad.  Wien,  1882,  LXXXVI,  S.  353-409,  2  Taf.;  Tietze,  Geol.  Uebersicht 
von  Montenegro,  S.  65  und  93. 

6»  Hörn  es,  Erdbebenstud.,  S.  433  u.  a.  and.  Orten.  Hauptsächlich  auf  Grund  der 
Arbeit  von  D.  Stur,  Das  Erdbeben  von  Klana  im  Jahre  1870,  Jahrb.  geol.  Reichsan.st. 
1871,  XXI,  S.  231  —  264,  Taf.  IX,  X. 

62  Ch.  Lory,  Essai  sur  l'Orographie  des  Alpes  occid.,  8",  Grenoblc,  1878;  Coup 
dVeil  sur  la  Structure  des  Massifs  primitifs  du  Dauphine;  aus  d.  Bull,  de  la  section  de  l'Is^re 
du  Club  alpin  fran^.,  II,    1878  u.  a.  and.  Orten. 

^J  B.  Lolti,  Osscrv.  geol.  sulle  isole  dell'  Archipel,  toscano,  Boll.  com.  geol.,  1884, 
XV,  p.  56-61. 


Sucss,   l):is  Antlitz   ilcr   Krtli*.  24 


VIERTER  ABSCHNITT. 


Das  Mittelmeer. 


Fünf  historische   Phasen    von   ungleichem  Werthc.    —    Beziehungeri   zu    Amerika.    —    Der 

atlantische   Ocean,    —    Guadahiuivir,    Gironde,    Rhone.    —    Erste   Mediterranstufe.    —    Der 

Schlier.    —    Zweite   Mediterranstufe.    —    Das   sarmatische   Binnenmeer.    —    Die   pontischen 

See*n.  —  Neuere  Zeit.  —  Nordische  Gäste.  —  Die  letzten  Einbräche.  —  Uebersicht. 


L/ie  silurischen  Ablagerungen  des  mittleren  und  südlichen 
Europa  unterscheiden  sich  in  ihrer  Gesammtheit  auf  eine  nicht 
unwesentliche  Weise  von  den  gleichaltrigen  Ablagerungen  des 
Nordens.  Es  ist  für  einen  beträchtlichen  Theil  der  jurassischen 
Zeit  das  Dasein  einer  , mediterranen  Provinz',  welche  auch  die 
Alpen  und  die  Karpathen  umfasst,  im  Gegensatze  zu  einer  nord- 
europäischen Provinz,  als  erwiesen  anzunehmen.  In  noch  jüngeren 
Ablagerungen  tritt  deutlich  der  Einfluss  des  wärmeren  Klima's  in 
dieser  mediterranen,  aber  stets  die  Alpen  mit  umfassenden  Region 
hervor,  so  z.  B.  in  der  reichen  Korallenfauna  der  Turonstufe  in 
Südfrankreich  und  in  den  Gosaubildungen  der  östlichen  Alpen. 
Nicht  weniger  auffallend  ist  der  grosse  Formenreichthum  und  die 
Pracht  der  alttertiären  Faunen  in  den  vicentinischen  Voralpen. 
Gegen  die  Mitte  der  Tertiärformation,  zur  oligocänen  Zeit,  bedeckt 
in  weiter  Transgression  das  Meer  einen  grossen  Theil  Europa's, 
so  gross,  dass  diese  oligocäne  Transgression  nur  von  jener  der  ce- 
nomanen  Stufe  übertrofifen  wird ;  aber  auch  während  dieser  grossen 
Erweiterung  des  Meeres  zeigt  sich  eine  überreiche  Korallenfauna 
zu  Crosara  und  bei  Castel  Gomberto,  die  in  einzelnen  Buchten 
der  Alpen,  namentlich  in  Krain,  ja  noch  in  der  nördlichen  Flysch- 
zone  am  Waschberge  bei  Wien  vertreten  ist,  während  die  gleich- 


Eintheilung  der  Tertiärformation.  3  6  I 

zeitigen  Ablagerungen  von  Gaas  und  Lesbarritz,  der  Sand  von 
Fontainebleau  und  von  Weinheim  nur  eine  kärgliche  Vertretung 
dieser  Gruppe  und  nur  wenige  von  den  reichverzierten  Conchylien 
der  vicentinischen  Vorberge  enthalten  und  gegen  Nordost  in  den 
schlammigen  Ablagerungen  derselben  Zeit  der  Charakter  der  süd- 
lichen Aequivalente  mehr  und  mehr  verloren  geht. 

Erst  nach  dieser  grossen  Transgression  aber  erscheint  eine 
Fauna,  welche  eine  bemerkenswerthe  Anzahl  heute  noch  im  Mittel- 
meere lebender  Arten  umschliesst  und  welche  überhaupt  so  nahe 
Beziehungen  zu  der  heutigen  Bevölkerung  des  Mittelmeeres  zeigt, 
dass  sie  seit  einiger  Zeit  von  einer  Gruppe  von  Geologen  als  die 
, erste  Mediterranstufe'  bezeichnet  werden  konnte.  Diese  Stufe 
soll  den  Ausgangspunkt  der  nachfolgenden  Betrachtungen  über 
die  Geschichte  des  Mittelmeeres  bilden. 

Es  sind  verschiedene  Grundsätze  mit  verschiedenem  Erfolge 
zur  Plintheilung  der  tertiären  Ablagerungen  angewendet  worden. 
Seit  Lyell  und  Deshayes  nach  der  Procentzahl  der  überlebenden 
Arten  die  grossen  Gruppen  von  Eocän,  Miocän  und  Pliocän  unter- 
schieden und  dadurch  eine  erste,  wenn  auch  künstliche,  doch 
höchst  fruchtbringende  Trennung  durchführten,  haben  die  Erfah- 
rungen sich  wesentlich  erweitert.  Lyell  selbst  anerkannte  die  Noth- 
wcndigkeit  der  Vermehrung  dieser  Gruppen.  Das  wichtigste  der 
neu  hinzugetretenen  Glieder,  Beyrich's  Oligocängruppe,  stützt  sich 
aber  nicht  so  sehr  auf  die  Verhältnisszahl  der  lebenden  Formen, 
als  auf  ein  Kennzeichen  vollkommen  verschiedener  Art,  nämlich 
auf  die  transgredirende  Lagerung.  Auf  paläontologischen  Grün- 
den beruhte  dagegen  der  von  M.  Hoernes  ausgegangene  Vor- 
schlag, die  mittleren  und  einen  guten  Theil  der  jüngeren  Glieder 
wieder  unter  dem  gemeinsamen  Namen  der  Neogengruppe  zu  ver- 
einigen. Es  wird  hier  die  sarmatische  Schichtenreihe  zu  erwähnen 
sein,  welche  ausserordentlich  wenige,  ja  vielleicht  mit  Ausnahme 
gewisser  Rhizopoden  gar  keine  noch  lebenden  Arten  enthält,  und 
dennoch  ohne  allen  Zweifel  jünger  ist  als  die  Ablagerungen  von 
Baden  oder  als  der  Leithakalk,  w^elche  eine  hohe  Procentzahl  über- 
lebender Arten  umfassen.  Endlich  haben  die  Localforschungen  zu 
einem  Heere  von  örtlichen  Bezeichnungen  geführt,  durch  welche 

die  Analyse  der  Sachlage  wesentlich  erleichtert,  die  Uebersicht 

24* 


7  02  Un{»leicher  Wcrth  der  Gruppen. 

der  Vorgänge  jedoch  erschwert  worden  ist,  und  indem  von  K.  Mayer 
und  Anderen  einer  grösseren  Anzahl  dieser  örtlichen  Glieder  der 
Rang  selbständiger  Abtheilungen  der  Tertiärformation  zuge- 
wiesen wurde,  ist,  fürchte  ich,  das  Lineal,  welches  die  Rubriken 
zieht,  zu  einem  gefahrlichen  Werkzeuge  der  Synthese  geworden. 

Allerdings  sind  es  die  organischen  Reste,  welche  uns  eines 
der  ersten  und  wichtigsten  Hilfsmittel  zur  Aufhellung  der  Vorzeit 
liefern.  Aber  das  Ziel  der  Forschung  muss  die  Erkenntniss  jener 
grossen  physischen  Veränderungen  bleiben,  welchen  gegenüber 
die  Veränderungen  der  organischen  Welt  nur  als  Erscheinungen 
zweiter  Ordnung,  als  Folgewirkungen  sich  darstellen. 

Von  diesem  Standpunkte  ausgehend,  suchen  wir,  um  eine 
Uebersicht  über  die  Vergangenheit  des  hier  in  Frage  stehenden 
Theiles  von  Europa  zu  erlangen,  vor  Allem  jene  Phasen  auf,  in 
welchen  der  marine  Charakter  der  Ablagerungen  am  reinsten  zum 
Ausdrucke  gelangt.  Dies  sind  die  Phasen  der  normalen  Zusammen- 
setzung des  Seewassers,  folglich  der  ungestörtesten  Verbindung 
der  vom  Lande  umschlossenen  Wässer  mit  einem  Weltmeere, 
und  zwar,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  mit  dem  atlantischen  Ocean. 
Die  Lage  des  Mittelmeeres  lehrt  ferner,  dass,  soferne  Umstände 
herrschen,  welche  nur  einigermassen  den  heutigen  gleichen,  die 
Aufhebung  einer  bestehenden  Meeresverbindung  über  eine  um  so 
viel  grössere  Fläche  ihre  Wirkung  äussern  mag,  je  näher  am  atlan- 
tischen Ocean,  d.  i.  je  mehr  in  West  sie  erfolgt,  dass  daher  im 
Osten  eine  häufigere  Unterbrechung  der  normalen  Meeresbildungen 
und  eine  grössere  Mannigfaltigkeit  der  Folgen  der  Isolirung  ver- 
muthet  werden  darf  als  im  Westen.  Es  zeigen  daher  schon  diese 
ersten  Betrachtungen,  dass  bei  der  endlosen  Mannigfaltigkeit  der 
Ereignisse  von  einer  Gleichwerthigkeit  der  hier  unterschiedenen 
Phasen  in  der  Geschichte  des  Mittelmeeres  eben  so  wenig  die  Rede 
sein  kann,  als  von  der  Gleichwerthigkeit  einer  Serie  von  Ereig- 
nissen in  der  Historie  des  Menschengeschlechtes.  Aber  so  wie  auf 
die  Schicksale  eines  Volkes  neben  örtlichen  auch  allgemeine  Vor- 
gänge von  Einfluss  sind,  so  ist  es  auch  hier.  Das  im  vorhergehen- 
den Abschnitte  besprochene  Nachsinken  der  nördlichen  Adria 
bleibt  ein  locales  Ereigniss,  während  das  Erscheinen  von  nordi- 
schen Conchylien   im  Mittelmeere   die  Folge   eines    allgemeinen 


Die  fünf  Mediterranstufen.  363 

Vorganges    ist,    dessen    Ursachen    ausserhalb    des  Mittelmeeres 
liegen. 

Vorläufig  haben  wir  uns  aber  nur  mit  der  Ordnung  der  that- 
sächlichen  Erfahrungen  zu  beschäftigen,  und  wir  unterscheiden  zu 
diesem  Zwecke  seit  dem  Abschlüsse  der  oligocänen  Zeit  mehrere 
Phasen  des  normalen  Zustandes  des  Mittelmeeres,  welche  als  die 
erste,  zweite,  dritte  und  vierte  Mediterranstufe  bezeichnet  werden 
sollen,  und  welchen  sich  die  Gegenwart  sammt  den  heute  an- 
dauernden untergeordneten  Schwankungen  der  Strandlinie  als  eine 
fünfte  Stufe  anschliesst.  Jede  dieser  Stufen  und  insbesondere  die 
erste  und  dritte  derselben  lässt  sich  in  weitere  Glieder  theilen.  Am 
auffallendsten  ist  die  zweite  dieser  Stufen  durch  aussermarine  Bil- 
dungen, welche  eine  Isolirung  des  Ostens  verrathen,  sowohl  von 
der  vorhergehenden,  als  von  der  nachfolgenden  Stufe  getrennt. 
Aber  in  dem  Verbreitungsgebiete  jeder  dieser  Stufen  kann  man 
wahrnehmen,  dass  es  solche  Strecken  umfasst,  welche  auch  während 
der  vorhergehenden  Stufe  bedeckt  waren,  und  solche  Strecken, 
welche  neu  hinzutreten,  während  andererseits  Strecken  verlassen 
werden,  welche  der  vorhergehenden  Stufe  angehörten.  Der  Um- 
riss  des  Mittelmeeres  ist  daher  in  jeder  Phase  ein  anderer. 

Um  nun  einen  ersten  Ueberblick  dieser  Stufen  zu  geben  und 
die  weitere  Darstellung  zu  erleichtern,  mögen  folgende  hervor- 
ragende und  bekannte  Beispiele  tertiärer  Vorkommnisse  die  bei- 
läufige Bedeutung  derselben  kennzeichnen. 

Die  erste  Mediterranstufe  umfasst  die  Faluns  von  L^ognan, 
die  untere  Serie  der  Meeresbildungen  im  Rhonethale  mit  den 
Schichten  von  St.  Paul — Troix-Chäteaux,  die  Meeresmolasse  der 
Schweiz,  die  Meeresmolasse  Baierns,  die  Gruppe  der  Horner 
Schichten  an  den  Abhängen  des  Mannhartsgebirges,  die  Schio- 
schichten  Oberitaliens  und  des  Apennin,  den  Serpentinsand  von 
Turin,  den  unteren  Kalkstein  mit  oder  doch  bis  zu  dem  Horizonte 
des  Orbitoides  Mantelli  auf  Malta  und  Gozzo  u.  s.  w. 

Im  östlichen  und  südlichen  Europa  folgt  dieser  Stufe  auf 
grosse  Erstreckungen  eine  mächtige  Ablagerung  von  blauem 
Mergel,  welche  viele  selbständige  Merkmale  bietet  und  häufig 
von  Gyps-  und  Salzablagerungen  begleitet  ist:  dies  ist  der 
Schlier. 


7  6 4  Die  fünf  Mediterranstufen. 

Der  zweiten  Mediterranstufe  gehören  die  Faluns  der 
Touraine  an,  die  Faluns  von  Salles,  die  Mergel  von  Cabrieres  im 
Rhonethale,  die  Ablagerungen  von  Baden,  Vöslau,  Grinzing, 
Stei.nabrunn  und  der  Leithakalk  bei  Wien,  in  Ungarn,  Siebenbürgen 
und  der  Wallachei,  die  Schichtengruppe  von  Tortona,  die  oberen 
Horizonte  der  Insel  Malta. 

Im  Donauthale  liegt  auf  diesen  Ablagerungen  die  fremdartige 
sarmatische  Stufe,  in  welche  nur  wenige  von  den  mediterranen 
Typen  aufsteigen  und  deren  Verbreitungsbezirk  ostwärts  über 
jenes  der  zweiten  Mediterranstufe,  ja  sogar  bis  über  den  Kaspi-  und 
Aralsee  hinausgreift. 

Es  hat  Theodor  Fuchs  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  dass 
im  mittleren  Italien  die  blauen  Mergel  des  Vatican  über  der  zweiten 
Mediterranstufe  eine  Stellung  einnehmen,  welche  jener  des  Schlier 
an  der  unteren  Grenze  dieser  Stufe  nicht  unähnlich  ist.' 

In  die  dritte  und  vierte  Mediterranstufe  ist  die  gesammte 
Reihe  der  älteren  und  jüngeren  Pliocänablagerungen  einzureihen, 
also  die  jüngeren  Meeresbildungen  des  Rhonethaies,  die  Ablage- 
rungen von  Asti,  von  Siena  und  dem  Monte  Mario,  von  Gerace 
und  Messina,  von  Korinth  und  Rhodos.  In  die  vierte  Stufe  fallen 
auch  die  Spuren  des  Einflusses  einer  gesteigerten  Kälte. 

Als  die  fünfte  Mediterranstufe  reiht  sich  das  heutige 
Mittel meer  an,  mit  Inbegriff  der  neuesten  Randbildungen,  die  an 
der  Westküste  Italien's,  im  westlichen  Nordafrika,  in  Cypern  und 
an  anderen  Stellen  bekannt  sind. 

Diese  fünf  Stufen  entsprechen  im  Grossen  etwa  dem  Mittel- 
miocän,  dem  Obermiocän,  den  pliocänen  und  quaternären,  dann 
den  jüngsten  Bildungen  nach  der  heute  üblichen  Ausdrucksweise 
jener  französischen  und  italienischen  Geologen,  welche  den  süd- 
französischen Asterienkalk,  die  Ablagerungen  von  Gaas,  Dego, 
Castel  Gomberto  u.  A.  noch  als  Untermiocän  bezeichnen. 

Beziehungen  zu  Amerika.  Es  ist  durch  eine  Reihe  neuerer 
Beobachtungen  sichergestellt  worden,  dass  die  Meeresablagerungen 
der  südamerikanischen  Westküste  und  jene  der  Antillen  eine  ganz 
besondere  Aehnlichkeit  mit  europäischen  Vorkommnissen  besitzen. 
Diese  Aehnlichkeit  tritt  von  den  ältesten  Bildungen  an  hervor  und 
reicht,  wie  Philippi  bemerkt,  in  Chile  bis  in  die  Tertiärzeit  herauf, 


\ 


Die  Antillen.  365 

während  welcher  dort,  an  der  pacifischen  Küste,  eine  Conchylien- 
fauna  lebte,  deren  Gepräge  jenem  der  mediterranen  Fauna  ver- 
wandt ist.^  Erst  in  den  jüngsten  Zeiten  ändert  sich  dieses  Verhält- 
niss  und  es  folgt  die  heutige  westatlantische,  der  europäischen 
fremde  Meeresbevölkerung. 

Unter  solchen  Umständen  müsste  jede  Darstellung  der  Ver- 
gangenheit des  Mittelmeeres  unvollständig  sein,  welche  nicht  die 
jenseits  des  atlantischen  Oceans  bisher  gesammelten  Erfahrungen 
über  diesen  Gegenstand  berücksichtigen  wollte. 

Die  Antillen  bilden,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  ein  bogen- 
förmig streichendes  Kettengebirge,  welches  über  Cuba,  Haiti, 
Puerto-Rico  und  dann  südwärts  gegen  Trinidad  zieht.  Jamaica 
und  der  südwestliche  Theil  von  Haiti  gehören  einer  innen  an- 
schaarenden  Kette  an.  Der  caraibische  Golf  ist  an  der  Innenseite 
dieser  Ketten  eingesunken,  während  das  Vorland^  soweit  es  nicht 
von  den  Wässern  des  mexicanischen  Golfes  bedeckt  ist,  von  Mata- 
moras,  wahrscheinlich  aber  schon  von  Veracruz  angefangen,  weit 
um  den  Nordrand  des  Golfes  herum  bis  nach  Arkansas  und  Ala- 
bama, mit  Inbegriff  der  Halbinsel  Florida,  und  weit  an  der  caro- 
linischen Küste  hinauf  nur  aus  ganz  flach  gelagertem  Lande  be- 
steht. Nichtsdestoweniger  sinkt  der  mexicanische  Golf  bis  unter 
2000  Faden  hinab  und  im  caraibischen  Meere  wird  diese  grosse 
Tiefe  schon  nahe  an  der  Ostküste  von  Yucatan  und  der  Südküste 
von  Cuba  erreicht. 

In  Jamaica  liegt  auf  einer  Serie,  welche  sich  den  tieferen  Ab- 
theilungen unseres  Flysch  vergleichen  lässt,  lichter,  versteinerungs- 
reicher Kalkstein,  und  seine  Fauna  entspricht,  wie  Duncan,  Barrett 
und  Woodward  nachgewiesen  haben,  in  überraschender  Weise 
den  Gosauablagerungen  der  nordöstlichen  Alpen.  Neben  Actaeo- 
nella  laevis,  Nerinaea  und  zahlreichen  Hippuriten  erscheint  hier 
eine  Anzahl  der  bezeichnendsten  Korallen  der  Gosaubildungen, 
wie  Diploria  crassilamellosa,  Heliastraea  exsculpta  und  Cyatho- 
seris  Haidingeri.^ 

Das  Vorkommen  dieser  cretacischen  Korallen  auf  der  anderen 
Seite  des  atlantischen  Oceans  gestattet  die  Vermuthung,  dass  zu 
jener  Zeit  ([uer  über  den  Ocean  irgend  eine  Verbindung,  sei  es  in 
Gestalt   einer  zusammenhängenden  Küstenlinie  oder  doch  einer 


^66  Europäisches  Mitteltertiär  der  Antillen. 

Reihe  von  Inseln,  bestanden  habe,  und  diese  Vermuthung  wird 
bestärkt  durch  den  Umstand,  dass  sich  dieselbe  Erscheinung  noch 
in  der  Tertiärzeit  wiederholt.  Sie  ist  so  auffallend,  dass  sie  bereits 
zu  wiederholten  Malen  die  Aufmerksamkeit  der  Beobachter  ge- 
fesselt und  dass  Duncan,  Jones,  Etheridge,  Guppy,  Cotteau  u.  A. 
eine  Anzahl  vortrefflicher  Arbeiten  über  diesen  Gegenstand  ge- 
liefert haben/ 

Aus  diesen  Arbeiten  vermag  ich  nun  allerdings  das  Vor- 
kommen der  wahren  eocänen  Korallenfauna  auf  den  westindischen 
Inseln  dermalen  noch  nicht  als  erwiesen  anzusehen.  Die  eocänen 
Rififbildungen  Europa's,  als  welche  ich  die  durch  d' Achiardi  bekannt 
gewordenen  Korallenbildungen  des  Friaul  ansehe,^  scheinen  bis 
heute  jenseits  des  Oceans  noch  nicht  aufgefunden  zu  sein. 

Dagegen  entsprechen  die  Korallenbildungen  auf  St.  Bartho- 
lomäus und  ihre  Zeitäquivalente  auf  Jamaica,  Cuba  und  anderen 
Inseln  nach  Duncan's  Untersuchungen  den  Korallenbänken  von 
Castel  Gomberto  und  Crosara.  Sie  bilden  auch  die  »Fernando  Beds* 
auf  Trinidad.  Die  in  diesen  Horizonten  jenseits  des  atlantischen 
Oceans  vorkommenden  europäischen  Arten,  wie  Trochosmilia 
subcurvata,  Trochosmilia  arguta,  Stephanocoenia  elegans,  Astro- 
coenia  multigranosa,  Ulophylla  macrogyra,  Porites  ramosa,  sind  es 
auch,  welche  die  Riffe  von  Castel  Gomberto  aufbauen  und  zieren. 

Die  nächstjüngere,  vielleicht  mit  der  vorhergehenden  noch 
zu  vereinigende  Abtheilung  der  westindischen  Tertiärablagerungen 
ist  der  Kieselkalk  der  Insel  Antigua.  Duncan  und  Jones  haben 
denselben  bereits  im  Jahre  1 864  dem  unteren  Kalkstein  der  Insel 
Malta  gleichgestellt.  Das  Auftreten  der  Stylocoenia  lobato-rotun- 
data  möchte  allerdings  nicht  als  sehr  massgebend  gelten,  da  diese 
Art  in  Europa  eine  grosse  verticale  Verbreitung  besitzt;  von 
grösserer  Bedeutung  ist  das  Erscheinen  der  Astrocoenia  ornata 
der  Turiner  Ablagerungen  und  das  massenhafte  Auftreten  des 
Orbitoides  Mantelli,  welcher  in  Europa  in  gleicher  Häufigkeit  in 
den  tiefsten  Ablagerungen  der  Insel  Malta  liegt. 

In  Europa  besteht  aber  sicher  nur  ein  geringer  Unterschied 
des  Alters  zwischen  der  Korallenfauna  von  Castel  Gomberto  und 
dem  unteren  Kalkstein  von  Malta.  Nach  Th.  Fuchs  liegt  dieser 
Kalkstein  unter  dem  Horizonte  von  Schio  und  nähert  sich  seine 


Mitteltertiär  von  Florida.  307 

Fauna  jener  von  Castel  Gomberto  und  Schio/  Eine  wesentliche 
Lücke  ist  daher  wohl  auch  zwischen  dem  korallenführenden  Lager 
von  St.  Bartholomäus  und  dem  Kieselkalke  von  Antigua  nicht 
vorauszusetzen.^ 

Die  in  Westindien  folgenden  Lagen  von  weissem  Kalkstein 
stimmen  zunächst  mit  dem  oberen  Kalkstein  von  Malta,  also  mit 
den  Leithakalk -Bildungen  der  zweiten  Mediterranstufe  überein. 
Cidaris  Melitensis  erscheint  auf  mehreren  der  westindischen  Inseln 
in  Gesellschaft  von  Arten,  welche  sehr  nahe  Verwandte  im  oberen 
Kalke  von  Malta  besitzen,  wie  Schizaster  Loveni  und  Brissopsis 
Antillarum. 

Wir  halten  nun  fest,  dass  in  den  westindischen  Inseln  die 
Korallenfauna  von  Castel  Gomberto  und  der  orbitoidenreiche  Kalk- 
stein von  Malta  vertreten  sind,  und  dass  über  diesen  noch  jüngere 
marine  Kalkbänke  lagern,  und  mit  diesen  Erfahrungen  wenden  wir 
uns  gegen  Nord. 

Eugen  Smith  hat  in  Bestätigung  älterer  Angaben  gezeigt, 
dass  die  Halbinsel  Florida  weder  gar  so  niedrig,  noch  so  jungen 
Alters  ist,  als  man  zu  vermuthen  pflegt.  Ein  Rücken,  welcher  sich 
streckenweise  über  200  Fuss  hoch  erhebt,  zieht  von  Norden  her 
in  die  grosse  Halbinsel  herein  und  der  grösste  Theil  derselben 
besteht,  südlich  bis  fast  an  die  Everglades  heran  und  an  mehreren 
Stellen  westlich  bis  an  das  Meer,  aus  dem  Vicksburg-Limestone 
mit  Orbitoides  Mantelli,  welcher  nichts  Anderes  ist  als  die  Fort- 
setzung des  westindischen  Orbitoiden-Kalksteins,  also  eines  Zeit- 
äquivalentes des  unteren  Kalksteins  von  Malta.^ 

Man  kann  wohl  mit  nicht  geringer  Sicherheit  die  höheren 
Theile  der  Bahama's  und  der  ganzen  äusseren  Zone  der  Antillen 
als  heute  vereinzelte  Schollen  dieser  grossen  tertiären,  floridani- 
schen  Platte  ansehen. 

Das  von  Hilgard  veröffentlichte  Kärtchen  des  mexicanischen 
Golfes  lässt  nun  die  weitere  nördliche  und  westliche  Fortsetzung 
dieser  floridanischen  Tertiärablagerungen  erkennen.*' 

Im  Osten  wie  im  Westen  des  Mississippi  tauchen  paläozoische 
und  noch  ältere  Gesteine  hervor.  Im  Osten  ist  es  das  südliche 
Ende  der  Appalachien,  das  wir  erblicken;  die  mittlere  und  obere 
Kreideformation  schmiegen  sich,  wie  an  so  vielen  Orten,  auch  hier 


368  Der  mexicanische  Golf. 

transgredirend  an  den  südlichen  und  westlichen  Umriss  derselben; 
die  westliche  texanische  Gruppe  ist  rings  von  der  Kreideformation 
umgeben.  In  eben  so  flacher  Lagerung  wie  die  Kreideformation 
folgen  dann  die  ersten  Glieder  der  Tertiärformation,  und  zwar 
sind  auf  Fig.  37  alle  älteren  Glieder  derselben  bis  und  mit  Ein- 


.    I>H  Purl.Hm!>.in. 


schluss  des  Vicksburg-IJmestone,  d.  i.  des  Orbitoiden-Kalksteins, 
zusammengefasst  {/,).  Sie  umfassen  z.  B.  in  Alabama  nach  Heilprin 
eine  tiefste  lignitführende  Gruppe,  den  kieseligen  ,Buhrstone'  mit 
Ostrea  sellaeformis.  den  Sandstein  von  Claiborne,  welcher  dem 
Pariser  Grobkalke  nach  seinen  Conchylien  gleichgestellt  wird,  den 
weissen  Kalkstein  (Jacksonlan),  welcher  das  Lager  der  grossen 
Zeuglodontenreste  bildet,  und  den,  wie  es  scheint,  mit  dem  vorher- 
gehenden ziemlich  enge  verbundenen  Orbitoiden-Kalkstein.'"  Sie 
erstrecken  sich  vom  Rio  Grande  durch  Texas  und  Louisiana  im 


X 


Zeitweise  Abschliessung  des  mexicanischen  Golfes.  3^9 

Mississippithale  aufwärts  und  sind  in  der  Tiefe  desselben  bis  Vicks- 
burg  sichtbar;  von  da  an  umgeben  sie  in  ähnlicher  Weise  die 
östliche  Kreidezone  und  setzen  sich  gegen  Süd  nach  Florida,  zu- 
gleich gegen  Nord  durch  Georgia  in  der  Richtung  der  atlantischen 
Küste  fort. 

Etwa  von  Pensacola,  nahe  der  westlichen  Grenze  des  Staates 
Florida,  angefangen  erreichen  diese  tertiären  Ablagerungen  das 
Ufer  des  mexicanischen  Golfes  und  ihre  Westgrenze  auf  dem  Fest- 
lande entspricht  beiläufig  dem  Verlaufe  jenes  bedeutenden  Steil- 
abfalles, welcher  westlich  von  Florida  die  i  oo-Fadenlinie  aus- 
zeichnet. Nun  tritt  die  bemerkenswerthe  Erscheinung  ein,  dass  an 
die  floridanische  Platte  ostwärts,  d.  i.  gegen  den  atlantischen 
Ocean,  eine  weitere  Reihe  jüngerer  Meeresbildungen  sich  an- 
schliesst,  während  dies  gegen  Westen  nicht  der  Fall  ist.  Dort  folgt 
im  Gegentheile  von  Pensacola  westwärts  und  quer  über  das  Thal 
des  Mississippi  bis  an  den  Rio  Grande  eine  Zone  von  dunklerem, 
steifem  Thon  mit  schwachen  Zwischenlagen  von  dunklem  Kalk- 
stein, .gyps-  und  lignitführend,  ohne  andere  organische  Reste  als 
Spuren  von  Blättern  und  einer  Schildkröte.  Dieses  ist  Hilgard's 
Grand-Gulf-Series  {g g,  Fig.  37),  aus  welcher  derselbe  eine 
zeitweise  Abschliessung  des  Golfes  gegen  den  Ocean  entnimmt. 
Ueber  der  Grand-Gulf-Series  folgt  zuerst  der  hochgelbe  Drift- 
sand oder  Orangesand  und  über  diesem  die  marinen  Schichten 
der  Port-Hudson-Group,  welche  von  sehr  geringem  Alter  sind. 
Sie  bestehen  aus  einem  über  200  Meter  mächtigen  Wechsel  von 
Schlamm-  und  Lagunenbildungen  mit  sandigen  Schichten,  welche 
die  heutige  Meeresfauna  enthalten. 

Es  hat  daher  während  der  Zeit  der  Grand-Gulf-Series  die 
floridanische  Platte  wahrscheinlich  noch  vollständiger  als  heute 
den  Golf  vom  Ocean  abgeschlossen.  Dass  sie  ihre  Fortsetzung  in 
den  südlichen  Inseln  findet,  ist  bereits  angeführt  worden,  und  es 
gibt  einige  Spuren,  welche  das  geringe  Alter  dieser  Abtrennungen 
anzeigen.  Hieher  mag  man  das  Vorkommen  der  Reste  einer 
grossen  und  erst  in  später  Zeit  erloschenen  Säugethierfauna  in  den 
Höhlen  des  Kalksteins  der  kleinen  Insel  Anguilla  zählen,  und  ein 
genaueres  Studium  der  heutigen  Fauna  und  Flora  gibt  noch 
weitere  Aufschlüsse  über  die  Zerstückelung  der  tertiären  Platte, 


270  Tertiärer  Saum  von  Georgien  bis  New-Jersey. 

So  hat  Bland  gefunden,  dass  die  Landconchylien  von  Cuba  bis  zu 
den  virginischen  Inseln  und  Anguilla  auf  einen  Zusammenhang  mit 
Mexico  und  Centralamerika,  dagegen  von  Antigua  und  St.  Chri- 
stoph bis  Trinidad  auf  südamerikanische  Herkunft  weisen."  Die 
Fauna  der  tieferen  Theile  des  mexicanischen  Golfes  wie  des  carai- 
bischen  Meeres  steht  nach  den  letzten  von  AI.  Agassiz  ausgeführ- 
ten Untersuchungen  der  pacifischen  Tiefseefauna  näher  als  der 
atlantischen." 

Von  Florida  zieht  nun  nordwärts  durch  Georgien,  beide  Caro- 
linen, Virginia,  Maryland  und  New-Jersey  ein  breiter  Saum  ganz 
flach  gelagerter  und  nur  wenig  über  das  heutige  Niveau  des 
Meeres  aufragender  Tertiärablagerungen  an  dem  atlantischen 
Saume  des  Festlandes  hin.  Er  erreicht  beiläufig  im  40.  Breite- 
grade sein  Ende  und  die  nördlich  von  New- York  liegenden  atlan- 
tischen Küsten  sind  nicht  mit  tertiären  Meeresablagerungen  be- 
kleidet. 

So  wie  in  Europa  die  rififbauenden  Korallen  nur  in  den  süd- 
licheren Tertiärablagerungen  häufiger  vorkommen,  ist  dies  auch 
in  Amerika  der  Fall,  und  diese  nördlich  von  Florida  auftretenden 
Schichten  sind  wie  die  flach  gelagerten  nördlichen  Tertiärschichten 
Europa's  fast  nur  durch  Conchylien  ausgezeichnet.  Nach  den  ver- 
dienstlichen neueren  Untersuchungen  von  Heilprin  wären  hier  drei 
Horizonte  zu  unterscheiden,  welche  jünger  sind  als  der  Orbitoiden- 
kalk  von  Vicksburg.  Die  erste,  die  Stufe  von  Maryland  oder 
das  untere  atlantische  Miocän,  wird  wenigstens  einem  Theile  der 
ersten  Mediterranstufe  und  den  Faluns  vonL^ognan  gleichgestellt; 
die  Ablagerungen  von  Virginien  und  ein  jüngerer  Horizont  von 
Maryland  bilden  Heilprin's  virginische  Stufe  oder  das  mittlere 
atlantische  Miocän,  welches  als  das  muthmassliche  Zeitäquivalent 
der  zweiten  Mediterranstufe  angesehen  wird.  Die  jüngsten  Schichten 
endlich  sind  jene  von  Nord-  und  Südcarolina,  die  carolinische 
Stufe  oder  das  obere  westatlantische  Miocän.'^ 

Hienach  scheint  an  diesem  Küstensaume  die  Anordnung  im 
Allgemeinen  eine  solche  zu  sein,  dass  die  älteren  Stufen  mehr 
gegen  Nord,  die  jüngeren  aber  gegen  Süd,  nämlich  gegen  die 
Carolinen,  vorherrschen.  Ihre  Fauna  ist  eine  ziemlich  selbständige; 
in  den  jüngeren  Schichten  mehrt  sich  die  Uebereinstimmung  mit 


Spuren  von  Land  im  atlantischen  Ocean.  37^ 

der  heutigen  westatlantischen  Fauna;  in  jenen  von  Patuxent  River, 
Maryland,  meinte  Rolle  schon  im  Jahre  iSSg  gewisse  Aehnlich- 
keiten  mit  Conchylien  von  Loibersdorf,  d.  i.  der  ersten  Mediterran- 
stufe Europa's,  zu  erkennen.'* 

Der  atlantische  Ocean.  In  der  Nähe  des  40.  Breitegrades 
nähert  sich  der  Saum  amerikanischer  Tertiärablagerungen  der 
atlantischen  Küste.  Nördlich  davon  sieht  man  weder  in  den  Ver- 
einigten Staaten,  noch  in  Canada,  noch  weiter  hinauf  in  den  arkti- 
schen Gegenden  Nordamerika's  irgendwo  die  Spuren  eines  tertiären 
Meeres.  Was  etwa  an  jüngeren  Bildungen  dafür  gehalten  werden 
könnte,  gehört  der  Champlainperiode,  einer  weit  jüngeren  Zeit,  an. 
Vergeblich  sucht  man  aber  auch  an  der  Westküste  Norwegens, 
in  Schottland  oder  Irland  nach  Meeresbildungen  der  Tertiärzeit; 
sie  erscheinen  erst  in  der  südlichen  Hälfte  der  Nordsee. 

Nun  könnte  man  einwenden,  dass  diese  Ablagerungen  durch 
Eis  zerstört  seien,  aber  gerade  für  die  nördlicheren  Theile  des 
atlantischen  Gebietes  sind  in  eigenthümlicher  Weise  positive 
Spuren  trockenen  Landes  während  der  mittleren  Tertiärzeit  er- 
halten. Diese  Spuren  bestehen  in  den  Ueberresten  einer  Flora, 
welche  in  braunkohleführenden  Schichten,  von  basaltischen  Laven 
überdeckt,  eben  durcTi  diese  Decken  der  späteren  Zerstörung  ent- 
gangen sind. 

Solche  pflanzenführende,  von  Basalt  überdeckte  Lagen  finden 
sich  in  der  Grafschaft  Antrim  im  nördlichen  Irland;  sie  wieder- 
holen sich  in  dem  vulcanischen  Gebiete  der  Hebriden  und  setzen 
von  dort  weiter  gegen  Norden.  Die  Faröer  bestehen  aus  zwei 
grossen,  flach  Hegenden  Decken  von  Basalt  und  Tuff,  welche  durch 
eine  solche  kohlen-  und  landpflanzenführende  Lage  getrennt  sind. 
Aehnliche  Bildungen  erscheinen  auf  Island  wieder,  wo  sie  als 
,Surturbrand'  bekannt  sind,  und  an  der  Ostküste  Grönlands  hat 
Payer  in  dem  basaltischen  Zuge,  welcher  vom  Kaiser  Franz  Josephs- 
Fjord  bis  zur  Shannon-Insel  reicht,  an  mehreren  Punkten,  wie  ins- 
besondere im  südlichen  Theile  der  Sabine-Insel,  eingeschaltete 
Lagen  mit  Braunkohle  gefunden.'^  Es  wiederholen  sich  dieselben 
an  der  grönländischen  Westküste,  wo  sie  auf  der  Insel  Disko  den 
Stoff  zu  einigen  der  lehrreichsten  Untersuchungen  Osw.  Heer's 
geliefert  haben,  ja  noch  in  81°  45'  nördl.  Br.  im  Discovery-Harbour, 


372 


Spuren  von  Land  im  atlantischea  Ocean. 


Robeson-Canal,  traf  Feilden  tertiäre  Pflanzen  an  und  brachte  aus 
den  dortigen  Lignitlagen  männliche  Blüthen  des  Taxodium  disti- 
chum,  wie  sie  auch  in  ähnlichen  Lagen  auf  Cap  Staratschin  auf 
Spitzbergen  gefunden  worden  sind,  also  die  Blüthen  einer  Pflanze, 

welche  heute  in  Mexico 
und  dem  Süden  der  Ver- 
einigten Staaten  fort- 
lebt. ■" 

Die  grosse  Ausbrei- 
tung dieser  Vorkomm- 
nisse von  Irland  und  den 
Hebriden  zu  den  Farö- 
ern  und  quer  über  den 
atlantischen  Ocean  nach 
Island  und  an  die  grön- 
ländische Ostküste  und 
darüber  hinaus  ist  denn 
auch  bereits  zu  wieder- 
holten Malen  als  das 
Zeugniss  für  den  Be- 
stand eines  grossen  und 
mit  einer  reichen  Pflan- 
FiB.  j8.  s.i.rö.^ji.,^^>^«.^i..  F.,fi«.i„.,.in.  zendecke      bekleideten 

Festlandes  an  der  Stelle 
des  heutigen  nordatlantischen  Meeres  aufgefasst  worden.  Die 
Feststellung  der  genaueren  Chronologie  dieser  Floren  ist  sehr 
schwierig;  der  Bestand  dieses  Festlandes  oder  doch  dieser  Reihe 
ausgedehnterer  Landmassen  fallt  höchst  wahrscheinlich  mit  jenem 
eines  guten  TheÜes  unserer  Mediterranstufen  zusammen.  Die 
ausserordentlichen  Ergüsse  von  Laven  sind  zugleich  ein  mittel- 
barer Beweis  für  die  Bedeutung  der  tektonischen  Bewegungen, 
welche  diese  Gegenden  um  dieselbe  Zeit  betroffen  haben. 

Erst  im  hohen  Norden  erscheinen  tertiäre  Meeresschichten 
wieder.  Toula  führt  nach  Jul.  Payer's  Aufsammlungen  von  mehreren 
Punkten  der  grönländischen  Ostküste  zwischen  74°  30'  und  75°  30' 
mittel  tertiären,  quarzreichen  Sandstein  an,  welcher  auf  Hoch- 
stetter -Vorland  Reste  mariner  Bivalven  enthält.'**   Die  seither  von 


Tertiäre  Mcercsablagcrungen  im  hohen  Norden   und  auf  den  Azoren.  373 

Nathorst  vom  Eisfjord  in  Spitzbergen  mitgebrachten  Stücke  lehren 
aber,  dass  diese  Quarzitlager  mit  marinen  Conchylien  sich  bis  dahin 
fortsetzen.  Sie  werden  nach  Nathorst  von  den  pflanzenführenden 
Schichten  sowohl  überlagert  als  unterlagert.  Trotz  der  ausser- 
ordentlich kümmerlichen  Erhaltung  der  Fossilien  konnte  Th.  Fuchs 
unter  denselben  Gattungen  wie :  Siliquaria,  Pharella,  Psammosolen 
und  Callista  unterscheiden,  welche  heute  den  arktischen  Meeren 
ganz  fremd  sind  und  in  allerdings  entfernter  Weise  etwa  auf  das 
Alter  unserer  tieferen  Mediterranstufen  hinweisen.  Sicher  ist,  dass 
dort  Meeresthiere  erscheinen,  welche  viel  südlicheren  Regionen 
der  Gegenwart  entsprechen.  Weitere  Aufschlüsse  müssen  wir  von 
neuen  Entdeckungen  erwarten.'^ 

So  unvollständig  sind  bis  heute  die  Kenntnisse  von  der  Ab- 
grenzung dieses  Festlandes  oder  dieser  Reihe  grosser  Inseln  gegen 
Nord.  Noch  unvollständiger  ist  die  Abgrenzung  gegen  Süd.  Auf 
den  Azoren  trifft  man  einen  Anhaltspunkt.  Auch  hier  gibt  es  vul- 
canische  Gesteine  von  tertiärem  Alter;  mit  und  unter  diesen  Laven 
und  Aschen  erscheinen  marine  Ablagerungen.  Sie  finden  sich  auf 
S.  Maria,  der  südlichsten  der  Azoren,  in  37"  nördl.  Br.,  dann  auf 
Madeira  und  auf  Porto-Santo,  und  sie  gehören  nach  K.  Mayer's 
Untersuchungen,  mit  Ausnahme  eines  kleinen,  jüngeren  Vorkom- 
mens auf  Madeira,  sämmtlich  der  helvetischen  Abtheilung,  also 
der  ersten  Mediterranstufe  an.  In  Madeira  liegen  sie  bis  1350  Fuss 
über  dem  heutigen  Meeresspiegel.^"  — 

Die  Ostküste  des  nordatlantischen  Oceans  ist  recht  verschie- 
den von  der  Westküste, 

Schon  bei  der  Besprechung  des  nördlichen  Vorlandes  der 
Alpen  wurden  innerhalb  dieses  Vorlandes  drei  Elemente  unter- 
schieden, nämlich  die  russische  Tafel,  die  Sudeten  und  die  Region 
der  westeuropäischen  Gebirgskerne.  Zu  diesen  Gebirgskernen 
wurden  die  bcihmische  Masse,  Schwarzwald,  Vogesen,  das  franzö- 
sische Centralplateau  und  die  iberische  Meseta  gezählt.  Ihre  Um- 
risse sind  vielgestaltig  und  unregelmässig;  das  ältere  Gebirge  in 
ihnen  ist  gefaltet;  oft  breitet  sich  über  sie  die  Transgression  der 
•  mittleren  und  oberen  Kreide  aus;  einzelne  derselben  haben  wir 
bereits  als  Horste  kennen  gelernt,  an  und  zwischen  welchen  Trias 
und  Jura  abgesunken  sind. 


274  ^^*^  atlantische  Küste  Europa's. 

Die  Sudeten  erreichen  räumlich  bei  Weitem  nicht  so  grosse 
Bedeutung  wie  die  beiden  anderen  Gebiete,  und  es  lehrt  die  geo- 
logische Karte  von  Europa,  dass  in  der  That  nördlich  von  den 
Alpen  unser  Welttheil,  abgesehen  von  den  Sudeten,  in  zwei  grosse 
Regionen  zertheilt  werden  kann.  Die  östliche  dieser  Regionen  ist 
die  russische  Tafel;  sie  reicht  durch  die  baltischen  Inseln  in  das 
südliche  Schweden  und  findet  dort  ihr  Ende.  Was  westlich  liegt, 
ist  eine  Gruppe  von  grossen  inselförmigen  Massen  von  gefaltetem 
älteren  Gebirge,  zwischen  welchen  die  Niederungen  eingesunken 
sind.  Dies  ist  die  Region  der  westeuropäischen  Gebirgskerne; 
Norwegen,  Schottland,  dann  Cornwall,  Irland,  die  Bretagne  und 
selbst  die  Ardennen  gleichen,  bei  allen  Verschiedenheiten  im  Ein- 
zelnen, doch  nach  ihrer  inselförmigen  Vertheilung  durchwegs  den 
eben  genannten  Gebirgskernen  des  alpinen  Vorlandes. 

Die  zackigen  Umrisse  des  nordöstlichen  Schottland,  welche 
durch  das  Herantreten  einzelner  grosser  geradliniger  Brüche  an 
die  Meeresküste  veranlasst  werden,  sind  bereits  an  früherer  Stelle 
(S.  269)  mit  dem  Umrisse  des  bairischen  Waldes  verglichen  worden. 
Judd  hat  gezeigt,  dass  an  solchen  Brüchen  da  und  dort  tief  abge- 
sunkene Schollen  von  mesozoischen  Ablagerungen  vor  der  sonst 
allgemeinen  Zerstörung  bewahrt  geblieben  sind.  Es  ist,  meint  der- 
selbe Beobachter,  unmöglich,  der  Folgerung  auszuweichen,  dass 
der  ganze  Norden  und  Nordwesten  des  britischen  Archipels,  welcher 
heute  durch  Denudation  in  ein  rauhes  Gebirgsland  umgestaltet  ist, 
dereinst,  so  wie  die  südlichen  und  südöstlichen  Theile,  wenn  nicht 
ganz,  so  doch  zum  grossen  Theile  von  sedimentären  Ablagerungen 
bedeckt  war,  welche  vom  Carbon  bis  einschliesslich  zur  Kreide 
reichten.^'  Wir  haben  daher  auch  Schottland  als  einen  entblössten 
Horst  anzusehen. 

Noch  viel  weiter  im  Norden,  auf  Andö,  der  nördlichsten  der 
Lofoten,  befindet  sich  ganz  vereinzelt,  doch  in  allen  wesentlichen 
Zügen  den  abgesunkenen  Schollen  Schottlands  gleichend,  ein 
kleiner  Rest  von  braunem  Jura." 

Mit  einziger  Ausnahme  des  nördlichen  Spanien,  wo  der  Aussen- 
rand  eines  Kettengebirges  die  Küste  bildet,  tritt  Kuropa  an  seiner 
ganzen  Westküste  nur  mit  solchen  Gebirgskernen,  welche  wahr- 
scheinlich durchwegs  Horste   sind,   an   den   atlantischen  Ocean. 


Die  atlantische  Küste  £uropa*s.  375 

Dies  ist  die  Ursache  des  so  ausserordentlich  mannigfaltigen  Um- 
risses der  Küste  und  darum  ist  auch  nicht  wie  in  dem  südlichen 
Theile  der  Vereinigten  Staaten  eine  zusammenhängende  zonen- 
förmige  Anlagerung  der  tertiären  Bildungen,  sondern  ein  buchten- 
förmiges  Eingreifen  derselben  in  das  Festland  sichtbar. 

Noch  an  den  Hebriden  und  im  nördlichen  Irland  haben  wir 
die  Erhaltung  tertiärer  Landfloren  unter  den  basaltischen  Decken 
kennen  gelernt.  Diese  Küsten  entbehren  so  wie  die  ganze  West- 
küste Irlands  jeder  Bekleidung  durch  tertiäre  Meeresbildungen. 
Dasselbe  gilt  von  Cornwall.  Als  ein  Vorläufer  erscheint  im  Co- 
tentin,  auf  dem  Rücken  der  alten  Gebirge  der  Normandie,  welche 
eine  Fortsetzung  der  Gebirge  von  Cornwall  sind,  zum  ersten  Male 
eine  Gruppe  kleinerer  Schollen  von  tertiären  Meeresablagerungen. 
Ihre  Fortsetzung  ist  nach  allen  Seiten  abgespült.  Man  kennt  hier 
transgredirende  Kreideformation,  Meeresbildungen  vom  Alter  des 
Pariser  Grobkalkes,  sehr  fragliche  Aequivalente  der  ersten  oder 
zweiten  Mediterranstufe,  endlich  solche  des  englischen  Crag,  welche 
in  die  Zeit  der  dritten  Stufe  fallen.  Diese  bemerkenswerthe  Stelle 
lehrt  zugleich,  wie  weit  sich  in  gewissen  Fällen  die  Meere  der  Vor- 
zeit über  jene  mehr  oder  minder  umschlossenen  Becken  hinaus  er- 
streckt haben  mögen,  welche  sie  heute  mit  zusammenhängenden 
Decken  ausfüllen. 

Das  erste  grössere  buchtenförmige  Eingreifen  solcher  Ab- 
lagerungen zeigt  sich  an  der  unteren  Loire.  Auch  hier  liegen 
sie,  wie  am  unteren  Mississippi,  auf  transgredirender  Kreideforma- 
tion ;  sie  befinden  sich  noch  ganz  auf  dem  Rücken  des  Gebirgs- 
kernes  der  Bretagne. 

Die  zweite  Bucht  ist  jene  der  Gironde.  Diese  ist  auf  der 
einen  Seite  durch  die  Ränder  der  Gebirgskerne  der  Bretagne  und 
des  Centralplateau's,  auf  der  anderen  durch  den  Aussenrand  der 
Pyrenäen  begrenzt  und  besitzt  daher  eine  ähnliche  Lage,  wie  das 
Tertiärland  zwischen  der  böhmischen  Masse  und  den  Alpen. 

Die  dritte  Bucht  befindet  sich  am  unteren  Tajo.  Ihre  Tertiär- 
ablagerungen setzen  sich  in  vereinzelten  Vorkommnissen  gegen 
Süden  fort,  ziehen  sich  sogar  um  Cap  S.  Vincent  und  scheinen 
jenseits  des  Guadiana  sich  mit  der  nächstfolgenden  Bucht  in  Ver- 
bindung zu  setzen,  so  dass  hier  allerdings,  wenigstens  für  einen 

Suess,    Das  Antlitz  der  Krde.  2s 


^j6  Atlantische  Buchten. 

Bruchtheil  der  atlantischen  Küste,  von  einer  Umgürtung  derselben 
gesprochen  werden  könnte.  Hier  dürfte  aber  auch  die  Küste 
wenigstens  in  ihren  allgemeinen  Umrissen  beiläufig  dem  Umrisse 
der  iberischen  Meseta  entsprechen.  Die  Tertiärablagerungen 
marinen  Ursprunges  liegen  im  Süden  auf  der  mesozoischen  Um- 
randung der  Meseta. 

Die  vierte  Bucht  ist  jene  des  Guadalquivir.  Ihre  Lage  ent- 
spricht jener  der  Gironde ;  sie  wird  auf  der  einen  Seite  von  dem 
Rande  der  Meseta,  auf  der  anderen  von  dem  äusseren  Saume  der 
bätischen  Cordillere  umgrenzt. 

Die  Strasse  von  Gibraltar  liegt,  wie  wir  bereits  gesehen 
haben,  in  dem  Querbruche  eines  Kettengebirges. 

Endlich  greifen  tertiäre  Meeresbildungen  vom  atlantischen 
Ocean  her  in  das  Gebiet  von  Marokko  ein. 

Die  oben  aufgezählten  Theile  der  europäischen  Westküste 
haben  eine  sehr  verschiedene  tektonische  Bedeutung.  Die  Schollen 
im  Cotentin,  die  Ablagerungen  an  der  unteren  Loire,  wie  jene  am 
Tajo  und  längs  der  portugiesischen  Küste  um  Cap  S.  Vincent 
herum  betrachten  wir  als  Theile  der  alten  atlantischen  Küste  oder 
des  atlantischen  Meeresgrundes.  Die  Niederungen  an  der  Gironde 
und  am  Guadalquivir  dagegen  entsprechen  dem  Verlaufe  zweier 
grossen  Gebirgsketten  und  verhüllen  die  Grenze  zwischen  diesen 
und  ihrem  Vorlande.  Wie  gross  auch  die  Bedeutung  der  Strasse 
von  Gibraltar  für  den  heutigen  physischen  Zustand  unseres  Welt- 
theiles  sein  mag,  ist  sie  doch  in  der  allgemeinen  Structur  dessel- 
ben nicht  bedingt,  sondern  von  diesem  Standpunkte  aus  nur  ein 
Zw^ischenfall  von  recht  untergeordnetem  Range. 

Die  weitgehende  Uebereinstimmung  der  atlantischen  Küsten- 
bildungen und  der  mittelländischen  Ablagerungen  zwingt  uns 
schon  von  vorne,  für  die  ältere  Zeit  eine  freie  Verbindung  beider 
Meere  anzunehmen,  und  es  ist  selbstverständlich,  dass  wir  dieselbe 
zunächst  auf  den  tektonisch  bedeutsamsten  Linien,  jener  der  Gironde 
und  des  Guadalquivir,  suchen. 

Die  weitere  Aufgabe  wird  aber  wesentlich  erleichtert,  wenn 
wir  hier  schon  einen  flüchtigen  Blick  auf  die  jüngeren  Tertiär- 
bildungen des  nordwestlichen  Europa  werfen.  Diese  abgetrennte 
Behandlung  mag  umsomehr  gerechtfertigt  sein,  als  der  mediterrane 


TertiärablageruDgen  an  der  Nordsee.  377 

Typus  dort  doch  nur  unter  wesentlichen  Abänderungen  Ausdruck 
findet. 

Es  zeigen  sich  nämlich  rings  um  den  südlichen  Theil  der 
Nordsee  die  Spuren  flach  gelagerter  Schichten,  welche  ihrem  Alter 
nach  die  Zeit  der  ersten  und  wohl  auch  der  zweiten  Mediterran- 
stufe mit  umfassen.  Die  Umrisse  ihrer  heutigen  Verbreitungs- 
gebiete sind  jedoch  nur  durch  das  Maass  der  Abspülung  bedingt, 
welche  diese  Niederungen  seither  erfahren  haben.  Sie  bilden,  wie 
aus  Dumont's  und  Beyrich's  Untersuchungen  hervorgeht,  einen 
weiten,  nach  Nordost  offenen  Bogen,  welcher  etwa  von  der  Insel 
Sylt  bis  gegen  Antwerpen  zieht  und  den  Unterlauf  und  die  Mün- 
dungen der  Elbe,  der  Weser,  der  Ems  und  des  Rhein's  umfasst 
und  in  dessen  Rand  auch  noch  die  Mündung  der  Scheide  fallt.^^ 
Von  diesem  grossen  Bogen  ist  allerdings  nur  der  östliche  und  der 
westliche  Theil  in  einiger  Vollständigkeit  sichtbar,  während  der 
südliche  Theil,  welchem  die  Meeresablagerungen  von  Osnabrück 
und  Bünde  zuzuzählen  sind,  gar  lückenhaft  erhalten  ist;  aber  die 
Lage  dieser  Abwaschungsreste  ist  eine  solche,  dass  sie  sich  deut- 
lich als  eine  Reihe  von  einander  folgenden  Schalenrändern  zu  er- 
kennen geben.  Dabei  liegen  die  Mündungen  der  grossen  Zuflüsse 
der  Nordsee  in  der  Tiefe  dieser  Schale,  welche  folglich  heute  noch 
mit  der  Tiefe  des  Landes  zusammenfällt. 

Dieser  grosse  Bogen  findet  aber  in  England  keine  Fort- 
setzung. Man  kennt  aus  ganz  Grossbritannien  bis  heute  keine 
marinen  Ablagerungen  aus  der  Zeit  der  ersten  und  zweiten  Medi- 
terranstufe. Ebensowenig  kennt  man  solche  mit  Sicherheit  im 
Cotentin,  und  die  schönen  Untersuchungen,  welche  Vasseur  im 
Loirethale  durchgeführt  hat,  lassen  wenig  Zweifel  darüber,  dass 
sie  auch  dort  nicht  oder  doch  nur  in  ihren  allerhöchsten  Theilen 
und  in  gar  unvollständiger  Weise  vertreten  sind.""* 

Noch  bei  Bovey  Tracey  in  Devonshire,  auf  dem  Rücken  des 
alten  Gebirges,  welches  in  der  Bretagne  seine  Fortsetzung  findet, 
liegen  pflanzenführende  Schichten,  welche  Osw.  Heer  zunächst 
jenen  bereits  erwähnten  Vorkommnissen  von  Antrim  in  Irland  ver- 
gleicht, und  wenn  auch  Heer  den  Binnensee  von  Bovey  Tracey  in 
die  aquitanische  Stufe  und  den  Ablagerungen  von  Salzhausen  in 

der  Wetterau  gleichstellt,  deren  Alter  nur  den  tiefsten  Horizonten 

25* 


378  Der  Crag. 

der  ersten  Mediterranstufe  zu  vergleichen  wäre  oder  ein  noch  etwas 
höheres  ist,  mag  man  doch  recht  wohl  mit  Ramsay  in  diesem  Vor- 
kommen einen  neuen  Beweis  für  den  Ausschluss  des  Meeres  wäh- 
rend  der  Miocänzeit  und  für  die  grosse  Ausdehnung  des  nord- 
atlantischen Continentes  oder  der  Reihe  grosser  nordatlantischer 
Inseln  erblicken.^^ 

Ganz  verschieden  ist  das  Verhalten  der  späteren  Ablage- 
rungen. Als  die  Zeitäquivalente  der  dritten  Stufe  werden  hier  die 
verschiedenen  Unterabtheilungen  des  belgischen  und  des  eng- 
lischen Crag  angesehen.  Sie  erscheinen  westlich  in  der  Tiefe  der 
grossen,  die  Nordsee  südwärts  umgürtenden  Schale,  treten  von 
Antwerpen  nach  Norfolk  und  Suffolk  hinüber,  liegen  in  den  flachen 
Niederungen  des  östlichen  England  transgredirend,  insbesondere 
auf  dem  alttertiären  Londonthon  und  erscheinen  ebenso  als  Thon  mit 
Nassa  prismatica  übergreifend  im  Cotentin  und  in  der  Loirebucht.^^ 

Zwei  Umstände  mögen  hier  betont  sein. 

Zuerst  ist  zu  bemerken,  dass  der  englische  Crag  eine  wesent- 
liche Beimengung  von  nordischen  Formen  enthält.  Die  Zahl  der- 
selben nimmt  in  den  höheren  Gliedern  zu,  aber  Prestwich  traf 
schon  an  der  Basis  der  tiefsten  Abtheilung,  des  Coralline-Crag, 
einen  grossen  Porphyrblock  an,  welcher  als  ein  Beweis  dafür  an- 
genommen wurde,  dass  Transport  durch  Eis  in  diesen  Breiten  be- 
reits bei  Beginn  der  Crag- Ablagerungen  stattgefunden  habe.  Wenn 
also  für  das  Mittelmeer  etwa  der  Eintritt  der  kalten  Formen  als 
bezeichnend  für  den  Beginn  der  vierten  Stufe  angesehen  werden 
wollte,  müsste  man  entweder  ein  früheres  Auftreten  dieses  Merk- 
males im  Norden  zugestehen  oder  den  gesammten  Crag  erst  in 
die  vierte  Stufe  reihen. 

Ferner  zeigen  die  Crag -Ablagerungen  sowohl  Englands  als 
Belgiens  trotz  ihrer  ganz  flachen  Lagerung  und  ihrer  geringen 
Höhe  über  dem  heutigen  Meeresspiegel  ganz  deutliche  Spuren 
wiederholter  Schwankungen  der  Strandlinie.  Durch  diese  Oscilla- 
tionen  mussten  bei  der  ganz  flachen  Lagerung  weite  Strecken 
trocken  gelegt  werden.  In  Suffolk  ist  der  rothe  Crag  in  Erosions- 
furchen des  älteren  Gliedes,  des  weissen  oder  Coralline-Crag  ein- 
gelagert und  umgibt  wohl  auch  inselförmig  stehen  gebliebene 
Blöcke  des  weissen  Crag. 


Guadalquivir.  379 

Während  die  eocänen  Bildungen  einen  hervorragenden  An- 
iheil  an  der  Zusammensetzung  des  südöstlichen  England  nehmen, 
eocäne  Bildungen  auch  nicht  nur  in  Belgien,  sondern  auch  im 
Cotentin  erscheinen  und  die  Inseln  an  der  Loiremündung  aus 
eocänem  Grobkalk  bestehen,  während  zur  oligocänen  Zeit  eine 
noch  grössere Transgression  des  Meeres  stattfand,  welches  in  langer 
Bucht  vom  atlantischen  Ocean  bis  Rennes  vordrang  und  in  der 
Gestalt  der  Sande  von  Fontainebleau  seine  Ablagerungen  weit 
über  den  Rahmen  des  Pariser  Beckens  ausbreitete,  bemerkt  man 
bis  zur  Loire  herab  ein  Zurückweichen  der  Wässer  während  der 
ersten  Mediterranstufe.  Später  greift  das  Meer  wieder  über  viele 
bisher  trocken  gelegene  Landstriche,  begleitet  von  immer  deut- 
licheren Spuren  einer  kalten  Zeit. 

Guadalquivir.  Die  Höhen  der  grossen  Gebirgskerne  des 
westlichen  und  mittleren  Europa  tragen  ausgedehnte  Schollen  von 
Süsswasserbildungen,  welche  beweisen,  dass  diese  Höhen  von  den 
verschiedenen  Ausbreitungen  des  Mittelmeeres,  welche  ich  hier 
zu  besprechen  habe,  nicht  erreicht  worden  sind.  Auf  der  Höhe 
der  spanischen  Meseta  breiten  sich  in  horizontaler  Lagerung  Bänke 
von  mitteltertiärem  Süsswasserkalk  und  Mergel,  zuweilen  von 
Gyps  begleitet,  aus,  welche  heute  noch  einen  sehr  beträchtlichen 
Theil  der  Oberfläche  der  ganzen  Halbinsel  bedecken.  In  ähn- 
licher Weise  erscheinen  auf  dem  französischen  Centralplateau, 
insbesondere  an  den  oberen  Zuflüssen  der  Loire,  in  Begleitung 
einer  mannigfaltigen  Reihe  vulcanischer  Bildungen  tertiäre  Schich- 
ten von  verschiedenem  Alter,  welche  sämmtlich  in  süssem  Wasser 
gebildet  sind.  Ebenso  sieht  man  auf  der  böhmischen  Masse,  am 
Fusse  des  Erzgebirges,  ebenfalls  in  Begleitung  vulcanischer  Ge- 
steine eine  Serie  von  kohlenführenden  Tertiärablagerungen,  welche 
ausschliesslich  in  süssem  Wasser  abgelagert  sind,  und  die  Säug- 
thierreste,  welche  sie  umschliessen,  lassen  keinen  Zweifel  darüber, 
dass  sie  der  Zeit  nach  jedenfalls  die  erste  und  die  zweite  Mediterran- 
stufe mit  umfassen.  Ebenso  erscheinen  lignitführende  Tertiär- 
schichten im  südlichen  Böhmen,  deren  Alter  jedoch  allerdings  ein 
geringeres  ist. 

So  scheiden  sich  grosse  Gebiete  sofort  als  Theile  alten  Fest- 
landes aus.  An  den  Rändern  dieser  Gebiete  und  südlich  von  den- 


Guadalquivir.  3^^ 

Der  Unterlage  der  ersten  Stufe  wird  der  Orbitoidenkalkstein 
zuzurechnen  sein,  welchen  M'Pherson  in  Sevilla  am  Rande  der 
Meseta  traf,'*^  und  Mallada  hat  den  Grobkalk  mit  grossen  Austern 
und  Clypeaster  längs  des  Thaies  des  Guadalquivir  quer  durch  die 
Provinz  Cordoba  bis  nach  Jaen  verfolgt/^  Schon  vor  Jahren  kannte 
aber  Verneuil  vereinzelte  Schollen  in  den  höheren  Theilen  des 
Hussthales,  sogar  bis  in  die  Nähe  von  Alcaraz  im  westlichen 
Murcia,  und  schloss  hieraus  bereits  im  Jahre  1853,  dass  zur  Tertiär- 
zeit eine  Meeresverbindung  quer  durch  das  heutige  Festland  be- 
standen haben  müsse,  durch  welche  die  Sierra  Nevada  sammt  der 
Sierra  de  la  Sagra,  Sierra  de  Segura  und  die  Berge  von  Jaen  ab- 
getrennt waren  von  der  mit  Süsswassersee'n  bedeckten  Meseta.^° 

Diese  Meeresbildungen  greifen  aber  in  grösseren  Flächen 
und  in  kleinen  Schollen  auch  vielfach  in  das  südlich  vom  Guadal- 
quivir liegende  Gebirge.  Th.  Fuchs  fand  unter  den  von  Dräsche 
zwischen  der  Stadt  Granada  und  der  Sierra  Nevada,  knapp  am 
Rande  des  Gebirges  gesammelten  Versteinerungen  Pectines, 
welche  in  die  Schioschichten,  also  in  den  tiefsten  Theil  der  ersten 
Stufe  zu  stellen  sind,  während  aus  dem  Lithothamnienkalk  von 
Escuzar  Pecten  Zitteli  bekannt  ist,  welcher  heute  an  die  Basis  der 
zweiten  Stufe  gereiht  wird.^' 

Nach  Gonzalo  y  Tarin  haben  diese  Ablagerungen  an  grossen 
Gebirgsfaltungen  theilgenommen,  obwohl  sie  übergreifend  auf  den 
alten  Felsarten  liegen.  Die  Verbreitung  der  Schollen  zeigt,  dass 
sie  sich  über  das  ganze  Gebiet  der  Alpujarras  im  Südwesten  der 
Sierra  Nevada  ausgedehnt  haben,  und  sie  treten  auch  bei  Ugijar 
im  Süden  des  Hochgebirges  auf.^' 

Schon  Verneuil  traf  sie  bis  zur  Höhe  von  1 200  M. 

Es  ist  daher  in  der  Bucht  des  Guadalquivir  eine  Verbindung 
des  atlantischen  und  des  Mittelmeeres  während  der  ersten  und 
wohl  auch  der  zweiten  Stufe  anzunehmen.  Der  Nordrand  lässt 
sich  an  dem  südlichen  Fusse  der  Meseta  vom  Meere  weit  land- 
einwärts verfolgen,  aber  der  Südrand  dieses  Meerestheiles  ist  nicht 
festzustellen,  da  spätere  Gebirgsbewegungen  das  Land  vollständig 
verändert  haben.  Als  sicher  hat  zu  gelten,  dass  Theile  der 
heutigen  Cordillere  südlich  vom  Guadalquivir  damals  noch  Meeres- 
grund waren,    und  die  Verbindung  hat  aller  Wahrscheinlichkeit 


Gironde.  3^3 

conchylienreichen  mediterranen  Faluns  finden  ihre  typische  Ent- 
wicklung südwestlich  von  der  Stadt  Bordeaux;  ihre  jüngste  Ab- 
theilung aber  besitzt  ihre  bezeichnendste  Fundstelle  weit  draussen 
im  Flachlande,  mitten  im  Gebiete  der  Sande  der  Landes,  bei  Salles 
an  dem  Flüsschen  Leyre.^* 

Die  oligocänen  Ablagerungen  haben  grössere  Aehnlichkeit 
mit  jenen  der  Südalpen  als  mit  jenen  der  unteren  Loire  und  der 
Seine;  sie  bewahren  noch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  süd- 
europäischen Merkmale  und  schliessen  mit  einer  Süsswasser- 
bildung.  Auch  die  darüber  folgenden  Meeresbildungen  sind  durch 
eingeschaltete  Süsswasserbildungen  von  einander  getrennt,  lieber 
dem  Asterienkalke  liegt  ein  erster  Süsswasserhorizont;  hierauf 
folgt  der  marine  Falun  von  Bazas  und  Merignac;  nach  einem  neuen 
Süsswasserhorizonte  folgt  der  marine  Falun  von  L^ognan,  diesem 
abermals  ein  Süsswasserhorizont  und  endlich  der  jüngste  Falun, 
jener  von  Salles. 

Der  Falun  von  Bazas  und  Merignac  darf  vielleicht  als  dem 
tiefsten  Theile  der  ersten  Stufe  entsprechend  angesehen  werden ; 
die  Uebereinstimmung  des  Falun  von  L^ognan  mit  den  Ablage- 
rungen von  Gauderndorf  und  Eggenburg,  nämlich  mit  den  mitt- 
leren und  oberen  Gliedern  der  ersten  Stufe,  hat  M.  Hoernes  bereits 
vor  vielen  Jahren  nachgewiesen,  und  ebenso  hat  Th.  Fuchs  die 
volle  Uebereinstimmung  der  Conchylien  des  Falun  von  Salles  mit 
den  Ablagerungen  der  zweiten  Mediterranstufe  in  der  Niederung 
von  Wien  gezeigt.^^ 

Wendet  man  sich  aber  aus  dieser  Gegend  landeinwärts  gegen 
Lot  et  Garonne  und  Gers,  so  sieht  man  die  marinen  Ablagerungen 
rasch  abnehmen,  während  die  einzelnen  aussermarinen  Einschal- 
tungen der  Gegend  von  Bordeaux  gegen  Südost  mehr  und  mehr 
an  Bedeutung  gewinnen  und  endlich,  wie  insbesondere  von  Linder 
gezeigt  worden  ist,  als  zwar  deutlich  unterscheidbare,  aber  nicht 
mehr  durch  Meeresbildungen  von  einander  getrennte  Glieder  sich 
überlagern.  ^^ 

Immerhin  liegen  noch  einige  der  Zerstörung  entgangene 
Schollen  der  Meeresablagerungen  der  zweiten  Stufe  bei  Sos  und 
bei  Eauze,  unweit  der  Grenze  der  beiden  genannten  Departements 
und  etwa   120 — 130  Kilom.  vom  Meere  entfernt.^^    Ebenso  trifft 


Rhone.  885 

Die  Bucht  der  Gironde  ist  demnach  wahrscheinlich  nicht  als 
eine  alte  VerbindungsstrasSe  des  Mittelmeeres  anzusehen,  sondern 
nur  als  eine  atlantische  Bucht,  aus  welcher  das  Meer  mehrmals 
zurückwich,  um  wieder  in  dieselbe  zurückzukehren.  Die  erste 
Stufe  ist  durch  Meeresbildungen  vertreten;  besondere  Ausbreitung 
ist  für  die  zweite  Stufe  erkennbar,  und  es  ist  die  Vermuthung  ge- 
stattet, dass  zu  jener  Zeit  von  hier  eine  Ausbreitung  des  Meeres 
bis  an  die  Loire  reichte.  Ablagerungen  der  dritten  Stufe  sind  in 
diesem  Gebiete  nicht  nachgewiesen. 

Rhone.  Sowie  das  Thal  des  Guadalquivir  und  jenes  der  Loire 
den  atlantischen  Wässern,  öffnete  sich  dem  westlichen  Mittelmeere 
das  heutige  Thal  des  Rhoneflusses.  An  den  Südrand  des  Central- 
plateau's  schmiegt  sich  bei  Montpellier  eine  mannigfaltige  Reihe 
jüngerer  Tertiärbildungen,  und  es  greifen  von  den  Mündungen  her 
Meeresablagerungen  der  ersten,  zweiten  und  dritten  Stufe  weit 
nordwärts  in  das  Land.  Die  Kenntniss  dieses  Gebietes  ist  von 
grosser  Bedeutung  für  die  Geschichte  des  Mittelmeeres,  und  wir 
besitzen  von  demselben,  abgesehen  von  älteren  Arbeiten,  eine 
Reihe  trefflicher  Monographien  von  F.  Fontannes,  welche  vollen 
Einblick  gewähren. '^^ 

Zuerst  ist  hervorzuheben,  dass  das  Thal  des  Rhone  unter- 
halb Lyon,  welches  man  richtiger  das  untere  Saonethal  nennen 
würde,  abermals  jene  Grundzüge  des  Baues  wiederholt,  welche 
wir  am  Guadalquivir  und  der  Gironde  getroffen  haben.  Wieder 
bildet  eine  Seite  des  Thaies  der  Rand  eines  alten  Gebirgskernes 
und  die  andere  Seite  der  vorgeschobene  Saum  eines  Ketten- 
gebirges, nämlich  der  Alpen.  Es  muss  aber  schon  hier  be- 
merkt werden,  dass  die  Ablagerungen  der  ersten,  und  nach  Fon- 
tanne's  Profilen  wohl  auch  der  zweiten  Stufe,  obwohl  vielfach 
transgredirend  auf  Schollen  der  Kreideformation  abgelagert,  doch 
die  Bewegungen  des  äusseren  Saumes  der  Alpen  mitgemacht 
haben.  Sie  heben  gegen  die  Alpen  hin  ihre  Schichtenköpfe  steil 
zum  Himmel,  diese  sind  wohl  auch  an  einzelnen  Stellen  über- 
gebogen ^'  und  wir  entbehren  folglich  jedes  Anhaltspunktes,  um 
das  östliche  Ufer  der  ersten  und  zweiten  Stufe  festzustellen. 
Anders  verhält  es  sich,  wie  sich  sofort  zeigen  wird,  mit  der  nach- 
folgenden dritten  Stufe. 


386  Rhone. 

Etwa  auf  halbem  Wege  zwischen  Lyon  und  dem  Meere,  bei 
Mont^limart,  nähert  sich  der  convexe  Bogen  der  Alpen  am  meisten 
dem  Bruchrande  des  Centralplateau's  und  gerade  an  dieser  Stelle 
ragt  ein  längerer  Rücken  von  Kreidegebirge  hervor,  gegen  West 
und  Ost  von  Tertiärbildungen  begleitet.  Er  grenzt  das  Dauphin^ 
im  Norden  von  dem  provencjalischen  Gebiete  im  Süden  ab.  Dieses 
südliche  Gebiet  ist  von  hervorragenden  Kuppen  des  Kreide- 
gebirges unterbrochen. 

Alle  drei  Mediterranstufen  reichen  nordwärts  über  die  Enge 
von  Mont^limart  hinaus.  Ihre  Unterlage  besteht  aus  Süsswasser- 
schichten,  deren  höchste  Theile  möglicherweise  schon  der  ersten 
Stufe  zuzuzählen  sind.  Hierauf  folgt  eine  längere  Reihe  von  Mee- 
resbildungen, welche  Fontannes  als  ,Helv^tien'  oder  ,Groupe  de 
Visan'  bezeichnet.  Diese  Gruppe  umschliesst  die  Aequivalente 
von  L^ognan  und  der  ersten  Mediterranstufe,  aber  ihre  obersten 
Schichten,  die  Mergel  und  Sande  von  Tersanne,  Visan  und  Ca- 
bri^res,  sind  die  Vertreter  der  zweiten  Stufe.  Dieses  oberste  Glied 
tritt  in  zwei  verschiedenen  Entwicklungen  auf.  Im  Süden,  wie  bei 
Cabri^res  am  Mont  Luberon,  ist  es  eine  reine  Meeresablagerung, 
ausgezeichnet  durch  Ancillaria  glandiformis,  Cardita  Jouannetti 
und  die  gewöhnlichen  Begleiter  derselben,  welche  von  Fischer  und 
Tournouer  dem  Falun  von  Salles  gleichgestellt  wird,  und  Th.  Fuchs 
und  Fontannes  haben  gemeinschaftlich  in  Cabrieres  selbst  die 
besondere  Aehnlichkeit  mit  Grinzing  bestätigt.'*'  Es  steht  daher 
fest,  dass  dieser  Horizont  der  zweiten  Stufe  zufällt,  und  dass  jene 
Süsswasserbildungen,  welche  an  anderen  Orten  zwischen  I  und  11 
auftreten,  hier  nicht  bekannt  sind.  In  dem  Bas-Dauphin^  und 
nordwärts  tritt  dagegen  eine  Ablagerung  auf,  welche  zu  Tersanne 
(Drome)  noch  eine  gute  Anzahl  mariner  Arten,  noch  weiter  im 
Norden  aber  neben  zahlreichen  Helices  nur  eine  vereinzelte  glatte 
Nassa,  N.  Michaudi,  enthält. 

Der  zweiten  Stufe  folgt  Süsswasserkalk ;  über  demselben  er- 
scheinen rothe  Thone  mit  der  reichen  Säugthierfauna  von  Cucuron. 

Die  nachfolgenden  Ablagerungen  sind  unter  verschiedenen 
Verhältnissen  abgelagert.  Sie  sind  durch  eine  Zeit  der  Erosion 
getrennt  und  liegen  in  den  ausgefurchten  Thälern;  sie  haben  keinen 
Antheil  genommen  an  den  Faltungen  der  Alpen. 


Rhönc.  287 

Das  erste  Glied  dieser  zweiten  Gruppe  besteht  aus  den  merk- 
würdigen Süsswasserschichten  von  Bollöne,  mit  Melanopsis,  Car- 
dium  und  Congeria,  deren  Aehnlichkeit  mit  den  ausgedehnten 
Süsswasserschichten  des  östlichen  Europa  zuerst  von  K.  Mayer 
betont  worden  ist.  Nun  folgen  die  Mergel  mit  Nassa  semistriata, 
als  die  marinen  Vertreter  der  dritten  Stufe,  und  diesen  abermals 
Süsswasser-  und  Landbildungen.  Noch  jünger  als  diese  sind  die 
Ablagerungen  mit  Mastodon  avernensis. 

Hienach  zeigt  auch  das  Rhonethal  eine  lange  Reihe  wech- 
selnder mariner  und  aussermariner  Schichten.  Die  Grenze  zwischen 
I  und  n  ist  nicht  wie  an  vielen  Orten  durch  eine  aussermarine 
Einschaltung  bezeichnet,  aber  II  ist  nordwärts  nur  durch  die  lito- 
ralen  Lagen  mit  Nassa  Michaudi  und  Landschnecken  bezeichnet. 
Zwischen  II  und  III  tritt  dagegen  ein  so  weites  Zurückweichen  des 
Meeres,  dass  die  Austiefung  von  Thälern  erfolgt,  und  vielleicht 
fallen  gerade  in  diese  Zeit  grosse  tektonische  Veränderungen  an 
dem  Saume  der  Alpen.  Die  Congerienschichten  von  Boll^ne  sind 
die  ersten,  welche  sich  in  diese  neuen  Thäler  legen.  Ich  ge- 
stehe jedoch,  dass  mir  einige  Zweifel  darüber  geblieben  sind, 
welche  Rolle  bei  dieser  Gruppirung  dem  säugthierreichen  rothen 
Thone  von  Cucuron  zufällt,  welcher  weder  eine  Meeres-,  noch 
eine  reine  Süsswasserbildung,  sondern  wie  an  vielen  anderen  Orten 
der  Hauptsache  nach  eine  subaerische,  höchstens  durch  unter- 
geordnete Wasserläufe  gesammelte  Menge  von  Terra  rossa  zu 
sein  scheint,  nämlich  der  Lösungsrückstand,  welcher  auf  Kalk- 
plateaux  zurückbleibt,  welche  durch  lange  Zeit  der  Einwirkung 
der  Atmosphäre  ausgesetzt  sind.  So  verhält  es  sich  bekanntlich 
mit  dem  rothen  Thone  des  Karstes,  mit  den  rothen  Breccien  in 
den  Kalkspalten  vieler  Mittelmeerinseln  und  wohl  auch  mit  dem 
rothen  Thone  von  Pikermi  bei  Athen. ^-^ 

Die  drei  Stufen  des  Mittelmeeres  greifen  nun  auf  folgende 
Weise  in  das  Land: 

Die  erste  Stufe  begleitet  den  Saum  der  Alpen,  nimmt  Theil 
an  der  Faltung,  liegt  etwas  entfernter  vom  Gebirge  flach  und  zieht 
über  Chambery  und  den  Lac  de  Bourget  in  die  Schweiz.  Sie 
findet  ihre  unmittelbare  Fortsetzunj^^:  in  der  Meeresmolasse  der 
Schweizer  Alpen. 


3gO  Meeresmolassc  der  Nordalpen. 

Abermals  sehen  wir,  wie  so  oft  schon,  an  einer  Seite  des  Ge- 
bietes, welches  betrachtet  werden  soll,  den  vorgeschobenen  Rand 
des  Kettengebirges,  an  der  anderen  Seite  erst  den  Donaubruch, 
dann  den  Südrand  der  böhmischen  Masse.  Diesem  entsprechend 
begegnen  wir  einer  südlichen  oder  subalpinen  und  einer  nörd- 
lichen Zone  von  Meeresmolassc,  während  die  jüngeren  Bildungen 
der  Ebene  mehr  oder  minder  vollständig  den  Zwischenraum  be- 
decken, aber  selbstverständlich  kann  die  südliche  Zone  auch  hier 
nicht  als  eine  Küstenlinie  gelten. 

Diese  südliche  Zone  läuft  nach  Gümbel's  Beobachtungen  in 
ziemlich  gleicher  Entfernung  von  den  Kalkalpen,  von  Bregenz  über 
Schfeffau,  Kempten,  Peissenberg  u.  s.  f.,  endlich  über  Traunstein  bis 
in  die  unmittelbare  Nähe  derSalzach.^^  Sie  scheint  nicht  nachOester- 
reich  herüberzutreten.  Wir  haben  aber  festzuhalten,  dass  vom 
Mont  Luberon  an  der  Durance,  welcher  selbst  nur  ein  ostwestlich 
streichender  Zug  der  umbeugenden  Alpen  zu  sein  scheint,  durch 
das  Rhönethal  aufwärts,  überMont^limart,  dann  jenseits  Chambery 
durch  die  ganze  Schweiz,  durch  Vorarlberg  und  ganz  Baiern,  von 
der  Durance  bis  zur  Salzach,  Meeresablagerungen  der  ersten  Me- 
diterranstufe von  dem  faltenden  Saume  des  Hochgebirges  vor- 
wärts bewegt  worden  sind,  welches  daher  selbst,  zum  Wenigsten 
mit  seinen  äusseren  Theilen,  auf  einem  Räume  steht,  welcher  ein- 
stens dem  Mittelmeere  angehörte. 

Die  nördliche,  flachgelagerte  Zone  der  Meeresmolasse  liegt 
nicht  auf  tieferen  Gliedern  der  Tertiärformation,  sondern  lehnt  sich 
an  viel  ältere  Gebirge,  zumeist  an  den  Jurakalk  der  Schwäbischen 
Alb.  Sie  ist  die  Fortsetzung  jener  Zone,  welche  in  der  Schweiz 
als  die  ,subjurassische'  Meeresmolasse  bezeichnet  wird.  An  den 
äusseren  Gehängen  des  Randes  liegt  sie  nach  Schill  über  800  M. 
hoch;^'  sie  hat  in  der  benachbarten  vulcanischen  Region  des  Höh- 
gau mancherlei  Störungen  erlitten  und  zieht  von  da,  beiläufig 
dem  Albrande  folgend,  weit  gegen  Nordost.  Der  sichtbare  Ver- 
lauf ist  zwar  mehrfach  durch  Abwaschung  oder  durch  Ueber- 
deckung  unterbrochen,  doch  verfolgt  man  sie  deutlich  bis  an  den 
Rand  des  bayrischen  Waldes,  wo  sie,  bald  den  archäischen  Ge- 
steinen, bald  den  jurassischen  Schollen  der  Gegend  von  Passau 
aufgelagert,  namentlich  bei  Ortenburg  mit  grossem  Reichthume 


Kriite  Meüitermnslufe  in  Niederiulerrejch.  39  I 

an  Versteinerungen  auftritt.*'  In  wiederholten  Schollen  findet  sie 
längs  dem  Rande  der  böhmischen  Masse  ihre  Fortsetzung  bei  Linz, 
Wallsee,  Molk,  Wiedendorf  bei  Krems,  Grübern,  Meissau,  Eggen- 
burg, bis  die  letzten  Spuren  bei  Unter-Nalb  in  der  Nähe  von  Retz 
erreicht  sind. 

Auch  diese  Zone  ist  daher  auf  eine  ausserordentlich  lange  Er- 
streckurig,  und  zwar  von  der  Schweiz  her  bis  ganz  nahe  an  die 
Stelle  bekannt,  an  welcher  der  Thayafluss  aus  dem  alten  Gebirge 
in  die  Niederung  hervortritt.    (S.  27g.) 

Gegen  Ost  nimmt  sie  einigermassen  an  Mannigfaltigkeit  zu. 
Während,  wie  wir  früher  sagten,  im  Westen  in  der  Regel  der 
Meeressand  unmittelbar  auf  älterem  Gebirge  ruht,  erscheint  bei 
Linz  als  Haupt  Vertreter  der  Zone  weisser  Sand  mit  Resten  von 
Squatodon  und  anderen  Seesäugthieren,  bei  Molk  aber  liegt  unter 
diesem  weissen  Sande  Thon  mit  Cerithium  margaritaceum  und 
Ostrea  fimbriata,  in  Begleitung  von  Kohlenflötzen,  so  dass  man  an 
die  brackische  Unterlage  der  südlichen  Zone  in  der  subalpinen 
Region  der  Schweiz  und  Bayerns  erinnert  wird." 

Bei  Meissau  in  Niederösterreich  sieht  man  eine  wahre  Strand- 
bildung an  den  äusseren  Gehängen  des  Mannhartsberges,  und  die 
Balanen  sind,  wie  M.  Hörnes  vor  Jahren  bereits  bemerkte,  auf 
die  rundgewaschenen  Granitkuppen  aufgewachsen.  Westlich  von 
Meissau  liegt  bei  Hörn  eine  grössere  Scholle  eingesenkt  in  das 
alte  Gebirge;  dies  ist  das  sogenannte  ,Horner  Becken'  und  hier 
ist  die  Mannigfaltigkeit  am  grössten.  Die  Unterlage  besteht  hier 
aus  den  Brackwasserschichten  von  Molt  mit  Cerithium  margarita- 
ceum, welche  den  kohlen  führen  den  Lagen  von  Molk  entsprechen. 
Ihnen  ist  der  Sand  von  Loibersdorf  aufgelagert,  mit  dem  grossen 
Cardium  Kübecki  und  den  bereits  erwähnten  Anmahnungen  an 
amerikanische  Vorkommnisse,  ein  Horizont,  welcher,  wenig  mäch- 
tig und  manche  oligocäne  Art  uinschliessend,  bis  Siebenbürgen 
bekannt,  aber  dem  westlichen  Europa  bis  heute  fremd  ist.  Der 
nächste  Horizont  ist  jener  von  Gaudcrndorf,  besonders  ähnlich 
der  Meeresmolasse  von  St.  Gallen,  und  auf  diesem  lagern  die  mehr 
litoralen  Bildungen  von  Kggenburg  und  Meissau. 

Die  südliche  Zone  sehen  wir  an  der  Salzach  enden,  iii>'  nörd- 
liche Zone  aber  nahe  an  der  Thava. 


392  Umfassung  der  Alpen. 

Was  an  Spuren  der  ersten  Mediterranzone  noch  weiter  gegen 
Nord  liegt,  ist  vereinzelt  und  wenig  ausgeprägt.  Die  einzige 
sichere  Nachweisung  derselben  an  der  Aussenseite  der  Karpathen 
erfolgte  in  der  Nähe  von  Mautnitz  bei  Seelowitz  im  nördlichen 
Mähren.''*  Dort  zeigt  sich  der  Horizont  von  Gauderndorf  und  viel- 
leicht jener  von  Eggenburg.  In  dem  Hangendgebirge  des  Stein- 
kohlengebietes von  Ostrau  scheint  der  erstere  auch  vertreten  zu 
sein,  und  unter  demselben  liegen  basaltische  Tuffe  mit  grossen 
Meeresconchylien,  die  jenen  von  Loibersdorf  gleichen. 

Nördlich  von  diesem  Kohlenfelde  und  an  dem  ganzen  weiteren 
Aussenrande  der  Karpathen  ist  mir  bis  heute  noch  keine  ganz  zu- 
verlässige Spur  der  ersten  Stufe  bekannt  geworden. 

So  zeigt  es  sich,  dass  in  dieser  ersten  Phase  der  Ausbreitung 
das  Mittelmeer  bis  an  die  südlichen  Ränder  der  grossen  west- 
europäischen Horste  gereicht  und  das  ganze  Gebiet  des  heutigen 
Hauptstammes  der  Alpen  mit  einem  Arme  umfasst  hat,  dessen 
einstige  Breite  wir  allerdings  nicht  einmal  annähernd  zu  bestimmen 
in  der  Lage  sind.  Gegen  die  Schweizer  und  Bayrischen  Alpen  hin 
treffen  wir  nur  aufgerichtete  Schichtenköpfe;  gegen  Nord  scheint 
der  Albrand  und  der  Südrand  der  böhmischen  Masse  ziemlich  nahe 
mit  dem  Ufer  zusammenzufallen,  aber  es  schieben  sich  brackische 
Schichten  in  der  Richtung  des  Rheinthaies  vor,  unter  welchen  der 
Horizont  des  Mainzer  Cerithienkalkes  als  ein  Zeitäquivalent  der 
ganzen  oder  doch  des  tieferen  Theiles  der  ersten  Mediterranstufe 
anzusehen  ist.  Dieser  erscheint  aber  nicht  nur  in  der  Tiefe  des 
Rheinthaies,  sondern  auch  als  eine  vereinzelte  Scholle  bei  Darm- 
stadt. Solche  Schollen  bestärken  die  Vermuthung,  dass  die  Aus- 
breitung der  heute  bei  Mainz  sichtbaren  tertiären  Ablagerungen 
eine  weit  grössere  gewesen  sei,  und  dass  die  grosse  Graben - 
Verwerfung  des  Rheins  jünger  sei  als  diese  Ablagerungen. '^'^  — 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  die  südlich  von  den  bisher  be- 
sprochenen Zonen  bekannten  Vorkommnisse  der  ersten  Mediterran- 
stufe im  Einzelnen  zu  verfolgen.  Für  die  uns  hier  berührenden 
Fragen  reicht  es  hin,  zu  wissen,  dass  viele  solcher  Vorkommnisse 
davon  Zeugniss  geben,  dass  die  Verbreitung  des  Meeres  im  süd- 
lichen Eirropa  und  in  einem  grossen  Theile  des  heutigen  Mittel- 
meergebietes eine  beträchtliche  war.  Allerdings  ist  mir  die  I.  Stufe 


Das  Anatolische  Festland.  393 

an  dem  inneren  Bruchrande  der  Karpathen  nicht  bekannt;  ebenso 
wenig  ist  sie  bisher  in  dem  eingebrochenen  Theile  der  Niederung 
von  Wien  zwischen  der  Flyschzone  und  dem  Leithagebirge  und 
auch  nicht  an  dem  Bruchrande  der  Alpen  beiGüns  und  Graz  bekannt, 
und  auch  in  den  Senkungsfeldern  an  der  Innenseite  des  Apennin 
sieht  man  sie  nicht.  Dafür  tritt  sie  aber  an  vielen  Orten  innerhalb 
der  ungarischen  Niederung  auf;  bei  Korod  in  Siebenbürgen  wieder- 
holen sich  die  Ablagerungen  von  Loibersdorf.  In  Südsteiermark  und 
Krain  hat  diese  Stufe  eine  grosse  Verbreitung  und  ist  sie  in  grosse 
ostwestlich  streichende  Falten  gelegt.  Die  Schichten  von  Schio 
und  der  Grünsand  von  Belluno  gehören  ihr  in  den  Südalpen  an ; 
hieher  zählen  wir  den  Serpentinsand  von  Turin  und  die  Kalksteine 
des  Mont  Titano  an  der  Aussenseite  des  Apennin,  und  tiefere 
Lagen  der  Insel  Malta. 

Man  kennt  diese  Stufe  von  Corsica  und  Sardinien,  ebenso  aus 
den  algierischen  Küstenstrichen.  Th.  Fuchs  hat  unter  den  von 
Lenz  in  Marokko  gesammelten  Versteinerungen  Pecten  Beudanti, 
eine  bezeichnende  Form  der  I.  Stufe,  erkannt.  Das  Stück  stammt 
aus  dem  Gebiete  der  tertiären  Salzablagerungen  von  Fäs.*^^ 

Wir  brechen  nun  aber  diese  Bemerkungen  über  den  Westen 
ab,  um  eine  Reihe  von  Erfahrungen  aufzuzählen,  welche  im  Osten 
gesammelt  worden  sind,  und  welche  ein  unerwartetes  Licht  auf 
die  Vergangenheit  des  Mittelmeeres  werfen. 

Dem  ganzen  Pontus,  dem  Marmarameere  und  dem  ägäischen 
Meere  fehlt  bis  heute  jeder  Nachweis  der  ersten  Mediterranstufe. 
Rumelien  und  Anatolien  bilden  jetzt,  und  auch,  wie  sich  zeigen 
wird,  noch  in  weit  späterer  Zeit  eine  geschlossene  Festlandsmasse, 
an  deren  südlichem  und  östlichem  Rande  jedoch  die  Spuren  der 
alten  Erstreckung  des  Mittelmeeres  erkennbar  sind.  Diese  Spuren 
bestehen  in  versteinerungsreichen  Schollen,  welche,  durch  späte 
Gebirgsbewegungen  und  durch  die  Erosion  aus  dem  Zusammen- 
hanore  crerissen,  in  zuweilen  ^anz  erstaunlichen  Höhen  auf  dem 
älteren  Gebirge  angetroffen  werden.  Allerdings  ist  nicht  in  jeder 
Scholle  nach  den  heute  vorlie^^enden  Anii^aben  zu  unterscheiden, 
ob  sie  der  I.  oder  der  II.  Stuf(.^  angehöre,  aber  es  ist  kein  Zweifel 
darüber,    dass   beide  Stufen    in    diesem   Gebiete  ihre  Vertretung 

finden. 

26* 


394 


Erste  Mediterranstufe  in  Kleinasien. 


Die  erste  dieser  Schollen  liegt  in  Karlen,  bei  dem  Dorfe  Ger- 
mano,  an  dem  südlichen  Gehänge  der  Kette  des  Lida,  östlich  von 
der  Insel  Kos;  sie  findet  ihre  Fortsetzung  in  einer  Reihe  gegen 
Nordost  gelegener  Vorkommnisse,  und  noch  weiter  landeinwärts 
in  derselben  Richtung  liegt  auf  der  Höhe  des  Davas  Dagh,  in 
mehr  als  1360  M.  transgredirend  auf  steilgestellten  älteren  Schich- 
ten, ein  Bruchstück  von  muschelreichen,  marinen  Mediterranschich- 
ten.  Tchihatcheff  hat  es  aufgefunden  und  beschrieben." 

Eine  zweite  Gruppe  solcher  Schollen  ist  aus  dem  südlichen 
Lycien  bekannt.  Spratt  und  Forbes  haben  hier  an  vier  Stellen 
diese  Ablagerungen  gefunden;  die  erste  liegt  bei  Arsa,  am  linken 
Ufer  des  Xanthus,  die  zweite  bei  Saaret  in  der  Nähe  von  Anti- 
phellus,  mehr  als  800  M.  über  dem  Meere,  die  dritte  bei  Gendever 
an  der  Westseite  des  Thaies  von  Kassabar  in  900  M.,  und  die 
vierte  endlich  bei  Armutli,  am  südlichen  Ende  der  Hochfläche  von 
Armali,  2000  M.  hoch.^®  Noch  viel  weiter  gegen  Nordost,  am  jen- 
seitigen Ende  dieser  Hochfläche,  bei  Tshobansa,  hat  Tchihatcheff 
Spuren  getroffen. 

Im  peträischen  Cilicien  gewinnen  diese  Ablagerungen  Zu- 
sammenhang und  sie  reichen  nach  Tchihatcheff  im  Thale  des  Gueuk- 
Su  vom  Meeresufer  an  bis  über  Ermenek,  umziehen  dann  die  aus 
älteren  Felsarten  gebildete  Kette  des  Topguedik  Dagh  und  er- 
reichen bei  Boyalar  unweit  von  Karaman  die  Höhe  von  1 3 1 8  M. 
Von  Karaman  an  umgürten  sie  gegen  Südost  das  ältere  Gebirge 
und  erstrecken  sich  längs  der  Küste  gegen  Tarsus  und  Adana.'^'' 

Die  Mediterran-Ablagerungen  der  Umgebung  von  Tarsus 
sind  durch  ihre  Ausbreitung  und  ihren  Reichthum  an  organischen 
Resten  ausgezeichnet;  Russegger  hat  dieselben  schon  vor  vielen 
Jahren  beobachtet  und  an  den  oberen  Zuflüssen  des  Saihun 
weit  in  das  Gebirge  verfolgt;  einen  besonderen  Reichthum  an 
Versteinerungen  traf  derselbe  bei  dem  Dorfe  Hudh,  am  Ostabhange 
des  Bulgar  Dagh.^ 

Mit  diesem  ausgedehnten  Gebiete  enden  aber  die  mediter- 
ranen Ablagerungen  nicht.  Die  mühevollen  Reisen  Tchihatcheff\s 
haben  weit  im  Innern  des  Landes,  ja  bis  in  überraschender  Nähe 
an  das  pontische  Ufer  das  Vorhandensein  vereinzelter  Stücke  der- 
selben ergeben. 


Uebergreifen  nach  Persien.  395 

Hoch  im  Norden,  östlich  von  Tokat,  zwischen  Alus  undTerzi, 
am  Oberlaufe  dos  Jeshil  Irmak  (hier  Derekojiin-Su)  liegt  Sandstein 
und  gelblicher  Kalk  mit  Pecten  planecostatus  und  Anomia  costata. 
Oestlich  davon  befindet  sich  südlich  von  Enderes  eine  grössere 
Scholle;  Pecten  planecostatus  und  Pecten  scabrellus  werden  von 
hier  genannt.  Südöstlich  von  dieser  Stelle  erscheinen  dieselben 
Ablagerungen  am  Oberlaufe  des  Euphrat  wieder,  aber  trotz  dieser 
Annäherung  an  das  Schwarze  Meer  wird  ausdrücklich  betont, 
dass  sie  durch  eine  mächtige  Gebirgskette  von  demselben  abge- 
schlossen bleiben.'" 

So  dürfen  wir  denn  nicht  bezweifeln,  dass  der  östliche  Theil 
Kleinasiens  in  später  Zeit  grossen  Veränderungen  der  Bodenge- 
staltung unterworfen  war,  und  dass  das  Mittelmeer  einen  grossen 
Theil  dieser  Gebiete  einstens  bedeckt  hat.  Hudh,  obwohl  weit 
landeinwärts  gelegen,  ist  nach  der  von  F.  v.  Hauer  veröffent- 
lichten Liste  der  Versteinerungen  der  II.  Stufe  zuzuzählen;'"  die 
nördlicheren  Vorkommnisse  betrachte  ich  als  der  I.  Stufe  an- 
gehörig. — 

So  unerwartet  diese  Beobachtungen  an  sich  sind,  haben  sie 
ihre  volle  Bedeutung  doch  erst  gewonnen,  seitdem  durch  Abich's 
umfassende  Forschungen  uns  die  Grundzüge  des  Baues  von  Ar- 
menien, Azerbedjan  und  dem  kaukasischen  Isthmus  erschlossen 
worden  sind.  Aus  diesen  lernen  wir  nun,  dass  die  versteinerungs- 
reichen Ablagerungen  der  ersten  Mediterranstufe  auch  in  dem  süd- 
lichen Theile  dieses  Gebietes  durch  späte  Geblrgsbewegungen 
in  Schollen  zerbrochen  und  zu  grossen  Höhen  emporgetragen 
worden  sind,  und  dass  sie  im  Gebiete  des  Euphrat  aus  der  Nähe 
des  Passes  Sipinkör,  nördlich  von  Erzinghan,  bis  über  Mamachu- 
tun  im  Gau  von  Terdjan  (westlich  von  Erzerum)  sich  erstrecken. 
Sie  erreichen  jedoch  das  armenische  Hochland  nördlich  vom  Araxes 
nicht,  auf  welchem  bisher  nur  oligocäne  Ablagerungen  getroffen 
wurden,  sondern  setzen  sich  gegen  Südost  fort  und  erscheinen 
insbesondere  auf  den  Inseln  und  an  dem  Ufer  des  Urmia-See's  in 
beträchtlicher  Entwicklung.  Sie  befinden  sich  hier  in  übergreifen- 
der Lagerung  auf  paläozoischer  Unterlage. ''■^ 

Von  da  breiten  sich  diese  mediterranen  Meeresbildungen 
weit  über  das  iranische  Hochland  aus,  und  Fuchs  hat  nachTie] 


iq5  Der  erste  Umriss  des  Mittelmceres. 

Aufsammlungen  im  Siakuhgebirge,  südöstlich  von  Teheran,  die 
tieferen  Theile  der  I.  Stufe  nachgewiesen.^^ 

Ausdrücklich  hebt  Fuchs  hervor,  dass  die  Conchylienfauna 
vom  Siakuhgebirge  noch  vollständig  das  Gepräge  einer  mediter- 
ranen Tertiärfauna  trägt.  So  wie  Tchihatchefif  betont,  dass  auch 
die  nördlichsten  dieser  Ablagerungen  in  keinem  Zusammenhange 
stehen  mit  den  Ufern  des  Schwarzen  Meeres,  betont  auch  Tietze, 
dass  an  dem  kaspischen  Abhänge  des  Alburs  weder  diese  Ab- 
lagerungen, noch  die  sofort  zu  erwähnende  Salzformation  der  Süd- 
seite getroffen  worden  sind.^^  — 

Die  oligocänen  Ablagerungen  vom  Horizonte  von  Castel 
Gomberto  sind  in  Westindien  bekannt;  sie  erscheinen  wieder  in 
Südeuropa;  wir  kennen  sie  durch  Abich  aus  Armenien. 

In  gleicher  Weise  reicht  die  erste  Mediterranstufe  von  den 
Azoren  und  Madeira  nach  Europa  und  bis  nach  Persien.  Sie  greift 
von  der  atlantischen  Küste  in  die  Bucht  der  Garonne  zwischen 
dem  Centralplateau  und  dem  Nordrande  der  Pyrenäen,  ohne,  wie 
es  scheint,  auf  diesem  Wege  bis  in  das  heutige  Gebiet  des  Mittel- 
meeres vorzudringen.  Dagegen  ist  ihr  die  andalusische  Strasse 
zwischen  der  betischen  Cordillere  und  der  iberischen  Meseta  offen- 
gestanden, und  vielleicht  gab  es  noch  eine  südlichere  Verbindung 
über  Fäs.  Dieses  Meer  trat  nun  von  Süden  her  an  das  französische 
Centralplateau,  reichte  bis  in  das  Gebiet  eines  grossen  Theiles 
des  heutigen  Juragebirges,  hatte  nach  Norden,  wo  heute  das 
Rheinthal  eingesenkt  ist,  wahrscheinlich  eine  brackische  Auswei- 
tung, bespülte  die  schwäbische  Alb  und  den  Jurakalkstein  von 
Passau,  umgürtete  die  böhmische  Masse  und  reichte,  dem  äusseren 
Abhänge  des  Mannhart,  dann  dem  Gehänge  des  devonischen  Ge- 
birges nördlich  von  Brunn  folgend,  bis  an  die  Nordgrenze  von 
Mähren. 

Grosse  Veränderungen  sind  seither  eingetreten;  vom  Golf 
von  Lyon  bis  in  die  Nähe  von  Salzburg  sieht  man  die  Ablage- 
rungen dieses  Meeres  eingefaltet  in  den  vorwärts  bewegten  Saum 
der  Alpen,  und  die  Umgestaltung  der  Gebirge  ist  eine  so  ge- 
waltige   gewesen,    dass    heute    nur    sehr    vereinzelte    Züge    des 

« 

damaligen   Zustandes    zu    erkennen    sind.     Immerhin    mag   man 
sehen,    dass  dieses  Meer  gegen  Ost  bis  Siebenbürgen   reichte 


Der  Schlier.  397 

und  dass  seine  Ablagerungen  in  den  nordafrikanischen  Küsten- 
gebirgen, in  Italien,  auf  Sicilien  und  Malta  vertreten  sind.  Sie 
fehlen  aber  der  Balkanhalbinsel,  dem  Pontus  und  dem  westlichen 
Kleinasien. 

An  der  Südseite  Kleinasiens  treten  sie  wieder  auf  und  wurden 
in  einzelnen  Schollen  nordwärts  bis  in  das  Thal  des  Jeschil-Irmak 
und  bis  an  den  Oberlauf  des  Euphrat,  von  dort  über  den  Urmia- 
See  bis  auf  das  iranische  Hochland  verfolgt. 

In  welchem  Grade  nun  auch  in  untergeordneten  Theilen 
unsere  Anschauungen  über  diesen  Gegenstand  Erweiterungen 
und  Berichtigungen  erfahren  mögen,  so  mag  doch  aus  den  An- 
strengungen so  vieler  Eorscher  die  Erfahrung  als  ein  gesichertes 
Ergebniss  geschöpft  werden,  dass  zu  jener  Zeit,  in  welcher  unsere 
Meeresfauna  zum  ersten  Male  in  ihren  Hauptzügen  das  Gepräge 
der  heutigen  Mittelmeerfauna  annahm,  dieses  Meer  das  heutige 
Gebiet  der  Alpen  umfasste  und  bis  weit  über  Teheran  nach  Osten 
reichte. 

Unter  welchen  Wandelungen  sich  aber  die  Umgestaltung 
aus  dieser  ersten  Phase  bis  zu  dem  heutigen  Zustande  des  Mittel- 
meeres sich  vollzog,  wollen  wir  nun  weiter  verfolgen. 

Der  Schlier.  Es  ist  einer  der  bemerkenswerthesten  Ab- 
schnitte in  der  Vergangenheit  des  Mittelmeeres,  welcher  jetzt  zu 
besprechen  ist.  Die  grosse  erste  Ausbreitung  des  Mittelmeeres 
mit  ihren  mannigfaltigen  Ablagerungen  von  Thon,  Sand  und  Kalk- 
sedimenten, welche  eine  weitgehende  Sonderung  der  zur  Ablage- 
rung gelangenden  Stoffe  erweist,  ist  vorüber,  und  an  ihre  Stelle 
tritt  ein  Meer,  welches  über  ausserordentlich  weite  Strecken  gleich- 
förmigen, blaugrauen,  häufig  mit  kleinen  GHmmerblättchen  durch- 
streuten Schlamm  niederlegt,  aus  welchem  eine  wenig  plastische, 
bald  etwas  schiefrige,  bald  derbe  und  harte,  mergelige  Molasse 
geworden  ist,  welche  in  Oberösterreich  mit  dem  Worte  , Schlier' 
bezeichnet  wird.  Häufig  sind  von  Oberösterreich  bis  nach  Galizien 
dieser  Molasse  grosse  linsenförmige  Massen  von  rein  gewaschenem, 
losem  Kies  eingelagert;  im  Apennin  erscheinen  ähnliche  Ein- 
schaltungen von  Serpentinsand.  Reine  Kalklagen  fehlen  gänzlich; 
dafür  ist  der  Schlier  oft  von  Jod-  oder  Bitterquellen,  von  Gyps- 


398  Der  Schlier. 

oder  Salzflötzen,  ja  bei  Kalusch  am  Nordrande  der  Karpathen 
sogar  von  jenen  Kalisalzen  begleitet,  welche  das  Product  einer 
sehr  weit  vorgeschrittenen  Verdampfung  des  Meerwassers  sind. 

Allenthalben  ist  dieses  Glied  von  derselben  Fauna  begleitet, 
welche  ein  eigenthümliches  Gepräge  besitzt.  Aturia  Aturi,  Soleno- 
mya  Doderleini,  Axinus  angulatus,  Pecten  denudatus,  Spatangus 
austriacus  gehören  zu  den  bezeichnendsten  Formen;  die  Korallen 
sind  fast  nur  durch  Einzelkorallen  vertreten ;  zuweilen  erscheinen 
grosse  Schaaren  von  Pteropodenschalen. 

Dieses  wichtige  und  durch  die  Beständigkeit  so  vieler  Merk- 
male ausgezeichnete  Glied  der  Tertiärformation  ist  sonderbarer 
Weise  den  älteren  Beobachtern  entgangen. 

Im  Jahre  1852  beschrieb  C.  Ehrlich  in  Linz  den  Schlier  von 
Ottnang  in  Oberösterreich.^  Im  folgenden  Jahre  veröffentlichte 
M.  Hörnes  eine  Liste  der  Conchylien  von  Ottnang  und  hielt  sie 
im  Wesentlichen  für  übereinstimmend  mit  jenen  des  Tegels  von 
Baden  bei  Wien,  also  mit  den  Tiefwasserbildungen  der  IL  Me- 
diterranstufe.^^  Im  Jahre  1866  identificirte  ich  mit  dem  Schlier 
von  Ottnang  den  durch  Fischschuppen  ausgezeichneten  blau- 
grauen Mergel  der  ausseralpinen  Niederung  von  Wien,  und  konnte 
bereits  gezeigt  werden,  dass  derselbe  ein  selbständiges,  der 
I.  Mediterranstufe  aufgelagertes  Glied  der  Tertiärformation  sei, 
welchem  die  Bitterquellen  vonLaa  in  Niederösterreich  und  manche 
ähnliche  Vorkommnisse  angehören;  endlich  konnte  bereits  die 
Vermuthung  ausgesprochen  werden,  dass  im  Norden  die  berühm- 
ten Salzflötze  von  Wieliczka  hieher  zu  zählen  seien.^* 

Nachdem  an  mehreren  anderen  Punkten  in  Oesterreich  und 
Ungarn  der  Schlier  mit  denselben  Merkmalen  wiedererkannt  wor- 
den war,  kündigte  Th.  Fuchs  im  Jahre  1872  die  überraschende 
Beobachtung  an,  dass  der  österreichische  Schlier  in  Italien  auf- 
trete, und  nicht  lange  darauf  zeigte  derselbe,  dass  die  mächtigen 
Molasseberge,  welche  in  kühnen  Formen,  vom  Reno  durchrissen, 
den  Aussenrand  des  Apennin  oberhalb  Bologna  bilden,  dieselben 
bezeichnenden  Fossilien,  wie  Aturia  Aturi,  Solenomya  Doder- 
leini, Pecten  denudatus  u.  s.  w.  führen  und  dieselbe  tektonische 
Stelle  einnehmen  wie  der  Schlier  an  dem  Aussenrande  der  Kar- 
pathen.^ Im  Jahre  1876  endlich  lieferte  Fuchs  nach  einem  Besuche 


Schlier  in  Üebterreich.  399 

der  Inseln  Malta  und  Gozzo  den  Nachweis,  dass  auch  dort  zwi- 
schen der  I.  und  IL  Mediterranstufe  thonige  und  mergelige 
Schichten  mit  Aturia  Aturi,  Pecten  denudatus  und  anderen 
bezeichnenden  Fossilien  des  Schlier  auftreten. ^°  Nachdem  nun 
Rud.  Hörnes  für  den  Norden  ^^  und  Manzoni  für  die  Gegend  von 
Bologna  ^^  in  paläontologischen  Arbeiten  diese  Angaben  bestä- 
tigt hatten,  konnte  man  erkennen,  dass  nicht  nur  am  Nordrande 
der  Ostalpen,  sondern  vom  Nordrande  der  Karpathen  bis  Malta 
zwischen  die  I.  und  II.  Stufe  der  Schlier  als  ein  selbständiges, 
fremdartiges,  einförmiges  Schichtgebilde  mit  besonderen  Merk- 
malen eingeschaltet  sei.'^ 

Die  Verbreitung  ist  nach  den  heutigen  Erfahrungen  die  fol- 
gende. 

Der  Schlier  beginnt  in  den  östlichsten  Theilen  Bayerns.  Er 
reicht  in  Oberösterreich,  von  den  jüngeren  Bildungen  der  Ebene 
bedeckt,  vom  Saume  der  Alpen  bis  an  den  Rand  der  böhmischen 
Masse.  Er  bildet  ebenso  weiter  im  Osten  den  Untergrund  der 
Ebene  von  der  Südspitze  der  böhmischen  Masse  bis  zu  den  Alpen, 
liegt  östlich  von  Krems  unmittelbar  auf  granitischen  Ausläufern, 
und  bei  Grübern  südlich  von  Meissau  unmittelbar  auf  den  ober- 
sten Theilen  der  I.  Mediterranstufe.  Wo  diese  abgewaschen  ist, 
schliesst  er  sich  an  das  Urgebirge ;  er  erstreckt  sich  dann,  viel- 
fach von  Schollen  der  II.  Stufe  bedeckt,  über  die  heutige  euro- 
päische Wasserscheide,  bildet  den  grössten  Theil  der  Hangend- 
schichten der  Kohlenfelder  von  Ostrau  und  greift  von  da  gegen 
Troppau  und  nach  Preussisch-Schlesien  hinüber.  Zahlreich  sind, 
von  den  Jodquellen  von  Hall  in  Oberösterreich  angefangen,  die 
Spuren  verschiedener  DIssociationsproducte  des  Meeres,  und 
wo  der  Schlier  selbst  ohne  Decke  auf  grössere  Strecken  zu  Tage 
liegt,  bildet  er  oft  von  weissen  Efflorescenzen  bedeckte,  wasser- 
dichte, nur  Salzpflanzen  ernährende  Stellen,  die  sogenannten  Nass- 
gallen. Die  eingeschwemmten  Linsen  von  Kies  in  dem  Hangend- 
gebirge von  Ostrau  zeigen  sich,  wenn  sie  zuerst  angefahren  werden, 
erfüllt  von  leicht  gesalzenem  oder  jodhaltigem  Wasser;  dies  ist 
z.  B.  die  Grundlage  des  Jodbades  zu  Gotschalkowitz.  In  Schlesien 
mehren  sich  Gypslager  und  schwach  gesalzene  Quellen. 

Betrachten  wir  nun  den  Rand  des  Gebirges. 


ipO  Wieliczka. 

Wo  im  Westen  an  der  Salzach  die  I.  Mediterranstufe  ver- 
schwindet, schliesst  sich  der  Schlier  an  den  Saum  der  Flyschzone, 
und  er  zeigt  sich  an  jenen  wenigen  Stellen,  an  welchen  er  eine 
Beobachtung  gestattet,  gefaltet  und  aufgerichtet.  So  zieht  der- 
selbe nach  Osten  fort.  Bei  Staats  in  Niederösterreich  bildet  er  ein 
sichtbares  Gewölbe  zwischen  der  Linie  der  versunkenen  Flysch- 
zone und  einem  vorliegenden  Riffe  von  Jurakalk.  In  der  Gegend 
von  Seelowitz  in  Mähren  ist  er  so  gut  aufgeschlossen,  dass  Rzehak 
einzelne  untergeordnete  Glieder  in  demselben  zu  unterscheiden 
versuchen  konnte.^* 

Nun  überschreiten  wir  das  bereits  erwähnte  Kohlengebiet 
von  Ostrau  und  treffen  endlich,  dem  Saume  der  Flyschzone  fol- 
gend, zunächst  das  grosse  Salzlager  von  Wieliczka,  dessen  Faltung 
bereits  an  früherer  Stelle  besprochen  worden  ist  (S.  286).  Pecten 
denudatus,  Solenomya  Doderleini  und  allerdings  daneben  auch 
viele  andere  Meeresthiere,  welche  in  die  Ablagerungen  der  zweiten 
Mediterranstufe  aufsteigen,  sind  als  Begleiter  des  Salzes  bekannt. 
Die  Salzablagerungen  folgen  durch  ganz  Galizien  und  die  Buko- 
wina in  einer  etwa  30  Kilom.  breiten  Zone  dem  Fusse  des  Ge- 
birges und  an  mehr  als  zweihundert  Stellen  verräth  sich  der  Salz- 
gehalt durch  Aufschlüsse  oder  Quellen. ^^ 

Dem  Vorlande  fehlen  nicht  die  flach  gelagerten  Fortsetzungen 
dieser  gefalteten  Zone.  Wie  aus  den  Beobachtungen  von  Kontkie- 
wicz  hervorgeht,  liegt  nördlich  von  der  Weichsel,  in  dem  südöst- 
lichen Theile  des  Königreiches  Polen,  über  der  Kreide  eine 
Schichte  von  grauem  Mergel  mit  Ostrea  cochlear,  Pecten  cristatus 
und  Pecten  Coheni,  und  über  dieser  folgt  Gyps.  Diese  Pecten- 
und  gypsreiche  Serie  ist  als  das  Aequivalent  der  karpathischen 
Salzzone  zu  betrachten. ^^ 

Dieselbe  Schichtfolge  zeigt  sich  nach  Lomnicki  sowohl  bei 
Lemberg,  als  auch  durch  den  ganzen  mittleren  Theil  von  Ost- 
galizien;  Hilber's  genaue  Studien  zeigen,  dass  unter  dem  Gyps 
Pecten  denudatus  und  Pecten  Coheni  des  Schlier  mit  einer  Anzahl 
in  die  IL  Stufe  aufsteigender  Arten  liegen,  und  über  dem  Gyps 
ist  die  II.  Mediterranstufe  abgelagert.^^ 

Die  Salzzone  der  Karpathen  setzt  von  der  Südgrenze  der 
Bukowina  durch  die  Moldau  fort^*^  und  noch  nördlich  von  Ploesci 


Schlier  in  Galizien.  4^^ 

in  der  Wallachei  liegt  Steinsalz  im  Schlier  an  dem  hier  gegen  Süd- 
ost gewendeten  Rande  des  Gebirges. ^^  Westlich  davon  lehnen 
sich  jüngere  Schichten  an  den  Südrand  des  Fogarascher  Gebirges 
und  die  Salzzone  ist  verschwunden.*'' 

Es  erstreckt  sich  demnach  die  Zone  von  Meeresablagerungen, 
welche  durch  Dissociationsproducte  verschiedener  Art  ausgezeich- 
net sind,  von  den  Jodcpellen  von  Hall  durch  ganz  Niederöster- 
reich und  Mähren  nach  Schlesien  und  bildet  eine  gewaltige  salz- 
reiche  Zone  an  dem  ganzen  Aussenrande  der  Karpathen  bis  in  die 
Wallachei  hinab.  Im  Flachlande  entspricht  dieser  Zone  im  süd- 
westlichen Polen  und  den  benachbarten  Theilen  Galizien's  der 
Gyps.  Einige  leicht  kennbare  Fossilien,  wie  Fecten  denudatus  und 
Pecten  Coheni,  welche  nur  aus  dem  Schlier  bekannt  sind,  zeigen 
den  Zusammenhang  dieser  flach  gelagerten  Schichten  mit  den 
gefalteten,  subkarpathischen  Salzschichten.  Im  Sandomirer  Ge- 
birge und  westlich  davon  ist  ein  kleiner  Theil  der  Nordgrenze 
dieser  Ablagerungen  erkennbar ;  im  Osten  kennt  man  das  Ufer 
nicht;  es  mag  wohl  ein  Flachufer  auf  der  russischen  Platte  gewesen 
sein.  — 

Wir  verkissen  die  Karpathen  und  kehren  nochmals  gegen 
Westen  zurück. 

Gegen  das  Ende  des  Zeitabschnittes,  in  welchem  diese  salz- 
reichen Ablagerungen  gebildet  wurden,  oder  unmittelbar  nach 
demselben  sind  an  dem  östlichen  Rande  der  Alpen  sehr  grosse 
tektonische  Ereignisse  eingetreten.  Um  diese  Zeit  wurde,  wie  wir 
an  früherer  Stelle  bemerkten  (S.  178),  durch  das  Einsinken  des 
Verbindungsstückes  zwischen  Alpen  und  Karpathen  die  inner- 
alpine Niederung  von  Wien  gebildet  und  jene  Strasse  über  das 
Alpensystem  geschaffen,  durch  welche  heute  die  Donau  einen 
so  grossen  Theil  der  alpinen  Wässer  zum  Schwarzen  Meere 
führt.  In  derselben  Zeit  entstanden  die  beiden  grossen  Senkungs- 
felder von  Landsee  und  Gratz,  und  der  heutige  Ostrand  der 
Alpen  bis  zum  Bachergebirge  in  Südsteiermark  hinab.  In  die- 
sem weiten  Gebiete  ist  denn  auch  der  Schlier  nicht,  oder  doch 
noch  nirgends  mit  voller  Sicherheit  bekannt.  Die  nächst  jün- 
geren Bildungen  sind  es,  welche  sich  hier  dem  Bruchrande  an- 
schliessen. 


^.02  Schlier  in  Siebenbürgen. 

Dasselbe  gilt  nach  R.  Hörnes  für  den  oberen  Theil  der  Save- 
niederung/' 

Südlich  vom  Bacher  ist  dagegen  eine  breite  Zone  ostwestlich 
streichender  Falten  vorhanden,  welche  weit  ostwärts  in  die  Niede- 
rung vortreten,  und  hier  trifft  man  auch  die  I.  Mediterranstufe 
und  den  Schlier. 

Der  Schlier  ist  in  der  weiten  pannonischen  Ebene  gleichfalls 
zur  Ablagerung  gekommen.  So  hat  auch  in  jenem  grossen  und 
merkwürdigen  Profile  der  Tertiärablagerungen  bei  Zsibö,  wo  der 
Szamosfluss  aus  dem  siebenbürgischen  Kessel  nach  Ungarn  her- 
übertritt, K.  Hofmann  den  Schlier  mit  Aturia  Aturi  den  Meeres- 
ablagerungen der  I.  Stufe  aufgelagert  angetroffen/''  Innerhalb 
des  grossen  Kessels  aber  sieht  man  eine  mächtige,  rings  um 
den  Fuss  der  einfassenden  Gebirge  hinlaufende  Zone  von  Salz. 
An  Hunderten  von  Orten  verräth  sie  sich  durch  zu  Tage  stehendes 
Salz  oder  durch  salzige  Quellen,  und  die  Spuren  in  der  Mitte  des 
Landes  zeigen,  dass  diese  Zone  nur  der  Rand  eines  salzreichen 
Horizontes  ist,  welcher  durch  die  Tiefe  des  ganzen  transsylvani- 
schen  Kessels  sich  wie  eine  Schale  fortsetzt.^*^ 

Höchst  merkwürdig  muss  um  jene  Zeit  die  Beschaffenheit 
dieses  Landstriches  gewesen  sein.  Obwohl,  die  Salzzone  der  Mol- 
dau an  dem  äusseren  Gehänge  der  Karpathen  gefaltet  ist  und  auch 
die  ähnlichen  Bildungen  im  östlichen  Siebenbürgen  eine  grosse 
Störung,  Posepny's  Salinarlinie  von  Farajd,  erkennen  lassen,  hat 
doch  bereits  das  Gebirge,  wenn  auch  nicht  in  seiner  heutigen  Aus- 
bildung, bestanden.  Dies  ergibt  sich  aus  dem  Umstände,  dass  ein 
Theil  der  karpathischen  Eruptivgesteine  älter  ist  als  der  Schlier. 
Dieses  Gebirge  war  an  beiden  Seiten  von  einem  Meere  umflossen, 
in  welchem  grosse  Salzmassen  sich  ablagerten.  Innerhalb  des 
Gebirges,  an  der  Ost-  und  Nordseite  des  Kessels  erhoben  sich 
grosse  Vulcane,  und  es  sind  einige  Anzeichen  vorhanden,  welche 
eine  Verbindung  beider  Salzmeere  in  der  Richtung  der  Quellen 
des  Altflusses  und  des  Ojtospasses,  also  im  südöstlichen  Theile 
des  Kessels  vermuthen  lassen.*^  — 

Der  Schlier  erscheint  in  Oberitalien  in  einzelnen  Schollen  über 
den  Schichten  von  Schio,  welche  der  ersten  Mediterranstufe  an- 
gehören. In  der  Nähe  von  Turin  überlagert  er,  südwärts  geneigt, 


Schlier  in  Italien.  4^3 

die  Schioschichten  von  Gasino  und  den  Serpentinsand  von  Turin, 
welcher  von  einzelnen  Beobachtern  als  dem  Schlier  selbst  an- 
gehörig betrachtet  wird.  An  dem  südwärts  gegenüber  gelegenen 
Rande  des  Apennin  und  bis  gegen  Acqui  und  Serravalle  heraus 
liegt  abermals  Schlier;  hier  ruht  er  unmittelbar  auf  dem  Flysch 
wie  in  den  Karpathen.  Der  Schlier  bildet  hier  die  Janghische* 
Stufe  (^tage  Langhien)  von  Pareto  und  Ch.  Meyer;  Th.  Fuchs  hat 
auch  hier  die  Uebereinstimmung  sichergestellt.  Aturia  Aturi, 
Solenomya  D.oderleini  und  viele  andere  Formen  des  Schlier  sind 
hier  angetroffen  worden,  doch  fehlen  Gyps  und  Salz/^ 

Nun  folgen  die  bereits  genanntenVorkommnisse  von  Bologna. 
Bei  Ancona  liegt  Schlier  und  andere  Schollen  folgen  längs  dem 
Aussenrande  des  Apennin/^  In  Sicilien  ist  der  Schlier,  welcher 
namentlich  im  südöstlichen  Theile  der  Insel  sehr  ausgebreitet  ist, 
von  Cafici  beschrieben  worden ;  auch  hier  trifft  man  Aturia  Aturi 
und  Solenomya  Doderleini;  die  II.  Mediterranstufe  überlagert 
denselben.'*^  Durch  ganz  Italien  sind  diese  Ablagerungen  häufig 
begleitet  von  pteropodenreichen  Schichten  wie  im  nördlichen 
Mähren.  Wie  sie  zwischen  der  I.  und  II.  Mediterranstufe  ihre 
Fortsetzung  auf  Malta  und  Gozzo  finden,  habe  ich  bereits 
erwähnt. 

Der  Schlier  folgt  daher  dem  Aussenrande  des  Apennin,  wie 
er  jenem  der  Karpathen  folgt,  und  er  greift  auch  flach  gelagert 
über  das  Vorland,  gegen  Ancona,  wie  gegen  das  südöstliche  Sici- 
lien und  gegen  Malta.  Um  so  bemerkenswerther  ist  der  Umstand, 
dass  mir  bis  heute  kein  sicherer  Nachweis  seines  Vorkommens  an 
der  Westseite  des  Apennin,  in  den  Einbrüchen  des  Gebirges  be- 
kannt ist,  und  es  liegt  hierin  eine  sehr  bemerkenswerthe  Ueberein- 
stimmung mit  den  Ostalpen.  Verlässt  man  aber  die  Region  dieser 
Einbrüche,  in  deren  nördlichstem  sich  westlich  von  Genua  und  bei 
Savona  die  III.  Mediterranstufe  hart  an  den  Bruch  schmiegt,  so 
trifft  man  bei  Vence,  nordöstlich  von  Nizza,  wieder  den  typischen 
Schlier  mit  Pecten  denudatus  u.  s.  w.  Tournouer  hat  ihn  richtig 
erkannt.  Der  Schlier  lagert  dort  als  , Molasse  grise*  auf  der  , Mo- 
lasse jaune  de  Vence*,  welche  Tournouer  den  Ablagerungen  von 
Gauderndorf,  also  einem  Gliede  der  I.  Stufe,  mit  Recht  gleich- 
stellt. Diese  Stelle  gehört  bereits  dem  westlichen  Rande  der  Alpen 


404  Schlier  bei  Nizza. 

an  und  kann  als  ein  äusserstes  Glied  der  Ablagerungen  der  Rhöne- 
bucht  angesehen  werden.®^  — 

So  weit  reichen  zuverlässige  Nachweise. 

Es  ist  möglich  zu  erkennen,  dass  vom  östlichen  Bayern  bis 
Schlesien  und  aussen  rings  um  die  Karpathen  bis  in  die  Wallachei, 
dann  über  einen  grossen  Theil  Ungarns  bis  nach  Siebenbürgen, 
durch  einen  Theil  der  Südalpen,  bei  Turin,  dann  rings  um  den 
äusseren  Rand  des  Apennin  bis  Sicilien  und  Malta,  endlich  in 
dem  südwestlichsten  Theile  der  Alpen  bei  Vence  eine  eigenthüm- 
liche,  fast  immer  graue  und  mergelige  Meeresbildung  sich  zwi- 
schen die  I.  und  11.  Mediterranstufe  einschaltet,  welche  durch 
fremdartige  Merkmale  sich  von  beiden  unterscheidet.  Ihre  Fauna 
hat  viele  mit  den  höheren  oder  tieferen  Meeresablagerungen  über- 
einstimmende Arten,  und  dennoch  ist  das  Gepräge  ein  so  eigen- 
thümliches,  dass  selten  ein  Zweifel  über  die  Zugehörigkeit  irgend 
einer  Stelle  bleibt.  Wenn  z.  B.  bei  Ottnang  in  Oberösterreich  der 
glatte  Pecten  denudatus  mit  Aturia  Aturi  in  blaugrauem  Mergel 
erscheint  und  derselbe  Pecten  in  ähnlichem  Mergel  auf  Malta  oder 
bei  Vence  sich  wiederholt,  mahnt  dies  eher  an  die  Gleichförmig*- 
keit  jurassischer  Stockwerke,  als  an  die  Mannigfaltigkeit  tertiärer 
Ablagerungen. 

Die  grossen  Salzstöcke  von  Wieliczka  und  Bochnia,  von 
Parajd,  Ddesakna,  Thorda,  von  Maros-Ujvär,  Vizakna  und  so 
viele  andere,  die  jod-  und  zuweilen  auch  bromhaltigen  Heilquellen 
von  Hall,  Luhatschowitz,  Darkau,  Gotschalkowitz  u.  a.,  die  Bitter- 
brunnen von  Laa,  Seelowitz  u.  a.  stehen  alle  in  dem  versalzenen 
nördlichen  Theile  dieses  Meeres,  aber  wir  können  die  gleich- 
zeitigen Sedimente  desselben  bis  nach  Südfrankreich  und  Malta 
erkennen. 

Nun  zeigt  sich  aber,  dass  in  Lycien,  wo  wir  bereits  die  I. 
und  II.  Mediterranstufe  erkannt  haben,  der  Schlier  wahrscheinlich 
auch  vorhanden  ist.  Herr  Fuchs  hat  die  Güte,  mir  mitzutheilen, 
dass  unter  den  von  F".  v.  Luschan  auf  dem  Wege  von  Assa-Altü  nach . 
Kassaba,  an  dem  Steilrande  der  Ebene  von  Kassaba,  gesammel- 
ten Stücken  auch  solche  mit  den  Merkmalen  des  vSchlier  erschei- 
nen. In  hartem,  lichtgrauem  Thonmergel,  welcher  durch  Ueber- 
häufung  mit  Rhizopodenschalen  ein  griesartiges  Aussehen  erhält. 


Salz  in  Persien. 


405 


liegen  zahlreiche  Versteinerungen.  ,Die  Beschaffenheit  des  Ge- 
steins, sowie  das  häufige  Vorkommen  von  Aturia  Aturi  sprechen 
für  Schlier,  mit  welcher  Voraussetzung  auch  die  übrigen  Fossilien 
sehr  gut  übereinstimmen,  mit  Ausnahme  je  eines  grossen  Exem- 
plars von  Conus  extensus  und  Fasciolaria  Tarbelliana,  welche 
mehr  für  den  Horizont  von  Grund  oder  Gainfahrn  (IL  Mediterran- 
stufe) sprechen  würden/ ^^ 

Durch  diesen  Fund  wird  man  zu  der  noch  ungelösten  Frage 
geführt,  ob  etwa  die  weiten  Salzlager  Persiens  ebenfalls  von  dem 
Alter  der  karpathischen  Salzablagerungen  seien.  Aus  dem  öst- 
lichen Kleinasien  und  aus  Armenien  zieht  durch  Azerbedjan  eine 
tertiäre,  der  I.  Mediterranstufe  nachfolgende,  salz-  und  gyps- 
reiche  Ablagerung  gegen  Südost  und  setzt  sich  durch  das  ganze 
nördliche  Persien  ostwärts  am  Rande  der  Wüste  fort;  sie  reicht 
nach  Chorassan  weit  hinein  und  nach  vereinzelten  Nachrichten 
dringt  sie  sogar  bis  Herat  vor.  Sie  ist  auch  in  einzelnen  Theilen 
des  südlichen  Persien  bekannt  und  bildet  ferner  einen  zusammen- 
hängenden Saum  an  dem  westlichen  Rande  der  gegen  Südost 
streichenden  Ketten  des  Zagros.  Dieser  Saum  reicht  aus  Kur- 
distan durch  das  ganze  Tigristhal  hinab,  und  die  Salzlager  west- 
lich von  Shiraz,  sowie  jene  der  Inseln  Kishm  und  Hormuzd  fallen 
demselben  zu.  Dies  ist  die  ,Gypsiferous  Series*  von  Loftus.^ 

Abich,  welcher  bereits  vor  längerer  Zeit  die  Einheit  dieser 
grossen  mitteltertiären  Salz-  und  Gypsablagerung  behauptete,^' 
erinnert  in  seiner  Darstellung  der  Tertiärformation  in  Armenien 
und  Azerbedjan  an  die  Gajstufe,  d.  i.  gypsreiche  Stufe,  welche  im 
südlichen  Sind  in  der  mittleren  Tertiärformation  erscheint. 

Dr.  Wähner  theilt  mir  mit,  dass  er  auf  der  Reise  von  Kazwin 
nach  Hamadan  zuerst  bei  Hissar,  nördlich  vom  Karaghangebirge, 
dann  bei  Käbutärchan,  südlich  von  diesem  Gebirge  den  petre- 
factenreichen  Orbitoidenkalkstein,  welcher  die  Basis  der  I.  Medi- 
terranstufe bildet,  getroffen  hat,  und  beide,  etwa  vier  Tagereisen 
von  einander  entfernte  Zonen  bestehen  aus  i^efalteten  und  auf- 
gerichteten  Schichten.  Zwischen  beiden  Zonen  liegt  das  ebenfalls 
steil  gefaltete  Salzgebirge. 

Tietze,  welcher  sowohl  die  karpathischen,  als  auch  die  persi- 
schen Salzlatrer  aus  eigener  Anschauung"  kennt,  hält  die  letzteren 


Die  Kirchberger  Schichten.  4^7 

Weiter  gegen  West,  vom  Randen  bis  Kirchberg  a.  d.  Hier, 
auf  dem  Hochsträss  bei  Ulm  und  bis  gegen  Dillingen  herab,  also 
am  Oberlaufe  der  Donau  und  ein  klein  wenig  darüber  hinaus  bis 
in  den  Canton  Schafifhausen,  kennt  man  seit  längerer  Zeit  eine 
Süsswasserbildung  unter  dem  Namen  der  Kirchberger  Schich- 
ten. Oncophora  socialis,  Unio  Eseri,  Cardium  solitarium  gehören 
zu  den  häufigsten  Formen.  Bei  Ehingen  liegen  nach  Sandberger 
diese  Schichten  unmittelbar  auf  der  Meeresmolasse,  folglich  auf 
der  I.  Mediterranstufe,  und  werden  von  Süsswasserschichten  mit 
Helix  sylvana  überlagert. 

Man  hat  diesen  Horizont  in  der  Nähe  der  Donau  noch  nicht 
weiter  stromabwärts  zu  verfolgen  vermocht,  aber  er  wiederholt 
sich,  wie  Rzehak  gezeigt  hat,  in  der  Nähe  von  Brunn.  Gerade 
dort,  wo  das  Zwittawathal  und  mit  demselben  jener  grosse  Bruch 
die  Ebene  erreicht,  welcher  die  Sudeten  von  der  böhmischen 
Masse  trennt,  tritt  eine  Anhäufung  von  Sand  hervor,  welche  die 
genannten  Conchylien  der  Kirchberger  Schichten  enthält,  und,  von 
den  ersten  Spuren  der  neuen  Meeresfauna  begleitet,  zwischen  den 
Schlier  und  die  nun  folgenden,  mannigfaltigen  Sedimente  der 
II.  Mediterranstufe  sich  einschiebt.^-' 

Unterdessen  hat  sich  der  neue  Bruchrand  der  Ostalpen  ge- 
bildet, von  Wien  durch  Steiermark  bis  zum  Bachergebirge  hinab, 
aber  es  ist  nicht  das  Meer,  welches  sofort  die  neuen  Senkungen 
in  Besitz  nimmt,  sondern  es  lagern  sich  zunächst  Braunkohlenflötze 
an  die  Brüche,  mit  einer  reichen  Landflora  und  Landfauna,  der- 
selben, welche  in  der  Schweiz  in  der  oberen  Süsswassermolasse 
und  in  der  Kohle  von  Winterthur,  im  südlichen  Frankreich  in  dem 
Süsswasserkalke  von  Sansans  angetroffen  wird.  Dies  ist  die  Stufe 
der  Lignite  von  Pitten  bei  den  österreichischen  Geologen. 

Es  folgt  ihnen  nun  das  allenthalben  hereintretende  Meer.  Die 
ersten  Lagen,  welche  es  absetzt,  haben  nicht  selten  brackische 
Beimengungen;  Melanopsiden  erscheinen  stellenweise  in  Menge 
unter  den  Meeresconchylien.  Diese  tieferen  Abtheilungen  der 
II.  Mediterranstufe,  in  welchen  Pyrula  cornuta  und  Cerithium  ligni- 
tarum^^  zu  den  häufigsten  Vorkommnissen  gehören,  hat  man  in 
neuester  Zeit  als  ein  selbständiges  Glied  ausgeschieden,  und  die 
, Schichten  von  Grund*  genannt.    Ich  habe  sie  hier  vorläufig, 

Suoss,  Das  Antlitz  der  Krdc.  27 


408  n.  Mediterranstufe  im  Westen. 

und  ohne  hiemit  ein  bestimmtes  Urtheil  über  die  Abtrennung  aus- 
sprechen zu  wollen,  zugleich  mit  den  übrigen  Meeresablagerungen 
der  n.  Stufe  besprochen. 

Wir  beginnen  an  der  atlantischen  Küste. 

Die  IL  Mediterranstufe  greift  in  die  Bucht  der  Garonne  ein 
und  ihr  gehören,  wie  wir  bereits  sahen,  dort  die  Faluns  von  Salles 
und  Saubrigues  an.  Eine  Süsswasserbildung  trennt  sie  von  der 
I.  Stufe.  Das  Meer  breitet  sich  in  der  Touraine  übergreifend  aus. 
und  bildet  dort  eine  weite  Bucht,  in  welche  bisher  mediterrane 
Bildungen  nicht  vorgedrungen  waren. 

Bei  Lissabon  erscheint  dieselbe  Stufe;  Pereireia  Gervaisi,  ein 
sehr  fremdartiger  Gastropode,  gehört  ihr  ani  Die  Ablagerungen 
begleiten  die  portugiesische  Küste  und  treten  in  die  Bucht  des 
Guadalquivir;  sie  erscheinen  dann  an  der  mittelländischen  Küste 
Spaniens  bei  Barcelona  und  an  vielen  anderen  Punkten. 

Sie  fehlen  nicht  in  Marokko,  noch  an  den  nordafrikanischen 
Küsten,  noch  auf  Sardinien,  Corsica  und  den  Balearen.  Sie  drin- 
gen in  die  Rhonebucht  vor  und  gehen  in  derselben  nordwärts  in 
Htorale  Ablagerungen  mit  Nassa  Michaudi  über,  folgen  aber 
nicht  der  I.  Stufe  in  das  Gebiet  der  Schweizer  Alpen. 

Sehr  beachtenswerth  ist  die  Art  ihres  Auftretens  in  Italien. 
Sie  erscheinen  nämlich  in  dem  nördlichen  Theile  der  inneren 
Senkungsfelder  des  Apennin,  wo  der  Kalk  von  Rosignano  dieser 
Stufe  zufallt,  während  die  südlicheren  Einsturzgebiete  von  jün-- 
gerer  Entstehung  sind.  Zugleich  sind  sie  in  reichlicher  Entwick- 
lung an  dem  äusseren  Saume  des  Apennin  vorhanden;  dort 
werden  sie  die  ,tortonische  Stufe'  genannt  und  liegen  auf  dem 
Schlier,  wie  dies  auch  in  Sicilien  und  auf  Malta  der  Fall  ist. 

Diese  Ablagerungen  müssen  auch  tief  in  das  Gebiet  der 
heutigen  Südalpen  hineingereicht  haben;  in  dem  grossen  Graben- 
bruche an  der  Südstirn  der  Cima  d'Asta  liegt  am  M.  Civerone 
eine  abgerissene  verticale  Scholle  derselben  mit  Lignit,  mit 
Cerithium  lignitarum,  Panopaea  u.  A.  eingekeilt  zwischen  den 
Massen  des  Triaskalkes. 

Sie  treten  nicht  nur  in  Südsteiermark  hart  an  den  Bruch  der 
Alpen,  sondern  dringen  auch  dort  in  die  Alpen  ein  und  erreichen, 
mit  ihren  bezeichnenden  Conchylien  erfüllt,  das  Lavantthal  in  den 


II.  Mediterranstufe  bei  Wien.  400 

Kärntner  Alpen.  Von  dem  Bruchrande  der  Alpen  dehnen  sie 
sich  weit  über  die  pannonische  Ebene  aus.  In  dem  südwestlichen 
Theile  dieser  Ebene  tritt  die  sonderbare  Pereirea  Gervaisi  von 
Lissabon  wieder  auf. 

Ebenso  ist  diese  Stufe  bei  Belgrad  bekannt;  dort  reicht  sie 
in  das  Thal  der  Morawa;  sie  erscheint  ferner  innerhalb  des  Ge- 
birges bei  Bahna  in  der  Nähe  des  Eisernen  Thores,  und  an  dem 
Fusse  der  blutgetränkten  Hügel  von  Plewna  taucht  nach  dieser 
Richtung  die  letzte  bisher  bekannte  Spur  dieser  Ausbreitung  des 
Mittelmeeres  hervor.^^ 

Aus  dem  pannonischen  Becken  dringt  das  Meer  einerseits 
nach  Siebenbürgen  und  andererseits  durch  die  Lücken,  welche 
das  Leithagebirge  von  den  Alpen  im  Süden  und  von  den  Kar- 
pathen  im  Norden  trennt,  in  die  junge  alpine  Niederung  von  Wien 
und  zugleich  über  die  Reste  der  Flyschzone  in  das  ausseralpine 
Becken  vor. 

Bei  Wien  ist,  so  wie  in  Ungarn,  die  Mannigfaltigkeit  der  Ab- 
lagerungen, wie  der  Reichthum  der  Thierwelt  erstaunlich.  Der 
blaue  Thon  von  Baden  und  Vöslau  mit  seinen  Pleurotomen,  Einzel- 
korallen und  Pteropoden,  der  bivalvenreiche  Sand  von  Pötzleins- 
dorf,  die  Kalkbänke,  welche  von  Lithothamnien  aufgebaut  wurden, 
und  zwischen  ihnen  die  Mergel  von  Gainfahrn  und  Steinabrunn 
mit  Ancillaria  glandiformis  und  Venericardia  Jouannetti,  mit  ihrer 
Mannigfaltigkeit  von  Conus,  Cypraea,  Voluta,  Strombus  und  Can- 
cellaria,  die  groben  Strandconglomerate  mit  den  grossen  Cly- 
peastroiden,  Pectines  und  Austern,  da  und  dort  mit  den  Resten 
grosser  Korallenstöcke,  sie  sind  alle  die  Ablagerungen  desselben 
Meeres  und  in  demselben  die  Vertreter  verschiedener  Tiefenzonen. 
Dies  wurde  schon  vor  Jahren  behauptet  und  von  Th.  Fuchs  und 
F.  Karrer  durch  mühsame  Einzelstudien  festgestellt.^ 

In  dem  alpinen  Theile  der  Niederung  von  Wien  tritt  die 
IL  Mediterranstufe  als  Umrandung  auf  und  ist  von  jüngeren  Schich- 
ten überlagert,  welche  die  Mitte  der  Niederung  einnehmen.  An- 
ders ist  es  ausserhalb  des  alpinen  Theiles.  Die  Umrandung  be- 
schränkt sich  dort  fast  ganz  auf  einzelne  der  Juraklippen  und  weder 
an  dem  Aussenrande  der  alpinen  Flyschzone,  noch  an  jenem  der 

böhmischen  Masse  sieht  man  Anlagerungen  von  dem  Alter  dieser 

27* 


^  I O  n.  Mediterranstufc  in  Mähren. 

Stufe.  Sie  ist  durch  einzelne  blockförmige  oder  täfeiförmige 
Massen  vertreten,  welche  sich  über  dem  Schlier  aus  der  Ebene 
erheben,  als  Zeugen  einer  weitgehenden  Abspülung.  Ein  solcher 
Block  ist  der  Buchberg  bei  Mailberg.  Es  ist  schwer,  die  westliche 
Ausbreitung  des  Meeres  mit  Bestimmtheit  zu  ermitteln;  es  ist  je- 
doch sicher,  dass  solche  Ablagerungen  nicht  einmal  bis  zur  Donau- 
pforte der  Wachau  bei  Krems  sichtbar  sind,  während,  wie  wir 
früher  sahen,  der  Schlier  bis  über  die  bayrische  Grenze,  die  I.  Medi- 
terranstufe aber  rings  um  die  Alpen  bis  in  das  Rhonethal  reicht, 
wo  sie  etwa  von  Lyon  an  wieder  von  den  aus  Süden  vordringen- 
den Sedimenten  der  II.  Stufe  überlagert  wird.  Dies  sind  die  ersten 
Spuren  der  nun  mehr  und  mehr  zur  Geltung  gelangenden  und  bis 
zum  heutigen  Tage  so  bedeutungsvollen  hydrographischen  Ab- 
scheidung des  Donauthales  von  dem  westlichen  und  südlichen 
Europa.  — 

Obwohl  diese  Ablagerungen,  wie  gesagt,  sich  dem  äusseren 
Rande  der  böhmischen  Masse  nicht  anschmiegen,  und  an  diesem 
allenthalben  nur  der  Schlier,  die  I.  Stufe  oder  der  nackte  Fels 
sichtbar  sind,  dringen  sie  dennoch  aus  der  Nähe  von  Brunn  in 
einer  tiefen  Bucht  bis  nach  Böhmen  vor.  Diese  Bucht  endet  bei 
Wildenschwert,  Abtsdorf  und  Böhmisch-Trübau;  ihre  Länge  be- 
trägt etwa  85  Kilom.''^ 

Zwischen  Brunn  und  Olmütz  ist  eine  grössere  Anzahl  von 
blockförmigen  Abwaschungsresten  sichtbar,  deren  oberste  Tafel, 
wo  sie  aus  Lithothamnienkalk  besteht,  in  sehr  gleichförmiger  Weise 
die  Seehöhe  von  350 — 355  M.  zeigt.  Bei  Ruditz  unweit  von  Brunn 
erreichen  diese  Ablagerungen  jedoch  435  M.  und  gegen  das  Ende 
der  grossen  böhmischen  Bucht  bei  Abtsdorf  429  M.^  Ich  habe 
aus  zahlreichen  Messungen  die  Ansicht  gewonnen,  dass  der  da- 
malige Strand  etwa  440 — 450  M.  über  dem  heutigen  Strande  lag. 

Nun  überschreitet  diese  Stufe  die  europäische  Wasserscheide, 
stets  in  Schollen  dem  Schlier  aufgelagert  und  erscheint  in  der  Nähe 
der  Wasserscheide  in  310  M.^ 

Sie  breitet  sich  gegen  Schlesien  hin  aus,  erreicht  jenseits  der 
Weichsel,  dem  Gyps  aufgelagert,  den  südwestlichen  Theil  des 
Königreiches  Polen  und  es  hat  ohne  Zweifel  das  Meer  zu  jener 
Zeit  die  gesammte  Niederung  Galiziens  überfluthet.    Die  Nord- 


Ueberfluthungen  der  russischen  Tafel.  411 

und  Ostgrenze  dieser  Ausdehnung  des  Meeres  kennen  wir  nicht, 
doch  gibt  es  da  und  dort  im  südlichen  Russland  kleine  Reste 
seiner  Ablagerungen,  welche  zeigen,  dass  es  wenigstens  durch 
einige  Zeit  weit  über  das  Flachland  hinspülte. 

Diese  Spuren  sind  durch  grosse  Entfernungen  getrennt. 

Die  russische  Tafel  ist  seit  dem  Schlüsse  der  permischen  Zeit 
zu  wiederholten  Malen  vom  Meere  überfluthet  worden. 

Die  erste  Ueberfluthung  dieser  Art  legte  eine  Anzahl  von 
Stufen  des  mittleren  und  oberen  Jura  nieder,  welche  als  der  ,Jura 
von  Moskau'  bekannt  sind. 

Die  zweite  Ueberfluthung  trat  zur  Zeit  der  mittleren  Kreide 
ein.  Diese  Transgression  breitet  sich  nicht  nur  über  die  rujssische 
Tafel,  sondern  zugleich  über  ausserordentlich  weite  Flächen  in 
allen  fünf  Welttheilen  aus,  und  ist  in  ihrer  Allgemeinheit  eine 
der  räthselhaftesten  Erscheinungen  an  der  Geschichte  der  Flötz- 
gebirge. 

Die  dritte  Ueberfluthung  gehört,  obwohl  sie  an  einzelnen 
Stellen,  namentlich  in  der  Nähe  des  Aralsees,'"^  von  eocänen  Ab- 
lagerungen begleitet  zu  sein  scheint,  doch  der  Hauptsache  nach 
der  oligocänen  Zeit  an  und  ist  eine  Fortsetzung  jener  grossen 
Transgression  des  oligocänen  Meeres,  welche  das  ganze  nord- 
östliche Deutschland  überdeckt.  Die  Nordgrenze,  innerhalb  wel- 
cher oligocäne  Spuren  bekannt  sind,  verläuft  von  den  Ufern  der 
Ostsee  bei  Königsberg  gegen  Thorn,  dann  gegen  Kiew  und 
Elisabethgrad.  Man  trifft  oligocäne  Conchylien  von  nordeuropäi- 
schem Charakter  bei  Achalzik  in  Imeretien  und  auch  an  den  Ufern 
des  Aralsees.  Oligocäne  Ablagerungen  ziehen  sich  ferner  an  der 
Ostseite  des  Uralgebirges  weit  nach  Norden  und  breiten  sich  ost- 
wärts über  die  sibirische  Ebene  aus.  Trautschold  hat  Fossilien 
dieses  Alters  aus  dem  Districte  Kamyschloff"  angeführt,  und  von 
Karpinsky  wurde  die  Ausbreitung  derselben  an  den  westlichen 
Zuflüssen  des  Tobol  bis  an  die  Tura  unterhalb  Werchoturie,  also 
etwa  bis  in  den  58."  nördl.  Br.  nachgewiesen. '°'  Es  ist  überaus 
wahrscheinlich,  dass  das  oligocäne  Meer  Nordeuropa's,  dessen 
organische  Reste  sich  in  so  auffallender  Weise  von  der  gleich- 
zeitigen Fauna  des  Meeres  in  den  Südalpen  unterscheiden,  auf 
diesem  Wege  mit  den  arktischen  Regionen  in  Verbindung  stand. 


412 


IL  Mediterranstufe  am  Asow*schen  Meere. 


Die  vierte  bisher  bekannte  Transgression  ist  jene  der  IL  Medi- 
terranstufe. Sie  kommt  aus  dem  Westen  über  Galizien  her.  Die 
entferntesten,  mit  Genauigkeit  bekannten  Vorkommnisse  dieser 
Stufe  waren  bis  vor  kurzer  Zeit  einige  von  Barbot  de  Marny  ge- 
schilderte Schollen  in  der  Nähe  von  Elisabethgrad  im  nördlichen 
Kherson;  Buccinum  miocenicum,  Bucc.  costulatum,  Mitra  scrobi- 
culata,  Turritella  turris  und  andere  bezeichnende  Conchylien  er- 
scheinen dort.'**^  Aber  auch  noch  weiter  gegen  Ost,  an  der  Nord- 
seite der  Halbinsel  von  Kertsch  hatte  vor  Jahren  Abich  einige 
Anhaltspunkte  für  das  Auftreten  derselben  gewonnen,  und  die  von 
Andrussow  hier  angestellten  Untersuchungen  haben  die  erwünschte 
Klarheit  gebracht.  In  der  That  liegt  bei  Tschokrak,  an  der  Asow- 
schen  Seite  der  Halbinsel,  über  blauem  Thon  ein  Kalkstein  mit 
einer  Reihe  von  Conchylien  der  IL  Mediterranstufe;  bedeckt  wird 
derselbe  von  den  bald  zu  besprechenden  sarmatischen  Ablage- 
rungen.'*"^ 

Alle  diese  merkwürdigen  mediterranen  Reste  bleiben  aber  in 
Bezug  auf  ihre  Verbreitung  ohne  jeden  sichtbaren  Zusammenhang 
mit  dem  heutigen  Umrisse  des  Pontus;  sie  liegen  nordwärts  von 
dem  kaukasischen  Gebirgsfragmente  der  Krim. 

An  dem  Ufersaume  des  Schwarzen  Meeres  selbst,  dann  auch 
des  Marmara-  und  des  ägäischen  Meeres,  in  dem  ganzen  mittle- 
ren Theile  der  Balkanhalbinsel  und  im  westlichen  Kleinasien  ist 
die  IL  Mediterranstufe  ebenso  unbekannt,  wie  die  I.  Stufe.  Sie  er- 
scheint aber  südlich  von  dieser  Region  auf  Cypern  und  Candia, 
sowie  an  der  kleinasiatischen  Küste.  Dass  die  Fossilien  von  Hudh 
hieher  gehören,  habe  ich  bereits  erwähnt.  Nichtsdestoweniger 
mögen  einige  Zweifel  darüber  gestattet  sein,  ob  die  IL  Mediterran- 
stufe in  der  That  so  weit  gegen  Osten  dringt,  wie  die  I.  Stufe  und 
die  Salzbildungen. 

Manche  Vorkommnisse,  wie  die  von  Tietze  an  den  kaspischen 
Thoren  über  dem  Salz  getroffenen  Sande  mit  Austern,  lassen  das- 
selbe allerdings  als  wahrscheinlich  ansehen,  doch  mögen  hierüber 
künftige  Beobachtungen  entscheiden. 

Bleibt  auch  diese  Frage  unentschieden,  so  ist  dafür  die  süd- 
liche Ausbreitung  dieser  Stufe  durch  einige  merkwürdige  Erfah- 
rungen sichergestellt. 


I 


Ueberfluthung  des  NO.  Afrika.  4^3 

Ehrenberg  hat  zuerst  in  der  libyschen  Wüste,  bei  der  Oase 
Siuah,  das  Vorkommen  mitteltertiärer  Meeresablagerungen  er- 
kannt, und  durch  Fraas  ist  der  erste  Nachweis  ähnlicher  Bildungen 
zwischen  Kairo  und  Suez,  sowie  am  Schaluf,  an  dem  Schiflffahrts- 
canale  gegeben  worden.  Seitdem  Zittel  als  Begleiter  von  Gerh. 
Rohlfs  die  libysche  Wüste  durchreiste,  weiss  man,  dass  diese  Ab- 
lagerungen aus  der  Cyrenaica  zur  Oase  Siuah  ziehen,  hier  eine 
weite,  etwa  zu  loo  M.  Seehöhe  sich  erhebende  Tafel  bilden,  welche 
südwärts  mit  steilem  Schichtenkopfe  endet,  und  dass  diese  Tafel 
und  der  steile  Schichtenkopf  von  der  Oase  Siuah  gegen  Nordost 
sich  fortsetzen.  Das  tiefste  Glied  bildet  grünlicher  Salzmergel  mit 
Gyps  und  ein  Wechsel  von  sandigem  Grobkalk  und  grünem  Mergel ; 
dieser  liegt  auf  Nummulitenkalk.  Ueberlagert  werden  die  marinen 
Mediterranschichten  in  der  Oase  Siuah  von  hartem  Süsswasserkalk 
und  Süsswasserquarz.'°* 

Für  die  Kenntniss  der  Verbreitung  dieser  Schichten  bei  Suez 
sind  insbesondere  Beyrich's  Mittheilungen  von  Bedeutung,  welche 
sich  auf  G.  Schweinfurth's  Beobachtungen  gründen.  Hienach  er- 
scheinen diese  Schichten  nicht  nur  an  dem  Nordgehänge  des  Ge- 
birges zwischen  Kairo  und  Suez  in  der  Nähe  des  Wadi  Gjäffara, 
wo  sie  Fraas  getroffen  hatte  und  an  dem  nordöstlichen  Gehänge 
des  Gebel  Genef,  wo  sie  von  Th.  Fuchs,  gypshältigem  Mergel 
aufgelagert,  gefunden  wurden,  sondern  sie  ziehen  sich  zwischen 
G.  Gendf  und  G.  Atäka  bei  Suez  und  dem  noch  weiter  südwärts 
gegen  das  Rothe  Meer  vortretenden  G.  Galäla  fort.'°*^  Ich  lege 
aber  Gewicht  auf  diesen  Umstand.  Die  genannten  Berge  bestehen 
aus  Kreidelcalk  und  aus  älteren  Tertiärschichten,  welche  jedoch 
jünger  sind  als  jene,  denen  in  der  Oase  Siuah  die  Mediterran- 
schichten concordant  aufruhen.  Während  die  früheren  Funde  durch 
Fraas  und  Fuchs  nur  an  dem  nördlichen  Abhänge  dieser  Berge  das 
Vorkommen  der  mediterranen  Sedimente  erkennen  Hessen,  sieht 
man  dieselben  nun  SW.  von  Suez  offen  gegen  das  Gebiet  des 
erythräischen  Meeres  vortreten,  dessen  heutige  Fauna  von  der 
Mediterranfauna  so  sehr  verschieden  ist.  Es  hat  daher  ohne  Zweifel 
seither  an  dieser  Stelle  das  erythräische  Gebiet  einen  Theil  des 
alten  Mediterrangebietes  erobert,  aber  es  darf  nicht  verschwiegen 
werden,  dass  trotz  des  sonst  gleichförmig  mediterranen  Charakters 


1 1  •  Die  sarmatischen  Ablagerungen. 

der  genannten  Ablagerungen  ein  vereinzelter  Fremdling  von  indo- 
pacifischem  Typus,  Placuna  miocenica  Fuchs,  in  der  Oase  Siuah 
anijetroffen  worden  ist.  Diese  Ablagerungen  gehören  nach 
Th.  Fuchs  dem  Horizonte  von  Grund  an,  also  dem  tieferen  Theile 
der  IL  Stufe.'**^  Nach  dieser  aus  paläontologischen  Vergleichen 
hervorgegangenen  Feststellung  würde  die  Ueberfluthung  des 
nordöstlichen  Afrika  beiläufig  demselben  Zeitabschnitte  zufallen, 
in  welchem  das  Meer  zuerst  die  östlichen  Bruchränder  der  Alpen 
bespült  hat. 

Der  Unterschied  zwischen  dem  neuen  Umrisse  des  Mittel- 
nieeres  und  jenem  zur  Zeit  der  I.  Stufe  ist  also  der  folgende. 

Die  Verbindung  im  Norden  der  Alpen  über  das  Juragebirge, 
die  Schweizer  und  bayrischen  Voralpen  ist  aufgehoben.  Die  an- 
dauernde Ausbreitung  in  der  Richtung  des  Euphrat  und  Persien's 
ist  aus  den  heutigen  Erfahrungen  nicht  erweisbar.  Dagegen  findet 
neue  Ausdehnung  statt  von  der  Loire  gegen  die  Touraine,  ferner 
in  die  nördlichen  Senkungsfelder  des  Apennin,  in  die  östlichen 
Senkungsfelder  der  Alpen,  über  den  galizischen  Schlier  gegen 
den  südlichen  Theil  der  russischen  Ebene  bis  gegen  das  Asow- 
sche  Meer,  endlich  über  die  Cyrenaica  gegen  Suez. 

Die  sarmatischen  Ablagerungen.  Der  zweiten  Mittel- 
meerstufe folgt  bei  Wien  eine  Schichtenreihe,  welche  durch  die 
Einförmigkeit  ihrer  Fauna  in  einem  sonderbaren  Gegensatze  zu 
der  II.  Stufe  steht,  und  diese  Schichtenreihe  mit  ihrer  armen  und 
einförmigen  Fauna  setzt  sich  aus  dem  Donauthale  ostwärts  noch 
weit  über  jenes  Gebiet  hinaus  fort,  innerhalb  dessen  die  IL  Mittel- 
meerstufe bekannt  ist.  Sie  breitet  sich  über  einen  beträchtlichen 
Theil  von  Südrussland  aus,  erscheint  an  den  Ufern  des  Marmara- 
meeres,  des  Schwarzen,  Asow'schen  und  Kaspischen  Meeres  und 
erreicht  den  Aral-See.  Alle  diese  ausgedehnten  Gebiete  waren 
damals  von  einem  Wasserspiegel  bedeckt,  welcher  von  den  öst- 
lichen Alpen  bis  über  den  Ust-Urt  hinaus  sich  erstreckte.  Diese 
Ausdehnung  ist  aber  grösser  als  die  Längenaxe  des  heutigen 
Mittelmeeres  von  der  Strasse  von  Gibraltar  zur  syrischen  Küste. 

Barbot  de  Marny,  welcher  seine  angestrengten  und  erfolg- 
reichen Bemühungen  um  die  Aufhellung  der  Vergangenheit  der 


I 


Sarmatische  Meeresfauna.  4^5 

politischen  und  der  aralo-kaspischen  Niederungen  seither  erst  mit 
seiner  Gesundheit,  dann  mit  dem  Leben  bezahlt  hat,  stand  mir  im 
Jahre  1866  mit  freundlicher  Belehrung  zur  Seite,  als  für  diese  Ab- 
lagerungen der  selbständige  Name  der  sarmatischen  Stufe  vorge- 
schlagen wurde.  Schon  damals  wurde  erkannt,  dass  die  stellenweise 
diesen  Ablagerungen  eingeschwemmten  Reste  von  landbewoh- 
nenden Säugthieren  denselben  Arten  angehören,  welche  auch 
in  den  Uferbildungen  der  IL  Mittelmeerstufe  angetroffen  werden, 
und  dass  sie  älter  und  ganz  verschieden  von  jenen  sind,  welche 
die  III.  Mittelmeerstufe  zuweilen  enthält,  dass  also  die  chronologi- 
sche Gleichstellung  mit  der  III.  Mediterranstufe  ein  Irrthum  wäre/°'' 

In  der  sarmatischen  Meeresfauna  fallt  zuerst  das  Fehlen  nicht 
nur  aller  Pteropoden,  Balanen,  Brachiopoden,  Echinoiden  und 
Korallen,  sondern  auch  aller  irgendwie  reicher  ornamentirter  For- 
men von  Conchylien  auf,  insbesondere  das  Fehlen  jeder  Andeu- 
tung, die  ein  wärmeres  Clima  vermuthen  Hesse.  Schon  im  Jahre 
1866  wurden  solche  Arten  von  Conchylien  unterschieden,  welche 
als  ein  verarmter  Rest  der  vorhergegangenen  Mediterranbildungen 
in  die  sarmatischen  Ablagerungen  heraufreichen,  und  solche,  die 
als  neue  Arten  hinzutreten.  Aber  die  ersteren  beschränken  sich, 
je  nachdem  man  untergeordnete  Unterschiede  mehr  oder  minder 
stark  zur  Geltung  bringt,  auf  20 — 30  Arten,  unter  welchen  jedoch 
keine  einzige  Art  von  Conus,  Cypraea,  Oliva,  Tritonium,  Strombus 
und  der  vielen  anderen  Gattungen  sich  befindet,  welche  den  »wär- 
meren Habitus*  der  zweiten  Mediterranstufe  bekunden.  Es  sind 
kleinere  Arten  von  Murex,  Cerithium,  Pleurotoma  u.  A.  Hiezu 
tritt  eine  grosse  Auster,  welche  von  Einzelnen  als  eine  selbstän- 
dige Art,  von  Anderen  als  übereinstimmend  mit  der  Ostr.  Gien- 
gensis  der  Mediterranablagerungen  angesehen  wird. 

Auch  die  neu  hinzutretenden  Arten  sind  nicht  von  wesentlich 
anderem  Gepräge;  Buccinum  duplicatum,  Mactra  podolica,  Tapes 
gregaria  gehören  zu  den  häufigsten  unter  ihnen.  Eine  grössere 
Mannigfaltigkeit  neuer  Gestalten  entwickelt  die  Gruppe  der  Tro- 
chiden. 

Was  dieser  Conchylienfauna  an  Verschiedenheit  der  Arten 
fehlt,  ersetzt  sie  durch  die  oft  staunenswerthe  Anzahl  von  Indivi- 
duen, welche  mit  Millionen  von  Gehäusen  die  Bänke  erfüllen. 


ij.  I  6  Beschaffenheit  des  sarmatischen  Meeres. 

Im  Jahre  1 866  waren  die  mediterranen  Schollen  des  südlichen 
Russland  nicht  bekannt  und  es  herrschte  noch  ohne  Widerspruch 
die  Humboldt'sche  Ansicht  von  einer  verhältnissmässig  späten 
Verbindung  des  Kaspi  und  des  Aral  mit  dem  arktischen  Ocean. 
Es  lag  daher  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  plötzliche  und  ausser- 
ordentliche Verarmung  der  Mediterranfauna  bis  auf  einen  geringen 
Rest,  namentlich  das  Verschwinden  aller  Zeugen  eines  wärmeren 
Meeres,  und  das  Erscheinen  der  neuen  Formen  mit  der  grossen 
östlichen  Ausbreitung  des  Meeres  und  der  Herstellung  einer  Ver- 
bindung mit  nordischen  Wässern  zusammenhänge.  Seither  haben 
sich  die  Erfahrungen  nach  allen  Richtungen  erweitert;  erfahrene 
Forscher,  wie  Fr.  Schmidt,  haben  sich  gegen  eine  arktische  Ver- 
bindung zur  sarmatischen  Zeit  ausgesprochen. '°**  Zugleich  tritt 
aber  durch  die  fortschreitende  Erkenntniss  der  Beziehungen  des 
chinesischen  Han-hai  zu  der  turkestanischen  Niederung  diese  Frage 
mit  einer  Reihe  von  anderen  Fragen  in  Verbindung,  welche  erst 
an  späterer  Stelle  erörtert  werden  können.  Für  diese  spätere  Er- 
örterung ist  das  Nachfolgende  von  Bedeutung. 

Th.  Fuchs  setzt  voraus,  das  sarmatische  Meer  sei  isolirt  ge- 
wesen und  habe  einen  etwas  geringeren  Salzgehalt  besessen  als 
der  Ocean;  zum  Beweise  wird  die^Aehnlichkeit  der  Gesammt- 
tracht,  namentlich  der  Fauna,  mit  jener  des  heutigen  Pontus 
betont.*°9 

R.  Hörnes  sucht  die  Ursache  der  eigenthümlichen  Armuth 
der  Fauna  in  dem  örtlich  und  zeitlich  wechselnden  Salzgehalte 
dieses  Meeres. "° 

A.  Bittner  betrachtet  das  sarmatische  Meer  überhaupt  nur 
als  einen  mediterranen  Rest  und  die  sarmatische  Fauna  bei  Wien 
nur  als  einen  verkümmerten  und  durch  Isolirung  und  brackische 
Einflüsse  degenerirten  oder  abgeänderten  minimalen  Bestandtheil 
der  vorangegangenen  Fauna.'" 

Diese  drei  Anschauungen  vereinigen  sich  in  der  Voraus- 
setzung, dass  die  Verbindung  mit  dem  offenen  Meere  nicht  hin- 
reichend war,  um  ganz  normale  Verhältnisse  innerhalb  des  aller- 
dings sehr  ausgedehnten  Binnenmeeres  aufrecht  zu  halten,  und 
sobald  jedeVerbindung  gegen  Nord  oderOst  ausser  Betracht  bleibt, 
erhält  allerdings  das  ganze  sarmatische  Meer  sammt  seiner  grossen 


Autochthone  sarmatische  Arten.  4^7 

Transgression  gegen  den  Aral  wie  gegen  die  untere  Donau  und 
das  Marmarameer  den  untergeordneten  Rang  eines  vom  Mittel- 
meere abhängigen  Meerestheiles.  Es  unterliegt  aber  keinem 
Zweifel,  dass  eine  Anzahl  von  Arten  ausserhalb  des  sarmatischen 
Meeres  nicht  bekannt  ist,  wie  Mactra  podolica,  Tapes  gregaria 
und  andere  der  häufigsten  Vorkommnisse."' 

Ferner  tauchen  in  den  sarmatischen  Sandablagerungen  Bess* 
arabiens  und  der  Krim,  wie  den  Darstellungen  von  Orbigny,  Sinzow, 
Barbot  de  Marny  u.  A.  zu  entnehmen  ist,  ganze  Reihen  neuer  Ge- 
stalten in  den  Gattungen  Trochus,  Phasianella,  Turbo  u.  A.  auf, 
welche  niemals  in  mediterranen  Wässern  angetroffen  worden  sind."^ 

Dieser  nicht  unbeträchtliche  Theil  der  sarmatischen  Conchy- 
lienfauna  wird  vorläufig  als  autochthon  anzusehen  sein,  und  wir 
besässen  in  demselben  das  Beispiel  einer  eingeborenen  und  an  ihrer 
Geburtsstätte  haftenden  Fauna  in  einem  ausgedehnten  Meerestheile. 

Zu  dieser  Conchylienfauna,  welche  nach  dieser  Auffassung 
aus  einem  armen  mediterranen  Relicte  und  einer  autochthonen 
Gruppe  besteht,  gesellt  sich  eine  Anzahl  von  Fischen  und  eine  un- 
verhältnissmässig  mannigfaltige  Reihe  von  Seesäugthieren,  welche 
zu  den  Phoken,  Delphinen  und  den  Walen  gehören."^  Diese 
Säugthiere  erscheinen  sowohl  bei  Wien,  als  in  Bessarabien  und 
der  Krim. 

Bei  Wien  treten  sie  hauptsächlich  in  dem  blauen  Thon  auf, 
welcher  die  tieferen  Theile  der  sarmatischen  Sedimente  bildet,  und 
sie  sind  hier  begleitet  von  Fluss-,  Sumpf-  und  Landschildkröten, 
sowie  von  Landpflanzen  (Daphnogene,  Laurus,  Cassia,  Zapfen 
von  Coniferen)."^ 

Viele  Merkmale  in  diesen  Ablagerungen  verrathen  die  Nähe 
eines  Stromes,  aber  die  zahlreichen  Gypskrystalle  in  dem  Thone 
deuten  nach  anderen  Vorgängen,  welche  wir  nicht  zu  verfolgen 
vermögen ;  andererseits  zeigt  das  Erscheinen  von  Austernbänken 
normalen  Salzgehalt  an.  In  den  sandigen  Ablagerungen  weist  der 
Polymorphismus  einzelner  Zweischaler  auf  veränderliche  Zustände, 
aber  es  gibt  Orte,  an  denen  im  reinen  Sand  eine  grössere  Mannig- 
faltigkeit an  Arten  auftritt  und  keine  Andeutung  solcher  abnormer 
Zustände  sich  geltend  macht,  wie  z.  B.  in  Wiesen  westlich  von 
Wiener-Neustadt  und  in  Kischineff  in  Bessarabien. 


4  1 8  Westliches  Ende  des  sarma tischen  Meeres. 

Während  die  Mediterranfauna  offenbar  anderswo  angedauert 
hat,  und  in  ihr  Hunderte  von  Thierarten  sich  bis  zu  dem  heu- 
tigen Tage  erhalten  haben,  sind  alle  autochthonen  Arten  des  sar- 
matischen  Meeres  mit  dem  Ende  dieses  Meeres  erloschen,  und  so 
tritt  der  eigenthümliche  Umstand  ein,  dass  diese  sarmatische  Fauna 
sich  von  der  heutigen  Mittelmeerfauna  viel  weiter  entfernt  als  jene 
der  I.  und  IL  Mediterranstufe.  Eine  Altersbestimmung  nach  der 
Percentzahl  lebender  Formen  würde,  wie  bereits  gesagt  worden 
ist,  hier  ein  ganz  irriges  Ergebniss  liefern,  und  es  steht  die  Frage 
offen,  ob  die  sarmatische  Fauna  auch  nur  eine  einzige  noch  lebende 
Conchylienart  umschliesst. 

Auffallend  und  bisher  noch  nicht  erklärt  ist  das  vereinzelte 
Erscheinen  einiger  dieser  Fauna  sonst  fremdartiger  Conchylien, 
einer  Haliotis  und  zweier  Arten  von  Lima,  in  den  sarmatischen 
Ablagerungen  Galiziens."^ 

Die  Verbreitung  der  sarmatischen  Ablagerungen  ist  die  fol- 
gende. 

Dieselben  treten  westlich  von  Wien  nur  an  wenigen  Punkten 
ausserhalb  des  Randes  der  Alpen  auf,  und  es  sind  mir  keine 
sicheren  Beweise  dafür  bekannt,  dass  sie  im  nördlichen  Mähren 
die  heutige  Wasserscheide  überschreiten,  obwohl  Kontkiewicz  die- 
selben noch  im  südwestlichen  Theile  des  Königreiches  Polen  an- 
getroffen hat.  Bei  ^Yien  sind  sie  in  der  Regel  dem  von  der  zwei- 
ten Mediterranstufe  gebildeten  Gehänge  als  eine  etwas  niedrigere 
Stufe  angelagert  und  bilden  dann  einen  neuen  concentrischen 
Saum;  zuweilen  erscheinen  sie  aber  auch  als  Decke  auf  derselben ; 
so  in  dem  Hügellande,  welches  südlich  vom  Leithagebirge  Nieder- 
österreich von  Ungarn  trennt.  Die  höchsten  Ablagerungen  dieser 
Art  haben  die  Merkmale  des  Strandes  und  liegen  in  dieser  Gegend 
bis  386  M.  hoch  auf  der  Kuppe  des  Marzer  Kogelberges. 

Sie  setzen  sich  nun  in  die  pannonische  Ebene  und  bis  Sieben- 
bürgen fort,  reichen  in  die  Bucht  von  Gratz  und  nehmen  südlich 
vom  Bachergebirge  Antheil  an  der  Bildung  jener  von  Ost  nach 
West  streichenden  tertiären  Falten,  die  bereits  erwähnt  worden 
sind.  In  dieser  Gegend  erscheinen  sie  als  die  Mitte  langer  und 
enger  Synklinalen.  Westwärts  dringen  sie  in  die  Alpen  bis  Stein 
in  Krain  vor."^  Sie  erscheinen  an  einzelnen  Stellen  an  dem  nörd- 


Sarmati&che  AiLsbreitung  gegen  SW.  4-^9 

liebsten  Saume  der  bosnischen  Höhen,  umsäumen  die  Fruska-Gora 
bei  Peterwardein  und  sind  im  Banat  vorhanden. 

Die  Schollen  jüngerer  Tertiärbildungen,  welche  im  südlichen 
Banat  in  ungewöhnlichen  Höhen  angetroffen  werden,  deuten  darauf 
hin,  dass  die  Verbindung,  welche  einstens  mit  den  Mediterran- 
bildungen bei  Plewna  und  den  sarmatischen  Ablagerungen  der 
unteren  Donau  bestand,  durch  spätere  Gebirgsbewegungen  ge- 
schlossen worden  ist. 

Die  sarmatische  Stufe  ist  in  der  Wallachei  und  im  nördlichen 
Bulgarien  weit  verbreitet.  Sie  lehnt  sich  an  die  Südseite  des  Fo- 
garascher  Gebirges  und  zieht  von  dort  nordwärts  durch  die  Mol- 
dau und  Bessarabien  in  die  Bukowina  und  nach  Ostgalizien.  An 
der  unteren  Donau  bildet  sie  ferner  nach  Toula  den  Untergrund 
der  Ebene  zwischen  dem  Fusse  des  Balkan  und  dem  Strome  bis 
an  den  Isker;"^  sie  setzt  sich  dann,  bei  Plewna  der  II.  Mediterran- 
stufe aufruhend,  noch  über  Nikopoli  fort,  aber  das  Plateau  zwi- 
schen Rustschuk  undVarna  besteht  nach  Hochstetter  aus  oberer 
Kreide,  und  dieser  vermuthet,  dass  von  Sistowa  bis  Tschernawoda 
die  sarmatischen  Ablagerungen  fehlen."^  Allerdings  greifen  sie 
aber  von  Raschowa  gegen  Küstendsche  vor.''°  Obwohl  der  Balkan 
hier  ihre  südliche  Grenze  bildet,  folgen  sie  doch  dem  Westrande 
des  Schwarzen  Meeres  bei  Baldtschik  und  Warna,  von  wo  sie 
Spratt  vor  langer  Zeit  beschrieb. 

