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The Branner Geological Librar>'
DAS
ANTLITZ DER ERDE
VON
EDUARD SUESS.
MIT 18 TtXT-ABBILDUNGDN, 2 VOI,LlilLüEKN UNI) 1 KARTEN IN FARBENDRUCK.
ERSTER BAND.
ZWIlITK UNVKRÄNDKRTE AUFLAÜE.
1/avkitks hks drittks taijsknij.)
PRAG. WIEN. LEIPZIG.
F. tempskv. ^- TKMPSKY c. frkytac..
nucniiÄNüi.i:K nr« k.\ib. AK.\i>r.Mn niiK wississciiahln.
1892.
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Das Recht der Uebersetzung vorbehalten.
INHALT DES ERSTEN BANDES.
Seite
Einleitnng. Keilflirmige Umrisse der FestLHnder. — Grosse Tiefe der Oceane. —
Verschiedenheit des pacifischen und des atlantischen Gebietes. — Einbrüche.
— Was ist eine geologische Formation? — Cyclen der Entwicklung. — All-
gemeine Anwendbarkeit der stratigraphischen Terminologie Europa's. — Grösse
der Transgressionen. — Selbständigkeit alter Strandlinien vom Gebirgsbaue.
— Inhalt der folgenden Theile i
Erster Theil. Die Bewegungen in dem äusseren Pelsgerüste der Erde.
Erster Abschnitt. Die Sintfluth. Meeresfluthen. — Zwei Berichte in der biblischen
Darstellung vereint. — Berosus. — Das Izdubar-Epos. — Oertlichkeit. —
Verwendung von Asphalt. — Warnungen. — Die Katastrophe. — Strandung.
— Abschluss des Ereignisses. — Neuere Vorgänge an ostindischen Flüssen.
— Indus. — Ran of Kachh. — Ganges und Brahmaputra. — Wirbelstürme.
— Wesen und Verbreitung der Sintfluth. — Eintheilung der Berichte. —
Berosus und Izdubar-Epos. — Biblische Berichte. — Aegypten. — Hellenisch-
syrische Gruppe. — Indien. — China. — Schluss 25
Zweiter AbSClmitt. Einzelne Schüttergebiete. Verschiedene Richtungen der Unter-
suchung. — Die nordöstlichen Alpen. — Das südliche Italien. — Das Festland
von Central- Amerika. — Vermeintliche rhapsodische Erhebungen von Chile. —
Aufprellen von Gegenständen. — Bewegung von submarinem Sediment. —
Valparaiso, 1822. — Concepcion, 1835. — Valdivia, 1837. — Hebung des
Landes nicht erwiesen 99
Dritter Abschnitt. DisiOCatlonen. Zerlegung der Spannungen. — Dislocation durch
tangentiale Bewegung. — Faltung. — Schuppenstructur. — Ueberschiebungs-
oder Wechselflächen. — Verschiebungs- oder Blattflächen, — Torsion. —
Dislocation durch radiale Bewegung. — Einsinken auf weichender Grundlage.
— Flexuren und Verwerfungen. — Sprungnetze. — Kesselbrüche. — Dis-
location aus vereinigter radialer und tangentialer Bewegung. — Rückfaltung
und Einklemmung. — Vorfaltung 142
Vierter Abschnitt. VulCane. Denudationsreihe. — Vesuv un<l M. Nuovo. — ÄI. Venda.
— Laccolithen. Palandokän und Dary-dagh. — Whin Sill. — Die Hebriden. —
Predazzo. — Die Spalte im Banat. — Syenitische Narbe von Brunn. — Elk
Mountains und Harz. — Batholithen; Drammcngranit ; Vogesen; Erzgebirge.
— Maculae. — Einsacken. — Die Reihe 190
Fünfter Abschnitt. Verschiedenartiglceit der Bewegungen. Versuche einer Eintheilung
der Erdbeben. — Dislocations- und vulcanische lieben. — Blattbeben. —
Wechselbeben. — Senkungsbeben. — Der Aetna 1780 und 1874 bis i883.
Verschiedenartigkeit vulcanischer Beben, — Die Denudationsreihe 227
IV r.i.-.j«.r.
Zweiter TheiL Die Gebirge der Erde,
Crtter AlitoliRnt Dm wk^fcM Virtw^ <« Alyg—yiTB— , i.*t -l- r,:i^ r^'r . — i<=
Su'l«;l«-rj. — r>n fri.i.< ■.-.-- -.r. ri'. ■.•-.'» -»:n;* i.i;^. :!;•.:. — * ..- . 13.; ;-£ "'t^.a. —
Zweiter AbtcliRitt. Die LtHSmhu i«i AJyüasyitan l'^r y:-:-^.: :^ .^Lir-n 1:1:
'l<'r K*rpifr.*:a -- V^r"! - -> V-.r-.*.-. i!-,.^ i-*^- A i.—'tarta : i-, — "'x'-jict:!^
< I «'^ Kri 'i*; ' 'l*:7 K .« 'Vi : '*. "^r. — ' 'r. " : ■*■: j^r* :i i:r- "v t« i-t -ii: »ta. : 'ir j-.t.: h -ta > :• ■ ■ r j- :■- .
■ I ' w. \ß^ii(i r. ;f ' . •. A ;.•»:- .-..-.. — ^ :.'":•»:: . — X : r Lifr.Tcjn:.-.: ii?; - ■ 1-i : ■ r^ . —
('tWff'^UMr — !/.', V- r-. : '-.r: .^r^ — ~' r';.r":7'-r.:;ri Aa-riain;? :er L.:::-
Dritter AbeoliRitL Die airiaiitefce SaAnf, B: i-.iLixr i^ AianL-^::: — itc j-.ii-
carj'.Tilirif';. — A'^^:, .'>.>.-:, — Zt.-:'-*- J:::-:;«.-.?! isi :rra Sncid -:!i S';]i>:
— Jffi N''/r':»rT* ':*r A-vJ-rV.:.* — liri^;- la: 'ji:" ;r-it::i*. — L'^arr^ch-i ;«:=r
Vierter AbechRltt Das Mittelaeer. ? :-: -:-':. r.-:-- ?:--i-'^a 7- iz^vii:'-;=i ^:r-Ji-±
- - f ;<:/ j ': h 'i n ;f '. T. z. A T. -«rr : * .1. — U. r i: [.in*::-.: h ; '■•: *-■" — • >i.i iai. : ii- ■ u". ' r - -
t': rr:in:f »1 f t . — h:- • ir - . i* ."'.>-: J ; i .- r. ; - t. : :r, — Zj\-: •-:_'.:"- 1 - ^^ " z. — N t i::r i
'A*:'U, — *•' '. r . : -y, h '. *■> L • V: — D :■ : ! t v. -.*i ?.• - .' r !■: - ; . — 'S r ': •: r-: : '- : . 5r c
FUnfler AbechRitt Die irotte WüsteeUfef. ^.:--i ;=: a*j77:i=. — Sii-Arij:-
Seoheter ANchnttt Du|ebroche«e iediscbe Festlud. ^'liifr.k-x. - Zr.t -rti-iii^r.r
M;it!iiri'.':I. — Mi :.;;,' .t-rrtr . — I'.!.':r-:.;h: ... . . . 5:0
Siebenter Abfchnitt. Die lodiecheR Scbaamagea. Di-, -rin»:?.-!! Ai.-<±:ikr::^s — ir.^
Sii1/.k«;tt';. — h'.' t.rti.ir'Ti K.':::Mi. — Dtr -«^i-z! :■:•:■? HiTiLiliji- — Ms-^uc- ^- i
KiJ':ri-liiri — lllu'.'i Ku«h cn : l'lT.ir, — IV.r ~-:!::r.-. H"rT-.ai:i7.i- — Barmah.
Malakk.'i, Surrutr,!. I'':!i'.ri!c?.t .... .. .. .541
Aohter Abschnitt. Die Beziehnnien der Alpen zi ütm asiatiscbeR Gebirgen. Aai^^:^
'li«■•.':^ Ah't:),nitV'-. - 1 :;in-'ch\n \- ,Ti J, Ma-:hk ■.:■,:?. — \V-.-tI::hj Au-LIafer
'l':«! 'J i;in-vrh:in. — Niir.i-tiu, **€h'.:rh-I>j-:Ii, Mj.n2j:-cr.I:kk. K- h'-jn^eV-ir^ a=i
iJori'rt/,. farop-imi-iis, rhora--.in, Kop;t-:.\;;h. Bilc?.än, Kauki-a«. Krim. —
Mal -r hin. — JVilkan urri Karji.ith'.n. — Albur-, IrinSoh-Tauri-chv Sc h.T-ininj:.
fiiiMri-*;}i^ r Z'j;;. — /^"i-iinj; 'I*;r wirl/«.lf''irnii;;;'':n Anor-Inunj: -ier Alpen. —
IJr.il, I';i':-<;}ioi un'i I iman. r'«'b';r-iV:ht . , ... 507
Neunter Abschnitt Südamerika, itu: l^raMü-chc M.i—.. — i^i*:- .ir;;cntiDi<cheD Ketten.
I>i'- li'»Iivi-rh« fi iin«l (.hilf:ni<(.h'^.n An'I'.n — Di*: Kri^ten-Coplilleren uni
I'alajjoni' II, I'« rii. -- I'xtia'ior, X. Orana'ia un«! Venezuela. — L'ebersichl 655
Zehnter Abschnitt, Die Antillen. I>rei In-elr^ihen. — <.ii1>a. — Haiti. — Jamaica. —
Tii'-ftri Kirr, |,i. Ii;trlia'lo-. Jji'; '>>r'lillere >U:r Antillen. — Verj,'leich mit
'l'T l'niraliirnin;; «I«: we-tlii-^Mn Mittelrnerro. - Kr'llM.hen *>^)^
Eilfter Abschnitt. Nordamerika. i>u- Faltnn^^'en im Osten. -- l'rairitland un<i hlack
IIlll^. • l'.inthf'iliui;; '1er ^iel>ir;^i/ii;je 'le-* \V»ten-. — RfKky Mountiin>. —
l'inia, Wah atrli lui'I K rtti n/.ii;;e am Snake-Kivcr. — Colora'lo-Plateau. —
I)as lloflilan'l von Utah lUi'l '1er ;jrri<<-e T^inon 'le*« <>)lora'lo. — l'asin Rani»c>.
Sierra Neva'la. I)i«- K ii'*t*n-<^or'lilIeren un'l Nie«ier-(^alifornien. — Der
rana'lisrh'- Wevlcn, I rebe-r^ieht ...7IJ
Zwölfter Abschnitt. Die Contlnente. Alte un'l neue Welt. — Unhaltharkeit dieser
Au .»Iriirk«-. - Alt'r «Nr '.'»nlin« iil«-. Amerika. — Trennung' von Indo-
Afiika un'l l'Jiia.ia. Kiltuni: von I'.ura^ia. Man-hai und die turke>tanische
Ni<-dtiun);. I)i<- Mitt<lm«efr. - I)rr iudi<<elif Orcan. — Die j^rossen l'Lin-
lieitm. Manni|dalh;^k»il dei (irhirj»«-. - ZU'»amnienbru('h der Lithosphäre 764
EINLEITUNG.
Keilförmige Umrisse der Festländer. — Grosse Tiefe der Oceane. — Verschiedenheit des
pacilischen und des atlantischen Gebietes. — Einbrüche. — Was ist eine geologische For-
mation? — Cyclen der Entwicklung. — Allgemeine Anwendbarkeit der stratigraphischen Ter-
minologie Europas. — Grösse der Transgressionen. — Selbständigkeit alter Strandlinien vom
Gcbirgsbaue. — Inhalt der folgenden Theile.
iVönnte ein Beobachter, aus dem Himmelsraume unserem
Planeten sich nähernd, die röthlichbraunen Wolkenzonen unserer
Atmosphäre bei Seite schieben und die Oberfläche des Erdballes
überblicken, wie sie, unter seinen Augen rotirend, sich im Laufe
eines Tages ihm darbietet, so würde vor allen anderen Zügen der
südwärts keilförmig sich verengende Umriss der Festländer ihn
fesseln.
Dieses ist das auffallendste Merkmal unserer Erdkarte und
ist wohl auch als solches bezeichnet worden, seitdem man diese
Karte kennt. Diese keilförmige Gestalt wiederholt sich in den ver-
schiedensten Breiten. Cap Hörn, das Cap der guten Hoffnung,
Cap Comorin in Ostindien, Cap Farewell in Grönland sind all-
bekannte Beispiele.
Es ist der Versuch gemacht worden, diese Umrisse durch
eine heute angeblich vorhandene grössere Anhäufung von Wasser
gegen den Südpol zu erklären. Diese Vorgebirge tauchen aber
nicht allmälig unter das Meer, sondern sie sind felsig und ihre Ab-
hänge fallen in den meisten Fällen schroff in grosse Tiefen hinab.
Eine gleiche Anhäufung des Wassers gegen den Nordpol würde
ähnliche keilförmige Umrisse nicht erzeugen.
Diese Umrisse sind daher in der Structur der äusseren Theile
des Planeten selbst bedingt. —
S u e s s. Das Antlitz der Erde. ^
2 Tiefe der Meeresbecken.
Hierüber würde demselben Beobachter nicht der geringste
Zweifel bleiben, wenn er, so wie er die Wolkenzonen der Atmo-
sphäre bei Seite schob, nun auch die Meere zu entfernen und das
Felsgerüste des Erdballes in seiner Nacktheit zu überblicken im
Stande wäre. Die ausserordentliche Tiefe der Meeresbecken in
ihrem Gegensatze zu der geringen Höhe der Festländer und der
steile Abfall eines grossen Theiles der Küsten würden ihm dann
vor die Augen treten.
Schon Alexander von Humboldt verglich die Continente tref-
fend mit ,FlateauxS welche aus den grossen Tiefen aufragen.
Carpenter schätzt die mittlere Höhe der Festländer rund im
höchsten Falle auf looo Fuss, die mittlere Tiefe der Meere auf
13.000 Fuss.*
Krümmel veranschlägt, auf Leipoldt gestützt, die mittlere
Höhe der Festländer auf 440 M., die mittlere Tiefe der Meere auf
3438-4 M. (1880 Faden). Nach Krümmel's Angaben würde bei
Ausgleichung aller Unebenheiten die ganze Oberfläche des Pla-
neten von einer Meerestiefe von 0*339 Meilen = 2*52 Km. —
1375 Faden überdeckt sein.*
Das mittlere Maass der vorhandenen Unebenheiten, welches
sich aus der Summe der mittleren Höhe der Continente und der
mittleren Tiefe der Meere ergibt, würde daher nach Carpenter
14.000 Fuss, nach Krümmel 3878*4 M. betragen. Aber jener Be-
obachter des entblössten Erdballes würde einen noch grösseren
Contrast der Tiefen und Höhen sehen, denn bei Ermittlung dieser
Ziffern ist ein Umstand ausser Betracht geblieben, welcher einen
guten Theil der Steilheit der Küsten und des Gegensatzes von
Land und Meer verhüllt, nämlich die Attraction, welche von den
Festländern auf. die. Masse der Meere ausgeübt wird.
Man pflegt von der Voraussetzung auszugehen, dass die
Meeresfläche allenthalben gleich hoch, d. i. dass jeder Theil der-
selben und folglich auch jeder Theil der Strandlinie gleich weit von
dem Mittelpunkte der Erde entfernt sei. Diese Voraussetzung ist,
obwohl auf derselben ein so grosser Theil unserer geodätischen
Arbeiten beruht, eine unhaltbare. Nach den älteren Arbeiten von
Saigey und Stokes, insbesondere aber nach den neueren Unter-
suchungen Fischer's und der klaren Darstellung der Sachlage,
fr
Attraction. 3
welche Hann geliefert hat, muss es als erwiesen gelten, dass die
Massen der Continente eine beträchtliche Anziehung auf die Meere
ausüben, und dass folglich die Oberfläche der Meere gegen die
Continente hin ansteigt.'^
Führt man also einen Schnitt in der Ebene eines Parallelkreises
quer über einen der grossen Oceane, so wird sich ergeben, dass
die Mitte des Oceans dem Mittelpunkte der Erde näher liegt als
die beiden Strandlinien. Der Unterschied der Höhen in Metern stellt
sich nach Fischer annähernd gleich I2 2mal dem Unterschiede der
Anzahl der täglichen Pendelschwingungen. Dies gäbe bei einem
Unterschiede von z. B. neun Schwingungen auf einer oceanischen
Insel im Vergleiche zur Küste eine thatsächliche Höhendifferenz
von etwa i loo M. oder 3380 Pariser Fuss. Die Küsten der Fest-
länder und diese selbst erscheinen dem Auge daher viel zu niedrig;
dieses Anschmiegen des Meeres verhüllt einen grossen Theil des
Gegensatzes, welcher thatsächlich zwischen Continent und Ocean
besteht.*
Die Bedeutung dieses Umstandes tritt hervor, wenn man an-
nimmt, dass diese Attraction aufhöre. Der jetzt an den Rändern
der Continente aufsteigende Theil der Meere würde zurücksinken,
ein grosser Theil der tiefer in die Continente eingreifenden Buch-
ten würde gänzlich trockengelegt, die Continente würden etwas
an Umfang und viel an Höhe und Zusammenhang gewinnen. Aber
während die Festländer hervortreten, würden zugleich die Meere
an Tiefe zunehmen, und die gleichförmige Ausbreitung der bisher
von den Continenten festgehaltenen Meerestheile würde vielleicht
hinreichen, um eine Anzahl flacher oceanischer Inseln dauernd zu
überfluthen.
Die Lothungen, welche von der Küste gegen das offene Meer
hinaus vorgenommen werden, sind demnach nicht auf einen hori-
zontalen, sondern auf einen concaven Wasserspiegel zu beziehen,
wodurch sich die Profillinie des Untergrundes wesentlich verändert.
Carpenter schätzt, wie gesagt, die mittlere Höhe der Fest-
länder auf höchstens 1000 Fuss, Krümmel auf 440 M.; das Bei-
spiel, welches für das Ausmass der Attracttonswirkung angeführt
wurde, ergab 1 100 M. für das Ansteigen des Oceans, also weit
mehr als das Doppelte, ja fast das Dreifache der höheren Schätzung
1*
i
A Vermuthcte Persistenz der Meere.
der mittleren Hohe der Festländer. Wenn nun auch diese Ziffer
eine ausnahmsweise sein und der mittlere Ertrag der Attraction
auf weniger als die Hälfte derselben herabsinken mag, was zu be-
urtheilen mir allerdings die Anhaltspunkte fehlen, so bleibt immer
noch Ursache zu einer weitgehenden Correctur der bisherigen
Anschauungen.
Sucht man ferner die Entfernung der mittleren Höhenlinie der
Festländer von der mittleren Tiefenlinie der Meere, also das mitt-
lere Ausmass der Verschiedenheiten des Reliefs zu ermitteln, so
genügt es nicht, die beiden Ziffern KrümmeFs 440 M. -f 3438*4 M.
= 3878*4 M. zu addiren, wie oben geschehen ist. Es kömmt hiezu
noch eine Ziffer für das Ausmass der Attraction zu fügen, welche
diese Summe beträchtlich, und zwar jedenfalls weit über 4000 M.
erhöhen muss. Dies erst wäre das mittlere Maass jener Uneben-
heiten, welche sich jenem Beobachter zeigen würden.
Eine lange Reihe der schwierigsten Fragen tritt uns aus dieser
ersten Betrachtung der grossen Züge der Erdoberfläche entgegen.
Wie mögen diese grossen Tiefen des Meeres entstanden sein?
Unter dem Eindrucke des ausserordentlichen Ausmasses der-
selben und unter der Ueberzeugung, dass die älteren Ansichten
über Erhebung und Senkung des Landes durchaus nicht hinreichen,
um so gewaltige und ausgedehnte Verschiedenheiten des Reliefs
zu erzeugen, hat die Ansicht Wurzel gefasst, dass die oft erwähn-
ten Veränderungen in der Vertheilung von Ocean und Festland
denn doch nur innerhalb gewisser, nicht allzuweiter Grenzen nach-
weisbar und überhaupt denkbar seien, und dass von jeher die
Lage der grossen Festländer und • der grossen Meeresbecken in
der Wesenheit unverändert geblieben sei.*^
In der That möchte es wohl scheinen, als ob die Ueber-
fluthungen unserer heutigen Continente in früheren Zeiten, d. i.
seit dem Abschlüsse der unteren Silurablagerungen, kaum weiter
gediehen seien als bis zu einem verhältnissmässig geringen Bruch-
theile der mittleren Tiefe der heutigen Meere. Murray hat in
grosser Ausführlichkeit und in überzeugender Weise nachgewiesen,
dass die Sedimente der grossen Tiefen nur organischen, oder vul-
canischen, oder meteorischen Ursprunges sind. Jede Beimengung
einer der trockenen Erdoberfläche entnommenen Einschlämmung
Mächtigkeit der AblagcTungen. S.
bleibt ihnen fremd, und sie sind folglich verschieden von der über-
grossen Masse jener Meeresablagerungen, welche in unseren Ge-
birgen und Ebenen angetroffen werden, und deren Analoga man
heute in geringerer Entfernung und in massiger Tiefe vorfindet. "
Die häufigen Einschaltungen von Süsswasserbüdungen in den
späteren Zeitabschnitten, sowie der in diesen Zeiten sich geltend
machende vicarirende Charakter der einander folgenden Land-
faunen, in welchen sich die Continuität des Lebens auf dem trocke-
nen Lande so deutlich ausprägt, können als eine Bekräftigung
dieser Meinung für die jüngeren Perioden angesehen werden.
Auf der anderen Seite ist aber die Mächtigkeit der Meeres-
ablagerungen, welche an dem Aufbaue der Continente theilneh-
men, zuweilen so ausserordentlich gross, dass es schwer wird, den
Mangel abyssischer Merkmale zu erklären, und nicht nur die Ein-
verleibung so beträchtlicher Massen von Sediment in die Conti-
nente, sondern auch die Frage nach jenen Festländern, durch
deren Abschwemmung diese mächtigen Massen erzeugt wurden,
bleibt ein Räthsel. Ich erinnere an die Tausende von Füssen
triadischen und rhätischen Kalksteins in den Alpen und die Mäch-
tigkeit des so viel jüngeren Flysch, um von der grossen Entwick-
lung paläozoischer Ablagerungen ip England nicht zu sprechen.
Nach einer Messung von Ashburton beträgt die Summe der Mäch-
tigkeiten auf einer Profillinie in Central -Pennsylvanien von dem
Niveau der Alleghany-River-Coal-Series bis zum Trenton-Lime-
stone, also noch ohne die tieferen Glieder des Silur, 18.394 Fuss. '
Es wäre nicht eben schwer, eine gute Anzahl von Gegenden
zu ermitteln, in welchen die Summe der Mächtigkeit der vorhan-
denen Meeressedimente ebenso gross ist, als die ganze beiläufige
mittlere Tiefe der heutigen Meere, also etwa 4000 bis 5000 M.,
erreicht. Wie tief muss aber nach den herrschenden Voraus-
setzungen die Senkung eines Landstriches einst gewesen sein,
wenn nicht etwa seine Meeresbedeckung, sondern wenn sogar die
Sedimente eine solche Mächtigkeit erreichten?
Der ausserordentliche Antheil, welchen paläozoische Sedi-
mente an dem Aufbaue der Festländer, z. B. in China, nehmen,
ist ein untrügliches Zeichen für das grosse Maass des eingetre-
tenen Wechsels. Die hohen Sockel, auf welchen unsere Continen^f
6 Pacifischcs Gebiet.
liegen, mögen also sehr alt sein, sie mögen zum grossen Theile
weit in die mesozoische Zeit zurückreichen, aber für die paläozoi-
sche Periode könnte man der Voraussetzung allgemein persistiren-
der Festländer nicht zustimmen, und jener Theil der continentalen
Ränder, welche quer über das Streichen junger Kettengebirge
gebrochen ist, hat sicher nur ein gar geringes Alter.
Es handelt sich also bei Betrachtung der keilförmigen Gestalt
der Festlandmassen nicht um etwas seit der Bildung des Erd-
körpers unverändert Gegebenes, sondern es wird sich jeder Ver-
such, die Bewegungen und die Formveränderungen der Erdrinde
zu verstehen, mit diesen grössten Merkmalen der planetarischen
Oberfläche zu beschäftigen haben. —
Denken wir uns nun weiter, dass derselbe Beobachter dem
Erdballe sich so weit genähert habe, dass er nicht nur den Umriss
und die Steilheit, sondern auch die Beziehungen der Umrisse der
Continente zu den Gebirgen auf denselben wahrzunehmen im Stande
sei. Nun wird er erkennen, dass auf diesem Planeten sich zwei
Gebiete unterscheiden lassen, in welchen die Grenzen der Meeres-
becken in einem wesentlich verschiedenen Grade von Abhängigkeit
stehen von den Gebirgsketten der Festländer.
Von Chittagong am nördlichen Ende der Bucht von Bengalen
bis Java und entlang der asiatischen Küste des pacifischen Occans
durch Japan und die Kurilen und dann ostwärts durch die Aleuten
bis Aljaska zeigen sich auf dem Festlande selbst oder auf langen
vorliegenden Inselreihen mehr oder minder zusammenhängende
Linien von Gebirgsketten, deren Streichen entweder der Küste
parallel oder gegen dieselbe concav ist, so dass die Inseln wie
ebensoviele hängende Blumenkränze das Festland umgeben und
dass bestimmte Beziehungen zwischen der Umgrenzung des Fest-
landes und seiner Structur nicht zu leugnen sind.
In ebenso unverkennbarer Weise tritt der Zusammenhancf des
Verlaufes der Küste mit dem Streichen der Gebirgsketten an der
amerikanischen Westküste bis Californien hinab und durch ganz
Südamerika hervor.
Vom Ganges bis zum Cap Hörn ist also eine Wechsel-
beziehung dieser Art die Regel; dieses ist der pacifische
Typus.
Atlantisches Gebiet. 7
Begeben wir uns an die Ostseite von Cap Hörn, so zeigt sich
sofort eine geänderte Sachlage. Die Gebirge streichen gegen
Staten Island hinaus und Cap Hörn selbst folgt noch der pacifi-
schen Regel. Aber für die ganze patagonische, für die brasilische,
ja für die ganze ostamerikanische Küstenlinie bis Grönland hinauf,
mit Ausnahme der Antillen-Region, gilt diese Regel nicht. Wo ein
Gebirge in der Nähe des Meeres liegt, wie die Appalachien, ist
es abgewendet vom Meere; es ist weithin gar kein ursachlicher
Zusammenhang zwischen der Küstenlinie und der Structur des
Continentes sichtbar. So ist es auch auf der ganzen Westküste der
alten Welt, mit Ausnahme eines Theiles der westlichen Pyrenäen.
Schottland, die Bretagne, Portugal bieten auffallende Beispiele
von quer die Structur durchschneidenden Küstenlinien, und nament-
lich im nördlichen Schottland kann man deutlich erkennen, wie die
grossen, nach Nordost streichenden Verwerfungen, welche das
ganze Land durchqueren, gegen das Meer auslaufen, während
das Ufer mit zackigem Umrisse zwischen diesen Verwerfungen
eingebrochen ist.^
Diese Unabhängigkeit des Verlaufes der Meeresküste von
jener der Gebirgsketten ist bezeichnend für die atlantische
Region.
Der heutige Umriss der Bedeckung des Planeten mit Wasser
fällt also in dem grössten Theile des pacifischen Gebietes mit leicht
erkennbaren Zügen der Structur des Erdballs zusammen, während
für das atlantische Gebiet eine solche Uebereinstimmung nicht
sichtbar ist. Sobald man aber versucht, diese Unterscheidung auf
den indischen Ocean anzuwenden, zeigt es sich, dass wohl die
ganze Ostseite Afrikas, die arabische Küste und jene der ganzen
indischen Halbinsel bis zum Ganges ähnlich gebaut sind wie die
atlantischen Umrisse, und dass dasselbe weit im Südosten für die
australischen Küsten gilt, dass aber zwischen diesen von Chitta-
gong bis über Java hin, wie schon gesagt wurde, der pacifische
Bau hervortritt. Man muss nun auf dem Festlande die Grenzen
beider Gebiete finden. Diese Grenze verläuft aus dem bengali-
schen Tieflande nach den äusseren Ketten des Himalaya gegen
Nordwest, folgt dann vom Punjab dem Indus bis zu seinen Mün-
dungen, ferner dem persischen Meerbusen und dem Unterlaufe
8 Brüche.
des Euphrat und findet, wie sich später zeigen wird, unter gar ver-
wickelten Verhältnissen ihre Fortsetzung vom Meerbusen von Gabes
durch Marocco bis zur atlantischen Küste Afrikas. Auf diese Art
werden die drei grossen, nach atlantischem Typus umgrenzten
Massen von Afrika, der indischen Halbinsel und Australien süd-
wärts abgeschieden.
Die mächtigsten Gebirgsketten der Erde sind nur unterge-
ordnete Glieder sehr grosser Structurerscheinungen, welche den
ganzen Erdball beherrschen. Man mag die Schichtstellung und den
Bau eines Gebirges im Einzelnen beobachten und beschreiben,
aber man vermag nicht eine Erklärung für dieselben zu geben,
ohne die Beziehungen dieses Gebirges zu der Vertheilung der
Gebirgsketten überhaupt im Auge zu halten. —
Lassen wir nun denselben Beobachter zur näheren Betrachtung
der Schichtstellung in den einzelnen Gebirgsketten seinen Fuss auf
den grünen Rasen unserer Erde setzen. Er wandert über Berg
und Thal, aber er sieht nur gar wenig von den gewaltigen Be-
wegungen, an welchen viele Theile der Erdoberfläche theilge-
nommen haben. Die Höhen sind abgewittert und abgewaschen,
die Niederungen verschlämmt und versandet. Grosse Gebirgszüge
sind niedergehobelt zu Hügelland oder gar zu Platten. Bruch-
flächen, an welchen sich Verschiebungen von GebirgsschoUen
gegen einander im Ausmasse von vielen Tausenden von Füssen
vollzogen haben, sind dem Auge so vollständig entzogen, dass
sie nur zufällig durch unterirdische Arbeiten überhaupt bekannt
werden.
Die Verwerfung im Tunnel von Fuveau bei Marseille, welche
etwa I200 M. beträgt und den Muschelkalk mit viel jüngeren
Schichten in Berührung bringt, ist zu Tage gar nicht bekannt ge-
wesen. ^
Die Brüder Rogers nehmen in den Kohlenfeldern Virginiens
Versenkungen von Schichten bis zum Ausmasse von 7000 — 8000
Fuss an,'° und nach Lesley ist in diesem Gebiete die Westseite der
Anticlinale ,Cove Canoe' durch einen 20 (engl.) Meilen langen
Bruch abgetrennt und um wenigstens 20.000 Fuss hinabgesenkt."
Man versuche aber nur in irgend einem genauer bekannten Ge-
biete die Wirkungen der Denudation im Geiste zu entfernen, und
Wahrer Betrag der Dislocationen. o
es bauen sich gar oftmals Gebirge auf von Höhen, die allerdings
vielleicht niemals wirklich bestanden haben, da die Denudation in
ihrer Wirkung stetig die Gebirgsbildung selbst begleitet haben mag,
deren Dimensionen aber nichtsdestoweniger uns das wahre Aus-
mass der vorgekommenen Verticalbewegungen geben. Man denke
sich anstatt der kleinen Lappen von Rothliegend und Kreide,
welche das hohe Alter der Denudation verrathen, auf die Höhe des
Erzgebirges jenen ganzen Mantel von paläozoischen Bildungen
von Sachsen her fortgeführt, welcher heute gefaltet sich nur an
den Nordsaum des Gebirges lagert. Man führe auf die älteren
Felsarten unserer Alpen nur einen Theil der mesozoischen Neben-
zonen herauf, und wie ausserordentlich ändert sich sofort das Bild
unserer Gebirge! So kommt es, dass Clar. King, von Ost her die
angelagerten paläozoischen Schichten fortsetzend bis auf den
Kamm des Bruches, an welchem am grossen Salzsee der west-
liche Theil des Wahsatch absinkt, für das Maass dieses Absinkens
mindestens 30.000 Fuss und mit Hinzufügung der Kreideformation
40.000 Fuss annimmt." Dies ist die grosse Bedeutung jener Stereo-
gramme, welche Powell nach Gilbert's Vorschlag von den Uinta-
Mountains entwarf, und aus denen erst das wahre Ausmass der
Einsenkung deutlich vor das Auge gebracht wird.'^
Es wird sich aber Gelegenheit finden, zu zeigen, dass die Erd-
rinde nicht etwa nur von einzelnen Brüchen dieser Art durchsetzt
ist, sondern dass ausgedehnte Gebiete an Systemen von Brüchen
zur Tiefe gesunken sind. —
Wir wollen auch diese Reihe von Erfahrungen verlassen und
wollen denselben Beobachter, nachdem er unter den Wolken-
gürteln die keilförmigen Umrisse der Festländer, dann unter dem
Meere die grosse Tiefe der oceanischen Becken, dann die Ver-
schiedenheit der pacifischen und der atlantischen Seite, endlich
die weitgehende Verhüllung der grossen Brüche erkannt hat, nun-
mehr aus den Bergen hinabführen in unsere Schulen. Aus einem
Wanderer wird er ein Zuhörer. Die Grundzüge des erhabenen
Wissensgebietes der Erdgeschichte werden ihm dargelegt. Er hört
von den wunderbaren Erweiterungen der menschlichen Kenntnisse,
welche durch die Untersuchung der Spectra der Himmelskörper
herbeigeführt wurden, dann von den verschiedenen Phasen der
lO Stratigraphische Einthcilunfj.
Erkaltung, in welchen sich heute die einzelnen Himmelskörper
befinden, von den Folgerungen, welche sich hieraus für die Bildung
unseres Sonnensystems und für jenen langen ersten Theil des
Bestandes unseres Planeten ergeben, während dessen die Bedin-
gungen für organisches Leben noch nicht vorhanden waren ; dann
hört er, dass in der Folge Wasser, Luft und Leben entstanden
sind, und dass man den letzten, seither abgelaufenen Zeitraum
abtheilt in geologische Formationen, in Epochen, Perioden und
Stufen.
Ist der Hörer nun einmal so weit gekommen, ist er an der
Pforte der stratigraphischen Geologie und zugleich an jener der
Geschichte des Lebens angelangt, so sieht er sich umdrängt von
einer kaum zu beherrschenden Menge von Einzelheiten über die
Verbreitung, die Lagerung, die Gesleinsbeschaffenheit, die tech-
nische Benützbarkeit und die organischen Reste jeder einzelnen
Unterabtheilung. Er hält inne und fragt: Was ist denn eigentlich
eine solche geologische Formation? welche Umstände bedingen
ihren Anfang und ihr Ende? wie ist es denn zu erklären, dass gleich
die erste derselben, die silurische Formation, in so entlegenen
Theilen der Erde, vom Ladoga-See bis zu den argentinischen
Anden und vom arktischen Amerika bis Australien in so deutlich
wiederkehrenden Merkmalen sich wiederholt, und wie kommt es,
dass die Gleichstellung bestimmter Horizonte aus verschiedenen
Zeitaltern und ihre Unterscheidung von anderen Horizonten über
so weite Flächen durchgeführt werden kann, ja dass thatsächlich
sich diese stratigraphischen Abgrenzungen über den ganzen Erd-
ball erstrecken?
Diese Frage ist gewiss naheliegend und berechtigt, aber wenn
wir alle die hervorragendsten Meister unserer Wissenschaft heute
zu einem glänzenden Tribunale vereinigen, und diesem die Frage
des Schülers vorlegen könnten, ich zweifle, dass die Antwort eine
einstimmige, ja ich weiss nicht, ob sie überhaupt eine bestimmte
sein würde. Gewiss ist, dass sie im Laufe der letzten Jahrzehnte
nicht immer gleich gelautet hätte.
Blicken wir in die Jahre 1849 — 185g zurück. Die Lehre von
der wiederholten Erschaffung neuer Bevölkerungen herrscht allent-
halben. Jeder grössere Abschnitt bedeutet einen Schöpfungsact.
Stratigraphische Eintheilung. I I
Dabei fehlt es aber nicht an weitgehenden Meinungsverschieden-
heiten über den Anstoss zum Untergange einer Fauna. In Belgien und
Frankreich entstehen lebhafte Discussionen über diese Frage. Am
häufigsten begegnet man der Voraussetzung, dass die Erhebung
der Gebirgsketten anzusehen sei als die Ursache dieser Kata-
klysmata, und man sucht nach einer Uebereinstimmung zwischen
den Erfahrungen der Paläontologie und den Versuchen Beaumont's,
eine geometrische Gesetzmässigkeit in der Vertheilung und eine
geregelte Altersfolge der Gebirge nachzuweisen.
Dumont behauptet unter dem Widerspruche Koninck's, die
heutigen zonenförmigen Verschiedenheiten der Klimate seien von
jeher vorhanden gewesen, Faunen wie die silurische, devonische
und Carbon-Fauna möchten leicht zugleich, doch in verschiedenen
Breiten gelebt haben und seien nacheinander allmälig von den
Polen zum Aequator vorgedrungen. Dabei leugnet Dumont keines-
wegs die Richtigkeit und den Werth der Beaumont'schen Anschau-
ungen; er betrachtet aber neben den angeblich raschen Erhebun-
gen der Gebirge die langsamen Bewegungen der Erdrinde, das Vor-
dringen oder Zurückweichen gewisser Ablagerungen auf grossen
Strecken, und benützt diese zur Feststellung von Unterabtheilun-
gen der Tertiärformation. Man könnte sagen, dass Dumont strebt,
neben den Discordanzen auch die Transgressionen zur Geltung zu
bringen.'^
Barrande untersucht, bis zu welchem Grade die Gebirgser-
hebungen als örtliche Erscheinungen aufzufassen seien, hält sich an
Beaumont's Angabe, dass jedes Gebirgssystem sich ausdehnen
könne auf einen Kreisausschnitt, gelegen zwischen zwei grössten
Kreisen mit der Aequatorialentfernung von 20 Grad, und er-
wartet erst von einem Vergleiche der von der Paläontologie er-
reichten chronologischen Tafel mit der Chronologie der Discor-
danzen weitere Erfolge. '^
Bald spricht d'Archiac mit Bestimmtheit die volle, Unschäd-
lichkeit' der grossen Dislocationen der Erdrinde gegenüber den
Gesetzen der Lebensfolge aus,'^ und im Jahre 1859 zeigt Hebert
die Ausdehnung der Süsswasserschichten, welche Jura und Kreide-
formation trennen, vom Juragebirge bis Hannover und England,
und folgert aus derselben die Abhängigkeit dieser Vorkommnisse
I 2 UnVollständigkeit der Ueberliefcrung.
von der Oscillation weiter Bodenflächen, nicht aber von den loca-
len Erhebungen der Gebirge. '^
Während in Frankreich die ältere Ansicht von dem wieder-
holten plötzlichen Untergange alles Lebens mehr und mehr zurück-
gedrängt wird, hat Edw. Forbes in England bereits gelehrt, wie
man selbst innerhalb der heutigen Bevölkerung Europa's Elemente
von verschiedenem Alter zu unterscheiden vermöge,'^ und Bey-
rich in Norddeutschland wesentlich auf Grund einer weithin nach-
gewiesenen Transgression die oligocäne Schichtgruppe der Tertiär-
formation umgrenzt.*^ Daneben haben sich aber immer noch die
Spuren einer älteren, von Brocchi herrührenden Meinung erhalten,
nach welcher den einzelnen Arten selbst eine Lebensdauer von
vorneherein gesetzt sei, wie den Individuen, und es überhaupt
eines äusseren Anlasses zu ihrem Untergange nicht bedürfe. '°
Gegen das Jahr 1859 hin suchte die Mehrzahl der Forscher
die Ursache der Verschiedenheit der Ablagerungen un'd der Fau-
nen in langsamen und ausgebreiteten Schwankungen der Fest-
länder und in wiederholten, vielleicht mit diesen Schwankungen
zusammenhängenden klimatischen Veränderungen.
Da erschien Darwin's Buch über die Entstehung der Species.
,Eben da der Process der Ausrottung,' sagt der Verfasser, ,in
ausserordentlichem Maassstabe sich vollzogen hat, muss die Zahl
der vermittelnden Varietäten, welche früher die Erde bewohnten,
wahrhaft ausserordentlich sein. Warum ist also nicht jede geo-
logische Formation voll von solchen vermittelnden Gliedern? Ge-
wiss enthüllt uns die Geologie nicht eine solche feingraduirte or-
ganische Kette, und dieses ist vielleicht die naheliegendste und
ernsteste Einwendung, welche gegen meine Theorie erhoben wer-
den kann. Die Erklärung liegt, wie ich meine, in der ausserordent-
lichen UnVollständigkeit der geologischen UeberHeferung.*
An einer späteren Stelle äussert sich Darwin weiter: ,Ich
glaube, dass die Erde kürzlich einen dieser grossen Cyclen des
Wechsels durchgemacht hat, und dass, von dieser Ansicht aus-
gehend, verbunden mit der Abänderung durch natürliche Auswahl,
eine Menge von Thatsachen in der gegenwärtigen Vertheilung
sowohl gleicher, als auch verwandter Lebensformen erklärt wer-
den kann.'"
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zwischen zwei räumlich ber.aohlw-:^^
Es tritt also in der That der ."u
den paläontologischen Stadion \ov. l\-j; ■,; /.-c v'. • « v *^ * v-x^^*
Daneben bleibt nichfsdestv^wonic^r vVo rh.it^/wV.v^ ,,v.'vv **.:, vla^^
wir nicht innerhalb der einzelnen Ka:r.iI:o:\ ^Hirv rKi::u:v^v !\ vlir
Art^m allmälig und zu vorschiodonon /x\W\\ sich ä:ulcrn srhrn,
sondern dass es ganze Gesellschaüoii, gan.'c iH^völknuiimMi und
F'-'.ren oder, wenn ich mich so ausdrückon darf, gan/i^ i\kiMu>iin
^.i-.hr rlinhriten der Natur sind, wt'lchi^ gmuMUsc haftliih aullivtrn
i:t: v-e^ler gemeinschaftlich verschwinden. Hies ist um so nnil.
vir:i^-t:r. a!.-^ die Aenderungcn der Bevölkerungen <lr-. M«'i' >
I ^ Einheit der Terminologie.
und jener des trockenen Landes keineswegs immer zusammen-
fallen, wie dies z. B. für die einzelnen Abtheilungen der Tertiär-
formation in der Niederuni»" von Wien auf das Unzweifelhafteste
nachgewiesen ist. Aus diesem Umstände kann man mit Sicherheit
entnehmen, dass hier Veränderungen der äusseren Lebensverhält-
nisse massgebend gewesen sind.
Freilich ist die Ueberlieferung in hohem Grade unvollständig.
Ein deutliches Zeichen hiefür liegt in der örtlichen Recurrenz ein-
zelner Gruppen. Die Recurrenz gewisser Gattungen von Ammo-
nitiden im mitteleuropäischen Jura ist von Neumayr bereits be-
nützt worden, um die ersten Grundlinien zur Abgrenzung der thier-
geographischen Provinzen während der einzelnen Abtheilungen der
Juraperiode zu ermitteln. ^-^ Es sind zwischen diesen Provinzen von
Zeit zu Zeit Verbindungen eröffnet und wieder unterbrochen wor-
den, aber die Thatsache, dass nicht nur trotz der untergeordneten
Verschiedenheiten der Synchronismus der Unterabtheilungen in
den einzelnen Provinzen in vielen Fällen mit hinreichender Sicher-
heit ermittelt werden kann, sondern dass über die ganze Erde hin
dem wohlbekannten Gesammttypus der Juraformation der ebenso
wohlbekannte Typus der Kreidezeit folgt, belehrt uns, dass es
Veränderungen gegeben hat, deren Wirkungsgebiet noch ausge-
dehnter war als diese grossen Provinzen.
Auf diesem Umstände beruht auch die Einheit der strati-
graphischen Terminologie.
Die vortrefflichen Arbeiten der englischen Geologen im
östlichen Australien, die Berichte der geologischen Landesauf-
nahme in Ostindien, die Darstellungen unserer Reisenden in China
wie in den arktischen Gegenden, die ausgedehnten Publicationen,
mit welchen Nordamerika uns beschenkt, wie die Schriften deut-
scher Forscher über die südamerikanischen Anden, die Beschrei-
bungen vom Cap und die allerdings noch sparsamen, aber höchst
werthvollen Nachrichten, welche wir aus den schwerer zugäng-
lichen Theilen Afrika's erhalten haben, sie bedienen sich Alle an-
standslos zur Bezeichnung der wichtigeren Glieder des geschich-
teten Gebirges jener selben Ausdrücke, welche ursprünglich zur
Gliederung der Sedimente in einem beschränkten Theile Europa's
gewählt worden sind. Der Geologe in Neu-Seeland oder Victoria
I
Einheit der Terminologie. I 5
weiss, wenigstens so oft es sich um Meeresablagerungen handelt,
ganz so gut wie sein College im nördlichen Russland oder auf Spitz-
bergen, ob er paläozoische oder mesozoische oder noch jüngere
Ablagerungen vor sich hat, und Ausdrücke wie , Kohlenkalk*,
,Jura', , Kreide* haben in diesem Augenblicke bereits auf der gan-
zen von Geologen besuchten Oberfläche der Erde das Bürger-
recht erlangt.
Der grösste Theil dieser Nomenclatur stammt aus England
und hat Geltung erlangt, obwohl schon im mittleren Europa ein-
zelne mächtige Meeresablagerungen erscheinen, deren Zeitäqui-
valente in England einen wesentlich anderen Charakter zeigen und
nicht sofort wieder zu erkennen sind. Beispiele sind die Trias-
bildungen der Ostalpen und die tithonische Stufe. Zugleich lernen
wir durch die Arbeiten Abich's über die Vorkommnisse Arme-
nien's, sowie durch Waagen und Griesebach aus Ostindien jene
Meeresfaunen kennen, welche die gewaltige Lücke, die sich in
Europa gegen den Schluss der paläozoischen Gruppe einstellt,
mehr und mehr ausfüllen. Man wird jedoch bei genauerer Ueber-
legung leicht zu der Meinung geführt, dass nicht die Vollständig-
keit der marinen Formationsreihe im südöstlichen und mittleren
England, sondern gerade jener, wenn ich so sagen darf, mittlere
Grad der Lückenhaftigkeit, welcher ihr zukömmt, das Erfassen
natürlicher Gruppen in einer Weise erleichtert hat, welche an
anderen Orten, wo eine Meeresbildung auf die andere folgt,
nicht geboten ist. In solchen Gegenden aber, in welchen die
Lückenhaftigkeit der Serie eine besonders grosse ist, und wo
z. B. das Uebergreifen der cenomanen Kreide hervortritt, zeigt
sich höchst auffallende Uebereinstimmung über weite Flächen und
in beiden Hemisphären. Diese Uebereinstimmung war es, welche
mich bereits vor längerer Zeit vermuthen Hess, dass die sogenann-
ten säcularen Hebungen und Senkungen der Continente nicht aus-
reichen, um die engere Verbreitung der einen, die weitere der
anderen Formation zu erklären, sondern dass irgend eine gemein-
same, wenn auch unbekannte Ursache zu Grunde liege.''*
In ähnlicher Weise hat E. v. Mojsisovics seither die ,der
Hauptsache nach ganz parallel schreitende Entwicklung der beiden
grossen Festlandmassen der Nördhemisphäre* und den , überein-
1 6 Cyclen der Ablagerung.
Stimmenden Cyclus dynamischer Umgestaltungen diesseits und
jenseits des Oceans' als eine der merkwürdigsten Erfahrungen
bezeichnet/^
Schon mehrere Jahre früher meinten, einer ganz anderen Rich-
tung der Beobachtungen folgend, bedeutende amerikanische Geo-
logen innerhalb der Schichtenreihe ihres Continentes eine gewisse
Wiederkehr jener Umstände zu erkennen, unter welchen sich die Ab-
lagerung der Sedimente vollzieht. Man wollte wahrnehmen, dass
jede grosse Formation mit einer thonigen oder sandigen Bildung
in seichterem Wasser beginnt, dann von einer kalkigen Meeres-
bildung gefolgt wird, worauf wieder die Tiefe des Meeres ge-
ringer wird. Man nannte diese Reihen .Cycles of deposition^.
So hat Dawson eine ausführlichere Besprechung der vier
Cyclen für Untersilur, Obersilur, Devon und Carbon gegeben,*^ und
Newberry, nachdem er die paläozoischen Cyclen in Ohio erkannt,
dieselbe Anschauung auf die mesozoischen Ablagerungen des Süd-
westens, namentlich auf die Trias von Neu-Mexico und die Kreide
vom Colorado bis Kansas und Texas ausgedehnt.^^
Die Vorgänge in der Natur, meinte Newberry, seien aller-
dings so mannigfaltig, dass durch dieselben die Einfachheit der
Grundlinien leicht verhüllt werde. Insbesondere treffe man z. B.
in dem flötzreichen Carbon kleinere Cyclen innerhalb der grossen,
nämlich Perioden der Ruhe oder der Regression in dem Verlaufe
dieser Bewegungen.
Unter solchen Voraussetzungen aber, und sobald man das
untergeordnete Gefüge einer sedimentären Reihe in seiner Ab-
hängigkeit von den grossen Regeln der Bildungsverhältnisse an-
sieht, kann die Art der Schichtung und selbst die einzelne Bank
eine Bedeutung als Glied einer grossen rhythmischen Erscheinung
erhalten, welche ihr bisher nicht zuerkannt wurde.^'*
Jener Vorbehalt, welchen ich in Betreff der Chronologie der
F'aunen des trockenen Landes gemacht habe, gilt insoferne, als eine
Veränderung der Landfauna durchaus nicht nothwendig immer mit
einer Veränderung der Meeresfauna gleichzeitig ist, aber die aus-
gedehnten Arbeiten von Marsh und Cope zeigen bereits deutlich
genug den beträchtlichen Grad der L^ebereinstimmung der nord-
amerikanischen tertiären Landfaunen mit jenen Europa's. Diese
Physikalische Ursachen. I '1
Thatsache ist darum besonders lehrreich, weil sich aus derselben
noch schlagender wie aus der Betrachtung der Meeresablagerun-
gen das gleichzeitige Verschwinden ganzer Gesellschaften, ganzer
ökonomischer Einheiten auf ausserordentlich weite Strecken hin
ergibt, sowie das Erscheinen neuer Faunen, jenes selbe Phänomen,
welches Heer schon vor langer Zeit als eine »zeitweise Umprä-
gung der Organismen* nicht ohne Glück bezeichnet hat.
Die in Europa allerdings noch mehr als in den Vereinigten
Staaten örtlich wechselnde Art des Vorkommens der Landthiere
bringt es mit sich, dass hier der Forscher noch weit mehr als
bei den Meeresablagerungen, ja fast lediglich auf die organi-
schen Reste seine chronologischen und stratigraphischen Folge-
rungen zu stützen genöthigt ist. Aber es bedarf kaum der Bemer-
kung, dass der jeweilige Charakter der Fauna wohl ein höchst
werthvoUes passives Merkmal ist, dass aber die physikalischen Ur-
sachen der Veränderungen dereinst, nachdem sie richtig erkannt
sein werden, die einzige natürliche Grundlage einer Abgrenzung
der Zeitabschnitte sein werden.
Diese physikalischen Ursachen sind wahrscheinlich von sehr
verschiedener Art. Wie der kurze Rückblick auf das Schwanken
der Meinungen im Laufe der letzten Jahrzehnte gezeigt hat, sind
es vornehmlich die Bewegungen der Erdrinde gewesen, in welchen
man die Veranlassung zu den Veränderungen der organischen
Welt gesucht hat. Die Fortschritte, welche die Kenntniss von dem
Gefüge der grossen Gebirgsketten gemacht hat, führen uns je-
doch einem Verständnisse dieses vermeintlichen Zusammenhanges
nicht näher.' Die Art und Weise, in welcher sich die Contraction
der Erdrinde an der Oberfläche des Planeten äussert, die Bildung
von Falten und Einbrüchen, steht nicht im Einklänge mit der Vor-
aussetzung von langsam, auf weite Strecken hin, gleichförmig, zu
wiederholten Malen auf- und wieder absteigenden continentalen
Tafeln. Die gleichartige Entwicklung der sedimentären Reihe
und die Uebereinstimmung ihrer Lücken auf beiden Seiten des
atlantischen Oceans erklären sich auf diesem Wege nicht. Wenn
in einzelnen der trefflichsten Darstellungen der Structur irgend
eines Gebirgszuges neben der Darlegung der Bildung der Falten
und Brüche noch zur Erklärung der etwaigen Lückenhaftigkeit der
Suess, Das Antlitic der Erde. 2
!i
I
1
l 8 Dislocation und Transgression.
Serie von ,Massenerhebungen* gesprochen wird, welche unab-
hängig sein sollen von der Bildung der Gebirgskette, so sieht sich,
meine ich, der prüfende Leser vor. eine den übrigen Erklärungen
fremde Annahme gestellt. Es bleibt der Eindruck zurück, als seien
grundverschiedene Erscheinungen nicht hinreichend von einander
gesondert.
Man vergleiche den Gegensatz zwischen dem Begriffe einer
Formationsgrenze im Beaumont'schen Sinne und jenen Anschauun-
gen, von welchen Beyrich bei der Theilung der mittleren Tertiär-
ablagerungen ausgegangen ist. Dieser Gegensatz findet den deut-
lichsten Ausdruck, indem man dem Worte ,Dislocation* das Wort
,Transgression' entgegenstellt.
Die Dislocation, mag sie eine Faltung oder eine Senkung
sein, bleibt auf ein gewisses Gebirgssystem, oft nur auf einen ganz
geringen Theil desselben beschränkt; die Transgression erstreckt
sich weithin über grosse Theile der Erdoberfläche. Die Intensität
der Dislocation mag örtlich sehr rasch wechseln; die Transgression
lässt, sofern nur ein einzelner Gebirgstheil betrachtet wird, Ver-
schiedenheiten der Intensität kaum erkennen, und die Transgres-
sion mag weithin in vollster Concordanz mit der Unterlage vor
sich gehen. Die dislocirte Schichte war vor dem Eintritte jenes
Ereignisses vorhanden, dessen Natur wir prüfen wollen ; die trans-
gredirende Schichte hat sich darnach oder während desselben gebil-
det. Die Dislocationen hat man durch die Erforschung des Gefüges
der grossen Gebirgszüge in neuerer Zeit mit immer grosserem
Verständnisse für die Ursachen zu verfolgen gewusst; in Betreff
der Transgressionen schwankt das Urtheil zwischen widersprechen-
den Annahmen.
Dass die Dislocationen aus wahren Bewegungen, d. i. aus
gegenseitigen Ortsveränderungen einzelner Theile des Planeten
hervorgegangen sind, bedarf keiner Erläuterung; das Wort selbst
drückt es aus. Es gilt dasselbe nicht von den Transgressionen;
auch ist dieses Wort gar nicht in gleichem Sinne gewählt.
Seit langer Zeit und unter verschiedenen Gestalten ist die An-
sicht hervorgetreten, dass neben den Bewegungen der Erdrinde
auch Formveränderungen der Meeresoberfläche vor sich gehen. Die
ausserordentliche Ausdehnung einzelner Transgressionen führt zu
Selbständigkeit der alten Strandlinien. I Q
dieser Ansicht zurück. Nur eine genaue Betrachtung der jüngsten
Vorgänge, insbesondere des Auftretens verlassener Strandlinien
über dem heutigen Strande, kann hier zu bestimmteren Ansichten
führen. Aber schon die erste Betrachtung solcher Strandlinien lehrt
ihre unbedingteste und vollständigste Unabhängigkeit von dem geo-
logischen Baue der Küste. Man trifft an den italienischen Küsten
die Linien einstiger Meeresniveaux in ungestörter Horizontalität
an den verschiedenen, zum Meere vortretenden Bruchstücken der
Apenninen, da auf Kalkstein, dort auf den alten F'elsarten Cala-
brien's, dort endlich an dem Aschenkegel des Aetna. Diese gänz-
liche Unabhängigkeit der alten Strandlinien von der Beschaffenheit
der Gebirge ist an hunderten von Beispielen erweisbar. Nun lässt
sich aber die Voraussetzung einer so gleichmässigen Erhebung
oder Senkung eines doch so vielgestaltigen und in so viele Frag-
mente zerbrochenen Festlandes ohne jede gegenseitige Verschie-
bung der Theile, wie sie zur Erklärung des horizontalen Verlaufes
dieser Linien um die einzelnen Bruchstücke eines Gebirges erfor-
derlich ist, gar nicht in Einklang bringen mit den heutigen Er-
fahrungen über den Bau der Gebirge selbst. Und so führt dieser
Umstand ebenfalls zu der Annahme von selbständigen Bewegungen
des Meeres, d. i. von Veränderungen der Gestalt der Hydrosphäre
zurück. —
Es mag nun derselbe Beobachter, Wanderer und Zuhörer den
Hörsaal verlassen und in unserer reichen Literatur Belehrung über
das wahre Wesen einer geologischen Formation suchen. Würde
er es der Mühe werth finden, auch das Buch aufzuschlagen, welches
ich hiermit der Oeffentlichkeit übergebe, er würde die Beantwor-
tung seiner Frage nicht in demselben finden. Diese Antwort ist die
grosse Aufgabe der uns nachfolgenden Generation von Fachge-
nossen. Hier soll nur versucht werden, durch eine kritische Vereini-
gung von neuen Erfahrungen manchen alten Irrthum zu beseitigen
und eine vorurtheilsfreie Ueberschau vorzubereiten.
Zu diesem Ende ist dasselbe in vier Theile geschieden.
Der erste Theil handelt von den Bewegungen in dem äusse-
ren Felsgerüste der Erde. Er zerfällt in mehrere von einander
ziemlich selbständige Studien. Die erste bespricht das grösste
Naturereigniss, von welchem Berichte vorhanden sind, nämlich
20 Inhalt "der folgenden Theile.
die Sintfluth. Es ergibt sich hierbei die Gelegenheit, eine Reihe
von Vorkommnissen zu vergleichen, welche den Mündungsgebieten
grosser Ströme eigen sind, und durch deren Verkennung die
falsche Beurtheilung z. B. der Erscheinungen des Ran of Kachh
herbeigeführt worden ist. Der folgende Abschnitt betrifft ein-
zelne Schüttergebiete, nämlich die Ostalpen, das südliche Italien
und das Festland von Centralamerika ; dann wird die Frage ge-
prüft, ob bei den chilenischen Erderschütterungen wirklich dauernde
Erhebung des Bodens eingetreten ist. Hierauf folgt der Versuch
einer Uebersicht der verschiedenen Arten von Dislocationen, dann
ein Abschnitt über Vulcane, endlich eine kurze Erörterung der
Frage, welche Beziehungen zwischen den fühlbaren Bewegungen
der Erde und den Dislocationen bestehen mögen.
Der zweite Theil bespricht den Bau und den Verlauf einer
Anzahl grosser Gebirge. Er beginnt mit dem nördlichen Vor-
lande der Karpathen; dann fogt das nördliche Vorland der Alpen
und eine längere Reihe von Einzelschilderungen aus allen Welt-
theilen. An diese lediglich beschreibenden Abschnitte schliesst
sich ein Ueberblick der Structur der Oberfläche unseres Erdballes
und die nähere Erläuterung der Verschiedenheit, welche zwischen
dem pacifischen und dem atlantischen Becken besteht.
Der dritte Theil erörtert die Veränderungen der Ober-
flächengestalt des Meeres. Zuerst wird eine Uebersicht der
Schwankungen der Ansichten über diesen Gegenstand gegeben.
Es wird hierauf zur Erlangung einer neutralen Ausdrucksweise vor-
geschlagen, von positiven und von negativen Verschiebungen der
Strandlinie zu sprechen, und werden in einer Reihe beschreibender
Abschnitte die Spuren dieser Verschiebungen rings um die Fest-
länder und die oceanischen Inseln verfolgt. Den Schluss bildet
eine Uebersicht und Discussion dieser Beobachtungen.
Der vierte Theil führt die Aufschrift: das Antlitz der Erde.
Er fasst den Inhalt der vorhergehenden Theile zusammen, und er
vergleicht die aus denselben erkennbaren Veränderungen mit dem
allgemeinen Charakter jener Veränderungen, welche seit dem Be-
ginne der Tertiärzeit in den Landfaunen der nördlichen Hemi-
sphäre eingetreten sind.
Anmerkungen zur Einleitung.
' Will. Carpenter, Land and Sei, considcred in rclation to jjeoloj». Time; Vor-
trag im Roy. Instit. of Gr. Hrit., Jan. 23*1, 1880, p. 4.
^ O. Krümmcl, Versuch einer verj»l. Morphologie der Meeresräume, 8'», T.eip/.ig
1879, S. 102, 106, 107.
3 Fischer, Untersuchungen über die Gestalt der Erde, 8", 1868; Hann, lieber
gewisse beträchtliche Unregelmässigkeiten des Meercsniveau's; Mitth. Gcogr. Ges. Wien,
1875, VIII. S. 554-5<59.
4 Listing hat eine grossere Anzahl von Werthen für die Attraction zu ermitteln
gewicht und fand: London 118 M., Paris 268 M., Insel Maranon (n. brasil. Küste) 567 M.,
Bonin-Insel — i3o9 M., St. Helena — 847 M., Spitzbergen — 217 M., Berlin 377 M.,
Königsl>crg 92*6 M.; vgl. Listing, Neue geometr. und dynam. ("onstanten des Kr<lkr»r|)<*rs,
Nachrichten d. k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, 1877, S. 749—815.
5 L. Agassiz, Rep. upon Dcep-Sea Dredgings; Bull. comp. Zool. Harvard ('oll.,
Cambridge Mass., 3d ser., 1869, p. 368; Dana, Am. Journ. Sc. Arts, 1873, 3 sur. VI;
p. 169; Gcikic, On Geographical Evolution; Proc. Roy. Geogr. Soc, 1879, ncw scr. I,
p. 422—443.
^ Murray, On thc Distribution of volcanic debris over thc floor of the Occan ;
Proc. Roy. Soc. Edinb., 1877, IX, p. 247—261 u. a. a. O.
7 Ch. A. Ashburton, A measured section of thc Palacoz. Rocks of ('cntr. Penn-
sylvania; Proc. Am. Philos. Soc. Philadelphia, 1877, XVI, p. 519—560.
8 Judd, The Secondary Rocks of Scotland, I; Quart. Journ. geol. Soc. 1873,
XXIX, p. i3o und pl. VII, Karte des Moray Firth.
9 Dieulafait, Comptcs rend., 1879, t. 88, p. 351.
»o H. D. Rogers, Thc Geol. of Pennsylvania, 40, Philad., 1858, vol. IIb, p. 897.
>» Dana, Manual of Geol., 3d ed., p. 399.
«2 Clar. King, U. St. Explor. Expcd. of thc 40. Parall., 4", 1878, I, p. 44; Emmons,
ebcnd. II, p. 340.
'3 J. W. Powell, Report on the Geol. of thc Eastern Portion of the Uinüi Mount.,
4", 1876, p. 175, Atl. pl. III.
'4 A. Dumont, Note sur l'Emploi des Caractcres gcomc^trirjues result. des mouve-
ments IcnLs du sol, pour 6tablir Ic synchronismc de form.ations gcologir|ues; Bull. Acad.
Roy. Belg., 1852, XIX b, p. 514-518.
«5 Barrandc, Observations sur les Rapports de la Stratigraphic et de la P.dconto-
logie; Bali, de la Soc. g^ol., 1854, 2^ scr., XI, p. 3ii — 326.
>6 d^Archiac, Histoire des Progrcs de la Geologie, 1857, VII, tcrr. jura^s.. p. 599:
.rinnocaite compK*te. si Ton peut s'exprimcr ainsi . . .'
2 2 Anmerkungen zur Einleitung.
'7 Hdbert, Observations sur les phdnomenes qui sc sont pass6s h. la Separation des
p^riodes g^ologiques; Bull, de la Soc. geol., 1859, 2« s6r., XVI, p. 596 — 6Ö5.
»^ Edw. Forbes, On the Connexion between the Distribution of the existing fauna
and flora of the British Isles and the geol. changcs etc.; Mem. Geol. Surv. Off. I, p. 340.
»9 Beyrich, Ueb. d. Zusammenhang d. norddeutsch. Tertiärbildungen; Abh. K. Akad.
Wiss. Berlin, 1855, S. 1—20, und Karte.
20 Brocchi, Riflessioni sul perdimento delle specie; Conchol. foss, subapp., 18 14, I,
p. 219—240; vgl. auch H. V. Meyer, Act. Ac. Leop.-Carol., XVI, 2, S. 474; Zur Fauna
von Oeningen, S. 48; Ch. Darwin, A Journal of Researches, p. 212; Rieh. Owen, Brit.
fossil. Mammal., p. 270 ; Barrande, Parall. entre les d6pöts silur. de Boheme et de
Scand., p. 54.
21 Darwin, On the Origin of Spccies, Chapt. IX: On the Imperfcction of Geo-
logical Record; Chapt. XII: Geographical Distribution, am Schlüsse.
22 Aristot., Meteor. XII.
23 Neumayr, Ueber unvermittelt auftretende Cephalopodentypcn im Jura Mittel-
Europa's; Jahrb. d. geol. Reichsanst., 1878, XXVIII, S. 37—80.
24 Die Entstehung der Alpen, 8", 1875, ^' 115 — 120.
25 E. Mojsisovics v. Mojsvär, Die Dolomitriffe von Südtirol und Vcnetien
8«, 1879, S. 9. -e
26 Dawson, Acadian Geology, 8", 1868, p. 137.
27 Newberry, On Circles of Deposition in Secondary sedimentär}- Rocks, Ame-
rican and Foreign; Proc. Lyceum Nat. bist. New-York, 2^ scr., n" 4, lö^h March 1874,
p. 122 — 124.
28 H. O. Lang, Ueber Sedimentärgesteine aus der Umgebung von Göttingen;
Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges., 1881, XXXIII, S. 273, Anm. : ,Der Aus<lruck Schich-
tung wird . . . für eine Erklärung gebraucht, welche man als Ausfluss einer Periodi-
cität in den Bildungsverhältnissen betrachtet.'
ERSTER THEIL
niE BEWEGUNGEN IN DEM ÄUSSEREN
FELSGERÜSTE DER ERDE.
i
ERSTER ABSCHNITT.
Die Sintfluth.
Meercsfluthcn. — Zwei Berichte in der biblischen Darstellung vereint. — Berosus. — Das Izdu-
bar-Epos. — Oertlichkeit. — Verwendung von Asphalt. — Warnungen. — Die Katastrophe.
— Strandung. — Abschluss des Ereignisses. — Neuere Vorgänge an ostindischen Flüssen.
— Indus. — Ran of Kachh. — Ganges und Brahmaputra. — Wirbelstürme. — Wesen
und Verbreitung der Sintfluth. — Eintheilung der Berichte. — Berosus und Izdubar-Epos.
— Biblische Berichte. — Aegypten. — Hellenisch-syrische Gruppe. — Indien. — China. —
Schluss.
V^harles Lyell hat, wie Niemand vor ihm, gezeigt, aufweiche
Weise in der Natur durch kleine Kräfte grosse Wirkungen erzielt
werden. Aber der Maassstab für Klein und Gross, sowie für die
Dauer und die Heftigkeit einer Naturerscheinung wird, wie Ernst
V. Baer in tief durchdachten Worten gelehrt hat, in gar vielen
Fällen aus der physischen Organisation des Menschen ge-
nommen. Das Jahr ist ein Zeitmaass, welches das Planetensystem
uns darbietet; sprechen wir von einem Jahrtausend, so haben wir
das Decimalsystem und damit den Bau unserer Extremitäten ein-
geführt. Berge messen wir oft noch nach Füssen ; lange und kurze
Zeiträume unterscheiden wir nach der mittleren Lebensdauer des
Menschen und folglich nach der Gebrechlichkeit unseres Körpers,
und für die Bezeichnungen ,heftig' oder , minder heftig' entnehmen
wir in gleicher Weise unbewusst das Maass dem Kreise der per-
sönlichen Erlebnisse.
So haftet das Urtheil an dem physischen Leibe und liebt zu
vergessen, dass der Planet wohl von dem Menschen bemessen
werden mag, aber nicht nach dem Menschen. Indem man sich
der Bewunderung des Korallenthierchens hingab, welches das Riff
thürmt, und der Betrachtung des Regentropfens, welcher den Stein
2() Die Sintfluth.
höhlt, hat sich, fürchte ich, aus der friedlichen Alltäglichkeit des
hürjjerlichen Lebens ein gewisser geologischer Quietismus her-
übtTgeschmeichelt in die Beurtheilung der grössten Fragen der
Erdgeschichte, welcher nicht zu der vollen Beherrschung jener Er-
scheinungen führt, die für das heutige Antlitz der Erde die maass-
gt*l)endsten waren und sind.
Die Zuckungen, von welchen weit häufiger, als man noch vor
kurzer Zeit annahm, einzelne Stücke des äusseren Felsgerüstes
dvr ]{rde ergriffen werden, mahnen deutlich genug, wie einseitig
tnne solche Anschauung der Dinge ist. Die heutigen Erdbeben
sind gewiss nur gar schwache Erinnerungen an jene tellurischen
Bewegungen, von welchen der Bau fast jedes Gebirgszuges Kennt-
niss gibt. Es sind zahlreiche Beispiele des Gefüges grosser Ge-
birgsketten bekannt, welche innerhalb der Stetigkeit der grossen
Vorgänge einzelne Episoden als möglich, in gewissen Fällen so-
gar als wahrscheinlich erscheinen lassen, von so unsagbar erschüt-
t(Tnder Gewalt, dass die Einbildungskraft sich sträubt, dem füh-
renden Verstände nachzufolgen und das Bild auszugestalten, für
welches aus beobachteten Thatsachen dieser die Umrisse setzt.
Solche Katastrophen hat, so weit geschriebene Berichte
reichen, unser Geschlecht nicht erlebt. Das gewaltigste Natur-
ereigniss, von welchem menschliche Erinnerungen erzählen, trägt
den Namen der Sintfluth, und es soll der Versuch unternommen
werden, die physische Grundlage der alten Berichte aufzusuchen.
Dieser Versuch soll unternommen werden auf Grund der keil-
schriftlichen Texte, und ich habe bei demselben eine sehr wesent-
liche Unterstützung in der freundlichen Beihilfe des ausgezeich-
neten Kenners dieser Denkmale uralter Cultur, Dr. Paul Haupt
in Göttingen, gefunden, welcher mir über viele dunkle Punkte in
den alten Texten Aufschluss gegeben und von einzelnen wichtigen
Stellen gütigst eine geänderte Uebertragung mitgetheilt hat.
In den Sagen und in den heiligen Büchern des Alterthums
finden sich zahlreiche Berichte von grossen Naturereignissen. In
den Ueberlieferungen des europäischen Nordens überwiegen solche
Mittheilungen, welche sich auf vulcanische Ausbrüche beziehen.
Ausserordentlich verbreitet in der alten wie in der neuen Welt
sind die Nachrichten von verheerenden Fluthen.