Nun  dringen  sie  in  das  Marmarameer,  jedoch,  wie  Hochstetter 
gezeigt  hat,  nicht  in  die  Niederung  von  Adrianopel  vor;  sie  bilden 
den  grössten  Theil  der  Halbinsel  von  Gallipoli,  zeigen  sich  in 
horizontaler  Lagerung  zu  beiden  Seiten  der  Dardanellen  bis  zu 
etwa  244  M.  über  dem  Meere  und  liegen  bei  Constantinopel,  wie 
bei  Renkiöi  unweit  des  Ruinenfeldes  von  Hissarlik,  auf  einer  Süss- 
wasserbildung  mit  Anodonta  Hellespontica,  Melanopsis  bucci- 
noidea  u.  A.,  welche  von  R.  Hoernes  und  Neumayr  überein- 
stimmend als  ein  tieferes  GHed  der  sarmatischen  Stufe  selbst  an- 
gesehen wird."' 

Südlich  von  Troja  sind  jedoch  die  sarmatischen  Schichten  bis 
heute  nicht  weiter  als  etwa  bis  zu  dem  Vorgebirge  bekannt,  welches 
den  Golf  von  Adramyti  nordwärts  abschhesst,*"  und  weder  Samo- 
thraki   noch  Chios,   noch   die   ganze  Westküste  des  Golfes  von 


i|20  Die  Miodoboren. 

Salonichi  bis  Euboea  herab  haben  bisher  eine  sichere  Spur  solcher 
Ablagerungen  geliefert.  Nur  gewisse  limnische  Ablagerungen, 
welche  L.  Burgerstein  auf  der  Halbinsel  Kassandra  traf,  mögen 
als  ein  Anhaltspunkt  für  die  Vermuthung  gelten,  dass  das  sarma- 
tische  Meer,  wenn  auch  mit  geringerem  Salzgehalte,  sich  bis  da- 
hin erstreckte."^ 

Wir  kehren  zum  Pontus  zurück. 

An  seinem  südlichen  Ufer  kennt  man  noch  keine  Spur  solcher 
Ablagerungen."*  Von  Norden  her,  aus  dem  südlichen  Polen  und 
aus  Galizien,  durch  Podolien  und  Bessarabien,  zieht  sich  dagegen 
die  bereits  erwähnte  Zone  sarmatischer  Schichten  herab,  welche 
einerseits  gegen  die  Wallachei,  andererseits  ostwärts  gegen  die 
russische  Niederung  ihre  Fortsetzung  findet.  Diese  Zone,  welche 
im  Norden  der  ü.  Mediterranstufe  aufliegt,  ist  durch  das  Hervor- 
treten einzelner  echt  mariner  Typen,  sowie  durch  eine  grössere 
Mannigfaltigkeit  der  Fauna,  sowohl  an  einzelnen  Punkten  in  Gali- 
zien, als  auch  bei  Kischineff  in  Bessarabien  ausgezeichnet.  Ihr  ge- 
hört der  lange,  über  400  M.  sich  erhebende  Hügelzug  der  Miodo- 
boren (Honigwälder)  an,  welcher  von  Podkamien  bei  Brody  bis 
über  Kamieniec  Podolski  hinaus  sich  erstreckt  und  aus  einem 
sarmatischen  Bryozoenriff  besteht;  Pleuropora  lapidosa  hat  diesen, 
sowie  eine  Anzahl  kleinerer  Züge  in  Podolien  der  Hauptsache 
nach  aufgebaut."^ 

Von  der  bessarabischen  Zone,  welche  bis  über  den  unteren 
Dnjester  herüberreicht,  erstreckt  sich  nun  ein  sarmatischer  Gürtel 
ostwärts  über  Stepanowka,  Wossnesensk  gegen  Nikopol  und  nach 
Taurien,  im  Norden  der  Kreide  und  dem  Granit  aufgelagert,  süd- 
wärts von  dem  jüngeren  Steppenkalk  bedeckt.  Die  sarmatischen 
Ablagerungen  erscheinen  in  der  Krim  und  ziehen  ununterbrochen 
zum  kaukasischen  Isthmus;  dort  begleiten  sie  das  Gebirge  im 
Norden  über  Stawropol  bis  Derbent  und  im  Süden  sind  sie  im 
Flussgebiete  des  Rion  und  des  Kur  bekannt.  Sie  haben  an  den 
grossen  Bewegungen  des  Hochgebirges  theilgenommen  und  sind 
nach  Abich's  Beobachtungen  am  Schach-Dagh,  nahe  dem  östlichen 
Ende  des  Kaukasus,  zu  der  Höhe  von  2330  M.  emporgetragen. "^ 

Sie  folgen  nun  südwärts  dem  kaspischen  Meere ;  Tietze  hat 
sie  an  der  Nordseite  des  Alburs  bei  Beschel  am  Ausgange  des 


Pontische  Ablagerungen.  42  I 

Talarthales  angetroffen. "^  Ostwärts  vom  Kaukasus  nehmen  sie 
theil  an  dem  Aufbaue  des  Plateau's  des  Ust-Urt.  Sie  ragen  mit 
horizontalen  Rändern  an  der  Ostseite  dieses  Plateau's  hoch  über 
den  Wasserspiegel  des  Aral  hervor,  und  haben  gewiss  dereinst 
die  ganze  Fläche  dieses  Binnensee's  eingenommen,  doch  sind  sie 
weiter  im  Osten  noch  nicht  nachgewiesen.  — 

Das  sarmatische  Meer  ist  demnach  eine  weite  bis  über  den 
heutigen  Aral  ausgedehnte  Wasserfläche  gewesen,  welche  west- 
wärts im  heutigen  Donauthale  in  kleinere  Becken  abgetheilt  war. 
Die  Verbindung  mit  dem  offenen  Ocean  ist  wahrscheinlich  keine 
ganz  vollständige  gewesen,  doch  hat  sich  offenbar,  abgesehen  von 
Vorgängen  in  der  Nähe  der  Küsten,  durch  längere  Zeit  dieselbe 
Zusammensetzung  des  Wassers  in  diesem  Binnenmeere  erhalten. 
Auch  die  einzelnen  westlichen  Becken  hatten  dieselbe  Beschaffen- 
heit und  communicirten  daher  offen  mit  dem  grossen  Binnenmeere. 

Der  grösste  Theil  des  Pontus,  wenigstens  der  ganze  Nord, 
Ost  und  Westen,  dann  das  Marmarameer  und  der  Norden  des 
ägäischen  Meeres  waren  diesem  Gewässer  bereits  zugänglich  und 
es  konnte  im  kaspischen  Gebiete  bis  an  den  Fuss  des  Albrus  ge- 
langen. Die  Beziehungen  desselben  zu  den  asiatischen  Niederungen 
werden,  wie  gesagt,  an  späterer  Stelle  zu  erwähnen  sein. 

Das  sarmatische  Gebiet  liegt  ganz  ausserhalb  des 
heutigen  Mittelmeeres,  sobald  man  dieses  in  einem  engeren 
Sinne,  d.  i.  mit  Ausschluss  des  ägäischen  und  pontischen  Meeres, 
begreifen  will;  die  Stelle  seiner  Verbindung  mit  dem  Mittelmeere 
ist  nicht  bekannt  und  die  grösste  Mannigfaltigkeit,  sowie  der  am 
reinsten  marine  Typus  der  Fauna  findet  sich  sonderbarer  Weise 
in  der  galizisch-bessarabischen  Zone.  — 

Die  pontischen  Ablagerungen.  In  den  autochthonen 
Arten  des  sarmatischen  Binnenmeeres  trat  uns  die  erste  Anlage 
einer  neuen  Meeresfauna  entgegen.  Dieser  Keim  sollte  nicht  zu 
weiterer  Entwicklung  gelangen.  Das  Sinken  der  Strandlinie  von 
der  Meereshöhe  der  II.  Mediterranstufe  zu  dem  Niveau  der  sarma- 
tischen Zeit  ist  nur  der  Vorläufer  eines  weit  grösseren  Herab- 
sinkens gewesen.  Wir  sind  in  der  That  an  dem  Zeitpunkte  der 
grössten  Einengung  des  Mittelmeeres  angelangt. 


A22  Vor-pontische  Erosion  in  Oesterrcich. 

In  dem  Gebiete  des  Schwarzen  Meeres  liegt  flach  auf  den 
sarmatischen  Schichten  eine  Gruppe  von  Ablagerungen,  welche 
in  süssem  oder  nur  leicht  brackischem  Wasser  gebildet  wurden 
und  welche  durch  zahlreiche  und  eigenthümliche  Cardien  und 
durch  Gattungen,  wie  Melanopsis,  Valenciennesia,  Congeria  ge- 
kennzeichnet sind.  Hieher  gehört  der  Steppenkalk  von  Odessa. 
Dies  ist  die  ältere  aralo-kaspische  Stufe  von  Murchison,  welche 
man  in  neuerer  Zeit  die  pontische  oder  wohl  auch  die  pannoni- 
sehe  Stufe  zu  nennen  sich  gewöhnt  hat.  Sie  streckt  sich  gegen 
Ost  in  der  Richtung  des  kaspischen  Meeres,  namentlich  in  der 
Manytschniederung  aus,"^  dringt  im  Südwest  in  das  Becken  von 
Adrianopel  und  an  die  Westküste  der  Chalkidike  und  reicht  gegen 
West  tief  in  die  Wallachei,  gegen  Nordwest  bis  gegen  Czortkow 
in  Galizien. 

Aehnliche  und  gleichzeitige  Ablagerungen  erfüllen  die  pan- 
nonischen  Niederungen  und  die  Niederung  von  Wien. 

Bei  Wien  beginnen  die  pontischen  Ablagerungen  an  mehreren 
Orten  mit  einer  harten  Grenzschichte  mit  Congeria  triangularis,"'' 
dann  folgt  mächtiger  blauer  Thon  mit  Sandlagen.  Es  schliesst 
hier  die  Serie  mit  einer  rein  fluviatilen  Bildung,  dem  Belvedere- 
schotter,  welche  von  den  archäischen  Gebieten  im  Nordwest,  also 
von  Böhmen,  herabkommt  und  als  eine  Lage  von  gelben  Ge- 
schieben und  von  Sand  sich  über  die  Niederung  breitet.  Dieser 
Fluss  hat  unterhalb  Krems  ein  grosses  Delta  aufgeschüttet,  wel- 
ches heute  allerdings  in  Hügel  aufgelöst  ist.'^° 

Die  Lagerung  der  pontischen  Schichten  in  diesem  Gebiete 
ist  eine  eigenthümliche.  In  gewissen  Gegenden,  wie  z.  B.  westlich 
vom  Neusiedlersee,  ruhen  sie  in  Thälern,  welche  in  die  11.  Medi- 
terran- und  die  sarmatische  Stufe  eingegraben  sind.  Es  muss  da- 
her ihrer  Ablagerung  eine  vollständige  Trockenlegung  des  Landes 
und  die  Erosion  dieser  Thäler  durch  strömendes  Wasser  voran- 
gegangen sein.  An  anderen  Punkten  liegen  sie  bis  zu  nicht  un- 
beträchtlichen Höhen  wohl  bis  nahe  an  300 — 350  M.  flach  auf  der 
sarmatischen  Stufe.   So  z.  B.  in  der  Nähe  von  Mödling  bei  Wien. '^* 

Die  Erklärung  mag  darin  gefunden  werden,  dass  nach  der 
Trockenlegung  und  Ausfurchung  des  Landes  ein  allmäliges  An- 
steigen  des   See's  eingetreten   ist,   bis  zu   der  eben  genannten 


Grosse  Einengung  des  Mittelmeeres.  4^3 

Höhe.     Dann  folgte,   wie  gesagt,   der  aus  Böhmen  kommende 
grosse  Fluss. 

Dieser  See  ist  mit  den  anderen  Seebecken  der  Donau  bis 
zum  Meere  hinab  in  Verbindung  gestanden,  wie  sich  am  deut- 
lichsten aus  dem  Umstände  ergibt,  dass  einzelne  Seefische  bis  in 
die  Gegend  von  Wien  vordringen  konnten. '^^ 

Die  Spuren  dieses  ausserordentlichen  Rückzuges  des  Meeres, 
durch  welchen  das  ganze  Donauthal  und  das  ganze  pontische  Ge- 
biet dem  süssen  oder  brackischen  Wasser  überlassen  wurden,  sind 
auch  in  Italien  bemerkbar. 

Schon  vor  einer  Reihe  von  Jahren  hatte  Capellini  über  den 
tortonischen  Ablagerungen,  also  über  der  ü.  Mediterranstufe,  die 
Reste  einer  pontischen  Cardienfauna  erkannt,  und  zahlreiche  seit- 
herige Arbeiten,  wie  insbesondere  die  Entdeckung  derselben  Fauna 
durch  Cafici  in  Sicilien,  haben  zu  folgenden  Ergebnissen  geführt. '-^^ 

Aus  dem  nördlichen  Toscana  und  aus  der  Mark  Ancona,  zu 
beiden  Seiten  des  Apennin  bei  Reggio  und  bis  nach  Sicilien  liegt 
über  Schichten  mit  Ancillaria  glandiformis  und  Cardita  Jouannetti 
oder  ihren  Zeitäquivalenten  eine  Ablagerung  von  Tripel,  welche 
unzählige  Reste  von  Radiolarien  und  Diatomaceen  und  zugleich 
eine  mannigfaltige  Fauna  von  Fischen  umschliesst.  Diese  Fauna, 
in  welcher  Bosniaski  nahe  an  einhundert  Arten  von  Fischen 
unterschieden  hat,  besteht  nach  diesem  Forscher  aus  einem  Ge- 
menge von  Gattungen  der  hohen  See  (Clupea,  Gadus,  Caranx, 
Rhombus)  und  zahlreichen  kleinen  Süsswasserfischen  (Leuciscus). 
Der  Gesammtcharakter  der  Fauna  ist  ein  mediterraner,  mit  etwas 
nordischem  Gepräge. '^^ 

In  diesem  Tripel  sind  ferner  Conchylien  aus  Gattungen  wie 
Syndosmya,  Ervilia,  Tapes,  Cardium  angetroffen  worden,  welche 
eine  gewisse  generische  Annäherung  an  die  sarmatische  Fauna 
andeuten,  wenn  auch  übereinstimmende  Arten  nicht  mit  Sicherheit 
nachgewiesen  sind.  Es  meinte  daher  Capellini,  in  diesen  Schichten 
wirklich  die  Vertreter  der  sarmatischen  Stufe  gefunden  zu  haben. 

Einzelne  Beobachter  sahen  in  der  Art  des  Sedimentes  und 
dem  Reichthume  an  Diatomaceen  den  Beweis,  dass  diese  weit  aus- 
gebreitete Tripelablagerung  in  grösserer  Wassertiefe  abgelagert 
sei  als  die  unterlieijenden  Schichten  mit  Cardita  Jouannetti ;  Andere 

Suess,  Das  Antlitz  der   Krde.  28 


424  Rückzug  des  Strandes  in  Italien. 

vermutheten  wegen  der  zahlreichen  Süsswasserfische  und  des  Cha- 
rakters der  Conchylien  seichtes  Wasser  und  Nähe  des  Ufers ;  wie 
dem  auch  sein  mag,  es  ist  doch  seither  sichergestellt,  dass  sich 
über  dem  Tripel  nochmals  normale  Ablagerungen  der  IL  Stufe 
mit  Card.  Jouannetti,  Pecten  aduncus  u.  A.  einstellen.  Es  theilen 
daher  Stöhr  und  Bosniaski  nicht  die  Ansicht  Capellini's,  dass  die 
sarmatische  Stufe  durch  diesen  Tripel  vertreten  sei,  sondern  sie 
sehen  in  demselben  nur  eine  der  II.  Stufe  eingeschaltete,  allerdings 
durch  ganz  Italien  verbreitete  Lage. 

Diesen  höchsten,  dem  Tripel  aufgelagerten  Theilen  der 
n.  Stufe  folgt  nun  allgemeines  Sinken  der  Strandlinie ;  zu  beiden 
Seiten  des  Apennin  bilden  sich  Lagunen,  in  welchen  Gyps  zur 
Ablagerung  kommt.  Dieser  gypsreiche  Horizont  lässt  sich  im 
Osten  von  Turin  über  Ancona  gegen  Reggio  verfolgen ;  ebenso 
zieht  er  sich  im  Westen  von  Sarzano  über  Livorno  und  Volterra 
durch  Toscana  herab,  erscheint  im  westlichen  Calabrien  wieder, 
geht  von  Reggio  nach  Sicilien  über  und  findet  dort  grosse  Aus- 
breitung. Die  sicilischen  Schwefelgruben  gehören  diesem  Hori- 
zonte an,  und  der  Schwefel  ist  durch  Reduction  des  in  den  La- 
gunen abgelagerten  Gypses  entstanden.  Auch  zelliger  Kalkstein 
ist  an  vielen  Orten  zur  Ablagerung  gelangt. 

Diese  Ablagerungen  sind  arm  an  organischen  Resten  ;  Lebias 
crassicauda  erscheint  in  denselben.  Dieser  Gypshorizont  und  nicht 
der  tiefer  liegende  Tripel  wird  von  Bosniaski,  und  zwar  wohl  mit 
Recht,  als  das  wahre  Zeitäquivalent  der  sarmatischen  Stufe  an- 
gesehen. 

Ueber  diesem  Gypshorizont  liegen  bei  Livorno  und  an  einigen 
anderen  Orten  in  geringer  Mächtigkeit  weisse  Mergel  mit  Mela- 
nopsis,  Planorbis,  Insectea,  Süsswasserfischen  und  Fröschen.  Diese 
Zeit  ist  nach  demselben  Beobachter  die  Phase  des  grössten  Rück- 
zuges des  Meeres. 

Es  folgt  als  höchstes  Glied  dieser  Schichtgruppe  vSand,  Mergel, 
Molasse,  wohl  auch  noch  etwas  Gyps  und  zugleich  die  pontische 
Fauna  mit  Congerien  und  den  eigenthümlichen  Cardien  des  süd- 
russischen Steppenkalkes.  Auch  dieser  Horizont  ist  jetzt  im  Nor- 
den wie  im  Süden  der  Halbinsel  bekannt.  Dies  ist  der  höhere 
Theil  von  Mayer's   , Stufe   von   Messina*   (Piano   Messiniano   bei 


I 


I 


Vor-pontische  Erosion  in  Südfrankreich.  4^5 

Seguenza) ;   die  Uebereinstimmung  mit  den  politischen  Ablage- 
rungen ist  allgemein  anerkannt. 

Nun  macht  Bosniaski  in  seinen  werthvollen  Studien  über 
diesen  Gegenstand  aufmerksam,  dass  in  diesen  pontischen  Ab- 
lagerungen Spuren  von  Salzwasserfischen  (Dentex,  Raja)  er- 
scheinen, und  folgert  daraus,  dass  der  Stand  des  Meeres  ein  höherer 
gewesen  sei  als  während  der  Bildung  der  unmittelbar  vorher- 
gegangenen Süsswasserschichten. 

Wir  erinnern  uns,  dass  westlich  vom  Neusiedlersee  den  pon- 
tischen Ablagerungen  Erosion  von  Thälern  vorangegangen  war 
und  wir  daraus  Trockenlegung  des  Landes  zwischen  der  sarma- 
tischen  und  der  pontischen  Zeit  geschlossen  hatten,  und  dass  auch 
bis  Wien  einzelne  Salzwasserfische  vorgedrungen  waren.  Nun 
verlassen  wir  Italien  und  wenden  uns  dem  Rhonethale  zu. 

Auch  dort  hat  sich  aus  Fontanne's  Studien  ergeben,  dass  den 
pontischen  Cardienschichten  von  Bollene  eine  Austiefung  von 
Thälern  unmittelbar  vorangegangen  ist.  Die  Ablagerungen  der 
IL  Mediterranstufe  sind  ausgefurcht  und  die  Cardienschichten  liegen 
in  den  Furchen.  Auch  in  Südfrankreich  ist  also  ein  ganz  ausser- 
ordentliches Zurückweichen  der  Strandlinie  vor  den  Cardien- 
schichten bemerkbar. 

Die  pontische  Stufe  kennen  wir  nun  als  eine  Ablagerung  von 
süssem  oder  wenig  brackischem  Wasser  vom  kaspischen  Meere 
bis  in  das  Rhonethal.  In  dieser  Gestalt  bedeckt  sie  Südrussland, 
dringt  sie  in  das  Donauthal  bis  über  Wien  hinauf,  überlagert  sie 
zu  beiden  Seiten  des  Apennin  und  in  Sicilien  den  Gyps,  und  liegt 
sie  in  der  alten  Erosionslinie  des  Rhonegebietes.  Mit  Recht  be- 
zeichnet sie  Neumayr  als  eine  ausgezeichnete  Continentalepoche 
und  betont  derselbe,  dass  die  marinen  Aecjuivalente  derselben 
überhaupt  noch  nicht  bekannt  seien,  ja  dass  die  Strandlinie 
der  damaligen  Zeit  wahrscheinlich  tiefer  gelegen  sei  als  die 
heutige.  *^^ 

Wir  nehmen  nun  wahr,  dass  das  Maximum  des  Zurückweichens 
wahrscheinlich  an  die  Grenze  der  sarmatischen  und  der  pontischen 
Zeit  fallt;  die  Erosionen  an  der  Donau  und  im  Rhonethale  und 
die  eingeschaltete  Schicht  mit  Süsswasserfischen  inToscana  deuten 
daraufhin. 

28* 


426 


in.  Mediterranstufe. 


In  der  Zeit  dieses  Maximums  des  Zurückweichens,  in  der  Zeit, 
in  welcher  das  Mittelmeer  ostwärts  wahrscheinlich  nicht  über  Sar- 
dinien und  Corsica  hinausreicht,  ändert  sich  die. Landbevölkerung. 
An  die  Stelle  der  vorhergehenden  Fauna  mit  Mastodon  angustidens, 
Palaeomeryx,  Listriodon  u.  A.  tritt  eine  neue  Fauna,  welche  Mast, 
longirostris,  Hippotherium.  Antilope  und  andere  Formen  enthält. 
Während  man  ziemlich  viele  Fälle  kennt,  in  welchen  Reste  der 
vorhergegangenen  Landfauna  mit  Mast,  angustidens  marinen 
Küstenbildungen  eingeschwemmt  sind  und  dasselbe  auch  von  den 
der  pontischen  Zeit  nachfolgenden  Landfaunen  gilt,  hat  sich  noch 
nie  ein  Rest  der  Landfauna  der  pontischen  Zeit  in  irgend  welche 
Meeresbildungen  eingeschwemmt  gefunden.  So  weit  war  die 
Küste  zurückgewichen. 

Von  dem  Beginne  der  III.  Mediterranstufe  bis  zur 
Gegenwart.  Nach  dem  Schlüsse  der  pontischen  Phase  breitet 
sich  von  Neuem  das  Meer  aus  und  es  bedeckt  mit  rein  marinen 
Schichten  einen  grossen  Theil  des  Gebietes  der  pontischen  Ab- 
lagerungen. Die  Fauna  dieses  Meeres  nähert  sich  noch  mehr  als 
jene  der  I.  und  ü.  Stufe  der  heutigen  Mediterranfauna.  Zugleich 
mit  dem  neuen  Vordringen  des  Meeres  erscheint  abermals  eine 
neue  Landbevölkerung.  Dies  ist  der  Beginn  der  III.  Mediterranstufe. 

Ausserordentlich  grosse  Veränderungen,  deren  Umrisse  wir 
mit  der  Annäherung  an  den  heutigen  Tag  immer  deutlicher  zu 
erkennen  vermögen,  liegen  noch  zwischen  dieser  Zeit  und  der 
Gegenwart.  Aber  durch  diesen  überaus  langen  Zeitraum  scheint 
nie  mehr  die  Abschliessung  und  Versalzung  eines  so  grossen 
Meerestheiles  eingetreten  zu  sein  wie  zwischen  der  I.  und  II.  Stufe, 
und  auch  kein  so  weites  Zurückweichen  des  Meeres  wie  zwischen 
der  n.  und  III.  Stufe.  Die  Mannigfaltigkeit  der  Vorkommnisse 
wird  nun  aber  so  gross,  dass  die  Darstellung  derselben  eine  sehr 
gedrängte  werden  muss. 

Wir  beginnen  im  Westen. 

Die  grosse  Abwaschung,  welcher  die  Bucht  der  Gironde  nach- 
träglich ausgesetzt  war,  scheint  alle  Spuren  der  III.  Mediterran- 
stufe aus  derselben  entfernt  zu  haben.  Sie  sind  dagegen  in  jener 
des  Guadalquivir  wohl  bekannt  und  leicht  von  jenen  der  ü.  Stufe 


I 


Ablagerungen  bei  Gerace.  42  7 

ZU  scheiden.  Sie  erscheinen  an  vielen  Orten  im  westlichen  Mittel- 
meere, sowohl  an  den  nordafrikanischen  Küstenländern,  wie  an 
den  südlichen  Rändern  der  iberischen  Masse  und  des  französischen 
Centralplateau's  und  greifen  dann,  den  pontischen  Cardienschichten 
aufgelagert,  innerhalb  der  vor-pontischen  Erosionsfurchen  tief  in 
das  Rhonethal  ein. 

Sie  umgeben  beide  Abhänge  des  Apennin,  bilden  im  Norden 
die  durch  ihren  Reichthum  an  organischen  Resten  ausgezeichneten 
Ablagerungen  von  Asti  und  von  Siena  und  bedecken  einen  Theil  Si- 
ciliens,  fast  allenthalben  den  pontischen  Cardienschichten  aufruhend. 
Eine  Ausnahme  scheint  der  nördlichste  Theil  der  Bucht  von  Genua 
zu  bilden,  wo  sie  den  älteren  Felsarten  der  Alpen  unmittelbar  an- 
haften und  junger  Einbruch  vorhanden  zu  sein  scheint,  und  eine 
zweite  Ausnahme  trifft  man  an  der  Südspitze  der  Halbinsel.  Dort 
hat  Seguenza  diese  Ablagerungen,  welche  sonst  in  der  Regel  als 
,unteres  Pliocän*  bezeichnet  werden,  wegen  ihrer  eigenartigen 
Ausbildung  mit  dem  Namen  , Piano  Zancleano'  belegt  und  in 
werthvollen  Untersuchungen  dargethan,  dass  dieses  Zancleano, 
über  alle  vorhergehenden  Stufen,  sowie  über  die  aufgerichteten 
Köpfe  weit  älterer  Bildungen  übergreifend,  an  den  Gehängen  des 
Aspromonte  bis  zu  der  beträchtlichen  Höhe  von  1200  M.  hinauf- 
reicht.'^^ 

In  der  That  sieht  man  von  den  Ufern  des  jonischen  Meeres, 
etwa  von  Gerace,  die  weissen  cubischen  Schollen  des  aus  mürbem 
Kalk,  Sand  und  Bryozoenschichten  zusammengesetzten  mächtigen 
Zancleano,  an  das  dunkle,  ältere  Gebirge  geklebt,  wie  die  Reste 
eines  zerrissenen  Mantels  mit  sehr  leichtem  Neigungswinkel  an 
dem  Gebirge  nach  aufwärts  ziehen.  Aber  obwohl  ich  nur  diesen 
tieferen  Saum  besucht  habe,  muss  ich  bemerken,  dass  es  mir 
schwer  fallt,  die  Bryozoenschichten  von  Gerace,  welche  eine  so 
grosse  Aehnlichkeit  mit  der  in  20 — 35  Faden  auftretenden  ,Co- 
rallinen-',  d.  i.  Bryozoünzone  des  heutigen  ägäischen  Meeres  be- 
sitzen, als  eine  in  mehr  als  1000  M.  Tiefe  gebildete  Ablagerung  an- 
zusehen, wie  es  der  Fall  sein  müsste,  wenn  die  Lagen  des  Zancleano 
unter  der  heutigen  Neigung  gebildet  wären.  Es  wird  daher  an 
dieser  Stelle  irgend  eine  späte  Bewegung  des  Gebirges  anzu- 
nehmen sein. '^7 


IV.  Mediterranstufe. 


429 


reichen  sie  bis  330  M.  hoch,  und  die  Reste  der  tieferen  Theile 
liegen  auf  Imbros,  Lemnos,  Samos  und  anderen  Inseln  zerstreut. 
Sehr  mächtig  sind  sie  auf  Euboea,  und  in  Lokris,  nahe  dem  höch- 
sten Gipfel  das  Karyagebirges,  traf  Bittner  tertiäre  fluviatile  Con- 
glomerate,  welche  dieser  Stufe  angehören,  noch  900  M.  über  dem 
Meere/^^  Es  ist  sogar  möglich,  dass  die  mächtigen  tertiären  Con- 
glomerate  des  nördlichen  Peloponnes  hieher  zu  zählen  sind,  welche 
von  Boblaye  und  Virlet  an  dem  Ziriagebirge,  südlich  von  Trikala, 
allerdings  wie  es  scheint  mit  geneigten  Schichten,  bis  zu  1500  M. 
verfolgt  worden  sind.'-'^  Sie  greifen  endlich  in  ihrer  typischen 
Form  als  Paludinenschichten  über  die  Cycladen,  sogar  bis  Kreta 
hinaus. 

Das  steile  Abbrechen  der  levantinischen  Süsswasserbildungen 
gegen  das  Meer  hat  bereits  vor  vielen  Jahren  Spratt  zu  der  An- 
sicht geführt,  dass  dieser  ganze  Theil  des  Mittelmeeres  einem 
jungen  Einbrüche  seine  Entstehung  zu  danken  habe,  und  die 
Reisen  Neumayr's  und  seiner  Arbeitsgenossen  haben  diese  Ansicht 
vollkommen  bestätigt.  — 

Abermals  vollzieht  sich  eine  grosse  Veränderung;  neue 
Meeresbildungen,  die  IV.  Mediterranfauna,  das  Oberpliocän,  er- 
scheint. Das  Meer  umgibt  wieder  beide  Abhänge  des  Apennin ; 
bei  Rom  lagern  sich  die  Meeressande  des  M.  Mario  auf  die  blauen 
Mergel  des  Vatican,  welche  in  vieler  Beziehung  an  den  Schlier 
erinnern ;  in  Calabrien  liegen  die  gleichzeitigen  Sedimente  an 
den  Abhängen  des  Zancleano  und,  nach  Seguenza,  in  Furchen 
desselben.  Sie  bedecken  einen  grossen  Theil  Siciliens,  erreichen 
nicht  die  dalmatinische  Küste  und  der  Saum,  welchen  sie  rings 
um  den  Peloponnes  ziehen,  reicht  ziemlich  gleichförmig  zur  Höhe 
von  500  M.  Sie  dringen  bis  an  den  Cycladen  vor  und  liegen, 
z.  B.  in  Kos,  auf  den  levantinischen  Paludinenschichten.  Doch 
erreichen  auch  sie  weder  das  ägäische  Gebiet,  noch  die  ägyp- 
tische Küste. 

Von  dem  Zeitpunkte  des  Eintrittes  des  Meeres  über  den  Rand 
des  levantinischen  Süsswassergebietes  nimmt  aber  die  Mannig- 
faltigkeit der  Vorkommnisse  in  solchem  Maasse  zu,  dass  ich  mich 
begnügen  muss,  die  Art  der  Besprechung  abermals  verändernd, 
an  die  Stelle  chronologischer  Uebersichten  eine  gedrängte  Dar- 


>?äer  Merkmale  oder  Ereignisse  treten  zu  lassen. 
"^te  Pniir-  wöcse  idi  kurz  zu  erörtern  beabsichtige,  sind :  das 
T  T-r*r— ■^■^Äsoe  Erscheinen  arktischer  Conchvlien  im  Mittelmeere 


^jjjj^^  3*  zK^i::::^  erazelner  junger  Einbrüche.  Das  vorübergehende 
^:;«-«^;:^^ez  des  Rothen  Meeres  in  das  heutige  Mittelmeergebiet, 
.,p^:,3^  ^  L'sierägj'pten  bemerkbar  ist,  soll  in  dem  nächstfolgen- 
der^ A'rcchnine  besprochen  werden. 


Nordische  Gäste  im  Mittelmeere.  Durch  alle  Phasen 
ier  Geschichte  des  Mittelmeeres  und  insbesondere  während  jener 
.-T.xssen  Einengung,  welche  dem  Erscheinen  der  II.  Stufe  voran- 

^  

«^r-C-  5^"*^*^^  jener  noch  grösseren,  welche  die  Zeit  der  pontischen 
5c>2^wassersee'n  eröffnete  und  begleitete,  ist  der  atlantische  Ocean 
^e  Region  gewesen,  in  welcher  die  Mediterranfauna  in  ihren 
bezeichnenden  Arten  fortgelebt  und  von  wo  aus  sie  die  verlassenen 
Gebiete  immer  von  Neuem  wieder  bevölkert  hat.  Dies  ist  die  Be- 
deutung des  vornehmlich  westlichen  Zuges  der  Verwandtschaften, 
welchen  man  von  der  I.  Stufe  bis  zur  Gegenwart  antrifft. 

Bereits  vor  geraumer  Zeit,  und  bevor  wir  noch  gelernt  hatten, 
die  I.  von  der  ü.  Stufe  zu  trennen,  konnte  auf  Grund  der  von 
M.  Hömes  gegebenen  Darstellungen  der  Tertiärconchylien  von 
Wien  gezeigt  werden,  dass  unter  denselben  sich  sehr  bezeichnende 
Arten  finden,  welche  heute  an  der  senegambischen  Küste  fort- 
leben, und  die  neueren  Untersuchungen  an  den  Cap-Verden  und 
der  westafrikanischen  Küste  haben  diese  Beispiele  vermehrt.'^" 
Neben  diesem  sehr  wichtigen  Elemente  schliessen  die  einzelnen 
Faunen  aber  andere  Gruppen  von  verschiedenem  Alter  und  ver- 
schiedener Herkunft  ein,  welche  nur  durch  eine  sorgfältige  Analyse 
getrennt  werden  können. 

Eine  durch  ihre  Gründlichkeit  ausgezeichnete  Gliederung 
dieser  Art  hat  R.  Tournouer  für  die  Conchvlien  der  II.  Medi- 
terranstufe, wie  sie  zu  Cabrieres  in  der  Rhonebucht  auftritt, 
geliefert.  Die  unterschiedenen  Gruppen  sind :  i .  eine  geringe  An- 
zahl von  Arten,  welche  die  Fortsetzung  von  alten  Typen  der  euro- 
päischen Meere  aus  der  oligocänen  oder  sogar  der  eocänen  Zeit 
zu  sein  scheinen;  2.  eine  viel  zahlreichere  Gruppe  von  neuen  und 
wichtigen  Arten,  welche  die  Mediterranfauna  von  der  oligocänen 


Analysen  der  If^  und  der  III.  Fauna.  431 

Fauna  trennen,  ihr  das  Gepräge  geben  und  welche  heute  ihre  Ver- 
wandten in  fremden,  wärmeren  Wässern  haben;  3.  solche  Arten, 
deren  Verwandte  weder  in  älteren  europäischen,  noch  in  heutigen 
wärmeren  Wässern  zu  finden  sind,  sondern  welche  als  neue  Typen 
auftreten  und  welche  zum  Theile  später  wieder  verschwinden,  zum 
Theile  aber  sich  fortpflanzend  und  weiter  entwickelnd,  den  Grund- 
stock der  heutigen  Mittelmeerfauna  bilden.'^' 

Man  könnte  wohl  Tournouer's  Grundgedanken  kurz  ausdrücken 
durch  eine  Scheidung  in  alte  Autochthonen,  in  Verdrängte  und  in 
junge  Autochthonen,  welch'  letztere  aus  sterilen  und  aus  fertilen 
Typen  bestehen  würden.  Die  normale  Annäherung  an  die  Gegen- 
wart könnte  sich  dann  vollziehen  durch  das  zunehmende  Erlöschen 
der  alten  Autochthonen,  durch  die  vorschreitende  Verdrängung 
der  zweiten  Gruppe,  durch  das  Verschwinden  der  sterilen  jungen 
Typen,  endlich  durch  die  Vermehrung  und  das  endliche  Ueber- 
gewicht  der  fertilen  jungen  Typen.  Aber  in  solcher  Weise  voll- 
zieht sich  dieser  grosse  Vorgang  nicht. 

Zunächst  handelt  es  sich  nicht  um  die  Verdrängung  der  zwei- 
ten Gruppe  allein;  die  ganze  Meeresfauna  wird  vor  dem  Eintritte 
der  pontischen  Zeit  aus  einem  sehr  grossen  Theile  des  Meeres 
verdrängt,  das  Meer  selbst  ausserordentlich  eingeengt,  die  Binnen- 
seeablagerungen breiten  sich  aus,  und  es  handelt  sich  nun  darum, 
welche  Typen  aus  der  zurückgedrängten  Gesammtheit  bei  dem 
abermaligen  Vordringen  des  Meeres  die  neuen  Gestade  zu  er- 
reichen und  an  denselben  sich  zu  behaupten  vermögen. 

In  der  von  Fontannes  gelieferten  Analyse  der  III.  Mediterran- 
fauna in  der  Rhonebucht  zeigt  sich  nun  das  Zurückbleiben 
der  südlichen  Formen  deutlich  genug.  Es  umfasst  diese  Fauna 
315  Arten  in  143  Gattungen.  Von  diesen  143  Gattungen  finden 
sich  zwei  in  dem  heutigen  Mittelmeere  nur  in  je  i  oder  2  kleinen 
Arten  in  beträchtlichen  Tiefen  vor;  2  Gattungen  sind  erloschen; 
16  weitere  Gattungen  sind  dem  heutigen  Mittelmeere  fremd  und 
leben,  zum  nicht  geringen  Theile  in  reicher  Entfaltung,  in  den 
wärmeren  Meeren  der  Gegenwart.  Sie  vertreten  daher  in  der 
III.  Stufe  die  Verwandtschaft  mit  den  wärmeren  Meeren  des  heu- 
tigen Tages.  Aber  alle  diese  16  Gattungen  sind  schon  in  dieser 
Fauna  mit  einer  einzigen  Ausnahme  nur  durch  eine  sehr  geringe 


432  Analyse  der  IV.  Fauna. 

Artenzahl  vertreten,  gerade  so  wie  im  heutigen  Mittelmeere  der 
einzige  Conus  mediterraneus  die  zahlreichen  und  grossen  Conus- 
arten  der  früheren  Mediterranfaunen  als  ein  vereinzelter  Epigone 
vertritt.'*' 

Indem  wir  aber  von  der  lU.  zur  IV.  Fauna,  dem  Oberpliocän, 
übergehen,  begegnen  wir  einem  ganz  neuen  und  dem  Mittelmeere 
bisher  fremd  gebliebenen  Elemente,  nämlich  einer  Reihe  von  nor- 
dischen Gästen.  Zugleich  treten  die  Vertreter  wärmerer  Meere 
noch  mehr  zurück. 

Die  muschelreichen  Ablagerungen  des  M.  Pellegrino  und 
der  Ficarazzi  bei  Palermo  werden  von  einzelnen  Autoren  der 
IV.  Fauna  zugezählt,  von  Anderen  für  etwas  jünger  gehalten.  Hier 
unterscheidet  Monterosato  504  Arten  von  Meeresconchylien,  und 
unter  diesen  41 1  Arten,  welche  noch  heute  im  Mittelmeere  leben, 
27  Arten,  welche  nicht  heute  im  Mittelmeere,  wohl  aber  im  atlan- 
tischen und  im  nordatlantischen  Ocean  fortleben,  und  endlich 
66  Arten,  welche  bis  heute  noch  nicht  im  lebenden  Zustande  an- 
getroffen worden  sind.  Unter  den  Arten  der  zweiten  Gruppe  finden 
sich  aber  solche,  wie  Buccinum  Groenlandicum,  Bucc.  undatum, 
Trichotropis  borealis,  Panopaea  Norvegica,  Mya  truncata,  Cyprina 
Islandica  u.  A.,  welche  heute  für  die  kalten  nordischen  Meere  be- 
zeichnend sind.'*^ 

Das  Erscheinen  dieser  Arten  steht  ohne  Zweifel  in  ursach- 
lichem Zusammenhange  mit  jenen  Spuren  grosser  Kälte,  welche 
an  dem  Schlüsse  der  Tertiärzeit  über  einen  grossen  Theil  der  Erd- 
oberfläche und  insbesondere  auch  über  das  ganze  europäische 
Festland  hin  bemerkbar  sind.  Die  Verfolgung  dieses  Horizontes 
innerhalb  der  mediterranen  Meeresablagerungen  ist  jedoch  mit 
besonderen  Schwierigkeiten  verbunden  und  heute  noch  durchaus 
nicht  gelungen,  obwohl  schon  im  Jahre  1844  Philippi  aus  dem 
südlichen  Sicilien  einige  hochnordische  Arten  bekannt  gemacht 
hatte. 

Vergleichen  wir  nun  mit  der  eben  erwähnten  Fauna  aus  der 
Nähe  von  Palermo  P.  Fischer's  Analyse  der  Conchylienfauna  von 
Rhodos,  welche  gleichfalls  der  IV.  Fauna,  dem  Oberpliocän,  zu- 
gerechnet wird.  Von  312  Arten  leben  heute  246  noch  im  Mittel- 
meere fort;  58  Arten  sind  erloschen  und  nur  8  Arten  erscheinen 


Analysen  der  Calabrischen  Faunen.  433 

als  verdrängt.  Von  diesen  letzteren  leben  heute  3  Arten  an  den 
westafrikanischen  Küsten  oder  den  Cap  Verden,  i  in  West-  und 
Nordeuropa  und  4  sind  nordische  Arten.*^* 

In  den  Meeresablagerungen  der  Insel  Kos,  welche  den  levan- 
tinischen  Süsswasserbildungen  auflagern,  sieht  Neumayr  beträcht- 
liche Aehnlichkeit  mit  jenen  von  Rhodos  und  beide  werden  für 
gleich  alt  gehalten.  Von  107  auf  Kos  gesammelten  Arten  finden 
sich  80  auf  Rhodos  wieder,  aber  die  nordischen  Gäste  wurden 
wenigstens  bisher  auf  Kos  noch  nicht  angetroffen. '^^ 

Weit  schwieriger  ist  die  Deutung  der  Vorkommnisse  des  süd- 
lichen Calabrien.  Seguenza  unterscheidet  dort  einen  Piano  Sici- 
liano,  welchem  discordant  ein  Piano  Saariano  auflagern  soll,  wobei 
die  nordischen  Arten  von  der  unteren  Stufe  bis  in  den  älteren 
Theil  der  nächstfolgenden,  des  Piano  Saariano,  reichen  sollen. 

Das  Saariano  inf.  oder  die  ältere  Quaternärbildung  erreicht 
nach  den  Angaben  dieses  Beobachters  oberhalb  Reggio  die  See- 
höhe von  830  M.  und  umfasst  497  Arten,  unter  diesen  300  Mol- 
lusken. Von  diesen  sind  9  nordische  und  nur  6 — 7  erloschene 
Arten. 

Das  Saariano  sup.  lehnt  sich  in  geringerer  Höhe,  mit  einer 
Strandlinie,  welche  etwa  zu  250  M.  gereicht  haben  mag,  an  die 
oben  genannten  Ablagerungen ;  es  sind  5 1 5  Arten  bekannt,  unter 
diesen  310  Arten  aus  dem  Saariano  inf.,  doch  fehlen  die  nordischen 
Arten.  Unter  den  309  Conchylien  dieser  Abtheilung  findet  man 
im  Gegentheile  neben  der  grossen  Ueberzahl  heutiger  Mediterran- 
typen 8  Arten,  welche  in  wärmeren  Wässern  fortleben. 

Fasst  man  alle  Gruppen  wirbelloser  Thiere  ins  Auge,  so  findet 
man  1 1  Arten  aus  wärmeren  Meeren  und  von  diesen  leben  heute 
7  an  der  Westküste  Afrika's  und  den  canarischen  oder  Cap 
Verde-Inseln,  und  4  im  Rothen  Meere  oder  anderen  wärmeren 
Meeren.  Es  sind  ferner  10 — 13  erloschene  Conchylienarten  in 
diesem  Saariano  sup.  vorhanden,  unter  welchen  sich  jedoch  ein- 
zelne aus  der  II.  und  III.  Mediterranstufe  wiedergekehrte  Typen 
befinden. 

Hieraus  wird  gefolgert,  dass  zur  Zeit  des  höchsten  Standes 
der  Strandlinie  die  nordischen  Arten  noch  im  Mittelmeere  verw^eil- 
ten,  und  dass  bei  sinkender  Strandlinie  dieselben  verschwanden. 


Gemischter  Charakter  der  heutigen  Mittelmeerfaüna.  435 

britischen  Meere  zeigt.  Dies  ist  das  celtische  Element,  welches, 
zum  nicht  geringen  Theile  zur  glacialen  Zeit  hier  erschienen,  heute 
in  den  tieferen  Regionen  sich  erhalten  hat.  In  den  höheren  Zonen 
lebt  das  lusitanische  und  typisch-mediterrane  Element  und  mit 
demselben  trifft  man  da  und  dort  einen  Fremdling  von  besonders 
hohem  Alter,  wie  das  westindische  Tritonium  nobile  an  der  sici- 
lischen  Ostküste. '^°  Endlich  fehlen  auch  nicht  ganz  die  nordischen 
Reste,  wie  jener  merkwürdige  langschwänzige  Krebs,  Nephrops 
Norvegicus,  welcher  mit  einer  kleinen  Anzahl  anderer  nordischer 
Arten  nach  Lorenz  nur  an  den  tiefsten  Stellen  des  nördlichen  und 
mittleren  Quarnero  erscheint  und  sonst  dem  ganzen  Mittelmeere 
fehlt.  An  diesen  Stellen  ist  er  allerdings  so  häufig,  dass  er  täglich 
in  Körben  nach  Venedig,  Triest  und  Fiume  auf  den  Markt  ge- 
bracht wird.'^' 

Das  allgemeine  Ergebniss  aus  den  bisherigen  Untersuchungen 
scheint  mir  zu  sein,  dass  seit  dem  Beginne  der  HI.  Stufe  viele 
locale  Ereignisse  im  Mittelmeere  eingetreten  sind,  von  welchen 
das  grösste  sogleich  zu  besprechen  sein  wird,  dass  viele  Schwan- 
kungen der  Strandlinie  seither  eingetreten  sind,  dass  aber  das 
Meer  niemals  mehr  so  grosse  vorübergehende  Einengung  erlitt, 
wie  unmittelbar  vor  der  HI.  Stufe. 

In  diesem  Meere  mit  schwankender  Strandlinie  ist  nun  zuerst 
die  in.  Fauna  erschienen,  später  erschienen  die  nordischen  Gäste, 
noch  später,  bei  mildem  Klima  erschienen  wieder  einige  wärmere 
Elemente.  Das  Klima  und  auch  der  Stand  der  Strandlinie  näherten 
sich  mehr  und  mehr  dem  heutigen  Zustande  und  von  jeder  der 
früheren  Einwanderungen  ist  wenigstens  irgend  eine  Spur  in  der 
heutigen  Fauna  zurückgeblieben. 

Es  ist  daher  ausserordentlich  schwer,  bei  dem  heutigen  Zu- 
stande unserer  Kenntnisse  schärfere  Grenzen  innerhalb  der  ge- 
raumen Serie  von  Ablagerungen  zu  ziehen,  welche  uns  von  dem 
Beginne  der  III.  Fauna  trennt,  obwohl  manche  grosse  Verände- 
rung innerhalb  dieses  grossen  Zeitraumes  leicht  erkennbar  ist.'^* 

Für  die  hier  zu  verfolgende  Richtung  der  Untersuchungen  ist 
nichtsdestoweniger  das  Erscheinen  der  nordischen  Gäste  von  ganz 
besonderer  Bedeutung.  Die  tektonischen  Veränderungen  des 
Mittelmeerbeckens  sind  bei  all'  ihrer  Grossartigkeit  doch  nur  als 


436  I^ie  letzten  Einbrüche. 

locale  Vorfalle  aufzufassen.  Das  Erscheinen  der  nordischen  For- 
men ist  ein  aus  allgemeinen  Ursachen  hervorgegangenes,  von 
diesen  localen  Ereignissen  ganz  unabhängiges  Phänomen,  und 
darum  trotz  aller  Unsicherheit  in  den  Einzelnheiten,  welche  der 
heutige  unvollständige  Zustand  der  Beobachtung  bedingt,  ein 
höchst  werthvoUer  Anhaltspunkt  für  die  Chronologie  der  tektoni- 
schen  Vorgänge. 

Die  letzten  Einbrüche.  Es  ist  eine  sehr  auffallende  That- 
sache,  dass  die  jüngeren,  abgestuften  Meeresablagerungen,  welche 
soeben  besprochen  wurden,  gewissen  Theilen  des  heutigen  Mittel- 
meeres gänzlich  oder  mit  Ausnahme  der  niedrigsten  und  daher 
jüngsten  Stufen,  und  zwar  unter  solchen  Nebenumständen  fehlen, 
welche  die  Jugend  dieser  Meerestheile  zu  erkennen  gestatten. 

Das  grösste  Beispiel  der  Hinzufügung  eines  neuen  Meeres- 
theiles  in  jüngster  Zeit  ist  das  ägäische  Meer  mit  dem  Pontus. 
In  Südrussland  reicht,  wie  wir  sahen,  das  tongrische  Meer  vom 
Samlande  her  ostwärts  über  die  ganze  Niederung  bis  an  die  Ost- 
seite des  Ural.  Dann  folgt  nach  langer  Unterbrechung  die  zweite 
Mediterranstufe,  welche  wir  von  Galizien  her  bis  Elisabethgrad 
und  bis  gegen  Kertsch  verfolgen  konnten,  ohne  jedoch,  was  nicht 
zu  übersehen  ist,  eine  directe  Verbindung  mit  dem  heutigen  Mittel- 
meerbecken zu  erkennen.  Hierauf  deckt  die  sarmatische  Stufe 
das  ganze  Gebiet  weit  gegen  den  Aral.  Es  folgt  nun  die  pon- 
tische  Stufe  mit  dem  Steppenkalke,  die  Zeit  der  grossen  Ein- 
engung des  Mittelmeeres.  Aber  während  im  Westen,  z.  B.  in 
Italien,  der  pontischen  Stufe  die  III.  und  IV.  Mediterranstufe  nach- 
folgen, ist  dies  im  Gebiete  des  Schwarzen  Meeres  nicht  der  Fall. 
Dieses  Gebiet  bleibt  im  Gegentheile  durch  lange  Zeit  dem  Mittel- 
meere verschlossen. 

Eigenthümlich  gestalten  sich  die  Dinge  im  ägäischon  Gebiete. 
Weder  die  I.  noch  die  II.  Mediterranstufe  haben  dasselbe  bedeckt. 
Die  sarmatische  und  pontische  Stufe  erreichen  vom  Norden  her 
die  Troas;  die  letztere  erreicht  auch  die  Chalkidike.  Während  der 
m.  Mediterranstufe  liegt  hier  ein  tiefer  Süsswassersee,  ein  Theil 
jener  levantinischen  See'nkette,  welche  aus  Slavonion  bis  nach 
Kleinasien  reicht.     Erst   im  Süden  davon  liegt   das  Mittelmeer. 


Einbruch  des  ägäischen  Festlandes.  437 

Bis  zu  dieser  Zeit  war  also  hier  das  heutige  Europa  mit  Asien 
stets  durch  ein  breites  Stück  festen  Landes  verbunden. 

Die  Vorgänge,  welche  nun  folgen,  hat  uns  Neumayr  klar- 
gelegt.'" 

Zuerst  bricht  der  südliche  Theil  dieses  Festlandes  ein  und  die 
IV.  Mediterranstufe  tritt  über  Milos,  Rhodos  und  den  östlichen 
Theil  von  Kos  herein;  sie  legt  dort  Meeresablagerungen  auf  die 
levantinischen  Süsswasserbildungen.  Dies  ist  wahrscheinlich  die 
Zeit  der  Bildung  jener  grossen  Bruchzone,  welche  durch  die  cycla- 
dische  Vulcanenlinie  von  Nisyros,  Santorin,  Milos,  Porös,  Methana 
und  Aegina  bezeichnet  wird,  und  auf  welcher  die  Erderschütte- 
rungen und  vulcanischen  Ausbrüche  bis  zu  dem  heutigen  Tage 
andauern.  Ihre  Fortsetzung  scheint  im  Golf  von  Korinth  zu  liegen 
und  nach  den  von  Th.  Fuchs  auf  dem  Isthmus  angetroffenen 
Lagerungsverhältnissen  besitzt  sie  dort  die  Merkmale  einer  grossen 
Grabenverwerfung. '^* 

Sehr  spät  endlich  bricht  das  ägäische  Festland  ganz  zur  Tiefe; 
mächtige  abgebrochene  levantinische  Süsswasserablagerungen  be- 
zeichnen die  neue  Küste;  das  Mittelmeer  dringt  vor,  weithin  legt 
sich  dasselbe  in  das  pontische  Bett,  im  Asow'schen  Meere  noch 
über  den  sonst  ziemlich  regelmässigen  Umriss  desselben  hinaus- 
spülend. 

Eine  neue  Ordnung  ist  eingetreten;  wo  hohes  Gebirge  war, 
ist  nun  tiefes  Meer  entstanden,  an  vielen  Orten  Tausende  von 
Füssen  tief,  und  zwar  erst  in  ganz  junger,  jedenfalls  in  postglacialer 
Zeit.  Vielleicht  war  sogar  der  Mensch  bereits  Zeuge  dieser  Er- 
eignisse. In  den  Dardanellen  und  bei  GalUpoli  treten  allerdings 
Mediterranbildungen  auf,  aber  sie  reichen  nicht  mehr  als  40  Fuss 
über  den  heutigen  Meeresspiegel,  enthalten  keine  nordische  und 
nur  eine  erloschene,  sonst  durchwegs  heutige  mediterrane  Con- 
chylien,  und  bei  Gallipoli  wurde  ein  Feuersteinmesser  gefunden, 
welches  aus  diesen  Bänken  stammen  soll."^''  Das  Donauthal,  welches 
durch  so  lange  Zeit  ein  Glied  bildete  in  der  grossen  Kette  süd- 
russischer und  innerasiatischer  Niederungen,  ist  jetzt  erst  durch 
einen  Theil  des  Mittelmeeres  von  ihnen  getrennt.  Westlich  vom 
heutigen  Pontus  liegt  offener  Abfluss  der  Ströme  und  Leihen;  öst- 
lich von  demselben  fehlt  der  Abfluss  und  stockt  das  Leben. 


I  i 


Der  aralo-kaspische  Doppelsee.  43 Q 

SO  class  auch  zur  Zeit  der  grössten  Ausdehnung  ein  Doppelsee 
mit  zwei  wohlgetrennten  Theilen  vorhanden  war.  Die  Trennung 
wurde  herbeigeführt  durch  die  Tafel  des  Ust-Urt,  welche  im  An- 
schlüsse an  die  Mugodjarberge  die  kaspische  von  der  aralischen 
Niederung  schied. 

Um  diese  grosse  mittlere  Masse  dehnte  sich  nun  der  aralo- 
kaspische  Doppelsee  in  solcher  Weise  aus,  dass  er  im  Norden 
mit  seiner  westlichen  Hälfte  ein  Stück  der  unteren  Wolga  und  im 
Westen  die  Niederung  des  Manytsch,  letztere  sogar  bis  an  das 
Asow'sche  Meer  bedeckte.  Der  weitere  Umriss  war  durch  die 
kaukasischen  Abhänge  vorgezeichnet.  Ferner  zweigte  an  der 
Bucht  von  Krasnowodsk  ein  Arm  ab,  welcher  sich  auf  der  west- 
lichen Kara-Kum  erweiterte  und  nordwärts  durch  den  südlichen 
Rand  des  Ust-Urt  begrenzt  war.  Er  umfasste  gegen  Nord  den 
ganzen  Aral;  da  aber  dieser  See  heute  bekanntlich  48*5  M.  über 
dem  schwarzen  und  7 1  •  i  M.  über  dem  kaspischen  Meere  liegt,  zeigt 
es  sich,  dass  sein  Wasserstand  nach  der  Abtrennung  ganz  und  gar 
unabhängig  geworden  ist  von  jenem  des  Kaspi.  Aber  auch  über 
den  heutigen  Umriss  hinaus  kennt  man  die  Spuren  grösserer  Aus- 
dehnung, z.  B.  bei  Mali-basch  am  Syr-Daria,  und  Helmersen  aner- 
kennt im  Süden  den  Nachweis  eines  um  etwa  20  M.  höheren  Standes. 

Werfen  wir  nach  diesen  Erfahrungen  über  die  Geschichte 
der  pontischen  Region  einen  Blick  auf  den  mexicanischen  Golf 
(s.  Fig.  37).  Flach  gelagerte  Tertiärschichten  umlagern  den  Nor- 
den des  Golfes  (/;);  die  Anlagerung  von  Meeresbildungen  schreitet 
an  der  atlantischen  Küste  ungestört  fort  (/,,),  aber  diese  treten 
nicht  in  den  Golf  ein;  dort  entsteht  die  Binnensee-Ablagerung  der 
Grand-Gulf-Series  (j^^).  Später  allerdings  tritt  der  atlantische 
Ocean  wieder  in  den  Golf,  und  nun  legt  er  die  marinen  Port-Hud- 
son-Schichten gerade  ebenso  auf  die  Grand-Gulf-Series,  wie  in 
jüngster  Zeit  das  Mittelmeer  seine  Sedimente  auf  die  Ablagerungen 
des  alten  pontischen  Binnensee's  legt. 

Wir  kehren  zum  Mittelmeere  zurück. 

Ein  gutes  Beispiel  des  Einsinkens  einer  grösseren  Fläche 
bildet  hier  die  Insel  Malta,  von  welcher  bereits  gesagt  worden 
ist,  dass  sie  aus  Ablagerungen  der  I.  Mediterranstufe,  des  Schlier 
und  der  II.  Stufe  besteht. 

Sucss,    Das  Antlitz  der  Erde.  29 


Grabenversenk  ung  v 


441 


bilden  nur  Theile  einer  jjrossen  Grabensenkung,  welche  den  gan- 
zen Raum  zwischen  dem  Bruche  von  Fomm-er-Rih  und  einer 
Verwerfung  auf  Gozzo  einnimmt.  Diese  läuft  von  der  Schlucht 
Migiar-Scini  gegen  Nordost  zum  Räs-el-Kaia. 

¥Än  weiterer  grosser  Bruch,  die  Malak- Verwerfung,  begleitet 
den  Südrand  von  Malta  ;  der  Betrag  der  Senkung  ist  auch  350  Fuss; 
er  steigt  durch  das  Hinzutreten  eines  zweiten,  untergeordneten 


nie  Wände  J.l  K 


luffrichtepptcB  SchichtkSpfen 
t  i;  5  Dreccie  nil  Elrphanlenr 


Bruches  auf  550  Fuss;  nicht  allzuweit  ausserhalb  des  Ufers  ist  das 
Meer  5oo  Faden  tief. 

So  ist  die  Tafel  zur  Tiefe  gegangen ;  die  Insel  Comino  und 
die  Strasse  von  Frioul  liegen  in  dem  Graben ;  Malta  und  Gozzo 
sind  Fragmente  von  Horsten.  Spratt,  welcher  sich  so  hervor- 
ragende Verdienste  um  die  Aufhellung  der  physischen  Geschichte 
des  Mittelmeeres  erworben  hat,  meinte  sogar,  die  stürmische  Ein- 
füllung  der  Reste  von  Landthieren  in  die  dem  Bruche  von  Malak 


Geringes  Alter  der  letzten  Einbrüche.  443 

Fedjadj.  Es  ist  dies  sicher  keine  Meeresbildung;  dennoch  taucht 
sie  unter  das  Meer  hinab  und  bildet  im  Angesichte  von  Sfax  die 
Inselgruppe  Kerkena/^* 

Ebenso  besteht  Formentera,  im  Gegensatze  zu  den  übrigen 
Balearen,  aus  einer  jungen  Landbildung/^^ 

Auf  Kreta  erscheinen  in  jungen  Ablagerungen  zahlreiche 
Reste  von  Hippopotamus ;  nicht  nur  auf  Malta,  sondern  auch  auf 
Sicilien  und  in  den  Höhen  und  Spalten  des  Felsens  von  Gibraltar 
liegen  die  Spuren  grosser  Landthiere.  Man  kann  bemerken,  dass 
Hyaena  spelaea,  welche  in  England  so  häufig  in  Höhlen  auftritt, 
und  auch  den  mitteleuropäischen  Höhlen  nicht  fehlt,  bei  Mentone 
in  Begleitung  von  menschlichen  Resten,  auf  Gibraltar  mit  afrika- 
nischen Thierformen  erscheint,  und  thatsächlich  nicht  mit  der  ge- 
streiften Hyäne  (H.  striata)  des  heutigen  Nordafrika  überein- 
stimmt, welche  aus  Asien  gekommen  zu  sein  scheint,  sondern  mit 
der  gefleckten  Hyäne  (H.  crocuta)  des  Südens.  Der  Schakal  lebt, 
wie  bereits  gesagt  worden  ist,  heute  noch  auf  einzelnen  Inseln 
Dalmatiens.  Das  Stachelschwein,  das  Chamäleon  und  zahlreiche 
andere  Formen  von  Thieren  und  Pflanzen  verbinden  Spanien,  Si- 
cilien und  Italien  mit  dem  nördlichen  Afrika. 

Zu  wiederholten  Malen  wurde  die  Ansicht  ausgesprochen, 
dass  noch  in  jüngster  Zeit  eine  Landverbindung  quer  über  das 
heutige  Mittelmeer  bestanden  habe  und  dass  grosse  Theile  des 
Mittelmeeres  überhaupt  nicht  bestanden  hätten,  '^^  Es  ist  aber 
heute  noch  sehr  schwer,  den  Zusammenhang  der  Dinge  näher  zu 
erfassen.  So  viel  nur  ergibt  sich  mit  Sicherheit,  dass  die  Zertrüm- 
merung des  Festlandes  stückweise  und  zu  sehr  verschiedenen 
Zeiten  vorgeschritten  ist,  und  dass  sehr  grosse  Einbrüche  dieser 
Art  sich  nach  der  glacialen  Zeit  ereignet  haben. 

Uebersicht.  Die  angeführten  Erfahrungen  lassen  die  nach- 
folgende Reihe  von  Veränderungen  in  dem  Zustande  des  Mittel- 
meeres erkennen. 

Die  Ablagerungen  der  mittleren  Kreide  auf  Jamaica  und  jene 
der  Oligocänzeit  auf  mehreren  westindischen  Inseln  verrathen  eine 
auffallende  Uebereinstimmung  mit  den  gleichaltrigen  Bildungen 
des  südlichen  Europa.  Diese  Uebereinstimmung  dauert  in  einem 


Uebersicht.    II.  Stufe.  445 

Karpathen  bis  in  die  Wallachei.  Auf  diesem  ganzen  Gebiete  ist  er 
durch  Gyps,  Kochsalz  und  andere  Producte  der  Dissociation  aus- 
gezeichnet. Hieher  gehören  auch  die  Salzlager  Siebenbürgens. 
Der  Schlier  ist  auch  in  Ungarn  bekannt;  er  begleitet  den  äusseren 
Saum  des  Apennin  und  erscheint  mit  ähnlichen  Merkmalen  im 
südlichen  Kleinasien.  Es  ist  aber  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die 
ausgedehnten  tertiären  Gyps-  und  Steinsalzlager  des  Euphrat- 
gebietes  und  Persiens  derselben  Zeit  angehören. 

An  den  Schluss  dieses,  durch  die  Abschliessung  und  Ver- 
salzung grosser  Meerestheile  ausgezeichneten  Zeitabschnittes  fallen 
einige  der  grössten  tektonischen  Veränderungen.  Während  der 
marine  Schlier  an  den  Faltungen  sowohl  der  Alpen  als  der  Kar- 
pathen und  des  Apennin  und  an  dem  Ausbaue  des  äusseren  Ran- 
des dieser  Ketten  theilnimmt,  sieht  man  in  Toscana  wie  in  Oester- 
reich,  in  Westungarn  und  in  Steiermark  grosse  Einbrüche  eintreten 
und  in  diese  legen  sich  zunächst  blattführende,  kohlenreiche 
Schichten,  welche  dem  Alter  nach  dem  Schlier  unmittelbar  nach- 
folgen. Um  diese  Zeit  ist  auch  die  alpine  Niederung  von  Wien 
eingebrochen,  wurden  die  Alpen  von  den  Karpathen  getrennt, 
wurde  der  östliche  Abbruch  der  Alpen  mit  der  Bucht  von  Gratz 
gebildet,  wurde  der  spätere  östliche  Abfluss  der  Donau  vorbereitet 
und  ist  der  toscanische  Theil  der  innerapenninischen  Senkungen 
gebildet  oder  wenigstens  vorgezeichnet  worden.  Wahrscheinlich 
fällt  in  diese  Zeit  auch  ein  guter  Theil  der  innerkarpathischen  Ein- 
brüche. Im  Westen  scheint  der  Schlier  nur  durch  Süsswasser- 
ablagerungen  vertreten  zu  sein. 

Nun  dringt  neuerdings  das  Mittelmeer  vor  und  es  lagert  sich 
die. zweite  Mediterranstufe  ab.  Der  Ocean  greift  nicht  nur  in 
die  Bucht  der  Gironde,  sondern  auch  nordwärts  transgredirend 
über  dieselbe  gegen  Orleans  hinaus,  erreicht  aber  wahrscheinlich 
auch  dieses  Mal  nicht  durch  die  Bucht  der  Gironde  das  Mittel- 
meer. Die  Verbindung  am  Guadalquivir  ist  wieder  vorhanden. 
Das  Meer  dringt  in  dem  Rhonegebiet  weit  gegen  Nord,  erreicht 
aber  nicht  mehr  die  Schweiz,  und  die  zur  Zeit  der  ersten  Mediter- 
ranstufe nach  dieser  Richtung  vorhandene  Verbindung  mit  dem 
oberen  Donaubecken  fehlt.  Dafür  zeigen  sich  seine  Spuren  in  den 
innern  Einbrüchen  des  Apennin  und  der  Alpen,  und  sowie  das 


.       ^>-WH     T^     ,WT      2CU£ 


s  die  aJten  GrenK^  üi>er:^cir^tet.  so  umgürtet 


•zrit  r:rr  C:e  KarpaiiHK!.  sorsdem  trin  e>  ai^cä  weit  über  die 
Äicbe  PLÄTte-  über  das  Gouverrerrerit  Kbersc»:!  and  sogar  bis 
ri  ci-r  «[^reec  d  des  he-Jtigen  Asow'sche:^  Me^rres  hiiL  Es  erreicht 
a-ci  der::  sü'üclien  Theil  Kleinasien's,  aber  es  L?:  nicht  sicher,  ob 
Ablagerungen  aus  dieser  Zeit  auch  in  dem  Innern  des  Landes,  in 
Armenien  und  Persien  vorhanden  sind- 

Dagegen  ist  es  der  tiefere  Theii  der  Ablageningen  dieser 
Soir'e,  welcher  über  die  Ivbische  Wüste  bis  in  die  Oase  Siuah  vor- 
drinii^t  und  bei  Suez  bis  an  das  heute  von  einer  iranz  verschiedenen 
Fauna  bewohnte  rothe  Meer  vordringt. 

Der  zweiten  Mediterranstufe  foli^en  in:  Westen  weder  Süss- 
Wasserbildungen,  während  in  Osteuropa  eine  neue  und  selbständige 
Schichtgruppe,  die  sarmatische  Stufe,  auftritt. 

Die  sarmatische  Stufe  miLSs  als  eine  marine  Stufe  angesehen 
werden,  obwohl  sie  an  vielen  Stellen  brackische  Einschwemmungen 
enthält  und  obwohl  ihrer  F'auna  ein  eigenthümlicher  Stempel  der 
Einförmigkeit  aufgeprägt  ist.  Sie  füllt  die  Niederungen  des  Donau- 
gebietes von  Niederösterreich  bis  zum  schwarzen  Meere,  bedeckt 
grosse  Strecken  vom  südlichen  Polen  her  durch  Südrussland  bis 
an  das  kaspische  Meer  und  bis  an  den  Aralsee,  und  dringt  in  die 
Dardanellen  und  in  den  nördlichen  Theil  des  ägäischen  Meeres. 
Die  ausgedehnten  gypsführenden  Eagen  zu  beiden  Seiten  des 
Apennin,  welchen  auch  die  sicilischen  Schwefelgruben  angehören, 
entsprechen  vielleicht  ihrem  Alter  nach  der  sarmatischen  Stufe. 

Nun  tritt  eine  ganz  wunderbar  ausgedehnte  Ablagerung 
brackischer,  durch  mannigfaltige  Cardien  und  durch  Congerien 
ausgezeichneter  Sedimente  ein;  dies  sind  die  pontischen  Bil- 
dungen. Sie  erscheinen  im  Rhonethale,  wo  ihnen  eine  Zeit  der 
Erosion  voranging ;  sie  zeigen  sich  zu  beiden  Seiten  des  Apen- 
nin und  sind  bis  Sicilien  bekannt.  In  dem  ganzen  Gebiete  der 
Donauniederungen,  von  Niederösterreich  abwärts,  liegen  sie  auf 
der  sarmatischen  Stufe;  ebenso  ist  es  im  südlichen  Russland. 

Neuerdings  breitet  sich 'das  Mittelmeer  aus;  die  dritte  Me- 
diterranstufe dringt  wieder  im  Rhonethale  vor,  den  pontischen 
Al)lag<;rungen  aufruhend;  sie  erscheint  an  zahlreichen  Stellen  im 
Umkreise;  des  heutigen  Mittelmeeres  und  der  Einbruch  bei  Genua 


Uebersicht.  Jüngste  Bildungen.  447 

scheint  dieser  Zeit  anzugehören.  Sie  reicht  aber  im  Osten  nord- 
wärts nicht  über  Kos  hinaus,  und  an  der  Stelle  des  heutigen  ägäi- 
schen  Meeres  ist  noch  immer  festes  Land  und  ein  oder  mehrere 
grosse  und  tiefe  Süsswassersee'n.  In  das  Innere  Kleinasien's  reicht 
diese  Stufe  auch  nicht. 

Man  erkennt  an  den  heutigen  Gestaden  des  Mittelmeeres 
durch  die  verschiedenen  Höhen,  in  welchen,  oft  in  deutlich  ge- 
trennten Treppen,  die  späteren  Absätze  erfolgten,  ein  ausgebrei- 
tetes Schwanken  der  Strandlinie.  Nordische  Gäste,  Arten,  welche 
heute  in  Grönland  leben,  erscheinen  in  der  Mittelmeerfauna ;  der 
grösste  Theil  verschwindet  wieder,  doch  dürfte  jene  Reihe  kelti- 
scher Arten,  welche  heute  die  tieferen  und  kälteren  Regionen  des 
Mittelmeeres  bewohnt,  um  diese  Zeit  eingewandert  sein. 

Nach  dieser  Zeit  treten  neuerdings  grosse  Einbrüche  ein. 
Das  ägäische  Festland,  welches  durch  alle  vorhergehenden  Ab- 
schnitte von  Kleinasien  herübergereicht  und  das  pontische  Gebiet 
abgetrennt  hatte,  geht  nun  zur  Tiefe,  ebenso  das  pontische  Ge- 
biet selbst  bis  an  den  Nordrand  des  westlichen  Kaukasus,  und 
das  Mittelmeer  tritt  in  ein  weites  neues  Gebiet  ein,  während  im 
kaspischen  Becken  die  alten  Zustände  fortdauern.  Die  nördliche 
Adria  geht  zur  Tiefe  und  an  vielen  anderen  Stellen  ereignen  sich 
grössere  und  kleinere  Absenkungen  und  Nachbrüche. 

Neben  diesen  Nachbrüchen  vollzieht  sich  aber  noch  ein  an- 
derer Proccss  im  Mittelmeere,  nämlich  eine  allgemeine  Verände- 
rung der  Strandlinie.  Das  ist  kein  localer,  sondern,  wie  sich  an 
späterer  Stelle  zeigen  wird,  ein  sehr  ausgebreiteter  Vorgang. 

Die  trockenliegenden  Strandbildungen,  welche  an  so  vielen 
Stellen  in  der  Hr)he  von  einigen  Füssen  über  dem  heutigen  Meeres- 
spiegel zu  sehen  sind,  haben  ohne  Zweifel  dieselbe  Entstehung 
wie  die  weit  höher  ansteigenden  Treppen  von  Meeresbildungen, 
welche  bis  in  die  Zeit  der  nordischen  Gäste  und  noch  weiter  zurück- 
reichen. Der  Gegensatz  zwischen  der  Regelmässigkeit  dieser 
jungen  Treppen  und  der  Faltung  und  dem  Bruche  der  Gebirgsketten 
hat  sich  bereits  vielen  Beobachtern  aufgedrängt.  Die  Gleich- 
förmigkeit des  ,Cordon  litoral  (luaternaire*,  also  der  jüngsten  ver- 
lassenen Meeresbildung  auf  Cypern,  hat  Gaudry  veranlasst,  zwei 
verschiedene   Reihen   von   Erscheinungen   im  Mittelmeere   anzu- 


Künftige  Einbrüche.  449 

dafür,  dass  dieses  ganze  Gebiet  zwischen  Baku,  Schemacha, 
Nucha,  Elisabetpol  und  Schuscha,  also  die  ganze  gegen  das 
kaspische  Meer  geöffnete  Ebene  sich  ebenso  verhake,  wie  die 
calabrische  und  die  nordadriatische  Senkungsregion,  d.  i.  dass 
neue  Senkung  sich  vorbereite.'^**  Diesem  Gebiete  schliesst  sich  aber 
im  Westen  die,  so  weit  geschichtliche  Ueberlieferungen  reichen, 
d.  i.  seit  mehr  als  einem  Jahrtausend,  von  den  heftigsten  Erschüt- 
terungen heimgesuchte  Region  südlich  vom  Goktschai  bis  gegen 
den  Ararat  hin  an,  und  wir  treffen  in  Armenien  aufzahlreiche  Nach- 
richten von  Erdbeben  aus  dem  vulcanischen  Hochplateau  nördlich 
von  Kars,  sowie  aus  der  Gegend  von  Erzerum.  Diese  Stadt  wurde 
in  demselben  Monate  Mai  1859,  in  welchem  weit  im  Osten  die 
Stösse  am  unteren  Laufe  des  Kur  und  des  Araxes  wanderten,  plötz- 
lich von  einem  Schlage  getroffen,  welcher  den  dritten  Theil  der 
Häuser  stürzte  und  Hunderte  von  Menschen  tödtete.  Von  hier 
aber  zieht  sich  eine  zweite  seismische  Zone  über  den  Wan  -  See 
gegen  Mambedj,  Aleppo  und  Antiocheia.  Auch  auf  dieser  Zone 
traten  schon  im  Alterthume  verheerende  Erderschütterungen  auf, 
und  sie  haben  sich  bis  in  die  neuere  Zeit  wiederholt  (S.  76). 

Wird  einmal  an  der  Südseite  des  Kaukasus  das  Land  am 
unteren  Kur  zur  Tiefe  gehen,  wie  die  östliche  Fortsetzung  dieser 
Gebirgskette  bereits  zur  Tiefe  gegangen  ist?  Wird  sich  hier  ein 
neuer  Busen  des  kaspischen  Meeres  bilden  ?  Oder  sagen  uns  diese 
wiederholten  Erdstösse  gar,  dass  dereinst  das  ganze  östliche 
Kleinasien  zur  Tiefe  brechen  wird,  wie  das  ägäische  Fesdand  in 
jüngster  Zeit  zur  Tiefe  gebrochen  ist,  und  dass,  sowie  der  Pontus 
in  jüngster  Zeit  dem  Mittelmeere  angefügt  wurde,  so  nun  auch 
das  kaspische  Meer  entweder  von  Antiocheia  oder  von  der  colchi- 
schen  Küste  her  demselben  ebenfalls  angefügt  werden  wird  ? 

Wir  haben  keine  Antwort  auf  solche  Fragen,  aber  wir  sehen, 
dass  die  alten  Kräfte  wirksam  sind,  und  müssen  vermuthen,  dass 
die  Veränderungen,  welche  sie  vorbereiten,  jenen  ähnlich  sein 
werden,  welche  bereits  eingetreten  sind. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.    Das  Mittelmeer.  45  ^ 

bänke  von  S.  Bartholomäus  u.  and.  Orten  als  demselben  Gliede  angehörig;  auch  diese  Auf- 
fassung steht  nicht  in  Widerspruch  mit  den  europäischen  Vorkommnissen. 

8  Eug.  A.  Smith,   On   the   Geol.  of  Florida;   Amer.  Joum.  Science,    i88i,    3.  ser., 

XXI,  p.  292— 3oq. 

9  E.  W.  Hilgard,  The  later  Tertiary  of  the  Gulf  of  Mexico,  ebendas.  1882,  3.  ser., 

XXII,  p.  58 — 65,  pl.  III;  auch  dess.:  On  the  geol.  history  of  the  Gulf  of  Mexico;  Proc. 
Am.  Assoc,  XX.  Meeting,  Indianop.,  8°,  Cambridge,  187.2,  p.  222 — 236  und  im  Anhange 
zu  Humphreys  and  Abbot,  Report  upon  the  Physics  and  Hydraulics  of  the  Mississippi 
Riv.,  2.  Aufl.,  40,  Washington,  1876,  p.  636 — 646  u.  F.  V.  Hopkins,  Karte  in  Ann.  Rep. 
of  the  Louisiana  State  Univ.,  New-Orleans,   1871. 

»o  Ang.  Heilprin,  Notes  on  Ihe  tert.  Geol.  of  the  Southern  Un.  States;  Proc.  Ac. 
Nat.  Sc.  Philad.,   1881,  p.  151  — 159. 

"  Th.  Bland,  On  the  geogr.  Distrib.  of  the  Gen.  and  Spec.  of  Land  Shells  of  the 
W.  Ind.  Islands  etc.;  Ann.  Lyc.  nat.  bist.  New-York,  1862,  VII,  p.  335 — ^^^J  femer: 
Notes  relat.  to  the  Phys.  Geogr.  and  Geol.  of,  and  Distrib.  of  terr.  Moll,  in  certain  of  the 
W.  Ind.  Islands,  und:  On  the  Phys.  Geogr.  of,  and  Distrib.  of  terr.  Moll,  in  the  Bahama 
Islands,  ebendas.  1874,  X,  p.  3li — 324;  für  Säugthiere  auch:  M.  F.  de  Castro,  Pruebas 
paleont.  de  que  la  Isla  de  Cuba  ha  estado  unida  al  Continente  Amer.;  Bolet.  Com.  geol. 
Esp.,  1881,  VIII,  p.  357—372. 

»2  AI.  Agassiz,  Origin  of  the  West  Ind.  (Caribbean)  Echinid.  Fauna;  in  Reports 
of    the    Results    of    Dredging    etc.;    Mem.  Mus.  Comp.  ZooL    Harvard    Coli.,    i883,    X,  a, 

P-  79-94. 

'3  Ang.  Heilprin,  On  the  Relation,  Ages  and  Classification  of  the  Post-Eocene 
Tertiary  Deposits  of  the  Atlantic  Slope;  Proc.  Acad.  Nat.  Sc.  Philadelphia,  1882,  p.  150 — 186. 

»4  F.  Rolle,  Ueb.  d.  geolog.  Stellung  der  Homer-Schichten;  Sitzungsbcr.  Akad. 
Wiss.  Wien,  XXXVI,  1859,  S.  81,  auch  Heilprin,  Proc.  Acad.  Nat.  Sc.  Philad.  1880,  p.  33. 

»5  J.  Geikic,  On  the  Geol.  of  the  Facroc  Isl.;  Trans.  Roy.  Soc.  Edinb.,  1880 — 1881, 
XXX,  ])1.  XVI;  A.  II.  Stokes,  Notes  upon  the  Coal  found  in  Süderöc;  Quart.  Journ. 
Geol.  Soc,   1880,  XXXVT,  p.  620—626. 

»6  Die  zweite  deutsche  Nordpolfahrt,  1874,  II;  Toula,  S.  477;  Lenz,  S.  486  u. 
folg.;  Heer,  S.  512-517. 

»7  Osw.  Heer,  Notes  on  foss.  Plauts  discov.  in  Grinell-Land  by  Capt.  H.  W. 
Feilden;  Quart.  Joum.  geol.  Soc,  1878,  XXXIV,  p.  67;  auch  Etheridgc,  ebendas.  p.  569. 

lÄ  F.  Toula,  Zweite  deutsche  Nordpolf.,  S.  477. 

»9  Th.  Fuchs,  Uebcr  die  während  d.  schwed.  geol.  Expedition  n.  Spitzbergen  im 
Jahre  1882  gesammelten  Tert.  Conchylicn;  Bihang  tili.  K.  Svensk.  Vet.  Ak.  Handl.,  l883, 
VIII,  Nr.  15.. 

20  K.  Mayer  in  G.  Härtung,  Geol.  Beschreib,  d.  Inseln  Madeira  u.  Porto  Santo, 
8",   1864,  S.  i83  u.  folg.,  insb.  S.  276,  277. 

21  Judd,  Quart.  Journ.  geol.  Soc,   1878,  XXXIV,  p.  669. 

22  Die  letzte  Beschreibung  hat  K.  Pettersen  geliefert:  Lofoten  og  Vesteraalen; 
Archiv  f.  Mathem.  og  Naturvidensk.,  Kristiani.i,   1881,  97  pp.  u.  geol.  Karte. 

23  Beyrich's  Uebcrsichtskarte  in  den  Abhandl.  Akad.  Wiss.  Berlin,  1855,  bildet 
heute  noch  den  Ausgangspunkt  aller  Untersuchungen  über  dieses  Gebiet. 

24  G.  Vasseur,  Rech.  göol.  sur  les  terrains  tert.  de  la  France  Occid.;  Ann.  d. 
Sciences  geol.,   1881,  XIII,  p.  I— 432  u.  Karten. 

25  W.  Pengelly,  The  Lignites  and  Clays  of  Bovey  Tracey,  Devonsh. ;  Philos. 
Transact.  Roy.  Soc,  i863,  vol.  152,  p.  1019  — lo38,  3  pl.,  und:  Osw.  Heer,  On  the  Foss. 
Flora  of  Rovcy  Tracey,  ebendas.  p.  io39 — 1086,  17  pl. ;  ferner:  Ramsay,  Phys.  Geogr. 
aud  Geol.  of  Gr.   Britaiu,  8«,    1878,  p.  259,  354. 


452  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.   Das  Mittclraecr. 

26  Aus  der  reichen  Literatur  über  diesen  Gegenstand  nenne  ich  nur  J.  Prestwich, 
On  the  Structure  of  the  Crag-Beds  of  Norfolk  and  SufTolk,  Quart.  Journ.  geol.  Soc,  1871, 
XXVII,  p.  115 — 146,  325—356  u.  452—496,  und  E.  Van  den  Broeck,  Esquisse  geol.  et 
pal^ont.  des  Depols  plioc.  des  Environs  d*Anvers,  M6m.  de  hi  Soc.  Malacol.  Belg.,  1874, 
IX,  p.  83—371. 

27  D.  Joaq.  Gonzalo  y  Tarin,  Prov.  de  Huelva,  Bolet.  Comis.  Mupa  geol.  Esp., 
1878.  V,  p.  75,  81,  87. 

2**  M'Pherson,  Prov.  de  Sevilla,  ebendas.  1879,  VI,  p.  252. 

29  L.  Mallada,  ebendas.  1880,  VII,  p.  48. 

30  de  Verneuil  et  CoUomb,  Coup  d*aMl  sur  la  Constit.  geol.  de  plus,  provinces 
de  TEspagne,  Bull.  soc.  geol.,  1853,  2«  ser.,  X,  p.  78,  79  und  dicselb. :  ("icol.  du  Sud-Est  de 
TEspagne,  ebendas.  1856,  2«  s6r.,  XIII,  p.  716  u.  folg.  Schon  im  Jahre  1849  hob 
d*Archiac  hervor,  dass  das  castilische  l'lateau  mit  682  M.  mittlerer  Höhe  und  das  Plateau 
der  Auvergne  mit  nur  339  M.  mittlerer  Höhe  in  gleicher  Weise  von  dem  Meere  frei  ge- 
blieben seien,  welches  sie  umgab;  Hist.  des  Progres  de  la  Geol.  TI,  b,  p.  841. 

3»  Rieh.  V.  Dräsche,  Geol.  Skizze  des  Ilochgeb.  der  Sierra  Nevad.i,  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.,  1879,  XXIX,  S.  Il3,  115;  auch  Silvertop,  Procecd.  geol.  Soc,  i834,  p.  216; 
Ansted,  Quart.  Journ.  XV,  p.  585. 

32  Gonzalo  y  Tarin,  Prov.  de  Granada,  Bolet.  Comis.  Mapa  geol.  Esp.,  1881, 
VIII,  p.  78  u.  folg. 

33  Ebendas.  p.  83,  femer  Is.  Gomban  u.  A.  M.  Alcibar,  Prov.  de  Tarragona, 
ebendas.  1877,  IV,  p.  237. 

34  Tournoucr,  Note  stratigr.  et  paleontol.  sur  Ics  faluns  du  dep.  <le  la  Gironde, 
Bull.  soc.  gdol.,   1862,  2«  s6r.,  XIX,  p.  io38. 

35  Th.  Fuchs,  Der  ,Falun  von  Salles*  und  die  sogenannte  jüngere  Mediterranstufe' 
des  Wiener  Beckens;  Verhandl.  geol.  Reichsan.st.,  1874,  S.  105  —  111.  Wenn  sich  auch 
herausstellen  sollte,  dass  die  Faluns  von  Bazas-Merignac  den  Schichten  von  Molt  entsprechen, 
würde  doch  ein  bezeichnendes  Glied  der  ersten  Stufe  bei  Wien,  nämlich  die  Schichten  von 
Loibersdorf  mit  Card.  Kübecki,  an  der  Gironde  fehlen. 

36  Linder,  Des  D<^püts  lacustres  du  Vallon  de  Saucats;  Actes  <le  la  Soc.  linn.  de 
Bordeaux,  1872,  XXVII,  p.  451 — 525;  auch  früher  R.  Tournouer,  Sur  Tage  geol.  des 
Mollasses  de  TAgenais;  Bull.  soc.  g6ol.,  1869,  2«  s6r.,  XXVI,  p.  983— 1023. 

37  Vict.  Raulin,  Aper9U  sur  TOrogr.,  la  G60I.  et  la  Hydrograph,  de  la  France; 
in:  Dechambre,  Dict  encycl.  des  Sciences  MMic,  8°,  Paris,   1879,  p.  349  u.  a.  and.  Orten. 

3*  J.  Delbos,  Essai  d*une  Descript  g^ol.  du  Bassin  de  TAdour,  4*»,  Bordeaux, 
1854  u.  a.  and.  Orten;  für  das  Alter  von  Saubrigues  auch  Benoist,  I/Etage  Tortonien 
dans  la  Gironde,  Actes  soc.  linn.,  Bordeaux,   1878,  XXXII,  p.  LXXXV — XC. 

39  R.  Tournouer,  Sur  les  d^p6t$  d'eau  douce  du  bassin  de  la  Garonne,  corresp. 
au  calc.  de  Beauce  et  aux  sables  de  TOrl^annais,  Bull.  soc.  geol.,  1867,  2^  ser.,  XXIV, 
insb.  p.  486,  und  ders.:  Sur  les  lambeaux  du  terr.  tert.  des  environs  de  Rennes  et  de  Dinan, 
ebendas.  1868,  2«  s^r.,  XXV,  p.  386  u.  folg. 

40  F.  Fontannes,  ]^tudes  statigr.  et  pal^ont.  pour  servir  a  Thist.  de  la  Periode 
tert.  dans  le  Ba.ssin  du  Rhone,  7  Theile,  Lyon  et  Paris,  1875  — 1881. 

4»  Fontannes,  VI,  Bassin  de  Crest,  Fig.  i3,  p.  47. 

42  C.  Fischer  et  R.  Tournoucr,  Invert^br^s  foss.  du  Mont  L^beron  (aus:  Gaudry, 
Fischer  et  Tournouer,  Anim.  foss.  du  M.  L^beron),  40,  Paris,  1873,  p.  152;  Fon- 
tannes, l^tudes,  IV,  p.  59  und  insb.  Fuchs,  BoUet.  comit.  geol.,   1879,  p.  17-  19. 

43  Hiebci  bemerke  ich  jedoch  ausdrücklich,  dass  die  von  Fontannes  insb.  IV,  p.  61, 
62  ausgesprochene  Ansicht,  dass  die  Knochenlager  von  Cucuron  älter  seien  als  die  Lagen 
mit  Nassa  semistriata  (dritte  Stufe),  mir  vollkommen  richtig  erscheint  und  ganz  mit  den  mir 
sonst  bekannten  Vorkommni.ssen  dieser  Art  übereinstimmt. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.    Das  Mittclmecr.  453 

44  Fontannes,   Note  sur  TExtcnsion  et  la  Faune  de  la  Mer  plioccne   dans  Ic  Sud- 
Est  de  la  France;  Bull.  soc.  giol,  1862,  3«?  sir.,  XI,  p.  io3  — 141. 

45  Fontannes,  ttudes,  VI,  Bassin  de  Crest,  pl.  A.  B,  C. 

46  A.  Jaccard,   Dcscr.  g^ol.  du  Jura  Vaudois  (Matir.  p.  1.  Carte   g6ol.  de  la  Suisse, 
VI,  1869),  p.  106  u.  folg. 

47  J.  B.  Greppin,  Le  Jura  Bcrnois  (Mat6r.  VIII,    1870),  p.  176. 

48  B.  Studer,  Geol.  d.  Schweiz,  II,  S.  434. 

49  E.  Renevicr,  Mcm.  g6ol.  sur  la  Porte  du  Rhone;  Denkschr.  Schweiz.  Naturf. 
Ges.,   1855. 

50  Gümbel,  Gcognost.  Beschr.  d.  Königr.  Baiern,  I,  S.  756  u.  folg. 

51  J.  Schill,  Die  Tcrt.  u.  Quart.  Bildungen  des  Landes  am  nördl.  Bodensee  u.  im 
Höhgau;  8«,  Sluttg.,   1858,  S.  33,  102  u.  a.  and.  Orten. 

52  Gümbel,  Geogn.  Beschr.  d.  Königr.  Baiern,  II,  S.  784. 

53  F.  Posepny,  Oligocäne  Schichten  bei  Pielach  nächst  Melk;  Jahrb.  geol.  Reichs- 
anst,  XIV,   1865;  Verhandl.  S.  165.    Ich  habe  hier  auch  Fragmente  von  Cyrena  angetroffen. 

54  Untersuch,  über  d.  Charakter  der  österr.  Tertiärablagcrungen,  Sitzungsber.  Akad. 
Wien,   1866,  LIV,   i.  Abth.,  S.  87  — 152. 

55  Hierüber  z.  B.:  R.  Lepsius,  Das  Mainzer  Becken,  40,  i883,  S.  Ii3  u.  a.  and.  Orten. 

56  Osk.  Lenz,  Bcitr.  z.  Kcnntniss  der  Tertiiirbil düngen  in  Nord-  und  Westafrika; 
Verhandl.  geol,  Reichsanst,   i883,  S.  229. 

57  P.  de  Tchihatcheff,  Asie  Mineure,  IV«*  partie,  Geologie,  III,  8",  1869,  p.  15 
—  20;  auch  Bull.  soc.  g^ol.,   1854,  XI,  p.  393. 

58  T.  A.  B.  Spratt  and  Edw.  Forbes,  Travels  in  Lycia,  Milyas  and  the  Ciby- 
ratis,  8",   1847,  1^»  P*  '69—175;  vgl.  unten,  Note  89  über  einzelne  der  genannten  Punkte. 

59  Tchihatcheff,  Asie  Mincure,  IV,  3,  p.  27—60. 

60  J.  Russcggcr,  Reise  in  (Tricchcnland,  Unter-Egypten,  im  nördl.  Syrien  und 
südöstl.  Kleinasien,  II,  8«,  1843,  S.  607,  628  u.  a.  and.  Orten;  dess.:  Geogno.st.  Karte  des 
Taurus,  Fol.,  Wien,   1842. 

6«  Tchihatcheff,  a.  ang.  Orte,  p.  95,  97,   loi,   iio. 

62  F.  v.  Hauer  in  Haidinger's  Berichte  über  Mittheil.  d.  Freunde  d.  Naturwiss., 
Wien,   1848,  IV,  S.  3 II,  3 12. 

6j  H.  Abich,  Ueber  d.  Steinsalz  u.  seine  geol.  Stellung  im  russ.  Armenien;  Möm. 
Acad.  Pdtcrsb.,  1857,  6«  ser,  VII,  p.  61-  150,  10  Taf.  u.  insb.  Geol.  Forschungen  in  d. 
Kaukas.  Ländern,  II;  Geol.  d.  Armen.  Hochlandes,  40,   1882,  S.  210 — 327. 

64  Th.  Fuchs,  Ueber  die  von  Dr.  E.  Tietze  aus  Persien  mitgebrachten  Tert.  Verst.; 
Denk.schr.  Akad.  Wien,  1879,  XLI,  S.  99— 108,  6  Taf.,  und  Sitzungsber.,  1880,  LXXXI, 
S.  97—100  u.  Taf. 

65  E.  Tietze,  Bemerk,  über  d.  Tektonik  des  Albursgebirges,  Jahrb.  geol.  Reichsanst., 
1877,  XXVn,  S.  414. 

66  C.  Ehrlich,  Geognost.  Wanderungen  im  Gebiete  der  n.  ö.  Alpen,  8*>,  Linz,  1852, 
S.  72;  eine  erste  Liste  der  Foraminiferen  von  Reuss  ist  beigefügt. 

67  M.  Hörne s,  Verzeichniss  der  in  Ottnang  vorkommend.  Versteinerungen,  Jahrb. 
geol.  Reichsanst.,  1853,  IV,  S.  190;  auch  Reuss,  Foraminif.  von  Ottnang,  ebendas.  1864, 
XIV,  Verhandl.  S.  20;  diese  Thiergruppe  wurde  später  auch  bearbeitet  von  F.  Karrer, 
Ueber  d.  Foraminif.  des  Schlier  in  Niederösterr.  u.  Mähren,  Sitzungsber.  Akad.  Wien,  1867, 
LV,  S.  331—349. 

68  Untersuch,  über  den  Charakter  der  österr.  Tertiärablag.,  eb.  das.  1866,  LIV, 
S.   127. 

69  Th.  Fuchs,  Geol.  Studien  in  d.  Tert.  Bildungen  Süditaliens,  eb.  das.  1872, 
LXVI,    I.  Abth.,    S.  48;    de*is.:    Die    Gliederung    der    Tert.    Ablag,   am   Nordabhange    der 


4 54  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.   Das  Mittelmeer. 

Apenninen  von  Ancona  bis  Bologna,  eb.  das.  1875,  LXXT,  i.  Abth.,  S.  164.  Ebenso 
A.  Manzoni,  Lo  Schlier  di  Ottnang  nell'  Alta  Austria  e  lo  Schlier  delle  Collinc  di  Boh>gna; 
BoUet.  Com.  Geol.,   1876,  p.  122  — 1 32  u.  a.  vielen  anderen  Orten. 

70  Th.  Fuchs,    Das  Alter   der   Tertiärschichten  v.  Malta;   Sitzungsbcr.  Akad.  Wien, 

1874,  LXX,  I.  Abth.,  S.  92 — 102,  und:  Ueber  den  sog.  ,Badner  Tegel*  auf  Malta,  ebcndas. 
1876,  LXXUI,   I.  Abth.,  S.  67—73. 

7»  Kud.  Hoernes,    Die  Fauna  des  Schliers  von  üttnang;    Jahrb.  geol.  Kcichsanst. 

1875,  XXV,  S.  333—400,  Taf.  X-XV. 

72  A.  Manzoni,  Gli  Echinodermi  foss.  dello  Schlier  dclle  Collinc  di  Bologna, 
Dcnkschr.  Akad.  Wien,  1878,  XXXIX,  S.  149— 164,  4  Taf.  und:  Echiuod.  foss.  della 
Molassa  Serpentinosa;  eb.  das.  1880,  XLII,  S.  185  — 190,  3  Taf. 

73  Ich  betone  hier  die  Selbständigkeit  desselben.  Man  hat  den  Schlier  zuweilen  als 
die  Tiefseebildung  der  I.  Stufe  angesehen,  wofür  mir  keine  entscheidenden  Gründe  bekannt 
sind;  in  neuester  Zeit  hat  man  wegen  des  Vorkommens  einer  grösseren  Anzahl  von  Arten 
aus  der  11.  Stufe  denselben  dieser  zugerechnet.  Sowie  aber  die  heute  lebende  Fauna  des 
Mittelmceres  Elemente  von  verschiedener  Herkunft  umfasst,  gilt  dies  auch  von  jeder  frü- 
heren Fauna  und  das  ausschliessliche  Studium  von  Artverzeichnissen  mag  leicht  in  Irrthum 
führen.  Die  Gesammtheit  der  physischen  Merkmale  ist  zu  erfassen,  und  wo  es  gelingt, 
über  einen  grösseren  Raum  an  gleichen  Merkmalen  eine  Bildung  zu  verfolgen,  wird  sie 
selbst  zum  Merkmale  einer  selbständigen  Episode  der  Vergangenheit  und  ist  sie  als  solches 
zu  verzeichnen. 

74  A.  Rzehak,  Ueb.  d.  Gliederung  u.  Verbreit.  d.  alt.  Medit.  Stufe  bei  Gr.-Seelo- 
witz;  Vcrh.  geol.  Reich.sanst.,  1880,  S.  3oo — 3o3. 

75  Mich.  Kclb,  Die  Soolequellen  von  Galizien;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1876, 
XXVI,  S.  135,  169,  Taf.  XIV. 

/6  Stan.  Kontkiewicz,  Kurzer  Bericht  üb.  die  von  ihm  ausgef.  geol.  Untersuch, 
im  südwcstl.  Theile  v.  Königr.  Polen;  Vcrh.  geol.  Reichsanst.  188 1,  S.  66—69.  ^^^^ 
Gyps  erscheint  unmittelbar  über  der  Peclenschicht  in  einer  Lage,  welche  aus  riesigen,  bis 
2  Met.  hohen  Gypskrystallen  gebildet  ist,  welche  vertical  nebeneinander  stehen.  —  Zu 
meinem  lebhaften  Bedauern  ist  mir  der  II.  Theil  von  J.  Niedzwied/ki's  vortrefl'l icher 
Monographie  von  Wieliczka  erst  während  des  Druckes  zugekommen;  die  Ergebnisse  seiner 
eingehenden  Forschungen  stimmen  in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  dem  hier  (lesagten 
überein;  J.  Niedzwiedzki,  Beitr.  z.  Kenntniss  d.  Salzformation  von  Wieliczka  u.  Bochnia; 
2  Theile,  8",  Lemberg,  1883/4. 

77  M.  Lomnicki,  Einiges  üb.  d.  Gypsformation  in  Ostgalizicn;  Verh.  geol.  Reichs- 
anst. 1880,  S.  272—275;  die  Fauna  bei  Hilber,  Geol.  Studien  in  d.  ostguliz.  Miocängeb.; 
Jahrb.  eb.  das.   1882,  XXXII,  S.  292—297. 

7®  V.  Gr.  Cobalcescu,  Ueb.  einige  Tertiärbild,  in  der  Moldau;  Vcrh.  geol.  Reichs- 
anst. i883,  S.  152—157. 

79  C.  D.  Pilide,  Ueb.  d.  Neogene  Becken  N.  v.  Ploesci;  Jahrb.  geol.  Reichsanst. 
1877,  XXVIT,  S.  l32,  140;  Paul,  Verh.  eb.  das.  1881,  S.  93— 95 ;  Ucber  die  Faltung  dieser 
Ablagerungen  Cobalcescu  eb.  das.  1882,  S.  23o. 

80  Das  Vorkommen  von  Schlier  in  der  kleinen  Tertiär- Seh  olle  von  Buhna  oberhalb 
des  Eisernen  Thores  der  Donau  .scheint  mir  noch  nicht  vollständig  sichergestellt;  vgl. 
Stephanesco,  Note  s.  l.  bass»  tert.  de  Bahna;  Bull.  soc.  geol.  1877,  3.  scr.,  V,  p.  387—393, 
pl.  V,  u.  Tournouer's  Bemerkungen  hiezu. 

81  Es  sind  innerhalb  des  Bruchrandes  von  Wien  einige  sehr  untergeordnete  und 
unsichere  Aufschlüs.se  bei  Gross- Russbach  vorhanden;  ebenso  verweise  ich  auf  Th.  Fuchs, 
Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1868,  XXVIII,  S.  283,  Note;  für  die  Ausbreitung  im  Süden:  R.  Hoer- 
nes, Ein  Beitr.  z.  Kenntniss  d.  mioc.  Meeresablag.  der  Steiermark;  Mittheil,  naturw.  Ver. 
Steierm.  1882,  S.  19.  In  Südsteiermark  u.  Krain  wird  der  Schlier  wohl  auch  als  , Mergel 
von  Tüffer*  bezeichnet;  nach  Bittner*s  Beobachtungen  nähert  sich  derselbe  an  einzelnen 
Stellen    sehr    den    galizischen   , Schichten    von   Baranow'    Hilber's.     Diese    Bestätigung    der 


Anmerkungen  zu  Th.  11,  Abschn.  IV.   Das  Mittelmccr.  455 

hier  vertretenen  Ansichten  ist  um  so  erfreulicher,  als  sie  von  einem  Beobachter  herrührt, 
welcher  diese  Ansichten  nicht  thcilt;  A.  Bittner,  Die  Tcrt.  Ablag,  von  Trifail  u.  Sagor; 
Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1884,  S.  457,  491,  548,  588  u.  an  and.  Ort. 

82  Th.  Fuchs,  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1881,  Referate,  S.  99.  Koch  u.  Kürthy  haben 
gezeigt,  dass  im  NW.  Siebenbürgen  die  grossen  Dislocationen  wie  in  den  O.  Alpen  zwischen 
die  I.  u.  n.  Mediterranstufe  fallen,  so  dass  die  letzteren  dem  Sande  von  Korod  der  1.  Stufe 
discordant  anlagern;  Petrogr.  u.  tekton.  Verhältnisse  der  trachyt.  Gesteine  des  Vlegyasza- 
Stockes;  Siebcnb.  Mus.  Verein,  Klausenburg,   1878,  S.  385. 

*3  Eine  Uebersicht  dieser  reichen  Vorkommnisse  bei  F.  v.  Hauer  u.  G.  Stäche, 
Geol.  Siebenbürgens,  8°,  i863,  S.  102  —  lio,  u.  F.  Posepny,  Studien  aus  d.  Salinengebietc 
Siebenb.;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1867,  XVII,  S.  475— -516  u.  1871,  XXI,  S.  123  — 188  q. 
Taf.;  F.  Herbich,  Das  Sz6klerland,  8«,  Budapest,   1878,  S.  261— 266. 

*4  Hauer  u.  Stäche,  eb.  das.  S.  290;  Posepny,  eb.  das.  1871,  S.  147.  Die  älteren 
Ansichten  Coquand's   über   das  Alter   der  Salzlagerstätten  meinte   ich   übergehen  zu  dürfen. 

85  Ch.  Mayer,  Sur  la  carte  g^ol.  de  la  Ligurie  centrale;  Bull.  soc.  g6ol.  1877,  3.  sdr., 
V,  p.  288;  Th.  Fuchs,  Studien  üb.  d.  Gliederung  d.  jung.  Tertiärbildungen  Ob.  Italiens; 
Sitzungsb.  Akad.  Wien,   1878,  LXXXVII,   i.  Abth.,  S.  419—480. 

86  Bei  Camerino  liegt  mit  Aturia  Aturi  auch  Brissopsis  Ottnangensis  im  Schlier; 
Loriol,  Descr.  des  Echin.  des  env.  de  Camerino  (Toscane)  prcc.  d'une  not.  stratigr.  par 
M.  Canavari;  M^m.  soc.  phys.  hist.  nat.  Geneve  1882,  t.  XX VIII.  Bei  Stilo  in  Calabrien 
hat  Seguenza  Aturia  Aturi  im  »Langhiano'  getroffen. 

87  Ipp.  Cafici,  La  Form.  Mioc,  nel  territ.  di  Licodia-Eubea;  Ac.  d.  Lyncei,  l883, 
ser.  3,  vol.  XIV. 

88  Tournouer,  Notes  paUont.  sur  quelques-uns  des  terr.  tert.  etc.;  Bull.  soc.  g^ol. 
1877,  3.  s6t.  V,  p.  844. 

89  Hr.  Th.  Fuchs  schreibt  ferner:  Einige  Zeit  nach  Dr.  Luschan  besuchte 
Dr.  Tietze  dieselbe  Gegend  und  hatte  die  Güte,  mir  die  mitgebrachten  Stücke  zum 
Stadium  zu  überlassen.  Nach  seinen  Mittheilungen  treten  schlierähnliche  Bildungen  an 
zahlreichen  Punkten  Lyciens  als  Ausfüllungen  schmaler  Thälcr  auf;  sie  bestehen  aus  einem 
Wechsel  von  Mergel,  Sandstein  und  Conglomerat.  liegen  auf  Nummuütenkalk  und  haben 
an  den  letzten  Bewegungen  des  Gebirges  theilgenommen;  ihr  Aussehen  erinnert  zuweilen 
an  Flysch.  Die  von  Tietze  mitgetheilten  Vorkommnisse  sind  übrigens  mehr  sandig  als 
jene  von  Luschan,  die  Aturien  fehlen  und  die  Fauna  erinnert  mehr  an  den  Horizont 
von  Grund.  Nur  einige  lichtgraue  Mergelstücke  mit  zahlreichen  Pteropoden,  mit  Corbula 
und  Limopsis  nähern  sich  dem  Typus  des  Schlier.  —  Die  von  Luschan  bei  Seret  in  Lycien 
(wahrscheinlich  Saaret  bei  Forbes)  gesammelten  Fossilien  entsprechen  nach  Fuchs  den 
Ablagerungen  von  Grund  oder  Lapugy  (II.  Stufe). 

90  Loftus,  On  the  Geol.  of  Portion  of  the  Turko-Persian  Frontier  and  Districts 
adjoining;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1855,  XI,  p.  247  u.  folg.;  W.  T.  Blanford,  Eastern 
Persia,  An  Account  of  the  Journeys  of  the  Persian  Boundary  Commiss.  1870 — 72;  8°,  Lond. 
1876,  II,  p.  461 — 462;  die  jüngeren  marinen  Tertiär-Bildungen  der  Makran-Küste  liegen 
übergreifend  auf  der  aufgerichteten  Salzformation. 

91  H.  Ab  ich,  Das  Steinsalz  und  seine  geol.  Stellung  im  russ.  Armenien;  M^m. 
Ac.  Sc.  Petersb.  1857,  6.  s6r.,  VII,  p.  61  — 150;   10  pl. 

92  E.  Tietze,  Verh.  geol.  Reichsanst.  1875,  S.  3o,  auch:  Die  Mineral-Rcichthümer 
Persien^s;  Jahrb.  eb.  das.  1879,  XXIX,  S.  572,  573  u.  an  and.  Ort. 

93  A.  Rzehak,  Beitr.  z.  Kenntn.  der  Tertiärform,  im  ausseralp.  Wiener  Becken; 
Verh.  naturf.  Verein  in  Brunn,  i883,  XXI;  F.  Sa ndb erger.  Die  Kirchberger  Schichten 
in  Oesterr.;  Verh.  geol.  Reichsaust.,  i883,  S.  208 — 210.  Rzehak  hat  in  dem  Oncophora-Sandc 
Geschiebe  von  Schlier  mit  Aturien  gefunden.  Bei  Schaffhausen  wird  derselbe  von  echter 
Juranagelfluh  überlagert;  F.  Schalch,  Ueb.  einige  Tertiärbildungen  d.  Umgeb.  v.  .Schaff- 
hausen; Neu.  Jahrb.  f.  Min.,    1881,  IT,  S.  42—76,  Taf.  IV. 

Suess,  Das  Antlitz  der  Krdo.  3q 


456  Anmerkungen  zu  Th.  IT,  Abschn.  IV.   Das  Mittelmeer. 

94  Pyrazus  bidentatus  nach  Tournoucr,   Sur  le  Cerith.  bidentatum  Grat,  et  sur  le 
Cerith.  lignitarum  Eichw. ;  Crosse,  Journ.  de  Conchyl.  Janv.  1874,  p.  I — 8. 

95  F.  Foetterle,  Die  geolog.  Verhältnisse  der  Gegend  zwisch.  Nikopoli,  Plewna  u. 
Jablanitza  in  Bulgar.;  Verh.  geol.  Reichsanst.  1869,  S.  191  u.  folg. 

96  Insb.  Th.  Fuchs  u.  F.  Karrer,   Ueb.  das  Verhältniss  des  marinen  Tegels  zum 
Lcithakalke;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1871,  XXI,  S.  67  — 122. 

97  A.  E.  Reuss,  Die  marin.  Tertiärschichten  Böhmen*s;  Sitzungsber.  Ak.  Wien,  1860, 
XXXIX,  S.  207—285,  8  Taf. 

98  J.  Wolf,  Verh.  geol.  Reichsanst.  1862,  S.  52;  Weihon  bei  Seelowitz  185*05 
W.  Klaft.,    Urbaniberg  b.  Austerlitz  18772  Klaft,    Kopaninberg  b.  Wischau    185*0  Klaft. 

99  Am  Hranitzki  Kopec;  Wolf,  Verh.  geol.  Reichsanst.  i863,  S.  20. 

»«>  Abich,  Beitr.  zur  Paläont.  des  asiat.  Russlands  (aus  d.  M^m.  Ac.  Petersb.) 
1858,  u.  an  and.  Ort.;  auch  Koenen  vermuthet  nach  diesen  Angaben  das  Auftreten  des 
Nummulitengebirges  am  Aralsee  unter  den  oligocänen  Ablagerungen;  Bull.  soc.  imp.  Nat. 
Moscou,   1868,  XLI,  a,  p.  171. 

»o'  H.  Trautschold,  Traces  de  TEtage  tongrien  pr^s  de  Kamyschloff;  Bull,  de 
la  Soc.  Ouralienne,  Ekaterinoslaw,  1882,  VII,  p.  21 — 23,  u.  insb.  A.  P.  Karpinsky, 
Sediments  tert.  du  versant  oriental  de  l'Oural;  cb.  das.  VII,  p.  60—72. 

»o2  N.  Barbot  de  Marny,  Geol.  Beschreibung  des  Gouv.  Kherson,  8«,  S.  Petersb. 
1869,  S.  150  (in  russ.  Sprache). 

»03  H.  Abich,  Einl.  Grundzüge  d.  Geol.  d.  Halbinseln  Kertsch  u.  Taman;  Mcm. 
Ac.  Petersb.  1865,  7.  ser.  IX,  S.  9  u.  folg.;  Nie.  Andrussow,  Beobachtungen  üb. 
geol.  Untersuch,  in  d.  Umgebung  d.  Stadt  Kertsch  (in  russ.  Sprache);  Neuruss.  naturf. 
Gesellsch.  l883,  XI  u.  Verh.  geol.  Reichsanst.  1884,  S.  190 — 194;  Hr.  Abich  hat  die  Güte 
gehabt,  mir  die  an  noch  östlicheren  Punkten  gesammelten  Stücke  mitzutheilcn,  und,  nach- 
dem der  Vergleich  nicht  zu  einem  entscheidenden  Urtheile  berechtigte,  neue  Aufsammlungen 
einzuleiten,  deren  Erfolg  abzuwarten  ist.  —  Alle  bei  Tschokrok  gesammelten  Conchyl icn 
der  n.  Stufe  sind  sehr  klein. 

*o4  K.  A.  2^ittel,  Beitr.  z.  Geol.  u.  Paläont.  der  libyschen  Wüste  u.  der  angrenzend. 
Gebiete  v.  Aegypten;  40  Cassel  i883,  S.  CXXVIII— CXXXII.  Das  Vorkommen  in  der 
Cyrenaica  ist  besonders  durch  seitherige  Funde  Schweinfurth's  bei  Tobruk  sichergestellt 
worden;  eb.  das.,  S.  CXXXI,  Note. 

105  E.  Beyrich,  Ueb.  geogn.  Beobachtungen  G.  Schweinfurth's  in  d.  Wüste  zwischen 
Cairo  und  Sues;  Sitzungsb.  Akad.  Berlin  1882,  X,  S.  l63— 182,  T.  IV,  V. 

106  xh.  Fuchs,  Die  geol.  BeschafTenheit  der  Landenge  von  Suez;  Denkschr.  Akad. 
Wien  1877,  XXXVIII,  S.  25 — 42  u.  Beitr.  z.  Kenntniss  d.  Miocänfauna  Aegyt.  u.  d.  libyschen 
Wüste;  in  ZitteTs  Beiträgen,  S.  21—66. 

»07  Untersuch,  üb.  d.  Charakter  d.  österr.  Tertiärablagerungen;  Sit/ungsb.  Akad.  Wien, 
1866,  LIV,   I.  Abth.,  S.  87—152. 

»08  Fr.  Schmidt,  Briefe  an  F.  v.  Richthofen,  Zeitsch.  deutsch,  geol.  Ges.  1877, 
XXIX,  S.  83o  u.  837. 

'«>9  Th.  Fuchs,  Ueb.  d.  Natur  d.  sarmatischen  Stufe  u.  deren  Analoga  in  d.  Jetzt/.cit 
u.  in  früheren  geol.  Epochen;  Sitzungsb.  Akad.  Wien,   1877,  LXXV,  S.  321  —339. 

»«oR.  Hoernes,  Sarmat.  Ablagerungen  in  d.  Umgebung  von  Gratz;  Mitth.  naturw. 
Ver.  f.  Steierm.  1878,  S.  4  u.  folg. 

'"  A.  Bittner,  Ueb.  d.  Charakter  d.  sarmat.  Fauna  d.  Wiener  Beckens;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.  i883,  XXXIH,  S.  1 31  —  150. 

»"  Manche  dieser  Arten  sind  wohl  zuweilen  aus  anderen  Gebieten,  wie  z.  B.  aus 
der  I.  Stufe  (»Schweizer  Molasse)  angeführt  worden,  doch  haben  die  Citate  in  einer  ^t^eDge- 
ren  Prüfung  der  Vorkommnisse  selbst  keine  Bestätigung  gefunden. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.   Das  Mittelmeer.  457 

"J  Z.  B.  J.  Sinzow  in  d.  Schriften  d.  neuruss.  naturf.  Gesellsch.  in  Odessa,  1875, 
III  u.  1877,  V;  Barbot  in  Geol.  d.  Gouv.  Kherson,  S.  151  u.  folg.;  auch  Hoernes, 
Fauna  d.  sarmat.  Ablagen  v.  Kischineff  in  Bessarab.;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1874,  XXIV, 
S.  33 — 45,  Taf.  II,  III;  A.  E.  Reuss,  Tert.  Bryozoen  v.  Kischinew;  Sitzungsb.  Akad. 
Wien  1869,  LX,  i.  Abth.  S.  505-512;  F.  Karrer  u.  J.  Sinzow:  Ueb.  d.  Auf- 
treten des  Foraminif.  Genus  Nubecularia  im  sarmat.  Sande  v.  Kischinew;  eb.  das.  1876, 
LXXIV,   I.  Abth.  S.  272-284  u.  Taf. 

"4  K.  Peters,  Phoca  ponfica  Eichw.  bei  Wien;  Sitzungsb.  Akad.  Wien,  1867,  LV, 
2.  Abth.,  S.  HO — Ii3;  J.  F.  Brandt,  Untersuch,  üb.  die  foss.  u.  subfoss.  Cetaceen 
Europa's;  M6m.  Ac.  P^tersb,  1873,  7.  s6r.  XX,  und  Ergänzungen,  ebcndas.  1874,  7.  s6r. 
XXI;  P.  J.  van  Beneden,   Les   Pachyacanthus   du   Mus^e   de  Vienne;   Bull.  Acad.  Belg. 

1875,  2.  s6r.  XL. 

'»5  An  dem  reichsten  Fundorte  bei  Wien,  in  Nussdorf,  zeigt  sich  der  sonderbare 
Umstand,  dass  zwei  Thiere,  ein  Säugthier  und  ein  Fisch,  durch  Hyperostose,  d.  i.  durch 
eine  ganz  absonderliche  Anschwellung  der  Knochen  ausgezeichnet  sind.  Der  Sirenide, 
auf  welchen  Brandt  die  Gattung  Pachyacanthus  gründete,  zeigt  dieses  Merkmal  in  so 
hohem  Grade,  dass  der  Rückenmarks-Canal  an  einem  guten  Theile  der  Wirbelsäule  auf 
einen  engen  Spalt  zusammengedrängt  wird;  in  geringerem  Maasse  ist  diese  Erscheinung 
auch  an  lebenden  Sireniden,  wie  van  Beneden  meint,  vorherrschend  an  -alten  Individuen,  zu 
beobachten.  Bei  dem  Fische,  Caranx  carangopsis,  sind  die  Wirbelkörper  so  vollständig 
überwuchert,  dass  nur  an  den  concaven  Endflächen  der  Wirbel  überhaupt  als  solcher  er- 
kennbar ist,  und  die  Rippen  sind  mit  grossen  blasenartigen  Auf^reibungen  bedeckt  (F. 
Steindachner,  Beitr.  z.  Kenntn.  d.  foss.  Fischfauna  Oesterreich's;  Sitzungsb.  Akad.  Wien 
1859,  XXXVII,  S.  685—694,  Taf.  V— VII).  Dieser  Fisch  ist  dem  Caranx  carangus  der 
Antillen  und  Brasilicn's  verwandt,  welcher  ähnliche  Auftreibungen  einzelner  Skelettheile 
häufig  zeigt.  Hr.  Steindachner  erklärt  mir  jedoch,  dass  trotz  des  Zusammentreffens  dieser 
Erscheinung  in  so  allgemeinem  und  ausserordentlichem  Grade  bei  den  Individuen  zweier 
ganz  verschiedener  Thiere  hieraus  ein  Schluss  auf  eine  abnorme  Zusammensetzung  des  Meer- 
wassers nicht  gestattet  sei,  indem  solche  Verdickungen  bei  Sparoiden,  Sciaenoiden,  Carangiden, 
Taenoiden  u.  A.  nicht  selten  seien,  namentlich  bei  grösseren  Individuen,  und  zwar  in  nor- 
malem Wasser.  Sie  ist  in  verschiedenen  anderen  Gruppen  von  Wirbelthieren,  und  auch  bei 
menschlichen  Individuen  bekannt.  Die  Vorkommnisse  von  Nussdorf  hat  auch  P.  Gervais 
beschrieben;  De  l'Hyperostose  chez  l'homme  et  chez  les  animaux;  Joum.  de  Zool.  1875, 
IV,  p.  282,  455. 

"6  V.  Hilber,  Geol.  Studien  in  den  ostgaliz.  Miocän-Gebieten ;  Jahrb.  geol.  Reichs- 
anst. 1882,  XXXII,  S.  309  u.  folg. 

"7  V.  Hilber,  Ueb.  d.  Miocän,  insb.  üb.  d.  Auftreten  sarmatischer  Schichten  bei 
Stein  in  Krain;  eb.  das.  1881,  XXXI,  S.  473—478. 

ii8  F.  Toula,  Die  sarmat.  Ablag,  zwischen  Donau  u.  Timok;  Sitzungsb.  Akad.  Wien, 
1877,  LXXV,  I.  Abth.,  S.  Ii3— 144  u.  Taf.;  dess.:  Grundlinien  d.  Geol.  d.  westl.  Balkan; 
Denkschr.  eb.  das.  1881,  XLIV,  S.  39. 

»«9  F.  V.  llochstetter,  Die  geol.  Verhältnisse  d.  östl.  Theiles  der  europ.  Türkei; 
Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1870,  XX,  S.  401. 

»20  K.  Peters,  Grundlin.  z.  Geogr.  u.  Geol.  der  Dobrudscha;  II;  Denkschr.  Akad. 
Wien,   1867,  XXVir,  S.  51—52. 

>2i   R.  Hoernes,    Ein  Beitr.  z.  Kenntn.  foss.  Binnenfaunen;  Sitzungsb.  Akad.  Wien, 

1876,  l.XXIV,    1.  Abth.,  S.  7—34;    Frank   Calvert  u.  M.  Neumayr,    Die  jungen  Ab- 
lagerungen am  Hellespont;  Denkschr.  Akad.  Wien,   1880,  XL,  S.  36o  u.  folg. 

122  Das  Kärtchen  bei  J.  S.  Di  11  er,  Notes  on  the  geol.  of  the  Troad;  Quart.  Joum. 
geol.  Soc.  1883,  XXXIX,  p.  628.  » 

»23  L.  Burgerstein,  Geol.  Untersuch,  im  SW.  Theile  der  Halbin.sel  Chalkidike; 
Denkschr.  Akad.  Wien,   1880,  XL,  S.  325. 

»24  Die  Halbinsel  von  Sinope  sollte  mit  Rücksicht  auf  die  Angaben  von  Brauns 
wohl  neuerlich  besucht  werden;  Tchihatcheff,  Asic  Mineure,  G60I.  111,  p.  150. 

3o* 


458  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.    Das  Mittelmeer. 

< 

»25  N.  Barbot  de  Marny,  Ueb.  die  jüngeren  Ablagerungen  d.  südl.  Russland; 
Sitzungsb.  Akad.  Wien,  1866,  LIII,  S.  339—342;  Hilbcr,  Jahrb.  gcol.  Reichsanst.  1882 
S.  3ii  u.  an  and.  Ort;  Lor.  Teisseyre,  Der  podolischc  Ilügclzug  der  Miodoborcn  als 
ein  Sarmat.  Bryozoen-Riff;  eb.  das.  1884,  XXXIV,  S.  299 — 3i2;  K.  v.  Dunikowski, 
Geol.  Untersuch,  in  Russ.  Podolien;  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1884,  S.  55,  63. 

126  H.  Abich,  Prodromus  einer  Geol.  d.  kaukasischen  Länder,  4^,  1858,  S.  152  u.  folg. 

»27  E.  Tictzc,  Bemerk,  üb.  d.  Tektonik  d.  Albursgebirges  in  Persicn;  Jahrb.  geol. 
Reichsanst.  1877,  XXVII,  S.  392. 

128  V.  V.  Möller,  Paläont.  Beiträge  u.  Erläut.  z.  Briefe  Danilcwsky's  üb.  die  Resultate 
seiner  Reise  an  d.  Manytsch;  M61.  phys.  chim.  Ac.  Petersb.  1878,  XI,  S.  55 — 76. 

"9  F.  Karrer,  Ueb.  d.  Verhältn.  d.  Congerien-Sch.  z.  sarmat.  Stufe  bei  Liesing;  Jahrb. 
gcol.  Reichsanst  1868,   XVIII,   S.  273  — 276;   Th.  Fuchs,   Ueb.  ein  neuartiges  Vorkommen 

V.  Cong.-Schicht.  b.  Gumpoldskirchen ;  eb.  das.  1870,  XX,  S.  128— l3o. 

130  Dies  ist  der  »Belvedere-Schotter*  der  Wiener  Geologen.  Er  entspricht  dem 
Schotter  von  Eppelsheim  im  Mainzer  Becken  u.  von  Balta  in  Podolien,  sowie  dem  Dino- 
therien-Sande  des  Juragebirges. 

»3«  Th.  Fuchs,  eb.  das.;  F.  Karr  er,  Geol.  d.  Franz  Jos.-Hochcjuell.-Leitung; 
Abh.  geol.  Reichsanst.  1877,  S.  250  u.  folg.  Der  Eichkogel  bei  Mödling  ist  1146'  hoch, 
doch  besteht  die  höchste  Kuppe  aus  Süsswasserkalk,  welcher  der  pontischen  Stufe  auf- 
gesetzt ist. 

'32  J.  He  ekel,  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1851,  II,  Verh.  S.  157;  wahrscheinlich  ein 
Brosmius,  dem  heutigen  Dorsch  verwandt;  Th.  Fuchs,  Ueb.  die  Fischfauna  d.  Congcrien- 
Schichten;  Verh.  eb.  das.  1871,  S.  227:  Beryx,  ein  Clupeoide  u.  vielleicht  im  Scomberoide. 
Die  sarmatische  Gattung  Cetotherium  steigt  in  die  pontischen  Ablagerungen  Süd-Russland*s 
auf;  Fuchs  eb.  das.  1871,  S.  3o3. 

^ii  Aus  der  ziemlich  reichen  Literatur  nenne  ich  nur:  Für  die  Gegend  von  Turin: 
Fuchs,  Studien  u.  s.  w.  Sitzungsb.  Akad.  Wien,  1878,  LXXVII,  l.  Abth.,  S.  419;  für 
Livomo  u.  die  Westküste,  dann  für  Ancona  u.  Sinigaglia  mit  dem  entsprechenden  Theile 
der  Ostküste:  G.  Capellini,  La  formaz.  gessosa  di  Gaste llina  marit.;  Mem.  Ac.  Bologna, 
1874,  3.  ser.  IV;  dess. :  Gli  Strati  a  Congerie  e  le  Marne  compatte  mioc.  dei  Dintorni  di 
Ancona;  Mem.  Ac.  Lyncei  1879,  3.  ser.  III;  ferner  dess.:  Gli  Strati  a  Cong.  o  la  formaz. 
gessoso-solfifera  n.  prov.  di  Pisa  e  nei  dint.  di  Livomo;  eb.  das.  1880,  3.  ser.  V;  S.  de 
Bosniaski,  Cenni  sopra  Tordinam.  cronol.  e  la  Natura  dei  Strati  terz.  sup.  nei  Monti 
Livornesi;  Rendic.  Soc.  Tose.  Scienz.  Nat  Pisa,  6.  lugl.  1879,  u.  dess.  La  formaz.  gessosa 
e  il  Secondo  Piano  Meditcrr.  in  Italia,  eb,  das.  14.  Nov.  1880;  für  den  Süden  u.  für  Si- 
cilien:    G.  Seguenza,  Le  formaz.  terz.  n.  prov.  di  Reggio;   Mem.  Ac.  Lyncei   1880,  3.  ser. 

VI,  insb.  p.  161  u.  folg.;  Ipp.  Cafici,  La  formaz.  gess.  dei  Vizzinese  e  dei  Licodiano; 
BoU.  com.  geol.  1880,  p.  37 — 54;  E.  Cortese,  Brevi  cenni  s.  geol.  d.  parte  NE.  della 
Sicilia;  eb.  das.  1882,  XIU,  p.  33 1 — 334;  S.  Mottura,  Append.  alla  Mem.  s.  form.  terz. 
n.  Zona  Solfifera  d.  Sicilia;  Mem.  Comit.  Geol.  1872,  II;  E.  Stöhr,  Sulla  posic.  geol. 
dei  tufo  e  dei  tripoli  n.  zona  solfif.  d.  Sicil.;  Boll.  com.  geol.  1878,  IX,  p.  498  u.  folg. 

»34  S.  de  Bosniaski,  La  formaz.  gess.  p.  ii  u.  an  and.  Ort. ;  hieher  gehört  auch 
die  von  Sau  vage  beschriebene  Fischfauna  von  Licata. 

»35  M.  Neumayr,  Ueb.  d.  geol.  Bau  der  Insel  Kos  u.  üb.  die  Gliederung  d.  jungtcrt. 
Binnenablagerungen  des  Archipels;  Denkschr.  Akad   Wien,    1879,  XL,  S.  255,  279. 

»36  G.  Seguenza,  Le  formaz.  terz.  nella  prov.  di  Reggio  (Calabr.),  Atti  Accad.  Lync. 
1880,  ser.  3,  VI,  p.  169,   175  u.  an  and.  Ort. 

»37  G.  v.  Rath,  Ein  Ausflug  nach  Calabrien,  8°  1871,  hat  eine  von  mir  entworfene 
Skizze  des  M.  Jejunio  u.  des  Berges  von  Gerace  veröffentlicht,  welche  dieses  Verhältn iss 
sichtbar  werden  lässt.  Der  links  unterhalb  der  höchsten  Masse  des  Jejunio  aufragende 
conische  Gipfel  soll  noch  einen  Lappen  von  tertiärem  Sande  tragen,  doch  habe  ich  denselben 
nicht  erstiegen. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.    Das  Mittelmeer.  45g 

»38  A.  Bittner,  Der  jjeol.  Bau  von  Attika,  Boeotien,  Lokris  u.  Parnaüsis;  Denkschr. 
Akad.  Wien,   1878,  XL,  S.  12. 

»39  Puillon  de  Boblayc  et  Th.  Virlet,  Exp6d.  scient.  de  Morec,  t.  II,  2,  G60I. 
et  Min6r.  404  Paris,   i833,  p.  214. 

MO  Ueber  die  Wohnsitze  d.  Brachiopoden,  II,  Sitzungsb.  Akad.  Wien,  1860,  XXXVIII, 
S.  159;  Ueb.  die  einstige  Verbindung  N.-Afrika*s  mit  S.-Europa;  Jahrb.  geol.  Reichsanst. 
i863,  XIII,  S.  26,  27;  dann  L.  Tausch,  Die  von  Prof.  C.  Doelter  auf  den  Capverden 
gesammelten  Conchylien;  Zeitschr.  deutsch.  Malak.  Ges.  1884,  S.  181  — 188  u.  A. 

14«  R.  Tournouer  in  Fischer  et  Tournoucr,  Invert.  foss.  du  Mont  L^beron 
(Gaudry,  Animaux  foss.  du  M.  L6b.  4«,   1873)  p.  i63—  170. 

M2   F.  Fontannes,  Bull.  soc.  göol.   1882,  3.  s6r.  XI,  p.  116,   117. 

M3  Ms«.  T.  A.  di  Monterosato,  Not.  int.  alle  Conch.  foss.  di  M.  Pellegrino  e 
Ficarazzi;  8°  Palermo,  1872;  die  nordischen  Arten  liegen  (p.  17)  bei  Ficarazzi  in  einer 
besonderen  Schichte;  auch  dcss.  Catalog.  delle  Conchigl.  foss.  etc.;  Boll.  com.  geol.  1877, 
VIII,  p.  28—42. 

M4  P.  Fischer,  Pal6ont.  des  Terr.  Tert.  de  Tlle  de  Rhodes;  M6m.  Soc.  giol.  1877, 
3.  s6r.  I,  p.  40 — 44. 

'45   Neumayr,  Kos,  S.  252. 

146  Segucnza,  Prov.  di  Reggio,  p.  237,  315,  336  u.  insb.  345  u.  folg.  Piano 
Siciliano  mit  nordischen  Conchylien  wird  als  ,Pleistocän*  zum  Tertiär,  ,Piano  Saariano^ 
welches  in  seinem  älteren  Theile  dieselben  nordischen  Arten  enthält,  zum  Quaternario 
gestellt,  u.  die  Recurrenz  der  wärmeren  Formen  fällt  in  das  jüngere  Saariano;  diese  Ver- 
suche einer  Classification  zeigen  deutlich  genug  die  Schwierigkeit  des  Gegenstandes.  Eine 
etwas  abweichende  Darstellung  der  Lagerungs Verhältnisse  bei  Reggio  gibt  Mantovani, 
Ale.  osserv.  nei  terr.  terz.  dei  dintorni  di  Reggio  Cal.;  Boll.  com.  geol.  1878,  p.  443 — 468. 

»47  Th.  Fuchs,  Die  Tertiärbildungen  von  Tarent;  Sitzungsb.  Akad.  Wien,  1874, 
LXX,  S.  193—197. 

»48  W.  Kobelt,  Verzeichn.  der  von  mir  bei  Tarent  gesamm.  foss.  Conch.;  Jahrb. 
deutsch,  malak.  Ges.  1874,  I,  S.  65 — 77;  die  Uebereinstimmung  dieser  Ablagerungen  mit 
jenen  von  Lentini  in  Sicilien  betonen  Fuchs  u.  Bittner,  Die  Plioc.  Bildungen  v.  Syrakus 
u.  Lentini;  Sitzungsb.  Akad.  Wien,   1875,  LXXI. 

»49  C.  de  Stefani,  Sedim.  sottomar.  dell*  epoca  postplioc.  in  Italia;  Boll.  com.  geol. 
1876,  VII,  p.  272  —  289;  auch  Neumayr,  Kos,  S.  251. 

»50   Kobelt,  Jahrb.  malak.  Ges.  1874,  I,  S.  347—352. 

»5»  Für  seine  Standorte  J.  R.  Lorenz,  Phys.  Verh.  u.  Vertheil.  d.  Organism.  im 
Quarncr.  Golfe,  80,   i863,  S.  328. 

»52  Zu  ähnlichen  Resultaten  gelangten  z.  B.  P.  Fischer,  Ile  de  Rhodes,  p.  42  u. 
schon  Philippi,  Enum.  Moll.  Sic.  1844,  II,  p.  271. 

»53  Neumayr,  Kos,  S.  273  u.  folg.  u.  Zur  Geschichte  d.  östl.  Mittelmeerbeckens; 
Virchow  u.  Holtzendorff*s  Samml.  gemeinverst.  wiss.  Vortr.  Heft  392;  Berlin,   1882. 

»54  Th.  Fuchs,  Stud.  üb.  d.  jüngeren  Tert.  Bildungen  Griechenland's ;  Denkschr. 
Akad.  Wien,   1877,  XXXVU,  2.  Abth.,  S.  1-42. 

»55  Calvcrt  u.  Neumayr,  Junge  Ablag,  am  Hellespont,  S.  366  u.  368.  Spratt 
kannte  bereits  im  J.  1856  nicht  nur  die  jungen  mediterranen  Meeresbildungen  in  den  Darda- 
nellen, sondern  auch  eine  ähnliche  Ablagerung  zu  Leftero-Khori  in  der  Bucht  von  Salonich, 
S.  vom  Vardar;  sie  ist  etwa  3o  Fuss  hoch,  offenbar  sehr  jung,  u.  an  Süsswasserbildungcn 
gelehnt;  On  the  Geol.  of  Varna  and  the  neighb.  parts  of  Bulgaria;  Quart.  Journ.  1856,  XIII, 
p.  72  —  83;  On  the  freshwater  deposits  of  Euboea;  eb.  das.  p.  177 — 184. 

»5^^    V.  de  Filippi,  Note  di  un  Viaggio  in  Persia;  8»,  Milano,   1865,  p.  3 18. 

»57  V.  Helme rsen,  Beitr.  z.  Kenntniss  d.  geol.  u.  physikogeogr.  Verhältnisse  d. 
Aralokasp.  Niederung;  Bull.  Ac.  Petersb.    1879,    XXV,   p.  513—549;    insb.  p.  543  u.  folg. 


460  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IV.    Das  Mittelmeer. 

Nach    Starinow's    historischen    Untersuchungen    wünle    die    letzte    Trennung;    in    die    Jahre 

1540— '545  f-»l'<^n- 

»5«    V.  V.  Möller,  am  ang.  Orte  (Note   128). 

159  Konschin,  Reiseskizz.  aus  den  Steppen  Kara-K.um;  Iswest.  i883,  S.  3i5  -332. 

160  Ilelmersen,  am  ang.  Orte,  u.  (Jak o wie w):  Zur  Gcol.  der  Aralokasp.  Nie- 
derung; eb.  das.  l883,  XXVIII,  p.  364  —  379.  Die  einstige  Verbindung  mit  dem  Asow- 
.schen  Meere  zeigt  das  Vorkommen  lebender  kaspischer  Conchylien  in  demselben;  E.  v. 
Martens,  Ueb.  vorderasiat.  Conchylien;  40,   1874,  S.  79. 

161  F.  w.  Hut  ton,  Sketch  of  the  Phys.  Geol.  of  the  Island  of  Malta;  Geol.  Magaz. 
1866,  III,  p.  145  —  152,  pl.  VIII,  IX;  A.  Leith  Adams,  Notes  of  a  Naturalist  in  the  Nile 
Valley  and  Malta;  8°,  1870,  p  75,  141  — 147,  174;  die  meisten  dieser  Brüche  sind  schon 
verzeichnet  in  des  Karl  of  Ducie  Geol.  Map.  of  Malta,  fol.  1854. 

»^2  X.  A.  B.  Spratt,  On  the  Bone-Caves  near  Crendi,  Zebbug  and  Mellilia.  in  the 
Lsl.  of  Malta;  Quart.  J<mrn.  gcol.  Soc.  1867,  XXIII,  p.  296;  Dolomieu  hat  schon  früher 
aus  anderen  Gründen  Aehnliches  für  Malta  vorausgesetzt. 

*63  C.  J.  Forsyth -Major,  Die  Tyrrhenis;  aus  d.  Zeitschr.  Kosmos,  i883,  XIII, 
vgl.  die  Bemerkungen  auf  S.  3o5. 

»<>4  A.  Pomel,  Gcol.  de  la  Petite  Syrte  et  de  la  region  des  Chotts  Tunisiens;  Bull, 
soc.  g^ol.   1878,  3.  ser.  VI,  p.  217 — 224,  auch:  Le  Sahara,  p.  53. 

»65  L.  M.  Vi  dal  y  Eng.  Molina,  Bosquejo  geol.  de  las  Islas  Ibiza  y  Formentera; 
Bol.  Com.  Mapa  geol.  1880,  VII,  p.  91,  lam.  B. 

»^  Am  weitesten  gegangen  sind  in  dieser  Richtung  A.  C.  Ramsay,  The  Geol.  of 
Gibraltar  and  the  opp.  Coast  of  Africa  and  the  History  of  the  Med.  Sea;  Proc.  Roy.  Instit. 
1879,  VIII,  p.  594 — 601  und  Em.  Blanchard:  Les  preuves  de  la  formation  recente  de  la 
Mdditcrran^c ;  Comptes  rend.  1881,  t.  93,  j).  1042  —  1048;  dazu  die  Bemerkungen  von  Alph. 
Milne  Edwards  eb.  das.  p.  1048.  Daubree,  p.  1050  u.  Hubert,  Observ.  sur  l'etat  de  la 
Mcditerr.  ä  la  fin  de  T^poque  tert. ;  eb.  das.  p.  11 17 — 11 19. 

»67   A.  Gaudry,   G^ol.  de  l'Ile  de  Chypre;   Mem.  soc.  gdol.  1859,  2.  ser.  VII,  p.  233. 

»68  H.  Abich,  Geolog.  Forschungen  u.  s.  w.  II,  S.  427  u.  folg.  —  ,Um  diese  Störungen 
(die  Erdbeben  von  Schemacha)  in  ihrem  ganzen  Umfange  zu  würdigen,  muss  die  Ansicht 
als  das  Resultat  sorgfaltiger  Untersuchung  vorangestellt  werden,  dass  der  centrale  Ge- 
birgskamm  der  Kaukasus-Kette,  mindestens  von  dem  11.900  Fuss  hohen  Babadag  an,  bis 
zur  Meeresküste  den  nordlichen  stehen  gebliebenen  Rand  einer  grossen  Verwerfungssj>alte 
bezeichnet,  durch  welche  der  Zusammenhang  einer  ursprünglich  flachen  Terrainwölbung 
in  der  Richtung  ihrer  Längenachse  aufgehoben  wurde,  während  der  andere  Gebirgstheil, 
in  Folge  einer  allgemeinen,  dem  Kurathale  zugewendeten  Bodensenkung  sicli  herab- 
ncigtc  und  durch  das  Hinzutreten  noch  anderer  longitudinaler  Verwerfungen  in  eine  An- 
zahl von  Terrassen  zerlegt  wurde.  .  .  .  Geognostischc  Thatsachen,  die  ich  auf  Wanderungen 
längs  der  Küste  des  caspischen  Meeres  bis  Lenhoran  und  Astara,  wie  im  Talysch-Gebirge 
bis  zum  Plateau  von  Ardebil  beobachtet  habe,  sprechen  dafür,  den  Umfang  dieses  Ein- 
senkungsgebietcs  nicht  nur  über  die  Kura-Thalebcne,  sondern  auch  auf  die  Südhälfte 
des  caspischen  Meeres  auszudehnen';  H.  Abich,  Ueber  eine  im  Caspischen  Meere  er- 
schienene Insel;   Mem.  Ac.  Petersb.  6.  ser.,  t.  VI,  N^  5,  p.  45. 


FÜNFTER  ABSCHNITT. 


Die  grosse  Wüstentafel. 


Sahara    und    Aegypten.    —    Süd-Arabien    und    Abessynien.    —     Sinai,    Syrien    und    Nord- 
Arabien.  —   Suez  und  der  Nil. 


Uie  Sahara  und  Aegypten.  Von  der  Mündung  des  Wadi 
Draa  in  den  atlantischen  Ocean  erstreckt  sich  gegen  Ostnordost 
bis  an  die  mittelländische  Küste  nördlich  von  der  kleinen  Syrte 
die  Grenze  zweier  Theile  der  Erdoberfläche,  welche  durch  ihren 
Bau,  wie  durch  die  Zusammensetzung  verschieden  sind.  Der  nörd- 
liche Theil  ist  in  Falten  gelegt  und  besitzt  eine  sehr  vollständige 
Schichtenreihe ;  der  südliche  Theil  liegt  flach,  und  über  paläozoi- 
schen Schichten  beginnt  erst  mit  der  cenomanen  Transgression 
eine  neue  Reihe  von  Ablagerungen. 

Dieser  weite  südwärts  gelegene  Theil  ist  es  nun,  welchen  wir 
betrachten  wollen.  So  unvollkommen  unsere  Kenntniss  von  dem- 
selben nach  mancher  Richtung  auch  sein  mag,  so  gestattet  doch 
die  Einfachheit  seines  Baues  bereits  die  Aneinanderfügung  einer 
Anzahl  von  planmässigen  Arbeiten,  welche  Fachgenossen  in  dem 
mittleren  und  östlichen  Theile  der  grossen  Tafel  ausgeführt  haben, 
und  jener  vereinzelten  Beobachtungen,  welche  durch  die  be- 
wunderungs^vürdige  Hingebung  von  Männern,  wie  Duveyrier, 
Barth,  Overweg,  Nachtigal,  de  Bary,  Roche  und  Oskar  Lenz  aus 
den  entfernteren  Theilen  des  Südens  und  Westens  gesammelt 
worden  sind. 


462  Sahara. 

Schon  im  Jahre  1872  hat  Pomel  in  seiner  bereits  erwähnten 
trefflichen  Schrift  über  die  Sahara  eine  solche  Uebersicht  versucht. 
DcLS  ganze  westliche  Guinea,  sagt  derselbe,  bis  zu  der  Grenze  der 
Sommerregen  zwischen  Timbuktu  und  St.  Louis  w^ürde,  um  200  M. 
gesenkt,  nur  eine  Insel  oder  Halbinsel  von  alten  kr}^stallinischen 
und  Schiefergesteinen  bilden.  Der  Atlas  schliesst  sich  in  seinem 
verwickelten  Baue  an  Europa  an.  Die  Sahara  besteht  bis  zu  den 
Syrten  hinaus  aus  paläozoischen  und  cretacischen  Schichten.'  • 

Im  Jahre  1881  knüpfte  G.  Rolland  an  seine  eigenen,  bis  el 
Gol^ah  ausgedehnten  Beobachtungen  und  an  die  Arbeiten  des 
unglücklichen  Roche,  des  verdienten  Mitgliedes  der  Expedition 
Flatters,  eine  kurze  Uebersicht  des  Baues  der  gesammten  Sahara, 
und  veröffentlichte  derselbe  die  erste  geologische  Karte  des  ganzen 
mittleren  Theiles  der  Wüste  von  Figuig  und  Gurara  im  Westen 
bis  zum  schwarzen  Gebirge  im  Osten  und  bis  zum  Gebirgslande 
der  Ahaggar  im  Süden.* 

Schon  im  vorhergehenden  Jahre  hatte  K.  Zittel,  als  ein  Be- 
gleiter der  Rohlfs'schen  Expedition  in  die  libysche  Wüste,  eine 
geologische  Karte  des  Ostens  veröffentlicht,  welche  vom  Rothen 
Meere  bis  zur  Oase  Siuah  und  südwärts  bis  in  die  Breite  von  Edfu 
reicht.  Im  Jahre  1883  aber,  und  nachdem  seither  Oskar  Lenz  seine 
denkwürdige  Reise  durch  den  Westen  nach  Timbuktu  glücklich 
ausgeführt  hatte,  konnte  es  Zittel  unternehmen,  ein  weit  voll- 
ständigeres Bild  der  gesammten  Wüste  zu  entwerfen,  afe  seine 
Vorgänger.^ 

Wir  wollen  zunächst  den  Rand  der  Wüstentafel  gegen  das 
gefaltete  Gebirge  verfolgen.  Im  Westen  allerdings  ist  unsere 
Kenntniss  trotz  der  neueren  Forschungen  von  Fritsch^  und  Lenz^ 
noch  immer  eine  äusserst  imvoUständige.  Schon  die  Thatsache, 
dass  im  äussersten  Westsüdwest  eine  selbständige,  aus  alten  Feis- 
atten bestehende  Kette,  der  Anti -Atlas,  sich  einschaltet,  zeigt, 
dass  dort,  trotz  der  Uebereinstimmung  in  der  Streichungsrichtung 
des  Gebirges,  doch  vom  Osten  wesentlich  verschiedene,  heute 
nicht  zu  überblickende  Verhältnisse  herrschen. 

Im  östlichen  Marokko  und  von  Figuig  ostw^ärts  besteht  der 
geradlinige  äussere  Saum  des  Gebirges  (S.  296)  aus  aufgerichteten 
cretacischen  Schichten.  ,Nichts,'  sagt  Rolland,  ,kann  schlagender 


Grebirgsrand  im  NW.  der  Sahara.  4^3 

sein,  als  die  letzten  Falten  des  Djebel-Amour,  welche  sich  gerad- 
linig und  zuweilen  fast  vertical  im  Angesichte  der  Unermesslich- 
keit  der  Sahara  erheben,  indem  sie  plötzlich  auftauchen  aus  dem 
Mantel  von  jungen  Aufschüttungen,  welcher  Alles  ausgeglichen 
hat  weit  gegen  Süd  bis  an  die  Grenzen  des  Horizontes.  Ein  Bei- 
spiel ist  der  Djebel-Tizigrarin  oder  Fels  der  Hunde,  auf  welchem 
die  Stadt  Laghouat  erbaut  ist,  ein  vereinzelter  Kamm,  scharf  und 
ausgezackt,  aus  Kalkbänken  gebildet,  welche  45°  Südost  fallen.*^ 

Westlich  von  Biskra  ist  ein  Einbruch  vorhanden,  etwa  wie 
bei  Salzburg  oder  bei  Wien,  welcher  die  im  Gebirge  liegende 
Niederung  der  Hodna  mit  dem  Vorlande  verbindet.  Oestlich  von 
Biskra  aber,  wo  ausser  cretacischen  Schichten  auch  Nummuliten- 
kalk  an  dem  äusseren  Rande  sichtbar  ist,  und  wo  die  Schwenkung 
der  Ketten  in  der  Richtung  des  Cap  Bon  und  gegen  Sicilien  her- 
vortritt, stellen  sich  Vorketten  ein  und  es  geht  die  scharfe  Ein- 
fachheit der  Grenze  hiedurch  verloren. 

Innerhalb  dieser  Ketten  liegt  die  cenomane  Stufe  regelmässig 
auf  dem  Gault  und  der  unteren  Kreide,  diese  auf  Jura;  ältere 
Glieder  werden  erst  weiter  im  Norden  sichtbar.  Treten  wir  nun  in 
die  Region  der  Sahara  hinaus,  so  zeigt  sich  zuerst,  dass  es  von 
der  Cenomanstufe  aufwärts  dieselbe  petrographische  und  paläon- 
tologische Entwicklung  der  Kreideformation  ist,  welche  die  Falten 
des  Kettengebirges  und  auch  die  Hamada's,  d.  i.  die  Steinwüsten 
des  Vorlandes  bildet.  Während  aber  diese  mächtigen  cretaci- 
schen Ablagerungen  im  Gebirge  auf  ihrer  normalen  Unterlage 
ruhen,  liegen  sie  im  Südwesten  von  Figuig,  eine  Tagreise  südlich 
von  Djorf  et  Torba,  schon  auf  Devon,  und  es  ist  daher  in  nicht 
allzugrosser  Entfernung  vom  Saume  des  gefalteten  Gebirges  die 
ganze  untere  und  mittlere  Reihe  der  mesozoischen  Ablagerungen 

verschwunden. 

. 

Ebenso  verschwindet  der  Nummulitenkalk,  welcher  in  dem 
östlichen  Saume  des  Gebirges  vorhanden  ist,  in  dem  vorliegenden 
Wüstenlande,  in  welchem  er  erst  weit  im  Osten,  in  der  libyschen 
Wüste,  wieder  auftritt;  wenigstens  ist  es  bisher  nicht  gelungen, 
denselben  in  der  Gegend  der  Schotts  nachzuweisen.  Dies  könnte 
der  Abrasion  zugeschrieben  werden,  welcher  eine  so  ausserordent- 
lich wichtige  Rolle  in  der  Gestaltung  der  Sahara  zufällt;  aber  die 


464  E>»e  Schott's. 

Mediterranschichten  mit  Ostrea  longirostris,  welche  innerhalb  der 
Ketten  in  Constantine  vorkommen,  erscheinen  auch  an  den  Rän- 
dern der  Schotts. 

Vergleicht  man  nun  die  Beziehungen  dieses  östlichen  Theiles 
des  gefalteten  Gebirges  zu  seinem  Vorlande  etwa  mit  den  Be- 
ziehungen der  Karpathen  zu  der  russischen  Tafel,  so  ergibt  sich, 
dass  in  Nordafrika  an  dem  äusseren  Gebirgssaume  wohl  steile 
Aufrichtung,  aber  nicht  Ueberschiebung  getroffen  wird,  und  ferner 
dass  eine  mächtige  Schichtreihe,  die  mittlere  und  obere  Kreide, 
mit  unveränderten  Merkmalen  in  das  Vorland  fortsetzt;  sie  ist  von 
den  grossen  Tafelbergen  desselben  nur  durch  eine  allerdings  breite 
Zone  von  sehr  jungen  Schuttbildungen  getrennt.  Eine  ganz  auf- 
fallende Uebereinstimmung  beider  Gebiete  besteht  dagegen  in 
Bezug  auf  die  Lückenhaftigkeit  der  Ablagerungen  im  Vorlande, 
die  Transgression,  welche  mit  der  Cenomanstufe  beginnt,  und  die 
flache  Lagerung  des  Vorlandes. 

Die  Zone  der  Schotts,  welche  sich  bei  Gabes  dem  Mittelmeere 
nähert,  gehört  schon  ganz  dem  Vorlande  an.  Dru  hat  eine  sehr 
lehrreiche  Schilderung  des  Schott  el  Fedjej  und  des  westlich  mit 
demselben  zusammenhängenden  Schott  el  Djerid  geliefert.'  Ein 
etwa  1 40  Kilom.  langer  Steilrand,  welcher  von  Gabes  westwärts 
bis  zur  Anschwellung  von  Kriz  reicht,  sich  noch  westlich  in 
den  Sporn  von  Nefta  fortsetzt,  und  in  seinen  höchsten  Theilen 
400 — 500  M.  erreicht,  bildet  den  gemeinsamen  Nordrand  beider 
Schotts.  Die  Mitte  desselben,  welche  nur  250 — 300  M.  hoch  ist, 
besteht  aus  der  Cenomanstufe,**  während  gegen  seine  beiden  Enden 
die  jüngeren  Glieder  der  Kreideformation  sich  anschliessen,  und 
die  mediterranen  Ablagerungen  mit  Ostrea  longirostris  da  und 
dort  in  zerbrochenen  und  auf  untergeordneten  Verwerfungen  abge- 
sunkenen Schollen  sichtbar  sind.  Der  südliche  Rand  ist  auch  ein 
Steilrand,  bis  350  M.  hoch,  aber  in  seinem  Verlaufe  unabhängig 
von  dem  nördlichen  und  beträchtlich  kürzer  als  dieser.  Er  dehnt 
sich  auch  von  Ost  gegen  West,  ist  aber  gegen  Süd  convex  und 
endet  im  Westen  mit  einem  Sporn,  welcher  beide  Schotts  trennt. 
So  hat  der  östliche,  Schott  el  Fedjej,  gegen  Nord  und  gegen  Süd 
steile,  felsige  Abstürze,  der  westliche,  Schott  el  Djerid,  dagegen 
nur  gegen  Nord,  gegen  Süden  aber  ein  unbestimmtes  Flachufer. 


Zonen  der  Sahara.  4^5 

Dru  meint,  eine  Erhebung  habe  Ursache  gegeben  zu  einem 
gewaltigen  Einbrüche,  und  vergleicht  die  Schotts  mit  einem  Knopf- 
loche, ähnlich  der  öfters  genannten  .Boutonniere'  des  pays  de 
Braye.  Die  Thatsache,  dass  alte  Strandlinien  bis  ziemlich  an  die 
Kammhöhe  der  Schwelle  von  Gabes  reichen  und  dennoch  jüngere 
Meeresspuren  selbst  in  den  weiter  im  Westen  bis  unter  das  Niveau 
des  Meeres  hinabsinkenden  Theilen  der  Schotts  nicht  mit  Sicher- 
heit nachweisbar  sind,  scheint  mir  auf  ein  sehr  geringes  Alter 
dieses  Einbruches  hinzudeuten. 

Die  Anordnung  der  Gesteine  in  der  grossen  Tafel  der  Sahara 
ist  nun  eine  solche,  dass  die  ältesten  im  Süden  und  im  Osten,  die 
jüngeren  im  Norden  und  insbesonders  in  der  Richtung  gegen  die 
Nilmündungen  hin  angetroffen  werden. 


unK  der  Formalinnen  in  der  WUjIe  Sahara 
und  oWie  Kreide;    t,  EocUn :    f,  Znei»  Med 


Die  erste  und  älteste  Zone  bilden  Granit  und  Gneiss,  zuweilen 
in  Verbindung  mit  altem  Schiefer  und  Quarzit.  Dieser  ersten  Zone 
rechnen  wir  die  Granithohen  zu,  welche  Lenz  in  el  Eglab  am 
südlichen  Rande  der  grossen  wesdichen  Sandwüste  Igidi  antraf. 
Ferner  ist  hieher  das  Hochgebirge  Ahaggar  zu  rechnen,  in  dessen 
Innerem  Duveyrier  nach  lo.sen  Geschieben  auch  das  Vorkommen 


466  Archaische  Zone  der  Sahara. 

vulkanischer  Berge  vermuthet.  Das  Granit-  und  Gneissgebirge 
tritt  nordwärts  bis  an  den  Südrand  der  Tafelberge  von  Mujdir 
und  Tasili  heran,  und  umfasst  das  Quellgebiet  des  Wadi  Igharghar. 
In  dem  Stocke  von  Egere  lagern  Basaltströme  in  Thälern  dieser 
alten  Felsarten. 

Barth  und  Bary  haben,  nach  Air  reisend,  den  Ostrand  des 
Ahaggargebirges  umgangen  und  es  hat  der  Letztere  eine  genaue 
Aufzählung  der  Vorkommnisse  hinterlassen;  diese  Reise  hat  aber 
sein  Leben  gekostet,  und  wieder  stehen  wir  vor  dem  Namen  eines 
jener  zahlreichen  Opfer,  welche  die  Erforschung  des  Erdballes 
fordert.^ 

Nun  weiss  man,  dass  südlich  von  Ghät,  nachdem  die  Tafel- 
berge von  Sandstein  und  namentlich  die  Fortsetzungen  des  Tasili 
gekreuzt  sind,  auch  hier  granitischer  Boden  erreicht  wird,  welcher 
den  Untergrund  weit  gegen  Süd,  bis  gegen  Air  bildet,  dem  aber 
noch  mehrere  abgetrennte  Sandsteintafeln  aufgelagert  sind,  von 
welchen  insbesondere  eine  im  Süden  von  Falesles  und  eine  zweite, 
viel  weiter  im  Süden,  nahe  der  nördlichen  Grenze  von  Air  gelegene 
zu  erwähnen  sind.  Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  sie  die  Ausläufer 
der  grossen  ebenen  Hamada's  sind,  welche  sich  ostwärts  gegen 
die  Oase  Kauär  über  eine  weite  Fläche  ausdehnen. 

Sandstein  und  Granit  sind  streckenweise  von  Basalt  begleitet; 
es  erscheinen  auch  Amphibolschiefer  und  Gneiss.  ATr  selbst  be- 
steht aus  Granit;  in  der  Gegend  von  Adschiro  sind  vulkanische 
Bildungen  vorhanden,  so  namentlich  der  Vulkan  Tekinduhir,  dessen 
Lavafeld  sich  bis  in  die  unmittelbare  Nähe  von  Adschiro  er- 
streckt. 

Das  Tümmogebirge  ist  vornehmlich  aus  Sandstein  gebildet 
und  die  Aufzeichnungen  von  Rohlfs  und  Nachtigal  auf  der  Linie 
vom  Tümmo  zum  Tsadsee  lassen  das  südliche  Vordringen  der 
Sandsteintafeln  deutlich  erkennen.  Die  steilen,  vereinzelten  F^ls- 
blöcke,  welche  in  einzelnen  Ortschaften  in  Kauär  als  Zufluchts- 
stätten gegen  feindliche  Ueberfalle  dienen,  bestehen  aus  demselben 
horizontal  geschichteten  Sandstein;  in  Dibbela  herrscht  er  auch 
noch;  erst  südlich  davon,  im  Geissiger  Gebirge,  erwähnt  Rohlfs 
das  erste  Auftreten  von  Granit  und  in  Agadem  hat  Nachtigal  ge- 
schichteten Kalkstein  getroffen. *° 


Aichaische  Zone  der  Sihara.  4^7 

Es  ist  daher  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  die 
flach  gelagerten  Sedimente  des  Nordens  von  Ghät  südwärts  bis  in 
jene  Niederung  reichen,  welche  heute  in  dem  Wasser  des  Tsad 
den  Rest  eines  früher  weit  grösseren  Binnensee's  trägt. 

Wir  betreten  nun  das  Gebirgsland  der  Tibesti  und  treffen  zu- 
nächst auf  den  2500  M.  hohen  vulkanischen  Tarso,  an  dessen 
Kraterrand  im  September  1869  Nachtigal  seine  gefahrvolle  Flucht 
aus  BardaV  ausführte.  An  der  Südwestseite  des  Vulkans  werden 
Granit  und  Sandstein  erwähnt;  unbekannt  ist  die  weitere  Zusammen- 
setzung des  gegen  Südost  sich  fortsetzenden  Gebirges;  an  seiner 
Südseite  liegt  in  Borkü,  nördlich  von  der  Oase  Budu  der  Tafel- 
berg Koroka,  aus  demselben  geschwärzten  Sandstein  gebildet, 
welcher  hier  so  viele  Verbreitung  gewinnt." 

Unbekannt  ist  auch  die  Zusammensetzung  des  weiter  gegen 
Südost  liegenden  Gebirgsstockes  in  Ennedi  und  bis  nach  Darfur 
fehlt  uns  jede  Andeutung  über  den  geologischen  Bau  des  Landes. 
Hier  aber  beginnen  jene  ausgebreiteten  Flächen,  aus  denen  in 
vereinzelten  Stöcken  und  Knollen  das  archaische  Gebirge  her- 
vorragt, welches  den  ganzen  Untergrund  von  Kordofan  und 
Sennaar  bis  fast  in  die  Nähe  von  Chartum  ausmacht.  Von  hier  er- 
streckt sich  dasselbe  bis  an  das  Rothe  Meer  und  an  demselben 
sehr  weit  nach  Norden,  ja  bis  an  den  Golf  von  Suez,  um,  wie  sich 
später  zeigen  wird,  in  dem  Gebirgsstocke  von  Sinai  seine  Fort- 
setzung nach  Arabien  zu  finden. 
^y  Die  Westgrenze  dieses  östHchen,  vorherrschend  aus  Granit, 

Gneiss  und  Amphibolgesteinen  aufgebauten  Gebietes  ist  aber  eine 
sehr  unregelmässige  und  Lappen  von  sedimentärem  Gestein  greifen 
von  Westen  über  dasselbe  herein.  Es  tritt  dasselbe  an  mehreren 
Stellen  bis  an  den  Nil  vor,  und  bildet  die  Katarakten  in  diesem 
Strome;  erst  unterhalb  Assuan  ist  es  auf  eine  weniger  breite,  dem 
Meeresufer  parallele  Zone  beschränkt. 

Im  Südosten  ist  dieser  archaischen  Region  das  weite  vulka- 
nische Gebiet  von  Abessynien  und  Schoa  aufgesetzt,  welches 
durch  die  Mannigfaltigkeit  seiner  Gebirgsformen  ausgezeichnet  ist. 

So  weit  wir  demnach  die  Sachlage  heute  zu  überblicken  ver- 
mögen, zeigt  die  archaische  Unterlage  der  Sahara  folgende  Be- 
grenzung. 


470  Tertiäres  Gebiet  der  Sahara. 

weit  im  Süden,  südlich  von  Garo  in  der  Oase  Bilma,  zum  Tsadsee 
reisend,  noch  ,Ammonshörner'  notirte,  ist  die  Möglichkeit  vor- 
handen, dass  ein  Theil  der  in  jener  Richtung  liegenden  Reste  von 
Tafelbergen  nicht  von  devonischem,  sondern  auch  noch  von  creta- 
cischem  Alter  sei.'* 

Die  vierte  Zone  bildet  der  Nummulitenkalk.  Obwohl  der- 
selbe an  dem  Aufbaue  der  Gebirgsketten  nördlich  von  den  Schotts 
theilnimmt,  ist  er  dennoch  aus  der  ganzen  westlichen  und  mittleren 
Wüstenregion  bis  heute  nicht  bekannt  und  stellt  sich  erst  in 
Aegypten  ein. 

Diese  Zone  taucht  zwischen  den  Oasen  Siuah  und  Farafrah 
aus  dem  Sandmeere  hervor,  umfasst  die  Oase  Beharieh,  in  welcher 
sie  von  einem  vereinzelten  Bäsaltstocke  durchsetzt  ist,  und  bildet 
beide  Ufer  des  Nil  vom  Mokattam  bei  Kairo  bis  oberhalb  des 
ersten  Kataraktes,  wo  unter  dem  Nummulitenkalke  die  cretacische 
Zone  und  unter  dieser  die  archaischen  Felsen  sichtbar  sind. 

An  diese  vierte  Zone,  deren  westlicher  Theil  ganz  unter  dem 
Sandmeere  liegt,  schliesst  sich,  gleichsam  eine  fünfte  Zone  bil- 
dend, die  zweite  Mediterranstufe  an.  Sie  erscheint  in  der  Oase 
Siuah  und  zieht  sich  von  dort  gegen  Nordost ;  man  sieht  sie  im 
Flussthale  des  Nil  nicht,  doch  erscheint  sie  östlich  von  demselben 
wieder,  und  sie  erreicht  an  einer  Stelle  südwestlich  von  Suez  das 
Rothe  Meer.  Einige  Funde  deuten  darauf  hin,  dass  die  Cyrenaica 
aus  solchen  Ablagerungen  bestehe.'^  Die  Reste  von  Mediterran- 
ablagerungen mit  Ostr.  longirostris  an  den  Schotts  westlich  von 
Gabes  wurden  bereits  angeführt.  — 

Südarabien  und  Abessynien.  Weit  vom  Westen  her 
haben  wir  nun  die  Anordnung  der  geschichteten  Gebirge  verfolgt, 
welche  den  Untergrund  der  nordafrikanischen  Wüstenregion  bil- 
den, und  haben  gesehen,  wie  zwischen  dem  Nil  und  dem  Rothen 
Meere  die  archaische  Unterlage  derselben  hervortritt.  Es  entsteht 
die  Frage,  ob  die  Ablagerungen  der  Wüstentafel  wirklich  hier  ihr 
Ende  erreichen,  oder  ob  sie  noch  weiter  gegen  Ost  fortsetzen. 
Um  dies  zu  ermitteln,  werden  wir  zuerst  die  jenseits  vom  südlichen 
Ende  des  Rothen  Meeres  liegenden  Gebiete  betrachten,  und 
hierauf  jene,  welche  jenseits  von  dem  nördlichen  Ende  liegen. 


Das  südliche  Arabicu.  47^ 

Die  erste  Aufgabe  ist  wesentlich  erleichtert  durch  Carter's 
Beschreibung  der  südarabischen  Küste  und  dieser  ist  das  Folgende 
entnommen.'^ 

Ras  Messandum  in  der  Strasse  von  Hormuzd,  oft  für  Basalt 
gehalten,  besteht  aus  flach  gelagertem,  dunklem  Kalkstein.  Von 
hier  erhebt  sich  das  Gebirge  allmälig  zu  beträchtlicher  Höhe,  so 
dass  es  oberhalb  Maskat,  abgesehen  von  höheren  Gipfeln,  etwa 
6000  (engl.)  Fuss  misst;  in  diesen  Höhen  beginnt  der  weisse  Num- 
muliten-  und  Alveolinenkalk  sich  zu  zeigen,  welcher  auf  den  fol- 
genden Küstenstrecken  grosse  Bedeutung  erlangt.  Die  Stadt 
Maskat  liegt  auf  einer  grünen,  diallagführenden  Felsart,  die  als 
Euphotid  bezeichnet  wird;  auch  Diorit  wird  angeführt.  Gegen 
Ost  setzt  der  weisse  Kalkstein  fort;  am  Wadi  Schab  zeigen  seine 
Wände  horizontale  Schichtung;  gegen  Räs-el-Hadd  nimmt  die 
Höhe  ab  und  dieses  östlichste  Vorgebirge  ist  eine  flache  und  san- 
dige Spitze. 

Im  Ras  Djibsch  treten  die  grünen  Gesteine  von  Maskat  wieder 
hervor ;  das  Ufer  wird  ganz  flach  und  die  Sandwüste  erreicht  end- 
lich das  Meer,  so  dass  man  von  der  vorliegenden,  etwa  600  Fuss 
hohen  Insel  Mosera  weit  landeinwärts  blicken  kann.  Diese  Insel 
besteht  aus  denselben  grünen  Felsarten;  es  sind  ihnen  hier  einige 
Schollen  von  weissem  Nummulitenkalk  aufgelagert. 

Auf  dem  Festlande  kommt  nun  unter  dem  Wüstensande  wieder 
der  fossilienreiche  Nummulitenkalk  hervor;  er  bildet  die  Westseite 
der  Bucht  von  Haschisch,  dann  die  kleine  Insel  Hammar  el-Nafur 
und  reicht  bis  in  die  Nähe  von  Ras  Djesireh. 

Dieses  Vorgebirge  besteht  abermals  aus  den  grünen  Fels- 
arten von  Maskat ;  zu  seiner  Rechten  wie  zur  Linken  erstrecken 
sich,  so  weit  das  Auge  reicht,  die  horizontalen  Bänke  des  lichten 
Nummulitenkalkes ;  sie  bilden  auch  Ras  Schirbedat;  im  Hinter- 
grunde der  nun  folgenden  Churian-Murian-Bucht  tritt  ein  schwarzes 
Eruptivgestein  hervor,  welches  nach  aufwärts  Gänge  in  die  weissen 
Kalkbänke  sendet.  — 

Wir  sind  jetzt  an  einer  wichtigen  Grenze  angelangt,  denn 
während  seit  Räs-el-Hadd  sich  die  Abstürze  an  der  Küste  in 
massigen  Höhen  bewegten,  erhebt  sich  nun  das  Land  plötzlich 
von  Ras  Nus  an  zu  etwa  4000  (engl.)  Fuss  und  behält  mit  einer 

Suoxs,  Das  Antlitz  der  Erde.  3l 


472 


Marbat. 


einzigen  Unterbrechung,  vor  Ras  Fartak,  eine  sehr  beträchtliche 
Höhe  bis  zur  Strasse  Bab-el-Mandeb. 

Hier  tritt  auch  zum  ersten  Male  Granit  hervor.  Er  bildet  die 
Churian-Murian-Inseln  und  ist  auf  denselben  von  den  grünen  Ge- 
steinen von  Maskat  begleitet;  einzelne  Kalkschollen  sind  ihm  auf- 
gelagert. Auf  Ras  Nus  selbst  reicht  der  Granit  etwa  1 200  Fuss 
hoch  hinauf;  den  höheren  Theil  bildet  Kalkstein.  Nun  senkt  sich 
die  Oberfläche  des  Granits  und  bei  Marbat  liegt  ihm  eine  wohl- 
gegliederte Reihe  von  Schichten  auf. 

Das  erste  Glied  dieser  Reihe  ist  gelblicher  und  brauner, 
glimmerreicher  Sandstein,  etwa   1700  Fuss  mächtig,  ohne  orga- 


;^.^-<«5^ife^ 


K7  V— 1    .J-.-» 


"n/ 


Fig.  42.    Marbat  an  der  arabischen  SüdkUste  (nach  Carter). 

Im  Vordergründe  Granit;    am    Fusse   des    Oebirges  junge  Afeeresbildungen;    a  Sandstein,    grösstcnthcils 
von    Schutthalden    bedeckt;     b    petrefactenreicher    bunter    Mergel    des    Cenoman ;    c   ober-crctacischer 

Kalkstein. 


nische  Reste.  Hierauf  folgt  durch  300  Fuss  eine  Serie  von  roth- 
und  buntgefärbten,  thonigen  Schichten,  welche  sich  an  den  fol- 
genden Küstenstrecken  öfters  wiederholt  und  welche  dort  Pecten 
quadricostatus,  Salenia  scutigera,  Orbitulina  concava  und  andere 
wohlbekannte  cenomane  Arten  geliefert  hat.'^ 

Die  auflagernden  Kalkbänke  fallen  noch  der  Kreideformation 
zu  und  dieser  sind,  in  Fig.  42  nicht  sichtbar,  noch  höhere,  in 
Pfeiler  aufgelöste  Gipfel  von  Alveolinenkalk  aufgesetzt. 

Der  untere  Sandstein  von  Marbat  entspricht  seiner  Beschaffen- 
heit  wie    seiner   Lage    nach    daher    dem    nubischen    Sandstein 


Ras  Fartak.  Aden.  473 

Aeg)'pten's,  und  die  von  Carter  an  dieser  Stelle  beobachtete  Schicht- 
folge ist  dieselbe,  welche  man  z.  B.  im  Nilthale  bei  Assuan  antrifft. 

In  dem  hohen  Ras  Seger  ist  der  Granit  verschwunden ;  auch 
ein  Theil  des  Sandsteins  liegt  unter  dem  Meere ;  über  der  bunten 
Serie  erheben  sich  die  lichten  Kalkwände. 

Nun  folgt  in  der  Bucht  el-Kamar  die  erwähnte  Unterbrechung 
des  hohen  Gebirgsabfalles,  aber  Ras  Fartak  ist  der  neuerliche  Be- 
ginn des  Hochlandes.  An  diesem  Vorgebirge  sieht  man  zunächst 
die  Bänke  des  weissen  Alveolinenkalkes  aus  dem  Meere  schräge 
aufsteigen  bis  etwa  zur  Höhe  von  1 900  Fuss ;  in  dieser  Höhe  legen 
sie  sich  horizontal  und  ziehen  so  weiter.  Ebenso  steigen  auf  der 
andern  Seite  des  Vorgebirges  die  Lagen  der  bunten,  cenomanen 
Serie  unter  43**  aufwärts  und  nehmen  in  bestimmter  Höhe  die  hori- 
zontale Lage  an.  Bei  Ras  Scharwein  erscheint  der  erste  Basalt, 
eingedrungen  in  die  bunten  Mergel  des  Cenoman. 

Es  schiebt  sich  nun  eine  schmale  Ebene  zwischen  den  Strand 
und  die  hohen  Felswände  und  auf  dieser  erscheinen  zwischen  Ras 
Scharwein  und  Makalla  mehrere  kleine  vulkanische  Kegel.  Sie 
heben  sich  durch  ihre  schwarze  Farbe  und  die  scharfe  Abgrenzung 
ihrer  Ergüsse  grell  von  der  weissen  Strandfläche  ab  und  nehmen 
eine  Strecke  von  etwa  72  Kilom.  ein. 

In  Makalla  ist  wieder  Granit  mit  den  grünen  Felsarten,  über- 
lagert von  Kalkstein ;  6000  Fuss  hoch  erhebt  sich  der  Rand  des 
grossen  Tafellandes;  der  Granit  tritt  an  der  Küste  hervor. 

Etwa  96  Kilom.  nordöstlich  von  Aden  bespült  tiefes  Meer 
einen  gewaltigen,  tausende  von  Füssen  über  dasselbe  aufragenden 
Absturz ;  dies  hält  durch  etwa  40  Kilom.  an ;  dann  zieht  der  Ab- 
sturz landeinwärts  in  gerader  Linie  zu  der  Strasse  Bab-el-Mandeb, 
so  dass  vor  demselben  ein  flacher,  dreieckiger  Raum  zurückbleibt. 
Auf  diesem  erhebt  sich  ein  Vulkan,  dessen  Kraterrand  1 700  Fuss 
erreicht,  und  in  dem  Krater  dieses  Vulkan's  liegt  die  Stadt 
Aden.  — 

Die  im  Süden  gegenüber  liegende  Somäliküste  hat  ganz  den- 
selben Bau.  Das  Land  östlich  von  Berbera  besteht  aus  lichtem 
Kalkstein ;  auf  Hais  tritt  als  Unterlage  ein  Amphibolgestein 
hervor;  Meyt  ist  wieder  lichter  Kalkstein  und  dieser  dürfte  un- 
unterbrochen bis  Cap  Guardafui  reichen.'^ 

3i* 


474  Sokotra.    Bab-el-Mandeb. 

Die  Insel  Abd-ul-Kuri  ist  1600  Fuss  hoch  und  besteht  in 
ihrem  unteren  Theile  aus  Granit  und  den  grünen  F'elsarten  von 
Maskat ;  auf  diesen  liegt  Kalkstein.  Von  der  nur  400  Fuss  hohen 
Insel  Kai  Faraun  ist  nur  Gyps  bekannt;  die  , Brüder'  zwischen 
Abd-ul-Kuri  und  Sokotra  haben  dieselbe  Zusammensetzuncr  wie 
Abd-ul-Kuri  und  dasselbe  gilt  nach  B.  Balfour's  Aufsammlungen 
auch  von  der  grossen  Insel  Sokotra.'^ 

Im  Norden  dieser  Insel  befindet  sich  ein  langer  Zug  von  alten 
Felsarten,  wie  Granit,  Gneiss  und  Hornblendschiefer;  er  umfasst 
den  Dj.  Huggier  und  ist  durch  Mannigfaltigkeit  der  Bergformen 
ausgezeichnet;  den  ganzen  Süden,  Westen  und  Osten  bildet  harter, 
lichter,  flach  gelagerter  Kalkstein.  Im  Osten  erscheint  ferner  ein 
rhyolithisches  Gebiet,  und  es  sind  kleinere  Basaltvorkommnisse 
an  mehreren  Punkten  angetroffen  worden.  — 

An  der  südöstlichen  Küste  Arabiens  sind  demnach  die  ge- 
schichteten Gebirge  ebenso  flach  gelagert  wie  in  Aegypten,  und 
nur  örtlich  gewahrt  man,  wie  bei  Ras  Fartak,  eine  Beugung, 
welche  mehr  der  Schleppung  an  einem  Bruche  gleicht  als  einer 
Faltung.  Wie  in  Aegypten  fehlt,  wenn  man  vom  nubischen  Sand- 
stein absieht,  jeder  Nachweis  von  Ablagerungen,  welche  älter 
wären  als  die  Cenomanstufe.  Wie  in  Aegypten  kommt  an  vielen 
Stellen  die  archaische  Unterlage  zum  Vorschein  und  wenigstens 
bis  zu  der  Granitzone  des  Ras  Nus  und  der  Churian-Murian-Inseln 
ist  die  Serie  der  geschichteten  Ablagerungen  ganz  dieselbe  w-ie 
in  Aegypten.  Oestlich  davon,  in  Oman,  ist  bisher  nur  die  Trans- 
gression  des  Nummulitenkalkes  über  die  alten  Felsarten  mit 
Sicherheit  bekannt. 

Derselbe  Bau  des  Küstenstriches  ist  im  nördlichen  Somali 
und  bis  Sokotra  sichtbar,  und  wir  erkennen  somit  im  Golf  von 
Aden  einen  Einbruch,  welcher  die  zusammenhängende  Tafel  unter- 
brach, und  Arabien,  wie  das  Somäliland  erscheinen  als  die  Fort- 
setzungen der  grossen  nordafrikanischen  Wüstentafel. 

Die  eruptiven  Bildungen,  welche  von  Ras  Scharwein  gegen 
West  erwähnt  werden,  sind  nur  die  Ausläufer  jener  wichtigen  vul- 
kanischen Region,  welche  die  Umgebung  der  Strasse  Bab-el- 
Mandeb  bildet  und  von  da  auf  vielen  Inseln  und  an  beiden  Ufern 
des    Rothen    Meeres    Fortsetzung   findet.      Insbesondere    häufen 


AbcssynicE.  475 

sich  die  Spuren  von  jüngeren  Ausbrüchen  gegen  West.  In  dem 
Hochlande  von  Abessynien  und  in  Schoa  Hegt  eines  der  bedeutend- 
sten Gebiete  eruptiver  Thätigkeit.  Die  gewaltigen  Lävafelder 
Abessyniens  mögen  von  verschiedenem  Alter  sein ;  es  mag  ein 
Theil  von  ihnen  sogar,  wie  Blanford  meint,  den  Ergüssen  des 
Dekkan,  also  den  ältesten  Abtheilungen  der  Eocänzeit  ent- 
sprechen; sicher  ist,  dass  unter  denselben  in  den  meisten  grossen 
Thälern  wieder  horizontale  Sandsteinlagen  sichtbar  sind,  welche 
auf  archaischer  Grundlage  ruhen. 