Mceresfluthen. 2 7
Es muss nun schon vom Beginne festgehalten werden, dass
an so grossen Fluthen die atmosphärischen Niederschläge nur
einen untergeordneten Theil haben können. Sie können ihrer
ganzen Entstehungsweise nach ein gewisses Maass nicht über-
schreiten; sie bleiben in ihren heftigsten Formen räumlich be-
schränkt, und sie fliessen ab, indem sie dem Gefalle der Thäler
folgen. Ausserordentlich viel gewaltiger sind die Fluthen, welche
von Wirbelstürmen, und die ausgedehntesten sind jene, welche von
Erdbeben verursacht werden.
Als am I. November 1755 Lissabon von einem gewaltigen
Erdstosse getroffen wurde, da trug der Atlantische Ocean die er-
regte Brandung bis an die Antillen. Als am 23. December 1854
Simoda in Japan durch ein Erdbeben verheert wurde, schlugen
die erhobenen Wellen des nördlichen pacifischen Oceans an die
californische Küste.' Als am 13. August 1868 ein mächtiger
Schlag bei Arica an der peruanischen Küste erfolgte, konnte aus
weither gesammelten Nachrichten Hochstetter uns zeigen, wie die
Erregung des Meeres hinspülte nach Nord und nach Süd längs
der Westküste Amerika's, wie die Wogen an den Sandwich-Inseln
sich erhoben in tagelanger Unruhe, wie sie die Samoa-Inseln trafen,
die australische Ostküste, Neuseeland und die Chatham-Inseln.*
Die französische Fregatte , Nereide' aber begegnete damals, gegen
Cap Hörn reisend, im 5 1 . Breitegrade grossen Schaaren frisch
gebrochener zackiger Eisberge, welche die mächtige Fluth, unter
das antarktische Eis dringend, losgebrochen hatte.^ Auch bei dem
Erdbeben von Iquique in Peru am 9. Mai 1877 wogte, wie Eugen
Geinitz gezeigt hat, das pacifische Meer auf von Japan bis zu den
Chatham -Inseln.^
• Und wehe dem Landstriche, welcher in der Nähe des Stosses
von solcher Fluth getroffen wird! So war es am 28. October 1746
zu Callao in Peru. Ein Beobachter, welcher kurz darauf den Ort
besuchte, schreibt : ,Nicht das geringste Zeichen seiner früheren
Gestalt ist geblieben. Im Gegentheile bezeichnen viele Haufen
von Sand und Geschiebe die Stelle der einstigen Lage; es ist ein
geräumiger Strand geworden, welcher sich längs der Küste hin-
streckt. In der That widerstanden einige Thürme durch die Stärke
ihrer Mauern eine Zeit hindurch der ganzen Kraft des Erdbebens
2 8 Mcercsfluthcn.
und der Macht der Stösse; aber kaum hatten die armen Einwohner
begonnen, sich von dem Grauen des ersten Schreckens zu erholen,
als plötzlich die See begann anzuschwellen, und die Anschwellung
stieg in so erstaunlichem Maasse und mit so gewaltigem Drucke,
dass das Wasser, von der erreichten Höhe herabstürzend, — ob-
wohl Callao auf einer Höhe stand, welche, unmerklich zunehmend,
sich bis Lima erstreckt, — mit Wuth vorwärts drang und weit über
seine Ufer hinaus Alles mit ungeheurer Fluth bedeckte, den
grössten Theil der Schiffe zerschellte, welche im Hafen vor Anker
gelegen waren, die übrigen über die Höhe der Mauern undThürme
erhob, sie vorwärts trieb und weit jenseits der Stadt im Trockenen
zurückliess. Zur selben Zeit riss die Fluth von Grund aus Alles auf,
was sie an Häusern und Bauwerken bedeckte . . ^
Von fünftausend Einwohnern haben etwa zweihundert diese
Stunde überlebt.
Aehnliches hat sich zu wiederholten Malen ereignet. Das
Meer zieht sich weit zurück, erhebt sich in langem, gewaltigem
Rücken und stürzt dann verheerend über das Land; die Flüsse
stauen zurück; die Städte werden verwüstet. Das Maass des Un-
heils hängt zum grossen Theile von dem Umrisse der Küste und
der Höhe des Landes ab. In Südamerika sind solche Fluthen in
neuerer Zeit besonders auffallend gewesen, und Lyell hat wohl mit
Recht schon vor Jahren die Fluthsagen der araucanischen In-
dianer hieraus zu erklären versucht.^ Die Bewohner der Fidji-In-
seln berichten von einer grossen Fluth, nach welcher man durch
viele Jahre Fahrzeuge bereit hielt, um sich im Falle einer Wieder-
holung des Ereignisses zu retten, und Lenormant macht in seiner
trefflichen Uebersicht der Fluthsagen aufmerksam, um wie viel
mehr diese Bemerkung auf eine Hochfluth des Meeres, als
auf eine allgemeine Ueberschwemmung des Erdball's hinweist.^
Es ist aber, meine ich, nach den im Laufe der ^letzten Jahrzehnte
gesammelten Erfahrungen über seismische Hochfluthen sehr be-
greiflich, dass auf den entferntesten Inseln die Berichte von grossen
Fluthen getroffen werden. In einzelnen dieser Ueberlieferungen
wird sogar ausdrücklich gesagt, dass das Meer die Fluth er-
zeugt habe. Solche seismische Fluthen sind nur auf Inseln, in flach
gelegenen Küstenstrecken und in dem tieferen Theile grosser
Biblisrte Berichlc. Berosus. 29
Flussthäler nach dem bisherigen Stande der Erfahrung voraus-
zusetzen.
Die gangbare Auffassung des biblischen Textes bot daher
jeder physischen Erklärung Schwierigkeiten. Man mochte nicht
zugestehen, dass eine seismische Woge das Fahrzeug Noah's bis
auf die Höhe des Ararat getragen habe, und auch durch meteori-
sche Niederschläge konnte das Ereigniss nicht erklärt werden.
Die bibhsche Darstellung besteht aus zwei von verschiedenen
Berichterstattern verfassten Aufschreibungen, welche, unter
mehrfachen Wiederholungen und mit untergeordneten Abwei-
chungen von einander, auf eine Weise vereinigt sind, welche ihre
Trennung nicht schwer macht. Sie unterscheiden sich in auffallen-
der Weise dadurch, dass der eine Berichterstatter für die Gottheit
den Namen Jahveh, der andere die Pluralform Hlohim anwendet,
sowie durch die Art der Darstellung selbst. Aber die Trennung
beider Berichte fördert nicht wesentlich die Erkenntniss der da-
maligen Vorgänge in der Natur, und wenn auch versucht worden
ist, durch scharfsinnige Exegese zu zeigen, dass unter den
Worten Genesis, VIII, 4 ,die Berge des Ararat' nicht der heutige
Berg dieses Namens, sondern die Berge einer Landschaft zu ver-
stehen seien, über deren Lage Sicheres nicht vorliegt, so ist auch
hiedurch noch kein wesentlicher Erfolg erzielt.
A. Das T^diibar-Epos.
Aus den erhaltenen Bruchstücken der Schriften des Berosus,
eifles babylonischen Priesters, welcher um 330 bis 260 v. Chr.
lebte, weiss man seit längerer Zeit, dass in den Niederungen des
Euphrat die Ueberlieferung von einer grossen Fluth bestand,
welche in mehreren Zügen auffallend mit der biblischen Erzählung
übereinstimmte.
Diese grosse Fluth ereignete sich nach Berosus, welcher sich
auf die heiligen Schriften beruft, unter der Regierung des Xisu-
thros, Sohn des Otiartes. Kronos verkündet dem Xisuthros im
Traume, dass am 15. des Monates Daisios alle Menschen durch
eine Fluth zu Grunde gehen würden. Hr befiehlt ihm, die Schriften
zu vergraben zu Sippara, der Stadt der Sonne, dann ein l-'abr-
zeug zu bauen, dasselbe mit Nahrungsmitteln zu vtrsehen, daj
30 Entdeckungen von Kujundjik.
es mit seiner Familie und seinen Freunden zu besteigen, auch
vierfüssige und fliegende Thiere mitzunehmen. Xisuthros befolgt
die Gebote; die Fluth tritt ein und bedeckt das Land; sie nimmt
wieder ab ; er lässt Vögel fliegen, um sich von dem Zustande der
Dinge zu unterrichten, verlässt endlich das Fahrzeug und bereitet
mit seiner Familie den Göttern ein Opfer. Xisuthros wird nun
zum Lohne für seine Frömmigkeit erhoben, um unter den
Göttern zu wohnen; ebenso seine Frau, seine Tochter und der
Steuermann.
Dies ist der wesentliche Inhalt des Berichtes des Berosus,
wie er von Alexarider Polyhistor überliefert wurde. ,Von dem
Schiffe des Xisuthros,* so schliesst derselbe, , welches endlich in
Armenien stehen geblieben war, besteht noch ein Theil in den
kordyäischen Bergen von Armenien, und die Leute scharren das
Erdpech ab, mit welchem es aussen bekleidet war, und benützen
dasselbe als Amulet gegen Krankheiten. Und als die Anderen
zurückgekehrt waren nach Babylon und die Schriften zu Sippara
wieder gefunden hatten, erbauten sie Städte und errichteten Tem-
pel, und so wurde Babylon wieder- bevölkert.'^
Eine Reihe der wunderbarsten Entdeckungen hat nun in den
letzten Jahren einen guten Theil der alten Literatur der Euphrat-
niederung in einem alle Hoffnungen weit übersteigenden Maasse
erschlossen, und es ist hiebei auch eine neue und ausführliche Dar-
stellung der Sintfluth entdeckt worden.
Durch den von verdientem Glücke begleiteten Eifer engli-
scher Forscher, wie Layard, Loftus, G. Smith und vor Allen durch
Hormuzd Rassam sind in tausenden von mit Keilschrift bedeckten
Thonscherben die Reste der königlichen Bibliothek von Ninive
aus dem Trümmerhaufen von Kujundjik zu Tage gefördert und
der wissenschaftlichen Welt wiedergegeben worden. Die Schriften
sind nicht nur religiösen Inhaltes, sondern umfassen die verschie-
densten Zweige menschlichen Wissens. Der grösste Theil der
uns erhaltenen Exemplare dieser uralten Werke wurde in der Re-
gierungszeit Asürbänipars (670 v. Chr.) von den in den Bibliotheken
von Babylon, Kutha, Akkad, Ur, Erech, Larsa, Nipur und anderen
Städten aufbewahrten Originalen copirt; dies ist insbesondere
auch der Fall mit den hier zu besprechenden Tafeln.
Das Izdubar-Epos. ^ I
Der Bericht über die Sintfluth ist bemerkenswerther Weise
nicht in jenen Tafeln enthalten, welche von der Entstehung der
Welt, dem Sündenfall der Menschen und dem Kampfe des Guten
gegen das Böse handeln. Er bildet eine Episode in einem grossen
Epos, welches die Thaten des Helden Izdubar meldet. Man kennt
verschiedene Copien dieses Epos; sie wurden auf Befehl Asür-
bänipaFs von einem weit älteren, wahrscheinlich mehr als zwei
Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung niedergesetzten Texte
genommen, welcher damals in der Priesterbibliothek zu Erech auf-
bewahrt wurde. Mit Recht wird dasselbe von G. Smith als ein
grosses nationales Werk bezeichnet. Es besteht aus zwölf Ge-
sängen, welche Rawlinson nach einzelnen hervortretenden Theilen
des Inhaltes in geistreicher Weise mit den zwölf Zeichen des Zo-
diacus verglichen hat. Der Lebenslauf des Helden Izdubar, wahr-
scheinlich übereinstimmend mit dem biblischen Nimrod, wird nun
in diesen zwölf Gesängen auf unzweifelhaft historischer Grundlage
vorgeführt und erhält durch die Vergleichung mit den Zeichen des
Thierkreises eine allegorische Aehnlichkeit mit dem Laufe der
Sonne. Der eilfte Gesang, der Reihe des Zodiacus nach dem Zeichen
des Wassermannes entsprechend, enthält den Bericht über die
Sintfluth.
Izdubar hat seinen Freund Eabäni verloren, ist krank und
wandert nun weiter hinab an die Mündung der Ströme zu seinem
Ahnen Hasis-Adra, welcher, aus der Sintfluth errettet, von den
Göttern dahin versetzt wurde, um, niemals alternd, dort ein un-
sterbliches Leben zu führen. Izdubar findet seinen Ahnen, befragt
ihn um seine wunderbaren Erlebnisse, und dieser erzählt
Hasis-Adra's Erzählung liegt in mehreren Uebersetzungen vor;
ich nenne jene von G. Smith,^ hiezu die Bemerkungen von Fox Tal-
bot,*° dann jene von J. Oppert, F. Lenormant" und Paul Haupt.**
Dem Nachfolgenden ist Haupt's letzte Uebersetzung zu
Grunde gelegt, welche ergänzt ist durch manche gütige Mitthei-
lung. Für den leider sehr unvollständigen Theil Col. U, Z. i — 24,
welcher von Haupt nicht wiedergegeben ist, habe ich Lenormant
benützt.
Indem ich nun für den ausführlichen Text, so weit er hier nicht
wörtlich anzuführen sein wird, auf die Schriften der genannten
ä
32 Der keilschriftliche Bericht.
Forscher verweise^ beschränke ich mich auf die folgende Inhalts-
angabe von Hasis-Adra's Bericht:
Col. I, 8 — lo. Einleitende Ansprache an Izdubar.
II — 1 7, a. Die grossen Götter beschliessen die Anrichtung
der Sintfluth in der uralten Stadt Surippak am Euphrat.
17, b — 19. Der Gott Ea, der Herr der unerforschlichen
Weisheit, der Gott des Meeres, war im Rathe der
Götter und theiltH.-Adra den Beschluss derselben mit.
20 — 27. Ea's Warnung und Auftrag, ein Schiff zu bauen
auf trockenem Lande.
28 — 31. j'j.-Adra sucht zu widersprechen, fürchtet den
Spott des Volkes und der Aeltesten.
32 — 45. Ea's neuerliche und ausführliche Weisung, Vor-
hersage der Fluth, Auftrag Korn mitzunehmen, Hab
und Gut, Familie, Knechte und Mägde, Verwandte,
Vieh und Wild.
46 — 52. H.-Adra sagt zu, obwohl noch Niemand in dieser
Weise ein Schiff gebaut (hier leider viele Lücken).
Col. II, I — 24. (Leider höchst unvollständig.) Bezieht sich nach
den vorhandenen Resten auf den Bau und die Aus-
rüstung des Fahrzeuges.
25 — 29. H.-Adra bringt alle Habe an Silber und Gold
zusammen und allen lebendigen Samen, den er
hatte; das Gesinde, das Vieh und das Wild, auch
alle Verwandten lässt er einsteigen.
30 — 36. Letzte Warnung durch eine Stimme (?); H.-Adra's
Furcht.
37 — 39- l^r besteigt das Schiff, schliesst es ab und über-
gibt den grossen Bau sammt seiner Ladung dem
Steuermanne Buzurkurgal.
40 — 50. Schilderung des Naturereignisses.
Col. 111, I — 3. Fortsetzung der Schilderung (unvollständig).
4. Es sieht der Bruder nicht mehr nach dem Bruder.
Das von Fox Talbot, Trans. Bibl. Arch. Soc.
IV, 129, mitgetheilte Bruchstück, welches den
Schrecken und die Flucht der Menschen und Thiere
beschreibt, gehört nicht dem Sintfluthberichte an.)
(
Der keilschriftliche Bericht. 3 3
5 — 7. Furcht der Götter selbst; sie flüchten empor
^ zum Himmel des Gottes Anu.
8 — 1 8. Laute Klage der Göttin Istar über den Unter-
gang der Menschen; Klage der Götter über die
Wassergeister der Tiefe.
19 — 23. Dauer von Sturm und Fluth; Abnahme.
24 — 30. H.-Adra durchschifft die Fluth ; Leichname trei-
ben umher; erster Ausblick ; er bricht in Thränen aus.
31. Erstes Erscheinen von Land.
32 — 36. Strandung an (dem oder) einem Berge des Lan-
des Nizir und sechstägiger Aufenthalt.
37 — 44. H.-Adra lässt eine Taube (?) heraus, dann eine
Schwalbe, dann einen Raben.
45 — 48. Er verlässt mit allen Begleitern das Fahrzeug
und bereitet ein Opfer.
49 — 5^- Die Götter kommen herbei.
3 1 — 53. Istar hebt in die Höhe die grossen Bogen (?) und
schwört nicht zu vergessen
Col. IV, I — 5. diese Tage. Alle Götter mögen herankommen,
nur Bei nicht, welcher die Fluth angerichtet.
6 — 9. Bels Zorn über H.-Adra's Errettung.
9 — 1 1. Der Gott Adar weist auf Ea.
12 — 22. fia's Rechtfertigung. Der Schuldlose soll nicht
mit dem Schuldigen leiden. Reissende Thiere, Hun-
ger und Pest mögen den Menschen heimsuchen, aber
keine Sintfluth mehr.
23 — 30. Der beruhigte Bei steigt in das Innere des Fahr-
zeuges, legt H.-Adra's Hand in die seines Weibes,
hebt beide zu den Göttern und versetzt sie an die
Mündung der Ströme.
I. Der Ausgangspunkt. Aus den einleitenden Bemerkun-
gen hat sich ergeben, von wie maassgebender Bedeutung für die
Beurtheilung dieses grossen Naturereignisses die Frage ist, ob
der Schauplatz ein Flachland, etwa der tiefere Theil eines grossen
Stromthaies, oder ein Hochland war.
Der eilfte Gesang des Izdubar-Epos nennt mit Bestimmtheit
zwei Orte, nämlich die Stadt Surippak als den Wohnort Hasis-
Suess, Das Antlitz der Erde. 2
\
7A Die Schiffstadt Surippak.
Adra's und den Berg des Landes Nizir als den Ort der Strandung.
Den Ausgangspunkt haben wir nun näher zu betrachten.
Die erste Stelle lautet:
Col. I, II. Die Stadt Surippak, die Stadt, w eiche , wie du weisst,
(am Ufer) des Euphrat liegt,
12. diese (Stadt) war (schon) uralt, als die Götter darin
13- (\^^0 Anrichtung einer Sintfluih ihr Heri antrieb; . . .
Dass in dieser Stadt Surippak eine Bevölkerung lebte, welche
im Schiffbau wohlerfahren war, geht aus dem weiteren Inhalte
dieses Gesanges und insbesondere aus der Furcht Hasis-Adra's
vor dem Spotte derselben hervor. Alle Autoren verlegen diese
Stadt an den unteren Theil des Stromes. Rawlinson sucht ihre
Lage beiläufig in der Nähe des heutigen Howeiza und bezeichnet
sie nur insoferne als eine Stadt des Inlandes, als man noch niemals
eine Stadt an die Seeküste in unmittelbarer Nähe eines grossen
Stromes wie der Euphrat gebaut habe, aus dem Grunde, weil dort
die Schiffahrt durch die Verlandung gefährdet wäre.'-^
Unter der damaligen Meeresküste ist jedoch allerdings kaum
die heutige zu verstehen. Es ist in hohem Grade wahrscheinlich,
dass ein beträchtlicher Theil des Tieflandes in der Nähe der heu-
tigen Mündungen erst in den letzten Jahrtausenden gebildet
worden ist. Schon Plinius sagte (VI, cap. 26), dass kaum an irgend
einer anderen Stelle die Bildung von Land durch einen Strom so
rasch vorschreite. Beke hat bereits vor vielen Jahren versucht,
aus Arrian's Nachrichten von der Reise des Nearchus und aus
den Angaben des Plinius über die Lage von Charax das Maass
des Vorschreitens der Küste zu ermitteln.'^ Loftus, Rawlinson
und alle neueren Schilderungen stimmen in diesem Punkte überein,
und es mag nach Loftus' Schilderung nur zweifelhaft bleiben, ob
lediglich die schlammigen Absätze des Flusswassers das neue Land
erzeugt haben, oder ob nicht auch ein geringer Rückzug des
Meeres selbst hiezu beigetragen hat. Nach den Angaben dieses
zuverlässigen Beobachters hat nämlich, wie junge Meeresbildungen
im Lande zeigen, in verhältnissmässig später Zeit der Ufersaum
des persischen Golfes gewiss um 400 Km. weiter gegen NW. ge-
reicht als die heutige Mündung des Schatt-el-Ardb, und um
Lantlhilduni; am unteren Euphrat. 35
240 Km. weiter landeinwärts als die Vereinigung von Euphrat
und Tigris bei Korna.'*
Jedenfalls ist die landbildende Thätigkeit der beiden grossen
Ströme eine sehr beträchtliche, und ihr Gefälle ist in dem ganzen
unteren Theile ein so ausserordentlich geringes, dass die Fluth
am Tigris bis. zu dem Dorfe Abdaliah-ibn-Ali 280 Km. und am
Euphrat in den Sümpfen von El-hammar 298 Km. vom Meere
landeinwärts bemerkbar ist."^
Es hat Friedr. Delitzsch alle aus historischen Quellen sich
ergebenden Nachweise für die Veränderung des Gebietes der
Mündung gesammelt und sogar den Versuch einer Karte des ehe-
maligen Zustandes der Dinge entworfen.'' Wenn hier aus dem
Berichte über Sanherib's (705 — 68 1) Seeunternehmung gegen Elam
gefolgert wird, dass zu jener Zeit der Euphrat eine selbständige
Mündung besass, so scheint mir dies für den Tigris für eine aller-
dings noch ältere Zeit mit noch grösserer Bestimmtheit aus In-
schriften hervorzugehen, welche G. Smith mitgetheilt hat, und nach
welchen unter dem Könige Rim-sin ein Durchstich vom Tigris zum
Meere, offenbar zur Erleichterung des Abflusses, hergestellt wor-
den ist. Von Hammuragas (etwa um i 500), welcher nach Rim-sin
di,e Herrschaft erlangte, besitzen wir ein ganzes Verzeichniss von
grossen, am Tigris ausgeführten Wasserbauten ; namentlich rühmen
die Inschriften einen gewaltigen, nach grossen Ueberschwemmun-
gen längs des Stromes erbauten Damm, welcher Kara-samas ge-
nannt wurde."' Solche Eindeichungen mussten aber die Verlandung
des vorliegenden Meeresarmes noch beschleunigen. Hiezu kommt,
dass, wie bereits Friedr. Delitzsch hervorgehoben hat, den Mün-
dungen die Insel Dilmun vorlag. Aus all' diesen Gründen lässt
sich heute ein genauerer Maassstab für das Anwachsen des Landes
nicht gewinnen.
Wenn nun diese Angaben dahin führen möchten, eine gänz-
liche Trennung beider Flüsse zu jener Zeit anzunehmen, so wird
doch mit vollem Rechte von F.Delitzsch erinnert an Hasis-Adra's
späteren Wohnort, an welchem ihn Izdubar aufsucht.
Col. IV, 30. Da nahmen sie mich und in die Ferne, an div Mim-
düng der Ströme versetzten sie mich.
ß6 Asphalt.
,Die Mündung der Ströme' aber deutet sicherlich an, dass,
wenn die Ströme noch getrennt waren, sie doch nicht weit von
einander sich in's Meer ergossen.
Oberhalb dieses in \^erlandung begriffenen Gebietes, am
Euphrat, also an einer heute weit landeinwärts gelegenen Stelle
des Flachlandes, lag die schon zur Zeit der Sintflu^h uralte Stadt
Surippak.
2. Die Verwendung von Asphalt. Hier, bei der Betrach-
tung der Oertlichkeit, ist ein positives Merkmal zu erwähnen,
welches sich in der Erzählung Hasis-Adra's, in dem Bruchstücke
des Berosus und in dem elohistischen Berichte der Genesis wieder-
holt, und welches, wie Ainsworth und Andere schon lange erkannt
haben, auf ein bestimmtes Merkmal der geologischen Beschaffen-
heit des unteren Euphrat- Gebietes hinweist.'^ Es ist dies die, wie
mir scheinen will, noch immer nicht mit dem verdienten Nach-
drucke betonte Verwendung von Asphalt bei dem Baue des retten-
den Fahrzeuges.
In dem leider nur mangelhaft erhaltenen ersten Theile von
Col. II, in welchem die Erbauung des Schiffes und seine Einthei-
lung geschildert werden, lauten die Verse 9, 10, 11:
Col. IT, 9. Ich sähe Spalten und fügte das Fehlende hiniu
10. Drei Saren Erdpech goss ich über die Aussenseite
1 1 . Drei Saren Erdpech goss ich über die Innenseite.^
Berosus erzählt, dass das Erdpech noch in späten Zeiten von
der Aussenseite des Fahrzeuges abgescharrt und als Heilmittel
verwendet worden sei.
Gen. VI, 14 lautet: Fac tibi arcam de lignis laevigatis: mansi-
nnculas in arca facies, et bitumine linies intrinsecus,
et extrinsecus.''' —
Ein kleines Bruchstück einer Thontafel erzählt die Kindheit
des grossen Königs Sargon I.; es beginnt:
Sargon der mächtige König, der König von Agade, bin ich.
Aleine Mutter war eine Prin\essin, meinen Vater habe ich nie ge-
kannt. Der Bruder meines Vaters wohnte auf dem Berge der Stadt
Aiiipiranu, jr eiche an dem Ufer des Euphrates liegt. Meine Mutter
die Prinzessin cmpjlng mich; heimlich gebar sie mich. Sie set\te
Asphall. 37
mich in ein Körbchen von Binsen, mit Erdpech verschloss sie meine
Thüre. Sie setzte mich in den Fluss, welcher mich nicht ertränkte."
In ähnlicher Weise wird Exod. II, 3 gesagt, dass das Kästlein
von Rohr, in welchem Moses ausgesetzt wurde, mit Erdpech ver-
schlossen worden sei.
Die Niederung des Euphrat und des Tigris ist von asphalt-
reichen miocänen Höhen umgeben. Loftus hat eine Reihe von As-
phaltvorkommnissen aufgezählt.
Setzen wir nun neben den Bericht von der Uebergiessung des
Sintfluthschiffes mit Asphalt von aussen und von innen, wie
sowohl Izdubar - Epos wie Genesis ausdrücklich sagen , eine
Darstellung heutiger Gebräuche am Euphrat von dem unbefan-
genen Eisenbahn-Ingenieur Cernik, welcher zur Ermittlung einer
Bahnlinie durch Mesopotamien vor einigen Jahren das Land be-
reist hat.
Cernik schreibt über den Transport der bei Hit am Euphrat ge-
wonnenen Naphtha: ,Man begnügt sich, ein rohes Korbgeflecht zu
erzeugen, ohne Kiel und mit Tamariskenknüppeln als Rippen, die
Zwischenräume mit Stroh und Rohrgeflecht ausgefüllt und der
ganze Bau sodann über Gebühr, sowohl aussen als innen, mit einer
Lage Asphalt verputzt. Nichtsdestoweniger besitzen diese Fahr-
zeuge ein bedeutendes relatives Tragvermögen . . ."^
Es ist also in Hit am Euphrat zur raschen Herstellung wasser-
dichter und tragfahiger Fahrzeuge heute noch derselbe Vorgang
in Gebrauch, welchen vor Jahrtausenden Hasis-Adra befolgte.
Das Erdpech ist in uralter Zeit in diesem Landstriche in gar
vielfaltiger Weise verwendet worden. Bei dem Mangel an Bruch-
stein und Kalk- führte man grosse Bauten aus Backstein auf und
verwendete Erdpech als das Bindemittel.
So lautet die bekannte Stelle über den Thurmbau zu Babel
Gen. XI, 3: Dixitque alter ad proximum suum: Venite, fadamiis
lateres, et coquamus eos igni. Habueritntque lateres pro saxis et
bitiimen pro caemento.
Herodot erzählt ausfuhrlich, wie der Lehm aus dem die Stadt
Babylon umgebenden Graben ausgehoben, in Ziegel geformt und
gebrannt wurde, und wie dann aus diesen Zicguln die Mauer er-
baut und Asphalt statt Mörtel verwendet wurd*. DteAmhalt aber
38 Schiflfbau.
wurde von Is gebracht, einer Stadt am Euphrat, acht Tagereisen
von Babylon. Dies ist das heutige Hit.''*
Solches Mauerwerk wird aber unter den Trümmern da und
dort reichlich angetroffen, und Cernik erzählt, dass heute in den
asphaltreichen Gebieten ganze Blocke dieses Stoffes bei Bauten
verwendet werden.
Ebenso dürfte die Verwendung von Erdpech zur Herstellung
brennender, vielleicht sogar explodirender Wurfgeschosse, welche
in späteren Jahren durch ganz Asien in Uebung standen, bereits in
den allerältesten Zeiten bekannt gewesen sein, bis zu welchen die
keilinschriftlichen Berichte zurückreichen. Dies ergibt sich aus der
Erzählung von dem Kampfe des Gottes Merodach mit dem Drachen
Tiämat, welche einen Theil der babylonischen Legende vom Sün-
denfalle zu bilden scheint, und noch deutlicher aus der biblischen
Darstellung in der apokryphen Historie vom Drachen zu Babel,
V. 26. Dies ist auch die Bedeutung der Donnerkeile, mit welchen
Merodach im Kampfe mit dem Drachen in den Basreliefs abge-
bildet wird.^^
Kehren wir jedoch zum Schiffbaue zurück.
So wie die Entwicklung der einzelnen Richtungen der Bau-
kunst beeinflusst worden ist durch die Beschaffenheit der dem
Künstler zur Verfügung stehenden Steingattungen, so sind auch
durch die Besonderheiten der von der Natur zur Verfügung ge-
stellten Hilfsmittel örtliche Eigenthümlichkeiten des Schiffbaues
entstanden, welche sich unter Benützung der gleichen Hilfsmittel
durch sehr lange Zeit erhalten haben. Es hat Lane Fox in einer
lehrreichen Zusammenstellung gezeigt, wie sich langsam der Fort-
schritt von dem gehöhlten Baume zu dem gehefteten Fahrzeuge
und von diesem zu der Anwendung von Stiften vollzogen hat, wie
aber daneben örtliche Besonderheiten sich aus der ältesten Zeit
erhalten haben. Ein Beispiel geben die Bewohner der Insel Ke,
westlich von Neu-Guinea, welche wegen ihrer F'ertigkeit im Schiff-
baue grossen Ruf besitzen. Sie bauen ihre Fahrzeuge nach alter
Weise, indem sie die Rippen anbinden, und erst wenn die so nach
alter Sitte hergestellten Rippen unbrauchbar geworden sind, werden
neue Rippen nach europäischem Gebrauche mit Nägeln befestigt.
Der Bewohner der Samoa-, wie jener der Fidji-Inseln dichtet sein
Die Warnungen. 2Q
Fahrzeug mit Harz vom Brodfrucht-Baume, jener der Kingsmill-
Inseln mit Streifen von Pandanusblättern; in gewissen Theilen von
Siam soll man dazu ein poröses Holz verwenden, welches im
Wasser anschwillt/^
Am Euphrat verwendet man heute noch wie vor so langer
Zeit das Erdpech. Aber neben diesen verpichten Fahrzeugen
haben sich auf dem Euphrat selbst auch jene mit Luft gefüllten
Schläuche und die von Schläuchen getragenen Flösse in Gebrauch
erhalten, welche auf assyrischen Sculpturen dargestellt sind und
welche Herodot I, 1 94 so ausführlich beschreibt. Diese Fahrzeuge
konnten nach Herodot nur zur Thalfahrt benützt werden, und ihre
hauptsächHche Fracht war Dattelwein. Schon im vorigen Jahr-
hundert wurde Renell durch die Uebereinstimmung dieser Schil-
derung mit den heutigen Fahrzeugen in Erstaunen versetzt.
Das Fahrzeug y asis- Adra's ist von schwarzer Farbe gewesen ;
es war wahrscheinlich geheftet; die reichliche Verwendung von
Erdpech beim Schififbaue ist eine im strengsten Sinne des Wortes
vorsintfluthliche Sitte, die sich bis zum heutigen Tage erhalten hat.
3. Die Warnungen. Was uns über die physischen Vorgänge
bei der Sintfluth mitgetheilt wird, kann in drei Gruppen gebracht
werden, nämlich die Warnungen, das Ereigniss selbst und der
Abschluss., Die Schwierigkeit einer schärferen Erfassung liegt
hauptsächlich in der weitgehenden Personificirung aller Natur-
kräfte, doch ist diese, wie ich meine, nicht nach allen Richtungen
unüberwindbar.
Alle Warnungen kommen, was wohl zu beachten ist, von Ea,
dem weisen Gotte des Meeres und der Tiefe. Er sass mit zu Rathe,
als die Götter die Anrichtung der Sintfluth beschlossen, und sagte
seinem treuen Diener Hasis-Adra das drohende Strafgericht voraus:
Col. I, 20. . . . Höre . . . und merke auf . . .
21. Marin von Surippak, Sohn des Ubara-Tntii (Otiaries),
22. verlasse das Haus, baue ein Schiff; rette, was du von
lebenden Wesen finden kannst;
22^. sie wollen vernichten den Samen des Lebens; erhalte
du am Leben
24. und bringe hinauf Samen des Lebens von jeglicher Art
in das Innere des Schiffes.^^
J.O Die Katastrophe.
Von welcher Art können diese Warnungen des Meeresgottes
gewesen sein? Ich meine, es können dies nur kleinere, wahrschein-
lich seismisch erregte Fluthen gewesen sein, ein sich wieder-
holendes Hinausspülen des Meeres über seine Ufer, welches
zugleich den Euphrat staute und in der nicht weit vom Meere ge-
legenen Stadt Surippak Furcht erweckte und diese Vorsichts-
massregel veranlasste.
Die letzte Warnung, welche der Besteigung des Schiffes un-
mittelbar vorangeht, ist allerdings von etwas anderer Art:
Col. n, 30. Als nun die Sonne die bestimmte Zeit machte,
ZI, da sprach eine Stimme (?): am Abend werden die
Himmel Verderben regnen,
2^2>' Die bestimmte Zeit ist herangekommen,
34. sprach die Stimme (?), am Abend werden die Himmel
Verderben regnen.
Auffallend ist, dass die sonst so allgemeine Personificirung
der Naturkräfte hier nicht durchgeführt, sondern eine , Stimme* als
redend eingeführt ist, als würde es sich um eine ganz ungewohnte
Erscheinung, vielleicht um ein seismisches Dröhnen, einen Rombo,
handeln. Weitere Vermuthungen müssen aber hier unterbleiben.
Die vorstehenden Zeilen sind leider nur auf einem Exemplare der
Sintfluth-Tafeln erhalten, und der Text ist an beiden Stellen, an
welchen das hier durch , Stimme' übersetzte Wort kiikrii vor-
kommt, sehr verwischt. In anderen Texten aber wurde dieses
Wort noch nicht angetroffen.
4. Die Katastrophe. Der wichtigste Theil der Schilderung
betrifft das Ereigniss selbst; er fallt in den Schluss von Col. II und
die leider sehr verstümmelten ersten Zeilen von Col. III, welche
auch durch ein neuerdings gefundenes Bruchstück nur wenig ver-
vollständigt worden sind. Nachdem dem Steuermanne Buzurkurgal
das Schiff übergeben ist (II, 39), folgt ein Theilstrich; hierauf:
Col. II, 40. Da erhob sich Alii-seri-ina-namäri
41. i>om Grunde des Himmels, schwar'^es Gewölk,
42. in dessen Mitte Rammän seinen Donner krachen Hess,
43. während Nebo und Samt auf einander losgehen,
44. die ,Thronträger' über Berg und Land schreiten.
Die Katastrophe. A I
Co!. II, 45. Die Wirbelwinde (?) enifesseli der gewaltige Pestgott.
46. Adar lässt itnaufhörlich die Canäle(?) überstrümen,
47. die Anunnaki bringen Fluthen herauf,
48. die Erde machen sie eriittern durch ihre Macht,
49. Rammän's Wogenschjvall steigt bis iiim Himmel
empor:
50. Alles Licht verfällt der (Finsteniiss).
Col. m, I. In einem Tage . . . der Erde ver(wiisten) sie tvie . . .
2. rasend wehte (bantis iiiqä-ma) . . . Berg(?) . . .
3. die . . . führen sie herbei dum) Kampfe gegen die
Menschen.
4. Es sieht der Bruder nicht mehr nach dem Bruder, die
Menschen kümmern sich nicht mehr um einander. Im
Himmel
5. furchten sich die Götter vor der Sintfluth und
6. suchen Zuflucht, steigen empor :{um Himmel des
Gottes Ana.
7. Wie ein Hund auf seinem Lager, kauern sich die Götter
an dem Gitter des Himmels zusammen.
Diese Verse lassen sich in folgende Gruppen theüen: a) Col.
II, 40 — 45 betreffen Vorgänge in der Atmosphäre; b) 46 — 48 be-
ziehen sich auf die Erde; c) 4g, 50 beziehen sich auf beide;
d) Col. in, t — 3 sind leider in ihrer heutigen Unvollständigkeit
unverwendbar; e) 4 — 7 schildern den Eindruck auf Menschen und
Götter. Aus der pragmatischen Anordnung des Stoffes ergibt sich
zugleich die gewaltige und ergreifende Steigerung, welche von
dem ersten Erscheinen einer Wolke am Horizont bis zu der Flucht
der erschreckten Götter führt.
a) Die Atmosphäre. (Col. II, 40 — 45.) Delitzsch deutet den
Ausdruck in Z. 40 mit: .WasserderMorgenruthe beiTagesanbruch.'
Rammän ist der gewaltige Wettergott. Auf schweres Gewölk ist
Gewitter gefolgt, dann Wirbelwind. Welche Naturerscheinung aber
sind die über Berg und Land schreitenden .Thronträger' ?
Werfen wir einen Blick auf das untere Mesopotamien. ,So
selten,' schreibt Schläfli, .eigendiche Stürme sind, um so häufiger
erscheinen Wirbelwinde. Der Form nach die überraschendste
Aehnlichkeit mit einer Wasserhose darbietend un-l nur scheiri
A2 Staubtragender Sturm.
in der weisslichen Färbung von ihr unterschieden, schwebt die
Colonne aufgewirbelten Sandes und Staubes majestätisch und
leicht die Wüste einher, sich mit ihrem oberen Theile in dem
blauen, wolkenlosen Aether verlierend Ich erinnere mich, wäh-
rend meiner Fahrt von Mossul nach Bagdad Mitte Juni vorigen
Jahres (1861?) in einem Moment eilf solcher Staubsäulen gezählt
zu haben. '^^
Diese Säulen schweben allerdings wie Stützen des Himmels
dahin. Der staubtragende Sturm mag aber gar gewaltige Macht
erreichen. Ein Beispiel trat in Bagdad am 20. Mai 1857 ein, als
bei SW.-Wind zuerst die Sonne getrübt wurde und das Aussehen
des Mondes annahm. Dann, um 5 Uhr Nachmittags, erschien,
nach der Schilderung des Dr. Duthieul, eine dunkle Staubwolke;
sie hüllt in einem Augenblicke die ganze Stadt ein und dringt in
Höfe und Zimmer. In weniger als einer Viertelminute tritt man vom
Tage in die finsterste Nacht. Die Wirkung war erschreckend; man
konnte sich nicht mehr zurecht finden, nicht einmal in den Häu-
sern. Diese Finsterniss, stärker als jene der finstersten Nächte,
dauerte fünf Minuten. . . . Die erschreckten Einwohner glaubten,
das Ende der Welt breche herein. In der That Hess der Lärm der
erhobenen Winde und das ganze Schauspiel selbst die ruhigsten
Geister irgend ein grosses Kataklysma befürchten. Der Staub war
ziegelroth. Der Sturm wurde in sehr entfernten Theilen des Landes
verspürt. Schläfli nennt ihn eine Staubtrombe; Duthieul meint,
dass dieser heftige Sturm nicht die Gestalt einer Trombe gehabt,
sondern dass die Staubmasse weithin gleichmässig über das Land
sich bewegt habe. '^
b) Die Erde. (Col. II, 46 — 49.) Das Ueberströmen der Ca-
näle ist eine Erscheinung, welche bei heftigeren Erschütterungen
des Bodens selbstverständlich ist, hier aber durch Sturm und Rück-
stau vermehrt sein mag.
Von grosser Bedeutung scheint mir Z. 47. Die Anininaki
sind, wie namentlich Haupt gezeigt hat, die Geister der Tiefe, die
Geister der grossen unterirdischen Wasser. Sie sind es, welche
die Erde erschüttern und welche aus der Tiefe ,Fluthen bringen*.
Dieses Herauftreten von Wässern aus der Tiefe entspricht den
oft genannten Stellen des elohistischen Berichtes Gen. VII, 1 1 :
Die Brunnen der Tiefe. A3
Rupti sunt omnes fonies abyssi magni et cataractae caeli apertae
sunt (da aufbrachen alle Brunnen der Tiefe und thaten sich auf
die Fenster des Himmels; Luth.) — und VIII, 2, nach dem Ereig-
nisse : Et clausi suntfontes abyssi et prohibitae sunt pluviae de caelo
(Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopfet^ und dem Regen
vom Himmel xvard gewehret; Luth.).
Das Izdubar-Epos meldet also wirklich, dass Wasser aus
der Tiefe gekommen sei, und in der biblischen Darstellung ist an
zwei Orten das Wasser aus der Tiefe im Gegensatze zum Regen
vom Himmel genannt. Dieses Hervortreten grosser Wassermengen
aus der Tiefe ist aber ein Phänomen, welches in bezeichnender
Weise die Erderschütterungen in den Alluvialgebieten grosser
Flüsse begleitet. Es breitet sich in diesen grossen Flächen zu
beiden Seiten des Stromes weithin das Grundwasser in den jungen
Ablagerungen aus, und seine obere Grenze steigt allmälig gegen
rechts und gegen links mit der Entfernung vom Strome mehr und
mehr über den Stand des Mittelwassers. Was unter dieser Grenze
liegt, ist durchfeuchtet und beweglich; der Boden über derselben
ist trocken und brüchig. Treten nun seismische Undulationen in
solches Gebiet, so bricht der spröde obere Theil des Bodens in
langen Spalten auf, und aus den Brüchen tritt gewaltsam bald in
grossen Massen, bald in vereinzelten, selbst mehrere Meter hohen
Strahlen das Grundwasser rein oder als schlammige Majsse hervor.
So ist es in kleinerem Maassstabe eingetreten, als am 9. No-
vember 1880 die AUuvien der Save bei Agram erbebten; ebenso
in etwas grösserem Maassstabe, als am 10. October 1879 die Auen
der Donau bei Moldova erschüttert wurden; so in noch weit
grösserem Maassstabe an der unteren Donau bei dem wallachi-
schen Erdbeben vom 1 1. (23.) Januar 1838, bei welchem das junge
Schwemmland von der Dimbowitza bis über den Sereth-Fluss hin-
aus von zahlreichen Spalten durchschnitten wurde, aus welchen
das Wasser an vielen Orten ,klafterhoch* emporsprudelte. ^°
Dasselbe ist in den Alluvien des Mississippi eingetreten, als
sein Flussgebiet am 6. Januar 1 8 1 2 in der Nähe der Stadt New-
Madrid, nicht weit unterhalb des Einflusses des Ohio, erschüttert
wurde. Wir besitzen einen drastischen und lesenswerthen Bericht
über das Schwanken und Aufbrechen des Bodens von dem
AA Das Hervorbrechen von Grundwasser.
Augenzeugen Bringier. Indem die unterirdischen Wassermengen
sich den Durchweg erzwangen, wurde die Erde mit lauten Explo-
sionen in die Höhe getrieben. Sie stürzte allerorten hervor, eine
ungeheure Menge verkohlten Holzes mitbringend, welches meist
in Staub verwandelt war, der i o bis 15 Fuss hoch emporgeschleu-
dert wurde. Unterdessen sank die Oberfläche und eine schwarze
Flüssigkeit erhob sich bis zum Unterleibe des Pferdes.^' Es wider-
spricht diesen Angaben nicht, dass durch dieselbe Erderschütte-
rung ein kleiner bestehender See, Lake Eulalie bei New-Madrid,
plötzlich durch Spalten entwässert wurde.^' In diesem Falle lag
der See, wie dies so oft vorkommt, in einem gedichteten Bette und
er entleerte sich in das tiefer liegende Grundwasser.
Am 12. Januar 1862 wurde die ganze südHche Umgebung
des Baikal-Sees von einem heftigen Schlage getroffen, und zwar
insbesondere das Delta des in denselben mündenden Flusses Se-
lenga. Die Steppe östlich vom Selenga, auf welcher sich eine Bur-
jäten-Niederlassung befand, senkte sich auf eine Länge von etwa
21 Km. und eine Breite von 9*5 — 15 Km. zur Tiefe. Wässer
brachen allenthalben hervor, wurden auch aus den Brunnen her-
vorgestossen, endlich trat das Wasser des Baikal in die grosse
Senkung und füllte sie ganz mit Wasser an. Springquellen ent-
standen an vielen Orten, so zwischen dem Dorfe Dubinin und der
Steppe Sagansk. In der Ortschaft Kudara wurden die Holzdeckel
der Brunnen wie Stöpsel aus Flaschen in die Höhe geschleudert,
und es erhoben sich Quellen von lauem Wasser stellenweise bis
zur Höhe von drei Sagenen (6*4 M.). Die Erschütterung erstreckte
sich südwärts über Kjachta bis gegen Urga und die Mongolen
wurden durch dieselbe so erschreckt, dass sie die Lama's zu reli-
giösen Ceremonien veranlassten, um die bösen Geister zu be-
ruhigen, welche nach ihrer Meinung die P>de bewegten.^^
Die Erdbeben in dem Unterlaufe des Indus, Ganges und
Brahmaputra haben zahlreiche Beispiele des mächtigen Empor-
schleuderns von Grundwasser aus dem gesprengten Alluvial-
boden gegeben, von welchen einige an späterer Stelle angeführt
werden sollen. —
Das sind die Fluthen, welche die Anunnaki heraufbringen,
die aufgebrochenen Brunnen der Tiefe, welche die Genesis anführt,
Andeutungen einer Cyklone. 45
für den Geologen meines Erachtens der Beweis, dass es sich hier
um eine seismische Erschütterung in einem breiten Flussthale han-
delt. Nie hat man solche Erscheinungen in grösserem Maassstabe
ausserhalb der grossen Grundwasserniederungen wahrgenommen,
und sie wären auch ausserhalb derselben ganz unverständlich.
Col. n, 46 — 49 bedeuten daher: Schwankungen des Wassers
in den offenen Gerinnen, Hervorbrechen des Grundwassers des
Euphrat unter gleichzeitigem Erzittern des Bodens.
c) Dritte Gruppe. (Col. II, 49, 50.) Es ist wohl zu bemerken,
dass bis hieher noch keine Rede von der Hochfluth ist, ja das
Schwanken des Wassers in den Canälen und die Erscheinungen
des Grundwassers lassen sich überhaupt nur vor einer ausgebrei-
teten Ueberfluthung beobachten. Erst mit Z. 49 tritt uns diese
entgegen. Sie lautet:
39. Rammäns Wogenschwall steigt \iim Himmel empor.
In den ersten Worten, in welchen die Fluth erwähnt wird,
steigt sie schon zum Himmel, und nicht Ea, der Meeresgott, wel-
cher vielmehr der wohlwollende Warner gewesen ist, sondern
Rammän, der Wettergott, wird genannt. Das sind wohl nicht
nur sturmgepeitschte Wogen einer seismisch erregten Ueber-
fluthung. Vor solchen Wogen wären die Götter nicht in den
Himmel Anu's oder, wie einzelne Keilschriftforscher diese Stelle
deuten wollten, aus der Sphäre der Planeten in jene der Fixsterne
geflohen.
Plötzlich und furchtbar sind die Ueberschwemmungen, welche
durch Cyklonen herbeigeführt werden. Sie kommen nur in der
Nähe des Meeres vor, entweder auf Inseln, oder in den Niederun-
gen des Unterlaufes grosser Ströme. In einer Breite von hunderten
von Seemeilen nähert sich die Cyklonenwelle dem Festlande, und
wird sie durch den sich verengenden Umriss des Meeres gestaut,
so erhebt sie sich mehr und mehr und stürzt endlich über das
Flachland verwüstend hin. Geradezu grauenvoll sind die Folgen,
welche man auf den westindischen Inseln und an den ostindischen
Flussmündungen erlebt hat : ich werde Beispiele aus unseren Tagen
anzuführen haben, in welchen der Verlust an Menschenleben,
welcher in einer einzigen Nacht eintrat, auf ein- bis zweimalhun-
derttausend Seelen geschätzt wird. In der Regel fallen überaus
46 Die Finsterniss.
heftige, von den heutigen Beobachtern oft geradezu als ,sintfluth-
artig* bezeichnete Regenmassen, namentlich an der Vorderseite
des vorschreitenden Wirbelsturmes vom Himmel; häufig treten zu-
gleich starke Gewitter auf.
In einzelnen Fällen sind auch Erderschütterungen zugleich
mit Cyklonen beobachtet worden, so in der noch weiter zu erwäh-
nenden verhängnissvollen Nacht vom 11. — 12. October 1737
bei Calcutta. Als der sogenannte , grosse Orkan* vom 10. October
1780 über die westindischen Inseln hin gerast, in S. Pierre auf
Martinique das Meer 25 Fuss hoch erhoben und auf dieser Insel
9000, auf S. Lucia 6000 Menschen ertränkt und unermessliche
Verheerungen angerichtet hatte, drückte Sir. G. Rodney seine feste
Ueberzeugung aus, dass so gewaltige Zerstörung der festesten
Gebäude nur durch ein Erdbeben möglich sei, und dass nur die
Heftigkeit des Sturmes die Einwohner verhindert habe, dasselbe
zu bemerken.^^ —
Wir kehren zum Texte des Izdubar-Epos zurück.
Es meldet nun Z. so den Eintritt der Finsterniss.
Am 2. September 1860 gerieth die preussische Kriegscor-
vette ,Arkona' an der japanesischen Ostküste in einen Wirbel-
sturm, welchen sie in ruhmvoller Weise bestanden hat. ,Um acht
Uhr (Morgens),' heisst es in dem Berichte, , wurde es so dunkel,
dass man das Ende des Schiffes nicht mehr sehen konnte; Meer
und Wolken schienen sich zu verschlingen. Die Wogen standen
Mauern gleich, und der Sturm peitschte den Wasserschaum wie
dichten Nadelregen durch die Luft. See- und Regenwasser ergoss
sich in Strömen über das Deck und durch alle Oeffnungen in die
Batterie hinunter; Wind und Wellen rauschten nicht mehr; Alles
bebte und donnerte. . . .'^^
Das ist Rammän, der die Wogen zum Himmel hebt, bis die
zitternden Götter selbst nach höheren Sphären entfliehen, und
welcher alles Licht verfallen lässt der Finsterniss. Und die Worte,
in welchen . unmittelbar nach der Thätigkeit der Anunnaki sein
Eingreifen geschildert wird, legen die Vermuthung nahe, dass mit
dem Erdbeben eine Cyklone aus dem persischen Meerbusen in die
mesopotamische Ebene getreten ist. In ähnlicher Weise ist am
I. Mai 1769 ein heftiges Erdbeben in Bagdad, welches tausende
Das Ende der Katastrophe. A^
von Häusern niederwarf, von einem furchtbaren Sturme und von
einem ,sintfluthartigen* Regen und Hagel begleitet gewesen.^^
Die verheerendste Naturerscheinung der Gegenwart, die von
einer Erschütterung der Erde begleitete Cyklone, ist zugleich jene,
welche der Darstellung Hasis-Adra's von dem grössten Natur-
ereignisse des Alterthums am Genauesten entspricht.
Die drei nachfolgenden Verse, Col. III, Z. 1,2, 3, sind, wie
gesagt; leider zu unvollständig, um eine nähere Deutung zuzu-
lassen. Man erkennt aus den losen und von den verschiedenen
Uebersetzern in abweichender Weise wiedergegebenen Worten
nur, dass hier eine Fortsetzung der Schilderung des Naturereig-
nisses gegeben war.
Col. in, 4 schildert den Eindruck auf die erschreckten Men-
schen, 5 — 7 jenen auf die Götter; ich habe dem über die letzteren
Zeilen bereits Gesagten nichts mehr hinzuzufügen.
5. Weiterer Verlauf und Ende der Katastrophe. Es
folgt die Klage der hehren Menschenmutter Istar über den Ver-
nichtungskampf gegen die Menschen, und die Götter klagen mit
ihr über die Anunnaki; hierauf:
Col. in, 1 9. Sechs Tage und sieben Nächte
•20. behält Wind, Sintfluth (Wirbelstunn) und Sturm die
Oberhandy
21. beim Anbruche des 7. Tages (aber) Hess der Sturm
nach, die Sintfluth (Wirbelsturm), die einen Kampf
22. geführt wie ein (gewaltiges) Kriegsheer,
22^. beruhigte sich; das Meer nahm ab und Sturm und
Sintfluth (Wirbelsturm) hörten auf.
24. Ich durchschiffte das Meer jammernd^
25. dass die Wohnstätten der Menschen in Schlamm ver-
wandelt waren;
26. wie Baumstämme trieben die Leichen umher,
27. Eine Luke hatte ich geöffnet, und als das Tageslicht
auf mein Antlit^ fiel,
28. da luckte ich zusammen und setzte mich weinend
nieder,
29. über mein Antliti flössen meine Thränen,
50
Das Land Nizir.
Kaliu lind trat ich ein in das Gebiet der Stadt Babite. Ich verliess
Babite itnd näherte mich dem Laiide Ni\iry welches man auch
Lullu-Kinipa nennt. Ich nahm die Stadt Bunasi, ihre feste Stadt
und 3o geschlossene Städte ihrer Grenze. Die Männer hatten Furcht
und "{ogen sich {uriick in das unzugängliche Gebirge. Aber Asür-
näcir-pal, welcher als der Erste in ihrer Verfolgung marschirte, ging
sie aufiusuchen xvie Vögel, Er :{erstreute ihre Leichname in den
Bergen des Landes Ni{ir. Er hieb in Stücke 326 ihrer Krieger; er
nahm ihre Pferde. Er tödtete den Rest in den Schluchten und Ein-
rissen des Berges. . . / So bei Lenormant, Orig. IIa, p. 10, 11.
Nach Oppert, Exp^d. M^sop., folgen die Worte : , Die majestätischen
Spitzen dieser Berge sind gerade wie ein Dolch. Verborgen j^or
meinen Kriegern^ erstieg ich ihre Zufluchtsstätten . . . / Und eine
spätere Stelle lautet: ,Ich i^erliess die Stadt Kal:{u; ich kreuzte den
unteren Zab und ich trat ein in das Land der unmittelbaren Nähe
der Stadt Babite.'
Kalzu (Kakzi bei Oppert) wird mit Schamämek bei Erbil (Ar-
bela) identificirt, d. i. die Landschaft Schemamlik am Fusse des
Dehir Dagh.
Vergleicht man diese Angaben mit Cernik's Darstellung, so
lässt sich Folgendes erkennen:
Der assyrische König trat seinen Marsch an derselben Stelle
an, über welche mehr als fünfhundert Jahre später nach der un-
glücklichen Schlacht bei Gaugamela das grosse Heer des Darius
Codomanus vor dem siegreichen Alexander gegen Arbela floh.
Die Seehöhe beträgt hier etwa 290 — 325 M. Die Stadt Babite war
am selben Tage zu erreichen und muss in unmittelbarer Nähe des
unteren Zab gelegen sein. Der Zug ging gegen OSO. Es waren
Kriegswagen dabei; der Fluss wird in der Nähe des heutigen
Strassenzuges, d. i. nicht weit von Altyn-Kjöprü gekreuzt worden
sein. Unter dem Lande Nizir wird man das Land zu verstehen
haben, welches durch die miocänen Höhenzüge des Karatschok
Dagh, Baruwän Dagh und weiter gegen Süd durch den nörd-
lichen Theil des Djebel Hamrin von der Ebene des Tigris abge-
trennt ist. Mehrere Flüsse, unter ihnen auch der untere Zab,
durchbrechen in engen Schluchten diese Höhenzüge, und die
Das Fahrzeug treibt nordwärts. 5 l
tertiären Conglomeratbänke bilden häufig wild zerrissene Fels-
wände von beträchtlicher Höhe.^'
Die Seehöhe dieser dem Lande Nizir vorliegenden Berge be-
trägt im Durchschnitt etwa 3000 M. ; die eingerissenen Flüsse liegen
viel tiefer. Ich finde aber keine Veranlassung zu der Annahme,
dass diese Berge überfluthet worden seien.
Das Fahrzeug treibt über die grosse Niederung dahin, geräth
in das Gebiet des tiefer liegenden Tigris und strandet an dem
Gehänge eines dieser gegen Nordost und Nord die Niederung
begrenzenden miocänen Vorberge. Es erreicht nicht den Gipfel
des Berges, aber die Geretteten verlassen dann das Schiff und
ersteigen den Berg, denn es heisst an späterer Stelle:
Col. III, 46. Ich richtete her einen Altar auf dem Gipfel des Berges
Entscheidend für das Wesen der ganzen Katastrophe aber
scheint mir, dass das Fahrzeug entgegen dem Gefalle der Flüsse
vom Meere hinweg landeinwärts getrieben worden ist. Jede nach
der verbreiteten Auffassung des Ereignisses vornehmlich durch
Regen veranlasste Fluth hätte dasselbe sicherHch vom unteren
Euphrat in's Meer hinausgetragen.
Es ist aber diese allgemein verbreitete Auffassung des bibli-
schen Berichtes durch diesen selbst kaum sicher zu begründen.
Schon im vorigen Jahrhunderte haben hervorragende Exegeten
behauptet, dass (den hebräischen Texten fehlte bekanntlich ur-
sprünglich die Vocalisirung) in Gen. VI, 17 und VII, 6 anstatt
,majim', aqiiae, Wässer, — ,mijam', a mari, vom Meere, gelesen
werden solle. So übersetzte schon vor mehr als hundert Jahren
J. D. Michaelis, welchen Bunsen einen der Begründer der neueren
Bibelforschung nennt, die betreffenden Stellen:
VI, i-j.Tch aber mll von der See her eine Ueberschivemmung
über die Erde bringen, um alle beseelten Leiber unter dem
ganzen Himmel \ii vertilgen.
Und ferner;
Vn, 6. Noach war damals sechshundert Jahre alt, als die Ueber-
schwemmung von der See her über die Erde einbrach,
lind er ging selbst nebst seinen Söhnen, seiner Frau und
seiner Sohne Frauen in das Schiff, um dem Wasser der
Sündßulh ^u entkommen.
5 2 ^ Abschluss.
Hiezu wird die sehr vernünftige Bemerkung gemacht: ,In der
That mussdie Sündfluth hauptsächlich aus der See entstanden seyn,
denn die Luft kann bey weitem so viel Wasser nicht halten, als zu
ihr erfordert wird, folglich auch nicht im Regen herabschütten. '^**
Gegen diese Auslegung, welche mehrere hervorragende
Bibelforscher des vergangenen Jahrhunderts theilten, wird einge-
wendet: ,Die Aenderung von majim in mijam sei unnöthig und
unzulässig, weil ja auch der Regen besonders stark mitwirkte.**'
Wie ausserordentlich aber durch dieselbe die biblische Erzählung
den heutigen Erfahrungen über ähnliche Ereignisse genähert wird,
bedarf keiner Erläuterung.
7. Abschluss, Zeit des Ereignisses. Die noch folgenden
Theile der Erzählung Hasis-Adra's sind namentlich in ihren engen
Beziehungen zu dem biblischen Texte von äusserstem Interesse,
aber sie bieten keinen wesentlichen Aufschluss über die hier be-
rührten Fragen.
Die Episode der Aussendung der Vögel wurde behandelt
von Delitzsch und Eb. Schrader, welche die grössere Ursprüng-
lichkeit des chaldäischen Berichtes und die überraschende Gleich-
artigkeit einzelner Zeilen des biblischen Textes hervorheben.
Die grossen Bogen Anu's, welche die Göttin Istar in die Höhe
hebt vor ihrem Gelübde, der Regenbogen der Genesis, sie be-
stätigen den Regen. Ea, der Gott des Meeres, tritt besänftigend
auf, und er ist es, welcher den streitbaren Bei auffordert, keine
Sintfluth mehr zu veranstalten.''' —
Nach dem bisher Gesagten haben wir als den Schauplatz dieser
Vorgänge das untere Stromgebiet Mesopotamiens von der nahe
dem Meere am Euphrat liegenden Stadt Surippak bis zu den Ab-
dachungen der Berge von Nizir jenseits des Tigris zu betrachten.
Es ist jedoch gegen diese Auffassung vor Kurzem von hochacht-
barer Seite eingewendet worden, dass die ganze Färbung des
chaldäischen Berichtes eine specifisch babylonische sei; dieser
Bericht sei »babylonisch localisirt'. Trotz dieser Localisirung zeige
derselbe doch keine einleuchtende Anknüpfung an die klimatischen
Verhältnisse des Landes, und zwar wird bemerkt, erstens: dass
die Ueberfluthung nicht in Bezug stehe mit den periodischen
Hochwässern der Flüsse im November und im Frühjahre, und
Zeit des Ereignisse9. ci
zweitens: dass gar nicht einzusehen sei, warum das von einem
Steuermanne geleitete Schiff so weit gegen Nord gefahren sei.
Verständlich werde die Sache nur, wenn auch in der babylonischen
Sage die Abkunft der neuen Menschheit vom Norden her noch ein
feststehender Zug war. Dann aber sei sicher, dass Babylonien
nicht die ursprüngliche Heimat der Flutherzählung war."
Diese Einwürfe scheinen mir nur aus jener, wenn ich so sagen
darf, binnenländischen Auffassung dieses grossen Naturereig-
nisses hervorzugehen, welche in dem Regen die Hauptquelle der
Ueberfluthung zu sehen geneigt ist, obwohl, wie bereits erwähnt
worden ist, bei so grossen Fluthen der Regen nur als eine Neben-
erscheinung auftritt. Die Fluth kam, wie alle grossen Fluthen der
heutigen Tage, vom Meere her; Erdbeben und Cyklone stehen in
keinen Beziehungen zu den periodischen Anschwellungen der
Flüsse, und sie sind auch die Ursache gewesen, dass das Schiff so
weit gegen Nord getrieben wurde.
Die Untersuchungen über die genaueren Angaben von Tag
und Monat des Beginnes der Sintfluth, welche sich bei Berosus und
in Gen. VII, 1 1 finden, sowie über RawHnson's merkwürdigen Ver-
gleich der Gesänge des Izdubar-Epos mit den Zeichen des Thier-
kreises fallen nicht in den Bereich meiner Aufgabe. Das genauere
Datum der Sintfluth hat Bosanquet in London geglaubt auf Grund
der Beobachtungen über Sonnenfinsternisse im Alterthume fest-
stellen zu können. Dieser Versuch führte auf das Jahr 2379 v. Chr.;
ich erwähne diese Ziffer nur der Vollständigkeit halber. Allen An-
zeichen nach fallt die Katastrophe in eine viel frühere Zeit."
Hiemit breche ich vorläufig die Betrachtung des Izdubar-Epos
ab, um der Sintfluth ähnliche Ereignisse aus unseren Tagen zu
besprechen. Diese sind, wie die Berichte aus den letzten Jahr-
zehnten lehren, weit häufiger, als man im mittleren Europa voraus-
zusetzen gewöhnt ist. Als Beispiele wurden die Vorkommnisse an
den Mündungen des Indus und des mit dem Brahmaputra vereinig-
ten Ganges gewählt. Dann erst soll zu abermaliger Erörterung
der von Hasis-Adra geschilderten Katastrophe und zu einer kurzen
Prüfung jener Sintfluth-Sagen anderer Völker geschritten werden,
aus welchen man die Ausbreitung der Katastrophe über die ganze
Oberfläche des Planeten zu erweisen versucht hat.
5j. Neuere Vorgänge.
B. Neuere Vorgänge an den ostindischen Flüssen,
Hasis-Adra bringt das Opfer dar; wie Fliegen sammeln sich
die Götter über demselben und saugen den wohlriechenden Duft ein.
Und die Menschenmutter Istar, nachdem sie die grossen Bogen (?)
aufgerichtet, schwört nimmer zu vergessen dieser Tage, und der
weise Ea ermahnt Bei, er möge auf den Sünder fallen lassen seine
Sünde und auf den Frevler seinen Frevel, aber eine Sintfluth
(abübu) möge er nicht mehr anrichten. Löwen mögen kommen,
und Hyänen mögen kommen, und Hungersnoth und Pest, um die
Menschen zu vermindern, aber die Sintfluth möge nicht wieder-
kehren.
Auch Noah bringt sein Opfer dar, und Jahveh riecht den
angenehmen Duft und verspricht in seinem Herzen, keine allge-
meine Vertilgung mehr folgen zu lassen.
Von Elohim wird der Bogen in das Gewölke gesetzt und der
Bund des Friedens aufgerichtet für alle Zeiten mit dem Menschen
und aller lebenden Creatur.
Und die Euphratniederung, obwohl häufig noch von Erder-
schütterungen heimgesucht, ist in den letzten Jahrtausenden in der
That der Schauplatz solcher Ueberfluthung nicht wieder gewesen.
Die Flussmündungen sind durch Verlandung vorgeschoben, die
befruchtenden Canäle vertrocknet, das Land ist verödet; an Babel
sind die grässlichen Prophezeiungen Jeremiah's in Erfüllung ge-
gangen, die stolzen Königsstädte sind zu formlosen Trümmer-
haufen geworden, aber eine Sintfluth ist nicht wieder über dieses
Land gekommen.
In den Niederungen anderer grosser Ströme sieht man jedoch
in unseren Tagen noch oft das Wirken der Anunnaki und fühlt
den Zorn des furchtbaren Rammän. Darum verlassen wir nun die
Ueberlieferungen der Vergangenheit und wenden wir uns den
Erlebnissen der Gegenwart zu.
Bei allen Völkern galten von jeher die Quellen als begnadete
Orte, und in wasserarmen und heissen Gegenden in noch höherem
Grade als im Norden. Aber die Vorgänge der Verdunstung und
der Infiltration waren unbekannt, und in mannigfaltiger Weise
Mündungen des Indus. CC
suchte man ihre Speisung zu erklären. Man sah auch den Wasser-
spiegel der Brunnen unter der Ebene. Das sind die ,Wässer der
Tiefe', welche aufbrechen und hervorsteigen bei Erderschütte-
rungen, und indem sie sich an der Oberfläche entleeren, sinkt wohl
auch ein beträchtliches Stück dieser Oberfläche in den durch die
Entleerung entstehenden Hohlraum. So entstand, wie wir früher
sahen, der neue Wasserspiegel auf der Stelle der Burjätennieder-
lassung in der Nähe des Baikal.
Im grössten Maassstabe ist dieses Hervorbrechen des Grund-
wassers und das Einsinken des Bodens in dem oft von Erderschüt-
terungen heimgesuchten unteren Flussgebiete des Indus ein-
getreten.
Dieses Beispiel wollen wir zuerst betrachten.
Die Mündungen des Indus nehmen den weiten, flachen Theil
der Küste zwischen Kurrachi im Nordwesten und Lukput im Süd-
osten in Anspruch. Dieses Tiefland ist an der rechten Seite be-
grenzt durch die Höhenzüge, welche vom Khirthargebirge bis
Cap Monze bei Kurrachi sich fortsetzen. Noch unter Haiderabad,
bei Jerruck, und noch zwischen Tatta und Pirputta treten von
diesem Gebirge her Felsmassen an den Strom und halten ihn fest,
während schon weit oberhalb dieser Punkte grosse Arme von der
linken Seite abgegangen sind. Die Frage, wohin unter solchen
Verhältnissen das Haupt des Delta's zu verlegen sei, kann daher
auf verschiedene Weise beantwortet werden, und wenn man es
nach Tatta verlegt, umfasst man nur einen verhältnissmässig ge-
ringen Theil des weiten Schwemmlandes, welches unter dem Ein-
flüsse dieses gewaltigen und an Sinkstoffen sehr reichen Stromes
aufgebaut worden ist.
Die Mündung des Hauptstromes steht, wie Tremenheere ge-
zeigt hat, unter dem Einflüsse von vorherrschend gegen Nordwest
gerichteten Bewegungen des Meeres, so dass ein Theil seiner Se-
dimente bis in die unmittelbare Nähe von Kurrachi getragen wird.
Die Mündung selbst ist nach derselben Richtung abgelenkt. Zahl-
reiche trockene Gerinne zwischen dem sehr weit oberhalb ab-
zweigenden Narra und dem Indus deuten darauf hin, dass der ge-
sammte Abfluss und mit ihm die Ausbildung des Delta's mehr und
mehr gegen Nordwest gerückt worden sind.^^
c6 Zerstörte Städte.
Cunningham schreibt dieses Drängen aller Flussläufe des
Penjäb nach rechts der Rotation der Erde zu und stellt den Zeit-
punkt des Verlassens des Narrabettes in's Jahr 680 n. Chr. Im
Jahre 7 1 1 n. Chr. war der Hauptstrom bereits bei Rori in sein
heutiges Bett eingegraben, er floss aber damals noch östlich von
Haiderabad und erst um das Jahr 1592 scheint er sich westlich von
dieser Stadt sein Bett gewählt zu haben. ^^
In der Niederung des Indus sind grosse und volkreiche Städte
die Opfer von Naturereignissen geworden. Mit Tausenden von
Einwohnern wurden sie wohl öfters binnen wenigen Augenblicken
zerrüttet, und die Vernichtung der Bewässerungsanlagen oder die
Ablenkung des Flusslaufes überhaupt verhinderte die Wiederauf-
richtung durch die Ueberlebenden. Nach Jahrhunderten trifft dann
der Reisende auf ausgedehnte Ruinen und auf die figurenreichen
Bildwerke einer verlassenen Hauptstadt, an dem trockenen Ge-
rinne des abgelenkten Flusses, und die Ergründung auch nur ihres
Namens mag schon das Ziel des Ehrgeizes unserer Alterthums-
forscher werden.
,Ich reiste,' schrieb Ibn Batuta im Jahre 1333 unserer Zeit-
rechnung, , durch Sind zu der Stadt Lähari, welche an den Küsten
des Indischen Meeres gelegen ist, wo der Sind (Indus) sich mit
demselben vereinigt. Sie hat einen grossen Hafen, in welchem
Schiffe aus Persien, Yemen und aus anderen Gegenden anlegen.
Wenige Meilen von dieser Stadt sind die Ruinen einer anderen
Stadt, in welcher Steine in der Gestalt von Menschen und Thieren
in fast unzähliger Menge angetroffen werden. Das Volk dieses
Ortes sagt, es sei die Ansicht seiner Geschichtsschreiber, dass
einstens an dieser Stelle eine Stadt gestanden sei, deren Einwohner
zum grössten Theile so sündhaft gewesen seien, dass Gott sie,
ihre Thiere, ihre Pflanzen und sogar die Samen in Stein verwan-
delte; und in der That sind die Steine in Gestalt von Samen hier
beinahe zahllos.' Hier werden Nummulitenkalk und Sculpturen
zusammengestellt. Es sind wahrscheinlich die Reste des berühm-
ten Hafenortes Debal gemeint, welcher zwischen Kurrachi und
Tatta lag.
Die Nachricht von solchen Städten ist vielfach gegen West
und Nordwest gedrungen, und manche Uebereinstimmung mit
Rao of Kachh. 5 7
localen Sagen lässt vermuthen, dass Zobe'ide's Erzählung in
»Tausend und Eine Nacht', dass sie, von Bassora absegelnd,
nach zwanzig Tagen in dem Hafen einer grossen Stadt Indien's
gelandet sei und dort den König, die Königin und alles Volk in
Stein verwandelt gefunden habe, sich auf eine der bildreichen
zerstörten Städte des Indus-Delta's, vielleicht auf dasselbe Debal
beziehe."