Dies  geht  nicht  nur  für  Abessynien  aus  den  Aufnahmen  von 
Ferret  und  Galimier,'"  für  Schoa  aus  jenen  von  Röchet  d'Hiiri- 
court,"  sondern  ganz  insbesondere  auch  aus  den  Beobachtungen 
Blanford's  hervor,  welcher  bei  Gelegenheit  des  englischen  Feld- 
zuges in  Abessynien  die  Linie  von  Massaua  bis  Magdala  auf  das 
Genaueste  kennen  lernte." 

Hier  nun  erscheint  bei  Antalo  im  nordösthchen  Abessynien 
eine  der  Wüstentafel  sonst  ganz  fremde  Bildung,  nämlich  eine 
Scholle,  welche  nach  ihren  organischen  Resten  dem  mittleren  Jura 
zuzufallen  scheint ;  es  ist  Blanford's  Antalo-Kalkstein.  Leider  ist 
es,  wie  dieser  gewissenhafte  Beobachter  selbst  angibt,  nicht  ge- 
lungen, das  gegenseitige  Lagerungsverhältniss  des  Sandsteins  und 
des  jurassischen  Kalksteins  auf  eine  unzweifelhafte  Weise  festzu- 
stellen.'-*  Es  ist  daher  nicht  sicher,  ob  der  muthmassliche  Vertreter 
des  nubischen  Sandsteins,  Blanford's  Sandstein  von  Adigrat,  dem 
Cenoman  oder  einer  jener  wahrscheinlich  älteren  Sandsteinablage- 
rungen zufällt,  von  welchen  ich  bald  zu  sprechen  haben  werde. 

Sinai  und  Syrien.  Die  Massengesteine,  welche  die  Unter- 
lage der  grossen  Wüstentafel  ausmachen,  der  nubische  Sandstein 
und  die  grossen  cretacischen  und  alttertiären  Kalklager  setzen,  wie 
wir  nun  sahen,  aus  Afrika  ostwärts  in  das  südliche  Arabien  fort. 
Noch  klarer  liegt  ihr  Zusammenhang  mit  den  Bergen  der  slnaiti- 
schen  Halbinsel  und  des  gelobten  I^andes  zu  Tage. 

In  jenem  schmalen  Streifen  alter  Massengesteine,  welcher 
zwischen  dem  Nil  und  der  Meeresküste  nordwärts  zieht,  in  dem 
Mons  porphyrites,  erlangen  diese  Felsarten  besondere  Mannig- 
faltigkeit,   welche  sie   dann    auch    weiter  im    Osten  auszeichnet. 


^\  •    \^^ 


A76  Sinai.   Der  Berg  Hör. 

Rother  Granit  ist  die  wichtigste  Felsart;  Begleiter  sind  Gneiss 
und  vielerlei  alte  Schiefergesteine,  dann  rother  Porphyr  und 
Diorit.  So  treten  sie  an  das  Ufer  der  Bucht  von  Suez  und  finden 
ihre  Fortsetzung  an  dem  jenseitigen  Ufer,  in  den  beträchtlichen 
Höhen,  welche  den  südlichen  Theil  der  sinaitischen  Halbinsel  ein- 
nehmen, und  aus  welchen  sich  Dj.  Musa,  der  Berg  der  Gesetz- 
gebung, erhebt.  Sie  erreichen  die  Ostküste  der  Halbinsel  und 
finden  dort  in  gleicher  Weise  ihre  Fortsetzung  jenseits  der  Bucht 
von  Akaba  in  den  Granitbergen  des  Landes  Midian  und  nördlich 
und  südlich  von  diesen. 

Manche  Umstände  haben  uns  in  den  letzten  Jahren  genauere 
Kenntniss  von  diesem  Stücke  Landes  gebracht,  so  Burton's  Ver- 
such ein  reiches  Goldland  in  Midian  nachzuweisen,^^  und  Beke's 
Zweifel  an  der  wahren  Lage  des  biblischen  Sinai.  Dj.  Baghir, 
auch  Dj.  el  Nur,  der  Berg  des  Lichtes,  genannt,  und  nördlich  von 
Akaba,  an  der  Westseite  des  Wadi  Ithm  gelegen,  sollte  in  Wahr- 
heit die  geheiligte  Stelle  sein,  und  Milne,  welcher  den  Bibel- 
forscher begleitete,  hat  uns  den  Bau  der  Ostküste  des  Meerbusens 
kennen  gelehrt.^^  So  gelangen  wir  bis  in  die  Nähe  von  Petra 
und  des  Berges  Hör  und  erreichen  damit  das  Gebiet  jener  treff- 
lichen Forschungen,  durch  welche  L.  Lartet  so  viel  neues  Licht 
auf  den  Bau  von  Palästina  und  Idumäa  geworfen  hat,'^  dass  die- 
selben im  Zusammenhalte  mit  den  klaren  Darstellungen,  die 
Ose.  Fraas  von  Judäa  gegeben  hat,'^  uns  gestatten,  ein  Urtheil 
über  die  Bildung  des  Jordanthaies  und  seine  Beziehungen  zum 
Rothen  Meere  zu  bilden.  Für  jetzt  aber  mag  Lartet's  Beobach- 
tungen die  wichtige  Erfahrung  entnommen  werden,  dass  auf  der 
Ostseite  des  Wadi  Arabah,  welches  die  Fortsetzung  der  Linie  des 
Jordan  und  des  Todten  Meeres  bildet,  die  Massengesteine  weiter 
nach  Norden  reichen  als  auf  der  Westseite.  Die  Porphyre,  welche 
das  jüngste  GHed  der  Massengesteine  zu  bilden  scheinen,  nehmen 
im  Norden  noch  beträchtlichen  Antheil  an  dem  Aufbaue  des 
Berges  Hör,  und  der  nördlichste  Ausläufer  ist  bei  Saheh  an  dem 
südöstlichen  Ufer  des  Todten  Meeres  sichtbar. 

So  umrahmen  alte  Massengesteine  den  ganzen  nördlichen 
Theil  des  Rothen  Meeres.  An  der  Südspitze  der  sinaitischen  Halb- 
insel  begegnen   sich   zwei   der  grössten    linearen    Bruchsysteme 


Die  Jordanlinie.  477 

welche  auf  der  Erdoberfläche  bekannt  sind.  Die  erste  Richtung 
ist  die  erythräische ;  sie  findet  ihre  Fortsetzung  in  der  Richtung 
von  Suez.  Die  zweite,  fast  genau  von  Nord  nach  Süd  laufende 
Richtung  ist  jene  der  Jordanlinie.  Von  Coelesyrien  her,  durch 
den  See  von  Tiberias,  dem  Laufe  des  Jordan  folgend,  durch  das 
Todte  Meer,  das  Wadi  Arabah,  über  die  etwa  230 — 240M.  hohe, 
aus  cretacischem  Kalkstein  aufgebaute  Schwelle  von  Safeh  herab 
zum  Wadi  Akabah  und  den  gleichnamigen  Golf,  erstreckt  sich 
diese.  Sie  trifft  in  spitzem  Winkel  auf  die- erythräische  Linie  und 
findet  keine  Fortsetzung.  Das  Zusammentreffen  erfolgt  inner- 
halb des  Gebietes  der  alten  Massengesteine,  welches  so  in  drei 
Theile  getheilt  wird.  Der  erste,  westliche  Theil  ist  der  Mons  por- 
phyrites  und  das  ägyptische  Randgebirge.  Das  andere  Stück  ist 
des  sinaitische;  es  ist  keilförmig.  Das  dritte  Stück  ist  das  ara- 
bische, welches  über  den  Berg  Hör  hinaus  seine  letzten  Spuren 
noch  am  Todten  Meere  hervortreten  lässt. 

Dieser  Gruppe  alter  Felsarten,  welche  ich  wegen  der  Porphyre 
und  Diorite  nicht  in  ihrer  Gesammtheit  als  archaisch  bezeichnen 
will,  folgt  der  nubische  Sandstein.  Nur  als  ein  schmaler  Saum 
begleitet  er  den  Westrand  des  alten  Gebirges  im  östlichen  Aegyp-: 
ten ;  er  zieht  von  dem  nördlichen  Ende  desselben  zum  Meere,  dann 
in  breiterer  Entwicklung  quer  über  die  sinaitische  Halbinsel,  viel- 
fach mit  Sandflächen  bedeckt,  welche  aus  der  Zersetzung  des  Sand- 
steins hervorgehen.  Plötzlich,  in  der  Nähe  des  nördlichen  Endes 
des  Golfes  von  Akabah,  scheint  diese  Zone  zu  enden.  Jenseits, 
an  der  Ostseite  der  Jordanlinie,  erscheint  sie  wieder,  theils  unten 
im  Thale  in  abgesunkenen  Schollen,  theils  hoch  auf  den  Gipfeln 
der  Berge.  So  fand  Milne  zwei  grosse  Sandsteinschollen  wohl 
1000  M.  hoch,  über  dem  Granit  die  höchsten  Theile  des  Dj.  Atag- 
taghir,  unweit  vom  Berge  des  Lichtes,  bildend,  und  nach  Lartet 
ist  es  derselbe  nubische  Sandstein,  welcher  den  Gipfel  des  Berges 
Hör  zusammensetzt.  Dies  ist  die  Stelle  von  Aaron's  Grab,  1327  M. 
über  dem  Rothen  Meere,  und  der  Sandstein  liegt  hier  auf  Porphyr. 

Vom  Berge  Hör  senkt  sich  der  Sandstein  zur  Tiefe,  doch  so, 
dass  er  noch  an  der  ganzen  Ostseite  des  Todten  Meeres  den 
Sockel  der  Abstürze  zusammensetzt,  während  er  an  der  Westseite 
nicht   sichtbar   ist.     Der  Höhenunterschied  vom  Berge  Hör  bis 


478  Der  nubische  Sandstein. 

hieher  beträgt  1720  M.  Noch  eine  weite  Strecke  gegen  Nord  er- 
scheint der  nubische  Sandstein,  doch  nur  am  Fusse  der  östlichen 
Abhänge  des  Jordanthaies,  und  er  findet  wahrscheinlich  seine  Fort- 
setzung in  dem  rothen  Sandstein  des  Libanon. 

Allerdings  darf  jedoch  dieses  Gebilde  hier  nicht  ohneweiters 
dem  Cenoman  zugerechnet  werden,  wie  dies  im  Westen  geschehen 
ist.  Zuerst  ist  zu  bemerken,  dass,  abgesehen  von  minder  sicher- 
gestellten Angaben,  durch  Bauermann  und  Täte  ein  Vorkommen 
der  Carbonformation  im  Wadi  Nasb  der  sinaitischen  Halbinsel 
nachgewiesen  worden  ist.  Meeresablagerungen  sind  durch  Kalk- 
stein mit  Orthis  Michelini  u.  A.  vertreten,  und  im  Sandstein  wurde 
der  Abdruck  eines  Lepidodendron  gefunden.'^  Es  ist  die  Spur 
des  Wiedererscheinens  jener  carbonischen  Zone,  welche  weit  im 
Westen  Lenz  auf  seiner  Reise  nach  Timbuktu  antraf  und  welche 
dort  durch  Meeresbildungen  vertreten  ist,  dieselbe,  welche  in  der 
Gegend  von  Murzuk  in  Pflanzenresten  nachgewiesen  wurde,  und 
von  welcher  bis  heute  jeder  Nachweis  im  Nilgebiete  fehlt. 

Im  Allgemeinen  aber  erinnern  hier  die  Merkmale  des  Sand- 
steins ganz  ausserordentlich  an  unsere  europäischen  Permsand- 
steine. Der  nubische  Sandstein  ist  hier  häufig  dunkelroth  oder 
weiss  oder  roth  und  weiss;  er  lagert  häufig  auf  Porphyr,  führt  Roll- 
stücke von  Porphyr  und  wird  nach  Raboisson  sogar  von  Porphyr- 
gängen durchsetzt ;  ^^  auf  der  sinaitischen  Halbinsel,  wie  bei  Petra, 
führt  er  Kupfer.  Die  Lagerstätten  von  Türkis  finden  sich  in  dem- 
selben sowohl  auf  der  sinaitischen  Halbinsel,  als  auch  in  Abessy- 
nien;  auch  Salz  und  Gyps  erscheinen.  Schon  im  Jahre  1858  hatte 
Unger  nach  der  Untersuchung  eines  fossilen  Holzes,  welches 
Russegger  in  der  Gegend  von  Assuan  gefunden,  den  nubischen 
Sandstein  dem  Rothliegenden  gleichgestellt.  Dieses  Ergebniss 
wurde  von  Zittel  nicht  bestätigt,  welcher  im  Gegentheile  durch 
weitere  Pflanzenfunde  im  Norden  das  jüngere  Alter  sicherstellte.^'' 
Aber  hier  im  Osten  wie  in  Abessynien  mehrt  sich  die  Zahl  der 
äusseren  Merkmale,  welche  für  ein  höheres  Alter  eines  grösseren 
Theiles  des  nubischen  Sandsteins  sprechen,  so  sehr,  dass  das  cnd- 
giltige  Urtheil  offen  bleiben  muss. 

Diesen  Sandstein  überlagert  nun  allenthalben  die  Cenoman- 
stufe  sammt  den  ihr  folgenden,  grossentheils  kalkigen  Ablagerungen 


DJ.  Ataha.  479 

bis  zum  Nummulitenkalke,  welchen  wir  zugleich  besprechen  wollen. 
Mag  der  nubische  Sandstein  cenoman  sein,  so  liegt  zwischen  dem- 
selben und  den  carbonischen  Ablagerungen  des  Wadi  Nasb  ein 
unermesslich  langer  Zeitraum.  Gehört  derselbe  der  Zeit  des  euro- 
päischen Rothliegenden  an,  so  mindert  sich  der  Zeitraum,  welcher 
der  Transgression  vorangeht,  nur  um  einen  Bruchtheil,  und  es  mehrt 
sich  die  Aehnlichkeit  z.  B.  mit  Böhmen,  wo  das  Cenoman  dem 
Rothliegenden  aufruht. 

Die  Zone  von  Kreide-  und  Nummulitenkalk  zieht  von  Kairo 
gegen  Suez  und  bildet  die  Höhen,  welche  hier  an  den  südlichen 
Theil  des  Schifffahrtskanals  und  den  nördlichen  Theil  des  Meer- 
busens von  Westen  herantreten.  Mit  breitem,  schroffem,  aus  zahl- 
reichen flachgelagerten  Bänken  sich  aufbauendem  Abstürze  erhebt 
sich  Dj.  Atäka  bei  Suez.    Er  ist,  wie  Vaillant  zeigte,  von  einer 


etwa  300  M.  mächtigen  Verwerfung  durchschnitten^'  Ich  stimme 
vollkommen  mit  Beyrich's  Meinung  überein,  dass  die  Form  dieser 
Gebirgsstücke  durch  parallele  Bruchlinien  hervorgerufen  sei,  und 
das  örtliche  Hervortreten  kleiner  vulkanischer  Kuppen  ist  eine 
Bestätigung  dieser  Meinung.'' 

Die  Kreide-  und  Eocänschichten  ziehen  nun,  dem  nubischen 
Sandstein  aufgelagert,  wie  dieser  quer  über  die  sinaitische  Halb- 
insel; vor  ihnen  breitet  sich  die  Wüste  Tih  aus.  Sie  sind  hier,  wie 
Bauermann  gezeigt  hat,  auch  von  zahlreichen  Verwerfungen  durch- 
schnitten.^^ 

Sie  gelangen  nun  nach  Palästina  und  bilden  weithin  die  Berge 
von  Juda  und  alles  Land  bis  zu  dem  Sporn  von  Carmel  hinaus;  es 
folgt  die  Senkung  von  Jezreel  mit  ihren  vulkanischen  Ausbrüchen, 
und  jenseits  setzen  sich  dieselben  Schichten  wieder  in  den  Libanon 
fort.  Es  ist  fast  Alles  nur  cretacischer  Kalkstein,  und  der  eocäne 
Kalkstein  liegt  in  seltenen  vereinzelten  Schollen  auf  demselben. 


480  Schwelle  in  Wadi  Arabah. 

Oestlich  vom  Jordan  ist  das  Verhältniss  ein  etwas  verschie- 
denes.  Tief  unten  im  Wadi  Garundel,  südlich  von  Petra,  liegt 
eine  abgesunkene  Scholle  von  Nummulitenkalk  und  an  mehreren 
Stellen  sieht  man  abgesunkenen  Kreidekalk;  zugleich  erscheinen 
die  cretacischen  Schollen  auf  den  Höhen,  und  von  den  drei  Gipfeln 
des  Hör  besteht  einer  aus  Porphyr,  ein  anderer,  der  höchste,  wie 
gesagt,  aus  nubischem  Sandstein,  der  dritte  aus  cretacischem 
Kalkstein.  Nun  bildet  nordwärts  derselbe  lichte  Kalkstein  alles 
Hochland  der  Moabiter  und  Ammoniter  im  Osten  des  Todten 
Meeres.  Untqr  demselben  ist  am  Todten  Meere  der  nubische 
Sandstein  sichtbar;  auf  der  Höhe  sind  ihm  schwarze  vulkanische 
Massen  aufgesetzt,  vereinzelte  Kegel  und  breite  Ströme.  Der 
lichte  Kalkstein  zieht  fort,  bildet  den  Ostrand  des  Jordanthaies 
und  verschwindet  endlich  unter  den  weiten  Laven  des  Jaulän,  des 
Haurän  und  der  noch  weiter  im  Innern  des  Landes  von  Wettstein 
und  Doughty  erschlossenen  vulkanischen  Gebiete.  — 

Wer  quer  über  das  Land  von  Jaffa  nach  Jerusalem  und  an 
das  Todte  Meer  reist,  erhebt  sich  zuerst  auf  dem  Rücken  von  Juda 
bis  zu  etwa  1000  M.  über  dem  Mittelmeere  und  steigt  sodann  etwa 
1 400  M.  zu  dem  Todten  Meere  hinab,  dessen  Wasserspiegel  be- 
kanntlich in  —  392  M.  liegt.  Da  jedoch  die  dem  Ostrande  zu- 
nächst liegende  Tiefe  dieses  Meeres  beinahe  400  M.  beträgt,  so 
fallt  thatsächlich  die  Oberfläche  des  Gebirges  von  dem  Rücken 
von  Juda  um  etwa  1 800  M.  gegen  die  tiefste  Stelle  dieser  grossen 
Tiefenlinie  hinab. 

Nach  den  Arbeiten  Lartet's,  nach  der  Erforschung  der  cre- 
tacischen Schwelle  im  Wadi  Arabah,  welche  in  -|-  230  bis  240  M. 
die  Wasserscheide  zw^ischen  dem  Rothen  Meere  und  dem  Todten 
Meere  bildet,  und  dem  Nachw-eise  des  gänzlichen  Mangels  jün- 
gerer Tertiärablagerungen  in  dem  ganzen  Gebiete  der  Tiefenlinie 
hat  es  als  sichergestellt  zu  gelten,  dass  das  offene  Meer  in  diese 
grosse  und  merkwürdige  Tiefe  niemals  eingedrungen  ist.  Die 
Bildung  dieser  Tiefenlinie  ist  ein  junges  Ereigniss,  sonst  wäre  die 
Schwelle  vom  Meere  überschritten  worden. 

Alles  Land  westlich  vom  Todten  Meere  ist  flach  gelagert, 
und  trotz  der  mächtigen  Absenkung  der  Oberfläche  besteht  es  nur 
aus  Kalkstein  der  mittleren  und  oberen  Kreide.    Nach  Fraas  sind 


Das  Todte  Meer  eine  Graben  Versenkung.  48  I 

aber  zu  beiden  Seiten  des  Rückens,  gegen  das  Mittelmeer  wie 
gegen  das  Todte  Meer,  treppenförmige  parallele  Verwerfungen 
vorhanden,  welche  die  Oberfläche  von  der  Höhe  herabsenken  zu 
den  Tiefen  im  Osten  und  im  Westen.^* 

Anders  ist  es  im  Osten.  Lartet  hat  gelehrt,  dass  dort  die 
alten  Massengesteine  weiter  nach  Nord  greifen  als  an  der  West- 
seite der  Tiefenlinie,  dass  der  Porphyr  noch  an  der  Südostseite  des 
Todten  Meeres  hervortritt,  und  dass  der  nubische  Sandstein  an 
dem  Fusse  des  ganzen  Ostufers  und  noch  w^eit  im  Jordanthale 
hinauf  sichtbar  ist.  Das  östliche  Ufer  zeigt  daher  in  jedem  Quer- 
profile ältere  Felsarten  als  das  westliche.  Hieraus  schloss  Lartet, 
in  Uebereinstimmung  mit  früheren  Vermuthungen  von  L.  v.  Buch 
und  Hitchcock,  dass  das  Todte  Meer  und  die  Jordanlinie  ein  Bruch 
sei,  verbunden  mit  Senkung  des  westlichen  Flügels. 

Hält  man  nun  aber  Lartet's  Erfahrungen  im  Osten  der  Bruch- 
linie und  jene  von  Fraas  im  Westen  derselben  zusammen,  so  zeigt 
sich  Folgendes.  Die  Höhe  des  breiten  Rückens  von  Juda  weicht 
nicht  allzusehr  von  jener  des  Hochlandes  östlich  vom  Todten 
Meere  ab.  Kreidekalke  bilden  da  und  dort  den  Boden.  Die  Jordan- 
linie ist  ein  Bruch,  aber  während  im  Osten  dieser  Bruch  an  einer 
einzigen  grossen  Hauptspalte  sich  vollzog,  entstanden  im  Westen 
mehrere  parallele  Brüche,  auf  welchen  der  Westflügel  nicht  im 
ganzen  Körper,  sondern  in  Treppen  absank,  so  dass  ein  ein- 
seitiger Graben  entstand.  Der  Rücken  von  Juda  behielt  seine 
Höhe  und  gegen  das  Mittelmeer  wiederholte  sich  die  staffeiförmige 
Senkung;  hier  ist  aber  jeder  Gegenflügel  verloren  gegan- 
gen. Und  da  die  ganze  syrische  Küste  auch  keine  Spur  von  ter- 
tiären Mediterranbildungen,  mit  Ausnahme  der  niederen  und  ganz 
jungen  Küstenbildungen  von  Beyrut  und  Jaffa  mit  Pectunculus 
violascens,  trägt,  ist  dieser  Bruch  auch  für  sehr  jung,  fjür  wohl 
ebenso  jung  zu  halten  als  die  Eröflfnung  des  ägäischen  und  des 
Schwarzen  Meeres. 

Hiefür  wird  sich  aber  bald  noch  weitere  Wahrscheinlichkeit 
ergeben. 

Kehren  wir  jedoch  zu  dem  Todten  Meere  zurück. 

Eine  einfache  Verwerfung  kann  an  der  Oberfläche  eine  Stufe 
erzeugen,  aber  kein  Thal;  sie  kann  durch  Erosion  zu  einem  Thale 


482  Das  Rothe  Meer  eine  Graben  Versenkung. 

ausgeweitet  werden,  aber  dann  wird  das  Thal  eine  bestimmte,  der 
Richtung  des  Abflusses  entsprechende  Neigung  besitzen  und  nie 
unter  das  Niveau  des  Meeres  hinabreichen.  Ein  Thal,  dessen 
Sohle  800  M.  unter  das  Meer  hinabreicht,  um  südwärts  bald 
wieder  230  M.  über  dasselbe  anzusteigen  und  dann  wieder  unter 
das  Meer  hinabzusinken,  kann  weder  durch  eine  einzige  Verwer- 
fung, noch  durch  Verwerfung  und  Erosion  erzeugt  sein.  Streifen 
müssen  abgesunken  sein  an  parallelen  Brüchen,  in  grosser  Länge 
und  zu  ungleicher  Tiefe.  Das  ist  jenes  Schwanken  in  der  Mäch- 
tigkeit der  Verwerfungen,  welches  wir  an  den  Sprüngen  des  Hoch- 
plateau's  von  Utah,  wie  an  den  grossen  Brüchen  der  Südalpen 
wahrgenommen  haben.  So  allein  können  breite  Thalniederungen, 
wie  Wadi  Arabah  und  Wadi  Akabah  entstehen,  und  das  ungleiche 
Maass  des  Absinkens  im  Graben  kann  durch  Klemmung  herbei- 
geführt werden.^5 

Eine  Grabenversenkung,  wohl  die  grösste  der  Erde,  ist  aber 
auch  das  Rothe  Meer.  Die  parallelen  Umrisse,  die  Aehnlichkeit 
der  gegenüberliegenden  Küsten,  so  weit  sie  bekannt  sind,  und  die 
vulkanischen  Erscheinungen  im  Süden  deuten  darauf  hin.  Oft 
schon  hat  man  dieses  Meeresbecken  als  einen  , Einsturz'  darge- 
stellt, insbesondere  seinen  südlichen  Theil.  Das  bezeichnendste 
Wort  hat  aber  Ose.  Fraas  gesprochen.  ,Aehnlich  wie  Schwarz- 
wald und  Vogesen,  obgleich  durch  das  breite  Rheinthal  getrennt, 
doch  auf  einerlei  Bildungsweise  hindeuten,  so  auch  die  crystalli- 
nischen  Berge  im  Osten  und  Westen  des  Rothen  Meeres.  .  .  .  Wie 
im  Westen  der  Vogesen  und  im  Osten  des  Schwarzwaldes  die 
Trias  und  der  Jura  an  das  alte  crystallinische  Gebirge  sich  anlegt, 
so  im  Osten  des  Sinai  wie  im  Westen  der  Nilberge  beiderseits 
obere  Kreide  und  älteres  Tertiär.*  ^^ 

Nun  betrachten  wir  in  der  That  das  Rheinthal  bei  Strassburg. 
Die  geschichteten  Tafeln  des  süddeutschen  Senkungsfeldes  und 
jene  der  Niederung  von  Paris,  welche  einst  über  Schwarzwald  und 
Vogesen  hinweg  vereinigt  waren,  sind  zur  Tiefe  gegangen;  die 
Horste  sind  stehen  geblieben;  diese  aber  durchschneidet  der 
grosse,  aus  geradlinigen  Brüchen  hervorgegangene  Graben  des 
Rheins.  Ob  diese  Ereignisse  gleichzeitig  waren,  oder  in  welcher 
Folge  Tafelsenkung  an   den  Seiten   und  Grabensenkung  in  der 


Hall.  483 

Mitte  standen,  wissen  wir  nicht.  Aber  ebenso  ragt  das  alte  Ge- 
birge am  Rothen  Meere  wie  ein  Horst  aus  dem  nubischen  Sandstein 
und  den  cretacischen  und  eocänen  Tafeln,  und  ebenso  schneidet 
mitten  durch  den  alten  Horst  der  grosse  erjlhräische  Graben.  — 

Einige  Angaben  lassen  die  Vermuthung  zu,  dass  das  grosse 
Wadi  Sirhän  im  nördlichen  Arabien,  und  insbesondere  sein  süd- 
licher Theil,  das  Djof,  ebenfalls  eine  Grabenversenkung  sei ;  Blunt 
hat  bereits  diese  Gegend  dem  Todten  Meere  verglichen.^^  j)ie 
vulkanischen  Vorkommnisse  des  Haurän  setzen  sich  im  Westen 
des  Wadi  Sirhän  südwärts  auf  eine  unbekannte  Strecke  fort;  im 
Osten  scheint  etwa  der  3 1 .  Breitegrad  ihre  Südgrenze  zu  bezeich- 
nen. Was  weiter  folgt,  ist  ein  weit  ausgedehntes  Sandsteingebiet 
mit  treppenförmig hervortretenden  Schichtköpfen,  wie  in  der  Sahara, 
und  dieses  bildet  die  ganze  steinige  Hamada  bis  zum  Euphrat. 
Der  höchste  Theil  dieses  Sandsteingebietes,  etwa  2500  (engl.)  Fuss 
hoch,  liegt  knapp  an  dem  Ostrande  des  Djof  und  endet  mit  ziem- 
lich steilem  Abstürze  gegen  diese  etwa  um  600  Fuss  tiefer  liegende 
Fläche.  Der  flachen  Sandsteintafel  ist  mit  auffallend  scharfer  Ab- 
grenzung eine  Sandwüste,  der  grosse  Nefud,  aufgelagert,  aus 
welcher  Sandsteinkuppen  aufragen,  welche  durch  ihre  geschwärzte 
Oberfläche  ebenso  ausgezeichnet  sind  wie  jene  desTasili  in  Afrika. 
Südlich  von  dieser  Sandwüste  sind  auch  Sandsteinkuppen  vorhan- 
den, bis  endlich  am  Dj.  Aja  westlich  von  Hail  und  am  Dj.  Scham- 
mar  die  granitische  Unterlage  hervortritt.  Es  ist  rother  Granit 
vorherrschend,  und  diese  Gebirgszüge  sind  wahrscheinlich  als  die 
Fortsetzung  der  sinaitischen  Höhen  anzusehen. 

Diese  Darstellung  Blunt's  bestätigt  zugleich  die  Vermuthung, 
dass,  so  wie  Syrien  im  Norden  und  Oman  und  die  arabische  Küste 
im  Süden,  so  auch  das  ganze  Innere  des  Landes  einen  ähnlichen 
Bau  besitzt  wie  Aegypten  und  das  ganze  Wüstenland  des  nörd- 
lichen Afrika. 

So  sehen  wir  demnach  von  den  atlantischen  Küsten,  durch 
das  ganze  Wüstenland  bis  zum  Golf  von  Gabes,  dann  südwärts 
durch  die  Gebiete  der  Tuareg,  bis  über  Air  hinaus,  bis  weit  süd- 
lich von  der  Oase  Kauär,  bis  Borkü,  bis  Darfur  und  noch  das 
Somäliland  in  sich  begreifend,  dann  im  Norden  ganz  Aeg}''pten, 
Syrien   und  ganz  Arabien  bis  an   den  Euphrat  umfassend,   ein 


aS/L  Ausdehnung  der  grossen  Wüstentafel. 

grosses  Stück  der  Erdoberfläche  durch  gemeinsame  Merkmale  aus- 
gezeichnet. In  diesem  ganzen  Gebiete  herrscht  flache  Lagerung; 
Störungen  treten  nur  durch  Senkung,  namentlich  durch  grosse 
Grabenversenkungen  ein,  welche  da  und  dort  mit  Schleppung  an 
den  Kanten  verbunden  sind.  Tangentiale  Bewegung  und  Faltung 
aber  fehlt  diesem  Gebiete  nach  dem  heutigen  Stande  unserer  Er- 
fahrungen vollständig.  Ebenso  fehlt  nach  dem  heutigen  Stande 
der  Beobachtungen  diesem  ganzen  Gebiete,  etwa  mit  Ausnahme 
des  Antalo-Kalksteins  in  Abessynien,  die  ganze  Reihe  von  Ab- 
lagerungen zwischen  dem  Schlüsse  der  paläozoischen  Zeit  und  der 
cenomanen  Stufe,  und  wenn  auch  eingewendet  werden  mag,  dass 
diese  ausgedehnten  Flächen  noch  viel  zu  wenig  untersucht  seien, 
als  dass  auf  ähnliche  negative  Merkmale  Gewicht  gelegt  werden 
könnte,  so  ist  doch  zu  erinnern,  dass  in  dem  Gebiete  der  mittleren 
Sahara,  in  Aegypten  und  Palästina  die  Transgression  der  Cenoman- 
stufe  und  ihre  unmittelbare  Auflagerung  auf  paläozoische  oder 
noch  ältere  Felsarten  mit  Sicherheit  auf  grosse  Strecken  hin  sicher- 
gestellt ist. 

Die  grosse  Wüstentafel  reicht  also  vom  atlantischen  Ocean 
bis  an  den  Euphrat  und  an  den  persischen  Meerbusen,  und  so  wie 
die  Lagerung,  ist  auch  die  Schichtfolge  durch  ähnliche  Merkmale 
gekennzeichnet  wie  auf  der  russischen  Tafel. 

Suez  und  der  Nil.  Die  erythräische  Grabenversenkung  ist 
im  Norden  durch  die  Landenge  von  Suez,  einen  schmalen  und 
niedrigen  Strich  jungen  Schwemmlandes,  angefüllt.  Trotz  seines 
sehr  geringen  Alters  und  seiner  ganz  unbedeutenden  Meereshöhe 
trennt  dieser  Landstrich  zwei  von  einander  sehr  verschiedene 
Meeresfaunen. 

Die  indische  Meeresfauna  tritt  durch  die  Strasse  Bab-el-Man- 
deb  in  das  Rothe  Meer,  erreicht  mit  vielen  typischen  Arten  den 
Golf  von  Akaba,  ist  auch  bei  Suez  vertreten  und  dringt  sogar 
landeinwärts  oberhalb  Suez  in  eine  Reihe  abgetrennter  Meeres- 
becken, die  sog.  Bittersee'n,  ein,  welche  heute  der  Schifffahrts- 
kanal durchschneidet.  Die  Ufer  des  Rothen  Meeres  zeigen  an  vielen 
Orten,  im  Süden  wie  im  Norden,  die  Spuren  eines  höheren  Stan- 
des der  Strandlinie.    Sie  muss  noch  nach  der  Bildung  dos  grossen 


Die  Landenge  von  Suez.  4^5 

Grabens  höher  gestanden  und  später  gesenkt  worden  sein.  Diese 
Spuren  bestehen  in  der  Regel  aus  jungen  horizontalen  Muschel- 
bänken oder  aus  trockenliegenden  Korallenbildungen;  auch  bei 
Suez  selbst  sind  sie  vorhanden. 

Die  lusitanische  Fauna  der  atlantischen  Küste  bildet,  wie  wir 
an  früherer  Stelle  sahen,  den  bezeichnenden  Theil  der  medi- 
terranen Meeresfauna,  doch  sind  ihr  zahlreiche  celtische  und  einige 
seltene  boreale,  arktische  und  westindische  Reste  beigemengt. 
So  erreicht  sie,  wenn  auch  nicht  eben  in  reichlicher  Vertretung, 
den  Lido  an  dem  östlichen  Rande  des  Delta's,  und  vereinzelte 
Vertreter  derselben  lebten  bereits  vor  der  Herstellung  des  Schiff- 
fahrtskanales  in  den  landeinwärts  gelegenen  Lagunen,  namentlich 
in  dem  grossen  See  Menzaleh. 

Wie  wenig  diese  für  die  Thierwelt  so  wichtige  Grenze  in  der 
Gestaltung  der  Oberfläche  ausgeprägt  ist,  geht  daraus  hervor, 
dass  der  höchste  Rücken,  welchen  der  Kanal  zu  durchschneiden 
hatte,  el-Guisr,  nur  i8  M.  hoch  ist.  In  dem  Süsswasserkanale, 
welcher  das  Wasser  des  Nil  nach  Suez  führt  und  welcher  zum 
Theile  der  Linie  des  alten  Süsswasserkanales  der  Pharaonen  folgt, 
langt  der  Fluss  in  6*7  M.  über  dem  Niveau  beider  Meere  bei 
Ismailia,  etwa  in  der  Mitte  der  Landenge  an.  Schon  vor  der  Ver- 
bindung beider  Meere  durch  den  Schifffahrtskanal  sah  man  weit 
im  Lande  Brunnen,  deren  Wasserstand  sich  mit  den  Gezeiten  der 
Meere  hob  und  senkte,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass,  so 
wie  Rhein  und  Donau  unterirdisch  durch  eine  gemeinsame  Grund- 
wassermenge verbunden  sind,  so  auch  das  Rothe  und  das  Mittel- 
meer stets  durch  ein  gemeinsames  brackisches  Grundwasser  ver- 
bunden waren. 

Die  gesammte  Länge  des  Schififfahrtskanales  beträgt  1 60  Kilo- 
meter; zieht  man  jedoch  die  Lagunen  und  die  abgetrennten  Meeres- 
theile  ab,  welche  vom  Norden  wie  vom  Süden  her  in  das  Land 
eingreifen,  so  vermindert  sich  die  Breite  des  trennenden  Land- 
streifens sofort  auf  weniger  als  dreissig,  wenn  man  die  an  den 
tieferen  Gehängen  da  und  dort  erscheinenden  Umsäumungen  von 
gebleichten  Muschelschalen  in  Betracht  zieht,  auf  20  bis  1 5  Kilom. 

Der  Kanal  durchbricht  bei  Port  Said  den  schmalen,  sandigen 
Lido  und  tritt  in  den  See  Menzaleh;  die  Mündungen  des  tanitischen 


486  Grenze  des  mediterranen  und  des  erythraischen  Gebietes. 

und  des  pelusischen  (bubastischen)  Nilarmes  liegen  östlich  von 
dieser  Stelle.  Alles  Sumpfland  gegen  Ost  bis  gegen  die  Ruinen 
von  Pelusium  hin  ist  in  rascher  Verlandung  begriffen.  Etwa  in 
Kilom.  37  schneidet  der  Kanal  die  Linie  des  einstigen  pelusischen 
Armes;  er  durchquert  dann  eine  schmale  Strecke  trockenen  Landes 
bei  Kantara  und  erreicht  den  See  Ballah,  die  äusserste  Lagune 
des  Mittelmeergebietes,  welche  südlich  von  el-Ferdane  bis  Kilom.  66 
reicht.    Hier  erst  verlassen  wir  das  Mediterrangebiet. 

Nun  kreuzen  wir  den  Rücken  el-Guisr  und  erreichen  den 
Spiegel  des  See's  Timsah,  d.  i.  des  Krokodilsee's,  welchen  die 
Schifffahrtslinie  in  Kilom.  76 — 80  durchzieht.  An  dem  Ufer  dieses 
See's  erhebt  sich  die  junge  Stadt  Ismailia,  und  westlich  von  der- 
selben treffen  wir  bei  Saba'h  'Byar,  d.  i.  bei  den  Sieben  Brunnen, 
den  Süsswasserkanal.  Dieser  Punkt  entspricht  dem  Ausgange  des 
Thaies  Gessen,  und,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  dem  Laufe  eines 
Nilarmes,  welcher  einstens  in  der  Richtung  gegen  den  See  Tim- 
sah floss. 

Das  Flachland  im  Osten  und  Südosten  des  Timsah  ist  gegen 
den  See  durch  Steilränder  abgegrenzt,  welchen  einzelne  kleine  tafel- 
förmige Massen  vorliegen;  unter  diesen  erwähne  ich  das  Plateau 
der  Hyänen  im  Osten,  dann  jenes  von  Tussum  in  Kilom.  85  und 
in  dessen  Nähe  die  Stelle,  welche  Scheich  Ennedek  genannt  wird. 

Im  Westen  von  Tussum  sieht  man  eine  grössere  Gruppe  nach 
SSW.  streichender  Dünen  und  in  Kilom.  90  ist  das  Serapeum  er- 
reicht. Nahe  südlich  von  diesem,  etwa  in  Kilom.  94 — 95  beginnen 
die  beiden  grossen,  vor  der  Eröffnung  des  Schifffahrtskanales  fast 
trocken  liegenden  Becken  der  Bittersee'n.  Sie  nehmen  die  Strecke 
des  Kanales  bis  Kilom.  138  ein,  und  dieses  ganze  Gebiet  vom 
Serapeum  angefangen  ist  der  erythraischen  Region  zuzurechnen. 
Nun  wird  die  Schwelle  des  Schaluf  gekreuzt,  und  durch  eine 
schmale  Furche,  in  welcher  der  alte  Kanal  der  Pharaonen  liegt, 
erreichen  wir  nahe  unter  Kilom.  150  die  Lagune  von  Suez  und  in 
Kilom.  160  das  Rothe  Meer. 

Nur  dem  südlichen  Theile  dieser  Linie  und  nur  von  der 
Westseite  her  nähern  sich  höhere  Berge,  nämlich  Dj.  Genef, 
in  dessen  Fortsetzung  die  Schwelle  Schaluf  liegt,  welche  die 
Bittersee'n   gegen   Süd  abschliesst,   dann   Dj.  Awebet    und   der 


Lagerung  bei  Suez.  487 

lange  Rücken  des  Dj.  Atäka,  welcher  südlich  von  Suez  mit  breitem 
und  steilem  Abstürze  an  das  Rothe  Meer  tritt  (Fig.  43). 

Weder  in  der  weithin  dem  Auge  eröffneten  Structur  dieser 
höheren  Berge,  noch  in  dem  Baue  des  Flachlandes  ist  irgend  ein 
Anzeichen  von  Wölbung  oder  Aufrichtung  der  Schichten  bemerk- 
bar. Allerdings  sind  jedoch  in  den  Bergen  Senkungsbrüche  vor- 
handen ;  die  Meeresschichten  des  Tieflandes  sehen  aus,  als  hätte 
sie  gestern  erst  das  Meer  verlassen. 

Im  Jahre  1869  wurde  mir  durch  den  Khedive  Ismail  die  er- 
wünschte Gelegenheit  geboten,  die  wichtigsten  Strecken  des 
Kanales  kennen  zu  lernen.  Meine  damaligen  örtlichen  Beobach- 
tungen gewannen  erst  einigen  Zusammenhang  durch  die  werth- 
voUen  Schriften,  welche  seither  über  den  Isthmus  erschienen  sind, 
und  unter  welchen  ich  zuvörderst  jene  von  Laurent,^*  Lesseps^^ 
und  Th.  Fuchs  *°  nenne.  Aber  aufs  Tiefste  eingeprägt  blieb  mir 
das  Bild  einer  Gegend,  in  welcher  von  sehr  alter  Zeit  her  die 
Folge  der  Meeresbildungen  in  durchwegs  fast  oder  ganz  horizon- 
talen Bänken  sichtbar  ist,  und  in  welcher  man  zwei  Serien  der 
flachen  Lagerung  erblickt,  nämlich  eine  ältere,  deren  einzelne 
Schichten  sich  normal  überlagern,  in  immer  jüngeren  Bänken 
immerhöhereTheilederBergebildendjbis  die  jüngsten  auf  derHöhe 
der  Tafelflächen  liegen,  und  eine  zweite,  jüngere  Serie,  in  welcher 
sich  die  Schichten  anlagern,  und  zwar  in  solcher  Weise,  dass  die 
jüngeren  in  immer  tieferen  und  tieferen  Treppen  sich  an  die  vor- 
hergehenden anschmiegen,  so  dass  endlich  die  jüngsten  Glieder 
der  zweiten  Serie  in  dem  Niveau  des  Meeres  liegen  und  zugleich 
in  dem  Niveau  der  ältesten  Glieder  der  ersten  Serie.  Dabei  ist 
die  angelagerte  Serie  sicher  unter  einer  sinkenden,  und  zwar 
scheinbar  unter  einer  rhapsodisch  sinkenden  Strandlinie  abgesetzt, 
während  die  aufsteigende  Serie  hierüber  bestimmte  Nachweise 
kaum  gibt,  wohl  aber  sagt,  dass  bei  sinkender  Strandlinie  ihr  Ende 
erreicht  sein  muss,  sobald  der  Wasserspiegel  die  eigenen  Sedi- 
mente erreicht.  Endlich  setzt  der  Beginn  der  zweiten  Serie  in 
diesem  Falle  voraus,  dass  die  vorhergehenden  Sedimente  zer- 
brochen und  hiedurch  neue  submarine  Abhänge  gebildet  seien.  — 

Auf  der  Linie  des  Kanales  unterscheidet  man,  wie  gesagt, 
ziemlich  leicht  drei  Regionen,  nämlich:  die  mediterrane  Region  von 

Suess,    Das  Antlitz  der  Erde.  32 


il88  Elemente  der  Landschaft  bei  Suez. 

Kilom.  o — 66,  durch  den  See  Menzaleh  bis  zur  Südspitze  der 
Lagune  Ballah  reichend,  —  die  mittlere  oder  neutrale  Region,  von 
Kilom.  66 — 95,  welche  den  See  Timsah  umfasst,  —  und  die 
erythräische  Region  von  Kilom.  95 — 160,  d.  i.  von  einem  Punkte 
südlich  vom  Serapeum  durch  die  Bittersee'n  und  die  Lagune  von 
Suez  zum  Rothen  Meere;  folgen  wir  aber  Laurent,  welcher  die 
Streifen  von  todten  Muschelschalen  an  dem  Gehänge  in  Betracht 
zieht,  so  reicht  die  mediterrane  Zone  bis  Kilom.  68,  die  neutrale 
Zone  mit  dem  See  Timsah  nur  bis  Kilom.  83,  und  der  Rest  fallt 
dem  erythräischen  Gebiete  zu.  Ferner  erinnern  wir  uns,  dass  das 
Thal  Gessen  und  der  vom  Nil  herkommende  Süsswasserkanal  die 
Linie  des  Kanals  auf  der  neutralen  Strecke,  in  der  Nähe  des  See's 
Timsah  treffen. 

Die  Landschaft  besteht  in  Summe  aus  den  folgenden  Ele- 
menten: aus  den  höheren  Bergen  im  Südwesten,  mit  den  wenig 
hervortretenden  Resten  der  IL  Mediterranstufe,  aus  den  erythräi- 
schen, dann  aus  den  jüngeren  Mediterranbildungen,  ferner  aus 
den  Ablagerungen  des  Nil,  endlich  aus  den  Dünen  und  den  Neh- 
rungen. 

Die  höheren  Berge,  den  mächtigen  Atdka  bei  Suez,  Auwebed 
und  Gen^f,  haben  wir  als  Theile  der  grossen  Kalkzone  anzusehen, 
welche  zur  sinaitischen  Halbinsel  und  nach  Judäa  zieht. 

Mittlere  Kreide  ist  das  älteste  sichtbare  Glied;  nach  den 
Fossilien,  welche  Beyrich  vom  Auwebed  anführt,  würde  dort  die 
Schichtfolge  bis  in's  Oligocän  reichen. 

Auch  die  11.  Mediterranstufe  wurde  bereits  (S.  41 3)  besprochen 
und  hervorgehoben,  dass  sie  südlich  vom  Atdka  bis  in  das  heutige 
Gebiet  des  Rothen  Meeres  hervortritt.  Dennoch  hat  damals  eine 
weitgehende  Mengung  der  mediterranen  und  der  erythräischen 
Fauna  nicht  stattgefunden.  Es  kann  daher  an  dieser  Stelle  die  ery- 
thräische Grabensenkung  in  ihrer  heutigen  Wesenheit  zur  Zeit  der 
zweiten  Mediterranstufe  kaum  bestanden  haben.  Beyrich  deutet 
sogar  die  Meinung  an,  dass  die  Miocänablagerungen  selbst  sammt 
den  Gebirgsstöcken  durch  parallele  Bruchlinien  zerstückt,  d.  i. 
dass  sie  nicht  in  den  Thälern  abgelagert  seien,  in  welchen  man 
sie  jetzt  findet,  sondern  dass  sie  älter  seien  als  diese  Thäler, 
dass  sie  folglich  noch  der  Serie  der  aufgelagerten,  nicht  der  an- 


Erythräischc  Ablagerungen  bei  Kairo.  4^9 

gelagerten  Schichten  zuzuzählen  sei.    Dieser  Punkt  wäre  einer 
neuen  Untersuchung  sehr  würdig. 

Das  meiste  Interesse  knüpft  sich  aber  an  die  jungen  Bildungen 
der  Landenge.  Es  ist  von  vorneherein  klar,  dass  bei  einem  nur 
um  etwa  i8 — 20  M.  höheren  Stande  der  Strandlinie  die  heutige 
Landenge  überschritten  würde,  ja  dass  in  früherer  Zeit  sich  diese 
Ueberschreitung  bei  noch  geringerer  Höhe  der  Strandlinie  voll- 
ziehen musste,  da  ein  guter  Theil  der  heute  vorhandenen  Land- 
rücken nur  aus  Sandwehen  besteht. 

Die  erste  und  sehr  auffallende  Thatsache,  welcher  wir  be- 
gegnen, ist  die  zuerst  von  Beyrich  hervorgehobene,  seither  auch 
von  Th.  Fuchs  anerkannte  Verwandtschaft  der  allerdings  bisher 
nur  durch  wenige  Arten  vertretenen  Fauna  der  Sandablagerungen 
bei  den  Pyramiden  von  Ghizeh  mit  jener  des  Rothen  Meeres. 
Diese  Sandablagerungen  bilden  den  Steilrand  der  Wüste  gegen 
das  Nilthal.  Die  Sphinx  ist  in  ihre  verhärteten  Lagen  einge- 
schnitten. Zittel  gibt  die  Höhe  der  Anlagerung  mit  64  M.  an, 
und  dieselbe  Höhe  verzeichnet  Schweinfurt  für  den  oberen  Rand 
einer  Zone  von  Pholadenlöchern,  welche  er  an  den  Abhängen 
des  Mokattam  oberhalb  Kairo  verfolgt  und  als  dieser  Phase 
zugehörig  erkannt  hat.**  Die  Schalen  von  Ostrea  Forskali  und 
Pecten  erythraeus,  welche  im  Rothen  Meere  leben,  liegen  in  die- 
sem Sande. 

Es  tritt  also  in  der  That  eine  Scholle  von  erythräischem  Typus 
oder  doch  eine  solche,  die  mehrere  bezeichnende  erythräische 
Arten  umfasst,  in  das  Gebiet  des  heutigen  Mittelmeeres. 

Wir  betreten  nun  den  Isthmus. 

Th.  Fuchs  unterscheidet  an  den  Bittersee^n  ein  tiefer  liegen- 
des, jüngeres  Gebiet  von  wellenförmiger  Oberfläche,  welches  sich 
nicht  mehr  als  etwa  8  M.  über  den  Meeresspiegel  erhebt,  und  ein 
dahinter  Hegendes  Terrassenland  mit  concentrischen  Steilrändern. 
Der  höchste  von  Fuchs  besuchte  Punkt  lag  in  etwa  14  M.  See- 
höhe, doch  mochten  gegen  Osten  weitere  Stufen  wohl  die  doppelte' 
Höhe  erreichen.  Die  meisten  Conchylien  lieferte  Plateau  Kabret, 
etwa  8  M.  über  der  umgebenden  Wüste  und  5  Kilom.  östlich  vom 
See,  auf  der  ersten  Stufe  des  Terrassenlandes.  Hier  fanden  sich 
erythräische  Meeresconchylien,    zugleich  jedoch   einige   wenige 

32* 


AQO  Einstige  Verbindung  des  Meeres  bei  Suez. 

dem  Rothen  Meere  fremde  Formen,  insbesondere  Ostrea  pseudo- 
crassissima,  ganz  der  bekannten  Form  aus  mediterranen  Tertiär- 
bildungen gleichend,  und  zwei  lebend  nicht  bekannte  Pectines, 
ferner  Süsswasserconchylien,  welche  heute  am  oberen  Nil  leben, 
wie  Etheria  semilunata  und  Spatha  nilotica,  von  welchen  später 
mehr  zu  sprechen  sein  wird. 

In  geringer  Höhe  über  den  Bittersee'n  findet  sich  also  die 
erythräische  Fauna,  begleitet  von  einigen  erloschenen  Typen,  von 
welchen  wenigstens  eine  Art  entschieden  mediterranen  Charakter 
trägt,  und  zugleich  erscheinen  Conchylien  des  Nil. 

Nun  begeben  wir  uns  an  die  Ufer  des  Rothen  Meeres. 

Neue  Beobachtungen  von  HuU,  über  welche  erst  eine  kurze 
Nachricht  vorliegt,  haben  gezeigt,  dass  bei  Suez  Spuren  eines 
alten  Meeresstandes  in  beiläufig  200  (engl.)  Fuss  über  dem  heu- 
tigen Meere  sichtbar  sind;  dies  stimmt  sehr  nahe  mit  der  Höhe 
der  Pholadenzone  bei  Kairo. 

Weit  vollständiger  sind  die  Berichte  über  die  noch  jüngeren 
und  daher  tieferen  muschelführenden  Lagen  bei  Suez. 

Es  hat  sich  Issel  der  dankenswerthen  Aufgabe  unterzogen, 
die  organischen  Ueberreste  derselben  zu  untersuchen  und  mit  der 
heutigen  Fauna  zu  vergleichen.'*^  Obwohl  diese  Muschelbänke 
nur  wenige  Meter  über  dem  Meere  liegen,  vollkommen  horizontal 
sind,  die  Bivalven  in  der  Regel  in  ihrer  natürlichen  Lebensstellung 
enthalten,  und  obwohl  einzelne  Arten  in  denselben  noch  ihre  ur- 
sprüngliche Färbung  erkennen  lassen,  ist  doch  diese  Fauna  etwas 
verschieden  von  jener,  welche  heute  im  Golfe  von  Suez  lebt.  Es 
wurden  im  Ganzen  2^2  Arten  in  diesen  Ablagerungen  getroffen 
und  von  diesen  sind  18  Gattungen  und  105  Arten  nicht  als  im 
Golf  von  Suez  oder  in  jenem  von  Akaba  lebend  bekannt.  Da- 
gegen finden  sich  eilfechte  mediterrane  Arten  vor;  andere  werden 
wahrscheinlich  in  entfernteren  Theilen  des  Rothen  Meeres  noch  an- 
getroffen werden. 

Ohne  weiter  in  die  Einzelheiten  des  Vergleiches  einzugehen, 
begnügen  wir  uns  mit  der  Thatsache,  dass  selbst  bei  dieser  ge- 
ringen Höhe  der  Strandlinie  über  dem  heutigen  Meere  mediterrane 
Arten  bei  Suez  sich  der  erythräischen  Fauna  beimengen  konnten. 
Allerdings  müssen  wir  aber  sofort  hinzufügen,  dass  heute  bei  Suez 


Der  Süsswasscrkanal  der  Pharaonen. 


491 


.  mit  den  erythräischen  Typen  eine  nicht  geringe  Anzahl  von  solchen 
Arten  lebt,  welche  deutlich  stellvertretende  Formen  von  mediter- 
ranen Arten  und  oft  von  diesen  nur  durch  gar  geringe  Merkmale 
getrennt  sind.  Unter  diesen  Umständen  trage  ich  kein  Bedenken, 
der  Ansicht  Issel's  folgend,  diese  vicarirenden  Arten  als  abge- 
änderte Formen  anzusehen.  Sie  sind  junge,  durch*  Isolifung  ent- 
standene Arten.  Die  neuerliche,  durch  den  Ausbau  des  Schiff- 
fahrtskanales  ermöglichte  Mengung  beider  Faunen  vollzieht  sich, 
wie  Keller  gezeigt  hat,  langsam  und  fast  nur  in  Bezug  auf  die  litor 
ralen  Formen.^^ 

Manche  Erscheinungen  deuten  darauf  hin,  dass  die  Senkung 
der  Strandlinie  keine  allmälige,  sondern  vielmehr  eine  rhapsodische 
gewesen  sei,  wie  dies  an  späterer  Stelle  auszuführen  sein  wird. 
Man  hat  aus  historischen  Quellen,  insbesondere  aus  den  Angaben 
über  den  Zug  der  Israeliten  durch  das  Rothe  Meer  und  den  Unter- 
gang des  Pharaoh  Ptah  Men  geglaubt,  den  Beweis  erbringen  zu 
können,  dass  die  Bittefsee'n  zu  jener  Zeit  noch  mit  dem  Rothen 
Meere  in  Verbindung  standen  und  mit  Seewasser  gefüllt  waren  *, 
doch  sind  neue  Ansichten  über  die  Linie  des  Ueberganges  her- 
vorgetreten und  ich  wage  es  nicht,  ein  Urtheil  über  diese  Frage 
abzugeben. 

Lesseps  hat  die  auf  die  ältere  Geschichte  des  Süsswasser- 
kanales  bezüglichen  Angaben  gesammelt,  welche  Herodot,  Diodor, 
Plinius  und  Strabo  geliefert  haben.  Für  uns  ist  von  Bedeutung, 
dass,  wie  ein  Blick  auf  Herodot's  Darstellung  lehrt,**  das  Niveau 
des  Nil  zur  Zeit  Necho's,  des  Sohnes  Psammetich's,  genau  das- 
selbe war  wie  heute,  denn  die  Linie  des  Süsswasserkanales  war 
dieselbe,  welcher  auf  grössere  Strecken  hin  heute  der  Süsswasser- 
kanal  folgt.  Strabo  erzählt,  dass  die  Bittersee'n  durch  den  Kanal 
süss  geworden  seien,  und  möglicherweise  hängt  hiemit  die  Nach- 
richt bei  Renaud  zusammen,  dass  nach  den  Bohrungen,  welche  in 
der  Tiefe  der  Bittersee'n  vorgenommen  wurden,  das  stellenweise 
bis  7*5  M.  mächtige  Salzflötz  auf  Nilschlamm  zu  liegen  scheine.*^ 
•  Diodor  meldet,  dass  Ptolemäus  IL  Schleussen  eingeschaltet 
habe  zum  Oeffnen  und  zum  Schliessen;  deshalb  heisse  jener  Theil 
des  Kanals,  welcher  sich  bei  Arsinoe  (Suez)  ins  Meer  ergiesst, 
der  Ptolemäische  Fluss.  Lesseps  ist  der  Ansicht,  dass  man  da- 


492  Schaluf. 

mals  bei  dem  kleinen  Querschnitte  des  Kanals  das  Eindringen  der 
Fluth  des  Rothen  Meeres  gefürchtet  habe,  dass  es  sich  also  um 
eine  Fluthschleusse  handle.  Andererseits  macht  Lesseps  aufmerk- 
sam, dass  in  der  Nähe  des  Schaluf  der  heutige  Süsswasserkanal 
mit  dem  alten  Kanäle  identisch  ist,  und  dass  dieser  heute  mit 
einer  Schleusse  von  3  M.  Fall  über  dem  mittleren  Niveau  des 
Rothen  Meeres  endet.  Es  sei  daher  vor  eilf  Jahrhunderten,  nämlich 
zur  Zeit,  als  der  Kalife  Omar  den  Kanal  erneuerte,  die  mittlere 
Höhe  des  Rothen  Meeres  um  3  M.  höher  gewesen  als  heute.^^ 

Dass  Süsswasserconchylien,  wie  Etheria  und  Spatha,  welche 
heute  nur  am  oberen  Nil  leben,  schon  zu  jener  Zeit  in  dieser 
Gegend  vorhanden  waren,  als  noch  die  Fauna  des  Rothen  Meeres 
etwa  7 — 8  M.  über  dem  heutigen  Meeresniveau  an  den  Bittersee'n 
lebte,  wird  von  mehreren  Beobachtern,  insbesondere  von  Th.  Fuchs, 
angegeben.  Es  finden  sich  jedoch  über  den  jüngeren  Meeres- 
bildungen, wie  zuerst  Vaillant  zeigte,  am  Schaluf,  dann  am  Se- 
rapeum  und  an  einzelnen  anderen  Punkten  südlich  vom  Timsah, 
innerhalb  des  erythräischen  Gebietes  sehr  regelmässige,  mit  Ethe- 
rienschalen  überhäufte  Bänke;  eine  Bildung  derselben  durch  den 
Süsswasserkanal  allein  ist  höchst  unwahrscheinlich,  wie  dies  schon 
Issel  mit  Recht  bemerkt  hat.  Nun  darf  aber  nicht  übersehen  werden, 
dass  der  Lauf  des  Süsswasserkanales  im  Thale  Gessen  bis  zu  den 
Sieben  Brunnen  heraus  ohne  Zweifel  einem  alten  Arme  des  Nil 
entspricht,  und  es  geht  aus  den  Beobachtungen,  welche  die  Mit- 
glieder der  französischen  Expedition  nach  Aegypten  im  Beginne 
dieses  Jahrhunderts  gesammelt  haben,  mit  Bestimmtheit  hervor, 
dass  im  Jahre  1800  vor  der  Wiederherstellung  des  Süsswasser- 
kanales der  Nil  bei  ausserordentlichem  Hochwasser  dieser  selben 
Linie  folgend,  die  Sieben  Brunnen  bei  Ismailia  erreicht  hat.  Der 
Fluss  umspülte  sogar  die  Höhe  Scheich  Ennedek,  südlich  vom  See 
Timsah,  fand  aber  den  Abfluss  nordwärts  in  die  Lagune  Ballah 
und  gegen  das  Mittelmeer.*^ 

Hieraus  geht  hervor,  dass  der  Krokodilsee  Timsah,  welcher 
mitten  auf  dem  Isthmus  liegt,  heute  noch  dem  natürlichen  In- 
undationsgebiete  des  Nil  angehört. 

Ziehen  wir  nun  die  Summe  aus  diesen  einzelnen  Angaben,  so  tritt 
zuerst  die  Thatsache  hervor,  dass  alle  jungen  Meeresablagerungen, 


Uebersicht  der  Veränderangen  bei  Suez.  493 

welche  den  Isthmus  zusammensetzen,  horizontal  liegen,  dass  der 
ganze  niedrige  Landstrich  lediglich  durch  Verlandung  gebildet 
zu  sein  scheint,  und  dass  der  Nil  wenigstens  von  einem  gewissen 
Zeitabschnitte  an  einen  Antheil  an  dieser  Verlandung  genommen 
hat.  Ferner  geht  hervor,  dass  bei  mehr  als  sechzig  Meter  Höhe 
die  Strandlinie  des  Rothen  Meeres  hinausreichte  über  das  Nilthal 
und  die  Ablagerungen  von  Ghizeh  gebildet  wurden,  welche  Pecten 
erythraeus  und  Ostraea  Forskali  des  Rothen  Meeres  enthalten,  — 
dass  noch  bei  8  M.  Höhe  an  den  Bittersee'n  die  typische  erythräi- 
sche  Meeresfauna  erscheint,  ihr  jedoch  einzelne  erloschene  Arten 
von  mediterranem  Charakter  und  auch  Nilmuscheln  beigemengt 
sind,  —  dass  noch  in  sehr  geringer  Höhe  über  dem  Meere  bei 
Suez  in  den  trocken  liegenden  Muschelbänken  mitten  unter  den 
erythräischen  Conchylien  mehrere  mediterrane  Arten  vorkommen, 
—  dass  endlich  in  der  lebenden  Fauna  von  Suez  eine  lange  Reihe 
von  mediterranen  Conchylien  durch  vicarirende  Arten  vertreten 
ist.  Es  hat  also  bei  höherer  Lage  der  Strandlinie  ein  Uebergreifen 
des  Rothen  Meeres  in  das  Gebiet  des  Mittelmeeres  stattgefunden; 
später  ist  eine  vorübergehende  Mengung  der  Faunen  eingetreten 
und  bei  sinkender  Strandlinie  haben  sich  dieselben  wieder 
getrennt.  Bei  Suez  aber  sind  durch  die  Abtrennung  mediterraner 
Individuen  nun  vicarirende  Arten  entstanden. 

Es  ist  möglich,  ja  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  letzten  Be- 
wegungen der  Strandlinie  der  historischen  Zeit  angehören,  und 
wir  werden  später  angebliche  Beweise  solcher  Bewegungen  inner- 
halb der  beiden  letzten  Jahrtausende  im  Mittelmeer  antreffen. 
Als  sicher  kann  aber  gelten,  dass  der  Nil  einen  Arm  durch  das 
Thal  Gessen  gegen  die  Sieben  Brunnen  sandte,  als  das  Rothe  Meer 
noch  6 — 8  M.  über  seinem  heutigen  Stande  war  und  über  die 
Bittersee'n  heraufreichte.  Ebenso  sicher  ist,  dass  seither  die 
Strandlinie  gesunken,  der  Nil  aber  seinen  Stand  nicht 
wesentlich  verändert  hat.  Nun  ist  aber  das  Gefalle  des  Nil 
in  seinem  Unterlaufe  ein  äusserst  geringes;  Fraas  nimmt  dasselbe 
von  Assuan  bis  Kairo  mit  1 1  Centim.,  und  von  Kairo  abwärts 
mit  4  Centim.  auf  den  Kilometer,  oder  i  :  9090  und  i  :  25.000  an. 
Der  Fluss  müsste  daher  jede  Veränderung  der  Höhenverhältnisse 
des  Landes  empfinden.    Es  ist  allerdings  eine  Aufschüttung  von 


z^g^  Beständigkeit  des  Nil. 

AUuvien  eingetreten,  aber  ich  theile  vollständig  das  von  Fraas 
ausgesprochene  abfallige  Urtheil  über  alle  bisherigen  Versuche, 
chronologische  Ergebnisse  aus  der  je  nach  den  örtlichen  Um- 
standen höchst  verschiedenen  Mächtigkeit  dieser  Aufschüttungen 
zu  ziehen/* 

So  wie  die  horizontale  Lage  aller  den  Isthmus  aufbauenden 
jungen  Meeresbildungen  verräth,  dass  ihre  Trockenlegung  nicht 
aus  localen,  sondern  aus  Ursachen  von  sehr  grosser  Ausdehnung 
hervorgegangen  ist,  so  zeigt  auch  die  Lage  und  die  Vergangenheit 
des  Nil,  dass  in  jüngerer  Zeit  hier  eine  örtliche  Erhebung  des  Lan- 
des unmöglich  stattgefunden  haben  kann.  Die  meisten  Beobachter 
haben  dies  gefühlt;  Laurent,  Vassel,  Th.  Fuchs  meinten,  der  Nil 
selbst  habe  durch  sein  süsses  Wasser  die  Meeresfaunen  getrennt. 
Vassel  und  Fuchs  fassen  den  ganzen  Isthmus  nur  als  eine  junge 
Anschwemmung  auf/^  ,Soll  man,*  fragt  Laurent,  ,in  neuerer  Zeit 
eine  langsame  Erhebung  annehmen,  welche  die  harte  Bank  am 
Schaluf  um  2  M.  über  den  heutigen  Stand  des  Rothen  Meeres  er- 
hob, oder  soll  man  den  gleichzeitigen  Rückzug  beider  Meere  vor- 
aussetzen?* ^^  Ich  meine,  dass  der  unveränderte  Zustand  des  Nil 
nur  die  letztere  Annahme  zulässt. 

Allerdings  bezieht  sich  dies  nur  auf  den  Unterlauf  des  Stromes. 
Schon  bei  Selsileh,  also  noch  unterhalb  der  Katarakte,  zeigen 
sich  Flussconchylien  und  alte  Terrassen  nach  Leith  Adams  in 
ziemlicher  Höhe  über  dem  Strome  und  weiter  aufwärts  sind  solche 
Anzeichen  höherer  Wasserstände  häufig;  sie  dürften  100  bis  120 
Fuss  über  den  Strom  erreichen.^'  Hieraus  folgt  nur  der  Fort- 
schritt der  Erosion  und  das  Sinken  des  Stromes  mit  der  Senkung 
der  Strandlinie.  l)as  Alter  des  Nil  ist  aber  ein  sehr  hohes. 

Die  Spuren  der  Nilfauna  sind  weit  ausgebreitet.  In  den  Al- 
luvien  von  Ghenneh  im  peträischen  Arabien  traf  Bauermann  eine 
Schale  der  heute  im  Nil  lebenden  Spatha  Chaziana  und  in  den 
benachbarten  uralten  Türkisminen  trafen  sich  mit  Steinwerkzeugen 
Bruchstücke  derselben  Muschel. ^^ 

Schon  vor  Jahren  brachte  Tristram  aus  dem  See  Tiberias 
Chromis  nilotica,  einen  bezeichnenden  Fisch  des  Nil  und  andere 
Vertreter  der  Nilfauna  und  schloss  schon  damals  auf  das  hohe  Alter 
dieser  Flussbevölkerung.''^   Lortet  bestätigt  diese  Vorkommnisse ; 


Ausbreitung  der  Fauna  des  Nil.  495 

der  Spiegel  des  See's  Hegt  nach  diesem  Beobachter  in  —  212  M.; 
die  grösste  Tiefe  des  See's,  im  Norden  gelegen,  ist  250  M.,  so 
dass  noch  hier  der  Boden  die  Tiefe  von  —  462  M.  erreicht.  Es  sind 
aber  rings  um  den  See  Terrassen  sichtbar,  welche  bis  zu  der  Höhe 
des  Mittelmeerstrandes  reichen,  und  mochte  wohl  leicht  dereinst 
eine  Verbindung  über  die  Ebene  Jezreel  bestanden  haben.^* 

In  der  Umgebung  von  Beyrut  lebt  Trionyx  aegyptiacus, 
aber  die  sonderbarste  unter  dieser  Reihe  von  Thatsachen  ist  wohl 
der  Umstand,  dass  3  Kilom.  nördlich  von  Cäsarea,  an  der  sumpfigen 
Mündung  des  Nähr  e'  Zerka  oder  Krokodilflusses,  sich  bis  heute 
das  Krokodil  des  Nil  erhalten  hat.  Plinius  kannte  hier  eine  Stadt 
Crocodilon,  Strabo  erwähnte  sie,  und  heute  noch  trägt  eine 
Dorfruine  diesen  Namen;  in  neuerer  Zeit  hat  Böttger  die  ein- 
schlägigen Nachrichten  gesammelt,  aus  welchen  hervorgeht,  dass 
das  Thier  nicht  selten  ist,  dass  es  zuweilen  Kinder  oder  Schafe  an- 
fällt und  dass  im  April  1877  in  der  Nähe  des  Flusses  ein  3  M. 
langes  Individuum  erlegt  wurde.^^ 

Diese  Erfahrungen  werfen  zugleich  ein  unerwartetes  Licht 
auf  die  oft  und  mit  vielen  begleitenden  Einzelheiten  wiederholten 
Berichte  über  die  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  durch 
den  Ritter  Deodat  von  Gozon  ausgeführte  Tödtung  eines  be- 
schuppten Ungeheuers  auf  der  Insel  Rhodos.^^ 

So  liegen  die  Anzeichen  der  alten  Nilbevölkerung  ausge- 
streut über  das  Land;  sie  ist  älter  als  ein  guter  Theil  des  vor- 
liegenden Mittelmeeres  und  älter  als  der  Grabenbruch  des  Todten 
Meeres.  Sie  ist  vielleicht  sogar  eben  so  alt  als  der  Uebergang 
von  der  aufsteigenden  zu  der  absteigenden  Schichtreihe  bei  Suez. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  V:  Die  grosse  Wüstentafel. 


<  Pomel,  Le  Sahara,  p.  23,  26  u.  an  and.  Stellen. 

2  Rolland,  Sur  le  terr.  cr6t.  du  Sahara  septentr.  Comptes  rend.  1880,  XC,  p.  1570 
—  1578  u.  Bull.  soc.  g6o\.  1881,  3.  ser.  IX,  p.  508—551,  pl.  XIII — XV;  Mission  Trans- 
Saharicnne,  G60I.  et  Hydrol.,  Ann.  des  Mines,  1880,  7.  ser.  XVIII,  p.  152  —  164  u.  Karte; 
ferner:  Roche,  Itin^raire  de  Biskra  chez  les  Touaregs;  Comptes  rend.  1880,  XC,  p.  1297; 
Sur  la  g^ol.  du  Sahara  septentr.  eb.  das.  1880,  XCI,  p.  890—893. 

3  K.  A.  Zittel,  Ueber  d.  Bau  d.  libyschen  Wüste ;  Festrede  k.  bayr.  Ak.  Wissensch. 
1880;  ferner:  Beitr.  z.  Geol.  u.  Paläont.  d.  Libyschen  Wüste  (Expedit,  z.  Erforschung  d. 
lib.  Wüste  im  Winter  1873—74  ausgef.  v.  G.  Rohlfs);  40  Cassel,   i883. 

4  C.  V.  Fritsch,  Ueb.  d.  geol.  Verhältnisse  in  Marocco;  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturw., 
Halle,  1881,  3.  Folge,  VI,  S.  201-207. 

5  O.  Lenz,  Vorlauf.  Bericht  in  Mittheil.  Afrik.  Gesellsch.  1880,  II,  S.  100  u.  folg.; 
Karte  in  Petermann's  Mittheil.  1884;  Kurzer  Bericht  üb.  meine  Reise  von  Tanger  nach 
Timbuktu  u.  Senegambien;  Zeitsch.  d.  Ges.  f.  Erdk.  1881,  XVI,  S.  272 — 293. 

6  Rolland,  Bull.  soc.  g6ol.  1881,  p.  511. 

7  Dru  in  Roudaire,  Rapport  sur  la  derniire  Exp6d.  des  Chotts;  8°  Paris,  1881, 
?'  45  —  60. 

8  Von  den  zweifelhaften  Spuren  des  Urgo-aptien  meine  ich  keine  Erwähnung  thun 
zu  sollen,  weil  nirgends  im  Gebiete  dieses  Vorlandes  eine  Bestätigung  für  das  Vorkommen 
solcher  Ablagerungen  bis  heute  gewonnen  worden  ist. 

9  Tagebuch  des  verstorbenen  Dr.  Erwin  von  Bary,  geführt  auf  seiner  Reise  von 
Tripolis  nach  Ghät  u.  Air;  Zeitschr.  Ges.  Erdkunde,  Berlin,   1880,  XV,  S.  334 — 4*8. 

10  G.  Rohlfs,  Quer  durch  Afrika;  8°,  1874,  I,  S.  238—274;  G.  Nachtigal,  Sa- 
hara und  Sudan,  8«  1879,  II,  S.  491—554. 

»I  Nachtigal  eb.  das.  II,  S.  III;  auch  S.  109,  schwärzlicher  Sandstein  der  Oase 
Kirdi  in  Borkü.    Im  Egei  sind  die  Abhänge  zu  der  Niederung  terrassirt. 

»2  G.  Stäche,  Fragmente  einer  afrikan.  Kohlenkalkfauna  aus  d.  Gebiete  d.  West- 
Sahara;  Denkschr.  Ak.  Wien,   i883,  XLVI,  S.  369—418,  Taf. 

i3  Beyrich,  Bericht  üb.  die  von  Overweg  auf  d.  Reise  von  Tripoli  nach  Alurzuk 
u.  von  Murzuk  nach  Ghät  gefund.  Versteinerungen;  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1852, 
IV,  S.  143— 161 ;  insb.  S.  159,   160. 

14  Rohlfs  am  ang.  Orte,  I,  S.  269. 

15  Zittel,  Libysche  Wüste,  S.  CXXXI,  Note  2. 

»6  H.  J.  Carter,  Memoir  on  the  Geol.  of  the  South  East  Coast  of  Arabiii;  Journ. 
Bombay  Brauch  Asiat.  Soc.  1852,  IV,  p.  21 — 96.  Von  weiteren  Arbeiten  über  diese  Küste 
mag  W.  T.  Blanford,  Note  on  Maskat  and  Massandim,  Rep.  geol.  Surv.  Ind.  1872,  V, 
p.  75 — 77,  erwähnt  sein,  weil  dort  die  Vermuthung  ausgesprochen  ist,  der  dunkle  Kalk 
der  Strasse  von  Hormuzd  könne  der  Trias  angehören;  Myophoria  wird  angeführt,  aber 
auch  Exogyra,  so  dass  die  vorhandenen  Andeutungen  sich  widersprechen. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  V.   Die  grosse  Wüstentafel.  497 

17  P.  M.  Duncan,  A  Descript.  of  the  Echinodermata  from  the  Strata  on  the  South- 
East.  Coast  of  Arabia,  and  at  Bagh  on  the  Nerbudda;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1865,  XXI, 
p.  349 — 363. 

»8  Die  Darstellung  V61ain*s,  Mission  de  S.  Paul  40  1879,  p.  1—92,  scheint  mir  der 
älteren  Angabc,  dass  Aden  wirklich  eine  Ausbruchsstelle  sei,  nicht  zu  widersprechen.  Das 
Kalkgebirge  dürfte  sich  landeinwärts  bis  an  den  oberen  Jura  im  Lande  der  südlichen  Galla 
erstrecken;  Rieh.  Brenn er's  Forschungen  in  Ost-Afrika;  Peterm.  geogr.  Mitth.  1868,  S.  365. 

>9  B.  Balfour,  Bericht  vor  der  Brit.  Assoc.  im  J.  1881;  T.  G.  Bonney,  On  a 
Collect,  of  Rock  Specimens  from  the  Isl.  of  Socotra;  Phil.  Trans.  i883,  vol.  174,  a, 
p.  273—294,  pl.  VI,  VII. 

20  Ferret  et  Galimier,  Voyage  en  Abyssinie,  vol.  III,  G60I.  Die  gesammten 
älteren  Erfahrungen  über  diese  vulcanische  Region  sind  vereinigt  in  T.  £.  Gump recht. 
Die  vulcan.  Thätigkeit  auf  d.  Festlande  v.  Africa,  in  Arabien  u.  auf  d.  Inseln  d.  Rothen 
Meeres,  8°  Berl.  1849,  S.  lo3  — 193. 

2»  Röchet  d*H6ricourt,  Bull.  soc.  g6ol.  1846,  2.  s6r.  III,  p.  541  folg.;  Second 
Voyage  dans  le  Pays  des  Adels,  8«,  Paris,  1846;  Dufr«inoy,  Rapport,  Comptes  rend. 
1846,  XXU,  p.  806  u.  folg. 

"  W.  T.  Blanford,  Observations  on  the  Geol.  and  Zool.  of  Abyssinia,  80,  Lond. 
1870,  p.  143 — 2o3  u.  geol.  Karte. 

23  Blanford,  eb.  das.  p.  177,  Anmerkung. 

24  R.  F.  Burton,  The  Gold-Mines  of  Midian  and  the  ruined  Midianite  Cities; 
8"  Lond.  1878. 

25  J.  Milne,  Geol.  Notes  on  the  Sinaitip  Penins.  and  Northwest  Arabia;  Quart 
Journ.  geol.  Soc.  1875,  XXXI,  p.  1—28. 

26  L.  L artet,  Essai  sur  la  G60I.  de  la  Pal^stine  et  des  contr.  avois.;  Ann.  d. 
sciences  g6ol.  1869,  I,  p.  1—116,  149 — 329  u.  Karte;  und:  Exploration  göol.  de  la  Mer 
Morte,  de  la  PaUstine  et  de  ITdumic;  40  Paris,  1875  P)l  dieser  Band  bildet  einen  Theil 
der  Expedition  scientif.  du  Duc  de  Luynes. 

27  Ose.  Fraas,  Aus  dem  Orient;  geol.  Beobachtungen  am  Nil,  auf  d.  Sinai-Halb- 
insel u.  in  Syrien;  8°  Stuttgart,   1867. 

28  R.  Täte,  On  the  Age  of  the  Nubian  Sandstone;  Quart  Journ.  geol.  Soc.  1871, 
XXVII,  p.  404—406.    Pomel,  Bull.  soc.  gdol.  1876,  3.  s6r.  IV,  p.  524-529. 

29  rAbb6  Raboisson,  Contrib.  k  l'histoire  stratigr.  du  Relief  du  Sinai,  et  spe- 
cialem, de  Tage   des  porphyres  de  cette  contröe;   Comptes  rend.   i883,  XCVI,  p.  282 — 285. 

30  Zittel,  Libysche  Wüste,  S.  LIX. 

3»  L6on  Vaillant,  Note  s.  1.  constitut  g^ol.  de  quelques  terr.  des  env.  de  Suez; 
Comptes  rend.  1864,  LIX,  p.  867—868  u.  Bull.  soc.  g^ol.  1865,  2.  s6r.»XXII,  p.  277—286. 

32  E.  Beyrich,  Ueb.  geognost  Beobachtungen  G.  Schweinfurth's ,  Sitzungsber. 
Akad.  Berlin,  1882,  X,  S.  175.  Ein  Auftreten  vulcanischer  Gesteine  bei  Abu  Zdbel  am 
Süsswasserkanale  haben  Beyrich  u.  Arzruni  beschrieben;  eb.  das.  S.  177,  185,  Taf.  V. 
Figari  Bey  bezeichnet  im  peträischen  Arabien  auf  seiner  geolog.  Karte  eine  ganze  An- 
zahl solcher  Punkte,  diese  Angaben  entbehren  aber  noch  der  Bestätigung. 

33  H.  Bauermann,  Note  on  a  Geol.  Rcconnoiss.  made  in  Arabia  Petraea  in  the 
Spring  of  1868;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1669,  XXV,  p.  17 — 39,  pl.  I. 

34  Lartet  nimmt  nur  eine  sehr  flache  Wölbung  des  judäischen  Landes  an,  aber  nach 
den  Einzclangaben  bei  Fraas  S.  72  u.  folg.  bin  ich  diesem  gefolgt. 

35  In  Bezug  auf  die  Zeit  des  Einsturzes  und  den  Vorgang  bei  dem  Grabenbruche 
des  Todten  Meeres  mag  noch  Folgendes  erwähnt  sein.  Bis  zur  Hohe  von  etwa  loo  M. 
albü  292  M.  unter  dem  Mittelmcere,  ist  das  Todte  Meer  von  sehr  jungen  AUuvien  um- 
gürtet, welche  Lartet  die  »Depots  de  Li9an'  nennt.  Diese  liegen  horizontal,  sind  dünn- 
geschichtet und  enthalten  Gyps,  aber  weder  organische  Reste,  noch  Spuren  vulcanischer 
Gesteine,    obwohl    der    östliche   Abhang    mit    basaltischen    Ausbrüchen    besetzt    ist.     Lartet 


z^(j8  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  V.   Die  grosse  Wüstentafel. 

folgert,  dass  der  Bruch  älter  sei  als  diese  Eruptionen,  und  unterscheidet  unter  den  Laven 
ältere,  welche  tafelförmig  auf  den  Höhen  sich  ausbreiten,  und  jüngere,  deren  Ströme  in 
jungen  Erosionsthälern  liegen.  Ist  nun  der  Ostrand  des  Todten  Meeres  in  der  That  so 
weit  erforscht,  dass  man  mit  einiger  Bestimmtheit  von  dem  Fehlen  basaltischer  Spuren  in 
den  dortigen  Depots  de  Li^an  sprechen  mag,  worüber  mir  ein  Urtheil  nicht  zusteht,  so 
folgt  aus  der  Horizontali  tat  dieser  Ablagerungen  ferner,  dass  alle  die  jüngeren  Ausbrüche 
von  einer  wesentlichen  Veränderung  der  Hauptsenkung  nicht  begleitet  gewesen  sind.  Die 
Erschütterungen  gehen  bekanntlich  bis  in  die  neueste  Zeit  fort;  am  Rothen  Meere  sind 
mehrere  vulcanische  Ausbrüche  aus  historischer  Zeit  bekannt. 

36  Fraas,  Aus  d.  Orient,  S.  33. 

37  Wilfr.  Scawen  Blunt,  Notes  on  the  physic.  Geogr.  of  northern  Arabia,  in: 
Lady  Anne  Blunt,  A  Pilgrimage  to  Nejd;  8»,  1881;  IT,  p.  235  — 248.  Die  eben  erschei- 
nende Darstellung  W.-Arabien's  von  Doughty  macht  es  wahrscheinlich,  dass  der  Granit 
von  Hall  gegen  SW.  bis  Mekka  reiche,  und  zeigt  zum  ersten  Male  die  grosse  Bedeutung 
der  vulcanischen  Harra's;  Travels  in  N.  W.  Arabia  and  Nejd;  Proc.  geogr.  Soc.  1884, 
p.  365 — 399,  Karte. 

38  Ch.  Laurent,  Essai  g6ol.  sur  les  terrains,  qui  composent  Tlsthme  de  Suez; 
extr.  de  TAnnuaire  1870  de  la  Soc.  des  anc.  Elfeves  de  Ec.  imp.  d*Arts  et  Md't.;  8°,  S.  Nico- 
las-de-Port,  143  pp.  u.  2  Taf. 

39  F.  de  Lesseps,  Communic.  sur  les  lacs  amers  de  Tlsthme  de  Suez;  Comptes 
rend.  1874,  LXXVIH,  p.  1740  — 1748;  Deuxiöme  Note,  eb.  das.,  1876,  LXXXII,  p.  1 133  — 1 137. 

40  Th.  Fuchs,  Die  geol.  Beschaffenheit  d.  Landenge  v.  Suez;  Denkschr.  Ak.  "Wien, 
1877.  XXXVni,  S.  25-42,  3  Taf 

41  G.  Schwein furth,  Ueb.  die  geol.  Schichtengliederung  des  Mokattam  bei  Cairo; 
Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  i883,  XXXV,  S.  716  u.  folg. 

42  Ant.  Issel,  Malacologia  del  Mar  Rosso;  8°,  Pisa,  1869,  p.  17  u.  Catal.  delle 
Conch.  foss.  raccolte  suUe  spiagge  emerse  del  Mar  Rosso,  p.  245 — 3o3. 

43  C.  Keller,  Die  Fauna  im  Suez-Kanal  u.  die  Diffusion  d.  mediterran,  u.  ery- 
thräisch.  Thierwelt;  Neue  Denkschr.  Schweiz.  Ges.  i883,  XX VIII,  39  SS.,  2  Taf. 

44  Herodot,  Euterpe,  II,  157  u.  folg. 

45  Renaud,  Note  sur  la  constit.  geol.  de  l'isthme  de  Suez;  Comptes  rend.  1856, 
XLII,  p.  1 163  —  1167. 

46  Lesseps,  Comptes  rend.  1874,  p.  1743;  auch  Laurent,  Essai,  p.  63.  Hier  ist 
es  nöthig,  einige  Worte  über  die  Schwelle  des  Schaluf  zu  sagen,  welche  die  Bittersce'n 
südwärts  von  der  Lagune  von  Suez  und  dem  Rothen  Meere  scheidet.  Laurent  und  Lesseps 
meinten,  einen  Sporn  der  miocänen  Schichten  des  Dj.  Gen6f  zu  sehen;  ich  fand  diesen 
nicht  und  ebensowenig  hat  denselben  Th.  Fuchs  angetroffen.  Im  Jahre  1869  wurde  es 
mir  gestattet,  diesen  Theil  der  Berme  des  Kanals  durch  eine  kleine  Grabung  blosszulegen, 
aber  allerdings  war  der  Kanal  bereits  mit  dem  Meere  in  Verbindung,  und  ich  habe  daher 
den  tieferen  Theil  von  Laurent's  Profil  nicht  gesehen.  Was  ich  antraf,  war  blauer,  gyps- 
reicher  Thon,  über  demselben,  gegen  Nord  geneigt,  gegen  oben  sich  auskcilend,  eine  harte 
braungelbe  Bank,  welche  hauptsächlich  aus  zelligem  Gyps  bestand  und  die  Kante  einer 
grösseren  schalenförmigen  Gypsablagerung  zu  sein  schien  und  an  deren  Oberfläche  etwa 
1-5  M.  über  dem  Meere  Bohrlöcher  sichtbar  waren;  darauf  folgte  wieder  blauer  Thon 
und  Gyps. 

47  Den  sonst  sehr  schätzenswerthen  Beobachtungen  der  grossen  wissenschaftlichen 
Expedition,  welche  Napoleon  I.  nach  Aegypten  begleitete,  liegt  leider  ein  ganz  irrthüm- 
liches  Nivellement  zu  Grunde. 

48  Fraas,  Aus  d.  Orient,  S.  212. 

49  Th.  Fuchs,  Ueb.  d.  geol.  Beschaffenheit  d.  Landenge  von  Suez  u.  d.  Amur- 
Liman    im    Nord-japanischen    Meere;   Verhandl.  geol.  Reichsanst.    1881,    S.   178— 181;    die 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  V.  Die  grosse  Wüstentafel.  499 

ältere  Aasicht  von  der  P>hebung  des  Landes  wurde  vertreten  von  Ferret  et  Galimier, 
Note  sur  Ic  Soul6vement  des  Cötes  de  la  Mer  Rouge  et  l'ancicn  Canal  des  Rois  8» 
Paris,   1847  (*^^  ^'  Voy.  en  Abyssinie). 

50  Laurent,  Essai  g6ol.  p.  17. 

51  A.  Leith  Adams,  Notes  on  thc  "Geol.  of  a  Portion  of  the  Nile  Valley  north 
of  the  2  d  Cataract  in  Nubia ,  taken  chiefly  with  the  View  of  induc.  further  Search  for 
fluviat.  Shells  at  high  Icvels;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1864,  XX,  p.  6—19. 

52  Bauermann  am  ang.  O.  Quart.  Journ.  1869,  XXV,  p.  35.  Die  Muschel  hat 
offenbar  den  Arbeitern  als  Nahrung  gedient;  diese  Gruben,  am  Wadi  Maghara  gelegen, 
welcher  in  W.  Ghenneh  mündet,  wurden  nach  Lepsius  bereits  im  vierten  Jahrtausend 
vor  Chr.  entdeckt  u.  durch  eine  Arbeitercolonie  ausgebeutet;  dess.  Briefe  aus  Aegypt., 
Aethiop.  u.  d.  Halbinsel  des  Sinai,  8",   1852,  S.  336. 

53  A.  Günther,  Rcp.  on  a  Collect,  of  Reptiles  and  Fishes  from  Palestine;  Pro- 
ceed.  Zool,  Soc.  1864,  p.  488  —  493;  H.  B.  Tristram,  Nat.  bist  Review,  1865,  XII, 
p.  541 — 544  u.  an  and.  Ort. 

54  Lortet,  Dragages  profondes  ex6c.  dans  le  lac  de  Tib6riade  (Syrie);  Comptes 
rend.  1880,  XCI,  p.  500 — 503.  —  Es  ist  unter  Berufung  auf  ältere  Beobachtungen  Tristram's 
angenommen  worden,  dass  Terrassen  am  Rothcn  Meere  die  Hohe  der  Schwelle  von  Ara- 
bah  erreichen,  und  dass  einstmals  ein  südlicher  Abfluss  stattgefunden  habe  (Nature, 
March  19,  i883,  p.  520),  aber  Lartet's  genaue  Angaben  (z.  B.  Bullet,  soc.  g6ol.  1865, 
2.  ser.  XXV,  p.  448  u.  folg.)  weisen  nicht  nach  dieser  Richtung  und  es  ist  sehr  unwahr- 
scheinlich, dass  die  hohe  südliche  Schwelle  überschritten  worden  sei,  da  doch  dem  See 
von  Tibcrias  in  tieferem  Niveau  ein  Ausgang  zum  Mittelmeere  gegeben  war. 

55  Osk.  Böttger,  Die  Reptilien  u.  Amphibien  von  Syrien,  Palästina  u.  Cypern; 
Bcr.  Scnckenberg.  naturf.  Gesellsch.  1879 — 80,  S.  199 — 206  u.  Karte  des  Nähr  e'  Zerka, 
Taf.  IV.  Der  ,Leviathan*  bei  Hiob,  Cap.  40  u.  41  ist  sicher  das  Krokodil,  aber  es  kann 
daraus  kaum  eine  Berufung  auf  das  Thier  des  Nähr  e'  Zerka  gefolgert  werden,  weil  der 
zugleich  besprochene  ,Behemoth*  offenbar  das  Nilpferd  ist.  Beide  Thicrc  hat  schon  Sam. 
Bochart,  Hierozoicon,  fol«  1563,  II,  p.  753 — 796  ganz  richtig  gedeutet.  Hierüber  auch 
K.  Schlottmann,  Das  Buch  Hiob,  8°,   1851,  S.  490—503. 

56  Wir  besitzen  hierüber  insbesondere  eine  ausführliche  Erzählung  in  Jac.  Bosio, 
Istoria  dcUa  sacra  Religione  et  111™*  Militia  di  San  Giovanni  Gierosolomit.  Fol»  Roma, 
1594,  U,  p.  45 — 47.  Das  Ereigniss  soll  sich  an  einer  Quelle  unter  dem  Hügel  des  Kirch- 
lein's  S.  Stefano  an  der  Strasse  von  der  Stadt  nach  Casali,  und  zwar  unter  dem  Gross- 
meister Heiion  de  Villanuova  (i322 — 1346)  zugetragen  haben.  Bosio's  Erzählung  enthält 
alle  jene  dem  Kampfe  vorangehenden  und  nachfolgenden  Einzelheiten,  welche  in  dem  Ge- 
dichte F.  V.  Schiller's  Raum  gefunden  haben.  Abgesehen  von  manchen  Abenteuerlich- 
keiten in  der  Beschreibung  des  Thieres  ist  zu  erwähnen,  dass  der  Ritter  sich  demselben 
durch  das  Wasser  nähern  musste,  dass  er  vom  Pferde  steigen  musste,  um  es  zu  bekämpfen, 
und  dass  die  minder  stark  beschuppte  und  verwundbare  Stelle  sich  unter  dem  Halse  befand. 


SECHSTER  ABSCHNITT. 

Das  gebrochene  indische  Festland. 

Südafrika.  —  Die  ostindische  Halbinsel.  —  Madajjascar.  —  Uebersicht. 

Oüdafrika.  Die  Lothungen  in  der  Nähe  des  Caplandes 
haben  gezeigt,  dass  die  östliche  wie  die  westliche  Küste  Süd- 
afrika's  weit  steiler  zur  Tiefe  sinken  als  der  südlichste  Theil, 
welchem  die  Agulhasbank  vorliegt.  Die  Hundert-Fadenlinie  ent- 
fernt sich  etwa  vom  Cap  der  guten  Hoffnung  im  Westen  und  von 
der  Algoabucht  im  Osten  mehr  und  mehr  von  dem  Umrisse  des 
Festlandes,  umfasst  die  Agulhasbank  und  reicht  etwa  zwei  Breite- 
grade südlich  vom  Festlande  in  das  Meer  hinaus/ 

Die  Hundert-Fadenlinie  stimmt  also  nicht  mit  dem  stumpfen 
Umrisse  der  Küste  überein,  sondern  verlängert  denselben  gegen 
Süd.  Es  lässt  ferner  jede  bessere  geographische  Karte  erkennen, 
dass  auch  der  Verlauf  der  Höhen  im  Innern  des  Landes  zwar  deut- 
lich in  Beziehungen  steht  zu  dem  Verlaufe  der  Küste,  dass  jedoch 
eine  wesentliche  Abweichung  auch  hier  besteht.  Eine  Reihe 
paralleler  Züge  läuft  von  der  Algoabucht  oder  der  Küste  zwischen 
der  Algoabucht  und  Cap  Agulhas  gegen  West  und  beiläufig  in 
der  Gegend  von  Worcester,  NO.  von  der  Capstadt,  beugt  sich 
das  Streichen  derselben,  dem  Verlaufe  der  Küste  entsprechend, 
gegen  NNW.  in  die  Richtung  von  Namaqua-Land.  Hieher  ge- 
hören die  Winterhoekberge,  Lange  Berge,  die  grossen  und  kleinen 
Zwarteberge,  Witteberge,  weiterhin  die  Berge  des  Cold  Bokkeveld, 


Utnriss  von  Südafrika.  5^^ 

die  Cedarberge  und  Andere.  Diese  Bergzüge  bilden  eben  so 
viele  Umwallungen  des  inneren  Hochlandes,  der  Karoo;  da  sie 
jedoch  zwischen  Algoabucht  und  Cap  Agulhas  gegen  das  Meer 
ausstreichen,  ist  gleichsam  im  Südosten  ein  zu  wenig  an  Festland, 
im  Südwesten  ein  zu  viel  vorhanden  und  dem  Cap  der  guten  Hoff- 
nung fehlt  ein  entsprechendes  Gegenstück  an  der  Ostseite  des 
Festlandes. 

Diese  Asymmetrie  des  Umrisses  ist  in  dem  Baue  des  Landes 
begründet  und  tritt  auf  den  geologischen  Karten  deutlich  hervor. 


Bain  hat  diesen  Umstand  schon  vor  Jahren  im  Wesentlichen  richtig 
dargestellt'  und  noch  deudicher  zeigt  er  sich  auf  Dunn's  Karte 
von  Südafrika.'' 

Die  Gesteine  der  Höhenzüge,  welche  zwischen  Cap  Agulhas 
und  Algoabucht  unter  das  Meer  gesunken  waren,  finden  zum 
Theile  ihre  Fortsetzung  in  Natal,  während  an  der  Zwischenstrecke, 
zwischen  Great  Fish  River  und  S,  John's  River,  hauptsächlich  in 
Brit.  Kaffraria,  die  Bildungen  der  Karoo  aus  dem  Innenlande  bis 
an's  Meer  reichen  und  keine  vorliegende  Umwallung  von  parallelen 
Bergzügen  sie  umgibt.  Wo  diese  Umwallung  aber  vorhanden  ist, 
besteht  sie  aus  den  ältesten  Felsarten,  während  gegen  Innen  jüngere 


/ 


502  Schichtfolge  in  Südafrika. 

Bildungen  liegen,  und  die  grossen  Sandsteintafeln  der  Karoo, 
welche  in  Brit.  Kafifraria  ans  Meer  kommen,  sind  die  jüngsten 
Glieder  dieser  Serie,  so,  dass  das  ganze  Land  einer  grossen  Schale 
gleicht,  deren  Rand  die  älteren  Gesteine  bilden,  welcher  Rand 
aber  in  ungleichförmiger  Weise  zur  Tiefe  gebrochen  ist.  Gegen 
das  Cap  der  guten  Hoffnung  ist  derselbe  in  seiner  grössten  Breite 
sichtbar;  in  Brit.  Kaffraria  ist  er  ganz  verschwunden.  Der  Sand- 
stein des  Tafelberges  ist  eine  transgredirende  Scholle  auf  dem 
Umwallungsgebirge. 

So  tritt  also  die  Asymmetrie  und  mit  derselben  die  Bedeu- 
tung der  Einbrüche  für  dieses  Stück  Festlandes  schon  bei  dem 
ersten  Anblicke  der  Karte  hervor.  ,Der  Tafelberg-Sandstein', 
schrieb  vor  Jahren  F.  v.  Hochstetter,  , bildet  gewissermassen  den 
Rand  der  grossen  Continentalplatte,  welche  aus  den  zonenförmig 
oder  beckenförmig  über  einander  gelagerten  Formationen  der 
grossen  Karoo  besteht;  dieser  Rand  ist  in  vielfachen  parallelen 
Bruchlinien  niedergebrochen  und  die  Küstenlinie  selbst  bezeichnet 
wohl  nur  die  am  tiefsten  gehende  Bruchlinie.* ^ 

Es  sind  drei  tektonische  Glieder  vorhanden. 

Das  erste  Glied  bilden  die  archaischen  Felsarten  und  paläo- 
zoische Ablagerungen,  aus  welchen  in  der  Capcolonie  marine 
Devonversteinerungen  und  carbonische  Pflanzenreste  bekannt  sind ; 
sie  sind  gefaltet  und  erodirt;  sie  bilden  die  mehrfach  erwähnten 
Umwallungsberge  und  den  Sockel  des  Tafelberges  und  erreichen 
in  Namaqua-Land,  in  Griqua-Land  West  und  in  der  Kalahara 
grosse  Ausdehnung. 

Das  zweite  Glied  sind  die  Karoo- Ablagerungen.  Ihrem  Alter 
nach  reichen  sie  von  der  permischen  Zeit  in  die  Trias;  sie  sind 
mehrere  tausend  Fuss  mächtig,  liegen  flach  auf  dem  alten  gefal- 
teten Gebirge  und  haben  noch  niemals  eine  Spur  von  Meeres- 
thieren  geliefert. 

Das  dritte  Glied  endlich  besteht  aus  jüngeren,  marinen  An- 
lagerungen der  mesozoischen  Zeit;  sie  sind  noch  niemals  auf  der 
Höhe  der  inneren  Tafelgebirge  und  überhaupt  noch  niemals  in 
allzu  grosser  Entfernung  von  der  heutigen  Meeresküste  angetroffen 
worden;  sie  nehmen  nur  geringen  Einfluss  auf  die  Gestaltung  des 
Continentes  und  ich  werde  sie  erst  an  späterer  Stelle  besprechen. 


Die  Karoo.  5^3 

Die  grösste  Wichtigkeit  erlangt  für  das  Innere  des  Landes 
das  zweite  Glied,  die  Ablagerungen  der  Karoo.  Sie  beginnen  in 
der  ganzen  Capcolonie  und  in  Natal,  wie  namentlich  bei  Pieter- 
Maritzburg,  mit  einer  zuweilen  sehr  mächtigen  Anhäufung  grosser 
Blöcke,  welche  zuerst  Sutherland  als  von  Eis  herbeigetragen  dar- 
stellte und  der  permischen  Eisdrift  England's  verglich.^  Sie  werden 
als  Dwyka-Conglomerate  bezeichnet  und  bilden  einen  Theil 
der  tiefsten  von  Bain  unterschiedenen  Gruppe,  der  Ecca-Beds. 
Ueber  ihnen  liegen  die  unteren  Karoo- oder  Koonap-Sandsteine 
und  Schiefer,  welche  in  Klein-Roggeveld  und  an  anderen  Orten  zahl- 
reiche fossile  Bäume  enthalten.  Die  nächstfolgenden  Ablagerungen 
sind  die  weit  ausgebreiteten  oberen  Karoo-Sandsteine  oder 
Beaufort-Beds;  sie  umschliessen  neben  Glossopteris  Browniana 
und  vielleicht  Phyllotheca  indica,  stellenweise  Reste  von  Palaeo- 
niscus,  insbesondere  aber  Dicynodon,  Oudenodon,  Galesaurus, 
dann  Micropholis  und  andere  fremdartige  Reptilien.  Ihnen  sind 
die  Stormberg-Beds  aufgelagert,  weisse  und  gelbliche  Sand- 
steine, mit  grauen  und  röthlichen  Schieferlagen  und  häufig  kohlen- 
führend. Diese  enthalten  auch  Reptilienreste,  doch  scheint  Dicy- 
nodon zu  fehlen ;  aus  diesen  Ablagerungen  dürfte  der  bei  Thaba- 
chou,  Basuto-Land,  gefundene  Rest  eines  Säugthieres,  des  Trity- 
lodon  longaevus,  stammen.^ 

Diese  flachgelagerten  Sandsteinmassen  enthalten  zahlreiche 
Decken  vulkanischer  Gesteine,  welche  als  porphyritische  Mandel- 
steine, als  Melaphyr,  Trapp,  Basalt  oder  als  Grünstein  von  den 
verschiedenen  Autoren  bezeichnet  werden  und  in  neuerer  Zeit 
vielfach  der  Gegenstand  petrographischer  Untersuchungen  ge- 
wesen sind.  Sie  scheinen  von  sehr  mannigfaltiger  Beschaffenheit 
zu  sein ;  sie  sind  oft  die  Veranlassung  zu  auffallenden  Stufen  an 
den  Abhängen  der  Tafelberge  und  setzen  auch  häufig  die  höch- 
sten Theile,  gleichsam  das  Dach  derselben  zusammen.  So  bildet 
nach  Stow  ein  Bruchstück  einer  solchen  I^ecke  den  grossen  Ab- 
sturz unter  dem  Gipfel  des  Hangklip,  welcher  südlich  von  den 
Stormbergen  weit  und  breit  die  Gegend  überragt,^  und  ebenso 
besteht  der  Kamm  eines  grossen  Theiles  jenes  gewaltigen  Ab- 
sturzes, mit  welchem  die  Quathlamba-  (Draken-)  Berge  ostwärts 
gegen  Natal  abfallen  und  auch  der  höchste  Theil  desselben,  der 

Suess,  Das  Antlitx  der  Erde.  33 


^OA  Namaqua-Land. 

auf  etwa  i  o.ooo  Fuss  geschätzte  Mont-aux-Sources,  nach  Gries- 
bach  aus  der  Kante  einer  solchen  Decke.^ 

So  scharf  sich  nun  im  Allgemeinen  die  flachgelagerten  Massen 
der  Karoo  von  dem  Dwyka-Conglomerate  bis  zu  den  Stormberg- 
Beds  von  der  gefalteten  Unterlage  abtrennen  mögen,  gibt  es  doch 
nach  den  vorliegenden  Darstellungen  noch  eine  schwierige  und 
nicht  ganz  gelöste  Frage.  Es  treten  nämlich  an  dem  Tafelberge, 
sowie  weit  davon  in  Natal,  unmittelbar  über  dem  gefalteten  Ge- 
birge transgredirende  oder  doch  scheinbar  transgredirende  Sand- 
steinmassen auf,  welche  älter  sind  als  die  Karoo-Sandsteine  und 
vielleicht  eine  dem  Dwyka-Conglomerate  vorangegangene  Trans- 
gression  anzeigen ;  sie  werden  von  Griesbach  und  Anderen  als 
Tafelberg-Sandstein  bezeichnet.  — 

Die  Faltungen  des  älteren  Gebirges,  welches,  wie  wir  sahen, 
im  Süden  des  Continentes  in  der  Gestalt  umwallender  Rücken  der 
grossen  Tafelmasse  der  Karoo-Sandsteine  vorliegt,  streichen  zu- 
erst westlich  von  der  Algoabucht  von  OSO.  gegen  WNW.,  weiter- 
hin von  Ost  nach  West,  entsprechend  dem  Verlaufe  der  Berg- 
rücken, und  auch  der  Südrand  des  Sandsteingebietes  verläuft 
nahezu  in  derselben  Richtung.^  Etwa  von  der  Capstadt  an  folgt 
dieses  ältere  Gebirge  der  Westküste  gegen  Nord,  und  in  Nama- 
qua-Land bildet  Gneiss  den  grössten  Theil  der  Oberfläche,  doch 
liegen  demselben  vereinzelte  Schollen  des  horizontal  gelagerten 
Tafelberg-Sandstein's  auf.'°  Diesem  ausgedehnten  Gneissgebiete 
folgt  ostwärts  ein  paläozoisches  Gebiet,  welches  die  westliche 
Hälfte  von  Griqualand  West  umfasst,  und  dessen  Bau,  obwohl  es 
bisher  noch  keine  fossilen  Reste  geliefert  hat,  dennoch  durch 
Stow  in  seinen  wesentlichen  Grundzügen  bekannt  geworden  ist ; 
Anderson's  Karte  der  Kalaharawüste  lässt  die  nördliche  Fort- 
setzung der  von  Stow  unterschiedenen  Gebirgsglieder  erkennen." 
Wir  gehen  zur  Verfolgung  dieser  wichtigen  Arbeiten  von 
einem  leicht  erkennbaren  Punkte,  der  Einmündung  des  Vaal  in 
den  Oranjefluss,  aus.  Von  diesem  Punkte  zieht  in  der  Richtung 
gegen  Nordost,  erst  dem  Vaalflusse  parallel,  dann  dem  Laufe  des 
Haartflusses  folgend,  eine  beträchtliche  Stufe  durch  das  Land, 
welche  die  Grenze  des  paläozoischen  Gebirges  gegen  die  ostwärts 
ausgebreiteten  horizontalen  Ablagerungen  bezeichnet.  Diese  Stufe 


,  Griqua-Land.  5^5 

Wird  als  Campbell-Range  bezeichnet;  sie  ist  aber  keine  Kette, 
sondern  der  Rand  einer  ausgedehnten,  wie  es  scheint,  mehr  oder 
minder  schildförmigen  Fläche  und  besteht  aus  den  Schichten- 
köpfen einer  mächtigen  kieselreichen  Kalksteinablagerung;  an 
ihrem  Fusse  kommen  da  und  dort  Reste  einer  noch  älteren,  steil 
aufgerichteten  Schichtenreihe  zum  Vorschein. 

Wir  ersteigen  nun,  etwa  von  Campbelltown  ausgehend,  den 
Abhang  von  Campbell-Range  und  kreuzen  das  breite  Kalkgebiet 
bis  Griquatown.  Hier  ist  der  Kalkstein  zu  Ende  und  folgen,  gegen 
NNO.  streichend,  die  langen  Züge  der  Griquatown-  (Kuruman-) 
Range.  Diese  bestehen  aus  Kieselschiefer,  führen  Magneteisen- 
stein und  von  dem  südlichen  Theile  wird  Asbest  angeführt;  diese 
Range  ist  es,  welche  in  dem  scharfen,  gegen  Süd  gerichteten  Knie 
des  Oranjeflusses  bei  Prieska  durchbrochen  wird.  Griquatown- 
Range  reicht  im  Norden  weit  über  Griqualand  hinaus;  im  Süden 
jenseits  des  Oranjeflusses  findet  sie  ihre  Fortsetzung  in  dem  gegen 
Südost  streichenden  Doornberge;  diese  Zone  des  Gebirges  ist  auf 
eine  Länge  von  mehr  als  zwei  Breitegraden  bekannt. 

Es  folgt  derselben  gegen  West  bei  Moss  Fontein  und  Angeluk 
ein  Gebiet  von  Feldspathgesteinen  und  Mandelstein  von  beträcht- 
licher Ausdehnung  und  vielfach  von  rothem  Sand  bedeckt.  Hier- 
auf erreicht  man  noch  weiter  im  Westen  die  langen  Rücken  der 
Matsäp-  und  Klipfonteinberge,  welche  aus  altem,  gefaltetem 
Quarzit  zusammengesetzt  sind  und  der  Griquatown- Range  parallel 
gegen  NNO.  streichen.  Sie  sind  nur  die  Vorketten  des  Lange- 
berges, jenes  merkwürdigen  Zuges,  welcher  zwischen  Bul  Fontein 
und  Kheis  vom  Oranjeflusse  durchquert  wird,  und  welcher,  aus 
dem  Süden  herübertretend,  erst  den  früher  genannten  Zügen  pa- 
rallel gegen  NNO.,  weiter  im  Norden  aber  in  der  Richtung  des 
Meridian's  sich  weit  gegen  Nord,  nach  Anderson's  Karte  sogar, 
den  östlichen  Theil  der  Kalaharawüste  begleitend,  bis  in  die  Nähe 
des  22.  Breitegrades  erstreckt.  Demnach  würde  die  Länge  des 
Langeberges  etwa  sieben  Breitegrade  betragen.  Soweit  er  er- 
forscht ist,  besteht  dieser  merkwürdige  Zug,  sowie  die  unmittelbar 
vorhergenannten,  aus  gefaltetem  oder  sehr  steil  aufgerichtetem 
Quarzit,  welchen  Stow,  allerdings  nur  vermuthungsweise,  für  de- 
vonisch hält.  Nun  erreicht  man  die  Ausläufer  der  Sandwüste  und 

33* 


506  Grenze  des  Karoo-Sandstcin\s. 

bei  Kheis  schieferige  Felsarten,  deren  Anschluss  an  den  Gneiss 
von  Namaqualand  nur  in  sehr  unvollständiger  Weise  bekannt  ist. 

Es  geht  aus  diesen  Beobachtungen  hervor,  dass  in  der  Mitte 
des  Continentes  ein  ausgedehntes  gefaltetes  paläozoisches  Gebiet 
vorhanden  ist,  welches  gegen  Nord  oder  Nordnordost  streicht, 
und  entweder  durch  Zerstörung  der  Karoo-Ablagerungen  bloss- 
gelegt  wurde,  oder,  wie  Stow  meint,  die  ursprüngliche  Umgrenzung 
dieser  Ablagerungen  bildete.  Die  Kalaharawüste  scheint  ganz 
oder  doch  zum  grössten  Theile  diesem  paläozoischen  Gebiete  an- 
zugehören. 

Nachdem  dies  festgestellt  ist,  wenden  wir  uns  zu  den  flach 
gelagerten  Massen  der  Karoo. 

Der  Verlauf  des  geschlossenen  Südrandes  ist  auf  Fig.  44  aus 
den  Zügen  des  Dwyka-Conglomerates  ersichtlich;  über  demselben 
erhebt  sich  der  untere,  hierauf  der  obere  oder  Beaufortsandstein, 
welcher  weit  und  breit  die  Oberfläche  des  Landes  bildet.  Im  Westen 
sind  ihm  nur  einzelne  Schollen  der  Stormberg-Beds  aufgelagert, 
während  dieselben  im  Osten  eine  zusammenhängende  Decke  bilden. 

Den  südlichen  Rand  der  grossen  Sandsteinregion  begleiten 
in  der  Cap-Colonie  Khprug  Kop  bei  Calvinia,  Schoorstein  Berg, 
Schildpad  Kop,  Spitzkop  und  viele  andere;  der  grosse  Winterberg 
gehört  dem  Sandsteingebiete  an.  Das  Dwyka-Conglomerat  er- 
reicht in  der  Nähe  der  Mündung  des  Great  Fish  River  das  Meer 
und  taucht  bei  S.  John's  River  nördlich  von  Kafifraria  wieder  aus 
demselben  hervor.  Zwischen  diesen  beiden  Stellen  tritt,  wie  wir 
bereits  sahen,  die  Sandsteinmasse  an  das  Meer. 

Der  Ostrand  der  Sandsteinmasse  ist  sehr  scharf  bezeichnet 
und  läuft  durch  Natal,  durch  Zulu-Land  und  das  östliche  Transvaal 
bis  in  die  unmittelbare  Nähe  des  Olifantflusses ;  er  lässt  sich  von 
31°  30'  bis  etwa  2^°  15',  also  durch  mehr  als  sieben  Breitegrade 
verfolgen.  Von  Westen  her  steigt  das  Tafelland  an,  und  dann 
senkt  es  sich  plötzlich  gegen  Natal  herab.  Es  ist  bereits  gesagt 
worden,  dass  die  Quathlamba-  oder  Drakenberge  die  östliche 
Kante  des  Tafellandes  bilden,  dass  sie  in  dem  etwa  10.000  Fuss 
hohen  Mont-aux-Sources  ihre  grösste  Höhe  erreichen,  und  dass 
eingeschaltete  Effusivdecken  die  Kante,  wie  die  aufgesetzten 
Gipfel  bilden. 


Quathlamba.  5^7 

Bei  der  näheren  Betrachtung  dieser  wichtigen  Linie  folgen 
wir  nun  für  Natäl  den  Darstellungen  von  Griesbach,"  für  die 
Gegend  zwischen  Lydenburg  und  der  Delagoabucht  jenen  von 
Cohen. *^ 

Zuerst  ist  zu  bemerken,  dass  diese  Linie  keine  gerade  ist;  es 
tritt  insbesondere  im  Quellgebiete  des  Tugela  eine  grosse  Aus- 
buchtung ein,  durch  welche  der  Kamm  gegen  West  verschoben 
wird,  obwohl  er  weiter  im  Norden  wieder  beiläufig  dieselbe  Rich- 
tung annimmt,  welche  er  durch  Natal  verfolgte.  Weiter  im  Norden 
endet  er  vor  dem  Olifantflusse,  und  während  das  Plateau  von 
Lydenburg  etwa  1800 — 1900M.  misst,  und  viele  Höhen  sich  auf 
demselben  über  2000  M.,  der  Mauchberg  sogar  bis  2660  M.  er- 
heben, liegt  tief  unten  in  600  M.  der  Lauf  des  Olifant. 

Trotz  seiner  Ausbuchtungen  ist  dieser  Ostrand  des  Sandstein- 
gebirges in  Natal  und  Zululand  gewiss,  nach  aller  Wahrscheinlich- 
keit aber  auf  seiner  ganzen  Länge,  durch  einen  sehr  grossen  Ab- 
bruch bedingt,  wie  dies  Rehmann  richtig  erkannt  hat.***  Es  geht 
dies  für  mich  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  tief  unten  an  der 
Ostküste  von  Natal  und  auch  an  nördlicheren  Stellen  die  abge- 
sunkenen Schollen  des  Dwyka-Conglomerates  und  der  Karoo- 
sandsteine  angetroffen  werden.  Dies  ist  auch  der  Grund,  warum 
auf  Fig.  44  in  Natal  noch  eine  östliche  Zone  von  Dwyka-Con- 
glomerat  sichtbar  ist. 

Verfolgen  wir  das  Querprofil  der  Quathlambakette  und  des 
Vorlandes  in  Natal. 

Vom  Mont-aux-Sources  fällt  das  Gebirge  nach  Griesbach  in 
grossen  Stufen  zur  Tiefe,  welche  den  Schichtenköpfen  der  Karoo- 
Ablagerungen  und  den  Enden  der  eingeschalteten  Decken  ent- 
sprechen. Bei  Pieter  Maritzbürg  sind  schiefrige  Lagen  erreicht, 
welche  den  tieferen  Horizonten  eigen  sind.  Sie  gehen  nach  ab- 
wärts ziemlich  allmälig  in  das  Dwyka-Conglomerat  über,  welches 
den  Fuss  des  grossen  Gehänges  umsäumt.  Dieses  Conglomerat 
liegt  ungleichförmig  auf  einem  älteren,  aber  auch  flachgelagerten 
Quarzit,  welcher  dem  Tafelbergsandstein  des  Cap's  der  guten 
Hoffnung  mit  vielem  Grunde  gleichgestellt  wird.  Er  bildet  unter 
dem  Quathlamba  einzelne  ausgezeichnete  Tafelberge,  wie  z.  B.  den 
Krantzkop  am  Tugela.  Unter  diesem  Quarzit  entblössen  die  Flüsse 


508  Grosser  Bruch  in  Natal. 

an  vielen  Orten  alte  gefaltete  Schiefer  und  den  Gneiss.  Dieser  ist 
die  Grundlage  der  ganzen  Serie.  Bevor  aber  nun  ostwärts  das  Meer 
erreicht  wird,  tritt  neuerlich  das  Dwyka-Conglomerat  auf  und  dem- 
selben folgen  an  dem  Meeresufer  selbst  vereinzelte  Schollen  von 
Karoosandstein.  Ihre  Schichtung  ist  seewärts  geneigt.  Die  Klippe, 
auf  welcher  der  Leuchtthurm  des  Hafens  von  Durban  erbaut  ist, 
besteht  aus  den  seewärts  geneigten  Bänken  einer  solchen  Scholle, 
deren  Fortsetzung  hoch  oben  in  den  Schichtenköpfen  zu  suchen 
ist,  aus  welchen  der  Abhang  der  Ouathlamba  aufgethürmt  ist. 

Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Karoo-Ablagerungen  sich  einst 
viel  weiter  gegen  Ost  ausdehnten,  und  dass  die  Schollen  an  der 
Meeresküste  abgesunken  sind  an  einem  oder  an  mehreren  grossen 
Brüchen,  aber  die  heutigen  Abhänge  der  Quathlamba  sind  nicht  die 
Bruchflächen.  Die  grosse  Ablösung  des  jetzt  an  und  unter  dem  Meere 
liegenden  Theiles  des  Festlandes  erfolgte  weit  näher  an  der  heuti- 
gen Uferlinie  und  spätere  Denudation  hat  den  Absturz  gemildert 
und  die  Kante  desselben  allmälig  landeinwärts  geschoben.  Diese 
Denudationskante  ist  die  Quathlambakante ;  das  Quellgebiet  des 
Tugela  arbeitet  heute  noch  an  ihrem  Zurückschieben  und  auf  der 
ganzen  Linie  sind  solche  Kräfte  wirksam.  So  hoch  heute  derMont- 
aux-Sources  sich  auch  über  den  Leuchtthurm  von  Durban  erheben 
mag,  die  ursprüngliche  Höhe  der  Bruchkante  über  dem  Meere  ist 
sicher  eine  noch  grössere  gewesen. 

Dieselben  wesentlichen  Züge  lässt  der  Abhang  der  Ouath- 
lamba inl  Norden  erkennen.  Begleiten  wir  zu  diesem  Ende  Cohen 
auf  der  Reise  von  Lydenburg  an  die  Delagoabucht. 

Sobald  östlich  von  Spitzkop  der  Rand  des  Plateau's  erreicht 
ist,  ändert  sich  die  Landschaft.  An  die  Stelle  steiler  Tafelränder 
und  Schluchten  treten  Kuppen  und  muldenförmige  Thäler;  dieses 
ist  das  Granitgebiet.  Dasselbe  fällt  in  einigen  steilen  Stufen  ost- 
wärts ab.  Im  Osten  davon,  in  den  Umswasibergen,  in  der  Nähe 
des  Ingwanyaflusses,  treten  zum  ersten  Male  seit  dem  Verlassen 
des  Hochgebirges  wieder  geschichtete  Gesteine  auf,  und  zwar 
Quarzsandstein,  dann  mürber,  schwarzer  Schiefer,  welche  beide 
mit  den  Gesteinen  des  grossen  Plateau's  grosse  Aehnlichkeit  zeigen. 
Der  östlich  folgende,  lange  Zug  der  Lomboboberge  besteht  aus 
Felsitporphyr. 


Diamantengniben.  C  OQ 

Es  ist  sehr  möglich,  dass  die  Schichtgesteine  der  Umswasi- 
berge  den  abgesunkenen  Schollen  an  der  Küste  von  Natal  ent- 
sprechen. Machado  hat  noch  östlich  von  dem  Lombobozuge 
seewärts  mitten  in  dem  Flachlande  vereinzelte  Sandsteinberge  an- 
getroffen.'^ 

Während  auf  diese  Weise  der  südliche  und. der  östliche  Rand 
der  Karoo-Ablagerungen  scharf  begrenzt  sind,  verengt  sich  die 
Masse  derselben  gegen  Nord  und  ist  der  westliche  Rand  durch 
breite  Denudationsbuchten  getheilt.  Eine  Beschreibung  der  Un- 
regelmässigkeiten des  westlichen  Umrisses  liegt  jedoch  nicht  in 
meiner  Absicht.  Schon  haben  wir  gesehen,  wie  in  Griqua  die  pa- 
läozoischen Gesteine  vom  Westen  her  bis  an  den  Ostrand  der 
Campbell-Range  (Kaap-Plateau  bei  Jeppe)  vordringen.  Die  Karoo- 
Ablagerungen,  welche  sich  in  wagrechten  Lagerungen  an  diesen 
Rand  schliessen,  bestehen  aus  schiefrigen  Gesteinen,  doch  kennt 
man  auch  von  hier  Reste  von  Dicynodon ;  '^  innerhalb  ihres  Gebietes 
liegen  die  wichtigsten  Diamantengruben,  und  diese  erstrecken 
sich  von  hier  in  den  Oranje-Freistaat.  Der  Abbau  dieser  Gruben 
erfolgt  in  verticaler  Richtung  innerhalb  grosser  Schlünde,  welche 
erfüllt  sind  von  einer  mit  fremden  Blöcken  beladenen  Tuffmasse, 
in  welcher  die  Diamanten  erscheinen.  Nach  Chaper's  Darstellung 
sind  diese  diamantführenden  Stöcke  durch  breiartige,  nicht  feurig- 
flüssige Ausbrüche  gebildet  worden;  Cohen  möchte  sie  den  Maaren 
der  Eifel  vergleichen.'^ 

Die  paläozoischen  Ablagerungen  erstrecken  sich  wahrschein- 
lich ununterbrochen  vom  Campbell-Range  im  Westen  des  Haart- 
Flusses  um  den  westlichen  Rand  des  Hohen  Feldes  in  die  Gegend 
zwischen  dem  Marico  und  dem  oberen  Limpopo,  wo  unter  ihnen, 
nach  Hübner's  Beobachtungen  '*  an  der  Kornkoppe,  südlich  von 
der  Vereinigung  der  beiden  genannten  Flüsse,  der  Granit  her- 
vortritt. Grosse  Grünsteindecken  bilden  die  Oberfläche  sowohl 
gegen  Süden  an  den  Pilandsbergen  gegen  Rustenburg,  als  gegen 
Nordwest  in  der  Umgebung  von  Shoshong.  Die  archaischen 
Gebirge  aber  nehmen  hervorragenden  Antheil  an  dem  Aufbaue 
der  ausgedehnten  Höhen  zwischen  dem  Limpopo  im  Norden  und 
dem  Buschfelde  und  Olifantflusse  im  Süden.  Insbesondere  scheint 
der   östliche  Theil,    das  von  Rehmann  als  das  Ingalale-Plateau 


CIO  Limpopo  und  Zambesi. 

bezeichnete  Stück,  welches  bis  gegen  das  grosse  Knie  des  Lim- 
popo vordringt,  aus  einem  ausgedehnten  Kerne  von  Granit  zu 
bestehen,  welcher  von  einer  Schieferhülle  umgeben  ist.  Dieser 
Schieferhülle  werden  nach  Rehmann  auch  die  Lechlababerge  an- 
gehören, welche,  obwohl  sie  beiläufig  der  Fortsetzung  der  grossen 
Quathlambalinie  entsprechen,  dennoch  als  Theile  eines  selbstän- 
digen Gebirgsgliedes  anzusehen  sind. 

Erst  am  Nordrande  des  Ingalale-Plateau's,  an  den  Zoutpan's- 
Bergen  gegen  das  Thal  des  Limpopo,  sind  wieder  Sandstein- 
schollen sichtbar,  welche  den  Karoo-Ablagerungen  zuzuzählen 
sein  werden. 

Auch  jenseits  des  Limpopo,  bis  an  den  Zambesi,  scheint  die 
Zusammensetzung  des  Landes  dieselbe  zu  sein.  Granit  und  kry- 
stallinischer  Schiefer  sind  allenthalben  sichtbar,  umschliessen  den 
Tati-Golddistrict  und  tragen  nur  da  und  dort  Schollen  von  Sand- 
stein, welche  wahrscheinlich  Reste  der  abgewaschenen  Trans- 
gression  der  Karoo-Ablagerungen  sind.  Abgesehen  von  der 
Scholle  am  Serorumeflusse  in  23'//  südl.  Br.,  welche  mit  der 
Grünsteindecke  von  Shoshong  in  Verbindung  stehen  dürfte,  traf 
Hübner  in  20*'südl.  Br.,  südlich  von  Inyati,  auf  horizontal  geschich- 
teten Sandstein  mit  fossilen  Hölzern,  welcher  wahrscheinlich  zu 
den  Karoo-Sandsteinen  g*ehört.  Am  Kraal  Malisa,  etwa  in  iq°  59' 
südl.  Br.,  liegt  am  oberen  Guay  eine  ähnliche  horizontale  Sand- 
steinscholle ;  sie  ist  von  Grünsteindecken  durchzogen. 

Noch  weiter  im  Norden  erscheinen  am  Zambesi  ausgedehnte, 
von  Kohlenflötzen  begleitete  Sandsteinablagerungen,  welche  zu- 
erst von  Livingstone  und  Thornton  beobachtet  und  seither  von 
Kuss  ausführlich  beschrieben  worden  sind.  Diese  Schollen  liegen 
unter  den  Wasserfallen  etwa  von  16°  40'  bis  15°  50';  südlich  von 
denselben  traf  Kuss  neben  einer  grossen  Ausdehnung  der  archai- 
schen Felsarten  an  vielen  Stellen  braunen  Porphyr,  welcher  an 
den  Lupatabergen,  die  der  Zambesi  durchbricht,  rothem  Sandstein 
auflagert;  auch  südlicher,  bei  Senna,  liegt  eine  grössere  Sand- 
steinscholle.''' 

Im  Norden,  beiläufig  vom  12.  bis  zum  io.°  südl.  Br.  gelangt, 
wie  Thomson  gezeigt  hat,  eine  grosse,  flachgelagerte  Sandstein- 
platte an  das  Meer,  welche  der  Rovumafluss  durchwaschen  und 


Rovuma.  5  I  I 

in  zwei  Stücke,  Mawia  und  Makonde,  getheilt  hat.  Im  Osten,  längs 
der  Küste,  beträgt  die  Höhe  der  Sandsteintafel  nur  wenige  hun- 
dert Fuss;  sie  reicht  mit  keilförmiger  Gestalt  etwa  bis  zum  39.'' 
östl.  L.  stromaufwärts  am  Rovuma  und  erlangt  an  ihrem  inneren 
Rande  die  Seehöhe  von  mehr  als  2500  (engl.)  Fuss.  Diese  aus- 
gedehnte Tafel  liegt  auf  Granit  und  die  entblösste  Unterlage  ist 
landeinwärts  mit  steilen  und  vereinzelten  Bergen  bedeckt  wie  das 
Granitgebiet  von  Darfur  und  Kordofan.  In  einem  bestimmten 
Gebiete  jedoch,  zwischen  Itule  und  Kwamakanja,  an  dem  Lujende, 
welcher  sich  von  Süden  in  den  .Rovuma  ergiesst,  ist  ein  Stück 
kohlenführenden  Schiefers,  welcher  zur  Sandsteinablagerung  ge- 
hört, wie  Thomson  meint,  dadurch  mitten  in  dem  Granitgebiete 
vor  der  Zerstörung  bewahrt  worden,  dass  es  in  eine  Graben- 
verwerfung versenkt  war.''° 

Hiemit  nähern  wir  uns  dem  Gebiete  zwischen  dem  10.  und 
5.°  südl.  Br.,  über  welches  derselbe  Forscher  so  viele  und  lehr- 
reiche Beobachtungen  gesammelt  hat,  und  innerhalb  dessen  zwei 
grosse  Sandsteingebiete,  ein  östliches  und  ein  westliches,  zu  unter- 
scheiden sind." 

Das  östliche  Sandsteingebiet  liegt  an  der  Küste,  erhebt  sich 
nirgends  zu  beträchtlichen  Höhen  und  ist  landeinwärts  durch  einen 
hohen  Steilrand  begrenzt,  welcher  den  Beginn  des  archaischen 
Gebietes  bezeichnet.  Der  Steilrand  weicht  etwa  im  8.°  südl.  Br. 
am  weitesten  von  der  Küste  zurück,  bis  nahe  an  den  36.°  östl.  L., 
und  daher  erlangt  hier  der  Sandstein  die  grösste  Breite;  gegen 
Nord  verengt  er  sich  mehr  und  mehr  und  ist  gegenüber  der  Insel 
Pemba  nur  recht  schmal.  Der  Sandstein  ist  von  Kohle  begleitet; 
es  erscheinen  auch  Kalkflötze,  und  Thomson  erwähnt  von  zwei 
Punkten  in  dem  nördlichen  Theile  dieses  Gebietes  Fossilien  der 
Carbonzeit. 

Das  hohe  archaische  Plateau  reicht  bis  an  den  Tanganyika 
und  an  den  Nyassa  und  westlich  noch  weit  über  den  letzteren 
hinaus.  In  Ujiji  und  Ukaranga  aber,  an  dem  NO. -Theile  des 
Tanganyika,  dann  an  einigen  Punkten  der  Westseite  und  an  dem 
südlichen  Ende  dieses  See's  beginnt  das  westliche  Sandsteingebiet, 
welches  sich  auf  eine  unbekannte  Strecke  gegen  den  oberen  Congo 
fortsetzt.    Dieser  Sandstein  ist  von  grosser  Mächtigkeit  und  hat, 


512  Tanganyika  und  Nyassa.. 

obwohl  er  am  Tanganyika  von  Verwerfungen  durchsetzt  ist,  den- 
noch im  Grossen  seine  flache  Lagerung  behauptet. 

Obwohl  hier  die  Gleichaltrigkeit  des  Sandsteins  mit  jenem 
der  Karoo  nicht  erwiesen  ist,  sind  doch  die  Elemente  des  Baues, 
die  archaische  Unterlage  begleitet  von  älterem,  gefaltetem  Schiefer- 
gebirge, und  die  flachen  transgredirenden  Sandsteintafeln  jenen 
des  Südens  ausserordentlich  ähnlich. 

Einen  flüchtigen  Blick  wollen  wir  noch  auf  die  beiden  ge- 
nannten See'n  werfen.  Den  See  Nyassa  umgibt  im  Norden  ein 
älteres  vulcanisches  Gebiet,  welchem  einige  junge  Eruptionskegel 
aufgesetzt  sind.  Der  See  Tanganyika  ist  in  den  flachgelagerten 
Sandstein  und  in  seine  alte  Unterlage  eingesenkt.  Seine  südliche 
Hälfte  durchschneidet  etwa  von  7°  8'  bis  8°  30'  südl.  Br.  ein  aus- 
gedehntes altes  Eruptivgebiet.  Seit  man  diesen  See  näher  kennt, 
ist  er  für  einen  Einsturz  gehalten  worden.  Stanley  meinte  sogar, 
dass  die  nördliche  Hälfte  jüngeren  Ursprunges  sei  und  dass  die 
Veränderungen  in  dem  Abflüsse  des  Lukuga  hievon  Zeugniss 
geben.  Auch  Thomson  betrachtet  denselben  als  eine  Senkung-. 
Der  steile  Abbruch  der  Sandsteinmassen  gegen  den  See  und  die 
Durchquerung  der  Eruptivmasse  in  der  südlichen  Hälfte  werden, 
wohl  mit  Recht,  als  Belege  für  diese  Ansicht  angeführt." 

In  der  That  wüsste  ich  nicht,  wie  diese  beiden  grossen  Ver- 
tiefungen, deren  jede  bei  geringer  Breite  durch  etwa  5  Breite- 
grade  sich  hinzieht,  auf  anderem  Wege  als  durch  Grabenversen- 
kungen sollten  erzeugt  sein,  und  bin  der  Meinung,  dass  der  Vor- 
gang bei  ihrer  Entstehung  ein  ähnlicher  war  wie  bei  Entstehung 
des  Rothen  Meeres,  des  Todten  Meeres  und  der  Schotts. 

Noch  weit  unvollständiger  als  die  Kenntniss  von  dem  Osten 
sind  die  Erfahrungen,  welche  über  den  Bau  des  westlichen  Afrika 
vorliegen.  Die  von  Lenz  verfasste  Karte  zeigt  allerdings,  welche 
grosse  Ausdehnung  auch  hier  die  ältesten  Felsarten  erlangen.'^ 
Die  Conglomeratfelsen  von  Pungo  Andongo  (q°  24'  südl.  Br.)  im 
östlichen  Angola,  und  die  horizontalen,  pflanzenführenden  Sand- 
steinablagerungen, welchen  sie  aufgesetzt  sind,  mussten  Living- 
stone  an  die  Sandsteine  des  Ostens  erinnern.  Es  ist  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  auf  der  ganzen  Breite  des  Continentes  ähnliche 
Verhältnisse  herrschen.  — 


Mesozoische  Meeresbildungen  in  Südafrika.  5^3 

Im  Caplande  und  bis  ins  nördliche  Transvaal  konnten  wir  eine 
ältere,  gefaltete  Gesteinsgruppe  und  eine  flachgelagerte,  trans- 
gredirende  Gruppe  unterscheiden,  welche  letztere  vorherrschend 
aus  Sandstein  besteht  und  dem  Alter  nach  die  permische  und  die 
Triaszeit  umfasst.  Dies  sind  die  Karoo-Ablagerungen.  An  ein- 
zelnen Stellen  schien  auch  ein  jüngstes  Glied  der  Carbonformation 
an  der  flachen  Transgression  theilzunehmen.  Weiter  im  Norden 
sahen  wir  wieder  gefaltete  ältere  Gesteine  und  transgredirende, 
flache  Sandsteinschollen,  aber. es  fehlt  noch  der  directe  Nachweis, 
dass  die  letzteren  von  demselben  Alter  seien  wie  die  Sandsteine 
.  der  Karoo.  Immerhin  sind  es  zwei  einander  sehr  ähnliche  und  in 
gleichem  tektonischen  Verhältnisse  zu  einander  stehende  Elemente, 
welche  nach  dem  heutigen  Stande  der  Erfahrungen  vom  Cap  bis 
unter  den  6.  oder  5.°  südl.  Br.  das  Innere  des  Continentes  zu- 
sammensetzen. 

Es  gibt  noch  ein  drittes  tektonisches  Element  im  südlichen 
Afrika,  welches  jedoch,  wie  wir  früher  sagten,  nur  untergeord- 
neten Einfluss  auf  die  Beschaffenheit  des  grossen  Welttheiles  aus- 
übt und  bisher  nur  in  der  Nähe  der  Meeresküste  bekannt  ist;  dies 
sind  marine  Anlagerungen  aus  dem  jüngeren  Theile  der  mesozoi- 
schen Serie.  So  unbedeutend  ihre  Verbreitung  auch  sein  mag,  knüpft 
sich  doch  für  die  Kenntniss  der  Geschichte  Afrika's  nicht  geringes 
Interesse  an  diese  vereinzelten  Schollen.  Sie  liegen  sehr  weit  von 
einander  entfernt,  sind  von  verschiedenem  Alter,  enthalten  jedoch 
überall  Seethiere.  Sie  sind  ohne  Ausnahme  jünger  als  die  Sand- 
steinmassen der  Karoo  und  überhaupt  als  die  Sandstein-Trans- 
gressionen  des  Inneren,  in  welchen  man  bisher  noch  nie  eine  Spur 
von  Seethieren  angetroffen  hat.  In  einzelnen  Eällen  zeigt  es  sich 
sogar  mit  Bestimmtheit,  dass  ein  Theil  der  Dislocationen,  welche 
die  heutige  Gestalt  des  südlichen  Afrika  bestimmen,  tief  in  die 
mesozoische  Zeit  zurückreicht. 

Die  erste  Gruppe  solcher  Schollen  findet  sich  an  der  West- 
küste in  zwei  weit  getrennten  Gebieten;  sie  ist  von  cretacischem 
Alter  und  wurde  von  Giebel,  Lenz  und  Szajnocha  bekannt  ge- 
macht.-'* Das  erste  Gebiet  liegt  nördlich  vom  Aequator;  auf  den 
Elobi-Inseln  in  der  Coriscobucht,  welche  sich  nur  8 — 10  M.  über 
das  Meer  erheben,  werden  in  horizontalen  Sandsteinbänken  zahl- 


514  Uitenhage-Series. 

reiche  Ammoniten  getroffen;  der  Sandstein  setzt  auf  das  Festland 
fort.  Schloenbachia  inflata  tritt  hier  auf,  und  zwar  nach  Szajnocha 
in  jener  Varietät,  welche  in  der  Ootatoorgruppe  der  ostindischen 
Kreideformation  herrscht.  —  Das  zweite  Gebiet  liegt  um  mehr  als 
15  Breitegrade  südlicher,  an  der  Fish-Bay,  südlich  von  Mossa- 
medes.  An  dieser  Stelle  wurden  bereits  vor  vielen  Jahren  von 
Lieutenant  Wolf  nördlich  von  der  Säule  des  Bartol.  Diaz  ver- 
steinerungsreiche Schichten  bemerkt.^^  Schi,  inflata  wird  von 
deutschen  Geologen  zum  Gault,  in  Frankreich  dagegen  zum  Unter- 
Cenoman  gerechnet. 

Die  nächste  Gruppe  solcher  Schollen  gehört  dem  südlichen  • 
und  südöstlichen  Theile  der  Cap-Colonie  an.    Sie  zerfällt  in  zwei 
Schichtreihen,  nämlich  eine  mesozoische  und  eine  jungtertiäre  oder 
quaternäre  Reihe. 

Die  mesozoischen  Ablagerungen  tragen  den  Namen  ,Uiten- 
hage-Series',  sind  horizontal  gelagert,  bestehen  aus  mehr  oder 
minder  glauconitischen  Schichten  von  Sandstein  und  Schiefer  und 
führen  in  einzelnen  Lagen  Cycadeen  und  Farren,  welche  von  den 
Landpflanzen  der  Karoo-Sandsteine  verschieden  sind;  in  anderen 
Lagen  enthalte^  sie  Meeresconchylien,  welche  durch  lange  Zeit 
für  jurassische  gehalten  wurden  ;^^  nach  den  neueren  Unter- 
suchungen von  Holub  und  Neumayr  mehren  sich  jedoch  die  An- 
zeichen dafür,  dass  sie  in  das  Neocom  zu  stellen  seien. *^  Diese 
merkwürdigen  A.blagerungen,  in  welchen  der  Wechsel  von  Schich- 
ten mit  Landpflanzen  und  solchen  mit  Meeresconchylien  deutlich 
genug  die  Nähe  des  Strandes  verräth,  finden  sich  hauptsächlich 
in  den  Thälern  der  Flüsse,  welche  in  die  Algoabucht  und  die  be- 
nachbarte S.  Francis-Bucht  münden;  sie  liegen  unmittelbar  auf 
den  paläozoischen  Ablagerungen  der  den  Karoo-Sandstein  um- 
wallenden Gebirgszüge,  dringen  im  Thale  des  Sonntagsflusses  bis 
an  den  Fuss  der  Karoo-Sandsteine  vor,  und  erscheinen  auch 
w^eiter  im  Westen  in  einigen  kleineren  Schollen  auf  dem  paläo- 
zoischen Gebirge.  Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Entblössung  des 
paläozoischen  Gebirges  im  Süden  Afrika's  bereits  vor  der  Zeit  der 
unteren  Kreide  vollzogen  war.^^ 

Die  jungtertiären  oder  quaternären  Ablagerungen  finden  sich 
gleichfalls  hauptsächlich  in  der  Umgebung  der  Algoabucht;  sie 


Kreide  in  NataL     Jura  von  Momhas.  5^5 

liegen  theils  auf  den  Uitenhage-  und  theils  auf  den  paläozoischen 
Schichten.  Einzelne  Schollen  dieser  Art  sollen  auch  bei  Bredas- 
dorp,  nördlich  von  Cap  Agulhas,  auf  dem  alten  Gebirge  lagern.  — 

Die  dritte  Gruppe  dieser  Schollen  erscheint  an  der  Küste 
von  Natal  und  des  Zululandes.  Wir  haben  gesehen,  dass  im 
Westen  von  Natal  der  hohe  Rand  der  flachgelagerten  Karoo  den 
Abhang  der  Quathlamba  bildet,  während  gegen  Osten,  am  Meeres- 
rande, abgesunkene  Schollen  derselben  Karoo-Sandsteine  mit 
seewärts  geneigten  Schichten  auftreten.  An  dieser  Meeresküste 
treten  nun  vom  südlichen  Ende  Natal's  bis  zur  S.  Lucia-Bucht  ver- 
einzelte Vorkommnisse  von  marinen  Ablagerungen  der  mittleren 
und  oberen  Kreide  auf,  welche  Garden,  Baily  und  Griesbach  be- 
schrieben haben.*^  Sie  ruhen  horizontal  gelagert  und  daher  dis- 
cordant  auf  den  geneigten  Schichten  der  abgesunkenen  Karoo- 
Sandsteine,  und  zeigen,  dass  die  grosse  Dislocation,  als  deren 
zurückgenagten  Rand  wir  die  Quathlamba-Linie  betrachten,  älter 
ist  als  die  Cenomanstufe.  Die  Kreideformation  trägt  hier  in  aus- 
gesprochener Weise  jene  Merkmale,  welche  wir  an  der  Ostseite 
Ostindien's  wieder  antreffen  werden. 

Das  vierte  bisher  bekannt  gewordene  Vorkommen  mariner 
mesozoischer  Schichten  liegt  weit  mehr  gegen  Nord,  bei  Mombas 
an  der  Suaheliküste.  Die  erste  Spur,  ein  von  Krapf  an  Ose.  Fraas 
gesendeter  Ammonit  von  Kisaludini  bei  Mombas,  Hess  das  Erschei- 
nen des  obersten  Kelloway-Horizontes  vermuthen,  während  eine 
reichere,  von  Hildebrandt's  Negern  gesammelte  und  von  Beyrich 
untersuchte  Reihe  von  Ammoniten  eine  höhere  Zone  des  Jura, 
nämlich  die  Kimmeridgestufe,  und  zwar  in  jener  Entwicklung  dar- 
stellt, als  welche  sie  in  Ostindien  unter  dem  Namen  ,Katrol-Sand- 
stein'  bekannt  ist.^° 

So  hat  man  also  an  der  afrikanischen  Westküste  die  Zone  der 
Schloenbachia  inflata,  im  Süden  die  Uitenhage-Serie,  welche  wir 
dem  Neocom  gleichstellen,  in  Natal  und  Zululand  Cenoman  und 
Oberkreide,  an  der  Suäheliküste  den  obersten  Jura  angetroffen. 
Nie  sind  bis  heute,  auch  in  den  bekanntesten  Landstrichen  des 
Südens,  solche  marine  Schichten  in  dem  Inneren  des  Landes  ge- 
funden worden.  Das  archaische  und  das  paläozoische  Gebirge 
sammt  den  weiten  aufgelagerten  Schollen  von  Karoo- Ablagerungen 


5  I  6  Die  indische  Halbinsel. 

bilden  die  hohen  Tafeln  des  Innern,  welche  von  diesen  meso- 
zoischen Meeresablagerungen  wenigstens  nach  dem  heutigen 
Stande  der  Erfahrungen  nicht  erreicht  werden.  Die  Bedeutung 
dieser  letzteren  für  die  Geschichte  des  indischen  Ocean's  kann 
aber  erst  aus  einem  Vergleiche  mit  Ostindien  hervortreten,  welchen 
ich  nun  versuchen  will. 

Die  indische  Halbinsel.  Das  ostindische  Reich  wird 
durch  die  breiten  Alluvialgebiete  des  Indus  und  des  Ganges  in 
zwei  Theile  getheilt,  deren  nördlicher  die  Gebirgsketten  umfasst, 
während  wir  stets  nur  den  südlichen  im  Auge  haben  werden,  wenn 
von  der  indischen  Halbinsel  gesprochen  werden  wird.  Diese 
in  der  Gestalt  der  Oberfläche  sehr  ausgeprägte  Abgrenzung  fallt 
im  Westen,  gegen  den  Indus  und  nördlich  von  Delhi,  mit  einer 
tiefgehenden  Verschiedenheit  in  der  Zusammensetzung  und  dem 
Baue  beider  Landestheile  zusammen;  dort  besteht  ein  ganz  ähn- 
licher Gegensatz  wie  zwischen  den  Alpen  und  ihrem  Vorlande.  Die 
Halbinsel  ist  das  Vorland.  Gegen  Nordost  jedoch  besteht  dieser 
Gegensatz  sonderbarerweise  nicht  in  gleichem  Maasse;  wir  werden 
sehen,  dass  dieselben  Elemente,  aus  welchen  die  Halbinsel  zusam- 
mengesetzt ist,  sich  in  Assam,  südlich  vom  Brahmaputra,  weit  gegen 
ONO.  fortsetzen,  und  dass  sogar  der  überschobene  Aussenrand 
des  Hochgebirges  streckenweise,  wohl  nicht  seinem  Baue,  aber 
dennoch  seiner  Gesteinsfolge  nach  mit  der  Halbinsel  übereinstimmt. 

Die  geologische  Aufnahme  Ostindien's,  an  welcher  eine  An- 
zahl der  bedeutendsten  Fachmänner  betheiligt  ist,  hat  bereits 
solche  Fortschritte  gemacht,  dass  die  wesentlichen  Merkmale  der 
Structur  deutlich  vorliegen,  und  das  Verständniss  dieser  umfang- 
reichen Arbeiten  wurde  in  hohem  Grade  erleichtert  durch  die  von 
Medlicott  und  W.  Blanford  im  Jahre  1879  herausgegebene  ver- 
gleichende Uebersicht  ihrer  Ergebnisse,^'  an  welche  sich  Waagen's 
Schrift  über  die  Verbreitung  der  organischen  Ueberreste  in  er- 
wünschter Weise  anschliesst.^"^  Diese  Schriften  und  die  seit  1879 
bekannt  gewordenen  weiteren  Fortschritte  der  Landesaufnahme 
lassen  das  Folgende  entnehmen. 

Obwohl  die  Halbinsel  Berge  von  beträchtlicher  Höhe  um- 
fasst,  gibt  es  mit  Ausnahme  des  uralten  Arvaligebirges  im  NW. 


Vindhya.    Gondwann.  S  '  7 

dennoch  keinen  einzigen  Höhenzug  auf  der  Halbinsel,  welcher  in 
seiner  Richtung  durch  das  Streichen  der  Felsarten  bestimmt  wäre. 
Alles  ist  gebrochenes  oder  von  der  Denudation  durchnagtes  Tafel- 
land. Die  Sahyädri  oder  westlichen  Ghäts,  die  Sätpuraberge  an 
der  Südseite  des  Narbada,  wie  die  Vindhya  an  seiner  Nordseite, 
sind  nur  die  Ränder  grosser  Tafeln.  Die  höchsten  Theile  der 
Nilgiri's,  welche  sich  über  8000  (engl.)  Fuss  erheben,  sind  flache 
Stücke  dieses  Tafelgebirges;  der  höchste  Berg  der  südlichen  Sät- 
pura,  Pachmarhi,  43 80  Fuss  hoch,  besteht  aus  horizontal  gelagertem 
Sandstein,  und  der  höchste  Gipfel  der  nördlichen  Sahyädri,  Mahä- 
bleshwar,  4540  F.,  ist  ein  Stück  einer  flachen  basaltischen  Decke. 
An  der  Zusammensetzung  der  Halbinsel  nehmen  mehrere, 
von  einander  wesentlich  verschiedene  Elemente  theil.  Als  erstes 
derselben  ist  das  archaische  Gebirge  zu  nennen,  hauptsächlich 
aus  Gneiss  bestehend,  an  welches  sich  eine  lange  Reihe  sehr  alter 
Schiefergesteine  anreiht,  mit  Inbegriff  jener  Serie  alter  Quarzit- 
und  Schiefermassen,  welche  von  den  indischen  Geologen  als 
, Transition*  oder  ,Sub-Metamorphic  Rocks*  bezeichnet  werden, 
und  welche  auch  in  tektonischer  Beziehung  enge  an  das  archaische 
Gebirge  sich  schliessen.  Das  zweite  Element  bildet  die  Vindhya- 
gruppe,  eine  Reihe  von  zweifellos  klastischen  Schichten  von 
Sandstein,  Schiefer  und  Kalkstein,  welche  dem  Alter  nach  wahr- 
scheinlich einem  beträchtlichen  Theile  der  paläozoischen  Zeit  ent- 
sprechen, aber  sonderbarer  Weise  bis  heute  noch  keine  Spur 
organischer  Ueberreste  geliefert  haben,  obwohl  in  den  Hoch- 
gebirgen des  Nordens  paläozoische  Fossilien  nicht  fehlen.  Den 
Vindhyan's  folgt  die  Gondwänagruppe;  es  sind  dies  pflanzen- 
und  reptilienführende  Sandsteine,  zuweilen  kohlenführend,  welche 
in  ihrem  unteren  Theile  die  Aequivalente  der  afrikanischen  Karoo 
bilden,  in  ihren  höheren  Theilen  aber  über  das  Alter  der  Karoo 
hinaus  bis  in  jenes  der  pflanzenführenden  Ablagerungen  von 
Uitenhage  reichen  und  wie  diese  gegen  die  Meeresküste  hin  ein- 
zelne marine  Einschaltungen  aufnehmen.  Die  sublitoralen  An- 
lagerungen Südafrika's  wiederholen  sich  unter  geringen,  doch 
eigenthümlichen  Abänderungen  in  Ostindien.  Endlich  tritt  hier 
noch  als  ein  besonderes,  über  einen  beträchtlichen  Theil  der 
Oberfläche  ausgebreitetes  Element  eine  sehr  grosso  Anhäufung 


^  1 8  Die  grosse  indische  Gneissmasse.    Arvali. 

von  Effusivmassen  hinzu,  welche  man  in  der  Regel  unter  dem 
Gesammtnamen  ,Dekkan  Trap*  zusammenfasst. 

Das  archaische  Gebirge  nimmt,  durch  Abwaschung  entblösst, 
einen  bedeutenden  Theil  der  Oberfläche  der  Halbinsel  ein.  Es  ist 
vorherrschend  Gneiss,  welcher  die  Insel  Ceylon,  das  Cap  Comorin, 
die  westlichen  Ghät's  bis  zum  i6.  Breitegrade,  und,  nur  auf  ver- 
hältnissmässig  kurze  Strecken  dem  Auge  entzogen,  die  ganze 
Ostküste  der  Halbinsel  nordwärts  bis  zu  dem  Buge  des  Ganges 
zusammensetzt.  Diese  Gneissmasse  erstreckt  sich  also  von  Point 
de  Galle  durch  etwa  19  Breitegrade  gegen  Nord.  Ihr  gehört  der 
ganze  Süden  und  ganz  Mysore  an,  dann  versinkt  sie  gegen  West 
unter  dem  Dekkan  Trap  und  unter  den  geschichteten  Felsarten; 
sie  ist  es,  welche  jenseits  des  Ganges  ihre  Fortsetzung  in  Assam 
findet. 

Dieser  grossen  Hauptmasse  archaischer  Felsarten  sind  zwei 
kleinere  vorgelagert.  Die  erste  findet  sich  in  Bundelkund  und  ist 
von  unregelmässig  halbkreisförmigem  Umrisse;  ihr  nordwestliches 
Ende  liegt  in  der  Nähe  von  Gwalior.  Die  zweite  ist  in  lang  ge- 
streckte Falten  und  Rücken  aufgelöst  und  bildet  an  dem  nord- 
westlichen Rande  der  Halbinsel  das  Arvaligebirge. 

Das  Arvaligebirge  gehört  zu  den  allerältesten  Faltengebirgen, 
welche  dem  menschlichen  Auge  sichtbar  sind.  Hacket  hat  den 
mittleren  und  östlichen  Theil  desselben  zwischen  dem  24.  und 
29.  Breitegrade  auf  eine  Länge  von  mehr  als  5oo  Kilom.  genauer 
bekannt  gemacht.^^  Es  streicht  in  der  Richtung  N.  36°  O.  an  dem 
Ostrande  der  Wüste  Räjputäna  hin,  löst  sich  nordwärts  in  ver- 
einzelte Rücken  auf,  welche  bald  nur  als  ganz  flache  Hügel  aus 
der  Wüste  aufragen,  und  erreicht  mit  seinen  Ausläufern  die  Stadt 
Delhi.  Nur  Gneiss  und  die  älteren  Schiefer-  und  Quarzitgesteine 
bilden  diese  gefalteten  Ketten,  deren  ausserordentlich  hohes  Alter 
sich  aus  dem  Umstände  ergibt,  dass  ihnen  einzelne  Schollen  der 
Vindhyagruppe  flach  und  discordant  aufgelagert  sind.  Gegen 
Südost  schneidet  das  Arvaligebirge  mit  einer  ausserordentlich 
langen,  im  Streichen  liegenden  Verwerfung  gegen  eine  weite  Tafel 
flachgelagerter  Vindhyan's  ab.  Diese  lange  Verwerfung  verläuft 
etwas  nördlich  längs  dem  Chambalflusse  und  möchte  in  ihrer  Fort- 
setzung den  Jumna  oberhalb  Agra  treffen. 


Vellakondagebirge.  5^9 

Die  volle  Unabhängigkeit  dieser  uralten  Faltungsrichtung 
von  dem  heutigen  Verlaufe  der  indischen  Hochgebirge  mag  hier 
betont  sein.  — 

So  wie  in  der  Nähe  des  Arvaligebirges  lagern  die  Vindhya- 
gesteine,  wo  immer  sie  im  Norden  der  Halbinsel  getroffen  werden, 
ziemlich  flach. 

Hoch  im  Norden,  zu  beiden  Seiten  des  Chenäbflusses,  liegen 
die  vereinzelten  Koränaberge,  deren  Gestein  der  älteren  Quarzit- 
und  Schieferserie  der  Arvali  gleicht,  mit  steilen  NO. — SW.  strei- 
chenden Kämmen.  Der  höchste  Theil  erhebt  sich  957  F.  über 
die  Ebene.  Diese  kleine  Gruppe  ist  für  unsere  ferneren  Betrach- 
tungen darum  von  hoher  Bedeutung,  weil  sie  sich  bis  auf  etwa 
65  Kilom.  dem  Aussenrande  des  gefalteten  Hochgebirges  nähert.  — 

Nördlich  von  Madras  ziehen  sich  die  östlichen  Ghät's  an  der 
Meeresküste  gegen  den  Unterlauf  des  Kistna;  sie  bestehen  aus 
archaischen  Felsarten  und  heissen  hier  die  Ghät's  von  Nellore  oder 
das  Vellakondagebirge.  Dieser  grosse  Rücken  nun  ist,  wie  King 
und  Foote  gezeigt  haben,  westwärts  durch  eine  Verwerfung  be- 
grenzt, an  welcher  eine  ausgedehnte  Scholle  von  Vindhyagesteinen 
zur  Tiefe  gesunken  ist.  Diese  Scholle  hat  einen  mondförmigen 
Umriss;  das  nördliche  Ende  liegt  fast  in  17^  noch  nördlich  vom 
Kistna,  und  das  südliche  Ende  etwa  in  13°  20'  nordwestlich  von 
Madras.  Der  westliche  Umriss  ist  stärker  gewölbt  als  der  östliche, 
welcher  der  Vellakonda-Verwerfung  entspricht.  Es  ist  dies,  wie 
heftige  Faltungen  und  Ueberschiebungen  zeigen,  ein  Stück  eines 
grossen  und  alten  Faltengebirges,  welches  jedoch,  da  die  Vind- 
hyan's  an  der  Faltung  theilnehmen,  jünger  ist  als  die  Arvalikette, 
Die  Faltung  erfolgte  von  Ost  gegen  West.-^* 

Dieses  gefaltete  Stück,  welchem  die  wilden  Quarzitland- 
schaften  der  Nagari-  und  Tripettiberge  in  der  Nähe  von  Madras 
angehören,  ist  trotz  seines  sehr  hohen  Alters  das  jüngste  Zeichen 
ausgedehnter  tangentialer  Bewegung  auf  der  gesammten  Halb- 
insel, welcher,  so  wie  dem  südafrikginischen  Festlande,  jede 
ausgedehnte  Faltenbildung  zum  mindesten  seit  der  Carboh- 
zeit  fremd  ist.  Um  so  ausgedehnter  und  bedeutender  sind  die 
Verwerfungen  und  Senkungen.  Es  betreffen  diese  Störungen  auch 
einen   Theil    der    aufgelagerten    Decken    der   pflanzenführenden 

Suess,  Das  Antlitz  der  Erdo.  34 


^20  Gliederung  der  Gondwina's. 

Gondwänaschichten,   deren   einzelne  Glieder   nun   zuvor   zu    be- 
trachten sind. 

Die  Serie  der  Gondwana-Ablagerungen  beginnt  mit  der 
Tälchirstufe,  äusserst  feinkörnigem,  siltähnlichem  Schiefer  und 
weichem  Sandstein  in  Verbindung  mit  Lagen  von  Blöcken;  diese 
wechseln  in  der  Grösse  von  kleinen  Steinchen  bis  zum  Gewichte 
von  30  Tonnen.  Die  grossen  Blöcke  liegen  zuweilen  im  feinsten 
Silt;  Blanford,  Oldham  und  Fedden  haben  sich  für  den  Transport 
derselben  durch  Eis  ausgesprochen.-  Ihre  Uebereinstimmung  mit 
dem  Dw^ka-Consjlomerate,  welches  das  tiefste  Glied  der  afrika- 
nischen  Karoo-Gruppe  bildet,  ist  sehr  auffallend.  Der  auf  die  Unter- 
suchung der  Pflanzenreste  beruhenden  Eintheilung  Feistmanters 
folgend,  rechnen  wir  zu  diesem  tiefsten  Gliede  auch  die  kohlen- 
fuhrende  Kaharbäristufe.  Gangamopteris  ist  in  diesen  tieferen 
Ablagerungen  häufig:  Glossopteris  ist  reichlich  vertreten.^' 

Das  nächstfolgende  Glied  bildet  die  pflanzen-  und  kohlen- 
reiche Damüdastufe,  in  deren  obersten  l'nterabtheilung;^,  dem 
Manglischiefer,  ein  t}-pischer  Lab}Tinthodonte,  Brachyops  laticeps, 
gefunden  >\airde. 

Die  dritte  ist  die  Panchetstufe,  welche  neben  I^b\Tintho- 
don  auch  Reste  von  Dic\Tiodon  oreliefert  hat.  Mit  dieser  schliesst 
ünter-Gondwana  ab. 

Diese  drei  Hauptstufen  entsprechen,  wie  mehrere  überein- 
stimmende Arten  von  Pflanzen  und  die  Gattung  Dicynodon 
andeuten,  dem  D\\*\"ka-Coni:^lomerate  und  wahrscheinlich  der  Ge- 
sammtheit  der  unteren  Karoo-,  der  Beaufort-  und  der  Stormberg-- 
stufe  in  Südafrika.  Nie  hat  man  in  denselben  eine  Spur  von  S^ee- 
thieren  gefunden.  Mit  vielem  Grunde  kann  n:an  sie  dem  Alter 
nach  als  dem  gesammten  Zeiträume  von:  Rothliegenden  bis  etwa 
zum  Schlüsse  der  Triaszeit  entsprechend  ansehen. 

Wir  setzen  also  im  Allgemeinen  Unter-Gondwäna  der  Karoo 
gleich;  in  Ober-Gondwana  treten  uns  n:ehrere  auf  jung;^eres 
Aller  deutende  Merkmale  entgegen,  wenn  auch  z,  B.  die  Gattung 
Glossopteris  aus  l'nter-Gondwana  hier  vorhanden  ist. 

In  der  tiefsten  Stufe  der  Ober-Gondw.ina  :r::V:  rr.an  Gattunoren 
wie  Sphenopteris,  Thinnfeldia,  Taeniopteris  neben  zahlreichen 
Cvcadeen,   dann    Palissya,   Cuninchamites   u.  A.     In    den    etwas 


Dixcdnlnnx  inacrhiilli  der  Gondwäna'K.  5  2  I 

höheren  Ablagerungen  der  Kota-  und  Maleristufe  liegen  Reste 
echter  Crocoditier,  wie  Parasuchus,  und  Fische,  wie  Dapedius, 
Lepidotus,  Tetragonolepis,  welche  wir  in  Europa  vorherrschend 
im  Lias  zu  sehen  gewohnt  sind.  Endlich  folgt  eine  längere  Reihe 
noch  höherer  pflanzen  führen  der  Schichten,  deren  höchste,  die 
Urmiaschichten,  in  der  sublttoralen  Region  mit  marinen  Ablage- 
rungen wechseln,  und  diese  marinen  Schichten  sind,  wie  sich  bald 
zeigen  wird,  der  Uitenhage-Serie  des  Caplandes  gleichzustellen. 

Im  südlichen  Afrika  sahen  wir  die  mächtigen  Ablagerungen 
der  Karoo  flach  auf  einem  älteren  Sockel  ruhend;  sie  bilden  die 
Tafelberge  im  Innern  des  Landes  und  den  grossen  Abhang  der 
Quathlamba.  Keine  jüngeren  Schichten  sind  ihnen  aufgelagert. 
In  tieferem  Niveau,  gleichsam  an  ihrem  Fusse,  liegen  viel  jüngere 
Pflanzenreiche  Schichten  mit  den  eingeschalteten  Meeresablage- 
rungen von  Uitenhage.    Die  Discordanz  ist  eine  vollständige. 

Ebenso  herrscht  Discordanz  zwischen  Unter-  und  Ober- 
Gondwdna  in  Ostindien.  Der  Unterschied  zwischen  beiden  Re- 
gionen ist  jedoch,  ausser  der  Altersverschiedenheit  von  Uitenhage 
(Neocom?)  und  Ober-Gondwäna(Lias?)  der  folgende.  Die  grossen 
Schollen  von  Unter-Gondwäna  bilden  nicht  zusammenhängendes 
hohes  Tafelland  wie  in  Afrika;  mächtige  Denudation  ist  über  In- 
dien hingegangen,  und  die  wichtigsten  sichtbaren  Stücke  von 
Unter-Gondwäna  verdanken  ihre  Erhaltung  hauptsächlich  ihrer 
Versenkung  in  die  Gneissmasse,  auf  Grabenbriichen,  welche  vor 
Ober-Gondwäna  eingetreten  sind.  Die  grosse  Denudation  ist 
nach  diesen  Bewegungen  und  vor  oder  während  eines  Theiles  von 
Ober-Gondwdna  eingetreten,  so  dass  Transgression  der  letzteren 
auf  sehr  vielen  Punkten  sichtbar  ist.  Auch  beschränken  sich  die 
Ober-Gondwäna- Lagen  nicht  auf  die  sublitorale  Region,  sondern 
sie  erstrecken  sich  bis  in  die  Mitte  des  Landes. 

Die    kohlenführenden    Unter- Gondwäna- Ablagerungen    er- 
innern daher  in  ihrer  Vertheilung  zunächst  an  die  Schollen  und 
Streifen  der  Carbon-  und  Triasformation,  welche  in  die  archaische 
Masse  des  französischen  Centralplateau's  eingesenkt  sind,  und  von  * 
welchen  die  grosse  Grabenversenkung  zwischen  Cr^usot  undll 
chanin,  Saöne  et  Loire,  ein  so  lehrreiches  Beispielj 
haben  sich  in  Europa  die  erfahrensten  Bergleute  g 


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Kohlenfeldct  in  Unter-Gondwdna.  523 

Beginnen  wir  die  Betrachtungen  einzelner  Beispiele  bei  Rdni- 
ganj  an  dem  östlichen  Ende  der  ersten  Reihe.  Hier  war  es,  wo 
Blanford  vor  Jahren  die  Bedeutung  der  Verwerfungen  erkannte. 
Es  wurde  gezeigt,  dass  dieses  Kohlenfeld,  abgesehen  von  anderen 
Verwürfen,  gegen  Süd  abgeschnitten  ist  durch  eine  mächtige 
Senkung,  welche  gewiss  nicht  weniger  als  9000,  wahrscheinlich 
aber  mehr  als  12.000  Fuss  beträgt.  Die  älteren  Schichten  lagern 
am  Nordrande  auf  Gneiss;  sie  sind  gegen  Süd  geneigt;  jüngere 
Schichten  folgen  gegen  Süd  und  die  ganze  mächtige  Schicht- 
gruppe bricht  an  dem  Süd -Verwürfe  ab.^' 

Das  kleine,  aber  wichtige  Kohlenfeld  von  Kaharbäri  in  der 
Nähe  von  Hazäribägh  ist  nach  Hughes  gegen  Nord  wie  gegen 
Süd  durch  ostwestliche  Verwürfe  abgegrenzt,  also  ein  wahrer 
Graben,  wenn  auch  der  Betrag  der  Verwürfe  hier  nur  ein  geringer 
ist.^*  Im  Allgemeinen  scheint  längs  des  Damüda-Flusses  der  süd- 
liche Rand  der  grösseren  Schollen  wie  bei  Räniganj  gesenkt 
zu  sein. 

Das  South -Rewah- Gebiet,  welches  sich  durch  mehr  als 
300  Kilom.  S.  vom  Soneflusse  hinzieht,  ist  noch  wenig  bekannt. 
Der  östliche  Ausläufer  desselben,  welcher  zwischen  den  Flüssen 
Rer  und  Kunhur  die  Verbindung  mit  der  Schollenreihe  der  Da- 
müdalinie  andeutet,  ist  nach  Griesbach  ein  wahrer  Graben,  ein- 
gesunken zwischen  fast  parallelen  Brüchen  in  N.  und  S.'''  In  dem 
westlichen  Theile  des  grossen  Gebietes,  in  der  Nähe  des  Sone, 
ist  der  Nordrand  geradlinig,  gegen  OSO.  gerichtet  und  höchst 
wahrscheinlich  ein  Bruch ;  in  diesem  Theile  greifen  Ober-Gondwäna- 
Schichten  auf  das  ältere  Gebirge  über.^" 

Das  Sdtpuragebiet  ist,  abgesehen  von  den  kleineren  Gond- 
Wi^naschollen,  welche  am  Rande  der  grossen  Trapmasse  sichtbar 
sind,  etwa  1 80  Kilom.  lang  und  liegt  südlich  vom  Narbada,  diesem 
Flusse  ziemlich  parallel.  In  demselben  sind  die  Schichten  der 
Unter-Gondwäna-Gruppe,  wie  im  westlichen  South  Rewah,  gegen 
N.  geneigt,  und  der  Nordrand  dürfte  ein  Bruch  sein,  doch  liegen 
Ober-Gondwdna-Schichlen  transgredirend  über  den  bisher  unter- 
suchten Theiien  der  muth masslichen  Bruchlinie,  woraus  aicl 
gibt,  dass  die  grosse  Einsenkung  auch  hier  vor  der  Ablw 
wenigstens  eines  Theiles  von  Ober-Gondwäna  erfolgte^^ 


524  Sublitorale  Zone  Ostindien's. 

Es  ist  meine  Absicht  nicht,  diese  Beispiele  zu  vermehren, 
welche  nur  bestimmt  sind  zu  zeigen,  wie  grossen  linearen  Brüchen 
die  Masse  der  indischen  Halbinsel  nach  der  Zeit  des  Unter-Gond- 
wäna  und  vor  einem  Theile  von  Ober-Gondwäna  ausgesetzt  ge- 
wesen ist/^ 

Wir  verlassen  nun  die  Kohlengebiete  des  Innern  und  wenden 
uns  der  für  die  Kenntniss  der  physischen  Geschichte  Ostindien's 
wichtigen  sublitoralen  Zone  des  Ostens  zu. 

Zu  den  merkwürdigsten  Ergebnissen  der  Forschungen  auf  der 
indischen  Halbinsel  gehört  der  Nachweis,  dass  der  Ostrand  der 
grossen  Gneissmasse  schon  seit  der  Mitte  der  mesozoischen  Zeit 
eine  natürliche  Anlagerungslinie  bildet.  Die  tieferen  Horizonte 
der  pflanzenführenden  Schichten,  deren  versenkte  Denudations- 
reste wir  soeben  im  Innern  des  Landes  an  einzelnen  Beispielen 
kennen 'gelernt  haben,  fehlen  dem  Aussenrande  mit  Ausnahme 
einiger  kleiner  Schollen  an  dem  nördlichsten  Ende  nach  den  bis 
heute  vorliegenden  Beobachtungen  ganz;  die  Anlagerung  beginnt 
mit  der  Räjmahälgruppe,  welche  der  Basis  von  Ober-Gondwäna 
entspricht.  Die  höheren  pflanzenführenden  Schichten  sind  strecken- 
weise von  marinen  Schichten  begleitet,  was  innerhalb  des  Landes 
nie  der  Fall  ist;  endlich  sind  sie  da  und  dort  von  noch  jüngeren 
Meeresablagerungen  bedeckt,  welche  jedoch  auch  nicht  in  das 
Innere  des  Landes  reichen. 

Auf  der  schmalen  Ebene,  welche  dem  Fusse  der  westlichen 
Ghät's  vorliegt,  sieht  man  gar  keine  mesozoischen  Ablagerungen; 
es  tritt  nur  bei  Ouilon  und  südlich  von  dieser  Stadt  eine  bunt- 
gefärbte  Sandsteinablagerung  von  nachtertiärem  Alter  auf;  im 
Osten  nennt  man  dieselbe  Cuddalore-Sandstein.  Noch  bei  Nagar- 
coil,  etwa  20  Kilom.  N.  von  Cap  Comorin,  liegt  eine  Scholle  von 
Cuddalore-Sandstein,^^  und  nun  treten  wir  an  die  Ostküste  über, 
bemerkend,  dass  auf  Ceylon  mesozoische  Ablagerungen  noch 
nicht  bekannt  sind. 

Nahe  N.  von  Trichinopoly  erscheinen  etwa  in  11°  nördl.  Br. 
an  dem  Ostrande  der  Gneissmasse  die  ersten  Anlagerungen  der 
pflanzenführenden  Räjmahälschichten.  Auf  ihnen  oder  unmittelbar 
auf  dem  Gneissrande  bis  gegen  Pondichery,  vielleicht  sogar 
bis  Sripermatur  bei  Madras,  liegen  cretacische  Meeresschichten. 


Ostküste  Ostindien's.  5-^5 

Sie  haben  die  Veranlassung  zu  Stoliczka's  umfassenden  Unter- 
suchungen geboten/*  Aus  diesen  ist  zu  entnehmen,  dass  hier  die 
Cenoman-,  Turon-  und  Senonstufe  der  europäischen  Kreide  in  drei 
getrennten  Stufen  vertreten  sind,  und  dass  manche  wesentliche 
Verschiedenheit  gegenüber  der  Kreidefauna  Europa's  und  Nord- 
afrika's,  zugleich  aber  ganz  besondere  Uebereinstimmung  mit 
jener  von  Natal  besteht/^  Auf  der  Kreide  liegen  Schollen  des 
Cuddalore-Sandstein's. 

Die  RäjmahälschoUen  ziehen  sich  an  dem  Gneissrande  nord- 
wärts und  erreichen  in  der  Nähe  von  Madras  unter  den  jüngsten 
Anschwemmungen  eine  grössere  Ausdehnung.  Bei  Sripermatur 
erscheinen  schlecht  erhaltene  Ammoniten  und  andere  Fossilien, 
welche  Stoliczka  für  oberjurassisch  hielt,  Waagen  aber  als  Neo- 
com  deutet/'^ 

Noch  weiter  ziehen  sich  über  Nellore  und  Guntur  die  Spuren 
der  Räjmahdlschichten,^'  bis  zwischen  den  Flüssen  Kistna  und 
Godävari  wieder  eine  vollständigere  Schichtenreihe  über  den- 
selben sichtbar  ist,  welche  W.  King  in  lehrreicher  Weise  be- 
schrieben hat  und  welcher  wir  einige  Aufmerksamkeit  zuzuwenden 
haben.*^ 

Der  mächtige  Godävari  durchströmt  in  tiefer  Schlucht  den 
Gneiss  und  tritt  bei  Rdjahmundry  in  1 7°  nördl.  Br.  aus  demselben 
hervor;  hier  beginnt  sein  grosses  Delta.  Westlich  vom  Godävari 
erreicht  das  lange,  gegen  SO.  streichende  und  durch  seine  gerad- 
linige und  parallele  Begrenzung  ausgezeichnete  Kohlengebiet  des 
Godävari  den  Ostrand  der  Gneissmasse;  es  besteht  aus  den 
tieferen  Abtheilungen  der  Gondwänagruppe,  und  quer  über  sein 
Ende  legen  sich  in  voller  Discordanz,  dem  Verlaufe  der  Küsten- 
linie und  des  Gneissrandes  folgend,  die  Räjmahälschichten  des 
Ober-Gondwäna.  Hier  kann  kein  Zweifel  bestehen,  dass  die  Bil- 
dung des  Gneissrandes  jünger  ist  als  jene  Gondwänaschichten, 
welche  eingesunken  in  dem  Kohlengebiete  liegen,  und  älter  als 
die  Räjmahälschichten,  welche  die  sublitorale  Zone  begleiten. 

In  den  tiefsten  Schichten,  welche  auf  dem  Gneissrande  und 
quer  über  dem  Kohlengebiete  liegen,  wurde  nur  die  Räjmahäl- 
flora  gefunden.  Ueber  denselben,  folgen  Schiefer  mit  einer  etwas 
veränderten  Flora  und  schlecht  erhaltenen  Meeresfossilien,  wie  bei 


C26  RÄjmahalbtTjje. 

Sripermatur,  endlich  Sandstein,  in  welchem  ausser  anderen  weniger 
deutlichen  Meeresconchylien  Trigonia  ventricosa  und  Trig.  Smeei 
erscheinen.  Die  erstere  ist  ein  bezeichnendes  Fossil  von  Uiten- 
hage.  Hiemit  haben  wir  eine  neue  und  wichtige  Beziehung  zu 
Südafrika  erlangt.  Die  cretacischen  Ablagerungen  von  Trichino- 
poly  sind  an  dieser  Stelle  nicht  bekannt;  dafür  folgt  in  der  Nähe 
von  Räjahmundry  ein  Stück  basaltischer  Decken  in  enger  Ver- 
bindung mit  petrefactenreichen  Meeresschichten  von  untertertiärem 
oder  obercretacischem  Alter,  dessen  Bildung  daher  wahrschein- 
lich innerhalb  jenes  längeren  Zeitraumes  liegt,  in  welchem  die 
weit  entfernte  Masse  der  Dekkan-Ergüsse  aufgehäuft  worden  ist. 
Auf  dem  Basalt  liegt  der  Cuddalore-Sandstein.  — 
Die  nächste  grosse  Scholle  liegt  an  dem  Gneissrande  bei 
Kuttack,  wo  der  Mahänadi  aus  dem  Urgebirge  hervortritt,  etwa 
in  20°  30';  von  hier  sind  nur  die  pflanzenführenden  Räjmahäl- 
schichten  bekannt.^^ 

Nun  trennt  sich  das  heutige  Meeresufer  vom  Gneissrande  und 
dieser  setzt  landeinwärts  fort  gegen  den  grossen  Bug  des  Ganges. 
Vom  Flusse  Mor  in  24"  nördl.  Br.  bis  an  den  Ganges  in  25°  20' 
ist  dieser  Rand  von  pflanzenführenden  Schichten  begleitet,  welche 
mit  Zwischenlagen  von  älteren  basaltischen  Ergüssen  die  oftgenann- 
ten Rdjmahdlberge  bilden.  Der  Gneiss  erreicht  bei  Colgong  den 
Ganges.  Sein  Ostrand  ist  nach  Ball's  Beobachtungen  von  Brüchen 
begleitet.  An  demselben  erscheinen  zuerst  kleinere  Schollen  des 
Tälchirhorizontes,  dann,  über  einen  Theil  des  letzteren  transgre- 
dirend,  die  ebenfalls  zu  Unter- Gondwdna  gehörigen  Damuda- 
schichten,  hierauf  in  beträchtlicher  Ausdehnung  die  Rdjmahdl- 
schichten,  welchen  die  basaltischen  Decken  und  Gänge  dieses 
Gebietes  angehören.  Es  unterscheidet  sich  also  dieser  nördliche 
Zug  von  dem  südlichen  Theile  des  Gneissrandes  durch  das  Er- 
scheinen kleiner  Reste  von  Unter-Gondwäna,  durch  die  älteren 
Basaltergüsse  und  durch  das  Fehlen  mariner  Schichten.  Ball  be- 
stätigt das  von  Blanford  bei  Untersuchung  des  Räniganj-Kohlen- 
gebietes  erhaltene  Ergebniss,  dass  die  basaltischen  Ausbrüche  in 
Bengalen  nicht  nur  jünger  als  Unter-Gondwäna,  sondern  auch 
jünger  als  die  grossen  Verwerfungen  dieses  Landstriches  sind, 
dass  die  pflanzenführenden  Räjmahälschichten  kaum  seit  ihrer  ur- 


Shillong-Plateau.  527 

sprQnglichen  Ablagerung  gestört  wurden,  und  dass  Brüche  in  den- 
selben sehr  selten  sind,  endlich  dass  die  Lava-Ergüsse  südlich  von 
dem  Knie  des  Ganges  wahrscheinlich  mit  dem  Abschlüsse  einer 
grossen  Periode  von  Störungen  zusammenfallen.^" 

Nachdem  wir  nun  von  Trichinopoly  im  1 1 .  Breitegrade  bis 
an  den  Ganges  in  25°  20'  die  Anlagerung  an  den  Gneissrand  ver- 
folgt haben,  werfen  wir  einen  Blick  auf  die  ausserhalb  der  Halb- 
insel im  engeren  Sinne,  jenseits  der  Gangesniederung  gelegenen 
Berge  von  Assam. 