Viel weiter im Lande, nordöstlich von Haiderabad, besuchten
im Jahre 1854 Bellasis und Richardson die Ueberreste von Brah-
minabad, an dem trockenen Bette des Narra, einst einer weit-
läufigen und volkreichen, aus gebrannten Ziegeln erbauten Stadt,
jetzt ein weiter Trümmerhaufe, aus dessen Mitte noch der untere
Theil eines gewaltigen Rundthurmes aufragt. Offene Plätze, die
Lage des Bazar's sind noch kennbar, und die ersten Aufgrabungen
haben Skelete von Einwohnern in ihren Häusern, Münzen und
Cameen, Bildhauerwerke, welche hier der Zerstörungswuth isla-
mitischer Ikonoklasten entgangen waren, ja sogar kunstvoll ge-
arbeitete Schachfiguren unter der wohl nahezu tausendjährigen
Schuttdecke enthüllt. Die vollkommene Zerrüttung sehr starker
Bauwerke, die Abwesenheit von Brandspuren, die Reste der Ein-
wohner selbst und ihrer Habseligkeiten bestätigen die Sage,
nach welcher die Stadt plötzlich durch ein P>dbeben zerstört
worden ist.'"
An dem östlichsten der alten Arme des Indus, dem Khori,
nahe seiner Mündung, liegt die Stadt Lukput. Hier endet der von
Südost her längs der Küste sich hinstreckende Höhenzug von
Kachh, welcher den Ran of Kachh, eine südöstliche Erweiterung
des Flachlandes der Mündungen, vom Meere abtrennt.
Die unübersehbare Ebene des Ran ist bald bei Südwest-
Monsun von Lukput her mit Salzwasser überdeckt, bald bei Hoch-
wässern im Indusgebiete durch die Gerinne des Bunass oder des
Luni von Süsswasser überfluthet, bald weithin trocken und dann
mit grossen, blendend weissen Salzflecken überstreut.
Wynne, welcher die geologische Karte von Kachh entworfen
hat, schildert in anschaulichen Worten den belastenden Hindruck
des Schweigens und der Einöde im Ran, in welchem ausser etwa
selten einmal einer flüchtigen Heerde wilder Esel, kein lebend«
58 Erdbeben von 18 19.
Wesen sichtbar wird und die Luft sich erfüllt mit den wunderbar-
sten Spiegelungen/^
Der dem Sanskrit entlehnte Name selbst zeigt das hohe Alter,
denn Kachchha bezeichnet einen Sumpf und Irina (Ran) eine
Salzwüste. Der grosse chinesische Reisende Hwen Tsang, welcher
im Jahre 641 n. Chr. in Sind war, beschreibt diese Gegend bereits
als niedrig, feucht und den Boden als mit Salz erfüllt. ^°
Die wunderbaren Luftspiegelungen des Ran sind die Quelle
vieler Legenden und Zaubermärchen geworden. Die Eingebornen
sehen in denselben das Trugbild der Besitzungen eines frommen
Königes, dem es gelungen war, so vollständig ein goldenes Zeit-
alter der Tugend wiederherzustellen, dass seine Hauptstadt, alles
Unreinen entledigt, allmälig selbst sich zum Himmel erhob. In
einem entlegenen Hause jedoch war ein unreines Thier, ein wilder
Esel, vergessen worden, der durch Wiehern seine Gegenwart ver-
rieth. Das Emporschweben der Stadt wurde unterbrochen, und
seither schwebt sie über dem Ran zwischen Himmel und Erde.^*
Dieser Ran of Kachh wurde im Jahre 1 8 1 9 von einer gewal-
tigen Erderschütterung betroffen, welche von vielbesprochenen
Veränderungen der Erdoberfläche begleitet war. Ich folge bei der
Besprechung derselben zunächst wörtlich der von Alex. Burnes
gegebenen Schilderung der thatsächlichen Vorgänge, auf welche
sich auch die von Lyell gegebene Beschreibung stützt. ^^
Vor der Schlacht von Jarra, im Jahre 1762, sagt Burnes, in
welcher die Einwohner von Kachh sich muthig gegen eine Armee
aus Sind unter Ghulam Schah Kulora vertheidigten, mündete
der östliche Arm des Indus, gewöhnlich der Phurraun genannt, in
das Meer, indem er an den westlichen Küsten von Kachh vorbei-
floss, und das Land an seinen Ufern genoss die Vortheile, welche
dieser Fluss durch seinen ganzen Lauf spendet. Seine jährlichen
Ueberfluthungen bewässerten den Boden und lieferten reiche
Ernten von Reis; diese Uferlandschaften waren damals unter dem
Namen ,Sayra' bekannt.
Diese Segnungen, welche die Natur der sonst unfruchtbaren
Gegend verliehen hatte, erreichten ihr Ende mit der Schlacht von
Jarra, denn der Häuptling aus Sind, erzürnt über den Misserfolg
seines Feldzuges, kehrte voll Rachegefühl in sein Land zurück und
Burnes' Bericht. jg
versetzte den tiefsten Nachtheil dem Lande, welches zu unter-
jochen ihm nicht gelungen war. Bei dem Dorfe Mora warf er einen
Damm von Erde, oder, wie es genannt wird, einen ,Bund' auf,
quer über jenen Arm des Indus, welcher Kachh befruchtete ; in-
dem er so den Strom ablenkte, welcher den Einwohnern so sehr
zu statten gekommen war, und indem er ihn in andere Gerinne
führte, in öde Theile der eigenen Besitzungen, zerstörte er zu-
gleich eine weite und reiche Strecke bewässerten Landes und ver-
wandelte er eine productive Reisgegend, welche zu Kachh gehört
hatte, in eine sandige Wüste.
Der aufgeworfene Damm schloss nicht gänzlich das Wasser
des Indus von Kachh ab, hinderte jedoch so sehr die Bewegung
des Hauptstromes, dass aller Ackerbau, welcher von der Bewäs-
serung abhing, ein Ende fand. Im Laufe der Zeit verschwand auch
dieser geringe Rest von Wohlstand; die Talpur's, welche den
Kalora's in der Herrschaft über Sind folgten, warfen neue Dämme
auf, und um das Jahr 1802 wurden durch die Errichtung eines
solchen zu Ali Bunder alle Wässer des Indus, selbst zur Zeit der
Hochwässer, von dem Canale abgeschlossen, welcher sie einst an
Kachh vorüber zum Meere geführt hatte. Nun hörte jener Streifen
Landes, welcher vormals den fruchtbaren District von Sayra ge-
bildet hatte, auf, auch nur einen Halm von Pflanzenwuchs zu lie-
fern, und wurde einTheil des Ran, an den er früher gegrenzt hatte.
Der Canal des Flusses bei der Stadt Lukput wurde seichter, und
oberhalb Sindree füllte er sich mit Schlamm und vertrocknete.
Tiefer unten verwandelte er sich in einen Arm des Meeres.
Unter diesen Verhältnissen, erzählt Burnes weiter, erfolgte
im Juni 18 19 ein heftiger Erdstoss, durch welchen Hunderte von
Einwohnern getroffen wurden und jeder befestigte Punkt im Lande
in seinen Grundvesten erschüttert wurde. Es bildeten sich im Ran
zahlreiche Spalten, aus welchen durch drei Tage ungeheure
Massen von schwarzem, schlammigen Wasser hervortraten, und
aus den Brunnen des an den Ran grenzenden Landstriches Bunni
sprudelte das Wasser hervor, bis ringsum das Land bis zu 6, ja
selbst 10 Fuss hoch überfluthet war."
Gegen Sonnenuntergang wurde der Stoss zu Sindree, der
Zollstation von Kachh, gefühlt, welche an der Hauptstrasse nach
60 Ullah-bund.
Sind und an den Ufern dessen lag, was vor Zeiten der östliche
Arm des Indus gewesen war. Dieses kleine, aus Ziegeln erbaute
Fort von 150 Fuss im Gevierte wurde durch einen vom Ocean
herHuthenden Wasserstrom überwältigt, welcher sich nach allen
Richtungen ausbreitete und dieselbe Strecke, welche bisher hart
und trocken gewesen war, im Laufe weniger Stunden in einen
Binnensee verwandelte, der sich von Sindree nach jeder Rich-
tung I 7 Miles weit ausdehnte. . . . Bald entdeckte man jedoch,
dass dies nicht die einzige Aenderung in dieser denkwürdi-
gen Convulsion der Natur sei, da die Einwohner von Sindree in
einer Entfernung von beiläufig 5 Miles gegen Nord einen Damm
(a mound) von Erde oder Sand bemerkten, an einer Stelle, wo zu-
vor der Boden eben und niedrig gewesen war. Er erstreckte sich
auf eine beträchtliche Strecke gegen Ost und gegen West und
durchcjuerte unmittelbar den Canal des Indus, gleichsam für immer
den Phurraunfluss abtrennend vom Meere. Die Eingebornen
nannten diesen Damm , Ullah-bund' oder den Damm Gottes,
mit Bezug darauf, dass er nicht wie die anderen Dämme des
Indus von Menschenhand, sondern von der Natur aufgeworfen
war. . . .
Diese wunderbaren Ereignisse gingen vorläufig wenig be-
achtet vorüber, denn der tiefe Nachtheil, welcher Kachh im Jahre
1762 zugefügt worden war, hatte diesen Theil des Landes schon
so gänzlich zu Grunde gerichtet, dass es gleichgiltig war, ob der-
selbe eine Wüste bleibe oder sich in einen See verwandle. Ein
schwacher und erfolgloser Versuch wurde von Kachh aus gemacht,
ein Zollamt auf dem neu gebildeten , Ullah-bund' zu errichten,
aber die Emire von Sind erhoben Einsprache, und da Sindree nicht
länger haltbar war, wurden die Beamten auf das Festland von
Kachh zurückgezogen.
So verblieben die Dinge bis zum Monate November 1826,
als Nachricht einlangte, dass der Indus seine Ufer im oberen Sind
durchbrochen habe, und dass eine ausserordentlich grosse Wasser-
menge sich über die Wüste, welche dieses Land ostwärts begrenzt,
ausgebreitet, alle Dämme gesprengt und sich den Weg bis zum
Ran of Kachh erzwungen habe. Im März 1827, also 8 Jahre nach
dem Erdbeben, reiste nun Burnes von Bhooj, der Hauptstadt von
UUah-bund ist kein Damm. 6 I
Kachh, über Lukput, zu Wasser aufwärts zu jener weiten Wasser-
fläche, welche die Ruinen von Sindree umgab.
Der wichtigste Theil des weiteren Berichtes von Burnes ist
die Beschreibung des üliah-bund. Dem Auge erschien derselbe
an einer Stelle nicht höher als an einer anderen und er Hess sich
nach Ost und nach West so weit verfolgen, als das Äuge reichte;
die Eingebornen gaben an, dass seine Länge 50 Miles betrage.
,Man darf sich denselben jedoch,' so sagt ausdrücklich Burnes,
, nicht als einen schmalen Streifen,wie einen künstlichen Damm
vorstellen, da er sich landeinwärts bis Raomaka-bazar ausdehnt,
wohl in einer Breite von 16 Miles, und er schien eine grosse
Erhebung der Natur zu sein. Die Oberfläche war mit salzreichem
Boden bedeckt, und er besteht aus Thon, Muscheln und Sand. . . .'
So weit Burnes. Der UUah-bund ist seither öfters besucht
worden; seine Höhe wurde auf 10, 15, 18 und sogar auf 20'/^ Fuss
bemessen, aber Wynne bemerkt, dass sich die Angaben auf die
Höhe über dem wechselnden Wasserstande an seinem Fusse be-
ziehen. Die Beobachter stimmen in dem entscheidenden Punkte
überein, dass der UUah-bund überhaupt nurvon Süden her den
Anblick eines Dammes biete, gegen Nord aber gar kein oder
so gut wie kein Gefalle habe, und dass sich eine Nordseite
desselben überhaupt in keiner Weise kenntlich mache.
Der UUah-bund ist demnach gar kein Damm, sondern nur
eine plötzliche Abstufung des Bodens.
Das oberhalb dieser Abstufung gelegene, angeblich geho-
bene Land hat eben keine Veränderung erfahren. Mit voUem
Rechte hebt Wynne hervor, dass es bei einer irgend bemerkens-
wertheren Erhebung dieses Landstriches den Hochfluthen des In-
dus im Jahre 1 826 unmöglich gewesen wäre, das seit dem Jahre
1762 abgedämmte Bett des Phurraunarmes wieder zu verfolgen
und quer durch den UUah-bund die Senkung von Sindree und die
Mündung unterhalb Lukput zu erreichen. ^^
Das Land südUch vom UUah-bund mit dem Fort von Sindree
ist demnach zugleich mit einem grossen Austritte von Grund-
wasser während des Erdbebens von 1819 eingesunken; der UUah-
bund ist eine scharfe Abstufung des Schwemmlandes, welche die
Grenze der Einsenkung bezeichnet; oberhalb des UUah-bund ist
62 Bucht von Bengalen.
keine wesentliche Veränderung eingetreten, wie aus dem unge-
änderten Gefälle der Flüsse erhellt.
Diese einfache Auffassung der Sachlage stimmt mit der
schmucklosen Darstellung überein, welche Carless im Jahre 1837
in einer die Vermessungsarbeiten im Indus-Delta begleitenden
Denkschrift gegeben hat. Diese spricht nur davon, dass das nie-
dere Alluvialland »während des Erdbebens von 18 19 an mehreren
Stellen einige Fuss tief gesunken sein soll', wobei ein kleines Fort
in dem oberen Theile, nahe dem Flusse, niedergeworfen wurde.
Jetzt sei die Gegend mit Wasser bedeckt.^^
Ch. Lyell dachte an eine wahre Erhebung des Landes am
ÜUah-bund. Obwohl ich niemals vergessen werde, wie tiefe Anre-
gung mir selbst in jüngeren Jahren durch den Umgang mit diesem
seltenen, stets wohlwollenden und auch stets zur Anerkennung
und Berichtigung eigener Irrthümer bereitwilligen Manne gewor-
den ist, muss ich doch unverhohlen aussprechen, dass seine in viele
Lehrbücher übergegangene Auffassung der im Ran of Kachh ein-
getretenen Veränderungen nicht aufrecht erhalten werden kann.^^
Es handelt sich hier weder um Erhebung von Land, noch, wie ich
selbst einmal, irregeführt durch andere Darstellungen, vermuthet
habe, um Faltenbildung an der Oberfläche, sondern nur vim das
Hervordringen von Grundwasser und das Nachsitzen eines scharf
abgegrenzten Theiles des schlammigen Bodens.''^
Die Uebereinstimmung mit den Vorgängen bei New-Madrid
am Mississippi und in der Burjätensteppe am Baikal ist eine voll-
ständige. —
Wir suchen nun eine Gegend auf, welche sowohl von Erd-
beben, als auch von Cyklonen heimgesucht ist, und in welche
verheerende Ueberfluthungen vom Meere her in neuester Zeit zu
wiederholten Malen eingetreten sind, das Flachland, welches die
Bucht von Bengalen nordwärts abschliesst. Ganges und Brah-
maputra ergiessen sich hier in vielfach gegabelten Armen in das
Meer, und ich will versuchen, die Hauptzüge der heutigen Be-
schaffenheit dieser Mündungen darzustellen, bevor ich über ihre
Geschichte und dann von den Erdbeben und Wirbelstürmen spreche.
Hiebei folge ich zunächst der meisterhaften Beschreibung dieses
Terminologie der Niederungen. 63
Gebietes von J. Fergusson^* und den Ergänzungen zu dieser
Beschreibung durch Medlicott und Blanford.^^
Ziemlich weit ausserhalb der littoralen Zone der Sunderbunds
läuft die Fünf - Fadenlinie von den Balasore - Roads im Westen
gegen Chittagong im Osten, und die Küste senkt sich sehr allmä-
lig zur Tiefe, mit Ausnahme einer merkwürdigen, beiläufig in der
Mitte dieser Strecke und etwas südwestlich ausserhalb der Harin-
gota- Mündung gelegenen Region, in welcher plötzlich grosse
Tiefen sich zeigen; es ist dies der ,Swatch of no ground', in
welchem, namentlich gegen seinen westlichen Rand, das Loth mit
200 und selbst 300 Faden keinen Grund findet.
Innerhalb der Sunderbunds befindet sich ein Netzwerk von
Wasserläufen, welche gemeinsam an der Aufschüttung von be-
wohnbarem Land und der allmäligen Ausfüllung der zahlreichen
und ausgedehnten ,Jhils' arbeiten.
Die Inder besitzen eine weit besser ausgebildete Termino-
logie für die in der Natur sich wiederholenden Gestaltungen der
Oberfläche als wir, und es bleibt die Frage offen, ob nicht manche
ihrer Bezeichnungen mit Vortheil in allgemeineren Gebrauch treten
könnten.
Bhäbar ist für den Inder die stärker geneigte Aufschüttung,
das Gebiet der Halden am Fusse der Gebirge, in welchem die
aus dem Himalaya hervortretenden Flüsse einen Theil ihrer Wasser-
menge verlieren oder gar vertrocknen; Tarai ist die vegetations-
reiche Zone, in welcher das Grundwasser des Bhäbar wieder zu
Tage tritt; Bhängar nennt man die höher liegenden Flächen
älteren Schwemmlandes, im Gegensatze zu Khädar, dem tieflie-
genden, in der Regel durch niedere Steilränder begrenzten Allu-
vialgebiete der Ströme im engeren Sinne.
Ganges und Brahmaputra treten mit beiläufig gleichen Wasser-
mengen in die weite Delta-Region hinaus, doch bringt der Brahma-
putra, wohl vermöge seines grösseren Gefälles, eine unvergleich-
lich viel grössere Menge von Sinkstofifen. Nichtsdestoweniger ist
das Delta des Ganges in der Anschüttung viel weiter vorge-
schritten und befindet sich zum grössten Theile in dem Zustande
des bewohnbaren Bhängar, während am Brahmaputra w^eitaus
die bedeutendere Fläche häufig überschwemmter Khädar ist. Im
(\l Ganges and Brahmaputra.
Zusammenhange damit steht die Lücke in dem östlichen Umrisse
des Delta 's.
Bei Räjmahäl tritt der Ganges um das von älteren vulkani-
schen Felsarten gebildete Ende des Gebirges, und dieser Punkt,
an welchem der Strom etwa 20 Meter über dem Meere liegt, wird
als das Haupt des Delta's angesehen. Mit Recht erläutert Fergus-
son, wie seit jener Zeit, in welcher das Meer bis Räjmahäl reichte
und die Ausfüllung begann, eine sehr wesentliche Veränderung in
dem Maasse der Aufschüttung bei Räjmahäl selbst vor sich ge-
i^angen sein muss, und wie diese mit der X'^erringerung des Ge-
fälles sich ausserordentlich verlangsamen musste. Zwischen
Räjmahäl und dem Meere vollzieht sich die Landbildung unter
fortwährender Verschiebung der Gerinne und unter fortwährend
sich ändernder Gabelung derselben. Der Ganges selbst hat in
historischer Zeit auf mehr als der Hälfte dieser Strecke sein ur-
sprüngliches Gerinne, den Bhagarutti, verlassen; dieser gilt denn
auch den Eingebornen für heilig, nicht der Zweig Poddah, in wel-
chem jetzt der Ganges fliesst.
Noch weit wichtiger sind die Aenderungen, welche der Brah-
maputra erlitten hat.
Nördlich von Dacca erstreckt sich bis auf etwa 1 1 2 Kilom.
Länge mit einer grössten Breite von 56 Kilom. ein grosses Stück
von erhöhtem Bhängar, der Madupore Jungle, mit steilerem,
etwa 40 — 50 Fuss hohen Abhänge gegen West und sanftem Ge-
falle gegen Ost.
Oestlich vom Madupore Jungle und von Dacca kommt die
Gruppe der Silhetströme von Kachar herab, klare, an Sinkstoffen
arme Wässer, welche während der drei Monate der Regenzeit
unter dem Einflüsse des Monsun ganz ausserordentliche Wasser-
mengen führen; sie sind von den Silhet-Jhils, sehr ausgedehnten
stillen Wasserflächen, in der Nähe des Madupore Jungle begleitet
und bilden in ihrer Vereinigung den Megna.
Als im Jahre 1785 Renell die erste Vermessung dieser Ge-
gend vornahm, floss der gewaltige, schlammige Brahmaputra öst-
lich vom Madupore Jungle, arbeitete an der Verlandung der Silhet-
Jhils und nahm die Silhetflüsse auf, um sich endlich durch den
Megna ins Meer zu ergiessen. Jetzt fliesst der Strom westlich von
Ganges und Brahmaputra. . 65
dem höheren Lande, und der ältere Arm ist, wenigstens durch den
grössten Theil des Jahres, nur durch eine Kette von Sümpfen und
Lachen angedeutet. .
Hiedurch ist der Brahmaputra in die Nähe des Ganges ge-
rückt, und es hat sich nun ein Kampf zwischen diesen beiden
Strömen entwickelt, in welchem der Ganges durch die grössere
Menge von Sinkstoffen, welche sein Gegner führt, in immer west-
lichere Gerinne gedrängt wird.
Fergusson schreibt die Ablenkung des Brahmaputra einer
localen Erhebung der Region nördlich von Dacca, des Madupore
Jungle, zu, und bringt die Abklärung des Brahmaputra in den Sil-
het-Jhils in Verbindung mit dem Zurückbleiben der Ausbildung
des Delta's im Osten. Medlicott und Blanford heben aber hervor,
dass eine Senkung der Silhet-Jhils dieselbe Folge gehabt hätte.
Im Allgemeinen sind dieselben geneigt anzunehmen, dass so-
wohl das Thal des Brahmaputra in Assam, als die Gegend der
Silhet-Jhils in verhältnissmässig neuer Zeit gesunken seien, dass
Madupore Jungle dieser Depression allein entgangen sei und die
ursprüngliche Höhe der Brahmaputra- Anschwemmungen darstelle.
Sie vergleichen den Fall mit jenem des Ran of Kachh.^
Es sind gewiss innerhalb der historischen Zeit beträchtliche
Veränderungen innerhalb dieses ausgebreiteten Flachlandes theils
durch Verlegung der Stromrinnen, theils durch Verlandung, viel-
leicht auch durch Senkung eingetreten.
Die historischen Untersuchungen von Beveridge, welche die
letzten drei Jahrhunderte umfassen, und welche sich hauptsächlich
auf Berichte von Jesuiten vom Ende des i6. Jahrhunderts stützen,
zeigen allerdings nicht, dass, wie man vermuthet hatte, die Sun-
derbunds zu jener Zeit bewohnt gewesen seien. Aber es gab da-
mals in den östlichen Niederungen zwei Königssitze, zu Bakla,
welches nicht mehr zu bestehen scheint, und zu Ciandecan (Chänd
Khan). Grössere Theile von Backergunge undjessore mögen aller-
dings cultivirt gewesen sein, sich wieder in Jungle verwandelt
haben und dann wieder der Cultur zugeführt worden sein.^'
Bedeutender als im Osten sind, wie aus arabischen Quellen her-
vorgeht, auch in diesen letzten Jahrhunderten die Veränderungen
im Westen gewesen, und greift man bis zur Zeit des grossen
Suess, Das Antlitz der Erde. 5
66 Hwen-Tsang*s Beschreibung.
chinesischen Reisenden Hwen-Tsang zurück, dessen Darstellungen
schon bei Besprechung des Indus-Delta's benützt worden sind, so
zeigt sich, dass allerdings im siebenten Jahrhunderte unserer Zeit-
rechnung ein guter Theil des heutigen Delta's nicht bestand. Fer-
gusson schliesst aus den Angaben dieses zuverlässigen Beobach-
ters sogar die Möglichkeit, dass die Silhet-Jhils noch salzig und
mit dem Meere in offener Verbindung gewesen seien. Erwiesen
sei auf alle Fälle, dass die damaligen Hafenstädte Sonargaon und
Satgaon an dem Haupte zweier Buchten oder Aestuarien lagen,
in welche Brahmaputra und Ganges sich ergossen, und beinahe
gewiss sei es, dass das ganze heutige Delta südlich von diesen
Orten zu jener Zeit eine grosse Salzwasser-Lagune gewesen sei.
Vermuthen lasse sich, dass die Sunderbunds damals einen Lido
ausserhalb dieser Lagune bildeten, und dass der Ganges damals
nicht ostwärts floss, um sich mit dem Brahmaputra zu vereinigen,
sondern sich selbständig in die Lagune ergoss.^^
Noch viel weiter zurück führt eine Schrift Cameron's, in
welcher versucht wird zu erweisen, dass der höher liegende Land-
strich Tipperah, welcher dq^s Delta gegen Ost begrenzt, dem alten
Taprobane entspreche. Ueber diese Vermuthung steht mir kein
Urtheil zu.'^ —
Der ganze Unterlauf des Ganges und des Brahmaputra ist
häufigen Erschütterungen des Bodens unterworfen, und am 2. April
1762 wurde ein grosser Theil der Niederung, von Chittagong im
Osten bis weit gegen West und landeinwärts insbesondere die
Umgegend von Dacca auf's Heftigste erschüttert. Die Wässer
stürzten wie eine brausende See aus ihren Gerinnen über das Land;
weit und breit öffneten sich Spalten, Wassermengen wurden viele
Fuss hoch aus dem Boden emporgeworfen und dabei sank das
umliegende Land ein; Inseln nahe dem Strande verschwanden
gänzlich und einzelne Flussgerinne wurden so verlegt, dass die
auf der Reise begriffenen Schiffe aufgehalten wurden.^*
Am 3. April 1810, 18. September 1829 und 11. November
1842 wiederholten sich Erderschütterungen in Calcutta. Wenige
Monate vor dem letzteren Erdbeben war eine Cyklone über Cal-
cutta hingegangen.
Enibeben in Knchar. 67
Am 10. Januar i86g trat ein heftiger Erdstoss in der Provinz
Kachar, östlich vom Brahmaputra ein und veranlasste grosse Ver-
änderungen in den Alhivien. Auf viele Quadratmeilen hin liegen
hier 30 — 40 Fuss von härterem Thon nach Oldham's Bericht auf
einer mit Wasser gesättigten Lage von bläulichem Silt. Nun sah
man meilenlange Sprünge längs der Flüsse entstehen und ebenso
meilenweit die obere Lage des Schwemmlandes auf der wasser-
reichen Unterlage gegen die Flüsse abgleiten. Der Silt drang
, !o. Jan
durch die klaffenden Sprünge herauf; zuerst kam mit der Heftig-
keit eines Kanonenschusses trockener Staub, so dass man wohl
meinen konnte, es schiesse Rauch empor, aber sofort folgte der
zähe Schlamm, welcher eine Lippe um die Oeffnung bildete und
wohl auch abfloss.
Als die Erschütterung vorübergegangen war, sah man den
Alluvialboden von den grossen Sprüngen durchzogen, welche an
vielen Orten durch Senkung einer Seite des durchschnittenen
Landes zu wahren Verwerfungsklüften wurden und dann an der
68 Cyklonen im bengalischen Busen.
Oberfläche nur als niedrige Abstürze erschienen, und zwischen
oder auf diesen Sprüngen standen runde oder elliptische krater-
ähnliche Oeffhungen, oft umgeben von einem Walle von Schlamm
oder Sand. Bei vielen der grösseren Oeffhungen war jedoch nach
dem Hervorbrechen Sand und Schlamm wieder in die Oeffnung
zurückgeströmt und hatte dabei die Kante der Oeffnung mit hinab-
gerissen, so dass nur eine unregelmässige, trichterförmige Tiefe
zurückblieb.^^
Die etwa seit 1874 fortlaufenden Aufzeichnungen, welche
Col. Keatinge veröffentlicht hat, lassen erkennen, dass ganz Assam
und namentlich das Tiefland nördlich und südlich von den Khäsi-
bergen, das Thal des Brahmaputra, wie die Region des Silhet,
sich in jahrelanger Unruhe befanden und vielleicht heute noch
befinden.^ —
Noch weit schrecklicher als die Erdbeben wüthen in dem
Flachlande dieser Flussmündungen von Zeit zu Zeit die vom Meere
herkommenden Wirbelstürme. Viele von ihnen entstehen in der
Nähe der Andamanen. Von dort ziehen sie Verderben bringend
gegen Nord, Nordwest oder West. Bald treten sie, ungeheure
Wassermassen herbeitragend und von unermesslichem Regen be-
gleitet, in die Mündungen des Megna oder des Ganges, bald
stürzen sie sich auf die Ostküste des Festlandes, bis Pondicherry
hinab, oder sie treffen die Insel Ceylon.
In der Nacht vom 11. — 12. October 1737 trat ein solcher
Wirbelsturm in den Ganges ein und reichte viele Meilen stromauf-
wärts. Zugleich erfolgte ein Erdbeben und in Calcutta wurden 200
Häuser niedergeworfen. Schiffe von 60 Tonnen Tragfähigkeit
wurden über die Bäume landeinwärts ofetraeen. Das Wasser im
Ganges soll sich um 40 Fuss über den gewöhnlichen Stand er-
hoben haben; man schätzte damals den Verlust an Menschenleben
auf 300.000 Seelen.^7 Diese Ziffer ist übertrieben, aber ohne Zweifel
war die Katastrophe eine furchtbare.
II. Blanford hat ein Verzeichniss der Cyklonen der Bucht von
Bengalen von dem Jahre 1737 bis zu der grossen Cyklone von
1876 veröffentlicht und gezeigt, dass in diesem Zeiträume von
139 Jahren 1 12 grössere und geringere Wirbelstürme dieses Meer
bewegt und die Küste getroffen haben. ^'**
Beispiele indischer Cyklonen. 6q
Ohne in die höchst verdienstlichen Einzelbeschreibungen ein-
zugehen, welche von englischen Forschern einzelnen dieser Cy-
klonen gewidmet worden sind, greife ich mehrere Beispiele aus
dieser Liste heraus.
Am 19. und 20. Mai 1787 erreichen Sturm und Sturmfluth
Coringa an dem Delta des Godavery und reichen 32 Kilom. in das
Land; es gehen nach einer beiläufigen Schätzung 20.000 Seelen
und 500.000 Stück Vieh verloren.
Am ig. October 1800 zugleich furchtbarer Wirbelsturm und
Erdbeben zu Ongole und Masulipatam, zu beiden Seiten der Mün-
dungen des Kistna.
Im Juni 1822 fegt eine Sturmfluth über den östlichen Theil
der Sunderbunds, über Burisal und Backergunge; der Sturm soll
nur 85 Kilom. in 24 Stunden vorgeschritten sein; 50.000 Menschen
sollen das Leben verloren haben.
Den 3 1 . October 1 83 1 trifft eine solche Sturmfluth den äusser-
sten Westen des Flachlandes des Ganges, wo es sich südlich
von Calcutta gegen Kuttack ausdehnt; 300 Ortschaften werden
hinweggefegt und mindestens i i.ooo Menschen ertränkt; es folgt
Hungersnoth und wird der gesammte Verlust an Menschenleben
aus diesem Ereignisse auf 50.000 Seelen geschätzt.
Den 2 1 . Mai 1 832 ertrinken durch eine solche Fluthim Ganges-
Delta 8000 — 10.000 Menschen.
Vom 12. zum 17. November 1837 kommt Sturm und Fluth
von den Andamanen nach Coringa; die Woge war 8 Fuss hoch;
700 Menschen verloren ihr Leben auf den Schiffen; 6000 sollen
am Lande umgekommen sein.
Für den weniger durch seine Verheerungen, als durch seine
ausserordentlich lange Strasse bemerkenswerthen Wirbelsturm
vom October 1842 folgen wir dem Berichte Piddington's.^
Der Wirbel ging, wie so oft, von den Andamanen aus; in
gerader, rein westlicher Richtung kreuzte er am 22., 2^^, und 24. Oc-
tober den südlichen Theil des bengalischen Meerbusens, und seine
Mitte erreichte noch am letzteren Tage nach 5 Uhr Nachmittags
die Ostküste etwas nördlich von Pondicherry. Nun wendete sich
die Richtung, offenbar abgelenkt durch die Höhenzüge, ein wenig
gegen Südwest, und am 25. Mittags kreuzte das Sturmcentrum
^O Die Strassen der indischeo Cyklonen.
in Palgau tcherrypass zwischen Salem und Paniany die westlichen
Ghats. Hier scheint eine Spaltung eingetreten zu sein; es sind
zwei getrennte Wirbeistürme im arabischen Meere erschienen. Der
südliche Arm ging in westnordwestlicher Richtung fort, erfasste
am 27'. Oclober Mittags schon weit jenseits der Laccadiven in
lat. 1 1° 5' N., long. 69° 09' O-, das Schiff ,Futty Salam' und er-
eilte am 31. October in lat. 14° N., long. 61° O., nachdem bereits
etwa der achte Theil des Erdumfanges zurückgelegt war, nicht
6 Längengrade von der Insel Sokolra, mit furchtbarer Gewalt das
Schiff ,Seaton', welches er entmastete und als hilfloses Wrack zu-
rückliess. Von hier an hat sich der Sturm mehr gegen Nordwest
gewendet. Dies geht aus dem Umstände hervor, dass zwischen
Sokotra und dieser Stelle verkehrende Schiffe nur von seiner ent-
fernteren peripherischen Erregung getroffen wurden.
Der nördliche Ast nahm schon von der ostindischen Küste
her, wie es scheint, einen mehr nordwestlichen Verlauf. Auf der
Die Katastrophe von Backergunge. n \
ganzen Küste, vom Eingange In den persischen Meerbusen bis
zum Golf von Aden und an dem afrikanischen Festlande, noch süd-
lich von Cap Guardafui, scheiterte eine grosse Anzahl von Fahr-
zeugen, und der in Aden lebende Beobachter Dr. Malcolmson
vermuthete sogar, der Wirbelsturm habe noch in der Nähe der
Insel Bahrein den persischen Meerbusen gekreuzt. Ueber diesen
nördlichsten Theil der Strasse werden aber leider keine directen
Beobachtungen mitgetheilt. ^^
Vom 2. bis 5. October 1864 ging eine Cyklone von den An-
damanen gegen Nordwest; im Hooghly schwemmte die Woge
nahe an 48.000 Menschen und 100.000 Stück Vieh weg. Zwei
grosse Postdampfer wurden trocken auf die Felder gesetzt; alle
Bäume wurden entlaubt.
Blanford's traurige Liste schliesst mit der grossen Cyklone
von Backergunge vom Jahre 1876. EUiot hat dieses Naturereig-
niss in einem selbständigen Werke geschildert, dem wir Folgendes
entnehmen: ''
Am 27^, October 1876 begann im Südosten der Bucht von
Bengalen ein Raum von vermindertem Luftdrucke sich zu bilden.
Die Bildung schritt in den nächsten Tagen vor, und am 26. und 27.
bemerkte man in dieser Region bereits heftige vorticose Winde.