So  wie  im  Knie  des  Ganges  die  Räjmahälberge  liegen,  er- 
hebt sich  östlich  von  der  Alluvialebene  im  Knie  des  Brahmaputra 
ein  Höhenzug,  und  es  gibt  Umstände,  welche  trotz  der  grossen 
Unterbrechung  diesen  Höhenzug  als  eine  Fortsetzung  der  Berge 
am  Ganges  erscheinen  lassen.  Auf  den  Karten  wird  derselbe 
nach  den  Stämmen,  von  welchen  er  bewohnt  ist,  als  die  Gäro-, 
Khäsia-,  Jaintia-  und  Mikirberge  bezeichnet ;  seine  Länge  beträgt 
über  400  Kilom.  und  die  meisten  Höhen  liegen  zwischen  4000  und 
6000  Fuss.  Sein  Nordrand  begleitet  das  südliche  Ufer  des  Brahma- 
putra, während  der  scharf  abgegrenzte  Südrand  ein  bogenförmiges 
Streichen  hat,  welches  im  Westen,  in  der  Nähe  des  Brahmaputra, 
gegen  SO.,  weiterhin  von  W.  gegen  O.,  dann  gegen  NO.  ge- 
richtet ist.  Wir  nennen  denselben  den  Gebirgszug  von  Assam, 
oder,  nach  Medlicott,  das  Shillong-Plateau. 

Dieses  Gebirgsstück  hat  eine  sehr  eigenthümliche  Lage. 
Nördlich  von  demselben  erhebt  sich  der  überfaltete  Aussenrand 
des  Himalaya ;  im  Süden  tritt  an  dasselbe  der  gefaltete  Aussen- 
rand der  Barail-  und  Pätkaiketten  heran,  welche  Theiledes  grossen 
burmanischen  Kettengebirges  sind,  das  sich  von  hier  gegen  Arra- 
kan,  Cap  NegraTs  und  noch  viel  weiter  gegen  Süd  fortsetzt.  Zwi- 
schen diesen  beiden  grossen,  im  Thal  des  Brahmaputra  gegen  ein- 
ander strebenden  Faltungsgebieten  ragt  es  hervor,  und  sein  nord- 
östlicher Rand  verschwindet  in  der  Nähe  von  Golaghat  (etwa  in 
91°  östl.  L.  Greenw.)  unter  den  Alluvien  des  grossen  Stromes. 

Medlicott  und  Godwin-Austen  haben  die  wesentlichsten  Bei- 
träge zur  Kenntniss  seines  Baues  geliefert.-' 

Der  nördliche,  dem  Brahmaputra  zugekehrte  Abhang  ist  sanft 
und  besteht  durchwegs  aus  Gneiss  und  Granit.  Er  tritt  an  vielen 


528  Westküste  Ostindien's. 

Stellen  bis  an  den  Strom  vor  und  einzelne  Kuppen,  welche  nörd- 
lich von  dem  Strome  aus  dem  Schwemmlande  hervorragen,  lassen 
erkennen,  dass  dasselbe  archaische  Gebirge  sich  bis  ganz  nahe 
an  den  Aussenrand  des  Himalaya  fortsetzt.^*  Dieser  Gneiss  gleicht 
ganz  und  gar  jenem,  welcher  einen  so  grossen  Theil  der  Halbinsel 
bildet.  Er  erhebt  sich  gegen  Süd  und  hier  sind  demselben  Ge- 
steine aufgelagert,  welche  die  Fortsetzung  der  Vindhyagesteine 
von  Behar  (S.  von  Patna)  sein  dürften.  Nun  folgt  südwärts  in  der 
Gegend  von  Shillong  ein  steiler  Bruch,  an  welchen  sich  eine  sehr 
mächtige  Masse  basaltischer  Ströme  anschliesst,  vielleicht  die 
Fortsetzung  der  älteren  Basalte  von  Rdjmahäl. 

lieber  alle  diese  Gesteine,  über  den  Gneiss,  die  Vindhya's 
und  die  älteren  Basalte  breitet  sich  auf  der  Höhe  der  Südseite  des 
Tafellandes  eine  horizontale  Transgression  weit  jüngerer,  ver- 
steinerungsführender Schichten  aus.  Es  sind  dies  zuerst  cretaci- 
sche  Schichten,  welche  jenen  von  Trichinopoly  und  Natal  gleichen, 
hierauf  Nummulitenkalk  und,  wie  aus  einzelnen  Angaben  hervor- 
zugehen scheint,  noch  einige  Schollen  einer  jüngeren  tertiären 
Meeresablagerung.  Die  Beschaffenheit  der  Kreideschichten  lässt 
vermuthen,  dass  auf  diesem  Tafellande  einstmals  das  nördliche 
Ufer  des  Kreidemeeres  lag. 

Alle  diese  flachgelagerten,  transgredirenden  Schichten  beugen 
sich  an  dem  scharfen  Südrande  des  Höhenzuges  in  einer  grossen 
Flexur  um  und  sinken  dann  steil  zur  Tiefe.  Südlich  von  der  Flexur 
sind  noch  einige  steil  gestellte  und  stark  gefaltete  Stücke  der  jün- 
geren Tertiärbildungen  sichtbar.  — 

Die  Westküste  der  indischen  Halbinsel  ist  wesentlich  ver- 
schieden von  der  östlichen.  Von  Cap  Comorin  nordwärts  bis  über 
Bombay  hinaus  wird  sie  gebildet  von  den  Sahyadri  oder  west- 
lichen Ghät's,  dem  Rande  des  Tafellandes,  und  mit  Ausnahme  des 
nachtertiären  Cuddalore  -  Sandsteins  bei  Ouilon  im  äussersten 
Süden,  sieht  man  keine  Meeresbildung  dieser  grossen  Stufe  an- 
gelagert. Die  Wasserscheide  der  Halbinsel  liegt  durch  diese  lange 
Erstreckung  stets  nahe  an  der  Küste,  so  dass  aller  Abfluss  gegen 
Ost  geht,  und  nur  im  Süden  greift  ein  tieferer  Sattel  durch  das 
Land.  Trotz  dieser  geschlossenen  Einheit  der  Stufe  besteht  sie 
aus  zwei   ganz    verschiedenen  Theilen.    Von   Cap    Comorin  in 


Ergüsse  des  Dekkan.  5^9 

8.°  nördl.  Br.  nordwärts  bis  zum  i6.°  nördl.  Br.  ist  sie  von  der 
grossen  Gneissmasse  des  Ostens  gebildet,  und  von  da  gegen  die 
Bucht  von  Cambay  bis  über  den  20.°  nördl.  Br.  besteht  sie  aus 
den  mächtigen  Laven  und  Aschenanhäufungen  des  Dekkan. 

Acht  Breitegrade  der  Westküste  gehören  dem  Gneiss,  vier 
Breitegrade  den  Laven  an,  deren  Alter  beiläufig  an  die  Grenze 
von  Kreide  und  Eocän  zu  stellen  ist,  wahrscheinlich  auch  ins  Eocän 
hinaufreicht."  Einheitlich  und  ohne  irgendwie  die  Richtung  zu 
ändern,  setzt  sich  die  Küstenlinie  aus  dem  einen  Gebiete  in  das 
andere  fort.  Diese  Linie  ist  aber  nicht  die  westliche  Grenze  der 
Laven.  Sie  liegen  weit  ausgebreitet  in  Kattywar  und  ihre  Aus- 
läufererscheinen noch  in  dem  gefalteten  Gebirge  von  Sind. 'Gegen 
Nord  und  Ost  löst  sich  die  grosse  Masse  in  Tafeln  und  Schollen 
auf;  wir  haben  ähnliche  Stücke  sogar  bei  Rdjahmundry  an  der 
Ostküste  kennen  gelernt.  Darum  ist  es  schwer,  die  ursprüngliche 
Ausdehnung  der  Ergüsse  in  Ziffern  anzugeben.  Um  sie  zu  be- 
zeichnen, führen  die  indischen  Geologen  an,  dass  die  825  Kilom. 
lange  Eisenbahn  von  Bombay  nach  Ndgpur  erst  unmittelbar  vor 
Nagpur  die  vulcanischen  Gesteine  verlässt,  und  dass  durch  bei- 
nahe IG  Breite-  und  16  Längegrade  ihre  einstige  Ausbreitung  als 
erwiesen  anzusehen  ist.^** 

Die  grösste  Mächtigkeit  erlangen  die  vulcanischen  Massen 
bei  Bombay.  In  der  Hauptmasse  erscheinen  nur  Spüren  von  Land- 
und  Süsswasserbildungen ;  diese  ist  gewiss  nicht  unter  dem  Meere 
gebildet.  Nur  die  entferntesten  Ausläufer  in  Sind  und  an  der  Ost- 
küste stehen  mit  Meeresablagerungen  in  Verbindung.  Welcher 
Hohlraum  wurde  durch  diese  Effusionen  geschaffen?  — 

Wo  der  Golf  von  Cambay  die  Hauptmasse  der  Laven  des 
Dekkan  abtrennt  von  der  Platte  von  Kattywar,  beginnen  marine 
Transgressionen  theils  unter  den  Rändern  der  Laven  und  theils 
über  denselben  sich  zu  zeigen.  Die  erste  Transgression,  welche 
hier  angetroffen  wird,  gehört  der  Cenomanstufe  an.  Diese  er- 
scheint im  Nordosten  der  Bucht,  in  der  Umgegend  von  Baroda, 
wird  unter  dem  westlichen  Rande  der  Laven  bei  Bägh  sichtbar 
und  lässt  sich  landeinwärts,   im  unteren  Narbadathale  bis  in  die 

Gegend  südlich  von  Indore  verfolgen.  Man  bezeichnet  sie  als  die 
,Bägh-Beds'.55 


530  Bdßh.   Insel  Perim. 

Die  cenomanen  Ablagerungen  von  Bägh  entsprechen  aber 
ihrer  Fauna  nach  nicht  jenen  von  Natal,  von  Pondichery  und  von 
Assam,  sondern  den  arabischen  Vorkommnissen  des  Ras  Fartak, 
der  ägyptischen  Cenomanstufe  und  jener  der  Mittelmeerregion. 
Aus  diesem  Umstände  lässt  sich  zweierlei  entnehmen.  Erstens 
sehen  wir,  da  der  cretacische  Typus  von  Natal  und  der  Ostküste 
Indiens  sich  auch  viel  weiter  im  Osten,  z.  B.  in  Japan  wiederholt,^^ 
dass  zur  Zeit  der  mittleren  Kreideformation  eine  Trennung  zwi- 
schen einem  Mecresgebiete  vorhanden  war,  welches  aus  dem  süd- 
lichen Europa  über  Nordafrika  und  Arabien  bis  über  den  Golf  von 
Cambay  reichte,  und  einem  zweiten  ausgedehnten  Meeresgebiete, 
welches  die  südöstliche  Küste  von  Afrika,  die  Ostküste  Ostindiens 
und  die  Berge  von  Assam  nach  dieser  Richtung  zur  Grenze  hatte. 
Und  weiter  folgt  hieraus,  dass  in  diesen  beiden  getrennten  Meeres- 
theilen  zur  cenomanen  Zeit  Erweiterung  des  Meeres  durch  Trans- 
gression  eintrat. 

Wie  die  Kreide,  erscheint  auch  am  Golf  vom  Cambay  zum 
ersten  Male  eine  Reihe  theils  mariner  und  theils  fluviatiler  Tertiär- 
ablagerungen, welche  jünger  sind  als  die  Laven.  Sie  reichen 
weniger  weit  ostwärts  in  das  Land  hinein  als  die  Kreide  von  Bägh, 
aber  sie  erstrecken  sich  weit  gegen  NW.  und  sind  thatsächlich 
nur  die  Ausläufer  jener  ausgebreiteten  Tertiärbildungen,  welche 
einen  grossen  Theil  der  gefalteten  Ketten  von  Sind  ausmachen. 
Sie  beginnen  zwischen  dem  Unterlaufe  des  Tapti  und  des  Narbada 
mit  alttertiärem  Nummulitenkalk;  es  folgen  mitteltertiäre  Schichten 
mit  Baianus,  und  auf  der  kleinen  Insel  Perim  im  Golf  von  Cambay 
tritt  Sandstein  auf  mit  Resten  von  Mastodon,  Dinotherium,  Brahma- 
therium  und  anderen  Vertretern  einer  grossen  Landfauna,  welche 
zehn  Arten  mit  der  Siwalikfauna  der  Vorberge  des  Himalaya  ge- 
mein hat. 

Die  tieferen  Glieder  dieser  tertiären  Reihe  umgeben  die 
basaltische  Platte  von  Kattywar  an  der  Südseite  und  setzen  sich 
von  dort  nach  Kachh  und  westwärts  über  den  Indus  in  das  grosse 
Kettengebirge  von  Sind  fort. 

Man  kann  sagen,  dass,  so  wie  von  den  Gebirgen  von  Burmah 
her  die  ganze  Schichtreihe  von  der  Cenomanstufe  aufwärts  ihr  Ab- 
lagerungsgebiet vorschiebt  auf  die  alten  Gneiss-  und  Vindhya- 


Jura  von  Kachh.    Madagascar.  53  ^ 

massen  der  Berge  von  Assam,  so^auch  von  den  gefalteten  Ketten 
von  Sind  her  alle  Schichten  von  der  Cenomanstufe  aufwärts  her- 
übergreifen auf  die  äusseren  Ränder  der  alten  Felsarten  der  Halb- 
insel bis  an  den  Narbada  und  den  Unterlauf  des  Tapti. 

Näher  an  dem  Aussenrande  der  Ketten  von  Sind  aber,  in 
Kachh,  werden  unter  den  Ausläufern  der  vulcanischen  Decken 
jurassische  Meeresablagerungen  sichtbar.  Sie  tauchen  als  Inseln 
aus  dem  Schwemmlande  hervor  und  sind  in  einige  Falten  gebogen.^^ 
Mit  der  grösseren  Entwicklung  der  Meeressedimente  beginnt  die 
Faltung.  Die  ältesten  sichtbaren  Lagen  gehören  in  die  Zeit  des 
Grossoolith's.  Ihre  Fauna,  zum  Theile  selbst  ihre  oolithischen 
Gesteine  zeigen  den  europäischen  Typus.  Es  ist  eine  höchst  eigen- 
thümliche  und  für  die  Beurtheilung  des  Wesens  der  Formations- 
grenzen höchst  lehrreiche  Thatsache,  dass  Stoliczka  und  Waagen 
hier  eine  ganze  Reihe  untergeordneter  Zonen  der  mittleren  und 
oberen  Juraformation  nachzuweisen  im  Stande  waren,  mit  den- 
selben leitenden  Arten  und  in  derselben  Reihenfolge  wie  im  mitt- 
leren Europa.  Von  diesen  haben  wir  eine,  die  Zone  des  Feltoc. 
acanthicum  oder  den  Katrol- Sandstein,  bereits  von  Mombas  in 
Ostafrika  erwähnt.  Sie  scheinen  ziemlich  ununterbrochen  bis  in 
das  Tithon  zu  reichen,  lieber  den  nachweisbar  jurassischen  Hori- 
zonten sind  einzelne  Arten  der  Fauna  von  Uitenhage  sichtbar  und 
über  dieser  liegt  eine  Anzahl  von  Arten  des  französischen  Aptien.*^® 

Die  Jura- Ablagerungen  von  Kachh  setzen  sich  gegen  Nord 
an  dem  äusseren  Saume  der  Ausläufer  des  Arvaligebirges  unter 
der  Ebene  von  Räjputäna  fort  und  sind  noch  westlich  von  Jesalmir 
bekannt.  Mit  ihnen  haben  wir  ein  Gebiet  betreten,  welches  durch 
Faltung  wie  durch  marine  Entwicklung  sich  von  der  Halbinsel 
unterscheidet,  gleichsam  eine  Mittelregion  zwischen  dieser  und 
dem  Hochgebirge.  Es  deuten  aber  die  Reste  von  Landpflanzen, 
welche  mehreren  Abtheilungen  dieser  Meeresschichten  eingestreut 
sind,  darauf  hin,  dass  die  Küste  nicht  fern  war.  — 

Madagascar.  Die  Arbeiten  Grandidier's  und  der  englischen 
Missionäre  haben  in  den  letzten  Jahren  die  Kenntniss  der  Structur 
von  Madagascar  wesentlich  erweitert  und  lassen  die  folgenden 
Grundlinien  erkennen. ^^ 


532  Hochland  von  Madagascar. 

Die  Mitte  dieser  grossen  Insel  wird  vom  Norden  her  bis  in 
die  Nähe  des  22."  von  einem  aus  Granit  und  Gneiss  bestehenden 
Hochlande  gebildet,  welches  insbesondere  die  beiden  Provinzen 
Im^rinaund  Betsil^o  umfasst.  Seine  Höhe  beträgt  beiläufig  1 500  M. 
Es  ist  nach  Ost  und  nach  West  durch  schroffe  Abstürze,  gegen 
Süd  durch  eine  querstehende  Kette  begrenzt ;  im  Imerina  ist  seine 
Breite  beiläufig  1 30  Kilom.,  südlich  davon,  bei  Sirab^,  nur  90  bis 
100  Kilom.  und  im  22.'' y  wo  man  vom  Berge  Kirianga  beide  Rän- 
der sieht  und  das  südliche  Ende  nahe  ist,  beträgt  die  Breite  nur 
mehr  56  Kilom.  Die  Wasserscheide  liegt  ganz  in  der  Nähe  des 
östlichen  Randes. 

Von  der  Ostküste  gegen  Antananarivo  reisend,  trifft  man  den 
Absturz  in  drei  Stufen  getheilt ;  diese  vereinigen  sich  im  Norden, 
und  an  der  Vereinigungsstelle  liegt  in  17"  20' — 17**  40'  der  grosse 
See  Alaotra,  900  M.  hoch.  Die  innerste  dieser  Stufen  ist  die  be- 
deutendste und  zieht  sich  gegen  Süd  fort.  An  diesem  Steilrande 
erscheinen  mächtige  vereinzelte  Tafelberge,  welche  gewaltige 
natürliche  Festungen  bilden,  denen  in  der  Geschichte  der  Insel 
eine  hervorragende  Rolle  zufallt,  so  der  Festungsberg  Isa- 
hazävona  an  der  Grenze  der  unterhalb  des  Abhanges  liegenden 
waldigen  Provinz  Tanäla  und  der  berühmte  Festungsberg  Ikongo, 
welcher  8  Kilom.  lang,  300 — 500  M.  über  die  Ebene  eine  weite 
Hache  trägt,  auf  der  sich  fünf  Ortschaften  und  zwei  Ströme  be- 
finden, und  welchen  die  Zäfirambo  in  zwei  langen  Belagerungen 
glücklich  gegen  die  Höva's  behauptet  haben.  Südlich  vom  Ikongo, 
im  Quellgebiete  des  Flusses  Mätitänana,  fällt  der  Ostrand  in  einer 
einzigen  grossen  Stufe  über  800  M.  tief  herab,  und  in  der  Nähe 
der  südöstlichen  Ecke  erhebt  sich  der  hohe  vereinzelte  Granitberg 
Ivohib^. 

Der  westliche  Rand  ist  im  Norden  innerhalb  der  Bembatuka- 
bucht  in  vier  Stufen  getheilt  und  daher  leichter  zu  übersteigen  als 
der  östliche,  welcher  sich  auf  lange  Strecken  als  eine  geschlossene 
Wand  zeigt,  doch  liegt  das  Höva-Fort  Antöngodrahöja  in  ly** 
südl.  Br.  an  cier  Kante  des  Westrandes  1500  M.  hoch  und  ist  der 
westliche  Rand  in  1 8"  40'  auch  zu  einem  einheitlichen  Abstürze 
von  mehr  als  800  M.  vereinigt.  Im  Süden  trägt  die  westliche 
Hauptstufe  den  Namen  Böngo  Lava. 


Ankärat.   Nossi-B6.  533 

Die  Ströme  des  Hochlandes  stürzen  in  grossen  Wasserfällen 
über  diese  Stufen  herab.  Seine  Oberfläche  ist  sehr  uneben;  höhere 
Granitzüge  erheben  sich  über  dieselbe;  seine  Tiefen  und  insbeson- 
dere die  Flächen  der  beiden  Zwischenstufen  im  Osten  sind  mit 
einer  mächtigen  Lage  von  rothem  Thon  bedeckt,  in  welche  das 
Wasser  tiefe  Furchen  zieht.  Im  Südwesten,  in  Bära,  bildet  nach 
Cowen's  Angaben  Granit  den  Untergrund  eines  wüsten  Land- 
striches; demselben  folgt  westlich  eine  Mulde  mit  abgestuften 
Abhängen,  der  Boden  eines  getrockneten  See's,  und  jenseits,  etwa 
in  22**  10' — 22"  25'  südl.  Br.  die  Gruppe  der  Isäloberge,  ein 
Sandstein -Tafelgebirge,  welches  von  Wasserläufen  tief  durch- 
schnitten ist.^ 

Dem  Hochlande  sind  ferner  vulkanische  Berge  aufgesetzt. 
Südwestlich  von  Antananarivo  liegt  die  Gruppe  von  Ankärat,  aus 
fünf  vulkanischen  Kegeln  bestehend ;  sie  sind  die  höchsten  Berge 
von  Madagascar  und  der  höchste  erreicht  nach  Johnson  2873  M. 
Nordwestlich  von  diesen,  am  See  Itasy,  befindet  sich  ein  ausge- 
dehntes vulkanisches  Gebiet,  den  phlegräischen  Feldern  vergleich- 
bar; Mullens  zählte  hier  40  Kratere.  Viele  andere  sind  über  das 
westliche  Imerina  ausgestreut  und  es  scheint  sich  von  hier  in  sol- 
chen sporadischen  Vorkommnissen  das  eruptive  Gebiet  nordwärts 
fortzusetzen  zu  dem  grossen  vulkanischen  Tafelberge  Vöamböhitra, 
welcher  an  der  nordwestlichen  Kante  des  Hochlandes  steht,  und 
von  da  zu  den  Radama-Inseln,  zu  dem  gewaltigen  Vulkan  Katowla 
innerhalb  der  Passandavabucht,  dem  M.  Amber  an  der  Nordspitze, 
nach  Majotte,  Johanna  und  den  Komoren.^' 

Indem  das  Hochland  nordwärts  sich  senkt,  trifft  man  auf  den 
Inseln  seine  Gesteine  wieder.  Herland's  Darstellung  von  Nossi- 
B^  gibt  davon  ein  gutes  Beispiel.  Das  südliche  Vorgebirge  der 
Insel,  Lugub^,  ist  so  wie  die  Insel  Nossi-Komba  aus  Granit  und 
altem  Schiefer  gebildet.  Der  nördliche  Theil  besteht  dagegen 
aus  einer  Scholle  von  altem  Sandstein  von  rother  und  gelber 
F'arbe.  Die  ganze  Mitte  ist  vulkanisch  und  trägt  mehrere  Kratere 
und  sieben  Kratersee'n.^'  An  der  Ostküste  von  Nossi-B6  liegt 
ein  Stück  nummulitenführenden  Kalksteins.  Dies  ist  wahrschein- 
lich der  Anfang  des  breiten  Streifens  von  mesozoischen  und  eocä- 
nen  Ablagerungen,  welcher  gegen  W.  und  S.  und  bis  Fort  Dauphin 


534  Ostindien  und  Südafrika. 

im  SSO.  das  granitische  Hochland  von  Madagascar  umgibt,  und 
welchen  Grandidier  für  den  Rest  einer  weit  ausgedehnteren  Tafel 
hält.  Aus  den  eocänen  Ablagerungen  nennt  man  Nummulites, 
Alveolina,  Velates  Schmideliana  u.  A. ;  die  mesozoischen  Ab- 
lagerungen scheinen  insbesondere  am  Flusse  Anhulah^,  welcher 
in  die  S.  Augustinus  Bucht  mündet,  reich  an  Versteinerungen 
zu  sein.^^ 

Der  Ostküste  fehlt  ein  solcher  Saum;  auf  dem  Flachlande 
derselben  erheben  sich  nur  einzelne  kleinere  vulcanische  Berge. 

So  weit  wir  Madagascar  kennen,  bietet  es  grosse  Aehnlichkeit 
mit  Südafrika  und  mit  Ostindien.  Die  langen  und  scharf  ausge- 
prägten parallelen  Stufen,  welche  mit  gegen  NNO.  streichenden 
Abfällen  das  Hochland  abgrenzen,  geben  demselben  die  Merkmale 
eines  alten  Horstes.  Auf  demselben  liegen  die  Sandsteine  des 
Isälogebirges,  von  Nossi-B^  und  anderen  Orten,  deren  Alter  un- 
bekannt ist.  Vulcane  sind  dem  Hochlande  aufgesetzt  wie  der  böh- 
mischen Masse  oder  dem  französischen  Centralplateau.  Der  meso- 
zoische und  eocäne  Gürtel  gehört  nur  dem  Westen  und  Süden  an 
und  fehlt  dem  Osten.  Es  ist  auffallend,  dass  in  Madagascar  wie 
in  Ostindien  der  Ablauf  der  Wässer  des  Hochlandes  einseitig  ist, 
und  dass  der  mesozoische  Gürtel  hier  wie  unter  den  Sahyädri  ge- 
rade an  jener  Seite  fehlt,  deren  Kante  die  Wasserscheide  bildet. 

Die  Seychellen,  weit  gegen  NNO.,  aber  genau  im  Streichen 
des  grossen  Horstes  gelegen,  bestehen  aus  Granit;^*  R^union, 
Mauritius  und  Rodriguez  sind  vulcanischen  Ursprunges. 

Uebersicht.  Es  besteht  eine  unleugbare  Aehnlichkeit  zwi- 
schen dem  Baue  des  südlichen  Afrika  und  jenem  der  indischen 
Halbinsel.  In  jedem  dieser  beiden  grossen  Gebiete  fehlt  seit  langer 
Zeit,  jedenfalls  seit  der  Carbonzeit  in  Afrika,  und  wohl  seit  ebenso 
langer  Zeit  in  Ostindien,  jede  Aeusserung  der  tangentialen  Kraft, 
jede  Faltung  des  Gebirges.  Es  sind  wahre  Tafelländer.  In  jedem 
derselben  lastet  auf  einer  älteren  Unterlage  eine  mächtige  Reihe 
von  nicht  marinen  Ablagerungen,  welche  von  der  permischen  bis 
in  die  rhätische  Zeit,  vielleicht  bis  in  den  Lias  reichen.  Durch 
diesen  langen  Zeitraum  hat  eine  Serie  gleichartiger  Landfloren, 
begleitet  von  eigenthümlichen  Reptilien,  in  beiden  Gebieten  gelebt. 


Lemuria. 


535 


Nun  folgt  Zusammenbruch.  Ein  neuer  Ocean  wird  gebildet  und 
neue  Umrisse  der  Festländer.  Im  Innern  bleiben  hohe  Tafelberge 
von  pflanzenführendem  Sandstein  zurück,  oder  Stücke  solcher 
Tafeln,  welche  in  Gräben  der  alten  Unterlage  versenkt  worden 
sind;  die  nachfolgenden  jüngeren  Bildungen  aber,  in  Afrika 
Meeresbildungen,  in  Ostindien  nach  der  Stufe  von  Ober-Gondwäna 
ebenfalls  Meeresbildungen,  lagern  sich  rings  in  tieferem  Niveau 
an  die  neuen  Brüche.  Aus  der  Tiefe  des  Oceans  ragt  mit  allen 
Merkmalen  eines  Horstes  die  grosse  Insel  Madagascar  hervor, 
ebenfalls  mit  Sandsteinschollen  auf  einem  granitischen  Sockel, 
und  ebenfalls  in  tieferem  Niveau  von  einem  Saume  mesozoischer 
Ablagerungen  begleitet. 

Der  Gedanke  an  den  einstigen  Zusammenhang  von  Südafrika 
und  Ostindien  ist  schon  bei  der  Erkenntniss  der  ersten  Grundzüge 
ihrer  Beschaffenheit  hervorgetreten,  und  er  hat  die  Unterstützung 
der  ausgezeichnetsten  Kenner  beider  Länder,  wie  Stow  in  Afrika  und 
H.  F.  Blanford  undGriesbach  in  Indien,  bereits  vor  Jahren  gefunden.^^ 

Mit  Recht  fragt  Stow  im  Angesichte  der  mächtigen  Schichten- 
köpfe von  Karoo-Sandstein,  welche  an  so  vielen  Stellen  frei  dem 
Meere  zugekehrt  sind,  wo  denn  die  Umrahmung  des  weiten  Beckens 
sei,  in  welchem  sich  diese  Tausende  von  Füssen  pflanzenführendef 
Sandsteine  gesammelt  haben.  Blanford  weist  in  Indien  darauf  hin, 
dass  die  vulcanischen  Ergüsse  des  Dekkan  gegen  Osten  horizontal 
liegen,  dagegen  in  jenem  Theile  der  Sahyädri,  welcher  dem  Meere 
zugewendet  ist,  sich  so  sehr  seewärts  neigen,  dass  Bombay  Island 
im  Meeresniveau  auf  den  höheren  Theilen  derselben  steht.^  Eben- 
so verweisen  Medlicott  und  Blanford  auf  die  Verschiedenheit  der 
Kreideablagerungen  von  Bägh  und  von  Trichinopoly.^^ 

Auf  einem  ganz  anderen  Wege,  nämlich  durch  die  Verglei- 
chung  der  Verbreitungsgebiete  heutiger  Lebensformen,  sind  her- 
vorragende Zoologen  zu  der  Hypothese  von  dem  Bestände  eines 
Continentes  an  der  Stelle  eines  grossen  Theiles  des  westlichen 
indischen  Oceans  gelangt,  und  es  wurde  diesem  versunkenen  Fest- 
lande der  Name  ,Lemuria'  gegeben.  Andere  Zoologen  haben  diese 
Annahme  verworfen,  und  die  beträchtliche,  vielfach  unter  2000  bis 
260Ü  Faden  sinkende  Tiefe  des  Meeres  in  der  Nähe  von  Madagascar 
wurde  als  ein  wesentlicher  Grund  gegen  dieselbe  angeführt. 


Sucss,  Da»  Antlitx  der  Krdc. 


^36  Quathlaraba  und  Sabyadri. 

Es  ist  jedoch  nicht  meine  Absicht,  hier  in  eine  Erörterung 
dieser  Meinungsverschiedenheiten  einzugehen,  deren  Ergebniss 
im  besten  Falle  nur  die  Beantwortung  der  weit  engeren  Frage 
sein  könnte,  ob  noch  in  der  heutigen  Fauna  und  Flora  die  Spuren 
eines  einstigen  Zusammenhanges  nachweisbar  seien.  Diese  die 
Geschichte  beider  Festländer  betreffende  Frage  muss  zuerst  an 
der  Beschafifenheit  der  Festländer  selbst,  ihrer  heutigen  Umgren- 
zung und  der  angelagerten  Zonen  geprüft  werden. 

Die  Analogie  der  Quathlambakette  im  Westen  und  der 
Sahyädri  im  Osten  ist  so  gross,  dass  sie  einer  Erläuterung  nicht 
bedarf.  Es  sind  die  grossen  Bruchränder  von  Tafelländern.  Im 
Einzelnen  sind  aber  die  heute  vorhandenen  Ränder  des  trockenen 
Landes  von  verschiedener  Beschaffenheit.  Die  Ostseite  der  indi- 
schen Halbinsel  hat  eine  nach  Unter-Gondwäna  beginnende,  bis 
über  die  obere  Kreide  reichende  Umrandung  von  sedimentären 
Ablagerungen.  Die  Westseite  hat  keine  solche  Umrandung  bis  hin- 
auf über  den  20.  Breitegrad.  Anders  ist  es  in  Madagascar;  dort 
fehlt  der  Ostseite  die  Umrandung,  sie  ist  aber  im  Westen  und 
Süden  vorhanden  und  reicht  von  Jura  oder  Neocom  bis  in's  Eocän. 
Wieder  anders  verhält  sich  das  südliche  Afrika.  Im  Osten  der 
Capcolonie  beginnen  die  Anlagerungen  mit  den  Schichten  von 
Uitenhage,  die  wir  zur  unteren  Kreide  gestellt  haben;  in  Kafifraria 
fehlt  eine  Anlagerung;  in  Natal  stellen  sich  höhere  Schichten  der 
Kreideformation  ein. 

Im  Ganzen  zeigt  die  Vertheilung  der  marinen  Formationen 
folgende  Umrisse : 

Der  mittlere  und  obere  Jura  dringen  mit  europäischen  Merk- 
malen bis  Mombas  in  Afrika  und  bis  Kachh  in  Ostindien;  ihr  Auf- 
treten an  der  Ostküste  von  Madagascar  ist  noch  unsicher.  Die 
jurassischen  Spuren  der  ostindischen  Ostküste  sind  auch  sehr  un- 
sicher und  gehören  vielleicht  der  folgenden  Stufe  an.  Die  untere 
Kreide  mit  südlichen  Merkmalen,  die  Stufe  von  Uitenhage,  erscheint 
an  der  Ostseite  der  Capcolonie  und  in  Spuren  an  der  Ostküste 
Ostindiens,  aber  es  sind  in  Kachh  und  der  Salzkette  einige  Spuren 
(zwei  Trigonien)  vorhanden,  welche  möglicher  Weise  ein  Ueber- 
greifen  dieser  südlichen  Entwicklungsform  in  die  nördliche  Region 
andeuten. 


(ircn/cn  der  Meere.  537 

Zur  Zeit  der  mittleren  und  oberen  Kreide  kommt  breites 
ofifenes  Meer  von  Europa  über  die  Wüste,  über  Arabien,  vielleicht 
über  Somali  her  und  die  Ablagerungen  der  südeuropäischen  Kreide 
dringen  im  Narbadathale  in  das  Innere  des  ostindischen  Tafel-, 
landes.  Im  Süden,  in  Natal  und  in  Trichinopoly  und  gegen  NO. 
weit  hinauf  bis  an  das  Plateau  von  Shillong  zwischen  Brahmaputra 
und  Ganges,  ist  auch  mittlere  und  obere  Kreide  vorhanden,  doch 
in  einer  verschiedenen,  südlichen  Entwicklungsform.  Einzelne 
Arten  stimmen  überein,  die  grosse  Mehrzahl  ist  verschieden.  Es 
ist  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  zu  jener  Zeit  keine  ganz  freie 
Verbindung  zwischen  dem  Nordwesten  und  dem  Südosten  vor- 
handen war. 

Zur  Eocänzeit  dringt  immer  noch  offenes  Meer  über  Arabien 
vor;  die  nummulitenführenden  Schichten  reichen  bis  Kachh  und 
Guzerat,  und  ostwärts  erreichen  sie  über  das  Gebiet  der  Salzkette 
und  des  Himalaya  im  Shillongplateau  das  Gebiet  der  südlichen 
Kreideformation,  welche  sie  überlagern;  von  dort  ziehen  sie  weit 
gegen  SO.  Südwärts  dringen  sie  bis  an  die  NW.-Küste  von  Mada- 
gascar  vor,  aber  dem  südöstlichen  Afrika,  dem  östlichen  Mada- 
gascar  und  der  ganzen  W. -Küste  von  Ostindien  südlich  von 
Guzerat  und  der  ganzen  O. -Küste  blieben  sie  dennoch  fern ; 
die  mit  Zweifel  dem  Eocän  zugezählten  Ablagerungen  von  Räjah- 
mundry  am  unteren  Godävari  weichen  zu  sehr  von  dem  gewöhn- 
lichen Typus  ab,  um  in  Betracht  zu  kommen.  —  Es  müssen  daher 
wohl  auch  seit  der  Eocänzeit  wichtige  Veränderungen  in  den  Um- 
rissen der  Festländer  eingetreten  sein. 

Die  Folgerungen,  welche  mir,  selbstverständlich  unter  Vor- 
behalt ihrer  Abänderung  durch  neue  Beobachtungen,  heute  mög- 
lich erscheinen,  sind  die  folgenden : 

Ostindien,  Madagascar  und  Südafrika  tragen  die  gemein- 
samen Merkmale  eines  einst  vereinigten  Tafellandes.  In  Ostindien 
begann  Zusammenbruch  zwischen  Unter-  und  Ober-Gondwäna, 
d.  i.  wahrscheinlich  während  oder  nach  dem  Lias.  In  Südafrika 
ist  diese  Epoche  nicht  näher  zu  bezeichnen,  doch  ist  sie  jedenfalls 
später  als  die  Triasformation  und  früher  als  das  Neocom.  Seither 
ist  der  Einbruch  fortgegangen.  Zur  Zeit  der  mittleren  Kreide  war 
noch  eine  Grenze  von  SW.  gegen  NO.  vorhanden,  vielleicht  nicht 

35* 


CßS  Indischer  Einbruch. 

unähnlich  jener,  welche  heute  weiter  im  Norden  die  indische  und 
die  mittelländische  Fauna  trennt,  doch  war  die  Grenze  der  Fauna 
nicht  so  scharf  wie  heute.  Auch  zur  Eocänzeit,  wo  die  mittel- 
ländischen Ablagerungen  nach  Grandidier  bis  Madagascar  reich- 
ten, war  noch  irgend  eine  Scheidung  vorhanden. 

Die  aus  den  Sedimenten  derselben  cretacischen  und  tertiären 
Meere  gebildeten  Tafeln  Arabien's  und  der  Sahara  sind  heute  als 
trockenes  Land  sichtbar.  Es  ist  auch  auf  diesem  weiten  Gebiete 
die  Trennung  einer  aufsteigenden  und  einer  absteigenden,  oder 
einer  aufgelagerten  und  einer  angelagerten  Serie  wie  bei  Suez  zu 
unterscheiden,  deren  Grenze  allerdings  in  eine  weit  frühere  Zeit 
fällt.  An  späterer  Stelle  wird  zu  prüfen  sein,  ob  der  Einbruch 
so  grosser  Festländer  an  sich  ein  allgemeines  Sinken  der  Strand- 
linie und  daher  die  Blosslegung  der  Tafeln  herbeiführen  konnte. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  VI:  Das  gebrochene 

indische  Festland. 


»  Die  Küsten-  u.  Landes- Vermessung  der  Kap-Kolonie ;  Petermann's  geogr.  Mitth. 
1868,  S.  23,  24;  Taf.  Iir. 

2  A.  Geddes  Bain,  On  the  Geol.  of  S.  Africa;  Trans,  geol.  Soc.  1856,  2.  ser.  VII, 
p.  175  —  192,  pl.  XX,  XXI. 

3  E.  J.  Dünn,  Geol.  Sketch  Map  of  S.  Africa;  from  personal  Observations  com- 
bincd  with  those  of  MM.  A.  G.  Bain,  Wylie,  T.  Bain,  Atherstone,  Pinchin  in  Cape  Col., 
Sutherland  in  Natal  and  Mr.  E.  Button  N.  of  24''  lat.  (Fol.,  ohne  Jahreszahl). 

4  F.  V.  Hochstetter,  Beiträge  z.  Geol.  d.  Caplandes;  Reise  d.  österr.  Fregatte 
Novara;  Geol.  Theil,  II,  4«  Wien,   1866,  S.  28. 

5  Sutherland,  Notes  on  an  ancient  Boulder-Clay  of  Natal;  Quart.  Journ.  geol. 
Soc.  1870,  XXVI,  p,  514 — 516.  Die  ganze  Schichtfolge  der  Karoo  ist  am  ausführlichsten 
aufgeführt  von  Kup.  Jones  u.  Täte  nach  Bain,  eb.  das.  1867,  XXIII,  p.  142 — 149  u. 
njich  Wylcy  eb.  das.  p.  17 1  —  lyi. 

^  R.  Owen,  On  the  Skull  and  Dentition  of  a  Triassic  Mammal  (Tritylodon  long- 
aevus  Ow.)  from  S.  Africa;  Quart.  Journ.  geol.  soc.  1884;  Discuss.  p.  152. 

7  G.  W.  Stow,  On  some  l'oints  of  S.  African  Geol.;  Quart.  Journ.  geol.  5>oc.  1871, 
XXVII,  p.  497—548,  insb.  p.  531. 

^  C.  L.  Griesbach,  On  the  Geol.  of  Natal;  eb.  das.  1871,  XXVII,  p.  53—72, 
pl.  TI,  III. 

9  R.  Pinchin,  A  short  Description  of  the  Geol.  of  Part  of  the  East.  Prov.  of  the 
Colony  of  the  Cape  of  Good  Hope;  eb.  das.  1875,  XXXT,  p.  106— 108,  pl;  IV. 

»o  Rubridge,  On  some  Points  in  the  Geol.  of  South-Africa,  eb.  das.  1859,  XV, 
p.  195  —  198. 

"  G.  W.  Stow,  Geol.  Notes  upon  Griqualand  West;  eb.  das.  1874,  XXX,  p.  58 1 
—  682,  pl.  XXXV— XXXIX;  auch  E.  Cohen,  Brief  im  Neu.  Jahrb.  f.  Mineral.  l£73, 
S.  52  —  56  u.  Andr.  A.  Anderson,  Notes  on  the  Geography  of  S.  Centr.  Africa,  in 
Explanation  of  a  New  Map  of  the  Region;  Proc.  Roy.  Geogr.  Soc.  1884,  VI,  p.  19 — 36 
u.  Karte. 

>-  C.  L.  Griesbach,  Geol.  Durchschnitt  durch  Südafrika;  Jahrb.  geol.  Reichs- 
anst.  1870,  XX,  S.  501  —  504,  Taf.  XIX,  u.  vollständiger  am  ang.  Orte  Quart.  Journ. 
1S75,  XXXT. 

U  K.  Cohen,  Erläut.  Bemerkungen  zu  d.  Routenkartc  einer  Reise  von  Lydenburg 
nach  (1.  Goldfeldern  u.  von  Lydenburg  nach  d.  Delagoa-Bay;  8«   1875. 

14  Ant.  Rehmann,  Das  Transvaal-Gebiet  d.  südl.  Afrika  in  phys.-geogr.  Be- 
ziehung; Mitth.  geogr.  Ges.  Wien,  i883,  XXVI,  S.  257 — 266,  321  —  362,  369—395, 
417 — 44.^;  Karte  u.  2  Taf.;  auch  F.  Jeppe,  Die  Trans vaaFsche  od.  Südafrikan.  Re- 
publik;   Petcrm.  geogr.  Mitth.  Ergänzungsheft    XXIV,    1868    mit    der    Karte    von    Jeppc 


540  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  VI.    Das  j^cbrochene  ind.  Fe^tland. 

u.  Merensky;    femer:    Jeppe,    Notes    on    some   of  the  Phys.  and    Gcol.  Features   of  the 
Transvaal;  Journ.  Geogr.  Soc.  1877,  XLVII,  p.  217 — 250  u.  Karte. 

»5  J.  J.  Machado,  Caminho  de  Ferro  de  Louren^o  Marques  d  Fronteira  de  Trans- 
vaal; Bolet.  Soc.  geogr.  Lisbon,   1880,  2.  Ser.,  2,  p.  67 — 104;  insb.  p.  89. 

»6  z.  B.  Lee  in  Geol.  Magaz.  1879,  2.  ser.  VI,  p.  192. 

«7  E.  J.  Dünn,  On  the  Mode  of  Occurrence  of  Diamonds  in  S.  Afr.;  Quart.  Journ. 
geol.  Soc.  1874,  XXX,  p.  54 — 60;  M.  Chaper,  Note  sur  la  Region  diamantifere  de  TAfr. 
austr.  80  Paris,  1880,  insbes.  p.  42  u.  folg.;  E.  Cohen,  Ueb.  die  südafrik.  Diamant- 
felder; 80  i883,  S.  5  (aus  d.  V.  Jahresber.  d.  Vereines  für  Erdkunde  zu  Metz  für   1882). 

18  A.  Hübner,  Geogr.  Skizzen  aus  Südost-Afrika;  Peterm.  Geogr.  Milth.  1872, 
XVIU,  S.  422— 431,  Taf.  XXI. 

"9  I.ivingstone  u.  Thornton,  Berichte  im  Journ.  geogr.  Soc.  1861,  XXI,  p.  261, 
291  u.  an  and.  Ort.;  H.  Kuss,  Note  sur  la  constit.  geol.  d'unc  partie  de  la  Zambcsie; 
Bull.  soc.  giol.  1884,  3.  s^r.  XII,  p.  3o3  — 3i7,  u.  geol.  Karte. 

20  Jos.  Thomson,  Notes  on  the  Basin  of  the  River  Rovuma,  East  Africa;  Proc. 
geogr.  Soc.  1882,  new  ser.  IV,  p.  65 — 79  u.  Karte. 

"21  Ders. :  To  the  Central  Afric.  Lakes  and  Back;  8©  1881;  Appendix  III.  Notes 
on  the  Geol.  of  East  Centr.  Africa,  vol.  II,  p.  299 — 3o7  u.  geol.  Karte. 

22  H.  M.  Stanley,  Durch  den  dunkeln  Welltheil  (deutsche  Ausg.  v.  Böttger),  80 
1878,  II,  S.  37:  »Die  Kurungw6-Spilze  besteht  aus  senkrechten,  50  bis  200  Fuss  hoch 
aus  dem  See  emporsteigenden  Wänden  aus  einem  schönen  röthlichen  Sandstein  mit  hori- 
zontalen Schichten.  Ihr  eigenthümliches  Aussehen  kann  man  sich  vorstellen,  wenn  man 
die  Bootsmannschaft  ausrufen  hört:  „O,  Mutter,  dies  ist  eine  Festung!  Sich,  dort  sind  die 
Fenster  und  hier  ist  eines  der  Thore!**  Kirungwd  erscheint  wie  ein  hoch  anschwellender 
Bergrucken,  der  bis  zu  einer  unbekannten  Tiefe  gerade  durchgeschnitten  ist.  Wenn  wir 
die  Skizze  des  „Hohen  Platzes  des  Geistes  Mtombwa",  der  auf  der  gegenüberliegenden 
Seite  des  See's  liegt,  scharf  ansehen,  so  halten  wir  die  Annahme  für  begründet,  dass 
dieser  Bergrücken  einst  eine  Fortsetzung  der  Hochebene  von  Marungu  bildete,  da  die 
Felsen  aus  demselben  Material  bestehen  u.  beide  Seiten  des  See's  die  ganz  ähnlichen  Re- 
sultate eines  plötzlichen  Einsinkens  ohne  Störung  oder  Verschiebung  der  Schichten  zeigen.** 
Auch  Jos.  Thomson,  On  the  geogr.  Evolution  of  the  Tanganyika  Basin;  Rep.  Brit. 
Assoc.  Southampton,  1882,  p.  622,  623.  Hiebei  mag  an  die  aufiallend  marinen  Gestalten 
unter  den  Conchylien  des  Tanganyika  und  an  das  Vorkommen  der  cretacischen  Gattung 
Pyrgulifera  in  demselben  erinnert  sein;  Tausch,  Ueb.  einige  Conchyl.  aus  d.  Tangauyika- 
See  und  deren  foss.  Verwandte;  Anzeig.  Ak.  Wien,  1884,  S.  i3ü.  —  Nahe  der  NW.-Seite 
des  Nyassa,  auf  dem  archaischen  Plateau,  hat  kürzlich  Drummond  Ablagerungen  von 
wahrscheinlich  lacustrem  Ursprünge  mit  Fischen,  Mollusken  und  Blättern  angetroflen; 
Nature,  10.  April  1884,  p.  5^1. 

23  Osk.  Lenz,  Geol.  Karte  von  West- Afrika;  Peterm.  geogr.  Mitth.  1882,  Taf.  I. 

24  Giebel,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturw.  1876,  Bd.  48,  S.  58;  Lenz,  Geol.  Mitth. 
aus  West- Afrika;  Verh.  geol.  Reichsanst.  1878;  S.  148.  L.  Szajnocha,  Zur  Kenntuiss 
d.  mittel-cret.  Cephalop.  Fauna  auf  d.  Inseln  Elobi  in  W. -Afrika;  Denkschr.  Ak. 
Wien,   1884. 

25  (Lieut.  Wolf:)  Narrative  of  Voy.  to  explore  the  sh()re>  of  Africa,  Arabia  and 
Madagascar,  performed  in  H.  M.  Ships  Leven  and  Barracouta  (dircct.  by  Capt, 
W.  F.  W.  Owen)  8*^  Lond.  l833,  II  vol.,  p,  23l;  Versteinerungen  in  Sandstein  nordwärts 
von  der  Säule  des  Bartol.  Diaz  in  II "  53'  3"  o.  L.,  15"  40'  7"  s.  Br.  zwischen  Port 
Alexander  u.  Little  Fish  Bay;  auch  Journ.  geogr.  Soc.  i833,  III,  p.  217. 

2Ö  Stow  am  ang.  Orte,  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1871,  XXVII,  p.  497  u.  f(dg. ; 
für  die  Fauna  und  Flora  insb.  Kraus,  Ueb.  d.  geol.  Verhältnisse  d.  östl.  Küste  d.  Kap- 
landes; Amtl.  Bericht  üb.  d.  XX.  Versamml.  d.  Gescllsch.  deutsch.  Xaturforsch.  u.  Aerztc, 
Mainz,  1842  u.  Ralph  Täte,  (^n  some  secondary  Fossils  fr(mi  S.  Africa;  (jiiart.  Journ. 
geol.  Soc.  1867,  XXIII,  p.  139—175,  pl.  V— IX. 


AnmerkBDgcn  cn  Th.  11,  Abschn.  VI.   Das  gebrochene  ind.  FestUnd.  54I 

ayr,  Ueb.  einige  Fossil,  aus  d,  Uitenhage-Fonnation  in 
1881.  XLIV,  S.  167-276:  2  Taf. 

"*  Slow  hat  luch  Conchylien  der  Uilenhage-Serie  nach  England  geschickt,  welche 
angeblich  vom  Zambesi  stammen  (am  ang.  Orte  p.  505  Note);  Hr.  Holub  versichert  mich 
aber,  dass  diese  Stücke  von  Händlern  gebracht  worden  seien,  und  dass  dieser  Angabe  des 
Fundortes  kein  Gewicht  beizulegen  sei. 

'9  R.  J.  Garden,  Notice  of  some  Creiac.  Rocks  near  Natal,  S.  Afr.;  Quart  Joara. 
geol.  soc.  1855,  Xf,  p.  45J  u.  Will.  Baily,  Descript.  a(  some  cret.  Fossils  from  S.  Afr., 
eb.das.  p.  454-465;  pl.XI-XIII;  Griesbach  eb.  das.  1871,  XXVII,  p.  60— 70.  pl.  Hl; 
die  erste  Entdeckung  erfolgte  durch  Fynn  im  J.  1824;  am  Umtata-Flnsse,  weiter  gegen 
Süd,  sollen  fossile  Schildkrötenreste  vorkommen. 

30  Ose.  Fraas,  Württemb.  Jahresh.  1859,  XV,  S.  356;  E.  Beyrich,  Ueb.  jnras*. 
Ammoniten  von  Mombassa;   Mo  natsber.  Akad.  Berlin,  S.März,    1877,  S.  96— lo3. 

3'  H.  B.  Medlicott  and  W.  T.  Blaoford,  A  Manual  of  the  Geol,  of  India; 
8°  Calcutta,  1S79;  2  Bde.  8°  u.  Karte.  —  Bei  der  ganz  ausserordenOicheD  Schwierigkeit, 
eine  irgendwie  gleichartige  Orthographie  in  einer  Schrift  wie  die  vorliegende  zu  erzielen, 
habe  ich  es  für  ilna  Zw  eck  massigste  gehalten,  in  Indien  die  von  der  geol.  Landes-Auf- 
uahme  benutzte  Schreibweise  beizubehalten;  allerdings  ergeben  sich  hiebei  im  Norden 
neue  Schwierigkeilen,  insbesondere  in  BetrelT  der  Zischlaute;  io  dieser  Beziehung  bin  ich 
der  UebuDg  Richthofen's  (China,  I,  p.  XXI,  und  [70,  Note)  gefolgt,  doch  waren  In- 
conscquenzen  nicht  zu  vermeiden.  Selbst  das  metrische  Maass  liess  sich  dort,  wo  öfters 
eine  runde  Zahl  von  englischen  oder  russischen  aussen  genannt  ist,  nicht  strenge 
durchführen. 

1'  W,  Waagen,  Ueb.  die  geogr.  Vertheilung  d.  fossil.  Organismen  in  Indien; 
Denkschr.  Ak.  Wiss.  Wien,   1878,  XXXIX  b,  S.  I-2I  u.  Karte. 

3i  C.  A.  Hacket,  On  the  Geol.  of  the  Arvali  Region,  Centr.  and  Eastern;  Record» 
geol.  Surv.  Ind.  1881,  XIV,  p.  279— 3o3,  u.  Karte. 

31  W.  King  jun,.  On  the  Kadapah  and  Kamül  Fotmations  in  the  Madras  Pre- 
sidency;  Mcm.  gvo\.  Surv.  Iml,  1872,  VIII,  insb.  p.  259—265;  Rob.  Br.  Foote,  Sketch 
of  the  Work  of  the  Geol.  Survey  in  South.  India;  aus  d.  Journ.  of  the  Madras  Utet.  Soc. 
1982;  50  pp.  8";  insb.  p.   18. 

.15  W.  T.  Blanford,  Descr.  of  the  Geol.  of  Nigpür;  Mem,  g.  S.  Ind.  1872,  IX, 
p.  3;4,  Oldham's  Note  daselbst;  F,  Fedden,  On  the  Evidences  of  ,Ground-Ice"  in 
ttopical  India  during  the  Talchir  Period;  Rec.  g.  S.  Ind.  1875,  VIII,  p.  16— 18. 

jB  Ott.  Feistmantcl,  A  sketch  of  the  history  of  the  fossils  of  the  Indian  Gond- 
wana  System;  Journ.  As.  Soc.  Bengal,   1881,  vol.  L,  b,  p.  168—219. 

ii  W.  T,  Blanford,  On  the  Geol.  Strncture  and  Relations  of  the  Raniganj  Coal- 
Field,  Bengal;  Mem.  g,  S.  Ind.  1861,  III.  a;  insb.  p.  149  —  153. 

j8  T.  W.  H.  Hugucä,  The  Kuhurbarf  Goal  Field;  eb.  das.  1871,  VII,  insb. 
p.   222  u.  folg. 

in  Griesbach,  Geol.  of  the  Ramkola  and  Tatapani  Coal-Fields;  eb.  das.  1880, 
XV.  p.  141. 

10  Medlicott  and  Blanford,  Manual,  I,  p.  201;  auch  Hughes,  Notes  on  the 
South  Kewah  Gooilvi-ana  basin;  Records  g.  S.  Ind.  188I,  XIV,  p.  126— 138. 

41    M^inual.  I,  p.  215,   ="'>■ 

l'  Im  Tal cbir- Gebiete  am  Brihmani,  NW.  von  Kultack,  ist  der  N.-Rand  verworfen 
und  rlas  N.-Fallen  allgemein,  während  die  grosse  Godävary- Reihe  'durch  grade  u.  parallele 
Linien  hegrcn'.t.  in  ihrem  Innern  von  Verwerfungen  durchschnitten,  dennoch  ab  eine 
Ablagerung  zwischen  ursprünglich  parallelen  u.  gradlinigen  Ufern  dargestellt  wird, 
W.   Kin^',    The    Geol.   of   the   PrÄnhita-Godavari  Valley:    Mem.  g,  S.  Ind.   1881,    XYIE^ 


542  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  VI.    Das  gebrochene  ind.  Festland. 

43  W.  King,  General  Sketch  of  the  Geol.  of  the  Travancore  State;  Rec.  g.  S.  Ind. 
1882,  XV,  p.  87 — 93,  u.  dcss. :  The  W"arkilli-Beds  and  reported  assoc.  cieposits  at  Quilon; 
eb.  das.  p.  93  — 102;  K<irte.  Cullen's  ältere  Angaben  über  das  Vorkommen  von  Meeres- 
fossilien in  Kalkstein  bei  Quilon  habe  ich  wegen  der  vielfachen  Zweifel,  welche  sich  an 
diese  Angabe  knüpfen,  hier  gänzlich  übergangen. 

44  H.  F.  Blanford,  On  the  Cretac.  and  other  rocks  of  the  South  Arcot  and 
Trichinopoly  Distr.,  Madras;  Mem.  g.  S.  Ind.  1865,  IV,  p.  i— 217,  Karte;  F.  Stoliczka, 
Cretac.  Fauna  of  South.  India;  (Palaeontol.  Ind.)   1865  -1871. 

45  Medlicott  and  Blanford,  Manual,  I,  p.  292. 

46  R.  Br.  Foote,  On  the  Geol.  of  parts  of  the  Madras  and  North  Arcot  Distr. 
lying  North  of  the  Palar  River;  Mem.  g.  S.  Ind.  1873,  X,  p.  63 — 124;  \V.  Waagen, 
Jurassic  Fauna  of  Kutch  (Palaeont.  Ind.)  I,   p.  236  u.  ders.:  Geogr.  Vcrbr.  foss.  Org.  S.  12. 

47  R.  Br.  Foote,  On  the  geol.  Structure  of  the  Fast.  Coast  from  Lat.  150  North w. 
to  Masulipatam;  eb.  das.  1880,  XVI,  p.  49—84,  Karte. 

48  W.  King,  The  Upp.  GondwÄna's  and  other  Formations  of  the  Coastal  Region 
of  the  Godävari  Disfr.;  eb.  das.  1880,  XVI,  p.  195—264;  Karte. 

49  V.  Ball,  On  the  ^Atgarh  Sandstones "  near  Cuttack;  Rec.  g.  S.  Ind.  1877,  X, 
p.  63 — 68,  Karte,  u.  O.  Feistmantel,  On  some  foss.  Plauts  from  the  Atgarh  Sandstones, 
eb.  das.  p.  68 — 70. 

50  V.«Ball,  Geol.  of  the  Rajmehal  Hills;  Mem.  g.  S.  Ind.  1877,  XIII,  p.  155—248, 
Karte;  insb.  p.  221. 

51  Th.  Oldham,  On  the  geol.  Structure  of  a  Portion  of  the  Khasi  Hills,  Bcngal; 
Mem.  g.  S.  Ind.  1858,  I,  p.  99 — 210,  Karte;  H.  B.  Medlicott,  The  Coal  of  Assam;  eb. 
das,  1865,  IV,  p.  387—442  und  Geol.  Sketch  of  the  Shillong  Plateau  in  N.  E.  Bengal; 
eb.  das.  1871,  VII,  p.  151 — 207,  Karte,  insb.  das  Sammelprofil  auf  S.  154,  ferner  Records 
g.  S.  Ind.  1874,  VII,  p.  61;  H.  H.  Godwin-Austen,  Notes  to  accomp.  a  Geol.  Map  of 
a  Portion  of  the  Khasi  Hills  near  long.  91°  E. ;  Journ.  As.  Soc.  Beng.  1869,  XXXVHI, 
b,  p.  I — 27,  Karte,  u.  Notes  on  the  Geol.  and  Phys.  features  of  the  Jaintia  Hills,  eb.  das. 
p.  151  — 156;  Medlicott  and  Blanford,  Manual,  II,  p.  682 — 7o3;  T.  D.  La  Touche, 
The  Daranggiri  Coal  field,  Garo  Hills,  Assam;  Rec.  g.  S.  Ind.  1882,  XV,  p.  175  —  178,  Karte. 

5^  Malle t  hat  eine  solche  Kuppe  von  Hornblendeschiefer  am  linken  Ufer  des 
Raidak -Flusses  in  870  47'  nur  wenige  hundert  Ellen  von  den  steilgcstelltcn  Tertiär- 
schichten der  Vorketten  der  Himalaya  angetroffen;  On  the  Geol.  and  Min.  Resources  of 
the  Ddrjüing  District  and  the  Western  Duars;  Mem.  g.  S.  Ind.  1875,  ^I»  P-  44- 

53  Neumayr,  Die  Intertrappean  Beds  im  Dekan  u.  die  Laramicgruppe  im  westl. 
Nordamerika;  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1884,  a,  S.  75,  76;  Duncan  in  Medlicott,  Ann.  Rep. 
for  1883;  Records  g.  S.  Ind.  1884,  XVII,  p.  7. 

54  Medlicott  and  Blanford,  Manual,  p.  3oo. 

55  W.  T.  Blanford,  On  the  Geol.  of  the  Taptee  and  low.  Nerbudda  Valleys;  Mem. 
g.  S.  Ind.  1869,  VI,  p.  163—384;  hiezu  Karte  PL  I. 

56  Edm.  Naumann,  Ueb.  d.  Vorkommen  d.  Kreideformation  auf  der  Insel  Yezo 
(Hokkaido),  8»  Yokohama,  1880;  Mittheil.  d.  deutsch.  Gesellsch.  f.  Nutur-  und  \7>lkerkunde 
Ostasiens,  Heft  XXI;  19  SS.  —  Szajnocha's  Bemerkung,  dass  Schloenb.  intlata  von  der 
äquatorialen  Westküste  Afrika' s  in  der  Varietät  der  Kreide  von  l'ondichery  auftrete,  ist  vor- 
läufig zu  vereinzelt,  um  einen  Schluss  auf  die  westliche  Ausdehnung  dieses  Meeres  zu 
gestatten. 

57  A.  B.  Wynne,  Memoir  on  the  Geol.  of  Kutch;  Mem.  g.  S.  Ind.  1872,  p.  1—293, 
Karte;  Waagen,  Jurassic  Fauna  of  Kutch,  vol.  I,  1875  (Palaeont.  Ind.);  Einleitung  u. 
p.  224—238. 

58  Die  Reihenfolge  der  in  Kachh  nachgewiesenen  europäischen  Horizonte  ist: 
Putchum-Gruppe  =  Gross-Oolith  (unten  Trigonia,  Corbula  U.A.;  oben  Oppelia  serrigera); 
Zone  des  Stephanoceras   macrocephalum,  —  des  Perisph.  anceps,  —   des  Peltoc.  athleta,  — 


Anmerkungen  zu  Th.  TI,  Abschn.  VI.   Das  gebrochene  ind.  Festland.  543 

des  Amalth.  Lambert!  und  des  Am.  cordatus,  —  des  Peltoc.  transversarium,  —  des  Peltoc. 
acanthicum  (Katrol  Sandstein  =  Mombas  in  Ostafrika);  —  auf  diesem  liegt  die  Unter- 
Region der  Umia-Gruppe,  mit  Arten  des  Tithon  und  der  Portland-Schichten  (Waagen  p.  234). 
Nun  folgt  eine  grosse  Mächtigkeit  von  pflanzenfiihrenden  Schichten.  Der  Umia-Horizont 
zeigt  Aehnlichkeit  mit  den  afrikanischen  Ablagerungen  von  Uitcnhage;  Trigonia  ventricosa 
von  Uitenhage,  welche  mit  Trig.  Smeei  an  der  Ostküste  erscheint,  kommt  hier  vor,  und 
Trig.  Smeei  erscheint  noch  hoch  in  den  pflanzenführenden  Ablagerungen  (Manual,  p.  259). 
Ueber  denselben  liegen  an  einer  Stelle  noch  Apt-Schichtcn.  Dies  entspricht  vollkommen 
dem  an  früherer  Stelle  über  das  Alter  der  Schichten  von  Uitenhage  Gesagten. 

59  Alfr.  Grandidier,  Madagascar;  Bull.  soc.  g^ogr.  Paris,  1871,  6.  s^r.  I,  p.  81  — 108, 
Karte;  1872,  6.  s^r.  III,  p.  369 — 37 1;  La  province  d'Imerina;  eb.  das.  i883,  7.  s6r.  IV, 
p.  242  —  249  u.  Karte  u.  an  viel.  and.  Orten;  Jos.  MuUens,  On  the  Central  Provinces  of 
Madag.;  Proc.  geogr.  Soc.  London,  1875,  XIX,  p.  181  —  205  ^*  Journ.  geogr.  Soc.  1875, 
XLV,  p.  128—152,  Karte;  Recent  Journeys  in  Madag.,  eb.  das.  1877,  XL VII,  p.  47 — 72, 
Karten;  W.  Deans  Cowcn,  Geogr.  Excursions  in  South  Ccntr.  Madag.;  Proceed.  geogr. 
Soc.  1882,  new  ser.  IV,  p.  521 — 537,  Karte;  J.  Sibree,  The  great  Afric.  Island,  Chapters 
on  Madagascar;  8^  Lond.  1880. 

60  Co  wen  am  ang.  Orte,  p.  53o;  es  sollen  Fossilien  in  dem  Sandstein  enthalten 
sein,  leider  sind  sie  nicht  näher  bekannt;  Sibree  an  ang.  Orte  S.  34  beschreibt  geschich- 
teten gelben  Sandstein  am  Flusse  Betsiboka;  Buckland  erwähnte  schon  vor  langen  Jahren 
den  „New  Red  Sandstone**  von  Port  Louquez  im  N.  der  Insel ;  Trans,  geol.  Soc.  V,  p.  478. 

61  Auch  an  der  NO.-Küste  traf  Coignet  nur  Granit  und  Basalt,  sowie  eine  geringe 
jüngere  Anlagerung  von  möglicher  Weise  tertiärem  Alter;  F.  Coignet,  Excurs.  sur  la 
Cote  NE.  de  ITle  de  Madag.;   Bull.  soc.  geogr.  Paris,   1867,  5.  sdr.  XIV,  insb.  p.  279  u.  folg. 

62  F.  Herland,  Essai  sur  la  topogr.  de  Nossi-Be,  sur  sa  constit.  g^ol.  etc.;  Revue 
Coloniale,  Avril  1856;  25  pp.  u.  geol.  Karte  von  Nossi-Be  und  Nossi-Kuma;  vgl.  auch 
Ann.  d.  Mines,  1856,  5.  scr.  VIII.  Der  Sandstein  von  Nossi-B6  dürfte  wohl  derselbe  sein, 
welchen  Guillemin  an  der  NW.-Küste  als  kohlenführend  beschrieben  hat.  E.  Guillemin, 
Note  sur  une  Exploration  geol.  h.  Madagascar  pend.  Tann.  1863;  Ann.  d.  Mines,  1866, 
6.  ser.  X,  p.  277—319;  vgl.  auch  eb.  das.  1854,  5.  ser.  VI,  570—576  für  Kohle. 

63  Fischer,  Note  sur  la  g6ol.  du  Sud  de  Madagascar;  Bull.  Soc.  g^ol.  1868,  2.  s6r. 
XXV,  p.  398—400;  eine  Nerinaca  mit  breiter  Basis,  welche  Fischer  für  cretacisch  hält; 
ferner  Compt.  rcnd.  1876,  LXVI,  p.  ui,  Phylloceras,  Lytoceras  u.  Cosmoceras,  welche  für 
jurassisch  gelten;  Sibree  am  ang.  Orte  p.  53:  Von  Rev.  Richardson  im  J.  1877  in  grosser 
Menge  im  obern  Theile  des  S.  Augustine's  River  (-=  Anhulahe)  angetroffen;  darunter 
Ammonitcs,  Nerinaea,  Terebratula  u.  And. 

64  L.  Pelly,  On  the  Island  of  Mahi;  Journ.  geogr.  Soc.  1865,  XXXV,  p.  23 1: 
„Eine  Granit-Bildung,  aufragend  in  der  Mitte  einer  weiten  Schale  von  Korallenbildung ;**  — 
Ch.  Vtilain,  Mission  de  S.  Paul,  40  1879,  p.  440—451.  —  Alle  Seychellen  bis  auf  zwei 
sind  Granit,  sagt  Wolf,  Baracouta,  II,  p.  165. 

^5  W.  Stow:  On  the  probable  Existence  of  an  ancient  Southern  Continent;  Quart. 
Journ.  geol.  Soc.  1871,  XXVII,  p.  546—548;  H.  F.  Blanford:  On  the  Agc  and  Cor- 
relations  of  the  Plantbearing  Series  of  India  and  the  former  Existence  of  an  Indo-Oceanic 
Continent;  cb.  das.  1875,  XXXI,  p.  5 19 — 542,  pl.  XXV,  u.  an  and.  Orten. 

oö  Ein  l'rofil  dieser  Art  gibt  schon  Clark,  eb.  das.  1847,  ^^I»  P-  222. 

^V  Manual  Geol.  Ind.  I,  p.  297. 


SIEBENTER  ABSCHNITT. 


Die  indischen  Behaarungen. * 


Die  iranischen  Aussenkctten.   —    Die  Salzkette.  —    Die  tertiären  Ketten.  —    Der  westliche 
Himalaya — Mustagh  und  Kuen-lun.  —  Hindu  Kush  und  Pdmir.  —  Der  östliche  Himalaya. 

—  Burmahi  Malakka,  Sumatra.  —  Ucbersicht. 


seitdem  A.  v.  Humboldt  und  Carl  Ritter  uns  die  ersten  Grund- 
lagen einer  Geographie  von  Inner- Asien  gaben,  sind  ruhmwürdige 
Anstrengungen  gemacht  worden,  um  den  Verlauf  und  den  Bau 
der  grössten  Hochgebirge  der  Erde  genauer  festzustellen.  Erst 
in  den  letzten  Jahren  hat  F.  v.  Richthofen  die  Structur  des  nörd- 
lichen China  dargelegt,  hat  Przewalsky  in  kühnen  Reisen  einen 
grossen  Theil  von  Tibet  erschlossen,  wurde  durch  vereinte  Be- 
mühungen die  Anordnung  der  gedrängten  Ketten  des  Pamir  er- 
mittelt, und  hat,  als  die  PVucht  jahrelanger  Aufopferung,  Lydekker 
die  geologische  Karte  des  westlichen  Himalaya  vom  Tieflande  des 
Indus  bis  zu  den  Gletschern  des  namenlosen  Riesenberges  K.  in 
der  Mustäghkette  veröffentlicht. 

Nichtsdestoweniger  ist  auch  heute  noch  die  Kenntniss  von 
einem  grossen  Theile  dieser  Hochgebirge  eine  äusserst  unvoll- 
ständige, und  es  ist  daher  umsomehr  geboten,  von  dem  Bekann- 
teren auszugehen  und  zurückhaltend  zu  bleiben  in  den  Folgerungen. 
Dieser  Abschnitt  behandelt  den  in  Bezug  auf  seinen  Bau  am  ge- 
nauesten bekannten  Theil  der  asiatischen  Hochgebirge,  und  den- 
noch fehlt  es  auch  hier  nicht  an  Lücken. 


Hochspitzen  des  Himalaya.  54^ 

Dieses  Gebiet  umfasst  die  mächtigsten  Gebirgszüge  und  die 
höchsten  Berggipfel  der  Erde.  Ihre  Höhenzififern  sind  nur  mit 
Vorbehalt  zu  nennen,  weil  die  Meinung  hervortritt,  dass  alle  bis- 
her ermittelten  Ziffern  wegen  einer  in  dem  Refractions-Coefficienten 
erforderlichen  Richtigstellung  unter  der  Wahrheit  liegen,  und  es 
ist  auch  wahrscheinlich  geworden,  dass  NW.  vom  Gaurisänkar 
noch  höhere  Spitzen  aufragen  als  alle  bisher  gemessenen.' 

Die  höchsten  bekannten  Gipfel  erheben  sich  nicht  allzu  fern 
von  dem  Tieflande  des  Ganges  in  der  südlichsten  Gneisskette  des 
Himalaya,  und  der  Gegensatz  zwischen  Hochspitzen  und  Tiefland 
fällt  zusammen  mit  einem  scharf  ausgeprägten  Gegensatze  zwi- 
schen gefalteten  Ketten  und  gebrochenem  Tafellande.  Zugleich 
ist  hier  einige  Gelegenheit  geboten,  um  das  Verhältniss  grosser 
gefalteter  Ketten  zu  einander,  die  Art  ihrer  Schaarung,  zu  ver- 
folgen. 

Das  Tafelland  wurde  in  dem  vorhergehenden  Abschnitte  be- 
sprochen ;  dort  wie  hier  bilden  die  trefflichen  Arbeiten  der  geo- 
logischen Landesaufnahme  in  Indien  den  ersten  und  wichtigsten 
Ausgangspunkt ;  ich  hätte  aber  trotz  des  überreichen  Inhaltes  ihrer 
Berichte  eine  so  schwierige  Aufgabe  nicht  zu  versuchen  gewagt, 
ohne  manche  gütige  Unterstützung  von  Seite  massgebender,  eng- 
lischer wie  russischer  Fachgenossen,  wie  sich  dies  nicht  nur  aus 
dem  Inhalte  dieses,  sondern  auch  des  nächstfolgenden  Abschnittes 
ergeben  wird.  — 

Die  Alpen  lehren,  dass  die  bogenförmigen  Aussenränder  der 
einzelnen  Aeste  weit  beständiger  in  Bau  und  Verlauf  sind  als  die 
Innenseiten ;  wir  beginnen  auch  hier  mit  den  Aussenrändern. 

Vier  Bogen  treten  gegen  die  indische  Halbinsel  vor. 

Der  erste  bogenförmige  Aussenrand  beginnt  in  den  kurdi- 
schen Bergen;  er  begrenzt  die  mesopotamische  Ebene,  folgt  dem 
persischen  Meerbusen,  wendet  sich  mehr  und  mehr  gegen  Ost, 
erreicht  die  Mündungen  des  Indus  und  zieht  von  hier  nordwärts, 
beiläufig  diesem  Strome  folgend,  in  die  Gegend  von  Tank,  NW. 
von  Dera  Ismail  Khan.  Dies  ist  der  Aussenrand  des  iranischen 
Bogens. 

Der  zweite  Aussenrand  weicht  in  seinem  Baue  von  jenem 
aller  anderen  Gebirge  der  Erde  ab.  Er  tritt  in  scharfer  Krümmung 


546  -Die  iranischen  Aussenketten. 

gegen  den  Indus  vor,  über  den  Berg  Sheikh  Budin  gegen  Puniäla, 
weicht  wieder  zurück  gegen  Kälabägh,  wo  er  vom  Indus  durch- 
brochen wird,  tritt  jenseits  des  Stromes  abermals  gegen  Süd  vor 
und  erreicht  in  der  Nähe  von  Jalalpur  den  Fluss  Jhelum.  Dies  ist 
die  Salzkette,  der  Aussenrand  des  Hindu  Kush.  Es  ist  das 
kürzeste  Randstück. 

Vom  Jhelum  streicht  der  Aussenrand  des  Himalaya  erst 
gegen  SO.,  dann  mehr  und  mehr  gegen  O.,  endlich  gegen  ONO. 
in  das  Thal  des  Brahmaputra  hinein,  wo  in  Assam  das  keil- 
förmige Plateau  von  Assam  vorliegt.  Dies  ist  das  dritte  Rand- 
stück. 

Aus  dem  Brahmaputrathaie  tritt  S.  vom  Plateau  von  Shillong 
ein  anderer  Gebirgsrand  hervor ;  zuerst  streicht  er  dem  Himalaya 
fast  parallel  gegen  WSW.,  dann  beugt  er  sich  gegen  SW.  und 
hierauf  ziemlich  rasch  gegen  S.,  durch  Arrakan  zum  Cap  Negrais, 
den  Andamanen  und  den  Nikobaren.  Wir  werden  die  Ketten, 
welchen  dieser  Rand  angehört,  hier  in  der  Regel  als  die  bur ma- 
nischen Ketten  bezeichnen,  aber  sie  sind  nur  ein  Theil  eines 
ausserordentlich  grossen,  gekrümmten  Zuges,  welcher  in  N.  und 
NNW.  Richthofen's  ,hinterindisches  System',  im  Süden  einen 
grossen  Theil  der  Sunda-Inseln  umfasst;  wir  nennen  sie  insgesammt 
den  malayischen  Zug. 

Die  iranischen  Aussenketten.  Der  westliche  Theil  der 
iranischen  Aussenketten  wird  von  hohen  Gebirgszügen  gebildet, 
welche  mit  südöstlichem  Streichen  sich  an  der  Ostseite  des  Tigris 
zum  persischen  Meerbusen  strecken  und  dann  eine  mehr  und  mehr 
östliche  Richtung  verfolgen.  Den  ganzen  gegen  SO.  ziehenden 
Theil  fassen  wir  unter  dem  Namen  der  Zagrosketten  zusammen. 
Loftus  hat  dieselben  nach  vielen  Richtungen  durchreist;  wir  folgen 
seinen  Berichten.^ 

In  der  Niederung  Mesopotamien's  taucht  da  und  dort  unter 
dem  Schwemmlande  eine  Reihe  flachgelagerter  Sedimente  von 
mitteltertiärem  Alter  hervor,  welche  als  die  gypsführende  Serie 
(gypsiferous  series)  bezeichnet  werden.  Ihre  Verbreitung  ist  eine 
sehr  grosse,  und  Loftus  hält  sie  für  übereinstimmend  mit  den 
Gyps-  und  Salzablagerungen  am  Wänsee,  welche,  wie  wir  früher 


Aussenrand  des  Zagros.  ^47 

sahen,  vielleicht  das  Aequivalent  der  Gyps-  und  Salzablagerungen 
der  Karpathen,  also  des  Schlier,  sind. 

Diese  gypsführende  Gruppe  besteht  aus  drei  Gliedern,  oben 
aus  einer  Ablagerung  von  Gerollen,  darunter  aus  mürbem,  rothem 
Kalksandstein,  endlich  aus  buntem  Thon  mit  Gyps  und  zuweilen 
mit  Salz.  Die  Asphaltvorkommnisse  der  Vorberge  des  Zdgros 
gehören  ihr  an. 

Gegen  den  östlichen  Rand  des  Schwemmlandes  erhebt  sich 
die  gypsführende  Gruppe,  und  sie  bildet  mit  gefalteten  und  auf- 
gerichteten Schichten  einen  breiten  Saum  an  dem  Fusse  des  Ge- 
birges auf  der  ganzen  Strecke  von  Jezireh-ibn-Omdr  oberhalb 
Mossul  in  36°  nördl.  Bn  bis  Käzerün  in  29°  47'.  Ihre  Schichten- 
köpfe ragen  frei  hervor  und  finden  ihre  Fortsetzung  in  den  ver- 
einzelten abgerissenen  Schollen,  welche,  in  Synclinalen  eingefaltet, 
hoch  oben  im  Gebirge  liegen,  so  in  Lüristän  im  Thale  des  Kerkhah, 
im  Pish-Küh  in  6000  Fuss,  und  zu  Kirrind,  westlich  von  Kerman- 
shah,  mit  schlecht  erhaltenen  Meeresconchylien  in  etwa  5500  Fuss. 

Unter  der  gypsführenden  Gruppe  folgt  in  grosser  Mächtigkeit 
der  Nummulitenkalk.  Er  bildet  hohe  und  viele  Meilen  lange  Falten- 
sättel, welche  von  tiefen  Querschluchten  durchschnitten  sind,  und 
da  und  dort  fast  unnahbare  ,Diz*  oder  Festungsberge.  Ein  Bei- 
spiel ist  der  mächtige  Ban-i-Zdrdah  zwischen  Bagdad  und  Sennah ; 
er  ist  gegen  SW.  durch  den  schroffen  Schichtenkopf  einer  auf- 
gebrochenen Antiklinale  begrenzt  und  gegen  NO.  durch  einen 
Bruch,  welcher  seine  ganze  Masse  als  den  vorderen  Theil  der 
nachfolgenden  Synclinale  von  dieser  abtrennte  und  absinken  Hess. 
Auf  diesem  Block  von  Nummulitenkalk  hat  Yezdijird,  der  Letzte 
der  Sassaniden,  den  letzten  Widerstand  gegen  die  Moslim  versucht. 

Der  Nummulitenkalk  erreicht  im  Zdgros  Höhen  von  mehr  als 
10.000  Fuss;  seine  Falten  ziehen  durch  das  ganze  Gebirge,  vom 
Norden  her  bis  südwärts  über  die  Ruinen  vcn  Persepolis  hinaus. 

Das  nächste  Glied  des  Gebirges  bildet  die  Kreideformation, 
in  der  Regel  ebenfalls  harter  Kalkstein.  Sie  zieht  von  den  kurdi- 
schen Bergen  durch  Lüristän,  erreicht  in  den  Bdkhtiydribergen 
grosse  Entwicklung  und  streicht  weiter  gegen  SO.  Blauer  Kalk- 
stein, welcher  die  Unterlage  des  Kreidekalkes  bildet,  mag  viel- 
leicht einer  älteren  mesozoischen  Gruppe  angehören,  doch  spricht 


54^  Zagros. 

dies  Loftus  nur  als  Vermuthung  aus,  und  spätere  Beobachter,  wie 
Blanford,  bezweifeln  es.'  An  einer  einzigen  Stelle,  mitten  in  den 
BäkhtiyÄribergen  wurde  in  grauem  Kalkstein  eine  Orthis  von 
devonischem  oder  silurischem  Alter  getroffen.  Endlich  erscheinen 
als  Unterlage  air  dieser  Schichten  in  dem  östlichen  Theile  des 
Gebirges  archaische  Schiefergesteine;  sie  begleiten  eine  grosse 
granitische  Zone,  welche,  aus  NW.  herabstreichend,  am  Ostrande 
des  Gebirges  gegen  die  Ebene  den  mächtigsten  Stock,  den 
13.780  Fuss  hohen  Elwend  bildet  und  von  dort  ununterbrochen 
bis  in  die  niedrige  Kette  von  Färäjäbad  in  ^2''  15'  nördl.  Er.  sich 
erstreckt. 

So  stellt  sich  die  Reihe  der  Zägrosketten  sammt  ihren  Fort- 
setzungen bis  Shiraz  als  ein  einseitiges,  durch  tangentiale  Be- 
wegung aus  NO.  gegen  SW.  gebildetes  System  paralleler  Falten 
dar.  Am  Ostrande  ragt  der  Granit  aus  Elwend  hervor,  umgeben 
von  altem  Schiefer;  gegen  West  folgen  die  Falten  des  Kreide- 
und  Nummuliten-Kalksteines  und  am  Aussenrande  gegen  die  Ebene 
die  aufgerichtete  gypsführende  Serie. 

Die  Schichtfolge  gleicht  ausserordentlich  jener,  welche  wir 
in  Arabien  und  in  Aeg}-pten  angetroffen  haben.  Es  besteht  in 
dieser  Beziehung  nicht  jener  Gegensatz  zwischen  dem  Zdgros  und 
seinem  Vorlande,  von  welchem  die  Alpen  ein  so  auffallendes  Bei- 
spiel geben,  und  man  wäre  versucht  zu  sagen,  die  Ketten  des 
Zägros  seien  nur  ein  gefaltetes  Stück  der  Wüstentafel. 

Innerhalb  der  Zägrosketten  ragen  noch  weitere  Züge  hervor, 
in  welchen  südöstliches  oder  ostsüdöstliches  Streichen  herrscht, 
und  an  der  Nordseite  des  hohen  Kohrud  zwischen  Käshän  und 
Isfahän  haben  Blanford  und  Tietze  Granit  angetroffen,  während 
die  Südseite  aus  Kalk  besteht.'* 

Es  soll  jedoch  hier  nur  der  Bau  des  äusseren  Saumes  Iran's 
betrachtet  werden;  dass  wir  denselben  weiter  gegen  SO.  zu  ver- 
folgen im  Stande  sind,  ist  insbesondere  Blanford  zu  danken,  wel- 
cher die  Küste  bis  Cap  Monze  hinab  an  vielen  Stellen  besucht, 
die  Randgebirge  von  Gwddar  auf  der  Reise  über  Jälk  und  Bampur 
gegen  Karmdn  gekreuzt  und  eine  ausführliche  Beschreibung  der 
Gebirgszüge  an  dem  rechten  Ufer  des  unteren  Indus  gegeben  hat, 
welche  den  südöstlichen Theil  des  iranischen  Randgebirges  bilden.*^ 


IUI.id,,hisla.,.  549 

Wir  lernen  hieraus,  dass  die  Küsten  von  einer  sehr  jungen, 
nur  20 — 25F.  über  den  heutigen  Strand  reichenden  Meeresbildung, 
dem  ,LitoraI  concrete'  umgeben  sind,  und  dass  als  nächst  älteres 
Glied  an  der  ganzen  Südküste  von  Makrän  horizontal  gelagerte 
Meeresbildungen  von  grosser  Mächtigkeit  bis  gegen  Cap  Monze 
sichtbar  sind,  welche  flach  über  die  äusseren  Mulden  und  Sättel 
des  Gebirges  hinübergreifen.  Diese  Ablagerungen  bezeichnet 
Blanford  als  die  Makrängruppe,  und  es  scheint  ihnen  hier  eine 
ähnliche  Stellung  zuzukommen,  vi'ie  der  IH.  oder  IV.  Mediterran- 
stufe im  Mittelmeerbecken ;  wahrscheinlich  sind  es  dieselben  jungen 
Meeresschichten,  welche  an  der  Nordküste  des  persischen  Meer- 
busens, insbesondere  auf  der  Insel  Karak  bei  Abushahr,  er- 
scheinen. 

Auf  den  Inseln  der  Strasse  von  Hormuzd  und  wahrscheinlich 
auch  auf  der  benachbarten  Küste  tauchen  unter  der  Makrdn- 
gruppe  buntgefärbte  Salzlager  mit  aufgerichteten  Schichten  her- 
vor, vermuthlich  die  Fortsetzung  der  gypsführenden  Gruppe 
Mesopotamien's. 

Landeinwärts  folgt  nun  Nummuliten-Kalkstein,  eocänerMergel 
und  Sandstein,  und  eine  grosse  Mächtigkeil  von  bleichem  Hippu- 
ritenkalk.  Sie  ziehen  von  Shiraz  gegen  SO.,  setzen  weit  und 
breit  die  gefalteten  Ketten  zusammen  und  reichen  in  Balüdshistdn, 
in  lange,  von  O.  gegen  W.  gerichtete  Parallelzüge  gereiht,  über 
Pi'shi'n  bis  Jälk  und  noch  viel  weiter.  Der  Kreidekalk  ist  stellen- 
weise von  Eruptivgesteinen  desselben  Alters  durchsetzt.  Gneiss, 
Glimmerschiefer  und  Talkschiefer  bilden  die  Unterlage;  sie  sind 
bei  Saiddbad,  SW.  von  Karmdn,  sichtbar  und  an  dem  Rande  der 
grossen  Ebene  von  Narmashi'r,  50  dass  Blanford  vermuthen  durfte, 
es  reiche  eine  einheitliche  Zone  derselben  vom  Elwend  durch  das 
ganze  Gebiet  des  Zägros  und  von  da  bis  an  die  Grenze  von 
Balüdshistän. 

Endlich  sind  jüngere  vulcanische  Bildungen  in  beträchtlicher 
Ausdehnung  vorhanden.  Sie  bilden  NO.  von  den  eben  erwähnten 
alten  Felsarten  von  Saiddbad  das  hohe  Gebirge  bis  in  die  Nähe 
von  Karmdn;  gegen  SO.  gehört  ihnen  der  14.600'  hohe  Kdh 
Häzär  bei  Rdyi'n  an;  sie  breiten  sich  zwischen  Bam  und  Bampur^ 
aus,  und  jenseits  dieser  Vorkommnisse  erheben  sich  die  beäd 


550  Laki  und  Khirthar. 

mächtigen,  aber  wenig  gekannten  Kegel  Kuh-i-Basmän  und  Kuh- 
i-Naushäda. 

Bis  nach  Baludshistän  ist  also  die  Structur  und  die  Gesteins- 
folge der  iranischen  Randketten,  so  weit  sie  uns  bekannt  sind,  die- 
selbe wie  im  Nordwesten.  Allerdings  liegen  einige  Anzeichen, 
insbesondere  in  den  orographischen  Aufzeichnungen  von  St.  John, 
vor,  welche  darauf  hindeuten,  dass  an  der  Strasse  von  Hormuzd 
zwei  bogenförmig  vortretende  Systeme  äusserer  Falten  aneinander- 
schaaren  und  dass  folglich  die  Gestalt  dieses  Meerestheiles  in  dem 
Verlaufe  der  Gebirgsfalten  und  dem  Verhältnisse  derselben  zu 
dem  arabischen  Vorlande  tief  begründet  sei;  in  dem  Streichen  der 
inneren  Ketten  ist  aber  eine  solche  Schaarung  nicht  bekannt.  Sie 
nähern  sich  mit  südöstlichem  Streichen  den  östlich  verlaufenden 
Ketten  des  Balüdshistän,  welche  die  Verbindung  mit  dem  Falten- 
gebirge von  Sind  herstellen.^ 

Das  Gebirge  am  unteren  Indus,  dessen  Bau  ebenfalls  haupt- 
sächlich durch  Blanford  bekannt  geworden  ist,  beginnt  mit  dem 
kurzen,  gegen  SW.  streichenden  Zuge,  welcher  am  Cap  Monze 
unter  das  Meer  taucht;  von  den  anderen  Zügen  nenne  ich  nur  die 
östlich  vortretende  Lakikette,  deren  nördliches  Ende  bei  Sehwän 
liegt  und  deren  Vorlagen  die  östliche  Beugung  des  unteren  Indus 
veranlassen,  und  die  lange,  mit  leichter  Krümmung  von  S.  gegen 
N.  aus  2(f  15'  bis  fast  28°  nördl.  Br.  verlaufende  Khirtharkette. 
Es  sind  dies  einfache  Falten  von  massiger  Höhe,  und  nirgends 
sind  ältere  als  cretacische  Gesteine  bekannt.  Noch  in  der  Laki- 
kette, gleichsam  im  Angesichte  der  alten  Tafel  der  indischen  Halb- 
insel, tritt  der  weisse  Hippuritenkalk  unter  den  nummulitenführenden 
Schichten  hervor ;  in  dem  südöstlichen  Theile  dieser  Höhenzüge 
erscheinen  bereits  die  äussersten  Ausläufer  der  Basalte  des  Dek- 
kan;  sie  haben  an  der  F'altung  theilgenommen.  Schichten  der 
mittleren  Tertiärzeit,  namentlich  die  marine  Gäjgruppe  und  die 
nicht  marine,  den  durch  ihren  Reichthum  an  Säugthierresten  be- 
kannten Siwalik's  des  Himalayarandes  entsprechende  Manchar- 
gruppe  sind  auch  gefaltet  und  bilden  einen  guten  Theil  dieser 
Höhenzüge;  aber  die  noch  jüngere,  flach  gelagerte,  marine  Makrdn- 
gruppe  reicht  nicht  bis  Cap  Monze  und  ist  im  Industhale  nicht 
bekannt.^ 


Kandahar.    Takht-i-Suliman.  551 

Auch  in  dem  westlichen  Theile  dieser  Zügey  in  der  etwa 
380  Kilom.  langen  Strecke  von  Quetta  bis  Kelät  und  bis  Gwujjuck 
im  Mushkathale  in  Makrän  hat  Cook  keine  älteren  als  cretacische 
Ablagerungen  getroffen;  das  Eocän  steht  hier  in  Verbindung  oder 
ruht  unmittelbar  auf  Serpentin  und  auf  dioritischen  Felsarten, 
deren  Aehnlichkeit  mit  jenen  des  südlichen  Arabien  Carter 
betont.^ 

Durch  das  südwestliche  Streichen  des  Cap  Monze,  dann  durch 
das  östliche  Vortreten  der  Laki-  und  die  nördliche  Richtung  der 
Khirtharkette  erhält  das  Gebirge  am  unteren  Indus  eine  verlängert 
S-förmige  Anordnung.  Nördlich  vom  Khirthar  tritt  die  weit  mäch- 
tigere Sulimänkette  wieder  westwärts  vor,  aber  die  Zusammen- 
setzung ist  dieselbe. 

Griesbach  ist  über  den  Bolanpass  und  Kandahar  bis  Girishk 
am  rialmand  vorgedrungen  und  hat  dabei  eine  grössere  Anzahl 
gegen  SW.  ziehender  Ketten  gekreuzt,  aber  auch  auf  dieser 
Strecke  wurden  keine  älteren  als  cretacische  und  eocäne  Ablage- 
rungen angetroffen.  Die  cretacischen  Kalksteine  sind,  namentlich 
in  der  Nähe  von  Kandahar,  von  cretacischen  Eruptivgesteinen 
durchbrochen;  das  Eocän  ist  in  einzelnen  Zügen  von  Flysch  be- 
gleitet, die  mitteltertiäre  Gäjgruppe  nicht  gefaltet,  doch  discordant 
gegen  die  Unterlage,  bis  in  das  Pishinthal  W.  von  Quetta.  Gries- 
bach betrachtet  denn  auch  die  afghanischen  Kreidekalk-  und 
Flyschberge  als  einen  Theil  jenes  weiten  Gebietes  von  ähnlicher 
Schichtfolge,  das  vom  Karst,  der  Herzegowina  und  Griechenland 
über  Syrien  und  Persien  bis  an  den  Indus  sich  erstreckt.^ 

Alle  äusseren  Falten  vom  Meere  nordwärts  bis  30"  30'  hat 
Blanford  untersucht;  die  ältesten  Ablagerungen  gehören  durch- 
wegs der  Kreideformation  an;'°  endlich  hat  Griesbach  im  Norden 
den  1 1.300  Fuss  hohen  Takht-i-Sulimän  erstiegen,  den  höchsten 
Gipfel  der  Sulimänkette,  und  auch  hier  kein  älteres  als  cretacisches 
Gestein  getroffen." 

Die  bisher  über  die  Beschaffenheit  des  iranischen  Rand- 
gebirges gesammelten  Beobachtungen  liefern  demnach  ein  sehr 
bestimmtes,  übereinstimmendes  Ergebniss.  Wir  sehen,  dass  von 
unserem  Ausgangspunkte  Jezireh-ibn-Omdr  oberhalb  Mossul  am 
Tigris  bis  zur  Annäherung  an  den  Hindu  Kush  bei  Tank,  unweit 

Suess,  Das  Antlitz  der  Erde. 


552  Schichtfolge  des  iranischen  Bogcns. 

von  dem  am  Indus  gelegenen  Dera-Ismail-Khän,  dieses  Rand- 
gebirge das  Hochland  in  solcher  Weise  umschliesst,  dass  nur  ein 
geringer  Theil  des  Abflusses  der  Hochfläche  zum  Meere  gelangt, 
dass  ferner  vielleicht  die  äusseren  Falten  in  der  Strasse  von  Hor- 
muzd  eine  besondere  Schaarung  bilden,  die  inneren  Fedten  jedoch 
vom  oberen  Tigris  bis  nach  Baludshistän  und  von  da  mit  gewen- 
detem Streichen  bis  zum  Takht-i-Sulimän  sich  fortsetzen,  und  dass 
in  diesem  grossen  System  bogenförmiger  Falten  von  W.  bis  O. 
Hippuritenkalk,  Flysch,  Nummulitenkalk  und  miocäne  Schichten 
die  herrschenden  Felsarten  sind.  Die  mittleren  und  tieferen  Theile 
der  mesozoischen  Schichtenreihe  sind  an  keiner  Stelle  nachge- 
wiesen; nur  paläozoische  Schichten  erscheinen  da  und  dort,  in  der 
Regel  aber  besteht  die  Unterlage,  wo  sie  überhaupt  sichtbar  ist, 
aus  Gneiss  und  altem  Schiefergestein.  Hiezu  treten  cretacische, 
tertiäre  und  noch  jüngere  Eruptivgesteine. 

Nur  an  der  Küste  von  Makrän  und  im  persischen  Golf  ist  die 
Anlagerung  junger  horizontaler  Meeresschichten  bekannt.  In  allen 
anderen  Theilen  des  Randgebirges  haben  auch  die  jüngsten  sicht- 
baren Tertiärablagerungen  Faltung  erlitten. 

In  W.  liegt  vor  dem  iranischen  Bogen  das  arabische  Vorland 
mit  ziemlich  derselben  Schichtfolge;  in  O.  breitet  sich  dagegen 
vor  demselben  die  gänzlich  verschiedene,  durch  die  lange  Serie 
altmesozoischer  Sandsteine  ausgezeichnete  Tafel  der  ostindischen 
Halbinsel  aus,  und  eben  so  verschieden  ist  auch  die  Schichtfolge 
in  den  anschaarenden  Ketten  des  Hindu  Kush. 

Das  ausserordentliche  Ausmaass  tangentialer  Bewegung  erhält 
aber,  wie  Blanford  hervorhebt,  dadurch  den  schärfsten  Ausdruck, 
dass  der  beinahe  240  Kilom.  lange  Weg  von  Gwadar  nach  Jälk 
in  Baludshistän  nur  verticale  oder  fast  verticale  Schichten  von  an- 
scheinend tertiärem  Alter  durchciuert.'' 

Die  Salzkette.  Eine  gemeinsame  Zone  von  gefalteten 
tertiären  Ablagerungen  umsäumt  alle  die  grossen  indischen  Bogen. 
Der  Aussenrand  des  Hindu  Kush  ist  jedoch  von  jenem  der  übrigen 
Bogen,  sowie  aller  anderen  mir  bekannten  Gebirge  dadurch  aus- 
gezeichnet, dass  an  seinem  äussersten  Saume  in  steiler,  vielfach 
gebrochener  Stufe  noch  die  ältere  unterläge  der  tertiären 


Die  SalikcUe,  553 

Vorketten  sichtbar  wird.    Diese  Stufe,  an  welche  unmittelbar 
das  flache  Schwemmland  des  Punjab  tritt,  ist  die  Salzkette. 

Die  Seehöhe  dieses  Schwemmlandes  beträgt  beiläufig  750 
Fuss,  die  mittlere  Höhe  der  Stufe  über  derselben  etwas  über 
2000  Fuss;  der  höchste  Punkt  der  Salzkette,  der  Sakesar,  erreicht 
die  Seehöhe  von  5010  Fuss.  Diese  Stufe,  welche  an  vielen  Stellen 
einer  gebrochenen  Anticlinale  gleicht,  ist  jedoch  durchaus  nicht 
gerade,  sondern  gegen  Kälabägh,  wo  der  Indus  hervortritt,  so 
tief  ausgebuchtet,  dass  das  höhere  Land,  welches  durch  die  Stufe 
abgegrenzt  wird,  in  zwei  Platten  zertheilt  ist,  nämlich  die  1000 
bis  1500  Fuss  hohe  Ebene  von  Bannü  und  die  weit  grössere,  bei- 
läufig ebenso  hohe  Ebene  von  Rawalpindi  oder  des  Potwdr. 
Wynne  hat  den  Bau  der  Salzkette  ausführlich  geschildert;  Waagen 
hat  das  Alter  der  einzelnen  Glieder  festgestellt.''' 

Die  tiefsten  sichtbaren  Ablagerungen  sind  salzfiihrende  Schich- 
ten und  rother  Sandstein;  über  denselben  folgt  Kalkstein  mit  Pro- 
ductus  und  grossem  Reichthum  an  organischen  Resten,  welcher 
.  in  den  bisherigen  Darstellungen  dem  Kohlenkalke  gleichgestellt 
ist;  er  ist  von  ceratitenführenden  Bänken  überlagert,  welche  der 
Trias  zugezählt  werden;  in  einem  höheren  Horizonte  liegen  Fos- 
silien des  mittleren  Jura,  dann  schwarzer  Schiefer,  ähnlich  dem 
jurassischen  Spiti-Schiefer  des  Hochgebirges,  hierauf  Grünsand 
mit  Neocom-Versteinerungen,  dann  endlich  das  Eocän  und  die 
mächtige  Reihe  tertiärer  Ablagerungen.  Mehrere  dieser  Glieder 
zeigen  entschiedene  Aehnlichkeit  mit  den  Vorkommnissen  des 
Himalaya  und  Waagen  betrachtet  die  gesammte  Serie  als  den 
Ausdruck  des  üeberganges  aus  der  Schichtfolge  bei  Kachh  in 
die  Schichtfolge  des  Hochgebirges.'* 

Die  Störungen  sind  ausserordentlich  gross;  das  Streichen  der 
einzelnen  Stücke,  welche  zusammen  die  beiden  Bogen  der  Salz- 
kette ausmachen,  wechselt  rasch  und  ist  an  einigen  Stellen  S-förmig 
gebogen;  endlich  bringt  die  Auslaugung  der  Salzschichten  an 
dem  Fusse  der  grossen  Stufe  beträchtliche  locale  Absenkungen 
hervor.  Im  W.  läuft  zuerst  eine  tertiäre  Kette  gegen  SO.;  ihr 
kommt  eine  zweite  entgegen,  welche  gegen  SW.  streicht;  wo 
beide  zusammentreffen,  an  der  südlichen  Ecke,  ist  die  Masse  < 
Makdüm  Günd  oder  Scheik  Budi'n  (4516  Fuss)  hervorgep« 


554  Kälabigh. 

in  welcher  durch  eine  südwärts  überschlagene  Falte  eine  grosse 
jungtertiäre  Scholle  vom  Jura  umschlossen  wird.  Die  gegen  SW. 
laufende  Falte  ist  ostwärts  von  einem  parallelen  Rücken  begleitet, 
welcher  nach  O,  die  ältere  Schichtreihe  entblösst;   dann  biegt  sie 

sich  S-förmig  um ; 
der  convexe  Rand 
wird  concav  und 
zeigt  an  diesem 
dieälterenSchich- 
ten.SowirdKäla- 
bägh  erreicht,  wo 
der  zweite,  das 
Fotwär  umfassen- 
de Bogen  be- 
ginnt; die  grossen 
horizontalen  Ver- 
schiebungen und 
Brüche  an  dieser 
Stelle  zeigt  Fig. 
4?.  Dieser  zweite 
Bogen  erreicht  im 
O.  bei  Jalalpur 
den  Jhelum  und 
setzt  sich  noch  in 
der  ganz  unregel- 
mässigen,  eben- 
falls S-förmig  ge- 
bogenen Tilla- 
kette  nordwärts 
fort  (Taf.  IV). 

So  zeigt  dieses  kurze,  zwischen  die  Sulimdnkette  und  den 
Himalaya  eingeklemmte  Randstück  das  höchste  Ausmaass  und  die 
höchste  Mannigfaltigkeit  der  Störungen. 


Die  tertiären  Vorketten.  In  den  westlichen  Alpen  trennt 
eine  sehr  scharfe  Linie  das  Molassenland  von  den  weiter  nach 
Innen  liegenden  Falten.     Es   beginnt   dasselbe   mit   der  unteren 


Tertiire  Vorketten.  555 

Süsswasser-Molasse;  die  Grenze  ist  nach  Aussen  überbogen,  so 
da3s  die  Molasse  gegen  die  Alpen  sich  neigt;  dann  erhebt  sie  sich 
vor  dieser  Grenze  zu  einer,  wohl  auch  zu  zwei  Anticlinalen  und 
flacht  endlich  gegen  die  Ebene  aus.  Zu  wiederholten  Malen  ist 
von  zuverlässigen  Beobachtern  betont  worden,  dass  die  Einschal- 
tungen von  Conglomeraten  in  die  Molasse  an  den  Mündungen  der 
heutigen  Querthäler  erscheinen,  und  es  wurde  hieraus  gefolgert, 
dass  diese  Thäler  bereits  vor  einem  guten  Theile  der  Tertiärzeit, 
daher  auch  vor  der  Aufwölbung  dieser  Anticlinalen  und  der  Ueber- 
beugung  der  Grenze  bestanden  haben. 

In  den  Ostalpen  sind  zwei  scharfe  Grenzen  dieser  Art  vor- 
handen. Die  erste,  ebenfalls  nach  Aussen  überbogen,  wo  immer 
sie  näher  beobachtet  wurde,  trennt  die  grosse  Flyschzone  von  den 
inneren  Falten.  Das  Flyschgebirge  umfasst  cretacische  und  ter- 
tiäre Gesteine,  und  an  der  Cantsflue  in  Vorarlberg  tritt  die  juras- 
sische Unterlage  in  steiler  Falte  hervor.  Die  zweite  scharfe  Linie 
grenzt  den  Flysch  gegen  das  vorliegende  jüngere  Tertiärland  ab, 
aber  bei  der  leichten  Zerstörbarkeit  des  letzteren  prägt  sich  diese 
Grenze  an  dem  grössten  Theile  des  Nordrandes  der  Alpen  nur  in 
der  geschlossenen  Curve  des  äusseren  Abhanges  aus. 

In  den  Karpathen  sind  die  Verhältnisse  ähnlich  wie  in  den 
Alpen.  Die  innere  Linie  fehlt,  aber  in  den  Klippenzügen  tritt  die 
Unterlage  hervor,  wie  an  der  Canisflue,  und  die  äussere  Linie  ist 
es,  welche  das  gefaltete  Salzgebirge  abtrennt  vom  Flysch.  — 

Eine  ähnliche  scharfe  Grenzlinie  findet  sich  in  den  südlichen 
Ketten  des  Hindu  Kush  und  sie  wiederholt  sich  im  Himalaya. 
Eine  gemeinsame,  bald  breite,  bald  schmale  tertiäre  Zone  wird 
durch  dieselbe  von  dem  höheren  Gebirge  abgetrennt.  Diese  Zone 
umgibt,  allenthalben  nach  Innen  scharf  abgegrenzt,  die  genannten 
Gebirgssysteme.  Ihr  ältestes  Glied  ist  der  Nummulitenkalk,  wel- 
cher allerdings  auch  innerhalb  der  inneren  Falten  vorhanden  ist. 
Alle  die  betheiligten  .Stufen  der  Tertiärformation  sind  schon  in  den 
Ketten  von  Sind,  also  dem  ost-iranischen  Randgebirge,  vorhanden 
und  nehmen  dort  beträchtlichen  Antheil  an  der  Zusammensetzung 
der  Höhen,  aber  es  fehlt  die  scharfe  Abgrenzung  gegen  Innen. 

Die  Grenzlinie  der  tertiären  Zone  gegen  die  Ketten  des 
Kush  läuft  erst  von  W.  gegen  O.,  südlich  von  den  Afridibi 


556  Tertiäre  Vorketten. 

zeigt  am  Indus  eine  leichte  Ausbuchtung,  welche  vielleicht  der 
grossen  Bucht  der  Salzkette  bei  Kdlabägh  entspricht,  und  wendet 
sich  dann  nördlich  von  Rawalpindi  gegen  NO.  (Taf.  IV),  endlich 
fast  rein  gegen  N.  zu  der  Schaarung  in  der  Nähe  des  Jhelum  bei 
Muzafirabad.  Südlich  von  dieser  Grenze  bildet  das  Tertiärland 
die  schon  genannten  Hochflächen  von  Bannu  und  des  Potwdr, 
welche  gegen  S.  an  der  Salzkette  endigen. 

Im  Himalaya  verläuft  die  Grenzlinie  mit  einem  regelmässigen, 
nur  in  der  Nähe  des  Sutlej  etwas  gegen  die  Ebene  vortretenden 
Bogen  aus  der  Gegend  von  Muzafirabad  weithin  bis  gegen  den 
Brahmaputra.  Die  tertiäre  Zone  des  Hindu  Kush  tritt  über  den 
Jhelum  und  setzt  sich  unmittelbar  in  jene  des  Himalaya  fort. 
Diese  ist  anfangs  von  ziemlicher  Breite,  wird,  wo  in  der  Nähe 
des  Sutlej  die  Grenze  des  alten  Gebirges  vortritt,  plötzlich  viel 
schmaler,  bleibt  nun  durch  eine  lange  Strecke  schmal,  verschwindet 
sogar  in  Bhutan  für  ein  kurzes  Stück  des  Gebirgsrandes  ganz,  er- 
scheint wieder,  ist  im  Thale  des  Brahmaputra  gut  entwickelt, 
kreuzt  dasselbe  oberhalb  der  Berge  von  Assam  und  setzt  sich  nun 
in  die  Tertiärzone  der  burmanischen  Ketten  unter  scharfer  Beu- 
gung des  Streichens  fort.  Nun  zieht  dieselbe  gegen  SW.  und 
endlich  nach  S.,  so  dass  sie  in  ziemlicher  Breite  an  den  Südrand 
des  Plateaus  von  Shillong  reicht  und  zugleich  den  westlichen 
Rand  der  burmanischen  Ketten  bis  an  die  Küste  von  Arrakan  be- 
gleitet.  In  den  burmanischen  Ketten  treten  allerdings  dieselben 
Tertiärablagerungen  auch  in  die  Zusammensetzung  der  inneren 
Ketten  ein. 

Der  Nummulitenkalk  ist  im  ganzen  Gebiete  des  Hindu  Kush 
vorhanden  und  reicht  nach  Medlicott,  welcher  die  Vorketten  des 
Himalaya  auf  eine  höchst  lehrreiche  Weise  dargestellt  hat,  in  ein- 
zelnen Aufbrüchen  bis  an  die  irenannte  Verenirunof  in  der  Nähe  des 
Sutlej.'  Von  da  an  fehlt  derselbe  und  nur  die  jüngeren  Schichten 
begleiten  das  Gebirge,  bis  weit  im  Osten  auch  der  Nummuliten- 
Kalkstein  wieder  erscheint. '°  Alle  Tertiärschichten  des  Hindu 
Kush  und  des  westlichen  und  mittleren  Himalaya  über  dem  Num- 
mulitenkalke  sind  ausserhalb  des  Meeres  gebildet. 

Die  marine  Gdjgruppe,  nicht  unähnlich  dem  Auftreten  der 
Meeresmo  lasse  zwischen  der  unteren  und  der  oberen  Süsswasser- 


Scliaaning  am  Jhclum.  55  7 

Molasse  der  Schweiz,  ist  nur  dem  südlichsten  Theile  der  sonst 
ganz  aussermarinen  Sandsteinzüge  der  Ketten  von  Sind  ein- 
geschaltet, und  erst  weit  im  Osten,  auf  dem  Plateau  von  Shillong 
und  im  östlichen  Bengalen  erscheinen  wieder  Meeresbildungen 
von  mittel  tertiärem  Alter. 

Die  Mächtigkeit  der  nicht  marinen  Tertiärschichten  über  dem 
Nummulitenkalk  ist  ausserordentlich  gross;  sie  umschÜessen  min- 
destens zwei  von  einander  verschiedene  Landbevölkerungen  und 
entsprechen  wahrscheinlich  dem  gesammten  Zeiträume  von  der 
Eocänzeit  bis  zur  Gegenwart.  Manche  der  jüngeren  Ablagerungen, 
wie  die  durch  ihren  Reichthum  an  Säugthierresten  ausgezeichnete 
Sewalikstufe,  gleichen  in  ihrer  Zusammensetzung  so  sehr  dem 
jüngsten  und  heute  in  Fortbildung  begriffenen  Schwemmlande  des 
Indus  und  des  Ganges,  dass  man  sie  geradezu  als  gefaltete  Allu- 
vialmassen des  heute  noch  andauernden  Fluss- System 's  gekenn- 
zeichnet hat.  Wie  in  der  Schweizer  Molasse,  so  erscheinen  nach 
übereinstimmenden  Beobachtungen  die  eingeschalteten  Conglo- 
meratmassen  in  der  Nähe  der  heutigen  Thalmündungen.  Lydekker 
bemerkt  sogar,  dass  Geschiebe  aus  Felsarten  der  inneren  Ketten 
auch  in  den  tertiären  Schichten  nur  an  den  Mündungen  jener 
Hauptthäler  angetroffen  werden,  welche  heute  tiefer  in  das  Ge- 
birge reichen,  und  dass  die  tertiären  Conglomerate  vor  den  kür- 
zeren Querthälern  nur  die  Gesteine  der  näher  gelegenen  Ketten 
führen. 

Der  innere  Theil  der  Tertiärzone  neigt  sich  unter  das  Hoch- 
gebirge in  Folge  einer  von  dort  her  erfolgten  .seitlichen  Bewegung, 
ganz  wie  wir  dies  an  dem  überschobenen  Aussenrande  der  Schwei- 
zer Alpen  zu  sehen  gewohnt  sind,  und  in  der  tertiären  Zone  selbst 
sind  lange  Stürungslinien  vorhanden,  welche  eine  offenbare  Aehn- 
lichkeit  mit  der  langen  Anticiinalfalte  der  Molasse  haben.  Hier 
aber  tritt  der  eigenthümliche  Fall  ein,  dass  im  Thale  des  Jhelum 
zwei  Beugungsrichtungen  aufeinandertreffen.  Die  Vergleichung 
der  verdienstlichen  Studien  von  Medücott  in  den  Subhimalaya's 
und  am  Jhelum,  von  Lydekkrr  an  dem  innersten  Rande  der  ^ 
himaiaya's  bisMuzafirabad  und  von  Wynne  auf  den  > 
furchten  Flächen  innerhalb  der  Salzkette  gestatt 
seitige  Verhallen  der  beiden  Beugungen  zu  e 


••■ 


cc8  Lange  Linien  am  Fusse  des  Himalaya. 

Dies  ist  aber  um  so  wichtiger,  als  man  einigen  Grund  hat,  in 
diesen  Linien  den  Ausdruck  der  allgemeinen  Bewegungen  beider 
Gebirgssysteme  zu  sehen. 

Wie  Taf.  IV  erkennen  lässt,  scheinen  die  äusseren  Faltung-en 
des  Hindu  Kush  in  Hazära  etwas  weiter  gegen  S.  vorgedrung-en 
zu  sein  als  die  benachbarten  Theile  des  Himalaya.  Man  möchte 
darum  in  dem  Tertiärlande  am  Jhelum  ein  gewaltiges  Schleppen 
und  Vorüberschleifen  der  schaarenden  Gebirgstheile  vermuthen; 
die  Beobachtungen  zeigen  aber  nichts  Aehnliches. 

Die  Störungslinien  sind  Anticlinalen  oder  Flexuren  mit  g-e- 
senktem  äusseren  Theile,  beide  häufig  auf  lange  Strecken  hin  nach 
Aussen,  d.  i.  im  Himalaya  gegen  SW.,  im  Hindu  Kush  gegen  SO. 
überschoben. 

Wir  beginnen  im  Gebiete  des  Himalaya. 

Eine  lange  Synclinale  folgt  dem  äusseren  Rande  des  alten 
Gebirges,  zieht  bei  Punch  vorüber,  nähert  sich  der  Stelle,  an 
welcher  bei  Uri  der  Jhelum  das  alte  Gebirge  verlässt,  und  scheint 
vor  Muzafirabad  auszuflachen. 

Ausserhalb  dieser  Linie  treten  an  mehreren  Stellen  aus  dem 
Tertiärlande  vereinzelte  Massen  von  älterem  Kalkstein  hervor, 
welche  wir  vorläufig  mit  Lydekker  als  mesozoisch  ansehen.  Ins- 
besondere erscheinen  zwei  mächtige  Vorkommnisse  dieser  Art  am 
Chenäb;  die  erste,  Läpri,  erhebt  sich  zu  9914  Fuss,  die  zweite, 
Sangar  Marg,  ist  nur  6676  F.  hoch,  aber  beinahe  50  Kilom.  lang. 
Sangar  Marg  verräth  sich  deutlich  als  der  Aufbruch  einer  grossen, 
nach  auswärts  bewegten  Falte  und  setzt  sich  gegen  NW.  in  ähnlichen 
Aufbrüchen  fort.  Das  sind  wahre  Klippen  im  karpathischen  Sinne. 

Unterhalb  des  Sangar  Marg  kreuzen  den  Chenäb  zwei  ausser- 
ordentlich lange,  parallele  Störungslinien. 

Die  erste  Linie  beginnt  weit  im  SO.,  durchquert  als  ein  gegen 
SW.  überschobener  Wechsel  den  Sutlej,  erreicht  nach  einem  Laufe 
von  mehr  als  300  Kilom.  den  Chenäb  unter  dem  Sangar  Marg  und 
zieht  weiter  zum  Jhelum.  Die  zweite  Linie  liegt  nahe  südlich  von 
dieser  und  bewegt  sich  mit  derselben  zum  Jhelum.  Dort  deuten 
nach  Medlicott's  Angabe  alle  Anzeichen  dahin,  dass  diese  beiden 
Linien,  die  eine  nördlich,  die  andere  südlich  vom  Berge  Narh, 
sich  in  scharfer  Curve  beugen  und  ohne  Unterbrechung  aus  dem 


\«. 


Bakrdla  und  Tilla.  559 

nordwestlichen  Streichen  des  Himalaya  in  das  südwestliche  des 
Hindu  Kush  übergehen.  Auch  südlich  davon  scheint  quer  über  dem 
Jhelum  ein  gemeinschaftliches  Bogenfragment  vorhanden  zu  sein. 

Die  Linien  W.  vom  Jhelum  sind  nicht  so  stetig  in  ihrem 
Laufe.  Eine  Anzahl  derselben  folgt  der  Richtung  des  älteren  Ge- 
birges, geht  dann  in  die  rein  westliche  Richtung  über,  bildet  in 
dieser  Richtung  die  zahlreichen  parallelen  Falten  des  eocänen 
Salzgebietes  im  Districte  von  Kohät  und  ist  von  Wynne  bis  Thal 
am  Kuramflusse  verfolgt  worden,  wo  um  den  mesozoischen  Berg 
Kadimuk  die  eocänen  Schichten  sich  scharf  gegen  N.  zu  beugen 
scheinen,  wahrscheinlich  der  Schaarung  mit  der  Sulimänkette 
entsprechend.'^  Ein  anderer  Theil  dieser  Linien  wendet  sich  mehr 
und  mehr  gegen  SW.  Eine  derselben  streicht  unter  dem  Namen  der 
Bakrälakette  in  die  Salzkette;  in  ihrem  südlichen  Theile  werden 
die  alten  Schichten  der  Salzkette  sichtbar.  Die  bereits  genannte, 
vielfach  geknickte  Tillakette  am  östlichen  Ende  der  Salzkette  ist 
auch  wohl  nichts  Anderes  als  eine  dieser  gegen  den  Jhelum  streben- 
den Linien.  Gegen  W.  tauchen  innerhalb  der  Salzkette  andere 
Linien  hervor,  welche  nach  NW.  gerichtet,  folglich  auf  die  Bakräla- 
linie  senkrecht  sind,  als  würde  in  diesen  Vorbergen  und  in  der 
Vorstufe  der  Salzkette  eine  Interferenz  von  Hindu  Kush-  und  von 
Himalaya-Störungen  eintreten.. 

,Die  Anordnung,'  sagen  Medlicott  und  Blanford,  »zeigt  auf 
überzeugende  Weise  die  gleichzeitige  Thätigkeit  in  beiden  Stö- 
rungsrichtungen.  In  diesem  Kampfe  um  Raum  scheint  die  Rich- 
tung der  Salzkette  die  Oberhand  behauptet  zu  haben,  denn  die 
Flexuren  dieser  Richtung  dauern  in  höherem  Grade  an,  indem  sie 
die  Linien  der  Himalaya-Richtung  kreuzen*.'^ 


18 


Der  westliche  Himalaya  bis  zur  Mustäghkette.  Dieses 
gesammte  Gebiet  ist  von  Lydekker  in  so  trefflicher  Weise  dar- 
gestellt worden,  dass  sein  Werk  über  diesen  Gegenstand  den  be- 
deutendsten neueren  Beiträgen  zur  Kenntniss  der  Structur  der 
Hochgebirge  beigezählt  werden  muss.'^  An  dasselbe  schliesst 
sich  Godwin  Austen's  neuer  Versuch  einer  Uebersicht  des  ge- 
sammten  Himalaya,  welcher  auf  einer  so  ausserordentlichen  Kennt- 
niss  der  Sachlage  beruht,  dass  er,  trotz  des  wohl  allzusehr  hervor- 


560  Pir  Panjdl. 

tretenden  Bestrebens,  sehr  lange  Linien  zu  construiren,  dennoch 
die  Beherrschung  der  Menge  vereinzelter  Erfahrungen  wesentlich 
erleichtert.'" 

Schon  die  erste  innerhalb  des  Tertiärlandes  verlaufende  Zone 
zeigt  die  Gefahren  einer  allzu  schematischen  Auffassung.  Wäh- 
rend im  SO.,  jenseits  vom  Sutlej,  eine  breite  Zone  minder  hoher 
Berge  vor  den  grossen  schneebedeckten  Ketten  liegt,  tritt  gegen 
NW.  der  Saum  des  Gebirges  etwas  mehr  gegen  das  Tertiärland 
vor,  und  aus  einem  Zuge  alter,  vorherrschend  schiefriger  Gesteine 
erheben  sich  hohe,  zackige  Kämme  von  Granit  und  granitischem 
Gneiss.  Nahe  bei  Simla  ragt  nicht  weit  von  dem  tertiären  Saum 
der  Berg  Chor  11.982  Fuss  hoch  empor;  die  breite  Masse  des 
Dhauladhär  ist  durch  einen  schmalen  Zug  mit  dem  Pir  Panjäl 
etwa  so  verbunden,  wie  der  Iffinger  bei  Bozen  mit  dem  Granit  von 
Sterzing;  dabei  ist  Pir  Panjäl  in  der  Richtung  des  Streichens  sehr 
verlängert,  erreicht  an  seinem  nördlichen  Ende  im  Tatakuti 
15.524  Fuss,  und  weitere  kleinere  Granitmassen  zeigen  seine  Fort- 
setzung an.  Die  Schiefergesteine  sind  in  hohem  Grad  verändert ; 
es  sind  Fleckschiefer  vorhanden,  und  es  zeigen  sich  namentlich  in 
den  höheren  Horizonten  zahlreiche  Einschaltungen  von  vulkani- 
schen Producten.  Mac  Mahon  hat  aus  der  Beschaffenheit  der 
granitischen  Gesteine  des  Dhauladhär  höchst  wahrscheinlich  ge- 
macht, dass  diese  selbst  intrusive  Massen  seien,  und  so  sind  die 
indischen  Forscher  ganz  selbständig  für  diesen  ersten  Zug  des 
westlichen  Himalaya  zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangt,  wie  sie 
für  den  Harz,  für  den  Adamello  und  manche  andere  Gebirgstheile 
auf  verschiedenen  Wegen  und  von  verschiedenen  Beobachtern 
erlangt  worden  sind.'' 

Die  Richtung  dieses  ersten  Zuges  folgt,  wie  Taf.  IV  zeigt, 
auf  das  Genaueste  der  Richtung  der  Störungslinien  im  tertiären 
Lande,  und  zugleich  ist  der  ganze  Zug  des  Pir  Panjäl  gegen 
aussen,  d.  i.  gegen  SW.  überstürzt,  so  dass  nördlich  wie  südlich 
von  dem  granitischen  Zuge  die  Neigung  der  Schichten  gegen  NO. 
gerichtet  ist.  Auch  diese  tangentiale  Bewegung  entspricht  den 
Bewegungen  des  Tertiärlandes,  und  so  treffen  wir  in  diesem  ersten 
Zuge  auch  den  ersten  Beweis  der  Einheit  der  Bewegung  in  dem 
Hochgebirge  und  in  den  tertiären  Vorketten. 


Kashm[T.   ZJnskir.   Spiti.  ^6l 

Dieser  Zug  ist  bis  nach  Khäghän  gegen  NW.  zu  verfolgen, 
also  bis  nahe  an  den  Meridian  von  Muzafirabad.  — 

Der  Zone  des  Pir  Panjäl  folgt  gegen  Nord  mit  gleichem 
Streichen  eine  Zone  von  ober- paläozoischen  und  mesozoischen 
Ablagerungen,  welcher  die  grosse  Mulde  von  Kashmir  angehört. 
Sie  beginnt  schon  in  Chamba  mit  einer  kleinen,  vollständig  in  der 
Richtung  gegen  SW.  verdrückten  Synclinale,  und  der  ganze  süd- 
liche Theil  der  grossen  Mulde  besteht,  wie  Lydekker  insbesondere 
bei  Islamabad  zeigt,  aus  einer  langen  Reihe  gleichmässig  gegen 
SW.  überschobener  Falten.  Mesozoische  Schollen  begleiten  die 
Ränder  der  grossen  Mulde,  bilden  wahrscheinlich  die  ganze  Tiefe 
derselben  und  setzen  sich  mit  gleichem  Streichen  an  den  oberen 
Kishanganga  und  in  der  Richtung  von  Khäghdn  fort. 

Nun  gelangen  wir  an  die  hohe  und  bis  80  Kilom.  breite 
Gneissmasse  von  Zänskär,  welche  in  der  Richtung  von  Kärtse  mit 
stumpfem  Umrisse  endet  und  noch  nahe  diesem  nordwestlichen 
Ende  im  Nun  Kun  23.447  Fuss  erreicht.  Von  dieser  wird  ver- 
muthet,  dass  sie,  über  Lahol  hinaus  fortsetzend,  in  SO.  zum  Nanda 
Debi  und  noch  weiter  zur  Kette  des  Gaurisänkar  und  des  Kinchin- 
junga  streiche. 

An  die  nordöstliche  Seite  des  Zdnskär  schliesst  sich  jene 
mächtige,  vom  paläozoischen  Gebirge  bis  in  die  Kreideformation 
reichende  Zone  versteinerungsreicher  Ablagerungen,  welche  in 
ihrem  langen,  gegen  NW.  gerichteten  Laufe  einer  der  stärksten 
Beweise  für  den  einheitlichen  Bau  des  westlichen  Himalaya  ist. 
Strachey  hat  sie  bis  zum  See  Mänasarowar  in  Tibet  verfolgt  und 
sie  als  den  Träger  der  weiten  Hochebene  von  Hundes  erkannt; 
Stoliczka  hat  in  derselben  in  Spiti  die  Gliederung  der  Formationen 
durchgeführt  und  eine  Reihe  von  Gliedern  der  alpinen  Trias  nach- 
gewiesen, und  Griesbach  hat  diese  Arbeiten  vervollständigt,  das 
Arbeitsfeld  Strachey's  mit  jenem  von  Stoliczka  verbunden  und 
die  Concordanz  aller  Glieder  bis  zur  Kreideformation  gezeigt." 

Dieser  grossen  Zone  sind  auch  die  Abbildungen  Taf.  I, 
Schichtfaltung  an  einem  Zweige  des  Bambadhuragletschers,  und 
Fig.  8,  S.  146,  Manirangpass,  entnommen.  Sie  hat  im  Grossen 
den  Bau  einer  mächtigen  Synclinale,  welche  von  untergeordnet© 
Längsfalten  und  von  zahlreichen  Brüchen  und  Ueberschiefe 


562  Schichtfolge  N.  vom  Zänskir. 

flächen  durchsetzt  ist.  So  schliesst  sie  sich  auch  an  die  Masse  des 
Zänskär,  trägt  in  der  Mitte  der  Synclinale,  auf  dem  Pankpopasse, 
die  letzten  cretacischen  Schollen  und  weiter  in  NO.  nach  Lydekker 


C.\ 


loidenkiLlk  und    fl 


auf  unersteigltchem  Gipfel  eine  Scholle  von  eruptivem  Gesteine, 
vielleicht  von  eocänem  .'Mter. 

In  der  Nähe  des  Suruflusses  scheint  sie,  nahe  dem  Ende  der 
Zänskdrma-sse,  zu  enden,  aber  Lydekker  zeigt,  dass  bei  Kärtse 


Kanga  T'arbat.   Encäne  Zone.  5^3 

noch  vereinzelte  Schollen  vorhanden  sind,  und  diese  stellen  die 
Verbindung  her  mit  einem  weiteren  mesozoischen  Gebiete,  wel- 
ches in  keilförmiger  Gestalt  das  Streichen  der  Zdnskärmasse  fort- 
setzt (Taf.  IV).  Dieses  besteht  anfangs  aus  einer  Anticlinale  und 
zwei  Synclinalen,  wobei  die  südliche  Synclinale  gegen  SW.  über- 
schoben ist,  und  beide  Mulden  vereinigen  sich  endlich  zu  einem 
langen  und  schmalen  Keil,  dessen  Fortsetzungen  in  einzelnen 
Schollen  bis  an  den  Südfuss  des  riesigen  Nanga  Parbat  {26.62g 
Fuss)  verfolgt  sind  und  von  dort  wahrscheinlich  über  die  britische 
Grenze  nach  Childs  fortsetzen.'^ 

Diese  Anordnung  der  mesozoischen  Gesteine  spricht  aber 
sehr  dafür,  dass  in  der  nördlichen  Fortsetzung  der  Zänskärmasse 
eine  regelmässige,  wenn  auch  gegen  SW.  überschobene  und  sehr 
zerrissene  Uebermantelung,  also  eine  Verbindung  der  beiden 
mesozoischen  Zonen  von  Spiti  (Bdra  lache  Godwin-Austen  zum 
grössten  Theile)  und  jener  von  Kashmir  anzunehmen  ist. 

Die  Zone,  von  welcher  ich  nun  zu  sprechen  habe,  ist  von 
allen  die  fremdartigste.  Einzelne  Schollen  von  eocänen  Ablage- 
rungen erscheinen  W.  vom  Suruflusse  bei  Dras,  und  wo  östlich 
von  diesem  Flusse  die  mesozoische  Zone  ihren  grossen  Lauf  gegen 
SO.  beginnt,  schliesst  sich  an  dieselbe  eine  zusammenhängende 
Zone  von  eocänen  Ablagerungen  und  eocänen  Eruptivmassen, 
welche  in  der  Richtung  des  Indus  sehr  weit  gegen  SO.  reicht. 
Ihre  Richtung  ist  etwas  mehr  gegen  Ost  gerichtet,  als  jene  des 
mesozoischen  Gebietes,  so  zwar,  dass  ein  keilförmiges  Stück  alter 
Felsarten,  welches  gegen  S.  an  Breite  zunimmt,  zwischen  beide 
trennend  eintritt;  dieses  keilförmige  Stück  umschliesst  in  Rupshu 
den  Tso  Moriri  und  bedeutet  den  Beginn  einer  neuen  Zone  grosser 
Gneissmassen. 

Durch  diese  keilförmige  Einschaltung  wird  es  klar,  dass  die 
eocäne  Zone  ein  von  dem  mesozoischen  Gebiete  vollständig  ge- 
schiedenes Gebilde  ist,  und  dass  beträchtliche  tektonische  Verände- 
rungen der  Eocänzeit  vorangegangen  sein  müssen.  Durch  mehr 
als  300  Kilom.  ist  diese  alttertiäre  Zone  bereits  verfolgt,  ihre 
Länge  gegen  SO.  ist  aber  jedenfalls  noch  weit  beträchtlicher;  der 
Nordrand  zeigt  bis  gegen  Leh  die  Zeichen  normalei 
an  den  Gneiss  von  I.Adäk,  der  Südrand  dagegen  jd 


^64  Kann.  LadAk.  Mustdgh. 

gegen  SO.  ist  die  Structur  durch  Seitendruck  verwickelt.  Die 
Eruptivgesteine  gehören  nur  der  Südseite  an.  Die  nummuliten- 
führenden  Ablagerungen  erheben  sich  zu  sehr  bedeutenden  Höhen ; 
der  Kanri  oder  Stok,  S.  von  Leh,  erreicht  21.000  Fuss  und  über- 
ragt weithin  die  südlichen  Berge.  Welche  Veränderungen  setzt 
diese  Zone  im  Innern  des  Himalaya,  weit  nördlich  von  der  Strei- 
chungslinie des  Nanda  Debi,  voraus,  wie  gross  ist  der  Gegenstand 
mit  welchem  wir  uns  beschäftigen,  und  wie  klein  sind  die  Auf- 
fassungen, mit  welchen  man  sich  demselben  zu  nähern  gewohnt  ist ! 

Der  eocänen  Zone  folgt  das  breite  Gneiss-  und  Granitgebiet 
von  Ladäk,  welches,  von  vielen  untergeordneten  Einfaltungen 
paläozoischer  Gesteine  begleitet,  über  das  Plateau  von  Deosai 
gegen  Rondu  und  Gilgit  streicht. 

Mesozoische  Schollen  beginnen  wieder  in  Braldu  sich  zu 
zeigen.  Körniger  Kalkstein,  wie  er  z.  B.  von  Lydekker  am  Fusse 
des  Masherbrum  (25.676  Fuss)  erwähnt  wird,  mag  w^ohl  nach  den 
Erfahrungen,  welche  aus  den  Alpen  vorliegen,  als  Vertreter  sol- 
cher Zonen  angesehen  werden.   Ein  zusammenhängender,  stellen- 

» 

weise  petrefactenführender  Zug  von  carbonischen  und  mesozoi- 
schen Gesteinen  wurde  von  Godwin-Austen  bei  Shigar  in  Baltistan 
aufgefunden;  dieser  streicht  zuerst  O.  und  NO,  beugt  sich  aber 
nach  Lydekker's  Beobachtungen  bald  in  das  normale  NW.- 
Streichen  des  Himalaya  um  und  erstreckt  sich  in  dieser  Richtung- 
östlich von  Askole  als  eine  gegen  SW.  überschobene  Einfaltung-, 
vielfach  durch  Druck  verändert,  unter  dem  Biafogletscher  gegen 
NW.  und  höchst  wahrscheinlich  noch  weiter  unter  die  Eisfelder, 
welche  nach  Hunza  und  Nagar  abdachen.^^ 

So  sind  wir  an  der  Nordgrenze  der  britischen  Besitzungen 
angelangt.  Südwestlich  von  dem  mesozoischen  Streifen  von  Bal- 
tistan liegen  Haramosh  (24.285  Fuss),  Raki  Foshi  (25.561  Fuss) 
und  andere  aus  Gneiss  und  Granit  bestehende  Riesen,  welche  dem- 
nach der  Zone  von  Ladäk  zugezählt  werden;  nördlich  von  diesem 
Streifen  folgt  einer  der  mächtigsten  Gebirgszüge  der  Erde,  der 
Mustägh.  Auch  dieser  besteht  aus  Gneiss  und  Granit;  Masher- 
brum, Gusherbrum  (26.378  Fuss),  vor  allen  anderen  der  zweit- 
höchste Berg  der  Erde,  der  anonyme,  zweigehörnte  K^  der  briti- 
schen Landesaufnahme  (28.265  Fuss)  gehören  demselben  an.  Das 


Kiirdicoram.  5^5 

Streichen  derselben  ist  ebenfalls  NW.,  und  die  eben  erwähnte 
Ueberschiebung-  bei  Askole  zeigt  an,  dass  bis  hieher  dieselbe 
tangentiale  Bewegung  herrscht  wie  in  den  tertiären  Ber- 
gen des  südlichen  Randes. 

Kärdkoram  und  westlicher  Kuen-lun.  Alle  bisher  be- 
sprochenen Zonen  des  Himalaya  streichen  gleichförmig  gegen 
NW.  oder  NNW.,  und  an  vielen  Stellen  ist  Ueberfaltung  gegen 
SW.  sichtbar.  Der  mesozoische  Zug,  welcher  im  Nordwesten  der 
grossen  Zänskärmasse  keilförmig  sich  verschmälerte  und  unter 
dem  Fu.sse  des  Nanga  Parbat  nur  in  einzelnen  Schollen  seine  Fort- 
setzung fand,  setzt  sich,  wie  wir  sahen,  jenseits  des  Suru  weit 
gegen  SO.  fort;  auf  dem  Plateau  von  Hundes,  in  Tibet,  rücken 
die  N.  und  S.  von  demselben  liegenden  Gneissketten  mehr  und 
mehr  auseinander,  aber  die  auf  dieser  Zone  bemerkbare  Divergenz 
der  grossen  Gneisszüge  ist  nur  gering  im  Verhältnisse  zu  den  Er- 
scheinungen im  Norden. 

Ein  keilförmig  beginnendes  Kalkgebirge  nimmt  N.  vom 
Mustdgh  gegen  O.  so  rasch  an  Breite  zu,  dass  die  nächstfolgende 
Linie  älterer  Felsarten,  der  Kuen-lun,  mehr  und  mehr  von  der 
Richtung  des  Himalaya  abweichend,  sich  der  Östlichen  Richtung 
nähert.  Es  breitet  sich  ostwärts  aus  und  bildet  endlich  ein  weites 
Kalkplateau  zwischen  dem  Himalaya  und  dem  Kuen-lun.  Diesem 
Kalksteingebiete  gehört  der  oftgenannte  Käräkoram  an. 

Wir  beginnen  im  Osten. 

Der  Südrand  des  grossen  Kalkgebirges  liegt  in  Chäng- 
chenmo,  einem  Seitenthale  des  oberen  Shäyok.  An  seiner  Nord- 
seite erheben  sich  bei  Gogra  graue  Kalksteinwände  mit  Dicero- 
cardium  und  Megalodon ;  dieser  Kalk  ist  auf  Anticlinalen  von 
Kohlenkalk  unterbrochen;  sobald  der  nördliche  Bergzug  erstiegen 
ist,  überblickt  man  die  weite  Hochfläche. 

Das  Hochplateau  ist  fast  ganz  unbewohnt.  Nur  dieser  nörd- 
lich vom  Chdngchenmothale  liegende  westlichste  Theil  desselben 
ist  je  von  einem  Europäer  betreten  worden.  Adolf  Schlagintweit 
war  der  Erste,  welcher  dieses  Hochland  kreuzte;  er  wurde 
Kashgar  getödtet.  Seither  haben  engHsche  Forscher  es 
reist,  aber  es  ist  der  80."  östl.  L.  kaum  erreicht  worden.  Eine 


5  66  Lingzithang.   Kuen-lun. 

anschauliche  Schilderung  hat  Drew  entworfen.  Hienach  erreicht 
man,  von  S.  kommend,  zuerst  die  weite  Ebene  Lingzithang"  (i  7.000 
Fuss),  hierauf  den  Bergzug  Lokzhung  (bis  2 1 .000  Fuss),  dann  die 
Kuen-lun-Ebene  (16.000  Fuss),  endlich  den  Kuen-lun,  welcher  die 
nördliche  Umsäumung  bildet  und  in  die  Ebene  von  Khotan  (4000 
Fuss)  abdacht.'^ 

Lingzithang  ist  ein  weiter,  horizontaler  Seeboden,  bedeckt 
mit  weissem  Thon,  in  welchem  ein  zweiter,  nur  etwa  20  Fuss 
tieferer  Seeboden  hegt;  Spuren  von  Wasserpflanzen  sind  in  dem 
Thon  enthalten ;  Strandlinien  erheben  sich  an  den  Abhängen  der 
Lokzhungberge  mindestens  150  Fuss  über  die  Ebene;  grosse 
Salzlachen  sind  auf  ihr  ausgestreut. 

Die  Lokzhungberge  nehmen  gegen  O.  an  Höhe  ab ;  sie  be- 
stehen aus  parallelen  Zügen,  welche  WNW.,  also  dem  Hauptzuge 
des  Kuen-lun  beiläufig  parallel  streichen.  Drew  unterscheidet  in 
denselben  einen  grauen  Crinoidenkalk  mit  steil  aufgerichteten 
Schichten,  welchem  discordant  eisenschüssiger  Sandstein  und 
Hippuritenkalk  folgt;  auch  der  letztere  zeigt  häufig  steile  Schicht- 
stellung. 

Die  Kuen-lun-Ebene  ist  mannigfaltiger  als  Lingzithang  und 
besteht  aus  einer  grösseren  Anzahl  kleinerer  Seeboden ;  über  sie 
ragt  etwa  4000  Fuss  hoch  die  Kammhnie  des  Kuen-lun  empor, 
welcher  an  dem  Abflüsse  des  östlichen  Karakash  zuerst  aus  einer 
Vorlage  von  Schiefer,  dann  aus  Granit  besteht.  Die  Entfernung 
seines  Fusses  von  Chängchenmo  mag  etwa  170  Kilom.  betrag-en. 

Die  westlich  folgenden  Gebirgsgegenden  hat  F.  Stoliczka 
auf  drei  Linien  durchzogen,  welche  in  annähernd  radialer  Richtung 
von  der  Tiefe  des  Tarymbeckens  aus  die  Ketten  queren.*^  Die 
erste  dieser  Linien  läuft  von  Sanju  (W.  von  Khotan)  über  Shdhi- 
dula  und  den  westlichsten  Theil  von  Lingzithang  nach  Chäng- 
chenmo ;  die  zweite  geht  von  Kärghalik  über  den  Yangi  Dawan, 
dann  gegen  SO.,  die  vorhergehende  Linie  in  Aktägh  berührend, 
dann  südwärts  über  den  Käräkorampass  und  die  Hochebene  Dip- 
sang ;  die  dritte  wendet  sich  gegen  SW.  und  führt  von  Yangi- 
hissär  über  Chehil  Gombaz,  Chichiklik  und  Tashkurghan  gegen 
Ak  Tdsh  im  östlichen  Theile  des  Pamir.  Die  erste  Linie  wurde 
von  S.  gegen  N.,  die  zweite  von  N.  gegen  S.  und  die  dritte  nach 


Beugung  des  Kuen-lun.  507 

beiden  Richtungen  zurückgelegt;  ich  werde  versuchen,  sie  alle 
von  Norden  aus  zu  besprechen. 

Die  beiden  ersten  Linien  durchschneiden  den  Kuen-lun  und 
das  südlich  folgende  Kalkgebirge,  die  dritte,  in  den  Pdmir  drin- 
gende Linie  trifft  aber  dieselben  Gesteine  mit  etwas  geändertem 
Streichen  an,  ein  Umstand,  welchen  Stoliczka  ausdrücklich  und  zu 
wiederholten  Malen  hervorgehoben  hat,  und  aus  welchem  sich  die 
merkwürdige  Thatsache  ergibt,  dass  der  Kuen-lun  selbst, 
gegen  NNW.  abschwenkend,  jenes  grosse  Gebirge  bildet, 
welches  sich  westlich  über  Yärkand  und  Kashgar  er- 
hebt und  in  der  Regel  als  Kizilydrt  bezeichnet  wird.  — 

Zuerst  trifft  man  bei  Sänju  (6070  Fuss)  gegen  den  Rand  der 
Niederung  rothen  cretacischen  Sandstein  und  chloritischen  Mergel 
mit  Gryphaea  vesiculosa,  discordant  dem  steil  gestellten,  älteren 
Schiefer  angelehnt.  Oberhalb  Sänju  zieht  eine  Zone  von  Kohlen- 
kalk durch,  dann  folgen  alte  Schiefer,  zum  Theile  chloritisch,  zum 
Theile  echte  Glimmerschiefer,  welchen  bei  Täm  eine  paläozoische 
Scholle  eingesenkt  zu  sein  scheint;  granatführender  Glimmer- 
schiefer bildet  die  Höhe  des  Sänjupasses  (16.650  Fuss);  hierauf 
werden  in  der  Tiefe  des  Karakash  die  häufig  syenitischen  Gneiss- 
massen  erreicht,  welche  die  Hauptlinie  des  Kuen-lun  bilden.  Aus 
ihnen  besteht  die  Umgebung  von  Shähidula.  Nun  folgen  abermals 
Schiefer,  zum  grossen  Theile  gewiss  von  paläozoischem  Alter, 
welche  den  Fass  Suget  (17.618  Fuss)  und  alles  Hochland  bis  in 
die  Gegend  von  Kizil-Jilga  W.  von  Thaldat,  folglich  die  ganze 
Gegend  W.  von  der  Kuen-lun-Hochebene  bilden,  und  hier  erst, 
bei  dem  Lagerplatze  Shing-lung  (auch  Dong-lung)  erscheint  Kalk- 
stein mit  Megalodon  triqueter.  Dieser  Punkt  entspricht  der  Fort- 
setzung von  Drew's  Lokzhungbergen,  und  von  hier  reicht  der 
mesozoische  Kalkstein  bis  Gogra  in  Chängchenmo. 

Die  zweite  Linie  trifft  südlich  von  Kdrghalik  eine  breite  Zone 
sehr  junger  Bildungen,  dann  grauen  Dolomit  und  Kalk,  Schiefer 
und  Grünstein,  dann  jenseits  von  Chiklik  die  Schieferserie  des 
Sänjupasses.  Nördlich  vom  Yängipasse  tritt  der  Gneiss  hervor. 
Den  Fass  selbst  und  die  ganze  Strecke  bis  Aktägh  bilden  die  auf 
der  östlichen  Linie  erwähnten  Schiefer,  hier  von  Grünstein  be- 
gleitet, und  etwas  S.  von  Aktägh  beginnt  Kohlenkalk.    Dieser  ist 

Supss,  Das  Antlitz  der  Erde.  Sy 


c68  Beugung  des  Kuen-lun. 

südwärts  überbogen,  so  dass  er  mit  steilem  Nordfallen  ammoniten- 
reichen  Triaskalk  überlagert.  Der  mesozoische  Kalkstein  hält  nun 
an,  und  die  Höhe  des  Käräkoram  bildet  Lias  mit  Belemniten.  Die 
Dipsang-Hochebene  ist  höchst  wahrscheinlich  auch  Lias,  und  die 
Kalkzone  reicht  südwärts  bis  an  den  Saserpass,  welcher  dem 
Streichen  der  grossen  Mustäghkette  entspricht. 

In  beiden  Profilen  erscheint  also  Gneiss  und  syenitischer 
Gneiss  nicht  auf  den  Höhen,  sondern  er  streicht  N.  von  den  Pässen 
Suget  und  Yängi. 

Die  Reise  von  Yängihissär  in  den  Pamir  wurde  früher  unter- 
nommen als  jene  über  die  Pässe  Yängi  und  Käräkoram,  die  Linie 
über  Sänju  kannte  jedoch  Stoliczka  bereits.  In  den  beiden  ersten 
Tagreisen  wurden  nur  junge,  zum  Theile  vielleicht  tertiäre  Bil- 
dungen gekreuzt.  Sobald  dieselben  überschritten  sind,  wird  die 
Schieferzone  von  Sänju  und  Täm  der  ersten  Linie  wieder  erkannt, 
welche  identisch  ist  mit  jener  von  Chiklik  der  zweiten  Linie,  hier 
wie  bei  Chiklik  von  Grünstein  begleitet.^^  £§  zeigen  sich  Spuren 
des  rothen  cretacischen  Sandstein's  von  Sänju,  und  vor  Chichiklik 
wird  der  Gneiss  erreicht;  zwischen  dem  Kokmainäkpasse  und 
Tashkurghan  zieht  noch  ein  Zug  von  Glimmer-  und  Hornblende- 
schiefer durch.  Hierauf  beginnt  ein  zweiter  Zug  von  Gneiss  und 
syenitischem  Gneiss,  welcher  bis  Kogashak  bei  Aktäsh  südwärts 
übergebogen  oder  senkrecht  aufgestellt  ist  gegen  einen  Zug  von 
paläozoischem  Schiefer,  dem  ein  hohes  Kalkgebirge  folgt. 

Wir  befinden  uns  im  östlichen  Pamir,  an  dem  Oberlaufe  des 
Ak-ssu.*^  Dieser  hohe  Kalkzug,  welcher  eine  Reihe  von  Ver- 
steinerungen geliefert  hat,  umschliesst  Kohlenkalk  und  Trias. 
Stoliczka  hat  ihn  bei  Isstyk  getroffen;  bei  Aktäsh  ist  sein  Streichen 
fast  rein  O.,  vor  Kanshubar  beugt  es  sich  gegen  SO.,  bildet  die 
höchsten  Theile  des  Pcisses  Neza-täsh  und  zieht  gegen  SO.  weiter. 
Und  indem  derselbe  Beobachter  bald  darauf  N.  vom  Käräkoram 
den  Nordsaum  des  Kalkgebirges  trifft,  schreibt  er  am  13.  Juni 
1874  ^^  sein  Tagebuch:  ,.  .  .  es  ist  kein  Zweifel,  dass  dieser  Kalk- 
stein sich  bis  südlich  von  Aktäsh  erstreckt.* 

Das  Ergebniss  ist  also  folgendes:  Ein  petrefactenreicher 
mesozoischer,  wohl  auch  stellenweise  den  Kohlenkalk  umfassender 
Zug  zeigt  sich  im  östlichen  Pamir  mit  fast  östlichem  Streichen 


Hindu  Kush  und  Pamir.  569 

zwischen  Isstyk  und  Aktäsh,  wendet  sich  bald  gegen  SO.,  über- 
schreitet den  Neza-täsh,  nimmt  zwischen  Mustägh  und  Kuen-lun 
im  oberen  Thale  des  Yärkandflusses  an  Breite  zu,  reicht  endlich 
südwärts  bis  an  den  Saser  Pass  und  nach  Chängchenmo,  umfasst 
in  seiner  Mitte  Käräkoram,  die  Hochebene  Dipsang,  die  Lokzhung- 
berge,  Lingzithang  und  alles  Hochland  bis  an  den  Kuen-lun,  sich 
wahrscheinlich  ostwärts  fortsetzend  in  den  Aksai  Chin,  d.  i.  die 
Weisse  Wüste,  und  gegen  den  Jeshil  Kul. 

Nördlich  von  diesem  Kalkgebiete  wendet  der  Kuen-lun  sein 
Streichen  bogenförmig  zu  jenem  des  Kizilyärt  und  setzt  in  zwei 
Gneisszügen  bei  Chichiklik  und  südlich  von  Tashkurghan  in  jene 
gegen  NNW.  streichenden  Ketten  fort,  welche  die  Niederung 
des  Tarym  gegen  West  umgeben. 

Die  Uebereinstimmung  dieses  Ergebnisses  mit  dem  Verlaufe 
der  tertiären  Störungslinien  ist  aber  sehr  auffallend.  Schon  von 
den  Ebenen  im  33.°  an  sieht  man  alle  Elemente,  aus  welchen  die 
Ketten  des  Himalaya  aufgebaut  sind,  gegen  NW.  streben,  und 
dann  bald  in  flacherem  Bogen  gegen  die  Richtung  des  Hindu  Kush 
sich  umbeugen,  bald  scharf  in  eine  NNW.  Richtung,  wie  aufge- 
schleppt, übergehen. 

Die  Aufbeugung  des  Kuen-lun  gleicht  einer  Wiederholung 
der  Störungslinien  der  tertiären  Vorketten  umsomehr,  als  auch 
unweit  von  AktÄsh  Stellen  vorhanden  sind,  an  welchen  derGneiss 
südwärts  sich  überbeugt  über  den  Kalkstein. 

Hindu  Kush  und  Pdmir.  Als  der  Beginn  einer  genaueren 
Kenntniss  der  südlichen  Ketten  des  Hindu  Kush  ist  die  im  Jahre 
1872  erfolgte  Veröffenthchung  der  Forschungen  von  Waagen  und 
Wynne  an  dem  M.  Sirban,  S.  von  Abbotabad,  zu  bezeichnen." 
Aus  diesen  Arbeiten  hat  sich  nämlich  ergeben,  dass  schon  in  diesen 
ersten  Ketten  die  Schichtfolge  der  nahen  Salzkette  nicht  mehr 
vorhanden  ist,  sondern  eine  Reihe  von  Ablagerungen  auftritt, 
welche  mit  den  mesozoischen  Zonen  des  Himalaya,  also  mit  jenen 
von  Kashmir  und  der  jenseits  des  Zänskär  gelegenen  Zone,  ins- 
besondere aber  mit  dem  entfernten  Spiti  übereinstimmt.  Hier  tritt 
bereits  jener  wohlgeschichtete,  graue  Kalkstein  mit  Megalodgi 
und  Dicerocardium  auf,  welchen  wir  soeben  weit  im  Osti 

37* 


570  Sirban. 

Chängchenmo  auf  die  Hochebene  W.  von  Lingzithang  verfolgt 
haben,  und  welcher  so  sehr  an  die  östlichen  Alpen  erinnert.  Es 
ist  die  Juraformation  nur  durch  dunkle  Schiefermassen  vertreten, 
wie  in  Spiti,  also  von  dem  Jura  der  Salzkette  ganz  und  gar  ver- 
schieden, und  über  unterer  Kreide  folgt  ein  höherer  cretacischer 
Kalkstein  wie  in  Chikkim.  Diese  Uebereinstimmung  ist  um  so 
auffallender,  als  der  zunächst  liegende  Zug  des  Himalaya,  Pir 
Panjäl  mit  dem  langen  Granitkerne,  überhaupt  noch  keine  erkenn- 
baren organischen  Reste  aus  der  mesozoischen  Zeit  geliefert  hat. 
Es  kann  aber  nicht  daran  gezweifelt  werden,  dass  die  heute  zer- 
brochenen und  gefalteten  mesozoischen  Kalkmassen,  welche  die 
einzelnen  Zonen  des  Himalaya  von  Tibet  bis  zum  Kdräkoram  und 
bis  in  den  östlichen  Pamir  bilden,  dereinst  von  einem  gemein- 
samen Meere  abgelagert  worden  sind,  und  nun  sehen  wir,  dass 
dieses  Meer  auch  die  südliche  Region  des  heutigen  Hindu  Kush 
umfasste. 

Den  Untersuchungen  über  M.  Sirban  sind  die  weiteren  Auf- 
nahmen der  südlichen  Ketten  durch  Wynne  nachgefolgt,  welchen 
wir  Folgendes  entnehmen.^" 

Die  älteren  Gesteine  sind  von  dem  jüngeren  Tertiärlande 
von  Rawalpindi  durch  eine  sehr  lange,  bogenförmige  Dislocation 
scharf  abgetrennt,  welcher  auf  längere  Strecken  untergeordnete 
Dislocationen  parallel  laufen.  Diese  bogenförmige  Hauptlinie 
läuft  von  Muzafirabad  zuerst  nach  S.,  wendet  sich  bei  Murree  mehr 
und  mehr  gegen  SW.,  zieht  nördlich  von  Rawalpindi,  in  die  west- 
liche Richtung  übergehend,  hin,  und  erreicht  Kohät.  Die  Ueber- 
schiebung  gegen  Aussen  ist  auf  dieser  Linie  so  stark,  dass  z.  B. 
oberhalb  Rawalpindi  die  jurassischen  Schiefer  fast  horizontal  auf 
dem  Nummulitenkalke  liegen.  In  dem  südöstlichen  Theile  ist  es 
die  Margallakette,  aus  oft  wiederholten  Zonen  von  gefalteten 
mesozoischen  und  eocänen  Gesteinen  bestehend,  welche  diesen 
äusseren  Saum  bildet;  weiter  im  Innern  herrschen  alte  Schiefer, 
und  diese  sind  es  auch,  welche  eine  ziemliche  Strecke  weit  unter- 
halb Muzafirabad  an  die  Schaarung  heraustreten  und  sich  mit 
Seehöhen  von  8 — 9000  Fuss  unmittelbar  über  den  Jhelum  erheben. 

Innerhalb  dieser  Schieferzone  treten  Massen  von  graniti- 
schem Gneiss  hervor  und  bilden  die  hohen  Berge  zwischen  Kunhar 


Südliche  Ketten  des  Hindu  Kush.  571 

und  Indus,  und  W.  vom  Indus.  Die  älteren  Schiefer  stimmen  über- 
ein  mit  jenen  des  Pir  Panjäl,  und  es  wird  behauptet,  dass  auch  der 
granitische  Gneiss  identisch  sei  mit  den  Intrusivmassen  des  Dhau- 
ladhär  und  des  Pir  Panjäl. 

Wie  dem  auch  sein  mag,  ist  doch  sicher,  dass  die  gesammte 
Vertheilung  der  Felsarten  und  das  Streichen  derselben  bedingt 
sind  durch  Linien,  welche  in  vollster  Uebereinstimmung  stehen 
mit  den  Dislocationen  des  vorliegenden  Tertiärlandes,  und  dass 
Ueberschiebungen  gegen  Aussen  allenthalben  bemerkt  werden. 
So  wie  O.  vom  jhelum  die  Neigung  der  Schichten  gegen  NO.,  so 
herrscht  W.  von  demselben  die  Neigung  gegen  NW.,  nämlich 
gegen  das  höhere  Gebirge.  Es  ist  eben  das  Drängen  nach  Vor- 
wärts, welches  in  allen  Theilen  des  Gebirges  zum  Ausdrucke 
gelangt. 

In  seiner  äusseren  Gestalt  ist  dieser  Gebirgstheil  durch  eine 
Anzahl  in  denselben  versenkter  Ebenen  ausgezeichnet,  wie  die 
Ebene  Pakli  Dara  im  NO.,  welche  in  die  alten  Felsarten  eingesenkt 
ist,  ähnlich  dem  Hirschberger  Kessel  im  Riesengebirge,  und  die 
grosse,  im  Streichen  des  Gebirges  gedehnte  Ebene  von  Hazdra, 
vom  Indus  abgetrennt  durch  den  Schieferzug  der  Gandgarh berge, 
welche  mehr  der  Ebene  von  Laibach  in  den  Ostalpen  zu  gleichen 
scheint,  als  der  grossen  Synclinale  von  Sirinagar. 

So  folgt,  wie  der  Himalaya,  auch  die  erste  Reihe  der  Ketten 
des  Hindu  Kush  denselben  Bewegungen,  welche  die  Dislocationen 
des  Tertiärgebirges  veranlasst  haben;  es  ist  derselbe  Plan  und 
dieselbe  Richtung  der  Störungen,  nur  ist  ihr  Ausmaass  ein  viel 
bedeutenderes.  — 

Die  Schlucht  des  Kunhar  oberhalb  Muzafirabad,  in  welcher 
sich  die  Schaarung  vollzieht,  ist  in  alte  Schiefer  eingeschnitten 
und  von  hohen  Bergen  umgeben,  von  denen,  aus  Nanga  Parbat 
sichtbar  sein  soll,  welcher  schon  den  Gneissketten  von  Laddk  an- 
gehört. Was  von  34°  30'  gegen  N.  oder  NW.  liegt,  ist  in  Bezug 
auf  seine  Structur  unbekannt.  Wir  wissen  jedoch,  dass  die  hohe 
Kunarkette,  welche  Kafiristan  gegen  Süd  begrenzt,  in  der  Rich- 
tung gegen  NO.  oder  ONO.  verläuft,  und  dieselbe  Richtung  ver- 
folgt der  grosse  Hauptzug  des  Hindu  Kush  von  Kuh  Baba  ober- 
halb Kabul  über  die  Khawakpässe  bis  zu  jener  dreifachen  Pas 


572  Pamir. 

linie,  welche  von  Chitrdl  nach  Iskashim  führt,  wo,  bei  einer  Kamm- 
höhe  von  16.000  Fuss,  auf  einem  südlichen  Ausläufer  der  Tirach 
Mir  25.426  Fuss  erreicht.^'  Von  hier  setzt  der  gewaltige  Gebirgszug 
in  unveränderter  Richtung  fort,  bildet  das  Schneegebirge,  welches 
seinen  Nordabhang  dem  oberen  Faendsh  zuwendet,  sinkt  bei  dem 
Passe  Baroghil -auf  12.000  Fuss  herab  und  erhebt  sich  wieder, 
grosse  Gletscher  südwärts  gegen  Kunjud  herabsendend. 

Hiemit  sind  wir  an  dem  Oberlaufe  des  Oxus  angelangt. 
Schon  im  Sommer  1874  schrieb  F.  Stoliczka  seinen  Freunden  nach 
Europa:  , Pamir,  das  Dach  der  Welt,  ist  gar  kein  Plateau;  es  sind 
gedrängte  Ketten*;  und  der  Ausdauer  und  Hingebung  russischer 
Forscher  ist  es  zu  danken,  dass  heute  bereits  eine  Uebersicht  ge- 
wonnen, und  dass  der  Parallelismus  dieser  Ketten  mit  dem  Hindu 
Kush  sichergestellt  ist.  Die  entscheidenden  Beobachtungen  sind 
den  im  Jahre  1883  von  Iwanow  und  seinen  Genossen  ausgeführten 
Reisen  zuzuschreiben,  für  deren  gütige  Mittheilung  ich  hier  zu 
danken  habe.^' 

Nach  Iwanow  sind  zu  unterscheiden:  die  Kette  von  Wach  an 
zwischen  dem  Wachan  Daria  und  dem  Pämirflusse;  die  Pämir- 
Hauptkette  zwischen  den  Flüssen  Pamir  und  Alitschur;  die 
Alitschurkette  zwischen  diesem  Flusse  und  dem  Murghab;  die 
Murghabkette,  welche  sich  gegen  ONO.  bis  zum  Passe  Ulug-- 
rabat  erstreckt;  endlich  die  Rangkulkette,  N.  von  diesem  See, 
welche  im  Osten  einen  Theil  der  Wasserscheide  zwischen  Amu 
und  Tarym  bildet  und  sich  gegen  W.  mit  dem  Karakulzuge  ver- 
bindet, welcher  von  Kokuj-bel  und  Tachtagorum  kommt. 

Diese  Züge  erstrecken  sich  alle  fast  parallel  von  WSW.  gegen 
ONO.;  im  Süden  folgt  ihnen  in  gleicher  Richtung  der  Hindu  Kush, 
im  Norden  die  Sa-Alai  und  Alaikette.  Gegen  Südwesten  ver- 
flachen sie;  es  fehlt  aber  jener  steile  gemeinsame  Abfall,  welcher 
auf  den  Karten  zwischen  dem  See  Shiwa  und  der  Niederung  ver- 
zeichnet ist;  ein  Ausläufer  erstreckt  sich  im  Gegentheile  bis  gegen 
Rustak,  W.  von  Faisabad,  und  da  Wood  ausdrücklich  die  NO. — 
SW.-Richtung  des  hohen  Khoja-Mohammed- Gebirges  erwähnt, 
möchte  ich  auch  dieses  als  eine  Fortsetzung  der  Ketten  des  Pamir 
ansehen.^^ 

Betrachten  wir  nun  die  Ostseite. 


Pusht-i-Khar. 


573 


Stoliczka  hat  gezeigt,  dass  die  mesozoische  Kalkregion  des 
Kärdkoram  über  den  Pass  Neza-täsh  und  Aktäsh,  aus  NW.  in 
flachem  Bogen  fast  bis  OW.  sich  beugend,  gegen  Isstyk  streicht, 
also  das  nördliche  Ende  der  Kette  von  Wachan  erreicht.  Da 
Iwanowas  Beobachtungen  nicht  nur  auf  dem  Streichen  der  Gebirgs- 
züge, sondern  auch  auf  dem  Streichen  der  Felsarten  beruhen,  er- 
gibt sich  hieraus,  dass  Hindu  Kush  und  mit  ihm  die  Kette  von 
Wachan  südlich  von  dem  Eintreffen  der  Zone  von  Käräkoram  an 
der  Linie  der  Berührung  beider  Bogensysteme  liegen,  und  dass 
der  Hauptzug  des  Hindu  Kush  mit  dem  mächtigsten  Zuge  des 
westlichen  Himalaya,  dem  Mustdgh,  im  nördlichen  Kunjud  ent- 
weder im  Bogen  sich  vereinigen  oder  in  spitzem  Winkel  sich  treffen 
muss;  das  erstere  zeigt  auch  in  der  That  z.  B.  die  Karte  der  eng- 
lischen Landesvermessung  in  der  Art  der  Umfassung  von  Kunjud 
und  des  oberen  Gilgit.  Hayward  sagt  sogar  ausdrücklich,  das 
Zusammentreffen  erfolge  am  Haupte  des  Thaies  von  Gilgit,  an 
einer  Stelle,  genannt  Pusht-i-Khar,  d.  i.  der  Eselsrücken.^* 
Gerade  südlich  von  diesem  Gebiete  liegt  Hunza  und  Nagar,  bis 
an  dessen  Grenze  unter  den  Gletschern  des  Südabhanges  des 
Mustdgh  Lydekker  die  Fortsetzungen  der  Triaszone  von  Baltistdn 
verfolgt  hat.^5  Zwischen  diesem  Kalkzuge  und  jenem  von  Kdrd- 
koram — Neza-tdsh  müssen  die  Gneissketten  des  Hindu  Kush  und 
des  Mustdgh  sich  begegnen. 

Anders  verhält  es  sich  nördlich  von  dem  Kalkzuge  von  Aktdsh. 
Hier  beugt  sich,  wie  wir  sahen,  der  Kuen-lun  in  grossem  Bogen 
gegen  NNW.  und  bildet  eine  lange  Kette,  welche,  anfangs  nicht 
sehr  hoch,  sich  jenseits  des  Passes  Chichiklik  rasch  erhebt,  die 
25.500  Fuss  hohe  Gneissmasse  des  Tagharma  (Mustdghata)  über 
dem  kleinen  Karakul  und  jenseits  desselben  eine  ungenannte  Höhe 
von  2  2.5oo  Fuss  und  noch  eine  lange  Reihe  von  hohen  Spitzen 
trägt.  Dieser  grosse,  gegen  NNW.  gerichtete  Zug,  gewöhnlich 
Kizilydrt  genannt,  ist  von  einer  oder  zwei  kürzeren  Parallelketten 
begleitet,  und  wir  bezeichnen  ihn  mit  Iwanow  als  das  Gebirge 
von  Kashgar. 

Die  gegen  ONO.  streichenden  Ketten  des  Pdmir  nähern  sich 
ohne  Vermittlung  den  Kashgar'schen  NNW.-Ketten  oder  enden 
im  Angesichte  derselben. 


Q^A  Uebersicht  der  grossen  Schaarung. 

Vom  Passe  Kush-bel,  NO.  vom  Passe  Kara  Art,  blickt  Iwa- 
now südwärts  in  das  Thal  des  nördlichen  Ges  herab  und  sieht  es 
auf  der  rechten  Seite  begrenzt  von  schönen  Gebirgsausläufern,  auf 
der  linken  aber  von  der  hohen  gezackten  Kette  Kyrk-ku  (Vierzig 
Spitzen).  Das  Thal  erstreckt  sich  70  Kilom.  gegen  WNW.  in  NW. 
Kyrk-ku  ist  tief  herab  mit  Schnee  bedeckt,  und  Gletscher  häng-en 
in  jeder  Furche  fast  bis  zum  Thalboden  herab.  Das  ist  die  nörd- 
liche Fortsetzung  des  Kashgar'schen  Hauptzuges. 

Diesem  unvermittelten  Zusammentreffen  der  beiden  Gebirgs- 
richtungen  ist  wohl  die  Unregelmässigkeit  der  Wasserscheide 
zwischen  Tarym  und  Oxus  zuzuschreiben,  welche  diese  Region 
mehrmals  durchschneidet. 

Uebersicht  der  grossen  Schaarung.  Der  Linie  des  Zu- 
sammentreffens der  Bogen  des  Himalaya  und  des  Hindu  Kush 
von  dem  indischen  Flachlande  her  uns  nähernd,  treffen  wir  zuerst 
in  der  Nähe  des  Flusses  Chenäb  auf  die  Koränaberge,  eine  Gruppe 
weit  vorgeschobener  und  völlig  vereinzelter  Höhen,  welche,  im 
Angesichte  der  ersten  Faltungen  des  Hochgebirges,  aus  den  Fels- 
arten des  Tafelgebirges  der  Halbinsel  gebildet  sind. 

Hierauf  folgt  gegen  West  die  Salzkette,  eine  von  Störung-en 
durchschnittene  Stufe,  welche  den  Untergrund  der  tertiären  Vor- 
ketten des  Hindu  Kush  sichtbar  werden  lässt.  Nun  erreichen  wir 
in  Ost  und  West  die  tertiären  Vorketten  selbst,  welche  von  ausser- 
ordentlich langen,  dem  Saume  der  beiden  Gebirge  parallelen 
Anticlinalen  und  von  Flexuren  durchzogen  sind,  welche  auf  lange 
Strecken  nach  Aussen  überschoben  sind.  Diese  Linien  begegnen 
sich  in  der  Nähe  des  Jhelum,  und  einzelne  von  ihnen  scheinen 
ohne  Unterbrechung  über  die  Linie  der  Begegnung  von  der  SO.- 
Richtung  des  Himalaya  in  die  SW.-Richtung  des  Hindu  Kush  um- 
zubeugen.  In  Westen  scheint  einige  Interferenz  durch  das  Ueber- 
greifen  von  Himalaya-Linien  zu  entstehen. 

Der  Saum  des  Hindu  Kush  wie  des  Himalaya  gegen  die  ter- 
tiären Vorketten  ist  durch  lange  Dislocationen  bezeichnet,  welche 
ebenfalls  Ueberschiebungen  gegen  Aussen  zeigen.  Im  Hindu  Kush 
tritt  der  Gebirgsbogen  weiter  gegen  Süd  vor  als  O.  vom  Jhelum, 
und  unter  Muzafirabad  kommt  sogar  die  Schieferzone  unter  den 


Uebersicht  der  grossea  SchaaniDg.  575 

mesozoischen  Sedimenten  auf  eine  grössere  Strecke  an  das  rechte 
Ufer  des  Jhelum  heraus;  die  folgenden  Gneiss-  und  Granitmassen 
von  Amb  treten  im  Khägan  oberhalb  Muzafirabad  an  die  Fort- 
setzungen der  ersten  Himalayakette.  Dies  ist  der  Pir  Panjdl  mit 
seinem  instrusiven  granitischen  Kerne,  ebenfalls  nach  Aussen  über- 
bogen. 

Im  Westen  fehlen  Beobachtungen  bis  an  die  Hauptkette  des 
Hindu  Kush,  aber  im  Osten  sieht  man  alle  Zonen  des  Himalaya, 
zum  grossen  Theile  gegen  SW.  überbogen,  in  gleichem  Sinne 
heraufstreichen  zu  der  Region  der  Berührung,  wie  die  Dislocations- 
linien  der  tertiären  Vorketten,  so  zuerst  Pir  Panjdl,  hierauf  die 
mesozoische  Zone  von  Kashmir,  die  Gneisszone  ^on  Zdnskdr,  die 
mesozoische  Zone  von  Spiti,  welche  S.  vom  Nanga  Farbat  die 
britische  Grenze  erreicht,  die  Gneisszone  von  Laddk  und  die  meso- 
zoischen Schollen  von  Baltistän,  welche  unter  den  Gletschern  des 
Mustägh  gegen  Kunjud  streichen,  endlich  die  Gneisskette  Mustägh. 

Nun  sehen  wir  die  Hauptkette  des  Westens,  den  Hindu  Kush, 
zur  Begegnung  mit  der  mächtigsten  Kette  des  Ostens,  dem  Mus- 
tägh, eintreffen,  und  wie  wir  früher  sagten,  muss  diese  Begegnung 
in  Kunjud  stattfinden. 

Das  gegen  Ost  so  rasch  an  Breite  zunehmende  Kalkgebiet 
Kdrdkoram — Lingzithang  greift  nun  von  SO.  her  über  Neza-täsh 
in  den  Östlichen  Pamir,  abermals  den  Zusammenhang  des  Baues 
andeutend;  im  Norden  aber  krümmt  sich  Kuen-lun  erst  gegen  NW., 
dann  gegen  NNW.,  um  die  Ketten  des  Kashgargebirges  mit  dem 
mächtigen  Tagharma  und  das  Vierzig  Spitzen- Gebirge  zu  bilden. 

Im  Westen  schliesst  sich  an  Hindu  Kush  nun  die  lange  Reihe 
der  parallelen  Pdmirketten  an,  welche  ohne  Vermittlung  an  das 
Kashgar'sche  Gebirge  treten ;  dieselbe  Richtung  verfolgen  die 
Alaiketten,  welche  dem  Tianshan  angehören.  Die  Tianshanketten 
aber  ziehen  ohne  Ablenkung  quer  über  die  Richtung  des  Kasghar- 
schen  Gebirges  und  mit  ihnen  hat  die  grosse  Schaarung  ihr  Ende 
erreicht.  — 

Die  grossen  Gebirgszüge  verhalten  sich  an  dieser  Schaarung 
zu  einander  wie  die  untergeordneten  Dislocationen  der  tertiären 
Vorberge.  Die  erste  Dislocation  der  Vorhügel  zeigt  sich  W.  vom 
Jhelum  noch   ausserhalb   der  Salzkette  in   beiläufig  32°  45' ;  der 


576  Der  östliche  Himalaya. 

Pass  Kush-bel  oberhalb  des  Ges  liegt  N.  vom  39.**;  es  erstreckt 
sich  die  Behaarung  durch  sechs  bis  sieben  Breitegrade.  Im  Süden 
befindet  sie  sich  etwas  W.  vom  74.  Merid.  Greenw.,  im  Norden 
etwas  O.  von  demselben;  der  Verlauf  ist  daher  Nord  etwas  in  Ost. 
Sie  ist  im  Süden  durch  den  Jhelum,  im  Norden  auf  lange  Strecken 
nicht  einmal  durch  ein  Thal  bezeichnet.  Die  mächtigsten  Ketten 
scheinen  sich  in  gemeinsamem  Sattel  zu  vereinigen.  Gerade  hier- 
aus ergibt  sich  die  grosse  Gemeinsamkeit  der  Bewegungen.  Wie 
zwei  flache  Lavaströme  oder  zwei  Güsse  von  Schlacke,  neben  ein- 
ander hinfliessend,  ihre  erstarrenden  Wellen  schaaren  lassen  an 
einer  langen  Linie,  an  welcher  sich  diese  Wellen  bald  vereinigen 
und  bald  gegenseitig  schleppen,  so  begegnen  sich  die  Ketten  des 
Himalaya  und  des  Hindu  Kush. 

Der  östliche  Himalaya.  Durch  die  ganze  ausserordent- 
liche Länge  des  convexen  äusseren  Saumes  vom  74.**  am  Jhelum 
bis  zum  94.°  östl.  L.  Greenw.  am  Brahmaputra  und  wahrscheinlich 
noch  weiter  gegen  Osten  ist  der  Saum  des  Gebirges  in  der  Regel 
überbogen  und  widersinnisch,  d.  i.  gegen  das  Innere  der  Ketten 
geneigt.^^  Bei  dieser  Einheit  des  wichtigsten  Grundzuges  der 
Structur  ist  die  Verschiedenheit  um  so  auffallender,  welche  in  Be- 
zug auf  die  Beschaffenheit  der  Ablagerungen  zwischen  einzelnen 
Theilen  dieses  Saumes  besteht,  und  wenn  auch  die  vorliegenden 
Beobachtungen  über  denselben  noch  ausserordentlich  lückenhaft 
sind,  bieten  sie  doch  heute  schon  Ergebnisse  von  nicht  geringem 
Werthe  für  die  Beurtheilung  allgemeiner  Fragen. 

Vom  74.  bis  etwa  zum  77.°  östl.  L.  reichen  die  hohen  und 
zackigen  Kämme  des  Pir  Panjäl  und  des  Dhauladhär,  der  nach 
aussen  überworfenen  Zone  von  bisher  versteinerungslosen  Fels- 
arten mit  intrusivem  Granitkerne.  Gegen  O.  verliert  die  äussere 
Zone  an  Höhe  und  wird  hier  von  Medlicott  und  Blanford  als  die 
,Lower  Himalaya's*  bezeichnet.  In  derselben  mächtigen  Serie  bis- 
her versteinerungsleerer  Sedimente,  welche  schon  vom  Jhelum  her 
als  die  Krol-  und  Blaini-Series  bezeichnet  werden,  sind  beträcht- 
liche Züge  von  Kalkstein  und  Dolomit  vorhanden;  man  hat  einen 
Theil  derselben  der  Trias  zugezählt,  doch  fehlen  die  Beweise.  Bei 
Simla  erreicht  diese  Serie,   in   die   nördlich   folgende  Zone  ein- 


Kinchinjunya.    DAnkia.  577 

dringend,  besondere  Breite.  Jenseits  von  Kumaon  beginnt  eine 
grosse  Lücke  in  den  Beobachtungen.  Erst  MedÜcott's  bis  an  die 
Ufer  des  Trisul-Ganga  NW.  von  Kathmändu  ausgedehnter  Aus- 
flug nach  Nepal  bringt  einiges  Licht  über  den  Bau  dieses  den 
Europäern  sonst  verschlossenen  Landes.  Hier  scheinen  die  Ele- 
mente, aus  welchen  die  äusseren  Zonen  des  Hochgebirges  zu- 
sammengesetzt sind,  im  Wesentlichen  noch  dieselben  zu  sein  wie 
in  Kumaon." 

Abermals  stehen  wir  vor  einer  grossen  Lücke  und  erst  an 
der  Grenze  von  Sikkim  erreichen  wir  das  Gebiet  von  F.  R.  Mallet's 
Untersuchungen,  welche  den  äusseren  Gebirgsrand  fast  vom  88. 
bis  zum  90.°  östl.  L.  umfassen.'^*  Nun  ist  einige  Ausführlichkeit  in 
der  Besprechung  nöthig. 

O.  von  Darjiling  ergiesst  sich  der  Rungit  in  den  Tista  und 
der  letztere  durchquert  dann,  von  N.  gegen  S.  fliessend,  das  Ge- 
birge. Dieses  Querthal  ist  in  grüne  und  graue  Schiefer  (Ddling- 
Series)  eingegraben,  welche  die  Enden  zweier  grosser  Gneiss- 
massen des  Kinchinjunga  (28.516  engl.  Fuss)  im  Westen  und  des 
Dänkia  (23.18g  Fuss)  im  Osten  von  einander  scheiden.  Darjiling 
ist  nahe  dem  Rande  der  westlichen  Gneissmasse  erbaut.  Der 
Schiefer  trennt  aber  nicht  nur  beide  Gneissmassen,  er  umgibt  auch 
beide  gegen  N.  und  ebenso  gegen  S.,  wo  der  Gnelss  sehr  nahe 
gegen  die  Ebene  vortritt,  und  von  allen  Seiten  neigt  sich  der 
Schiefer  unter  den  Gneiss. 