In den beiden folgenden Tagen bewegte sich dieser Raum ver-
minderten Druckes gegen Nord; am Abende des 29. hatte sich
bereits eine heftige Cyklone gebildet. Die Mitte war am 30. October
Mittags in lat. 14° und long. 89°. Es trat eine Ablenkung gegen
Nordnordost ein, und Geschwindigkeit und Gewalt des Sturmes
nahmen zu. Am i. November, gegen 3 Uhr Morgens, erreichte
derselbe die Mündung des Megna mit einer Geschwindigkeit von
etwa 2>^ Kilom. in der Stunde. Die Calmenregion in der Mitte des
Sturmes war wahrscheinlich elliptisch, quer auf die Richtung des
Vorschreitens und 24 — 29 Kilom. breit. Noch etwa 300 Kilom.
von dieser Mitte war die Gewalt so gross, dass Schiffe entmastet
wurden. In derselben Nacht war kurz vor dem Sturme bei Vollmond
eine ungewöhnlich hohe Fluthwelle in den Megna eingetreten und
hatte den Fluss zurückgestaut. Es war noch nicht die Zeit voller
Ebbe angelangt, als die zurückweichende lunare Fluth, von der
Sturmfluth der Cyklone erfasst und überwältigt, mit dieser zu
^2 I^Je Katastrophe von Backergunge.
einer gewaltigen Woge vereint, landeinwärts zurückkehrte. Was
gegen West und Nordwest lag, wurde von gestautem Süsswasser,
was ostwärts lag, von Salzwasser überfluthet. Binnen kurzer Zeit
waren 3000 Square Miles (etwa 1 4 1 geographische Quadratmeilen)
des Flachlandes und der grossen vorliegenden Inseln 3 bis 15, ja
bis zu 45 Fuss hoch mit Wasser bedeckt. Das Centrum des Stur-
mes ging dabei gegen Nordnordwest auf das höher liegende Ge-
biet von Tipperah los, zerschellte an demselben und löste sich auf.
Der Gouverneur Sir R. Temple schätzte in seinem amtlichen
Berichte die Zahl der ertränkten Menschen auf 215.000 bei einer
Gesammtbevölkerung von 1,062.000 Seelen. Blanford, welcher
später schrieb, meint, es seien beiläufig 100.000 Menschen ertränkt
worden. Die Häusergruppen sind hier in der Regel von Bäumen
umstellt, sonst wäre der Verlust noch weit grösser gewesen.
Entsetzlich sind die Schilderungen der Beamten von dem Zu-
stande des Landes nach der Katastrophe; die Häuser waren zer-
stört, die Bäume ihrer Blätter und Aeste beraubt, das Land mit
Lachen bedeckt und in Haufen waren die Leichname von Menschen
und Rindern zusammengefegt — das wahre Abbild einer vorüber-
gegangenen Sintfluth. Das Gebiet dieser grossen Cyklonenfluth
ist genau dasselbe, welches von dem Erdbeben des Jahres 1762
betroffen worden war.
Es ist eben gesagt worden, dass das Depressionsgebiet an
den Höhen von Tipperah zerschellte. Elliot hebt ausdrücklich her-
vor, dass nicht die Reibung auf der Erde, sondern der directe
Widerstand eines Höhenzuges die Auflösung der Cyklonen ver-
anlasst oder sie ablenkt. In der That war im Anfange desselben
Monats October eine kleinere Cyklone von den Andamanen gegen
Nordwest nach Vizagapatam an der Ostküste gekommen, hatte,
durch die östlichen Ghats abgelenkt, sich gegen Nord gewendet,
und war, dem östlichen Fusse des Gebirges folgend, fortgereist,
hatte den Ganges zwischen Patna und Monghyr gekreuzt und,
allerdings wesentlich abgeschwächt, sogar die Vorberge des Hi-
malaya erreicht, daher etwa 8 Breitegrade auf trockenem Lande
zurückgelegt.
Im Jahre 1737 zu Calcutta und im Jahre 1800 an den Mün-
dungen des Kistna sind Cyklone und Erdbeben vereint aufgetreten.
Erdbeben und Luftdruck. 73
Obwohl beide Erscheinungen ihren Ursachen nach einander fremd
sind, und obwohl die übergrosse Anzahl von Cyklonen ohne be-
merkbare Erderschütterung und ebenso die übergrosse Anzahl
von Erdbeben ohne Wirbelsturm eintritt, wiederholt sich doch das
zeitliche Zusammentreffen von Erderschütterungen und niedrigen
Barometerständen so oft, dass die Aufmerksamkeit der Forscher
auf diesen Umstand gelenkt werden musste. So hat, um nur einige
der Beobachter zu nennen, welche diese Richtung der Studien
verfolgt haben, Jul. Schmidt die Vergleichung von vielen hunderten
von Erschütterungen, welche in den letzten Jahren in Griechenland
verspürt wurden, mit den gleichzeitigen Barometerständen durch-
geführt,^^ Rossi Aehnliches für eine Anzahl italienischer Erdbeben
unternommen^^ und G. Darwin sogar in der letzten Zeit versucht,
den mechanischen Effect der barometrischen Entlastung der Erd-
oberfläche der Rechnung zu unterziehen.^'
Man kann nicht behaupten, dass die directen Beobachtungen
auf diesem Gebiete bereits zu irgend einem festen Ergebnisse
geführt hätten, aber die z. B. in Griechenland und Italien in Ver-
gleich gezogenen Verminderungen des Luftdruckes sind weit ge-
ringer als jene, welche bei Wirbßlstürmen vorkommen. So dürfte
bei dem heutigen Stande der Erfahrungen angenommen werden,
dass, wenn in einer Gegend, welche sich in einer Phase seismi-
scher Beunruhigung befindet, oder in welcher sonst die Vorbedin-
gungen für eine Erderschütterung gegeben sind, jene wesentliche
Entlastung von dem Luftdrucke eintritt, welche die Grund-
bedingung des Wirbelsturmes ist, diese selbe Entlastung zwar die
Erderschütterung nicht erzeugt, wohl aber ihr Auftreten beschleu-
nigt oder den Grad der Heftigkeit erhöht.
C. Wesen und Verbreitung der Sintfluth,
Wir kehren zu dem Izdubar-Epos zurück.
Die Naturerscheinungen, welche die grosse Katastrophe be-
gleiten, sind solche, wie sie heute nur an flachen Küsten und in
den Niederungen grosser Ströme, namentlich an den Mündungen
74 Wesen der Sintfluth.
der letzteren, beobachtet werden. Die Ueberfluthung kann der
Hauptsache nach nur vom Meere gekommen sein; Regen und
Grundwasser waren lediglich begleitende Elemente derselben.
In diesem Umstände, wie in der örtlichen Bedeutung der
Verwendung von Asphalt, liegt aber eine wesentliche Bestätigung
der Ansichten jener ausgezeichneten Erforscher des Alterthums,
welche in dem Sintfluthberichte des 'eilften Gesanges des Izdubar-
Epos nicht eine von auswärts entlehnte und hier nachträglich
localisirte Sage, sondern die Ueberlieferung eines einheimischen
P>eignisses sehen, welches sich wirklich in den bezeichneten
Theilen der damals noch weniger verlandeten Euphratniederung
zugetragen hat.
Es folgt ferner hieraus, dass Gen. VI, 17 und VII, 6 in der
That besser mijam als majim gelesen wird.
Die Euphratmündungen bieten alle für ein solches Ereigniss
nothwendigen Vorbedingungen, und die Verlegung desselben an
irgend eine andere Flussmündung würde dasselbe aus dem Ge-
biete der heutigen Traditionen entfernen. Man könnte z. B. etwa
an die vereinigten Mündungen von Ganges und Brahmaputra
denken, welche heute so oft von Erdbeben und Cyklonen heim-
gesucht werden. Aber abgesehen davon, dass gegen diese An-
nahme wohl von derselben Seite noch grössere Bedenken geäussert
werden würden, ist gerade die Häufigkeit der grossen Ueber-
fluthungen, wahrer Sintfluthen, in diesem Gebiete eher ein Argu-
ment gegen eine solche Annahme, denn die vins vorliegenden
Sintfluthberichte stammen aus Gegenden, in welchen ein solches
Ereigniss ein höchst seltenes, ja geradezu etwas Unerhörtes war
und gerade darum so unauslöschbaren Eindruck zurückliess. Es
ergossen sich die Meeresfluthen über reich besiedelte Landschaf-
ten, welche niemals früher der Schauplatz eines solchen Ereig-
nisses gewesen waren, und es auch nach dem Ausspruche der
Gottheit niemals wieder sein sollten, ein Ausspruch, welcher sich
in einer aus dem so häufig überflutheten Ganges-Delta stammen-
den Ueberlieferung gewiss nicht finden würde.
Der seismische Theil der Katastrophe kommt in unzweifel-
hafter Weise zum Ausdrucke durch die Warnungen, durch das
t
Erdbeben von 763 v. Chr. 75
Uebertreten der Canäle, das Hervorbrechen der Fluthen der Tiefe
und das Erzittern der Erde.
Mesopotamien ist seither oft von Erdbeben betroffen worden.
Die bedeutendste seismische Phase beginnt mit dem Jahre 763
V. Chr., demselben Jahre, in welches die zuerst von Hind und
Airy, neuerdings von Lehmann und von Oppolzer festgestellte
Sonnenfinsterniss vom 14. Juni 763 fallt, deren Datum maassgebend
geworden ist für die Chronologie des assyrischen Alterthums.^^
Dieser wichtige Anhaltspunkt ergibt in den assyrischen Ver-
waltungslisten für 763 V. Chr.: Unruhen in Libzu. Im Monate
Sivan tritt die Sonne in eine Verfinsterung. — 762 Unruhen in
Libzu. — 761 Unruhen in Arbacha. — 759 Unruhen in Gozan. —
758 Ruhe im Lande. Später, für 746, werden abermals Unruhen
angeführt, diesmal in Kalah, dem biblischen Kelach (Gen. X, 11),
südlich von Ninive in dem Winkel zwischen dem oberen Zab und
Tigris, wo jetzt das Dorf Nimrüd liegt.^^
Nun hat Bosanquet, einer Anregung Rawlinson's folgend,
angegeben, dass unter diesen »Unruhen' nicht aufständische Be-
wegungen der Bevölkerung, sondern Erdbeben zu verstehen
seien, und Bosanquet zeigt unter dieser Voraussetzung, dass diese
Sonnenfinsterniss vom 14. Juni 763 dieselbe sei, welche der Prophet
Amos vorhersagte.^^
Die Erderschütterungen dieser Phase haben sich von Assy-
rien bis nach Palästina erstreckt, und es waren die Jahre nach 763
nicht nur durch Erdbeben, sondern auch durch mehrere Sonnen-
finsternisse ausgezeichnet. Unschwer erkennt man den Eindruck,
welchen diese schreckenerregenden Naturereignisse auf die er-
habene Redeweise der Propheten ausgeübt haben, welche die-
selben an mehreren Stellen genannt oder beschrieben und als
Anzeichen des Zornes der Gottheit angerufen haben. Noch im
nächstfolgenden Jahrhunderte war in Jerusalem die Erinnerung an
diese Vorgänge im Volke nicht erloschen.
Der Prophet Amos datirt I, i seine Vision ausdrücklich .^wei
Jahre vor dem Erdbeben' und schildert nicht nur die Erschüt-
terung, sondern auch die Ueberfluthung vom Meere her, so V, 8;
IX, 6: . . . qui vocat aquas mariSy et effundit eas super faciem
terrae. — Der Prophet Sophonia, welcher unter Josias (616 — 586)
70 Die syrischen Erdbebcnliniai.
schrieb, führt in seiner erschütternden und nie übertroffenen Vor-
bildung des Dies irae den Untergang von Sodom und Gomorrha
und alles Entsetzen einer seismischen Katastrophe vor, und Za-
charia spricht XIV, 5 : . . . e/ Jugietis Stent fugistis a facie terrae-
motiis in diebus O^iae regis Juda. . . . Das ist eben das von Arnos
angeführte Erdbeben.
Gerade die weite Ausbreitung dieser Erdbeben lässt aber
Zweifel darüber aufkommen, ob ihr Ausgangspunkt wirklich in
der mesopotamischen Ebene zu suchen sei. Der Name Arbacha,
welcher dem griechischen Arrhapachitis, dem armenischen Albak
entspricht, möchte uns in das Gebirge am oberen Zab und somit
dem heute so oft erbebenden Gebiete des Van- und Urmiah-See's
näher führen.
Die syrische Wüste ist gegen Nord und gegen West um-
grenzt von zwei wichtigen Erdbebenzonen, aufweichen seismische
Thätigkeit durch viele Jahrhunderte bekannt ist.
Die erste dieser Zonen beginnt am Mittelmeere in der Nähe
von Antiocheia. Diese unglückliche Stadt war der Schauplatz der
von Dio Cassius beschriebenen schrecklichen Katastrophe vom
13. December 115, bei welcher Kaiser Trajan zugegen war; sie
wurde nach minder heftigen Erdbeben im Monate Mai 518 wieder
zerstört, dann am 29. November 528 abermals niedergeworfen
und wurde am 31. October 589 wieder das Grab von Tausenden
von Menschen.^'* Seither ist sie noch oftmals erschüttert worden.
Von Antiocheia zieht sich die seismische Zone gegen Aleppo und
Mambedj (Hierapolis), kreuzt den Euphrat und setzt sich von Urfa
(Edessa) wahrscheinlich noch in der Richtung von Diarbekr gegen
den Berg Nemrud oder Sipan-Dagh an dem Nordrande des Van-
See's fort. Ihr fallen die grossen Unglücksfalle der Jahre 7 1 5, 995,
1003, 1091, II 14, 1156 n. Chr. und eine Reihe anderer grosser
Erdbeben zu; aus dem laufenden Jahrhunderte nenne ich nur die
Zerstörung von Aleppo im Jahre 1822. Diese Linie fallt in den
Bereich jener meisterhaften Studie, welche kürzlich H. Abich über
die Erdbeben des armenischen Hochlandes veröffentlicht hat, in
welcher bereits diese Zone von seismischen Katastrophen als das
Anzeichen eines in der Tiefe verborgenen, complicirten Bruch-
systems in der Erdrinde dargestellt wird.^^
Südlicher Ursprung der Sintfluth-Beben. J7
Gerade in der Nähe des eben genannten Aleppo wird diese
Zone von einer zweiten gegen Südsüdwest laufenden Erdbeben-
zone gekreuzt, welche mit dem Jordanbruche und auch mit der
Linie der syrischen Küste in Zusammenhang zu stehen scheint.
Sie beginnt in der Gegend von Malatiah am oberen Euphrat und
läuft von Aleppo über Hamah (Epiphania) nach Homs (Emesa)
und von da an wahrscheinlich zu beiden Seiten des Anti-Libanon,
sowohl über Baalbek, als über Damaskus weiter gegen Süd. Der
nördliche Theil dieser Zone wird vortrefflich erläutert durch die
Angaben des arabischen Schriftstellers As-Soydti über die in dem
Jahre 552 Hedschra (1158 n. Chr.; nach anderen Berichten 551
Hedschra) mit einer gewaltigen Erschütterung beginnenden Reihe
seismischer Bewegungen.^ Auch Hoff hat Nachrichten über die-
selbe gesammelt und hebt hervor, dass diese Erdbeben sich auf
einer Linie von 4 Breitegraden äusserten.*' Nach As-Soydti's
Angaben dürften die Erschütterungen im Norden begonnen, erst
später gegen Damaskus vorgerückt und dann wieder gegen Aleppo
und Hamah zurückgekehrt sein.
Von diesen beiden die syrische Wüste umgebenden und in
der Nähe von Aleppo sich kreuzenden Zonen dürften jene Vor-
gänge im Jahre 763 v. Chr. und den folgenden Jahren ausge-
gangen sein, welche Assyrien beunruhigten und Palästina er-
schreckten, und welche in den assyrischen Verwaltungslisten
vermerkt und in den Büchern der Propheten angerufen sind.
Es ist mir aber nicht wahrscheinlich, dass jene Erdbeben,
welche der Sintfluth als Warnungen vorhergingen und sie beglei-
teten, aus diesen Gebieten stammten. Schläfli hat während seines
allerdings gar kurzen Aufenthaltes in Mesopotamien nur solche
Erdbeben kennen gelernt, welche aus der Ferne, entweder von
Norden oder von Süden her, etwa von dem oft betroffenen Schiras
in Persien, dem Lande mitgetheilt wurden.
Die Erdbeben der Sintfluth lassen einen südlichen Ursprung,
wahrscheinlich innerhalb des persischen Meerbusens, vermuthen.
Grosse Störungen in der Atmosphäre, unermesslicher Regen
und Sturm und Finsterniss haben die Erderschütterung begleitet.
Die Finsterniss war nicht jene, welche z. B. vorübergehend bei
dem Erdbeben von Lissabon herbeigeführt wurde durch den in die
7 8 Eindruck grosser Katastrophen.
Luft gewirbelten Schutt und Staub der stürzenden Stadt. Auch
berechtigt uns nichts zur Annahme einer durch die Asche einer
vulcanischen Eruption herbeigeführten Finsterniss. Es ist die Fin-
sterniss des hereingebrochenen Wirbelsturmes.
Die Strasse der Cyklone vom October 1842, deren letzte
zweifelhafte Spuren bis gegen die Insel Bahrein zu reichen
scheinen, schliesst nicht einmal ganz und gar die Möglichkeit aus,
dass sogar von dem gewöhnlichen Ausgangspunkte, den Anda-
manen, ein Wirbelsturm in den persischen Meerbusen gerathe/^
Der eilfte Monat, welchem nach Rawlinson's Meinung dieser
eilfte Gesang entspricht, ist nicht Ea, dem Gotte des Meeres, oder
den Anunnaki, den unterirdischen Geistern, sondern Rammän, dem
Sturmgotte geweiht; die wortgetreue Uebersetzung des akkadi-
sehen Namens ist: , Monat des Fluches des Regens' oder kurz:
,Monat des Fluches*. ^^ —
Es ist nicht ganz ohne Interesse für das Verständniss so
grosser Naturerscheinungen, zu untersuchen, wie verschiedenartig
ihr Eindruck auf die verschiedenen Schichten und Richtungen des
Menschengeschlechtes ist.
Auf den Andamanen-Inseln, welche so oft von Erderschütte-
rungen heimgesucht werden und die wir als den Ausgangspunkt
der meisten indischen Wirbelstürme kennen gelernt haben, hat
sich in Abgeschlossenheit ein kleiner Rest einer Urbevölkerung
erhalten. Nicht einmal bis zum Cultus der Sonne haben sich diese
Menschen noch erhoben. Einen Dämon der Wälder kennen sie,
Eremchangala, der die Erdbeben verursacht, und einen Dämon
der See, Juruwinda. Die äusserste Furcht vor diesen ist das ein-
zige Gefühl, das sie bei solchen Katastrophen erfüllt. Das ist die
zitternde, schreckerfüllte, nackte Creatur im Anblicke der grossen
Gewalten. ^^
Betrachten wir das Verhalten einer nächsten Culturstufe. Am
10. Juli 1862 wurde Acera an der Küste von Guinea und ein be-
trächtlicher Theil der benachbarten Gebiete erschüttert. Der hol-
ländische Kaufmann Euschart befand sich an jenem Tage zu Abo-
mey, der Hauptstadt des Königreiches Dahomey. Er wurde auf
den Marktplatz beschieden. Dort sass auf einem Throne der
König, umgeben von seinen bewaffneten Amazonen, und erklärte.
Eindruck grosser Katastrophen. 70
es sei der Geist seines Vaters, welcher die Erde erschüttert, weil
die alten Gebräuche nicht mehr befolgt werden. Drei kriegs-
gefangene Häuptlinge wurden hingerichtet, um dem Geiste des
Verstorbenen zu melden, dass man fortan genauer die Gebräuche
befolgen werde/^
Auf den folgenden Stufen wird die Aeusserung bestimmt
durch die Richtung der Erziehung und den Lebensberuf des
Einzelnen.
Da ist zuerst der trotzige Krieger. Am 4. September 1596
war grosses Erdbeben zu Kiyoto und Osaka in Japan. Die Burg
von Fushimi, viele Häuser von Kiyoto, auch das Gebäude, in
welchem die Statue des Gottes Daibuzu aufgestellt war, stürzten
ein. Da, so berichtet Edm. Naumann, begab sich Taiko Toyotomi
Hideyoschi nach dem Gebäude des Daibuzu, stellte sich vor dem
gefallenen Götzenbilde auf, beschuldigte mit zorniger Stimme den
schwachen Gott, dass er statt das Land zu schützen, sich selbst
nicht zu erhalten die Macht habe, nahm Bogen und Pfeil und
schoss nach der Statue. ^^
Ganz anders urtheilt der Naturforscher. Im Jahre 62 oder 65
n. Chr. war ApoUonius von Tyana auf der Insel Kreta. Als er an
der gegen das Libysche Meer liegenden Küste, an einem Vor-
gebirge in der Nähe von Phästus eine Unterredung mit vielen
Männern hatte, die das Heiligthum auf diesem Vorgebirge ver-
ehrten, entstand plötzlich ein Erdbeben. Der Donner, sagt Philo-
stratus, brüllte nicht von den Wolken herab, sondern aus der
Tiefe, und das Meer zog sich wohl sieben Stadien weit zurück, so
dass die Menge besorgte, das zurückweichende Meer werde den
Tempel nach sich ziehen und sie Alle mit hinwegspülen. ApoUo-
nius aber sprach: ,Seid getrost; das Meer hat ein Land ge-
boren.' Nach wenigen Tagen erfuhr man, dass zur selben Zeit
sich eine neue Insel zwischen Thera und Kreta aus dem Meere
erhoben habe.^^
Wieder anders urtheilt die grosse Menge. In dem allgemeinen
Schrecken schwindet nicht nur der Trotz und die Gabe der Be-
obachtung, sondern oft auch jede Ueberlegung. Das Unzweck-
mässigste wird unternommen; man flüchtet an den Fuss von Säu-
len, welche den Einsturz drohen, wie auf dem Marktplatze von
oO Eindruck auf Hasts-Adra.
Sillein in Ungarn am 15. Januar 1858, und es verloren nach Ha-
milton's Aufschreibungen 2473 Menschen bei dem calabrischen
Erdbeben am 5. Februar 1783 nur durch den Umstand das Leben,
dass sie sich auf den flachen Meeresstrand bei Scylla flüchteten.
Es ist bei neueren Erdbeben wiederholt vorgekommen, dass man
Wasserbecken nur zu dem Zwecke aufstellte, um sich zu über-
zeugen, ob die Schwankungen der Erde wirklich noch fortdauerten,
da man unausgesetzt solche Schwankungen zu bemerken meinte,
und wer die Schilderungen des Kleinmuthes der Ueberlebenden
nach dem grossen Erdbeben von Lissabon vom i. November
1755 liest, begreift auch vollständig den Seelenzustand Hasis-
Adra's nach der Sintfluth.
Bei dem ersten Sonnenstrahle und der ersten Oeffnung einer
Luke bricht er in Thränen aus. Gerettet, opfert er sofort den
Göttern. In der Erinnerung an den Umstand, wie er, ohne des
Hohnes der Menge zu achten, sein Schiff gebaut,®* gestalten sich
die damals beobachteten wiederholten Anschwellungen der Fluth
zu Warnungen des wohlwollenden Meeresgottes, und der farbige
Regenbogen wird nach solcher Finsterniss zum Zeichen des Frie-
dens in der Natur und der Versöhnung der Gottheiten.
Air das Wunderbare dieses Berichtes löst sich auf in die
Wirkung jener Empfindungen, welche auch heute unter ähnlichen
Erlebnissen das Menschenherz bewegen möchten, und indem wir
dies anerkennen, zeigt sich zugleich, wie seit jener entfernten Zeit
unter dem Wechsel so vieler Dinge das menschliche Gemüth doch
so gar nicht verändert worden ist. Und darum trägt gerade in
diesen Zügen die einfache Erzählung des Hasis-Adra den Stempel
ergreifender Wahrheit. '
Der Schiffscapitän vermerkt, nachdem er mit entmastetem
Fahrzeuge dem Wüthen der Cyklone glücklich entkommen ist,
beruhigt das Steigen des Luftdruckes; was sonst sein Herz fühlen
mag, das sagen die Aufschreibungen des Logbuches nicht. Als
aber am 10. October 1780, während Engländer und Franzosen im
Kriege lagen, die grosse Cyklone über die Antillen eine breite
Strasse der Verheerung zog, die Flotten zerstreute und zertrüm-
merte und zwei englische Schiffe auf Martinique an den Strand
warf, da schickte der französische Befehlshaber Marquis de Bouill^
Kosmogonische Mythen. 8 I
die geretteten Engländer dem feindlichen Gouverneur von Santa
Lucia mit dem Bemerken zurück, er könne die Opfer einer allge-
meinen Katastrophe nicht als Gefangene behalten/^ Das ist eben
jenes Gefühl des Niedersinkens alles menschlichen Streites, jenes
erdrückende Bewusstsein menschlicher Kleinheit im Anblicke der
grossen Gewalten der Natur, welches das religiöse Moment der
Sintfluthsage ausmacht.
Dieses Moment entspricht aber so vollständig der Menschen-
natur, dass die Ueberlieferung von diesem gewaltigen Ereignisse
willige Aufnahme unter die heiligen Mythen der verschiedensten
Völker gefunden hat, und dass gerade wegen der grossen Ver-
breitung der Sage es uns um so schwieriger wird, die thatsäch-
liche Ausbreitung des Ereignisses zu erkennen.
In den weiten Kreis der Sintfluthsagen sind auch Traditionen
aufgenommen worden, welche von der Entstehung der Meere han-
deln, also in die Gruppe der kosmogonischen Mythen gehören
und der Sintfluth ganz fremd sind. So ist es unter den Mythen der
alten Welt der Fall mit jenem grossen Regen, durch welchen nach
dem VII. Capitel des Pehlevi Bundehesch die Gewässer der Erde er-
zeugt wurden. Ein Beispiel einer solchen kosmogonischen Mythe
der neuen Welt ist die Sage der Antillenbewohner von den Brü-
dern, welche die Kürbisflasche finden, aus welcher sich, nachdem
sie zerbrochen wurde, unermessliche Wassermengen ergiessen.
In der ursprünglichen Darstellung dieser Sage durch Petrus Martyr
ist gar nicht die Rede von einer strafenden und vernichtenden
Sintfluth, sondern von der Entstehung der Meere, welche die tiefen
und bisher trockenen Theile der Erde erfüllten, und wobei die
Berge zu Inseln wurden.^
Bei mehreren amerikanischen Völkerschaften trifft man ferner
Fluthsagen, welche von so bestimmten Einzelheiten aus der bibli-
schen Darstellung begleitet sind, dass der Einfluss der Missionäre
auf dieselben unverkennbar ist, wie dies schon oft, insbesondere
von Waitz, betont worden ist.^'
Eine andere Reihe von Ueberlieferungen ist, hauptsächlich an
der westlichen Küste von Südamerika und auf den oceanischen
Inseln, bis Fidji, aus verschiedenen seismisch erregten Hochfluthen
hervorgegangen. Solche Ueberlieferungen sind bereits erwähnt
S u e • s , Das Antlitz der Erde. 6
82 Izdubar-Epos und Berosus,
worden, als von dem Schwanken der Oceane bei grossen Erdbeben
gesprochen wurde. R^ville hat kürzlich oceanische Sintfluthsagen
gesammelt. ^^
Nach Ausscheidung all' dieser, für die Beurtheilung der Aus-
breitung des mesopotamischen Ereignisses un verwendbaren Ueber-
lieferungen bleibt uns in der alten Welt eine Anzahl von Berichten
zurück, welche sich in mehrere Gruppen theilen lassen.
Die erste, dem Ereignisse selbst zunächst stehende Gruppe
von Berichten bilden das Izdubar-Epos und die Bruchstücke des
Berosus.
Dabei erwähnt der Bericht des Berosus einen Umstand, von
welchem das Izdubar-Epos vollkommen schweigt, nämlich die Ver-
grabung und nachmalige Auffindung der Schriften in der Sonnen-
stadt Sippara. Eusebius schreibt: . . .Mandavisse, ut libros omnes,
primos niminim, medios et Ultimos, terrae infossos in solis urbe
Sipparis poneret ... Es ist schwer zu sagen, ob Berosus aus einer
anderen, vollständigeren Quelle geschöpft als der Verfasser des
Izdubar-Epos, oder ob es sich um eine spätere Zuthat handelt.
Die Vergrabung von Urkunden in den Grundvesten von Tempeln
und Palästen war von altersher in Babylonien üblich. Wie ein
neugefundener Cylinder des Königs Naboned (etwa 550 v. Chr.),
den kürzlich Pinches beschrieben hat, berichtet, hatte der König
Nebukadnezar (604 — 561) vergeblich unter dem Sonnentempel
E-bara zu Sippara nach alten Schriften gesucht. Erst später ge-
lang es seinem Nachfolger Naboned in einer Tiefe von 1 8 Ellen
einen uralten Cylinder aufzufinden: ,Den Cylinder des Naräm-Sin,
Sohnes des Sargon, welchen durch 3200 Jahre kein König, der
vor mir wandelte, gesehen hatte, hat mir Samas enthüllt, der
grosse Herr zu E-bara, dem Hause, dem Sitze der Ereude seines
Herzens.*
Dies führt zum Jahre 3750 zurück und stellt den alten König
Sargon I., dessen Aussetzung oben erwähnt wurde, etwa in das
Jahr 3800 V. Chr.^^
Die zweite Gruppe vertreten die beiden in der Genesis
miteinander verwobenen Darstellungen des Jahvisten und des
Elohisten. Ihre weitgehende Ueboreinstimmung mit den Angaben
der ersten Gruppe von den Warnungen und dem Verpichen des
Berichte der Genesis. 83
Fahrzeuges bis zu dem Aufrichten des Regenbogens ist augen-
fällig. In den ziffermässigen Angaben über die Zahl der Thiere,
wie über die Zeiträume weichen beide Berichte von dem Izdubar-
Epos ab und widersprechen sich auch untereinander. Der jahvi-
stische Bericht gibt der Ziffer sieben jene Bedeutung, die sie so
oft in assyrischen Berichten, so auch im Izdubar-Epos besitzt. Es
fehlt ferner nicht an anderen kleineren Abweichungen, so in Bezug
auf die ausgesendeten Vögel, und dass der babylonische Noah,
wie Gen. V, 2^ von Henoch erzählt wird, zu den Göttern ent-
rückt wird.
Die wesentliche und bezeichnende Verschiedenheit liegt aber
darin, dass die gesammte Darstellung in der Genesis jene Fär-
bung angenommen hat, welche die Tradition bei einem binnen-
ländischen Volke annehmen musste.^^ Oft schon ist darauf auf-
merksam gemacht worden, dass hier mangelnde Vertrautheit mit
dem Meere bemerkbar wird. In der That fehlt der Steuermann
und aus dem Schiffe wird ein Kasten oder Koffer, eine ,Arche^.
Selbstverständlich ist keine Rede von all' den Gottheiten, welche
die Naturkräfte versinnlichen sollen, aber es tritt dafür nament-
lich in den jahvistischen Theilen die unmittelbare, persönliche
Thätigkeit der Gottheit sehr hervor, wie bei dem Verschliessen des
Kastens (Gen. VII, 16).
Dabei verwandeln sich zuerst die Berathung der Götter,
welche der Fluth vorangeht, und dann die besänftigende Anrede
£a's an Bei, durch welche die Gefühle der Gnade nach der Kata-
strophe wieder wachgerufen werden, in bemerkenswerther Weise
in zwei Selbstgespräche Jahveh's, welche schon seit langer Zeit
Befremden unter den Bibelforschern hervorgerufen haben. Selbst
die hier sonst benützte ed. Tischendorf bringt nicht den ursprüng-
lichen Text. Sie sagt VIII, 2 1 : Odoratusque est Dominus odorem
suavitatiSy et äit: — da doch nach S. Hieronymus zu sagen wäre:
et äit ad cor suiim: — entsprechend bei Luther: Und der Herr
roch den lieblichen Geruch^ und sprach in seinem Herien: Ich
will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen. . . .^^
Für uns ist die Darstellung der Genesis eine entlehnte
Darstellung, doch unzweifelhaft auf dasselbe Ereigniss sich be-
ziehend.
6*
84 Berichte der Aegj'pter.
Wir gehen zu einer dritten Gruppe, den Aegyptern. Die
Frage nach dem Bestände einer einheimischen Sintfluth-Tradition
ist hier von besonderer Bedeutung, da das Ereigniss am unteren
Euphrat in eine Zeit fallt, in welcher seit lange schon ägyptische
Cultur blühte, und das Fehlen einheimischer Berichte als ein Be-
weis dafür angesehen werden darf, dass die Katastrophe das Mittel-
meerbecken nicht erreicht hat. In derThat ist das Wenige, was sich
von ägyptischen Ueberlieferungen hieher beziehen lässt, so ab-
weichend, dass entweder die wenigen Anknüpfungspunkte nur als
eine scheinbare oder zufallige Uebereinstimmung anzusehen sind,
oder dass eine gänzliche Umgestaltung der aus der Fremde er-
haltenen Ueberlieferung durch den Einfluss der Priester ange-
nommen werden muss.
Der ausführlichste Rest ägyptischer Mythologie, welcher hie-
her bezogen werden könnte, ist der Bericht über die Vernichtung
der Menschen durch die Götter, welcher die vier Wände einer
entlegenen Kammer in dem weiten Grabe Seti I. (etwa 1350
V. Chr.) zu Theben bedeckt.
Der wesentliche Inhalt lautet nach Brugsch folgender-
massen : '^
Ra beruft den Rath der Götter. Ra zürnt den Menschen und
klagt, dass sie Reden gegen ihn führen. Ihr Untergang wird be-
schlossen. Die Göttin Hathor vollzieht das Werk. Sie kehrt zurück
und wird von Ra belobt; bis Heraklcopolis ist das Land mit Blut
bedeckt.
Ra ruft alle seine Boten zusammen und lässt Menschenblut
und Früchte der Alraune in Gefässe füllen; siebentausend Krüge
des Getränkes werden bereitet. Ra kommt am nächsten Morgen,
um diese Krüge zu sehen. Und es war Niemand von den Menschen
vernichtet worden, welche zur rechten Zeit aufwärts gezogen
waren. Hierauf spricht die Majestät des Ra: Diese sind die Guten!'
Ich werde die Menschen beschützen darum.
Ra befiehlt, in der Nacht das Nass aus den Krügen zu schüt-
ten, und die Felder werden mit Flüssigkeit bedeckt. Es kommt
am Morgen die Göttin und sieht die überflutheten Felder; sie ist
erfreut und sie trinkt davon; ihre Seele wird fröhlich, und sie er-
kennt nicht die Menschen.
Hellenisch-syrische Berichte. 85
Die fernere Fortsetzung des Mythos, die Geburt der Prie-
sterinnen, die weitere Reue Ra's, das Wiedererscheinen von Men-
schen, ihre Versöhnung mit Ra, wie Ra den einzelnen Gottheiten
ihre Aufgaben zutheilt und sich selbst zurückzieht, — das Alles
steht mit der Sintfluth nicht in Verbindung.
Es ist vielmehr die Frage, ob auch in dem vorhergehenden
Theile irgend eine solche Verbindung nachweisbar ist. Der Rath
der Götter, die Vernichtung, die nachfolgende Gnade der Gott-
heit, sogar das Versprechen, nicht zu wiederholen, sind vorhanden.
Die Katastrophe selbst ist aber von ganz verschiedener Art. Ha-
thor vollzieht das Gericht auf blutige Weise. Nachträglich erst ist
von einer Ueberfluthung die Rede, doch offenbar nicht im Sinne,
einer Strafe.
Allerdings ist bemerkt worden, es sei jede Ueberschwemmung
für das ägyptische Volk so sehr mit den Begriffen des Reichthums
und des Lebens verbunden, dass es nothwendig gewesen sei, die
ursprüngliche Ueberlieferung zu ändern und dem Gerichte Ra's
eine andere Gestalt zu geben. ^'^ Hierüber sind verschiedene An-
sichten zulässig. Es geht aber aus der ganzen Darstellung her-
vor, dass in Aegypten selbst die grosse Katastrophe nicht
eingetreten ist und in dem ägyptischen Volke die Erinnerung
an ein solches Ereigniss nicht bestand, wenn auch vielleicht
chaldäische Berichte zur Kenntniss der Priester gekommen sind
und man ihre Spuren in diesem Mythos suchen mag. Brugsch
leugnet jede Beziehung zu dem chaldäischen Mythos.
Die vierte Gruppe bilden die hellenisch-syrischen Be-
richte. Bei ihrer Vergleichung darf man nicht übersehen, dass die
Küsten des östlichen Mittelmeeres, auch die hellenischen Gestade,
im Alterthume wie in neuerer Zeit häufig von seismisch erregten '
Fluthen überspült worden sind. Ein Beispiel seismischer Bewegung
des Meeres, welches nicht wenig an den Untergang des Pharao
Menephtah erinnert, trat im Jahre 479 v. Chr. ein, als Artabazus
die Stadt Potidaea belagerte, welche den Zugang zur Halbinsel
Pallena, dem westlichen Vorgebirge der Chalcidyce, abschloss.
Herodot erzählt, wie die Belagerer eines Tages eine beträchtliche
Ebbung des Meeres wahrnahmen, durch welche die Bucht gangbar
wurde, wie sie dieselbe gegen Pallena durchqueren wollten und
86 Die Sitte der Wasserspende.
plötzlich von der rückkehrenden Fluth ereilt wurden.^ Es sind noch
viele andere und weiter in's Land reichende Fluthen derselben Art
aus Hellas bekannt; J.Schmidt hat mehrere Beispiele aufgezählt.^
Unter solchen Verhältnissen ist es begreiflich, dass in Hellas
Traditionen von wiederholten Fluthen vorhanden waren, so jener
dt\s Oijyges, des Deukalion, des Dardanos; daneben bestanden
vereinzelte Ueberlieferungen auf den Inseln, wie auf Samothrake.
An diese und insbesondere an die Berichte von der Fluth des
Deukalion wurden einzelne Theile der chaldäischen Ueberliefe-
rung, wie von der Rettung in einem schwimmenden Kasten, dem
Mitnehmen von Thieren und dem Aussenden von Vögeln, nament-
lich einer Taube, geknüpft. Bezeichnend aber für diese Gruppe
von Ueberlieferungen ist ihre Verbindung mit einer Ceremonie,
welche hier noch nicht er^vähnt worden ist. Es ist dies die Todten-
feier, welche zur Erinnerung an die Fluth des Deukalion zu Athen
jährlich am 13. des Monats Anthesterion gefeiert wurde. Hieher
gehört nach Mommsen's Darstellung die Wasserspende, Hydro-
phoria, und die Darbringung von Honig mit Zuthat von Mehl an
dem Erdschlunde, in welchen das Wasser der Deukalion ischen
Fluth hineingeströmt sein sollte. Der Erdschlund liegt ausserhalb
des lenäischen Bezirkes, jedoch benachbart, beim Tempel des
olympischen Zeus.'"'
Eine vollständige und merkwürdige Wiederholung der Ce-
remonie der Hydrophoria trifft man in der Beschreibung des
Tempels zu Hierapolis am oberen Euphrat, welche in der mit
Recht oder Unrecht Lucian zugeschriebenen Schrift ,von der sy-
rischen Göttin* enthalten ist.'°'
Die betreffenden Stellen lauten wie folgt:
,Die Meisten sagen, dass Deukalion Sisythes'**^ das Heilig-
thum erbaut habe, dieser Deukalion, unter welchem die grosse
Wasserfluth stattfand. Von Deukalion hörte ich auch in Hellas die
Sage, welche die Hellenen von ihm erzählen, die sich folgender-
massen verhält: . . . Nun wird die Schlechtigkeit der ersten Men-
schen erzählt. — ,Zur Strafe,* — heisst es dann — ,traf sie grosses
Unglück. Sogleich sandte die Erde aus ihrem Schoosse eine
Menge Wasser empor, gewaltige Regengüsse traten ein, die
Flüsse schwollen an, und das Meer ergoss sich weithin über das
Gebräuche zu Hierapolis. 8^
Land, bis Alles Wasser wurde und Alle umkamen, nur Deukalion
blieb von den Menschen allein. . . / Er hatte nämlich einen Kasten
gebaut und seine Familie, sowie Paare von allerlei Gethier waren
in den Kasten getreten. Alle fuhren in dem einen Kasten, so lange
das Wasser anhielt. So erzählen die Hellenen über Deukalion.*
,Hiezu fügen die Bewohner der heiligen Stadt eine höchst
merkwürdige Geschichte: es sei in ihrem Lande eine grosse Erd-
öffnung entstanden, und diese habe alles Wasser aufgenommen:
Deukalion aber habe, nachdem dies geschehen sei, Altäre er-
richtet und neben der Erdöffnung den Tempel zu Ehren der Here
erbaut. Die Erdöffnung sah ich, es befindet sich unter dem Tempel
eine sehr kleine. Ob sie in alten Zeiten gross war und jetzt so ge-
worden ist, weiss ich nicht: die ich sah, ist sehr klein. Zum Zeichen
und Gedächtniss dieser Geschichte thun sie Folgendes: zweimal
in jedem Jahre wird Wasser aus dem Meere in den Tempel ge-
bracht. Dies tragen nicht allein die Priester, sondern ganz Syrien
und Arabien, ja von jenseits des Euphrat ziehen viele Menschen
zum Meere hinab, und Alle tragen Wasser; zuerst giessen sie es
im Tempel aus, dann geht es in die Erdöffnung, und die kleine
Erdöffnung nimmt eine grosse Menge Wasser auf. Und bei dieser
Ceremonie sagen sie, Deukalion habe dieselbe im Tempel zur Er-
innerung an das Unglück und seine Wohlthat eingesetzt. Dies ist
ihre alte Sage über des Heiligthum.'
An späterer Stelle wird erzählt, dass im Innern des Tempels
ein Götterbild der Here stehe und ein anderes desjenigen Gottes,
,den sie obgleich es Zeus ist, mit einem andern Namen be-
nennen'. »Zwischen beiden steht eine andere goldene Bildsäule
Die Assyrer selbst nennen sie das Zeichen, geben ihr keinen be-
sonderen Namen und wissen nichts von ihrem Ursprünge, noch
von ihrer Gestalt zu sagen. Einige beziehen sie auf Dionysos, an-
dere auf Deukalion, noch andere auf Semiramis. Es befindet sich
nämlich auf ihrem Kopfe eine goldene Taube: aus diesem Grunde
will man, dass sie die Semiramis darstellt. Zweimal in jedem Jahre
wird sie nach dem Meere geschafft, um das Wasser, von dem die
Rede war, zu holen.*
Diese Erzählung habe ich ausführlicher angeführt, weil sie
ein gutes Beispiel der Vermengung und der Uebertragung des
gg Absorbirende Spalte zu Hierapolis.
Mythen gibt. Vergessen wir zuerst nicht, dass Lucianus in dem
zweiten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung lebte, und der Bericht
folelich unvergleichlich viel jünger ist als alle bisher erwähnten.
Gleich an seiner Spitze ist der Name Deukalion'"^ mit dem helle-
nisirten Hasis-Adra oder Xisuthros, hier Sisythes, vereinigt. Ob-
wohl das Heiligthum am oberen Euphrat steht, wird der erste
Theil ausdrücklich als Sage der Hellenen angeführt, welcher doch
in allen wesentlichen Theilen mit der uralten chaldäischen lieber -
lieferung übereinstimmt. Sogar die drei verschiedenen Formen
der Ueberfluthung, aus der Erde, vom Himmel und vom Meere
her, sind erwähnt.
Im zweiten Theile verbindet die Hydrophoria das weit land-
einwärts liegende Heiligthum mit dem Meere; wir mögen helleni-
sche Sitte darin sehen, wenn auch die Taube auf dem Haupte
lener Gottheit, welche angeblich zweimal im Jahre die Reise zum
Meere machen musste, ganz an die chaldäischen Berichte mahnt.
So ist die Sintfluthsage vom unteren Euphrat auf verzweigten
Wegen nach Hellas und von dort, wie es scheint, wieder zurück
an den oberen Euphrat gelangt, und es fragt sich nun, warum ge-
rade hier in Hierapolis absorbirende Spalten angegeben wurden.
Solche Spalten werden bei Erderschütterungen wirklich zuweilen
o-ebildet; die bereits erwähnte Entwässerung des Lake Eulalie im
Thale des Mississippi ist auf diese Weise vor sich gegangen, und
Hierapolis (Mambedj) liegt in der That auf der grossen Erdbeben-
zone von Antiocheia. Die wahre Ursache dürfte aber eine einfachere
sein. Rey hat die Ruine des Tempels gesehen und einen Plan der-
selben veröffentlicht; sogar von einem Fischteiche innerhalb der
Umfassung des Heiligthums, den der alte Bericht erwähnt, ist
heute noch ein Rest vorhanden, und Rey vermuthet, dass unter-
irdische Wasserläufe, welche in der Stadt vorhanden sind, die
Wiederholung der Fabel von dem die Sintfluth absorbirenden
Schlünde und die Entstehung des Heiligthums veranlasst haben
dürften/"» —
p]s ist nicht meine Absicht, in der Vergleichung dieser aus
dem chaldäischen Ereignisse ganz oder zum Theile abgeleiteten
Darstellungen noch weiter zu gehen.
Indische Berichte. 80
Vier Gruppen haben wir kennen gelernt. Die erste, das Iz-
dubar-Epos und die Bruchstücke des Berosus, steht dem Ereig-
nisse selbst am nächsten. Die zweite, die beiden Berichte der
Genesis umfassend, schliesst sich nahe an und weicht hauptsächlich
ab durch die geringe Kenntniss derSeeschifffahrt. Die dritte Gruppe
ist die ägyptische; nur ein einziger Bericht, aber der wichtigste,
wurde erwähnt. Die Vernichtung der Menschen wird nicht durch
eine Fluth, sondern durch die blutvergiessende Hathor ausgeführt;
eine Fluth erscheint in untergeordneter Rolle nach dem Strafge-
richte. Der Zusammenhang mit der chaldäischen Sage ist sehr lose *
und kann sogar überhaupt angezweifelt werden. Die vierte Gruppe
ist die jüngste. Es sind die hellenisch- syrischen Traditionen; sie
umfassen mehrere, wahrscheinlich seismische Fluthen, welche Theile
von Hellas oder alle Küsten desselben betroffen haben und an
welche chaldäische Anklänge und die Ceremonie der Hydrophoria
geknüpft worden sind.
Aus keinem dieser Berichte lässt sich eine Ausbrei-
tung des Ereignisses von Surippak bis in das Becken des
Mittelmeeres erweisen.
Bei dem hohen Alter ägyptischer Cultur und der Fremdartig-
keit des dortigen Mythos lässt sich im Gegentheile mit nicht
geringer Sicherheit annehmen, dass das Mittelmeerbecken nicht
erreicht wurde.
Die heiligen Bücher der Inder enthalten mehrere Berichte von
einer grossen Fluth, und zwar sowohl in der Rig-Veda, als in
jüngeren Schriften. Viele Umstände sprechen dafür, dass Satya-
vrata in der Bhägavata-Puräna, welchem von Vischnu die grosse
Fluth verkündet wird, und welcher gerettet wird als Bewahrer der
heiligen Schriften, dieselbe Persönlichkeit sei wie Hasis-Adra, wo-
bei noch hinzutritt die aus Berosus bekannte Episode der heiligen '
Schriften. Aber all' diese unter mannigfaltigen Umgestaltungen
erkennbaren Anklänge an die chaldäische Ueberlieferung deuten
wohl an, dass die Tradition von dem grossen Ereignisse hieher
getragen worden sei, nicht aber, dass die Fluth selbst hieher ge-
reicht habe. Schon dass in dem ältesten dieser Berichte, in der
Rig-Veda, der gerettete Manu Vaivasvata sein Schiff an einer der
Hochspitzen des Himalaya befestigt, zeigt, dass die Sage aus
QO Chinesische Berichte.
fremdem Lande eingeführt und in gänzlich naturwidriger Weise
localisirt worden ist.
Von weit grösserer Bedeutung erscheinen mir die chinesi-
schen Berichte.
Die Schriften der Chinesen reichen bis in das dritte Jahrtau-
send V. Chr. zurück; diese alten Bücher sind historische Aufzeich-
nungen; frei von allen Wundern, ohne den Anspruch auf eine
höhere Offenbarung, erzählen sie in der Regel in nüchterner und
bestimmter Sprache die Begebenheiten. Das bedeutendste der-
• selben ist der Schü-King, das Buch der geschichtlichen Documente ;
es wurde durch Legge's treffliche Ausgaben dem europäischen
Leser eröffnet. '°^
Aus dem Schü ist ersichtlich, dass unter der Regierung des
Kaisers Yäo eine grosse und verheerende Ueberfluthung China
bedeckte. Das Jahr des Regierungsantrittes des Kaisers Yäo
setzen wir, nachdem J. B. Biot aus astronomischen Angaben diese
ziemlich allgemein angenommene Ziffer für richtig hält, mit Legge
auf 2357 V. Chr. Yäo regiert siebzig Jahre. Er beruft zuerst
Khwän, dem durch die Ueberschwemmung herbeigeführten Uebel
zu steuern.
Im Schü, Canon des Yäo, 3 lautet die betreffende Stelle: yDer
Ti sa^t: Fürst der Vier Berge, zerstörend in ihrem Ueberfliessen
sind die Wässer der Ueberschwemmung. In ihrer weiten Ausdeh-
nung umfassen sie die Berge und überdecken die grösseren Höhen,
bedrohend die Himmel mit ihren Fluthen, so dass das niedere Volk
uniufrieden ist und murrt! Wo ist ein fähiger Mann, welchen ich
beauftragen könnte, diesem Uebel {w steuern?^ '"^
Durch neun Jahre bemüht sich Khwän vergebens; hierauf
wird Yü berufen. Binnen acht Jahren vollendet er grosse Werke; er
lichtet die Wälder, regelt die Ströme, dämmt sie ein und öffnet
ihre Mündungen, schafft der Bevölkerung Nahrung und ordnet als
grosser Wohlthäter das ganze Reich.
Der dritte Theil des Schü, welchen die Bücher von Hsiä aus-
machen, bildet in seinem ersten Buche unter dem Titel ,Yü-king*
oder ,der Tribut des Yü' nicht nur eine eingehende Darstellung
der von Yü durchgeführten Arbeiten, sondern den Umriss einer
Landesbeschreibung, welche Flüsse, Gebirge und Seen und die
Chinesische Berichte.
91
Hilfsmittel der Provinzen aufzählt. Es ist unmöglich, diesen ehr-
würdigen Rest einer uralten Staatsverwaltung zu lesen, ohne zu
Empfindungen der höchsten Achtung geführt zu werden gegen
eine Nation, welche solche Berichte aus so ferner Zeit besitzt, und
welche durch die folgenden Jahrtausende solchen Thaten des Frie-
dens und der Volkswohlfahrt den höchsten Ruhm zuerkennt.
F. V. Richthofen war durch seine ausgebreitete Kenntniss des
Landes in den Stand gesetzt, aus dem Yü-king den Verlauf der
Ströme vor viertausend Jahren zu ermitteln, und zu erweisen, dass
seither die grosse Ebene keine grossen Veränderungen erlitten
hat, mit Ausnahme jener, welche durch Menschenwerk, durch den
Wechsel im Laufe des gelben Flusses und durch das Anwachsen
der Küste verursacht wurden. Zugleich aber wurde durch Richt-
hofen's Nachweisungen die von Ed. Biot, ja bis zu einem gewissen
Grade von Legge selbst bezweifelte Genauigkeit der Angaben
über Yü's grosse Arbeiten mit dankenswerther Ausführlichkeit
sichergestellt. '**^
Einzelne Missionäre haben, wenn auch nur in sehr umschränk-
ter Weise, in dieser Ueberfluthung einen Anklang an die biblische
Sintfluth vermuthet; Bunsen ist dieser Vermuthung mit grosser
Schärfe entgegengetreten ; in neuerer Zeit scheint man geneigt,
dieselbe dem Ho zuzuschreiben, welcher auch seither so. grosse
Verwüstungen angerichtet hat, dass man ihn ,den Kummer China's*
nennt. Zu dieser Ansicht bekennt sich auch Legge. ^'^^ Nichts scheint
näher zu liegen als diese Annahme. Leider sind, neben der Aus-
führlichkeit, mit welcher Yü's Reisen und Arbeiten geschildert
werden, die Angaben über die Entstehung der Fluth sehr unvoll-
ständig. Man sieht nur, dass durch lange Zeit Wasserflächen auf
dem Lande gestanden sind, und dass die eingetretene Störung
der Lebensverhältnisse eine beträchtliche war. '"^
DieErgebnisse lassen sich in folgenderWeise zusammenfassen:
i.-Das unter dem Namen der Sintfluth bekannte Naturereig-
niss ist am unteren Euphrat eingetreten und war mit einer aus-
gedehnten und verheerenden Ueberfluthung der mesopotamischen
Niederung verbunden.
92 Schlass.
2. Die wesentlichste Veranlassung war ein beträchtliches Erd-
beben im Gebiete des persischen Meerbusens oder südlich davon,
welchem mehrere geringere Erschütterungen vorangegangen sind.
3. Es ist sehr wahrscheinlich, dass während der Periode der
heftigsten Stösse aus dem persischen Golf eine Cyklone von Süden
her eintrat.
4. Die Traditionen anderer Völker berechtigen in keiner Weise
zu der Behauptung, dass die Fluth über den Unterlauf des Euphrat
und Tigris hinaus oder gar über die ganze Erde gereicht habe.
Dieser Vorfall ist es nun, welcher unter ganz verschiedenen
Voraussetzungen, durch eine sonderbare Verkettung der Umstände
und nachdem er durch Jahrtausende der Erinnerung der Völker
eingeprägt geblieben war, aus den heiligen Büchern des Alter-
thumes in die geologische Wissenschaft Ausdrücke wie : , Diluvium*,
,Diluvial-Formation* und , diluviale Ablagerungen* herübertreten
Hess. Er ist heftig und zerstörend gewesen, aber es fehlt der
Beweis für seine weite Ausbreitung. In schlichten Worten stellen
sich dem Geologen seine Hauptzüge etwa folgendermassen dar:
In einer andauernden seismischen Phase mag durch Erdstösse
zu wiederholten Malen das Wasser des persischen Meerbusens
in das Niederland an den Mündungen des Euphrat geworfen wor-
den sein. Durch diese Fluthen gewarnt, baut ein vorsichtiger
Mann, Hasis-Adra, d. i. der gottesfürchtige Weise genannt, ein
Schiff zur Rettung der Seinigen und kalfatert es mit Erdpech, wie
man heute noch am Euphrat zu thun pflegt. Die Bewegungen der
Erde nehmen zu; er flüchtet mit den Seinigen in das Schiff; das
Grundwasser tritt aus dem geborstenen Flachlande hervor; eine
grosse Depression des Luftdruckes, bezeichnet durch furchtbaren
Sturm und Regen, wahrscheinlich eine wahre Cyklone, vom per-
sischen Meerbusen hereintretend, begleitet die höchsten Aeusse-
rungcn der seismischen Gewalt; das Meer fegt verheerend über
die Ebene, erhebt das rettende Fahrzeug, spült es weit landein-
wärts und lässt es an jenen miocänen Vorhügeln stranden, welche
unterhalb der Mündung des kleinen Zab die Niederung des Tigris
gegen Nord und Nordost umgrenzen.
Anmerkungen zu Abschnitt I: Die Sintflutli.
1 Bache, Americ. Journ. Sc. Arts, 1856, 2^ ser., XXI, p. 37 — 43. Hier wurde der
erste Versuch gemacht, aus der Fortpflanzung der Bewegung die Tiefe des Oceans zu be-
stimmen.
2 F. V. Hochstetter, Ueber das Erdbeben in Peru am 1 3. August 1868 und die
dadurch veranlassten Fluthwellen im pacif. Ocean; Sitzungsber. Akad. Wiss., Wien, 1868,
Bd. 58, a, S. 837, u. 1869, Bd. 59, b, S. 109.
3 Lettre de Mr. Essarts, Bull. Soc. g^ogr., 1872, 6« s6r., IV, p. 3 16, und Comptes
rend., t. 74, p. 11 26.
4 Eug. Geinitz, Das Erdbeben von Iquiquc am 9. Mai 1877 und die durch das-
selbe verursachte Erdbebenfluth im Grossen Ocean; Nova Act. Leop. Car., 1878, XL,
S. 385—444, 2 Taf.
5 A Truc and Particular Relation of the dreadful Earthquake which happenM at
Lima etc. Published at Lima by Commaud of the Vice Roy etc., 8^, 2^ ed., London, 1748,
p. 146—148.
6 Ch. Lyell, Principles of Gcol., 1 i'h ed., II, p. 154.
7 F. Lenormant, Les Origines de THistoirc d'apr^s la Biblc etc., I, Paris, 1880,
p. 487, 488.
* Die Reste des Berosus, welche sich auf die Sintfluth beziehen, finden sich bei
Alex. Polyhist., bei ApoUodorus und Abydenus; sie sind gesammelt in G. Smith, The
Chaldaean Account of the Genesis, 8^, London, 1876, p. 37 — 47, bei Lenormant, Orig. I,
p. 387 — 390 u. a. a. O.
9 G. Smith in Transact. Bibl. Archaeol. Soc, 1873, II, p. 2i3 u. folg. und 1874,
III, p. 534 u. folg.; ferner Chald. Genes, p. 263 — 272.
«o Fox Talbot, Transact. Bibl. Archaeol. Soc, 1875, IV, p. 49—83.
" Lenormant, Orig. I, Append. V, p. 601 — 618, und IIa, p. 9, Note; diese Ueber-
tragung stützt sich auf die vorhergehenden Arbeiten Oppert's.
»2 Paul Haupt, Der keilinschriftliche Sintfluthbericht, eine Episode des babylonischen
Nimrod-Epos; Habilit.-Vorl. geh. a. d. Univ. Göttingen, 1880, 80, Leipzig, 1881; ferner
desselben: Excurs. Der keilinschriftliche Sintfluthbericht, in Schradcr, Keilinschrifteu und
altes Testament, 2. Aufl., Giessen, i883.
»3 H. Rawlinson, Notes on Capt. Durand's Report upon the Islands of Bahrein;
Journ. Roy. Asiat. Soc, 1880. XJI, p. 205; auch Lenormant, Orig. I, p. 393.
M Ch. T. Beke, On the former Extent of the Pcrsian Gulf and on the comparati-
vely recent Union of the Tigris and Euphrates; Philos. Magaz., i834, ncw ser., IV, p. 107
— 112; Carter, Remarks etc., ebend., i834, V, p. 246—252; Beke, On the histor.
Evidence of the Advance of the Land upon the Sea at the Head of the Persian Gulf; cbend.,
1835, VI, p. 401—408.
Ol Anmcrkiuigeii zu Th. L Abccba. L Die Siatfloth.
'5 W. K. Loftus, ijn the GeoL of Portioiis of thc Tnrko-Peniaii Frontier; Quart.
Joum. Ge*-.!. Soc, '^55- XL p. 2$i.
•^ AI. Schlaf! i. Zur phy'>ikali>€hen Geographie von Cntcr-Mesopocamien ; Schweiz,
rx-nk^hr^ 18/^4, S. 4.
I- F. Delitzsch. Wo lag da.* Paraiie*.? 8», ii*i. S. 173— 182. Ebenso Fr. Hom-
mel. Die vor^emiti^chcn Cultoren. 8", iW^i, S. 196. Sehr an^führUch hat aoch W. Ains-
worth bereit« vor längerer Zeit diesen Gegenstand behandelt und dabei gefunden, dass
vor etwa 4 200 Jahren die Allavicn beiläong 70 engL Meilen vom heutigen Stiande entfernt
•»ein ni«>ohtcn: vgl. de<*.: Researches in Assyria, Babylonia and Chaldaea, 80, l838. p. 194.
:" G.Smith, Early history of Babylonia; Tran*. BibL Arch. Soc^ 1872, I, p. $$, 59, 62;
F. M uralter, Korigef. Ge^rh. Babylonien« und Assyriens, 1882, S- 88.
:> W. Ainsworth. Researches in As53rria, Babylonia and Chaldaea, p. 89.
20 Smith, Chald. Genes, p. 266; Lenormant, Orig. p. 606; P. Hanpt, Keil-
in>chriftL Sintüuthbericht S. i3. Dr. Hanpt i<t in seinem Glossar zum Sintflnthberichtc
(Schrader. Keilinschr. und Alt. Tc< , S. 51Ö1 geneigt, diese Stelle zn übersetzen: ,Drei
Saren Krdpcch ver-^chmierte ich zum Kalfatern, drei Saren Blrdöl [brachte ich] in das
Innere.* Die L'eberset/ung des Worto q i r u . Au^senseite* beraht nur auf einer Vermuthung,
und in der er>len Zeile mird das Wort kuprn 1 Erdpech. Asphalti, in der zweiten iddü
^Krdr»!, Xaphthai %-erwendet : letzterem entspricht im Akkadischen nach Haupt (ebendas.
S. 510» äsir = leuchtendes Wasser 1 Petroleum«.
*» Die biblischen Texte sind nach der ed. Tischendorf citirt; es ist meine Ab-
sicht nicht, hier auf die alte Streitfrage über den Ausdruck ,de lignis laerigatis* einzu-
gchen; ich verweise hierüber u. AnJ. auf Beke und Carter. Philos, Magaz^ new ser. III,
p. io3: IV, p. 178, 280. und V. p. 244.
22 Smith, Chald. Genes., p. 2*^^rt: Delitzsch. Paradies. S. 209; Jos. Halevy,
Revue crit. 1881, p. 482 ; Melange> de critique etc.. Paris, l883, p. 162.
23 Ingen. Jos. Cernik's iechni>che Studien-Expedition durch die Gebiete des Euphrat
und Tigris, bearb. u. herau'-g. v. Am. Freih. v. Schweiger-Lerchenfeld; Petermann's
Gcogr. Mittheil.. Erganzung<hefie 44 u. 45. 1875 — 76. mit 7 Karten, I, S. 23.
24 Herodotus, Clio. 179.
25 Smith, Chald. ff enes., p. 62. <*8: für die spätere Entwicklung der Kunst, solche
Feuerge>cho->e anzufertigen, in^b. R. Maclagan. On early Asiat. Fire-weapons ; Joum.
Asiat. Soc. liengal, 1876. XLV a, p. 3o— 71.
2t^ Lane Fox, On Early Mo^ics of Navigation: Jtmm. AnthropoL Inst., 1875, ^^'»
p. 399—435.
27 Haupt, bei Schrader a. a. O. S. 61 und Gtltt. Xachr. l883, S. 91.
2-^ Schläfli, CnL Mcsop<H., S. 22, 23.
29 Duthieul, el>end., S. 23, 24.
30 G. Schueler, Bericht an das für^tl. wallach. h. Ministerium etc. über die Erd-
spaUungen und sonstigen Wirkungen des Knibchens v. 11. 23. Jan. l838, foL, Bukarest, l838.
3* L. Bringier, Xotice of ihc Gcol. etc. of the regions around the Mississippi and
ils conHuent waters; Sillini. amer. Joum. 1821, III, p. 20 22.
32 Ch. Lyell, Principles of Geol., iiJ ed., IT, p. 109.
3i Die au>führlichcn Berichte von Lopatin, Scmenof, Phitingof u. A. über diese
merkwürdigen Erscheinungen hat Perrcy gesammelt; Note sur les Tremblem, de Terre en
1862 p. III u. folg. und i863 p. 67 — 92.
34 H. W. Dove, Ueber das Gesetz der Stürme; Poggendorff's Annal. d. Phys. u.
ehem., 2. Reihe. XXII, 1841, S. 40.
35 Th. Reye, Die Wirbelstürmc, Tom.ido's und Wcltersaulen, 8®, 1872, S. 115.
3'i Richar<l, Hist. natur. de FAir et des Mcteorcs, I2«>, 1771. VHI, p. 504.
57 Dr. Haupt schreibt: ,Was das hebrüischc Xomen proprium der Sintfhith mabbül
eigentlich bedeutet, ist allerdings nicht recht klar. Die gewöhnliche Ableitung von jabal
Anmerkungen zu Th. I, Abschn. I. Die Sintfluth. Q ^
„strömen** hat ihre Bedenken. — Das assyrische abübu übersetzte Eb. Schrader in der
1. Ausgabe von; Die Keilschriften und das Alte Testament (1872) durch „Aehrenhaufe",
, Haufe", unter Vergleichung des hebr. abib „Aehren". Vor ihm iibersetzten Oppert und
Lenormant das Wort durch „Eclair", fulmcn. ■ — Schrader hatte seine Uebersetzung aus
Norris, Assyr. Diction. I, London, 1868. — Die häufige Phrase kima til abübi ashup
„gleich dem Hügel eines abübu warf ich nieder", gab Norris, dem Schrader folgte, durch
„like a heap of corn I swept away" wieder. — Die Uebersetzung „Storm, whirlwind"
hat zuerst Smith (Assurbanipal 56, 74) angewandt. — Praetorius adoptirte dies in der
Zeitschrift der Deutschen morgenländ. Gesellsch. Bd. 28, S. 89, und zog das arabische habüb,
„stark blasend, heftiger Wind", von habba, „heftig wehen" (woher auch habbäb, „feiner
Staub") zur Vergleichung herbei. Die Redensart kSma til abübi fasste er als „wie ein
Haufe, eine Ruine, die der Sturm zerstört hat". — Pognon, L'inscription de Bavian, Paris,
1879, p. 93, dagegen sagt: „Quant ä l'expression til abübi que Ton rencontre souvent
dans les textes, je crois qu*elle d^signe un monticule inhabitd et battu par le vent"; so
auch im Glossaire, p. 178. — In demselben Jahre übersetzte dann ich in meinen Sumeri-
schen Familiengesetzen p. 19, 7 das Wort durch »Sturfnfluth*. — Lotz, Tiglathpilesar, 1880,
p. 129, schwankt für til abübi zwischen ^Woge der Sturmfluth** und „Flugsandhügel". —
In meinem Sintfluth-Commentarc in Schrader's Buche wies ich dann zuerst darauf hin, dass
abübu wie hebr. mabbül Nomen proprium der Sintfluth ist. — Es ist aus Allem ersicht-
lich, dass abübu recht wohl mit Lenormant durch Trombe übersetzt werden kann.* —
Diese Auffassung entspricht so sehr den heutigen Erfahrungen an den Gangesmündungen,
da-ss ich, Lenormant's Anschauung beitretend, das Wort Wirbelsturm angewendet hätte,
wenn nicht der Einwurf erhoben werden könnte, dass der rotatorische Charakter der grossen
Stürme zu jener Zeit unbekannt war.
3^ Delitzsch, Paradies, S. 105; Lenormant, Orig. IIa, p. 6. Es scheint mir keine
Veranlassung vorhanden zu sein, um den Pic von Rowandiz oder überhaupt irgend einen
Hochgipfel als Stelle der Slrandung anzusehen; vgl. Sayce, Cuneiform. Inscript. of Van;
Journ. Asiat. Soc, 1882, new ser. XIV, p. 393. lieber den Ausdruck ,Berg* spricht auch
Diestel, Die Sintfluth, 2. Aufl., 1876, S. i3 (Samml. wiss. Vortr. v. Virchow und Holtzen-
dorff, VI. Sen, 137.)
39 Cernik, Studien I, S. 37—48, und II, S. I —4.
40 J. D. Michaelis, Deutsche Uebers. des Alten Testamentes mit Anmerkungen
für Ungelehrte, 2. Aufl. II, Göltingen, 1775, S. 15, 16, 41, 43; auch desselben: Orient, und
Exeget. Biblioth., IX. Bd. Frankfurt a. M., 1775, S. i83. Es fehlt auch nicht an Bemerkungen
anderer Autoren, welche auf das mögliche Uebcrtrclcn des Meeres hinweisen, wie z. B.
Delitzsch, Paradies, S. 212.
4» Aug. K nobel. Die Genesis, 2. Aufl., 1860, S. 88; Aug. Dillmann, Die Genesis,
4. Aufl., 1882, S. i33.
42 Ed. Schrader, Die Keilschriften und das Alte Testament, 2. Aufl., i883, S. 50
bis 52. Zu den »grossen Bogen (?) Anu's* vergl. übrigens Haupt bei Schrader a. a. O. S. 517.
43 Aug. Dillmann, Ueber die Herkunft der urgeschichtl. Sagen der Hebräer;
Sitzungsber. der k. preuss. Akad. d. Wi.ss., Berlin, 1882, XXI, S. 436 — 439.
44 Bosanquet, Synchron. History of Assyria and Judaea; Trans. Bibl. Arch. Soc.
III, 1874, p. 19, und desselben: Chronol. Remarks on the History of Esther and Ahasverus,
ebend. V, 1877, p. 264. Auf wie wenig zuverlässigen Voraus.setzungen diese Berechnungen
beruhen, ergibt sich z. B. aus den hier folgenden Angaben über die Zeit Sargon's (S. 82).
45 E. W. Tremenheere, On the lower Portion of the River Indus; Journ. geogr.
Soc, 1867, XXXVII, p. 68—91.
46 Cunningham, The ancient Geography of India, I: The Buddhist. Period, 8^,
1871, p. 251, 280.
47 Cunningham, Anc. Geogr. I, p. 299- 3oi; nach Vyse, Geol. Notes on the
River Indus, Journ. Roy. Asiat. Soc, new ser. X, 1878, p. 323, wäre der Xarra nicht als
ein altes Bett des Indus anzusehen.
q6 Anmerkungen zu Th. I, Abschn. I. Die Sintflath.
4^ A. F. Bellasis, An Account of the Ancient and Ruined City of Brahminabad in
Sind; Journ. Bombay Branch of the Roy. Asiat. Soc, 1857, V, p. 4i3 — 425 und 467-477.
49 A. B. Wynne, Mem. on the Geol. of Kutch; Mem. Geol. Surv. of India, 1872,
IX, p. 15. Es ist im Folgenden um so noth wendiger, sich auf zuverlässige neue Pleobach-
tungen des Thatbestandes zu stützen, als eine oft citirte Autorität, General Ic Grand-Jacob,
in Bezug auf wichtige Punkte die Aussagen der Eingeborncn für unsicher erklart; Trans.
Bombay Geogr. Soc, 1866, XVI, p. 65.
50 Cunningham, Anc. Geogr. I, p. 3o4.
5» Bartle Fröre, Notes on the Run of Cutch and neighbour. Region; Journ.
geogr. Soc, 1870, XL, p. 187.
52 AL Burncs, A Memoir on the eastem Branch of the Indus, and the Run of
Cutch, containing an Account of the Alterations produced on them by an Earthquake in
18 19, also a Descript. of the Run; in: Travels into Bokhara, l834, III, p. 3iO; vergl.
auch Baird Smith, Memoir on Indian Earthquakes II; Journ. Asiat Soc. Bengal, 1843,
XII, 6, p. 1027* — io33*; B. Smith vcrmuthet in der Nähe einen Vulcan, dies ist ein
Irrthum.
53 Burnes, Memoir, p. 324, auch Bartle Fröre, Notes, p. 192.
54 Wynne, Memoir, p. 43, auch Blanford, Mem. geol. Surv. Ind. VI, p. 3l, und
Journ. Asiat. Soc Bengal, 1876, XLV, pt. II, p. 95, und Medlicott and Blanford,
A Manual of the Geol. of India, 8°, 1879, I, p. 421, Note. Es hat mir nicht ncithig ge-
schienen, hier von einer angeblichen neuerlichen Senkung im Jahre 1845 ^^ sprechen, da
sie von dem Berichterstatter selbst nicht als sichergestellt angesehen wird; vergl. Quart.
Journ. geol. Soc, 1846, II, p. lo3.
55 Carless, Memoir to accompany the Sur\ey of the Delta of the Indus, in i837;
Journ. geogr. Soc, i838, VIII, p. 328 — 366, insb. p. 364.