Von  der  Ebene  her  neigt  sich  steil  gegen  NNW.  unter  diesen 
den  Gneiss  unterteufenden  Schiefer  eine  Reihe  von  Sandstein, 
splittrigem  und  kohligem  Schiefer,  in  welcher  vor  Jahren  Hooker 
die  ersten  Spuren  von  Pflanzenresten  entdeckte.  Es  ist  in  der 
That  ein  Theil  der  Unter-Gondwdna-  (Damiida-)  Schichten  der 
Halbinsel,  welcher,  unter  die  Schieferzone  und  folgHch  auch  unter 
die  beiden  Gneissmassen  des  Kinchinjunga  und  des  Däling  ge- 
neigt, an  der  Zusammensetzung  des  äusseren  Gebirgssaumes  durch 
eine  längere  Strecke  theilnimmt.  Auch  die  vorliegende,  hier 
lückenhafte  tertiäre  Zone  ist,  wie  allenthalben,  gegen  das  Gebirge 
geneigt.  Die  Kalkzüge  der  Krol-Serie  sind  verschwunden.  — 

Die  Lagerung  von  Unter-Gondwäna  und  der  Scliieferzüge 
gegen  den  Gneiss  wurde  ursprüngHch  als  eine  muldenförmige  auf- 


578  Daflaberge. 

gefasst ;  sie  entspricht  aber  der  Ueberbeugung,  welche  fast  allent- 
halben, wo  der  Gebirgsrand  bekannt  ist,  sich  zeigt.  Die  gleich- 
falls widersinnische,  südwärts  gerichtete  Neigung  des  nördlichen 
Schiefergürtels  macht  es  wahrscheinlich,  dass  die  beiden  g*enann- 
ten  Gneissmassen  einen  fächerförmigen  Bau  haben,  d.  i.  dass  die 
grossen  äusseren  Gebirgskerne  des  Himalaya  eine  ähnliche  Structur 
besitzen  wie  ein  Theil  der  äusseren  Zone  der  grossen  Gebirgs- 
kerne der  Westalpen,  z.  B.  Montblanc.  — 

Gegen  O.  verschwinden  die  Gondwänaschichten  des  äusseren 
Gebirgsrandes  wieder;  O.  vom  Joldoka  erscheinen  Kalkzüge, 
nicht  unähnlich  der  Krol-Serie  des  Westens,  und  am  90.**  östl.  L. 
treffen  wir  auf  eine  neue  Lücke  in  den  Beobachtungen. 

Viel  weiter  gegen  O.,  in  93°  30'  bis  94°  östl.  L.,  wo  der 
Dikrangfluss  aus  den  Daflabergen  hervortritt,  fehlen  wieder  die 
Kalkzüge;  dafür  stellen  sich  die  kohlenführenden  Gondwäna- 
schichten wieder  ein.  Diese  merkwürdige  Beobachtung  ist  Godwin- 
Austen  zu  verdanken.^^  Die  tertiären  Vorberge  sind  in  lange, 
NO.  streichende  Falten  gelegt  und  erheben  sich  im  Gorusutia 
mehr  als  3000  Fuss  über  den  Brahmaputra,  gegen  dessen  Flach- 
land sie  einen  weithin  sichtbaren  Absturz  kehren.  Innerhalb  dieser 
Falten  folgt  steil  und  sehr  zerdrückt  die  kohlenführende  Serie, 
insbesondere  in  der  Sohle  des  Längenthaies  des  mittleren  Dikrang, 
hierauf  sofort  Glimmerschiefer,  Gneiss  und  Granit.  — 

Im  Westen  und  bis  Kumaon  nehmen  also  mächtige  Kalkzuge 
theil  an  dem  Baue  dieser  äusseren  Zone  des  Hochgebirges ;  ähn- 
lich ist  es  im  mittleren  Nepal ;  in  Sikkim  verschwindet  der  Kalk 
und  treten  die  kohlenführenden  Schichten  der  Halbinsel  ein ;  an 
der  Grenze  von  Bhutan  treten  wieder  Kalkzüge  an  ihre  Stelle ;  in 
den  Daflabergen  fehlen  diese  und  sind  wieder  die  kohlenführenden 
Schichten  vorhanden.  — 

Betrachten  wir  aber  das  Gebirge  nicht  nach  seiner  Länge, 
sondern  in  meridionaler  Richtung,  d.  i.  in  Beziehung  zu  den  süd- 
lich vorliegenden  Gegenden,  so  mag  man  sich  die  Sachlage  wohl 
folgendermassen  vorstellen. 

Die  höchsten  bekannten  Gipfel  des  Himalaya  gehören  der 
südlichsten  Gneisszone  an  und  diese  ist,  wenigstens  in  Sikkim,  in 
ähnlicher  Weise  durch  Schieferzüge  in  Massifs  getheilt,  wie  der 


Die  Burmanischen  Ketten.  579 

Gneiss  der  Schweizer  Alpen.  An  beiden  Seiten  des  Tista  ist  Fächer- 
structur  anzunehmen.  Der  südliche  Rand  der  Fächer  des  Kinchin- 
junga  und  des  Dänkia  bildet  zugleich  einen  Theil  des  überbogenen 
Aussenrandes  und  an  dessen  Zusammensetzung  nehmen  hier  Unter- 
Gondwäna  und  jüngere  Tertiärschichten  Antheil.  Aus  dem  vor- 
liegenden Schwemmlande  des  Brahmaputra  ragen  vereinzelte 
Kuppen  von  Gneiss  hervor  und  S.  vom  Flusse  erhebt  sich,  an  der 
Nordseite  allerdings  nur  zu  geringen  Höhen,  der  Gneisszug  des 
langen,  keilförmigen  Shillong- Plateau.  Ein  Trap-Erguss  der 
Gondwänazeit  schmiegt  sich  im  Süden  an  den  Gneiss,  die  mittlere 
und  obere  Kreide  liegen  flach  über  beiden,  dann  folgt  noch  weiter 
gegen  S.  der  Nummulitenkalk,  endlich  fallt  die  ganze  auflagernde 
sedimentäre  Serie  gegen  S.  und  SO.  nach  Art  einer  grossen  Flexur 
ab.  An  ihrem  Fusse  liegen,  arg  gestört,  die  jüngeren  Tertiär- 
schichten und  vor  uns  stehen  die  Burmanischen  Faltenzüge. 

Die  Burmanischen  Ketten.  Es  ist  eine  der  ausgedehn- 
testen Reihen  von  Faltungen,  welche  ich  jetzt  kurz  zu  besprechen 
die  Absicht  habe. 

Nach  den  bisher  vorliegenden  Nachrichten  zieht  aus  dem  öst- 
lichen Tibet,  von  den  Quellgebieten  des  Irawadi,  des  Salwin  und 
des  Mekong,  eine  Anzahl  paralleler  Gebirgszüge  aus  WNW.  gegen 
OSO.  herab  ;^''  sie  bilden  Richthofen's  ,hinterindisches  System'. 
Ihre  Beziehungen  zu  dem  östlichen  Ende  des  Himalaya  sind  un- 
bekannt; aber  während  sie  sich  in  der  Richtung  von  Ta-li-fu  und 
Momein  fortsetzen,  erscheinen  westlich  vorliegende  Züge,  welche 
offenbar  derselben  Gruppe  angehören,  unterhalb  des  Buges  des 
Brahmaputra;  sie  bilden  hier  die  Nägaberge,  die  Fatkai-  und 
Barailkette  oberhalb  Kachar  und  eine  lange  Reihe  anderer  Zügey 
welche  erst  NO. — SW.,  dann  unter  ziemlich  rascher  Beugung 
N. — S.  streichen ;  von  diesen  zieht  sich  der  lange  Zug  von  Arra- 
kan  bis  Cap  Negrais  herab. 

In  ganz  Burmah  sieht  man  ein  ausserordentlich  stark  ent- 
wickeltes System  von  nleridionalen  Längenthälern,  und  zugleich 
zeigt  der  Verlauf  der  malayischen  Halbinsel  und  der  vorliegen- 
den Inseln,  wie  sich  südwärts  allmälig  eine  grosse  und  allge- 
meine Krümmung  aus  N. — S.  gegen  NW. — SO.  vollzieht.  So  weit 


58o 


Entgegengesetzte  Bewegungen  am  Brahmaputra. 


die  geologische  Beschaffenheit  dieses  Gebietes  bekannt  ist,  stimmt 
sie  auch  mit  diesen  aus  der  Gestalt  der  Oberfläche  erkennbaren 
Zügen  überein,  und  es  lassen  sich  drei  grosse  Zonen  unterscheiden. 
Die  westliche  umfasst  die  aufgezählten  Ketten  von  den  Nag'a- 
bergen  in  27"  30'  bis  Gross-Nikobar  in  7""  nördl.  Br.,  und  wie  wir 
bald  sehen  werden,  noch  weiter  gegen  Süd ;  die  mittlere  ist  das 
Tiefland  des  Irawadi  und  das  vorliegende  Meer ;  die  östliche  Zone 
umfasst  alles  Gebirge  östlich  von  den  Städten  Ava  und  Mandulay 
und  vom  Sittoung  und  die  ganze  malayische  Halbinsel.  Die  älte- 
sten Gesteine  der  westlichen  Zone  werden  der  Trias  zugezählt; 
jene  der  mittleren  reichen  nicht  unter  die  Tertiärformation  herab ; 
die  östliche  Zone  ist  aus  viel  älteren  und  vorherrschend  aus  archai- 
schen Felsarten  gebildet. 

Auch  hier  ist  besondere  Aufmerksamkeit  dem  Baue  des 
äusseren  Saumes  zuzuwenden. 

Mallet  hat  den  Gebirgsrand  längs  des  Brahmaputra  von  27^20' 
nördl.  Br.  bis  26^30'  untersucht.  Derselbe  besteht  aus  einer  mittel- 
tertiären, kohlenreichen  Serie  und  einer  älteren  Serie  von  verstei- 
nerungslosem Schiefer  und  Quarzit  (Disang  Group),  welche  in 
ähnlicher  Weise  durch  ganz  Arrakan  hinabzieht  (NegraTs  Group 
im  S.).  Beide  Serien  sind  auf  diese  ganze  Erstreckung  Widersinn isch, 
d.  i.  gegen  SO.  geneigt,  und  wenn  auch  mit  Mallet  angenommen 
wird,  dass  die  jüngere  kohlenführende  Serie  durch  einen  lang-en 
Bruch  von  der  älteren  Serie  abgeschieden  sei,  so  ergibt  sich  doch 
aus  der  widersinnischen  Lagerung  beider  Gebirgsglieder  wieder, 
wie  an  dem  Saume  des  Himalaya,  die  ausserordentliche  Wirkung- 
der  tangentialen  Bewegung.'*' 

Dieser  Saum  ist  aber  von  jenem  des  Himalaya  nur  durch  das 
Thal  des  Brahmaputra  getrennt,  und  wir  befinden  uns  vor  einem 
Falle,  in  welchem  zwei  Gebirgszüge  mit  entgegengesetzter 
tangentialer  Bewegung  sich  einander  nähern.  Im  N.  des 
Brahmaputra  neigen  sich  die  Schichten  vorherrschend  gegen  NW., 
im  Süden  gegen  SO.;  zugleich  sind  in  der  Streichungsrichtung- 
beider  Gebirge  die  Convexitäten  gegen  einander  und  gegen  das 
keilförmige  Zwischenstück  von  Shillong  gerichtet.  Es  ist  daher  in 
dieser  Region  ein  voller  Antagonismus  der  tangentialen  Bewegung- 
sichtbar. 


Barailketten.  58 1 

Nun  nähern  wir  uns  dem  Shillong-Plateau ;  die  äusseren  Bur- 
manischen Bogen  werden  hier  anfangs  durch  das  Thal  d^s  Dhan- 
siri  von  demselben  getrennt,  welches  das  NO. -Ende  des  Plateau's 
umfliesst,  um  sich  in  den  Brahmaputra  zu  ergiessen.  Gerade  hier 
ist  durch  R.  D.  Oldham  die  ganze  Breite  der  Gebirgsfalten  bis  an 
die  grosse  Niederung  des  Irawadi  bekannt  geworden.  Es  sind 
mehrere  Parallelzüge  vorhanden.  Das  Mitteltertiär  reicht  auf  den- 
selben zu  beträchtlichen  Höhen ;  es  erscheinen  unter  demselben 
muthmasslich  cretacische  Schichten,  dann  die  ältere  Sandstein- 
und  Schiefergruppe,  und  gegen  den  Ostrand,  also  gegen  den 
Saum  der  grossen  Niederung,  zeigt  sich  ein  langer  Zug  von  Ser- 
pentin.^' 

Es  liegt  jüngeres  Tertiärland  von  dem  äusseren  Abhänge  der 
Barailketten  bis  hinüber  zum  Shillong-Plateau,  und  zwar  ist  in 
SW.,  wo  die  Höhen  gegen  Kachar  auseinanderweichen,  zwischen 
beiden  eine  horizontal  gelagerte  Region  von  Tertiärschichten 
sichtbar.  Sie  sind  hier  sehr  mächtig,  und  schon  vor  Jahren  haben 
Medlicott  und  Blanford  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  sie 
aus  altem  Himalaya-Schutt  gebildet  seien,  und  dass  erst  durch 
die  Verdrückung  dieser  Sedimente  in  das  Burmanische  Streichen, 
also  durch  ihre  Anfügung  an  dieses  Faltensystem,  die  Ablenkung 
des  Brahmaputra  an  die  Nordseite  des  Shillong-Plateau  verursacht 
worden  sei.^^ 

In  sehr  regelmässigen  Parallelzügen  streichen  die  Lushaiberge 
gegen  S.^*  bis  nach  Pegu;  von  diesem  Lande  hat  Theobald  eine 
Aufnahme  geliefert,  welche  trotz  vielfacher  Unsicherheiten  in  der 
Altersbestimmung  der  Sedimente  doch  vielfachen  Aufschluss  gibt.^^ 

Wir  beschränken  uns  auch  hier  vorläufig  auf  die  westliche 
oder  Arrakankette.  Es  ist  nyr  ein  einzelner,  langer  Faltenzug, 
welcher  aus  den  nördlichen  Ketten  bis  Cap  Negrais  vordringt,  und 
auch  dieser  sinkt  schon  in  17°  30'  auf  etwa  1400  Fuss,  gegen  S. 
aber  zu  noch  geringeren  Höhen  herab.  Es  ist  eine  ältere  Serie 
vorhanden,  welche  wegen  des  Vorkommens  von  Halobia  und  Car- 
dita der  Trias  des  Himalaya  gleichgestellt  wird ;  Kreideformation 
ist  durch  das  Erscheinen  von  Schloenb.  inflata  an  dem  West- 
abhange  bei  Sandoway  angedeutet;  eine  bedeutende  Mächtigkeit 
von  versteinerungslosen  Bänken  von  Schiefer,   massigem  Sand- 


582  Arrakan. 

Stein,  auch  etwas  lithographischem  Kalkstein  (Negrais-Series) 
bildet  einen  grossen  Theil  der  Kette,  dann  folgen  Nummulitenkalk 
und  jüngere  Tertiärschichten. 

Der  Gebirgszug  ist  im  Allgemeinen  ein  Sattel ;  in  seiner  Axe 
tritt  von  der  britischen  Grenze  beiläufig  bis  zum  19.°  herab  die 
Trias  hervor,  aber  gerade  hier  ist  der  Sattel  gegen  O.  gebrochen, 
so  dass  Nummulitenkalk  an  die  Trias  stösst ;  südwärts  verschwindet 
der  Bruch  und  zugleich  die  Trias,  so  dass  dann  der  normal  gebaute 
Sattel  bis  CapNegrais  streicht;  der  südlichste  Fels,  Pooriam  Point, 
O.  von  der  Mündung  des  Basseinflusses,  besteht  aus  Nummuliten- 
schichten.  Zugleich  stellen  sich  an  der  Ostküste  lange  Züge  von 
Serpentin  ein,  offenbar  die  Fortsetzungen  jenes  Serpentinzuges, 
welcher  in  25°  10'  an  dem  östlichen  Rande  beginnt.  Diese  Fort- 
setzungen liegen  etwa  zwischen  19^20'  und  17°  25'.  Aber  nicht 
nur  der  Verlauf  der  Faltung  und  die  lange  Erstreckung  dieser 
Serpentinzüge  verräth  den  Zusammenhang  dieser  Ketten.  Am 
oberen  Dahingflusse  in  27°  30',  welcher  aus  den  Nägabergen  fliesst, 
sind  Salzquellen  und  Petroleum  bekannt,  und  solche  Vorkomm- 
nisse wiederholen  sich  an  mehreren  Orten,  wie  insbesondere  auf 
der  Baränga-Insel  an  der  Koleminmündung,  dann  auf  den  Inseln 
Rämri  und  Cheduba,  wo  sie  von  Schlammvulcanen  begleitet  sind, 
und  bis  Negrais.  Sie  sind  auch  an  der  Ostseite  der  Kette  vor- 
handen. Bei  Menbo  am  Irawadi  (20°  nördl.  Br.)  kennt  man  einen 
Schlammvulcan,  und  zahlreich  sind  die  Salz-  und  Fetroleumquellen 
bis  zum  Meere  hinab.  Zu  beiden  Seiten  des  Gebirges  scheinen  sie 
den  Nummulitenschichten  oder  dem  Mitteltertiär  anzugehören.^*^ 

Die  Vereinigung  dieser  Merkmale,  der  lange  Zug  versteine- 
rungsleerer Sandsteine  und  Schiefer  von  höchstens  cretacischem 
Alter,  die  Salzquellen,  die  Petroleum-Vorkommnisse,  die  Schlamm- 
vulcane  und  die  Serpentine  erinnern  in  so  ausserordentlicher  Weise 
an  die  Karpathen,  den  Kaukasus  und  gewisse  Theile  des  Apennin, 
dass  man  einen  gleichen  Gebirgszug  trotz  des  örtlichen  Hervor- 
tretens  der  Trias  wohl  in  Europa  ein  Flyschgebirge  nennen  würde. 
Unter  den  indischen  Gebirgen  stehen  bei  aller  Verschiedenheit 
doch  die  Ketten  von  Sind  demselben  zunächst.  Es  erreicht  der- 
selbe aber  am  Cap  Negrais  nicht  sein  Ende.  Alle.  Beobachter, 
welche  sich  seit  Rink  mit   den  Inseln  des  Golfes  von  Bengalen 


Burmanischc  Vulcane.  5^3 

beschäftigt  haben,  stimmen  darin  überein,  dass  der  Höhenzug  von 
Arrakan  durch  Preparis  und  Cocos  sich  in  die  Andamanen  und 
in  die  Nikobaren  fortsetze.  Es  ist  dieselbe  Richtung  des  Streichens; 
es  sind  dieselben  Felsarten,  Serpentin  hier  oft  mit  Gabbro  und 
Grünstein,  dann  Sandstein,  Schiefer  und  jüngeres  Tertiär,  welche 
in  gebrochenen  Falten  und  von  Korallenriffen  umgeben,  diese 
Inseln  bilden/^ 

In  Verfolgung  dieser  westlichen  Zone  der  burmanischen 
Ketten  sind  wir  nun  von  27°  30'  bis  7°  nördl.  Br.  gelangt;  wir 
brechen  vorläufig  ab,  um  uns  der  mittleren  Zone  zuzuwenden. 
Unter  derselben  verstehen  wir  den  ganzen  Raum  zwischen  dem 
Ostrande  der  eben  besprochenen  Kette  von  Arrakan  und  dem  öst- 
lichen Ufer  des  Sittoung,  dann  des  Fanboung,  welcher  bei  Ava  in 
den  Irawadi  mündet.  Es  ist  aber  höchst  wahrscheinlich,  dass  sich 
dieselbe  Zone  nordwärts  mit  wenig  veränderter  Breite  bis  weit  über 
die  Gegend  von  Bhamo  fortsetzt,  und  gegen  Süd  umfasst  sie  den 
ganzen  Meerestheil  zwischen  den  Andamanen  und  Nikobaren  gegen 
W.  und  der  malayischen  Halbinsel  gegen  O. 

Was  zunächst  auffällt,  ist  eine  Reihe  junger  Vulcane. 

Aus  dem  Flachlande  des  Irawadi  erhebt  sich  nahe  dem  21.° 
nördl.  Br.,  NO.  von  den  Fetroleumquellen  von  Y^nän-Khyoung 
und  O.  von  Pagän,  der  mächtige  vereinzelte  Vulcan  Puppä  doung 
zu  der  Seehöhe  von  etwa  5000  Fuss,  während  Pagän  am  Irawadi 
nur  beiläufig  300  Fuss  hoch  liegt.  Blanford  hat  ihn  erstiegen. 
Der  Krater  senkt  sich  wohl  2000  Fuss  unter  den  Rand  und  dieser 
ist  gegen  N.  eingebrochen.  Asche  und  Laven  breiten  sich  als  eine 
Decke  über  das  zunächst  gelegene  Land  aus.** 

Weit  südlich  davon,  S.  von  Nga-pu-tau  am  unteren  Bassein, 
in  16°  22',  ragt  aus  einem  Wasserlaufe,  der  von  alttertiären  Schich- 
ten umgrenzt  ist,  der  ,Chouk-talon'  oder  ,einsame  Stein'  hervor, 
ein  kleinerer  Trachytfels,  welcher  einen  Gang  oder  eine  unter- 
geordnete Ausbruchsstelle  anzeigt.*^ 

Die  weitere  Fortsetzung  dieser  Linie  bilden  die  bekannten 
Vulcane  von  Narkondam  (13'' 24')  und  Barren  Island  (i^°  17').^° 

Abgesehen  nun  von  diesen  Vulcanen  besteht  die  mittlere  Zone 
aus  drei  Theilen,  nämlich  aus  dem  Thale  des  Irawadi,  jenem  des 
Sittoung  und  dem  langen,  beide  Thäler  trennenden  Pegu  Yomah 

Suoss,    ]).is  Antlitz  der  Erde.  38 


584  Pcjju  Yomah. 

Der  ganze  Pegu  Yomah,  dessen  höchster  Theil  in  17^55' 
2000  Fuss  erreichen  soll,  besteht  nach  Theobald  aus  jüngeren 
Tertiärschichten,  welche  in  flache  Falten  gelegt  sind  und  in  Avelche 
die  Flussthäler  eingewaschen  sind.  In  der  Nähe  des  Meeres  be- 
rühren sich  die  Delta's  beider  Flüsse,  da  der  Pegu  Yomah  bei 
Rangoon  endet,  aber  in  dem  Maasse,  in  welchem  geg'en  N.  das 
Flachland  der  Flüsse  schmaler  wird,  nimmt  der  tertiäre  Höhenzug 
an  Breite  zu,  bis  er  etwa  vom  19.°  an  allein  die  mittlere  Zone 
bildet. 

Diese  Tertiärablagerungen  sind  reich  an  Meeresconchylien ; 
es  ist  aber  ein  jüngeres  Glied  abzutrennen,  welches  zwar  auch 
noch  Haifischzähne  als  Nachweis  der  Verbindung  mit  dem  Meere, 
sonst  aber  grosse  Mengen  verkieselter  Baumstämme  und  die 
Reste  einer  Landfauna  enthält,  welche  jener  der  Sewalikberge 
gleichzustellen  ist.  Aus  Theobald's  Darstellung  scheint  hervor- 
zugehen, dass  dieses  jüngere  Glied  den  Meeresschichten  in  tieferem 
Niveau  angelagert  ist.  — 

Hieraus  lässt  sich  nun  für  die  Vergangenheit  der  burmanischen 
Ketten  Folgendes  entnehmen. 

Die  Entstehung  dieser  trennenden  Niederung  zwischen  der 
Flyschzone  von  Arrakan  und  den  alten  Felsarten  im  Osten  muss 
bis  in  die  mittlere  Tertiärzeit  zurückreichen.  Das  Meer,  welches 
die  Ablagerungen  des  Pegu  Yomah  zurückliess,  reichte  sehr  \\reit 
gegen  N.  und  war  die  Fortsetzung  des  heutigen  Golfes  von  Pegxi. 
Bei  sinkendem  Strande  erfolgten  jene  fluviatilen  und  Mündungfs- 
bildungen,  in  welchen  die  Fauna  von  Sewalik  sichtbar  ist,  welche 
im    Alter    der   Landbevölkerung    der  pontischen    Zeit   zunächst 
steht.  Bei  noch  weiterem  Sinken  wurde  endlich  der  heutige  Zu- 
stand der  Dinge  hergestellt.  Die  ursprünglichen  Höhen  des  Meeres 
über  dem  Lande  lassen  sich  aber  nicht  ermitteln,  da  Faltung  an 
der  Erhöhung  des  Pegu  Yomah  theilgenommen  hat ;  Bhamo,    am 
Irawadi,  mehr  als  8  Breitegrade  nördlich  von  der  Mündung  des 
Flusses,  liegt  nur  430  engl.  Fuss  über  dem  Meere. 

Es  tritt  hier  Aehnlichkeit  mit  einem  allerdings  weit  kleineren 
Gebiete  Europa's  hervor ;  man  kann  nämlich  diese  mittlere  Zone 
von  Burmah  mit  der  inneralpinen  Niederung  von  Wien  vergleichen, 
welche,  durch  Trümmer  und  Sporen  der  Flyschzone  unvollständig 


Pcrak.    Sumatra.  5^5 

abgetrennt  von  der  ausseralpinen  Region,  zur  mitteltertiären  Zeit 
dem  Golfe  von  Pegu  ähnlich  war. 

Die  östliche  Zone  ist  weit  weniger  durchforscht.  Man  weiss 
zwar,  dass  die  erste  Kette,  welche  sich  östlich  über  dem  Sittoung- 
flusse  erhebt,  Poungloung  Range,  aus  archaischen  Felsarten  be- 
steht, aber  bei  Moulmein  am  Salwin  tritt  eine  ausgedehnte  Masse 
paläozoischer  Ablagerungen  auf.  Die  Kalkfelsen,  welche  dem 
obersten  Gliede  derselben  angehören,  haben  carbonische  Ver- 
steinerungen geliefert.  Es  scheint  nach  Theobald,  als  würden 
diese  paläozoischen  Schichten,  die  Poungloungkette  abtrennend, 
im  Thale  des  Salwin  sehr  weit  gegen  N.  fortsetzen  und  im  Süden 
ihre  weitere  Fortsetzung  in  den  steilen  Kalkfelsen  finden,  welche 
den  Mergui-Archipel  zusammensetzen.^' 

Die  archaischen  Felsarten,  welche  in  Tenasserim,  O.  von  der 
paläozoischen  Zone  von  Mergui  bekannt  sind,  bilden  die  Land- 
enge von  Krau,  und  alle  bisher  vorliegenden  Nachrichten  deuten 
darauf  hin,  dass  auch  der  ganze  Süden  der  Halbinsel  aus  Granit, 
archaischem  Schiefer  und  paläozoischen  Ablagerungen  gebildet 
sei.  Allerdings  fallt  jedoch  nach  Tenison-Woods  der  Bau  des 
Landes  nicht  genau  mit  dem  Streichen  dieses  südlichen  Theiles 
zusammen.  Es  ist  im  Gegentheile  in  Perak  eine  westliche  Gruppe 
von  Parallelketten  vorhanden,  welche  im  Staate  Keddah  beginnt 
und  die  Verbreiterung  der  Halbinsel  veranlasst;  sie  umfasst  auch 
Penang  und  die  Dinging-Inseln,  streicht  NNO. — SSW.  und  erhebt 
sich  bis  fast  7000  Fuss.  Es  folgt  O.  vom  Perakflusse  eine  kürzere 
Kette  mit  NS.-Richtung.  Oestlich  von  dieser  liegt  die  Haupt- 
kette.^^  Bei  Singapore  ist  Granit  vorhanden  in  Begleitung  anderer 
Massengesteine  und  alter  Sandstein  und  Schiefer;  das  Streichen 
ist  NW.53 

Sumatra.  Das  Meer  von  Pegu,  die  Fortsetzung  der  grossen 
Tertiärbucht  des  Irawadi,  verengt  sich  gegen  Süd;  die  grosse 
Insel  Sumatra  tritt  hervor,  und  die  Arbeiten  der  niederländischen 
Geologen  lassen  uns  erkennen,  wie  auf  ihr  die  Gesteine  der  Niko- 
baren  anschliessen  an  jene  der  Halbinsel  von  Malakka. 

In  der  That  lehren  die  trefflichen  Forschungen  Verbeek's  und 
seiner  Arbeitsgenossen,  dass  wenig  neue  Elemente  auf  Sumatra 

38* 


586  Vulcane  von  Sumatra. 

hervortreten.^*  Es  sind  ausgedehnte  ältere  Schiefermassen  vor- 
handen, jüngerer  intrusiver  Granit,  Schiefer  und  Kalk  der  Carbon- 
formation, eine  Reihe  von  Grünstein -Ausbrüchen,  insbesondere 
Diorit  und  Diabas,  eine  ziemlich  mannigfaltige  tertiäre  Serie, 
endlich  die  mitteltertiären  Andesite  und  die  mächtig-en  jung-en 
Vulcane. 

Die  ganze  Linie  der  W.  vorliegenden  Inseln,  von  Pulo  Babi 
und  dem  wegen  seines  Kohlenreichthums  öfters  erwähnten  Pulo 
Nias  durch  die  Mentawei-Inseln  bis  Pulo  Engano,    besteht    aus 
Tertiärland  und  bildet  so  eine  selbständige,  vorliegende  Zone.  Auf 
Sumatra  selbst,  welches  allerdings  nur  in  seinem  südlichen  und 
mittleren  Theile  genauer  bekannt  ist,  sind  die  genannten  Gesteine 
in    vielfache  Falten    gelegt   und   gestört.     Diese    Gesteine    sind 
von  zwei  sehr  langen,  genau  in  der  Richtung  der  Insel,  d.  i.  gegen 
NW.   verlaufenden   vulcanischen  Linien   durchzogen.    Die    erste 
folgt  knapp  der  westlichen  Küste ;  sie  ist  von  miocänem  Alter  und 
durch  eine  lange  Reihe  von  Andesit- Vorkommnissen  bezeichnet. 
Die  zweite  Linie  ist  die  Hauptaxe  der  heutigen  Vulcane.    Diese 
erstreckt  sich  durch  die  ganze  1 1 1 7  Kilom.  betragende  Länge  der 
Insel  und  ist  vom  6.°  südl.  Br.  bis  zum   2.°  nördh  Br.,  bis    wohin 
genauere  Untersuchungen  reichen,  mit  nicht  weniger   als    zwölf 
kurzen  Querspalten  besetzt,  welche  jenen  der  centralamerikanischen 
Vulcanspalte  (Fig.  5,  S.  122)  ähnlich,   doch  minder  regelmässig 
angeordnet  sind.   Auf  diesem  System  von  Sprüngen  kennt  man 
heute  bis  zum  2.°  nördl.  Br.  59,  oder,  wenn  man  jene  der   ersten 
Querspalte  hinzuzählt,  welche  über  den  Krakatau  zum  Goeneng 
Pajoeng  an  der  NW. -Ecke  Java's  läuft,  66  Vulcane.  Unter  diesen 
sind  8  als  wirksam  bekannt,  darunter  der  vielbesprochene  Krakatau, 
der  3167  M.  hohe  Dempo,  der  beiläufig  3600  M.  hohe  Korintji 
u.  And.  Im  Norden  der  Insel  sind  aber  sicher  noch  mehrere  Aus- 
bruchsstellen vorhanden. 5^ 

Das  ist  nicht  kesseiförmiger  Einbruch  an  der  Innenseite  einer 
gefalteten  Kette,  sondern  Längenbruch  der  Kette  selbst  im  grössten 
Maassstabe.  Die  ältere,  mitteltertiäre  Bruchlinie  liegt  gegen  W., 
also  ausserhalb  der  heutigen  Zone  der  Vulcane,  denn  beide  Linien 
sind  deutlich  convex  gegen  SW.,  im  Sinne  des  grossen  malayi- 
schen  Bogens.  Die  jungen  Vulcane  sitzen  auf  dem  fertigen  Falten- 


Einbruch  des  malayischen  Bogens.  5^7 

gebirge  und  der  Fuss  ihrer  Aschenkegel  schmiegt  sich  in  seine 
ausgewaschenen  Thäler,  ein  untrügliches  Zeichen  der  Nothwendig- 
keit,  ihr  Erscheinen  als  eine  weit  spätere,  der  Faltung  des  Ge- 
birges nachfolgende  oder  doch  nur  ihre  jüngsten  Phasen  beglei- 
tende Erscheinung  aufzufassen. 

Das  Netz  von  Sprüngen  deutet  aber  dahin,  als  sollte  die 
ganze  Insel  zerbrochen  werden,  wie  es  wohl  ihre  Fortsetzungen 
schon  sind.  Und  wenn  wirklich  dieser  Einbruch  sich  vollziehen 
sollte,  und  diese  oder  neue  Vulcane  fortfahren  würden,  aus  der 
Tiefe  des  Einbruches  ihre  Aschenkegel  aufzuschütten,  so  würde 
endlich  an  der  Stelle  des  gefalteten  Gebirges  nichts  sichtbar  bleiben 
als  eine  Anzahl  vulcanischer  Inseln,  wie  Barren  Island  und  Nar- 
kondam. 

Java  ist  in  der  That  eine  Doppelreihe  solcher  Vulcane,  auf- 
gesetzt auf  tertiäres  Land,  etwas  Flysch  und  Serpentin ;  Jahre  sind 
vergangen,  bevor  es  gelungen  ist,  auf  dieser  grossen  Insel  auch 
einzelne  Spuren  der  älteren  Schiefergesteine  von  Sumatra  wieder- 
zufinden.^^  Noch  weiter  ist  die  Zerstörung  des  grossen  bogen- 
förmigen Zuges  im  Osten  gegangen  und  seine  Trümmer  reichen 
über  Timor  hinaus.  Sie  im  Einzelnen  aufzusuchen,  ist  hier  nicht 
meine  Aufgabe.  — 

Nicht  mit  Unrecht  erinnert  Martin,  dass  die  von  Wallace 
nach  der  Fauna  O.  von  Bali  und  Borneo  gezogene  Grenze  Asien's 
und  Australien's  aus  dem  geologischen  Baue  der  Inseln  nicht  zu 
rechtfertigen  sei." 

Eben  so  wenig  fällt  aber  z.  B.  in  den  westindischen  Inseln  die 
durch  die  Landconchylien  angedeutete  Grenze  zwischen  Anguilla 
und  S.  Christoph  mit  einer  geologischen  Grenze  zusammen.  Auch 
dort  zieht  die  Scheidungslinie  quer  über  Inselketten,  welche  dem- 
selben Gebirgszuge  angehören.  Das  ist  eben  bezeichnend  für  Ab- 
trennung durch  Einsturz  und  stimmt  überein  mit  einer  älteren 
Aeusserung  von  Wallace,  nach  welcher  der  malayische  Archipel 
,die  Anzeichen  eines  weiten  Festlandes  mit  einer  besonderen  Fauna 
und  Flora  bietet,  welches  nach  und  nach  und  in  unregel- 
mässiger Weise  zerbrochen  worden  ist.^^  Unter  diesen  Umstän- 
den und  bei  der  namhaften  Tiefe  der  trennenden  Meere  fallt  aber 
nur  sehr  geringes  Gewicht  auf  die  ausgedehnten,    aber  wenig 


588  Uebersicht  der  indischen  Schaarungen. 

beträchtlichen  neueren  Schwankungen  der  Strandlinie,  welche 
einer  anderen  Gruppe  von  Erscheinungen  angehören.  Es  ist  das- 
selbe Ergebniss,  zu  welchem  wir  auf  anderem  Wege  im  Mittel- 
meere gelangt  sind. 

Schluss.  Es  treten  vier  grosse  Bogen  gegen  Süd  vor, 
welche  wir  als  den  iranischen,  jenen  des  Hindu  Kush,  des  Hima- 
laya  und  den  malayischen  Bogen  bezeichnet  haben.  Sie  treffen 
sich  im  Angesichte  des  indischen  Tafellandes,  welches  ihnen  als 
eine  fremde  Masse  gegenüber  steht  und  sie  trennt.  Die  Bewegxing 
gegen  Süd  äussert  sich  am  stärksten  an  den  beiden  mittleren 
Bogen,  und  zwar  durch  Ueberschiebung  der  ganzen  Gesteinsfolge, 
welche  dadurch  auf  langen  Zonen  in  umgestürzter  Lagerung*  er- 
scheint. In  den  meridionalen  Theilen  des  iranischen  Bog-ens  am 
Indus,  sowie  in  den  meridionalen  Theilen  des  malayischen  Bogens 
in  Arrakan  scheinen  sich  nur  lange  sattelförmige  Falten  ohne 
Ueberstürzung  gebildet  zu  haben ;  in  dem  Thale  des  Brahmaputra 
aber,  im  Angesichte  des  gegen  SO.  überfalteten  Saumes  des 
Himalaya,  erfolgt  Ueberfaltung  des  malayischen  Saumes  in  der 
entgegengesetzten  Richtung,  nämlich  gegen  NW. 

So  ähnlich  nun  aber  die  Anlage  und  der  Verlauf  dieser  vier 
Bogen  sein  mögen,  sind  doch  die  durch  sie  umgrenzten  Räume, 
welche  gleichsam  ihr  Hinterland  bilden,  nicht  ganz  gleichartig. 

So  weit  man  Iran  kennt,  zeigt  es  dieselbe  Schichtfolge  wie 
der  äussere  Bogen.  Im  Westen  herrscht  voller  Parallelismus  zwi- 
schen der  NW.-Fortsetzung  des  Alburs  und  den  Zägrosketten, 
und  wir  werden  bald  sehen,  dass  am  SO. -Ufer  des  kaspischen 
Meeres  zwei  flache  innere  Bogen  sich  treffen.  Der  iranische  Bogen 
ist  also  nur  der  äussere  Theil  einer  grossen,  von  einheitlich  an- 
geordneten Falten  durchzogenen  Fläche,  welche  dem  Rande  selbst 
homolog  ist. 

Die  Ketten  des  Hindu  Kush  von  der  Salzkette  und  den  ter- 
tiären Faltungen  und  Flexuren  des  Südens  durch  Hazara  und,  so 
weit  man  die  folgenden  Hochgebirge  kennt,  auch  durch  diese  bis 
zum  Pdmir  und  bis  zum  Tian-shan  verrathen  sich  ebenfalls  als 
Theile  eines  grossen,  gemeinschaftlichen  Faltensystems,  welches 
vom  fernen  Norden  her  bis  an  die  Tiefebene  des  Indus  reicht, 


Oestliches  Tibet.  589 

allerdings  in  jenem  Zustande  äusserster  Verklemmung,  welcher 
sich  in  dem  mehrfach  gebrochenen  Streichen  der  Salzkette  aus- 
prägt. 

Der  Himalaya  gehört  ebenfalls  einem  sehr  breiten,  einheit- 
lich bewegten  Gebiete  an,  und  die  Ueberfaltung  seines  Aussen- 
randes  wiederholt  sich  wenigstens  in  seinem  westlichen  Theile 
weit  gegen  Nord,  sogar  am  Südrande  des  Mustägh,  auch  nörd- 
lich vom  Käräkoram  und,  wie  es  scheint,  auch  noch  dort,  wo 
der  NW.-Theil  der  Kalkzone  des  Käräkoram  in  den  Pamir  tritt. 
Wir  ziehen  zu  diesem  Faltengebiete  auch  den  westlichen  Kuen-lun, 
aber  wo  dieser  gegen  NW.  abschwenkt,  treten  an  seinem  nörd- 
lichen Fusse  cretacische  Transgressionen  auf,  welche  der  Muth- 
massung  Raum  lassen,  dass  es  eine  fremde  Scholle  von  abweichen- 
der Schichtfolge  sei,  welche  unter  der  Niederung  des  Tarym  die 
Beugung  dieser  mächtigen  Kette  und  ihre  Entfernung  vom  Tian- 
shan  veranlasst. 

Weiter  gegen  Ost  besteht  allerdings  diese  Trennung  nicht 
mehr.  Przewalski  hat  gezeigt,  wie  N.  vom  Kuen-lun  die  gewal- 
tigen Züge  des  Altyn-tag  und  Nan-shan  sich  einschalten,  und 
das  Bild,  welches  dieser  unternehmende  Reisende  von  dem  Lande 
zwischen  dem  Meridian  des  Lob  Nor  und  jenem  des  Kuku  Nor, 
und  vom  ^2,  bis  zum  46.°  nördl.  Br.  entworfen  hat,  zeigt  durch 
10  Längen-  und  18  Breitegrade  eine  einheitliche  Entwicklung 
nahezu  paralleler  Ketten.  Sogar  mitten  in  der  Wüste  Gobi  sind  • 
untergeordnete  Parallelzüge  vorhanden.  In  dieses  weite  Gebiet 
fallt  ein  Theil  der  mongolischen  Berge,  der  östliche  Tian-shan, 
die  Wüste  Gobi  S.  von  Chami,  Altyn-tag  und  Nan-shan  mit  dem 
Humboldtgebirge,  die  Süd-Kukunor-Kette,  Kuen-lun  mit  seinen 
Nebenzügen  und  die  Gebirge  S.  von  demselben,  Tan-la  und  auch 
Ssamtyn-Kansyr  des  tibetanischen  Himalaya.  Alle  diese  Ketten 
streichen  O.  etwas  in  S.,  mit  untergeordneten  Ablenkungen  gegen 
O.  oder  ONO.,  wodurch  einzelne  Begegnungen  und  eine  lang- 
gezogene, mehr  oder  minder  netzförmige  Anordnung  entstehen, 
welche  jedoch  das  grosse  allgemeine  Streichen  gegen  O.  etwas  in 
S.  deutlich  hervortreten  lässt.  Nur  die  Ritterkette  an  der  Süd- 
seite des  Nan-shan  tritt  als  ein  kurzes,  gegen  NO.  gerichtetes,  ver- 
einzeltes Ouerstück  auf.*^'^ 


590  Nördliche  Fortsetzung  der  bunnanischen  Ketten. 

Die  Aufnahmen  der  Punditen,  namentlich  jene  des  uner- 
schrockenen Nain-Ssing,  welcher  cretacische  Fossilien  vom  Nam- 
cho-See,  120  Kilom.  N.  von  Lhassa,  brachte,  zeigen  aber,  dass 
es  dasselbe  System  von  Falten  ist,  welches,  die  bog-enförmig-e 
Krümmung  annehmend,  bis  zu  dem  Aussenrande  des  Himalaya 
reicht  und  welches  in  dem  Meridian  des  Lob  Nor  die  Ueberschie- 
bung  des  Randes  in  Bhutan  bildet.^ 

Dieses  ist  wohl  die  grösste  Breitenentwicklung  eines  einheit- 
lich gefalteten  Gebietes  auf  der  Erde;  diese  Breite  reicht,  quer 
auf  die  Falten  gemessen,  von  Bhutan  bis  in  die  Mongolei,  d.  i. 
durch  mehr  als  22  Breitegrade  oder  ziemlich  durch  den  vierten 
Theil  des  Erd-Quadranten.  — 

Die  burmanischen  Ketten  dringen  sehr  weit  %^%^r\.  NNW. 
vor;  die  Art  ihrer  Begegnung  mit  den  grossen  latitudinalen  Ketten 
ist  unbekannt,  doch  hoffen  wir  hierüber  Aufklärung  von  Szechdny 
und  Löczi,  welche  ihren  nördlichen  Theil  durchreist  haben.  Diese 
merkwürdige  Reise  hat  am  Nordabhang  des  Nan-shan  und  am 
Kuku  Nor  in  das  grosse,  eben  erwähnte  Faltungsgebiet  geführt, 
und  Kreitner's  vorläufiger  Bericht  lässt  die  Vermuthung  schärfer 
hervortreten,  dass  ein  guter  Theil  der  von  Przewalski  gesehenen, 
gegen  OSO.  ziehenden  Ketten,  und  namentlich  jene  zwischen 
Himalaya  und  Kuen-lun  aus  OSO.  gegen  SO.,  SSO.,  endlich 
gegen  S.  im  Streichen  sich  gegen  Ta-H-fu  und  Bhamo  beugten.  In 
diesem  Falle  würde  nicht  Schaarung  des  Himalaya  mit  dem  malayi- 
schen  Bogen  eintreten,  sondern  würde  der  malayische  Bogen  die 
Fortsetzung  der  inner-tibetanischen  Ketten  selbst  sein.^' 

Man  weiss,  dass  im  Norden  eine  grössere  Anzahl  dicht  g-e- 
drängter  Parallelketten  vorhanden  ist,  während  weiter  in  Süd 
unter  der  Ebene  des  Irawadi  und  dem  Meere  von  Pegu  ein  Theil 
derselben  verschwunden  ist.  Im  Innern  des  malayischen  Bogens 
aber  erscheinen  mesozoische  pflanzenführende  Schichten,  welche 
einem  Theile  der  Gondwäna-Serie  der  indischen  Halbinsel  ent- 
sprechen.'''  Viele  Umstände  sprechen  dafür,  dass  Cochinchina  und 
Tonking  altes  Tafelland  sind.  Hiedurch  unterscheidet  sich  aber 
der  malayische  wesentlich  von  den  westlichen  Bogen.  Es  tritt  eine 
neue  Schwierigkeit  in  der  Verfolgung  des  Zusammenhanges  der 
Gebirge  hervor.  Dazu  gesellt  sich  das  Hinabsinken  grosser  Ketten 


Pacifische  Schaarungen.  5  Q  ^ 

unter  das  Meer  und  der  mangelhafte  Stand  der  Erforschung.  Austra- 
lien ist  ein  Tafelland,  umgeben  von  einem  Gebirgsbogen,  von 
welchem  nur  Trümmer  in  Neu-Seeland  und  Neu-Caledonien  sieht- 
bar  sind;  unter  eigenthümlichen  Umständen  zeigen  sich  diese 
Stücke ;  die  Richtung  des  Bogens  ist  verschieden  von  jener  der 
bisher  betrachteten.  Im  östlichen  China  hat  uns  Richthofen  aus- 
gedehntes Tafelland  kennen  gelehrt;  dagegen  deutet  der  Verlauf 
der  vorliegenden  Inseln  auf  neue  schaarende  Ketten  von  Formosa 
durch  die  Liu-kiu-Inseln  gegen  Kiu-siu,  von  dort  durch  Nipon 
nach  Jesso,  von  da  durch  die  Kurilen  gegen  Kamschatka,  endlich 
durch  die  Aleuten  und  Alaska  gegen  Kenai  und  zur  Schaarung 
mit  dem  NW.-Ende  der  amerikanischen  Gebirgszüge. 

Sowie  gegen  die  indische  Halbinsel  dringen  schaarende 
Bogen  von  NW.,  N.  und  NO.  gegen  den  nordpacifischen  Ocean 
vor.  Es  besteht  eine  ganz  ausserordentliche  tektonische 
Homologie  zwischen  dem  indischen  Tafellande  und  dem 
nördlichen  Theile  des  pacifischen  Ocean's. 

Mehrere  Umstände  veranlassen  mich  aber,  zur  näheren  Be- 
sprechung des  östlichen  Asien  erst  an  einer  späteren  Stelle  zurück- 
zukehren. Sie  wird  wesentlich  erleichtert  sein,  wenn  die  Dax- 
stellung des  am  genauesten  bekannten,  zwischen  Ketten  liegenden 
Tafellandes,  des  Colorado -Plateau's  in  Nordamerika,  voran- 
gegangen und  wenn  die  eigenthümlichen  Merkmale  der  Schicht- 
folge auf  anderen  Tafelländern  erörtert  sein  werden.  Dann  wird 
sich  auch  die  Möglichkeit  ergeben,  die  Gesammtheit  der  Umran- 
dung des  stillen  Weltmeeres  in  ihrem  merkwürdigen  Gegensatze 
zu  der  atlantischen  Umrandung  zu  betrachten. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  VII:  Die  indischen  Schaarungen. 


>  Das  Kärtchen  Taf.  IV  ist  nach  den  von  der  geolog.  Landcs-Aufnahme  in  Indien 
veröffentlichten  Karten  entworfen,  u.  zw.  ist  der  Himalaya  bis  zum  Jhelum  nach  Lydekkcr, 
das  tertiäre  Gebiet  O.  von  diesem  Flusse  nach  Medlicott  und  der  Westen  nach  "Wynne 
eingezeichnet.  Die  Störungslinien  des  Tertiärlandes  sind  als  Anticlinalen  bezeichnet,  doch 
sind  viele  von  denselben  südlich  gesenkte  Flexuren;  Ä  =  Archaisch;  p  =  Alte  Schiefer 
und  Paläozoisch;  m  =  Mesozoisch;  ti  Eocän  und  Eocäne  Vulcanische  Decken;  t^  —  t^ 
Mittel-  und  Ober-Tertiär;  dfj,  a^  älteres  und  jüngeres  Schwemmland.  Die  weissen 
Strecken  NO.  und  SW.  von  Abbotabad  und  S.  von  Kishtwar  sind  nicht  kartirt.  — 
In  Betreff  der  in  diesem  Abschnitte  befolgten  Schreibweise  berufe  ich  mich  auf  Note  3i, 
S.  541;  bei  der  Behandlung  so  verschiedenartiger  Gebiete  sind  Ungleichartigkeiten  nicht 
zu  vermeiden,  sobald  man  nicht  gewaltsam  Einheit  herstellen  und  dadurch  die  Ver- 
gleichung  der  Originalwerke   erschweren  will. 

2  W.  W.  Graham,  Travel  and  Ascents  in  the  Himalaya's;  Proc.  geogr.  Soc.  1884, 
new  ser.  VI,  p.  68—70  u.  429 — 447. 

3  W.  K.  Loftus,  On  the  Geol.  of  Portions  of  the  Turko-Persian  Frontier  and 
Districts  adjoining;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1855,  XI,  p.  247 — 344;  geol.  Karte. 

4  E.  Tietze,  Bemerkungen  üb.  die  Tektonik  des  Albursgebirges  in  Persien;  Jahrb. 
geol.  Reichsanst.  1877,  XXVII,  S.  407.  Nach  V.  v.  Moll  er 's  Untersuchungen  ist  dieser 
Kalkstein  möglicher  Weise  dem  Carbon  zuzuzählen;  Ueb.  einige  Foraminiferenführende 
Gesteine  Persien's;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1880,  XXX,  S.  580—586. 

5  W.  T.  Blanford,  Note  on  the  geol.  form,  seen  along  the  Coasts  of  Bilüchistdn 
and  Persia  from  Karacho  to  the  Head  of  the  Persian  Gulf;  Rec.  geol.  Surv.  Ind.  1872, 
V,  p.  41 — 45;  Eastern  Persia,  An  Account  of  the  Journeys  of  the  Persian  Boundary 
Commission  1870 — 71—72,  vol.  II:  the  Zoology  and  Geol.  by  W.  T.  Blanford;  8« 
London,   1872. 

6  Oliv.  B.  St.  John,  On  the  Physic.  Geogr.  of  Persia;  East.  Persia;  An  Account 
etc. ;  I,  insb.  orographische  Karte  p.  6. 

7  W.  T.  Blanford,  The  Geol.  of  Western  Sind;  Mem.  g.  S.  Ind.  1880,  XVII, 
p.  I— 201,  Karte. 

8  H.  Cook,  Geol.  Discoveries  in  the  Valley  of  Kelat  and  surr,  parts  in  Beloo- 
chistan,  in  H.  J.  Carter,  On  Contrib.  to  the  Geol.  of  West.  India;  Journ.  Bombay 
Brauch  Asiat.  Soc.  1862,  VI,  p.  184—194;  ich  habe  im  Gegensatze  zu  anderen  Autoren 
in  Cook's  Angabe  von  dem  Vorkommen  von  Orthoceratitcn  im  Kreidekalke  keinen  hin- 
reichenden Nachweis  von  dem  Auftreten  älterer  Schichten  erblickt. 

9  C.  L.  Griesbach,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Section  betw.  The  Bolan  Pass  in 
Biluchistan  and  Girishk  in  South.  Afghanistan;  Mem.  g.  S.  Ind.  1881,  XVIII,  p.  i — 60;. 
Karte.  Die  Art  des  Eindringens  der  PIruptivgesteine,  welche  an  dem  Contact  bei  Kan- 
dahar Gold  führen,  erinnert  sehr  an  Posepny's  Beobachtung,  dass  Intrusionen  in  Kalk- 
stein häufig  in  Systeme  von  Höhlen  erfolgt  sind,  welche  in  viel  früherer  Zeit  durch  Wasser 
gebildet  worden  waren. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  VII.    Die  indischen  Schaarungen.  593 

»o  W.  T.  Blanford,  The  Geol.  of  Western  Sind;  eb.  das.  1879,  XVII,  p.  I— 210, 
Karten;  dess.:  Greol.  Notes  on  the  Hills  of  the  Neighbourhood  of  the  Sind  and  Punjab 
Frontier  betw.  Quetta  and  Dera  Ghazi  Khan;  eb.  das.  i883,  XX,  p.  105 — 240,  Karten; 
auch  V.  Ball,  Geol.  Notes  made  on  a  Visit  to  the  Goal  discov.  in  the  Country  of  the 
Luni  Pathans;  Records,   1874,  VII,  p.  145  — 158,  Karte. 

11  Griesbach  in  Medlicott's  Ann.  Rep.  for  i883;  Records  g.  S.  Ind.  1884, 
XVn,  p.  I ;  die  Nachrichten«  über  die  weitere  Fortsetzung  in  dem  Lande  der  Wuziri  sind 
unvollständig  nnd  ziemlich  widersprechend;  Stewart  und  Oldham,  Joum.  As.  See. 
Bengal,  1861,  XXIX,  p.  3i4 — 320  u.  Alb.  M.  Verchdre,  Kashmir,  the  West  Himalaya 
and  the  Afghan  Mountains,  a  geol.  paper;  eb.  das.  1867,  XXXVI,  b,  p.  18 — 20. 

12  Medlicott  and  Blanford,  Manual,  I,  p.  LIX. 

»3  A.  B.  Wynne,  On  the  Geol.  of  the  Salt  Range  in  the  Punjab;  Mem.  g.  S.  Ind. 
1878,  XIV,  3i3  pp.  u.  Karten;  ders.:  On  the  Trans-Indus  Extension  of  the  Punjdb  Salt- 
Range;  eb.  das.  1880,  XVII,  b,  95  pp.  u.  Karten;  W.  Waagen,  Salt  Range  Fossils; 
Palaeont.  Ind.  ser.  XIII,   1879  u.  folg. 

M  Waagen,  Geogr.  Verth.  Foss.  Org.  in  Indien,  S.  8. 

«5  In  wie  ferne  die  Bezeichnungen  ,Carbon*  und  »Trias*  eine  Veränderung  zu  er- 
fahren haben,  wird  sich  erst  aus  dem  Abschlüsse  von  Waagen*s  paläontologischen  Unter- 
suchungen ergeben. 

»6  Medlicott,  On  the  Greol.  Structure  and  relations  of  the  South,  portion  of  the 
Himalayan  ränge  betw.  the  rivers  Ganges  and  Ravee;  Mem.  g.  S.  Ind.  1864,  III,  6, 
208  pp.,  Karte;  ders.:  Note  upon  the  Sub-Himalayan  Series  in  the  Jamu  (Jummoa)  Hills; 
Records  eb.  das.  1876,  X,  p.  49—57  (Karte  p.  155);  Wynne,  Observ.  on  some  Features  in 
the  Phys.  Geol.  of  the  Outer  Himal.  Region  of  the  Upp.  Punjab;  Quart.  Joum.  geol.  Soc. 
1874,  XXX,  p.  61—80,  Karte;  ders.:  Note  on  the  tert.  Zone  and  underlying  Rocks  in 
the  NortVWest  Punjab;  Rec.  g.  S.  Ind.  1877,  X,  p.  107 — 132,  Karte;  ferner  Manual, 
II,  p.  517  u.  folg. 

»7  Wynne,  The  Trans-Indus  Salt  Region  in  the  Kohdt  District;  Mem.  g.  S.  Ind. 
1874,  XI,  p.  loi — 33o,  Karte;  ders.:  A  geol.  Reconnoiss.  from  the  Indus  at  Kushalgarh 
to  the  Kuram  at  Thal  on  the  Aftghan  Frontier;  Records  eb.  das.  1879,  XII,  p.  loo — 114, 
Karte.  Am  Kuram  erscheint  der  Rest  eines  alten  Eruptivstockes.  Noch  weiter  in  West 
ist  die  Kenntniss  von  dem  Baue  des  Gebirges  eine  ganz  unvollständige  und  man  bleibt 
über  die  Art  der  Schaaning  im  Unklaren.  Sikardm  (15.620  Fuss),  der  höchste  Gipfel  des 
Safcd  Koh,  besteht  aus  weissem  Quarzit;  bei  Ali  Khel  ist  Serpentin;  bei  Jagdalak,  O. 
von  Kabul,  wird  Spinell  in  weissem,  glimmerführendem  Kalkstein  gewonnen;  Prpc.  As. 
Soc.  Beng.  1880,  p.  3,  4. 

»8  Manual  Geol.  Ind.  II,  p.  568. 

19  R.  Lydekker,  The  Geol.  of  the  Kdshmir  and  Chamba  Territ.  and  the  Brit. 
District  of  Khdgdn;  Mem.  g.  S.  Ind.  i883,  XXII,  p.  1—344,  Karte. 

20  H.  H.  Godwin-Austen,  President's  Adress  Geogr.  Section,  Brit.  Assoc.  South- 
port,  i883;  auch  in  Proc.  Geogr.  Soc.  i883,  V,  p.  610 — 625,  und  ders.:  The  Mountain- 
Systems  of  the  Himalaya  and  neighbour.  Ranges  of  India;  eb.  das.  1884,  VI,  p.  83 
—  87,  Karte. 

21  C.  A.  Mc.  Mahon,  On  the  microsc.  structure  of  some  Dalhousie  rocks;  Records 
g.  S.  Ind.  i883,  XVI,  p.  129—144,  pl.  I,  u.  ders.:  On  the  micr.  struct.  of  some  Himalayan 
i^ranites  and  gneissose  granites;  eb.  das.  1884,  XVII,  p.  $Z — 72,  pl.;  Lydekker, 
p.  270  u.  folg. 

22  R.  Strachey,  On  the  Geol.  of  Part  of  the  Himalaya  Mountains  and  Tibet; 
Ouart.  Joum.  geol.  Soc.  185 1,  VII,  p.  292 — 3l0,  Karte  u.  Prof.;  für  den  ersten  Nachweis 
alpiner  Trias:  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1862,  XII,  Verh.  S.  258;  F.  Stoliczka,  Geol. 
Sections  across  the  Himalayan  Mountains,  from  Wangtu-Bridge  on  the  River  Sutlej  to 
Sundgo  on  the  Indus;    Mem.  g.  S.  Ind.   1865,   V,   p.   I  — 154,    Taf.,   u.  an   viel.  and.  Orten; 


594  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  VII.   Die  indischen  Schaarungen. 

Griesbach,    Pal.  Notes   on    the  lower  Trias  of   the   Himalayas;    Rec.    g.    S.    Ind.    1880, 
XIII,  p.  94— II 3,  u.  A. 

23  G.  T.  Vignes,  Travels  in  Kashmir,  Ladak,  Iskardo  etc.  80  1842,  I,  p.  209  wird 
für  die  NW.-Fortsetzung  angeführt;  die  Stelle  scheint  sich  nur  auf  die  Nähe  von  Gurcz 
zu  beziehen. 

34  Lydekker,  am  ang.  Orte,  p.  192. 

25  Fr.  Drew:  The  Jummoo  and  Kashmir  Territories,  8°  1875,  p.  33i — 354.  Auf 
unseren  am  meisten  verbreiteten  Karten  ist  »Thaldaf  verzeichnet;  diese  Stelle  liegt  an 
dem  Nordfusse  der  Lokzhungberge ;  für  diese  Gegend  auch  zu  vergl.  G.  W.  IT ay ward, 
Journey    from    Leh    to    Yarkand    and    Kashgar;    Joum.    geogr.    Soc.    1870,     XL,     p.    53 

—  166,  Karte. 

26  Scientific  Results  of  the  Second  Yarkand  Mission;  based  upon  the  Coli,  and 
Notes  of  the  late  Ferd.  Stoliczka;  Geology  by  W.  T.  Blanford;  40  Calcutta,    1879. 

»7  Eb.  das.  Tagebuch  v.  23.  März  u.  3. — 8.  Juni   1874. 

2*  Vgl.  Petermann 's  Geogr.  Mittheil.  1884,  Taf.  IV.  —  Aktasch  bedeutet  »weisser 
Stein'  und  es  scheint  der  Name  ebenso  das  Durchstreichen  der  Kalkfelsen  anzuzeigen,  wie 
in  kleinerem  Maassstabe  Piz  Alv  im  Bernina. 

29  W.  Waagen  and  A.  B.  Wynne,  The  Geol.  of  Mount  Sirban  in  the  upp. 
Punjäb;  Mem.  g.  S.  Ind.  1872,  IX,  p.  33i  — 350;  Karte. 

30  Wynne,  Observ.  on  some  Features  in  the  phys.  Geol.  of  the  outer  Himalay. 
Region  of  the  upp.  Punjäb;  Quart.  Joum.  geol.  Soc.  1874,  XXX,  p.  61 — 80,  pl.  VII;  — 
Note  on  the  tert.  Zone  and  underlying  Rocks  in  the  NW.  Panjab;  Rec.  g.  S.  Ind.  1877,  X, 
p.  107 — 132,  Karte;  —  Further  Notes  on  the  Geol.  of  the  upp.  Punjäb;  eb.  das.  1879, 
XII,  p.  114 — 133,  mit  geol.  Karte  von  Hazdra;  auch  eb.  das.  1882,  XV,  p.  164 — 169; 
Waagen,  Note  on  the  Attock  slates  eb.  das.  p.  i83 — 185;  Lydekker  eb.  das.  1882,  XV, 
p.  14  u.  A. 

3»  W.  W.  Mc.  Nair,  A  Visit  to  Kafiristan;  Proc.  Geogr.  Soc.  1884,  VI,   p.  9. 

32  Ich  habe  insbesondere  zu  danken  für  die  Mittheilungen  der  noch  im  Drucke  be- 
findlichen Berichte  über  eine  Anzahl  von  Vorlesungen,  welche  Hr.  Iwanow  im  Frühjahre 
1884  vor  der  k.  russ.  geographischen  Gesellschaft  gehalten  hat.  Zur  Erläuterung  berufe  ich 
mich  auf  Petermann's  Mitth.  1884,  XXX,  Taf.  IV  und  Proc.  Geogr.  Soc.  1884,  Karte 
p.  176;  diese  Karten,  so  wie  die  vorläufige  Karte  in  den  Iswestj.  sind  jedoch  vor  Rück- 
kunft der  Expedition  angefertigt,  und  Iwanow  spricht  sich  in  Betreff  der  hier  in  Frage 
kommenden  Punkte  insbesondere  gegen  die  Angaben  über  den  Lauf  des  Ges-Flusses  (in 
NO.)  so  wie  gegen  den  steilen  Abfall  aus,  mit  welchem  angeblich  Pamir  gegen  SW.  in 
der  Richtung  gegen  Faisabad  enden  soll. 

33  Capt.  John.  Wood,  A  Jouruey  to  the  Source  of  the  River  Oxus;  2^1  ed.  8«  1872, 
p.  158;  jenseits  Rustak  würde  sich  der  hohe,  vereinzelte  Umbar  Koh  bei  Kunduz  an- 
schliessen;  vgl.  eb.  das.  p.  152. 

34  Hayward  am  ang.  Orte,  p.  125.  Von  Hayward  wird  Mustagh  noch  unter  dem 
Namen  Kdrakoram  begriffen. 

35  Lydekker,  Geol.  of  Därdistdn,  Baltistan  etc.  Rec.  g.  S.  Ind.  1881,  XIX, 
p.  15,  Karte. 

36  Diese  widersinnische  Lagerung  ist  bald  für  wahre  Lagerung  angesehen  und  sogar 
der  Gneiss  des  Kinchinjunga  für  jünger  als  Unt.  Gondwana  gehalten  worden;  bald  hat 
man  ursprüngliche  Uferlinie  und  späteren  Einbruch  zu  sehen  vermeint.  Wenn  auch  für 
manche  jüngere  Ablagerung  das  Ufer  nahe  gewesen  sein  mag,  haben  doch  jene  Geologen, 
welche  den  Saum  der  Alpen  kennen,  sofort  die  allgemeine  Ueberfaltung  wieder  erkannt; 
so  Griesbach,  Rec.  g.  Surv.  Ind.  1880,  p.  84  in  Kumaon  u.  L.  v.  Löczi,  Földtan.  kSzL 
i883,  S.  270  in  der  Gegend  von  Darjiling. 

37  H.  B.  Medlicott,     Note    on    the    Geol.   of   Nepal;    eb.  das.    1875,    Vm,     p.  93 

—  lOi;  Karte. 


I 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  VU.   Die  indischen  Schaaningen.  595 

38  Fr.  R.  Mallet,  On  the  Geol.  of  the  Därjüing  Distr.  and  the  Western  Dudrs; 
Mem.  eb.  das.  1875,  XI,  p.  1—96;  Karten. 

39  H.  H.  Godwin-Austen,  Notes  on  the  Geol.  of  part  of  the  Dafla-Hills,  Assam; 
Joum.  Asiat.  Soc.  Beng.  1875,  ^^^  ^er.,  XLIV,  p.  3$ — 41,  Taf. 

40  Ich  berufe  mich  auf  die  Karte  von  .C.  H.  Lepper,  The  Singpho-Kampti  Country 
or  Neutral  Ground  between  India  and  China;  Proc.  As.  Soc.  Bong.  March,  1882,  pl.  I,  und 
auf  die  nach  Colborne  Baber  vervollständigte  Karte  von  B.  Hassenstein  in  Peterm. 
geogr.  Mitth.  i883,  XXIX,  Taf  I. 

4«  F.  R.  Mallet,  On  the  Coal-Fields  of  the  Ndgd-Hills,  bordering  the  Lakhimpur 
and  .Sibsdgar  Distr.  Assam;  Mem.  g.  Surv.  Ind.  1876,  XII,  p.  269—363,  Karten.  Im  Falle 
einer  Verwerfung  sollte  auch'  die  jüngere  Serie  nicht  in  diesem,  sondern  im  entgegen- 
gesetzten Sinne  geschleppt  sein. 

42  R.  D.  Oldham,  Rep.  on  the  Geol.  of  parts  of  Manipur  and  the  Naga  Hills; 
Mem.  eb.  das.  i883,  XIX,  p.  217—242;  Karte. 

43  T.  D.  La  Touche,  Notes  on  a  Traverse  through  the  East.  Khasia,  Jaintia  and 
N.  Cachar  hills;  Rec.  eb.  das.  i883,  XVI,  p.  203;  Manual  Geol.  Ind.  II,  p.  699. 

44  ,Nach  N.  wie  nach  S.  tritt  der  merkwürdige  Parallelismus  der  Ketten  hervor.  .  .  . 
Die  Spitzen  der  Uiphum-Kette,  von  welchen  Klang-Sang  (2600  Fuss)  eine  der  höchsten 
ist,  stehen  in  einer  wunderbar  geraden  Linie,  so  dass  eine  einzige  AIcsstisch-Visur  alle 
hervorragenden  Punkte  durch  viele  Meilen  gegen  Süd  trifft.  .  .  .*  Capt.  Tanner,  the 
Lushai  Expedition;  Proc.  Geogr.  Soc.  1873,  XVH,  p.  49. 

45  W.  Theobald,  On  the  Geol.  of  Pegu;  Mem.  g.  S.  Ind.  1873,  X,  p.  189 
—  359,  Karte. 

46  W.  Theobald,  Salt-Springs  of  Pegu;  Rec.  eb.  das.  1873,  VI,  p.  67— 73,  Karte; 
Mallet,  Mud  Volcanoes  of  Rdmri  and  Cheduba;  eb.  das.  1878,  XI,  p.  188 — 223,  Karten; 
u.  Note  on  a  recent  Eruption  in  Rdmri  Isl.  eb.  das.  1879,  XII,  p.  70  —  72.  Erdöl  zeigt 
sich  auch  im  Punjdb  und  an  vereinzelten  Stellen  in  Sind ;  endlich  sind  die  Schlammvulkane 
der  Meeresküste  W.  von  den  Mündungen  des  Indus  zu  erwähnen,  aber  die  Zonen  sind 
nirgends  so  zusammenhängend  als  in  dieser  Kette. 

47  F.  Stoliczka,  Die  Andamanen;  Verh.  geol.  Reichsanst.  1868,  S.  192;  V.  Ball, 
Notes  on  the  Geol.  of  the  Vicinity  of  Port  Blair,  Andam.,  Joum.  As.  Soc.  Beng.  1870, 
XXXIX,  b,  p.  23 1 — 239,  und  Brief  Notes  on  the  Geol.  and  the  Fauna  in  the  Neighb.  of 
Nancowry  harbour,  Nicob.  eb.  das.  p.  25—37;  Medlicott  and  Blanford,  Man.  Geol. 
Ind.  II,  p.  732 — 736;  G.  E.  Bulger,  A  visit  to  Port  Blair  and  M.  Harriet,  And.  Isl. 
Canad.  Natural  1876,  VIH,  p.  95  — io3;  ferner  H.  Rink,  Die  Nikobar.  Inseln,  8»  Kopenhag. 
1847,  Karte  u.  F.  v.  Hochstetter,  Beitr.  z.  Geol.  u.  physik.  Geograph,  d.  Nikobar-Inseln, 
Reise  d.  Freg.  Novara,  Geol.  Theil,  H,  1866,  S.  83 — 112,  Karte;  C.  Schwager,  Foss. 
Foram.  v.  Kar  Nikobar,  eb.  das.  S.  187  —  268,  Taf.  —  Lydekker  zeigt,  dass  die  Zahnreste 
von  Diodon,  welche  im  Tertiär  der  Ins.  Rdmri  erscheinen,  übereinstimmen  mit  solchen 
aus  dem  Sandstein  von  Port  Blair,  Andam.  Ins.;  Rec.  g.  Surv.  Ind.  1880,  XIH,  p.  59.  — 
Hochstetter  hat  (S.  98)  diese  Serpentine  den  tertiären  Serpentinen  Italiens  gleich- 
gestellt und  ebenso  vergleicht  Neumayr  den  ganzen  Zug  dem  griechischen  Flysch; 
Bittner,  Neumayr  u.  Teller,  Ueberblick  d.  geol.  Verh.  eines  Theiles  der  Aegäisch. 
Küstenländer;  Denkschr.  Akad.  Wien   1880,  XL,  S.  405. 

48  W.  T.  Blanford,  Account  of  a  Visit  to  Puppd  doung,  an  extinct  Volcano  in 
Upp.  Burma;  Joum.  As.  Soc.  Beng.  i863,  XXXI,  p.  215—226,  Taf.;  Anderson  führt 
einen  Vulkan  noch  weiter  im  N.,  in  25°,  an;  diese  Angabe  fallt  ausserhalb  des  Gebietes, 
welches  ich  hier  zu  besprechen  beabsichtige. 

49  Theobald,  Geol.  of  Pegu,  am  ang.  O.  p.  142. 

50  G.  v.  Liebig,  Barren-Island;  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1858,  X,  S.  299—304, 
Taf.;   V.  Ball,  Barren  Isl.  and  Narkondam;  Rec.  g.  Surv.  Ind.  1873,  VI,  p.  81—90. 

5«   Theobald,  Geol.  of  Pegu,   am   ang.  O.  p.  223;  Manual  Geol.  Ind.  II,  p.  709. 


5Q6  Anmerkungen  zu  Th.  11,  Abschn.  VII.   Die  indischen  Schaaningcn. 

52  J.  Errington  de  la  Croix,  Le  Royaume  de  P6rak;  Bull.  soc.  g^o^.  i883, 
7.  sdr.  IV,  p.  333 — 352,  Karten.  J.  E.  Tenison  Woods,  Gcol.  of  the  Malay.  Penins., 
Nature,  1884,  p.  76  u.  Alount.  Syst.  of  the  Malay.  Penins.  eb.  das.  p.  264. 

53  J.  R.  Logan,  Notice  of  the  Geol.  of  the  Straits  of  Singapore;  Quart.  Joum.  Gcol. 
Soc.  1851,  VII,  p.  310—344,  Karte;  L.  v.  L6czi  sagt,  dass  das  Aussehen  der  bei  Sin- 
gapore dem  Granit  auflagernden  Sedimente  dem  alpinen  Flysch  gleicht;  Földt.  Kozl.: 
Sitzg.  ung.  geol.  Ges.  v.  5.  Jan.  1881. 

54  Es  mag  hier  nur  das  letzte  und  wichtigste  Werk  genannt  sein:  R.  D.  M.  Verb  eck, 
Topogr.  en  Geol.  Beschrijving  v.  un  Ged.  v.  Sumatra's  "Westkust;  8^^  Batav.  i883;  Atlas 
in  8°  u.  40.  —  Auch  die  Petroleum-Vorkommnisse  des  Nordens  wiederholen  sich  auf 
Sumatra. 

55  Verbeek  am  ang.  O.,  p.  398  u.  folg.;  Atlas  8"  Taf.  XII. 

56  Verbeek  u.  R.  Fennema,  Nouv.  faits  g^ol.  observ6s  h  Java;  Arch.  N6erl. 
1881,  XVI,  p.  48—64. 

57  K.  Martin,  Die  wichtigst.  Daten  uns.  geolog.  Kenntniss  vom  Niederl.  Ostind. 
Archipel;  Bijdr.  tot  de  Taal  Land  en  Volkenk.  en  Ned.  Ind.  uit  p.  t.  Geleg.  van  het  VI. 
Intern.  Congress  d.  Orientalist,  te  Leiden,  s*Gravenhage,   i883,  p.  27. 

58  ,gradually  and  irregulary  broken  up*;  A.  R.  Wallace,  On  the  Phys.  Geogr. 
of  the  Malay  Archip.,  Joum.  geogr.  Soc.  i863,  XXXIII,  p.  233;  hienach  wurden  zuerst 
die  Philippinen  abgetrennt,  viel  später  Java,  noch  etwas  später  Sumatra  und  Bomeo;  zu- 
letzt die  Inseln  S.  v.  Singapore  bis  Banca  und  Biliton;  Wallace,  Island  Life,  8<»,  1880,  p.  362. 

59  N.  Przewalski,  Forschungen  in  Centr.- Asien.  IV.  Vom  Saisan-See  nach  Tibet; 
40  Petersb.  l883;  die  Karte  auch  reducirt  in  Peterm.  Mitth.  l883,  Taf.  IX;  auch  Przewalski, 
Das  Nördliche  Tibet;  eb.  das.  S.  14 — 23, 

60  Ose.  Feistmantel,  On  the  Occurr.  of  the  Cretac.  Genus  Omphalia  near  Namcho 
Lake,  about  75  miles  N.  of  Lhassa;  Rec.  g.  Surv.  Ind.  1877,  X,  p.  21-  25. 

61  G.  Kreitner,  Im  fernen  Osten;  Reisen  des  Graf.  B.  Sz^chönyj  in  Indien,  Jajyan, 
China,  Tibet  u.  Burma;  8«  Wien,   1881;  Taf.  in. 

62  Ratte,  Note  sur  Tlndo-Chine;  Bull.  soc.  g6ol.  1876,  3.  scr.  IV,  p.  509 — 521  ; 
Petiton,  Carte  g6ol.  du  Cochin-Chine,  eb.  das.  i883,  3.  ser.  XI,  pl.  VIII;  K.  Fuchs, 
Comptes  rend.  10.  Juli  1882,  p.  107  u.  Zeiller  eb.  das.  24.  Juli  1882,  p.  194;  Zeiller, 
Flore  du  Tonking,  Bull.  soc.  gdol.  i883,  3.  scr.  XI,  p.  436  u.  folg.  u.  an  and.  Orten. 


ACHTER  ABSCHNITT. 


Die  Beziehungen  der  Alpen  zu  den  asiatischen  Gebirgen.' 


Aufgabe  dieses  Abschnittes.  —  Tian-schan  von  J.  MuschketofT.  —  Westliche  Ausläufer 
des  Tian-schan.  —  Nura-tau,  Scheich -Djeli,  Mangischlak,  Kohlenjjebirge  am  Donetz.  — 
Paropamisus,  Chorassan,  Kopct-daph,  Baichan,  Kauka.sus,  Krim.  —  Matschin.  —  Balkan 
und  Karpathen.  —  Alburs,  Iranisch-Taurische  Schaarung.  —  Dinarischer  Zug.  —  Lösung 
der  wirbeiförmigen   Anordnung   der  Alpen.  —   Ural,   Pae-choi    und   Timan.  —    Uebersicht. 


Cs  ist  der  schwierigste  Theil  dieser  vergleichenden  Ueber- 
sicht des  Verlaufes  der  grossen  Gebirgszüge,  an  welchen  ich  nun 
schreite.  Zwei  ausgedehnte  Gebiete  sind  bisher  besprochen  wor- 
den, das  System  der  Alpen  im  Westen  und  die  asiatischen  Bogen 
im  Osten,  welche  beide  ihre  Gestaltung  durch  tangentiale  Be- 
wegungen erhalten  haben,  aber  die  Anordnung  der  Leitlinien  ist 
in  jedem  dieser  beiden  Gebiete  wenigstens  scheinbar  eine  gänzlich 
verschiedene.  Es  entsteht  nun  die  Frage,  wie  sich  diese  beiden 
Arten  der  Anordnung  begegnen. 

Zunächst  ist  der  latitudinale  Hauptzug  des  inneren  Asien,  der 
Tian-schan,  näher  zu  betrachten  und  sind  seine  westlichen  Ausläufer 
gegen  Europa  hin  zu  verfolgen.  In  den  Alpen  werden  wir  hierauf 
zu  fragen  haben,  ob  mit  dem  Ende  der  Karpathen  in  Siebenbürgen 
wirklich  das  Ende  jener  Linien  erreicht  sei,  welche  an  der  wirbei- 
förmigen Anordnung  der  Alpen  theilnehmen.  Hierauf  werden  wir 
uns  südwärts  wenden  und  prüfen,  ob  der  iranische  Bogen  in  der 
That  der  westlichste  der  schaarenden  Bogen,  oder  ob  in  Europa 
eine  weitere  Wiederholung  zu  treffen  sei.  Aus  dieser  Analyse  wird, 


5g8  Tian-schan. 

SO  hoffe  ich,  gezeigt  werden  können,  worin  das  Wesen  der  An- 
ordnung der  Alpen  besteht.  Endlich  sollen  noch  Ural,  Pae-choi 
und  das  Timan'sche  Gebirge  besprochen  werden. 

Der  Weg  ist  lang,  aber  es  gibt  keinen  kürzeren;  nur  so  kann 
die  eigenthümliche  Art  des  Zusammenhanges  der  grossen  Gebirgs- 
züge dieses  Continentes  und  die  Bedeutung  dargelegt  werden, 
welche  den  zwischenliegenden  Ketten,  wie  dem  Kaukasus,  dem 
Taurus,  dem  Balkan,  dem  Pindus  zukommt. 

Die  Darstellung  wird  sich  bei  dem  Umfange  des  Stoffes 
knapp  an  die  ermittelten  Thatsachen  halten  müssen,  und  auch  von 
diesen  werde  ich  nur  die  wichtigsten  anzuführen  im  Stande  sein. 

Der  Tian-schan  bildet  den  Ausgangspunkt,  und  ich  freue  mich, 
hier  dem  Berufensten  weichen  und  eine  Beschreibung  der  Grund- 
züge des  Baues  dieses  ausgejdehnten  Hochgebirges  einschalten  zu 
dürfen,  welche  der  beste  Kenner  desselben,  Prof.  Muschketofif,  mir 
mitzutheilen  die  Güte  hatte. 

Tian-schan  (von  Prof.  J.  Muschketoff).'  Unter  Tian-schan 
hat  man  ein  ganzes  System  verschiedener  Gebirgszüge  im  Grossen 
und  Ganzen  mit  der  Streichrichtung  WSW. — ONO.  zu  verstehen. 
Dieses  System  nimmt  seinen  Anfang  in  der  Wüste  Gobi  nahe  bei 
der  Stadt  Barkul,  als  verhältnissmässig  niedriger  und  schmaler, 
wenn  auch  von  der  umgebenden  öden  Fläche  sich  scharf  abheben- 
der Gebirgszug.  Derselbe  nimmt  gegen  West  in  verticaler  wie  in 
horizontaler  Richtung  immer  grössere  Dimensionen  an  und  spaltet 
sich  in  mehrere  nahezu  parallele  Ketten ;  gleichzeitig  zweigen  sich 
meist  in  der  Richtung  NW.  Ausläufer  ab,  welche  nicht  selten  als 
selbständige  Gebirgszüge  betrachtet  werden  können. 

So  zweigt  sich  von  ihm  bei  den  Quellen  des  Kungess,  fast 
gegenüber  Julduss,  der  Gebirgszug  Eiran-Chabirgan  oder  Boro- 
choro  ab,  der  im  Verein  mit  dem  dsungarischen  Ala-tau  die  ganze 
nördliche  Hälfte  von  Kuldscha  einnimmt  und  durch  den  Barlik-tau 
mit  dem  nordwestlichen  Tarbagatai  in  Verbindung  tritt. 

Westlich  von  dem  Pik  Chan-Tengri  (22.500  Fuss)  ist  eine 
derartige  Verzweigung  und  zugleich  eine  Entwicklung  in  die 
Breite  in  noch  höherem  Maasse  wahrzunehmen;  sie  erreichen  ihr 
Maximum  auf  dem  Meridian  von  Kaschgar,  wo  die  Gesammtbreite 


Die  Aestc  des  Tian-schan. 


599 


des  Tian-schan  nicht  weniger  als  300  Kilom.  beträgt.  An  dieser 
Stelle  kann  man  neben  einigen  unbedeutenden  nicht  weniger  als 
vier  nahezu  parallele  Hauptketten  unterscheiden;  diese  sind: 
I.  Sa-Ilischer  Ala-tau;  2.  Kungj-Ala-tau;  3.  Terskj  Ala-tau  und 
4.  Kokschal. 

Der  erste  vereinigt  sich  bei  der  berühmten  Schlucht  Buam 
mit  dem  Tschu-Ilischen  Gebirge  oder  Suok-Tübe,  welches  ebenso 
wie  der  Boro-choro  nach  NW.  streicht  und  am  Südende  des 
Balchasch-See's  endet. 

Der  zweite,  Kungj-Ala-tau,  trägt  weiter  westlich  den  Namen 
Alexandergebirge  und  vereinigt  sich  bei  der  Stadt  Aulje-Ata  in 
gleicher  Weise  mit  dem  NW.-Zuge  Kara-tau,  welcher  dem  Tschu- 
Ili-Zuge  parallel  läuft. 

Die  beiden  letztgenannten  Züge,  nämlich  Terskj -Ala-tau  und 
Kokschal,  beginnen  bei  dem  Chan-Tengri  und  gehen  nach  Westen 
zu  gabelförmig  auseinander;  der  Zwischenraum  wird  von  Gebirgs- 
zügen zweiten  Ranges  eingenommen,  die  stellenweise  eine  ausser- 
ordentliche Höhe  erreichen,  wie  z.  B.  der  von  zahlreichen  Gletschern 
bedeckte  Ak-Schjrak,  ebenso  die  Gebirge  Son-kul,  Baural-basch, 
At-basch  u.  s.  w.  Unter  den  diese  Züge  trennenden  Thälern  zeich- 
net sich  durch  seine  Ausdehnung  dasjenige  des  Narin,  des  Quell- 
flusses des  Syr-Darja,  aus. 

Der  Terskj -Ala-tau  setzt  sich  in  dem  Susamjr-tau  weiter 
fort  und  endet  im  Westen  mit  einer  ganzen  Serie  von  Parallel- 
zügen: Talaskj- Ala-tau,  Tschatkal  und  Namandgangebirge. 
Kokschal  setzt  sich  als  Kurpetau  und  Suektau  bis  an  den  Alai- 
Gebirgszug  fort,  dem  Verbindungsgliede  zwischen  dem  System 
des  Tian-schan  und  dem  Pamir. 

Auf  dem  Meridian  von  Suek  verläuft  zwischen  dem  Alai-" 
gebirge  und  den  beiden  obgenannten,  dem  Namandgan-  und 
Tschatkalgebirge ,  in  nordwestlicher  Richtung  das  Fergana- 
gebirge; letzteres  bildet  die  Ostgrenze  des  Ferganagebietes, 
ersteres  seine  Nord-  und  Südgrenzen.  Sie  laufen  nach  Westen  zu 
ebenfalls  in  nordwestlicher  Richtung  aus,  wie  der  kleine  Kasj- 
kurt  und  der  lange  Nura-tau,  der  Ausläufer  des  Turkestan- 
gebirges,  das  seinerseits  als  eine  Fortsetzung  des  Alaizuges  zu 
betrachten  ist. 

Sucss,  Das  Antlitz  der  Erde.  39 


600  Die  Aeste  des  Tian-schan. 

Dem  Alaizuge  parallel  ziehen  sich  das  Sa-Alai-  (Hinter- Alai) 
und  weiter  westlich  das  Gissargebirge  und  das  Gebirge  Peter's  I. 
Sie  alle  laufen  in  zahlreichen  kleinen  und  niederen  Zügen  strahlen- 
förmig in  die  Ebene  der  Bucharei  aus.  Die  strahlenförmig"  diver- 
girenden  westlichen  Ausläufer  des  Tian-schan-System's  verlieren 
sich  allmälig  in  die  Turan'sche  Niederung. 

Alle  diese  zahlreichen  Gebirgszüge  lassen  sich  zu  drei  Grup- 
pen zusammenfassen:  i.  solche  mit  dem  Streichen  ONO.;  sie  sind 
weitaus  die  zahlreichsten  und  bedingen  die  Richtung  des  ganzen 
System's  des  Tian-schan;  2.  solche  mit  der  Richtung  NW. ;  sie 
bilden  die  westlichen  Ausläufer  der  Hauptzüge;  und  3.  solche  mit 
der  Richtung  W.,  wenig  zahlreich  und  nur  als  Züge  zweiten  Ran- 
ges auftretend.  Wo  Gebirgszüge  der  ersten  Gruppe  mit  solchen 
der  zweiten  zusammenstossen,  da  beobachtet  man  regelmässig  ein 
Ausbiegen  derselben,  und  zwar  mit  der  convexen  Seite  gegen 
Süden;  zugleich  sind  die  Abhänge  nach  Norden  zu  steiler  als  die 
südlichen;  die  nördlichen  Abhänge  weisen  Massengesteine  in 
stärkerer  Entwicklung  auf  als  die  südlichen,  die  ihrerseits  ein 
regelmässigeres  System  von  Falten  aufweisen.  Diese  Verhältnisse 
gelten  übrigens  allgemein  für  alle  Gebirgszüge  des  Tian-schan  in 
ihrer  ganzen  Ausdehnung,  nur  dass  sie  an  den  genannten  Ver- 
einigungspunkten deutlicher  hervortreten. 

An  der  Zusammensetzung,  der  Gebirgszüge  nehmen  meist 
paläozoische  Gebilde,  einschliesslich  den  Kohlenkalk  der  Stein- 
kohlenperiode theil,  überdies  metamorphische  und  Massengesteine ; 
jüngere  Gebilde  finden  sich  vereinzelt  in  geringer  Ausdehnung  in 
den  Gebirgsthälern  und  lagern  stets  discordant  auf  den  paläozoi- 
schen. Nachgewiesen  sind:  Trias,  Jura  (reich  an  Kohle),  Kreide 
und  Tertiär;  letzteres  ist  durch  lockere  Kalksteine,  Sandsteine 
und  kieselige  Conglomerate  vertreten. 

Alle  diese  Sedimente  treten  ausser  in  den  Gebirgsthälern,  wo 
sie  wie  das  Eocän  von  Ladakh  im  Himalaya  bis  zu  bedeutenden 
Höhen,  im  Alai  bis  zu  10 — 11.000  Fuss  hoch  beobachtet  worden 
sind,  zumeist  am  Rande  der  Gebirge  gegen  die  Ebene  zu  auf  und 
lassen  sich  hier  in  den  Flussthälern  sehr  vollständig  beobachten, 
so  z.  B.  im  Ferganagebiete,  in  Kuldscha  u.  s.  w.,  desgleichen  in 
der  südwestlichen  Bucharei  und  in  Gissar,   woselbst  sie  ganze 


Felsarten  des  Tian-schan.  6oi 

Gebirgszüge  bilden.  Diese  Sedimente  sind  über  die  gesammte 
anliegende  Niederung  verbreitet,  nach  West  bis  an  den  Aral-  und 
Kaspisee,  nach  O.  bis  an  den  Lob  Nor;  sie  umziehen  als  ununter- 
brochener Gürtel  den  ganzen  Tian-schan;  nur  an  dem  äussersten 
östlichen  Ende,  bei  der  Stadt  Barkul,  sind  sie  noch  nicht  nach- 
gewiesen, weil  dort  bisher  überhaupt  noch  kein  Geologe  ge- 
wesen ist. 

Diesen  Sedimenten  kommt  eine  hervorragende  Bedeutung 
für  Mittel- Asien  zu,  erstens  weil  die  lockeren  tertiären  Sandsteine 
das  Materiale  für  den  Flugsand  liefern,  der  von  den  Winden  über 
weite  Strecken  ausgebreitet  wird  und  den  Wüsteneien  ihren  Cha- 
rakter ertheilt,  und  zweitens  weil  die  Brände  der  mächtigen  jurassi- 
schen Kohlenflötze  Humboldt^u  der  Annahme  vulcanischer  Thätig- 
keit  in  Mittel-Asien  veranlassten,  ein  Irrthum,  der  sich  leider  bis 
heute  fortgepflanzt  hat.  An  allen  Punkten,  an  welchen  der  grosse 
Naturforscher  auf  Grund  chinesischer  Quellen  Vulcane  oder  Solfa- 
taren  annahm,  sind  brennende  jurassische  Kohlenflötze  beobachtet 
worden,  so  in  Kuldscha,  Urumtschi,  Turfan,  Kutschi  u.  s.  w., 
d.  h.  sowohl  nördlich  als  südlich  vom  Tian-schan. 

Was  nun  die  Massengesteine  anbelangt,  so  sind  dieselben  im 
Tian-schan  recht  mannigfaltig  und  treten  zwischen  metamorphischen 
und  paläozoischen  Gesteinen  auf,  aber  in  den  verschiedenen  Ge- 
birgszügen in  wechselnder  Ausdehnung  und  Menge.  So  finden 
sich  Granit,  Granitit,  Syenit,  Granitporphyr,  Orthoklasporphyr, 
Felsit,  Gabbro  u.  s.  w.  vorherrschend  in  den  massiven,  gegen  NO. 
gerichteten  Gebirgszügen;  Diabas,  Melaphyr,  Dolerit,  Teschenit, 
Porphyrite  u.  s.  w.  in  den  gegen  NW.  streichenden;  Diorit, 
Gneiss  u.  s.  w.  in  den  nach  W. — O.  gerichteten.  Die  krystallinischen 
Gesteine  walten  fast  überall  auf  den  nördlichen,  steileren  und  con- 
cav  verlaufenden  Abhängen  vor.  Beispielsweise  treten  auf  dem 
Nordabhange  des  Sa-Ilischen  Gebirges  Felsit-,  Orthoklas-,  Sphae- 
rolith-  und  Quarzporphyre  auf;  desgleichen  im  Tschu-Ili- Gebirge; 
Syenit  und  Diorit  auf  dem  Nordabhange  des  Terskj-Ala-tau; 
Melaphyr  und  Diabas  auf  dem  Nordabhange  des  Aigjr-tau;  Mela- 
phyr auf  dem  NO.-Abhange  des  Kara-tau;  Augitporphyr  auf  dem 
NW.-Abhange  des  Talass- Ala-tau ;   Augitporphyr  auf  dem  N.- 

Abhange  des  Sonkulgebirges ;   Diabas  auf  dem  NO.-Abhange, 

39» 


602  Einseitigkeit  der  Aeste  des  Tian-schan. 

Augitporphyr  und  Andesit  auf  dem  N.-Abhange  des  Kara-teke 
und  bei  Suek;  südlicher,  am  Flusse  Tojunn,  treten  Basalte  auf. 

In  Betreff  dieser  letzteren  Vorkommnisse  muss  ich  bemerken, 
dass,  obgleich  die  S.  vom  See  Tschatyr-kul  auftretenden  Gesteine 
unstreitig  vulcanischen  Ursprunges  sind,  sie  dennoch  nichts  an  dem 
oben  über  Humboldt's  Ansicht  Gesagten  ändern,  da  sie  nicht  der 
gegenwärtigen  Periode,  sondern  älteren  tertiären  Vulcanen  an- 
gehören; das  Gleiche  gilt  vom  Dolerit  des  Eiren-Chabirgan,  des 
Karakasyk  im  Alaigebirge,  dem  Teschenit  des  Kasjkurt  u.  s.  w. 

JDas  Vorkommen  vulcanischer  Gesteine  südlich  vom  Tian- 
schan  widerspricht  scheinbar  dem  im  Allgemeinen  über  die  Ver- 
breitung  der  Massengesteine  Gesagten;  allein  dies  ist  nur  schein- 
bar der  Fall,  denn  diese  Gesteine  treten  an  dem  Nordabhange  des 
Kokschal  oder  Suek-tau  und  seiner  westlichen  Verlängerung  auf, 
also  übereinstimmend  mit  den  übrigen  Massengesteinen  im  ganzen 
Tian-schan.  Desgleichen  treten  Teschenit  auf  dem  Nordabhange 
des  Kasjkurt,  Gabbro,  Melaphyr  und  Granit  auf  dem  N.-Abh'ange 
des  Alaigebirges  u.  s.  w.  auf,  d.  h.  überall  im  Tian-schan  zeigt  sich 
das  gleiche  Verhalten,  mit  wenigen  Ausnahmen  in  unbedeutenden 
Höhenzügen. 

Was  nun  das  Alter  des  Tian-schan-Gebirges  anbelangt,  so  sind 
die  massiven  NO. -Züge  älter  als  die  übrigen,  doch  reicht  ihre 
Bildungszeit  wohl  kaum  weiter  zurück  als  bis  zur  Trias;  die  jün- 
geren NW.-Züge  sind  wahrscheinlich  erst  nach  Ablauf  der  Tertiär- 
periode entstanden,  gleichzeitig  mit  einem  bedeutenden  Wachs- 
thume  der  schon  vorhandenen  Erhebungen,  da,  wie  oben  bereits 
erwähnt,  tertiäre  Ablagerungen  auf  sehr  bedeutenden  Höhen  vor- 
kommen. Seine  endgiltige  Gestaltung  hat  also  der  Tian-schan  erst 
nach  dem  Tertiär  erhalten,  und  es  gibt  einige  Anzeichen  dafür, 
dass  eine  Erhebung  noch  gegenwärtig  stattfindet;  diese  Anzeichen 
sind  jedoch  nur  indirecte  und  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben. 

Aus  allem  Dargelegten  ergeben  sich  für  den  Tian-schan  genau 
die  umgekehrten  Verhältnisse  wie  für  die  Alpen.  Bei  letzteren 
verlaufen  die  Züge  convex  nach  N.,  im  Tian-schan  convex  nach  S.; 
dort  sind  die  Südabhänge  steil,  hier  die  nördlichen;  dort  walten 
Massengesteine  auf  den  Südabhängen  vor,  hier  auf  den  Nord- 
abhängen.   Der  an  den  Alpen,  Karpathen  u.  s.  w.  nachgewiesene 


Scheich-Djeli.  603 

Zusammenhang  dieser  Erscheinungen  bethätigt  sich  jedoch  in  voll- 
kommenstem Maasse  auch  für  den  Tian-schan;  desgleichen  zeigt 
sich  auch  eine  grosse  Gleichförmigkeit  in  dem  Streichen  der  Falten 
und  in  der  Umbeugungsrichtung.  Den  massigen  Gesteinen  kommt 
bei  der  Bildung  des  Tian-schan  eine  rein  passive  Rolle  zu;  die 
Verbindungslinie  ihrer  Ausgangspunkte  fallt  mit  der  Kamm- 
richtung keineswegs  zusammen.  In  dieser  Beziehung  liegen  für  den 
Tian-schan  zahlreiche  Beobachtungen  vor,  analog  denen,  welche 
von  Ihnen  und  Prof.  Heim  für  die  Alpen  angeführt  worden  sind.'  — 

So  weit  Muschketoff's  Darstellung.  Es  ergibt  sich  hieraus 
vor  Allem  die  wichtige  Erfahrung,  dass  die  im  Allgemeinen  nach 
Süd  gerichtete  tangentiale  Bewegung  der  schaarenden  indischen 
Bogen  auch  in  den  langen  Zügen  des  Tian-schan  sich  kundgibt,  und 
dass  für  das  ganze  innere  Asien  diese  Bewegung  gegen  Süd  die 
herrschende  und  das  Land  gestaltende  Erscheinung  ist. 

Von  den  aufgezählten  gegen  NW.  streichenden  Aesten  des 
Tian-schan  kommen  Boro-choro  mit  dem  Tarbag-atai  und  der  Sa- 
Ilische  Ala-tau  mit  dem  Suok-tübe  hier  nicht  in  Betracht,  da  sie 
Europa  nicht  erreichen.  Man  mag  die  Frage  aufwerfen,*  ob  die 
vereinzelte  Faltung,  welche  auf  der  Halbinsel  Kulandy,  an  dem 
NW.-Ufer  des  Aral,  hervortritt  und  die  NW.  streichenden  Berge 
der  Astrachan'schen  Steppe,  wie  Tschaptschatschi  und  die  Gruppe 
des  kleinen  und  des  grossen  Bogdo,  etwa  die  Fortsetzungen  des 
vom  Alexandergebirge  mit  NW.-Streichen  herkommenden  Kara- 
tau  seien,  aber  bei  der  beträchtlichen  Entfernung  dieser  Punkte 
von  einander  ist  es  schwer,  hierüber  zu  urtheilen. 

Um  so  deutlicher  ist  das  nordwestliche  Fortstreichen  des  süd- 
lich nachfolgenden  Astes  des  Tian-schan. 

Nura-tau-Mangischlak.  Nura-tau,  vom  Alai  herkommend, 
tritt  mit  nordwestlicher  Richtung  als  eine  hohe,  schneebedeckte 
Kette  weit  gegen  die  Steppe  Kizil-kum  vor  und  scheidet  den  Sir 
Darja  vom  Amu  Darja.  Seine  weitere  Fortsetzung  bildet  der 
60  Kilom.  lange  Gebirgszug  Scheich-Djeli  oder  Sultan-Ujzdagh, 
welcher  unterhalb  Chiwa  den  Amu  Darja  erreicht.  Er  besteht  nach 
Barbot  aus  Granit,  Gneiss,  Talkschiefer,  Chloritschiefer,  auch 
Kalk-Pistazit-Schiefer  und  Marmor;  das  Streichen  ist  NW.  (hör. 


604  Mangischlak. 

6 — 7),  das  Fallen  sehr  wechselnd,  häufig  vertical  und  die  cretaci- 
schen  Schichten  reichen  in  discordanter  Lagerung  bis  zur  Höhe 
des  Gebirgszuges.^ 

Erosionsreste  der  Kreideformation  ragen  aus  dem  Delta  des 
Amu  Darja  hervor;  sie  sind  gleichsam  die  Vorposten  des  Ust-Urt. 
An  der  Westseite  der  grossen  Tafel  zeigt  sich  aber  eine  Fort- 
setzung des  NW.  streichenden  Gebirges.  Sie  bildet  die  Halbinsel 
Mangischlak.  Es  ist  eine  regelmässige,  NW.  streichende  Anti- 
klinale, deren  mittleren  Sattel  der  aus  petrefactenleerem  Quarzit 
und  Thonschiefer  bestehende  Kara-tau  bildet;  in  den  Thälern 
gegen  N.  und  S.  tritt  die  Juraformation  und  der  cenomane  Hori- 
zont der  Phosphorite  hervor;  die  beiden  Ak-tau,  d.  i.  weissen 
Berge,  gegen  N.  und  S.  gehören  der  oberen  Kreide  an.  Auf  der 
Höhe  des  Kara-tau  traf  Barbot  eine  horizontale  sarmatische 
Scholle.'*  Hienach  würde  diese  Falte  jünger  sein  als  Scheich- 
Djeli. 

Im  Anschlüsse  an  Mangischlak  unterscheidet  Karpinsky  in 
S.  Russland  eine  breite  Zone,  in  welcher  Dislocationen  nach  der 
Richtung   NW.  oder  WNW.  vorkommen^  (m^  m  Taf.  V).     Das 
erste  und  auffallendste  Beispiel  ist  die  genau  in  der  Fortsetzung 
des  Kara-tau  auf  Mangischlak  erfolgende  Faltung  der  Carbon- 
ablagerungen des  Donetz.    Das  Streichen  ist  NW.  und  zeigt  sich 
auf  eine  grosse  Erstreckung;  bis  an  den  Fluss  Orel  sind  die  Fort- 
setzungen durch  Bohrung  erwiesen.    Andere  Fälle  von  Disloca- 
tion  mit  demselben  Streichen  werden  aus  den  Gouvernements  Char- 
kow und  Jekaterinoslaw,  von  Isatschkj,  Bezirk  Lubny  im  Gouv. 
Pultowa,  und  nach  Feofilaktoff  auch  von  Kanew  amEHijestr,  Gouv. 
Kiew,  angeführt,  ja  derselbe  Beobachter  rechnet  in  diese   selbe 
Zone  paralleler  Störungen  auch  das  in  NW.  streichende  Falten 
gelegte  Sandomirer  Gebirge  in  Polen,  welches  mehrere  Hun- 
dert Kilom.  von  dem  westlichsten  der  genannten  Punkte,  Kanew, 
entfernt  ist.  — 

Mag  nun  diese  Voraussetzung  eine  tiefere  Begründung  finden 
oder  nicht,  so  ist  doch  sicher,  dass  von  Alai  über  Nura-tau,  über 
Scheich-Djeli,  Mangischlak  und  das  Kohlengebiet  des  Donetz 
hinaus  noch  eine  Anzahl  von  untergeordneten  Störungen  nach 
derselben  Richtung  erfolgt.    Auch  cretacische  Schichten  nehmen 


Der  grosse  Balchan.  605 

an  ihnen  theil,  und  mit  Recht  betont  Karpinsky,  dass  dennoch  in 
der  Nähe  das  Silur  am  Dnjestr  und  das  Devon  in  Orel  und  Woro- 
nesch  horizontal  bleiben.  Im  Allgemeinen  werden  aber  hier  unter- 
schieden: eine  Gruppe  von  sehr  alten  N.  und  NO.-Störungen  im 
archaischen  Gebirge,  welche  gänzlich  abradirt  und  von  flachen 
paläozoischen  Sedimenten  überlagert  sind;  eine  zweite  Gruppe, 
NW.  streichend,  parallel  dem  Kaukasus,  welcher  auch  Mangisch- 
lak  zufallt,  von  verschiedenem  Alter,  doch  gewiss  von  gemein- 
samem Ursprünge;  endlich  vielleicht  eine  noch  jüngere  Gruppe, 
vertreten  durch  die  Ergenihügel,  welche  fast  meridional  oder 
NNO.  streichen. 

Die  zweite  Gruppe  ist  es,  welche  den  grossen  asiatischen 
Zügen  entspricht. 

Paropamisus  —  Kaukasus.  Der  flache  Bogen  des  Paro- 
pamisus  setzt  sich  in  gerader,  nordwestlicher  Richtung  durch  die 
Bergzüge  von  Sarachs,  den  Kopet-dagh  und  den  Kjurjan-dagh 
fort.  Der  letztere  Zug  ist  2 — 3000  Fuss  hoch;  Sievers,  welcher 
denselben  bei  der  Festung  Kizil-Arwat  kreuzte,  fand  sarmatische 
Vorberge  und  auf  der  Höhe  des  Passes  lichtgrauen  Kalkstein  der 
oberen  Kreide;  ältere  Felsarten  sind  noch  nicht  bekannt.^ 

An  den  Kjurjan-dagh  schliesst  sich  unmittelbar  die  Höhe  des 
kleinen  Balchan  und  dann  in  geringer  Entfernung  der  grosse  Bal- 
chan und  die  Gebirgsgruppe  des  Busens  von  Krasnowodsk. 

Nach  Koschkul's  Untersuchungen  bilden  die  Gebirge  des 
Busens  von  Krasnowodsk  sammt  dem  grossen  Balchan  eine  ge- 
meinsame, gegen  WNW.,  genau  in  der  Richtung  des  Kaukasus 
streichende  Antiklinale,  deren  südlicher  Theil  zum  grössten  Theile 
eingestürzt  ist.  Der  grosse  Balchan,  an  dessen  westlichem 
Rande  sich  der  Dagh-dirim-burun  5650  Fuss  über  den  Kaspi  er- 
hebt, ist  der  östliche,  stehen  gebliebene  Theil  des  Südschenkels 
und  seine  Schichten  neigen  gegen  Süd.  Die  Mitte  des  Sattels 
liegt  unter  dem  Busen  von  Krasnowodsk  und  dem  Balchan'schen 
Busen  und  setzt  sich  am  Lande  in  der  Richtung  der  Festung  Tasch- 
arwat-Kala  am  NW.-Fusse  des  grossen  Balchan  fort.  Die  tief- 
sten sichtbaren  Felsarten  bilden  die  niederen,  O. — W.  streichenden 
Vorgebirge  in  der  Nähe  von  Krasnowodsk;  Koschkul  bezeichnet 


6o6  Mündung  des  Oxus. 

sie  als  Granit  und  Grünstein;  Dölter  und  Tietze  halten  den  letz- 
teren für  einen  älteren  Porphyrit.  Die  nördlich  folgenden  Berg- 
züge, der  Kuba-dagh,  dessen  Fortsetzung  die  Insel  Dag-h-ada  bil- 
det, der  lange  Gebirgszug  Kjurre  und  seine  östliche  Fortsetzung, 
der  Koscha-seira,  bilden  den  Nordflügel  der  Antiklinale  und  sind 
gegen  N.  geneigt.  Im  Kuba-dagh  erscheinen  gypsführende  Schich- 
ten; Kjurre  besteht  aus  Thonschiefer  und  glauconitischem  Sand- 
stein, und  der  letztere  ist  es  wohl,  welchen  Sievers  im  Koscha-seira 
für  cretacisch  erklärt. ^ 

Diese  kleine  Gebirgsgruppe  ist  durch  zwei  Umstände  aus- 
gezeichnet; erstens  bildet  sie,  wie  ein  unterseeischer  Rücken  deut- 
lich anzeigt,  die  Fortsetzung  des  Kaukasus  und  somit  die  Verbin- 
dung desselben  mit  den  langen,  zum  Paropamisus  sich  streckenden 
Zügen,  und  ferner  liegt  an  ihr,  wie  Karelin  schon  vor  Jahren  nach- 
wies, die  alte  Mündung  des  Oxus.  Der  grosse  Strom  floss  zwischen 
dem  grossen  Baichan  und  dem  kleinen  Baichan  und  scheint  sich 
dann  in  zwei  Arme  getheilt  zu  haben,  die  das  grosse  Delta  um- 
fassten,  welches  heute  die  flache  Halbinsel  Dardscha  bildet.  Diese 
ist  über  dem  versenkten  südlichen  Schenkel  der  Antiklinale,  näm- 
lich über  der  unterirdischen  Fortsetzung  des  grossen  Baichan 
abgelagert. 

Südlich  vom  trockenen  Bette  des  Oxus  bis  an  das  Meeresufer 
und  die  Insel  Tscheieken,  sowie  auch  weiter  gegen  Süd  lieg-en  die 
erdölreichen  Ablagerungen  dieser  Gegend.  — 

Nun  ist  der  Kaukasus  erreicht,  und  es  entsteht  die  Frage, 
ob  in  diesem  mächtigen  Gebirgszuge  die  tangentiale  Bewegj-ung 
ebenso  wie  in  den  centralasiatischen  Ketten,  als  deren  Fortsetzung 
er  sich  darstellt,  nach  Süd  gerichtet  sei.  Die  Antwort  ist,  dass  der 
Kaukasus  ein  höchst  eigenthümliches,  von  dem  einfacheren  Baue 
anderer  Ketten  abweichendes  Gefüge  besitzt.  Die  Erkenntniss 
desselben  ist  uns  durch  Abich's  jahrelange  und  umfassende  For- 
schungen eröffnet  worden.^  Es  ist  unumgänglich  in  manche  Ein- 
zelheit der  Angaben  Abich's  einzugehen,  da  sie  für  das  Verstand- 
niss  der  Gebirgsbildung  im  Allgemeinen  von  hoher  Bedeutung 
sind,  und  es  wird  sich  hiebei  zugleich  zeigen,  dass  jene  einfachere 
Auffassung  des  Kaukasus  als  einer  einseitig  gegen  N.  und  NO. 


Die  meskischen  Berge.  607 

bewegten  Kette,  welche  ich  meinte  aus  Favre's  Untersuchungen 
in  diesem  Gebirge  entnehmen  zu  können,  wohl  in  gewisser  Rich- 
tung berechtigt  ist,  aber  doch  dep  bezeichnenden  Grundzug  des 
Aufbaues  nicht  in  sich  begreift.^ 

Es  sind  zwei  Gebiete  vorhanden,  in  welchen  altkrystallinische, 
hauptsächlich  granitische  Felsarten  auftreten,  welche  als  die  ar- 
chaische Unterlage  angesehen  werden  dürfen.  Das  erste  Gebiet 
gehört  dem  hohen  Hauptkamme  des  Kaukasus  an  und  reicht  von 
den  Quellen  des  Kuban  bis  zu  jenen  des  Terek;  es  ist  die  schnee- 
bedeckte Hochregion  zwischen  Elbrus  und  Kasbek.  Das  zweite 
Gebiet  archaischer  Felsarten  liegt  tief  unten  an  dem  südlichen 
Fusse  und  bildet  dort  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Pontus 
und  dem  Kaspi.  Sein  Streichen  ist  gegen  NO.  gerichtet 
und  folglich  von  jenem  des  Kaukasus  gänzlich  verschie- 
den; das  Gepräge  der  begleitenden  sedimentären  Schichten  ent- 
spricht den  taurisch-armenischen  Gebirgen;  an  seiner  Ostseite 
sieht  man  mittelcretacische  Schichten  den  archaischen  Felsarten 
übergreifend  aufgelagert.  Dies  sind  die  meskischen  Berge. 
Wir  betrachten  sie  als  eine  dem  Kaukasus  fremde  Gebirgsbildung; 
sie  werden  erst  an  späterer  Stelle  wieder  erwähnt  werden.  — 

Nach  dieser  Abscheidung  der  meskischen  Berge  suchen  wir 
von  Nord  her  uns  dem  Kaukasus  zu  nähern.  Wir  treffen  zunächst 
auf  die  bis  zu  2500  (engl.)  Fuss  sich  erhebende  sarmatische  Tafel 
von  Stawropol,  auf  den  quellenreichen  Bezirk  von  Piätigorsk  mit 
dem  vereinzelten  Eruptivstocke  des  Besch-tau  und  weiter  gegen 
SO.  zwischen  dem  Terek  bei  Mosdok  und  Wladikawkas  erheben 
sich  zwei  lange  Rücken,  welche  dem  Kaukasus  parallel  laufen  und 
nach  Koschkul's  Profilen  durch  sarmatische  Faltungen  entstanden 
sind.^°  — 

Die  erste  Zone  des  Kaukasus  besteht  aus  einer  mächtigen, 
concordanten  Serie,  welche  Sedimente  vom  Alter  des  Lias  bis 
zur  oberen  Kreide  und  streckenweise  noch  etwas  aufgelagerten 
Flysch  umfasst.  Diese  Zone  ist  im  Allgemeinen  normal  gegen  NO. 
geneigt.  Im  Meridian  des  Elbrus  ist  ihre  Neigung  flach  und  sehr 
regelmässig;  noch  auf  60  Kilom.  nordwärts  vom  Kamme  des  Ge- 
birges ist  durch  die  Erosion  unter  derselben  die  archaische  Unter- 
lage sichtbar,  deren  Oberfläche  auch  flach  gegen  Nord  geneigt 


6o8  Schach-dagh. 

ist  und  als  die  ursprüngliche  Anlagerungsfläche  der  liasischen 
Sedimente  angesehen  wird.  Gegen  Wladikawkas  vereng-t  sich 
diese  Zone,  aber  weiter  im  SO.,  im  Daghestan,  nimmt  ihre  Breite 
zu;  hier  ist  sie  in  parallele  Sättel  und  Mulden  gefaltet,  welche  in 
mancher  Beziehung  an  den  Bau  des  Juragebirges  erinnern.  Die 
ganze  gefaltete  Zone  steigt  hier  gegen  Süden  zu  immer  grösseren 
Höhen  an  und  kehrt  die  steilen  Schichtenköpfe  der  einzelnen  Ab- 
theilungen des  geschichteten  Gebirges  in  langen  Reihen  gegen 
Süd.  Einzelne  Tafelberge  erheben  sich  als  die  Vorlagen  dieser 
Schichtenköpfe  bis  zu  8000  Fuss  und  endlich  erreichen  sie  in  der 
Tafelzone  des  Schach-dagh  sogar  die  Höhe  von  12.041  F.  Hier 
ist  es,  wo  die  sarmatischen  Schichten,  in  Thäler  der  älteren  Sedi- 
mente eingedrungen,  bis  zu  7 1 70  Fuss  emporgetragen  worden  sind. 

Von  den  Höhen  des  Schach-dagh  sinkt  der  südöstliche  Kau- 
kasus in  gewaltigen  Staffelbrüchen  südwärts  zur  Niederung  des 
Kur  herab.  Hier  liegt  das  grosse  Senkungs-  und  Schüttergebiet 
von  Schemacha  und  Nucha  bis  Elisabethpol  und  Schuscha.  Hier 
bildet  diese  einzige,  nordwärts  geneigte  und  gefaltete,  südwärts 
gebrochene  Zone  den  gesammten  Kaukasus.  Archaische  Fels- 
arten sind  hier  gar  nicht  sichtbar;  die  Faltung  des  Daghestan  ist 
augenscheinlich  durch  nordwärts  gerichteten  Seitendruck  hervor- 
gebracht." 

So  weit  also,  im  ganzen  Südosten,  stimmt  das  Bild  eines 
nordwärts  gefalteten  und  südwärts  eingesunkenen  Gebirges  mit 
der  Natur  überein.   Anders  ist  es  gegen  Nordwest. 

Die  archaischen  Felsarten,  welche  den  Kamm  des  Hoch- 
gebirges zwischen  Elbrus  und  Kasbek  zusammensetzen,  fallen  in 
schroffen,  schneegekrönten  Wänden  gegen  Süden  ab,  und  unter 
ihnen  tritt  ein  mächtiges  Band  von  altem  Schiefer  hervor,  welches 
O.  vom  Ada'i-Choch  (12.250  Fuss)  sogar  an  Höhe  den  Granit 
übertrifft,  indem  dieser  gegen  die  Nordseite  des  Gebirges  zurück- 
tritt. Dieses  Band  von  altem  Schiefer  ist  gegen  NO.  unter  den 
Granit  geneigt,  so  dass  die  gesammte  Masse  des  Kau- 
kasus in  diesem  Theile  als  eine  ungeheure,  gegen  SW. 
überschlagene  Falte  erscheint. 

Die  Schiefermassen  der  Südseite  haben  dasselbe  Fallen 
gegen  NO.  wie  die  Jura-  und  Kreideschichten  des  Nordabhanges, 


Der  Bau  des  Kaukasus.  ÖOQ 

und  deshalb  hat  Abich  das  Recht  zu  sagen,  ,das  eigentliche 
Grundgesetz  des  Kaukasus  sei  isoklinales  Fallen  gegen 
N.  und  NO/" 

Diese  Schiefer  sind  zunächst  an  dem  Granit  alte  Glimmer- 
schiefer und  Chloritschiefer;  die  Hauptmasse  ist  Thonschiefer, 
welcher  von  Favre  für  paläozoisch  gehalten  wird,  während  Abich 
,  den  Mangel  aller  Versteinerungen  hervorhebt  und  geneigt  scheint, 
einen  grossen  Theil  desselben  noch  dem  kohlenführenden  Lias  zu- 
zuzählen. Weiter  gegen  Süd,  gegen  den  oberen  Ingur,  geht  die 
überstürzte  Lage  des  Schiefers  in  Fächerstellung,  endlich  in  spitze 
Falten  aus,  welche  sicher  schon  den  Lias  umfassen.  Auf  diese 
folgt  steiler  Bruch  im  oberen  Rion  und  eine  neue,  mit  der  sarma- 
tischen  Stufe  beginnende,  nordwärts  geneigte  Serie,  welche  unter 
verwickelten  Verhältnissen,  die  ich  hier  zu  besprechen  nicht  unter- 
nehmen kann,  die  orographische  Verbindung  mit  den  meskischen 
Bergen  herstellt.  Diese  nordwärts  geneigte  Serie  trägt  aber  nicht 
mehr  das  Gepräge  der  kaukasischen,  sondern  jenes  der  südlichen, 
taurisch-armenischen  Ablagerungen  an  sich,  welche  durch  ihre 
Aehnlichkeit  mit  den  Ostalpen  ausgezeichnet  sind. 

So  zeigt  uns  der  Kaukasus  zwei  Theile  von  verschiedener 
Gestaltung,  deren  Structur  sich  aber  nur  dadurch  unterscheidet, 
dass  die  Unterlage  der  gemeinschaftlichen  nördlichen  Serie  von 
jurassischen  und  cretacischen  Schichten  in  dem  NW.  Theile  des 
Gebirges  als  eine  südwärts  überworfene  Falte  sichtbar  bleibt, 
während  diese  selbe  Unterlage  in  dem  SO.  Theile  des  Gebirges 
unter  die  Ebene  des  Kur  hinabgesunken  ist. 

Da  und  dort  treten  an  den  Brüchen  eruptive  Felsarten  hervor. 
Der  Hauptkette  sind  die  beiden  gewaltigen  Eruptivmassen  des 
Elbrus  (18.453  engl.  Fuss)  und  des  Kasbek  (16.553  Fuss)  aufge- 
setzt. Schon  vor  langen  Jahren,  als  ein  anderer  Kreis  von  An- 
schauungen die  Arbeiten  der  Geologen  beherrschte,  sah  Abich, 
dass  die  grossen  Vulcane  Armenien's  auf  Einbruchsfeldern  stehen, 
und  erkannte  er  deutlich,  dass  Elbrus  und  Kasbek,  obwohl  auf 
den  Kamm  des  Kaukasus  gestellt,  doch  der  Erhebung  des  Ge- 
birges und  selbst  der  Austiefung  eines  Theiles  der  Thäler  erst 
nachgefolgte  Bildungen  seien.  So  klar  war  diesem  Beobachter 
damals  schon  die  Reihenfolge  der  Ereignisse,   dass  er  ^eigeix 


6  I O  Taman  und  Kertsch. 

konnte,  wie  durch  die  Ergiessung  grosser  Massen  von  Laven  in 
ein  Erosionsthal  des  Schiefers,  durch  die  Erstarrung  dieser  Laven 
in  dem  Thale  und  durch  die  spätere  allmälige  Zerstörung-  der  ein- 
stigen Thalränder,  endlich  aus  einem  Thale  der  Schieferzone  die 
vulcanische  Hochfläche  von  Keli  entstanden  ist. 

Von  diesen  dem  Kaukasus  aufgesetzten  Vulcanen  g^ilt  aber 
wieder,  was  von  den  sumatranischen  Vulcanen  gesagt  worden  ist ; 
es  ist  das  Zerbrechen  der  Kette  selbst,  welches  hier  um  so 
weniger  Erstaunen  erregen  wird,  als  ja  im  Südosten  ein  so  grosser 
Theil  derselben  Kette  thatsächlich  bereits  eingebrochen  und  ver- 
sunken ist. 

So  sahen  wir  auch  jenseits  des  Kaspi  die  monoklinale  Berg- 
reihe von  Krasnowodsk  unter  ähnlichen  Verhältnissen  g'egen  NO. 
geneigt  wie  die  weit  grössere  des  Daghestan.  — 

Der  nordwestlichste  Theil  des  Kaukasus  sinkt  als  ein  Flysch- 
zug  bei  Anapa  unter  das  Schwarze  Meer,  nachdem  zuvor  g;^egen 
NNW.  ein  Rücken  abgezweigt  ist,  dessen  äusserster,  niedrigster 
Theil  den  S.  Rand  des  Liman  von  Temrjuk  am  Asow'schen  Meere 
bildet. 

Nun  tritt  eine  Anzahl  sarmatischer  Falten  auf,  welche  quer 
über  die  Halbinseln  von  Taman  und  von  Kertsch  ziehen,  deren 
Kenntniss  wir  ebenfalls  Abich  verdanken,  und  an  welche  sich  eine 
Anzahl  allgemeiner  Folgerungen  knüpft.'^ 

Die  nördlichen  Falten  laufen  von  Ost  gegen  West;  zwei  der- 
selben kreuzen  die  Meerenge  und  ziehen  N.  und  S.  von  der  Stadt 
Kertsch  hin,  so  dass  diese  Stadt  in  der  Synklinale  liegt.  Gegen 
Süd  aber  nehmen  diese  Falten,  und  zwar  schon  vom  Liman  des 
Kuban  auf  Taman  angefangen,  allmälig  eine  Krümmung  g;-egen 
SW.  an;  zu  diesen  gehört  auch  der  Berg  Opuk  (das  alte  Cimme- 
rium),  570  Fuss  hoch  an  dem  südlichen  Ufer  der  Halbinsel  von 
Kertsch. 

Dieses  allmälige  Hervortreten  der  Richtung  gegen  SW.  fasse 
ich  aber  als  das  Erscheinen  der  Vorlagen  eines  neuen  Gebirgs- 
zuges oder  als  die  Beugung  des  Kaukasus  selbst  auf;  es  ist  die 
Richtung  der  Berge  der  Krim.  Nach  Abich's  Profilen  scheinen 
sogar  die  pontischen  Cardienschichten  von  Kertsch  an  diesen  Fal- 
tungen theilgenommen  zu  haben. 


Die  Krim.  6l  I 

« 

In  jedem  Falle  stellen  die  Faltungen  von  Taman  und  Kertsch 
eine  Verbindung  von  Kaukasus  und  Krim  her. 

In  dem  SO.  Theile  der  Krim  reicht  ein  Gebirgsfragment  bis 
zur  Höhe  von  etwa  1500  M. ;  sein  Streichen  ist  SW.  und  die 
allgemeine  Neigung  gegen  NW.  Die  ältesten  Gesteine  gehören 
dem  Lias  a,n,  welcher  die  SO.-Küste  der  Halbinsel  bildet,  und  er 
enthält  zahlreiche  Reste  von  Landpflanzen,  wie  der  Lias  des  Kau- 
kasus. Es  würde  auch  ohne  Weiteres  dieses  Gebirge  als  die  Fort- 
setzung der  nördlichen  Zone  des  Kaukasus  anzusehen  sein,  wenn 
nicht,  wie  E.  Favre  gefunden  hat,  zwei  wesentliche  Verschieden- 
heiten bestehen  würden.  Im  N.  Kaukasus  liegen  nämlich  bis 
Daghestan  alle  sedimentären  Formationen  vom  Lias  aufwärts  voll- 
kommen concordant  auf  einander ;  in  der  Krim  dagegen  ist  der 
Lias  stark  gefaltet,  mit  nördlicher  Neigung ;  die  Kalke  des  Jura 
liegen  in  grossen  gebrochenen  Schollen  auf  dem  Lias,  und  mit 
dem  Neocom  erst  beginnt  die  concordant  gelagerte  Serie.  Es  ist 
also  hier  dem  Neocom  eine  grosse  Störung  vorangegangen,  welche 
dem  N.  Kaukasus  fremd  ist.  Ferner  liegt  in  der  Krim  auf  der 
Kreide  Nummulitenkalk,  und  dieser  fehlt  dem  N.  Kaukasus. 

Aus  diesen  Gründen  vergleicht  Favre  die  Krim  nicht  dem 
nördlichen,  sondern  dem  südlichen  Kaukasus,  d.  i.  den  meskischen 
Bergen,  welche  wir  jedoch  als  ein  SW.  streichendes,  dem  Kauka- 
sus fremdes  Gebirge  kennen  gelernt  haben.  Favre  betont  zugleich 
den  einstigen  Zusammenhang  des  Balkan  mit  dem  Gebirgsstücke 
der  Krim.  Für  diese  letztere  Ansicht,  welcher  sich  auch  Lagorio 
anschliesst,  wird  angeführt,  dass  die  Bruchzone,  an  welcher  nach 
Hochstetter  der  Balkgin  von  Pirot  bis  Cap  Emineh  südwärts  ab- 
sinkt, in  weiterer  Fortsetzung  unmittelbar  die  SO.-Küste  der  Krim 
treffen  würde,  und  dass  unter  dem  Schwarzen  Meere  von  Cap 
Emineh  bis  Cap  Saritsch  ein  grosser  Abfall,  und  zwar  von  Tiefen 
von  70 — 80  M.  auf  1000 — 1800  M.  auf  verhältnissmässig  geringe 
Entfernungen  vorhanden  sei.  Der  Einbruch  wird  in  die  Miöcänzeit 
gesetzt.'* 

Das  Gebirge  von  Matschin.  Ueber  die  russische  Tafel 
breitet  sich  eine  oberjurassische  Transgression  aus;  Neocom  und 
Gault  fehlen,  aber  mittlere  und  obere  Kreide  legen  sich  flach  über 


6 1  2  Matschin. 

den  flachgelagerten  Jura.  Dasselbe  zeigt  sich  in  jenem  Theile  der 
russischen  Tafel,  welcher  in  Galizien  in  der  Nähe  der  Karpathen 
durch  tiefe  Flussrinnen  entblösst  ist.  Ueber  flachgelagertem  rothem 
Sandstein  ruht  mittlere  und  obere  Kreide,  aber  an  einigen  Stellen 
in  den  Thälern  des  Dnjestr  und  der  Ziota  Lipa  liegen  zwischen 
Cenoman  und  Devon  kalkige  Ablagerungen  mit  vielen  Fossilien 
der  norddeutschen  und  französische«  Kimmeridge-  und  Portland- 
stufen. Die  Entwicklung  dieser  Jurastufen  ist  gänzlich  verschieden 
von  jener  des  Jura  bei  Moskau,  auch  könnten  sie  im  Alter  nur  den 
höchsten  Theilen  des  Moskauer  Jura  verglichen  werden,  aber  die 
Lagerung  ist  dieselbe.  In  einem  Theile  der  Dobrudscha,  und 
zwar  an  der  Donau  von  Rässova  bis  Hirschova,  am  Meere  in  der 
Gegend  von  Küstendsche  und  der  zwischenliegenden  Strecke 
wiederholt  sich  diese  Erscheinung.  Bänke  von  oberem  Jura  mit 
Nerinaea,  Pteroceras  und  Diceras  kommen  in  ansehnlichen,  hori- 
zontal geschichteten  Riffen  an  dem  rechten  Donauufer  zum  Vor- 
schein und  die  mittlere  und  obere  Kreide  liegen  ihnen  auf.  Diese 
jurassische  Kalkplatte  ruht  aber  hier  nicht  auf  flachgelagerten 
paläozoischen  Schichten,  sondern  sie  schliesst  sich  an  die  Reste 
eines  vorjurassischen,  gefalteten  Gebirges,  dessen  nordwestliches 
Ende  gegenüber  von  Braila  und  Galatz  die  scharfe  Beugung-  der 
Donau  oberhalb  ihres  Delta's  veranlasst.  Spratt  und  Peters  haben 
dieses  Bruchstück  beschrieben.'^ 

Bei  Kara-kiöi  N.  von  Küstendsche  trifft  man,  von  Süden 
kommend,  die  ersten  Spuren  von  steil  geneigtem  grünem  Schiefer, 
welcher  von  hier  aus  gegen  NW.  bis  Petschenjaga  an  der  Donau, 
häufig  von  Diabas-Tuff  begleitet,  in  ansehnlichen  Rücken  hervor- 
tritt. Entlang  dem  Meere  ist  das  Streichen  des  grünen  Schiefers 
WNW.,  und  es  geht  gegen  die  Donau  in  NW.  über.  In  der  Rich- 
tung gegen  Babadagh  breitet  sich  die  Kreideformation  über  den 
Schiefer  aus  und  sie  reicht  in  SO.  bis  in  die  grosse  Lagune  Rasim. 

Ein  zweiter,  weit  kürzerer  Gesteinszug,  durch  schroffe  For- 
men ausgezeichnet  und  von  Gneiss  und  Granitit  gebildet,  erhebt 
sich  bei  Matschin  O.  von  Braila  mit  der  Richtung  NW. ;  hieher 
gehört  auch  der  isolirte  Berg  von  Garbina  SO.  von  Galatz. 

Eine  dritte  Zone  endlich  liegt  nördlich  von  dem  Gneisszuge 
von  Matschin  und  der  Kreide  von  Babadagh  und  nimmt,  wenn 


Karpathen  und  Balkan.  6 1  3 

auch  auf  grosse  Strecken  von  den  jungen  Sedimenten  verhüllt, 
den  ganzen  Raum  bis  an  die  Donau  bei  Isaktscha  und  Tuldscha 
und  bis  an  den  Dunavez  im  Delta  ein.  Hier  erscheinen  Verru- 
cano,  verschiedene  Stufen  der  Trias,  dann  rother  Lias  und  Spuren 
von  Jura.  Der  Verrucano  bildet  den  ,Stein'  an  der  Donau  bei 
Tuldscha  und  weit  draussen  im  Meere  besteht  nach  Spratt  die 
Schlangen-Insel  auch  aus  einer  alten  Felsart. '^  Die  Popin-Insel  in 
der  Lagune  Rasim  ist  Muschelkalk,  und  die  Trias,  erinnert  durch 
grosse  Melaphyrstöcke,  durch  das  Auftreten  von  Halobia  Lom- 
meli,  Arcestes  u.  s.  w.  an  südalpine  Vorkommnisse.  Das  Streichen 
ist  WNW. 

Dieses  Gebirge  ist  ein  ganz  unaufgeklärtes  Räthsel.  Während 
die  Gesteinsfolge,  wie  gesagt,  auf  die  Alpen  weist,  ist  das  Strei- 
chen des  grünen  Schiefers  N.  von  Küstendsche,  sowie  der  Trias 
bei  Tuldscha  jenes  des  Kaukasus;  derGneiss  von  Matschin  streicht 
noch  etwas  mehr  nach  Nord.  Die  Richtung  steht  also  in  scharfem 
Gegensatze  zu  dem  zunächst  liegenden  Theile  der  Karpathen. 
Ebenso  widerspricht  die  horizontale  Auflagerung  des  oberen  Jura 
auf  dem  grünen  Schiefer  Allem,  •  was  über  das  geringe  Alter  der 
Bewegungen  in  den  Karpathen  bekannt  ist. 

Das  Gebirge  von  Matschin  ist  daher  ein  Bruchstück  eines 
grösseren  Faltenzuges  von  kaukasischer  oder  etwas  mehr  nörd- 
licher Richtung,  doch  mit  alpiner  Gesteinsfolge  und  der  Haupt- 
sache nach  bereits  vor  dem  oberen  Jura  gebildet. 

Karpathen  und  Balkan.  Erst  seit  ganz  kurzer  Zeit  ist  es 
durch  die  Bemühungen  der  Fachgenossen  in  Ungarn,  Rumänien 
und  Serbien  und  durch  die  Anknüpfung  ihrer  Ergebnisse  an  jene 
der  älteren  österreichischen  Arbeiten  und  an  die  verdienstlichen 
siebenbürgischen  Localforschungen  möglich  geworden,  die  vielen 
an  den  karpathischen  Bogen  anschliessenden  Ketten  und  die 
Mittelglieder  zwischen  diesen  und  dem  Balkan  zu  verfolgen.  Wir 
gelangen  zu  dem  Bilde  einer  eigenartigen  tektonischen  Er- 
scheinung, wie  sie  in  gleicher  Klarheit  und  Grossartigkeit  bis- 
her an  keiner  anderen  Stelle  der  Erdoberfläche  bekannt  ist, 
aber  es  wh-d  auch  hier  unerlässlich,  etwas  weiter  in  die  Einzel- 
heiten einzugehen. 


6  I  4  ^^  Ende  des  karpathischen  Bogens. 

Es  ist  innerhalb  des  karpathischen  Bogens,  und  zwar  in  Sieben- 
bürgen innerhalb  der  Krümmung  des  Marosflusses,  nach  Löczy's 
Beobachtungen  ein  selbständiges,  inneres,  gegen  O.,  SO.  und  S. 
bewegtes  Bogenstück  erwähnt  worden  (S.  288,  303).  Wir  wollen 
nun  zuerst  versuchen,  die  Umstände,  unter  welchen  der  äussere 
Bogen  sich  fortsetzt,  so  weit  zu  verfolgen,  als  dies  der  heutige 
Stand  der  Kenntnisse  von  dem  Baue  des  rumänischen  Abhanges 
zulässt.  Für  das  SO.  Siebenbürgen  liegt  eine  Reihe  trefflicher 
Darstellungen  von  Meschendörfer,  Hauer  und  Stäche,  und  Herbich 
vor ;  in  Bezug  auf  den  südlichen  Abhang  werde  ich  im  Wesent- 
lichen den  Angaben  Stefanescu's  folgen.'^ 

Die  Karpathen  besitzen  im  Osten  den  normalen  Bau  einer 
einfachen,  gegen  Aussen  gefalteten  und  gegen  Innen  eingestürzten 
Kette.  Ein  grosser  bogenförmiger  Zug  von  alten  Felsarten,  vor- 
waltend Glimmerschiefer,  streckt  sich  von  den  Quellen  der  Theiss 
durch  die  südliche  Bukowina,  einen  Theil  der  Moldau  und  das 
NO.  Siebenbürgen,  und  endet  in  der  Csik,  im  Quellgebiete  des 
Altflusses.  Dieser  Zug  ist  230  Kilom.  lang;  er  streicht  in  seinem 
nördlichen  Theile  gegen  SO.,  weiterhin  mehr  und  mehr  g"egen 
SSO.  sich  beugend.  In  seinem  südlichen,  siebenbürgischen  Theile 
erhebt  sich  an  dem  westlichen  Innenrande  der  vereinzelte,  aus 
Elaeolfth- Syenit  bestehende  Stock  des  Piritske  bei  Ditrö  und 
diesem  folgt  westwärts,  dem  Schieferzuge  parallel  streichend,  das 
lange  Trachytgebirge  Hargitta.  —  Im  Osten  lehnt  sich  an  die 
alten  Felsarten  ein  kurzer  und  schroffer  Zug  von  Trias-  und  Jura- 
ablagerungen, den  Nagy  Hagymäs  in  sich  fassend,  und  diesem 
folgt  ostwärts,  weit  hinaus  abdachend  in  die  Ebene  der  Moldau, 
die  breite,  bewaldete,  vielfach  gefaltete  Flyschzone. 

Weiter  gegen  Süd  verschwinden  alle  inneren  Zonen ;  der  hier 
vorherrschend  cretacische  Flysch  bleibt  allein  zurück,  beg"leitet 
von  cretacischem  Kalkstein.  Das  Streichen  wird  aus  SSO.  bald 
S.,  endlich  geht  es  in  SSW.  über.  An  der  Dimbowitza,  zwischen 
Kimpulung  und  Tirgovisti,  ist  diese  ganze  breite,  cretacische  Zone 
unter  der  rumänischen  Ebene  verschwunden,  und  es  folgen  g'egen 
W.  nur  eocäne  Schollen,  von  welchen  weiterhin  die  Rede  sein 
wird.  Unterdessen  tauchen  im  Westen  neue  Spuren  der  Unter- 
lage hervor.   Stöcke  von  Jurakalk,  nach  SW.  streichend,  bilden 


M.  Leoto.   PcTsinj'gebirge.  ^  I  5 

die  Umgegend  von  Kronstadt;  sie  setzen  sich  gegen  SW.  fort, 
so  dass  der  Tömöspass  eine  Strecke  weit  an  ihrer  Ostgrenze  gegen 
die  Flyschzone  verläuft,  und  zugleich  nehmen  sie  an  Bedeutung 
zu.  Die  mächtige  Masse  des  Bucsecs,  welche  die  nördlichen  Zu- 
gänge des  Tömöser  und  des  Törzburger  Passes  trennt,  ist  zum 
grossen  Theile  jurassisch;  ein  anderer  Theil  gehört  einer  gros- 
sen Conglomeratmasse  von  unbekanntem  Alter  an.  Ueber  La 
Strunga  setzt  der  Jurakalk  nach  Rumänien  fort,  aber  auch  die 
Unterlage  des  Jurakalkes  wird  sichtbar.  Es  ist  gegen  SW. 
streichender  Glimmerschiefer,  welcher  im  Norden  einen  schmalen 
Saum  am  Fusse  der  hohen  Juraberge  bildet,  in  Rumänien  aber 
sich  erweitert  und  nach  Stefanescu,  von  Homblendeschiefer  be- 
gleitet, die  Masse  des  M.  Leota  zusammensetzt;  gegen  SW.  ver- 
schwindet er  wieder,  ebenso  wie  der  Jurakalk. 

Westlich  von  dem  Zuge  des  M.  Leota  erscheint  nochmals 
eine  Zone  von  Jurakalk-  und  Kreideablagerungen,  welcher  vor 
Allem  die  schroffe  Masse  des  Königsberges  angehört,  und  welche 
angelehnt  ist  an  den  östlichen  Rand  des  aus  alten  Felsarten  auf- 
gebauten Fogarascher  oder  siebenbürgisch-rumänischen  Grenz- 
gebirges. Nahe  dem  N.  Fusse  des  Königsberges  beschreibt  Her- 
bich eine  breite,  NS.  streichende  und  gegen  O.  geneigte  cretaci- 
sche  Serie,  welche  vom  Grenzgebirge  her  alle  geringeren  Höhen 
unter  dem  Törzburger  Passe  bildet.  Diese  jurassischen  und  cre- 
tacischen  Bildungen  setzen  sich  nordwärts  fort,  treten  über  den 
allgemeinen  Umriss  des  Gebirges  hervor  und  bilden  einen  langen, 
von  dem  nordöstlichen  Ende  des  Grenzgebirges  gegen  Nord  selb- 
ständig vorragenden  Sporn,  das  Persänygebirge. 

Das  Persänygebirge  ist  eine  fast  NS.  streichende  Falte,  welche 
vom  Altflusse  quer  durchschnitten  wird,  und  in  welcher  unter  dem 
Jura  die  Trias,  im  südlichen  Theile  sogar  der  Glimmerschiefer 
sichtbar  ist,  Herbich  hat  gezeigt,  dass  die  mesozoischen  Ablage- 
rungen an  dem  Ostrande  des  Grenzgebirges  sich  fortsetzen  in  die 
Falte  des  Persänygebirges ;  dann  sind  aber  auch  die  Aufbrüche 
ihrer  alten  Unterlage  im  Persänygebirge  nur  als  die  scharf  nach 
N.  gebeugte  Fortsetzung  des  Grenzgebirges  selbst  anzusehen. 
Dass  diese  Anschauung  die  richtige  ist,  wird  sofort  die;  Structur 
des  Grenzgebirges  lehren. 


6i6 


Das  sicbenbürgisch-ruraäiiische  Grenzgebirge. 


Vorläufig  aber  erkennen  wir  Folgendes.  Der  grosse  Moldaui- 
sche Bogen  von  Glimmerschiefer  ist  in  der  Csik  verschwunden. 
Noch  früher  verschwand  seine  aus  Trias  und  Jura  bestehende 
Aussenzone.  Die  grosse  karpathische  Flyschzone  hat  die  Beugung 
gegen  *SSW.  oder  SW.  vollzogen  und  ist  hinabgetaucht,  bevor 
sie  die  Dimbowitza  erreichte.  Ein  jurassischer  Zug  und  innerhalb 
desselben  der  alte  Schieferzug  des  M.  Leota  zwischen  dem  Tö- 
möser  und  Törzburger  Fasse  sind  mit  SSW.  oder  SW.  Streichen 
innerhalb  der  Flyschzone  erschienen  und  auch  gegen  SSW.  ver- 
schwunden. Dann  ist  W.  von  diesen  der  Jurazug  des  Königsberges 
sammt  dem  Persänygebirge  erschienen  und  ebenfalls  gegen  SSW. 
verschwunden;  die  Glimmerschiefer- Aufbrüche  dieses  Gebirges 
aber  scheinen  sich  in  die  NO.  Ecke  des  Grenzgebirges  fortzu- 
setzen, und  dieses  haben  wir  nun  näher  zu  betrachten.  — 

Das  Fogarascher  oder  siebenbürgisch-rumänische 
Grenzgebirge  verfolgt  seiner  äusseren  Gestalt  nach  die  Rich- 
tung von  Ost  gegen  West;  aber  vor  einiger  Zeit  hatte  Herr  B^la 
V.  Inkey,  welcher  den  Bau  des  westlich  vom  Rothen  Thurmpasse, 
d.  i.  W.  vom  Querthale  des  Altflusses  gelegenen  Theiles  untersucht 
hat,  die  Güte,  mich  auf  den  merkwürdigen  Umstand  aufmerksam 
zu  machen,  dass  dieser  Gebirgszug  aus  mehreren  Falten  besteht, 
welche  gegen  West  auseinandertreten. '^ 

Schon  die  verdienstliche  Darstellung  des  zwischen  der  Dim- 
bowitza und  dem  Altflusse  liegenden  Gebirgstheiles  durch  Primics 
lässt  deutlich  erkennen,  wie  Wenig  hier  der  Bau  mit  der  äusseren 
Gestalt  übereinstimmt. 

Nach  Hauer  und  Stäche  ist  in  dem  östlichen  Theile  des  Ge- 
birges das  Streichen  NO. — SW.  und  bildet  Gneiss  dort  einen  be- 
trächtlichen Theil  des  Gebirges."'  Etwas  weiter  gegen  SW.,  aber 
in  derselben  Streichungsrichtung,  an  der  Papusa,  im  oberen  Bogen 
der  Dimbowitza,  W.  von  der  mesozoischen  Masse  des  Königs- 
berges und  beiläufig  in  der  Mitte  der  Breite  des  Gebirges  beginnt 
nach  Primics  ein  langer  Gneisszug,  welcher,  gegen  SW.  streichend, 
das  Gebirge  schräge  durchschneidet.  Er  erreicht  schon  weit  öst- 
lich vom  Altflusse  den  südlichen  Rand,  welchen  er  dann,  von 
eocänen  Vorlagen  begleitet,  über  den  Altfluss  hinaus  eine  lange 
Strecke  weit  bildet  (Gn,  Fig.  48). 


Fogarascher  Zug  und  Mundrazug.  6 1  7 

Zugleich  zeigt  sich  im  Norden  des  Gebirges  eine  Anzahl  von 
Zügen  von  schiefrigem  Kalkstein  und  Marmor  mit  Tremolit,  auch 
straurolith-  und  granatführenden  Gesteinen  und  Amphibolschiefer, 
welche  die  orographische  Axe  bilden,  jedoch  dem  Streichen  des^ 
Gneisszuges  nicht  folgen. 

Primics'  Karte  lehrt,  dass  im  NO.  diese  so  sehr  an  gewisse 
Felsarten  der  Gotthardmasse  erinnernden  Züge  scharf  gegen  N., 
also  in  der  That  in  der  Richtung  des  Einlenkens  in  das  Streichen 
des  Persänygebirges  umbeugen,  während  sie  gegen  W.  westliches 
Streichen  verfolgen  und  daher  im  Querthale  des  Altflusses  schon 
weit  von  dem  Gneisszuge  entfernt  sind.^° 

In  der  Tiefe  des  Querthaies,  nahe  der  Einmündung  des  Lotru 
in  den  Alt,  liegt  eine  grössere  Scholle  von  Flysch  als  eingekeilte 
Synklinale,  doch  wahrscheinlich  nur  ein  Rest  einer  alten  eocänen 
Decke,  deren  Spuren  am  Nordrande  und  in  noch  ausgedehnterer 
Weise  an  seiner  Südseite,  in  vereinzelten  Höhen  sogar  bis  nahe 
an  den  Schlyfluss,  O.  von  Tirgu-Jiuliu,  bekannt  sind.^' 

Wir  treten  nun  im  Gebirge  an  das  rechte  Ufer  des  Altflusses 
und  folgen  Inkey's  Angaben. 

Der  nördliche  kalkreiche  Zug  beugt  sein  Streichen  gegen 
NW.,  verliert  seine  orographische  Bedeutung  und  bildet  den 
äusseren  Saum  des  Mühlenbacher  Gebirges.  Wir  werden  ihn  den 
Fogarascher  Zug  nennen. 

Eine  nun  folgende,  bei  Kineni  am  Alt  sichtbare,  stark  zu- 
sammengedrückte Synklinale  erhebt  sich  gegen  W.,  bildet  den 
hohen  und  langen  Gebirgskamm  und  endet  am  Strellflusse. 

Eine  weitere,  am  Alt  wenig  ausgeprägte  Gruppe  von  Falten 
vereinigt  sich  westwärts  zu  einer  grossen  Antiklinale,  welche,  am 
M.  Turcsino  durch  eine  scharfe,  S-förmige  Beugung  nach  Süd  ge- 
rückt, den  Hauptstock  des  Färinggebirges,  den  Berg  Mundra 
(2520  M.)  zusammensetzt.  Dieser  Ast  zeigt  insbesondere  gegen 
West  eine  beginnende  Ablenkung  des  Streichens  gegen  WSW. 
Dies  ist  der  Mundrazug. 

Nun  sind  wir  am  Alt  in  der  Nähe  der  Mündung  des  Lotru, 
an  der  Scholle  von  Flysch,  zugleich  an  dem  südlichen  Gneiss- 
zuge angelangt.  Dieser  tritt  nicht  als  hoher  Bergzug  hervor.  Am 

M.  Cozia,  noch  am  linken  Ufer  des  Alt,  ist  er  ein  nach  N.  steiler, 

40* 


6i8 


Coziazug. 


nach  S.  flacher  abfallendes  Gewölbe ;  er  bildet  den  Südfuss  des 
Päringgebirges,  aber  hier  ist  nur  mehr  die  nördliche  Hälfte  des 
Gewölbes  sichtbar;  die  Südhälfte  ist  unter  der  Ebene  verschwun- 
den. Wir  nennen  ihn  den  Coziazug. 

Die  Schollen  mesozoischer  Kalksteine,  welche  sich  nun  ein- 
stellen, lassen  keinen  Zweifel  über  den  weiteren  Verlauf.  Der 
Mundrazug,  welcher  sich  jenseits  des  Querthaies  des  Schyl  in  dem 
SW.  streichenden  Sträszagebirge  fortsetzt  und  welcher  folg-lich 
den  Südrand  des  Thaies  des  wallachischen  Schyl  bildet,  ist  jen- 
seits der  Wasserscheide  von  solchen  mesozoischen  Schollen  be- 
gleitet, welche,  weit  gegen  SW.  und  SSW.  dem  Thale  der  Cerna 


Fig.  47.  Schematischer  Entwurf  der  Leitlinien  der  Karpathcn  und  des  Balkan. 

folgend,  endlich  mit  S.  Streichen  in  der  Nähe  von  Orsowa  an- 
langen. Während  also  der  Fogarascher  Zug  gegen  NW.  ver- 
läuft, beugt  sich  der  Mundrazug  aus  SW.  und  SSW.  in  der  Rich- 
tung gegen  Orsowa.  Ihm  folgt  der  Coziazug,  welcher  aber  unter 
der  Ebene  verschwindet. 

Indem  aber  die  Zweige  des  Gebirges  auf  diese  Weise  weit 
auseinanderstreben,  tritt  keilförmig  zwischen  dieselben  das  Retye- 
zatgebirge  ein,  welches  den  oberen  Schyl  abtrennt  von  der  Strell- 
bucht.  Inkey  betrachtet  dasselbe  als  eine  stellvertretende  Falte, 
legt  die  Stelle  des  'Auseinanderstrebens  beiläufig  an  die  Stelle 
der  Wasserscheide  zwischen  dem  wallachischen  Schyl  und  der 
Cerna  und  führt  an,  dass  vom  Triplex  confinium  angefangen  ein 
Uebergang  aus  W.  in  WNW.  Streichen  sichtbar  sei.  — 


Das  Thal  der  Ccrna.  6ig 

Die  Bedeutung  von  Inkey's  Beobachtungen  tritt  sofort  her- 
vor, wenn  man  einen  Blick  wirft  auf  Dräghic^nu's  geologische 
Karte  der  NW.  Wallachei."  Die  Cerna  ist  in  der  That  ein  wahres 
Längenthal,  hier  eine  der  wenigen  Linien,  welche  aus  der  Gestalt 
des  Bodens  seinen  Bau  zeigen.   Wir  sind  hiemit  eingetreten  in 


jene  merkwürdige  Reihe  von  Bergzügen,  welche  zwischen  Alt- 
Moldowa  und  dem  Eisernen  Thore  von  der  Donau  gekreuzt  wer- 
den. Sie  sind  im  Laufe  der  letzten  Jahre  der  Gegenstand  zahl- 
reicher Untersuchungen  von  Kudernatsch,  Schlönbach,  Tietze, 
dann  von  Hoffmann,  Böckh,  Halaväts,  Roth  u.  A.  gewesen, 
deren  Einzelnheiten  einzugehen  nicht  meine  Absicht  ist. 


620 


Banater  Gebirge. 


Die  Kenntniss  ihrer  Fortsetzung  auf  rumänischem  Boden  ge- 
stattet weit  vollständiger  als  zuvor,  den  Grundplan,  nach  welchem 
dieses  merkwürdige  Gebirge  aufgebaut  ist,  zu  überblicken.  Von 
den  zahlreichen  vulcanischen  Eruptions-  und  Intrusionserschei- 
nungen  wollen  wir  hiebei  vorläufig  ganz  absehen. 

Man  pflegt  dieses  Gebirge  das  Banater  Gebirge  zu  nennen. 
Demselben  liegen  im  W.  einige  aus  der  ungarischen  Ebene  hervor- 
tauchende Höhen  von  Gneiss  und  Glimmerschiefer  vor,  wie  das 
Lokvagebirge  an  der  Donau  zwischen  Weisskirchen  und  Moldowa, 
der  Werschetzer  Höhenzug,  die  Höhen  S.  von  Dognaczka  u.  A. 
Diese  zählen  wir  nicht  hieher,"  sondern  lassen  das  Banater  Gebirge 
beginnen  an  der  nahezu  im  Meridian  verlaufenden  Linie  von  Ali- 
beg,  O.  von  Alt-Moldowa  an  der  Donau  bis  nordwärts  etwas  O. 
von  Reschitza.  Gegen  Ost  reicht  dasselbe  bis  Gura  Vau  an  der 
Donau  oberhalb  Turn-Severin  und  von  da  gegen  NO.  bildet  es 
die  Umrandung  der  rumänischen  Ebene. 

Es  ist  eine  archaische  Unterlage  vorhanden,  und  eine  lange 
Reihe  sedimentärer,  vorwaltend  kalkiger  Ablagerungen,  welche 
vom  oberen  Carbon  bis  in  die  obere  Kreide  reichen ;  doch 
ist  die  Reihe  nicht  vollständig  und  z.  B.  Triaskalk  noch  nicht  be- 
kannt. Der  Lias  ist  kohlenführend.  Das  ganze  Gebirge  ist  in 
abwechselnde  Streifen  zerlegt,  von  welchen  je  einer  die  archaische 
Unterlage  zeigt,  der  andere  aus  einem  eingekeilten  Kalkzuge 
besteht.  Bald  ist  an  der  Grenze  Auflagerung  sichtbar,  bald  Fal- 
tung oder  Ueberfaltung,  bald  Bruch.  Der  letztere  Fall  dürfte  der 
häufigste  sein.  Im  Allgemeinen  sind  die  westlichen  Streifen  breiter 
als  die  östlichen.  Sie  sind  nicht  parallel;  die  östlichen  Streifen 
laufen  im  Bogen  gekrümmt  gegen  SW.,  die  westlichen  Streifen 
dagegen  sind  weniger  gekrümmt  und  streichen  mehr  NS.  Daher 
verschneiden  sich  dieselben  in  solcher  Weise,  dass  am  unteren 
Laufe  des  Cernabaches  und  in  der  Gegend  von  Mehadia  spitze 

Winkel  entstehen. 

« 

Betrachten  wir  den  östlichen  Theil. 

Der  erste  Streifen  ist  nach  Dräghic^nu's  Karte  nur  durch 
zwei  längere  Kalkschollen  vertreten,  welche  den  Rand  des  näch- 
sten gegen  W.  folgenden  Bogens  gegen  das  junge  Tertiärland 
begleiten. 


Katarakte  der  Doaau.  62  I 

Der  zweite  Streifen  ist  ein  archaischer;  er  erhebt  sich  selb- 
ständig östlich  vom  oberen  Motru  aus  der  Ebene  und  zieht  gegen 
SW.  zur  Donau. 

Der  dritte  ist  Kalkstein ;  nach  Stefanescu's  Angabe  beginnt 
derselbe  nahe  dem  Gebirgsrande  bei  Dobritza  am  oberen  Sucho- 
dol  und  läuft  im  Bogen  nach  kurzer  Unterbrechung  über  Baia  de 
Arama  nach  Verciorova  an  der  Donau. 

Der  vierte  Streifen,  aus  archaischem  Gestein,  ist  N.  von  Baia 
de  Arama  verengt,  umfasst  den  Bahnafiuss  und  sein  westlicher 
Rand  kreuzt  kurz  bevor  die  Donau  erreicht  ist,  den  unteren  Lauf 
des  Cernabaches  oberhalb  Alt-OrsoWa. 

Nun  beginnen  die  Verschneidungen.  Ein  grosser  folgender 
Kalkzug,  der  fünfte  Streifen,  trifft  am  linken  Ufer  der  Cerna  auf 
den  siebenten  und  schneidet  so  den  sechsten  Zug  ab,  welcher  kein 
anderer  ist  als  der  grosse  archaische  Zug,  den  wir  als  den  Mundra- 
zug  vom  Altflusse  her  als  Antiklinale  bis  auf  die  Höhe  des  Päring- 
gebirges,  dann  als  Südrand  des  wallachischen  Schyl  verfolgt 
haben.  Die  Verschneidungen  vermehren  sich  und  es  ist  nicht 
mehr  möglich,  sie  hier  im  Einzelnen  zu  verfolgen.  Es  folgt  im 
Westen  der  breite,  von  Karansebes  zur  Donau  laufende  archaische 
Streifen,  in  welchen  das  Einsturzbecken  der  Almas  eingesenkt  ist, 
und  welchen  wir  daher  die  Zone  der  Almas  nennen  wollen,  end- 
lich der  westlichste  Streifen,  nämlich  die  breite  Kalkzone  von 
Steyerdorf. 

Dieses  merkwürdige  Gebirge  wird  nun  von  der  Donau  in  dem 
grossartigsten  Erosionsthale  Europa's  quer  durchschnitten.  Stür- 
misch drängt  der  Strom  durch  die  engen  Rinnen  und  fällt  schäu- 
mend über  die  querstreichenden  Riffe,  um  sich  in  den  Weitungen 
wieder  zu  glätten  und  dann  über  neue  Riffe  abzustürzen.  Sieben 
Katarakte  und  eben  so  viele  Felsenriffe  kreuzen  die  Donau,  aus 
Granit  oder  Gneiss,  aus  Gabbro,  Liassandstein  oder  weissem  Jura- 
kalk bestehend,  je  nach  der  Beschaffenheit  der  nach  Serbien 
hinüberstreichenden  Streifen  des  Gebirges. 

Wir  besitzen  keine  zusammenhängende  geologische  Auf- 
nahme des  benachbarten  Theiles  von  Serbien,  obwohl  der  Um- 
stand, dass  mit  dem  Gebirge  auch  die  Erzvorkommnisse  des  Ba- 
nales nach  Serbien  reichen,  seit  langer  Zeit  Fachmänner  in  i 


622  Das  östliche  Serbien. 

Gegenden  gezogen  hat.  Die  werthvoUsten  Angaben  sind  in 
Herder's  Itinerarien  und  einem  inhaltsreichen  neuen  Reiseberichte 
von  Tietze  enthalten/^  und  wenn  man  sich  begnügen  -will,  den 
Verlauf  der  archaischen  und  der  Kalkstreifen  zu  verfolg"en,  so 
reichen  diese  Anhaltspunkte  immerhin  aus,  um  einige  allg*emeine 
Ergebnisse  festzustellen. 

Zunächst  steht  fest,  dass  die  Kalkzone  von  Steyerdorf  sehr 
weit  nach  Serbien  fortsetzt;  Tietze  erkannte  sie  bei  Majdanpek 
und  auf  dem  Stol  und  beide  Punkte  gehören  ihrem  Ostrande  an; 
nach  Andr^e  verläuft  der  Westrand  in  der  Nähe  des  Bergortes 
Kuczaina.'^  Aus  dieser  Gegend  setzt  der  Kalkzug,  wahrschein- 
lich gespalten,  jedenfalls  sehr  verengt,  mit  SO.  Streichen  über 
den  Rtanj  und  von  dort  auf  den  Osren  oberhalb  Alexinatz,  wie 
Herder  berichtet. 

Der  archaische  Streifen  der  Almas,  der  breiteste  von  allen, 
setzt  über  die  Donau,  nimmt  den  ganzen  Raum  zwischen  Milano- 
watz  und  Majdanpek  ein,  zieht  gegen  SO.  zum  Deli  Jowan  und 
dürfte  sich  dort  mit  einem  östlichen  Zuge  vereinigen;  südwärts 
trifft  man  dieselben  Gesteine  in  Zajcar. 

Die  östlichen  Bogen  sind  bisher  in  Serbien  nur  in  unvoll- 
kommener Weise  bekannt.  Westlich  von  Negotin  scheinen  sie 
alle  verschwunden  zu  sein.^-^ 

Ueberblickt  man  nun  die  Anordnung  der  einzelnen  Elemente, 
aus  welchen  das  Banater  Gebirge  zusammengesetzt  ist,  und  ihre 
muthmasslichen  Fortsetzungen  gegen  S.,  so  tritt  deutlich  hervor, 
wie  die  stärker  gekrümmten,  östlichen,  aus  NO.  herstreichenden, 
engeren  rumänischen  Streifen  sich  allmälig  verschneiden  und  zum 
Theile  nördlich,  zum  übrigen  Theile  wohl  nahe  südlich  von  der 
Donau  verschwinden,  während  die  breiteren,  minder  gewölbten 
westlichen  Streifen  sich  weit  nach  Serbien  fortsetzen  und  aus  dem 
Streichen  gegen  SSW.  oder  S.  allmälig  in  die  SSO.  und  SO.  Rich- 
tung übergehen. ^^ 

So  wie  die  grosse  karpathische  Flyschzone,  dann  die  Masse 
des  M.  Leota,  hierauf  der  Gneisszug  des  M.  Cozia,  stets  geg-en 
SW.  oder  SSW.  streichend,  unter  die  Ebene  getaucht  sind,  so  wie 
der  lange  Mundrazug  endlich  an  der  unteren  Cerna  durch  Ver- 
schneidung geendet  hat,  ebenso  verschwinden,  gegen  SW.,  SSW. 


Torsion  oud  InjecUon.  623 

oder  S.  gewendet,  die  rumänischen  Bogen  des  Banaler  Ge- 
birges. 

Stets  tauchen,  schon  von  dem  Tömöser  Passe  her,  im  Westen 
neue  Gebirgselemente  hervor,  um  wieder  zu  verschwinden,  und 
nur  die  westlichsten  Banater  Streifen  vermögen  die  volle  Schwen- 
kung gegen  SSO.  und  SO.  zu  vollziehen.  Das  ganze  Gebirge 
von  dem  südöstlichen  Siebenbürgen,  rings  um  die  Donau- 
ebene und  durch  das  östliche  Serbien  hinab  war  einer 
allgemeinen  Drehung  des  Streichens  ausgesetzt. 

In  die  Torsionssprünge,  namentlich  der  äusseren  Streifen 
und  hauptsächlich  an  der  Grenze  der  archaischen  und  der  Kalk- 
streifen haben  nun  die  zahlreichen  Injectionen  jener  vulcanischen 
Gesteine  stattgefunden,  welche  als  Syenit,  Timazit,  Banatit,  zu- 
letzt in  der  Regel  als  Diorit  bezeichnet  worden  sind.  Mag  man 
welchen  Namen  immer  wählen,  mag  man  mit  einem  berufenen 
Kenner,  G.  v.  Rath,  auf  die  Aehnlichkett  mit  dem  Tonalit  des 
Adamello  hindeuten,''  jedenfalls  ist  es  sicher,  dass  diese  Felsarlen 
den  cretacischen  Kalkstein  im  Contact  verändert  und  sich  mit  Erz- 
lagerstätten umgeben  haben;  sie  sind  daher  jünger  als  die  Kreide- 
formation, und  wie  weit  sie  nach  Süd  fortsetzen,  zeigt  am  deut- 
lichsten der  Umstand,  dass  die  ersten  genauer  beschriebenen 
Stücke,  Breithaupt's  Timazit,  aus  der  Gegend  von  Zajcar  in  Ser- 
bien stammten.  Staunend  berichtet  G.  v.  Rath  von  ,ganzen  Ge- 
birgskörpern  von  Granat',  welche  am  Contacte  entstanden  sind. 
Die  wichtigste  Linie  ist  S.  2 1 1 ,  Fig.  2  i  dargestellt  worden,'*  und 
die  Art,  in  welcher  diese  Linie  der  Injectionen  nordwärts  in  sehr 
spitzem  Winkel  abspringt  von  der  Kalkgrenze,  steht  in  ganz 
gutem  Einklänge  mit  den  Merkmalen  eines  Torsionssprunges. 

Wir  kehren  aber  zurück  zu  dem  Streichen  der  einzelnen 
Streifen  des  Gebirges.  Diese  sind  bisher  als  einfache  Elemente 
des  Gebirgsbaues  betrachtet  worden,  besitzen  aber  oft  selbst  einen 
sehr  verwickelten  Bau.  Kudernatsch  zeigte,  dass  der  N.  Theil 
der  Kalkzone  von  Steyerdorf  von  zwei  gegen  SSW.  streichenden 
steilen  Sätteln  oder  vielmehr  von  zwei  , Aufblähungen  der  Erd- 
rinde mit  Berstung  der  Längenaxe'  und  mit  überkipptem  Ostrande 
durchzogen  sei,  und  Böckh  hat  das  Vorhandensein  von.  grossen 
Längsverwerfungen  in  dem  südlichen  Theile  näher  beschrieben, 


624  ^^r  westliche  Balkan. 

dort  ist  die  Ostgrenze  des  Kalkes  selbst  eine  Hauptverwerfung, 
welche  Kreidekalk  an  den  Granit  bringt. 

In  gleicher  Weise  haben  Hauer  und  Tietze  gezeigt,  dass  der 
sedimentäre  Zug  des  Sirinniabaches,  welcher  sich  nahe  dem  Ost- 
rande der  archaischen  Zone  der  Almas  befindet,  nach  Ost  über- 
schoben ist.^^  In  allen  diesen  Fällen  dürfte  es  sich  nicht  um  ein- 
fache Faltung,  etwa  im  Sinne  der  tangentialen  Bewegung-  im  Jura- 
gebirge, sondern  um  jene  verwickelten  Bruch-,  Berstungs-  und 
Quetschungserscheinungen  handeln,  welche  das  Erg-ebniss  der 
grossen  Drehung  sein  mussten.  Die  wiederholten  ostwärts  ge- 
richteten Ueberschiebungen  aber  entsprechen  der  Richtung-  der 
drehenden  Bewegung. 

Nun  wenden  wir  uns  wieder  gegen  Süd. 

Indem  der  Kalkzug  über  die  Berge  Rtanj  und  Osran  verfolgt 
und  das  ältere  Gebirge  bis  Zajcar  erkannt  worden  ist,  haben  wir 
die  Grenzen  jenes  Gebietes  erreicht,  welches  durch  Toula's  um- 
fassende Arbeiten  im  westlichen  Balkan  erschlossen  worden  ist. 
Durch  diese  Arbeiten  erst  wurde  die  weite  nordwestliche  Er- 
streckung der  archaischen  Felsarten  des  Balkan  durch  den  Etropol- 
und  Berkowitza-Balkan ,  bis  in  die  unmittelbare  Nähe  von  Adljd 
und  Zajcar  bekannt ;  an  dieselben  schliessen  sich  im  Westen,  bis 
über  Kurschumlje  hinausreichend,  die  Aufnahmen  von  Zujovic.^** 
Das  Ergebniss  lässt  sich  nun  von  der  Karte  ablesen.  Man  sieht, 
dass  die  Kalkzone  von  Steyerdorf  im  Westen  über  den  Rtanj  und 
Osran,  und  vielleicht  auch  mit  einem  östlichen  Nebenzuge  herab- 
reicht in  die  grosse  Kalkzone  von  Firot,  wie  dies  Boud  erkannt 
und  Toula  bestätigt  hat.^'  Man  sieht  ferner,  dass  der  archaische 
Zug  der  Almas,  vereinigt  mit  östlich  anschaarenden  Züg-en,  nun 
die  archaische  Zone  des  Balkan  erreicht,  so  zwar,  dass  die  Hauptzone 
gegen  SO.  den  Swati-Nikola-  und  Berkowitza-Balkan  zusammen- 
setzt, und  im  Etropol-Balkan  endlich  die  volle  Beugung  aus  SO. 
in  OW.,  d.  i.  in  die  normale  Richtung  der  Hauptkette  des  Balkan 
vollzieht.  Dabei  entsprechen  der  Lage  nach  die  Glimmerschiefer- 
höhen im  Westen  des  Kalkzuges,  am  Werschetzer  und  Lokva- 
gebirge  in  Ungarn  dem  Glimmerschiefer  von  Kruschowatz,  dem 
alten  Sqhiefer  westlich  vom  Rtanj,  bei  Alexinatz,  bis  Nisch  und 
W.  von  Pirot. 


Umrahmung  der  rumänischen  Niederang.  6^5 

Die  Verbindung  zwischen  den  Karpathen  und  dem 
Balkan  wird  durch  die  allgemeine  Drehung  im  Streichen 
des  Gebirges  hergestellt.  — 

Die  Umrahmung  der  rumänischen  Niederung  erinnert  sehr 
an  die  bogenförmige  Umfassung  des  westlichen  Mittelmeeres  durch 
jenen  entfernten  Zweig  der  Alpen,  welcher  von  N.-Afrika  über  den 
Felsen  von  Gibraltar  zur  betischen  Cordillere  zieht.  Die  Aehn- 
lichkeit  ist  eine  um  so  grössere,  als  dort  die  Strasse  von  Gibraltar 
von  massgebender  Bedeutung  wird  für  die  physische  Beschaffen- 
heit eines  nicht  unbedeutenden  Theiles  der  Erdoberfläche  und  hier 
das  Donauthal  entscheidend  ist  für  die  Entwässerung  eines  guten 
Theiles  von  Mittel- Europa,  ohne  dass  eine  dieser  beiden  Quer- 
furchen irgendwie  in  der  Anlage  dieser  Gebirge  vorgezeichnet 
wäre.  Dennoch  ist  die  Aehnlichkeit  nur  eine  oberflächliche.  Im 
westlichen  Mittelmeere  ist  die  Faltung  des  Gebirges  nach  Aussen 
gerichtet,  die  Tiefe  des  Meeres  selbst  ein  Einbruch  wie  jener  der 
nördlichen  Karpathen.  Hier  findet  das  Gegentheil  statt.  Die  ein- 
tretende Torsion  lässt  die  einzelnen  Streifen  des  Gebirges  nach 
einander  verschwinden,  und  der  Balkan  zeigt  Abbruch  an  der 
abgewendeten  südlichen  Seite ;  sein  sedimentärer  Gürtel  dacht 
gegen  Nord  zur  Ebene  ab.  Dem  westlichen  Mittelmeere  ist  rings 
die  Innenseite,  der  rumänischen  Ebene  aber  die  Aussenseite  des 
Gebirges  zugekehrt.  Darum  zeigt  auch  das  Mittelmeer  an  seinem 
Rande  junge  Vulcane,  wie  am  Cabo  di  Gata  u.  A.,  welche  das 
örtliche  Nachsinken  oder  doch  die  Region  der  Randklüfte  an- 
deuten, während  der  rumänischen  Ebene  ein  solcher  Kranz  fehlt 
und  Toula  dagegen  eine  von  Sistow  gegen  Süd  laufende  Quer- 
linie von  basaltischen  Höhen  nachgewiesen  hat. 

Aus  dieser  Torsion  erklärt  sich  auch  der  Bau  des  Balkan. 
Die  Art  des  nordwestlichen  Anschlusses  zeigt  dies  deutlich.  Am 
Berkowitza-Balkan  werden  Fruchtschiefer  erwähnt,  wie  wir  sie  an 
vulcanischem  Contact  zu  sehen  gewohnt  sind,  und  Toula  verfehlt 
nicht,  die  Aehnlichkeit  gewisser  Eruptivgesteine,  z.  B.  im  Durch- 
bruch des  IsKer,  mit  den  Banatiten  zu  erwähnen.  An  diese  west- 
lichsten Massen  des  Balkan  lehnt  sich  nordwärts  eine  sedimentäre 
Zone.  Bei  Rabis  und  Belogradschik,  wo  sie  beginnt,  sind  permi- 
sche, triadische,  tithonische  und  cretacische  Schichten  auf  engem 


626  Bnichzone  des  Balkan. 

Räume  vorhanden.  Weiter  gegen  Osten  nehmen  die  cretacischen 
Ablagerungen  sehr  rasch  an  Breite  zu,  und  sie  bilden  den  ganzen 
äusseren  Abhang  der  Aussenkette  und  den  Untergrund  der  Nie- 
derung, so  zwar,  dass  sie  schon  an  der  Mündung  des  Isker  am 
Donauufer  sichtbar  werden.  Das  ist  die  vermöge  der  Torsion 
flach  und  gleichsam  windschief  von  Belogradschik  her  sich  allmälig 
aus  der  Ebene  heraushebende  Gegenschale  der  im  Norden  ver- 
sunkenen karpathischen  Kreidezone.  Sie  ist  stellenweise  in  Längs- 
falten gelegt,  doch  nirgends  überfaltet.  Südwärts  folgt  derselben 
eine  wenig  entwickelte  Zone  von  älteren  mesozoischen,  namentlich 
jurassischen  Sedimenten,  eine  noch  geringere  Vertretung  der 
paläozoischen  Ablagerungen  und  dann  die  krystallinische  Zone 
des  Balkan. 

Mit  diesen  Felsarten  ist  jene  ausserordentliche  Bruchzone 
erreicht,  welche  nach  Hochstetter's  Angabe  den  ganzen  Südrand 
des  Balkan^  Von  Pirot  bis  Cap  Emineh  am  Schwarzen  Meere  be- 
gleitet. Diese  Bruchzone  ist  45oKilom.lang,  durchschneidet  die  ver- 
schiedenartigsten Felsarten  und  ist  durch  zahlreiche  heisse  Quellen 
und  lange  Z\i^^  von  Eruptivgesteinen  ausgezeichnet.-^'  Nicht  g-anz 
mit  Unrecht  hat  allerdings  Fritsch  hervorgehoben,  dass  die  Höhen- 
verhältnisse der  sedimentären  Gesteine  hier  die  Annahme  einer 
so  grossen  ,Verwerfung*  nicht  gestatten,  und  ich  meine  in  der 
That,  dass  eine  solche  Bezeichnung  nicht  die  passende  wäre.^^ 
Aber  diese  Bruchzone  fügt  sich,  an  ihrem  westlichen  Ende  gegen 
Pirot  gebeugt,  genau  in  die  Gruppe  der  grossen  Torsionslinien, 
und  es  ist  nicht  zu  sagen,  welches  Ausmaass  die  Störungen  er- 
langen mochten,  welche  aus  der  grossen  Gebirgswendung  hervt>r- 
gegangen  sind.  — 

Bisher  haben  wir  nur  von  dem  Hauptzuge  des  Balkan  ge- 
sprochen. Westlich  von  Sofia,  an  der  Nordseite  des  Vitos,  erhebt 
sich  aber  der  Andesitstock  des  Lünlün-  und  Viskergebirges,  und 
dort  hat  sich  der  grosse  Kalkzug  von  Pirot  gegabelt.  Ein  Arm 
geht  nach  Hochstetter's  genauen  Angaben  westlich  vom  Vitos  an 
den  Karasu  gegen  Küstendil  und  Dubnitza  herab  upd  wir  kennen 
nicht  den  weiteren  Verlauf.  Am  Vitos  selbst  aber  beginnt  eine 
lange  Reihe  syenitischer  Massen,  welche  erst  dem  S.  Rande  der 
Hauptkette  des  Balkan  parallel  läuft,  dann  sich  mehr  gegen  SO. 


Syenitstöcke.  627 

wendet.  Hochstetter  hält  diese  Stöcke  für  »entschieden  eruptiv' 
und  zählt  hieher  die  Massen  von  Samakowo  im  Strandschagebirge, 
von  Bujuk  Derbend  am  linken  und  Wakow  am  rechten  Ufer  der 
Tundscha,  von  Trnowo  an  der  Maritza,  von  Philippopel,  den 
magneteisenreichen  Syenitstock  des  Slakutschagebirges  am  Isker, 
endlich  den  mächtigen  Syenitstock  des  Vitos.  Der  Zusammen- 
hang dieser  merkwürdigen,  ebenfalls  etwa  45o  Kilom.  langen 
Linie  von  Syenitstöcken  mit  der  grossen  Torsion  ist  nach  dem 
heutigen  Stande  der  Beobachtungen  nicht  zu  übersehen ;  der  Vitos 
an  dem  westlichen  Ende  ist  wieder  vorgeschoben  gegen  NW.,  in 
der  Richtung  der  grossen  Wendung.  — 

Werfen  wir  nun  noch  einen  Blick  auf  die  jüngeren  Forma- 
tionen. Das  Eocän  scheint  transgredirend  auf  dem  siebenbürgi- 
schen  Grenzgebirge  gelegen  zu  haben,  aber  es  ist  dennoch  am 
Lotru  zerdrückt  in  Folge  späterer  Gebirgsbewegung.  Die  nächste, 
mit  Bestimmtheit  bekannte  Ablagerung  innerhalb  der  Region  der 
Wendung  ist  die  zweite  Mediterranstufe ;  man  sieht  sie  nur  bei 
Plewna,  dort  nach  C.  v.  Fritsch  unmittelbar  auf  Kreideformation. 
Nun  folgt  die  sarmatische  Stufe,  welche  horizontal  an  die  inneren 
Bogen  tritt,  und  dann  die  Reihe  jüngerer,  nicht  mariner  Bildungen, 
welche  hauptsächlich  in  dem  nördlichen  Theile  Rumäniens  sicht- 
bar ist.  — 

Der  Balkan  besitzt,  wie  wir  sahen,  einen  breiten  Saum  von 
gegen  Nord  abdachenden,  vorwaltend  cretacischen  Ablagerungen. 
Alle  inneren  Zonen  verschwinden  im  Osten  unter  der  Eruptiv- 
masse aus  Burgas ;  Cap  Emineh  besteht  aus  cretacischem  Kalk- 
stein. Die  untere  Kreide  zeigt  karpathische,  d.  i.  südeuropäische 
Merkmale,  wie  in  der  Krim;  die  obere  Kreide  dagegen  gleicht 
jener  Nord-Europa's  ebenfalls  wie  in  der  Krim.  Auf  dieser  folgt, 
allerdings  schon  horizontal  liegend,  Nummulitenkalk  bei  Warna, 
wie  in  der  Krim,  und  das  sporadische  Vorkommen  der  zweiten 
Mediterranstufe,  sowie  die  weite  Ausbreitung  der  sarmatischen 
Ablagerungen  entsprechen  ebenfalls  der  Krim.  Dieser  Theil  der 
Schichtfolge  ist  also  sehr  übereinstimmend,  und  insoferne  die 
Schichtfolge  überhaupt  als  ein  Zeichen  tektonischen  Zusammen- 
hanges gelten  darf,  deutet  sie  allerdings  vom  Balkan  gegen  die 
Krim. 


020  Zusammenhang  von  Balkan  und  Krim. 

Auch  der  weisse  Jura  unter  dem  Neocom  scheint  noch  jenem 
der  Krim  nahe  zu  stehen.  Eine  Discordanz  unter  Neocom  ist  aber 
aus  dem  Balkan  dermalen  noch  nicht  bekannt,  und  auch  nicht  die 
grosse  Entwicklung  der  Liasschiefer.  Dagegen  erscheinen  im 
Balkan  noch  tiefere,  wohl  gekennzeichnete  Glieder  der  sedimen- 
tären Reihe,  welche  man  weder  in  der  Krim,  wo  überhaupt  die 
Unterlage  des  Lias  unsichtbar  ist,  noch  im  Kaukasus  kennt,  und 
nördlich  von  der  muthmasslichen  Verbindungslinie  zeigt  sich  mit 
ganz  abweichendem  Streichen  und  auch  mit  einer  anderen,  durch  die 
bedeutende  Entwicklung  mariner  Trias  ausgezeichneten  Schicht- 
folge das  Gebirge  von  Matschin. 

Immerhin  ist  die  Uebereinstimmung  der  Schichtstellung-,  des 
Streichens  und  der  Schichtfolge  über  dem  Jura  so  gross,  dass  ich 
bis  auf  bessere  Belehrung  keinen  Anstand  nehme,  der  von  Spratt, 
E.  Favre  und  Lagorio  vertretenen  Voraussetzung  von  dem  ein- 
stigen Zusammenhange  von  Balkan  und  Krim  zu  folgen. 

Nun  darf  abqr  nicht  übersehen  werden,  dass  der  Balkan  in 
den  wenn  auch  eben  nicht  bedeutenden  Faltungen  seiner  Nord- 
zone noch  immer  Spuren  der  allgemeinen  europäischen  Bewe- 
gung gegen  Nord  zeigt;  die  Lage  der  sarmatischen  Falten  auf 
Kertsch  und  Taman  nördlich  ausserhalb  der  grossen  Gebirge 
deutet  ebenso  auf  massige  Bewegung  gegen  Nord,  und  ebenso 
die  Faltungen  der  kaukasischen  Nordzone,  namentlich  in  Dag-hes- 
tan,  sowie  die  vorliegenden  sarmatischen  Falten  nördlich  von 
Wladikawkas. 

Der  Kaukasus  lässt  aber  unter  dieser  nordwärts  geneigten 
und  streckenweise  auch  nordwärts  gefalteten,  aufgelagerten  Zone 
jene  gewaltige  Umstürzung  gegen  Süd  erkennen,  welche  das  be- 
zeichnende Merkmal  seines  grossen  südlichen  Abhanges  ist.  Er 
bildet,  wie  Abich  sagt,  eine  grosse  monoklinale  Falte,  und  zwar 
zeigt  die  Lagerung  des  Lias,  dass  die  Umstürzung  geg-en  Süd 
nicht  vor  der  mesozoischen  Zeit  stattgefunden  haben  kann.  Aber 
die  äussere,  gegen  Nord  gekehrte  Fläche  dieser  Falte,  ursprüng- 
lich wahrscheinlich  eine  flache  Auflagerungsebene,  trägt  dennoch 
eine  Reihe  von  Sedimenten,  welche  nordwärts  bewegt  sind.  In 
keinem  anderen  Gebirge  ist  so  eigenthümliche,  zweifache  Aeusse- 
rung  der  tangentialen  Bewegung  bekannt,  und  gerade  hier  befinden 


Alburs.  629 

wir  uns  In  jener  Region,  in  welcher  die  Grenze  zwischen  der  asia- 
tischen Bewegung  gegen  Süd  und  der  entgegengesetzten  euro- 
päischen Bewegung  zu  suchen  wäre. 

Die  iranisch-taurische  Schaarung.  Die  äusseren  irani- 
schen Ketten  lassen  nur  an  einer  Stelle,  an  der  Strasse  von  Hor- 
muzd,  die  Zeichen  einer  untergeordneten  Schaarung  hervortreten. 
Anders  verhalten  sich  die  inneren  Ketten.  Der  Paropamisus  bildet 
mit  seiner  gegen  Süd  gekehrten  Beugung  in  N.  Afghanistan  den 
inneren  Bogen  für  den  östlichen  Theil  der  äusseren  iranischen 
Bogen,  aber  indem  er  sich  mit  unbeirrt  nordwestlicher  Richtung 
durch  den  Kjurjandagh  zum  Kaukasus  fortsetzt,  verlässt  er  voll- 
ständig das  Gebiet  der  iranischen  Faltungen.  Dafür  stellt  sich 
ein  zweiter  Bogen  ein,  welcher  dem  westlichen  Theile  der  irani- 
schen Aussenketten  entspricht,  dessen  Nordrand  zugleich  das 
kaspische  Meer  umgrenzt,  welcher  aber  auch,  wie  wir  bald  sehen 
werden,  die  Neigung  zeigt,  den  gegen  NW.  ziehenden  Ast  zu 
verlängern.    Dieser  zweite  Bogen  ist  der  Alburs. 

Ueber  die  Art,  wie  Paropamisus  und  Alburs  sich  begegnen, 
liegen  einige  bemerkenswerthe  Angaben  vor.  Zunächst  folgen 
der  NW.  Fortsetzung  des  ersteren  jene  sehr  regelmässigen  Parallel- 
ketten des  Östlichen  Chorasan,  welche  Lessar  kürzlich  durchreist 
hat  und  als  deren  Ausläufer  wohl  die  niederen  Züge  anzusehen 
sind,  welche  Sievers  am  Atrek  antraf.  Den  entsprechenden  Theil 
der  kaspischen  Küste  aber  scheinen  die  erdölreichen  Tertiär- 
schichten einzunehmen,  die  wir  bereits  an  den  Abhängen  des 
Balchasch  getroffen  haben.  Ach-tepe,  N.  von  Tschikischlär,  am 
unteren  Atrek,  ist  ein  Schlamm vulcan.^ 

Die  Parallelzüge  des  östlichen  Chorasan  sind  also  gegen  das 
kaspische  Meer  vollkommen  ausgeflacht,  aber  gegen  Süd  zeigt 
sich  ein  weiteres  Parallelstück,  welches,  orographisch  mit  dem 
Alburs  verbunden,  seinem  Baue  nach  von  demselben  zu  trennen  ist. 

Es  geht  nämlich  aus  Tietze's  Untersuchungen  über  den  Bau 
des  nördlichen  Persien,  welche  neben  Grewingk's  älterer  Zusammen- 
stellung die  Hauptquelle  unserer  Kenntniss  dieses  Gebirges  bilden, 
auf  das  Deutlichste  hervor,  dass  zwischen  Aschref  und  Asterabad 
ein  gegen  NW.  streichendes  Gebirge  die  Ufer  des  kaspischen 


630  Alburs. 

Meeres  erreicht  und  an  denselben  abgebrochen  ist.  Es  umfasst  die 
Höhen  bis  Schahrud  und  Deh  i  Mullah  am  Südrande  und  ist, 
wenigstens  zum  Theile,  gegen  SW.  überwerfen,  so  dass  an  dem 
Südrande  des  Gebirges  und  bei  Tasch  die  kohlenführenden  Schich- 
ten des  Lias  gegen  NO.  unter  eine  paläozoische  Zone  hinabsinken, 
welche  sich  gegen  Asterabad  fortsetzt  und  dort  vertical  steht. 
Die  ältesten  Felsarten  dieses  Gebirgsstückes  liegen  im  NO.  bei 
Asterabad ;  die  jüngsten  dürften  durch  eine  cretacische  Zone  be- 
zeichnet sein,  welche  in  der  Nähe  von  Aschref  vom  kaspischen 
Meere  her  in  das  Gebirge  streicht.«'^ 

Mit  vollem  Rechte  findet  Tietze  im  Alburs  ,im  Kleinen  eine 
Wiederholung  der  grossen  Züge  in  der  Gestaltung  des  central- 
asiatischen  Continentes'.  Wir  sehen  einen  südwärts  bewegten 
Bogen,  wie  deren  so  viele  bereits  erwähnt  worden  sind,  und  alle 
von  Muschketoff  für  die  innerasiatischen  Ketten  gewonnenen  Er- 
gebnisse sind  auf  den  Alburs  anwendbar.  Der  Scheitel  des  Bogens 
liegt  W.  von  Firuskuh,  und  in  dieser  Gegend  erscheinen  auch  OW. 
streichende  Züge.  Der  gegen  NO.  streichende  Theil  des  Bogens 
erreicht  sein  Ende  in  einer  nicht  näher  bekannten  Weise  in  der 
Nähe  des  Kreidezuges  von  Aschref.  Wie  bei  so  vielen  inner- 
asiatischen  Zügen  ist  der  gegen  NW.  laufende  Ast  weit  länger  als 
der  andere.  Die  archaische  Unterlage  wird  nur  an  der  Nordseite, 
und  zwar  nur  an  jener  des  längeren,  nordwestlichen  Astes  sicht- 
bar, denn  ein  vereinzeltes  und  örtlich  umgrenztes  Auftreten  von 
Syenit  an  dem  Südabhange,  im  Keretschthale  W.  von  Teheran, 
kann  kaum  als  ein  Hervortauchen  dieser  Unterlage  gelten.  Trotz 
des  Auftretens  der  archaischen  Gesteine  an  der  Nordseite  des 
Bogens  zeigen  die  geschichteten  Sedimente  vorherrschend  \yider- 
sinnisches  Einfallen  gegen  Nord,  und  zwar  nicht  mit  überstürzter, 
sondern  mit  normaler  Folge  der  Schichten.  Dies  deutet  auf  das 
Vorhandensein  von  Schuppenstructur  in  einzelnen  Theilen  des 
Alburs.  Hiedurch  erklärt  sich  auch  die  Gestalt  des  Aussenrandes. 
Tietze  beschreibt  denselben  als  gebrochenes  Gewölbe  mit  nord- 
wärts geneigten  Schichten.  Auch  die  gegen  S.  vorliegenden  Berge 
von  Schah-Abdulasim  zeigen  steilen  Abfall  gegen  Süd  und  die 
Schichten  sind  gegen  Nord  geneigt;  dasselbe  gilt  vom  Siakuh. 
Bei  Betrachtung   dieser    monoklinen   Vorlagen    darf    aber    der 


Dcmavend.   Karaghan.  63  I 

wesentliche  Unterschied  nicht  übersehen  werden,  welcher  zwischen 
dem  Aussenrande  des  Alburs  und  jenem  des  Himalaya  oder  der 
Karpathen  besteht.  Wir  befinden  uns  S.  vom  Alburs  überhaupt 
nicht  auf  einem  tafelförmigen,  fremden  Vorlande,  sondern  mitten 
in  den  iranischen  Falten,  deren  Theil  der  Alburs  selbst  ist,  und 
weiter  gegen  W.  kommt  auch  diese  Einheit  der  iranischen  Fal- 
tungen durch  die  Einschaltung  mehrerer,  bis  zu  den  Zägrosketten 
reichender  Parallelzüge  unverkennbar  zum  Ausdrucke. 

Diese  Auffassung  des  Alburs  als  eines  südwärts  bewegten 
und  den  central-asiatischen  Typus  wiederholenden  Bogens  kann 
auch  die  Lage  des  gewaltigen  Demavend  nicht  beirren,  dessen 
dem  Scheitel  des  Bogens  aufgesetzter  vulcanischer  Kegel  sich 
wohl  20.000  Fuss  über  das  Meer  erhebt.  Es  hat  Tietze  in  ausführ- 
licher  Weise  gezeigt,  dass  diese  mächtige  Aufschüttung  als  eine 
spätere  Bildung  auf  dem  Gebirgsbogen  ruht,  und  dass  auch  die 
Grundzüge  der  heutigen  Thalbildung  bereits  vor  der  Aufschüttung 
des  Demavend  festgestellt  waren.^^  Hier  gilt  Alles,  was  an  frü- 
herer Stelle  über  die  grossen  Vulcane  Sumatra's  und  des  Kaukasus 
und  über  ihre  Beziehungen  zur  Unterlage  gesagt  worden  ist.  — 

Der  erste  grosse  Farallelzug,  welcher  den  NW.  Ast  des 
Alburs  begleitet,  ist  das  8 — 9000  Fuss  hohe  Karaghangebirge. 
Wähner  hat  es  gekreuzt.  Es  besteht  aus  syenitischen,  porphyr- 
artigen und  anderen  Eruptivgesteinen,  welche,  so  weit  das  Ge- 
birge bekannt  ist,  nicht  von  älteren  als  eocänen  Ablagerungen 
begleitet  sind,  eine  Zusammensetzung,  wie  sie  so  häufig  in 
anderen  Gebirgsketten  getroffen  wird.  Zu  beiden  Seiten  des 
Gebirges  ist  die  erste  Mediterranstufe  und  das  Salzgebirge  vor- 
handen; sie  haben  auch  an  den  iranischen  Faltungen  theil- 
genommen.-'^ 

Nun  mehren  sich  die  Gebirgszüge  zwischen  Alburs  und  den 
Zclgrosketten ;  sie  ziehen  durch  Aderbedj an  und  grosse  vulcanische 
Berge,  wie  Sawalan  und  Sahend,  erheben  sich  zwischen  ihnen; 
sie  erreichen  den  Araxes  und  sogar  nördlich  von  der  fortgesetzten 
Linie  des  Alburs  erscheinen  neue  Faltenzüge,  als  würden  jene 
wieder  aufleben,  welche  zwischen  Aschref  und  Asterabad  iri's  kaspi- 
sche  Meer  gesunken,  und  jene,  welche  am  Atrek  unter  der  Steppe 
verschwunden  sind.^*^ 

Sucss,  Das  Antlitz  der  Erde.  4^ 


632  Armenien. 

In  Armenien  aber  erlangen  die  vulcanischen  Aufschüttungen 
und  Ergüsse  ein  solches  Maass,  dass  sie  die  Gestalt  eines  grossen 
Theiles  der  Oberfläche  bedingen.  Die  Faltenzüge  brechen  ein 
und  werden  überdeckt,  und  auf  der  Landkarte  sind  die  Grundzüge 
des  Gefüges  vollkommen  verhüllt.  Hier  bedurfte  es  jahrelanger 
Hingebung;  eine  grosse  Aufgabe  war  gestellt,  und  es  hat  sich  der 
Meister  gefunden,  der  sie  löste,  Hermann  Abich.^^ 

Mit  den  folgenden  Worten  hoffe  ich  das  Hauptergebniss  der 
zahlreichen  Schriften  Abich's  über  dieses  Land  annähernd  richtig 
wiederzugeben. 

Die  west-iranischen  (Zägros-  und  Alburs-)  Ketten  ziehen  aus 
SO.  nach  Armenien;  eine  andere,  ebenso  bedeutende  Reihe  von 
Ketten  kommt  aus  SW.  heran.  Diese  nehmen  den  ganzen  Raum 
von  dem  südlichen  Rande  des  Taurus  bis  zu  der  pontischen  Küste 
bei  Trapezunt  ein,  und  die  beiden  bei  Beiburt  vereinigten  Längen- 
thäler  des  Djorokh  bezeichnen  die  aus  ONO.  in  NO.  übergehende 
Richtung  derselben.  Dies  sind  die  taurischen  Ketten.  Beide,  die 
west-iranischen  und  die  taurischen  Ketten,  streben  zur  Vereinigung, 
aber  anstatt  dass,  wie  am  Jhelum,  Schaarung,  sei  es  im  Bogen, 
sei  es  im  spitzen  Winkel  stattfinde,  ist  die  Region  der  Schaarung 
eingebrochen  und  breiten  sich  gerade  hier  die  mächtigsten  vulca- 
nischen Gebiete  aus,  so  das  vulcanische  Hochland  von  Ardahan 
bis  zum  Tschildirsee,  das  Plateau  von  Kars,  jenes  des  Alag^z,  die 
weit  gedehnte  Grundlage  des  Ararat,  des  Tandurek  u.  And.  Die 
aus  archaischen  Felsarten  bestehenden  meskischen  Berge  aber, 
welche  O.  von  KutaTs  mit  NO.  Streichen  an  den  Fuss  des  Kau- 
kasus treten  und  welche  die  Wasserscheide  von  Rion  und  Kur 
bilden,  sind  ein  Theil  der  taurischen  Ketten.  — 

Die  Einzelheiten,  unter  welchen  der  Einbruch  der  Schaarung 
sich  vollzogen  hat,  kann  ich  zu  besprechen  nicht  unternehmen, 
aber  allerdings  will  ich  es  versuchen,  die  Grundlinien  der  Structur 
des  Landes  zwischen  Ararat  und  dem  Goktschai-See,  wie  sie  sich 
aus  Abich's  Darstellungen  ergeben,  als  ein  Beispiel  einzuschalten.*** 

Der  Kegel  des  Ararat  erhebt  sich  16.926  engl.  Fuss  über 
das  Meer  und  fällt  gegen  N.  und  NO.  zum  Thale  des  Araxes 
herab,  dessen  Meereshöhe  in  dieser  Strecke  2600  bis  2500  Fuss 
beträgt;  der  Abfall  seines  Gehänges  übersteigt  daher  i4.ocx>  Fuss. 


Ararat  und  der  See  Goktschai.  633 

Er  ruht  auf  einem  Sockel  von  eingebrochenem  devonischem  und 
carbonischem  Gebirge,  welches  in  der  Tiefe  des  Thaies,  aber  auch 
gegen  SO.  hervortritt  und  dort  den  Rücken  des  Makugebirges  bildet. 

Auf  der  anderen  Seite  des  Araxes  sieht  man  dasselbe  paläo- 
zoische  Gebirge  mit  gegen  N.  geneigten  Schichten  und  steilem 
Abhänge  am  Dsynserly- dagh  als  die  Unterlage  des  zunächst 
stehenden  Zuges  von  gefaltetem  Gebirge.  Es  ist  aber  Dsynserly- 
dagh  ein  Theil  eines  der  west-iranischen,  von  SO.  her  streichen- 
den Parallelzüge,  des  südlichen  Karabagh. 

Der  südliche  Karabagh  versinkt,  bevor  er  den  Goktschai  er- 
reicht, unter  dem  weiten  vulcanischen  Plateau  des  Agmangan; 
dieses  erhebt  sich  im  Aghdagh  zu  1 1.71 1  Fuss  und  seine  Ostseite 
bildet  den  SW.  Rand  des  See's,  während  die  Westseite  gegen 
den  Araxes  abdacht.  —  Die  zweite  Parallelkette  ist  gänzlich  über- 
deckt von  dem  vulcanischen  Plateau  des  mittleren  Karabagh.  — 
Die  dritte  Parallelkette,  der  nördliche  Karabagh,  endet  an  der 
SO.  Ecke  des  See's.  —  Die  nächste  Kette,  das  Ganja-  und  Goktschai- 
gebirge,  ebenfalls  enge  an  die  vorhergehenden  gepackt,  bildet 
das  NO.  Ufer  des  See's  und  zeigt  die  Neigung,  aus  der  NW. 
Richtung  der  vorhergehenden  Ketten  im  Bogen  in  die  W.  Rich- 
tung überzugehen.  In  der  That  erreicht  in  seiner  westlichen  Fort- 
setzung das  Pambakgebirge  fast  reines  OW.  Streichen;  dieses 
Gebirge  bricht  westlich  von  dem  N.  Ende  des  See's,  vor  dem 
1 3.436 Fuss  hohen  Aschenkegel  des  Alagdz  ab.  —  Nördlich  schliesst 
sich  an  den  Pambak  in  reiner  OW.  Richtung  das  Besorbdal- 
gebirge  an  die  nach  West  gerichteten  Sporen;  die  bogenförmigen 
Parallelzüge  versinken  bei  Alexandrapol  unter  die  weit  ausge- 
dehnten vulcanischen  Anhäufungen,  in  welche  der  obere  Arpatschai 
sein  Bett  gegraben. 

So  suchen  die  iranischen  Bogen  gleichsam  die  Verbindung 
mit  den  taurischen  Bogen,  und  wenn  man  Abich's  schöne  Karte 
des  russischen  Armenien  betrachtet,  möchte  man  den  östlichen 
Sporn  des  Juragebirges,  die  Lägern,  in  Vergleich  ziehen,  obwohl 
die  Lägern  nur  Ausläufer,  nicht  schaarende  Bogen  sind. 

Noch  mehr  gilt  dies  von  dem  Sporn,  welcher  weiter  im  Süden 
als  Tschatin-dagh  von  den  taurischen  Ketten  herüberreicht.  Um 
seine  Lage  zu  bezeichnen,  kehren  wir  zum  Ararat  zurück. 

41* 


634  Tschatin-dagh. 

Der  vulcanische  Zug  des  Ararat  liegt  gerade  südlich  von  der 
Beugung  der  NW.  streichenden  Ketten  zu  den  westHch  streichen- 
den Sporen.  Auch  in  der  Reihung  der  Vulcane  ist  eine  ähnliche 
Beugung  angedeutet.  Abich  hebt  mit  Nachdruck  hervor,  dass  die 
Linie  vom  kleinen  Ararat  zum  grossen  Ararat  und  zum  Kipgöll 
gegen  WNW.  zieht,  und  vom  Kipgöll  wendet  sich  nun  der  mäch- 
tige Zug  der  Vulcane  rein  gegen  West  zum  See  BaluchgöU,  als 
stünden  diese  Vulcane  auf  einer  Spalte  im  Streichen  der  schaaren- 
den  Bogen.  Gegen  Süd  fallen  sie  zur  Hochebene  von  Bajazid  ab 
und  dieser  folgt  gegen  Süd  die  ebenfalls  westlich  streichende  vul- 
canische Reihe  des  Tandurek. 

Nördlich  vom  BaluchgöU  aber,  d.  i.  N.  vom  westlichen  Ende 
der  Araratreihe,  taucht  aus  den  vulcanischen  Aufschüttung-en  das 
Ende  eben  jenes  grossen  Sporns,  des  Tschatin-dagh,  hervor.  Er 
ist  der  bezeichnendste  unter  den  schaarenden  Bogen.  Kr  umrahmt 
das  Quellgebiet  des  Murad,  scheidet  es  von  dem  Araxes  und  setzt 
sich  weit  gegen  WSW.  fort.  — 

Mit  unveränderter  Richtung  zieht  der  Kaukasus  schräge  an 
dem  Gebiete  der  Schaarung  vorüber,  wie  der  Tian-schan  an  der 
südlich  vorliegenden  Schaarung,  und  nun  vermögen  wir  jene 
Stellen  der  Landkarte  zu  erkennen,  an  welchen  der  Umriss  der 
Wasserflächen  in  der  Structur  des  Landes  tiefer  begründet  ist. 
Die  südliche  Küste  des  Kaspi  entspricht  den  westiranischen,  jene 
des  Pontus  in  der  Bucht  von  Trapezunt  den  taurischen  Bogen 
und  die  Vorgebirge  von  Apscheron  und  von  Taman  kennzeichnen 
das  Streichen  des  Kaukasus. 

So  auffallend  aber  der  Gegensatz  zwischen  der  Streichungs- 
richtung des  Gebirges  von  Kaschgar  und  jener  des  Tian-schan  sein 
mag,  sind  mir  doch  wenige  Beispiele  auf  der  ganzen  Erdoberfläche 
bekannt,  in  welchen  eine  so  innige  Berührung  zweier  verschiedener 
Gebirgsrichtungen  stattfinden  würde,  wie  am  oberen  Rion  zwi- 
schen dem  NO.  streichenden  meskischen  Gebirge  und  dem  Süd- 
fusse  des  Kaukasus.  Wir  haben  an  dem  äusseren  Rande  der 
Karpathen  die  Falten  eines  grossen  Gebirges  heran-  und  wohl 
auch  herübertreten  gesehen  über  ein  anderes  Gebirge,  die  Sudeten, 
auf  welchen  die  Reihenfolge  und  das  Gepräge  der  Sedimente 
wesentlich  andere  sind.    Im  Kaukasus  sehen  wir  nun  zwei  Falten- 


Taurus.  63  S 

gebirge  aufeinandertreffen  von  verschiedener  Streichungsrichtung 
und  zugleich  von  ziemlich  verschiedener  Entwicklung  der  Schich- 
ten. Es  sind  namentlich  die  Actaeonellen-  und  Hippuritenreichen, 
an  das  Gosauthal  erinnernden  Abtheilungen  der  Kreideformation 
und  die  petrefactenreichen  älteren  Tertiärschichten,  welche  beide 
in  jenem  Gepräge  im  meskischen  Gebirge  und  weiter  gegen  Süd 
auftreten,  welches  unsere  Alpen  auszeichnet,  und  welches  der 
grossen  nordkaukasischen  Zone  fremd  ist. 

Die  taurischen  Ketten  sind  nicht  strenge  parallel.  Die  nörd- 
lichsten Züge,  welchen  das  pontische  Ufer  bei  Trapezunt  angehört, 
beugen  ihr  Streichen  von  Batum  durch  Lasistan  aus  SSW.  gegen 
SW.  und  WSW.  Die  südlicheren  Züge  bewahren  die  flachere 
Krümmung,  welche  wir  in  dem  Tschatin-dagh  kennen  gelernt 
haben,  und  welche  in  so  mancher  Beziehung  an  die  tertiären 
Bogen  am  Jhelum  (Taf.  IV)  erinnert;  WSW.  ist  ihre  vorherr- 
schende Richtung.'*'  Leider  haben  die  ausgezeichneten  Arbeiten 
von  Russegger  und  Tschichatscheff,  sowie  Kotschy's  Reisen  bisher 
doch  nur  eine  unvollständige  Kenntniss  von  dem  Baue  des  Anti- 
Taurus  und  des  Bulgar-dagh  gebracht.  Wir  wissen  aber,  dass 
das  Gebirge  mit  fortgesetzter  Richtung  gegen  WSW.  und  SW. 
gegen  Tarsus  zum  Meere  zieht  und  parallele  Vorlagen  enden 
am  unteren  Orontes. 

Einen  Ueberblick  über  das  südliche  Gebiet  der  Schaarung  gibt 
Cernik;  man  lernt  aus  demselben,  dass  im  Thale  des  Euphrat  die 
asphaltreichen  Thone  noch  weit  über  Deir  heraufreichen,  und  dass 
in  Syrien  zwischen  Homs  und  Palmyra  gypsreiche  Tertiärschich- 
ten vorhanden  sind,  wahrscheinlich  dieselben,  welche  wir  als  die 
,Gypsiferous  Series'  von  Loftus  am  Rande  des  Zägros  kennen  ge- 
lernt haben  und  welche  offenbar  in  Mesopotamien  eine  weite  Ver- 
breitung besitzen.  Etwa  dort,  wo  die  iranischen  und  die  taurischen 
Aussenränder  sich  begegnen  sollten,  liegt  die  breite  Basaltmasse 
des  Karadja-dagh  und  auf  einem  nordöstlichen  Ausläufer  erhebt 
sich,  zum  Theile  aus  Basalt  erbaut,  die  finstere  Stadt  Djarbekr.  Eine 
eigenthümliche  Frage  wird  aber  durch  Russegger's  und  Cernik's 
Beobachtungen  angeregt.  Es  läuft  nämlich  von  der  Ostseite  des 
Anti-Libanon  ein  nicht  unbedeutender  Gebirgszug,  Dj.  Senayeh, 
in  NO.  Richtung  ab  und  zieht  über  Palmyra  hin.  Zugleich  weichen 


636  Cypem.   Das  dinarische  Gebirge. 

Libanon  wie  Anti-Libanon  merkbar  von  der  meridionalen  Linie 
des  Jordanthaies  gegen  NNO.  ab,  als  würden  Beziehungen  zu  dem 
Taurus  eintreten,  welche  wir  heute  näher  zu  beurtheilen  nicht  in 
der  Lage  sind/' 

Die  Lage,  die  Felsarten  und  der  Bau  der  Insel  C  y  p  e  r  n 
lehren  in  übereinstimmender  Weise,  dass  hier  die  Fortsetzung-  der 
taurischen  Gebirge  sichtbar  ist.  Cypern  besteht  aus  zwei  bogren- 
förmigen  Gebirgszügen,  welche  durch  die  Ebene  von  Nikosia 
getrennt  sind.  Der  nördliche  Zug,  welcher  die  ganze  N. -Küste 
bis  Capo  Andreas  hinaus  bildet,  besteht,  wie  wir  durch  Gaudry 
und  Unger  wissen,  aus  Kreidekalk  und  Flysch  mit  Vorkomm- 
nissen von  Gabbro,  Grünsteinen  und  Serpentin.  Der  mächtige 
südliche  Zug,  Troodos,  besteht  fast  ausschliesslich  aus  den  letz- 
teren Felsarten  ganz  wie  die  Berge  von  Antiocheia.  Junge  tertiäre 
Ablagerungen  liegen  in  der  Mulde  von  Nikosia.*^ 

Das  dinarische  Gebirge.  Aus  den  bisherigen  Darstel- 
lungen der  Alpen  hat  sich  ergeben,  dass  das  Verhalten  des  dina- 
rischen  Zuges  ein  fremdartiges  und  abweichendes  sei.  Es  war 
nicht  thunlich,  dasselbe  in  die  schematisirten  Darstellungen  der 
Leitlinien  (S.  303  und  618)  aufzunehmen.  An  die  periadriatischen 
Brüche  und  Flexuren  der  Südalpen,  welche  von  NW.,  N.  und  NO. 
her  überschoben  sind,  schliessen  sich  die  von  NO.  her  über- 
schobenen  dinarischen  Flexuren  und  Brüche,  welche  massgebend 
werden  für  den  Verlauf  der  dalmatinischen  Küste.  Sie  ziehen 
gegen  SO.  bis  SSO.  und  zugleich  streicht  in  derselben  Richtung- 
jene  Serie  langer  Faltungen,  welche  schon  in  der  Gegend  von 
Laibach  bemerkbar  ist,  welcher  der  Karst  angehört  und  innerhalb 
welcher  auf  breiten  Antiklinalen  in  Bosnien,  der  Herzegowina  und 
Montenegro  paläozoische  Gesteine  sichtbar  werden. 

Im  Nordosten  dieser  paläozoischen  Gesteine  liegt  eine  Zone 
von  Flysch  und  Serpentin,  welche  schon  im  südlichen  Croatien 
beginnt,  an  der  Save,  wie  Mojsisovics  gezeigt  hat,  durch  verein- 
zelte, an  ihrem  Aussenrande  auftauchende  Granitkuppen  gleichsam 
festgehalten  wird  und  dann  gegen  SO.  und  OSO.  fortstreicht.  Im 
Südwesten  des  paläozoischen  Gebirges  liegt  längs  des  adriatischen 
Meeres  Kreidekalk  und  Flysch;  in  dieser  Zone  laufen  die  Brüche 


Griechenland.  637 

und  Flexuren  längs  des  Meeres  hin;  sie  ist  es,  deren  Bruchstücke 
an  der  italienischen  Küste  erwähnt  worden  sind. 

Tietze's  letzte  Arbeiten  in  Montenegro  und  die  älteren  Ar- 
beiten von  Bou^  und  Viquesnel  zeigen,  dass  das  dinarische  Ge- 
birge mit  gleichem  Streichen  sich  noch  weiter  gegen  SO.  fortsetzt. 
Die  Untersuchungen  von  Neumayr,  Bittner,  Teller  und  L.  Burger- 
stein im  nördlichen  Griechenland,  sowie  jene  von  Boblaye  in  Morea 
lehren  aber,  dass  diese  selbe  Richtung  auch  mit  nur  ganz  unter- 
geordneten Ablenkungen  anhält  durch  die  akrokeraunischen  Berge 
und  Akarnanien,  parallel  dazu  durch  den  Pindus,  das  Gabrowo- 
gebirge  und  die  ätolischen  Alpen,  sowie  durch  ganz  Morea  bis 
Cap  Matapan  und  Cap  Malia. 

Die  neueren  Untersuchungen  in  Nord -Griechenland  und 
namentlich  Neumayr's  Zusammenfassung  der  tektonischen  Ergeb- 
nisse lehren  aber  noch  weit  mehr.^* 

Das  ganze  Land  ist  in  Falten  gelegt.  Während  jedoch  im 
Westen  Pindus  und  ätolische  Alpen  die  dinarische  Richtung  gegen 
SO.  bis  SSO.  fortsetzen,  tritt  östlich  von  diesen  Bergen  in  allen 
Falten  das  Bestreben  hervor,  im  Bogen  abzulenken  gegen  SO., 
O.  und  endlich  sogar  gegen  ONO.  und  NO.  Solche  Bogen  sind 
Othrys  mit  einer  Fortsetzung  bis  zum  Golf  von  Volo  mit  gänz- 
licher Umbeugung  gegen  NO.,  dann  Oeta  und  Saromata,  dann 
Parnass,  Helikon  und  weiter  quer  über  Euboea,  ferner  Kythaeron, 
Parnes  und  abermals  quer  über  Euboea.  An  diese  reiht  sich  als 
ein  weiterer  zertrümmerter  Bogen  Geraneia  bei  Megara,  Insel  Sa- 
lamis, Aegialeus,  Hügel  von  Athen,  Penthelikon.  Dem  Gewölbe 
des  Penthelikon  parallel  streicht  das  Gewölbe  des  Hymettos. 
So  kommt  es,  dass  im  Westen  Nord-Griechenland's  das  Streichen 
gegen  SSO.,  im  Osten  aber  gegen  ONO.  und  NO.  gerichtet  ist. 

Die  Falten  lenken  im  Bogen  ab;  die  Brüche  der  dalmatini- 
schen Küste  aber  wiederholen  sich  wenigstens  auf  einzelnen  lan- 
gen Linien  in  der  unveränderten  dinarischen  Richtung  quer  über 
diese  abgelenkten  Bogen.  Die  Folge  davon  ist,  dass  die  Bogen 
zerschnitten  werden.  Ein  Beispiel  ist  die  Bruchlinie,  welche  an 
dem  Ostrande  des  thessalischen  Küstengebirges,  der  Insel  Euboea, 
von  Andros,  Tinos,  Mykonos,  Amurgos  und  Astropalaea  hinläuft. 
Durch  solche  und  ähnliche  Brüche  werden  die  Inseln  und  Halb- 


638  Kreta. 

inseln  umgrenzt  und  so  entsteht  jener  merkwürdige  Gegensatz 
zwischen  der  Structur  der  Berge  und  ihren  Umrissen,  welcher  den 
höchsten  Ausdruck  in  Teller's  Schilderungen  von  Euboea  und  des 
thessalischen  Randgebirges  findet.  — 

Air  dieses  griechische  Gebirge  besteht  aus  Kreidekalk  und 
Flysch,  dann  Diorit,  Gabbro  und  Serpentin;  krystallinische  Schiefer 
greifen  in  Attika  als  gleichaltrig  zwischen  cretacische  Schichten; 
an  wenigen  Punkten  erscheinen  ältere  krystallinische  Felsarten. 
Ganz  dieselben  Gesteine  bilden,  wie  Spratt  und  Raulin  gezeigt 
haben,  die  Insel  Kreta.*^  Das  Streichen  derselben  auf  Kreta  ist 
nahe  O. — W.  Auch  hier  scheinen,  wie  auf  Cypern,  die  Bruchstücke 
von  zwei  parallelen  Ketten  vorhanden  zu  sein,  von  welchen  eine 
vom  östlichen  Ende  bis  zum  Golf  von  Messara,  die  andere  vom 
Golf  von  Mirabello  bis  zum  westlichen  Ende  der  Insel  reichen 
würde.  Vielleicht  gehören  die  drei  Vorgebirge  Grabusa,  Spadha 
und  Meleka  im  NW.  der  Insel  einem  dritten  Zuge  an. 

Trotz  der  Uebereinstimmung  der  Gesteine  würde  ich  Anstand 
nehmen,  bei  der  gänzlichen  Verschiedenheit  des  Streichens  Kreta 
als  eine  Fortsetzung  der  griechischen  Falten  anzusehen,  aber  die 
scharfe  Umbeugung  der  östlichen  Falten,  welche  wir  soeben  kennen 
gelernt  haben,  macht  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  auch  die 
Ketten  des  westlichen  Griechenland  eine  ähnliche  Umbeugung  er- 
fahren, und  dieser  entsprächen  allerdings  Lage  und  Bau  von  Kreta. 
Ich  halte  dafür,  dass  der  westliche,  dinarische  Hauptzug  im  selben 
Sinne  gebeugt  ist,  wie  die  inneren  Ketten,  und  dass  Kreta  in  der 
Fortsetzung  einiger  solcher  Falten  liege.  Der  dinarische  Zweig- 
würde sich  in  ähnlicher  Weise  nach  Kreta,  wie  der  Taurus  nach 
Cypern  fortsetzen,  und  so  finden  wir  die  Reste  eines  grossen 
Bogens,  welcher  im  Westen  aus  dem  dinarischen  Zuge  bis  Kreta, 
im  Osten  aus  dem  Taurus  bis  Cypern  besteht,  in  der  Mitte  aber 
vollständig  eingebrochen  ist.  Diesen  nennen  wir  den  dinarisch- 
taurischen  Bogen.  Er  ist  nach  ähnlichem  Typus  gebaut  wie 
der  iranische  Bogen. 

Auf  diese  Weise  grenzt  sich  ein  neues  Gebiet  ab,  den 
Westen  und  Süden  der  Balkanhalbinsel  und  ganz  Kleinasien  um- 
fassend, und  so  erklärt  sich  die  fremdartige  Einschaltung  des  dina- 
rischen Zweiges  in  die  Alpen. 


Losung  der  wirbelförmigen  Anordnung.  6 30 

So  füg-t  sich  den  asiatischen  Bogen  ein  neuer  Bogen  an,  jenen 
Bauplan  wiederholend,  welchen  wir  nun  schon  so  oft  antrafen. 
Hochstetter  hat  das  bereits  im  Jahre  1876  geahnt.  Nach  Bespre- 
chung Iran's  und  Armenien's  sagt  derselbe:  ,Und  zum  dritten 
Male  trennen  sich  die  Gebirgsarme  in  die  Taurusketten  einerseits 
und  die  anatolischen  Randgebirge  andererseits,  um  auf  der  klein- 
asiatischen Halbinsel  abermals  ein  Steppenplateau  in  nochmals 
verkleinertem  Maassstabe  zu  umschliessen  —  die  anatolische  Salz- 
steppe.  So  sehen  wir  zweimal  in  verjüngtem  Maassstabe  die 
Grundconfiguration  Centralasien's  sich  in  den  vorderasiatischen 
Gebieten  wiederholen.*^^ 

Die  seitherigen  Erfahrungen  über  das  sehr  geringe  Alter  des 
ägäischen  Meeres  lassen  uns  nun  die  griechischen  an  die  anato- 
lischen Gebirge  schliessen,  und  im  Jahre  1879  schreibt  Neumayr 
nach  Beschreibung  der  Umbeugung  der  ostgriechischen  Falten : 
, .  .  .  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  werden  die  mehrfachen  im 
westlichen  Kleinasien  auftretenden,  OW,  streichenden  Ketten  da- 
mit in  Verbindung  zu  bringen  sein;  ja  die  Möglichkeit  ist  nicht 
ausgeschlossen,  dass  wir  es  mit  den  äussersten  Ausläufern  des 
kleinasiatischen  Taurus  zu  thun  haben. ''^ 

Lösung  der  wirbeiförmigen  Anordnung  der  Alpen. 
Die  eigenartige  Anordnung  der  einzelnen  Zweige  der  Alpen  ist 
entscheidend  für  den  Umriss  des  westlichen  Mittelmeeres  und  für 
die  Gestaltung  des  ganzen  südlichen  Europa.  Die  gleichsinnige 
tangentiale  Bewegung  kommt  insbesondere  im  Juragebirge,  in 
dem  Hauptstamme  der  Alpen  mit  den  Karpathen,  in  dem  ungari- 
schen Mittelgebirge,  in  dem  SO.  Rande  des  siebenbürgischen 
Erzgebirges  und  im  Apennin  zum  Ausdrucke.  Es  ist  aber  bereits 
S.  304  bemerkt  worden,  dass  die  Pyrenäen  in  einer  dem  Wirbel 
entgegengesetzten  Richtung  bewegt  sind,  und  der  dinarische  Zug 
blieb  dort  als  fremdartig  ausser  Betracht. 

Im  mittleren  und  westlichen  Asien  lassen  sich  ziemlich  deut- 
lich zwei  Gruppen  von  Gebirgszügen  unterscheiden,  nämlich  jene 
gegen  Süd  convexen  Züge,  welche  die  schaarenden  Bogen  bilden, 
und  nördlich  davon  andere  Züge,  welche  in  demselben  Sinne,  doch 
weit  weniger  convex  gebeugt  sind  und  welche  in  lange,  gerade 


640  Verbindung  der  Alpen  und  Tian-schan. 

Aeste  auslaufen.  Bald  vereinigen  sich  beide  Gruppen  durch  zwi- 
schenliegende Falten,  wie  O.  vom  Lob  Nor,  bald  tritt  ihr  Geg^en- 
satz  scharf  hervor,  wie  zwischen  dem  Kaschgargebirge  und  Tian- 
schan  oder  den  meskischen  Bergen  und  Kaukasus. 

Wenn  der  dinarische  Zug  in  der  That  einem  Theile  eines 
solchen  schaarenden  Bogens  entspricht,  dann  sollte  der  Haupt- 
stamm der  Alpen' sich  als  die  Fortsetzung  der  nördlichen  Züge, 
also  der  westlichen  Ausläufer  des  Tian-schan  erweisen. 

In  der  That  sehen  wir  zwei  Aeste  des  Tian-schan  nach  Europa 
reichen. 

Der  erste  ist  bezeichnet  durch  die  Linie  Alai,  Nura-tau, 
Scheich-Djeli,  Mangischlak  und  vielleicht  durch  das  Kohlengebirge 
am  Donetz  und  noch  weiter  in  NW.  liegende  Störungen. 

Der  zweite  zieht  vom  Paropamisus  durch  Kjurjan-dagh  und 
Kopet-dagh  zum  grossen  Baichan  und  den  Bergen  von  Krasno- 
wodsk,  dann  quer  über  das  kaspische  Meer  zum  Kaukasus.  Die 
sarmatischen  Antiklinalen  stellen  die  Verbindung  zwischen  dem 
Kaukasus  und  dem  Gebirgsfragmente  in  der  Krim  her;  dieses 
setzt  sich  höchst  wahrscheinlich  im  Balkan  fort,  und  nun  gelang-en 
wir  an  jene  überaus  heftige  Drehung  des  Streichens,  welche  von 
Etropol-Balkan  und  Berkowitza-Balkan  durch  das  Banater  Gebirg-e 
und  das  siebenbürgisch -rumänische  Grenzgebirge  zu  den  Kar- 
pathen,  endlich  zu  dem  Hauptstamme  der  Alpen  führt.  Dabei  tritt 
aber  die  merkwürdige  Erscheinung  ein,  dass  etwa  vom  Kaukasus 
an  die  tangentiale  Bewegung  nicht  gegen  Süd,  wie  in  den  asia- 
tischen Ketten,  sondern  gegen  Nord  gerichtet  ist,  dass  auch  die 
Convexität  der  alpinen  Bogen  sich  gegen  Nord  richtet,  und  dass 
an  dem  Nordrande  der  Karpathen  alle  Anzeichen  einer  weitgehen- 
den Ueberschiebung  über  zwei  verschieden  gebaute  Vorländer, 
die  russische  Tafel  und  die  Sudeten,  hervortreten. 

In  Indien  sahen  wir  die  Salzkette,  den  äusseren  Saum  der 
Ketten  des  Hindu  Kusch,  eingeklemmt  und  zweimal  S-förmig  quer 
auf  das  Streichen  geknickt.  Aehnliches  zeigt  in  weit  grösserem 
Maassstabe  die  Linie,  welche  vom  Balkan  zu  den  Alpen  führt. 
Es  ist,  als  würde  in  Asien  tangentiale  Bewegung  oder  Zusammen- 
schub fast  nur  in  der  Richtung  des  Meridian's,  hier  aber  auch 
in    der  Richtung    der  Parallelkreise   erfolgt   sein,    und    gerade 


Ural.  641 

hier    sind    die   Karpathen   so    auffallend    gegen    Nord    hinaus- 
gedrängt. 

So  scheint  sich  die  wirbeiförmige  Anordnung  der  Alpen  zu 
lösen.  Es  ist  aber  dermalen  kaum  möglich,  diese  Vergleiche  weiter 
auszudehnen.  Die  Pyrenäen  könnten  allerdings  als  eine  weitere 
Fortsetzung  des  nochmals  im  Streichen  geknickten  Hauptstammes 
der  Alpen  gelten,  und  in  der  That  erinnert  die  Richtung  und  die 
Haltung  des  Streichens  einigermassen  an  den  Kaukasus,  aber  es 
fehlt  dermalen  jede  Art  von  Nachweis  für  einen  solchen  Zusammen- 
hang. Der  Apennin  sammt  den  nordafrikanischen  Ketten  und 
der  betischen  Cordillere  zeigt  einige  entfernte  Aehnlichkeit  mit 
den  grossen  asiatischen  Bogen,  aber  der  Verlauf  dieser  Gebirge 
ist  sichtlich  durch  die  spanische  Meseta  beeinflusst. 

Ural,  Pae-choi  und  ihre  Vorlagen.  Weit  im  Osten,  jen- 
seits des  Balchasch,  setzt  sich  Tarbag-atai  in  dem  niedrigeren 
Tschingis-tau  fort,  und  es  hält  Muschketoff,  wie  ich  seinen  gütigen 
Mittheilungen  entnehme,  für  wahrscheinlich,  dass  S.  von  Karaka- 
linsk  eine  weitere  Falte  von  geringerer  Höhe  und  flachem  Rücken 
bestehe,  welche,  jener  des  Tarbag-atai  analog  und  mehr  als 
200  geogr.  Meilen  lang,  die  Aral-Irtysch -Wasserscheide  bildet. 
Eine  unmittelbare  Anschaarung  oder  ein  Anschmiegen  an  die 
uralische  Richtung  ist  jedoch  meines  Wissens  noch  nirgends  durch 
Beobachtung  erwiesen,  und  so  steht  vorläufig  der  Ural  den  vom 
Tian-schan  kommenden  Zügen  als  ein  fremdes  Element  gegenüber. 

Nichtsdestoweniger  gleicht  der  Bau  des  Ural  vollständig  jenem 
dieser  grossen  Züge.  Auch  hier  sind  zwei  lange  und  fast  gerade 
Aeste  vorhanden,  welche  an  einer  Anschwellung  des  Gebirges 
sich  zu  einem  einheitlichen,  flachen  Bogen  vereinigen ;  auch  hier 
ist  der  Bau  durchwegs  ein  einseitiger ;  es  ist  auch  die  tangentiale 
Bewegung  allenthalben  von  der  Innenseite  des  Bogens  gegen 
seine  Aussenseite  gerichtet,  und  es  begleiten  auch  ältere  Eruptiv- 
gesteine den  inneren  Rand. 

Die  Länge  der  gesammten  uralischen  Kette  beträgt  nicht 
weniger  als  2172  Breitegrade;  die  Anschwellung,  welche  zugleich 
die  Stelle  der  Beugung  ist,  liegt  in  der  Nähe  des  Berges  Pareko, 
etwa  zwischen  64°  30'  und  65°  nördl.  Br. ;  unfern  davon  befindet  sich 


642  Die  Mugodjaren. 

auch  die  Mehrzahl  der  hohen  Gipfel,  insbesondere  Töll-Poss,  5540 
Fuss  in  63°  54'.  Die  beiden  Aeste  des  Bogens  haben  ungleiche 
Länge.  Der  nördliche  Ast  streicht  erst  NNO.,  dann  NO.,  reicht 
nur  durch  372  Breitegrade,  nimmt  rasch  an  Höhe  ab  und  endet  in 
68''29'  in  dem  Konstantinow-Kamen.  Der  südliche  Ast  läuft  durch 
eine  sehr  lange  Strecke  in  der  Richtung  des  Meridian's,  spaltet 
sich  dann  in  drei  Aeste,  welche  einige  Ablenkung  geg-en  SSW. 
verrathen,  und  findet  seine  weitere  Fortsetzung  in  dem  aus  älteren 
krystallinischen  Felsarten,  dann  aus  Augitporphyr  und  anderen 
Eruptivgesteinen  bestehenden  meridionalen  Doppelzuge  der  Mu- 
godjaren. 

Cenomaner  Grünsandstein  liegt  flach  und  discordant  auf  ein- 
zelnen Theilen  der  Mugodjaren  und  zeigt  ihr  hohes  Alter  an.  Ein 
Rücken  von  solchem  flachgelagertem  cretacischem  Grünsandstein 
stellt  im  Quellgebiete  des  Tschassan,  wie  SewerzowundBorszczow 
gefunden  haben,  eine  orographische,  aber  allerdings  keine  tekto- 
nische  Verbindung  dieser  alten  niedrigen  Ketten  mit  der  horizontal 
geschichteten  Tafel  des  Ust-Urt  her,  und  diese  Verbindung-  ist  die 
Wasserscheide  zwischen  Aral  und  Kaspi.^** 

Die  ganze  Länge  des  südlichen  Astes  des  Ural  bis  an  den 
Ust-Urt  beträgt  1 8  Breitegrade. 

Nach  dem  über  die  Einseitigkeit  des  Ural  bereits  Gesagten 
ist  es  begreiflich,  dass  all'  die  Mineralschätze,  welche  dieses  Ge- 
birge so  berühmt  gemacht  haben,  seiner  Ostseite  angehören.  Den 
Westen  bilden  die  langen,  aus  paläozoischen  Ablagerungen  g-e- 
bildeten  Faltenzüge.  In  ihnen  ist  die  tangentiale  Bewegung  in 
solchem  Maasse  zum  Ausdrucke  gelangt,  dass  z.  B.  Karpinsky's 
Profile  beiläufig  aus  dem  51.  und  52.  Breitegrade  in  den  geg-en 
Ost  liegenden  Faltungen  bedeutende  Ueberfaltungen,  gestürzte 
Lagerung  und  widersinnische  Neigung  gegen  Ost  erkennen  lassen, 
und  dass  erst  weiter  gegen  W.  normale  Falten  folgen.  So  scheinen 
insbesondere  zwischen  den  Flüssen  Ika  und  Ulak  überstürzte 
Schuppen  vorhanden  zu  sein.  Diese  Ueberstürzung  setzt  sich 
durch  den  mittleren  Ural  fort,  und  ihre  Ausdehnung  erregte  schon 
vor  langer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  Murchison's.^^ 

Weiter  im  Norden,  zwischen  dem  56.  und  58.°  hat  Kar- 
pinsky  Steinkohlenflötze,   welche,    in   lange   meridionale   Falten 


Der  arktische  Ural.  643 

gelegt,  hier  bis  an  die  Ostseite  des  Gebirges  gelangen,  auf  grös- 
sere Strecken  in  Graphit  umgewandelt  angetroffen.  Die  beglei- 
tenden Reste  von  Pflanzen  beseitigen  jeden  Zweifel.  Es  ist  die- 
selbe Erscheinung,  welche  in  den  Ostalpen  durch  Toula  festgestellt 
wurde,  und  welche  als  eine  Folge  ausserordentlichen  Druckes  auf- 
zufassen ist.^° 

Jene  Theile  des  Ural,  welche  für  unsere  Vergleiche  von 
Wichtigkeit  sind,  liegen  aber  noch  viel  weiter  gegen  N.,  in  einem 
Gebiete,  in  welchem  ich  der  älteren,  aber  mustergiltigen  Darstel- 
lung E.  Hofmann's  folge.^* 

Hofmann's  Untersuchungen  umfassen  das  nördliche  Stück 
des  meridionalen  Ural's,  ferner  die  Beugung,  den  nördlichen  Ast 
bis  zum  Konstantinow-Kamen  und  die  nördlich  folgende  Kette 
Pae-choi  bis  zum  Meere.  In  60"*  50',  am  Tschowal,  ist  die  ganze, 
den  krystallinischen  Schiefern  zunächstliegende  Schichtreihe  wider- 
sinnig gegen  O.  unter  diese  Schiefer  geneigt,  und  diese  selbst 
fallen  gegen  Ost.  Es  ist  dieselbe  Ueberstürzung,  welche  wir  weit 
im  Süden  erwähnt  haben,  und  sie  zeigt  sich  wieder  an  der  Kolwa 
in  61"*  20',  an  der  Unja,  wo  die  Carbonschichten  unter  dem  Silur 
liegen,  und  am  Schtschugar;  überall  neigt  sich  die  Schichtfolge 
gegen  Ost,  während  am  Iltysch  vorliegende  Falten  mit  W.  und  O. 
Neigung  bekannt  sind.  Am  TöU-Poss  stehen  die  alten  Schiefer 
senkrecht  oder  neigen  sich  steil  gegen  W.  Zwischen  dem  63.  und 
64."  tritt  eine  grössere  Masse  von  Granitit  hervor  und  herrscht 
hier,  wo  das  Gebirge  breiter  geworden  ist,  in  seinem  östlichen 
Theile,  während  gegen  W.  Diorit  vorherrscht.  An  der  Stelle  der 
Beugung  scheinen  Granit  und  Gneiss  in  grösserer  Ausdehnung 
vorhanden  zu  sein.  In  der  Nähe  des  Pareko,  gleichsam  an  der 
Stirne  der  Beugung,  am  Westfusse  des  Hauptzuges,  sieht  man 
wieder  den  Talkschiefer  widersinnig  gegen  Ost  geneigt;  dasselbe 
gilt  für  die  gegen  die  westliche  Ebene  vorliegenden  paläozoischen 
Ablagerungen  und  ebenso  für  den  ganzen  Westrand  des  nun 
gegen  NNO.  abgehenden  nördlichen  Astes.  In  66"  30',  wo  das 
Gebirge  bogenförmig  aus  dem  Streichen  in  NNO.  gegen  NO. 
übergeht,  liegt  Serpentin  und  paläozoischer  Kalkstein  mit  der 
Neigung  gegen  Ost;  in  67"  und  öy""  30'  liegt  die  paläozoische 
Längenreihe  Jenga-Pae  vor  mit  gleicher  Neigimg  und  im  Pae- 


644  Konstantinow- Kamen.  Pae-choi. 

Putna-Jaha  in  67°  22'  neigt  sich  ebenso  fossilienreicher  Kohlen- 
kalk. Die  Berge  erheben  sich  hier  schroff,  mauerartig,  baumlos 
aus  der  ebenen  Tundra.  Endlich  ist  der  steile  Konstantino w- 
Kamen  in  68"  29'  erreicht.  Er  besteht  aus  grauem  Quarzit  und 
talk-  und  chloritähnlichem  Schiefer;  auf  seinem  Rücken  liegen 
Blöcke  von  rothem,  körnigem  Quarzit.  Die  Neigung  seiner  Schich- 
ten ist  gegen  SO.  Von  drei  Seiten  umgeben  ihn  flache  Tundra- 
See'n;  nur  30  bis  35  Kilom.  weit  liegt  das  Meer. 

Dies  ist  das  scharf  ausgeprägte  N.  Ende  des  Ural.  Der 
SW. — NO.  streichende  Parallelzug  Paemboi  liegt  ihm  in  68°  vor. 
Das  vorherrschende  Ostfallen  auf  der  ganzen  beobachteten  Strecke 
von  60°  50'  bis  68"^  29'  stellt  aber  die  Thatsache  fest,  dass  in  dem 
nördlichen  Ural,  gerade  so  wie  in  dem  mittleren  und  südlichen 
Ural,  die  tangentiale  Bewegung  eine  so  bedeutende  gewesen  ist, 
dass  ganze  Zonen  des  Gebirges  in  der  Richtung  %^%^n  Europa 
überstürzt  worden  sind.  Diese  Ueberstürzung  zeigt  sich  aber  im 
Ural  nicht  an  dem  Aussenrande,  sondern  vielmehr  dort,  wo  die 
tiefste  Unterlage  hervortritt.  — 

Jenseits  des  Konstantinow-Kamen  beginnt  ein  anderes  Ge- 
birge. Aus  der  nördlich  vorliegenden  Tundra  erheben  sich  hinter- 
einander felsige,  aus  altem  Schiefer  bestehende  Hügelreihen, 
welche  von  OSO.  nach  WNW.  gestreckt  sind,  also  eine  geg-en 
den  Ural  fast  senkrechte  Richtung  verfolgen.  Ihre  Höhe  übersteigt 
kaum  um  150  Fuss  jene  der  Tundra,  und  sie  streichen  an  die 
Mündung  des  Oi-Jaha.  Westlich  von  diesen. und  von  dem  Kon- 
stantinow-Kamen erhebt  sich  mit  gleichem  Streichen  gegen  WNW. 
ein  bedeutenderer  Höhenzug,  der  Jodenei,  und  dieser  bezeichnet 
den  Anfang  des  Hauptzuges  der  Kette  Pae-choi.  Ihr  Streichen 
wendet  sich  bald  aus  WNW.  mehr  und  mehr  gegen  NW.  und 
bildet  mit  senkrechten  Schichten  den  Siwa-Pae  im  Jugor'schen 
Schar,  welcher  hier  nur  3  Kilom.  breit  ist.  Die  Gesteine  scheinen 
ziemlich  dieselben  zu  sein. 

Nun  übersetzt  der  Pae-choi  die  Meerenge,  streicht  quer  durch 
die  Insel  Waigatz  und  setzt  sich  auf  Nowaja  Semlä  fort.  Dies 
ist  durch  H.  Höfer,  den  Begleiter  Wilczek's,  ausser  Zweifel  gesetzt.^- 

Nowaja  Semlä,  sagt  Höfer,  ist  ein  Kammgebirge,  welches 
von  72''  bis  75''  30'  nördl.  Br.  von  SSW.  nach  NNO.  streicht  und 


Nowaja-Semla.  Timan.  645 

zwischen  73°  und  74°  seine  grösste  Erhebung  erreicht.  Vom  Pa- 
rallel 75°  30'  biegt  die  Kammlinie  scharf  nach  ONO.  um  und 
nimmt  an  Höhe  ab;  ebenso  biegt  sich  der  Endrücken  unterhalb 
des  72.°  gegen  SO.  und  verflacht  daselbst  ziemlich  rasch.  Ueber- 
einstimmend  mit  dieser  verschiedenen  Richtung  der  Kammlinie 

ist  auch  das  Streichen  der  Gesteine  und  der  Verlauf  der  Küsten. 

> 

Silur,  Devon  und  Kohlenkalk  sind  bekannt ;  Augitporphyr  ist  in 
dem  SW.  Theile  der  Insel  den  paläozoischen  Ablagerungen  ein- 
geschaltet. 

Die  ganze  Insel  ist  nach  Höfer  einseitig  gebaut,  da  aber  auch 
hier  längs  der  Westküste  sehr  vorwaltend  östliche  Neigung  der 
Schichten  angegeben  ist  und  Höfer  sogar  das  landeinwärts  ge- 
richtete Verflachen  an  dieser  Küste  als  bezeichnend  hervorhebt, 
gewinnt  es  den  Anschein,  als  würde  die  Ueberfaltung  des  Ural 
sich  auch  auf  diesem  Bogen  geltend  machen. 

Der  Jugor'sche  Schar,  die  Karische  Strasse  und  Matotschkin- 
Schar  sind  also  Querfurchen,  wie  die  Strasse  von  Gibraltar.  Sie 
durchqueren  einen  einheitlichen  Gebirgsbogen,  welcher  am  Jodenei 
beginnt  und  in  der  Tundra  vor  dem  Konstantinow-Kamen  dem 
nördlichen  Ural  und  seiner  Vorkette  Paemboi  in  Schaarung  be- 
gegnet. — 

Die  meridionale  Hauptkette  des  Ural  ist  gegen  W.  von  zahl- 
reichen Parallelketten  begleitet,  welche  als  ,Parma*  bezeichnet 
werden;  so  unterscheidet  man  die  hohe  Parma,  Idschid- Parma 
u.  And.  Diese  Parma  sind,  so  weit  sie  bekannt  geworden  sind, 
vorliegende  Falten,  welche  die  Abnahme  der  Faltung  gegen  die 
Ebene  bezeugen  und  nur  vor  solchen  Gebirgen  erscheinen  können, 
denen  ein  ihnen  gleichartiges  Land  vorliegt.  Würde  fremdes 
Tafelland  vorliegen,  so  gäbe  es  keine  Parma. 

Den  besten  Beweis  für  die  Einheit  des  gefalteten  Ural  und 
der  vorliegenden  Platte  gibt  aber  eine  eigenartige  Erscheinung, 
welche  volle  Aufmerksamkeit  verdient. 

Beiläufig  in  öo""  nördl.  Br.,  am  Poljudow-Kamen  bei  Tscher- 
dyn,  geht  vom  Ural  ein  langer  Rücken  aus,  welcher  bis  über  den 
Polarkreis  hinausreicht;  es  ist  das  Timangebirge.  Zuerst  streicht 
es  gegen  NW.,  rasch  sich  vom  Ural  entfernend,  hierauf  gegen  N. 
Es  umgrenzt  mit  dem  Ural  das  Flussgebiet  der  Petschora.    Alter 


646  I^ic  Tschesskajabucht. 

Thonschiefer  tritt  an  mehreren  Punkten  hervor;  von  den  paläo- 
zoischen Ablagerungen  erreicht  das  Devon  die  grösste  Ausbrei- 
tung. Der  höchste  Theil  übersteigt  nicht  850  Fuss.  Keyserling 
hat  zuerst  seine  Bedeutung  erkannt;  Schrenk  und  Stukenberg 
haben  es  genauer  beschrieben.^^ 

Jenseits  des  Polarkreises,  in  der  Nähe  der  Wasserscheide 
zwischen  den  Flüssen  Sula  und  Wolonga,  nimmt  dieser  lange  Zug 
schärfere  Umrisse  an,  biegt  plötzlich  gegen  NW.  ab  und  erreicht 
in  dem  NO.  Theile  der  Tschesskajabucht  das  Meer.  Es  ist  eine 
Antiklinale.  Ihre  Axe  besteht  aus  Granit;  zu  beiden  Seiten  folgt 
Thonschiefer,  etwas  Silur  und  in  grösserer  Breite  das  Carbon ; 
eine  grosse  Doleritlage  ist  den  paläozoischen  Schichten  einge- 
lagert. Diese  Gesteine  bilden  Cap  Rumänischni,  Barmin  und 
Tschaizyn.  Das  weit  vorspringende  Swjatoi  Noss  ist  der  Kohlen- 
kalk des  N.  Schenkels.  Diesem  liegt  landeinwärts  eine  Scholle 
des  Inoceramenthones  von  Simbirsk  auf,  zum  Zeugnisse  für  das 
Alter  dieses  Gebirgstheiles.  Nach  den  Angaben  des  Botanikers 
Ruprecht  setzt  sich  dieses  selbe  Gebirge  quer  durch  die  Halbinsel 
Kanin  von  Cap  Mikulkin  bis  Kanin  Noss  fort.^* 

Mit  vollem   Rechte   betont  Stukenberg,    dass,    obwohl    der 
lange  Timan'sche  Rücken  dem  Ural  durchaus  nicht  parallel   ist, 
doch  der  Verlauf  des  jenseits  der  Beugung  liegenden  Stückes  sehr 
genau  jenem  des  Pae-choi  entspricht.  In  der  That  lässt  sich  kaum 
verkennen,  dass  die  Beugung  an  der  Sula  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  als  eine  Wiederholung  der  Schaarung  von  Ural  und  Pae- 
choi  angesehen  werden  kann,  und  abermals  sehen  wir  in  grossem 
Maassstabe    eine  Wiederholung  von  Linien,    wie  sie  etwa    das 
Tertiärland  am  Jhelum  darbot.    An  den  Ufern  des  Eismeeres  er- 
scheinen dieselben  Grundzüge  des  Gebirgsbaues  wie  in  dem  son- 
nigen Tief  lande  des  Indus,  und  die  grossen  Faltenzüge  entwickelten 
sich  hier  vor  dem  oberen  Theile  der  Juraformation,  dort  noch  nach 
dem  Obertertiär  auf  ähnliche  Weise.    Die  Richtung  ist  allerdings 
eine  gänzlich  verschiedene.    Während  wir  von  Kleinasien  bis  an 
die   Sunda -Inseln   eine   trotz   aller   örtlichen   Ablenkungen    doch 
vorherrschend  nach  Süd  gerichtete  tangentiale  Bewegung  wahr- 
nahmen,  ist  dieselbe  im  Ural  gegen  West,    im   Pae-choi   sogar 
gegen  Nordwest  gerichtet. 


Eingebrochene  Gebirgsbogcn.  647 

Ueb ersieht.  Fünf  grosse,  gegen  Süd  gewendete  Bogen 
reihen  sich  quer  über  den  Continent  an  einander,  nämlich  der 
malayische  Bogen,  jener  des  Himalaya,  der  zerdrückte  äussere 
Bogen  des  Hindu  Kusch,  der  iranische  und  der  dinarisch-taurische 
Bogen.  An  diese  schliesst  sich  mit  einigermassen  verschiedenen 
Merkmalen  jener  Bogen,  welcher  das  westliche  Mittelmeer  umfasst. 

Diese  Bogen  scheiden  das  Tafelland  von  Nordafrika  und 
Arabien  und  jenes  der  indischen  Halbinsel  ab  von  den  gefalteten 
Gebieten  im  Norden.  Der  malayische  Bogen,  vielleicht  auch  jener 
des  Himalaya,  umschliessen  Stücke  von  Tafelland. 

Da  diese  Bogen  wesentlich  mehr  gegen  Süd  gekrümmt  sind 
als  die  nördlich  folgenden  Faltenzüge,  werden  mehrere  Kreis- 
abschnitte umgrenzt,  von  welchen  einige  Hochländer  sind,  andere 
aber  sind  eingestürzt  und  zum  Theile  vom  Meere  bedeckt.  Nur  in 
dem  Bogen  des  Hindu  Kusch  tritt  so  beträchtliche  Verengung  gegen 
Süd  ein,  dass  die  Gestaltung  der  Oberfläche  eine  abweichende  ist. 

Wo  Hochländer  umgrenzt  werden,  sind  abflusslose  Gebiete 
vorhanden,  so  innerhalb  des  Bogens  des  Himalaya,  des  iranischen 
und  der  östlichen  Hälfte  des  dinarisch  -  taurischen  Zuges.  Sie 
nehmen  gegen  West  beträchtlich  an  Ausdehnung  ab. 

Der  malayische  Bogen  und  sein  Hinterland  sind  eingebrochen 
und  ebenso  ist  es  der  Fall  in  der  Mitte  des  dinarisch-taurischen 
Bogens.  In  beiden  Fällen  zeigen  sich  innerhalb  der  Einbrüche 
jene  sonderbaren,  chiragratischen  Formen  wie  Celebes  und  Hal- 
mahera, Chalkidike  und  Morea.  Wir  wissen  durch  Neumayr  und 
Burgerstein,  dass  jede  der  drei  Halbinseln  der  Chalkidike  einen 
anderen  Bau  besitzt.  Hagion  Oros  ist  eine  quergebrochene  Anti- 
klinale von  krystallinischem  Schiefer  und  Kalkstein ;  Longros  ist 
Gneiss;  Kassandra  ist  tertiäres  Land.  Dies  zeigt,  dass  die  Um- 
risse von  der  Beschaffenheit  der  Oberfläche  unabhängig  und  durch 
Einsturz  bedingt  sind. 

An  dem  Aussenrande  der  meisten  dieser  Bogen,  von  Burma 
bis  in  das  Mittelmeer  sind  mitteltertiäre  Schichten  in  gefaltetem 
oder  überfaltetem  Zustande  bekannt.  An  der  Küste  von  Makrän 
liegen  jüngere  Meeresschichten  discordant  und  horizontal.  — 

Die  Falten  des  Tian-schan  streichen  nördlich  von  diesen  Bogen 
gegen  Europa.    Der  Paropamisus  zieht  durch  den  Kaukasus  zum 

Suesi,  Das  Antlitz  drr  Erde.  i2 


648 


Geringes  Alter  der  asiatischen  Faltungen. 


Balkan  und  den  Karpathen;  heftige  Beugungen  des  Streichens 
treten  ein;  die  Faltung  ist  statt  nach  Süd  hier  gegen  Nord  ge- 
richtet; es  ist  als  würde  der  Bogen  der  Karpathen  nordwärts 
hinausgedrängt  über  die  russische  Tafel  und  die  Sudeten. 

Der  Nura-tau  setzt  sich  durch  Scheich-Djeli  nach  Mangischlak 
und  gegen  den  Donetz  fort. 

Diese  Anordnung  prägt  sich  in  dem  Umrisse  des  kaspischen 
Meeres  aus,  denn  der  südliche  Umriss  desselben  wird  von  den  ira- 
nischen Bogen,  dem  Alburs,  bedingt,  die  Halbinseln  Krasnowodsk- 
Apscheron  entsprechen  dem  Verlaufe  des  ersten,  jene  von  Man- 
gischlak dem  zweiten  der  eben  angeführten  Aeste  des  Tian-schan. 
Das  k^spische  Meer  ist,  wie  wir  an  früherer  Stelle  sahen,  ein  ur- 
alter Rest,  der  Pontus  aber  ist  sehr  junger  Einbruch,  und  es  ist  nicht 
ganz  ohne  Bedeutung,  dass  in  dem  Umrisse  des  Kaspi  der  Verlauf 
der  Falten  zum  Ausdrucke  gelangt,  während  der  Umriss  des 
Pontus  diesen  Verlauf  nicht  erkennen  lässt.  Das  ägäische  Meer  ist 
quer  auf  die  griechischen  Faltungen  eingebrochen,  die  äusseren 
Bogen  aber  treten  in  den  Umrissen  von  Kreta  und  Cypern  hervor. 

So  wie  in  dem  Aussenrande  der  Alpen  und  der  Karpathen 
mitteltertiäre  Schichten  Zeugniss  geben  von  der  Fortdauer  der 
tangentialen  Bewegungen  bis  in  diese  Zeit,  ist  dies  auch  weiter 
im  Osten  der  Fall.  In  Slavonien  sind  sogar  die  Paludinenschichten 
der  levantinischen  Stufe  aufgerichtet ;  in  Kertsch  nehmen  die  sar- 
matischen,  wahrscheinlich  auch  die  pontischen  Ablagerungen  an 
der  Faltung  theil;  im  östlichen  Kaukasus  finden  sich  sarmatische 
Schichten  in  sehr  bedeutenden  Höhen  und  bilden  die  Falten 
N.  von  Wladikawkas.  Aber  auch  noch  viel  weiter  im  Osten  kennt 
man  an  dem  Südrande  des  Tian-schan  gegen  die  Niederung-  von 
Kaschgar  durch  Stoliczka  die  widersinnig  geneigte,  wahrschein- 
lich mitteltertiäre  Artush-Series,  und  Muschketoff  hat,  wie  der- 
selbe mir  freundlichst  mittheilt,  solche  Tertiärablagerungen  im 
Tian-schan  i  o —  1 1 .000  Fuss  hoch  angetroffen,  so  an  dem  Tschatyr- 
kul  und  bei  dem  Passe  Taimurum.  Sie  reichen  über  den  Alai  und 
Suok  nach  Ferghana  und  Turkestan  in  der  Gestalt  von  rothem 
Conglomerat  und  Sandstein.  — 

Wie  sich  hieraus  ergibt,  haben  seit  der  mittleren  Tertiärzeit 
und  bis  in  noch  jüngere  Zeitläufte  herauf  beträchtliche  tangentiale 


Höheres  Alter  von  Matschin  und  Ural.  649 

Bewegungen  stattgefunden,  welche  einen  mitten  durch  Europa 
und  Asien  ausgebreiteten  Meeresboden  in  Falten  gelegt  haben, 
während  das  Tafelland  im  Süden  diesen  Bewegungen  ebenso  fremd 
geblieben  ist  wie  die  Horste  und  die  alten  Bruchstücke  des  mitt- 
leren und  westlichen  Europa.  Diese  letzteren  sind  zwar  auch 
gegen  NW.,  N.  oder  NO.  bewegt  worden,  und  diese  Bewegung 
kommt  insbesondere  in  dem  belgischen  Kohlengebiete  zum  Aus- 
drucke, aber  die  Faltung  der  Alpen  vollzieht  sich  in  selbständiger 
Weise  und  wird  durch  ihre  Umrisse  gestaut  und  abgelenkt. 

Abweichend  ist  das  Verhalten  des  vereinzelten  Gebirgsstückes 
von  Matschin  an  der  Donau.  Der  obere  Jura  und  das  Ceno- 
man  liegen  flach  aut  seinen  aufgerichteten  Schichten.  Ein  Zu- 
sammenhang mit  den  langen,  eben  besprochenen  Faltungen  ist 
nicht  erkennbar. 

Ebenso  abweichend  in  Alter  und  Richtung  ist  der  Ural 
sammt  dem  Pae-choi  bis  Wajgatz  und  Nowaja-Semlä  und  das 
Timangebirge  mit  Kanin.  Auch  hier  sind  schaarende  Bogen  vor- 
handen, aber  der  obere  Jura  liegt  flach  an  den  Abhängen  des 
Ural  und  das  Cenoman  findet  sich  flachgelagert  auf  den  Höhen 
der  Mugodjaren. 


42* 


Anmerkungen  zu  Absctinitt  VIII:  Die  Beziehungen  der  Alpen 

zu  den  asiatisctien  Gebirgen. 


»  Die  Orthographie  der  Ortsnamen,  welche  in  dem  vorhergehenden  Abschnitte  ge- 
wählt wurde,  um  der  englischen  Literatur  zu  entsprechen,  welche  demselben  vorwiegend 
zu  Grunde  liegt,  ist  hier,  wo  es  sich  vorzüglich  um  russische  und  deutsche  Quellen  han- 
delt, nicht  mehr  angewendet.  Ich  anerkenne  die  Ungleichartigkeit,  welche  hieraus  her- 
vorgeht, habe  aber  kein  Mittel  gefunden,  um  sie  zu  vermeiden,  und  verweise  auf  Bull. 
Acad.  P^tersb.  l86i,  p.  158 — 175.  Ferner  habe  ich  es  zur  Vermeidung  von  Miss  Verständ- 
nissen für  unerlässlich  gehalten,  den  vulcanischen  Gipfel  des  Kaukasus  £lbrus,  dagegen 
die  nord-iranische  Gebirgskette  Alburs  zu  nennen.  —  Das  Kärtchen  Nr.  V  jjibt  in 
rohen  schematischen  Linien  einige  der  wichtigsten  Streichungsrichtungen  der  asiatisch- 
europäischen Gebirgszüge  an.  Es  soll  zeigen,  in  welcher  Weise  beiläufig  der  älteste  Um- 
riss  des  Mittelmeeres  (I,  I),  dann  das  sarmatische  Meer  und  die  letzten  Einbrüche  sich 
zu  diesen  Linien  verhalten.  Man  bemerkt  die  Bedeutung  des  Umrisses  des  dreigetheilten 
Kaspi  und  die  Lage  des  sarmatischen  Meeres  ausserhalb  des  ägäischen  Einbruches.  Der 
Ural  wurde  nicht  eingezeichnet,  um  den  Ueberblick  der  Aeste  des  Tian-schan  nicht  zu 
beirren,  welche  ohnehin  durch  die  Projection  verzerrt  sind.  Die  taurisch  -  iranische 
Schaarung  ist  nur  in  wenigen  Zügen  angedeutet;  sie  ist  zu  sehr  durch  vulcanische  Bil- 
dungen überdeckt. 

*  Dieses  hier  vollinhaltlich  mitgetheilte  Schreiben  hat  Prof.  Muschketoff  die 
Güte  gehabt,  bereits  im  J.  1881,  nicht  lange  nach  seiner  damaligen  Rückkehr  an  mich  zu 
richten;  in  der  letzten  Zeit  habe  ich  das  Vergnügen  gehabt,  noch  weitere,  ausfuhrlichere 
Nachrichten  über  dieses  grosse  Hochgebirge  zu  erhalten,  welche  dessen  im  Drucke  be- 
findliches Werk  über  Turkestan  enthalten  wird;  sie  sind  mir  eine  reiche  Belehrung  gewesen 
und  wurden  bei  der  Abfassung  einzelner  der  nachfolgenden  Stellen  benützt. 

3  N.  Barbot  de  Marny,  Brief  im  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1875,  S.  858 — 861;  den 
Kalk-Pistazit-Schiefer  vom  Scheich-Djeli  beschreibt  Inostranzeff  in  d.  Verh.  russ.  Min. 
Gesellsch.  1874,  2.  ser.  IX,  S.  88—92. 

4  Barbot  am  ang.  O.  S.  859;  auch  G.  v.  Helmersen,  Notiz  üb.  d.  Berge  Ak- 
tau  u.  Kara-tau  auf  der  Halbinsel  Mangyschlak;  Bull.  Acad.  P^tersb.  1870,  XIV,  p.  529 
— 535;  E.  V.  Eichwald,  Geogn.-pal.  Bemerkungen  üb.  d.  Halbinsel  Mangischlak  und  die 
Aleut.  Inseln,  8°  Petersb.  1871. 

5  A.  Karpinsky,  Bemerkungen  üb.  d.  Charakter  der  Dislocationen  der  Felsarten 
in  d.  S.  Hälfte  des  europ.  Russland;  Gornoi  Journ.  i883,  S.  434—445  u.  Taf.  Der  Autor 
zählt  auch  die  Gruppe  der  Bogdo-Berge  in  diese  Zone. 

6  G.  Sievers,  Die  russ.  militär.  Expedition  nach  d.  alten  Oxus- Bette,  dem 
Kjurjandagh-Gebirge  u.  d.  Atrek-Thale,  August  bis  Dec.   1872;    Petermann's  Geogr.   Mitth. 

,  1873,  XIX,  S.  287 — 292.     Ich   verweise   für   das   Baichangebirge   überhaupt   auf    die    dieser 
Abhandlung  beigegebene  schöne  Karte  Taf.  XV. 

7  Fr.  v.  Koschkul,  Bericht  üb.  d.  geol.  Arbeiten,  vorgenommen  vom  Nov.  1869 
bis   Mürz    1870   in   der   Umgeb.  d.  Krasnowodsk.  Busens  u.  der  Insel   Tscheieken;    Iswest 


Anm.  EU  Th.  II,  Abschn.  VIII.  Die  Beziehungen  d.  Alpen  z.  d.  asiat.  Gebirgen.      65  I 

geogr.  Ges.  1870,  VI,  S.  181 — 21 3,  Taf.;  E.  Tietze,  Ucb.  einen  kurzen  Ausflug  nach 
Krasnowodsk  im  W.  Turkestan;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1877,  XXVII,  S.  i — 6;  A.  Kon- 
schin,  Beschreib,  d.  Erdwachs-  u.  Naftalagerstatten  d.  transkasp.  Gebietes;  Gomoi  Joum. 
1883,  a,  S.  134—150,  Taf. 

8  Das  Hauptwerk  ist:  H.  Abich,  Vergleich,  geol.  Grundzüge  der  kaukas.-armeu. 
u.  nordpersisch.  Gebirge,  Prodromus  einer  Geol.  d.  kaukas.  Länder;  M^m.  Ac.  Pötersb. 
1858,  6.  s6r.  VII,  p.  361—365  u.  Taf. 

9  Em.  Favre,  Rech.  g^ol.  dans  la  partie  centr.  de  la  Chafne  du  Caucase;  40  Genf, 
1875,   '^7  PP'»  Karte  u.  Prof.;  Entst.  d.  Alpen,  S.  47;  vgl.  oben  S.  180. 

«o  F.  Koschkul  im  Gomoi  Joum.  1879,  c,  Taf.  IX. 

"  H.  Abich,  Verzeichn.  einer  Sammlung  von  Versteinerungen  von  Daghestan  mit 
Erläut.;  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  185 1,  III,  S.  15 — 48,  und:  Sur  la  Structure  et  la 
Geologie  du  Daghestan;  M6m.  Ac.  P^tersb.  1862,  7.  s6r.  IV,  p.  10,   12. 

»2  Ders.  Vergl.  geol.  Gmndzüge,  S.  459;  Favre  erklärt  die  Umstürzung  als  Folge 
einer  grossen  Einsenkung  im  Süden;  am  ang.  Orte  p.  71. 

>3  Ders.  Einleit.  Gmndzüge  der  Geol.  der  Halbinseln  Kertsch  u.  Taman;  M^m. 
Acad.  Petersb.  1865,  7.  s6r.  IX,  p.  i — 80,  Taf.  u.  dess.  Karten  u.  Profile  zur  Geol.  d. 
Halbinseln  Kertsch  u.  Taman,  Tiflis,   1866. 

M  E.  Favre,  ttude  stratigr.  de  la  Partie  S.  O.  de  la  Crim^;  4«  Genf,  1877, 
71  pp.,  Karte;  AI.  Lagorio,  Vergl.  petrogr.  Studien  üb.  die  massigen  Gesteine  der  Krym; 
8°  Doqjat,  1880,  insb.  S.  16 — 26;  für  den  Zusammenhang  mit  dem  Balkan:  T.  Sgratt, 
Compar.  of  the  Geol.  Features  of  Bulgaria  and  the  Crimea  (in:  Geol.  of  Varna);  Quart. 
Joum.  geol.  Soc.  1857,  XIII,  p.  79,  80. 

15  T.  Spratt,  On  the  Freshwat.  Deposits  of  Bessarabia,  Mold.,  Wall,  and  Bulgaria; 
Quart.  Joum.  Geol.  Soc.  1860,  XVI,  insb.  p.  290—292;  K.  F.  Peters,  Grundlinien  z. 
Geogr.  u.  Geol.  der  Dobradscha;  Denkschr.  Akad.  Wien,  1867,  XXVII,  S.  3 — 64  u.  145 
— 207,  Karte;  ferner  dess.:  Die  Donau  und  ihr  Gebiet;  8°  1876,  S.  334-342. 

»6  T.  Spratt,  Remarks  on  Serpent  Island;  Joum.  geogr.  Soc.  Lond.  1857,  XXVII, 
p.  220 — 224.  Ich  gestehe,  über  die  Natur  der  Felsart,  aus  welcher  diese  Insel  besteht, 
nicht  zu  einem  bestimmten  Urtheile  gelangt  zu  sein.  Spratt  sagt,  es  scheine  ein  Aus- 
läufer des  Schiefergebirges  der  Dobmdscha  zu  sein,  bestehend  aus  kieselreichen  Bänken 
mit  grossen  Krystallen  von  Quarz,  zuweilen  übergehend  in  rothen  Jaspis,  die  Bänke  ge- 
trennt durch  dünne  schiefrige  Lagen  und  geneigt  100 — 200  gegen  O.  Die  Insel  ist 
i3o  Fuss  hoch. 

17  Als  die  Hauptwerke  sind  zu  nennen:  J.  Meschendörfer,  Die  Gebirgsarten  im 
Burzcnlande;  Verhandl.  u.  Mittheil.  d.  siebenbürg.  Vereins  f.  Naturwiss.  1860,  XI,  S.  236 
— 249  u.  255 — 287;  F.  Ritt.  V.  Hauer  u.  G.  Stäche:  Geologie  Siebenbürgen's,  8°  i863, 
Karte;  F.  Herb  ich.  Das  Sz6klcrland,  8"  1878,  Karte  (auch:  Mitth.  k.  ungar.  geol.  An- 
stalt, V,  Heft  2);  Stefanescu's  Angaben  im  Annuar.  Biur.  geol.  Bucuresci,  1884,  I,  insb. 
S.  17,  18  u.  47—63. 

»**  Diese  wichtige  Beobachtung  ist  seither  veröffentlicht  in  B.  v.  Inkey:  Geo- 
tektonische  Skizze  der  W,  Hälfte  des  ungar.-mm.Hn.  Grenzgebirges;  Földt.  Közl.  1884, 
XIV,  S.  116— 121. 

'9  Hauer  u.  Stäche  am  ang.  Orte,  S.  264,  265. 

-o  G.  Primi  CS,  Die  geol.  Verhältnisse  d.  Fogarascher  Alpen  u.  des  benachbart, 
rumän.  Gebirges;  Mitth.  aus  d.  Jahrb.  d.  k.  ungar.  geol.  Anstalt,  1884,  VI,  S.  283 — 3l5, 
Karte;  auch  S.  Stefanescu,  Mem.  rel.  la  Geol.  Judet.  Argesiu;  Ann.  Biur.  geol. 
Bucurcsci,   1884,  Nr.  2,  p.  115—147. 

^'  Im  N.  gehört  hieher  der  petrefactenreiche  Punkt  Porcsesd  am  Eingange  des  Alt 
in  das  Querthal;  im  S.  h.it  S.  Stefanescu  bei  Salatraca,  O.  vom  Ausgange  des  Alt, 
Nummuliten  gefunden. 

2^  M.  M.  Dräghicenu,  Carta  geol.  a  Judet.  Mehedinti ;  kl.  fol.  1882. 


.^MAiMriAl 


65  2      Anna,  zu  Th.  11,  Abschn.  VIII.  Die  Beziehungen  d,  Alpen  z.  d.  asiat«  Gebirgen. 

2J  S.  A.  W.  Frcih.  v.  Herder,  Bergmann.  Reise  in  Serbien,  8^    1846,    S.  43   u. 
E.  Tietze,  Geol.  Notizen  aus  d.  NO.  Serbien;   Jahrb.  geol.  ReichsansL  1870,   XX,  S 

24  Th.  Andr^e,  Die  Umgeb.  v.  Majdan-Kucaina  in  Serbien;  Jahrb.  geol.  Reich 
1880,  XXX,  S.  12,  Taf.  I. 

25  NW.  von  Zajcar,  bei  Gamsigrad,  ist  wieder  Kalkstein,  aber  eine  breite 
Masse,  welche  Herder  längs  des  kleinen  Timok  fand,  lässt  vermuthen,  dass  hier  der  j 
zug  gespalten  ist  und  ein  neuer  archaischer  Streifen  hervortritt.  —  Dass  d;vs  Porecka 
SO.  von  Milanowetz  von  einem  NS.  streichenden  Kalkzuge  begleitet  ist,  haben  Herdei 
Tietze  gezeigt.  —  Der  hohe  Rücken  des  Strbatz  O.  von  Mosna  kann  als  eine  Fortüe 
der  rumänischen  Bogen  gelten;  er  besteht  aus  Glimmerschiefer;  auf  seinem  Kamme 
Kalkstein  sein.  —  Noch  in  der  Niederung  W.  von  Brsa  Palanka  erwähnt  Herder  Glin 
schiefer,  aber  auf  dem  Wege  von  Negotin  zum  Gebirge  nur  den  ,söhligen  Muschel 
stein',  offenbar  die  sarmatischen  Schichten. 

26  Die  Grundzüge  des  Bogens  treten  schon  ziemlich  deutlich  hervor  aus  Toi 
Geol.  Uebers.-Karte  der  Balkan-Halbinsel;  Petermann's  Geogr.  Mitth.  1882,   Taf.  XVI. 

«7  G.  V.  Rath,  Vortr.  u.  Mitth.;  aus  d.  Sitzungsber.  d.  Nied.  Rhein.  G< 
Natur-  u.  Heilkunde  zu  Bonn,  Sitz.  v.  i3.  Jan.  1879;  S.  89. 

28  In  früheren  Abzügen  ist  auf  diesem  Kärtchen  durch  ein  Versehen  die  L.ag< 
beiden  Ortschaften  Moravicza  und  Dognacska  vertauscht  gewesen. 

29  J.  Kudernatsch,   Geol.  d.  Banater  Gebirgszuges;   Sitzungsb.  Akad.  Wien, 
XXIII,   S.  40  u.  folg.;   J.  Böckh,   Geol.  Notz.  von  d.  Aufnahme  d.  J.   1881   im   Con 
Krass6-Szöreny;  Jahresber.  d.  k.  ung.  Geol.  Anstalt  f.   1881,  S.  8;  F.  v.   Hauer,   ICo 
vorkomm.  v.  Berszaszka;  Verh.  geol.  Reichsanst.   1870,  S.   167,   168;    E.  Tietze,    Ge< 
pal.   Mitth.   aus    d.   S.  Theile    des   Banater  Gebirgsstockes;    Jahrb.   geol.  Reichsanst. 

XX,  s.  94—99. 

30  Insb.  F.  Toula,  Grundlinien  d.  Geol.  d.  westlich.  Balkan;  Denkschr.  J 
Wien,  1882,  XLIV,  S.  1—58  u.  Karte;  Geol.  Untersuch,  im  westl.  Theile  d.  Balkai 
von  Pirot  nach  Sofia,  Sitzungsber.  Ak.  Wien,  i883,  LXXXVHI,  S.  1279— 1348  u.  K 
und  für  weiter  gegen  O.  liegende  Theile  des  Balkan  dess.  Vorbericht  im  Anzeijj.  J 
Wien,  23.  Oct.  1884,  S.  197 — 202;  ferner:  J.  M.  Zujovic,  Materialien  für  d.  Gc< 
Königr.  Serbien;  I.  Beitr.  z.  Geol.  d.  SO.  Serbien  (in  serb.  Sprache);  80  Bei 
1884,  Karte. 

3«  ,Dieser  Zug  von  Kreidegesteinen  ist  es,  welcher  in  der  Richtung  von  SO.  j 
NW.  aus  Bulgarien,  durch  das  östliche  Serbien,  das  Land  O.  von  der,  die  westliche  G 
scheide  bildenden  unteren  Morawa,  bis  an  die  Donau  streicht  und  dort  den  Ansc 
findet  an  den  östlichen  Sedimentzug  der  Banater  Gebirge,  wie  dies  schon  aus  der 
Stellung,  welche  Bou6  auf  seiner  Mscpt.-Karte  gegeben  hat,  hervorgeht.*  Toula,  G 
linien,  S.  40. 

32  Hochstctter  nennt  die  Punkte:  Misiwri,  Aidos,  Kamabat,  Sliwno,  K.is; 
Kalofer,  Kariowa,  Slatica,  Pirot  F.  v.  Hochstetter,  Die  geolog.  Verhaltn.  des  O.  T\ 
der  europ.  Türkei;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1870,  XX,  S.  399. 

53  C.  v.  Fritsch:  Beitrag  z.  Geognosie  d.  Balkan;  Vortr.  gehalten  in  d.  N 
Gcsellsch.  zu  Halle,   15.  Nov.  1879;  S.  9,  10. 

34  P.   M.   Lessar,    Bemerk,    üb.    Transkaspien    u.    die    benachbarten     I^andstr 
Pcterm.   geogr.  Mitth.   1884,    XXX,    S.   281—296,    Taf.   XI.     Aus    den    nordlichen    t 
Ketten  stammen  auch    die  von  Neumayr   erwähnten   untercretac.  Ammoniten;    Verh. 
Reichsanst.   1881,  S.  325.  —  G.  Sievers,   Die  Russ.  milit.  Expedition  nach  d.  alten   < 
Bette  u.  s.  w.   Peterra.  Mitth.  1871,  S.  287—292. 

35  E.  Tietze,  Bemerk,  üb.  die  Tektonik  des  Albursgebirges  in  Persien;  J 
geol.  Reichsanst.  1877,  XXVTT,  S.  375 — 43o;  einzelne  Angaben  üb.  <Hese  Erschei 
auch  schon  bei  C.  Grewingk:  Die  geognost.  u.  orogr.  Verhältnisse  des  N.  Persien« 
Petersburg,   1853;   148  pp.  u.  Karte  (aus  d.  Verh.  Min.  Ges.  Petersb.  1852—1853). 


Anm.  zu  Th.  II,  Abschn.  VIII.  Die  Beziehungen  d.  Alpen  z.  d.  asiat  Gebirgen.      653 

36  E.  Tietze,  Der  Vulkan  Demavend  in  Persien;  Jahrb.  geol.  Reichsanst.  1878, 
XXVIII,  S.  169 — 206,  Karte.  Stebnitzky  nimmt  im  Gegensatze  zu  anderen  Beobachtungen 
nur  eine  Höhe  von  18.600  Fuss  an  (nach  trigonometrischen  Messungen  vom  kaspischen 
Meere  aus). 

37  F.  Wähner,  Brief  im  Anzeig.  Akad.  Wien,  22.  Juni  1882,  S.  143—145. 

38  Khanykof  bei  Abich,  Bull.  Ac.  Petersb.  1858,  XVI,  p.  340—352.  Bei  der 
Aufzählung  der  Gebirgsrichtungen  ist  es  nöthig,  die  vulcanischen  Regionen  auszuscheiden, 
um  das  wahre  Streichen  der  Falten  zu  tinden. 

39  H.  Abich,  Das  Meschische  od.  Karthli-Imeretinische  Gränzgebirge  in  geol.  u. 
climat.  Beziehung;  Bull.  Acad.  Petersb.  1851,  IX,  S.  29 — 45;  dess.  Geol.  Beobacht.  auf 
Reisen  in  d.  Gebirgsländern  zwisch.  Kur  u.  Araxes,  40  Tiflis,  1867;  dess.  Geol.  For- 
schungen in  d.  kaukas.  Ländern,  IL  Geol.  des  Armen.  Hochlandes,  Westhälfte;  40  Wien, 
1882,  insb.  S.  5 — u  u.  an  viel.  and.  Orten. 

40  H.  Abich,  Der  Ararat,  in  genetischer  Beziehung  betrachtet;  Zeitschr.  deutsch, 
geol.  Ges.  1870,  XXII,  S.  69—91,  Taf.  u.  insb.  Geol.  Forsch,  in  d.  kauk.  Land.  II, 
Atlas,  Karte  11. 

41  Das  Streichen  dieser  Ketten  ergibt  sich  am  deutlichsten  aus  dem  Kärtchen  von 
Tschihatscheff  im  Bull.  soc.  g6ol.  1851,  2.  s6r.  VIII,  pl.  VI. 

42  J.  Oernik's  Techn.  Studien-Expedition  durch  die  Gebiete  des  Euphrat  u.  Tigris; 
hggeb.  V.  A.  Freih.  v.  Schweiger-Lerchen feld;  Peterm.  Mittheil.  1875,  7^»  Ergänz.- 
Heftc  44  u.  45;  Karten;  insb.  I,  S.  10;  auch  das  Kärtchen  bei  Puchstein,  Sitzungsb. 
Akad.  Berlin,  i883,  I,  S.  29;  den  Serpentin  im  Tigristhale  beschreibt  War.  Smyth,  Geol. 
Features  of  the  Country  round  the  Mines  of  the  Taurus  in  the  Pashalic  of  Diarbekr; 
Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1845,  ^»  P-  ^^^ — 340. 

43  A.  Gaudry,  Geologie  de  Tlle  de  Chypre;  M^m.  soc.  geol.  1859,  2.  s6r.  VII, 
p.  149—314,  Karte;  F.  Unger  u.  Th.  Kotschy,  Die'  Insel  Cypern;  8"  Wien,  1865. 
Cypern  scheint  in  der  That  nur  die  Fortsetzung  der  beiden  Züge  von  Serpentin,  Euphotid 
und  cretacischem  Kalkstein  zu  sein,  welche  als  Mussa-dagh  (Amasus)  und  Dj.  Okrah 
(Cassius),  zu  beiden  Seiten  des  Orontes  das  Mittelmeer  erreichen;  dieser  Annahme  steht 
nur  entgegen,  dass  nach  Russegger  der  N.  Theil  des  Dj.  Okrah  ein  entgegengesetztes 
Streichen  besitzt  (Reisen,  I  a,  S.  450).  Die  Frage  der  Beziehungen  des  Libanon  zum 
Taurus  ist  eine  ganz  offene  und  neuere  Untersuchungen  sind  hier  höchst  wünschenswerth. 
Die  tertiären  Gypslagen  scheinen  von  Schugr  am  oberen  Orontes  her  das  Meer  zu  er- 
reichen; nach  Pruckner  finden  sie  sich  auf  der  Höhe  des  Dj.  Okrah.  Antiocheia  steht 
nach  Ainsworth  und  Russegger  auf  Serpentin. 

44  Die  betreffenden  Schriften  sind  in  Denkschr.  Ak.  Wien,  1880,  XL,  enthalten; 
M.  Neumayr,  Tektonischer  Theil,  eb.  das.  S.  383 — 395. 

45  V.  Raul  in,  Descript.phys.de  l'Ile  de  Crfete;  8"  Paris,   1869,  2  Bde.,  Karte. 

46  F.  V.  Hochstetter,  Asien,  seine  Zukunftsbahnen  und  seine  Kohlenschätze;  8« 
Wien,   1876,  S.  24. 

47  Neumayr,  am  ang.  O.  S.  391. 

4Ö  N.  Ssewerzow  u.  J.  Borszczow,  Geol.  Beobacht.  angestellt  in  d.W.  Theile 
der  kirgis.  Steppe;  Bull.  Acad.  Petersb.  1860,  II,  p.  202;  Ssewerzow,  Ist  der  Ust-Urt 
eine  Fortsetzung  des  Ural-Gebirges?  eb.  das.  1862,  IV,  p.  483 — 487.  —  Ein  Profil  eines 
nördlicheren  Theiles  der  Mugodjaren  gibt  Jakowlew,  bei  Helmersen,  eb.  das.  l883, 
XXVIII,  p.  364  u.  folg. 

49  A.  Karpinsky,  Geol.  Beobachtungen  im  Orenburg'schen  Kreise;  Verh.  russ. 
Min.  Gesellsch.  1874,  2.  ser.  IX,  S.  212— 3l0,  Karte  u.  Taf.;  Murchison,  Verneuil 
and  Keyserling,  The  Geol.  of  Russia  in  Europe  and  the  Ural  Mountains;  40  London, 
1845.  P-  463. 

50  Karpinsky,  Geol.  Forschungen  u.  Steinkohlenschürfungen  an  d.  östl.  Seite 
des  Ural;  Gornoi  Journ.  1880,  a,  S.  84 — 100,  Karte. 


6^4      Anm.  zu  Th.  II»  Abschn.  VIII.  Die  Beziehungen  d.  Alpen  z.  d.  asiat.  Gebirgen. 

5*  Ernst  Hofmann,  Der  N.  Ural  und  das  Küstengebirge  Pae-choi;  40  Peteri^b. 
1856,  n,  S.  207 — 281,  Atlas;  auch  A.  G.  Schrenk,  Reise  nach  d.  NO.  des  europ.  Russ- 
land; 80  Dorpat,   1854,  IL 

5»  Graf  Wilczek's  Nordpolarfahrt  im  J.  1872;  H.  Hof  er,  Ueb.  den  Bau  Nowaja 
Semlja's;  Peterm.  geogr.  Mitth.  1874,  S.  297 — 805;  F.  Toula,  Eine  Kohlenkalkfanna  von 
d.  Barents-Inseln;  Sitzungsb.  Ak.  Wien,  1874,  LXXI,  S.  527—608  u.  Taf. 

53  Alex.  Graf  Keyserling,  Wissensch.  Beobacht.  auf  einer  Reise  in  d.  Pctschora- 
land,  40  Petersb.,  1846,  S.  337 — 406.  Schrenk  am  ang.  Orte  I,  S.  634 — 702;  AI.  Stuken- 
berg,  Bericht  üb.  die  geol.  Reise  in  das  Petschoraland  u.  die  Timan'schc  Tundra; 
Material,  z.  Geol.  Russland's,  1875,  VI,  S.  1—125,  Karte  u.  Taf. 

54  Dies  entnehme  ich  aus  Schrenk  und  Stukenberg;  Ruprecht 's  Ver- 
öffentlichungen über  diesen  Gegenstand  zeigen  nur,  dass  im  NW.  Theile  von  ICanin  noch 
Höhen  von  höchstens  ICX)0  Fuss  auftreten;  Beitr.  z.  Pflanzenkunde  des  russ.  Reiches,  II, 
1845;  Flores  Samojcd.  Cisural.  p.  5. 


NEUNTER  ABSCHNITT 


Südamerika. 


Die   brasilische  Masse.   —    Die  argentinischen  Ketten.   —   Die  bolivischen  und  chilenischen 
Anden.   —    Die  Küsten -Cordilleren  und  Patagonien.    —    Peru.   —    Ecuador,   N.   Granada 

und  Venezuela.  —  Uebersicht. 


L)ie  brasilische  Masse.  Vom  atlantischen  Ocean  her 
nähern  wir  uns  dem  weiten  südamerikanischen  Festlande. 

Der  vorliegenden  Inseln  sind  nur  wenige,  und  auf  ihnen 
herrscht  vulcanisches  Gestein.  Fernando  Noronha  besteht  aus 
Fhonolith  und  Basalt;  noch  auf  den  Abrolhos  erscheint  eine  vul- 
canische,  wahrscheinlich  basaltische  Felsart,  eingeschaltet  in  Schich- 
ten, welche  vermuthlich  der  Kreideformation  zufallen.  Auf  dem 
Festlande  aber  fehlt  mit  Ausnahme  weniger  Vorkommnisse,  welche 
höchstens  bis  in  die  Kreideformation  heraufreichen,  weit  und  breit 
jede  Spur  einer  jüngeren  eruptiven  Thätigkeit. 

Seitdem  in  den  ersten  Jahrzehnten  dieses  Jahrhunderts  durch 
österreichische  Bergleute  und  Reisende  nähere  Kenntniss  von  dem 
Baue  Brasilien's  gesammelt  worden  ist,  haben  die  geologischen 
Beobachtungen  auch  in  diesem  ausgedehnten  Reiche  sich  vermehrt 
und  es  sind  durch  die  Anstrengungen  des  früh  verstorbenen  Hartt 
und  seiner  Nachfolger  die  Umrisse  der  Structur  bekannt  geworden.* 

Wir  werden  das  Land  in  der  vielgerühmten  Bucht  von  Rio 
betreten,  dann  nach  einem  flüchtigen  Blicke  auf  das  Innere  an  die 
östlichsten  Küstenprovinzen  treten,  hierauf  den  Bau  der  grossen 


656  Die  brasilische  Masse. 

Niederung  des  Amazonenstrom's,  endlich  über  die  Grenzen  Bra- 
silien's  hinaus,  jenen  von  Guayana  bis  an  den  Orinoco  betrachten. 
Hier,  am  Apurd  und  Orinoco,  ist  die  nördliche  Grenze  jenes 
grossen,  einheitlich  gebauten  Theiles  der  Erdoberfläche  erreicht, 
welcher  als  die  brasilische  Masse  bezeichnet  wird. 

Rio  de  Janeiro  ist  von  den  ältesten  Felsarten  des  Continentes 
umgeben.  Weit  noch  gegen  Süden  durch  die  Provinz  S.  Paolo 
hin  bricht  die  Serra  do  Mar  steil  gegen  das  Meer  ab.  Der  Para- 
hyba  sammelt  seine  Wässer  in  einem  der  Küste  parallelen  Längen- 
thaie und  erreicht  endlich  quer  über  das  Streichen  des  alten  Gneiss- 
gebirges das  Meer,  aber  jenseits  von  diesem  Längenthaie  fliessen 
die  Wässer  landeinwärts  und  die  Wasserscheide  des  ausgedehnten 
Festlandes  liegt  nahe  an  seinem  Rande.  Es  ist,  als  hätte  man  den 
Rand  einer  Schale  erklommen,  wie  an  den  Ghäts  in  Indien. 

Weiter  landeinwärts,  in  der  Serra  Mantiqueira  und  weithin 
gegen  N.  und  NW.  folgen  in  grosser  Mannigfaltigkeit  versteine- 
rungslose Schiefer  und  Quarzite,  Hornblende-  und  Talkgesteine, 
körniger  Kalk  und  die  Itacolumit-Serie,  von  Vielen  als  die  obere 
Abtheilung  der  archaischen  Gruppe,  von  Hartt  und  Anderen  zum 
Theile  schon  als  die  Vertreter  der  untersilurischen  Zeit  an- 
gesehen.' 

Auf  diesen  lagern  grosse  horizontale  Schollen  von  devoni- 
schen und  carbonischen  Ablagerungen,  endlich,  in  Tafelberge 
aufgelöst,  eine  mächtige  Decke  von  versteinerungslosem  Sandstein. 

Südlich  von  Rio  gibt  die  Provinz  Paranä  nach  der  Darstel- 
lung Orville  Derby's  ein  gutes  Bild  dieser  Gesteinsfolge.  Die 
Serra  do  Mar  heisst  hier,  ihrer  seltenen  landschaftlichen  Schönheit 
entsprechend,  Serra  Graciosa.  Sie  erhebt  sich  schroff  aus  dem 
Meere  in  ONO.  streichend  und  mit  steilem  Schichtenfalle.  Sie  be- 
steht aus  Granit,  porphyritischen  Felsarten  und  schiefrigem  Gneiss, 
in  Verbindung  mit  sehr  alten  Eruptivgesteinen.  Weiter  g^egen  W. 
trifft  man  Serpentin  und  Marmor,  Talkschiefer,  Quarzite  und  Ita- 
columit  und  alle  bezeichnenden  Glieder  der  jüngeren  Serie,  wie 
sie  durch  Bahia  und  Minas  Geraes  und  wahrscheinlich  auch  durch 
Rio  grande  do  Sul  fortstreichen.  Etwa  50  Kilom.  W.  von  Curityba 
zieht  ein  Steilrand  von  Nord  gegen  Süd  quer  durch  Paranä.  Der 
untere  Theil  desselben  besteht  aus  den  steil  gestellten  Schichten 


Chapada^s  von  Sandstein.  657 

derselben  jüngeren  archaischen  oder  untersilurischen  Serie,  der 
obere  Theil  dagegen  aus  horizontalen  Bänken  von  grobem 
weivssem  Sandstein,  welcher  von  zahlreichen  Grünsteingängen 
durchsetzt  ist.  Noch  weiter  gegen  West  schalten  sich  Schiefer 
ein  mit  devonischen  Fossilien.  Am  Ivahy  erscheint  auch  ein  devo- 
nischer kieseliger  Kalkstein.  Vielleicht  ist  auch  die  Carbonforma- 
tion vertreten.  Die  Oberfläche  hat  sich  etwas  gesenkt  und  man 
trifft  auf  einen  zweiten  Steilrand,  die  Serra  de  Esperan9a,  mit 
1040  M.  Seehöhe.  Er  zieht  auch  quer  über  die  ganze  Provinz. 
Der  untere  Theil  besteht  aus  weichem  rothem  Sandstefin  und 
der  obere  aus  einer  loo  M.  oder  darüber  mächtigen  Decke  von 
Mandelstein.  Diese  grosse  Decke,  welche  wahrscheinlich  von 
mesozoischem  Alter  ist,  scheint  sich  gegen  Süd  der  Serra  do  Mar 
zu  nähern  und  am  Uruguay  sehr  ausgebreitet  zu  sein.«' 

Devonische  und  carbonische  Schollen  setzen  sich  fort  einer- 
seits durch  Rio  grande  do  Sul  und  andererseits  durch  S.  Paolo; 
in  Maranhao  und  Matto  Grosso,  am  Guapor^  und  am  oberen 
Paraguay  sollen  carbonische  Schichten  vorkommen.  Horizontale 
oder  doch  nur  sehr  wenig  geneigte  Schichten  von  versteinerungs- 
losem Sandstein  treten  in  Minas  Geraes  und  S.  Paolo  als  die  in 
einzelne  Chapada's,  d.  i.  Tafelberge,  aufgelösten  Reste  einer  einst 
zusammenhängenden  Decke  von  Sandstein  auf.  Sie  erreichen  See- 
höhen von  2000 — 3000  Fuss,  breiten  sich  gegen  Matto  Grosso 
aus,  bilden  eine  grosse  zusammenhängende  Decke  zwischen  dem 
Tocantins  und  dem  Rio  S.  Francesco,  aus  welcher  die  archaischen 
Gesteine  oft  nur  wie  Inseln  hervorragen,  und  sie  erreichen  durch 
die  Provinzen  Piauhy  und  Cearä  die  Nordküste. 

Das  Alter  dieser  Sandsteindecke  ist  nicht  bekannt;  vielleicht 
handelt  es  sich  sogar  um  Ablagerungen  von  verschiedenem  Alter.  7— 

In  den  östlichsten  Provinzen  erkennt  man  an  einigen  Punkten, 
wie  bei  Estancia  in  Sergipe,  dann  im  Gebirge  oberhalb  Rio  de 
Contas  den  rothen  Sandstein  und  Mergel  von  mesozoischem  Alter 
wieder,  der  auf  der  Serra  de  Esperan9a  in  Paranä  vorkommt, 
welcher  von  den  amerikanischen  Geologen  der  Trias  der  östlichen 
Vereinigten  Staaten  verglichen  wird  und  wohl  auch  an  ähnliche 
Ablagerungen  unter  der  transgredirenden  Kreide  auf  der  spani- 
schen Meseta  erinnert. 


650  '         Amazonas. 

An  der  Ostküste  tritt  bei  Camamü  S.  von  Bahia  über  Gneiss 
ein  lockeres  Gestein  auf,  welches  reich  an  Erdöl  ist  und  Turba 
genannt  wird.  In  Bahia  erscheint  als  tiefste  Lage  über  dem  Gneiss 
eine  Süsswasserbildung  mit  Crocodilus,  Melania,  Vivipara,  Unio 
und  Estherien;  unweit  von  Bahia  ist  in  demselben  Horizonte  ein 
Knochenbett  mit  Resten  von  Dinosauriern  und  Crocodilus  vorhan- 
den. Diese  Lagen,  zu  welchen  vielleicht  auch  die  Turba  von  Ca- 
mamü gehört,  werden  dem  Wealden  oder  dem  Neocom  gleich- 
gestellt.  Ueber  denselben  liegen  marine  mittelcretacische  Schich- 
ten mit  Buchiceras,  hierauf  obere  Kreide  mit  Inoceramus,  und  ein 
höchstes  Glied  mit  Mosasaurus.  Es  sind  nach  Hartt  marine  trans- 
gredirende  Schollen  der  Kreideformation  in  Piauhy,  Ceard,  Para- 
hyba  do  Norte,  Pernambuco,  Alagoas  und  S.  von  Sergipe  bis 
Bahia,  ja  wahrscheinlich  bis  zu  den  Abrolhos  vorhanden,*  und  es 
scheint  die  ganze  Niederung  des  Amazonenstromes  von  solchen 
cretacischen  Bildungen  unterlagert  zu  sein.  Die  südlichsten  creta- 
cischen  Fossilien  des  Ostens  stammen  von  Bahia. 

Sehr  weit  im  Westen  werden  wir  in  der  argentinischen  Re- 
publik wieder  auf  Süsswasserschichten  mit  Melania  und  auf  Erdöl 
stossen;  diese  Ablagerungen  treten  unter  dem  Westrande  der 
Ebenen  von  Matto  Grosso  hervor,  und  man  vermuthet,  dass  sie 
jenen  von  Bahia  entsprechen.  Eine  so  ausserordentliche  Verbrei- 
tung ist  allerdings  schwer  zu  verstehen.  — 

Wir  betreten  nun  das  Flussgebiet  des  Amazonas,  abermals 
einer  lehrreichen  Schilderung  Orville  Derby's  folgend,  welche  die 
bisherigen  Forschungen  in  dieser  ausgedehnten  Niederung  zu- 
sammenfasst.^ 

Dieses  Flussgebiet  liegt  so  tief,  dass  Chandless  weit  im 
Westen,  schon  nahe  dem  Ostabhange  der  bolivischen  Anden,  im 
oberen  Laufe  des  Purüs  Höhen  von  nur  1088  Fuss  nachweisen 
konnte.  Von  Norden  und  von  Süden  her  nähern  sich  die  älteren 
Felsarten  dem  grossen  Strome.  Die  ältesten  sichtbaren  Glieder 
dürften  der  untersilurischen  Serie  angehören.  Von  Guayana  her 
sind  sie  zu  Tage  erkennbar  beiläufig  bis  zu  einer  Linie,  welche  in 
I  *"  nördl.  Br.  an  der  atlantischen  Küste  beginnt  und  bis  in  die 
Nähe  der  Vereinigung  des  Rio  Branco  mit  dem  Rio  Negro  in  i  —  2  *^ 
südl.  Br.  reicht.    Im  Süden  bilden  dieselben  Gesteine  die  Strom- 


Amazonas.  ^  S  9 

schnellen  der  südlichen  Zuflüsse,  und  die  Nordgrenze  ihrer  Auf- 
schlüsse kreuzt  beiläufig  den  Tocantins  in  3 — 4°,  den  Tapajos  in 
4 — 5°  und  den  Madeira  in  8 — g"  südl.  Br.  Der  Madeira  scheint 
auf  eine  grössere  Strecke  hin  die  Westgrenze  ihrer  Sichtbarkeit 
zu  bilden. 

Im  N.  des  Amazonas  schliesst  sich  an  diese  älteren  Gesteine  in 
den  Thälern  des  Trombetas,  Curuä  und  Maecuru,  wahrscheinlich 
aber  an  der  ganzen  Länge  der  Linie  ein  ziemlich  breiter  Gürtel 
von  obersilurischen  Schichten.  Sie  entsprechen  dem  Medina  Sand- 
stone der  Niagaragruppe  in  Nordamerika.  An  der  Südseite  des 
Amazonas  kennt  man  diese  Zone  nicht,  doch  dürfte  sie  noch  auf- 
gefunden werden. 

Die  nächste  Zone,  breiter  als  die  silurische,  ist  von  devo- 
nischem Alter  und  zerfa.llt  in  mehrere  Gruppen.  Man  kennt  sie  im 
Norden  in  beträchtlicher  Entwicklung  längs  der  silurischen  Zone 
und  gegen  W.  bis  an  den  Uatumä,  einen  kleinen  Fluss  zwischen 
dem  Trombetas  und  dem  Rio  Negro.  Auf  der  Südseite  sind  auch 
von  dieser  Zone  nur  Spuren  bekannt,  aber  sie  tritt  mitten  aus  den 
Alluvien  des  Amazonas,  W.  von  Monte  Alegre,  in  den  Trümmern 
einer  von  G.  nach  W.  streichenden  Antiklinale  hervor. 

Die  Carbonablagerungen  nehmen  einen  weit  grösseren  Raum 
ein.  Sie  reichen  an  der  Nordseite  des  Stromes  gegen  O.  wenig- 
stens bis  Prainha,  erreichen  bei  Alemguer  das  Strombett  selbst 
und  erstrecken  sich  gegen  West  auch  bis  mindestens  an  den 
Uatumd.  Im  Süden  breiten  sie  sich  wahrscheinlich  vom  Tocantins 
bis  zum  Madeira  aus,  und  sie  sind  insbesondere  am  Tapajos  auf- 
geschlossen. 

Die  paläozoischen  Ablagerungen  bilden  daher  eine  sym- 
metrische Mulde,  deren  Mitte  die  Carbonschichten  ausmachen, 
und  nur  die  Antiklinale  bei  M.  Alegre  lässt  devonische  Ablage- 
rungen in  den  Atluvien  des  Amazonas  sichtbar  werden.  — 

Es  folgt  eine  ganz  ausserordentliche  Lücke  in  den  Sedimenten. 
Die  nächst  jüngere,  bisher  aus  diesem  weiten  Stromgebiete  be- 
kannte Bildung  ist  grober  Sandstein,  welcher  in  der  Nähe  von 
Erer^  bis  M.  Alegre  auf  den  Devonschichten  liegt  und  Pflanzen- 
reste enthält,  die  der  Kreidefortnation  zugeschrieben  werden. 
Noch  weit  höher  oben,  westlich  von  Madeira,  am  A^^ 


u 


660  Die  argentinischen  Ketten. 

des  oberen  Puriis  sind  cretacische  Bildungen  sehr  ausgedehnt; 
man  kennt  aus  ihnen  Reste  von  Mosasaurus  und  von  Schildkröten. 
So  mag  wohl  zur  Kreidezeit  das  Amazonasgebiet  eine  weite, 
von  paläozoischen  Ablagerungen  begrenzte  Bucht  gewesen  sein. 
Eruptivgesteine  dringen  bei  Erer^  bis  in  die  Kreideschichten. 

Bunte  Lagen  von  Sandstein  vertreten  die  jüngere  Tertiärzeit, 
und  zwar  namentlich  am  unteren  Strome  zwischen  Prainha  und 
Almeirim.  An  der  Basis  dieser  Ablagerungen  ist  von  Pebas  in 
Peru,  nahe  der  Mündung  des  Ambayacü,  blauer,  Conchylien  füh- 
render Thon  bekannt.  Boettger  hat  diese  brackische  Fauna  unter- 
.;  sucht  und  erklärt  die  Schichten  von  Pebas  wegen  ihres  abweichen- 

j  den  Charakters  als  , Bildungen  des  Unterlaufes  des  ehemaligen 

;i  Maranon,  welche  sicher  in  die  oligocäne,  vielleicht  sogar  in  die 

!  eocäne  Zeit  hinabreichen'.  ^  — 

'  Was  bisher  über  den  geologischen  Bau  des  Landes  N.  von 

« 

i  dem  Gebiete  des  Amazonas  bekannt  geworden  ist,    lässt    das- 

i  selbe  als  eine  Wiederholung  der  südlichen  Strecken  erscheinen. 

!  Archaische  Felsarten,  unter  welchen  namentlich  Granit  g*enannt 

wird,  bilden,  wie  es  scheint,  die  ganze  Unterlage  desselben  und  sie 
werden  noch  an  der  Mündung  des  Caroni  in  den  Orinoco  sichtbar. 
Gewaltige  Schollen  von  horizontal  geschichtetem  Sandstein  liegen 
nach  Sawkins  in  Britisch  Guayana  noch  zwischen  dem  4.  und  6.° 
nördl.  Br.  auf  dieser  Unterlage.  Nach  den  Berichten  dieses  Beob- 
achters bildet  eine  solche,  von  zahlreichen  Grünsteingängen  durch- 
zogene riesige  Scholle  sogar  den  horizontalen  und  ringsum  steil 
abbrechenden,  7500  Fuss  hohen  Scheitel  des  Roraima  an  der 
Grenze  gegen  Venezuela.^ 

Jenseits  des  Orinoco  aber  liegt,  wie  sich  bald  zeigen  wird, 
ein  Land  von  abweichender  Structur.  — 

Die  argentinischen  Ketten.  Die  Hochgebirge  Süd- 
amerika's  bestehen  aus  zwei  Theilen,  welche  im  südlichen  Peru 
und  in  Bolivien,  östlich  von  der  Bucht  von  Arica,  in  stumpfem 
Winkel  schaaren.  Wir  beginnen  die  nähere  Betrachtung  ihres 
Baues  in  dem  südlichen  Theile,  und  zwar  in  der  argentinischen 
Republik,  wo  unter  Burmeister's  Führung  eine  Schule  von  For- 
schern herangewachsen  ist  und  die  Untersuchungen  weiter  vor- 


Salta  und  Jujuy.  66 1 

geschritten  sind  als  in  anderen  Theilen  des  grossen,  vom  carai- 
bischen  Meere  bis  zum  Cap  Hoorn  ziehenden  Gebirges. 

Von  dem  bolivischen  Hochlande  streichen  mehrere  parallele 
Ketten  von  Nord  gegen  Süd  in  den  Westen  der  argentinischen 
Republik  herab.  Die  westlichsten  von  ihnen  reihen  sich  an  die 
Hauptkette  der  Anden,  und  die  östlichsten  werden  von  den  Pam- 
pas umgeben.  Aber  es  haben  mehrere  Beobachter,  wie  der  um 
die  Kenntniss  dieser  Gegenden  hochverdiente  Stelzner,  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  auch  die  viel  weiter  im  Südosten, 
zwischen  Buenos  Aires  und  Bahia  Bianca  sich  erhebenden  und 
gegen  SO.  streichenden  Höhenzüge  wegen  der  Uebereinstimmung 
ihrer  Felsarten  den  west-argentinischen  Sierren  anzuschliessen  sind.® 

So  führt  uns  der  erste  Blick  auf  die  Anden  ostwärts  gegen 
Cabo  Corrientes  hinaus.  — 

Der  nördlichste  Theil  der  argentinischen  Ketten  in  den  Pro- 
vinzen Salta  und  Jujuy,  etwa  vom  22.  bis  zum  25.°  südl.  Br.,  wurde 
von  Brackebusch  untersucht.  Wir  befinden  uns  im  Quellgebiete 
des  Rio  Vermejo.  Im  Westen,  innerhalb  des  Hochgebirges,  reiht 
sich  daran  das  abflusslose  Gebiet  der  Salinas  de  la  Puna.  Die 
verbreiteten  kartographischen  Darstellungen  sind  sehr  irrig,  und 
es  ist  nach  Brackebusch,  welchem  ich  nun  folge,  die  Lage  von 
Oran  wohl  um  einen  vollen  Grad  weiter  gegen  West,  zu  verlegen.^ 

Aus  dem  Gran  Chaco  erhebt  sich  zuerst  nahe  dem  östlichen 
Fusse  dieser  nördlichen  Gebirge  eine  mächtige  Reihe  von  Ab- 
lagerungen, welche  durch  ihren  Reichthum  an  Erdöl  und  an  Koch- 
salz ausgezeichnet  sind.  Es  sind  Lagen  von  buntgefarbtem  Sand- 
stein, auch  Dolomit  und  Gyps.  Sie  enthalten  Fischreste  und  an 
einzelnen  Stellen  eine  grosse  Anzahl  von  kleinen  Gastropoden; 
schaarenweise  erscheint  Chemnitzia  (Melania)  Potosensis  Orb. 
Die  Meinungen  über  das  Alter  dieser  Ablagerungen  gehen  weit 
auseinander;  Brackebusch  stellt  sie  an  die  Grenze  von  Jura  und 
Kreideformation  und  erwähnt,  dass  der  stellenweise  in  Salta  und 
Jujuy  hervortretende  Quarzporphyr  stets  mit  dem  buntgefarbten 
Sandstein  in  Verbindung  sei.'** 

Diese  erdölführenden  Ablagerungen  haben  eine  ganz  ausser- 
ordentliche Ausdehnung;  sie  bilden  wahrscheinlich  den  Unter- 
grund  des  Gran  Chaco  und  erstrecken   sich  weit  gegen  Nord 


662  Silurketten.   Nevado  de  Aconquija. 

und  Süd  an  dem  Ostrande  des  Gebirges,  und  Brackebusch  möchte 
sie  mit  den  von  der  Ostküste  bei  Bahia  erwähnten  Vorkomm- 
nissen von  Erdöl  und  von  Süsswasserbildungen  vereinig-en. 

Aus  diesen  selben  Ablagerungen  besteht  aber  nicht  nur  der 
Untergrund  der  Ebenen;  sie  haben  auch  an  der  Bildung  der  Ge- 
birgszüge theilgenommen  und  erscheinen  nicht  nur  in  den  Tiefen 
der  Thäler,  welche  die  Parallelzüge  trennen,  als  lange,  weit  nach 
Bolivien  vordringende  meridionale  Züge^  sondern  sie  liegen  auch 
in  grosser  Höhe  auf  den  Ketten  selbst,  so  wohl  5000  M.  hoch  auf 
der  Sierra  de  Zenta,  welche  das  grosse  Längenthal  von  Huma- 
huaca  gegen  Osten  begrenzt. 

Die  Ketten  bestehen  aus  zumeist  steil  aufgerichteten  Lagen 
von  Quarzit,  Schiefer  und  Grauwacke,  welche  primordiale  und 
untersilurische  Versteinerungen  enthalten.  Der  Hauptzug  siluri- 
scher Gesteine  zieht  von  den  bolivischen  Hochgebirgen,  von  Po- 
tosi  und  Tarija  durch  Jujuy  und  Salta  herab  und  bildet  endlich 
die  nicht  sehr  hohe  Sierra  de  S.  Javier  an  der  Ostseite  des  Nevado 
de  Aconquija,  W.  von  der  Stadt  Tucuman.  Ihre  wichtigsten  Pa- 
rallelzüge gegen  West  sind:  S.  del  Aguilar,  welche  die  grani- 
tische  Unterlage  sichtbar  werden  lässt  und  sich  aus  der  Kbene  der 
Puna  zu  5300  M.  erhebt,  dann  S.  de  Cochinocha  und  die  minen- 
reiche  S.  de  Cabalonga,  welche  beide  nach  Bolivien  streichen, 
und  deren  letztere  von  den  grossen  Trachytmassen  umgeben  wird, 
welche  das  Grenzgebirge  bilden.  Der  Nevado  de  Aconquija  be- 
steht aus  Granit  und  Gneiss  und  setzt  sich  nordwärts  zwischen 
den  silurischen  Ketten  fort;  seine  Ausläufer  erscheinen  an  der 
Westseite  der  Salinas  de  la  Puna  und,  wie  gesagt,  an  dem  Fusse 
der  Sierra  del  Aguilar. 

Auch  an  der  Ostseite  der  Hauptkette  sind  silurische  Neben- 
ketten vorhanden;  eine  derselben,  die  östlichste,  weicht  von  dem 
allgemeinen  Parallelismus  ab,  zieht  gegen  NNO.  ab,  bildet  die 
Sierra  de  S.  Barbara  und  S.  de  Maiz  Gordo,  und  taucht,  bevor 
sie  den  Rio  Vermejo  erreicht,  unter  den  Gran  Chaco  hinab. 

Die  silurischen  Züge  sind,  namentlich  im  Westen,  von  sehr 
zahlreichen  trachytischen  Gängen  und  Stöcken  durchbrochen.  

Durch  Stelzner  wissen  wir,  dass  diese  Ketten  noch  weit  gegen 
Süd,  ja  bis  zum   ^3.''  südl.  Br.  fortsetzen."   Sie  sind  lang  .und 


Sierra  Tandil  und  S.  de  la  Ventana.  663 


'^ 


schmal,  oft  schroff  und  von  beträchtlicher  Höhe,  dabei  wenig  von 
der  Richtung  des  Meridian's  abweichend.  Gegen  West  sind  sie 
im  Allgemeinen  etwas  enger  aneinander  gedrängt;  ostwärts  treten 
sie  weiter  auseinander.  Die  Schichtstellung  ist  steil.  Ein  Theil 
dieser  Ketten  besteht  aus  krystallinischem  Schiefer,  Gneiss  und 
Granit;  hiezu  treten  ausgedehnte  Ausbrüche  porphyrischer  Fels- 
arten, auch  von  Trachyt,  seltener  von  Basalt.  Westlich  von  S.  Juan 
läuft  von  N.  gegen  S.  ein  langer  Zug  von  Kalkstein,  dessen  unter- 
silurisches  Alter  Kayser  nach  Stelzner's  Funden  auf  eine  Erstreckung 
von  150  Kilom.  nachgewiesen  hat.  Im  Osten  der  S.  Famatina 
streicht  ein  Parallelzug  von  gleichfalls  untersilurischem  Alter." 

An  dem  Ostabhange  derselben  Sierra  und  ihrer  südlichen 
Fortsetzung,  sowie  an  mehreren  Stellen  in  den  Provinzen  LaRioja, 
S.  Juan  und  Mendoza  tritt  bituminöser  Sandstein  und  Schiefer  in 
langen  meridionalen  Zügen  auf.  Es  ist  die  Fortsetzung  der  erdöl- 
reichen Ablagerungen  von  Jujuy  und  Salta,  doch  wird  ihnen  hier 
nach  den  Pflanzenresten,  welche  sie  enthalten,  rhätisches  Alter  zu- 
geschrieben.'^ 

In  den  weiter  gegen  Ost  liegenden  Sierren,  zwischen  S.  Luis 
und  Cördoba,  sind  silurische  Fossilien  noch  nicht  nachgewiesen. 
Insbesondere  bestehen  die  östlichsten  und  zunächst  bei  der  Stadt 
Cördoba  sich  erhebenden  Ketten,  nämlich  S.  Ischilin,  S.  Achala 
oder  S.  de  Cördoba,  und  S.  Cerezuela  nur  aus  Gneiss,  archaischem 
Schiefer,  Marmor  und  Durchbrüchen  von  Granit  und  Trachyt.'* 

Wir  gelangen  nun  zm  den  gegen  SO.  bi^  OSO.  streichenden 
Gebirgszügen  der  Provinz  Buenos  Aires,  welche  einen  Theil  von 
Burmeister's  ,System  der  südlichen  Pampas'  ausmachen.  Es  sind 
dies  zwei  Ketten,  nämlich  Sierra  Tandil,  welche  Cabo  Corrientes 
bildet,  und  südlich  von  dieser  S.  de  la  Ventana,  welche  die  höhere 
ist  und  1030  M.  erreicht.  D'Orbigny's  Begleiter  Parchappe,  Dar- 
win, dann  Heusser  und  Claraz  haben  sie  besucht,  doch  ist  es  erst 
seit  Doering's  Schilderung  möglich,  ihren  Bau  genauer  zu  beur- 
theilen.'^ 

Beide  Gebirgszüge  bestehen  aus  denselben  Felsarten  und 
beide  sind  in  demselben  Sinne  monoklinal;  die  Neigung  ihrer 
Schichten  ist  gegen  SW.  gerichtet  und  die  ältesten  Glieder  sind 
an  der  NO.  Seite  sichtbar. 

Suess,  Das  AntUtx  der  Erde. 


Tl 


664  Choique-Mahuida. 

1  Den  NO.  Saum  der  S.  Tandil  bildet  Granit;  ihm  folgt,  ziem- 

i  lieh  steil  in  SW.  fallend,  Gneiss,  und  diesem  ist  discordant  mit 

weit  geringerer  Neigung  eine  Serre  von  Talkschiefer,  Thonschiefer, 
Dolomit  und  wohlgeschichtetem  Quarzit  aufgelagert,  deren  petro- 
graphische  Uebereinstimmung  mit  den  silurischen  Ablag-erungen 
der  westargentinischen,  meridionalen  Ketten  von  den  besten  Ken- 
nern des  Landes  anerkannt  ist.  Der  SW.  Abhang  der  Sierra  ist 
sehr  flach;  der  Quarzit  liegt  sogar  streckenweise  fast  horizontal, 
und  ist  in  Tafelberge  aufgelöst. 

Der  zweite  Gebirgszug,  in  der  Regel  unter  dem  Namen  S.  de 
la  Ventana  zusammengefasst,  besteht  aus  mehreren  Theilen.  Der 
erste  ist  die  lange,  aus  WN W.  herbeiziehende  S.  de  Cura-Matal ; 
sie  setzt  sich  in  der  Kette  von  Pilla-huincö  gegen  OSO.  fort,  und 
wo  diese  beiden  Züge  sich  vereinigen,  streicht  unter  sehr  spitzem 
Winkel,  etwas  mehr  in  SO.  die  höhere  S.  de  la  Ventana  ab.  Sierra 
de  Pilla-huincö  besteht,  so  weit  sie  bekannt  ist,  aus  Gneiss ;  die 
beiden  anderen  Züge  sind  Quarzit.  Dieser  ist  aber  weit  steiler 
aufgerichtet  als  in  S.  Tandil,  oft  sogar  senkrecht,  und  die  zacki- 
gen und  scharfen  Kanten  der  zerklüfteten  Mauern  von  Quarzit 
bilden  einen  sonderbaren  Gegensatz  zu  der  weiten  Fläche  der 
Pampas,  auf  welcher  sie  sich  erheben. 

Die  Vermuthung,  dass  diese  gegen  SO.  ausstreichenden 
Sierren  nur  die  abgelenkte  Fortsetzung  der  aus  denselben  Fels- 
arten aufgebauten  meridionalen  Sierren  seien,  erhält  eine  Bestäti- 
gung dadurch,  dass  weiter  im  Westen,  an  den  Ufern  des  Chadi- 
Leuvü  (Rio  Salado),  Granit  und  Porphyr  aus  der  Ebene  hervor- 
ragen, welche  bis  zu  den  Precordilleras,  d.  i.  bis  zu  den  östlichen 
Nebenzügen  der  Anden  sich  nach  Doering  durch  eine  Reihe  von 
einzelnen  Kuppen  allem  Anscheine  nach  fortsetzen.  Diese  Reihe 
zieht  von  der  Sierra  de  Choique-Mahuida,  welche  sich  in  38°  5' 
südl.  Br.  an  der  Nordseite  des  Rio  Colorado  etwa  100  M.  über 
die  Ebene  erhebt,  zu  der  60—70  Kilom.  gegen  NNW.  gelegenen 
S.  de  Lihu^-Calel  in  der  Nähe  des  grossen  Lago  Urre-Lauquen, 
dann  zu  der  50  Kilom.  weiter  gegen  NNW.  gelegenen  S.  de 
Luan-Mahuida  und  durch  andere  Kuppen  zu  den  Sierren  von 
Luan-Cö  und  Auca-Mahuida,  welche  mit  den  hohen  Meridional- 
ketten  der  Precordilleras  zusammenhängen. 


Die  bolivisch«n  and  chilenischeD  Anden.  665 

Noch  ragt  an  der  Ostküste,  bei  S.  Antonio,  in  der  Bahia  de 
S.  Matias,  ein  vereinzelter  Porphyrfelsen  hervor. 

Horizontal  gelagertes  tertiäi'es  und  noch  jüngeres  Land  bildet 
die  patagonische  Tafel,  und  weit  im  Süden,  an  dem  Ende  des 
Continentes,  vollzieht  sich  die  Beugung  der  Anden  gegen  Staten 
Island.  Diese  Beugung  erfolgt  genau  in  demselben  Sinne,  in 
welchem  durch  die  angeführten  übereinstimmenden  Umstände 
die  Beugung  der  westargentinischen  meridionalen  Sierren  gegen 
S.  Tandil  und  Cabo  Corrientes,  gegen  S.  de  la  Ventana  und  gegen 
die  Kuppe  von  Choique-Mahuida  angezeigt  wird.  Diese  Ueber- 
einstimmung  zeigt  die  Allgemeinheit  der  Bewegungen  und  weist 
darauf  hin,  dass  die  Aeste  der  Anden  gegen  Süd  und  Südost  in 
ähnlicher  Weise  auseinandertreten  wie  die  westlichen  Aeste  des 
Tian-schan. 

In  die  weiten  Flächen,  welche  durch  die  Virgation  gebildet 
werden,  treten  die  jungen,  flachgelagerten  Sedimente.  Noch  von 
S.  Maria  in  Catamarca  (etwa  26''südl.Br.)  erwähnt  Stelzner  Sand- 
stein mit  Bivalven  als  die  mögliche  Spur  einer  tertiären  Meeres- 
ablagerung.'* 

Vielleicht  zeigt  der  in  der  Provinz  Salta  gegen  NNO.  ab- 
gehende Zug  der  Sierra  de  Maiz  Gordo  (25 — 24°  südl.  Er.)  eine 
ähnliche  Virgation  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  an. 

Die  bolivischen  und  chilenischen  Anden.  Die  Ketten 
der  Anden  streichen  im  südlichen  Peru  und  in  Bolivien  gegen 
Südo.st,  in  Chile  gegen  Süd,  und  wenden  sich  in  Patagonien  erst 
gegen  Südost,  dann  rein  gegen  Ost,  in  der  Richtung  von  Staten 
Island.  Es  folgt  der  Verlauf  der  Küste  sehr  genau  diesen  Aende- 
rungen  des  Streichens,  und  die  Bucht  von  Arica,  sowie  der  eigen- 
thümlich  ostwärts  geschwungene  Umriss  der  südlichsten  Theile 
Amerika's  erhalten  hiedurch  ihre  Bedeutung. 

Im  südlichen  Peru  sind  zwei  sehr  hohe  und  mehrere  unter- 
geordnete, parallele  Ketten  vorhanden.  Von  den  beiden  Haupt- 
ketten wird  die  westliche,  welche  die  Wasserscheide  gegen  den 
atlantischen  Ocean  bildet,  als  die  CordiUere  der  And<-n  im  engeren  j 
Sinne  bezeichnet,  obwohl  die  östliche  CordiUere,  welcher  I 
und   Illampu   angehören,    namentlich    in   ihrem   südlici 


666  I^as  chilenische  Längenthal. 

grössere  Höhen  erreicht.  Diese  letztere  ist  von  Querthälern  dur 
brochen,  welche  ostwärts  führen. 

In  Chile  besteht  nur  ein  Hauptzug  der  Cordillere,  welcl: 
wie  sich  weiterhin  zeigen  wird,  als  die  Fortsetzung  des  westlicl 
Zuges  von  Peru  anzusehen  ist.  Westlich  von  diesem  Zug-e,  gej 
das  Meer  hin  stellen  sich  aber  in  Chile  ganz  eigenthümliche  V 
hältnisse  ein.  Hart  an  der  Küste  läuft  nämlich  eine  Anzahl  se 
ständiger  Gebirgsstücke  hin,  für  welche  wir  den  Gesammtnan 
der  Küsten- Cor  diller  en  verwenden  werden.  Zwischen  diei 
und  dem  östlichen  Abhänge  der  Anden  liegt  im  Norden  die  Wü 
Atacama,  weiter  im  Sücfen  das  grosse  Längenthal  von  Chile ;  n( 
südlicher,  am  Meerbusen  von  Corcovado  und  dem  Canal  Morale 
verschwindet  der  Hauptzug  der  Cordilleren. 

Vergleicht  man  nun  Domeyko's  orographische  Darstellung 
der  Provinz  Aconcagua  mit  den  hydrographischen  Aufnahn 
des  Capt.  Simpson  im  Süden,  so  zeigt  sich  folgender  Zusamm 
hang.  In  der  Provinz  Aconcagua  zieht  eine  Anzahl  tiefer  Thä 
von  den  Anden  quer  durch  die  Küsten-Cordilleren  unmittell 
zum  Meere,  aber  auf  der  Höhe  der  trennenden  Rücken  ist  ; 
einer  Linie,  welche  von  Nord  gegen  Süd  läuft,  in  der  fast  gleic} 
Höhe  von  12 — 1300M.  eine  Reihe  von  niedrigeren  Einsattlung 
vorhanden.  In  die  Fortsetzung  dieser  Einsattlungen  fallt  < 
grosse  chilenische  Längenthal.  Man  möchte  wohl  meinen,  es 
in  Aconcagua  einem  älteren,  longitudinalen  Thalsystem  ein  qu 
laufendes,  jüngeres  aufgesetzt,  so  dass  heute  die  Lage  des  ältei 
Längenthaies  nur  auf  der  Höhe  der  Querzüge  durch  Einsattlung 
erkennbar  bleibt.  Im  Süden  tritt  ein  anderer  Fall  ein.  Das  M^ 
ist  nicht  nur  in  die  Fortsetzung  des  Längenthaies  eingetret 
sondern  man  sieht  die  steilen,  gletschererfüllten  Querthäler  < 
Festlandes  in  ihrer  Lage  auffallend  entsprechen  den  Meer 
Strassen,  welche  Chiloe  und  die  einzelnen  südlicheren  Inseln  \ 
einander  trennen,  als  wäre  eben  jenes  System  von  Querthäl 
ebenfalls  überfluthet,  welches  einstens  auch  hier  das  Längent 
kreuzte.'^  — 

Die  Küsten-Cordilleren  sind  schon  in  Peru  durch  einige  läi 
der  Küste  vorhandene  Trümmer  kennbar,  aber  erst  gegen  S 
gewinnen  diese  Trümmer  Zusammenhang.    Sie  bilden    in    Gl 


Illlmani  und  IlUmpil.  667 

nicht  unbeträchtliche  Höhenzüge,  6nden  ihre  Fortsetzung  auf 
Chiloe,  den  Chonosinseln  u.  s.  f.  und  bilden  allein  den  südlichsten 
Theil  der  amerikanischen  Gebirgszüge.  Sehr  eigenthümlich  ist 
dabei  das  Abbrechen  der  Küstenlinie  in  rechtwinkeligen  Zacken, 
welches  an  dem  Morro  de  Mejillones,  dann  S.  von  Coquimbo  und 
in  den  Busen  von  Talca-huano  und  Arauco  sich  wiederholt.  — 

Die  Schaarung  an  der  Bucht  von  Arica  Ist  eine  sehr  allraaUge 
und  man  sieht  Zone  für  Zone  aus  dem  südöstlichen  Streichen 
Peru's  in  das  meridionale  Streichen  von  Chile  übergehen.  Schon 
die  ältesten  Sedimente  lassen  dieses  erkennen. 

Die  hohe  östliche  Cordillere  des  südlichen  Peru  und  Boli- 
vien's,  die  Kette  des  lllimani  und  des  Illampu,  welche  sich  in 
ihren  Gipfeln  bis  6400  M.  erhebt,  besteht,  wie  Dav.  Forbes  ge- 
zeigt hat,  mit  Ausnahme  der  granitischen  Unterlage,  welche  an 
dem  NO.  Fasse  sichtbar  wird,  aus  mächtigen,  gegen  SW.  geneigten, 
paläozoischen  Ablagerungen.'*  Silurische  Schichten  sind  es,  welche 
diese  gewaltigen  Höhen  und  so  ziemlich  alles  hohe  Gebirge  bilden, 
welches  vom  nördlichen  Cuzco  durch  die  Cordilleren  von  Carabaja 
und  Apollobamba  gegen  die  argentinische  Grenze  sich  hinzieht. 
Dieser  grosse  silurische  Zug  ist  es,  dessen  Fortsetzungen  wir  im 
Westen  der  argentinischen  Republik  angetroffen  und  in  zahlreichen 
meridionalen  Zügen  durch  Jujuy,  Salta,  Tucuman,  Catamarca, 
Rioja  bis  Mendoza  kennen  gelernt  haben. 

Auf  die  silurische  Zone  folgt  in  Peru  und  Bolivien  gegen  SW. 
eine  devonische  Zone  und  diese  wird  am  Titicaca-See  von  gefal- 
tetem Kohlenkalk  überlagert.  Der  Kohlenkalk  hat  eine  weite  Ver- 
breitung ;  man  kennt  denselben  durch  Raimondi  weit  gegen  NW. 
bei  Huanta  und  durch  Toula  weit  in  SO.,  bis  etwa  10  Meilen  von 
Cochabamba." 

Das  nächstjüngere  Glied  der  boHvischen  Anden,  dem  Kohlen- 
kalke folgend,  ist  eine  sehr  mächtige  Serie  von  rothem  Sandstein 
und  Conglomerat,  an  vielen  Orten  reich  an  Kupfer,  zuweilen  von 
Gyps  und  häufig,  ja  fast  allenthalben  von  Porphyr  begleitet.  Diese 
Serie  hat  bisher  an  organischen  Resten  nur  verkieselte  Stämme 
von  Coniferen,  dann  schlecht  erhaltene  Blätter  und  Spuren  von 
Reptilien  geliefert.  Sie  wird  dem  Rothliegenden  Europa's  gleich- 
gestellt; viele  Merkmale  weisen  dahin,  aber  wir  werden  bald 


668  Aconcagua. 

dass  in  Chile   dieselben   petrographischen  Merkmale    einer   weit 
jüngeren  Zeit  angehören. 

Dieses  Rothliegende  ist  im  südlichen  Peru  das  jüngste  Glied 
der  östlichen  und  zugleich  die  Unterlage  der  westlichen  Cordillere, 
welche  die  Wasserscheide  bildet  und  dort  allein  die  Cordillere 
derAndes  genannt  wird. 

Diese  westliche  Cordillere  ist  aus  mannigfaltigen  mesozoi- 
schen Ablagerungen,  insbesondere  des  Jura  und  der  unteren 
Kreide  aufgebaut.  Ihr  sind  die  mächtigen  Vulcane  Avie  fremde 
Körper  aufgesetzt. 

So  wie  aber  die  östlichen,  paläozoischen  Ketten  Bolivien's  in 
ihrer  Zusammensetzung  mit  den  argentinischen  Ketten  überein- 
stimmen, so  stimmt  die  Beschaffenheit  der  westlichen  bolivischen 
Cordillere  im  Süden  mit  dem  chilenischen  Hauptzuge  der  Cordil- 
leren  überein.  Die  ältesten  organischen  Reste,  welche  diese  ge- 
liefert hat,  bestehen  aus  einer  Avicula  und  aus  rhätischen  Pflanzen- 
resten; die  nächstfolgenden  Meeresbildungen  gehören  dem  Lias 
an  und  die  Meeresbildungen  halten  an  bis  in  die  mittlere  oder 
obere  Kreide.  Es  ist  eine  wahre  jurassische  und  cretacische  Zone 
vorhanden,  welche  durch  Peru,  Bolivien  und  Chile  bis  zum  35.° 
und  vielleicht  noch  weiter  hinabzieht.^° 

Dieser  Zone  sind  im  Süden  wie  im  Norden  die  Vulcane  auf- 
gesetzt. Ihre  Aschen  und  Ströme  haben  einen  sehr  grossen  Theil 
der  mesozoischen  Ablagerungen  überdeckt.  Jurakalk  und  Kreide- 
kalk sind  auch  hier  oft  von  trachytischen  oder  anderen  eruptiven 
Felsarten  durchzogen  und  die  reichsten  Silbervorkommnisse  sind 
an  diese  Intrusionen  gebunden. 

Die  Reihe  der  Vulcane  zieht  im  Norden  von  Bolivien  herüber. 
In  24°  45'  erhebt  sich  in  derselben  der  Llullaico  zu  6175  M. 
Dann  folgen  südlich  V.  del  Chaco,  V.  de  Dona  In^z,  V.  del  Azufre, 
bis  in  etwa  26''  südl.  Br.  das  Ende  der  bolivischen  Reihe  junger 
Vulcane  erreicht  ist.  Durch  acht  Breitegrade,  bis  gegen  den  34.** 
fehlen  nach  Pissis  junge  Vulcane,  doch  sind  vulcanische  Felsarten 
auch  auf  der  Zwischenstrecke  vorhanden,  so  nach  Güssfeldt's 
Untersuchungen  in  grosser  Höhe  auf  dem  Aconcagua,  und  es  ist 
die  Frage  noch  offen,  ob  dieser  6970  M.  hohe  Berg  nicht  einen 
Krater  trägt. ""' 


Jorassbche  Zone  der  Anden.  669 

An  dem  westlichen  Abhänge  und  dem  Fusse  der  vulcanischen 
Kette  liegen  im  Norden  die  Salinas  de  Atacama,  de  Punta  Negra, 
die  Laguna  del  Pedernal  u.  And.  und  westlich  von  diesen  ist  als 
der  östliche  Rand  der  Wüste  Atacama  die  jurassische  und  unter- 
cretacische  Kalkzone  der  Anden  sichtbar.  Sie  zieht  über  Caracoles 
herab,  über  den  Corden  de  Varas,  unter  Dona  In^z  und  der  La- 
guna del  Pedernal.  Vor  der  jurakette  dacht  die  Wüste  Atacama 
zum  Meere  und  zur  Küsten-Cordillere  ab,  aber  nach  Pissis  erschei- 
nen einige  vereinzelte  Schollen  von  rothem  Sandstein  bis  gegen 
Paposo  nahe  am  Meere  und  auch  einzelne  Vorkommnisse  von 
mesozoischem  Kalkstein  bis  an  den  Ostrand  der  Küsten-Cordillere, 
namentlich  Östlich  und  nordöstHch  von  Chaüaral." 

Als  Burmeister  von  Copocovana  im  Norden  der  argentini- 
schen Republik  {28°),  von  den  nördlichen  Ausläufern  der  Serra 
Famatina  her,  das  Ende  des  boUvischen  Hochlandes  überstieg,  traf 
er  in  der  Nähe  der  chilenischen  Grenze  rothen  Sandstein  mit  Gyps, 
begleitet  von  Porphyr  und  Trachyt,  und  endlich  bei  Juntas  am  Rio 
Copiapö  die  mächtige  jurassische  Kalkzone,  welche  von  dem  Ost- 
rande der  Wüste  Atacama  herabzieht.'^ 

An  einer  langen  Reihe  von  Punkten  kennt  man  die  Jura- 
formation bis  zu  jenem  Theile  der  Anden,  welchem  der  Aconcagua 
angehört.  Auch  hier  besteht  das  Gebirge  mit  Ausnahme  der  öst- 
lichsteh Theile  aus  Felsarten,  welche  nicht  älter  als  die  permische, 
oder,  nach  Steinmann's  Ergebnissen  im  Süden  zu  urtheilen, 
nicht  älter  als  die  rhätische  Zeit  sind.  Pissis  hat  gezeigt,  dass 
durch  die  Provinz  Aconcagua  an  dem  westlichen  Gehänge  der 
Anden  der  petrefactenreiche  Jurakalkstein  herabzieht  bis  gegen 
S.  Felipe  und  S"  Rosa  de  los  Andes,  und  dass  am  östhchen  Ab- 
hänge des  Hochgebirges  vom  Cerro  de  la  Ramada  im  Norden 
des  Aconcagua  bis  zum  Cerro  del  Juncal  im  Süden  desselben  ein 
jurassischer  Schichtenkopf  sich  erstreckt.'* 

Der  Gipfel  des  Aconcagua  selbst  liegt  etwas  östlich  ausser- 
halb der  Hauptkette  und  besteht,  wie  gesagt,  aus  vulcanischem 
Gestein. 

Dieser  jurassische  Schichtenkopf  ist  es,  welchen  Stelzner  an 
zwei  Orten  getroffen  hat,  und  zwar  N.  vom  Aconcagua  am  Passe 
de  los  Patos  (Espinazito)  in  der  Nähe  des  eben  genannten  C 


670 


Jura  von  Coquimbo  und  Copiapö. 


Ramada,  und  S.  von  demselben  an  der  Incabrücke  im  Cumbr 
passe.  An  beiden  Orten  scheint  ostwärts  die  Unterlage  zuerst  ai 
grossen  Massen  von  Porphyr,  dann  aus  Granit  zu  bestehen.  A 
der  ersten  Stelle  sammelte  derselbe  jene  Versteinerung-en,  dun 
welche  von  Gottsche  eine  Reihe  von  Horizonten  der  europäische 
Juraformation  nachgewiesen  werden  konnte.  An  dem  zweite 
Punkte  gelangte  Stelzner  zu  der  Ansicht,  dass  die  innerhalb  d 
Juraformation  sichtbaren  Eruptivgesteine  als  Lagerg-änge  vc 
Trachyt,  nicht  als  Einschaltungen  von  Porphyrdecken,  wie  m< 
früher  meinte,  aufzufassen  seien.  Es  würde  demnach  ein  ganz  äh 
liches  Verhältniss  von  Intrusion  in  Schichtfugen  herrschen,  wie  < 
von  Moesta  im  Norden  aus  den  Silbergruben  von  Chanarcillo  b 
schrieben  worden  ist/^ 

Diesem  Ergebnisse  stehen  die  späteren  Angaben  Steinmann 
über  die  Cordillera  von  Coquimbo  und  Copiapö  entgegen.  Na« 
Steinmann  liegt  unmittelbar  auf  altkrystallinischem  Gebirge  sei 
veränderter  Kalkstein  mit  Avicula.  Hierauf  folgt,  durch  ein  Syste 
'  von  Porphyr  und  Porphyrsandstein  getrennt,  eine  Reihe  von  Coi 
glomerat,  Sandstein  und  Schieferthon  mit  einer  Flora  von  rhät 
schem  Gepräge,  dann  der  Gryphitenkalk  des  Lias  mit  Arietite 
Gryphaea  arcuata  u.  And.,  hierauf  der  obere  Lias,  dann  mehrei 
Stufen  des  europäischen  unteren  braunen  Jura,  namentlich  jer 
des  Harpoceras  Murchisonae,  H.  Sowerbyi  und  Stephanöcen 
Sauzei.  Ueber  dieser  letzten  Zone  liegt  ein  Tausende  von  Fusse 
mächtiges  System  von  Porphyrsedimenten  und  Porphyr,  weicht 
dem  Alter  nach  bis  in  die  Kreideformation  reicht.  Bei  Chafiarcill 
sind  Mittelneocom  und  Urgon  als  Kalkstein,  wieder  mit  europä 
schem  Gepräge,  vorhanden,  und  sie  keilen  sich  in  den  Porphy 
Sedimenten  aus.^^ 

Hienach  dürfte  man  wohl  die  buntgefärbten  Sandsteinlagt 
mit  Porphyr,  welche  Brackebusch  auf  den  Höhen  der  silurischt 
Ketten  von  Jujuy  antraf  und  der  erdölreichen  Zone  zuzählte,  a 
Theile  der  mesozoischen  Reihe  der  grossen  Cordillere  ansehen. 

Die  Juraformation  zieht  sich  nun  gegen  S.,  ist  z.  B.  unter  de 
Vulcan  S.  ]os6  und  ebenso  unter  dem  Vulcan  von  Tinguiriri^ 
bekannt,  und  zwar  zu  beiden  Seiten  des  Passes  de  las  Dama 
Hier  soll  nach  einer  Beobachtung  Domeyko's  der  Granit  in  d 


Colchagua.    Ablenkung  der  jurassischen  Zone.  6  7  I 

Tiefe  des  Tinguiriricathales,  also  an  der  Westseite  der  Cordillere, 
sichtbar  sein/^ 

In  der  ganzen  Provinz  Colchagua,  also  bis  35°  21'  bleiben 
nach  Pissis  die  mesozoischen  Schichten  westwärts  auf  die  höchsten 
Kämme  der  Anden  beschränkt  und  erreichen  ihre  grössere  Ent- 
wicklung auf  der  Ostseite/*  Diesem  entsprechend  fand  Strobl 
jurassische  Versteinerungen  im  oberen  Thale  ,de  las  Lenas  ama- 
rillas*,  fast  zwei  Tagereisen  östlich  von  der  Wasserscheide  auf 
argentinischem  Gebiete,  in  -grünlichem  Sandstein.  Hier  taucht 
östlich  von  den  Anden  Granit  hervor  und  Trachyt  erreicht  eine 
grosse  Ausdehnung.  Der  trachytische  Detritus  bildet  die  Ober- 
fläche eines  grossen  Theiles  oder  der  ganzen  Gran  Pampas  del 
Sur,  SW.  von  S.  Rafael.^^ 

Spuren  mesozoischer  Fossilien  sind  an  dem  Westabhange  der 
Anden  noch  viel  weiter  gegen  S.  bekannt;  selbst  von  Chiloe  werden 
solche  angeführt.  Steinmann  führt  die  vermuthlich  untercretacische 
Trigonia  transitoria  von  Caracoles  in  Bolivia,  von  der  Cordillere 
von  Chillan  (36°  18'  südl.  Br.)  und  noch  aus  der  Nähe  des  Vulcan's 
Antuco  (37"*  16')  an.  Die  sonstigen  Nachrichten  aus  diesen  Ge- 
bieten, welche  mir  zur  Verfügung  stehen,  sind  nur  äusserst  spär- 
lich und  beziehen  sich  wahrscheinlich  durchwegs  auf  cretacische 
Vorkommnisse,  wie  wir  deren  bald  mehr  aus  dem  Süden  anzu- 
führen haben  werden.  — 

Es  ergibt  sich  aus  dem  Gesagten,  dass  die  Hauptkette  der 
Cordilleren  vom  südlichen  Peru  durch  Bolivien  und  Chile,  mit  Aus- 
nahme einzelner  archaischer  Vorkommnisse  im  Süden,  aus  Sedi- 
menten aufgebaut  ist,  welche  nicht  älter  als  die  permische,  wahr- 
scheinlich nicht  älter  als  die  rhätische  Zeit  sind.  Diese  Sedimente 
tragen  in  geradezu  erstaunlicher  Weise  Zone  für  Zone  das  Ge- 
präge europäischer  Jura-  und  Kreidehorizonte.  Sie  haben  im 
Norden  ihre  hauptsächliche  Entwicklung  an  der  Westseite  des 
Hochgebirges.  Sie  sind  südwärts  auf  vielen  Passhöhen  zwischen 
den  Vulcanen  bekannt,  liegen  in  der  Gegend  des  Aconcagua  in 
grossen  Höhen,  scheinen  aber  S.  vom  Vulcan  Planchon  mehr  und 
mehr  auf  die  Ostseite  hinüberzutreten.  Es  ist  fast,  als  sollte  auch 
in  dem  Verlaufe  dieser  Zone  die  allgemeine  Ablenkung  der  Anden 
gegen  Südost  zum  Ausdrucke  gelangen. 


672  Die  Küsten-Cordilleren. 

Ausgedehnte  Massen  vulcanischer  Ergüsse  und  Aschen  aus 
neuerer  Zeit  lasten  auf  dieser  Zone.  Grosse  selbständige  Trachyt- 
gebirge  erscheinen  auf  oder  neben  derselben  oder  zwischen  ein- 
zelnen Theilen  derselben.  Die  thätigen  Vulcane  treten,  wie  ge- 
sagt, auf  zwei  getrennten  Linien  hervor.  Die  nördliche,  von  Bolivien 
bis  zum  26.°  südl.  Br.,  ist  ganz  dieser  Zone  aufgesetzt.  Die  süd- 
liche beginnt  in  34**  in  dieser  selben  Zone,  aber  während  die  juras- 
sischen Ablagerungen  gegen  SO.  abzuschwenken  scheinen,  setzt 
sich  die  vulcanische  Linie  gegen  Süden  fort. 

Die  Küsten-Cordilleren. und  Patagonien.  Während  die 
Hauptkette  der  Anden  in  Bolivien  und  Chile  als  die  jurassische 
Zone  eines  weitläufigen  System's  von  mehr  oder  minder  parallelen 
Ketten  sich  zu  erkennen  gibt,  ist  es  nach  den  vorliegenden,  nicht 
ganz  übereinstimmenden  Nachrichten  sehr  schwer,  sich  über  die 
Zusammensetzung  der  westlich  folgenden  Tiefenlinie  Klarheit  zu 
verschaffen. 

Nach  Pissis  w^ürde  der  Untergrund  der  Wüste  Atacama,  ab- 
gesehen von  den  bereits  erwähnten  Schollen  von  rothem  Sand- 
stein und  mesozoischem  Kalk,  welche  bis  zur  Westseite  reichen, 
aus  eruptiven  Felsarten  von  verschiedenem  Alter  bestehen,  und 
zwar  sollen  diese  so  angeordnet  sein,  dass  die  ältesten  Eruptiv- 
gesteine gegen  Westen  sichtbar  werden,  gegen  Ost  aber  immer 
jüngere  folgen.  Im  Westen  der  Wüste,  an  der  Küsten-Cordillere 
und  einen  Theil  derselben  bildend,  führt  PiSsis  syenitische  Höhen- 
züge an.  Diese  werden  gegen  die  grosse  Depression  hin  spar- 
samer und  an  ihre  Stelle  treten  Augitporphyr  und  Mandelstein, 
welche  ihrerseits  wieder  gegen  Ost  dem  Trachyt  Raum  geben. 
Noch  weiter  gegen  Ost,  auf  der  Höhe  der  Anden  folgen  dann 
junge  Trachyte,  Laven  und  Bimsstein.^° 

Gegen  Süden  wurde  Aehnliches  nicht  bemerkt.  Pissis  gibt 
an,  dass  in  der  nördlichen  Fortsetzung  des  chilenischen  Läng-en- 
thales  und  auch  in  südlicheren  Theilen  des  Thaies  selbst,  wie  in 
den  Provinzen  S.  Jago  und  Colchagua,  der  rothe,  wohl  mesozoi- 
sche Sandstein  den  grössten  Theil  des  Westabhanges  der  Anden 
und  einen  guten  Theil  der  Seiten  des  Thaies  bilde.  An  vielen 
Stellen  ist  der  Abhang  der  Anden  mit  den  Laven  und  Aschen  der 


Morro  de  Arica.    Cobija.   Mejillones.  67 3 

Vulcane  bedeckt;  bei  Teno  in  Colchagua  tritt  sogar  ein  grosser 
Lav^tstrom  von  den  Anden  her  quer  über  das  Längenthal  und  trennt 
dasselbe.  Ein  beträchtlicher  Theil  der  Niederung  ist  ausgefüllt 
mit  einer  ungeschichteten  Decke  von  sandigem  Thon,  welcher 
Mastodon  Andium  enthält  und  nach  Domeyko  grosse  Aehnlich- 
keit  mit  dem  Thon  der  brasilischen  Pampas  besitzt.^' 

Sehr  bezeichnend  für  den  Bau  der  grossen  pacifischen  Ketten 
ist  die  Beschaffenheit  der  Cordilleren  der  Küste.  Es  muss 
erwähnt  werden,  dass  diese  Ketten  im  Norden  nur  durch  Trüm- 
mer vertreten  sind  und  dass  sie  erst  im  Süden  Zusammenhang 
gewinnen.  Ihre  Gesteine  sind  in  der  Lagerung  beträchtlich  ge- 
stört, oft  heftig  gefaltet,  stets  von  altem  Aussehen.  Hervorragende 
chilenische  Geologen  wollten  in  denselben  die  Vertreter  der  ver- 
steinerungsreichen silurischen  und  devonischen  Formationen  des 
bolivischen  Hochgebirges  erkennen.  Aber  man  hat  in  dem  ganzen 
Gebiete  dieser  Ketten  noch  nie  in  anstehendem  Gestein  eine  be- 
stimmbare Spur  organischer  Reste  der  paläozoischen  Zeit  auf- 
gefunden und  es  kann  daher  diese  Voraussetzung  nicht  als  er- 
wiesen gelten. 

Wohl  gibt  d'Orbigny  an,  in  einem  der  nördlichen  Theile,  im 
Morro  de  Arica,  Bruchstücke  von  Productus  in  Kalkblöcken  ge- 
troffen zu  haben,  welche  in  Porphyr  eingehüllt  waren,  aber 
D.  Korbes  hat  seither  den  Morro  beschrieben  und  hält  das  carbo- 
nische Alter  desselben  nicht  für  erwiesen.  Er  traf  dort  einen 
Wechsel  von  fremdartigem  Porphyr  und  verändertem  Schiefer, 
sowie  eine  dünne  Lage  von  Kalkstein  mit  sehr  undeutlichen  or- 
ganischen Resten  und  hat  kein  Urtheil  über  ihr  Alter  zu  fallen 
gewagt.^' 

Weiter  im  Süden  treten  Gneiss  und  Granit  hinzu,  und  Glimmer- 
schiefer und  Ouarzite.  Dies  ist  schon  in  Atacama  der  Fall,  doch 
bestehen  auch  die  schwarzen  Klippen  bei  Cobija  aus  einem  dunklen, 
harten,  mit  Epidot  durchsprengten  Gestein,  welches  D.  Forbes 
für  ein  durch  den  nahen  Diorit  oder  Porphyr  verändertes  thoniges 
oder  thonig-kalkiges  Sedimentgestein  zu  halten  geneigt  ist. 

Bei  Mejillones  ist  Granit  vorhanden  und  häufig  wiederholen 
sich  südwärts  die  Vorkommnisse  von  Granit  an  der  Küste.  Nörd- 
lich von  Valparaiso  trifft  man  an  der  Küste  Gneiss,  über  dem- 


674  Talcahuano.   Cordillera  de  Nahuelbuta. 

selben  Quarzit,  zuweilen  von  Talkschiefer  begleitet,  und  dann 
folgt  als  höchstes  und  am  meisten  ausgebreitetes  Glied  dieses 
stark  gefalteten  und  gestörten  Gebirges  ein  Wechsel  von  Schiefer, 
jaspisführenden  Lagen  und  Quarzit. 

Noch  weiter  südwärts,  an  den  nördlichen  Zuflüssen  des  Rio 
Rapel,  löst  sich  die  Küsten- Cordillere  in  eine  Reihe  niedriger, 
aber  schroffer  Berge  auf,  bald  tritt  jedoch  knapp  an  der  Küste  eine 
neue  Kette  von  mehr  gerundeten  Höhen  hinzu.  So  streckt  sich 
das  Gebirge  südwärts  fort,  übersetzt  endlich  die  Strasse  von  An- 
cud  und  bildet  die  dem  Busen  von  Corcovado  vorliegende  Reihe 
von  Inseln. 

Schon  weit  im  Norden  zeigen  sich  an  den  dem  Meere  zuge- 
kehrten Abhängen  vereinzelte  Schollen  einer  marinen  Tertiär- 
bildung, aber  auch  diese  schliessen  sich  erst  im  Süden  etwas  näher 
aneinander  und  unter  ihnen  werden  hier  an  vereinzelten  Stellen 
auch  Schollen  der  oberen  oder  mittleren  Kreideformation  sichtbar. 
Diese  sind  dem  Gneiss,  Quarzit  oder  Schiefer  der  Küsten- 
Cordilleren  unmittelbar  aufgelagert,  und  die  Kohlenbaue,  Avelche  in 
ihnen  getrieben  werden,  lassen  zahlreiche  Verwerfungen  erkennen. 

Die  wichtigsten  Aufschlüsse  dieser  Art,  nämlich  der  ober- 
cretacische,  baculitenreiche  Grünsandstein  von  Tom^  in  der  Bucht 
von  Talcahuano  und  die  tertiären  Kohlenvorkommnisse  der  Bucht 
von  Arauco«  wurden  an  früherer  Stelle  (S.  129,  Fig.  6)  erwähnt 
und  bilden  den  Doppelzacken  der  Küste.  Nördlich  und  südlich 
von  dieser  Strecke  sind  wiederholt  jüngere  Schichten  sichtbar. 
Concha  y  Toro  zählt  die  tertiären  Schichten,  welche  in  der  Provinz 
S.  Jago  und  insbesondere  von  Rio  Maipo  bis  zum  Vorgebirge 
von  Topocalma  der  Küsten-Cordillere  gegen  das  Meer  hin  an- 
lagern, beiläufig  in  die  mittlere  Eocänzeit.^^ 

Die  Cord,  de  Nahuelbuta,  welche  als  ein  Theil  der  Küsten- 
Cordilleren  durch  Arauco  zieht,  nimmt  nach  Philippi  gegen  S.  an 
Höhe  und  Breite  zu,  erreicht  1500  M.  und  besteht  aus  Granit  und 
Glimmerschiefer.  Gegen  W.  ist  sie  von  einem  etwa  150  M.  hohen 
Plateau  begleitet,  welches  von  den  tertiären  kohlenführenden  Ab- 
lagerungen gebildet  ist.^*^ 

Deutlich  erkennt  man  in  den  Buchten  von  Talcahuano  und 
Arauco,  dass  die  jüngeren  Schollen  ein  Streichen  im  Sinne  der 


Chiloe.   Chonos.   Tres  Cerro».  675 

Cordillere  und  der  Küste  verfolgen,  und  da  wir  durch  Darwin 
wissen,  dass  eine  Anzahl  aussenliegender  kleiner  Inseln,  wie 
Mocha  (38"  20'),  Huafu  SW.  von  Chiloe,  dann  Ypun  (44°  36'),  nach 
Simpson's  Angaben  wohl  auch  das  SW.  von  Ypun  gelegene  Hu- 
ambHn  (Socorro),  dannLemu  (45°  12')  aus  marinen  Tertiärschichten 
bestehen,  scheinen  ausgedehntere  tertiäre  Längenzüge  im  Sinne 
der  Küste  vorhanden  zu  sein. 

Die  Kenntniss  der  südwestHchsten  und  südlichsten  Theile  von 
Amerika  beruht  hauptsächlich  auf  den  Beobachtungen,  welclie 
Darwin  vor  bald  fünfzig  Jahren  hier  sammelte,  und  aus  den  leider 
erst  im  Auszuge  bekannten  wichtigen  Untersuchungen  Steinmann's. 
Es  ergeben  sich  folgende  Grundzüge  des  Baues.'^' 

Von  Valdivia  zieht  eine  Zone  von  Glimmerschiefer  herab, 
welche  den  ganzen  Westen  und  Süden  von  Chiloe  bildet,  während 
die  Mitte  dieser  Insel  aus  Granit  und  Grünstein  bestehen  soll,  im 
Norden  derselben  vulcanische  Bildungen  sich  zeigen  und  ein 
grosser  Theil  des  Ostens  mit  Block-  und  Geröllablagerungen  ge- 
deckt ist. 

In  den  Chonos-Inseln  sieht  man  wieder  Glimmerschiefer  und 
Thonschiefer,  und  in  denselben  einige  alte  eruptive  Gesteine.  Auf 
dem  Festlande  in  etwa  45°  20'  in  den  Unterlauf  des  Rio  Aysen 
eindringend,  gewann  Simpson  den  Eindruck,  dass  das  Gebirge 
südlich  und  wahrscheinlich  auch  nördlich  von  demselben  nicht 
mehr  aus  einer  zusammenhängenden  Cordillere  bestehe,  sondern 
aus  vereinzelten  Bergen,  welche  nur  durch  Verlandung  vereiniget 
seien.  Nördlich  vom  Aysen,  unter  M.  Macd,  verzeichnet  derselbe 
noch  einen  kleinen,  nicht  thätigen  Vulcan.-'^ 

Aehnliche  Felsarten,  wie  die  Chonos,  bilden  nach  Darwin 
auch  das  Vorgebirge  Tres  C"erros  (46"  50');  zum  Glimmerschiefer 
tritt  Glanzschiefer  und  ein  schwach  anthrazitischer  Schiefer;  es 
ist  viel  Quarz  vorhanden ;  das  Streichen  ist  im  Durchschnitte 
N.  19°  W. 

Eine  breite  Zone  einer  sedimentären  Felsart,  welche  Darwin 
als  .Thonschiefer'  bezeichnet,  nach  Steinmann  aber  durch  die  zahl- 
reichen Einlagerungen  von  hartem  Sandstein  sich  von  jenen  Ab- 
lagerungen unterscheidet,  welche  man  in  der  Regel  als  Thoii' 
schiefer  zu  bezeichnen  pflegt,  zieht  sich  weit  vom  Noi 


676  Magellan's-Strasse. 

letzten  Beobachter  zufolge  sogar  vielleicht  schon  von  Valdivia 
her,  an  der  Ostseite  des  Gebirges  herab.  Diese  Zone  erreicht  in 
der  Braunschweig-Halbinsel  die  Wässer  der  Magellan's-Strasse, 
bildet  gegen  SO.  beide  Seiten  des  Admiralitäts-Sundes,  erreicht 
dann  den  Beagle-Canal  nahe  O.  von  seiner  Gabelung,  bildet  beide 
Ufer  desselben  bis  zur  Strasse  Le  Maire  und  S.  vom  Beagle-Canal 
die  ganze  Navarin-Insel  und  die  O.  Hälfte  der  Hoste-Insel  und  der 
Hardy-Halbinsel.  An  den  N.  Rand  dieser  grossen  Zone  legen 
sich  im  Feuerlande  die  horizontalen  tertiären  und  noch  jüngeren 
Schichten,  aus  welchen  bis  zur  S.  Polycarp's-Bucht  hinab  das  ganze 
tafelförmige  Land  besteht. 

Diese  grosse  Gebirgszone  ist  von  cretacischem  Alter.  Schon 
weit  im  Norden,  zwischen  Laguna  Argentina  und  Laguna  Rica 
traf  Steinmann  zwei  durch  verschiedene  Arten  von  Inoceramus 
ausgezeichnete  Horizonte;  S.  davon,  am  Fusse  des  Cerro  Paine 
(etwa  51°  30')  fand  derselbe  ein  jungcretacisches  Haploceras, 
Ananchytes  u.  And.,  endlich  zwei  Grade  südlicher,  am  Rio  S.  Juan 
auf  der  Halbinsel  Braunschweig  abermals  Inoceramen.  Am  M.  Tarn 
und  bei  Port  Famine  sind  dunkle,  kalkige  Einlagerungen  vorhan- 
den; hier  würden  zuerst  von  Hombron  und  Grange,  dann  von 
Darwin  untercretacische  Fossilien  gefunden;  Ancyloceras  simplex 
Orb.  kommt  hier  vor.  In  dem  SO.  Theile  dieser  Zone  endlich,  in 
Nassau-Bay,  traf  Dana  in  Menge  jenes  sonderbare,  zu  den  Belem- 
nitiden  gehörige  Fossil,  welches  er  Helicerus  fuegensis  nannte.^^ 

Diese  cretacische  Zone  nimmt  stellenweise  ein  ganz  paläo- 
zoisches Aussehen  an.  Der  Schiefer  ist  von  Gängen,  häufig  auch 
von  grösseren  Massen  eines  älteren  hornblendereichen  Eruptiv- 
gestein's  durchbrochen.  Solche  ältere  eruptive  Felsarten  nehmen 
beträchtlichen  Antheil  an  der  Zusammensetzung  der  WoUaston-, 
Hermite-  und  Hoorn-Inseln.  Die  vorliegenden  Inseln  Ildefonso  und 
Ramirez  sollen  nach  Wedell's  Aufsammlungen  aus  einer  älteren 
porphyrartigen  Lava  bestehen.  Jüngere  vulcanische  Vorkomm- 
nisse fehlen  dem  Feuerlande  ganz. 

Westlich  von  der  Gabelung  des  Beagle-Canal's,  sagt  Darwin, 
treten  die  alten  vulcanischen  Felsarten  zurück  und  man  sieht 
Uebergänge  des  Thonschiefers  in  eine  Zone  von  Glanzschiefer 
und   von  feinkörnigem   Gneiss,    welchem   ein   grosser  Zug    von 


Das  EDd«  der  KüstcD-Cordilleren.  677 

granatreichem  Glimmerschiefer  folgt.  Den  westlichen  Theil  des 
Gebietes  scheinen  nur  Gneiss  und  Hornblendeschiefer  zu  bilden, 
welche  auf  kahlen  Granitbergen  ruhen,  und  diese  Gesteine  sind  es 
wahrscheinlich,  die  sich  nordwärts  durch  Desolation-Land  fort- 
setzen. Die  wesdichste  Reihe  vorliegender  Inseln  besteht  aber- 
mals aus  den  älteren  Eruptivgesteinen.^*  — 

Man  bemerkt,  dass  im  Süden  die  amerikanischen  Gebirge  eine 
volle  Wendung  im  Streichen  erst  gegen  SSO.,  dann  gegen  SO., 
gegen  O.,  endlich,  nach  Darwin's  Angabe,  sogar  gegen  ONO. 
vornehmen. 

Weiter  ergibt  sich,  dass  diese  südlichen  Gebirge  nicht,  wie 
man  wohl  anzunehmen  gewöhnt  ist,  als  eine  Fortsetzung  der 
Hauptcordillere  anzusehen  sind,  sondern  dass  sie  den  Cordilleren 
der  Küste  entsprechen.  Die  Beschreibung  des  Morro  de  Aricä, 
weit  im  Norden  an  der  bolivischen  Küste  und  etwa  jene  der  Klippen 
von  Cobija  sind  unter  allen  bisher  erwähnten  Vorkommnissen  den 
Gebirgen  des  Feuerlandes  am  ähnlichsten. 

Darwin  war  nicht  ganz  abgeneigt,  die  "Züge  von  Gneiss  und 
Glimmerschiefer  als  veränderte  cretacische  Gesteine  anzusehen; 
Steinmann  hat  sich  über  diese  wichtige  Frage  bisher  nur  zweifelnd 
und  zurückhaltend  ausgesprochen.^' 

Es  hat  sich  gezeigt,  dass  die  aus  sehr  alten  Felsarten  gebil- 
deten östlichen  Sierren  der  argentinischen  Republik  aus  ihrem 
meridionalen  Streichen  gegen  SQ.  in.  S.  Tandil  und  S.  Ventana 
ihre  Fortsetzung  finden.  Es  ist  die  Andeutung  eines  Abschwenkens 
der  jurassischen  Zone  in  demselben  Sinne  vorhanden.  Nun  sehen 
wir  einen  langen  Gebirgszug,  welcher  als  die  Fortsetzung  der 
Küsten-Cordilleren  zu  betrachten  ist,  ebenfalls  in  demselben  Sinne 
gebeugt.  Die  jungen  Vulcane  folgen  dieser  Beugung  nicht.  Man 
dürfte  hoffen,  aus  der  Beschaffenheit  der  Falklands-Inseln  weiteren 
Aufschluss  zu  erhalten ;  diese  bestehen  aber  in  ganz  abweichender 
W^eise  aus  gefalteten  Schichten  mit  paläozoischen  Fossilien.*" 

Peru.  Das  Hochgebirge  von  Potosf  und  Cochabamba  sinkt 
gegen  Osten  zu  der  weiten,  mit  Urwald  bedeckten  Ebene  von 
S.  Cruz  de  la  Sierra  herab.  Zwei  grosse  Ströme  treten  nahe  an- 
einander aus  dem  Abfalle  hervor,  der  Rio  Grande,  welcher  nord 


i 


678  Rückblick  auf  Bolivien. 

wärts  zum  Amazonenstrome,  und  der  Pilcomayo,  welcher  süd- 
wärts zum  La  Plata  fliesst.  Die  Wasserscheide  zwischen  beiden 
ist  aber  so  flach,  dass  auf  derselben  der  Rio  Parapiti  in  den 
Sümpfen  des  Urwaldes  verloren  geht  und  nur  bei  Hochw^ässem 
Abfluss  findet. 

Weithin  umgibt  nun  die  waldbedeckte  Ebene  den  Ostfuss  des 
Hochgebirges,  bis  aus  derselben,  schon  näher  der  Grenze  von 
Matto  Grosso,  eine  lange  und  niedrige,  den  Anden  parallele 
Kette  hervortritt,  deren  südöstliches  Ende  die  AUuvien  des 
Paraguay  erreicht,  und  welche,  wie  d'Orbigny  gezeigt  hat,  aus 
Gneiss,  altem  Schiefer  und  Quarzit  besteht/*  Sie  scheint  eine 
ähnliche  Lage  zu  den  Anden  zu  haben  wie  die  argentinische  Sierra 
de  Cördoba. 

Wir  wenden  uns  dem  Hochgebirge  im  Westen  zu.  — 

Dass  gerade  in  den  bolivischen  Anden  der  Ausg-angspunkt 
dieser  Darstellung  des  Hauptzuges  der  Cordilleren  g-enommen 
worden  ist,  hat  nicht  in  irgend  einer  etwa  gerade  an  dieser  Stelle 
eintretenden  Abänderung  des  Baues  seinen  Grund,  sondern  in  der 
genaueren  Kenntniss,  welche  wir  .von  dieser  Strecke  besitzen. 
Aber  es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  nordwärts  ganz  allmälig 
andere  Verhältnisse  eintreten. 

Im  Süden  sahen  wir  gegen  das  Innere  des  Continentes  die 
parallelen  und  aus  archaischen  und  paläozoischen  Felsarten  zu- 
sammengesetzten argentinischen  Ketten;  diesen  folgt  g'eg-en  das 
Meer  hin  die  jurassische  Zone,  welcher  die  Vulcane  aufg-esetzt 
sind,  und  am  Strande  erheben  sich  vor  dieser  die  Rücken  und 
Klippen  der  Küsten-Cordilleren,  in  welchen  von  versteinerungs- 
führenden Schichten  keine  älteren  als  solche  der  Kreideforma- 
tion bekannt  sind. 

Weiter  im  Norden  zeigte  sich  in  den  bolivischen  Anden  trotz 
des  mehr  gegen  Nordwest  gerichteten  Streichens  so  ziemlich  der- 
selbe Bau.  Die  silurischen  Sierren  von  Salta  und  Jujuy  finden 
ihre  Fortsetzung  in  den  Hochgebirgen  des  lUampu  und  des  Illi- 
mani;  ihnen  vorgelagert  ist  erst  eine  devonische,  dann  eine  Zone 
von  Kohlenkalk,  welche  von  Cochabamba  über  den  Titicaca-See 
gegen  Carabaja  und  Cuzco  zieht.  Ihr  folgen  seewärts  Porphyre 
und  rother  Sandstein,  die  mesozoische  Zone  mit  den  Vulcanen, 


Pero.  67g 

endlich  die  Riffe  der  Küsten-Cordülere  bei  Arica  und  an  anderen 
Orten. 

Die  Bezirke  von  Ayacucho  und  Huancavelica  und  die  Um- 
gebung von  Lima  lassen  nach  Crosnier's  Darstellung  bereits  einige 
Veränderung  erkennen/' 

Auch  hier  trifft  man  zuerst,  ob  man  vom  Strande  bei  Ica 
gegen  das  silberreiche  Gebiet  von  Castro  Vireina  am  West- 
abhange  der  westlichen  Cordillere  aufsteigen  oder  ob  man  von 
Lima  ausgehend  dem  Thale  des  Rimac  nach  aufwärts  folgen  mag, 
auf  die  breiten  und  häufig  Gold  führenden  Granitrücken  der 
Küsten-Cordilleren,  und  diese  sind  von  aufgerichteten  Bänken  von 
Kalkstein  und  Sandstein  begleitet,  welche  der  unteren  Kreide- 
formation anzugehören  scheinen.  Solche  Schichten  bilden  das 
kleine  Vorgebirge  Chorillos  und  die  Insel  S.  Lorenz©  bei  Lima/^ 

Nachdem  der  Granit  gekreuzt  ist,  sieht  man  oberhalb  Lima 
ähnliche  geschichtete,  porphyrähnliche  Felsarten,  wie  sie  in  Chile 
eine  so  grosse  Rolle  spielen,  und  dann  folgt  in  steilen  Wänden 
hoch  aufgerichteter  mesozoischer  Kalkstein  bis  zu  dem  über 
4800  M.  hohen  Passe.  Diese  Kalkmasse  bildet  auf  eine  weite 
Strecke  den  First  der  westlichen  Cordillere,  wie  das  auch  im 
nördlichen  Chile  der  Fall  ist.  An  dem  ösdichen  Abfalle  folgt  dem 
Kalkstein  abermals  sogenannter  geschichteter  Porphyr,  hierauf 
eine  grosse  Masse  von  geschichtetem,  kohlenführendem  Sandstein 
und  Quarzit,  welche  das  Längenthal  von  Oroya  einnimmt. 

Die  Beobachtungen  Crosnier's  gestatten,  dieses  Querprofil 
von  einer  südlicheren  Strecke  dieses  Längenthaies  aus,  von  Ischu- 
chaca  über  Pampas  gegen  Cochabamba,  zum  Ostabhange  der  öst- 
lichen Cordillere  fortzusetzen.  Unter  dem  Kohlensandstein  taucht 
dort  dunkler  Kalkstein  hervor  und  Porphyrconglomerat ;  dann 
folgt  bei  wesentlicher  Veränderung  der  Bergformen  ein  Zug  von 
Thonschiefer  und  von  grünem,  chloritischen  Schiefer,  bis  bei 
Cochabamba  ein  langer  Zug  von  Granit  sichtbar  wird. 

Hier  wollen  wir  abbrechen,  um  den  zwischen  der  ersten  und 
zweiten  Cordillere  hinziehenden  Kohlensandstein  zu  betrachten. 
Dieser  Sandstein  ist  es,  welcher  die  reichen,  an  der  Ostscilc  1 
westlichen  Cordillere  liegenden  Quecksilberjjruben  ■ 
velica  umschliesst. 


68o  Huancavelica.    Ancachs. 

In  der  Quecksilbergrube  Ventanilla  S.  von  Huancavelica  selbst 
hat  Crosnier  ein  Kohlenflötz  gesehen.  Der  Zinnober  ist  in  die 
Zwischenräume  und  Spalten  des  Sandstein's  eingedrungen.  Der 
Sandstein  und  der  die  Kohle  häufig  begleitende  Schiefer  führen 
Ammoniten.  In  diesem  Gebiete,  in  dem  Längenthaie  von  Oroya 
und  Jauja  liegen  Fundorte  von  Versteinerungen,  z.  B.  bei  Tingo 
und  in  der  Quebrada  von  Huari.  Auch  die  kohlenführenden 
Schichten  von  Pariatambo  und  des  Cerro  della  Ventanilla  gehören 
hieher,  aber  in  Bezug  auf  das  Alter  derselben  herrscht  Meinungs- 
verschiedenheit. Gabb  stellt  sie  in  den  Lias,  Steinmann  wohl  mit 
grösserem  Rechte  in  die  Kreideformation/* 

Dieser  kohle-  und  quecksilberführende  Horizont  ist  schon  in 
Bolivien,  bei  Pufio,  bekannt,  also  an  der  Innenseite  der  grossen 
mesozoischen  Zone  gegen  den  Titicaca-See,  und  ebenso  erscheint 
er  hier  an  der  Ostseite  des  Kalkzuges,  welcher  den  grössten  Theil 
der  westlichen  Cordillere  bildet.  Viele  Meilen  weit  zieht  sich  der- 
selbe von  Huancavelica  an  dem  Ostabhange  der  westlichen  Kette 
hin,  und  die  peruanischen  Bergleute  behaupten  sogar,  dass  er 
ununterbrochen,  jedoch  mit  wechselndem  Reichthume,  durch  ganz 
Nordperu  sich  erstrecke.  — 

Für  die  N.  von  Lima  folgenden  Gebirgszüge  bieten  Rai- 
mondi's  Arbeiten  und  insbesondere  seine  inhaltsreiche  Beschrei- 
bung des  Departement's  Ancachs  eine  reiche  Quelle  der  Be- 
lehrung.*^ 

Hier  sind  östlich  von  einem  niedrigen  Höhenzuge,  Avelcher 
die  Küste  begleitet,  drei  grosse  Cordilleren  und  drei  Läng-en- 
thäler  vorhanden.  Die  erste  Cordillere  nennen  wir  mit  Raimondi 
die  Cordillera  Negra;  sie  dacht  ostwärts  zu  dem  ersten  grossen 
Längenthaie  ab,  dem  Callejon  de  Huaylas.  Der  Callejon  krümmt 
sich  im  Norden  in  einem  grossen  Bogen,  dessen  Scheitel  etwa  in 
8°  40'  südl.  Br.  liegt,  dem  Meere  zu,  durchschneidet  die  Cordillera 
Negra,  und  der  ihn  durchströmende  Fluss,  welcher  in  dieser  Strecke 
Rio  de  Santo  heisst,  erreicht  in  9°  nördl.  Br.  das  Meer.  —  Die 
zweite  Kette  ist  die  Cordillera  Nevada;  sie  ist  im  Süden  mit 
der  ersten  vereinigt,  streicht  dieser  parallel  gegen  NNW.  und 
dacht  westlich  zum  Callejon  de  Huaylas,  östlich  zum  Maranon  ab; 
sie  bildet  daher  die  Wasserscheide  der  beiden  Oceane.  —  Oestlich 


Küsten-Cordilleren  ia  Peni.  68  I 

vom  Maranon,  zwischen  diesem  und  dem  Huallaga,  liegt  die 
dritte  Kette;  wir  werden  sie  als  die  östliche  CordiUere  be- 
zeichnen; über  diese  liegt  die  geringste  Anzahl  von  Beobach- 
tungen vor. 

Verfolgt  man  nun  nach  Raimondi's  Angaben  vom  Meere  land- 
einwärts den  Bau  dieses  Landes,  so  sieht  man  zuerst,  dass  die  in 
unmittelbarer  Nähe  des  Strandes  fortlaufende  Zone  von  niedrigen 
Bergen  aus  Syenit,  Granit  oder  einem  Grünstein  besteht,  welcher 
häufig  von  einer  rothen  Verwitterungsschichte  bedeckt  ist.  Mit 
diesen  Felsarten  von  sehr  altem  Aussehen  erscheinen  an  einzelnen 
Stellen,  ganz  wie  im  Süden,  Schollen  von  versteinerungslosem 
Sandstein  und  Schiefer,  so  im  Hafen  von  Casma  und  an  der  Cu- 
lebra,  und  an  der  letzteren  Stelle  sind  diese  Schichten  in  so  auf- 
fallende, schlangenförmige  Faltungen  gebogen,  dass  Raimondi 
vermuthet,  der  Name  sei  daher  entnommen. 

Dieser  Höhenzug,  welcher  an  der  ganzen  Erstreckung  von 
Ancachs  bald  in  vereinzelten  Kuppen,  bald,  wie  zwischen  Casma 
und  Nepena,  in  zusammenhängenden  Rücken  aus  dem  Sande  des 
Strandgebietes  herauftagt,  bildet  ohne  Zweifel  die  Fortsetzung 
der  Küsten-Cordilleren  des  Südens. 

Die  Cordillera  Negra  besteht  beinahe  ausschliesslich  aus 
mesozoischen  Schichten,  welche  vorwaltend  seewärts  geneigt  sind; 
es  sind  aber  fast  nur  Ablagerungen  von  Sandstein  und  Schiefer; 
Kalkstein  ist  in  sehr  geringer  Menge  sichtbar  und  eine  Fort- 
setzung des  oberhalb  Lima  sich  erhebenden  Kalkzuges  scheint  hier 
nicht  vorhanden  zu  sein.  Diese  Sandstein-  und  Schieferschichten 
führen  KohlenflÖtze.  Ein  beträchtlicher  Theil  derselben  dürfte  den 
kohlenfuhrenden  Ablagerungen  von  Pariatambo  entsprechen. 

Die  Cordillera  Negra  ist  an  vielen  Orten  von  einem  jüngeren 
Diorit  durchsetzt,  welcher  der  stete  Begleiter  der  Silbererze  dieses 
Gebirgszuges  ist. 

Der  Callejon  ist  der  Hauptsache  nach  ein  Auswaschungsthal. 
Der  westliche  Abhang  der  Cordillera  Nevada  wird  von  groben 
Bänken  von  weissem  oder  bläulichem  Sandstein  gebildet,  welcher 
bei  steiler  Aufrichtung  doch  in  demselben  Sinne  geneigt  ist  wie 
die  Schichten  der  Cordillera  Negra,  weldie  letztere  daher  mit  Ihrer 
ganzen  Masse  jenen  der  Cordillera  Nevaaa  aufgelagert  sind. 


682  Cordillcra  Negra  und  Cord.  Nevada. 

Gegen  Huaraz  und  Caraz  treten  zu  den  Sandsteinbänken  der 
westlichen  Cordillera  Nevada  auch  untergeordnete  Züge  von 
Mergel  und  Kalkstein. 

Die  höchsten  Gipfel  dieser  mächtigen  Kette  bestehen  aus 
aufgesetzten  Massen  von  Trachyt.  Wohl  werden  granitische  Fels- 
arten erwähnt,  aber  Raimondi  betont  zu  wiederholten  Malen  die 
Schwierigkeit,  sie  von  den  Trachyten  zu  trennen,  und  ihr  jugend- 
liches Alter. 

Die  Grünsteine  der  Cordillera  Negra  erreichen  kaum  die 
Gipfel  der  Cordillera  Nevada,  dagegen  erscheinen  vereinzelte 
trachytische  Massen,  insbesondere  auch  trachytische  Conglo- 
merate  in  flacher  Lagerung  auch  auf  der  yöhe  der  Cordillera 
Negra,  und  Raimondi  vermuthet,  dass  diese  von  Eruptionsstellen 
auf  der  Cordillera  Nevada  stammen,  und  zwar  aus  einer  Zeit,  in 
welcher  das  Erosionsthal,  welches  heute  die  Ketten  trennt,  der 
Callejon,  noch  nicht  bestand. 

Es  sind  weder  auf  der  Cordillera  Negra,  noch  auf  der  Cordillera 
Nevada  thätige  Vulcane  bekannt. 

An  der  Ostseite  der  Cordillera  Nevada,  jenseits  der  trachy- 
tischen  Gipfel,  sind  bis  zur  Schneeregion  hinauf  steil  aufgerichtete, 
wohl  auch  gefaltete  Schichten  von  verändertem  Sandstein  in  den 
Provinzen  Huari  und  Pomabamba  sichtbar. 

Im  südlichen  Huari  und  einem  guten  Theile  von  Pomabamba 
aber  ist  dieser  Sandstein  überlagert  von  jüngeren,  doch  ebenfalls 
gestörten  Lagen  von  Schieferthon  und  Sandstein  mit  Kohlen- 
flötzen,  welche  eine  Wiederholung  der  kohlenreichen  Ablage- 
rungen der  Cordillera  Negra  bilden. 

Ausserdem  ist,  es  mag  nun  der  kohlenführende  Horizont  der 
Juraformation  oder  der  Kreide  zufallen,  über  demselben  an  beiden 
Abhängen  der  Cordillera  Nevada,  einerseits  in  dem  Bezirke  Caja- 
tambo  und  andererseits  bis  zum  Maranon  hinab,  ein  jüng-erer 
Kreidemergel  in  abweichender  Lagerung  vorhanden,  in  welchem 
viele  Echiniden,  auch  Actaeonella,  Ostrea,  Neithea  quinque- 
costata  und  Buchiceras-Arten  vorkommen. 

An  dem  südlichen  Theile  dieses  Abhanges,  im  Quellg-ebiete 
des  Maranon,  liegt  der  Ort  Huallanca,  von  welchem  Steinmann 
den  tithonischen  Perispmnctes  senex,  ferner  Brancoceras  aeg-oce- 


Der  obere  Marafion.  683 

ratoides  und  Acanthoc.  Lyelli  aus  dem  Horizonte  des  Albian  be- 
schrieben hat.  — 

Der  Lauf  des  Maranon  entspricht  nicht  ganz  genau  dem 
Streichen  der  Schichten.  In  einem  Theile  seines  Oberlaufes  ist  er 
in  alten,  goldführenden  Talkschiefer  eingeschnitten,  welcher  etwas 
südlich  vom  9."  südl.  Br.,  bei  Uca,  in  Begleitung  von  Granit  von 
der  hohen  östlichen  Cordillere  her  auf  das  linke  Ufer  des  Flusses 
herübergreift.  Weiter  im  Norden,  bei  Puerto  di  Puruay,  ist  der 
Strom  in  antiklinal  geneigte  mächtige  Lagen  von  rothem  Sand- 
stein und  Mergel  mit  Gyps  und  Salz  eingesenkt,  welche  der  Trias 
zugezählt  werden ;  über  ihnen  lagert  ein  vermuthlich  jurassischer 
Kalkstein  und  dann  der  cretacische  Mergel.  Die  rothen  Sandstein- 
lagen bilden  wohl  die  Unterlage  der  ganzen  Schichtfolge  der  Cor- 
dillera  Nevada  und  der  Cordillera  Negra. 

Der  jenseits  des  Maranon  folgende  Abhang  der  östlichen 
Cordillere  besteht  aus  goldführendem  Talkschiefer  von  paläozoi- 
schem oder  noch  höherem  Alter.  In  der  Nähe  der  Stadt  Pallasca, 
nahe  der  Grenze  von  Ancachs  und  Libertad,  tritt  dieser  alte  gold- 
reiche Schiefer  an  einer  vereinzelten  Stelle  aus  den  mesozoischen 
Schichten  der  nördlichen  Cordillera  Nevada  hervor.  — 

In  diesem  Theile  von  Peru  gestaltet  sich  also  die  Structur  des 
Gebirges  etwa  folgendermassen : 

Das  allgemeine  Streichen  der  Schichten  und  der  Ketten,  der 
Meeresküste  und  der  grossen  Stromthäler  ist  gegen  NNW.  ge- 
richtet. 

An  der  Küste  sind  ähnliche  Felsarten  von  altem  Aussehen, 
dann  Schiefer  und  Sandstein  vorhanden,  wie  in  den  Küsten-Cordil- 
leren  von  Bolivien  und  Chile. 

Die  Cordillera  Negra  und  Cordillera  Nevada,  also  alle  Ge- 
birge bis  zum  Maranon,  bestehen  aus  mesozoischen  Schichten, 
wahrscheinlich  vorherrschend  der  Kreideformation  zufallend.  Die 
(jipfel  der  Cordillera  Nevada  und  einige  Gipfel  der  Cordillera 
Negra  sind  von  Trachyt  gekrönt. 

An  einer  Stelle  tritt  unter  den  Schichten  der  Cordillera  Ne- 
vada am  Maraiion  rother  Sandstein  mit  Salz  und  Gyps  hervor. 

Oestlich  vom  Maranon  liegen  die  grossen  Massen  älterer 
Schiefergesteine  und  Granite,  so  dass  die  hohen  Gebirge,  welche 


684  Südliches  Ecuador. 

vom  Illimani  und  lUampu  her  die  Cordillere  vom  Carabaya  und 
die  Ketten  von  Cuzco  bilden,  ihre  etwaige  Fortsetzung  nur  zwi- 
sehen  dem  Maranon  und  dem  Huallaga  finden  können. 

Endlich  will  ich  erwähnen,  dass  Raimondi  in  der  unmittel- 
baren Nähe  der  Küste  an  zwei  Orten  Spuren  jüngerer  vulcanischer 
Felsarten  angibt,  nämlich  Basalt  in  der  Nähe  der  Cvilebras  und 
eine  jüngere  Lava  S.  von  Casma.  Dies  ist  um  so  bemerkens- 
werther,  als  in  dem  nahen  Meere  manche  Spuren  vulcanischer 
Thätigkeit  bekannt  sind  und  erst  kürzlich,  im  Jahre  1881,  nicht 
allzu  weit  von  hier,  in  7^48'  S.,  83°  48'  W.,  188  Seemeilen  von 
Funta  Aguja,  eine  neue  vulcanische  Insel  sich  gebildet  haben  soll.''^ 

Orton's  Darstellungen  der  geologischen  Structur  des  nörd- 
lichsten Peru  und  dessen  Profil  von  Pacasmäjo  zum  Huallaga 
scheinen  mir  nicht  ausreichend,  um  die  Grundzüge  der  Structur 
mit  einiger  Zuverlässigkeit  zu  erkennen/^  Im  Allgemeinen  dürften 
sich  die  Vorkommnisse  von  Ancachs  wiederholen.  Das  von  Hyatt 
nachgewiesene  Erscheinen  der  Gattung  Buchiceras  zu  Cachiyacu, 
W.  vom  Huallaga,  dann  zu  Cayamarca  und  N.  davon  bei  Celendin 
deuten  auf  eine  Fortsetzung  der  cretacischen  Schichten  aus  dem 
Amazonenthaie  hin/*  Von  Ipishguanüna  (Piscoguanuna)  zwischen 
dem  Maraiion  und  dem  Huallaga,  dann  von  Tingo  bei  Chacha- 
poyas  führen  Orton  und  Hyatt  Lias-Fossilien  an. 

Ecuador,  Columbien  und  Venezuela.  Der  Bau  des  süd- 
lichen Ecuador  ist  in  den  letzten  Jahren  durch  Th.  Wolfs  ver- 
dienstliche Forschungen  näher  bekannt  geworden.^"* 

Von  der  Südgrenze  des  Staates  etwa  bis  2°  südl.  Br.  bestehen 
die  Anden  aus  zwei  parallelen,  im  Süden  sich  mehrfach  verbinden- 
*  den  Cordilleren.  Die  östliche  Cordillere  ist  aus  Gneiss,  Glimmer- 
schiefer, chloritischem  Schiefer  und  anderen  altkrystallinischen 
Felsarten  zusammengesetzt ;  diese  streichen  wie  die  Cordillere 
von  S.  gegen  N. ;  ihre  Erstreckung  gegen  Ost  ist  unbekannt.  Die 
westliche  Cordillere  wird  dagegen  von  alten  Eruptivgesteinen  von 
grosser  Mannigfaltigkeit  gebildet,  welche  als  , Porphyre  und  grüne 
Gesteine*  bezeichnet  werden ;  auch  einige  Granitmassen  treten 
zwischen  derselben  hervor.  Gegen  Nord  schliessen  sich  daran 
Conglomerate  und  flyschartige  Gesteine. 


Das  interandinische  Gebiet  685 

An  der  Westseite  der  westlichen  Cordillere,  gegen  das  Meer 
hin,  treten  cretacische  Ablagerungen  auf;  der  Golf  von  Guayaquil 
verengt  ihr  Gebiöt,  aber  nördlich  von  demselben  erscheinen  sie 
wieder  in  ansehnlicher  Breite  und  reichen  von  da  weit  gegen  Nor- 
den. Eruptive  Grünsteine  begleiten  die  Kreide,  insbesondere  in 
den  Provinzen  Guayaquil  und  Manab^.^^ 

Die  Grenzregion  zwischen  der  östlichen  und  der  westlichen 
Cordillere  verläuft  zwischen  dem  8i.  und  82.  Meridian  und  wird 
von  Wolf  als  das  »interandinische  Gebiet*  bezeichnet.  Diese 
Grenzregion  ist  von  grösster  tektonischer  Bedeutung.  Auf  der- 
selben liegen  S.  von  der  Stadt  Loja  und  bei  der  Stadt  selbst  zwei 
mit  jungen,  blattführenden  Bildungen  ausgefüllte  Niederungen. 
Etwas  nördlicher,  im  Quellgebiete  des  Rio  Jubones,  treten  auf 
diesem  interandinischen  Gebiete,  von  S.  in  W.  gegen  N.  in  O.  an- 
einandergereiht, die  ersten  Vorläufer  der  grossen  Vulcane  des 
nördlichen  Ecuador  hervor.  Es  sind  vornehmlich  Andesite.  Sie 
erscheinen  in  drei  Strecken,  und  zwar  am  oberen  Jubones,  dann 
S.  von  Cuen^a,  dann  N.  von  dieser  Stadt  im  Azuay. 

Zwischen  den  beiden  letztgenannten  vulcanischen  Massen, 
NO.  von  Cuencja,  wird  auf  dem  interandinischen  Gebiete  eine 
fremdartige  Scholle  sichtbar,  die  ,arenisca  de  Azogues*,  der  queck- 
silberführende Sandstein.  Er  ist  blaugrau,  mit  sphäroidaler  Ver- 
witterung, durch  Zersetzung  des  Eisens  sich  entfärbend,  begleitet 
von  Thonschiefer.  Die  Lagerung  ist  sehr  gestört ;  das  Streichen 
entspricht  jenem  des  interandinischen  Gebietes.  Er  umschliesst 
die  Spuren  eines  alten  Bergbaues  auf  Quecksilber  und  führt 
Asphalt  und  andere  bituminöse  Stoffe.  Es  liegt  nach  dieser  Schil- 
derung nahe,  zu  vermuthen,  dass  dies  eine  Fortsetzung  der  grossen 
peruanischen  Quecksilberzone  sei. 

Von  Ost  gegen  West  das  südliche  Ecuador  kreuzend,  treffen 
wir  also  im  Osten  Gneiss  und  alte  kr}^stallinische  Felsarten,  dann 
auf  der  interandinischen  Zone  blattführende  Bildungen,  die  ersten 
Andesitmassen  und  die  Scholle  von  quecksilber-  und  asphaltführen- 
dem Sandstein,  hierauf  im  Westen  mannigfaltige  Porphyre  und 
Grünsteine,  aufweiche  gegen  das  Meer  die  Kreideformation  folgt.  — 

Ueber  die  Fortsetzung  dieser  Gebirgszüge  gegen  Nord  geben 
die  Arbeiten  von  Reiss  den  erwünschten  Aufschluss.^' 


686  Cotopaxi.  Chimborazo. 

Die  östliche  Cordillere  besteht  auch  hier  aus  Gneiss  und  an- 
deren alten  Felsarten,  welche  jedoch  in  einzelnen  Gipfeln  4500  M., 
im  Norden  am  Saraurcu  sogar  4800  M.  erreichen.  Das  inter- 
andinische  Gebiet  des  Südens  ist  angedeutet  durch  die  von  Laven, 
Tuff  und  Asche  überdeckten  Hochflächen  von  Riobamba,  Lata- 
cunga  und  Quito.  Die  westliche  Cordillere  ist  aus  weichem,  meist 
schwarzem  Schiefer,  durchsetzt  von  mannigfaltigen  Grünsteinen, 
gebildet,  und  aus  mächtigen  Bänken  von  Sandstein.  Sie  faUt  g^egen 
Westen  steil  zum  Meere  ab.  Schiefer  und  Sandstein  reichen  nach 
Reiss  weit  nach  Nord  und  Süd  und  werden,  als  jenen  von  Colum- 
bien  entsprechend,  zur  Kreideformation  gestellt.  Sie  erinnern  in 
vieler  Beziehung  an  den  europäischen  Flysch.  Wir  erkennen  in 
dieser  westlichen  Cordillere  die  Fortsetzung  der  Küsten-Cordilleren 
des  Südens. 

Vulcane  stehen  ,als  völlig  individualisirte  Gebilde*  auf  dem 
einförmigen  Kamme  dieser  Cordilleren,  und  zwar  sowohl  auf  der 
östlichen,  als  auf  der  westlichen.  Auf  der  ersten  erheben  sich 
Altar,  Tunguragua,  Cotopaxi,  Antisana  u.  And.  Noch  zahlreicher 
sind  sie  auf  der  westlichen  Cordillere ;  hier  nenne  ich  nur  Chim- 
borazo, Quilotoa,  Iliniza,  Corazon  und  Pichincha.  — 

Wir  erreichen  nun  nordwärts  jenes  Gebiet,  in  welchem  die 
einzelnen  Zweige  der  Anden  auseinandertreten  und  insbesondere 
ein  mächtiger  Bogen  O.  vom  Magdalenenstrome  abschwenkt  und, 
weit  gegen  NO.  ziehend,  die  Sierra  de  Bogota  und  S.  de  Merida 
bildet.  Diese  Zweige  sind  nicht  von  thätigen  Vulcanen  beg'leitet. 
Gneiss  und  Granit  erscheinen  in  denselben.  Erst  in  neuester  Zeit 
wurden  einige  Spuren  des  Lias  angetroffen.^^  Im  Allgemeinen 
aber  beginnt  die  sedimentäre  Reihe  mit  der  unteren  Kreide,  Avelche 
auch  hier  durch  Schiefer,  mächtige  Sandsteinbänke  und  dunklen 
bituminösen  Kalkstein  vertreten  und  zuweilen  von  alten  Eruptiv- 
gesteinen begleitet  ist,  wie  in  der  westlichen  Cordillere  von 
Ecuador.  Ihre  reiche  Fauna  ist  von  L.  v.  Buch,  Orbigny,  Forbes 
und  insbesondere  von  Karsten  bekannt  gemacht  worden ;  sie  ent- 
spricht nach  Uhlig  durch  eine  Reihe  von  Arten  den  Ablagerungen 
von  Barreme  in  Südfrankreich  und  Wernsdorf  in  den  Karpathen.-''^ 

Karsten  hebt  als  bemerkenswerth  hervor,  ,dass  die  steileren 
Abfälle  des  älteren,  fast  in  einem  Bogen  in  NO.  Richtung  strei- 


Sierra  de  Bogota.   S.  de  Merida.  687 

chenden  Kreidegebietes  immer  gegen  das  Gebirge  von  Guayana 
gerichtet  sind,  dessen  abgerundete  Kuppen  granitischer  Felsarten, 
so  weit  es  bekannt' wurde,  aus  dem  tertiären  Flachlande  wie  Inseln 
aus  dem  Weltmeere  hervorragen*.  Diese  grossen  Ketten  scheinen 
daher  einseitig,  und  zwar  in  einem  von  der  brasilischen  Masse  ab- 
gewendeten Sinne  zu  sein,  und  dasselbe  Merkmal  würde  nach 
Karsten's  Angaben  auch  für  die  nördlich  folgende  Sierra  S.  Marta 
gelten,  an  deren  Südfuss  kupferreiche  Eruptivgesteine  herrschen 
und  in  deren  Fortsetzung  in  der  Nähe  des  See's  von  Macaraibo 
aus  Kreideschichten  Erdöl  hervordringt.^* 

Wir  dürfen  uns  vorstellen,  dass  die  brasilische  Masse  von 
der  S.  de  Bogota  und  S.  de  Merida  im  Bogen  umgürtet  sei,  und 
dass  die  Gesteine  dieses  Bogens  vorwaltend  gegen  Aussen  ge- 
neigt sind ;  weiter  gegen  Nordost  treten  aber  wesentlich  verschie- 
dene Verhältnisse  ein.  — 

Die  Beobachtungen  von  Karsten  Hessen  es  schon  als  wahr- 
scheinlich erkennen  und  die  seitherigen  Forschungen  von  Sawkins, 
Wall  und  Crosby  geben  Gewissheit  darüber,  dass  jener  grosse,  von 
W.  gegen  O.  streichende  Gebirgszug,  welcher  das  nördliche  Vene- 
zuela und  die  Insel  Trinidad  bildet,  zwar  aus  ganz  ähnlichen  Ge- 
steinen zusammengesetzt  ist  wie  die  genannten  Sierren,  aber  die  ent- 
gegengesetzte Anordnung  besitzt.  Seine  ältesten  Felsarten  liegen 
gegen  Nord  und  bilden  die  steile  Küste  des  caraibischen  Meeres.^^ 

Von  Valencia  bis  zu  dem  nordöstlichen  Ende  der  Insel 
Trinidad  streicht  ein  langes,  häufig  granatenführendes  Schiefer- 
gebirge, in  welchem  streckenweise  Gneiss  und  Eklogit,  wie  es 
scheint  als  Einschaltungen,  sichtbar  werden.  Dieser  Zug  ist  im 
Westen  etwas  breiter  und  erreicht  dort  die  Höhe  von  8000  Fuss ; 
er  umschliesst  den  See  von  Valencia  und  die  Gegend  von  Caracas, 
ist  an  der  Bucht  von  Barcelona  unterbrochen  und  bildet  jenseits 
derselben  das  Vorgebirge  von  Araya,  welches  den  Busen  von 
Cariaco  gegen  N.  abschliesst,  dann  das  parische  Vorgebirge,  end- 
lich die  ganze  Nordküste  von  Trinidad.  Hier  ist  seine  Höhe  auf 
etwa  3800  Fuss  herabgesunken. 

Diesem  Schieferzuge  ist  im  Westen,  S.  vom  See  von  Valen- 
cia, ein  mächtiger  Streifen  alter  Eruptivgesteine  vorgelagert, 
welche  nicht  minder  mannigfaltig  zu  sein  scheinen  wie  jene  der 


1 


i 


688  Nordküste  von  Venezuela. 

westlichen  Cordillere  von  Ecuador,  und  mit  welchen  g^eg^en  Nord 
auch  diallag-  und  serpentinähnliche  Massen  erscheinen.  Südwärts 
folgt  eine  lange  Zone  von  Quarzit,  Schiefer  und  Kalkstein  der 
unteren  Kreideformation.  Zu  beiden  Seiten  der  Bucht  von  Barce- 
lona sieht  man  die  untere  Kreide  unmittelbar  angeschlossen  an  die 
ältere  Schieferzone;  sie  streicht  über  Cumana  gegen  O.,  reicht  je- 
doch nicht  ganz  bis  an  den  Westrand  des  Golfes  von  Paria.  Jenseits 
dieses  Golfes  tritt  sie  wieder  hervor  und  durchzieht  in  zwei  paral- 
lelen Höhenlinien  von  W.  gegen  O.  die  Insel  Trinidad. 

Diese  Zone  hat  an  mehreren  Orten  die  untercretacischen 
Fossilien  von  Bogota  geliefert,  und  Karsten  unterscheidet  noch 
eine  jüngere,  hippuritenführende  Abtheilung.  Südlich  von  der- 
selben lagern  jüngere  tertiäre  Meeresschichten,  welche  durch  die 
Bucht  von  Barcelona  hereintreten  und  unter  die  zum  Orinoco  ab- 
dachenden Llanos  hinabtauchen.  — 

Der  Bau  des  nördlichen  Küstengebirges  von  Valencia  bis 
Trinidad  folgt  also  nicht  jenen  Grundzügen,  welche  für  die  an- 
deren Gebirgszüge  Südamerika's,  so  weit  wir  sie  zu  überblicken 
im  Stande  sind,  Geltung  haben.  Hier  ist  ein  langes,  einseitiges 
Gebirge  vorhanden,  welches,  wie  so  viele  europäische  Ketten, 
seine  ältesten  Felsarten  und  steilen  Abbruch  einem  Senkung-sfelde, 
dem  caraibischen  Meere,  zukehrt.  Nicht  nur  Abbruch,  sondern 
auch  Einbruch  ist  sichtbar,  und  zwar  an  der  Bucht  von  Barcelona. 
Der  Golf  von  Paria,  an  dessen  Verlandung  der  Orinoco  arbeitet, 
steht  mit  dem  caraibischen  Meere  durch  eine  Strasse  in  Verbin- 
dung, welche  nach  Guppy  durch  eine  Verwerfung  mit  Absinken 
gegen  O.,  nach  Crosby  durch  die  südlichere  Lage  des  Gebirges 
auf  Trinidad  veranlasst  ist.  Die  Angabe,  dass  hier  auch  paläo- 
zoische Sedimente  vorkommen,  bedarf  der  Bestätigung.  Es  gleicht 
dieses  Gebirge  durch  Bau  und  Lage  ganz  insbesondere  der  nord- 
afrikanischen Kette  von  Gibraltar  bis  Cap  Bon,  wobei  das  Mittel- 
meer die  Stelle  des  caraibischen  Meeres  einnimmt. 

Die  grossen  Erdbeben  von  Cumana  und  Caracas  fallen  dem 
Bruchrande  dieses  Gebirges  zu.  Gegen  Süden  wird  es  von  der 
brasilischen  Masse  durch  das  weite  Thal  des  Orinoco  geschieden, 
welches  hier  eine  ähnliche  Lage  einnimmt  wie  das  untere  Rhone- 
thal oder  jenes  des  Guadalquivir. 


Verlauf  der  südamerikanischen  Ketten.  689 

Uebersicht.  Südamerika  trägt  in  höherem  Grade  als  irgend 
ein  anderer  Welttheil  die  Kennzeichen  eines  einheitlichen  Baues. 
Im  Osten  und  der  Mitte  liegt  die  weite  brasilische  Tafel  mit  flach 
gelagerten  paläozoischen  Sedimenten  und  einer  ähnlichen  Lücken- 
haftigkeit in  der  Reihe  der  marinen  Ablagerungen,  wie  sie  auf 
anderen  Tafelländern  nun  schon  in  so  vielen  Beispielen  angeführt 
worden  ist. 

Nähert  man  sich  von  Osten  her  dem  Hochgebirge,  so  zeigen 
sich  zuerst  kurze,  ganz  oder  doch  vorwaltend  archaische  Züge^  so 
die  Sierren  W.  von  C6rdoba  und  der  Gebirgszug  im  Osten  der 
bolivischen  Anden.  Weit  länger  ist  die  fortlaufende  Zone  paläo- 
zoischer, vorwaltend  silurischer  Ketten.  Sie  sind  vom  südlichen 
Peru  durch  Bolivien  und  bis  Mendoza  bekannt.  Noch  weiter  reicht 
gegen  Nord  wie  gegen  Süd  die  Verbrettung  der  jurassischen 
Ablagerungen,  welchen  der  Hauptzug  der  Cordilleren  sammt  den 
jungen  Vulcanen  zum  grössten  Theile  zufallt.  Gegen  die  West- 
küste hin  endlich,  wo  man  unter  europäischen  Verhältnissen  die 
Flyschzone  suchen  würde,  erhebt  sich  die  fremdartige  Reihe  der 
Küsten-Cordilleren,  aus  Felsarten  von  archaischem  Gepräge,  wie 
Gneiss  und  Glimmerschiefer,  aus  verschiedenen  älteren  eruptiven 
Felsarten,  endlich  aus  in  der  Regel  petrefactenleeren  Ablage- 
rungen von  Sandstein  und  Schiefer  gebildet.  An  der  ganzen  Küste 
von  Peru  und  Bolivien,  von  Casma  und  Nepefia  (9**  10' — 9°  30'), 
der  Culebra,  von  Ica  bis  zum  Morro  de  Arica,  bis  Cobija  und  Me- 
jillones  sind  sie  bald  durch  einzelne  Kuppen,  bald  durch  längere 
Züge  vertreten.  In  Chile  bilden  sie  zusammenhängende,  die  Küste 
begleitende  Ketten.  Weiter  gegen  Süd  setzen  sie  die  patagonische 
Westküste  und  die  vorliegenden  Inseln  zusammen,  und  nachdem 
die  Anden  verschwunden  sind,  strecken  sie  sich  noch  weit  süd- 
wärts fort  und  vollziehen  die  grosse  Beugung  von  S.  in  SO.,  O. 
und  ONO.  durch  das  Feuerland  gegen  Staten  Island. 

Die  wenigen  in  Peru  gefundenen  Spuren  von  Fossilien  deuten 
auf  die  Kreideformation;  nur  cretacische  Fossilien  sind  aus  dem 
patagonischen  Gebirge  bekannt. 

Dasselbe  zeigt  sich  aber  auch  im  Norden.  Nur  Felsarten  von 
archaischem  Gepräge  und  fast  nur  cretacische  Schichten  bilden 
die  grossen,    von  Ecuador   nordwärts  ziehenden   und   dann   in 


6qO  Einheit  der  Küsten-Cord  illeren. 

Virgation   auseinandertretenden  Sierreo,   namentlich    den    gegen 
NO.  streichenden  Bogen  der  S.  de  Bogota  und  S.  de  Merida. 

Aus  denselben  Gebilden  besteht  auch  die  lange,  an  der  Nord- 
küste hinziehende  Kette  von  N.  Venezuela  und  Trinidad,  aber  ihre 
tektonische  Bedeutung  kann  nur  im  Zusammenhang-e  mit  den  west- 
indischen Inseln  beurtheilt  werden.  — 

Je  weiter  gegen  West,  um  so  länger  sind  die  Zonen  des 
grossen  südamerikanischen  Gebirgssystems  und  um  so  jünger 
sind  die  Sedimente.  Das  grosse  Räthsel  aber  ist,  ob  die  Felsarten 
von  archaischem  Gepräge,  welche  in  den  Küsten-Cordilleren  auf- 
treten, wirklich  archaisches  Alter  besitzen.  Darwin  hat  es  im 
Süden  bezweifelt;  es  ist  dasselbe  Räthsel,  welches  wir  in  Griechen- 
land, im  Taunis,  auf  den  Andamanen  und  Nikobaren  antreffen 
und  bald  im  Norden  noch  weiter  antreffen  werden.  — 

Im  Norden  gehen  durch  Neu-Granada  und  gegen  Venezuela 
die  Ketten  in  Virgation  auseinander  und  ebenso  im  Süden  von 
Cabo  Corrientes  bis  Staten  Island.  Die  Schaarung  von  Arica  be- 
zeichnet eine  massige  Beugung  der  Ketten,  aber  sie  beeinflusst 
die  Vertheilung  der  Sedimente  und  die  Anlage  der  Gesammtheit 
nur  wenig.  Diese  Anlage  ist,  so  weit  es  sich  nur  um  den  west- 
lichen Theil  Südamerika's  handelt,  eine  mehr  oder  minder  con- 
centrische.  Der  Gegensatz  zwischen  den  südeuropäischen  und  den 
südamerikanischen  Gebirgen  ergibt  sich  aus  dem  Umstände,  dass 
in  den  Alpen,  Karpathen  und  Apenninen  das  Rückland  einge- 
brochen ist  und  in  den  Alpen  und  Karpathen  das  Vorland  sicht- 
bar ist,  während  in  Südamerika  die  brasilische  Masse  die  Stelle 
des  Rücklandes  innerhalb  der  Bogen  einnimmt  und  das  Vorland 
unter  dem  Ocean  liegt. 

Auch  die  Anordnung  der  Vulcane  ist  wesentlich  verschieden 
von  jener  der  Vulcane  des  westlichen  Mittelmeeres  oder  der  er- 
loschenen Vulcane  der  Karpathen.  Sie  erheben  sich  nicht  auf 
einem  inneren  Bruchrande,  sondern  mitten  auf  der  Höhe  des  Ge- 
birges, wie  Demavend,  Elbrus  und  Kasbek.  In  Ecuador  stehen 
sie  theils  auf  der  westlichen  Cordillere,  welche  wir  als  die  Fort- 
setzung der  Küsten-Cordillere  ansehen  müssen,  wie  Chimborazo, 
theils  auf  der  östlichen,  archaischen  Cordillere,  wie  Cotopaxi  und 
Altar,  und  ihre  südlichen  Ausläufer  bis  zum  Rio  lubones  S.  von 


Die  GaUpagos.  69 1 

Cuencja  liegen  auf  der  Grenze  dieser  beiden  Cordilleren,  in  dem 
interandinischen  Gebiete.  Weiter  im  Süden,  durch  Bolivien  und 
Chile  ruhen  ihre  grossen  Aschenkegel  zum  grössten  Theile  auf 
der  jurassischen  Zone. 

Die  Vulcane  folgen  weder  der  Ablenkung  der  Ketten  im 
Norden  gegen  Venezuela,  noch  der  Ablenkung  im  Süden  gegen 
das  Feuerland.   Sie  bleiben  Begleiter  der  pacifischen  Küste. 

Fernando  Noronha,  welches  östlich  von  der  brasilischen  Masse 
aus  der  Tiefe  des  atlantischen  Ocean's  emporragt,  besteht  aus 
Basalt  und  Fhonolith.  Auch  die  einzige  bedeutendere  Inselgruppe 
in  der  Nähe  der  Westküste,  die  Gruppe  der  Galäpagos,  ist  vul- 
canisch  und  die  Laven  der  Galäpagos  sind  basaltische  Laven. 
Es  sind  zahlreiche  Kratere  vorhanden.  Mit  Recht  stellt  sie  Th.  Wolf 
zu  den  Gruppenvulcanen  im  Gegensatze  zu  den  Reihenvulcanen 
des  Festlandes  und  hebt  derselbe  den  petrographischen  Gegen- 
satz hervor,  denn  die  Vulcane  von  Ecuador  bestehen  aus  vorwal- 
tend trachy tischen  und  andesitischen  Felsarten. ^^ 

Die  italienischen  Gruppenvulcane,  wie  die  Liparen  und  Ponza- 
Inseln,  sind  im  Gegentheile  durch  saure  Laven  ausgezeichnet.  — 

Mehrere  der  südlich  von  den  Galäpagos  sehr  zerstreut  liegen- 
den Inseln  hat  Lopez  besucht.  Derselbe  fand  Sala-i-Gomez  30M. 
hoch,  nach  der  grössten  Erstreckung  nur  1 200  M.  lang  und  an  der 
Einschnürung,  welche  die  Insel  in  der  Mitte  theilt,  nur  120  M. 
breit;  die  Hochfluthen  der  Aequinoctialstürme  spülen  wahrschein- 
lich quer  über  die  Insel.  Sie  besteht  aus  porösem  Basalt  mit 
Olivin,  doch  wird  auch  eine  weisse,  aus  Zersetzung  hervorgegan- 
gene Erde  und  Pechstein  erwähnt. 

Mas-a-tiera  und  Mas-a-fuera  sind  weit  grössere  Inseln, 
die  letztere  ein  einziger  vulcanischer  Berg,  1837  M.  hoch.^^  — 

Aus  den  Forschungen  in  dem  Gebiete  der  südamerikanischen 
Anden  mit  ihren  langen  Hochgebirgszügen,  ihren  hohen  Vülcanen, 
zahlreichen  Erdbeben  und  den  Terrassen  an  der  Küste  ist  eine 
Reihe  von  Versuchen  hervorgegangen,  die  Entstehung  der  Hoch- 
gebirge zu  erklären;  es  ist  auffallend,  dass  der  Gegensatz  zwi- 
schen den  horizontalen  Strandlinien  und  den  geneigten  Schichten 
der  Cordilleren,  folglich  der  Gegensatz  zwischen  Terrassenbildung 
und  Gebirgsbildung  dabei  nicht  häufiger  zum  Ausdrucke  kam. 


692  Theoretische  Ansichten  über  Südamerika. 

Die  älteren  Ansichten  von  Ch.  Darwin  über  den  Zusammen- 
hang der  Erhebung  der  Anden  mit  der  Bildung  der  Terrassen  und 
der  vermeintlichen  Erhebung  des  Festlandes  bei  einzelnen  neueren 
Erderschütterungen  sind  bereits  an  früherer  Stelle  gleichzeitig  mit 
den  Bedenken  gegen  diese  Meinung  erwähnt  worden  (S.  135). 

Als  die  Bedeutung  der  tangentialen  Bewegungen  deutlicher 
erkannt  war,  sahen  hervorragende  Gelehrte,  wie  Dana,  in  den 
Anden  das  Ergebniss  eines  Seitendruckes,  welcher  durch  das 
Nachsinken  der  pacifischen  Geosynklinale  gegen  den  Continent 
ausgeübt  wird.  Diese  Erklärung  ist  aber  schwer  vereinbar  mit 
dem  Abschwenken  der  Ketten  gegen  Venezuela  und  gegen  das 
Feuerland. 

Im  Wesentlichen  auch  auf  der  Voraussetzung  beträchtlicher 
tangentialer  Bewegung  beruhend,  ist  die  von  Kolberg  zur  Erläu- 
terung des  Baues  von  Ecuador  aufgestellte  Theorie  der  »Aus- 
schiebung durch  Schubkeile'.  Sie  beruht  auf  der  Voraussetzung, 
dass  bei  der  Contraction  der  äusseren  Theile  des  Erdkörpers  sich 
sehr  schräge  zur  Oberfläche  geneigte  Ablösungsflächen,  also 
gleichsam  Wechselflächen  im  Grossen,  bilden  und  das  abgetrennte, 
keilförmige  Stück  bewegt  und  übergeschoben  wird.  Diese  Vor- 
aussetzung stimmt  mehr  mit  Annahmen  überein,  welche  für  ge- 
wisse europäische  Gebirgszüge  ziemlich  zutreffend  sein  dürften. 
Aber  gerade  für  Ecuador  ist  Kolberg  veranlasst,  zwei  einander 
entgegengesetzte  Schubkeile  anzunehmen,  und  hiedurch  gelangt 
derselbe  thatsächlich  zu  der  älteren  Lehre  Elie  de  Beaumont's 
von  der  Bildung  der  Gebirge  durch  ein  ,6crasement  transversal*.^* 

Es  ist  zu  wiederholten  Malen  die  Ansicht  ausgesprochen 
worden,  dass  die  Anden  in  der  jüngsten  Zeit  eine  sehr  beträcht- 
liche Erhöhung  erfahren  haben,  und  es  sind  hiefür  mehrere  Gründe 
angeführt  worden.  Man  hat  die  über  7000,  ja  bis  12.500  Fuss 
hoch  liegenden  salinaren  Ablagerungen  als  unmittelbare  Ab- 
dampfungsreste von  Meerestheilen  angesehen.  Aber  östlich  von 
den  Anden  haben  seit  Woodbine  Parish  zahlreiche  Forscher,  wie 
insbesondere  Burmeister,  Zeballos  und  Schickendanz  geleugnet, 
dass  die  Salinas  der  Fampas  solche  Abdampfungsreste  seien,  und 
auch  im  Westen  hat  sich  z.  B.  Pissis  mit  guten  Gründen  und  mit 
Entschiedenheit  dagegen  ausgesprochen.^'^   Auch  der  Umstand, 


Angebliche  Bewegungen  von  Peru.  693 

dass  acht  Arten  der  Salzwasser -Amphipoden-Gattung  AUor- 
chestes  im  Titicaca-See  leben,  kann  noch  keineswegs  als  ein  aus- 
reichender Beweis  dafür  angesehen  werden,  dass  das  Meer  in 
junger  Zeit  diesen  See  erreicht,  also  um  12 — 13.000  Fuss  höher 
gestanden  habe  als  heute,  oder  dass  sich  seither  das  Land  um  eben- 
soviel, erhoben  habe.  Es  schweben  noch  viel  zu  viele  ungelöste 
Fragen  über  die  Mittel  zur  Ausbreitung  dieser  Thierformen,  als 
dass  so  weitgehende  Folgerungen  zulässig  wären. 

Orton's  Bericht,  Loomis  habe  eine  Tagreise  von  Iquique, 
2500  Fuss  über  dem  Meere,  eine  alte  Seeküste  mit  lebenden 
Muscheln  angetroffen,  entbehrt  bisher  jeder  Bestätigung.^ 

Auch  die  Auffindung  von  Korallen  zu  Tilibiche  in  Peru, 
2900 — 3000  Fuss  über  dem  Meere  und  etwa  30  Kilom.  von  dem- 
selben entfernt,  berechtigt  nicht  zu  solchen  Schlüssen.  Diese 
Korallen  fanden  sich,  nach  AI.  Agassiz  und  Pourtal^s,  an  die  Ober- 
fläche der  Felsen  befestigt,  wie  heute  solche  Korallen  wachsen, 
verwandelt  in  compacten  krystallinischen  Kalkstein  und  mit 
meistens  zerstörter  innerer  Structur.  Abgesehen  von  einer  der 
Millepora  alcicornis  verwandten  Form,  traf  man  zwei  Arten,  welche 
beide  neu  sind.  Isophyllia  duplicata  gehört  einer  nur  tertiär  und 
lebend,  doch  nicht  an  den  heutigen  pacifischen  Ufern  vorkommen- 
den Gattung  an.  Convexastraea  peruviana  vertritt  ein  Genus, 
welches  bisher  nur  aus  Trias  und  Jura  bekannt  ist.^* 

Hienach  scheint  mir  kein  Grund  vorhanden,  diesen  Vorkomm- 
nissen ein  so  ausserordentlich  junges  Alter  zuzuschreiben. 

Im  südlichen  Chile  sind  den  Küsten-Cordilleren  die  jüngsteh 
Glieder  der  Kreideformation  und  tertiäre  Schichten  angelagert. 
Sie  sind  verworfen,  aber  es  scheint,  dass  sie  an  der  Faltung  nicht 
theilgenommen  haben.  Dagegen  gibt  es  im  Norden  wie  im  Süden 
cretacische  Inoceramenschichten,  welche  mit  dem  Neocom  gefaltet 
sind.  Es  gibt  heftige  Faltungen  und  auch  gegen  W.  überschobene 
Falten,  wie  z.  B.  im  Carbon  des  Titicaca,^^  aber  überschobene 
Aussenränder  wie  in  den  Alpen  oder  dem  Himalaya  sind  bisher 
noch  nicht  bekannt. 

Die  häufigen  Erdbeben  der  Westküste  sind  Aeusserungen 
irgend  eines  grossen  tektonischen  Vorganges  der  Gegenwart, 
dessen  Wesen  nicht  bekannt  ist. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  IX:  Südamerika. 


»  C.  F.  Hartt,  Geol.  and  Phys.  Geogr.  of  Brazil,  S»,  Boston,    1870. 

2  Einen  Versuch,  dieselben  weiter  zu  gliedern  und  mit  den  nordamerikanischei 
Gebirgen  zu  vergleichen,  macht  W.  O.  Crosby,  On  the  Age  and  Succession  of  th 
Crystalline  Formations  of  Guiana  and  Brazil;  Proc.  Boston  Soc.  nat  hist.  XX,  1880 
p.  480—497. 

3  Orville  A.  Derby,  The  Geol.  of  the  Diamantif.  Region  of  the  Prov.  of  Paranä 
Brazil;  Proceed.  Amer.  Philos.  Soc.  Philadelphia,  1879,  XVIII,  p.  251 — 258. 

4  S.  Allport,  On  the  Discovery  of  some  foss.  Remains  near  Bahia,  S.  America 
Quart.  Joum.  geol.  Soc.  1860,  XVI,  p.  263 — 268;  Hartt  am  ang.  O.  p.  263,  346,  355 
556  u.  an  and.  O. 

5  Orville  A.  Derby,  Contribui9Öes  para  a  Geol.  da  Regiäo  do  Baixo  Amazonas 
Arch.  do  Musen  Nac.  do  Rio  de  Janeiro,  1877,  II,  p.  77 — 104;  auch:  Hartt,  Contribu 
tions  to  the  Geol.  and  phys.  Geogr.  of  the  low.  Amazonas,  Bullet.  Buffalo  Soc.  nat,  hist 
1874,  I,  p.  201 — 235;  Rathbun,  The  Devon.  Brachiop.  of  the  Province  of  Pari,  Brazil 
Proceed.  Boston  Soc.  nat.  hist.  1879,  XX,  p.  14 — 39.  In  den  Proc.  Am.  Phil.  Soc.  Phila 
delphia,  1879,  XVIII,  p.  155 — 178  befindet  sich  eine  engl.  Uebersetzung  der  inhaltsreichei 
Schrift  von  Orv.  Derby. 

6  0.  Boettger,  Die  Tertiärfauna  von  Pebas  am  oberen  MaraSon ;  Jahrb.  geol 
Reichsanst.  Wien,   1878,  XXVHI,  S.  5o3. 

7  J.  G.  Sawkins,  Geol.  Observations  on  Brit.  Guayana;  Quart.  Joum.  geol.  Soc 
1871,  XXVII,  p.  419— 433;  auch:  Atwood,  A  Contrib.  to  South-Americ.  Geol.,  eb.  das 
1879,  XXXV,  p.  582 — 588.  Von  dem  hohen  Tafelberge  Roraima  und  seinem  Nachbai 
Kukenam  hat  H.  Whitely  Ansichten  geliefert  in  Proc.  geogr.  Soc.  Lond.  1884,  P»  45^ 
und  461. 

8  Alfr.  Stelzner  in  R.  Napp,  Die  Argentin.  Republik,  80,  Buenos  Air.  1876, 
S.  71;  der  Verlauf  dieser  Ketten  ist  sichtbar  auf  der  Karte  zu  H.  Burmeister,  Die 
südamerikan.  Republiken  Argentina,  Chile,  Paraguay  und  Uruguay;  Peterm.  Mitth.  Er 
gänzungsheft  39,   1875. 

9  L.  Brackebusch,    Estud.  sobre   la  Formacion  Petrolif.  de   Jujuy;    Bolet.  Acad. 

nac.  Cördoba,    i883,  V,  p.   i37 — 184  u.  dess.  Viaje  a  la  Prov.  de  Jujuy;   eb.   das.  p.    185 

252;  Karte. 

»o  Brackebusch  am  ang.  O.  p.  i8i;  für  Aconquija  auch  Kuss,  Note  s.  1.  ülons 
de  Quartz  aurif.  de  l'Atajo;  Ann.  d.  Mines,   1884,  XLVTII,  p.  341  u.  folg. 

"  Stelzner,  N.  Jahrb.  f.  Min.  1872,  S.  193—198,  63o— 636;   1873,  S.  726—744. 

»2  E.  Kayser,  Ueb.  primordiale  u.  untersilur.  Fossilien  aus  d,  Argentin.  Republik 
(auch  unter  d.  Titel:  Beitr.  z.  Geol.  u.  Palaeontol.  d.  Arg.  Republ.  herausgeg.  von  Alfr. 
Stelzner);  Palaeontographica,  Supplem.  in,   1876,  S.  I — 5. 

»^  H.  Br.  Geinitz,  Ueb.  Rhätische  Pflanzen-  und  Thierrcste  in  d.  argent.  Prov. 
La  Rioja,  S.  Juan  und  Mendoza;  eb.  das. 


Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IX.    Sudamerika.  695 

»4  Brackebusch,  Informe  s.  un  viaje  geol.  por  las  Sierras  de  C6rdoba  y  de 
S.  Luis;  Bolet.  Acad.  Cord.  1876,  II,  p.  167—216;  Stclzner  in  Napp,  Arg.  Republ.  S.  71 
u.  folg.;  auch  z.  Th.  abgedruckt  in  O.  Wien,  Die  Sierra  von  Cördoba,  Zeitschr.  f.  allg. 
Erdk.  Berlin,   1882,  XVII,  S.  57  u.  folg.,  Karte. 

»5  Informe  ofic.  de  la  Comis.  cientif.  agreg.  al  Expedic.  al  Rio  Negro  bajo  Tord. 
del  General  D.  Julio  A.  Roca;  40,  Buenos  Air.  i883;  III,  Geol.  por  el  Dr.  Ad.  Doering; 
p.  299 — 400.  Für  Theile  der  Sierra  Tandil  auch  Holmberg,  Act.  Ac.  C6rd.  1884,  V, 
p.  28— 3o  und  58. 

16  Stelzner,  N.  Jahrb.  1873,  S.  728. 

17  J.  Domeyko,  Estudio  del  Relieve  etc.  Anal.  Univ.  Chile,  1875,  XLVII, 
p.  51,  60;  Enr.  M.  Simpson,  Elsplorac.  hidrograf.  de  la  Chacabuco,  eb.  das.  1872,  p.  427 
und  Memor.  de  la  Marina,  1872,  p.  379.  Diese  eigenthümliche  Erscheinung  wird  an  späterer 
Stelle  nochmals  besprochen  werden. 

18  Dav.  Forbes:  On  the  Geol.  of  Bolivia  and  Southern  Peru;  Quart.  Joum.  geol. 
Soc.  1861,  XVn,  p.  7— 62,  pl.  I~III;  J.W.  Salter,  Fossils  from  the  High  Andes,  coli, 
by  D.  Forbes;  eb.  das.  p.  62—73,  pl.  IV,  V. 

>9  Ant.  Raimondi,  Brief  an  Gabb,  Proceed.  Califom.  Acad.  1867,  IH,  p.  359, 
36o;  F.  Toula,  Ueb.  einige  Fossilien  des  Kohlenkalkes  von  Bolivia;  Sitzungsb.  Akad. 
Wien,   1869,  LIX,  S.  433—444. 

20  Ign.  Domeyko,  Sur  la  gdol.  du  Chili,  et  particuliörement  10  Sur  le  terr.  de 
porphyres  stratif.  dans  les  Cordill^res;  20  Sur  le  rapp.  qui  existe  entre  les  filons  m^tallif. 
et  les  terr.  du  syst,  des  Andes;  Ann.  des  Mines,  1846,  4.  ser.,  IX,  p.  3 — 34,  pl.  I  u.  II, 
u.  ders.:  Sur  la  constit.  g^ol.  du  Chili,  eb.  das.  p.  365 — 540,  pl.  IV — VII,  u.  an  and.  O. 
Ch.  Darwin,  Geol.  Observ.  on  the  Volc.  islands  and  parts  of  S.  America,  2^  ed.  1876, 
insb.  p.  470 — 6o3.  A.  Pissis,  Rech,  sur  les  syst^mes  de  Soul6vement  de  l'Amir.  du  Sud; 
Ann.  des  Mines,  1856,  5.  ser.,  IX,  p.  81  —  146,  pl.  III,  IV;  ders.:  Sur  la  constit.  giol.  de 
Li  Chatne  des  Andes  entre  le  16.  et  le  53.  degrä  de  lat.  sud. ;  eb.  das.  1873,  7.  ser.,  III, 
p.  402—426,  pl.  IX,  X.  Enr.  Concha  y  Toro,  Analojias  entre  la  formac.  jeoloj.  de 
Chile  i  de  Bolivia;  Anal.  Univ.  Chile,  1872,  p.  $38 — 555,  und  A.  R6mond  de  C orbi- 
ne au,  Lista  alfab.  de  las  fösiles  que  se  han  hallado  en  Chile  etc.;  eb.  das.  1867,  p.  99 — 141. 

• 

21  P.  Güssfeldt,  Der  Vulcan  Acongagua  von  NNW.;  Zeitschr.  deutsch,  u.  ost. 
Alpen ver.  1884,  S.  404—406,  Taf.  und  Sitzungsb.  Akad.  Berlin,   1884,  S.  922. 

22  A.  Pissis,  El  desierto  de  Atacama;  su  jcolojia,  sus  prod.  i  mineral. ;  Anal. 
Univ.  Chile,  1877,  p.  573  —  597;  geol.  Karte  von  Atacama  von  Villanueva,  eb.  das.  1878. 
F.  A.  Moesta,  Ueb.  d.  Vorkomm.  d.  Chlor-,  Brom-  u.  Jodverbind,  d.  Silbers  in  d.  Natur; 
ein  Beitr.  z.  Kenntn.  d.  geolog.  u.  bergbaul.  Verhältnisse  v.  N.  Chile;  gr.  80,  Marburg, 
1870;  hieher  auch  G.  Stein  mann.  Zur  Kenntn.  d.  Jura-  und  Kreideform,  von  Caracoles 
(Bolivia);  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1881,  I.  Beil.-Band,  S.  239— 3oi,  Taf.  IX— XIV; 
R.  Zeiller,  Note  s.  l.  Plantes  foss.  de  la  Ternera  (Chili);  Bull.  soc.  giol.  1874— 1875, 
3.  ser.  in,  p.  572—574,  pl.  XVII. 

23  H.  Burmeister  und  C.  Giebel,  Die  Versteinerungen  von  Juntas  im  Thal  d. 
Rio  Copiapö;  auy  d.  Abhandl.  Naturf.  Ges.  Halle,  1 861,  VI;  40,  34  SS.,  2  Taf. 

24  A.  Pissis,  Descripc.  topogrdf.  i  jeolöj.  de  la  Provincia  de  Aconcagua;  AnaK 
Univ.  Chile,  1858,  p.  46—89. 

25  A.  Stelzner,  Neu.  Jahrb.  f.  Mineral,  etc.  1872,  S.  193—198,  63o— 636,  u.  1873, 
S.  726 — 744;  Gottsche,  Ueb.  jurass.  Verstein.  aus  der  Argentin.  Cordillcre;  Paläontogr. 
Suppl.ni,  1878,  51  SS.,  8  Taf. 

26  G.  Steinmann,  Reisenotiz,  aus  Chile;  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1884,  S.  199—203. 

27  J.  Domeyko,  Excursion  jeoloj.  a  las  cordill.  de  S.  Fernando;  An.  Univ.  Chile, 
1862,  p.  22—42. 

28  A,  Pissis,  Descripc.  topogrdf.  i  jeolöj.  de  la  Prov.  de  Colchagua,  cb.  das. 
1860,  p.  659—715. 

Suesi,  Das  Antlitz  der  Erde.  45 


f 


6q6  Anmerkungen  zu  Th.  II,  Abschn.  IX.    Südamerika. 

29  P.  Strobel,  Beitr.  z.  Kenntn.  der  geognost.  Beschaffenheit  d.  Anden  vom  33. 
bis  zum  35.®  s.  Hr.;  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1875,  ^*•  56—62. 

30  Pissis,  Atacama,  Anal.  Univ.  Chil.  1877,  P-  5 76«  Man  darf  wohl  den  Sycni 
als  einen  Theil  der  Küsten-Cordilleren,  den  Porphyr  als  jurassische  Kinschaltung,  dci 
Trachyt  als  den  Vorläufer  und  die  Grundlage  der  thätigen  Vulcane  ansehen. 

3<  Ign.  Domeyko,  Algunas  palabras  sobre  el  terr.  en  que  se  hallan  hnesos  d 
Mastodonte  en  Chile;  An.  Univ.  Chil.  1868,  p.  369—374;  Mastod.  Andium  beschreib 
B  ran  CO  auch  weit  im  Norden,  von  den  Hochflächen  des  N.  Ecuador,  vrelche,  wie  vi 
bald  sehen  werden,  auf  einer  Linie  sich  befinden,  welche  jener  des  chilenischen  Längen 
thales  in  vieler  Beziehung  homolog  ist;  W.  Branco,  Foss.  Säugthierfauna  von  Panin  ht 
Riobamba,  in  Dames  und  Kayser,  Paläont.  Abh.  l883,  I,  S.  l34.  Es  ist  eine  weit  ver 
breitete  Art  und  Branco  stellt  die  Ablagerungen  von  Punin  der  unteren  Pampas 
fauna  gleich. 

3*  D.  Forbes,  Boliv.  and  S.  Peru,  p.  35,  36. 

33  Concha  y  Toro,  Carbon  foss..  Anal.  Univ.  Chil.  p.  358;  auch  Mallard  e 
Fuchs,  Notes  s.  quelques  points  de  la  G^ol.  du  Chili;  Ann.  des  Mines,  1873,  7.  ser.,  ID 
p.  91  u.  folg. 

34  Philippi,  Bemerk,  üb.  die  chilenische  Provinz  Arauco;  Petcrni.  geogr.  Mittli 
i883,  S.  453 — 460;  auch  J.  P.  Sieveking,  Geogn.  Skizzen  aus  d.  chilen.  Provinz  Arauco 
eb.  das.  S.  57 — 61 ;  derselbe  Granitzug  auch  bei  Pissis,  Chatne  des  Andes,  Ann.  d.  Mine« 
1873,  p.  4i3. 

35  Darwin,  Geol.  Observ.  p.  435  u.  folg.;  Steinmann,  Reisenotizen  aus  Pata 
gonien;  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  i883,  a,  S.  255—258. 

36  Enr.  Simpson,  Reconocimiento  del  rio  Aysen;  Anal.  Univ.  Chil.  1870,  p.  128 
Karte  dieses  Gebietes  in  Peterm.  geogr.  Mitth.  1878,  T.  24  und  1880,  T.  8. 

37  Dana  in  Wilkes,  Explor.  Exped.,  Geol.,  p.  601—606,  720. 

38  B.  Bossi,  Explorac.  de  la  Tierra  del  Fuego  con  el  vapor  orieht.  Charrna;  8' 
Montevid.  1882,  p.  ijf  27,  37  gibt  nur  in  allgemeinen  Worten  an,  dass  die  ganze  ausser 
Kette  von  Desolation  bis  Wollaston  und  Staten-Island  aus  Granit,  Gneiss  und  Ouar7.it  bc 
stehe  und  die  Fortsetzung  der  Anden  bilde. 

39  Darwin  eb.  das.  p.  446;  Steinmann,  S.  256. 

40  Darwin,  On  the  Geol.  of  the  Falkland  Isles;  Quart.  Journ.  Oeol.  Soc.  i84(i 
II,  p.  267—274. 

4«  Ale.  d'Orbigny,  Voyagc  dans  TAmcr.  m6rid.  4^»,  1842,  IIT,  3,  Geologie 
p.  181   u.  folg. 

42  L.  Crosnier,  Notice  göol.  sur  les  Departements  de  Huancavclica  et  d'Avacucho 
Ann.  d.  Mines,  1852,  5.  ser.,  II,  p.  i--ii3,  pl.  I;  auch  Pflücker  y  Rio,  Ueb.  d.  Minen 
district  Yauli  in  Peru;  Kerl  u.  Wimmer,  Berg-  u.  Hüttenm.  Zeitung,  1884,  XL V 111 
S.  34 1  u.  folg. 

43  Gabb  hat  nach  Raimondi's  Funden  vom  Ccrro  del  Salto  del  Frayle  bei  ChorilK 
einen  Ammonites  Raimondianus  beschrieben  und  dem  Amm.  cymodoce  Orb.  aus  ol>ercn 
Jura  verglichen.  Prof.  Neumayr  ist  mit  mir  der  Ansicht,  dass  die  abgebildete  Fomi  dci 
Hopliten  des  Neocom  noch  am  nächsten  steht.  Das  Gestein  soll  jenem  der  Insel  S.  Lo 
renzo  entsprechen.  Von  dem  Hügel  bei  der  Hacienda  del  Imperial  bei  Canete,  ebenfalh 
in  der  Küstenzone,  beschreibt  Gabb  ferner  Cardita  exotica  Orb.,  eine  von  d'Orbigny  nni 
unvollständig  aus  columbischer  Kreide  bekannt  gemachte  Form;  Gabb,  Descript.  of  s 
Coli,  of  Foss.  made  by  Dr.  A.  Raimondi  in  Peru;  Journ.  Acad.  Nat.  Sc.  Philadelphia 
1877,  >»ew  ser.,  VIII,  p.  268,  pl.  37,  Fig.  2  und  p.  287,  pl.  41,  Fig.  i,  2.  Ks  ist  der  hici 
erwähnte  Fundort  Tingo  in  Huari  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  viel  nordlicher  gelegenei 
Liasvorkommen  von  Tingo,  W.  von  Chachapoyas;  vgl.  Habenicht's  Karte  in  Petermann 
Geogr.  Mitth.  1879,  Taf.  HL 


Anmerkuni^en  zu  Th.  II,  Abschn.  IX.   Südamerika.  6g7 

44  Gust.  Steinmann,  Ueb.  Tithon  u.  Kreide  in  d.  peruan.  Anden;  Neu.  Jahrb.  f. 
Mineral,  etc.  i88i,  II,  S.  i3o  — 153,  T.  VI— VIII;  u.  ders.:  Ueb.  Jura  und  Kreide  in  den 
Anden;  eb.  das.  1882,  I,  S.  166 — 170. 

45  A.  Raimondi,  El  departemento  de  Ancachs  y  sus  Riquezas  minerales;  publ. 
por  Enr.  Meiggs;  gr.  80,  Lima,   1873 ;  insb.  p.  267 — 3oi. 

46  Note  in  der  Wochenschrift  Nature,  3.  Oct.  1881. 

47  J.  Orton,  The  Andes  and  the  Amazon;  80,  3.  ed.  1876,  insb.  p.  551  u.  folg. 

48  Alph.  Hyatt,  The  Jurass.  and  Cretac.  Ammonites  coli,  in  S.  America  by  Prof. 
J.  Orton,  with  an  App.  etc.  Proc.  Boston.  Soc.  nat.  bist.  1874—75,  XVII,  p.  365—372. 

49  Th.  Wolf,  Viajes  cientif.  por  la  Republ.  del  Ecuador;  3  Hefte  (Loja,  Azuay, 
Esmeraltlas) ;  8°,  Guayaquil,  1879  und  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1876,  XXVIII,  S.  391  — 
393,  Karte. 

50  Th.  Wolf,    Geogn.   Skizze    der    Provinz    Guayaquil;    Neu.   Jahrb.   f.   Min.    1874, 

s.  385—396. 

5»  W.  Reiss,  Bericht  üb.  eine  Reise  nach  d.  Quilotoa  und  dem  Cerro  Hermoso 
in  den  ecuador.  Cordilleren;  Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  1875,  XXVU,  S.  274 — 294; 
ders. :  Die  geol.  Verhältnisse  der  Fundstell,  foss.  Säugthierknochen  in  Ecuador  (in  Branco : 
Saugth.-Fauna  von  Punin  bei  Riobamba),  Dames  u.  Kayser,  Paläont.  Abh.  i883,  I,  S.  41  — 
56,  Karte,  u.  an  and.  Ort. 

52  Steinmann,  Ueb.  Jura  u.  Kreide  in  d.  Anden;  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1882,  a,  S.  169. 

53  H.  Karsten,  Ueb.  d.  geognost.  Verhältn.  d.  W.  Columbien,  der  heutigen  Republ. 
Neu-Granada  u.  Equador;  Amtl.  Ber.  üb.  die  32.  Versamml.  deutsch.  Naturf.  u.  Aerzte  zu 
Wien,  1858,  S.  80—117,  Karte;  V.  Uhlig,  Die  Cephalop.  Fauna  der  Wernsdorfer 
Schichten;  Denkschr.  Akad.  Wien,   i883,  XLVI,  S.  158  u.  folg. 

54  Manche  Angaben  deuten  allerdings  auf  eine  grössere  Selbständigkeit  der  Serra 
S.  Marta  im  Sinne  der  älteren  Auffassung  Humboldt*s,  so  insb.  Acosta,  Bull.  soc.  göol. 
1852,  2.  sär.,  IX,  p.  396  und  zum  Theile  auch  Cor  nette,  eb.  das.  p.  5Ö9  u.  folg. 

55  Karsten,  Beitr.  z.  Kenntn.  der  Gesteine  des  N.  Venezuela;  Zeitschr.  deutsch, 
geol.  Ges.  1859,  XI,  S.  345—361,  Karte;  G.  P.Wall,  On  the  Geol.  of  a  Part  of  Vene- 
zuela and  of  Trinidad;  Quart.  Joum.  geol.  Soc.  1860,  XVI,  p.  460 — 470,  Karte;  W.  O. 
Crosby,  Notes  on  the  phys.  Geogr.  and  Geol.  of  Trinidad;  Proceed.  Boston  Sod.  nat. 
Hist.  1878,  XX,  p.  44 — 55;  femer  die  Reports  Geol.  Surv.  West  Ind.  von  Sawkins 
und  Wall. 

56  Th.  Wolf,  Ein  Besuch  der  GaUpagos- Inseln,  8©,  Heidelberg,  1879,  S.  18 
(Fromm el  und  Pfaff,  Samml.  v.  Vorträgen,  I,  S.  259  —  300,  Karte);  jiUerdings  fehlt  auch 
in  Ecuador  nicht  ein  basaltischer  Typus;  vgl.  Gümbel,  Sitzungsb.  Ak.  Münch.  1881, 
S.  365  u.  folg. 

57  Lopez,  ICsplor.  de  las  islas  esporad.  al  Occid.  de  la  costa  de  Chile;  An.  Univ. 
Chil.  1876,  p.  649—673.  Die  angebliche  Insel  Buchili  (etwa  280  4'  lat.,  950  4'  long.) 
war  gar  nicht  zu  finden,  ebensowenig  die  Insel  Gray. 

5«  J.  Kolbcrg,  Nach  Ecuador;  2.  Aufl.  4°,  Freib.  im  Breisg.  1881,  S.  209-221 
u.  an  and.  Ort. 

59  A.  Pissis,  El  desierto  de  Atacama;  An.  Univ.  Chil.  1877,  p.  585 — 588. 

^  Orton,  Andes  and  Amazon,  p.  116;  die  auf  den  Vergleich  älterer  barometrischer 
Messungen  gegründete  Ansicht  desselben  Verfassers,  dass  die  Anden  heute  sinken,  wunlc 
von  Reiss  widerlegt;  Reiss:  Sinken  die  Anden?  Verh.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde,  Berlin, 
1880,  VII,  S.  45  u.  folg. 

6»  AI.  Agassiz  and  L.  F.  Pourtales,  Recent  Corals  from  Tilibiche,  Peru;  Bull. 
Mus.  Comp.  Anat.  Cambridge,  1876,  III,  p.  287 — 290;  Am.  Joum.  Sc.  1876,  3.  scr.,  XI,  p.  499. 

<^^  D.  Forbes,  am  ang.  ( ).  p.  49. 


45* 


ZEHNTER  ABSCHNITT 


Die  Antillen. 


Drei    Inselreihen.    —    Cuba.    —    Haiti.    —    Jamaica.    —    Puerto    Rico    bis     Barbados. 
Die    Cordillere    der    Antillen.    —    Vergleich    mit    der   Umrahmung    des    westlichen    M 

mecrcs.  —  Erdbeben. 


In  Mittel- Amerika  folgt  das  Streichen  des  Grundgebirj 
nicht  dem  Verlaufe  der  langgestreckten  Verbindung-  des  nö 
liehen  und  des  südlichen  Continentes,  sondern  verläuft,  so  weit 
genauer  bekannt  ist,  quer  auf  dasselbe.  Dies  ist  besonders  de 
lieh  in  Guatemala,  wo  ein  beträchtliches  Stück  einer  einseitig 
nach  WSW.  streichenden  Kette  hervortritt  (S.  119,  i  20).  Di 
Kette  zieht  aus  dem  westlichen  Honduras  herüber;  das  Läng-ent 
des  Rio  Motagua  bezeichnet  ziemlich  genau  ihre  Richtung.  \ 
folgen  vornehmlich  den  Nachrichten  von  DoUfuss  und  Mont-Sen 
da  Seebach's  Beobachtungen  erst  im  Auszuge  bekannt  gew 
den  sind." 

Die  südlichste  Zone  besteht  aus  mehreren  ziemlich  ausj 
dehnten  Vorkommnissen  von  Granit,  welche  nördlich  und  südl 
von  der  Stadt  Guatemala,  dann  südlich  vom  Rio  Motagua 
über  Zacapa  hinaus  beobachtet  sind.  An  diese  reiht  sich  geg 
N.  eine  breite  Zone  von  Glimmerschiefer,  weiterhin  eine  solc 
von  Talkschiefer,  und  diese  Theile  erreichen,  S.  vom  Golfo  Do 
hinziehend,  am  Amatischen  Golf  und  bei  Omoa  im  Golf  \ 
Honduras  das  Meer.  Ihnen  sind  nordwärts  Conglomerat  u 
Sandstein  von  geringerer  Mächtigkeit  aufgelagert,  denen  jense 


Einheit  der  Antillen.  699 

des  Golfo  Dolce,  am  Rio  de  Cajabon  und  weiter  gegen  N.  und 
NW.  ein  weites  Kalksteingebirge  folgt,  dessen  Grenzen  unbekannt 
sind.  Die  spärlichen  Vorkommnisse  von  Versteinerungen,  nach 
welchen  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden  ist,  dass  hier 
Jurakalkstein  auftrete,  scheinen  mir  zur  Begründung  dieser  Ver- 
muthung nicht  ausreichend  zu  sein. 

Es  ist  also  ein  quer  über  die  Landenge  von  WNW.  gegen 
ONO.  streichendes  Gebirgsstück  vorhanden,  dessen  ältestes  Glied 
in  SSO.  liegt,  während  die  jüngeren  Zonen  gegen  NNW.  folgen. 
Durocher  hat  es  als  das  , Systeme  de  Segovia*  bezeichnet.* 

Dieses  Gebirge  ist  südwärts  abgegrenzt  durch  eine  grosse 
Masse  von  altvulcanischen  Bildungen  mannigfaltiger  Art,  welche 
den  grössten  Theil  der  Gebirge  von  Salvador  und  alle  südlicheren 
Ketten  von  Guatemala  bilden.  Eine  schräge  Bruchlinie,  von  der 
Bucht  von  Fonseca  dem  pacifischen  Ufer  in  der  Richtung  gegen 
WNW.  folgend,  bezeichnet  die  Hauptlinie  der  jungen,  zum  Theile 
noch  thätigen  Vulcane  dieses  Gebietes  (S.  122,  Fig.  5).  Sie  trifft 
westlich  von  der  Stadt  Guatemala  in  einem  spitzen  Winkel  die 
Streichungsrichtung  des  Kettengebirges,  schneidet  dasselbe  ab 
und  setzt  nach  Mexico  fort.  Viele  der  grössten  dieser  Vulcane, 
unter  ihnen  die  mächtigen  Kegel  des  S.  Miguel,  des  Acatenango, 
des  Vulc.  d'Atitlan  u.  And.  liegen  auf  dem  Gebiete  der  altvulca- 
nischen Felsarten. 

Die  Antillen  werden  von  den  Gipfeln  eines  Kettengebirges 
gebildet,  welches  das  caraibische  Meer  vom  atlantischen  Ocean 
und  vom  Golf  von  Mexico  scheidet.  Von  Honduras  her  scheint 
durch  Jamaica  und  das  südwestliche  Haiti  ein  zweiter  Bogen  sich 
an  die  Hauptkette  anzuschliessen.  Selbst  die  grossen  Tiefen, 
welche  an  einzelnen  Stellen,  wie  zwischen  Virgin  Gorda  und  An- 
guilla,  vorhanden  sind,  unterbrechen  nicht  das  einheitliche  Strei- 
chen des  Gebirgszuges. 

Dieser  einheitliche  Bau  ist  von  vielen  Beobachtern  bereits 
hervorgehoben  worden,  von  Niemandem  nachdrücklicher  und  mit 
schärferem  Hervorheben  der  Beziehungen  zum  mittelamerika- 
nischen Festlande  als  von  dem  berufensten  Kenner  dieser  Gegen- 
den, Karl  V.  Seebach. 


yOO  Gabelung  in  Haiti. 

Mit  dem  Abfalle  des  mexicanischen  Tafellandes  im  Staate 
Oaxaca,  sagt  Seebach,  endet  der  geschlossene  nördliche  Continent 
Südlich  und  östlich  von  der  Landenge  von  Tehuantepec  beginnt 
Central-Amerika,  das  schon  in  die  Inselwelt  der  Antillen  gehört 
,.  .  .  Der  Gebirgszug  der  grossen  Antillen,  welcher  weiter  östlich 
in  Puerto  Rico  und  S.  Domingo,  dem  östlichen  Theile  von  Haiti, 
nur  eine  Hauptkette  bildet,  theilt  sich  in  der  Mitte  dieser  letzten 
Insel;  ein  südlicher  Zweig  zieht  sich  durch  den  lang-gestreckten 
Inselarm  von  Jacmel  nach  Jamaica  und  nach  Honduras,  während 
ein  nördlicher  Arm  über  Cuba  hinausreicht  nach  Yucatan.  .  .  .' 
, Sollte  es  blos  ein  merkwürdiger  Zufall  sein,  dass  die  aus  krystal- 
linischen  Schiefern  und  Massengesteinen  bestehende  Sierra  Maestra 
im  Südosten  Cuba's  (in  welcher  die  grossen  Antillen  mit  2338  M. 
Seehöhe  ihre  höchste  Erhebung  erreichen)  durch  die  Caiman- 
gruppe,  die  Misteriosabank,  die  Viciosas  und  Schwaneninsel  hin- 
überführt in  die  Tiefe  des  Golfes  von  Honduras,  von  dessen 
Rande  hier  jähe  aufsteigende  Gebirgskämme  von  g-leicher  Zu- 
sammensetzung mit  constantem  Streichen  sich  in  das  Innere  fort- 
ziehen?*^ 

Und  indem  wir  nun  mit  Seebach  die  beiden  nach  NO.  vor- 
tretenden Gebirgszüge  von  Yucatan  und  Guatemala  nur  als  ,die 
westlichsten  Ausläufer  des  Gebirgssystems  der  grossen  Antillen' 
betrachten,  tritt  nicht  nur  die  Bedeutung  des  oben  über  den  Bau 
von  Guatemala  Erwähnten  hervor,  sondern  zeigt  sich  in  ihrer 
vollen  Schärfe  die  Richtigkeit  der  von  Humboldt  angedeuteten, 
von  Ritter  mit  grossem  Nachdrucke  vertretenen  Ansicht,  dass 
Nord-  und  Südamerika  als  zwei  wesentlich  verschiedene  Conti- 
nente  zu  betrachten  seien,  zwischen  denen  als  ein  drittes  Element 
das  Gebiet  Central-Amerika's  und  der  Antillen  liegt.  — 

Man  kann  die  Antillen  in  mehrere  Zonen  eintheilen. 

Die  erste,  innerste  Zone,  innerhalb  der  Concavität  des 
Bogens  gelegen,  tritt  nur  im  östlichen  Theile,  den  kleinen  Antillen, 
auf.  Sie  ist  ganz  von  jungvulcanischer  Entstehung-,  Diese 
Zone  wird  gebildet  von  den  Inseln :  Saba,  S.  Eustatius,  S.  Christoph 
(S.  Kitts),  Nevis,  Redonda,  Montserrat,  die  westliche  Hälfte  des 
tief  eingeschnittenen  Guadeloupe,  Dominica,  Martinique,  S.  I^ucia, 
S.  Vincent,   die  Grenadinas  und  Grenada.    Diese  Inseln    bilden 


Zonen  der  Antillen.  7^1 

einen  zusammenhängenden  einfachen  Bogen,  und  einzelne  von 
ihnen  umfassen  drei  bis  vier,  Martinique  nach  Jonnes  sogar  sechs 
Ausbruchsstellen. 

Die  nächste  Zone  umfasst  die  grossen  und  reichen  gebir- 
gigen Inseln  der  grossen  Antillen  und  einen  schmalen,  aber  gut 
gekennzeichneten  Saum  der  kleinen  Antillen.  Ihre  Gebirge  sind 
ganz  nach  dem  Typus  der  Küsten-Cordilleren  des  Südens  und 
der  Berge  von  Venezuela  zusammengesetzt.  Die  organischen  Reste 
der  unteren  Kreide  sind  die  ältesten;  auch  sie  sind  nur  durch  einige 
Spuren  vertreten,  dagegen  treten,  wie  schon  auf  Trinidad  und  in 
Nord- Venezuela,  im  Turon  reinere  und  versteinerungsreiche  Kalk- 
ablagerungen auf.  An  die  Kreideformation  schliesst  sich  hier  wie 
in  Trinidad  eine  mächtig  entwickelte  Serie  von  tertiären  Ablage- 
rungen, von  welcher  einzelne  Glieder  eine  erstaunliche  Aehnlich- 
keit  mit  europäischen  Vorkommnissen  zeigen.  Diese  Ablagerungen 
vermitteln  eine  Verbindung  mit  der  dritten  Zone. 

Es  gehören  zu  dieser  zweiten  Zone :  Cuba  und  die  Pinos-Insel, 
Haiti,  Puerto  Rico,  die  Virginischen  Inseln  mit  S.  Croix,  Anguilla, 
S.  Bartholomäus,  Antigua,  die  Osthälfte  von  Guadeloupe  und  ein 
Theil  von  Barbados,  ferner  der  durch  Jamaica  herüberstreichende 
südliche  Bogen.  So  weit  diese  Zone  den  kleinen  Antillen  angehört, 
bildet  sie  einen  ausserhalb  der  Vulcane  hinziehenden  Gürtel. 

Die  dritte,  äusserste  Zone  umfasst  nur  mitteltertiäre 
oder  noch  jüngere  Bildungen.  Sie  erhebt  sich  nirgends  zu 
eigentlichen  Gebirgszügen,  ist  sogar  in  der  Regel  ganz  flach, 
gegen  NW.  breiter,  gegen  SO.  sich  verengend.  Hieher  fallen  die 
Bahama's,  alle  niedrigen  Bänke  bis  Natividad,  dann  Anegada, 
Sombrero,  Barbuda  und  ein  Theil  von  Barbados.  Ich  möchte  je- 
doch die  ganze  Halbinsel  Florida  und  vielleicht  sogar  den  flachen 
Theil  von  Yucatan  dieser  Zone  zuzählen. 

Diese  regelmässige  Anordnung  der  Inseln  hat  bereits  L.  v. 
Buch  in  ihren  Grundzügen  richtig  erkannt.  ,Die  vulcanischen  In- 
seln der  Antillen,*  schrieb  der  grosse  Forscher  vor  nun  sechzig 
Jahren,  ,liegen  alle  in  einer  fortlaufenden  Kette  hintereinander, 
ohne  von  nichtvulcanischen  Inseln  unterbrochen  zu  sein.  Dagegen 
zieht  sich  im  Osten  dieser  Inseln,  ausserhalb,  gegen  den  grossen 
Ocean,   eine  andere,   wenn  auch  weniger  bestimmte  Reihe  von 


y02  Cuba.    Sierra  Maestra. 

Inseln  hin,  welche  von  vulcanischen  Phänomenen  nur  noch  wenige 
Spuren  zeigt  und  Vulcane  selbst  gar  nicht  enthält.  Dies  ist  eine 
höchst  merkwürdige  Thatsache.*^ 

Es  ist  die  mittlere  Zone,  welche  ich  etwas  näher  zu  besprechen 
beabsichtige. 

Cuba  erreicht,  wie  oben  gesagt  worden  ist,  die  grösste 
Höhe  in  der  Sierra  Maestra,  in  dem  südöstlichen  Theile  der  Insel, 
zwischen  Cabo  de  Cruz  und  S.  Jago  de  Cuba.  Der  Pico  Tar- 
quino  misst  2338  M.  Das  Gebirge  fällt  südwärts  steil  zum  Meere, 
streicht  WO.  bis  ONO.  und  die  Schichten  neigen  sich  g-egen  Nord. 
Nach  Cia  kommt  an  dem  südlichen  Fusse  an  mehreren  Stellen 
Granit  zum  Vorschein,  während  die  höheren  Theile  des  Gebirges 
aus  einem  Wechsel  von  dünngeschichtetem  grünem  Sandstein  mit 
Feldspathkörnern,  dunklem  Schiefer,  einer  Breccie  von  Kalk  und 
Schiefer,  endlich  wenig  mächtigen  Lagen  von  Kalkstein  bestehen. 
Diesem  Wechsel  folgt  eine  mächtige  Breccie,  deren  Bindemittel 
als  dunkler  Diorit  oder  dioritischer  Porphyr  bezeichnet  wird.^  Ein 
dunkler  Mandelstein  erscheint  mit  dieser  Breccie.  Eine  Breccie 
von  solcher  Beschaffenheit  zeigt  sich  auf  vielen  der  westindischen 
Inseln;  englische  Geologen  haben  sie  ,Blue-beache*  genannt.  Die- 
selbe ist  N.  von  S.  Jago  bis  Cuba  gegen  Ost  und  West  an  der 
Nordseite  der  Sierra  sichtbar  und  hierauf  folgen  flachg-elag-erte 
tertiäre  Ablagerungen  im  Thale  des  Rio  Cauto  bis  in  die  Nähe 
von  Holguin. 

Bei  Holguin  trifft  man  ein  Feldspath  und  Amphibol  enthal- 
tendes Eruptivgestein,  an  anderen  Orten  wahren  Syenit  und  in 
unmittelbarer  Berührung  mit  diesen  einen  Zug  von  Serpentin, 
welcher  sich  von  hier  an  nach  den  übereinstimmenden  Angaben 
von  Cia  und  Castro  durch  die  ganze  Insel,  und  zwar  über  Puerto 
Principe  bis  in  die  Nähe  von  Habana  und  bis  in  den  westlichsten, 
gegen  WSW.  streichenden  Theil  der  Insel  erstreckt.  Dieser  lang^e 
Serpentinzug  ist  von  vielen  Zügen  von  lichtem,  hartem  Kalkstein, 
insbesondere  gegen  Nord,  begleitet.  Er  erreicht  nirgends  bedeu- 
tendere Höhen,  bildet  jedoch  eine  Wasserscheide  durch  die  Mitte 
der  ganzen  Insel;  er  ist  der  Sitz  des  Mineralreichthums  von  Cuba 
und  führt  Kupfer,  Chromeisen  und  Gold.    Es  fehlen  nicht  flysch- 


Der  Serpentinzug  auf  Cuba.  7^3 

ähnliche  Sandsteine  und  von  Holguin  bis  Habana  Jiind  Vorkomm- 
nisse von  Asphalt  und  Erdöl  bekannt.^ 

Schon  Humboldt  hat  den  Serpentin  bei  Habana  getroffen. 
Saiterain  hat  die  Umgebung  dieser  Stadt  beschrieben.  Die  Nord- 
küste ist  hier,  wie  an  sehr  vielen  anderen  Orten,  von  einem  Saume 
von  flachgelagertem,  tertiärem  Kalkstein  begleitet,  welcher 
streckenweise  eine  geradezu  karstähnliche  Oberfläche  annimmt 
oder  sich  mit  rother  Erde  bekleidet.  Innerhalb  dieses  Saumes  er- 
heben sich  die  langen  Rücken  von  gefaltetem,  versteinerungs- 
leerem, glaukonitischem  Kieselkalk,  Mergel  und  Sandstein.  Diese 
Felsarten  umschliessen  die  Asphalt -Vorkommnisse;  durch  ihre 
Zersetzung  erzeugen  sie  den  Untergrund  der  reichsten  und  frucht- 
barsten Theile  der  Insel.  Aus  diesen  glaukonitischen  Ablage- 
rungen ragt  hier  der  lange,  aber  niedrige  Rücken  von  Serpentin 
in  Begleitung  von  alten  Eruptivgesteinen  hervor;  er  ist  in  dem 
Hafen  von  Habana  selbst  als  eine  dunkle,  vegetationslose  Masse 
sichtbar.^ 

Nach  Castro's  Angaben  tritt  südlich  von  dem  langen  Zuge 
von  Serpentin,  in  der  Sierra  de  Cumanayagua,  W.  von  der  Hafen- 
stadt Trinidad,  Gneiss,  Talkschiefer  und  dunkler  Kalkstein  von 
höherem  Alter  hervor.  — 

Es  sind  zwar  verschiedene  Vermuthungen  über  das  Alter  der 
Sedimente  von  Cuba  geäussert  worden,  und  wurden  z.  B.  die 
schwarzen  Thonschiefer  und  die  Quarzite  von  Mantua  im  Westen 
der  Insel,  an  der  Nordseite  der  Sierra  de  los  Organos  für  paläo- 
zoisch gehalten,  aber  bis  heute  ist  mir  weder  von  Cuba,  noch 
überhaupt  von  einer  anderen  der  westindischen  Inseln  irgend  ein 
Fossil  bekannt,  das  mit  Bestimmtheit  ältere  als  cretacische  Ab- 
lagerungen anzeigen  würde.  Hippuriten  sind  in  dem  lichten  Kalk- 
stein von  Cuba  an  mehreren  Stellen  gefunden  worden ;  unter  den 
jüngeren  flachgelagerten  Sedimenten  ist  der  Orbitoidenkalkstein 
zu  erwähnen,  welcher  sich  auf  Florida  und  auf  vielen  der  Inseln 
wiederholt,  und  dessen  Alter  bereits  besprochen  worden  ist  (S.  366). 

Der  Westen  von  Haiti  ist  wenig  bekannt,  dagegen  hat  Gabb 
eine  vortreffliche  Monographie  des  Baues  der  Republik  S.  Do- 
mingo, also  der  Mitte  und  des  ganzen  Ostens  geliefert.** 


704 


S.  Domingo.   Das  Cibaogebirge 


Das  Streichen  des  Gebirges  ist  auch  gegen  OSO.  gerichtet, 
und  die  Elemente,  welche  den  Boden  zusanjmensetzen,  sind  die- 
selben wie  auf  Cuba.  Die  flyschähnlichen  Schiefer,  Kalksteine  und 
Sandsteine,  die  ,Sierra  Group',  wie  Gabb  sie  nennt,  erscheinen  in 
mehreren  parallelen  Zügen;  sie  haben  einige  wenig-e  und  schlecht- 
erhaltene Versteinerungen  von  cretacischem  Charakter  (Ammo- 
nites,  Trigonia  u.  And.)  geliefert,  und  an  einer  Stelle,  W.  von 
S.  Domingo,  bei  Azua  in  der  Bucht  von  Ocoa,  tritt  etwas  Petro- 
leum hervor.  Serpentinartige  Züge  treten  in  denselben  auf  und 
Castro  sagt  ausdrücklich,  er  habe  auf  Haiti  die  Fortsetzung  des 
Serpentin's  von  Cuba  gefunden.  Syenitische  und  andere  Massen- 
gesteine bilden  in  mehreren  Zügen  die  Höhen  des  ang;-eblich  bis 
zu  8000  Fuss  sich  erhebenden  Cibaogebirges. 

Im  Einzelnen  ist  der  Bau  der  Republik  S.  Domingo  etwa 
folgender.  An  der  äussersten  NO.  Küste  kommen,  insbesondere 
bei  Cabo  Frances  und  in  grösserer  Ausdehnung  auf  der  Halbinsel 
Samanä,  Sandstein  und  Schiefer  hervor.  Man  darf  sie  wohl  als 
den  Nordrand  einer  gegen  OSO.  streichenden  Synklinale  ansehen, 
denn  die  landeinwärts  folgende  Sierra  von  Monte  Cristi  ist  ganz 
tertiär,  sowie  auch  das  grosse  Längenthal,  welches  von  der  Bucht 
von  Manzanilla  quer  durch  die  Insel  bis  zur  Bucht  von  Samanä  her- 
überreicht. Auch  an  den  Fuss  des  nun  südwärts  folgenden  hohen 
Cibaogebirges  schliessen  sich  noch  die  Tertiärablagerungen  an. 

Die  ersten  Höhen  des  Cibaogebirges  bestehen  wenigstens 
von  Sabaneta  ostwärts  wieder  aus  Sandstein  und  Schiefer,  und 
diese  sind  es  allein,  welche  ostwärts  vordringend  den  Gebirgszug 
der  Halbinsel  von  Seybo  zusammensetzen,  während  die  unter 
ihnen  hervortretenden  und  sie  stellenweise  gangförmig  durch- 
dringenden Massengesteine,  aus  welchen  die  höchsten  Theile  des 
Cibao  bestehen,  gegen  Ost  schon  oberhalb  der  Stadt  S.  Domingo 
abbrechen.  Südwärts  folgen  gegen  die  Bucht  von  Ocoa  abermals 
Sandstein  und  Schiefer;  aus  ihnen  besteht  wahrscheinlich  der 
grösste  Theil  der  Südküste,  sowie  beide  gegen  West,  d.  i.  gegen 
Cuba  vorspringenden  Halbinseln. 


Jamaica   ist    durch    die    Bemühungen   früherer    englischer 
Forscher,  insbesondere  aber  durch  die  von  Sawkins  und  Brown 


Jamaica.   Puerto  Rico.   Virginische  Inseln.  7^Ä 

ausgeführte  Aufnahme  sehr  genau  bekannt.^  Die  tertiären  Bil- 
dungen nehmen  hier  einen  grosseren  Theii  der  Oberfläche  in  An- 
spruch wie  auf  Cuba  oder  Haiti.  Das  Streichen  ist  beiläufig  das- 
selbe. Der  Westen  der  Insel  ist  tertiär  und  hügelig,  die  grösseren 
Höhen  gehören  dem  östlichen  Theile  an ;  hier  erheben  sich  die 
Blauen  Berge  mehr  als  7000  Fuss  hoch.  Sie  bestehen  aus  den- 
selben Felsarten  wie  das  Cibaogebirge  auf  Haiti.  Syenit,  Granit 
und  Diorit  treten  hauptsächlich  an  ihrer  südwestlichen  Seite  her- 
vor; die  jMetamorphosed  Series*,  welche  nichts  Anderes  ist  als 
die  flyschartigen  Bildungen  der  andern  Inseln,  setzt  die  höchsten 
Theile  der  Kette  zusammen.  Sie  ist  gefaltet  und  tritt,  wenn  auch 
mit  viel  geringerer  Höhe,  noch  einmal  gegen  die  Mitte  der  Insel 
aus  den  jüngeren  Ablagerungen  hervor.  Ueber  dieser  Serie  liegen 
die  bereits  erwähnten  fossilienreichen  Ablagerungen  der  mittleren 
Kreideformation.  Sawkins  schätzt  die  Mächtigkeit  derselben  auf 
5 — 600  Fuss.  Man  trifft  nach  diesem  Beobachter  in  ihrem  tieferen 
Theile  nur  fest  in  den  Kalkstein  eingewachsene  Reste  sehr  grosser 
Radioliten  und  die  merkwürdige  Rudistengattung  Barrettia,  wäh- 
rend die  so  sehr  an  die  Gosaubildungen  der  Ostalpen  erinnernde 
Fauna  mit  Actaeonella  und  Hippurites  höher  liegt. 

Unsere  Kenntniss  von  Puerto  Rico  beschränkt  sich  leider 
auf  eine  kurze  Notiz,  welche  Cleve  seiner  lehrreichen  Darstellung 
des  Baues  der  östlicher  folgenden  Inseln  einverleibt  hat.  Das 
Streichen  scheint  hier  mehr  nach  Ost  gerichtet  zu  sein ;  innerhalb 
eines  schmalen,  die  Nordküste  begleitenden  Saumes  junger  Ab- 
lagerungen tauchen  auch  hier  wieder  dieselben  Felsarten  hervor, 
welche  auf  Haiti  besprochen  wurden.'""  Sie  setzen  auf  die  Virgi- 
nischen Inseln  fort. 

Diese  Inseln  sind  von  einander  und  von  Puerto  Rico  nur 
durch  geringe  Meerestiefen  getrennt,  und  Cleve  hat  deutlich  ge- 
zeigt, wie  die  einzelnen  Gesteinszonen  mit  ostwestlichem  Streichen 
durch  die  einzelnen  Inseln  des  Archipels  hinstreichen,  den  Zu- 
sammenhang ihres  Baues  erweisend.  Man  sieht  im  Süden  von 
S.  Thomas  und  S.  John  über  Norman  und  Peters  Island  eine  Zone 
von  älteren  eruptiven  Felsarten  hinstreichen,  welche  als  , Feisite 
with  subordinate  Blue-beache*  bezeichnet  werden.    Eine  ähnliche 


yOÖ  Von  Virgin  Gorda  bis  Antigua. 

Zone  verläuft  im  Norden  des  Archipels  N.  von  Tortola  und  durch 
die  Nordhälfte  von  Virgin  Gorda.  Zwischen  beiden  liegen  mit 
demselben  Streichen  Zonen  von  ,Blue-beacheS  welche  begleitet 
sind  von  umgewandeltem  und  steil  aufgerichtetem  Schiefer,  Quarzit 
und  Kalkstein. 

In  einer  Zone,  welche  so  ziemlich  die  mittlere  zu  sein  scheint, 
trifft  man  bei  Coki  Point  auf  S.  Thomas  Actaeonella  laevis  und 
andere  Versteinerungen  der  mittleren  Kreide.  Man  möchte  ver- 
muthen,  dass  diese  ganze  Inselgruppe  eine  einzige  grosse  Syn- 
klinale darstellt,  deren  jüngstes  und  mittleres  Glied  die  Actaeo- 
nellenschichten  wären." 

Von  diesem  Baue  macht  die  nördlichste  der  Virginischen 
Inseln,  Anegada,  eine  Ausnahme;  es  ist  bereits  gesagt  worden, 
dass  sie  ganz  flach  ist  und  der  äusseren  Zone  angehört.  — 

Südlich  von  der  Insel  Vieques  und  den  südlichen  Virginischen 
Inseln  senkt  sich  nun  der  Meeresboden  plötzlich  zu  ausserordent- 
licher Tiefe  herab.  Das  nahe  S.  Croix  soll  durch  Meerestiefen 
von  mehr  als  12.000  Fuss  abgetrennt  sein.  Nichtsdestoweniger 
wiederholen  sich  auch  hier  dieselben  Gesteine.  Sie  bilden  haupt- 
sächlich den  Norden  der  Insel  und  sollen  am  Strande  sofort  steil 
bis  zu  etwa  6000  Fuss  Tiefe  in's  Meer  abstürzen;  der  Süden  der 
Insel  ist  tertiär. 

Oestlich  von  S.  Croix  beginnt  die  bogenförmige,  gegen  Süd 
sich  ziehende  Linie  der  Vulcane.  Die  Aschenkegel  ragen  bis  zu 
4000  Fuss  hoch  empor.  Die  ihnen  östlich  vorliegende  Reihe  von 
Inseln,  auf  welcher  die  Felsarten  von  Cuba  und  Haiti  ihre  Fort- 
setzung finden,  erhebt  sich  nur  an  einer  einzigen  Stelle  zu  1 400  Fuss; 
ihre  Höhe  schwankt  zwischen  200  und  500  Fuss. 

An  der  Westküste  von  Anguilla  treten  nur  auf  geringe  Er- 
streckung die  älteren  Eruptivgesteine  und  die  Flötzbildungen  der 
grossen  Inseln  zu  Tage;  sie  enthalten  Kupfer  und  sie  bilden  einige 
der  umliegenden  Riffe." 

Sie  setzen  den  südlichen  Theil  von  S.  Martin  zusammen, 
tauchen  auf  S.  Bartholomäus  bei  der  Stadt  Gustavia  hervor  und 
bilden  die  höchsten  Theile  dieser  Insel. *^  Auch  auf  Antigua  be- 
stehen die  höchsten  Rücken  aus  Grünstein,  Mandelstein  und 
Porphyr.'^ 


■■     ■  Die  Cordillere  der  AntUlcD.  707 

Auf  Barbados  quillt,  wie  seit  langer  Zeit  bekannt  ist,  Erdöl 
in  grosser  Menge  aus  dem  Boden  hervor,  wie  auf  Trinidad.  — 

Nach  den  oben  angeführten  Beobachtungen  ist  die  ganze 
mittlere  oder  Hauptzone  der  westindischen  Inseln,  vom  Cabo 
S.  Antonio  an  dem  westlichen  Ende  Cuba's  durch  Jamaica,  Haiti, 
Puerto  Rico  bis  Barbados  aus  denselben  Felsarten  zusammen- 
gesetzt. Granit,  stellenweise  wohl  auch  gneissähnliche  Gesteine, 
ältere  eruptive  Felsarten,  das  eigenthümliche  Blue-beache,  Ser- 
pentin, glaukonitischer  Sandstein,  dann  lichter  Kalkstein,  welcher, 
so  weit  er  sicher  bestimmbare  organische  Reste  geliefert  hat,  von 
cretacischem  Alter  ist,  bilden  die  sichtbaren  Reste  eines  einst  zu- 
sammenhängenden Gebirgszuges.  Es  sind  dieselben  Gesteine, 
welche  die  Insel  Trinidad,  die  nördliche  Kette  von  Venezuela, 
dann  jene  von  Merida  und  Bogota  mit  ihrer  südlichen  Fortsetzung 
und  die  ganze  Reihe  der  Küsten-Cordilleren  bis  zu  dem  südlichsten 
Ende  des  südamerikanischen  Festlandes  bilden. 

Es  ist  dieselbe  Reihe  der  Gesteine,  welche  man  in  vielen 
Theilen  Griechenlands,  auf  Kreta  und  Cypem,  in  vielen  Theilen 
der  taurisch- armenischen  Schaarung,  im  östlichen  Afghanistan, 
auf  den  Andamanen  und  den  Nikobaren  antrifft.  Dabei  ist  die 
Aehnlichkeit  mit  gewissen  Gebieten  des  europäischen  Flysch  eine 
ausserordentliche.  Th.  Wolf  sagt,  dass  es  ,Nagelflue  und  flysch- 
artige  Gesteine'  sind,  welche  südHch  vom  Chimborazo  bis  gegen 
Alansi  die  westliche  Cordillere  von  Ecuador  vom  Fusse  bis  zum 
Scheitel  zusammensetzen.''  Die  Vorkommnisse  von  Erdöl  wieder- 
holen sich  in  dem  untercretacischen  Flysch  der  Karpathen  und  die 
langen  Züge  von  Serpentin  im  Flysch  des  nordöstlichen  Bosnien, 
auf  Euboea  und  an  sehr  vielen  anderen  Orten.  — 

Wir  werden  fortan  diese  Reihe  von  Inseln  als  die  Cordillere 
der  Antillen  bezeichnen.  Ihr  Verlauf  ist  ein  bogenförmiger. 
Gegen  West  erscheint  dieselbe  in  mehrere  Aeste  in  Virgation  aus- 
einanderzutreten, wie  Seebach  angezeigt  hat.  Ein  Ast  zieht  vom 
südlichen  Haiti  über  die  Halbinsel  Jacmel  und  die  Blauen  Berge 
auf  Jamaica  nach  Honduras,  der  andere  von  den  Cibaobergen  auf 
Haiti  über  die  Sierra  Maestra  auf  Cuba  gegen  den  Amatischen 
Golf  in  Guatemala  und  dort  quer  über  die  Landenge  bis  zu  der 
Linie   der  grossen  Vulcane.    Möglicherweise   ist   ein   dritter  in 


jl 


'1  . 


708  Umrahmung  des  caraibischen  Meeres. 

der  Mitte  der  Insel  Cuba  durch  die  Sierra  de  Cumanayag^a  an- 
gedeutet. 

Die  Cordillere  ist  gegen  Nordost  und  Ost  von  tertiären  und 
noch  jüngeren  Meeresbildungen  umgeben,  unter  welchen  wir  be- 
reits an  früherer  Stelle  (S.  366)  die  Korallenbänke  von  Gast.  Gom- 
berto  und  den  Orbitoiden-Kalkstein,  welcher  dem  unteren  Kalk- 
stein von  Malta  entspricht,  erkannt  haben.  Welche  von  diesen 
Gliedern  noch  an  der  Faltung  theilnehmen,  war  ich  nicht  in  der 
Lage,  aus  den  mir  vorliegenden  Angaben  mit  voller  Sicherheit  zu 
ermitteln ;  jedenfalls  liegen  die  jüngeren  abstossend  und  flach  an 
den  Abhängen  des  gefalteten  Gebirges,  und  zwar  ist  ihre  Anord- 
nung eine  ähnliche  wie  jene  der  absteigenden  Serie  bei  Suez. 
Die  jüngeren  Theile  fügen  sich  nämlich  in  geringerer  Seehöhe  an 
die  älteren.  Diese  flachgelagerten,  jungen  Sedimente,  zumeist 
Kalkstein,  bilden  nicht  nur  den  Saum  der  grossen  Inseln,  sondern 
auch  einzelne  kleine  und  flache  Inseln  mit  sehr  steilen  Rändern 
zwischen  den  Stücken  der  Cordillere,  wie  die  Insel  Mona  zwischen 
Haiti  und  Puerto  Rico. '^  Aus  ihnen  besteht  auch  die  ganze  äussere 
Reihe  niedriger  Inseln,  nämlich  ein  Theil  von  Barbados,  Barbuda, 
Sombrero,  Anegada  und  die  weiteren  Plattenstücke  bis  zur  Halb- 
insel Florida  (S.  368). 

Die  Anordnung  der  Vulcane  an  der  Innenseite  der  Cordillere 
entspricht  ganz  und  gar  jener  der  Vulcane  des  Apennin  und  der 
Karpathen;  es  ist  der  Einbruch  der  Innenseite  des  Bogens.  In 
vollem  Gegensatze  zu  dem  Baue  des  südamerikanischen  Conti- 
nentes  zeigt  die  Umrahmung  des  caraibischen  Meeres  eine  ähn- 
liche Structur  wie  jene  des  westlichen  Mittelmeeres.  Man  kann 
sogar  behaupten,  dass  das  caraibische  Meer  nach  der  Art  der 
Umrahmung  zu  dem  mexicanischen  Golfe  in  einem  Verhältnisse 
steht,  welches  einige  entfernte  Aehnlichkeit  zu  den  Beziehung-en 
zwischen  dem  westlichen  und  dem  südöstlichen  Theile  des  Mittel- 
meeres besitzt.  Das  caraibische  Meer  ist  nach  N.  und  nach  O. 
von  der  gebrochenen  Innenseite  eines  Gebirgszuges  umfasst, 
welcher  im  Osten  eine  Reihe  von  Vulcanen  an  dem  Bruchrande 
hervortreten  lässt.  Obwohl  eine  Umbeugung  dieser  Kette  von 
Barbados  in  die  OW.  Richtung  von  Trinidad  und  der  Gebirgs- 
kette von  N.Venezuela  nicht  nachgewiesen  ist,  sieht  man  doch  auch 


Erdhelieo  der  ciraibiKchen  Uferländer.  7^^ 

diese  Gebirgskette  ihre  gebrochene  Innenseite  dem  Meere  zu- 
kehren. Ebenso  ist  es  in  Italien,  im  NW.  Afrika  und  an  der  spa- 
nischen Südküste.  Der  mexicanische  Golf  liegt  ausserhalb  der 
Cordillere  der  Antillen;  er  ist  eingebrochen  in  das  Vorland;  sein 
Umriss  ist  nicht  in  kennbarer  Weise  durch  den  Verlauf  von  Ge- 
birgsfalten  beeinflusst,  es  sei  denn  höchstens  imW.  durch  die  An- 
näherung der  mexicanischen  Gebirgszüge  an  die  Küste  von  Vera- 
cruz. Ebenso  ist  der  südliche  Theil  des  östlichen  Mittelmeeres 
eingebrochen  in  die  Wüstentafel,  ohne  dass  der  Umriss  durch 
Gebirgszüge  vorgezeichnet  wäre.  In  dem  nördlichen  Theile  des 
östlichen  Mittelmeeres  tritt  allerdings  ein  anderer  Umstand  hinzu. 
Dort  ist  der  taurische  Bogen  eingebrochen,  und  sonderbarer  Weise 
findet  man  gerade  dort  zwei  grosse  Inseln,  Kreta  und  Cypern, 
welche  mit  den  Bogenstücken  der  Cordillere  der  Antillen  beson- 
dere Aehnlichkeit  besitzen.  Auch  sie  sind  Bogenstücke;  dieser 
Umstand  prägt  sich  in  ihren  Umrissen  ebenso  deutlich  aus  wie  in 
Cuba  oder  Haiti,  und  sie  bestehen  der  Hauptsache  nach  aus  den- 
selben Felsarten  wie  die  grossen  Antillen,  nämlich  aus  Serpentin 
mit  Chromeisen,  Flysch  und  Kreidekalk,  wobei  Granit  als  die 
Unterlage  sichtbar  wird. 

So  wie  der  Umkreis  des  westlichen  Mittelmeeres  in  Calabrlen, 
am  Cabo  di  Gata  und  an  anderen  Stellen  häufig  von  Erdbeben 
heimgesucht  ist,  werden  auch  dje  Umgebungen  des  caraibischen 
Meeres  häufig  von  Erschütterungen  betroffen.  Caracas  und  Cu- 
mana  an  der  Nordküste  von  Venezuela,  Guadeloupe  unter  den 
vulcanischen  Inseln,  Fort  Royal  auf  Jamaica  sind  zu  trauriger  Be- 
rühmtheit gelangt.  Es  liegen  bereits  zahlreiche  Schriften  über 
diesen  Gegenstand  vor,  aber  irgend  ein  Zusammenhang  der  Er- 
scheinungen ist  mir  wenigstens  zur  Zeit  nicht  erkennbar.  Saiterain 
hat  gezeigt,  dass  auf  Cuba  zwei  getrennte  seismische  Gebiete  vor- 
handen sind.''  Das  erste  Gebiet,  seit  Jahrhunderten  durch  grosse 
Erschütterungen  ausgezeichnet,  liegt  in  der  Nahe  von  Santjago 
de  Cuba  und  gehört  ganz  der  Ostseite  der  Insel  an.  Ein  zweites 
wird  durch  die  Erdbeben  der  Cordillere  von  Vuelta-Abajo  ange- 
zeigt; diese  begannen  in  der  Nacht  vom  22.  auf  den  23.  Januar 
18S0  und  dauerten  bis  in  den  Monat  Mai  desselben  Jahre.s.  Si& 
bewegten  sich  quer  durch  den  schmalen  westlichsten  Thi 


7IO 


Erdbeben  auf  Cubau 


Insel  mit  der  Richtung  SW.— NO.  oder  WSW.— ONO.  auf  einem 
ziemlich  wohl  abzugrenzenden  Räume,  welcher  durch  die  Meri- 
diane von  las  Mangas  und  S.  Cruz  de  los  Pinos  g-ekennzeichnet 
wird.  Um  dieselbe  Zeit  bildete  sich  weit  von  der  Insel  Cuba  in 
dem  See  von  Ilopango  auf  der  grossen  Linie  von  Vulcanen,  welche 
an  der  pacifischen  Küste  durch  S.  Salvador  zieht,  ein  neuer  Krater 
(S.  I2i).  Rocksrtroh's  Bericht  lässt  ersehen,  dass  dort  die  Er- 
schütterungen in  den  letzten  Tagen  des  Jahres  1879  begannen, 
am  20.  Januar  1880,  11  Uhr  p.  m.  unter  heftigen  Schläg-en  eine 
grosse  Dampfsäule  sich  aus  dem  See  erhob  und  dass  am  folgenden 
Morgen  in  seiner  Mitte  die  neue  Insel  begann  sichtbar  zu  werden, 
am  Nachmittage  des  23.  Januar  sich  die  Thätigkeit  steigerte  und 
im  Februar  der  neue  Vulcan  sich  aufbaute.  Seine  Felsart  ist 
Rhyolith ;  die  Erschütterungen  dauerten  noch  längere  Zeit  nach. 

Aus  der  nahen  Uebereinstimmung  der  Zeit  und  der  Richtung 
haben  Saiterain  und  Vines  gefolgert,  dass  ursachlicher  Zusammen- 
hang zwischen  dem  Ausbruche  im  See  von  Ilopango  und  dem 
Transversalbeben  von  Vuelta-Abajo  bestehe.  Die  Bestätigung 
dieser  Ansicht  muss  von  künftigen  Erfahrungen  abhängig  bleiben. 

Auf  den  Querspalten  der  grossen  von  Costa  Rica  bis  übei 
Guatemala  hinausreichenden  vulcanischen  Linie  rückt  die  eruptive 
Thätigkeit  in  der  Richtung  gegen  den  pacifischen  Ocean  vor. 
Wie  an  früherer  Stelle  erwähnt  worden  ist,  erfolgt  diese  Bewegung 
ziemlich  rasch  und  haben  sich  seit  einem  Jahrhunderte  bereits 
mehrere  neue  Vulcane  gebildet. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  X:  Die  Antiilen. 


'  A.  Dollfuss  et  E.  de  Mont-Serrat,  Vojr.  giol.  dans  les  Rfpubl.  de  Gnate- 
mala  et  de  S^lvndor;  Miss.  scicDtif.  au  Mexique  etc.  4",  Paris,   1S68. 

>J.  Durochcr,  Rech,  sat  les  Systeme«  de  Montagncs  de  l'Amfr.  ceotr.; 
Comples  rend.  18(J0,  LI,  p.  44;  ancti  dess.  Ktudes  sur  Votogr.  et  \a  gfol-  de  l'Amör.  ccntr.; 
cb.  das.  1860,  L,  p.  1170—1175. 

3  K.  V.  Seebach,  Cealral- Amerika  und  der  inte roceani sehe  Caoal;  8°,  Berlin. 
1873,  S.  II  u.  folg.;  Sammluug  gcmeinvcrsl,  Vortr.  hggeb.  v.  Virchow  u,  HoltzeDdorlT, 
VIII.  Ser.,  Heft  l83.  Das  Quetstreichen  des  Gebirges  bemerkte  auch  M.Wagner,  Phys. 
gcogr.  Skiiie  der  Ptov.  Chiriqui;  Peterm.  geogr.  Mitlh.  l863,  S.  281  — 299,  Taf.  IL 

4  L.  V.  Buch,  Physikal.  Beschreib,  d.  Canarischeu  Inseln;  4",  1815,  S,  400- 

5  Policarpo  Cia,  Observac.  geol.  de  nua  gran  parte  de  la  isla  de  Cnba;  RevisL 
minera,   1854,  V,  p.  36s,  igi,  420,  451. 

^  M.  F.  de  Castro,  Prueba.'i  palaeont.  de  que  1a  Isla  de  Caba  ha  eatado  nnita 
cl  Contioente  acner,  y  brcve  Idea  de  su  Coostit.  geol.;  Bolet.  Comis.  Mapa  Geol.  1S81, 
VIII,  p.  357—372.  Für  die  jüngeren  Bildungen:  W.  O.  Cro'ib)',  On  the  elevated  Coral 
Reefs  of  Cuba;  Proc.  Boston  Soc.  nat.  hist.  1882,  XXII,  p.  124  u.  folg. 

7  P.  Salterain,  Apuates  para  una  Descripcion  üs.-geol.  de  las  Jurisdicc.  de  la 
Haliana  y  Guanabacoa;  eb.  das.  1880,  VII,  p.  161-225;  Karle.  Die  von  Lea  vor  län- 
gcter  Zeit  aus  der  Gegend  von  Habana  beschriebenen  Fossilien  zeigen,  dass  es  an  meso- 
zoischen Resten  nicht  fehlt,  doch  wird  durch  sie  die  Anwesenheit  der  Jurafonnation 
nicht  erwiesen:  Is.  Lea,  Noiice  of  Ihe  OoUL  formalion  in  America;  Trans.  Amer.  Philos. 
soc.  1840,  2.  ser.  VII. 

*  W.  M.  Gal)b,  On  the  Topogr.  and  Geol,  of  Santo  Domingo;  Transact.  Am. 
Philos.  Soc.  Philadelphia;   1873.  new  ser.,   XV,  a,  p.  49— 259;  Karten. 

9  J.  G.  Sawhins,  RqKirts  on  the  Geol.  of  Jamaica,  or  Part  II  of  the  W.  Ind. 
Survcy;  8",  Lond.  i8ß9;  insb.  p.  26  u.  folg.;  auch  L.  Barrett,  On  some  cretac.  Rocks 
in  the  South-Eastern  Portion  of  Jamaica;  Quart.  Journ.  Geol.  Soc.  1860,  XVI,  p.  3l4  — 
32Ö;  M.  Duncan  and  G.  P.Wall,  A  Notice  on  (he  Geol.  of  Jamaica;  cb.  das.  1865, 
XXL  p.  I  — IS- 

'"  P.  T.  Cleve,  On  the  Geol.  of  the  North-Eastern  West-India  Islands;  Svensk. 
Vctcnsk.  Ak.  Handling.  1870,  ny  fold,  IX,  57  pp.  nnd  Karten;  Puerto  Rico:  p.  14,  15; 
auch  Annais  N.  York  Aead.  Sc.  1882,  H,  p.  185  o.  folg. 

II  Cleve,    am   ang.  O.  Taf.  U,    Fig.  i;   auch  Woodward  ervihnt   ActMonella 
lacvis   von   SL  Thomas    in   Quart.  Journ.  geol.   Soc.    186G,   XXLI 
(.'ulcbra  auch  D.  Cis.  de   GuiUerna,    Mem.  del   Reconocimtni" 
Culcbta;  Bolet.  Soc.  K'.ogr.  Madrid,   1880,  Vni,  p.  a3— 47,  iul'.  i> 
Supii,   Du  Antliti  der  Erde. 


712 


Anmerkungen  zu  Th.  11,  Abschn.  X.   Die  Antillen. 


"  Sawkins,  Reports  etc.  Append.  I:  Gcol.  Report  on  the  Isl.  of  Ai 
p.  257—261;  aus  mehreren  älteren  Darstellungen  nenne  ich  nur  eine,  für  ihre  Zci 
dings  ganz  vortreffliche  Schrift:  Will.  Maclure,  Observ.  on  the  Geol.  of  the  \ 
Islands  from  Barbadoes  to  Santa  Cruz  inclus. ;  Journ.  Acad.  Nat.  Sciences,  Philac 
1817,  vol.  I,  a,  p.  134  —  149. 

'3  Cleve,  am  ang.  O.  p.  22  u.  folg. 

M  P.  M.  Duncan,    On  the  foss.   Corals  of  the  W.  Ind.    Islands,    Part   I; 
Journ.  geol.  Soc.  i863,  XIX,  p.  408—410. 

15  Th.  Wolf,  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  1880,  I,  S.  268. 

»6  D.  Ind.  Nufiez  Zuloaga,  Mem.  descript.  de  la  Isla  de  la  Mona;  Bok 
gcogr.  Madrid,  1879,  VII,  p.  226  —  238,  Karte,  u.  Tejada,  Reconocim.  de  la  Isla 
Mona;  eb.  das.  1880,  IX,  p.  81 — 93. 

'7  P.  Saiterain,    Ligera    Rcsena   de  los   Tcmblores  di  Tierra    ocurr.   en  la 
Cuba;    Bol.  Com.  Mapa  Geol.  188 3,    X,    p.  371 — 385.     Die  Erdbeben    des    ostlichei 
sind  es  gewesen,  welche  Poey  zu  Betrachtungen  über  jenen  Zusammenhang  von  Er^ 
und  Cyclonen   veranlasst  haben,   dessen  Bedeutung  hier  bei   Besprechung    der    Sintfli 
wähnt  worden  ist.     A.  Poey,   Sur  la  forcc  ascensionelle  qu'exerccnt   Ics   ouragans  ä 
face  du  Sol,    comme   pouvant   donner  lieu  k  la  production   des   tremblements    de   tci 
dcss.  Suppl,  au   Tableau   chronol.   des   Trcmblem.  de   Terrc   ress.   h   TSle    de    Cuba; 
Nouv.  Ann.  d.  Voyages,  8°  Paris,   1855,  P*  10—21. 


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Die  Virgatlon  der  Rocky  Mountains 


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EILFTER  ABSCHNITT. 


Nordamerika^ 


Die  Faltungen  im  Osten.  —  Prairieland  und  Black  Hills.  —  Eintheilung  der  Gebirgszüge 
des  Westens.  —  Rocky  Mountiins.  —  Uinta.  —  Wahsatch  und  Kettenzüge  am  Snake 
River.  —  Colorado-Plateau.  —  Das  Hochland  von  Utah  und  der  grosse  Cailon  des  Colo- 
rado. —  Rasin  Ranges.  —   Sierra  Nevada.   —   Die   Kilsten-Cordilleren   und   Nicder-Califor- 

nien.  —  Der  canadische  Westen.  —  Uebersicht. 


Die  Faltungen  im  Osten.  Der  Osten  des  nordamerlka- 
nischen  Festlandes  gibt  von  der  Mündung  des  Lorenzostromes 
bis  nach  Alabama  und  Georgien  Zeugniss  von  grossen  Faltungen, 
welche  zu  verschiedenen  Zeiten,  doch  zum  grössten  Theile  inner- 
halb der  paläozoischen  Epoche,  diesen  beträchtlichen  Theil  der 
Erdoberfläche  betroffen  haben.  Der  Verlauf  dieser  Falten  ist,  ab- 
gesehen von  Abweichungen,  von  welchen  ich  einige  sofort  zu  er- 
wähnen habe,  im  Allgemeinen  von  NO.  gegen  SW.  gerichtet,  und 
die  tangentiale  Kraft  äusserte  sich  stets  von  dem  atlantischen 
Ocean  her  gegen  das  heutige  Festland.  Grosse  Verwerfungen 
sind  nachgefolgt;  insbesondere  sind  Längsbrüche,  welche  dem 
Streichen  der  Falten  folgen,  von  ganz  ausserordentlicher  Länge 
und  auf  ihnen  gewaltige  Senkungen  erkennbar.  Der  Betrag  sol- 
cher Senkungen  wird  von  den  Geologen  der  pennsylvanischen 
Landesaufnahme,  welche  diese  Störungen  wegen  ihrer  Bedeutung 
für  den  Abbau  der  Kohlenflötze  mit  einem  hohen  Grade  von  Ge- 
nauigkeit verfolgt  haben,  in  einzelnen  Fällen  auf  20.000  Fuss  und 
sogar  noch  weit  höher  geschätzt.    Diese  Senkungen  beirren  aber 


714  Nova  Scotia. 

im  Grossen  nicht  das  Bild  eines  ausgedehnten  Faltenlandes  fui 
Pennsylvanien,  Virginien,  Theile  von  Tennessee  und  anderer  be 
nachbarter  Staaten,  welches  schon  vor  langer  Zeit  von  Henry  Rogen 
richtig  dargestellt,  als  ein  einseitig  bewegtes  Stück  der  Erdrinde 
erkannt  und  dem  Juragebirge  in  Europa  verglichen  worden  ist 
In  der  That  erfüllt  jede  neue  Benützung  der  Schriften  dieses  aus 
gezeichneten  Forschers  den  Leser  von  Neuem  mit  Staunen  darüber 
dass  derselbe  schon  in  jener  Zeit  zu  einer  so  richtigen  Auffassung 
des  Baues  solcher  Gebirgsstrecken  zu  gelangen  im  Stande  war. 

Es  sind  zahlreiche  Sättel  und  Mulden  von  grosser  Länge  vor 
handen.  Die  felsitischen  Gesteine,  welche  an  der  Ostküste  vor 
Nova  Scotia  als  die  Axen  der  Antiklinalen  an  den  atlantischer 
Ocean  treten,  sind  durch  die  Auflagerung  von  primordialer 
Schichten  als  archaische  gekennzeichnet.  Auf  der  Insel  Scatari 
welche  den  am  weitesten  gegen  den  Ocean  vortretenden  Thei 
von  Cape  Breton  bildet,  ist  ihr  Streichen  nach  Fletcher  S.  82 — 
88°  O.,  bei  Rochford  an  der  SO. -Küste  von  Cape  Breton  N.  74^  O., 
weiter  im  Süden,  an  derselben  Küste  in  der  Nähe  von  Cap^  Ga 
barus  N.  46^0.,  als  würde  das  allgemeine,  nahe  gegen  SSW.  odei 
SW.  gerichtete  Streichen  der  Faltensättel  gegen  diesen  Theil  def 
Ocean's  hin  einer  mehr  östlichen  Richtung  zustreben.  Aber  schor 
in  diesen  entfernten  Theilen  des  grossen  System's  von  Falter 
liegen  Sedimente  der  Carbonzeit  transgredirend  auf  den  archai- 
schen Faltensätteln,  zum  Beweise  für  das  hohe  Alter  dieser  Be- 
wegungen.^ 

Unmittelbar  in  NW.  von  Scatari  streichen  an  der  Nordküste 
weitere  Antiklinalen  in  der  Richtung  gegen  NO.  zum  Meere  aus, 
welche  Richtung  auch  für  den  Umriss  von  Nova  Scotia  und  Cape 
Breton  massgebend  ist. 

Die  Faltungen  setzen  sich  nun  über  die  ganze  Breite  vor 
Neu-Braunschweig  bis  an  den  Ostrand  des  unteren  Lorenzo  fort, 
welcher  durch  ihren  Verlauf  vorgezeichnet  ist,  aber  auf  der  Insel 
Anticosti  ist  die  Faltung  zu  Ende;  die  Schichtung  erscheint 
an  dem  Ufer  auf  meilenlange  Strecken  horizontal,  und  horizon- 
tale Schichten  begrenzen  zu  beiden  Seiten  die  Strasse  Belle  Isle 
zwischen  Neu-Fundland  und  dem  Festlande.  Frince  Edward-Insel 
besteht,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  aus  einer  Scholle  weit  jüngerer 


Appalachien.  7^5 

Gesteine,  und  die  Strasse  von  Cansp,  welche  Cape  Breton  von 
Nova  Scotia  abtrennt,  ist  eine  Querfurche,  welche  gefaltete  Ge- 
birge quer  durchschneidet,  wie  Matotschkin-Schar  auf  Nowaja- 
Semlä/ 

Ein  grosser  Theil  der  Sättel  und  Mulden  durch  N.  Braun- 
schweig bis  Gaspe  ist  durchdie  geologische  Landesaufnahme  von 
Canada  in  den  letzten  Jahren  festgestellt  worden ;  ich  muss  mich 
darauf  beschränken  zu  sagen,  dass  ihr  Streichen  gegen  SW.  und 
SSW.  gerichtet  ist  und  sie  sich  fortsetzen  nach  Maine.  Besondere 
Schwierigkeiten  hat  die  Entzifferung  der  südlich  von  Quebec  ge- 
legenen Strecke  geboten,  aber  die  Arbeiten  von  Selwyn  auf  cana- 
dischem  Gebiete  und  von  Wing  und  Dana  in  Vermont  und  bis  in 
die  Gegend  von  Newyork  hinab  haben  gezeigt,  dass  auf  dieser 
langen  Strecke  die  Structur  des  Landes  ein  fast  genau  von  Nord 
gegen  Süd  gerichtetes  Streichen  verfolgt.^ 

Während  aber  diese  meridionalen  Structurlinien,  welche  theils 
Falten  und  theils  Längsbrüche  zu  sein  scheinen,  östlich  vom  Cham- 
plain-See  und  vom  Hudson-Flusse  herabziehen,  richtet  sich  schon 
von  den  Catskillbergen,  NNW.  von  Newyork,  eine  Reihe  von 
Falten  gegen  SSW.,  und  NW.  von  Philadelphia,  bei  Fottsville 
und  Harrisburg  sieht  man  diese  Falten  in  immer  grösserer  Ent- 
wicklung und  in  reicher  Begleitung  carbonischer  Sedimente  in 
grosser  ojförmiger  Beugung  aus  SSW.  und  SW.  in  einzelnen 
Strecken  erst  in  beinahe  westliche  Richtung  übergehen  und  dann 
wieder  die  SW.  Richtung  annehmen,  in  welcher  Richtung  sie  so- 
fort die  AUeghanyberge  bilden  und  sich  bis  Alabama  und  Geor- 
gien fortsetzen.  Diese  Beugung  des  Streichens,  welche  sich  in 
Fennsylvanien  vollzieht,  wird  von  den  meisten  Zuflüssen  des  Sus- 
quehanna  quer  durchschnitten,  und  hier  führte  H.  Rogers  seine 
Untersuchungen  über  die  Entstehung  der  Gebirgsketten  durch 
einseitige  Faltung  aus.  Die  neueren,  unter  Leslie's  Leitung  unter- 
nommenen Aufnahmen  haben  einen  Schatz  von  Erfahrungen  über 
die  nähere  Gestalt  und  den  Verlauf  der  Falten,  der  Wechselflächen 
in  den  überschobenen  Falten,  der  Längsbrüche  und  überhaupt 
aller  Einzelheiten  des  Baues  geliefert.  In  den  südöstlichen  Theilen, 
welche  an  der  Innenseite  des  Faltensystem's  liegen,  ist  die  Kohle 
in  Anthrazit  verwandelt;  in  den  äusseren  Falten,  wie  in  den  flach- 


f  y  l()  Blue  Range  und  Smoky  Mountains. 


gelagerten  westlichen  Gebieten  ist  sie  fett.  Bekanntlich  zeigt  sich 
eine  ähnliche  Erscheinung  in  Belgien. 

Ohne  von  dem  weiteren  Verlaufe  der  Falten  durch  Virginien 
zu  sprechen,  will  ich  nach  Eliott's  Angaben  einige  Worte  über  ihr 
südliches  Ende  sagen,  obwohl  gerade  hier  noch  manches  Räthsel 
seiner  Lösung  zu  harren  scheint.^ 

Die  Blue  Range  zieht  als  ein  beträchtlicher  Höhenzug-  gegen 
SW. ;  im  Black  Dome,  westliches  N.  Carolina,  erhebt  sie  sich  zu 
6700  Fuss,  in  Caesar's  Head,  an  der  NW.  Grenze  von  S.  Carolina, 
über  4000  Fuss  und  verflacht  von  Jasper  gegen  Cartersville,  NW. 
von  Atlanta,  Georgien.  Eine  zweite  Kette,  Smoky  Mountains,  läuft 
im  Westen  der  Blue  Range  nahe  parallel,  beugt  sich  jedoch  an 
der  Nordgrenze  von  Georgien  gegen  S. ;  sie  bildet  in  Georgien 
noch  eine  Anzahl  bemerkenswerther  Höhen,  wie  Sharp  Mountain, 
und  die  letzten  Berge  erheben  sich  zwischen  Cartersville  und 
Alatoona.  In  dieser  Gegend  vereinigen  sich  die  Ausläufer  beider 
Gebirgszüge  und  zwischen  ihnen  bleibt  im  nördlichen  Georgien 
ein  keilförmiger,  höher  gelegener  Landstrich  eingeschlossen. 
Diese  Ketten  bestehen  aus  Gneise,  aus  primordialen  und  unter- 
silurischen  Ablagerungen.  Der  eingeschlossene  Landstrich  hat 
den  Bau  einer  Synklinale.  Der  östliche  Rand,  Blue  Range,  ist 
monoklinal  gebaut;  seine  Schichten  neigen  gegen  West,  während 
im  Osten  ein  Absturz  vorhanden  ist,  und  da  in  dem  tiefer  liegen- 
den östlichen  Lande  auch  untersilurische  Schichten  zu  Tage  treten, 
hat  es  den  Anschein,  als  sei  Blue  Range  durch  einen  Bruch  be 
grenzt  und  als  sei  das  östliche  Land  um  ein  Beträchtliches  ab 
gesunken.  Die  Smoky  Mountains  im  Westen  des  eing-eschlosse 
nen  Hochlandes  neigen  ihre  Schichten  auch  unter  dasselbe,  abei 
ihnen  folgen  gegen  W.  noch  zahlreiche  weitere  Falten,  an  welcher 
jüngere  Glieder  der  paläozoischen  Serie  theilnehmen,  und  welche 
nach  Alabama  fortstreichen,  um  dort  unter  der  grossen  cretaci 
sehen  Transgression  zu  verschwinden.  — 

Auf  diesem  weiten  Faltungsgebiete  des  östlichen  Amerika 
welches  insbesondere  im  Norden  durch  die  übergreifende  Lageruni^ 
einzelner  Theile  der  paläozoischen  Serie  sich  als  das  Erg-ebnis* 
von  Vorgängen  erweist,  welche  bereits  in  der  Silurzeit  beg-onner 
und  durch  sehr  lange  Zeit  angedauert  oder  sich  wiederholt  haben 


Cincinnati  Uplift.  717 

Hegen  lange  Streifen  und  Schollen  von  einem  rothen  oder  grauen 
Sandstein  von  mesozoischem  Alter,  welcher  wegen  der  Pflanzen- 
reste, die  er  enthält,  in  der  Regel  der  Trias  zugezählt  wird.  Er  ist 
auf  dem  grössten  Theile  seiner  Erstreckung  von  Lagen  und 
Gängen  von  Eruptivgestein  begleitet.  Er  liegt  auf  Prince  Edward- 
Insel,  längs  der  Ufer  der  Bucht  von  Fundy,  im  Thale  des  Connec- 
ticut, durch  Massachusetts  bis  in  die  Nähe  des  Meeres,  in  einem 
ausserordentlich  langen  Streifen  vom  unteren  Hudson  über  N.  Jer- 
sey, Maryland,  Virginia  bis  N.  Carolina,  .und  an  anderen  verein- 
zelten Stellen.  Die  Schichten  sind  auf  lange  Strecken  einseitig 
geneigt,  aber  gefaltete  Lagen  scheinen  noch  nicht  bekannt  zu  sein.^ 
Das  gefaltete  Land  des  östlichen  Nordamerika  ist  nach  Westen 
hin  nicht  durch  einen  überfalteten  Saum  von  einem  fremden  Vor- 
lande getrennt,  sondern  das  Vorland  ist  ein  dem  Gebirge  gleich- 
artiges,  die  Faltung  nimmt  gegen  West  allmälig  ab,  und  Rogers 
meinte  vor  Jahren  sogar,  ihre  äussersten  Spuren  würden  sich  bis 
an  die  Rocky  Mountains  nachweisen  lassen.  Vor  den  Falten  der 
AUeghanies  erhebt  sich,  vom  Erie-See  weit  gegen  SW.  denselben 
parallel  ziehend,  ein  selbständiger  Faltensattel,  der  Cincinnati 
Uplift,  in  allen  wesentlichen  Zügen  den  Parma's  des  Ural  ver- 
gleichbar. Er  reicht  vom  Ufer  des  Erie  bis  nach  Tennessee  hinab 
und  nach  Safford  liegt  in  demselben  das  Devon  unmittelbar  auf 
Untersilur.  Weiter  nach  W.  flacht  die  Faltung  vollständig  aus. 
In  Michigan  ist  nur  mehr  geringe  Neigung  der  Schichten  zu  der 
grossen  Mulde  bemerkbar,  welche  die  See'n  trennt,  und  die  Kohlen- 
felder von  Illinois  und  Missouri  liegen  flach;  in  Kansas  tauchen 
sie  westwärts  bei  sehr  geringer  Neigung  unter  permische  Meeres- 
bildungen. 

Prairieland  und  Black  Hills.  Ein  ausserordentlich  weites, 
unwirthliches  Gebiet  ohne  beträchtliche  Höhen,  ohne  lange  fort- 
laufende Rücken,  dehnt  sich,  ohne  ein  geregeltes  Flussnetz,  be- 
deckt mit  zahlreichen  See'n  von  unregelmässigen  Umrissen  und 
alle  Anzeichen  einer  weitgehenden  Abrasion  an  sich  tragend,  vom 
Lake  Superior  gegen  NW.,  N.  und  NO.  aus,  umfasst  die  Hudsons- 
Bay  und  findet  seine  Fortsetzung  in  dem  arktischen  Archipel.  Es 
besteht  aus  archaischen  Felsarten,  welchen  da  und  dort  in  flacher 


7  1 8  Laramie-Stufe. 

Lagerung  eine  paläozoische  Scholle  aufruht.  Bell  hat  grosse 
Theile  desselben  durchreist;  die  Darstellungen  des  Landes  er- 
innern an  die  archaische  Platte  von  Lappland.® 

Gegen  West  wird  diese  ausserordentliche  Masse  alter  Fek- 
arten  von  einer  cretacischen  Transgression  überdeckt,  welcher 
alles  ebene  Land  bis  an  den  Fuss  der  Rocky  Mountains  und  durch 
die  ganze  Mitte  des  Continentes  bis  hinab  nach  Texas  zufallt,  und 
welche  noch  weiter  nach  Mexico  reicht.  Diese  Transgression  be- 
ginnt, wie  in  so  vielen  anderen  Gebieten,  in  der  Mitte  der  Kneide- 
formation.  Die  Namen  der  in  dieser  Ebene  unterschiedenen  Glie- 
der der  Kreideformation  sind  von  unten  nach  oben :  Dakota, 
Fort  Benton,  Niobrara,  Fort  Pierre,  Fox  Hill  und  Laramie.  Die 
tiefste  Abtheilung,  Dakota,  führt  häufig  Landpflanzen,  Lignit 
und  Reptilien,  aber  auch  marine  Lagen,  und  wird  dem  europäi- 
schen Cenoman  von  den  meisten  Autoren  gleichgestellt;  Fort 
Benton  enthält  auch  an  vielen  Stellen  Lignit  und  Reptilien.  Nio- 
brara, Fort  Pierre  und  Fox  Hill  sind  ausschliesslich  oder  doch 
sehr  vorherrschend  marin ;  Laramie  ist  häufig  von  Kohlenlagern, 
auch  von  Resten  von  Dinosauriern,  aber  auch  von  einer  ver- 
armten Meeresfauna  begleitet,  welche  aus  einer  geringen  Anzahl 
von  Arten  besteht,  die  zum  Theile  brackische  Einflüsse  zeigen; 
auch  wahre  Süsswasserbildungen  sind  vorhanden.  Diese  Stufe 
wird  von  einzelnen  hervorragenden  Forschern  dem  tiefsten  Ter- 
tiär zugezählt ;  wegen  ihrer  Dinosaurier  zählen  wir  sie  zur 
Kreide. 

Es  ist  eine  bemerkenswerthe  Thatsache,  dass  auf  dem  ge- 
sammten  nordamerikanischen  Festlande  mit  Ausnahme 
weniger  Küstenstriche  und  der  Niederung  am  unteren  Mississippi 
noch  niemals  eine  Spur  einer  tertiären  Meeresbedeckung 
angetroffen  worden  ist.  Eine  lange  Reihe  mannigfaltiger  Ter- 
tiärablagerungen folgt,  insbesondere  westlich  von  den  Rock)'' 
Mountains,  über  der  Laramiestufe,  aber  sie  sind  ohne  Ausnahme 
im  süssen  Wasser  gebildet.  Nicht  weniger  überraschend  ist  die 
ausserordentliche  Ausbreitung  der  abgeschlossenen  Gewässer  von 
Laramie,  denn  man  findet  die  Ablagerungen  dieser  Stufe  im  Nor- 
den am  Saskatchewan  und  ebenso  im  Süden  noch  weit  unter  Santa 
F6  in  Neu-Mexico  am  Rio  Grande.^ 


Nord-Ende  der  Kreidcformation.  7^9 

J.  Richardson,  Selwyn,  J.  W.  Dawson  und  G.  M.  Dawson 
geben  Nachricht  von  der  Beschaffenheit  des  cretacischen  Flach- 
landes im  Norden. 

Die  nördliche  Umgrenzung  des  cretacischen  Gebietes  ist  nicht 
sichergestellt.  G.  M.  Dawson  berichtet,  dass  von  den  oberen  Zu- 
läufen des  Peace  River  die  Rocky  Mountains  einen  fast  rein  nörd- 
lichen Verlauf  zu  nehmen  scheinen,  so  dass  sie  den  Bug  des 
Mackenzie  unter  der  Einmündung  des  Liard  treffen  würden.  Zu- 
gleich sind  Spuren  von  devonischen  und  vielleicht  silurischen  Ab- 
lagerungen bekannt,  welche  vom  Clearwater  und  Athabasca  gegen 
NW.  zu  dem  westlichen  Ende  des  grossen  Sklaven-See's  ziehen. 
Hienach  sei  anzunehmen,  dass  die  cretacischen  Ablagerungen  an 
dieser  Stelle  wesentlich  eingeengt  oder  unterbrochen  seien. *°  Es 
wird  sich  aber  wohl  niemals  feststellen  lassen,  wie  weit  sie  sich 
einstens  über  das  abradirte  Gebiet  im  Osten  und  Nordosten  er- 
streckt haben. 

Der  See  Winnipeg  liegt  noch  ganz  in  den  alten  Felsarten, 
aber  der  Red  River  scheint  kurz  vor  seiner  Einmündung  in  diesen 
See  eine  bemerkenswerthe  Grenze  zu  bilden,  denn  nach  J.W.  Daw- 
son besteht  die  rechtseitige,  östliche  Umrandung  seiner  weiten, 
versumpften  Niederung  aus  silurischem  Kalkstein,  während  die 
westliche  Umrandung  aus  cretacischen  Schichten  besteht,  über 
welche  man  in  zwei  grossen  Stufen  zu  der  Ebene  der  Prairie'en 
ansteigt." 

Weiter  im  Süden,  in  Nebraska  und  Kansas,  ruhen  die  Dakota- 
ablagerungen flach  auf  den  flachgelagerten  permischen  Schichten, 
welche  von  Osten  her  als  die  Decke  der  Carbonablagerungen  mit 
kaum  merkbarer  Neigung  unter  dieselben  hinabsinken.  — 

Aus  der  cretacischen  Fläche  tritt  zwischen  den  beiden  Armen 
des  Cheyenneflusses  ein  fremdartiges  orographisches  Gebilde  her- 
vor, die  Black  Hills  des  westlichen  Dakota.  Der  Bau  derselben 
ist  von  seltener  Regelmässigkeit.  Ausserhalb  der  Mitte,  gegen 
SO.,  befindet  sich  der  höchste  Theil,  Harney's  Peak,  7403  Fuss 
hoch,  ein  zerrissener  und  schroffer  Stock  von  intrusivem  Granit. 
Er  ragt,  umgeben  von  kleineren  Intrusivmassen,  aus  einem  haupt- 
sächlich gegen  NNW.  gestreckten  Gebiete  von  archaischem  Glim- 
merschiefer und  Thonschiefer  hervor.    Die  archaischen  Gesteine 


1 


720  '  Black  Hills. 


sind  aufgerichtet  und  abradirt ;  über  denselben  erscheint  als  eine 

rings  umgürtende  Zone  der  primordiale  Potsdam- Sandstein,  nur 

2 — 300  Fuss  stark.    Unter-  und  Obersilur,    sowie   Devon  fehlen 

1  ganz,  und  scheinbar  concordant  liegt  auf  dem  Potsdam-Sandstein 

\  der  Kohlenkalk.    Er  bildet  eine  neue  concentrische  Zone,  schmal 

im  Osten,  breiter  im  Westen.    Gegen  Innen  erhebt  er  sich  sammt 
1'  dem  Sandstein  als  steiler  Schichtenkopf  über  die  weichen  archai- 

schen Schiefer,  und  gegen  Aussen  fällt  er  ringsum  als  Flexur  ab ; 
diese  ist  gegen  Ost  besonders  steil.  Newton  und  Jenney,  deren 
Monographie  der  Black  Hills  diese  Angaben  entnommen  sind, 
heben  besonders  hervor,  dass  die  Höhe  des  Kohlenkalks  ein  breites 
Plateau  mit  weit  weniger  geneigten  Schichten  bildet,  während  der 
Schichtenfall  ringsum  an  den  Rändern  bedeutend  zunimmt ;  daher 
wird  dieser  Bau  auch  jenem  des  Kaibab- Plateau  (S.  169)  ver- 
glichen. Der  längliche  Raum,  welchen  der  Saum  des  Kohlen- 
kalkes umgibt,  ist  beiläufig  1 40  Kilom.  lang  und  mehr  als  60  Kilom. 
breit." 

Die  grosse  Ellipse  von  Kohlenkalk  ist  von  einer  Niederung 
von  rothgefarbten,  leichter  zerstörbaren  Gesteinen  umgeben.  Die 
erste  Zone  ist  rother  Sandstein  mit  Gyps,  vielleicht  der  Trias  zu- 
gehörig; die  zweite  besteht  aus  buntgefarbtem  Sandstein  und 
Schiefer  mit  Versteinerungen  der  oberen  Juraformation,  also  eines 
marinen  Gliedes,  welches  dem  Osten  des  Continentes  vollständig 
fehlt  und  hier,  indem  man  sich  den  Rocky  Mountains  nähert,  in 
der  Tiefe  sichtbar  wird,  gerade  so  wie  in  der  indischen  Salzkette 
die  mesozoische  Schichtreihe  gegen  das  Gebirge  hin  sich  vervoll- 
ständigt. 

Die  rothe  Niederung  ist  von  den  aufragenden  Schichtköpfen 
der  Kreideformation  umgeben. 

Die  Axe  der  grossen  Ellipse  ist  keine  gerade  Linie,  sondern 
etwas  gegen  Ost  convex ;  dies  zeigen  Spuren  der  Verlängerung 
gegen  NW.  und  gegen  S.;  die  ersteren  sind  von  einzelnen  Trachyt- 
vorkommnissen  begleitet.  Eine  ähnliche  Beugung  vollzieht  in  der- 
selben Breite  der  Saum  der  Rocky  Mountains. 

Die  Tafel  des  Kohlenkalkes  scheint  mir  zu  flach,  als  dass  man 
von  einer  einfachen  Antiklinale,  einer  Parma  der  Rocky  Mountains 
sprechen   könnte.    Es   mag   vielmehr  dem  Leser  des    Berichtes 


Eintheilung  der  Gebirgszüge  des  Westens.  /  ^  ^ 

auch  hier  der  Eindruck  bleiben,  als  sei  die  umliegende  Ebene  an 
den  Flexuren  abgesunken.  — 

Wir  treten  nun  auf  die  gegen  West  allmälig  ansteigende  cre- 
tacische  Ebene  zurück  und  wenden  uns  dem  Saume  der  Rocky 
Mountains  zu.  Eine  kurze  Uebersicht  der  grossen  Gebirgszüge 
des  Westens  mag  jedoch  vorausgehen. 

Eintheilung  der  Gebirgszüge  des  Westens.  Das  aus- 
gedehnte Gebirgsland  des  Westens  von  N.  Amerika  ist  gegen 
Ost  durch  den  scharf  gezeichneten  Fuss  der  Rocky  Mountains  und 
gegen  West  durch  das  pacifische  Meer  begrenzt,  welches  letztere 
jedoch  im  californischen  Meerbusen  tief  in  das  Gebirgsland  vor- 
dringt und  im  Norden  sogar  beträchtliche  Theile  desselben,  wie 
Vancouver  und  die  Queen  Charlotte-Inseln,  abtrennt. 

Der  östliche  Saum  der  Rocky  Mountains  ist  im  hohen  Nor- 
den sehr  wenig  bekannt;  wie  bereits  erwähnt  worden  ist,  scheint 
derselbe  vom  oberen  Mackenzie  gegen  die  oberen  Zuflüsse  des 
Peace-River  eine  nahe  meridionale  Richtung  zu  verfolgen;  hierauf 
zieht  sich  derselbe  eine  geraume  Strecke  weit  gegen  SSO. ;  im  west- 
lichen Montana,  nachdem  der  Missouri  das  Gebirge  verlassen  hat, 
nimmt  er  die  Richtung  gegen  SO.  an,  die  Big  Hörn  Mountains 
umfassend,  und  zwischen  dem  44.  und  43.°  nördl.  Br.  wendet  er 
sich  im  südlichen  Wyoming  wieder  gerade  gegen  Süd.  Dieser 
meridionalen  Richtung  folgt  derselbe  beiläufig  im  105.  Meridian 
durch  ganz  Colorado,  und  in  35°  30'  erlischt  die  Kette  in  N.  Mexico 
zwischen  dem  105.  und  106.°  westl.  Länge,  nachdem  ihre  südlich- 
sten Theile  sich  um  ein  Geringes  gegen  SSW.  gewendet  haben. 

Jüngere  vulcanische  Felsarten  nehmen  Antheil  an  der  Zu- 
sammensetzung dieser  Gebirge;  sie  sind  nicht  nur  in  jedem  der  be- 
deutenderen Theile  desselben  sichtbar,  sondern  sie  treten  ostwärts 
auch  stellenweise  über  den  Fuss  der  Rocky  Mountains  hinaus.  In 
Oregon  und  Washington  nehmen  sie  besonders  grosse  Flächen  ein. 

Es  lassen  sich  innerhalb  des  Gebietes  der  Vereinigten  Staaten 
drei  Scheidelinien  festhalten,  welche  alles  Gebirgsland  in  vier 
mehr  oder  minder  selbständige  Regionen  trennen. 

Die  erste  dieser  Linien  zieht  vom  westlichen  Bruchrande  des 
Wahsatchgebirges,  also  vom  Ostrande  des  grossen  Salzsee's,  ein 


72  2  Rocky  Mountains. 

wenig  gegen  SSW.  abgelenkt,  gegen  das  Ende  des  Caiion  des 
Colorado.  Die  zweite  Linie  bildet  der  schroffe  Ostrand  der  cali- 
fornischen  Sierra  Nevada.  Die  dritte  Linie  ist  das  califomische 
Längenthal,  welches  vom  Sacramento  und  vom  S.  Joaquin  durch- 
strömt wird,  und  der  califomische  Busen. 

Die  erste  Region  umfasst  die  Rocky  Mountains,  das  quer- 
streichende Uintagebirge,  das  Wahsatchgebirge  und  zwischen 
diesen  Ketten  zwei  grosse  Tafeln,  nämlich  jene  des  Green  River 
N.  vom  Uintagebirge,  und  das  grosse  Coloradoplateau  S.  von 
demselben. 

Die  zweite  Region  ist  jene  der  Basin  Ranges.  Zahlreiche 
kürzere,  nahezu  im  Meridian  verlaufende  Faltungen,  in  spitzen  Win- 
keln von  sehr  mächtigen  Brüchen  durchschnitten,  kennzeichnen 
dieses  Gebiet.  Es  begreift  die  zahlreichen  kleineren,  abflusslosen 
Gebiete  des  Westens  in  sich,  reicht  jedoch,  allerdings  mit  etwas 
geändertem  Streichen,  nach  Nord  wie  nach  Süd  weit  über  dieselben 
hinaus. 

Die  dritte  Region  ist  die  Sierra  Nevada  mit  ihren  west- 
lichen Vorbergen. 

Die  vierte  Region  bilden  die  californischen  Coast  Ranges 
mit  Nieder-Californien,  und  hier  werden  wir  alle  ^vesentlichen 
Merkmale  der  Küsten-Cordilleren  Südamerika's  wieder  antreffen. — 

Man  mag  gegen  diese  von  ausgezeichneten  amerikanischen 
Forschern  vorgeschlagene  Eintheilung  einwenden,  da^s  das  Wah- 
satchgebirge im  Wesentlichen  bereits  den  Bau  der  Basin  Ranges 
besitze  und  daher  diesen  zuzuzählen  sei,  aber  es  ist  wohl  der 
Wunsch,  die  gesammte  Umrahmung  der  Tafeln  des  Green  River 
und  des  Colorado  zusammenzufassen,  die  Ursache  der  oben  er- 
wähnten und  auch  in  dem  Nachfolgenden  beibehaltenen  Einthei- 
lung gewesen. 

Rocky  Mountains.  In  dem  gesammten  O.  vom  grossen 
Salzsee  liegenden  Gebiete  weicht  die  Schichtfolge  nur  in  einzelnen 
Zügen  von  jener  des  Ostens  und  namentlich  der  Black  Hills  ab. 
Die  primordialen  Sedimente  sind  an  mehreren  Orten  bekannt.  Die 
über  denselben  folgenden  silurischen  Ablagerungen  sind  allerdings 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  nur  durch  einzelne  Glieder  ver- 


I     I  ijAii* 


Schichtfolge  in  den  Rocky  Mountains.  7^3 

treten.  Noch  spärlicher  sind  die  Anzeichen  der  Devonformation, 
welche  sogar  auf  weite  Strecken  hin  mit  ziemlicher  Sicherheit  als 
fehlend  anzunehmen  ist.  Die  Ablagerungen  der  Carbonzeit  sind 
dagegen  in  grosser  Mächtigkeit  vorhanden,  und  es  sind  insbeson- 
dere marine  Aequivalente  der  höheren  flötzführenden  Gruppe  des 
Ostens  sehr  entwickelt;  auch  Uebergänge  mit  permischen  Kenn- 
zeichen fehlen  nicht. 

Die  Triasformation  ist  durch  rothen  Sandstein  und  Gyps  ver- 
treten, doch  schaltet  sich  in  dem  NW.  Theile  dieses  Gebietes  dem 
unteren  Theile  der  Trias  eine  fossilführende  marine  Gruppe  ein, 
welche  im  südöstlichen  Idaho  einige  tausend  Fuss  mächtig  wird. 
Dies  sind  die  ,Meekoceras-Beds*;  ihre  Fauna  erinnert  an  einzelne 
Glieder  der  alpinen  Trias,  doch  finden  sich  in  derselben  auch 
Arten,  welche  bisher  für  jurassisch  gehalten  worden  waren. '^ 

Die  Juraformation  entspricht  jener  der  Black  Hills;  es  ist  bis- 
her nur  dieses  einzige,  offenbar  oberjurassische  Glied  bekannt. 
Die  Aehnlichkeit  desselben  mit  dem  russischen  Jura  wird  an  an- 
derer Stelle  zu  besprechen  sein. 

Die  Kreideformation  erlangt  grosse  Bedeutung,  aber  die 
Glieder  derselben  sind  zu  beiden  Seiten  der  Rocky  Mountains  im 
Wesentlichen  dieselben,  mit  Dakota  beginnend  und  mit  Laramie 
abschliessend.  Auch  innerhalb  des  Gebirges  ist  die  gesammte 
Tertiärzeit  nur  durch  Süsswasserbildungen  vertreten.  Mehrere 
Abtheilungen  derselben  sind  durch  die  reichen  Landfaunen,  welche 
sie  enthalten,  unterscheidbar,  und  das  Erscheinen  von  Coryphodon 
zeigt,  dass  die  Süsswasserbildungen  schon  in  den  älteren  Ab-, 
schnitten  des  Eocän  beginnen. 

Es  besteht  daher  zwischen  den  Rocky  Mountains  und  dem 
Osten  nicht  eine  solche  Verschiedenheit  wie  zwischen  den  Alpen 
oder  dem  Himalaya  und  ihrem  Vorlande.  Zu  der  Schichtfolge  des 
Ostens  ist  im  Ganzen  nur  von  den  Black  Hills  an  ein  Glied  der 
Juraformation  hinzugetreten  und  im  NW.  gesellt  sich  hiezu  noch 
ein  marines  Glied  der  Trias.  Allerdings  erfolgt  aber  die  Ein- 
schaltung dieser  beiden  marinen  Glieder  gerade  in  jener  selben 
Lücke  zwischen  Perm  und  Cenoman,  in  welcher  auch  in  den  Alpen 
und  dem  Himalaya  die  wichtigste  Einschaltung  von  marinen  Glie- 
dern eintritt,  welche  dem  Vorlande  fremd  sind. 


'7  2A.  Ostrand  der  Rocky  Mountains. 

Zunächst  will  ich  nun  versuchen,  an  der  Hand  von  Hayden's 
Karte  von  Colorado  und  der  zahlreichen  über  diesen  Gegenstand 
vorliegenden  Berichte  den  Verlauf  der  Rocky  Mountains  innerhalb 
der  Vereinigten  Staaten  zu  besprechen.'^ 

Von  Osten  her  über  das  Prairieland  gegen  das  Gebirge 
reisend,  erhebt  man  sich  ganz  allmälig  auf  den  cretacischen  Schich- 
ten zu  der  beträchtlichen  Höhe  von  etwa  5000  Fuss  (Denver, 
5197  Fuss).  Nun  beugen  sich  die  bisher  flachgelagerten  Schichten 
der  Ebene  plötzlich  steil  nach  aufwärts,  in  langen  ,Hogbacks*  ragen 
die  Schichtenköpfe  hervor  und  aus  ihnen  erhebt  sich  sofort  die 
mächtige  Front  Range  von  Colorado,  welche  in  zahlreichen  Gipfeln 
mehr  als  14.000  Fuss  Seehöhe  erreicht.  Archaische  Felsarten  bilden 
diese  hohen  Massen;  die  steil  gestellten  Schichtenköpfe  an  ihrem 
Fusse  enthüllen  eine  Schichtfolge,  welche  in  den  Hauptzügen  die- 
selbe ist  wie  jene  der  Black  Hills,  und  es  ist  nichts  vorhanden, 
was  an  die  vorgelagerte  Molasse-,  Flysch-  oder  Kalkzone  der 
Alpen  erinnern  würde.  Dieser  Mangel  einer  vermittelnden  Vor- 
lage überrascht  jeden  europäischen  Geologen.'^ 

Die  Kette  besteht  aus  einer  grösseren  Anzahl  aneinander- 
gereihter einzelner  Stöcke  oder  grosser  Rücken  von  alten  Fels- 
arten, welche  auf  den  ersten  Blick  an  die  sogenannten  Central- 
massen der  Alpen  oder  an  die  Gebirgskerne  des  Riesengebirges 
erinnern.  Die  Art  ihrer  Reihung  ist  aber  verschieden  von  der  An- 
ordnung in  europäischen  Gebirgen  (Taf.  VI.). 

Schon  im  äussersten  Süden  zeigt  uns  Stevenson  die  fremd- 
artige Structur  der  Ketten.'^ 

Die  grossen  Flächen  des  Llano  Estacado  strecken  sich  aus 
Texas  gegen  Neu-Mexico,  und  so  wie  aus  der  Tafel  des  Ust-Urt 
selbständig  von  einander  die  gegen  NW.  streichenden  Aeste  des 
Tian-schan  und  an  anderer  Stelle  die  meridional  verlaufenden 
Mugodjaren  hervortreten,  so  tauchen  auch  hier  aus  dem  Tafel- 
lande nordwestliche  Ketten  und  meridionale  Ketten  hervor.  Sie 
treten  bei  Galisteo  in  35°  25'  sehr  nahe  aneinander,  ohne  sich  zu 
berühren.  Die  äusserste  der  NW.  Ketten  ist  Flacer  Mounts,  SW. 
von  Galisteo;  sie  gehört  einer  anderen  Gruppe  von  Höhenzü<>^en 
an,  welche  erst  später  zu  besprechen  ist.  An  dieser  Stelle  rechnen 
wir  nur  die  meridionalen  Züge  zu  den  Rocky  Mountains. 


Südliclister  Thcil  der  Rocky  Mountains.  7^5 

Es  Sind  hier  im  Süden  drei  gegen  N.  oder  NNO.  streichende 
Hauptzüge  vorhanden,  welche  alle  in  35°  30'  beginnen.  Der  erste 
Zug,  von  Westen  her,  ist  die  Sierra  von  Santa  F^;  der  zweite, 
welcher  der  längste  ist,  trägt  die  Namen  S.  de  las  Vegas,  S.  Mora, 
S.  Taos  und  S.  Culebra,  welche  letztere  sich  in  Colorado  mit  der 
grossen  S.  Sangre  de  Cristo  vereinigt;  der  dritte  Zug  endlich, 
S.  Cimarron,  ist  weit  kürzer  und  zum  nicht  geringen  Theile  unter 
den  jüngeren  Laven  begraben,  welche  im  Osten  hervortreten. 
Die  beiden  ersten  dieser  Züge  steigen  bald  zu  12.000  Fuss  auf; 
etwas  weiter  im  Norden  erreicht  Culebra  Peak  1 4.049  Fuss. 

Diese  Höhen  bestehen  aus  Gneiss,  Hornblendeschiefer  und 
anderen  archaischen  Felsarten,  welchen  carbonische  Ablagerungen 
auflagern,  mit  einem  mächtigen  Conglomerate  aus  archaischen 
Blöcken  beginnend ;  dem  Carbon  folgt  die  in  den  Rocky  Mountains 
allgemein  sichtbare  Serie  von  mesozoischen  Schichten  bis  über 
Laramie,  endlich  bei  Galisteo  eine  fremdartige  tertiäre  Scholle. 

S.  de  Santa  F^  ist  im  südlichen  Theile  gegen  Ost  von  einer 
Verwerfung  begleitet  und  diese  setzt  sich  südwärts  eine  Strecke 
weit  über  das  Ende  des  archaischen  Zuges  hinaus  fort;  las  Vegas 
dagegen  setzt  sich  südwärts  in  der  Gestalt  eines  Faltensattels  fort. 

Gegen  Osten  sind  die  Ketten  von  trachytischen  Ergüssen 
und  insbesondere  von  ausgedehnten  basaltischen  Tafeln  begleitet, 
welche  sich  über  die  vorliegende  Ebene  ausbreiten.  Während  die 
Laramieschichten  noch  an  den  Bewegungen  des  Gebirges  theil- 
nehmen,  sind  diese  vulcanischen  Bildungen  von  weit  geringerem 
Alter.  Es  sind  sogar  wohlerhaltene  Aschenkegel  vorhanden;  ein 
Krater  liegt  auf  der  basaltischen  Ocate-Mesa  und  ein  zweiter  an 
der  SO.  Seite  von  Turkey  Mounts;  aus  diesem  ist  ein  Lava- 
strom in  den  bereits  ausgehöhlten  Canon  des  Mora  River  ge- 
flossen. 

Weiter  gegen  Nord,  wo  die  kurze  S.  Cimarron  verschwunden 
ist  und  die  hohe  S.  Culebra  an  den  äusseren  Rand  tritt,  ist  ihr 
östlicher  Fuss  von  einer  langen  Felsenmauer,  dem  ,Stone  Wall* 
begleitet.  Es  ist  der  Schichtenkopf  des  steil  aufragenden  Dakota- 
Sandstein's.  Eine  Strecke  weit  sind  seine  Schichten  widersinnig 
gegen  West  geneigt,  dann  stellen  sie  sich  senkrecht,  endlich  fallen 
sie  mit  massigem  Winkel  ostwärts  unter  die  Ebene. 


I 


t 


^26  Virgation  der  Rocky  Monntains. 

Noch  weiter  gegen  Nord,  etwa  in  37°  20',  tritt  der  Schichten- 
kopf des  Dakota  ostwärts  zurück,  die  Zone  des  Carbon  wird  breiter, 
und  vor  dem  Rande  der  Rocky  Mountains  erheben  sich  zwei  mäch- 
tige Berge,  die  Spanish  Peaks  (13.620  und  1 2.720  Fuss),  vor  Zeiten 
die  Grenzmarken  der  spanischen  Herrschaft.  Dies  sind  die  beiden 
grossen  Laccolithen,  welche  an  früherer  Stelle  bereits  besprochen 
worden  sind  (S.  197).'^ 

Hier,  wo  S.  Culebra  gegen  NNW.  zur  S.  Sang*re  de  Cristo 
zieht,  beginnt  jene  ganz  eigenartige  Anordnung  der  archaischen 
Ketten,  welche  die  Rocky  Mountains  auszeichnet.  Tafel  VI  gibt 
von  derselben  ein  allerdings  nur  sehr  unvollständiges  Bild.  Es 
sind  auf  derselben  die  in  der  Tiefe  des  Colorado  Caiion,  dann  W. 
von  Sawatch  Range  und  in  der  Nähe  der  Quellen  des  Rio  Grande, 
sowie  westlich  von  diesem  Flusse  unter  den  vulcanischen  Decken 
durch  Erosion  zu  Tage  tretenden,  tiefliegenden  archaischen  Vor- 
kommnisse zu  trennen  von  jenen,  welche  die  hohen  Ketten  bilden. 

Aus  den  vereinigten  Bemühungen  von  Hayden,  Cl.  King, 
Hagen,  Maryine,  Stevenson  und  anderer  Forscher  ergibt  sich  Fol- 
gendes.'^ 

Jeder  einzelne  Zug  archaischer  Massen  streicht  von  S.  gegen 
N.  mit  dem  Bestreben,  gegen  NNW.  oder  NW.  abzuweichen. 
Dabei  sind  diese  einzelnen  Züge  oder  Aeste  in  solcher  Weise 
nebeneinandergereiht,  dass  sie  gegen  West  in  Virgation  ausein- 
andertreten, während  gegen  Ost  die  nahezu  geradlinige,  von  Nord 
gegen  Süd  gerichtete,  gemeinsame  Aussenlinie  des  Gebirges  er- 
zeugt wird. 

Der  erste  Ast  zieht  vom  Süden,  von  S.  las  Vegas  her,  durch 
Culebra  und  Sangre  di  Cristo  zu  der  ausgedehnten  Masse  des 
Sawatch.  Die  westliche  Hälfte  von  Sangre  de  Cristo  ist  eingestürzt; 
die  breite,  von  Schwemmland  bedeckte  Ebene  von  S.  Luis  breitet 
sich  an  dieser  Stelle  aus,  und  W.  von  dieser  liegt  das  vulcanische 
Gebiet  der  S.  Juan-Berge.  Nahe  dem  NW.  Rande  des  Sawatch 
befinden  sich  die  völlig  in  der  Richtung  gegen  SW.  überscho- 
benen  Elk  Mountains,  deren  Bau  bereits  besprochen  worden  ist 
(S.  214). 

Den  zweiten  Ast  bilden  die  Wet  Mountains,  welche  sich  O. 
von  Sangre  de  Cristo  erheben,  dann  South  Park  und  Park  Range. 


Einspringende  Winkel.    Huerfano  Park.  727 

Es  scheint  die  vereinzelte  Antiklinale  von  Rawlins  Peak  zwischen 
diesem  und  dem  nächstfolgenden  Aste  zu  stehen. 

Auf  dem  langen  Streifen  paläozoischer  Ablagerungen,  welcher 
diesen  Ast  von  dem  vorhergehenden  trennt,  ist  in  Leadville  aus- 
gedehnter Bergbau  auf  Bleiglanz  in  Betrieb,  und  die  von  Emmons 
ausgeführten  Aufnahmen  zeigen,  dass  derselbe  von  grossen  Längs- 
brüchen mit  westlichem  Absinken  durchsetzt  ist.  Am  Mosquito- 
bruche  in  Leadville  sinkt  das  Gebirge  gegen  Westen,  d.  i.  gegen 
die  Sawatchkette  um  5000  Fuss  ab,  an  dem  folgenden  London 
Fault  2500  Fuss,  an  dem  Western  Fault  eben  so  viel;  südlich  von 
Leadville  gehen  diese  Brüche  in  Flexuren  über.'^ 

Der  dritte  Ast  der  Rocky  Mountains  besteht  aus  der  breiten 
und  hohen  Front-  oder  Colorado-Range  und  Medicine-Bow-Range. 

Den  vierten  Ast  bildet  die  flache,  weniger  hohe  und  gerade 
nach  N.  streichende  Wölbung  der  Laramieberge.  — 

Der  Ostrand  dieser  hohen  Gebirge  tritt,  wie  wir  früher  sagten, 
sehr  unvermittelt  aus  dem  Flachlande  hervor  und  die  Schichten- 
köpfe der  Sedimente  der  Ebene  sind  an  ihrem  Fusse  steil  nach 
aufwärts  gewendet,  wie  der  Steinwall  im  Osten  der  Culebra.  Eine 
nähere  Betrachtung  dieses  Ostrandes  zeigt  nun,  dass  die  südlichen 
Enden  der  einzelnen  Aeste  nicht  vollständig  aneinanderschliessen, 
und  so  entsteht  eine  Anzahl  von  einspringenden  Winkeln  in  diesem 
Ostrande,  welche  sämmtlich  gegen  NW.  gerichtet  sind  und  von 
welchen  jeder  die  Stelle  des  Anschaarens  eines  neuen  Astes  be- 
zeichnet. Die  aufgerichteten  Schichtenköpfe  namentlich  der  Kreide- 
formation schwenken  dann  in  diese  einspringenden  Winkel  ein, 
und  Marvine  hat  gezeigt,  dass  dabei  an  jedem  Aste  des  Gebirges 
die  Neigung  der  Schichten  an  der  Westseite  steiler  ist  als  an  der 
Ostseite,  ja  dass  die  Westseite  öfters  in  eine  Verwerfung  übergeht. 

Ein  grosses  Beispiel  dieser  einspringenden  Winkel  ist  Huer- 
fano-Park  zwischen  Sangre  di  Cristo  und  Wet  Mountains,  also 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Aste.  Ein  zweites  Beispiel  ist 
die  Einbuchtung  von  Caiion  City,  aus  welcher  der  Arkansasfluss 
hervorkommt,  zwischen  Wet  Mountains  und  Front  Range.  Nördlich 
von  Denver  sind  noch  mehrere  solche  Winkel  vorhanden,  welche 
das  Ausstreichen  untergeordneter  Glieder  der  Front  Range  be- 
zeichnen. — 

Saess,  Das  Antlits  der  Erde.  47 


\  728  Seminole  bis  Swectwater  Gebirge.    Uinta. 


t 


Gegen  NW.  findet  dieser  Theil  der  Rocky  Mountains  in  den 
Seminole-,  Swcetwater-  und  Wind-River-Bergen  seine  Fortsetzung, 
bis  in  43"  30'  die  ebenfalls  gegen  NW.  streichende  Gros-Ventre- 
Range  sich  der  mächtigen  Tetonkette  nähert,  welche  von  Süd 
gegen  Nord  verläuft. 

In  den  genannten  Bergen  sieht  man  nach  Endliches  Bericht 
die  folgende  Anordnung.  Ein  langer,  muldenförmior  zusammen- 
gedrückter Streifen  von  paläozoischen  und  mesozoischen  Schichten 
zieht  gegen  NW.;  die  archaische  Seminole-Masse  liegt  nördlich, 
die  archaische  Sweetwater-Masse  dagegen  südlich  von  demselben, 
und  da  noch  kleinere  archaische  Vorkommnisse  als  die  Fortsetzung 
der  beiden  grösseren  Massen  vorhanden  sind,  möchte  wohl  die 
Vermuthung  gestattet  sein,  dass  zwei  archaische  Aeste  vorhanden 
sind,  welche  die  sedimentäre  Zone  trennt.  Das  weit  mächtigere 
Wind-River-Gebirge,  welches  sich  in  mehreren  Spitzen  über 
13.000  Fuss  erhebt  (Fr^mont's  Peak  13.790  Fuss),  besteht  aus 
einer  grossen  archaischen  Kette,  welche  in  ihrem  südlichen  Theile 
äusserst  steil  gegen  Ost  abfallt;  sie  ist  die  Fortsetzung-  von  Sweet- 
water  und  nur  ihr  östlicher  Abhang  ist  von  einer  sedimentären 
Zone  begleitet.^**  — 

Der  an  vielen  Stellen  über  13.000  Fuss  hohe  Sattel  des  Uinta- 
gebirges  ist  nach  den  genauen  Darstellungen  Poweirs  auf  dem 
breiten  Scheitel  sehr  flach  und  endet  gegen  Nord  an  einem  grossen 
Hauptbruche,  welcher  streckenweise  in  eine  steile  Flexur  über- 
geht und  gegen  West  in  zwei  Störungslinien  gespalten  ist.  An 
der  Südseite  des  Uinta  ist  das  Absinken  durch  eine  grössere  An- 
zahl von  Brüchen  und  Fle^uren  vermittelt,  welche  annähernd  dem- 
selben, ein  wenig  bogenförmigen  Streichen  folgen,  und  welche 
näher  zu  betrachten  sein  werden.^* 

Der  Sattel  besteht  vorherrschend  aus  Schichten  von  carbo- 
nischem Alter,  welche  hier  eine  beträchtliche  Mächtigkeit  erreichen; 
an  dem  nördlichen  Abhänge,  welcher  weit  steiler  ist  als  der  süd- 
liche, wird  an  einer  Stelle  ein  älterer  krystallinischer  Schiefer  sicht- 
bar;" eine  Einsenkung  innerhalb  des  Nordrandes,  Brownes  Park, 
welche  das  O-wi-yu-kuts-Plateau  abtrennt,  scheint  von  einem  Ein- 
stürze herzurühren.  Powell  schätzt  den  Betrag  der  Dislocation  an 
dem  Nordrande  auf  20.000  Fuss.    Die  südliche  Abdachung  ist 


Uinta  als  Theil  der  Rocky  Mountains.  72Q 

flacher  und  das  Yampa-Plateau  fügt  sich  als  ein  untergeordneter 
Sattel  dem  SO.  Rande  an. 

Oestlich  von  dem  grossen  Sattel  des  Uinta  ragen  zwei  ver- 
einzelte paläozoische  Massen,  Yampa  Peak  und  Junction  Peak, 
hervor,  welche  durch  Querverwerfungen  abgeschnittene  Stücke 
eines  gemeinschaftlichen  Sattels  zu  sein  scheinen,  und  welche  die 
Fortsetzung  des  Uinta  zu  dem  Sawatch  anzeigen. 

Eine  grosse  Flexur,  Midland  Flexure,  mit  südlichem  und  süd- 
westlichem Absinken,  zieht  von  dem  südlichen  Fusse  des  Uinta 
und  des  vorgelagerten  Yampa-Plateau  im  Bogen  zu  dem  Fusse 
der  Fortsetzung  des  Sawatch  hinüber,  und  sie  vervollständigt  die 
Verbindung  mit  diesem  Aste  der  Rocky  Mountains.  So  fügt  sich 
Uinta  an  die  grosse  Virgation  und  wird  man  zu  der  von  White 
geäusserten  Meinung  geführt,  dass  Uinta  und  die  genannten  Theile 
der  Rocky  Mountains  als  die  Wirkung  einheitlicher  und  ineinander- 
greifender Dislocationen  zu  betrachten  sind,  welche  eine  gemein- 
same Geschichte  besitzen. ^^ 

Die  Art  der  Virgation  ist  allerdings  von  jener  der  bisher  be- 
trachteten Virgationen  wesentlich  verschieden.  In  den  wenigen 
Fällen,  in  welchen  überhaupt  seitliche  Bewegung  wahrnehmbar 
ist,  wie  an  den  Elk  Mountains,  liegt  sie  an  der  concaven  Seite 
und  ist  nach  Innen  gerichtet,  wie  in  dem  Senkungsfelde  der  Süd- 
alpen. Die  in  der  Regel  einfache  und  auf  einen  schmalen  Saum 
beschränkte  Aufrichtung  der  Schichten  am  Rande  der  grossen 
Ebene  gleicht  weit  mehr  der  Schleppung  an  einem  Bruche,  welche 
streckenweise  eingeknickt  sein  mag,  als  einer  allgemeinen  tangen- 
tialen Bewegung.  Ihr  Gegensatz  zu  den  grossen  Faltungen  der 
Appalachien  ist  unzweifelhaft  und  allgemein  anerkannt.  Die  in 
gefalteten  Gebirgszügen  gesammelten  Erfahrungen  lassen  sich 
daher  schwer  zur  Anwendung  bringen. 

In  Nordamerika  sind  mehrere  Meinungen  über  die  Bildung  der 
Rocky  Mountains  geäussert  worden.  Zuerst  hielt  man  sie  für  Falten- 
züge. Dann  meinte  man  in  ihnen  ein  uraltes  Uferland  zu  erkennen 
und  berief  sich  darauf,  dass  in  verschiedenen  Theilen  des  Aussen- 
randes  verschiedene  Sedimente  an  das  archaische  Gebirge  treten, 
und  dass  namentlich  die  paläozoische  Schichtreihe  auf  längere 
Strecken  ganz  oder  zum  grossen  Theile  verschwinde.  Endlich  hat 

47* 


730  Wahsatch. 

man   sie   als   breite  ,Platforms'  erklärt,  welche  erhoben   wurder 
r  zwischen  je  zwei  Brüchen  oder  Flexuren.    Die  letztere  Ansicht  ist 

namentlich  von  Dutton,  einem  der  scharfsinnigsten  Beurtheiler  de5 
\  Gobirgsbaues,   vertreten  worden.    ,Die  Breite   dieser  Platforms; 

;  sagt  derselbe,  »schwankt  zwischen  20  und  45  Miles.    Die  Erhebung 

t  dieser  Platforms  hat  keine  einer  antiklinalen  Faltung-  entsprechende 

\  Bedeutung.     Sic   findet  Ausdruck    durch   die  Vorstellung"    einef 

Blockes  von  Schichten,  welcher  von  einer  Verwerfung-  oder  einei 
gleich wcrthigen  monoklinalen  Flexur  an  jeder  Seite  beg-leitet  ist — 
In  den  Uintabergen  sieht  man  eine  Wiederholung  des  Tj'pus  dei 
Park  Mountains  in  grossem  Maassstabe.  Es  ist  ein  Block,  etwa^ 
breiter  alsColorado-Ranq^e,  aber  sonst  zeigt  der  Bau  keine  wesent- 
liehe  Abänderung.*'^ 

Man  hat  q^emeint,  es  müssten  diese  Massen  oder  Blöcke  ver- 
tical  nach  aufwärts  geschoben  worden  sein;  ich  werde  zu  dieser 
Frage  zurückkehren.  — 

Gegen  West  nimmt  die  Höhe  des  Uintagebirg;-es  ab;  der 
Scheitel  des  Sattels,  welcher  im  Osten  nordwärts  lag,  rückt  geger 
die  Mitte  des  Gebirgszuges;  es  schliessen  allmälig  die  Schichten- 
köpfe des  Nordrandes  und  des  Südrandes  im  Bogen  aneinander, 
als  würde  die  ganze  Wölbung  verflachen,  und  wo  sich  auf  der 
Höhe  von  Norden  und  von  Süden  her  der  Bogen  der  Juraforma- 
tion schliesst,  legt  sich  ein  Zug  von  Trachyt  quer   darüber  und 

verhüllt  den  weiteren  Verlauf.  Das  ist  der  Trachyt  von  Provo 
Valley /5  _ 

Wir  gelangen  nun  an  ein  wesentlich  verschiedenes  Hoch- 
gebirge, den  Wahsatch,  welcher  mit  westlichem  Abbruche  die 
Ostseite  des  grossen  Salzsee's  und  des  Utahsee's  beg^leitet. 

Dem  Baue  nach  unterscheiden  sich  im  Wahsatch  drei  ver- 
schiedene Gebirgsstöcke ;  der  erste  bildet  den  nördlichen  Wahsatch, 
etwa  bis  Salt  Lake  City  herabreichend;  der  zweite  Theil  ist  die 
Gruppe  des  Lone  Peak  N.  vom  Utahsee,  sammt  den  zunächst  süd- 
lich folgenden  Höhen;  der  dritte,  abweichend  gebaute  Theil  ist 
Mount  Nebo. 

Der  nördliche  Wahsatch  besteht  aus  einem  vielfach  gestörten 
Mantel  von  paläozoischen  Schichten,  welcher  gegen  NO.,  O.  und 
SO.  abfällt  und  unter  welchem  an  der  Bruchlinie  auf  grössere 


Lone  Peak.  73^ 

Strecken  hin  Gneiss  und  andere  archaische  Felsarten  sichtbar 
werden.  Diese  alten  Felsarten  bilden  auch  die  vorliegenden  Inseln 
im  grossen  Salzsee.  Die  zweite  Gruppe  ist  durch  die  über  1 1 .000 
Fuss  hohe  Granitmasse  des  Lone  Peak  ausgezeichnet,  welche 
von  archaischen  und  paläozoischen  Schichten  umgeben  und  mit 
dem  nördlichen  Wahsatch  gegen  West  abgebrochen  ist.  Südwärts 
setzen  sich  die  paläozoischen  Schichten  längs  des  Utahsee's  fort, 
einen  Zug  von  über  11.000  Fuss  hohen  Gipfeln  bildend,  und  der 
Bruch  zerfallt  dort  in  zwei  parallele  Brüche.  Oestlich  von  Lone 
Peak  ragt  noch  ein  zweiter  hoher  Granitstock,  Clayton  Peak,  aus 
carbonischen  Schichten  auf.  Der  dritte  Theil  des  Wahsatch  end- 
lich, MountNebo,  ist  eine  Antiklinale,  von  welcher,  im  Gegen- 
satze zum  nördlichen  Wahsatch  und  zur  Gruppe  des  Lone  Peak, 
nicht  die  westliche,  sondern  die  östliche  Hälfte  abgebrochen  und 
in  die  Tiefe  gesunken  ist,  so  dass  die  steile  Seite  gegen  O.  ge- 
wendet ist.^^ 

Der  Granitstock  des  Lone  Peak  ist  der  Ausgangspunkt  wich- 
tiger Erörterungen  geworden.  Ursprünglich  wurde  derselbe  als 
ein  eruptiver  Stock  betrachtet  und  als  ein  jüngerer  eruptiver 
Granit  wurde  auch  die  Felsart  von  Zirkel  beschrieben. ^^  Die  Art 
und  Weise  aber,  in  welcher  an  der  steilen  Granitfläche  die  ein- 
zelnen Glieder  der  paläozoischen  Reihe  abstossen,  hat  Clar.  King, 
welchem  die  Erforschung  dieses  Gebirges  wesentlich  zu  verdanken 
ist,  zu  der  Ansicht  geführt,  dass  dieser  Granitstock  der  Ueberrest 
eines  uralten,  vorpaläozoischen  Festlandes  oder  einer  Insel  sei, 
und  diese  Anschauung  hat  auf  alle  Vorstellungen  von  der  Ent- 
stehung dieser  Hochgebirge  Einfluss  gewonnen.  Nach  Geikie, 
welcher  die  Stelle  besucht  hat,  ist  aber  Lone  Peak  wirklich  als  ein 
jüngerer,  jedenfalls  postcarbonischer  Eruptivstock  anzusehen,  und 
Whitney  schliesst  sich  dieser  Meinung  an.^^  Geikie  beruft  sich  auf 
den  Mangel  an  granitischen  Bruchstücken  oder  Gerollen  in  den 
angeblich  angelagerten  Sedimenten  und  vor  Allem  auf  die  Um- 
wandlung des  Kalksteines  in  weissen  Marmor  und  die  zahlreichen 
in  der  Umgebung  des  Granitstockes  auftretenden  Gänge  von 
Granit-Porphyr.  Die  Aura  von  Vorkommnissen  von  Edelmetall, 
welche  die  zweite  Granitmasse,  Clayton  Peak,  umgibt,  unterstützt 
ebenfalls  diese  letztere  Meinung,  und  Professor  Reyer  theilt  mir 


7  72  Faltenzüge  am  Bären-See. 

mit,  dass  er  in  diesem  Revier  am  Contact  Vesuvian  g-etroffen  hat; 
Lone  Peak  und  Clayton  Peak  am  Salzsee  würden  dann  eine  ähn- 
liche Bedeutung  haben  wie  Adamello  oder  Predazzo.  — 

An  den  N.  Wahsatch  schliesst  sich  gegen  NO.  zuerst  eine 
weite  paläozoische  Synklinale,  welche  Cache  Valley  bildet,  und 
dieser  folgt  eine  dicht  gedrängte  Reihe  von  mesozoischen  Ketten, 
welche  bis  an  den  T(5ton  reichen  und  welche  auf  Taf.  VI  nur  in 
sehr  unvollständiger  Weise  verzeichnet  werden  konnten.  Diese  be- 
merkenswerthen  Züge  wurden  von  St.  John  und  Peale  beschrieben/"^ 
Es  sind  Faltenzüge,  und  zwar  wahre  Antiklinalen  und  Synklinalen, 
durchschnitten  von  einzelnen  Längsbrüchen.  Jede  dieser  Falten 
beginnt  mit  meridionalem  Streichen  aus  S.  gegen  N.,  beugt  sich 
gegen  NW.  und  verschwindet  dann  unter  der  weiten  basaltischen 
Decke  des  Snake  River.  Diese  sedimentären  Faltenzüg-e  vollziehen 
also  genau  dieselbe  Beugung  wie  die  grossen,  in  Virgation  stehen- 
den Aeste  der  Rocky  Mountains,  und  der  nördlichste  derselben, 
Snake  River  Range,  fügt  sich  S.  vom  Teton  an  die  SW.  Seite  von 
Gros  Ventre  Range,  welche  wir  früher  in  Verbindung-  mit  Wind- 
River  Range  kennen  gelernt  haben. 

In  der  gegen  NW.  streichenden  Caribou-Range,  welche  dem 
Snake  River  zunächst  gegen  SW.  folgt,  zeigt  sich  nun  wirklich 
eine  überschobene  Falte,  wie  solche  aus  tangentialer  Bewegung 
hervorzugehen  pflegen ;  die  Bewegung  ist  wie  in  den  sonst  so  ver- 
schiedenen Elk  Mountains  gegen  SW.  gerichtet. 

Colorado-Plateau  und  die  Hochplateaux  von  Utah. 
Das  Colorado-Plateau  ist  im  Osten  von  den  Rocky  Mountains,  im 
Norden  vom  Uinta  begrenzt;  im  Westen  schliesst  sich  unmittelbar 
an  dasselbe  jenes  merkwürdige  zerbrochene  Hochland  von  Utah, 
dessen  Bruchnetz  bereits  besprochen  worden  ist.  Dieses  Hochland 
ist  gegen  West  durch  grosse  Brüche  begrenzt,  an  dem  Hurricane- 
Fault  (S.  169,  Fig.  13)  beträgt  die  Dislocation  oberhalb  des  Virgen- 
River  nach  Dutton  wohl  12.000  Fuss;  gegen  Süden  nimmt  ihre 
Mächtigkeit  ab;  es  stellt  sich  dafür  W.  von  derselben  die  Grand 
Wash  Fault  ein,  welche  an  der  Mündung  des  grossen  Caiion  den 
Coloradofluss  kreuzt  und  dort  von  einer  Verwerfung  von  über 
5000  Fuss  begleitet  ist. 


Colorado-Caiton.  733 

Die  westwärts  blickende  Klippe  dieser  Verwerfung  beugt 
sich  S.  vom  Colorado  gegen  SO.  zu  den  Aubrey-Cliffs,  und  weiter- 
hin kann  man  als  die  südliche  Grenze  des  zu  besprechenden  Ge- 
bietes jene  ausgedehnten  Lavafelder  ansehen,  welche  von  der 
Mimbreskette  bis  zu  den  Mogollonbergen  die  Grenzgebiete  zwi- 
schen Arizona  und  Neu-Mexico  bedecken  und  einen  Ast  von  Aus- 
läufern gegen  NNO.  zum  M.  Taylor,  jenseits  Fort  Wingate,  einen 
zweiten  aber  gegen  NW.  weit  über  Mogollon  und  die  13.000  Fuss 
erreichende  Vulcangruppe  S.  Francisco  in  der  Richtung  gegen  das 
Ende  des  grossen  Canon  entsenden. 

In  diesem  Gebiete  vereinigt  der  Colorado  seine  Wässer  und 
sinkt  sein  Bett  tiefer  und  tiefer  in  die  flachgelagerten  Bänke  der 
geschichteten,  zum  überwiegenden  Theile  carbonischen  Gesteine, 
bis  er  südlich  vom  Kaibab-Plateau  etwa  6000  Fuss  tief  unter  der 
Oberfläche  des  Tafellandes  das  grossartigste  Erosionsthal  der 
Erde  durchströmt.  Der  grosse  Canon  endet  an  der  Grand  Wash- 
Verwerfung,  da  jenseits  derselben  alles  Land  um  mehrere  tausend 
Fuss  tiefer  liegt. 

Marcou,  Newberry,  Powell,  vor  Allem  die  trefflichen  Unter- 
suchungen von  Gilbert  haben  dieses  Land  kennen  gelehrt;  für  die 
Hochplateaux  im  Westen  und  den  Caiion  treten  hinzu  die  beiden 
inhaltsreichen  Monographien,  mit  welchen  Dutton  die  geologische 
Literatur  bereichert  hat.^"" 

Das  Tafelland  des  Colorado  und  die  benachbarten  Hoch- 
flächen von  Utah  sind  durch  ausserordentliche  Trockenheit  aus- 
gezeichnet; auf  weite  Strecken  hin  fehlt  jede  Humusdecke  und  ist 
nur  der  ärmlichste  oder  so  gut  wie  kein  Pflanzenwuchs  vorhanden. 
Es  ist  nach  den  übereinstimmenden  Schilderungen  ein  so  tiefer 
Einblick  in  den  Bau  des  Landes  gestattet,  wie  kaum  an  einer 
anderen  Stelle  der  Erdoberfläche.  In  der  Tiefe  des  grossen  Canon 
erscheinen  archaische  und  silurische  Ablagerungen  in  geneigter 
Stellung;  sie  sind  auf  eine  meilenlange  Strecke  zu  einer  regel- 
mässigen Fläche  abradirt;  flach  und  übergreifend  liegen  auf  dieser 
Fläche  die  mächtigen  Ablagerungen  der  carbonischen  Zeit  und 
von  da  an  folgen  alle  Sedimente  in  Concordanz  über  einander  bis 
zu  den  lacustren  Bildungen  der  Tertiärzeit.  Es  sind  Lücken  in  der 
Serie  vorhanden,  aber  es  ist  über  der  Basis  des  Carbon  keine 


t 


7^4  Bildung  des  Uinta-Gebirges. 

Discordanz  mehr  zu  sehen.    Im  Wesentlichen  g-leicht    die  Serie 
jener,  welche  wir  bisher  im  Westen  getroffen  haben.    Die  Kreide- 
ablagerungen reichen  von  den  Hochtafeln  von  Utah  über  die  Mo- 
j  quis  Pueblos  und  Port  Defiance  nach  Texas  und  Dutton  vermuthet 

\  ^  sogar,  dass  sie  zwischen  dem  34.  und  37. **  nördl.  Br.  sich  vom  atlan- 

I  tischen  bis  zum  pacifischen  Ocean  ausbreiten.  — 

Unter  Berufung  auf  dasjenige,  was  soeben  in  Betreff  der  An- 
I  sichten  der  bedeutendsten  amerikanischen  Geologen  über  die  Bil- 

dung der  Rocky  Mountains  gesagt  worden  ist,  will  ich  es  nun 
versuchen,  die  Berichte  über  die  Structur  dieses  höchst  lehrreichen 
Landstriches  und  die  dort  gesammelten  Erfahrungen  zu  vergleichen 
mit  jenen  Anschauungen,  welche  in  Europa  bei  der  Erforschung 
des  Baues  jener  Gebirge  herangewachsen  sind,  welche,  nach 
meiner  Meinung,  in  Bezug  auf  ihren  Bau  den  wichtig-sten  Theilen 
des  Colorado-Plateau  und  seiner  Umrandung  zunächst  stehen. 
Zu  diesem  Ende  kehre  ich  zuerst  nochmals  zum  Norden  und 
j  Nordosten,  zu  dem  Baue  des  Uinta  zurück. 

I  Der  Rücken  des  Uinta  erhebt  sich  zu  10 — 11.000,   an  der 

i  höchsten  Stelle  zu  13.694  Fuss.   Der  Green  River  durchschneidet 

I  ihn.  Wo  der  Fluss  von  Norden  her  in  das  Gebirge  tritt,  lieg-t  der 


Fuss  des  Abhanges  nicht  ganz  6000  Fuss  hoch,  und  wo  er  das 
Gebirge  verlässt,  ist  die  Höhe  etwas  über  5000  Fuss.  Der  Rücken 
besteht  aus  carbonischen  Schichten;  würde  man  aber  von  Norden 
und  von  Süden  her  die  aufgebogenen  Ränder  derSchichtfolg-e  von 
seinem  Fusse  über  den  Rücken  wölben,  so  würde  seine  Seehöhe 
nach  Powell's  Schätzung  beiläufig  30.000  Fuss  betragen.  Nichts- 
destoweniger erklärt  Powell  mehrere  wichtige  Dislocationen,  wie 
auf  dem  Yampa-Plateau  und  in  Brown's  Peak,  ausdrücklich  für 
wahre  Senkungen.^' 

Die  Frage  aber,  ob  diese  Berge  gehoben  wurden,  oder  ob 
die  Umgebung  gesenkt  wurde,  ist  die  entscheidende. 

Wir  suchen  zuerst  nochmals  White's  Bericht  über  die  Be- 
ziehungen von  Uinta  zu  den  Rocky  Mountains  auf.^^ 

Zwischen  Uinta  und  dem  Ende  des  Sawatch  erheben  sich  die 
beiden  verbindenden  paläozoischen  Massen  Junction  Peak  und 
Yampa  Peak.  Das  östliche  Ende  des  Uinta  ist  von  einem  Walle 
aufgerichteter    Schichtenköpfe    umgeben,    doch    legen    sich    die 


Peripherische  Flexuren.  735 

Schichten  in  geringer  Entfernung  wieder  flach;  ein  zweiter  solcher 
Wall  aufgerichteter  Schichten  umgibt  Junction  Peak  und  ein  drit- 
ter Yampa  Peak.  Diese  Bergmassen  sind  wie  Uinta  von  carboni- 
schem Alter,  die  aufgerichteten  Ränder  sind  mesozoisch.  Junction 
Peak  ist  beiläufig  20  Kilom.  lang  und  6*5  Kilom.  breit;  der  Betrag 
der  Dislocation  vom  Scheitel  zum  Rande  wird  auf  8000  Fuss  ge- 
schätzt; Yampa  Peak  ist  etwas  kleiner,  die  Dislocation  aber  viel- 
leicht etwas  grösser.  White  vergleicht  sie  mit  Bolzen,  welche  durch 
Eisenblech  geschlagen  werden  und  den  Rand  des  Bleches  auf- 
ziehen, ohne  jedoch  damit  eine  bestimmte  Meinung  darüber  aus- 
sprechen zu  wollen,  ob  wirklich  die  Dislocation  nach  aufwärts  oder 
nach  abwärts  stattgefunden  habe. 

Südlich  von  diesen  Bergen  laufen  mehrere  Dislocationen  in 
einer  die  Verbindung  zwischen  Uinta  und  Sawatch  andeutenden 
Richtung  hin  und  insbesondere  die  grosse  bereits  erwähnte  Mid- 
land Flexure  ist  es,  welche  den  südlichen  Rand  des  grossen  Uinta- 
Plateau's  umgibt,  dann  um  die  südliche  Vorlage,  das  Yampa- 
Plateau,  herumzieht,  in  grossem,  ununterbrochenem  Bogen  den 
White  River  kreuzt,  unter  dem  Namen  Great  Hogback  Flexure 
an  der  Westseite  der  Vorberge  des  Sawatch  hinläuft  und  endlich 
an  die  eingeknickte  Südwestseite  der  grossen  Ueberschiebung  der 
Elk  Mountains  gelangt  (S.  214,  Fig.  12). 

Diese  Flexur,  welche  vom  südlichen  Rande  des  Uinta  bis  zu 
den  Elk  Mountains  über  300  Kilom.  misst,  umfasst  also  mit  ihrem 
grossen  Bogen  den  ganzen  NO.  Theil  des  Colorado-Plateau;  ihre 
Schichten  neigen  sich  durchwegs  gegen  S.,  SW.  oder  W.,  nämlich 
vom' Gebirge  gegen  das  tiefer  liegende  Land,  und  sie  ist  fast  auf 
ihrer  ganzen  Erstreckung  von  Hogbacks,  d.  i.  von  den  in  langen 
Kanten  aufragenden  Schichtenköpfen  begleitet. 

Nach  dem  an  früherer  Stelle  (S.  1 64  u.  folg.)  über  die  Be- 
wegungen der  äusseren  Theile  unseres  Planeten  Gesagten  bin  ich 
aber  oicht  im  Stande,  diese  Flexur  für  irgend  etwas  Anderes  als 
für  das  Zeichen  der  Senkung  des  ganzen  gegen  S.,  SW.  und  W. 
liegenden  weiten  Landstriches  anzusehen.  Demnach  wäre  die 
Ueberschiebung  der  Elk  Mountains  in  die  Reihe  jener  in  der  Rich- 
tung der  Senkung  erfolgten  Ueberschiebungen  zu  stellen,  von 
welchen  mehrere  Beispiele  aus  Europa  angeführt  worden  sind. 


•7^6  Grosse  Senkungen. 

Die  Kränze  aufgerichteter  Schichtenköpfe,  welche  Union  Peak, 
Yampa  Peak  und  auch  jeden  der  grösseren  Gebirgskörper  in 
geschlossenen  Linien  nach  allen  Seiten  umgeben,  lassen  aber 
eine  andere  Erklärung  auch  nicht  zu;  sie  sind  auch  Ränder  von 
Flexuren.  Die  Berge  selbst  sind  dann  den  Horsten  in  Europa 
anzureihen,  dem  Schwarzwalde,  dem  Morvan,  der  Cima  d'Asta 
!  "        u.  And.    Die  aufgerichteten  Hogbacks  sind  dann    nur   durch  die 

\  Schleppung  an  dem  Bruche  erzeugt,  und  ich  würde   keinen  An- 

stand  nehmen,  die  lange  Midland-Flexur  einer  peripherischen  Linie 
.'  gleichzustellen  in  dem  an  früherer  Stelle  dargelegten  Sinne.    An 

t  die  Stelle  von  White's  Vergleich  mit  dem  Bolzen,   welcher  durch 

eine  Blechtafel  getrieben  wird,  möchte  ich  aber  einen  andern 
setzen.  An  dem  Rande  eines  Teiches  ist  ein  Pflock  g-eschlagen; 
er  befindet  sich  unter  der  Oberfläche  des  Wassers.  Das  Wasser 
bedeckt  sich  mit  einer  Eisrinde;  der  Wasserstand  sinkt;  die  Eis- 
decke bricht  nach  und  der  Pflock  wird  sichtbar.  Grosse  Ebenen 
mögen  gesenkt  sein;  sobald  ihre  Unterlage  weicht,  folgen  sie  der 
Schwerkraft.  Wir  kennen  aber  keine  Kraft,  welche  vereinzelte 
Bergmassen  neben  einander  und  selbständig  von  einander^  zur 
.'  Höhe  bewegen  könnte. 

Der  Umstand,  dass  hiemit  vorausgesetzt  wird,  das  ganze 
Land  habe  sich  einmal  30.000  Fuss  über  dem  heutigen  Meeres- 
spiegel befunden,  ist  allerdings  befremdend,  kann  aber  nicht  ent- 
scheidend sein.  Wer  auf  die  europäischen  Horste  ihre  einstige 
Schichtfolge  häufen  will,  wie  etwa  die  sedimentäre  Serie  der  Süd- 
alpen auf  die  Cima  d'Asta,  mag  ebenfalls  zu  ausserordentlichen 
Ziffern  gelangen. 

Zur  Vervollständigung  des  Gesagten  aber  und  wegen  der  Be- 
deutung für  gewisse  Erscheinungen  in  der  Vertheilung  der  Fluss- 
läufe will  ich  noch  die  folgenden  scharfsinnigen  Bemerkungen  von 
Emmons  beifügen. ^^ 

Green  River  tritt  aus  dem  tertiären  Lande  von  Norden  her 
quer  in  die  Masse  des  Uinta  und  verfolgt  in  geschlängeltem  Laufe 
mitten  in  harten  Quarzitfelsen  ein  Bett,  welches  stellenweise  bis 
zu  3000  Fuss  tief  eingehöhlt  ist.  Nachdem  der  Red  Cafion  durch- 
strömt ist,  erreicht  der  Fluss  das  flache  Land  in  dem  Einsturz- 
gebiete von  Brown's  Park;  er  folgt  demselben  nicht,  soncjern  tritt 


Der  Lauf  des  Green  River.  737 

neuerdings  in  das  Gebirge  und  durchquert  in  dem  Canon  of  Lo- 
dere auch  den  südlichen  Theil  des  Uinta.  Emmons  zeigt  nun,  dass 
die  Uferlinien  der  späteren  tertiären  See'n  an  der  Nordseite  des 
Uinta  bis  zur  Höhe  von  lo.ooo  Fuss  zu  verfolgen  sind.  So  wie 
Uinta  vom  Green  River,  wird  der  vereinzelte  Junction  Peak  von 
dem  Yampa  River  in  einem  tiefen  Canon  durchschnitten  und  der- 
selbe Fluss  durchschneidet  auch  den  nördlichen  Theil  von  Yampa 
Peak.  Es  muss  sofort  auffallen,  warum  die  Flüsse  nicht  die  ter- 
tiären Niederungen  vorziehen.  Aber  auch  auf  Yainpa  Peak  liegen 
horizontale  Tertiärschichten.  Der  Lauf  des  Green  River  über  den 
Uinta  wurde  schon  vorgezeichnet  zur  Zeit  des  hohen  Standes  der 
tertiären  See'n,  und  dieser  Fluss  muss  dereinst  in  einer  Seehöhe 
von  mehr  als  9000  Fuss  geflossen  sein ;  ebenso,  sagt  Emmons,  ist 
es  klar,  dass  der  Flusslauf  quer  über  Junction  Peak  und  Yampa 
Peak  gewählt  wurde,  als  diese  harten  Felsmassen  noch  unter  ter- 
tiären Schichten  begraben  lagen.  — 

Erst  jetzt  treten  wir  von  den  Vorbergen  des  Uinta  herab 
in  das  tiefer  liegende  Land  und  sehen  dasselbe  umgürtet  von 
einer  langen  Reihe  fortlaufender  Mauern.  Jede  der  Hauptgruppen 
des  geschichteten  Gebirges  legt  sich  in  geringer  Entfernung  von 
den  Flexuren  flach,  breitet  sich  so  gegen  das  tiefere  Land  aus  und 
endet  in  einer  langen  mauerförmigen  Klippe.  Diese  Klippen  sind 
nicht  durch  Bruch  erzeugt,  sondern  durch  eine  eigenthümliche  Art 
der  Abrasion.  Die  Schichtenköpfe  werden  angegriffen  und  zerstört; 
sie  weichen  weiter  und  weiter  zurück,  und  so  entsteht  ein  grosses 
Stufenland,  durch  lange  hinlaufende  mauerförmige  Absätze  in 
ähnlicher  Weise  ausgezeichnet,  wie  die  östliche  Sahara.  Die  tief- 
sten Schichten  liegen  in  der  Nähe  des  Colorado.  Auf  10.000  Fuss 
schlägt  Dutton  das  mittlere  Maass  der  Mächtigkeit  des  abge- 
tragenen und  entfernten  Gestein's. 

Aus  diesem  Flachlande  erheben  sich  im  Süden  die  Lacco- 
lithenberge  der  Sierra  S.  Miguel,  Sierra  Carriso,  S.  Abajo  und 
weiter  gegen  West  die  Henry  Mountains  (S.  197);  nähert  man  sich 
aber  gegen  West  dem  Rande  dieses  tieferen  Gebietes,  so  stösst 
man  zuerst  auf  eine  ovale,  abradirte  Kuppel,  im  Kleinen  nicht  ganz 
unähnlich  den  vor  den  Rocky  Mountains  sich  erhebenden  Black 
Mountains   von  Dakota.    Sie  liegt  an   der  ersten,   zu  höherem 


f  738  Die  HochUfeln  von  Utah. 

l  Lande  führenden  Flexur,  der  Waterpocket-Flexure    (15,  Fig.  13, 

\  S.  169). 

4  Diese  Flexur  bezeichnet  den  Beginn  der  Hochtafeln  von  Utah, 

^  deren  südlicher  Theil  von  dem  grossen  Canon  durchschnitten  ist. 

r  Die  Geologen,  welche  dieses  Land  bereist  haben,  stellen  dasselbe  in 

Bezug  auf  die  unvergleichliche  Grossartigkeit  der  landschaftlichen 
Bilder,  die  Klarheit  und  Einfachheit  der  Structur,  die  bunte  Fär- 
bung der  Gesteine,  welche  das  Gemälde  mit  ungewohnten  Tönen 
füllt,  als  ein  Land  der  Wunder  dar ;  sicher  ist  es,  dass  es  nicht 
zu  viele  Landstriche  gibt,  über  welche  so  meisterhafte  Berichte 
vorliegen.  Und  gerade  die  Trefflichkeit  dieser  Berichte,  welche 
dem  Leser  die  einfachen  Grundzüge  des  Baues  so  deutlich  vor 
die  Augen  führen,  mag  es  einigermassen  entschuldig-en,  wenn  hier 
aus  diesen  Angaben  andere  Schlussfolgerungen  gezogen  werden, 
ohne  dass  es  mir  gegönnt  war,  dieses  Land  selbst  zu  betreten. 
Auch  Dutton  erklärt,  wie  die  meisten  seiner  Vorgänger,  in  seinen 
letzten  Schriften  die  einzelnen  Blöcke  zwischen  den  Brüchen,  wie 
den  Horst  des  Kaibab  (zwischen  6  und  7,  8,  Fig.  13)  als  herauf- 
gehoben zwischen  Brüchen;  ich  halte  dagegen  den  heutigen  Zu- 
stand für  die  Folge  ungleichen  Absinkens  zur  Tiefe. 

Wie  diese  grossen  Dislocationslinien  vom  Wahsatch  und 
Nebo  ausgehen,  ist  bereits  gesagt  worden  (S.  1 70) ;  Dutton  hebt 
hervor,  dass  die  Linien  alle  mehr  oder  minder  gegen  West  con- 
vex  sind,  dass  viele  Anzeichen,  wie  namentlich  die  Beschaffen- 
heit gewisser  mesozoischer  Sedimente  hierauf  hinweisen,  dass  im 
Westen,  wo  heute  die  Basin  Ranges  sich  befinden,  in  W.  Utah 
und  Theilen  von  Nevada  ein  mesozoisches  Festland  sich  befunden 
habe,  und  dass  diese  Störungslinien  im  Grossen  dem  Rande  dieses 
Festlandes  entsprechen.  Dabei  haben  dieselben  aber  zugleich 
einen  Verlauf,  welcher  so  sehr  jenem  der  Midland-  und  der  Great 
Hogback-Flexur  am  Fusse  des  Uinta  und  der  Rocky-Mountains 
entspricht,  dass  es  wohl  gestattet  sein  mag,  die  Gesammtheit  dieser 
Flexuren  rings  um  das  Colorado-Plateau  vom  grossen  Canon  bis 
zu  den  Klk  Mountains  als  ein  System  peripherischer  Dislocations- 
linien zu  bezeichnen,  in  demselben  Sinne,  in  welchem  etwa  von  einer 
peripherischen  Linie  des  tyrrhenischen  Meeres  gesprochen  worden 
ist.    Die  Horste,  wie  Kaibab,  mögen  eingeklemmte  Keile  sein. 


Toroweap-Vcrwerfung  im  grossen  Cafion.  739 

In  Bezug  auf  das  Verhalten  der  einzelnen  Hochtafeln  und 
Brüche  zu  einander  berufe  ich  mich  auf  die  Besprechung^  im  ersten 
Abschnitte;  es  ist  auch  erwähnt  worden,  wie  am  Virgen  River  die 
I  lurricane  Fault  (2,  Fig.  1 3)  grosse  Höhe  desVerwurfes  erreicht,  und 
wie  südwärts  gegen  den  Caiion  diese  Höhe  in  demselben  Maasse 
abnimmt,  in  welchem  der  Verwurf  der  Grand  Wash  Fault  (i ,  Fig.  1 3) 
zunimmt,  eine  in  den  Senkungsbrüchen  der  Südalpen  von  Mojsi- 
.sovics  ebenfalls  angetroffene  Erscheinung.  Eine  Zone  kleinerer 
Schollen  zwischen  zwei  Hauptlinien,  also  die  Zertrümmerung  im 
Graben,  ist  S.  173,  Fig.  14  dargestellt  worden. 

Die  Brüche  sind  nicht  von  gleichem  Alter,  doch  sind  an  einzel- 
nen von  ihnen  zu  verschiedener  Zeit  Bewegungen  eingetreten.  Fast 
Kaibab  dürfte  nach  Dutton's  Angaben  zu  den  älteren  gehören. 

Die  Beobachtungen  über  die  Art  und  Weise,  wie  Toroweap 
(3,  Fig.  13)  den  grossen  Canon  kreuzt,  sind  sehr  lehrreich. 

In  dieser  Gegend  besteht  der  grosse  Canon  aus  zwei  Stock- 
werken. Die  obere  Schlucht,  8 — 9  Kilom.  breit,  ist  von  etwa 
2000  Fuss  tiefen  Abstürzen  begleitet ;  an  ihrem  Fusse  stellt  sich 
eine  Fläche  ein,  von  Dutton  die  ,Esplanade'  genannt,  und  in  die 
Esplanade  ist  die  zweite  Schlucht,  der  innere  Caiion,  geschnitten; 
diese  ist  3000  Fuss  tief  und  von  Kante  zu  Kante  nur  3500  bis 
4000  Fuss  breit.  Es  sind  auf  der  Höhe  der  vom  grossen  Caiion 
durchfurchten  Tafel  zahlreiche  basaltische  Eruptionen  sichtbar; 
alte  Decken  sind  vorhanden  und  weit  mehr  als  hundert  weit  jün- 
gere grosse  und  kleine  Aschenkegel.  Solche  Kegel  sind  aber  nicht 
nur  auf  der  Tafel  vorhanden,  sondern  einzelne  sitzen  auch  im 
Canon  auf  der  Esplanade  und  da  und  dort  ist  die  schlackige, 
schwarze  Masse  eines  jungen  Basaltstromes  über  die  Zinnen  der 
grossen  Felsmauern  in  den  inneren  Abgrund  gepoltert.^* 

Die  Eruptionskegel  sitzen  ohne  sichtbare  Regel  in  längeren 
oder  kürzeren  Reihen  auf  den  paläozoischen  Platten ;  sie  befinden 
sich  nur  ganz  ausnahmsweise  auf  einer  der  grossen  Dislocations- 
linien.  Eine  solche  Ausnahme  macht  der  58o  Fuss  hohe  Aschen- 
kegel, welchen  Dutton  ,Vulcan's  Thron*  nennt;  er  steht  an  der 
Kante  der  Esplanade  gegen  den  inneren  Caiion,  gerade  dort,  wo 
die  Toroweap-Dislocation  quer  durchstreicht.  Der  Verwurf  von 
Toroweap  beträgt  6 — 7 cmd  Fuss  gegen  West;  so  viel  verliert  auch 


y /\.0  Injection  von  Laven. 

die  grosse  Schlucht  plötzlich  an  Tiefe,  da  das  ganze  Land  um 
ebensoviel  an  Höhe  verliert.  Von  der  Dislocation  sagt  Dutton: 
, Alles  sieht  so  rein  und  scharf  aus,  als  wäre  es  mit  einer  dünnen 
Säge  geschnitten  und  als  wären  dann  die  glatten  Flächen  nett  an- 
einandergedrückt.*^"^  Eben  so  scharf  durchschneidet  sie  auch  einige 
Basaltströme  auf  der  Esplanade.  Die  Aufeinanderfolge  der  Ereii^- 
nisse  ist  unverkennbar.  So  schreibt  die  Natur  ihre  Chronologie, 
und  man  hat  vollen  Grund  die  Beobachter  zu  beneiden,  welche 
berufen  sind,  diese  Geschichte  in  der  Urschrift  zu  lesen. 

Die  Art  aber,  in  welcher  die  Basalte  in  engen^  im  Canon  oft 
auf  grosse  Höhen  blossgelegten  Spalten  aufgestiegen  sind,  und 
ohne  an  den  Wänden  zu  erkalten,  hoch  oben  ihre  Aschenkegel 
aufgeschüttet  und  ihre  Laven  ergossen  haben,  zahlreiche  zerstreute 
Kratere  bildend,  ist  nicht  ganz  den  normalen  Ausbrüchen  des 
Aetna  oder  der  Liparen  zu  vergleichen.  Sie  erinnert  zu  sehr  an 
die  Injection  eines  grossen  anatomischen  Präparates  und  an  die 
im  Angesichte  ähnlicher  Vorkommnisse  schon  oft  ausgesprochene 
Meinung,  dass  das  Absinken  grosser  Gebirgstheile  an  sich  eine 
solche  Injection  hervorbringe  oder  doch  wesentlich  befördere.^*" 

Dies  setzt  aber  voraus,  dass  die  grossen  Blöcke  wirklich  ge- 
sunken seien,  nicht  dass  die  Horste  durch  eine  unbekannte  Kraft 
gehoben  wurden.  Dass  aber  die  Dislocationen  von  den  Beob- 
achtern im  Wesentlichen  als  Hebungen  aufgefasst  worden  sind, 
erklärt  sich  in  diesem  Falle  aus  den  weiteren  Folgerungen.  Kai- 
bab  Plateau,  aus  carbonischen  Ablagerungen  bestehend,  er- 
reicht die  Seehöhe  von  9300  Fuss;  die  ganze  Mächtigkeit  des 
mesozoischen  und  vielleicht  noch  des  ältesten  Theiles  der  Tertiär- 
formation darauf  gehäuft,  führt  zu  Ziffern,  welche  nicht  gar  zu  viel 
hinter  jenen  zurückbleiben  dürften,  welche  Powell  für  den  ergänz- 
ten Uinta  erhielt.  Dann,  so  scheint  es  wenigstens,  verschwindet 
jeder  Anhaltspunkt  für  die  Beurtheilung  der  Dinge  gegen  Süd  und 
Ost  und  der  Wasserspiegel  steht  hoch  über  allen  heutigen  Ge- 
birgen. Aehnliche  Fragen  werden  an  einer  späteren  Stelle  zu  be- 
sprechen sein  und  ich  hoffe  in  der  That  zeigen  zu  können,  dass 
manche  allgemein  verbreitete  Anschauungen  über  die  Lage  des 
Meeresspiegels  in  früheren  Zeiten  eine  Berichtigung  erheischen;  hier 
aber  mag  erwähnt  sein,  dass  es  verschiedene  zulässige  Annahmen 


Basin  Ranges.  74^ 

gibt,  —  wie  z.  B.  die  Vorstellung  von  einer  durch  tangentialen 
Druck  herbeigeführten  Wölbung  von  grosser  Amplitude,  einem  sehr 
breiten  Abstau,  der  sich  mit  entlasteten  Laven  füllt,  nach  Dutton's 
Ausdruck  einer  Macula  (S.  220),  deren  Kuppel  dann  in  Schollen 
ungleichförmig  zusammensinkt,  —  dass  es  aber  nicht  möglich  ist, 
über  zwei  Thatsachen  hinwegzugehen,  erstens:  dass  in  anderen 
Gebieten  an  ganz  ähnlichen  Brüchen  und  Flexuren  grosse  Flächen 
lediglich  unter  dem  Einflüsse  der  Schwere  zur  Tiefe  gesunken 
sind,  und  zweitens :  dass  durchaus  keine  Kraft  bekannt  ist,  welche 
im  Stande  wäre,  zahlreiche  grosse  und  kleine  Gebirgsstöcke  ein- 
zeln und  zwischen  glatten  Flächen  vertical  emporzutragen  und 
im  Geofonsatze  zur  Schwerkraft  dauernd  in  dieser  Stellun<r  fest- 
zuhalten. 

Basin  Ranges.  Dieses  Gebiet  ist  von  dem  vorhergehenden 
sehr  verschieden.  Es  ist  gegen  Ost  begrenzt  durch  den  Bruch  des 
Wahsatch  am  grossen  Salzsee  und  gegen  Westen  durch  den  öst- 
lichen Abhang  der  Sierra  Nevada.  Auf  diesem  6 — 700  Kilom. 
breiten  Gebiete  erheben  sich  zahlreiche,  zumeist  kürzere,  mehr 
oder  minder  meridionale  und  auf  eine  sonderbare  Weise  verein- 
zelte Gebirgszüge  aus  einer  flachen  Wüste.  Ihre  Abhänge  sind 
weit  hinauf  vom  eigenen  Schuttlande  bedeckt,  wie  das  der  Mangel 
eines  Abflusses  zum  Meere  für  einen  grossen  Theil  der  Region 
mit  sich  bringt.  Salzwüste  oder  öde  Steppe  breiten  sich  zwischen 
diesen  Ketten  aus,  deren  Erforschung  ein  glänzendes  Zeugniss 
für  die  Hingebung  und  die  Ausdauer  unserer  Fachgenossen  in 
Amerika  gibt. 

Der  südliche  Theil  der  Basin  Ranges  besteht,  so  weit  er  heute 
bekannt  ist,  aus  archaischen  und  aus  versteinerungsarmen  paläo- 
zoischen Felsarten.  Weit  mannigfaltiger  gestaltet  sich  das  Bild 
im  Norden,  wo  das  Streichen  nahezu  meridional  ist;  ich  folge  den 
Darstellungen  von  Clar.  King,  Hague  und  Emmons.^^ 

,Die  geologische  Provinz  des  Great  Basin,'  sagt  King,  ,hat 
zwei  verschiedene  Typen  dynamischer  Thätigkeit  erfahren,  eine, 
in  welcher  der  hauptsächliche  Factor  offenbar  tangentiale  Pression 
war,  welche  sich  ausdrückt  in  Contraction  und  Faltung,  vermuth- 
lich  in  postjurassischer  Zeit,    die  andere   von   streng  verticaler 


y A2  Basin  Ranges. 

Thätigkeit,  vermuthlich  innerhalb  der  Tertiärzeit,   in  welcher  es 
nur  wenige  Spuren  von  tangentialem  Drucke  gibt.*^* 

Bisher  sahen  wir  im  Gebiete  des  Colorado  zusammenbrechen- 
des Tafelland ;  nun  gelangen  wir  in  zusammengebrochenes  Fallen- 
gebirge, Schon  zeigte  sich  jedoch  früher  von  Wahsatch  über  den 
Bärensee  gegen  Teton  eine  Gruppe  wahrer  Faltenzüg-e,  welche 
unter  den  Basaltdecken  des  Snake-River  verschwanden,  und  Wah- 
satch selbst  hat  eine  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  den  jetzt  zu 
besprechenden  Ketten.  In  dem  Great  Basin  äusserte  sich  die  fal- 
tende Kraft  besonders  mächtig  gegen  den  Westrand  hin,  wo  sie 
auch,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  die  ganze  Sierra  Nevada  g"estaltet 
hat.  Einzelne  Faltenzüge,  welche  sich  heute  noch  durch  mehr  als 
150  Kilom.  verfolgen  lassen,  waren  gegen  West  convex.  Die  Ver- 
werfungen, von  welchen  die  Falten  durchschnitten  sind,  streichen 
nach  verschiedenen  Himmelsrichtungen,  doch  scheint  die  Mehrzahl 
sich  dem  Meridian  zu  nähern  ;  sie  treffen  die  Falten  unter  den  ver- 
schiedensten Winkeln.  So  sind  jene  schroffen  und  isolirten  Ketten- 
fragmente entstanden,  welche  mit  heute  mehr  oder  minder  meri- 
dionalem  Streichen  diesen  breiten  Raum  einnehmen  ;  der  VerlauJ 
der  scharf  gebrochenen  Ränder  würde  noch  auffallender  sein,  wenn 
nicht  grosse  Massen  von  eruptiven  Felsarten,  namentlich  von  Rhyo 
lith,  die  orographische  Reinheit  dieser  Formen  beirren  und  ver 
hüllen  würden.  Die  nähere  Betrachtung  lässt  in  einem  solcher 
Höhenzuge  ein  Stück  einer  Antiklinale,  in  einem  anderen  einei 
monoklinalen  Kamm  mit  grossen  vulcanischen  Ergüssen,  ode 
zwei  schräg  geschnittene  Sättel  mit  der  Synklinale  u.  s.  w.  er 
kennen;  es  ist  eben  ein  mächtiges  gefaltetes  Gebirge  vollständii 
zerhackt,  in  Scherben  zerbrochen  und  zur  Tiefe  gesunken.  In  ein 
zelnen  Fällen  sind  Horizontal- Verschiebungen  an  Brüchen  erfol<ft 
so  ist  in  West  Humboldt-Range  die  Antiklinale  von  einem  Quer 
bruche  durchschnitten  und  die  südliche  Hälfte  gegen  SO.  etwa  ur 
8  Kilom.  verschoben.^^  Die  beiden  grossen  Hauptbrüche  aber 
welche  die  Basin  Ranges  gegen  Ost  und  West  beg-renzen,  werdei 
als  , Linien  der  Schwäche*  aufgefasst,  an  welchen  wiederholte  Be 
wegungen  eingetreten  sein  dürften,  wie  denn  auch  an  jeder  der 
selben  noch  in  spätester  Zeit  ein  grosser  Binnensee,  und  zwar  an 
Westfusse  des  Wahsatch  Gilbert's  Lake  Bonne ville  und  am  Ost 


Bonneville-Sce.  743 

fasse  der  Sierra  Nevada  King's  Lake  Lahontan  sich  sammelten, 
deren  letzte  Reste  im  Osten  der  grosse  Salzsee,  Utah  und  Sevier 
Lake,  im  Westen  die  Wasserflächen  zwischen  Pyramid,  Carson 
und  Walker's  Lake  sind.  Ihre  Terrassen  umgürten  in  regelmässigen 
Linien  die  Abhänge  der  zerbrochenen  Ketten,  welche  damals  als 
langgestreckte  Inseln  aus  den  beiden  See'n  in  ähnlicher  Weise  her- 
vorragten, wie  heute  Antilope  und  Stansbury  Island  aus  dem 
grossen  Salzsee  sich  erheben. 

Um  tausend  Fuss  liegt  nach  Gilbert  die  höchste  Uferlinie  des 
Bonneville-See's  über  dem  Spiegel  des  heutigen  grossen  Salzsee's; 
in  600  Fuss  befindet  sich  eine  zweite,  besonders  deutliche,  die 
Provo-Linie;  untergeordnete  Linien  liegen  dazwischen  und  dar- 
unter; der  Ausfluss  erfolgte  nordwärts  durch  Cache -Valley,  und  die 
starke  Abstufung  der  Provo-Linie  entspricht  der  Höhe  eines  Fels- 
riffes an  dem  Ausflusse,  welches  durch  längere  Zeit  der  Austiefung 
widerstand,  als  die  minder  festen  auflagernden  Gesteine.  In  der 
Tiefe  des  alten  See's  stehen  basaltische  Aschenkegel,  bald  von  den 
Terrassen  des  See's  umgürtet,  bald  jünger  als  diese.  Gilbert  zeigt 
aber  auch,  dass  die  Strandlinien  heute  nicht  parallel  und  nicht 
horizontal  sind.  Sie  liegen  an  dem  Wahsatchbruche  am  tiefsten, 
erheben  sich  von  da  gegen  die  Mitte  des  See's  am  N.  Ufer  um  ein 
Beträchtliches,  bis  zu  etwa  loo  Fuss,  an  dem  südlichen  Ufer  noch 
weit  mehr.  Diese  höchsten  Punkte  befinden  sich  im  Norden  an 
dem  1 13.,  im  Süden  zwischen  dem  1 13.  und  114.  Meridian.**** 

Darüber  hinaus  gegen  West  liegt  erst  eine  einzige  Messung 
vor  und  diese  deutet  auf  einen  Abfall;  durch  die  Fortsetzung  dieser 
lehrreichen  Arbeit  gegen  West  werden  wir  lernen,  ob  sich  in  der 
Axe  des  alten  See's  zwischen  Mer.  113  und  114  eine  neue  Anti- 
klinale bildet,  oder  ob  an  dem  Wahsatchbruche  der  westliche 
Flügel  in  einseitiger  Senkung  begriffen  ist.  — 

Die  Vertheilung  der  Sedimente  innerhalb  der  Basin  Ranges 
ist  nicht  weniger  merkwürdig  als  ihr  Bau.  Die  letzte  Meeres- 
bildung der  östlichen  Gebirge,  die  Kreideformation,  überschreitet 
in  dieser  Breite  nicht  die  Bruchlinie  des  Wahsatch.  Von  den 
tieferen  mesozoischen  Bildungen,  den  Vertretern  von  Jura  und 
Trias,  gilt  fast  dasselbe;  sie  sind  jenseits  dieser  Linie  eine  weite 
Strecke  hin  durch  nur  wenige  Schollen  vertreten.  Die  paläozoische 

SuetB,   Dat  Antliti  der  Erde.  48 


*7  AA  Verschiedenheit  der  Basin  Ranges. 

Reihe,  welche  am  Ostrande  der  Rocky  Mountains  von  geringei 
Mächtigkeit  ist,  aber  durch  Uinta  zum  Wahsatch  um  viele  Tau 
sende  von  Füssen  an  Mächtigkeit  zunimmt,  bildet  zusammen  raii 
archaischen  Felsarten  und  jungen  Laven  die  ganze  östliche  Hälft« 
der  Basin  Ranges.  Jenseits  des  117.  Meridian's  ändert  sich  ihn 
Zusammensetzung  vollständig.  Noch  in  den  Toyabe  und  Shoshont 
Ranges  und  den  Battle  Mountains,  etwa  bis  i  17"*  15',  zeigen  du 
Karten  Glieder  des  oberen  Carbon  in  der  Nähe  von  Granit  un( 
archaischem  Gestein  entweder  einzeln  aus  der  Ebene  oder  an 
rhyolitischerUmfluthung  aufragend.  Schon  in  den  nächsten  Kettei 
gegen  West,  in  Desatoya  und  Havallah  Range,  ist  die  Sachlage 
ganz  und  gar  verschieden;  die  ganze  paläozoische  Serie  ist  ver 
schwunden,  und  unmittelbar  auf  Granit  liegen  mächtige  Ablage 
rungen  mit  Arcestes,  Trachyceras,  Cassianella,  Daonella  und  an 
deren  für  die  marine  Entwicklung  der  Triasformation  in  den  Ost 
alpen  bezeichnenden  Formen.  So  befindet  sich  etwas  W.  von  de 
Mitte  der  Basin  Ranges  eine  wichtige  Scheidungslinie  für  die  Ver 
theilung  der  Formationen;  W.  von  117**  15'  sind  bis  an  das  paci 
fische  Meer  hinaus,  mit  Ausnahme  eines  Zuges  von  carbonischer 
Kalkstein  im  nördlichen  Theile  der  Sierra  Nevada,  Ablagerungei 
der  paläozoischen  Zeit  unbekannt.** 

Die  Grenze  der  paläozoischen  Ablagerungen  in  den  Basi 
Ranges  geht  von  den  eben  genannten  Vorkommnissen  in  Battl 
Mountain,  Toyabe  und  Shoshone  Ranges  südwärts  mit  einer  ge 
ringen  Ablenkung  gegen  West,  so  dass  sie  sich  südlich  vo 
Owen's  Lake  dem  Rande  der  Sierra  Nevada  nähert  und  do! 
die  ganze  Breite  der  Basin  Ranges  dem  paläozoischen  Gebiet 
zufallt. 

Die  Triasbildungen  und  eine  Reihe  sie  begleitender  jurass 
scher  Kalksteine  und  Schiefer  finden  ihre  grösste  Entwicklung 
den  Havallah,  Pah-Ute  und  West-Humboldt-Ketten;  in  Eugei 
Mountains  und  Montezuma  Range  erreichen  die  jurassischen  B: 
düngen  noch  eine  grosse  Bedeutung;  dann  folgt,  etwa  vom  i  1 9.  M 
ridian,  eine  fast  aus!5chliesslich  granitische  Region  mit  g-ering 
Entwicklung  jurassischer  Schiefer,  bis  in  der  Sierra  Nevada  d 
Zusammensetzung  der  Havallah  Range  und  der  ähnlichen  Kett< 
sich  wiederholt.  — 


Fortsct/unjjcn  jjcgen  Mexico.  74 S 

.  Bevor  ich  an  die  Besprechung  der  Sierra  Nevada  gehe,  mögen 
noch  wenige  Worte  über  die  Fortsetzungen  der  Basin  Ranges  nach 
Mexico  eingeschaltet  werden. 

Die  Beschaffenheit  dieser  Fortsetzungen  ist  in  mancher  Be- 
ziehung abweichend.  Der  Kohlenkalk  tritt  in  bedeutender  Mäch- 
tigkeit längs  der  Sierra  Madre  auf.  Quarzit  und  Conglomerat- 
lagen,  welche  Kohle  und  eine  farnreiche  Flora  enthalten,  in 
manchen  Merkmalen  an  eine  Flora  erinnernd,  welche  Newberry  in 
der  Nähe  der  Moquis  Pueblos  auf  dem  Colorado-Plateau  unter 
Kreideschichten  entdeckt  hat,  werden  von  R^mond  als  Ver- 
treter der  Trias  angesehen.  Jurabildungen  sind  zweifelhaft.  Da- 
gegen tritt  die  Kreideformation  von  Texas  mit  Amm.  pedernalis 
und  vielen  bezeichnenden  Arten  bis  nach  Arivechi,  auf  die  West- 
seite der  Sierra  Madre  herüber.  Die  jüngeren  Eruptivgesteine 
scheinen  zwischen  den  Ketten  und  neben  denselben  eine  ähnliche 
Bedeutung  in  Sonora  zu  besitzen  wie  in  den  Vereinigten  Staaten. '♦^ 

Jene  Ketten,  welche  weiter  im  Osten  im  westlichen  Texas  zwi- 
schen dem  Rio  Grande  und  Rio  Pecos  herabstreichen,  wie  los  Or- 
ganos,  Hueco,  S.  Sacramento  und  Guadelupe,  sind  als  die  Fort- 
setzung von  Zügen  anzusehen,  welche,  wie  die  Zunikette,  im  Süden 
des  Colorado  auftauchen,  und  jener,  welche  bereits  S.  von  Galisteo 
erwähnt  worden  sind.  Jenney  hat  sie  untersucht;  sie  bestehen  aus 
paläozoischen  Ablagerungen,  welche  auf  Granit  ruhen,  und  die 
cenomanen  Ablagerungen  des  Llano  estacado  sind  auch  hier  am 
Rio  Grande  sichtbar.'*^ 

Ostwärts  folgt  nun  das  weite  Gebiet  des  mittleren  Texas, 
dessen  flach  gelagerte  cretacische  und  paläozoische  Schichten 
F.  Roemer  bereits  vor  langer  Zeit  bekannt  gemacht  hat."*^ 

Sierra  Nevada.  Die  Sierra  Nevada  ist  ein  gewaltiges, 
durch  mehr  als  sechs  Breitegrade  einheitlich  von  NNW.  gegen 
SSO.  sich  erstreckendes  Gebirgsstück,  welches  sich  in  zwanzig 
Gipfeln  über  14.000  Fuss  hoch  erhebt.  Es  fallt  steil  gegen  Ost 
zu  dem  abflusslosen  Gebiete  ab,  welches  die  Grenze  gegen  die 
Basin  Ranges  bezeichnet,  aber  obwohl  dieser  Abfall  weithin  über 
6000  Fuss  beträgt,  ist  er  wegen  der  Höhe  des  Sockels,  auf  welchem 
die  Basin  Ranges  stehen,  lange  nicht  so  bedeutend  wie  der  west- 

48* 


I 


I 


74^> 


Sierra  Nevada. 


liehe  Abhang,  welcher  in  die  Thäler  des  Sacramento  und  Joaqui 
also  in  seiner  Mitte  bis  auf  eine  geringe  Höhe  über  dem  Meei 
sich  herabsenkt.  Die  Erforschung  dieses  grossen  Gebirges  i 
Whitney's  unvergängliches  Verdienst/^ 

Im  Süden  ist  die  Kette  hoch,  weniger  breit,  gregen  Ost  sei 
steil  und  fast  ganz  aus  Granit  aufgebaut;  jurassische  Schief 
nehmen  einen  schmalen  Saum  an  der  Westseite  ein.  Weiter  sf^s^^ 
Nord,  über  Mono  Lake  hinaus,  treten  grössere  Massen  von  vulc 
nischen  Gesteinen  an  der  Ostseite  auf;  die  Grenze  mit  den  benacl 
barten,  hier  granitischen  Basin  Ranges  wird  hiedurch  weniger  au 
fallend;  weiter  im  Norden  tritt  sie  wieder  deutlich  hervor.  Es  i: 
ein  ungeheurer  Bruch,  welcher  dieses  ganze  Stück  der  Erdrind 
gegen  Osten  abschneidet. 

Die  jurassischen  Schiefer  der  Westseite  nehmen  nordwär 
gegen  die  Grenze  von  Mariposa  rasch  an  Breite  zu  und  bilde 
nördlich  vom  American  River  fast  den  ganzen  Abhang-,  nur  Insel 
von  Granit  sichtbar  lassend;  gegen  Pyramid  Lake  greifen  sie  s( 
gar  auf  die  Ostseite  über.  Im  Norden  sind  diese  Schiefer  an  em 
Stelle,  in  Genesee  Valley,  Plumas,  von  alpiner  Trias,  an  mehrere 
Stellen  von  einer  Zone  von  Kohlenkalk  begleitet;  endlich  vei 
schwinden  sie  unter  den  weiten  Decken  von  jüngeren  Laven,  welcli 
den  nördlichsten  Theil  von  Californien  und  ein  grosses  Gebiet  ii 
südlichen  Oregon  und  darüber  hinaus  bedecken. 

Diese  jurassischen  Schiefer  sind  sehr  arm  an  Versteinenmo^ei 
enthalten  Einlagerungen  von  Diabas-Tuff  und  umschliessen  i 
Begleitung  von  Serpentin  den  120  Kilom.  langen  g"oldführende 
Quarzgang,  welcher  unter  dem  Namen  Mother  Lode  bekannt  g< 
worden  ist.  Sie  sind  das  hauptsächliche  goldführende  Gestei 
Californien's.  Sie  sind  steil  aufgerichtet,  und  in  den  meisten  Fällei 
im  Süden  durchwegs,  gegen  NO.,  also  widersinnig-  geneigt. 

In  den  jF'oothills*,  am  westlichen  Fusse  der  Sierra,  tritt  noc 
eine  zweite  Granitzone  zu  Tage,  und  hier  legt  sich  an  die  ganz 
Länge  des  Gebirges,  so  weit  nicht  durch  Denudation  Unterbrc 
chung  eingetreten  ist,  eine  Zone  von  horizontalen  Meeresablagc 
rungen,  welche  der  Kreide-  und  Miocänzeit  angehören.  Obwol 
die  Kreideablagerungen  von  Norden  her  nur  bis  Folsom  bekanr 
zu  sein  scheinen,  geht  hieraus  hervor,  dass  die  wesentlichste  Aul 


Sierra  Nevada.  747 

richtung  der  jurassischen  Schiefer  wahrscheinlich  von  vor-ceno- 
manem  Alter  ist.  Die  Vertreter  des  Neocom  und  Gault  sind  in 
den  Foothills  nicht  bekannt. 

Die  Elemente,  aus  welchen  die  hohe  Sierra  gebildet  ist,  sind, 
wie  sich  zeigt,  dieselben,  welche  in  der  Nähe  des  1 17.  Meridian's 
in  den  Basin  Ranges  getroffen  werden.  So  mag  man  dieses  Hoch- 
gebirge selbst  den  Basin  Ranges  zuzählen  und  als  den  äusseren 
Rand  des  ganzen  Aufbaues  ansehen. 

Die  ausserordentlichen  Dimensionen  der  Scholle,  die  steile 
Neigung  der  Schiefer  gegen  NO.,  unter  den  Kamm  des  Gebirges, 
der  Umstand,  dass  der  Granit  nicht  nur  am  Fusse  und  am  Kamme, 
sondern  auch  in  Inseln  innerhalb  der  Schiefer  hervortritt,  sind  sehr 
bemerkenswerth,  und  man  begreift  die  Zurückhaltung,  mit  welcher 
im  Angesichte  dieser  Erfahrungen  selbst  nach  so  langen  und  ernsten 
Forschungen  sich  Whitney  in  Bezug  auf  die  Bildung  der  Sierra 
ausspricht,  nur  zur  Erklärung  der  ausserordentlichen  Mächtigkeit 
die  Zurückfaltung  der  Schiefer  auf  sich  selbst  als  wahrscheinlich 
andeutend.'*^ 

Diese  Verhältnisse  erinnern  an  den  Nordrand  der  Finsteraar- 
horn-Masse.  Das  widersinnige  Einfallen  sehr  mächtiger  Schichten- 
complexe  an  dem  Aussenrande  grösserer  Gebirgstheile  ist  in  den 
Alpen  eine  weit  verbreitete  Erscheinung.  In  Westamerika  scheint 
sie  viel  seltener  zu  sein,  und  es  mag  das  mit  dem  Umstände  in  Zu- 
sammenhang stehen,  dass  weitgehende  Ueberschiebung  hier  über- 
haupt nur  in  einzelnen  Zonen  vorzukommen  scheint.  Die  Structur 
des  Westabhanges  der  Sierra  Nevada  möchte,  so  weit  mir  ein 
Urtheil  zusteht,  abgesehen  von  der  horizontalen  Anlagerung  am 
westlichen  Fusse,  unter  allen  westamerikanischen  Gebirgstheilen 
die  grösste  Aehnlichkeit  mit  alpiner  Structur,  und  zwar  mit  der 
Aussenseite  irgend  eines  Stückes  der  Schweizer  Alpen  besitzen. 

Längere  Kettenstücke  der  Basin  Ranges  zeigen  Gonvexität 
gegen  West;  ich  betrachte  die  Sierra  Nevada  als  gegen  West 
überschoben. 

Der  steile  östliche  Abbruch  ist  der  Schauplatz  des  Erdbebens 
vom  26.  März  1872  gewesen,  an  welchem  Tage  nach  Whitney 
der  Schlag  gleichzeitig  auf  der  ganzen  Strecke  vom  34.  bis  zum 
38.  Breitegrade  eintrat  (S.  loi). 


JaS  Die  Coast  Ranges  Californien's. 

Die  Coast  Ranges.  Westlich  von  dem  californischen 
Längenthaie  erheben  sich,  an  vielen  Stellen  5000  Fuss  erreichend, 
oft  mit  steilem  Abfalle  gegen  den  pacifischen  Ocean,  die  Coast- 
Ranges.  Auch  in  der  Besprechung  dieser  Gruppe  ist  Whitney 
unser  Führer/^ 

In  den  Coast  Ranges  ist  ein  einheitlicher  First  oder  eine 
Hauptkette  nicht  vorhanden.  Zahlreiche  einzelne  Ketten,  von 
einer  gemeinsamen  Streichungsrichtung  beherrscht  und  aus  ähn- 
lichen Felsarten  zusammengesetzt,  laufen  neben  einander  her  und 
lösen  sich  gegenseitig  ab,  etwa  den  Ketten  des  Schweizer  Jura- 
gebirges einigermassen  vergleichbar.  Ihr  Bau  ist  jedoch  nicht  so 
regelmässig  wie  jener  des  Juragebirges  und  mehr  eine  Zerknitte- 
rung als  eine  Faltung  zu  nennen.  Antiklinale  Züge  wechseln  mit 
monoklinalen  Rücken  und  gehen  ineinander  über.  Im  Süden  sind 
diese  Einzelketten  besonders  zahlreich  und  durch  viele,  aus  der 
Zeit  der  spanischen  Missionen  herrührende  Namen  bezeichnet,  wie 
Sierra  S.  Monica,  S.  Inez,  S.  Rafael  u.  And. 

Die  nördlichen  Ausläufer  der  Sierra  de  la  S.  Cruz  schliessen 
die  grosse  und  merkwürdige  Bucht  von  S.  Francesco,  während 
landeinwärts  die  Gruppe  des  M.  Diablo  diese  Bucht  von  dem 
Hauptthale  des  S.  Joaquin  trennt.  Weiter  gegen  Nord,  bis  gegen 
den  Klamathfluss,  ist  der  Bau  mehr  einheitlich  und  es  verschwin- 
den die  Einzelnamen. 

In  dem  ganzen  Gebiete  der  Coast  Ranges  ist  mit  Ausnahme 
des  Fundes  einer  Aucella,  welche  höchst  wahrscheinlich  dem 
oberen  Jura  zuzuzählen  ist,  bis  heute  unter  den  Ablag-erungen  der 
unteren  Kreide  noch  kein  Glied  einer  älteren  mesozoischen  oder 
paläozoischen  Ablagerung  bekannt. 

Im  Süden,  in  der  Umgebung  von  los  Angeles,  am  Meeres- 
ufer bei  S.  Barbara  bis  P.  Concepcion  und  an  vielen  Punkten  im 
Innern  des  Gebirges  tritt  fein  gebänderter,  vielfach  gefaltetei 
Schiefer  von  wahrscheinlich  mitteltertiärem  Alter  auf,  die  Lager 
Stätte  beträchtlicher  Mengen  von  Asphalt  und  Erdöl.  Er  ist  über 
lagert  von  miocänem  Sandstein,  welcher  auch  an  den  Bev^regunger 
des  Gebirges  theilgenommen  hat. 

Unter  dem  bituminösen  Schiefer  ist  eine  Vertretung-  der  Eocän 
zeit  bisher  nicht  bekannt;   die  nächstälteren  Schichten   gehörei 


Gesteine  der  Coast  Ranges.  749 

der  Kreideformation  an.  Unter  dieser,  streckenweise  aber,  wie  es 
scheint,  unmittelbar  unter  den  Tertiärbildungen,  treten  Granit, 
Hornblendeschiefer  und  metamorphische Schiefer  hervor;  sie  bilden 
die  höchsten  Theile  der  Ketten. 

Einzelne  Beobachter  scheinen  sich  der  Ansicht  zu  nähern, 
dass  diese  Felsarten,  insbesondere  der  Granit,  welcher  die  Unter- 
lage des  südlichen  Theiles  der  Coast  Ranges  bildet,  identisch  sei 
mit  dem  Granit  der  Sierra  Nevada  jenseits  des  T(5jon-Passes; 
Whitney  dagegen  bestreitet  diese  Uebereinstimmung  und  spricht 
sich  mit  aller  Entschiedenheit  für  das  junge,  tertiäre  Alter  des 
Granites  der  Coast  Ranges  aus;^*  man  geht  sogar  so  weit,  dass 
Glimmerschiefer  von  miocänem  Alter  anerkannt  wird.  Allgemein 
wird  zugegeben,  dass  die  unter  dem  bituminösen  Schiefer  liegende 
Kreideformation  beträchtliche  Veränderungen  erfahren  habe,  und 
dass  ihr  die  zahlreichen  Serpentinzüge  der  Coast  Ranges  ange- 
hören. Insbesondere  sind  es  Lagen  von  unreinem,  rothem  und 
grünem  Jaspis  in  Begleitung  von  unreinem  Serpentin  und  hartem, 
petrefactenlosem  Sandstein,  welche  diese  Theile  der  Kreideforma- 
tion bezeichnen.  Sie  sind  weit  im  Süden  bekannt,  erreichen  aber 
erst  weiter  im  Norden  grosse  Bedeutung.  Diese  Felsarten  um- 
schliessen  einen  grossen  Reichthum  an  Quecksilber.  Die  Werke 
von  New-Idria,  New^Almaden,  am  Clear  Lake  u.  And.  geben  da- 
von Zeugniss. 

Im  Süden  herrschen  die  Tertiärablagerungen  vor;  gegen 
Nord  treten  sie  zurück  und  die  Kreidebildungen  gewinnen  an 
Ausdehnung.  Nördlich  vom  Clear  Lake  sind  die  ersteren  beinahe 
verschwunden.  Die  Kreideformation  ist  mit  Ausnahme  weniger 
Strecken  sehr  arm  an  organischen  Resten  und  vorherrschend  aus 
Schiefer  und  Sandstein  zusammengesetzt;  Einlagerungen  von  hy- 
draulischem Kalk  erhöhen  die  Aehnlichkeit  mit  dem  cretacischen 
Flysch.^9 

Gabb  hat  die  californische  Kreide  in  vier  Glieder  getrennt, 
und  zwar:  die  T^jon- Gruppe,  den  höchsten  Theilen  entsprechend, 
hier  der  einzige  kohlenführende  Horizont;  die  Martinez-Gruppe, 
von  geringer  Verbreitung  und  noch  nicht  festgestellter  Selbstän- 
digkeit; die  Chi  CO -Gruppe,  von  allen  die  bedeutendste;  sie  er- 
streckt sich  bis  Oregon  und  Vancouver  und  scheint  das  älteste 


n^O  Nieder-Cali  fornien . 

Glied  an  dem  Fusse  der  Sierra  Nevada  zu  sein ;  eines  der  leiten- 
den Fossilien  ist  Trigonia  Evansi;  sie  dürfte  wohl  annähernd  der 
Dakota-Gruppe  und  dem  Cenoman  gleichstehen,  vielleicht  mitEin- 
schluss  höherer  Stufen;  das  tiefste  Glied  endlich  ist  die  Shasta- 
Gruppe,  wahrscheinlich  Unterabtheilungen  verschiedenen  Alters 
umfassend,  vom  Alter  des  Gault  und  Neocom;  sie  ist  bis  Puget 
Sound  im  Norden  bekannt  und  enthält  Arten  von  Ancyloceras, 
Crioceras,  Helicancylus,  Diptychoceras  u.  And.  Dies  ist  der  älteste 
versteinerupgsführende  Horizont  in  den  Coast  Ranges,  mit  Aus- 
nahme eines  Vorkommens  von  Aucella  Piochi  in  der  Nähe  des 
Clear  Lake,  welche  der  Aue.  Mosquensis  des  höchsten  Theiles 
der  russischen  Juraablagerungen  nahe  steht.^"* 

Endlich  sind  in  diesen  Gebirgen  auch  junge  vulcanische  Bil- 
dungen vorhanden.  Der  wichtigste  Zug  derselben  liegt  nördlich 
von  der  Bucht  von  S.  Francesco  und  streicht  von  Süd  g'eg'en  Nord 
über  den  Mt.  Helena  zum  Clear  Lake.  — 

Ein  Bericht  von  Gabb  bietet  die  erwünschte  Gelegenheit,  die 
Zusammensetzung  der  Halbinsel  Nieder-Californien  zu  ver- 
gleichen. Gabb  erkennt  in  derselben  die  unzweifelhafte  Fort- 
setzung der  Coast  Ranges,  und  in  der  That  sind  nicht  nur  die 
Gesteine  dieselben,  sondern  auch  die  Anordnung  der  Ketten.^' 

Ein  ununterbrochener  granitischer  Zug  erstreckt  sich  von  den 
S.  Gabriel-Bergen  in  den  obercalifornischen  Coast  Rang-es  durch 
die  Grafschaften  los  Angeles,  S.  Bernardino  und  S.  Dieg-o  zur  west- 
lichen Hälfte  der  Halbinsel  und  dürfte  N.  von  der  grossen  Bucht 
von  S.  Sebastiano  Vizcaino  enden.  Er  ist  an  der  Westseite 
streckenweise  von  älteren  Eruptivgesteinen  begleitet  und  trägt 
einzelne  Kuppen  und  Decken  von  Trachyt  und  Basalt.    Oestlich 

m 

von  diesem  Granitzuge  taucht  im  nördlichen  Theile  der  Halbinsel 
unter  öden  basaltischen  Decken  ein  zweiter  Granitzug-  hervor, 
welcher  der  Ostküste  folgt  und  noch  weiter  gegen  Süd,  bis  in  die 
Gegend  von  S.  Gertrudis,  reicht.  Zwischen  diesen  Zügen,  in  der 
Nähe  von  Calamujuel,  sind  Quarzit,  Glimmerschiefer,  Talkschiefer 
und  Jaspis-führende  Lagen  vorhanden,  welche  als  veränderte 
Theile  einer  ausgebreiteten  Decke  von  versteinerungsleerem  Sand- 
stein, dem  Mesa-Sandstein,  angesehen  werden,  welcher  dem  ter- 
tiären Sandstein  von  Obercalifornien  entspricht. 


Nicder-Californien.  75  ^ 

Die  S.  Clara-Berge,  welche  von  der  Sebastiansbucht  zur 
Balenasbucht  streichen,  bilden  wahrscheinlich  einen  dritten,  selb- 
ständigen Granitzug. 

Bei  S.  Ignacio  erheben  sich  einige  kleinere,  junge  Aschen- 
kegel, welche  durch  junge  vulcanische  Bildungen  quer  über  die 
Halbinsel  in  Verbindung  stehen  mit  dem  weit  höheren,  ebenfalls 
vulcanischen  Cerro  de  las  Virgen  es. 

Von  hier  an  bis  gegen  la  Paz  hinab  scheint  die  Halbinsel 
einen  ziemlich  regelmässigen  Bau  zu  besitzen.  Die  Sierra  Gi- 
gantea,  etwa  3000  Fuss  hoch,  läuft  nahe  an  der  Ostküste  hin, 
welche  auf  lange  Strecken  hin  ausserordentlich  steil  abbricht,  wäh- 
rend die  Abdachung  gegen  den  pacifischen  Ocean  flach  ist.  Das 
Land  besteht  hier  vornehmlich  aus  dem  bereits  erwähnten  Mesa- 
Sandstein,  in  welchem  Gabb  keine  organischen  Reste  antraf. 
Dieser  liegt  im  Westen  flach,  ist  dort  in  Mesa's,  d.  i.  in  Tafelberge 
aufgelöst,  steigt  gegen  Ost  bis  auf  die  Höhe  der  Sierra  Gigantea, 
befindet  sich  dort  in  gestörter  Lagerung,  und  bei  Loreto  wird 
unter  demselben  Granit  sichtbar.  In  diesem  Sandstein  treten  zahl- 
reiche grosse  Blöcke  eines  alten  Eruptivgestein 's  auf,  welche  nicht 
von  der  heutigen  Halbinsel,  sondern  von  Osten  her,  aus  der  Ge- 
gend des  Golfes,  zu  stammen  scheinen. 

Der  Mesa-Sandstein  setzt  sich  nach  Süden  fort,  bis  wieder 
in  der  Kette  der  Cacachilas,  welche  die  Bucht  von  la  Paz  vom 
californischen  Golf  abtrennt,  Granit  hervortritt,  an  welchen  sich 
Glimmerschiefer  anschliesst ;  diese  letzteren  Felsarten  bilden  den 
südlichsten,  hohen  Theil  der  Halbinsel ;  S.  Lazaro  erreicht  hier 
5000  Fuss. 

Ausser  den  angeführten  Bildungen  werden  sehr  junge,  als 
postpliocän  bezeichnete  Meeresbildungen  bis  zu  4 — 500  Fuss 
über  dem  heutigen  Strande  an  vielen  Orten  angetroffen. 

Xdnthus  bemerkt,  dass  bei  Marques,  unweit  von  la  Paz,  ein 
bedeutender  alter  Quecksilberbau  vorhanden  sei.^*  — 

Die  Nachrichten,  welche  mir  über  das  östliche  Ufer  des  cali- 
fornischen Golfes  vorliegen,  sind  sehr  unvollständig;  immerhin 
lässt  sich  aus  denselben,  wie  z.  B.  aus  Weidner's  Angaben  über 
Sinaloa*^^  entnehmen,  dass  die  Gebirge  durchwegs  das  südöst- 
liche Streichen  einhalten,  und  dass  es  in  der  That  die  gegen  SO. 


752 


Califomische  Tiefenlinie. 


gewendeten  Basin  Ranges  sind,  welche  in  die  mexicanischen  Ge- 
birgszüge fortsetzen. 

Die  Grenze  zwischen  den  Coast  Ranges  auf  der  einen,  der 
Sierra  Nevada,  den  Basin  Ranges  und  den  mexicanischen  Gebirgs- 
zügen auf  der  andern  Seite  läuft  also  von  den  Quellen  des  Sacra- 
mento  durch  das  califomische  Längenthal,  über  den  Tulare-See 
zum  Tejon-Passe,  zur  Mündung  des  Colorado  und  durch  den  cali- 
fornischen  Golf. 

Dies  erinnert  an  die  Tiefenlinie,  welche  von  der  Wüste  Ata- 
cama  durch  das  chilenische  Längenthal  zum  Busen  von  Corcovado 
zieht.  In  der  That  ist  die  Uebereinstimmung  des  Baues  und  der 
Zusammensetzung  der  californischen  Coast  Ranges  und  der  süd- 
amerikanischen Küsten-Cordilleren  sehr  bemerkenswerth.  Hier 
wie  dort  bilden  granitische  Ketten  die  Unterlage ;  hier  wie  dort 
fehlt  über  denselben  jede  nachweisbare  Spur  der  paläozoischen 
und  der  ganzen  unteren  Hälfte  der  mesozoischen  Serie. 

Mit  Ausnahme  sehr  weniger  Spuren,  welche  der  Juraforma- 
tion zuzuzählen  sind,  beginnt,  wenigstens  nach  dem  dermaligen 
Stande  der  Kenntnisse,  allenthalben,  vom  nördlichen  Colifornien 
bis  nach  Cap  Hoorn  hinab  die  geschichtete  Serie  mit  der  unteren 
Kreide.  Serpentinzüge  sind  an  vielen  Orten  sichtbar.  Das  Queck- 
silber der  californischen  Ketten  wiederholt  sich  in  Peru  in  der 
Kreideformation,  allerdings  in  der  östlich  den  KüstencordiUeren 
folgenden  Sierra ;  Vulcane  sind  diesen  Zügen  aufgesetzt,  im  Süden 
wie  im  Norden,  und  sehr  häufig  zeigen  sich  beträchtliche  Mengen 
alter,  vielleicht  cretacischer  Eruptivgesteine. 

Es  ist  offenbar  ein  einziger,  trotz  der  ausserordentlichen  Ent- 
fernungen ursachlich  zusammenhängender  Typus  des  Gebirgs- 
baues,  welchem  auch  die  Cordillere  der  Antillen  angehört,  und 
viele  Merkmale  f  rinnern  an  die  Flysch-Gebirge  Europa's. 

Während  auf  diese  Art  die  Gebirge  Obercalifornien's  sich 
gegen  Süden  fortsetzen,  verschwinden  sie  gegen  Norden  unter 
einer  Fluth  von  jüngeren  Laven.  Der  Granit  der  Sierra  Nevada 
bricht  ab,  es  erhebt  sich  Lassen's  Peak  zu  etwa  10.500  Fuss  und 
von  diesem  Punkte  an  erstreckt  sich  durch  mehr  als  800  Kilom. 
nordwärts  das  grosse  Gebiet  der  Laven.  Es  umfasst  die  ge- 
sammte  Cascade  Range,  bedeckt  sehr  grosse  Flächen  in  Oreg-on, 


Lavafluth  der  Cascade  Range.  753 

Washington  und  Idaho  und  greift  weit  in  die  umliegenden  Staaten. 
Le  Conte,  welcher  die  Ausdehnung  dieses  vulcanischen  Gebietes 
jener  von  ganz  Frankreich  gleichstellt,  hat  gezeigt,  dass  am  Co- 
lumbiaflusse unter  den  nahe  an  4000  Fuss  mächtigen  Lavaströmen 
sehr  junge  Tertiärablagerungen  mit  Resten  von  Eichen  und  Nadel- 
hölzern liegen.^*  Im  nördlichen  Californien,  NNO.  von  Lassen's 
Peak,  erreicht  M.  Shasta  14.400  Fuss  und  beherrscht  weithin  die  nur 
etwa  3000  Fuss  hohe  Umgebung ;  eine  lange  Reihe  beschneiter 
Vulcane  sitzt  theils  auf  der  Höhe  der  Cascade  Range,  mit  ihren 
Ergüssen  sie  aufbauend,  theils  W.  von  diesem  Höhenzuge,  so 
M.  Hood  (i  1.225  Fuss)  in  Oregon  und  der  mächtigste  von  allen, 
M.  Rainier  (14.444  Fuss)  in  Washington  Territ.,  welcher  auf 
seinem  höchsten  Theile  einen  Krater,  an  seinen  Abhängen  Gletscher 
zeigt.  Hague  und  Idding  haben  die  Felsarten  untersucht ;  sie  fan- 
den Basalt,  Hypersthen-Andesit,  Hornblende -Andesit  und  auf 
Lassen's  Peak  auch  Dacit.*^^ 

An  einzelnen  Stellen  werden  an  dem  Fusse  von  Cascade 
Range  kleinere  Kuppen  von  Granit  und  Schiefer  sichtbar;  das  sind 
die  Reste  des  überflutheten  und  begrabenen  Gebirges,  welches 
im  Norden,  in  Brit.  Columbien,  wieder  hervortritt.  Die  Laven 
scheinen  ohne  wesentliche  Unterbrechung  bis  an  jenen  Theil  des 
Snake  River  zu  reichen,  wo  die  vom  Bärensee  kommenden  Falten- 
züge unter  die  Basalte  hinabtauchen  (Taf.  VI).  — 

Gegen  Ost,  jenseits  der  Lavaflächen,  liegt  zu  viel  unbekanntes 
Land,  als  dass  es  möglich  wäre,  die  merkwürdigen  Berichte  von 
Hayden  und  Holmes  über  das  vulcanische  Gebiet  des  Yellowstone 
mit  den  Berichten  über  andere  Strecken  in  Verbindung  zu  bringen  ; 
ich  wende  mich  daher  weiter  gegen  Norden. 

Britisch-Columbien.  Nach  G.  M.  Dawson's  Beobach- 
tungen liegt  der  See  Winnipeg  noch  innerhalb  jener  Tafel  flach  ge- 
lagerter, silurischer  Schichten,  welche  wahrscheinlich  einmal  mit 
jenen  der  Hudson's-Bay  in  ununterbrochener  Verbindung  standen. 
Westlich  von  dem  See  befindet  sich  noch  eine  ziemlich  breite  de- 
vonische Zone,  welche  Salz  und  Erdöl  enthält  und  sich  bis  über 
den  Athabasca  fortsetzt ;  sie  liegt  fast  horizontal  und  wird  gegen 
West  von  den  Kreidebildungen  der  Ebene  bedeckt,  welche  W.  vom 


754  Kreide  in  Brit  Columbien. 

Winnipegosis  mit  einer  merklichen  Stufe  beginnen  ;  diese  Stufe  ist 
die  Fortsetzung  jenes  Abhanges,  welcher  iDereits  an  dem  linken 
Ufer  des  unteren  Red  River  erwähnt  worden  ist. 

Ganz  wie  im  Süden  breitet  sich  die  Kreideformation  über 
die  Ebene;  sie  bildet  einmal  eine  flache  Mulde  und  legt  sich  wieder 
flach,  doch  mit  geringer  Neigung  gegen  West;  etwa  15 — 3oKilom. 
vor  dem  Fusse  der  Rocky  Mountains  beginnen  parallele  Störun- 
gen; es  kommen  sogar  überschlagene  Falten  vor,  und  an  dem 
Saume  des  Gebirges  fallt  zwischen  49°  und  50**  n.  Br.  die  Kreide- 
formation widersinnig  gegen  die  Rocky  Mountains  ein.  Dawson 
erklärt  diese  Lagerung  als  die  Folge  einer  grossen  Verwerfung 
mit  östlichem  Absinken,  welche  den  Fuss  des  Gebirg-es  beg-leitet/" 

Die  Laramiestufe  enthält,  indem  sie  sich  den  Rocky  Moun- 
tains nähert,  mehr  und  mehr  Spuren  des  nahen  Ufers;  in  ihrem 
unteren  Theile  ist  sie  kohlenführend;  Dawson  vermuthet,  dass  die 
Rocky  Mountains  selbst  die  Uferlinie  gebildet  haben.  Aehnliche 
Vermuthungen  haben  wir  auch  im  Süden,  sogar  bis  N.  Mexico 
getroffen. 

Auch  viel  weiter  gegen  Nord,  etwa  in  55°  30',  wo  der  Pine 
River,  ein  südlicher  Zufluss  des  Feace  River,  aus  dem  Gebirge 
getreten  ist,  fand  Dawson  ähnliche  Verhältnisse;  die  Laramie- 
stufe enthält  viel  Sandstein  und  Gerolle,  und  die  cretacischen 
Schichten  sind  bis  auf  etwa  25  Kilom.  vom  Fusse  des  Gebirges 
gestört  und  sogar  streckenweise  überworfen.  Hier  im  Norden  be- 
steht die  äussere  Kette  aber  nicht  aus  archaischen  und  'paläozoi- 
schen, sondern  aus  paläozoischen  Felsarten  und  der  marinen  Trias 
mit  Monotis  subcircularis." 

Die  Hochgebirge  zwischen  diesem  äusseren  Saume  der  Rocky 
Mountains  und  der  pacifischen  Küste  sind  zwar  erst  auf  einzelnen 
Querlinien  durch  Hector,  Selwyn  und  Dawson  bekannt  g-eworden, 
aber  es  lässt  sich  deutlich  entnehmen,  dass  hier  durchweg-s  ziem- 
lich paralleles  Streichen  gegen  NW.  herrscht  und  der  Bau  folg- 
lich weit  einfacher  ist,  als  in  den  Vereinigten  Staaten. ^^ 

Dawson  unterscheidet  in  Brit.  Columbien  vier  parallele  Ketten. 
Die  erste  bilden  die  Rocky  Mountains,  in  welchen  im  Norden 
jene  devonischen  Ablagerungen  wieder  sichtbar  werden,  welche 
östlich  vom  Mackenzie  in  flacher  Lagerung  vorkommen.  Die  zweite 


Schichtfolge  in  den  columbischen  Gebirgen.  7  S  S 

Kette  ist  Gold  Range;  sie  grenzt  gegen  West  an  eine  breite,  von 
jungen  Laven  und  von  Süsswasserablagerungen  bedeckte  Tafel- 
fläche; jenseits  von  dieser  Fläche  erhebt  sich  die  Coast-  oder 
Cascade-Range,  welche  hier  nicht  mehr  unter  den  Laven  be- 
graben ist,  und  welche  selbstverständlich  nicht  mit  den  Coast- 
Ranges  Californien's  zu  verwechseln  ist;  die  vierte  Kette  ist  Van- 
couver  Range;  sie  erhebt  sich  aus  dem  Meere  und  die  Queen 
Charlotte-Inseln  gehören  ihr  an. 

Die  Rocky  Mountains  werden  von  demselben  lieobachter 
ausdrücklich  als  die  Fortsetzung  derselben  paläozoischen  Tafeln 
erklärt,  welche  unter  der  grossen  östlichen  Ebene  liegen.  Die  meso- 
zoischen Ablagerungen  zeigen  allerdings  wesentliche  Veränderun- 
gen in  ihrer  Verbreitung.  Im  Süden  greift  der  rothe  Sandstein 
mit  Gyps,  welcher  die  Trias  vertritt,  von  den  Ebenen  her  an  die 
Rocky  Mountains  und  lässt  sich  bis  an  den  Wahsatch  verfolgen ; 
dann  fehlt  die  Trias  durch  einen  ziemlich  breiten  Streifen  Landes, 
und  in  den  westlichen  Basin  Ranges  erscheint  sie  als  eine  marine 
Ablagerung  mit  Meekoceras,  Monotis  subcircularis  u.  And.  Im 
Norden  dagegen  reicht  die  letztere  Entwicklung  der  Trias  über  die 
ganze  Breite  des  Gebirges ;  solche  Ablagerungen  mit  Monotis  sub- 
circularis treten  im  Westen  auf  Moresby  Island  (Queen  Charlotte- 
Archipel,  53."  nördl.  Br.)  unter  der  Kreideformation  von  californi- 
schem  Typus  hervor  und  an  der  Ostseite  des  Gebirges,  am  Peace 
River  und  Pine  River  sind  dieselben  Ablagerungen  in  Berührung 
mit  Kreideschichten  des  östlichen  Typus,  welche  jenen  von  Dakota 
und  von  Colorado  gleichen.''^ 

An  mehreren  Stellen,  und  insbesondere  auf  Vancouver,  er- 
scheinen jene  Aucellen-Schichten  wieder,  welche  in  den  californi- 
schen  Coast  Ranges  erwähnt  worden  sind.  Whiteaves  betont  die 
volle  Uebereinstimmung  der  californischen  Aue.  Piochi  mit  Aue. 
Mosquensis  und  zählt  die  ganze  Schichtgruppe  noch  der  unteren 
Kreide  zu ;  ich  betrachte  diese  Schichten  mit  Neumayr  als  bis 
nach  Californien  dringende  Ablagerungen  eines  borealen  Meeres 
aus  der  Zeit  des  Schlusses  der  Juraformation.^" 

Alaska  und  die  Aleuten  werden  im  Zusammenhange  mit  Ost- 
asien zu  besprechen  sein.  Eine  Fortsetzung  der  Küsten-Cordilleren 
scheint  in  Brit.  Columbien  nicht  erkennbar  zu  sein. 


7  «5  6  Uebersicht  von  N.-Amerika. 

Uebersicht.  Nachdem  die  Brüder  Rogers  ihre  denkwürdige 
Geologie  von  Pennsylvanien  veröfifentlicht,  nachdem  der  Bauplan 
des  östlichen  Amerika  durch  eine  lange  Reihe  sich  g-egenseitig 
ergänzender  Untersuchungen  festgestellt  war,  sind  nun  im  Westen 
durch  die  in  Wetteifer  vereinten  Bemühungen  einer  Schaar  von 
ausgezeichneten  Forschern  die  ersten  Grundzüge  der  Structur  eines 
der  merkwürdigsten  und  ausgedehntesten  Hochg-ebirg-sländer  der 
Erde  glücklich  enthüllt  worden.  Wer  diese  ersten  Grundzüge  zu 
überblicken  versucht,  darf  ein  Wort  der  Dankbarkeit  nicht  zurück- 
halten gegen  jene  Männer,  welche  diesen  werth vollen  Erfolg  mit 
der  Arbeit  ihrer  besten  Lebenskraft  bezahlt  haben. 

Von  Nova  Scotia,  selbst  von  Neu-Fundland  ziehen  grosse 
Falten  durch  den  Osten  herab  bis  nach  Alabama;  sie  sind  nicht 
ganz  parallel  und  sie  sind  auch  zu  verschiedenen  Zeiten  entstan- 
den, aber  sie  verfolgen  doch  alle  beiläufig  die  Richtung-  gegen 
Südwest,  welche  auch  die  Richtung  der  heutigen  Küste  ist,  und 
zeigen  eine  lange  anhaltende  oder  oft  wiederholte  tang-entiale  Be- 
wegung, welche  gegen  West  und  Nordwest,  d.  i.  landeinwärts 
gerichtet  ist.  Der  atlantische  Ocean  liegt  daher  an  der  Rückseite 
oder  Innenseite  dieser  Falten. 

Weiter  gegen  West  verflachen  diese  Falten;  endlich  tritt  eine 
grosse  cenomane  Transgression  ein,  deren  Spuren  übrigj-ens  auch 
an  dem  atlantischen  Ocean,  auf  N. -Jersey,  nicht  fehlen. 

Die  Ablagerungen  der  mittleren  und  oberen  Kreide  bilden 
von  Texas  bis  weit  gegen  Norden  den  Untergrund  des  Llano  esta- 
cado  und  der  Prairie'en ;  sie  greifen  in  das  Gebirge  ein  und  er- 
reichen wahrscheinlich  im  Süden  die  Verbindung  mit  der  pacifi- 
schen  Küste.  Aus  ihnen  besteht  die  ebene  Mitte  des  Continentes; 
sie  schliessen  mit  einer  grossen  Brackwasser-  und  Süsswasser- 
Bildung,  dem  Laramie-Binnensee,  welcher  von  den  Ufern  des 
Peace  River  bis  zu  jenen  des  Rio  Grande  del  Norte  reicht.  Die 
weithin  flach  gelagerten  mesozoischen  Ablagerungen  der  Ebenen 
sind  hart  am  Fusse  der  ersten  Ketten  der  Rocky  Mountains,  wie 
der  Front  Range  in  Colorado,  plötzlich  steil  aufgekantet,  als  wären 
sie  geschleppt  an  einem  grossen  Bruche.  Gegen  Süden,  in  Neu- 
Mexico,  sind  sie  auch  etwas  widersinnig  überbogen  ;  am  heftig-sten 
sind  die  Bewegungen  im  Norden,  an  den  oberen  Zuflüssen  des 


Uebersicht  von  N.- Amerika.  757 

Saskatchevan  und  des  Athabasca,  wo  eine  etwas  breitere  Zone 
wiederholter  Störungslinien  vorhanden  ist. 

Die  Rocky  Mountains  bestehen  von  ihrem  Beginne  bei  Ga- 
listeo  in  Neu-Mexico  bis  an  die  Masse  des  T^ton,  also  beiläufig 
von  35°  30'  bis  43"  30',  aus  mächtigen  Höhenzügen,  welche  an 
einer  geraden,  im  Meridian  verlaufenden  Linie  hinter  einander 
auftreten  und  deren  jeder  das  Bestreben  hat,  gegen  Nordwest 
abzulenken,  so  dass  sogar  der  breite,  in  West  streichende  Rücken 
des  Uinta  sich  dieser  eigenthümlichen  Virgation  anschliesst. 
Diese  Höhen  sind  zum  grossen  Theile  zu  breit  angelegt,  um  als 
Antiklinalen  gelten  zu  können,  und  die  einfach  aufgeschleppten 
Ränder  der  mesozoischen  Sedimente  umsäumen  nicht  nur  die 
grösseren  Massen,  sondern  auch  kleinere  Stöcke,  welche  wie  Pflöcke 
hervorragen.  Aus  diesem  Grunde  wurde  hier  die  Umgebung  der 
Berge,  und  insbesondere  das  Colorado -Plateau  als  gesenkt  an- 
gesehen, und  die  grossen  Flexuren,  welche  es  umgeben,  wurden 
als  peripherische .  Randflexuren  des  Senkungsfeldes  betrachtet. 
Die  Höhen  erhalten  hiedurch  die  Merkmale  von  Horsten,  und  auch 
die  mächtigen  Hochtafeln  von  Utah  mussten  als  Ergebnisse  un- 
gleichförmiger Senkung  aufgefasst  werden.  In  diese  Region  ist 
der  Canon  des  Colorado  eingesenkt. 

Die  Sedimente  von  Binnensee'n  aus  verschiedenen  Abtheilun- 
gen der  Tertiärformation  breiten  sich  in  dem  Senkungsgebiete  des 
Colorado-Plateau,  S.  vom  Uinta,  und  auf  dem  Plateau  des  Green 
River,  N.  vom  Uinta,  aus. 

Am  Wahsatch  und  jenseits  der  Hochtafeln  von  Utah  beginnt 
das  Gebiet  des  eingebrochenen  Faltenlandes,  die  Basin  Ranges ; 
sie  setzen  sich  nach  Norden  wie  nach  Süden  fort.  Im  Norden  und 
im  Süden  scheinen  überhaupt  nur  parallele  Ketten  und  keine  der 
Virgation  der  Rocky  Mountains  oder  dem  Plateau  des  Green  Ri- 
ver und  des  Colorado  ähnliche  Einschaltungen  vorhanden  zu  sein. 

Die  Sierra  Nevada,  aus  Gneiss  und  mesozoischem  Schiefer, 
ist  als  eine  gegen  West  überschobene  Faltung,  ähnlich  der  Masse 
des  Finsteraarhorn,  dargestellt  worden;  an  ihrem  westlichen  Fusse 
liegt  flach  die  mittlere  Kreide. 

Oregon  und  Washington  bedeckt  die  grosse  Lavafluth ;  erst 
in  Brit.  Columbien  treten  die  Felsarten  der  Cascade  Range  als 


I 


yc8  Uebersicht  von  N.- Amerika. 

zusammenhängende  Kette  unter  den  Ergüssen  wieder  hervor,  wäl 
rend  südlich  davon  nur  grosse  Vulcane  auf  diesem  Gebirgszug 
sich  erheben.  Vor  der  Cascade  Range  sind  die  Bruchstücke  eim 
weiteren  Kette  auf  Vancouver  und  im  Queen  Charlotte- Archip< 
erhalten. 

In  Californien  folgt  dem  cretacischen  Fusse  der  grossen  Sien 
das  Längenthal,  welches  seine  Fortsetzung  über  den  Tejon-Pa« 
in  den  californischen  Golf  findet.  Was  ausserhalb  dieser  Tiefei 
linien  liegt,  die  californischen  Coast-Ranges  und  die  niedercal 
fornische  Halbinsel,  hat  dieselbe  eigenthümliche  Zusammensetzun 
wie  die  Küsten-Cordilleren  Südamerika's  und  die  Cordillere  d( 
Antillen.  Vom  nördlichen  Californien  bis  Cap  Hoorn,  durch  be 
läufig  95  Breitengrade,  ist  die  pacifische  Küste  von  kurzen  sie 
ablösenden  Ketten  begleitet,  welche  auf  ihrem  ganzen  Verlaufe  ai 
Felsarten  von  archaischem  Gepräge,  aus  vielen  älteren  Eruptiv 
gesteinen  und  ferner  aus  Sedimenten  bestehen,  in  "welchen  di 
ältesten  bisher  gefundenen  Reste  in  Bogota  Spuren  des  Lias,  i 
Californien  Spuren  des  obersten  Horizontes  des  borealen  Jur 
zeigen,  sonst  aber  allenthalben  nur  der  Kreide-  und  Tertiärze 
angehören. 

Darwin  im  äussersten  Süden,  Whitney  im  Norden  haben  sie 
für  das  jugendliche  Alter  der  Granite  dieser  Ketten  ausg-esprocher 

Manche  Anzeichen  verrathen,  dass  in  den  Gebirg-en  des  wesi 
liehen  Amerika  in  unseren  Tagen  Veränderungen  sich  Vollzieher 
Es  ist  vor  wenigen  Jahren  ein  grosses  Erdbeben  an  einem  Haupl 
bruche  beobachtet  worden.  Gilbert  verfolgt  die  Störungen  de 
Terrassen  am  Bonneville-See.  Kratere  liegen  zwischen  diese 
Terrassen ;  andere  Kratere  befinden  sich  auf  der  Hsplanade,  de 
grossen  Abstufung  in  dem  unteren  Theile  des  Canon  des  Colc 
rado,  und  ihre  Laven  sind  in  die  untere  Schlucht  geflossen,  welch 
sicher  von  geringem  Alter  ist.  Auf  der  Sevier -Wüste  sehen  di 
Kratere  und  Laven  der  Fillmore-Gruppe  so  frisch  aus,  dass  Gil 
bert  bemerkt,  es  sei  hier  nicht  mehr  'Grund  zu  der  Annahme  voi 
handen,  dass  die  basaltische  Epoche  abgeschlossen  sei,  als  zu  de 
Annahme,  dass  sie  eben  begonnen  habe.^' 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  XI:  Nordamerika. 


»  Das  Kärtchen  Taf.  VI  soll  nur  die  beiläufige  gegenseitige  Lage  der  wichtigsten 
Theile  der  Rocky  Mountains  und  die  Vertheilung  der  Sedimente  auf  dem  Coloradoplateau 
versinnlichen.  Es  konnte  aber  schon  wegen  der  Kleinheit  des  Maassstabes  eine  rich- 
tige Darstellung  des  Wahsatch  oder  der  schmalen  Faltenzüge  N.  vom  Bärensee  oder 
gar  der  Ränder  der  Flexuren  nicht  beabsichtigt  werden.  I«aramie  ist  allenthalben  zur 
Kreideformation  gezogen.  Die  Gregend  am  Utahsee  wurde  nicht  in  Farben  eingetragen. 
Der  nördliche  Theil  bis  42»  15'  wurde  nach  der  von  Hayden  herausgegebenen  Karte  von 
Peale,  S.  John  und  Endlich,  der  folgende  Streifen  bis  zur  N.  Grenze  von  Colorado,  dann 
West  Uintah  bis  zum  Salzsee  nach  den  von  Clar.  King  veröiFentlichten  Karten,  Ost  Uintah 
nach  Powell,  Colorado  nach  der  Karte  von  Hayden,  das  Hochland  von  Utah  sammt  der 
Umgebung  des  Canon  nach  Dutton,  N.  Mexico  nach  Stevenson  eingetragen. 

2  H.  D.  Rogers,  Rep.  Brit.  Assoc.  1856,  Cheltenham,  und:  The  Geol.  of  Pennsyl- 
vania, 40;  1858  insb.:  On  the  laws  of  Structure  of  the  more  disturbed  Zones  of  the 
Earth's  Crust;  und:  Classification  of  the  several  Types  of  orograph.  Structure  visible  in 
the  Appalachians  and  other  undulated  Mountain-Chains ;  eb.  das.  vol.  ü,  b,  p.  885 — 941. 
Man  hat  seither,  auf  viele  genauere  Beobachtungen  gestützt,  sogar  den  Versuch  gemacht, 
das  Maass  der  seitlichen  Contraction  in  Ziffern  auszudrücken.  Solche  Versuche  unterliegen 
selbstverständlich  grossen  Schwierigkeiten  und  einem  hohen  Maasse  von  Unsicherheit; 
Claypole  nennt  als  das  Verhältniss  der  heutigen  Breite  zu  der  ursprünglichen  die  ZifTern 
65  :  100;  Nature,   1884,  p.  53 1. 

3  H.  Fletcher,  Report  on  the  Explorat.  of  Cape  Breton,  N.  Scot. ;  Rep.  Geol. 
Surv.  Canada  for  1875—76  F,  1876 — 77,  p.  454— 5 13,  1877—78  F,  p.  9  u.  folg.;  Karten, 
und  dess.  Rep.  on  Part  of  the  Counties  of  Richmond,  Inverness,  Guysborough  and  Anti- 
gonish,  N.  Scot.  eb.  das.  1879  —  80  F.  Eine  Uebersichtskarte  in  Dawson,  Acadian  Geol. 
80  Lond.  1868. 

4  J.  Richardson,  Report;  Map  showing  the  Distribution  of  the  low.  Silur. 
Rocks  between  Chaudidre  and  Trois-Pistoles ;  Rep.  Geol.  Surv.  Canad.  for  1866 — 69, 
p.  1 33— 157;  W.  E.  Log  an,  Geol.  of  Canada,  8°  i863,  p.  2,  287,  864  und  an  and.  Ort; 
für  Anticosti  J.  Richardson,  Rep.  for  1853—56,  p.  191 — 245  und  an  and.  Ort. 

5  Für  N.  Braunschweig  nenne  ich  nur  R.  W.  EUs,  Rep.  on  the  Geol.  of  N.  and 
East.  N.  Brunswick  and  the  N.  Side  of  the  Bay  of  Chaleurs;  Rep.  Geol.  Surv.  Can. 
1880 — 82,  D,  Karte,  und  dess.  Rep.  on  the  Geol.  of  Gaspe  Penins.,  eb.  das.  DD.;  ferner 
für  die  Strecke  Quebec— N.- York:  A.  R.  C.  Selwyn,  The  Quebec  Group  in  Geology;  Proc. 
and  Trans.  Roy.  Soc.  Canada,  I,  Montreal,  i883,  Sect.  IV,  1882,  p.  i  — 13,  und  J.  D.  Dana, 
An  Account  of  the  Discov.  in  Vermont  Geol.  of  the  Rev.  Aug.  Wing,  Am.  Journ.  Sc. 
1877,  Xni,  p.  332  —  347,  405  —  419  u.  XIV,  p.  36,  femer  Dana,  On  the  Relations  of 
ihc  Geol.  of  Vermont  to  that  of  Berkshire;  eb.  das.  1877,  XIV,  p.  37-48,  i32— 140, 
202  u.  folgV 

6  J.  B.  Elliott,  The  Age  of  the  Southern  Appalachians;  Am.  Journ.  Sc.  i883, 
XXV,  p.  282—298. 

Surss,  Das  Antlitx  der  Erde.  49 


760  Anmerknngen  zu  Th.  II,  Abschn.  XI.  Nordamerika. 

7  W.  M.  Davis,  The  structural  Value  of  the  Trap  Ridges  of  thc  Conneclicat 
Valley;  Proc.  Boston  Soc.  nat.  Hist.  1882,  XXIF,  p.  Il6— 124. 

8  Rob.  Bell,  Rep.  on  Hudsons  Bay;  Rep.  geol.  Surv.  Can.  1877— 80  C  nnd 
1879—80  C;  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Basin  of  Moose  Riv.;  Rep.  on  the  Geol.  of  the 
Lake  of  the  Woods,  eb.  das.  1880—82  C  und  CC,  mit  Karten,  und  an   and.  Ort. 

9  J.  Stevenson,  Note  on  the  Laramie  Group  of  S.  New  Mexico;  Am.  Journ.  Sc 
1882,  XXII,  p.  370—372;  an  der  Ostseite  des  Rio  Grande  bis  150  Miles  unter  Santa  Fe 
mit  Ostrea,  Corbula  u.  and.  und  mit  Kohle;  auch  White,  Geograph.  Hxtent  of  the  La- 
ramie Group,  eb.  das.  1882,  XXIV,  p.  207—209  u.  insb.  eb.  das.  i883,  XX. VT,  p.  120. 

>o  G.  M.  Dawson,  Rep.  on  an  Explor.  from  Port  Simpson  on  the  Pacif.  Coast  to 
Edmonton  on  the  Saskatchewan ;  Rep.  Geol.  Surv.  Can.  1879—80,  B,  p.   l3o. 

«I  J.  W.  Dawson,  Observ.  on  the  Geol.  of  the  Line  of  the  Canad.  Pacif.  Railway; 
Quart.  Journ.  Geol.  Soc.  1884,  XL,  p.  378,  379. 

>2  H.  Newton  and  W.  P.  Jenney,  Rep.  on  the  Geol.  and  Resources  of  the 
Black  Hills  of  Dakota;  40  Washington,   1880;  Atlas. 

13  C.  A.  Peale,  Rep.  on  the  Green  River  Distr.  in  Hayden,  XI.  Rep.  U.  S.  GeoL 
Surv.  for  1877,  p.  622—629  ^n^-  Jura-Trias  Section  of  S.  E.  Idaho  and  W.  Wyoming, 
Bull.  U.  S.  Geol.  Surv.  1880,  V,  p.  Ii'9— 123;  C.  A.  White,  Fossils  of  the  Jura-Trias  o( 
S.  Idaho,  eb.  das.  p.  105 — II 7. 

»4  F.  V.  Hayden,  Geol.  Map.  of  Colorado  in  Hayden,  X.  Rep.  U.  S.  Geol 
Surv.  f.  1876. 

'5  Ich  will  hier  auf  die  lehrreiche  Schilderung  verweisen,  welche  G.  v.  Rath  gt- 
gcben  hat;  Sitzungsber.  Niederrhein.  Ges.  Nat.  Heilk.  Bonn,  Sitzung  v.  7.  Jan.  1884. 

>6J.  J.  Stevenson,  Geol.  Examin.  in  S.  Colorado  and  North.  N.  Mexico; 
G.  M.  Wheeler,  Rep.  U.  S.  Geograph.  Surv.  West  of  the  loo.  Merid.,  vol.  III,  1881; 
40,  Karten. 

17  Ich  berufe  mich  auf  Endlich 's  Karte  in  Hayden  IX.  Rep.  1875,   pl-  XVI. 

18  Hayden  in  G.  Surv.  Rep.  f.  1873,  p.  19;  Arch.  R.  Marvine  eb.  das.  p.  i3i 
u.  folg.,  pl.  H;  Clar.  King,  U.  S.  Geol.  Explor.  of  the  fortieth  Parall.;  vol.  I,  System. 
Geol.  1878,  p.  15  u.  folg.;  Arn.  Hague  eb.  das.  H,  p.  2  u.  folg.;  J.  J.  Stevenson, 
Structure  and  Age  of  the  Rocky  Mount.  Syst.  in  Wheeler's  Rep.  lOO.  Parall.  m,  p.  488 
u.  folg.;  ferner  A.  C.  Peale,  Notes  on  the  Age  of  the  Rocky  Mount.  in  Colorado,  Am. 
Journ.  Sc.  1877,  XIII,  p.  172  — 181,  388;  Stevenson  eb.  das.  p.  297 — 299  und  an 
and.  Ort. 

»9  S.  F.  Emmons,  Abstr.  of  Rep.  on  Geol.  and  Mining  Industry  of  Leadville, 
Col.;  Powell,  Ild  Ann.  Rep.  U.  S.  Geol.  Surv.  f.  1880—81,  p.  211  u.  folg. 

20  F.  M.  Endlich,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Sweetwater  District;  Hayden  G. 
Surv.  Rep.  f.  1877,  p.  3— 141;  Or.  St.  John,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Wind  River 
Distr.  eb.  das.  1878,  I,  p.  175—269;  Peale,  S.  John  and  Endlich,  Geol.  Map  of  Por- 
tions of  Wyoming,  Idaho  and  Utah,  eb.  das. 

21  J.  W.  Powell,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Eastem  Port,  of  the  Uinta-Mountains 
etc.;  U.  S.  Geol.  and  Geogr.  Surv.  of  the  Territ.  II.  Divis.  40,  Atlas,   1876. 

22  Zirkel  vergleicht  ihn  dem  Paragonit-Schiefer  des  Gotthard;  Gl.  ICing  Rep. 
40.  Parall.,  Microsc.  Petrogr.  vol.  VI,  1876,  p.  28;  nach  Wadsworth  ist  es  Glimmer- 
schiefer; Proc.  Boston  Soc.  nat.  Hist  1881,  XXI,  p.  251. 

23  C.  A.  White,  Rep.  on  the  Geol.  of  a  Part  of  NW.  Colorado;  Hayden,  G. 
Surv.  Rep.  f.  1878,  p.  3—59;  insb.  p.  41,  46  und  51. 

24  C.  E.  Du t ton,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  High  Plateaus  of  Utah;  Powell 
U.  S.  Geogr.  Geol.  Surv.  Rocky  Mount.;  40,  1880,  Atlas;  p.  47  u.  folg. 

25  S.  F.  Emmons,  Green  River  Basin,  in  Cl.  King,  Rep.  40.  Parall.  11,  p.  igi 
254;  West  Uinta  Range,  p.  3ii   u.  folg.;  Atlas  fol.  IL 


Anmerkungen  zu  Th.  11,  Abschn.  XI.   Nordamerika.  7^^ 

26  Eine  lehrreiche  Darstellung  der  beiden  ersten  Gruppen  gibt  Cl.  King,  Rcp. 
40.  ParalL,  Osthälfte  des  Atlasblattcs  III,  und  vol.  I,  p.  44  u.  folg.,  p.  154,  745;  dann 
Emmons  eb.  das.  II,  p.  340  u.  folg.,  und  Howell  in  Wheeler,  Rep.  100.  Merid.  III, 
p.  233  u.  folg. 

27  F.  Zirkel,  Microsc.  Petrogr.;  Cl.  King,  Rcp.  40.  Parall.  VI,  p.  50,  58. 

28  A.  Geikie,  On  the  Archaean  Rocks  of  the  "Wahsatch ;  Am.  Journ.  Sc.  1880, 
XIX,  p.  363 — 367;  J.  D.Whitney  and  M.  E.  Wadsworth,  The  Azoic  System  and 
its  proposed  Subdivisions;  Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  Cambridge,   1884,  VII,  p.  499 — 511. 

29  Or.  St  John,  Rep.  on  the  geol.  Field-Work  of  the  Teton-Division ;  Haydcn, 
Gcol.  Surv.  Rep.  f.  1877,  p.  323  u.  folg.  (lat.  43"— 440  15',  long.  1090— 1 120  15'); 
A.  C.  Feale,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  Green  River  Distr.;  eb.  das.  p.  509  u.  folg.  (lat. 
410  45'_43o^  long.  1090  3o'— 1120);  Geol.  Karte  im  Rep.  f.  1878,  I. 

30  G.  K.  Gilbert,  The  Colorado  Plateau  Province  as  a  field  for  geol.  Study; 
Am.  Journ.  Sc.  1876,  3.  ser,  XII,  p.  16 — 24  und  85 — lo3  u.  insb.  die  Berichte  von  Gil- 
bert, Marvine  und  Howell  in  Wheeler,  Geogr.  Surv.  100.  Merid.  Part  III;  ferner 
('1.  C.  Dutton,  Rep.  on  the  Geol.  of  the  High  Plateaus  of  Utah;  Powell,  U.  S.  Geogr. 
Geol.  Surv.  Rocky  Mount.  Reg.  40  1880,  und  Tertiary  History  of  the  Grand  Cailon  Di- 
strict  eb.  das.  40  1882;  Atlas. 

3'  Powell,  Uinta,  p.  176,  2o3,  208. 

32  C.  A.  White,  Rcp.  on  the  Geol.  of  a  portion  of  NW.  Colorado;  Hayden, 
Geol.  Surv,  Rep.  f.  1876,  p.  5 — 60;  insb.  40  —  51.  Die  Note  p.  41  sagt:  ,Indcm  ich  die 
Ausdrücke  ,uplift'  und  ,upthrust'  gebrauche,  beabsichtige  ich  damit  nicht,  irgend  eine 
Meinung  über  die  thatsächliche  Bewegung  bei  der  Dislocation  der  Schichten,  sei  es  nach 
aufwärts  oder  nach  abwärts  auszudrücken.* 

33  S.  F.  Emmons,  Rep.  on  Green  River  Basin;  Cl.  King,  Rep.  Geol.  Explor. 
40.  Parall.  H,   1877,  p.  197. 

34  Dutton,  Tert.  Hist.  Grand  Canon,  pl.  XIX;  einmal  haben  sogar  solche  Strome 
den  Colorado  400  Fuss  hoch  gestaut,  bis  er  sich  wieder  den  Weg  bahnte;  eb.  das.  p.  95. 

35  Dutton,  eb.  das.  p.  93. 

36  F.  Posepny,  Geol.  mont.  Studie  der  Erzlagerstätt.  von  R^zbdnya,  herausgegcb. 
V.  d.  Ungar,  geol.  Gesellsch.  8©,  1874,  S.  190:  ,Wie  könnte  man  sich  anders  das  Vor- 
,kommen  von  verhältnissmässig  dünnen,  aber  langen  Grünsteiogängcn,  die  in  jede  Spalte 
,des  Gesteins  eindringen  und  dünne,  spitzige  Gesteinstheile  einschliessen,  erklären,  als 
,dass  die  weiche  Gcsteinsmassc  durch  den  Druck  des  darauf  lastenden  Gesteins  in  die 
,fertigcn  Spalten  gepresst  wurde?  —  Jedes  der  Erzreviere  .  .  .  hat  seinen  grösseren  Stock 
,von  Eruptivgesteinen,  .  .  .  welche  bei  der  Senkung  herausgepresst  werden,  und  sozu- 
,sagen  das  Maass  der  Senkung  andeuten.'  —  Auch  Dutton,  Geol.  High  Plateau's,  p.  i3o: 
,Eine  genaue  Betrachtung  der  Einzelheiten  vulkanischer  Eruptionen  lässt  den  Eindruck  zu- 
,rück,  dass  sie  hervorgepresst  werden  durch  das  Gewicht  der  Gesteine,  welche  ihre  Rc- 
,servoirs  überlagern,  und  dass  ihr  Austritt  nur  ein  hydrostatisches  Problem  der  ein- 
,fachsten  Art  ist.* 

Z7  Clar.  King,  U.  S.  Geol.  Explor.  40.  Parall.  I,  p.  742  und  an  and.  Ort.  und  die 
Berichte  von  Hague  und  Emmons  eb.  das.  p.  469  u.  folg. 

38  Clar.  King,  eb.  das.  I,  p.  744. 

39  Hague,  ob.  das.  II,  p.  736;  allerdings  möchte  hier  noch  die  Frage  gestattet 
sein,  ob  es  sich  nicht  um  eine  während  der  Faltung  entstandene  Verschiebung  handelt, 
wie  solche  in  Europa  nicht  allzu  selten  sind. 

40  G.  K.  Gilbert,  Contrib.  to  the  History  of  Lake  Bonne ville;  Powell,  IL  Ann. 
Rcp.  U.  S.  Geol.  Surv.  for  1880 — 81,  p.  167  —  200,  mit  Karten  der " Deformation  des  See's, 
Ausser  der  Neigung  der  Terrassen  beschreibt  Gilbert  auch  eine  offenbar  junge  ,Fault- 
scarp*  hart  an  dem  W.  Fu.>se  des  Wahsatch;  sie  ist  3o  — 40  Fuss  hoch  und  wird  von 
Gilbert  als  ein  Beweis  angesehen,  dass  der  Wahsatch  sich  erhebt;  diese  Annahme  ist  .schwer 

49* 


762  Anmerkungen  2ti  Th.  II,  Abscbn.  XI.   Nordamerika. 

in  Einklang  zn  bringen  mit  der  Neigung  der  Terrassen.  Die  Fault-scarp  kann  auch  eai 
standen  sein  durch  Senkung  des  Westflügels.  Dies  sind  Fragen,  deren  Lösung  wir  vo 
der  weiteren  Fortsetzung  dieser  Arbeiten  erhoffen  dürfen.  Gilbert,  A  Thcory  of  th 
Earthquakes  of  the  Great  Basin;  Am.  Joum.  Sc.  1884,  XXVII,  p.  49 — 53. 

4»  Gabb  hat  eine  Anzahl  merkwürdiger  Versteinerungen  von  Volcano,  SO.  toi 
Walkers  Lake,  Nev.,  aus  dem  westlichen  Theile  der  Basin  Ranges,  beschrieben,  wclcb 
theils  der  Trias  mit  Afc.  Ausseeanus  und  Cassianella  lingulata,  theils  einer  Höheren  Stal 
angehören,  die  Gabb  zum  Lias  rechnet.  In  der  That  erinnert  Arietites  Nevadanus  gar  set 
an  europäischen  Lias;  Gabb  stellt  sogar  sämmtliche  bisher  zum  Jura  gerechnete  Schief« 
der  Sierra  in  den  Lias;  Gabb,  Descript.  of  some  secondary  fossils  from  the  Pacifi 
States;  Am.  Joum.  of  Conchol.  V,  1870,  p.  5—18,  pl.  III — VII. 

42  A.  R^mond,  Notice  of  Geol.  Explorations  in  N.  Mexico  (prep.  f.  pnblicatio 
by  J.  D.  Whitney);  Proc.  Calif.  Acad.  Nat.  Sc.  1866,  IH,  p.  243 — 257;  W.  Gab] 
Notes  on  some  Mexican  cretac.  Fossils;  Geol.  Surv.  of  California,  Palaeontology,  11,  i86< 
p.  257 — 276;  derselbe:  Notice  of  a  coli,  of  cretac.  Fossils  from  Chihuahua,  Mex.;  Pro 
Acad.  Nat.  Sc.  Philadelphia,  1872,  p.  263 — 265  beschreibt  auch  von  Nugal,  Chih.,  in  de 
Region  der  dortigen  Silberminen  von  Kimball  gesammelte  Kreide-Petrefacten,  wie  Ama 
Guadeloupae,  Exog.  costata  u.  A. 

43  W.  P.  Jenney,  Notes  on  the  Geol.  of  W.  Texas  near  the  32.  paralL;  An 
Joum.  Sc.  1874,  3.  scr.  VII,  p.  25 — 28.  Der  Llano  Estacado  zeigt  hier  rothen  Sandsteii 
welcher  für  Trias  gehalten  wird,  etwas  braunen  Sandstein,  vermuthlich  schon  cretacisd 
dann  die  Lagen  mit  Exog.  Texana,  Caprina  crassiflbra  und  Amm.  pedemalis,  dann  etv 
3o  Fuss  harten  Kalkstein. 

44  F.  Roemer,  Die  Kreidebildungen  von  Texas  und  ihre  organ.  Einschlüsse;  4* 
Bonn,  1852. 

45  J  D.  Whitney,  Geol.  Surv.  of  California;  Geol.  vol.  I,  1865;  ich  folge  im 
besondere  der  letzten  Darstellung  Whitney 's  in:  The  Auriferous  Gravels  of  the  S.  N< 
vada  of  Calif.,  Mem.  Mus.  Comp.  Zool.  Cambridge,  VI,  1879 — 80,  p.  27 — 52,  505  u.  fol^ 
Für  alle  Einzelheiten  des  Vorkommens  von  Kohle,  Quecksilber  und  Erdöl  die  Berichi 
von  Goodyear  und  Peckham  in  Whitney,  Geol.  Surv.  Calif.  II,  1882,  The  Coa; 
Ranges,  Append.  —  Ferner  Jos.  Leconte,  On  the  Evidence  of  horizontal  crushing  in  tli 
formation  of  the  Coast  Range  of  Calif.;  Am.  Joum.  Sc.  1876,  3.  ser.  XI,   p.  297 — 304. 

46  Insb.  Aurif.  Gravels,  p.  506. 

47  Whitney,  Geol.  Calif.  I,  p.  i — 197  und  Aurif.  Gravels,  p.  15  —  26. 

48  Whitney  and  Wadsworth,  The  Azoic  System;  Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  Can 
bridge,   1884,  VII,  p.  550  und  an  and.  Ort. 

49  Geol.  Calif.  I,  p.  12,  loi. 

50  W.  M.  Gabb,  Palaeontol.  Calif.  1869,  H,  Preface,  p.  XH— XIV. 

5«  Gabb,  Notes  on  the  Geol.  of  lower  California,  in  Whitney,  Geol.  Calif.  I 
Coast  Ranges,  Append.  p.  i37 — 148. 

52  J.  Xdnthus,    Reise  durch   die  kalifom.  Halbinsel;    Peterm.  geogr.   Mitth.   186 

s.  133—143. 

53  F.  G.  Weidner,  Der  mexikan.  Staat  Sinaloa;  eb.  das.  1884,  S.  i — 9;  Karte. 

54  Jos.  Le  Conte,  On  the  great  Lava-Flood  of  the  West  and  on  the  Structurc  an 
Age  of  Cascade  Mountains;  Am.  Journ.  Sc.  1874,  3.  ser.  VII,  p.  167 — 180,  259 — 267. 

55  A.  Haguc  and  J.  P.  Iddings,  Notes  on  the  Volcanoes  of  N.  Calif.,  Orego 
and  Washington  Territ.;  Am.  Journ.  Sc.  l883,  3.  ser.  XXVI,  p.  222—235. 

56  G.  M.  Dawson,    Prelim.  Report    on    the    Geol.   of   the  Bow    and     Belly    Riv« 
Region;  Geol.  Surv.  Can.  Rep.   1880—82,  B,  p.   i — 23,  Karte;  ders. :  Descript.   Note  on 
General    Section   from   the   Laurent.   Axis   to  the   Rocky  Mountains   N.  of  the    49.  Parall 
Proc.  and   Trans.  Roy.  Soc.  Canada,    1882-83,    I;    Sect.   IV,    1882,    p.   39 — 44;    f^r   ein 


Anmerkungen  zu  Th.  TI,  Abschn.  XI.   Nordamerika.  763 

etwas  mehr  gegen  N.  gelegene  Linie:    J.  W.  Dawson,    Observ.  on  the  Geol.  of  the  Line 
of  the  Canad.  Pac.  Railway;  Quart.  Journ.  geol.  Soc.  1884,  XL,  p.  376 — 388. 

57  G.  M.  Dawson,  Rep.  on  an  Explor.  from  Port  Simpson  on  the  Pacif.  Coast 
to  Edmonton  on  the  Saskatchewan ;  Rep.  Geol.  Surv.  Can.  1879—80,  B,  p.  114;  auch 
Selwyn,  Rep.  on  an  Explor.  of  Brit.  Columbia;  eb.  das.  1875 — 76,  p.  81  u.  folg. 

58  J.  I£ector,  On  the  Geol.  of  the  country  betw.  Lake  Superior  and  the  Pacif. 
Ücean  (betw.  the  48.  and  54.  Parall.  of  lat);  Quart.  Journ.  Geol.  Soc.  1861,  XVII,  p.  388 
— 445,  Karte.  Ferner  wiederholte  Berichte  von  Richardson,  Selwyn,  J.  W.  Dawson 
und  G.  M.  Dawson  in  den  Rep.  Geol.  Surv.  Can.,  und  Dawson,  Sketch  of  the  Geol. 
of  Brit.  Columbia;  Geol.  Magaz.  1881,  2.  ser.,  VIII,  p.  156—162  und  214—227. 

59  J.  Richardson,  Rep.  on  Vancouver  and  Qu.  Charlotte  Isl.;  Rep.  Geol.  Surv. 
Can.  1872—73,  p.  38—101,  Karte,  und  1874—75,  p.  78— 91;  G.  M.  Dawson,  Rep.  on 
Qu.  Charlotte  Islands;  eb.  das.  1878  —  79,  B,  p.  I — 275;  geol.  Karte,  und  dess.  Note  on 
the  Triassic  of  the  Rocky  Mountains  and  Brit.  Columb.;  Proc.  and  Trans.  Roy.  Soc. 
Canada,  1882— 83,  I,  Sect.  IV,  p.  143—145,  und:  Note  on  the  Geol.  of  the  Peace  Riv. 
Region,  Am.  Journ.  Sc.  1881,  3.  ser.,  XXI,  p.  891. 

60J.  F.  Whiteaves,  On  the  low.  cretac.  Rocks  of  Brit.  Columbia;  Trans.  Proc. 
Roy.  Soc.  Can.,  1882 — 83,  I,  Sect.  IV,  p.  85;  M.  Neumayr,  Ueb.  klimat.  Zonen  während 
d.  Jura-  und  Kreidezeit;  Denkschr.  Akad.  Wien,  l883,  XLVII,  p.  3o3.  Meek  war  auch 
geneigt,  Lima  Erringtoni  der  goldführenden  Schiefer  Californiens  mit  Aue.  Mosquensis 
zu  vereinigen. 

61  Gilbert  in  Wheeler,  Surv.  loo.  Merid.  III,  p.  l36,   141. 


•  .' 


ZWÖLFTER  ABSCHNITT 


Die  Continente. 


Alte  Welt  und  neue  Welt.  —  Unhaltbarkeit  dieser  Ausdrücke.  —  Alter  der  Continente.  — 
Amerika.  —  Trennung  von  Indo-Afrika  und  Eurasia.  —  Faltung  von  Kuriisia.  —  Han-hoj 
und  die  turkestanische  Niederung.  —  Die  Mittelmeere.  —  Der  indische  Ocean.  —  Dit 
grossen  Einheiten.    —    Mannigfaltigkeit   der   Gebirge.    —    Zusammenbruch    der  Lithosphärc, 


Die  vorstehenden  Abschnitte  enthalten  die  Besprechung 
einer  Anzahl  der  grössten  Gebirgsketten  der  Erde,  der  grössten 
Tafelländer  und  der  Mittelmeere.  Die  Behandlung  war  je  nach 
der  Bedeutung  des  Gegenstandes  und  nach  dem  heutigen  Stande 
der  Erfahrungen  eine  ungleichartige.  Die  meisten  dieser  Umrisse 
schliessen  räumlich  aneinander,  während  es  in  Amerika  nicht  mög- 
lich gewesen  ist,  die  mexicanischen  Ketten  auf  Grund  der  vor- 
liegenden Berichte  ganz  bis  an  ihr  südliches  Ende*  zu  verfolgen, 
und  sich  darum  auch  keine  Gelegenheit  gefunden  hat,  die  trans- 
versale Vulcanenreihe  von  Mexico  zu  erwähnen.  Die  arktischen 
Länder,  das  nordwestliche  Europa,  das  nordchinesische  Tafelland, 
die  ganze  ostasiatische  Küste  und  Australien  mit  den  pacifischen 
Inseln  sind  noch  gar  nicht  zur  Besprechung  gelangt.  Die  Ergän- 
zung ist  späteren  Abschnitten  vorbehalten,  und  es  soll  insbeson- 
dere die  Umrahmung  der  beiden  grossen  Oceane  in  zusammen- 
fassender Weise  besprochen  werden.  Abgesehen  von  dieser 
absichtlichen  Einengung  des  Stoffes  fehlt  es  aber  nicht  an  unab- 
sichtlichen Mängeln,  welche  aus  dem  Umstände  hervorgehen,  dass 
es  dieser  Art  der  Darstellung,  welche  zu  Vergleichen  führen  soll 


Aeltere  vergleichende  Arbeiten.  7^5 

beinahe  ganz  an  Vorbildern  fehlt  und  sie  daher  alle  Uebelstände 
eines  ersten  Versuches  an  sich  trägt. 

Alexander  v.  Humboldt's  ,geognostischer  Versuch  über  die 
Lagerung  der  Gebirgsarten  in  beiden  Erdhälften'  ist  im  Jahre  1823 
erschienen  und  kommt  heute  nur  als  ein  Denkmal  der  geistigen 
Grösse  seines  Verfassers  in  Betracht.  Selbst  Ami  Bou^'s  im  Jahre 
1845  veröffentlichte  geologische  Karte  der  Erdoberfläche  besitzt 
bei  dem  raschen  Fortschritte  der  Forschungen  heute  nur  einen 
geschichtlichen  Werth,  und  J.  Marcou's  Text  zu  der  zweiten  Auf- 
lage der  geologischen  Karte  der  Erde  vom  Jahre  1875,  ^^^^ 
sehr  inhaltreiche  Zusammenstellung,  verfolgt  wie  Bou^'s  Arbeit 
weit  mehr  die  Verbreitung  der  einzelnen  Formationen  auf  der  Erd- 
oberfläche als  die  Structur  der  Gebirge  und  der  Meeresbecken. 

Weit  näher  stehen  dem  Ziele  dieser  Schrift  die  leider  noch 
seltenen  Versuche,  einzelne  Gebirge  zu  vergleichen.  Als  Beispiele 
nenne  ich  Medlicott's  Vergleichung  der  Alpen  und  des  Himalaya 
vom  Jahre  1868  und  Bleicher's  Vergleichung  der  Pyrenäen,  des 
Centralplateau's  und  der  Vogesen  vom  Jahre  1870,  welcher  Ver- 
such sofort  den  Werth  der  vergleichenden  Methode  auf's  Glän- 
zendste erwies,  indem  er  den  Verfasser  lehrte,  dass  die  Vogesen 
als  ein  Horst  aufzufassen  seien.'  Eine  auf  den  heutigen  Stand  der 
Erfahrungen  begründete  allgemeine  vergleichende  Orologie  be- 
steht aber  nicht,  und  wer  schrittweise  die  Grundlinien  zu  einer 
solchen  zu  vereinigen  bestrebt  ist,  muss  befriedigt  sein,  wenn  ge- 
funden wird,  dass  seine  Darstellung  Raum  lässt  für  jene  Erwei- 
terungen und  Berichtigungen,  welche  Jahr  für  Jahr,  ja  beinahe 
Tag  für  Tag  der  in  allen  Welttheilen  erwachte  Eifer  für  diese 
Richtung  der  Studien  bringt. 

Trotz  aller  UnvoUständigkeit  tritt  nun  eine  Anzahl  von  allge- 
meinen Ergebnissen  aus  den  vorstehenden  Abschnitten  so  deutlich 
hervor,  dass  sie  hier  vorläufig  verzeichnet  werden  mögen,  haupt- 
sächlich um  die  synthetische  Aufgabe  späterer  Abschnitte  einiger- 
massen  zu  erleichtern.  So  wie  zuerst  in  einem  der  vorhergehen- 
den  Abschnitte  die  wirbeiförmige  Anordnung  der  einzelnen  Zweige 
des  Alpensystem's  geschildert  worden  ist,  und  später  durch  Ver- 
folgung derVirgation  des  Tian-schan  und  der  grossen  rumänischen 
Beugung  der  Weg  gezeigt  wurde,    um   diesen  Wirbel  in  seine 


766  Alte  Welt  und  Neue  Welt. 

Theile  zu  zerlegen  und  zu  ordnen,  will  ich  jetzt  einige  allgemeine 
Züge  in  dem  Antlitze  der  Erde  hervorheben,  deren  tiefere  Bedeu- 
tung an  späterer  Stelle  vom  Neuen  zu  erörtern  sein  wird. 

So  wenig  man  den  gegenwärtigen  Zustand  eines  Staates  zu 
beurtheilen  im  Stande  ist,  ohne  zu  wissen,  wie  er  geworden  ist, 
ebensowenig  vermag  man  über  das  Stück  des  physischen  Erd- 
bodens, auf  welchem  dieser  Staat  lebt,  zu  einer  richtigen  An- 
schauung zu  gelangen,  ohne  die  Vorgänge  zu  kennen,  durch 
welche  dasselbe  gebildet  worden  ist.  In  menschlichen  Dingen  wie 
in  der  physischen  Welt  ist  die  Gegenwart  nur  ein  Querschnitt; 
die  Zukunft,  welche  jenseits  des  Querschnitts  liegt,  sehen  wir  nicht, 
aber  aus  der  Vergangenheit  mögen  wir  lernen.  Dieses  ist  die  Be- 
deutung der  Erdgeschichte  für  die  Erdbeschreibung. 

Schon  der  erste  Schritt  in  dem  Versuche,  erdgeschichtlichen 
Erfahrungen  bei  einer  Ueberschau  der  Erdoberfläche  zu  folgen, 
führt  uns  jedoch  vor  ein  Zeichen,  aus  dem  sich  ergibt,  wie  wenig 
bisher  diesem  Wege  gefolgt  worden  ist.  Heute  noch  spricht  man 
von  einer  ,alten  Welt'  und  einer  , neuen  Welt*,  und  es  steht  kein 
anderer  Ausdruck  für  die  vereinigte  Ländermasse  von  Asien, 
Afrika  und  Europa  im  allgemeinen  Gebrauche  als  ,die  alte  Welt'. 
Amerikanische  Naturforscher  haben  die  volle  Unverträglichkeit 
dieses  überkommenen  Ausdruckes  mit  den  neueren  Krfahrungen 
gefühlt  und  an  dessen  Stelle  zunächst  in  thiergeographische  Schrif- 
ten den  Namen  Eurasia  eingeführt. 

Es  ist  aber  schwer  zu  sagen,  nach  welchem  Merkmale  über- 
haupt das  Alter  eines  Continentes  bemessen  werden  soll,  da  doch 
Theile  von  verschiedenem  Alter  an  dem  Aufbaue  der  Mehrzahl 
derselben  theilnehmen  und  überhaupt  unter  dem  Begriffe  , Alter* 
hier  bald  ein  scharf  umgrenztes  Datum  für  die  lange  andauernden 
Vorgänge  der  Gebirgsbildung,  bald  das  Datum  der  jüngsten  Ent- 
blössung  eines  Continentes  von  der  oceanischen  Hülle  verstanden 
wird.  Man  wird  dem  allgemeinen  Sprachgebrauche  wohl  am  näch- 
sten kommen,  indem  man  die  Zeit  festzustellen  sucht,  in  welcher 
die  grösseren  Niederungen  des  Continentes  zuletzt  vom  Meere 
verlassen  worden  sind. 

Nordamerika  war  vom  mexicanischen  Golf  bis  an  den 
Mackenzie  und  vielleicht  bis  an  das  Eismeer  zwischen  den  öst- 


Letzte  Entblössung  der  Continente.  7^7 

liehen  und  den  westlichen  Gebirgszügen  und  auch  über  manche 
derselben  hinweg  von  dem  Meere  der  mittleren  und  oberen  Kreide 
bedeckt.  Dann  schwand  das  Meer;  ein  ausserordentlich  grosses 
brackisches  und  süsses  Binnenmeer,  die  Laramie-See,  reichte  im 
Innern  des  heutigen  Continentes  vom  33.  bis  in  die  Nähe  des  60. 
Breitegrades.  So  war  der  Zustand  an  der  Grenze  der  Kreide- 
formation gegen  die  Tertiärzeit;  ausgedehnte  Süsswasser- Ablage- 
rungen beginnen  hier,  dauern  durch  die  ganze  Tertiärzeit  an,  nie 
mehr  bis  heute  dringt  der  Ocean  herein,  und  White  hat  gezeigt, 
dass  die  bezeichnenden  Theile  der  heutigen  Thierwelt  des  Missis- 
sippi, die  Ganoiden  und  die  Unionen,  in  unmittelbarer  Folge  aus 
jenen  der  Laramie -Ablagerungen  hervorgegangen  sind/  Wir 
haben  daher  Nordamerika  von  diesem  Standpunkte  aus  als  ein 
seit  dem  Laramie-Binnenmeere  bestehendes,  folglich  als  ein  ziem- 
lich altes  Festland  anzusehen. 

Die  jüngsten  Spuren  des  Meeres  im  Innern  von  Südamerika 
sind  die  brackischen  Ablagerungen  von  Pebas  am  Marafion, 
welche  Brown  vom  östlichen  Peru  stromabwärts  bis  S.  Paolo  ver- 
folgt hat;^  dieser  am  weitesten  gegen  Ost  gelegene  Punkt  ist 
noch  über  2000  Kilom.  vom  atlantischen  Ufer  entfernt.  Das  Ge- 
falle des  Amazonas  ist  jedoch  sehr  gering  und  überhaupt  die  Er- 
forschung des  Landes  nicht  so  weit  vorgeschritten  als  in  Nord- 
amerika. Die  Ablagerungen  von  Pebas  werden  für  mitteltertiär 
gehalten.  Auch  von  Südosten  her  greifen  tertiäre  Ablagerungen 
weit  in  das  Land  hinein. 

Versucht  man  ähnliche  Vergleichungen  auf  die  vereinigte 
Masse  von  Asien,  Afrika  und  Europa  anzuwenden,  so  zeigt  sich 
sofort,  dass  hier  verschiedenartige  Gebiete  zu  einem  grossen 
Continente  aneinander  geschweisst  sind,  deren  Grenzen  nicht  mit 
den  üblichen  Grenzen  der  Welttheile  übereinstimmen. 

Das  erste  Gebiet  umfasst  das  südliche  und  einen  guten  Theil 
des  mittleren  Afrika,  dann  Madagascar  und  die  indische  Halb- 
insel. Die  hohen  Tafelländer  dieses  Gebietes  sind  seit  uralter 
Zeit,  seit  dem  Schlüsse  der  Carbonzeit,  wenigstens  dem  heutigen 
Stande  der  Erfahrungen  zufolge,  nie  vom  Meere  bedeckt  worden ; 
nur  an  den  Fuss  der  Tafeln  hat  es  seine  Sedimente  gelegt,  in  dem 
Maasse,  als  der  heutige  indische  Ocean  durch  Einbruch  gebildet 


768  Vordringen  der  Falten  Eurasiens. 

wurde  innerhalb  dieser  Tafel.  Wir  nennen  es  Gondwäna-Land 
nach  der  gemeinsamen  alten  Gondwäna-Flora,  und  es  entspricht 
zum  grossen  Theile  demLemurien  der  Thiergeographen  ;  von  dem 
früheren  Standpunkte  aus  beurtheilt,  ist  dieses  Land  noch  unver- 
hältnissmässig  viel  älter  als  Nordamerika. 

An  das  Gondwäna-Land  schliesst  sich  gegen  Nord  weiteres 
Tafelland,  welches  aber  zur  Kreidezeit  und  zum  Theile  bis  in  die 
Tertiärzeit  überfluthet  gewesen  ist,  die  Sahara  mit  Aegj'-pten, 
Syrien  und  Arabien. 

Dieses  Wüstenland  sammt  dem  Gondwäna-Lande  bildet  eine 
grosse,  durch  entscheidende  Merkmale  verbundene  Einheit;  es 
ist  Indo-Afrika,  ausgezeichnet  vor  Allem  durch  den  Mangel  an 
Falten  seit  dem  Schlüsse  der  paläozoischen  Zeit. 

Was  von  dem  gemeinsamen  Festlande  nach  Ausscheidung 
von  Indo-Afrika  zurückbleibt,  mag  Eurasia  genannt  werden. 

Der  ganze  südliche  Rand  von  Eurasia  dring;"t  in  gros- 
sen Falten  gegen  Indo-Afrika  vor;  diese  Falten  liegen  in 
knapp  schaarenden  Bogen  neben  einander  und  auf  langte  Strecken 
sind  sie  südwärts  gegen  das  indo-afrikanische  Tafelland  hin  über- 
schoben. 

Hiedurch  entsteht  eine  sehr  scharfe  Grenze.  Dieselbe  zieht 
im  nordwestlichen  Afrika  vom  Wadi  Draa  gegen  Ostnordost, 
etwas  nördlich  von  den  Schotts  und  der  kleinen  Syrte,  zwischen 
Malta  und  Sicilien  gegen  die  Strasse  von  Otranto,  zurückkehrend 
ausserhalb  der  jonischen  Inseln,  dann  im  Bogen  südlich  von  Kreta 
und  Cypern  in  die  Gegend  etwas  südlich  von  der  Mündung  des 
Orontes  und  von  dort  weiter  im  gleichen  Bogen  in  der  Richtung 
gegen  Djarbekr,  dann  umbeugend  gegen  Südost,  dem  Fusse  des 
Gebirges  östlich  vom  Tigris  folgend,  durch  den  persischen  Meer- 
busen und  südlich  von  der  Küste  von  Makrän  zu  den  Mündungen 
des  Indus,  hierauf  nordwärts  beiläufig  diesem  Flusse  folgend  bis 
oberhalb  Dera  Ismail  Khan,  hierauf  in  verzerrter,  scharfer  Curve 
über  Kalabägh  nach  Jalalpur  am  Jhelum,  in  weitem  Bog-en  dem 
Fusse  des  Himalaya  folgend  bis  in  das  Thal  des  Brahmaputra  in 
Assam,  dann  scharf  umbeugend  an  dem  Aussenrande  der  Ketten 
von  Arrakan  zum  Cap  Negrai's,  westlich  ausserhalb  der  Anda- 
manen  und  Nikobaren  zu  dem  Zuge  von  Tertiärland,  welcher  als 


Erzwungene  Anpassung  in  vielen  Falten.  7^9 

eine  Kette  kleiner  Inseln  westlich  von  Sumatra  sichtbar  wird,  end- 
lich noch  weiter  südlich  von  Java. 

Der  ganze  südliche  Theil  von  Eurasien  ist,  so  weit  er  bisher 
besprochen  wurde,  ein  Faltenland.  Hier  sammeln  sich,  durchwegs 
gegen  Süd  bewegt,  die  Falten  vom  Himalaya  bis  zu  den  mon- 
golischen Bergen  in  einer  Breite  von  22  Breitegraden  und  ziehen 
unter  mannigfaltigen  Abänderungen  gegen  West,  und  zwar  im 
Süden  als  schaarende  Bogen,  weiter  im  Norden  als  ruthenförmig 
auseinander  streichende  Aeste.  Indem  sie  Europa  erreichen,  tritt 
für  den  am  weitesten  gegen  West  reichenden  Theil,  den  aus 
dem  Parapomisus  hervorgehenden  und  über  Krasnowodsk  und 
den  Kaukasus  sich  fortsetzenden  Ast  eine  vollständige  Umkehr 
der  Faltung  ein,  und  dieser  ist,  unter  gewaltsamer  Torsion  in 
dem  rumänischen  Bogen,  in  den  Karpathen  und  dem  Haupt- 
stamme der  Alpen  gegen  Nord  bewegt.  Dieser  Umstand  weist 
deutlich  darauf  hin,  dass  die  Faltung  des  obersten  Theiles  der 
Erdmasse  unter  gewissen  Umständen  nur  der  Ausdruck  einer 
erzwungenen  Anpassung  ist.  Nördlich  von  den  grossen  Falten- 
zügen tritt  die  russische  Tafel  hervor  und  weiterhin  erscheinen 
jene  zahlreichen  Horste  und  Tafelstücke,  welche  für  das  mittlere 
und  westliche  Europa  bezeichnend  sind. 

Ein  grosser  Theil  dieser  Faltungen  ist  von  jungem  Alter 
oder  hat  in  sehr  junge  Zeit  angedauert ;  es  ist  nicht  sichergestellt, 
dass  die  Bewegung  beendet  sei.  Das  erste  Glied  der  mediterranen 
Bildungen  umfasst  den  ganzen  Hauptsaum  der  Alpen  und  ist  dem 
nördlichen  Saume  eingefaltet;  der  salzreiche  Schlier,  welcher  noch 
etwas  jünger  ist,  umfasst  in  gleicher  Weise  den  karpathischen 
Bogen.  Sehr  junge  Süsswasserablagerungen  nehmen  Theil  an  den 
äusseren  Faltenzügen  des  Hindu-Kusch  und  des  Himalaya.  Es  ist 
in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  innerhalb  des  Gebietes  dieser 
heutigen  Faltenzüge  vor  Zeiten  von  dem  Han-hai,  dem  trockenen 
Meere  der  Chinesen,  eine  ununterbrochene  Wasserfläche  die  tur- 
kestanische  Ebene  erreichte,  und  die  sehr  beträchtlichen  Höhen, 
in  welchen  jüngere  tertiäre  Ablagerungen  von  den  russischen 
Forschern  auf  den  Ketten  des  Tian-schan  getroffen  wurden,  zeigen, 
wie  Muschketoff  mit  Recht  bemerkt,  dass  die  Verbindung  nicht 
nur  über  die  dsungarischen  Pässe,  sondern  auch  über  einen  guten 


770 


Continuität  von  Bevölkerungen  der  Flüsse. 


t- 


Theil  jenes  Gebietes  bestanden  hat,  welches  heute  die  .Hochg( 
birge  einnehmen.  Die  erste  Ausbreitung  des  Mittelmeeres  scheii 
durch  das  gegen  Nordwest  gerichtete  Vortreten  •  der  Schweiz( 
Alpen  abgeschnürt  worden  zu  sein,  so  dass  die  Meerestheile  ii 
unteren  Rhonethale  und  im  mittleren  Donauthale  ausser  Verbii 
düng  gesetzt  wurden ;  eine  ähnliche  Abtrennung  ist  vielleicht  auc 
durch  die  Bewegungen  des  mittleren  Tian-schan  herbeig-efühi 
worden. 

Unter  solchen  Verhältnissen  erlangt  Eurasien  eine  aussei 
ordentliche  Mannigfaltigkeit  des  Baues.  In  Nordamerika  hat  di 
natürliche  Einheit  des  Gebietes  und  die  Continuität  von  der  Laramie 
Fauna  bis  zu  der  heutigen  Fauna  des  Mississippi  zu  einem  klare 
und  einfachen  Ergebnisse  über  die  Trockenlegung  und  Verein! 
gung  dieses  Continentes  geführt.  Im  See  Tanganyika  trifft  mai 
eine  höchst  merkwürdige,  durch  viele  Anmahnungen  an  marin 
Formen  ausgezeichnete  Conchylien-Fauna,  welche,  wie  White  um 
Tausch  gezeigt  haben,  in  manchen  Arten  der  Laramie-Faun; 
gleicht,  und  deren  hohes  Alter  ausser  Zweifel  steht.*  Die  afrika 
nischen  Flüsse  sind  durch  eine  grosse  Anzahl  alter  Thierformei 
ausgezeichnet;  ihre  Zertrümmerung,  das  heutige  Vorkommen  voi 
Nilfischen  im  See  Tiberias,  des  Nil-Crocodils  in  Syrien  sind  er 
wähnt  worden.  In  einzelnen  Theilen  Eurasien's  sind  zur  jüngere 
Tertiärzeit  ausgedehnte  Süsswassersee'n  vorhanden  gewesen,  wi 
auf  dem  Gebiete  des  ägäischen  Meeres,  in  Slavonien  und  in  Croa 
tien.  Ihre  Fauna  erinnert  in  vielen  Beziehungen  an  jene,  de 
heutigen  Mississippi,  und  Th.  Fuchs  hat  nach  den  Aufsammlunge 
von  Anderson  und  Heude,^  Neumayr  nach  den  von  Sz^ch^ny  un^ 
Löczi  gebrachten  Conchylien  gezeigt,  dass  dieselben  Typen  sie 
in  Nanking  und  in  Yünnan  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalte 
haben.^  In  der  Mitte  von  Eurasien  aber  hat  das  Verschwinde 
der  Meeresbedeckung  zur  Bildung  einer  Anzahl  von  Binnensee' 
geführt,  deren  grösster,  das  Kaspische  Meer,  als  der  Erbe  de 
alten  Meeresfläche  anzusehen  ist.  Hier  liegt  der  verkümmert 
und  veränderte  Rest  der  alten  erst  verarmten  sarmatischen,  dan 
lacustren  Faunen,  aber  seit  diese  Einengung  der  Wasserfläche 
sich  vollzog,  sind  durch  neuen  Einbruch  ganz  selbständig  voi 
Kaspi  das  ägäische  Meer  und  der  heutige  Fontus  entstanden,  un 


li 


.  GlicdcruDg  des  Miltelmccrcs.  77^ 

SO  kommt  es,  dass  so  viele  heute  von  einander  vollständig 
getrennte  osteuropäische  Flüsse  so  viele  übereinstimmende  Arten 
von  Thieren  enthalten. 

Das  ist  der  tiefgehende  Unterschied  zwischen  dem  alten 
Kaspi  und  dem  jüngeren  Pontus. 

Der  ägäische  und  der  pontische  Einsturz  sind  nur  ein  Theil 
jener  Vorgänge,  welche  den  heutigen  Umriss  des  Mittelmeeres 
gestaltet  haben.  Wir  sind  nun  im  Stande,  das  Gebiet  des  Mittel- 
meeres in  folgende  Theile  zu  zerlegen. 

Der  erste  Theil  ist  das  westliche  Mittelmeer  von  Gibraltar 
bis  zu  dem  Meere  zwischen  Sicilien  und  Malta.  Dieser  Theil  ist 
von  dem  Apennin,  dem  nordafrikanischen  Gebirge  und  der  beti- 
schen Cordillere  umschlossen  und  liegt  ganz  innerhalb  dieses 
grossen  Bogens  oder  auf  Querbrüchen  desselben,  nämlich  in 
der  Strasse  von  Gibraltar  und  zwischen  Dak'hela  und  Sicilien. 

Der  zweite  Theil  ist  das  adriatische  Meer.  Es  liegt  auf  der 
Schaarung  des  Apennin  und  des  dinarischen  Gebirges  oder  viel- 
mehr auf  dem  niedergebrochenen  Westrande  des  dinarischen  Ge- 
birges, und  seine  Randbrüche  greifen  bis  Meran  und  Bruneck  in 
die  Alpen.  Es  gleicht  in  mancher  Beziehung  dem  Thale  des  Bra- 
maputra  in  Assam.  Dort  ist  das  Shillong-Plateau,  ein  Theil  des 
Tafellandes,  eingeklemmt  zwischen  den  Fuss  des  Himalaya  und 
die  burmanischen  Falten,  und  es  ist  zu  untersuchen,  ob  dies  etwa 
die  richtigere  Auffassung  der  apulischen  Tafel  wäre. 

Den  dritten  Theil  umgrenzen  die  Bruchstücke  des  dinarisch- 
taurischen  Bogens,  insbesondere  Kreta  und  Cypern.  Diesem  Theile 
gehört  das  ägäische  Meer  an  und  der  Pontus;  der  randliche  Theil, 
welcher  die  Südküste  Klein-Asiens  begleitet,  hat  eine  ähnliche 
Lage  wie  der  Golf  von  Pegu. 

Alle  diese  drei  Theile  fallen  zu  Eurasien ;  nur  der  vierte  Theil 
ist  Indo- Afrika  anzurechnen.  Das  ist  gesenktes  Vorland  in  flach- 
gelagerten Tafeln ;  es  beginnt  in  den  grossen  Schotts,  kommt  in 
der  kleinen  Syrte  hervor  an  das  Meer  und  reicht  bis  an  die  meri- 
dionalen  Verwerfungen  Syrien's.  Von  all'  den  zahlreichen  Inseln 
des  Mittelmeeres  sind  nur  Malta  und  Gozzo  zu  Indo -Afrika  zu 
zählen;  dafür  gehört  der  Gebirgszug  des  nordwestlichen  Afrika 
noch  zu  Eurasien. 


=  1 


I 


7^2  Amerikanisches  Mittclmeer.   Indischer  Ocean. 

In  dem  amerikanischen  Mittelmeere  kann  man  eine  ganz 
ähnliche  Gliederung  bemerken.  Die  Cordillere  der  Antillen  gleicht 
in  ihrer  Anlage  der  bogenförmigen  und  an  der  Innenseite  einge- 
brochenen Umrahmung  des  westlichen  Mittelmeeres,  und  das  ca- 
raibische  Meer  nimmt  eine  ähnliche  Stelle  ein  wie  das  westliche 
Mittelmeer;  auch  besitzen  beide  Vulcane  an  ihren  Rändern.  Der 
mexicanische  Golf  dagegen  entspricht  den  gesenkten  Tafeln  des 
Vorlandes,  dem  südöstlichen  Theile  des  Mittelmeeres.  Die  Ba- 
hama's  und  Florida  wiederholen  in  grossem  Maassstabe  die  flache 
Lagerung  von  Malta;  hier  fehlen  die  Vulcane. 

Diese  Verschiedenheiten  erlangen  auch  in  nicht  geringem 
Grade  morphologischen  Ausdruck  und  man  lernt  Kinbrüche  in 
Faltenland  unterscheiden  von  eingebrochenem  Tafellande.  Die 
Umrisse  von  Cypern  oder  Haiti  sind  Beispiele  für  den  ersten  Fall ; 
die  Umrisse  des  gebrochenen  Tafellandes  sind,  wenn  der  Aus- 
druck gestattet  ist,  structurlos,  oder  sie  nehmen  die  Gestalt  von 
geraden  Linien  an,  wie  an  der  syrischen  Küste. 

Mit  diesen  in  den  Mittelmeeren  gewonnenen  Erfahrungen 
suchen  wir  einen  Ocean,  und  zwar  zuerst  den  indischen  Ocean 
auf.  Hier  liegen  nur  der  Meerbusen  von  Pegu  und  die  Sunda-See 
innerhalb  der  eurasiatischen  Falten.  Den  persischen  Meerbusen 
mag  man  als  eine  Zone  gesenkten  Vorlandes  ansehen ;  das  Rothe 
Meer  gleicht  einem  grossen  Grabenbruche  im  Tafellande;  die 
ganze  übrige  weite  Fläche  vom  Cap  bis  an  die  Küste  von  Arrakan 
ist,  so  weit  der  Bau  und  die  Schichtenfolge  der  Küsten  und  der 
Inseln  ein  Urtheil  gestatten,  als  gesenktes  Tafelland  anzusehen. 
Das  ist  der  versenkte  Theil  von  Indo-Afrika. 

Hiemit  ist  auch  die  Grundlage  zur  Beurtheilung  jener  wesent- 
lichen Verschiedenheit  gegeben,  welche  zwischen  den  Umrissen 
des  pacifischen  und  des  atlantischen  Ocean's  besteht.  Mehrere 
Stücke  dieser  Küsten  sind  in  den  vorhergehenden  Abschnitten 
besprochen  worden.  Es  ist  die  merkwürdige  Aehnlichkeit  in  dem 
Baue  und  der  Gesteinsfolge  aller  Küsten-Cordilleren  von  Staten 
Island  und  Cap  Hoorn  nordwärts  durch  Patagonien,  Chile,  Peru 
und  die  tropische  Region  Südamerika's,  und  wieder  durch  Nieder- 
und  Obercalifornien,  d.  i.  durch  mehr  als  den  vierten  Theil  des 
Erdumfanges  dargelegt  worden.    Nach  der  Darstellung  des  Vor- 


Continentale  Einheiten.  773 

drängens  der  schaarenden  Hochgebirgsbogen  gegen  den  Norden 
der  ostindischen  Halbinsel  wurde  erwähnt,  dass  ein  ähnliches 
Vordringen  schaarender  Bogen  gegen  den  Norden  des  pacifischen 
Ocean's  stattfindet,  und  dass  eine  besondere  tektonische  Homo- 
logie zwischen  jenem  Stücke  alten  Tafellandes  und  diesem  Theile 
des  Weltmeeres  besteht.  Im  atlantischen  Ocean  dagegen  haben 
wir  uns  an  der  Ostküste  Nordamerika's  an  der  Innenseite  eines 
landeinwärts  bewegten  Faltensystem's,  der  Appalachien,  befun- 
den. Die  Gesammtheit  der  Umrisse  beider  Meere  zu  vergleichen, 
wird  die  Aufgabe  eines  besonderen  Abschnittes  sein.  — 

Unter  den  Festländern,  welche  über  diese  Weltmeere  auf- 
ragen, können  wir  nun  mehrere  Einheiten  unterscheiden. 

Als  die  erste  nennen  wir  Indo-Afrika,  die  grösste  Tafel 
der  Erde,  an  dem  Nordrande  von  der  Mündung  des  Wadi  Draa 
in  den  atlantischen  Ocean  bis  an  die  Mündung  des  Brahmaputra 
von  den  südwärts  dringenden  Falten  Eurasien's  begrenzt,  sonst 
durchwegs,  so  weit  wir  die  Tafel  kennen,  nur  von  Brüchen  um- 
geben und  durch  den  indischen  Ocean  zertheilt. 

Die  zweite  Einheit  ist  Südamerika,  ein  Schild,  nach  drei 
Seiten  von  Gebirgswällen  umgürtet  und  nur  gegen  Ost  sowie 
gegen  Nordost  ohne  sichtbare  Leitlinien  gebrochen,  mit  offener 
Virgation  der  Gebirgsäste  in  Südost,  zwischen  Cap  Hoorn  und 
Cabo  Corrientes. 

Die  Cordillere  der  Antillen  zeigt  nach  ihrer  Anlage  eher  Zu- 
gehörigkeit zu  Südamerika  als  zum  Norden. 

Die  dritte  Einheit  ist  Nordamerika;  so  weit  auf  diesem 
Continente  Faltung  bekannt  ist,  scheint  sie  mit  wenigen,  vielleicht 
durch  örtliche  Ueberschiebung  der  Senkung  am  Ostrande  der 
Rocky  Mountains  veranlassten  Ausnahmen,  allenthalben  gegen 
West  gerichtet  zu  sein,  und  zwar  von  uralter  Zeit  her,  von  der 
atlantischen  Küste  bis  an  die  pacifische,  von  den  Appalachien  bis 
zur  Sierra  Nevada  und  den  Küstenketten.  Gegen  Nord  aber  tritt 
eine  sehr  ausgedehnte,  ungefaltete  Tafel  hervor,  welche  sich  weit 
gegen  den  arktischen  Archipel  ausdehnt  und  welche  noch  nicht 
besprochen  worden  ist. 

Am  wenigsten  tritt,  trotz  der  ausserordentlichen  Grösse  des 
Faltenlandes  an   dem  Südrande,   die  Einheit  Eurasien's  hervor. 


774  Mannigfaltigkeit  der  Grebirge. 

Hier  ist  die  Mannigfaltigkeit  weit  grösser;  die  Darstellung  der 
einzelnen  Theile  Eurasien's  ist  noch  nicht  weit  genug  vorge- 
schritten, um  dasselbe  in  Vergleich  ziehen  zu  können.  Aus  dem- 
selben Grunde  habe  ich  vorläufig  von  Australien  zu  schweig-en.  — 
Die  Bewegungen  der  Erde  haben  eine  grosse  Mannigfaltig- 
keit in  der  Gestaltung  der  Oberfläche  erzeugt.  Man  sieht  grosse 
flachgelagerte  Tafeln,  wie  die  russische,  die  brasilische  Tafel  und 
die  Sahara,  und  hohe  alte  Tafelländer  wie  zu  beiden  Seiten  des 
indischen  Oceans,  mit  steil  abgebrochenen  Rändern,  wie  die 
Quathlamba  in  Natal  und  die  Sahyädri  in  Ostindien,  und  verein- 
zelte Tafelberge,  wie  den  Tafelberg  am  Cap  der  guten  Hoffnung 
und  Roraima  im  südlichen  Guayana.  —  Es  sind  Horste  vorhanden, 
welche  durch  das  Absinken  der  Umgebung  hervortreten,  wie 
Morvan,  Vogesen,  Schwarzwald,  Frankenwald,  die  Granitmasse 
von  Madagascar  und  wohl  auch  ein  guter  Theil  der  Rocky  Moun- 
tains mit  Uinta;  an  den  Horsten  sieht  man  die  gesunkenen  Felder, 
wie  das  fränkisch-schwäbische  Senkungsfeld  und  das  Plateau  des 
Colorado.  Gräben  sind  eingesenkt  zwischen  parallelen  Brüchen, 
wie  das  Rheinthal  bei  Strassburg,  das  Todte  Meer  und  wohl  auch 
Tanganyika  und  das  ganze  Rothe  Meer.  —  In  gänzlich  nieder- 
gehobeltem, altem  Grundgebirge  sind  an  vielen  Orten,  wie  an 
einem  Theile  der  grossen  amerikanischen  See'n  bis  zum  See 
Winnipeg  und  in  dem  südlichen  Theile  der  russischen  Ebene,  die 
Spuren  grosser  gefalteter  Gebirge  erkennbar,  deren  äussere  Ge- 
stalt völlig  verloren  gegangen  ist;  andere  uralte  Faltenzüge  treten 
durch  die  Zerstörung  ihrer  Decken  noch  in  einigen  Resten  ihrer 
ursprünglichen  Gestalt  hervor,  wie  das  Arvali-Gebirge  in  Ost- 
indien und  der  Lange  Berg  an  dem  Ostrande  der  Kalahara wüste ; 
so  sind  auch  die  Mugodjaren  in  Südrussland  ausgewaschen  aus 
dem  Kreidemergel  des  Ust-Urt,  welcher  sie  einstens  überdeckte.  — 
Man  sieht  grosse  Faltenzüge,  welche  in  flachere  Falten  in  dem 
ihnen  gleichartigen  Vorlande  allmälig  auslaufen  und  welche  secun- 
däre  Falten  im  Vorlande,  Parma's,  bilden,  wie  der  Ural  und  die 
Appalachien,  —  und  andere,  welche  mit  zahlreichen  mehr  oder 
minder  parallelen  Bogenfalten,  einer  bewegten  Wasserfläche  gleich 
anlaufen  innerhalb  eines  zweiten,  in  ähnlichem  Sinne  beweeten 
Faltengebietes,  wie  die  langen  und  mächtigen  Faltenzüge    des 


Manni|;f:ilti|:;]{eit  der  Gebirge.  7  7  S 

Tian-schan,  —  und  andere,  welche  mit  Ueberfaltung  und  Um- 
stürzung gestaut  sind  an  fremdem  Vorlande,  wie  der  Himalaya 
und  die  Alpen,  und  zwischen  den  Stauungspunkten  der  letzteren 
erscheint,  einer  Parma-Bildung  nicht  unähnlich,  das  Juragebirge, 
—  und  wieder  gibt  es  andere,  welche  über  ihr  Vorland  hinaus- 
gedrängt sind,  wie  die  Karpathen,  und  zahlreiche  andere,  deren 
Vorland  vom  Meere  bedeckt  ist,  wie  die  Anden,  oder  welche  hin- 
ausstreichen in  das  Meer,  wie  Vancouver  und  Oueen  Charlotte-Ar- 
chipel.  Andere  Stücke  von  Faltenzügen  vsind  durch  die  seitliche 
Drängung  anderer  Falten  im  Streichen  gänzlich  verdrückt  und 
zerbrochen,  wie  die  stufenförmige  Salt  Range  mit  dem  über- 
schobenen  Scheich  Budin,  andere  von  querstreichenden  Falten 
vollends  überwältigt,  wie  die  Sudeten  von  den  Karpathen,  und 
andere  sind  im  Streichen  selbst  gedreht,  wie  der  rumänische  Bogen, 
welcher  vom  Balkan  zu  den  Karpathen  zieht.  Am  Brahmaputra 
ist  die  Faltungsrichtung  des  Himalaya  jener  der  gegenüber  lie- 
genden burmanischen  Ketten  gerade  entgegengesetzt,  und  der 
Harz  hat  zweierlei  aufeinanderfolgende  faltende  Bewegungen  er- 
fahren. —  Man  sieht  Faltengebirge,  welche  auf  ihrem  Firste  Vul- 
cane  tragen,  wie  Alburs,  Kaukasus  und  die  südamerikanischen 
Anden,  und  andere  grosse  bogenförmige  Faltenzüge,  deren  Rück- 
land vollkommen  eingestürzt  ist,  so  dass  nur  ein  von  Innen  her 
vielfach  verengter,  wohl  auch  unterbrochener  Gebirgszug  zurück- 
bleibt, so  in  den  Karpathen,  dann  rings  um  das  westliche  Mittel - 
meer,  in  der  Cordillere  der  Antillen  und  in  der  Kette  von  Ar- 
rakan  mit  den  Andamanen  und  den  Nikobaren.  Dann  stehen 
Vulcane  an  der  Innenseite.  Das  ist  die  Lage  der  ungarischen 
Trachyte,  der  italienischen  Vulcanreihe,  der  Vulcane  der  spani- 
schen Südküste,  der  kleinen  Antillen  und  der  Vulcanreihe  vom 
Puppä  doung  am  Irawadi  bis  Barren  Island.  Andere  Faltenzüge 
sind  von  geraden  Brüchen  durchschnitten,  zerhackt,  in  Streifen 
niedergesunken  und  von  jungen  Laven  umflossen,  so  dass  nicht 
der  Verlauf  der  Falten,  sondern  der  Verlauf  der  Brüche  und  die 
vulcanischen  Ergüsse  den  Umriss  bestimmen,  wie  in  den  Basin 
Ranges;  es  liegen  wohl  auch  die  Brüche  gerade  quer  auf  den 
Falten,  so  dass  der  Umriss  das  Gegentheil  von  der  Richtung  der 
Faltung  zeigt,   wie  im  östlichen  Thessalien  und   auf  Euböa,    in 

Supss,  Das  Antlitz  der  Erde.  cq 


yyÖ  Vier  Haaptgmppen. 

anderer  Form  auch  in  Guatemala  und  Honduras;  noch  ander 
sind  an  bogenförmigen,  im  Streichen  liegenden  Brüchen  zur  Tief 
gegangen  und  auch  zum  guten  Theile  unter  Laven  und  Aschen  be 
graben,  wie  die  Faltenzüge  der  iranisch-taurischen  Schaarung  i: 
Hocharmenien ;  von  anderen  sind  überhaupt  fast  nur  die  \"ulcan 
kegel  sichtbar,  welche  auf  streichenden  Brüchen  stehen,  wie  au 
Java,  und  mühsam  sucht  man  dort  kleine  Spuren  des  Grund 
gebirges.  Von  anderen  ist  nur  ein  Bruchstück  sichtbar,  wie  au 
der  Krim.  Es  gibt  bedeutende  Bergmassen,  wie  die  Spanisl 
Peaks  vor  den  Rocky  Mountains  und  die  Henr)'  Mountains  an  den 
Westrande  des  Colorado-Plateau,  welche  nur  kuchenform  ige  In 
trusionen  vulcanischer  Gesteine  sind,  und  manche  ähnlich  gi-ebaut^ 
granitische  Massen  sind  vielleicht  nur  die  Füllung  von  Hohl 
räumen,  welche  d^r  Abstau  erzeugte. 

Es  könnten  mancherlei  Classificationen  vorgeschlag;-en  wer 
den,  aber  für  die  nachfolgenden  Erörterungen  ist  nur  die  Tren 
nung  von  vier  Hauptgruppen  nothwendig;  diese  sind:  die  Tafeln 
die  Horste,  die  Falten  und  die  vulcanischen  Berge.  Diese  Schei 
düng  wird  von  Bedeutung  sein  für  den  Versuch,  das  \\'esen  de 
oceanischen  Transgressionen  zu  verfolgen.  — 

Die  grossen  vulcanischen  Kegel,  Chimborazo,  Mount  Rainier 
Aetna,  die  Lavafelder  des  Dekkan  oder  jene  von  Oregon  un< 
Washington,  welche  viele  hunderte  von  Ouadratmeilen  bedecken 
die  gewaltigen  Ausbrüche,  wie  jener  des  Krakatau,  welcher  ring 
um  den  Erdball  die  selbstregistrirenden  Barometer  das  Erzitten 
der  gesammten  atmosphärischen  Hülle  des  Planeten  verzeichnei 
liess,  sind  nur  Nebenerscheinungen  in  jenen  grossen  \''org;Äncren 
durch  welche  die  Oberfläche  der  Erde  sich  ausgestaltet.  Sie  sin< 
die  Anzeichen  der  vorübergehenden  Oeffhung  kleiner  Fuo-en 
sonst  nichts. 

Die  Sintfluthen,  in  welchen  Berge  von  Wasser  sich  erhebei 
und  verheerend  über  das  Land  treten,  sind  auch  nichts  als  ein< 
untergeordnete  Nebenerscheinung.  Die  Annunaki,  wie  der  alt( 
Sintfluth- Bericht  sie  nennt,  die  Kräfte  der  Tiefe,  sind  nicht  zui 
Ruhe  gegangen.  Ein  Zucken  des  Erdkörpers  an  der  chilenischei 
Küste  lässt  den  ganzen  pacifischen  Ocean  in  seinem  Bette  schwan 
ken ;  er  brandet  an  den  Marquesas,  an  Apia,  an  Honolulu,  er  feg 


Zcrlej^iinj;  der  Spannungen.  777 

Über  die  flachen  Korallen-Inseln  hin  und  spült  über  seine  Ufer 
hinaus  von  Japan  bis  Neu-Seeland  und  bis  Australien. 

Die  Spannungen,  sagten  wir,  welche  aus  der  Contraction 
der  äusseren  Theile  des  Erdkörpers  hervorgehen,  zerlegen  sich 
in  tangentiale  Faltung  und  in  verticale  Senkung.  Durch  die  tan- 
gentiale Bewegung  werden  jene  langen  Faltenzüge  erzeugt,  welche 
die  Welttheile  von  einem  Ende  bis  zum  andern  durchziehen  ;  durch 
sie  wurden  die  höchsten  Berge  der  Erde,  Gaurisdnkar,  der  namen- 
lose K2  im  Mustagh  und  alle  Riesen  der  innerasiatischen  Hoch- 
gebirge aufgethürmt,  an  der  Nordseite  des  Finsteraarhorn  Jura- 
kalk und  Gneiss  geknetet  und  bis  auf  die  Spitze  der  Jungfrau  der 
Gneiss  über  den  gefalteten  Jura  getragen.  In  sehr  vielen  Fällen 
mag  Senkung  des  Vorlandes  vorangegangen  sein,  durch  welche 
die  tangentiale  Bewegung  gleichsam  ausgelöst,  die  faltende  oder 
überschiebende  Wirkung  frei  wurde,  wie  z.  B.  in  den  belgischen 
Kohlenfeldern.  Weniger  deutlich  ist  ein  solcher  Vorgang  dort, 
wo  die  Faltung  ein  homogenes  Vorland  besitzt  und  vorliegende 
Falten,  grosse  Parma's  gebildet  wurden,  wie  das  Timangebirge 
vor  dem  Ural  und  der  Cincinnati  Uplift  vor  den  Appalachien. 
Aber  die  häufig  vorkommende  Hemmung  der  Falten  durch  äussere 
Hindernisse,  die  volle  Ueberfaltung  und  Verkehrung  der  Schichten- 
lage im  Angesichte  der  stauenden  Massen,  die  gegenseitige  Drän- 
gung und  Verdrängung,  welche  an  einzelnen  Schaarungen  sichtbar 
ist,  der  Gegensatz  in  der  Richtung  der  Faltung  am  Brahmaputra, 
die  Drehung  im  Streichen  an  der  unteren  Donau,  weisen  deutlich 
dahin,  dass  trotz  der  ausserordentlichen  Länge  der  Faltenzüge 
doch  in  ihrer  örtlichen  Entwicklung  namentlich  an  dem  äusseren 
Rande  die  Einfügung  in  gegebene  Verhältnisse  Geltung  erlangt. 

Sehr  viele  Gebiete,  w^ie  Indo- Afrika,  haben  seit  langen  Epo- 
chen keinerlei  faltende  Bewegung  erlitten ;  sie  stauen  im  Gegen- 
theile  die  Falten,  oder  sie  brechen  vor  ihnen  ein.  Die  zweite  Rich- 
tung der  Bewegungen,  Senkung  oder  Einsturz,  hat  dagegen 
allenthalben  ihre  Spuren  zurückgelassen.  Bald  erzeugt  sie  grosse 
Gräben  in  den  Tafeln,  bald  Tafelsenkungen  an  peripherischen 
Linien,  bald  kesseiförmigen  Einbruch  am  Innenrande  von  gefalte- 
ten Gebirgen,  bald  Absinken  von  Faltengebirgen  an  streichenden 

oder  querliegenden  Brüchen.  Die  Mannigfaltigkeit  und  die  Mäch- 

50» 


yy8  Zusammenbruch. 

tigkeit  derselben  ist  eine  ausserordentliche.  Die  Mittelmeere  und 
die  grössten  Oceane  entstehen  und  erweitern  sich  durch  Senkung 
und  Einbruch. 

Der  Zusammenbruch  des  Erdballes  ist  es,  dem  wir  beiwohnen. 
Er  hat  freilich  schon  vor  sehr  langer  Zeit  begonnen  und  die  Kurz- 
lebigkeit des  menschlichen  Geschlechtes  lässt  uns  dabei  gTiten 
Muthes  bleiben.  Nicht  nur  im  Hochgebirge  sind  die  Spuren 
vorhanden.  Es  sind  grosse  Schollen  hunderte,  ja  in  einzelnen 
Fällen  viele  tausende  von  Füssen  tief  gesunken,  und  nicht  die  ge- 
ringste Stufe  an  der  Oberfläche,  sondern  nur  die  Verschiedenheit 
der  Felsarten  oder  tiefer  Bergbau  verrathen  das  Dasein  des 
Bruches.  Die  Zeit  hat  Alles  geebnet.  In  Böhmen,  in  der  Pfalz, 
in  Belgien,  in  Pennsylvanien,  an  zahlreichen  Orten  zieht  der  Pflug 
ruhig  seine  Furchen  über  die  gewaltigsten  Brüche. 

Würden  die  tangentialen  Spannungen  in  dem  äusseren  Fels- 

« 

gerüste  der  Erde  sich  vollkommen  das  Gleichgewicht  halten  und 
würde  dasselbe  im  Stande  sein,  sich  als  ein  freies  Gewölbe  selb- 
ständig von  allen  Vorgängen  der  Erdtiefe  aufrecht  zu  halten,  wür- 
den keine  Einbrüche  und  Faltungen  eingetreten  sein,  so  würde 
wahrscheinlich  die  Oberfläche  der  Erde  ein  ziemlich  regelmässiges 
Sphäroid  darstellen,  allenthalben  bedeckt  von  einer  ununterbro- 
chenen oceanischen  Hülle.  Die  Einbrüche  sind  es,  welche  die 
Wässer  in  tiefen  Weltmeeren  gesammelt  haben;  hiedurch  erst  sind 
Continente  entstanden  und  sind  Wesen  möghch  geworden,  welche 
durch  Lungen  athmen. 


lAa. 


Anmerkungen  zu  Abschnitt  XII:  Die  Continente. 


»  H.  B.  Medlicott,  The  Alps  and  the  Himalaya's,  a  geol.  Comparison;  (juart.  Journ. 
gcol.  Soc.  1868,  XXIV,  p.  34 — 52;  G.  Bleicher,  Essai  de  Geol.  comparee  des  Pyrcnees,  du 
Plateau  central  et  des  Vosges;  Thise  pr6s.  ä  la  fac.  de  Strasbourg,  8°,  Colmar,   1870. 

2  C.  A.  White,  A  Review  of  the  Non-Marine  fossil  Mollusca  of  N.  xVmcrica; 
U.  S.  Geol.  Surv.  188 1-  82,  insb.  p.  73  u.  folg.;  ders.:  Certain  Phases  in  the  geol.  llistory 
of  the  N.  Americ.  Continent;  President.  Adress  deliv.  at  the  IV.  anniv.  Meeting  of  ihe  Biol. 
Soc.  of  Washington,  Jan.  25.  1884;  Proc.  Biol.  Soc.  II,  p.  24  und  an  and.  Ort. 

3  C.  Barrington  Brown,  On  the  tert.  Deposits  on  the  Solom5es  and  Javary  Rivers; 
Quart.  Journ.  Geol.  Soc.  1879,  XXXV,  p.  76—88. 

4  L.  Tausch,  Ueb.  einige  Conchyl.  aus  dem  Tanganyikasee  und  deren  foss.  Ver- 
wandte; Sitzungsb.  Akad.  Wien,  .1884,  XC,  und  auch  schon  angedeutet  bei  White,  Proc. 
U.  S.  Nat.  Mus.  i883,  p.  98. 

5  Tb.  Fuchs,  Ueber  die  lebend.  Analoga  der  jungtertiären  Paludinenschichten  und 
der  Melanopsis-Mergel  S.  O.  Europa*s;  Verhandl.  geol.  Reichsanst.  1879,  S.  297 — 3oo. 

^  Neumayr,  Ueb.  einige  Süsswasserconchyl.  aus  China;  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  etc. 
i883,  6,  S.  21—26. 


Uruch  von  ADOLF  HOLZHAUSEN  in  Wi»:« 


3  6105  032  464  294 


:.  7  /  / 


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