56 Ch. Lyell, Princ Geol., iith ed., p. 98— 104.
57 Entstehung der Alpen, 8°, 1875, P* ^5 2«
58 J. Fergusson, On Rccent Changes in the Delta of the Ganges; Quart. Journ.
geol. Soc, i863, XIX, p. 321—354.
59 Medlicott and Blanford, A Manual of the Geology of India, insb. vol. I,
p. 391 u. folg.
^ Ebcnd. p. 409. Allerdings wird daneben von den Verfassern die Möglichkeit einer
leichten Erhebung nördlich von Dacca nicht ausgeschlossen.
^» H. Bcveridge, Were the Sumlarbans inhabited in ancient times? Journ. Roy.
Asiat. Soc. Bengal, 1876, XLVa, p. 71—76.
<^2 J. Fergusson, On Hiouen-Thsang*s Journey from Palna to Batlabhi; Journ.
Roy. Asiat. Soc, new scr. VI, 1873, p. 256; für den heutigen Zustand von Sundrgdon
vergl. J. Wise, Notes on Sundrgaon, Journ. Roy. Asiat. Soc. Bengal, 1874, la, p. 82 — 96
und Karte.
63 AI. Mack. Cameron, The Idenlity of Ophir and Taprobane, and their Site
indicated; Trans. Soc. Bibl. Arch., 1873, II, p. 267 — 288.
64 An Account of an Earthquake at Chaltigoan, transl. from the Persian by M. Edw.
Gulston etc. und mehrere weitere Berichte in Philosoph. Transact. for 1763, vol. LIII,
p. 251 -269.
65 Godwin Austen, Notes from Assaloo, N. Cachar, on the Great Earthquake
of Jan. loth 1869; Proc. Roy. Asiat. Soc. Bengal, 1869, p. 91 — io3; Oldham, Note, ebend.
p. II 3 — 115, und desselben: Notice of some of the secondary effects of the Earthquake
of loth Jan. 1869 in Cachar; with remarks by Rob. Mallet, Quart. Journ. geol. Soc,
1872, XXVIII, p. 255 — 270, und insb. Oldham, The Cachar Earthquake etc., Mem. geol.
Surv. India, 1882, XIX, p. 1—98 mit Karte und Taf.
^6 Col. Keatinge, Record of the Occurrcnce of Earthquakes in Assam; Journ.
Roy. Asiat. Soc. Bengal, 1877— 188 1 a. mehr. Ort.
AnmerkuDgcn zu Th. I, Abschn. I. Die Sintfluth. Q*^
67 R. Baird Smith, Mem. on Ind. Earthquakes II; Journ. Roy. Asiat. Soc. Bengal,
XII, 1843, p. 1040*.
^ H. F. Blanford, Catal. of Cycloncs in the Bay of Bengal; Journ. Roy. Asiat.
Soc. Bengal, 1877, XLVIb, p. 328—338.
^ H. Piddington, Eighth Memoir on the Law of Storms in India; Journ. Roy.
Asiat. Soc. Bengal, 1843, XII a, p. 339 — ^99; zwei Karten.
70 H. Piddington , ebend., p. 379.
71 J. EUiott, Report of the Vizagapatam and Backergunge Cycloues of October
1876, 4", Calcutta, 1877; vergl. auch Hann, Oestcrr. Zeitschr. für Meteorol., XII, 1877,
S. 81—87.
7* Jul. Schmidt, Studien über Erdbeben, 2. Ausg., 1879, S. 23 — 34.
73 M. St. de Rossi, Meteorologia Endogena, 8°, 1882, II, p. 383 — 393; auch
Grablowitz, SuUe Relaz. fra le Altezze barom. ed i moti microsism; Boll. Vulc. ital.
VTII, 1881, p. 33; Fagioli und Rossi ebendas. p. 105, 106.
74 G. H. Darwin, On the Mechan. Effects of Barometr. Pressure on the Earth's
Surface; Philos. Magaz., 1882, 5^ ser., XIV, p. 409— 416.
75 P. Lehmann, in Eb. Schrader, Keilinschriflen und Geschichtsforschung, 8",
1878, S. 338 u. folg.; Oppolzer, Monatsber. k. Akad. Wiss. Berlin, 1880, S. 184.
7<J Eb. Schrader, Keil Inschriften und Altes Testament, 2. Aufl., S. 485. Hier mag
auch erinnert werden an Justin. XVIII, 3: Tyriorum gens condita a Phoenicibus fuit, qut\
terrae motu vexati, rclicto patriae solo, Assyriiim stagnum primum^ mox mari proximinn
littts incolueruntj condita ibi urbe, quam a piscium ubertate Sidona appeilaverunt.
77 Bosanquet, On the date of the fall of Niniveh; Trans. Bibl. Arch. Soc, 1873,
II, p. 155. Während des Druckes erfahre ich durch Dr. Haupt, dass das Wort slhu nach
den neuesten Untersuchungen nur politischen Aufstand, nicht Erdbeben bedeutet; hienach
ändert sich die Angabe Bosanquet's.
78 J. Schmidt, Studien über Erdbeben, 2. Aufl., 8°, 1879, S. 144 u. folg.
79 H. Ab ich. Geologische Forschungen in den kaukas. Ländern, II, 1882, S. 390
bis 449.
80 As-Soyüti*s Work on Earthquakes, Transl. from the Arabic by A. Sprenger;
Journ. Asiat. Soc. Bengal, 1843, Xllb, p. 746—747.
81 V. Hoff, Geschichte natürlicher Veränderungen, IV, 1840, S. 217.
82 Der Koran führt strafweise Verheerung durch Sturmwind an, z. B. LXIX, 6, 7:
,. . . und jene von Ad kamen um durch den heftigen kalten Windsturm, welchen Er
gegen sie lenkte durch sieben Tage und acht Nächte ununterbrochen. Du mochtest sehen
das Volk niedergestür:{tf als wären es niedergeworfene Palmstämme , und kannst Du irgend
Ueberlebende schauen?' Ebenso LI, 41, 42; LIV, 19, 20.
. 83 Lenormant, Orig. I, Append. tab. II.
84 M. V. Port man, On the Andaman Islands and the Andamese; Journ. Roy.
Asiat. Soc, new ser. XIII, 1881, p. 475, 476.
85 AI. Perrey, Notes sur les tremblem. de terre en 1862, p. 156.
86 Edm. Naumann, Ueber Erdbeben und Vulcanausbrüche in Japan; Mitthcil.
der deutsch. Gesellsch. für Natur- und Völkerkunde Ost- Asiens, 15. Heft; 4°, Yokohama,
1878, S. 17.
87 Philostratus. Leben des Apollonius v. Tyana IV, 34.
*
88 Es ist sonderbar, dass dieses Moment, welches der Bibel und allen anderen vor-
christlichen Berichten mit Ausnahme des Izdubar-Epos fremd ist, in dem sonst so unvoll-
ständigen Berichte des Koran wiederkehrt; XI, 40, 41: ,5o machte er die Arche, und so
oft die Aeltesten seines Volkes an ihm vorUberkamen , spotteten sie seiner. Sprach er:
Wenn ihr unser spottet, wahrhaftig, werden wir euer spotten, so wie ihr jeti;t spottet, und
ihr sollet es sicherlich wissen.'
S u • s » , D.1» Antlitz drr Erde, 7
q3 Amnerkwigcii zn Th. I« Ab&chn. L Die Siatflatk.
^* H.W. Dore. Ucbcr das Gesetz der Stönne; Pc^igcndorCs Asaal. d. Plir^ «»d
Chrm.. 2. Reihe, XXIL I«4I. S. 41.
yi De Orbe Novo Petri Martjris ab Angleria MedioL ProCo«. Decades; ConsfiL
ap. Mich. d'Egnia, anno MDXXX, Cap. IX^ foL XX«
>i Th. Waitz. Anthropologie der Xatnrrölker, 1862, III, S. 187. Es siad mit dem
Aafvande grr^ser Bele^nheit »ogar Versnclie «Bteraommea vordem, dem URpnu^ aller
Sintlhlth•i^agen nach Amerika zn Terlegen; Noah soDte amf Cmba gefettet seim «.s.v.; «o
z. B. Paläorama, an> dem Xachlasse eines amerikanischem Xatmzibrsdiers, 8^, Eriangem.
186^, S. 192 a.a.a. O.
>2 A. Rcville, Le* Rä^5o«* ies Pemple^ mom-ciTilise&. 8«. l883, L IL a. m. O.
-j T. G. Pincke>. S*>inie nireat Di«coTeries etc. Proc. Soc BibL Arck. 7. Not.
1882, p. 6— 12: Frieir. Dtirtrsch in Märdter. Knrzgef. Gesck_ S. 273 «.folg.; TcrgL
u- And. anch TaTlcr im J. Oppert. fciped. scientiL Mesopot. I, p. 27!-
A Die* ?ü^ >ekr g«l Lenormant. Orig. l, 2. Aufl., p. 408.
9« Die ec- Tischendorf gibt folgende Anmerkung zn VIII, 21 : et aü ad eiini ^Xtimm
<i hie tjjHsJm^is^^ Hkr. roces Hcbraicas el-libbo, q. e. ad cor suuim, im ammH> smo; Sq^t.
otzw.^ö;. Qmj^ rrt :mr:tis Codd. Lathiis Sixtini expunxerttnt hos wocmlai^ mmUo sententiat
dt'trimi'nt^K [k\iJ^-m:mMS carum h»a> malebat : ad S€ — animam viventemt, ammumtem. Dill-
mann. Genes. S. 141, meint, der Schriftsteller wolle die Gedanken Gottes dolmetschen.
«^ Ed. Naville, La Destmction des Hommes par les Dieox; d*apres ome Inscript.
Mylholog. du Tombcau de Seti I a Ilielxrs; Trans. Bibl. Arch. Soc, 1876, IV, p. I — 19,
und insbesondere H. Brugsch, Die neue Weltordnung nach Vernichtung des sündigen
Men>chengeschlechtes, 8*», Berlin, 1881, 41 Sl und Taf.
*>; Vigouroux, vgl. Lenormant, Orig. I, p. 454.
9"* Herodotus, Urania, 129.
90 Jul. Schmidt, Studien über Erdbeben, 2. Aufl., 1879, S. l38— 165.
»oo A. Mommsen, Heortologic; Antiquarische Untersuchungen über die städtischen
Feste der Athener, S'^, 1864, S. 365.
IUI Ich gebe die Uel>ersctzung von Theod. Fischer; Lucian*s Werke, 80, 1867,
III, S. 229, 23o.
102 Ueber den Namen Sisythes, A£jzaXio>va rov SiovOsa, nicht Ix-jdsa, Buttmann,
Mythologus, 80, 1828, S. 192.
»oj 0£u-xaX(tuv Lenormant, Orig. II, 157, Note.
i"4 E. G. Rcy, Rapp. sur unc Mission scientif. dans Ic Nonl de la Syrie; Arch.
d. Miss, scientif., 2« ser., III, 1867, p. 351, pl. X.
105 James Legge, The Chinese Classics, vol. III, pt- I, 80, Hongkong, 1865,
und in Max Müller, The Sacred Books of the East, vol. III, 80, Oxford, 1879.
106 Legge, Sacr. Books, III, p. 34; nach Chin. Class., vol. III, pt. I, p. 25, Note, liest
der (Tommentator Wu Ching anstatt ^das niedere Volk", — „das Volk, welches in den
Niederungen wohnt", doch tritt Legge dieser Meinung nicht bei.
'07 F. V. Richthofen, China I, 1877, '*^- 277—364; Taf. IV, V; insb. S. 33$, Anm.
108 Legge, Sacr. Books III, p. 18.
109 Die Darstellung des Zustandes der Dinge bei Mencius III, I, IV, 7 (Legge,
Chin. Class. II, p. 126, 127) sagt allerdings: In der Zeit des Yäo, als die Welt noch
nicht ganz geordnet war, verursachten die Flüsse, aus ihren Betten fliessend, eine
allgemeine Ueberschwemmung u. s. w. Dies scheint mir aber nicht ganz mit den weit
zuverlässigeren Angaben des Yü-kung übereinzustimmen.
ZWEITER ABSCHNITT.
Einzelne Schüttergebiete.
Verschiedene Richtungen der Untersuchung. — Die nordöstlichen Alpen. — Das süd-
liche Italien. — Das Festland von Central- Amerika. — Vermeintliche rhapsodische Er-
hebungen von Chile. — Aufprellen von Gegenständen. — Bewegung von submarinem
Sediment. — Valparaiso, 1822. — Concepcion, 1835. — Valdivia, 1835. — Hebung des
Landes nicht erwiesen.
CfS gibt wohl nur wenig Naturerscheinungen, über welche
eine so grosse Anzahl von verschiedenartigen Ueberlieferungen
und von Druckschriften bestehen würde, als über die Erdbeben.
Die Berichte reichen, wie der vorhergehende Abschnitt zeigt, bis
in die älteste Zeit zurück, und auch jetzt liefert jedes Jahr Berei-
cherungen. Leider gehen aber diese oft sehr verdienstlichen Ar-
beiten nach den verschiedensten Richtungen auseinander.
Die grösste Zahl, namentlich der älteren Schriften, malt die
Vorahnungen der Thiere und den Schrecken der Menschen, zählt
den Verlust an Leben und Geldwerth auf und bietet grelle Farben,
aber wenig deutliche Umrisse.
Andere Arbeiten, wahre Muster ausdauernden Fleisses, suchen
nach einer Periodicität der Erscheinungen, aber zwei Um.stände
verurtheilen jede noch so ernst gemeinte Bemühung dieser Art,
sobald es sich um die Umfassung langer Zeiträume und zahlreicher
Erschütterungen handelt, von vorneherein zur Unfruchtbarkeit.
Der erste liegt in der alle für ähnliche Arbeiten zulässigen Gren-
zen weit übersteigenden Ungleichartigkeit der Ueberlieferung.
Diese befindet sich in augenscheinlicher Abhängigkeit von dem je-
weiligen Culturzustande der Menschheit und der fortschreitenden
7*
I OO Methoden der Untersuchung.
Erschliessung entfernter Landstriche. Mallet hat im Jahre 1858
in einer kleinen Tabelle gezeigt, in wie ausserordentlichem Maasse
die Zahl der bekannt gewordenen Erdbeben gegen die neuere
Zeit sich vermehrt, und dies mit Recht der grösseren Vollständig-
keit der Berichterstattung zugeschrieben; aus demselben Grunde
fällt für Europa das Maximum der Zahl der Erschütterungen in
das 19. Jahrhundert/ Erst in den letzten Jahren ist uns durch
Edm. Naumann's' und J. Milne's^ Arbeiten Gelegenheit geboten
worden, die älteren Aufzeichnungen über Erderschütterungen
in Japan kennen zu lernen. Die zahlreichen Angaben aus dem
7., 8. und insbesondere aus dem 9. Jahrhunderte unserer Zeit-
rechnung entsprechen dem hohen Bildungsgrade, welchen Japan
bereits um jene Zeit erreicht hatte, aber auch hier schreibt Nau-
mann die Spärlichkeit der Berichte aus dem 12. und 16. Jahrhun-
derte den politischen Umwälzungen und den kriegerischen Unter-
nehmungen der damaligen Zeitläufte zu. Und für wie geringe
Theile der Erdoberfläche besitzen wir überhaupt irgendwelche
ältere Berichte! Indem wir in tausenden von Daten Spuren einer
Periodicität suchen, finden wir in denselben nur die Beweise un-
serer Unwissenheit.
Der zweite Umstand liegt in der Unmöglichkeit einer festen
Regel für die Auswahl der zu verzeichnenden Einzelstösse aus
irgend einer längeren seismischen Phase. Die Fälle, in welchen die
seismische Bewegung sich in einem einzigen heftigen Schlage für
lange Zeit erschöpft, wie dies bei dem letzten Erdbeben von Casa
micciola auf Ischia vorgekommen ist, gehören zu den seltenen
Ausnahmen. Weit häufiger erscheint eine ganze Reihe von Erd-
erschütterungen, mit oder ohne Begleitung von unterirdischem
Getöse, von wechselnder Intensität, ja öfters sogar auf einer be-
stimmten Linie das Maximum der Intensität von Ort zu Ort ver-
schiebend, und der gewissenhafte Beobachter bleibt im Zweifel,
welche von den zahlreichen stärkeren oder schwächeren Bewe-
gungen des Bodens er in seine Tabelle aufzunehmen hat, um den
etwaigen Zusammenhang der irdischen Erschütterungen und der
jeweiligen Stellung des Mondes und der Sonne zu prüfen.
Eine weitere Reihe von Bestrebungen ist dahin gerichtet
worden, unter Anwendung geometrischer Grundsätze aus der
Gleichzeitige Erschütterung. lOI
Zeitfolge und der Richtung der Bewegungen der Erdoberfläche
die genaue Tiefe und Lage des Ausgangspunktes derselben zu
ermitteln. Abgesehen jedoch von dem Gegensatze, welcher zwi-
schen der grossen Schärfe der angewandten Methode und der
geringen Schärfe der Beobachtungen besteht, auf welche in den
meisten Fällen die Berechnung gestützt werden muss, ist hier die
Voraussetzung gemacht, dass dieser Ausgangspunkt ein räumlich
ziemlich beschränkter Ort der Tiefe sei. Diese Voraussetzung ist
aber nicht erwiesen. Es ist im Gegentheile viel wahrscheinlicher,
dass in der Tiefe Ablösungen oder plötzliche Ortsveränderungen
fast gleichzeitig auf grösseren Flächen stattfinden. Auch mehren
sich thatsächlich die Angaben, welche auf eine ausgedehnte
Gleichzeitigkeit des Stosses hindeuten. So hält es Whitney für er-
wiesen, dass bei dem grossen und höchst lehrreichen Erdbeben
von Owen's Valley an der Ostseite der californischen Sierra Ne-
vada am 26. März 1872 der Hauptschlag in der Richtung des
Streichens der Sierra gleichzeitig auf der ganzen Strecke vom
34. bis zum 38. Breitegrade eingetreten ist, während die seitlich
abgehende Undulation die Mitte des San Joaquinthales in 2 — 3 Mi-
nuten, jene des Sacramentothales in 3 — 4 Minuten und die Küste
zwischen San Francisco und Los Angeles in 4 — 5 Minuten er-
reichte.'*
Auch als am 2. März 1878 das ganze obere Penjäb sammt
den angrenzenden Gebieten, von Banun, Kohät, Peshdwar und
Rawalpindi bis Lahore und Ferozpur, und bis über Simla hinaus
erschüttert wurde, vermochte Wynne wesentliche Verschieden-
heiten der Zeit des Stosses nicht aufzufinden, obwohl die äusser-
sten Beobachtungspunkte in der Luftlinie 732 Kilom. von einander
entfernt sind und der Bau des Untergrundes auf diesem weiten
Gebiete ein sehr verschiedenartiger ist.^
Ebenso hat Heim für mehrere alpine Beben die gleich-
zeitige Aeusserung des Stosses auf grosse Entfernung hin nach-
gewiesen.
Das Erdbeben vom 4. Juli 1880 erstreckte sich von der Po-
Ebene quer durch die Alpen bis in den Schwarzwald. Die grösste
Erstreckung war beiläufig 305 Km. von Süd gegen Nord, näm-
lich von Vercelli bis Lenzkirch; quer darauf, von Genf-Annecy
I02
Grosse Häufigkeit der Beben.
bis Poschiavo-Chur, betrug die Ausbreitung etwa 280 Km. Hiebei
werden folgende Zeiten angeführt:
g^ 19
Zürich 9*" 20
Wattwyl (Topgenburg)
Kinsiedcln 9*^ 20
Andermatt 9** 20
Airolo 9** 21
Faido (Tessin) 9
20
40
3o'
47'
3'
3'
St. Bernhardin . . . . 9** 19' 3o'
Brieg (Wallis) 9° 19 40
St. I^onhard bei Sitten
(Wallis) 9^ 20' 35
Genf 9** 20' 4
Lugano 9** 19' —
ff
> f
Heim schliesst hieraus, dass die Ursache des Erdbebens vom
4. Juli 1880 nur in der gleichzeitigen und gleichartigen ruckweisen
Bewegung eines sehr ausgedehnten Stückes der Erdrinde, nicht
aber in einem localen, heftigen Anstosse liegen könne.^
Es sind also drei Beobachter in verschiedenen Welttheilen
selbständig von einander zu demselben Resultate gelangt. —
Seitdem man nun begonnen hat, diesen Erscheinungen er-
höhte Aufmerksamkeit zuzuwenden, und seitdem die Verbreitung
der Volksbildung und die Mittheilungen der Presse eine extensive
Beobachtung möglich gemacht haben, zeigt es sich, dass in Mittel-
Europa die seismischen Bewegungen der Erde ausserordentlich
viel zahlreicher sind, als je zuvor vermuthet wurde. So hat Heim
seit Organisation der Beobachtungen in der Schweiz vom No-
vember 1879 bis Ende 1880, das ist durch 14 Monate, 69 Er-
schütterungen der Schweizer Alpen nachgewiesen. Noch weit
zahlreicher sind die Erdbeben in anderen Theilen der Erde, wie
namentlich in Japan, wo Milne vom 19. October bis 31. December
1881, das ist in 73 Tagen in dem Landstriche zwischen Tokio und
Kamaishi 36 verschiedene Erdbeben zählte.^ Aehnlich verhält es
sich gewiss auch in anderen vulcanischen Regionen, und dabei sind
nicht etwa vorübergehende Phasen erhöhter seismischer Thätig-
keit ins Auge gefasst, sondern, soweit wir die Sachlage zu beur-
theilen im Stande sind, ein ziemlich normaler Zustand der Dinge.
Auch handelt es sich hiebei nur um solche Erschütterungen,
welche ohne besondere Instrumente wahrzunehmen sind. Ist es ja
doch schon so weit gekommen, dass einzelne Beobachter meinen,
die scheinbare Ruhe der Erdrinde sei für manche Landstriche nur
ein durch die mangelhafte Beobachtung hervorgebrachter Ein-
druck; der Besitz hinreichend empfindlicher Instrumente aber
Auswahl von Beispielen. IO3
erweise für diese Landestheile einen Zustand andauernder Be-
wegung,^ und dass Andere gar vermeinten, durch die ganze Masse
des Planeten hindurch die südamerikanischen Erdstösse in den
Schwankungen der Instrumente auf der Sternwarte zu Pulkowa
wiederzuerkennen. ^
Auf diesem Gebiete kann, wie auf anderen, nur aus einer
thunlichst genauen Beobachtung der Erscheinung selbst die För-
derung der Erkenntniss erwartet werden. Beben von mittlerer
Starke, bei welchen der Schrecken und die Verheerung nur massig
oder nur örtlich beschränkt sind, mögen ebenso werthvoUe Er-
gebnisse liefern, als die schrecklichsten Katastrophen. Es muss
eine hinreichende Anzahl verständiger Beobachter über das Land
vertheilt und die Structur desselben muss in ihren Grundzügen
bekannt sein. Da ferner die Verschiedenartigkeit der Bewegungen
keine geringe und die Zahl der Fehlerquellen gross ist, wird es
nöthig, eine möglichst grosse Anzahl von Beben auf einem um-
grenzten Gebiete zu vergleichen. Es handelt sich also um vorbe-
dachte und gegliederte Arbeit.
Zum Glücke ist solche Arbeit seit einigen Jahren da und dort
in Angriff genommen worden. Die Schweizer Erdbeben-Commis-
sion verspricht nach den bisher veröffentlichten Heften einen
wesentlichen Beitrag zu liefern. In den östlichen Alpen, in Italien
und in Japan ist reger Antheil an solchen Untersuchungen erwacht,
und es ist mit Bestimmtheit zu erwarten, dass binnen wenigen
Jahren mit weit grösserer Sicherheit jene Fragen über den Zu-
sammenhang des Baues der Erdrinde und ihrer Bewegungen
werden besprochen werden, als ich es in den folgenden Abschnitten
zu thun versuchen mag.
Schon aber stellen sich einzelne Erfahrungen deutlich genug
heraus. Es sind vier Beispiele von Schüttergebieten gewählt, deren
Natur eine verschiedene ivSt.
Das erste Beispiel sind die nordöstlichen Alpen; kein
Vulcan ist vorhanden; nur die eigenthümliche Uebereinstimmung
der Beobachtungen gestattet, hier nach wenigen Jahren der Ar-
beit schon eine Meinung auszusprechen.
Das zweite Beispiel ist das südliche Italien. Vulcane sind
vorhanden, doch auf diesem engeren Gebiete nicht zu Linien
I04 ^^^ nordöstlichen Alpen.
vereinigt; ihr Zusammenhang mit den Erschütterungen lässt sich
jedoch erkennen.
Das dritte Beispiel ist das Festland von Central-Ame-
rika. Erdbeben sind häufig, doch wenig gekannt. Die eigenthüm-
liche Anordnung der Vulcane zeigt aber schon ohne Kenntniss
von den Bewegungen die Lage der grossen Störungslinien an.
Das vierte Beispiel betrifft gewisse Vorkommnisse an der
südamerikanischen Westküste. In diesem Falle soll eine be-
sondere Frage, nämlich die von hervorragenden Autoritäten be-
hauptete rhapsodische Erhebung des Landes bei Erdbeben, ge-
prüft werden.
A. Die nordöstlichen Alpen.
Ein fast ununterbrochener steiler Abfall läuft, den Westrand
des bayrischen Waldes bildend, gegen Passau herab, übersetzt
dort die Donau gegen Süd, tritt unter Linz wieder auf die Nordseite
zurück, greift zwischen Grein und Krems wieder, und zwar fast bis
St. Polten herüber und verläuft dann in nordöstlicher Richtung
über Maissau und Znaim gegen Brunn. Dies ist der scharf ge-
zeichnete Rand der böhmischen Masse. Oberhalb desselben liegen
die waldigen und feuchten Hochflächen des nördlichen Theiles von
Oberösterreich und des niederösterreichischen Waldviertels, der
Manhart und das nordwestliche Mähren; sie bilden den äusseren
Theil des Plateau's, welches sich weit durch das südliche Böhmen
fortsetzt. Granit, Gneiss und alte Schiefer bilden fast ausnahmslos
diese hochliegenden Gebiete.
Unterhalb des Randes liegt die Ebene, welche die böhmische
Masse von den Alpen scheidet; die Donau gehört fhr an, so weit
der Strom es nicht vorgezogen hat, streckenweise sein Thal in die
südlich vorspringenden Felsmassen des alten Plateau's einzu-
graben. Diese Ebene ist in Bayern breit, verengt zwischen Ybbs
und St. Polten, dann abermals erweitert bis weit gegen Nordost.
Nördlich von Brunn treten devonische Gesteine von den Su-
deten her an den Aussenrand; zwischen Leipnik und Weisskirchen
berühren sich die äusseren Zonen der Karpathen und die devoni-
schen Gesteine der Sudeten.
Alpen.
105
Der äussere Saum der Alpen und der Karpathen bildet, ab-
gesehen von der Unterbrechung bei Salzburg und einer langen
Unterbrechung zwischen dem Bisamberge bei Wien und dem Mars-
gebirge in Mähren, auf welcher Strecke nur da und dort ein Rest
der Aussenzone sichtbar wird, — eine sehr stetige Curve. Diese
verläuft von Laufen über Steyer, kreuzt die Donau westlich von
Klosterneuburg und setzt sich östlich von Nikolsburg gegen Krem-
sier fort bis zu dem erwähnten Berührungspunkte mit dem Devon
bei Leipnik und Weisskirchen. Dann weicht der Bogen über Neu-
titschein und Kenty bis gegen Wieliczka zurück. Dort stehen ihm
die Höhen von Krakau gegenüber.
Wo dieser Saum nicht durch spätere Einsenkung imterbrochen
ist, bildet er in der Landschaft einen ebenso hervorragenden Zug
wie der Rand des Plateau's. Der Abfall ist nicht so steil wie jener
des alten Gebirges, auch häufiger von Querthälern durchschnitten;
er ist noch dichter bewaldet, und innerhalb desselben erhebt sich
I06 Sillein und Neulengbach.
in stufenweise erhöhten Zügen das Gebirge zu weit bedeutenderen
Höhen und in unvergleichlich viel mannigfaltigeren Umrissen, als
sie das geschlossene böhmische Plateau bietet.
Der Gegensatz in dem Baue und der Gesteinsfolge in diesen
beiden Gebirgssystemen ist ein ausserordentlich scharfer, und die
schmale Ebene, welche die beiden Ränder trennt, verhüllt uns
ohne Zweifel eines der merkwürdigsten Störungsgebiete unseres
Welttheils.
Die grösseren Erdbeben des äusseren Saumes der Alpen
haben nun, soweit sie in neuerer Zeit bekannt geworden sind, ein
eigenthümliches Streben gezeigt, sich quer über diese trennende
Zone in das jenseits liegende Plateau fortzupflanzen.
Das Erdbeben von Sillein am 15. Januar 1858 hatte sein
Maximum im oberen Waagthale in einem unregelmässig ellipti-
schen, etwa von Nord gegen Süd gestreckten Räume, in welchen
die Granitmasse des Mincowberges hineinragt. Der Schütterkreis
dieses Bebens reichte, allmälig verengt, südwärts bis Gran an der
Donau. Er verbreitete sich östlich bis Tarnow und westlich bis
Brunn, erstreckte sich in unregelmässiger Weise durch einige
Theile des Riesengebirges und einen grossen Theil der Sudeten
und reichte gegen Nord bis Trebnitz nördlich von Breslau.'*"
Obwohl dieser Stoss aus dem Innern der Karpathen hervor-
ging, hat sich die Erschütterung nicht nur quer durch die vorlie-
genden Ketten, über die Ebene und bis in das jenseitige Gebirge,
nämlich das Riesengebirge und die Sudeten fortgesetzt, sondern
es liegt sogar ein sehr beträchtlicher Theil des Schüttergebietes
ausserhalb der Karpathen. Die grössere Axe desselben steht quer
auf das Streichen des Gebirges.
Das Erdbeben von Neulengbach in Niederösterreich am
3. Januar 1873 äusserte sich am heftigsten in der Nähe des Aussen-
randes der Alpen. Das Maximum befand sich in der Nähe des
Hummelhofes bei Neulengbach, ganz knapp an dem äusseren
Rande der Flyschzone. Die Grenze der verticalen Bewegungen
und der ansehnlicheren Erschütterung umfasst ein Gebiet, welches
die Gestalt eines Kreuzes hat. Die beiden kürzeren Arme liegen
zwischen Königstetten und Pyhra in der Nähe des Randes der
Plyschzone; senkrecht darauf reicht ein längerer Ast bis Hornstein
Ausbreitung gegen Nord. IO7
in die Alpen, also gegen Südost, während ein noch viel längerer
Ast gegen Nordwest sich erstreckt, bei Preuwitz über die Donau
setzt und durch das Kampthal aufwärts im Granitgebiete bis
Wildberg bei Messern sich erstreckt. Die Grenze des Schütter-
gebietes überhaupt reicht gegen die Alpen nicht wesentlich über
Hornstein hinaus, während er gegen Nordwest viel weiter, bis
Meseritsch und Trebitsch in Mähren hinaus sich erstreckt.
Auch hier liegt die Axe des Schüttergebietes senkrecht auf
dem Streichen des Gebirges, aber das erschütterte Gebiet liegt
zum grösseren Theile ausserhalb der Alpen und erstreckt sich als
lange Zunge in das Granitgebirge. Es ist das Bild einer Erschüt-
terung, welche, vom Rande der Alpen ausgehend, in die entgegen-
stehende böhmische Masse hinein sich fortpflanzt.
Am 12. Juni 1874 wiederholte sich die Erscheinung an der-
selben Stelle, doch mit geringerer Intensität; diesmal reichte der
Stoss gegen Nordwest bis Raabs und gegen Südost bis Klausen-
Leopoldsdorf, drang also im Granit jenseits der Ebene abermals
viel weiter vor als in die Alpen hinein, in welchen er nicht einmal
die Flyschzone überschritt.
Es zeigt sich aber, dass dieselbe Stelle und dieselbe Fort-
pflanzungslinie auch in früherer Zeit zu wiederholten Malen heftig
erschüttert worden sind, wobei das Maximum des Stosses bald
knapp an dem Aussenrand der Alpen bei Lengbach, bald inner-
halb der Alpen, bei Brunn unweit von Wr.-Neustadt, an der
Kreuzungsstelle dieser Erdbebenlinie und jener Thermenlinie lag,
welche die Senkung der Alpen von Neustadt bis in die Nähe von
Wien begrenzt. Ueber dieses Senkungsfeld, welches mit Tertiär-
bildungen und flach aus den Alpen hervorgeschobenen Schutt-
kegeln bedeckt ist, gegen Süd hinaus hat man diese seismische
Linie jedoch niemals verfolgt. Es sind vielmehr die auf dieser Linie
eingetretenen Erderschütterungen stets gegen Nordwest in die
böhmische Masse hinaus in Entfernungen fortgepflanzt worden,
welche bei heftigen Stössen grösser, bei schwachen geringer
waren, aber öfters über Prag hinausreichten, während in die Alpen
hinein die Erstreckung stets eine viel geringere war und häufig
mitlocalen, zuweilen für die Ortschaften verheerenden Zerrüttungen
der jungen Ausfüllung des Senkungsfeldes bei Neustadt endeten.
I o8 MarzziiHrhlag. Sch^ibf>s..
Das ErdFieben vom 29. Juni 1590 auf dieser Linie reichte bis
Iglau; jenes überaus heftige vom 15. September 1590, das hef-
tigste, welches seit dem Bestehen ähnlicher Nachrichten von die-
sem Theile der Alpen ausgegangen ist, hatte auch sein Maximum
in der Nähe von Neulengbach, reichte über Iglau mit grosser
Stärke bis Prag und war noch in Leitmeritz sehr bemerkbar. Am
27. Februar 1768 erfolgte der Hauptstoss bei Brunn an der Ther-
menlinie und wurde Neustadt beschädigt; der Stoss lief auf der-
selben Linie gegen Nordwest und reichte über Iglau hinaus.
Diese Beispiele mögen genügen, um die Wichtigkeit und die
Beständigkeit der Linie und den Grad der Beständigkeit in dem
Wesen der Erschütterungen zu ermessen. Diese Linie wurde die
Kamplinie genannt."
Als ausserhalb der Kamplinie, an dem Südrande des Senkungs-
feldes von Neustadt, in Mürzzuschlag und am Semmering
am 14. März 1 837 ein heftiger Schlag erfolgte, blieb der Charakter
des Schüttergebietes derselbe. Man konnte die Bewegung süd-
wärts nur bis Brück a. d. Mur verfolgen, während sie nordwärts
über Prag bis Alt-Bunzlau beobachtet wurde."
Weiter im Westen trat am 17. Juli 1876 ein ziemlich heftiges
Erdbeben in der Umgebung von Scheibbs in Niederösterreich
auf; das Maximum lag wie in Lengbach knapp an dem äusseren
Rande der Alpen, und die Erschütterung war sehr heftig auf einem
langen und schmalen Gebiete, welches von Scheibbs gegen Süd-
südost bis Kindberg in Steiermark und gegen Nordnordwest über
Scheibbs hinaus, bis Persenbeug am Rande der böhmischen Masse
reichte. Das gesammte Schüttergebiet zeigt aber eine bimför-
mige oder flaschenförmige Gestalt, indem es in die Alpen nur
bis Graz, gegen Ost bis Pressburg, gegen West bis Mondsee und
Passau, gegen Nord aber mit allmälig sich verengendem Umrisse
bis Dresden sich erstreckte. Noch in Lobositz an der Elbe läuteten
die Glocken.*^
Auch dieses Erdbeben erfolgte also quer auf das Streichen
der Alpen und es reichte durch die ganze Breite der böhmischen
Masse bis nach Sachsen.
In allen diesen Fällen, das ist bei allen Erdbeben, deren Aus-
gangspunkt in diesem Theile des Alpensystems lag und deren
Bclluno.
109
Schüttergebiet genauer bekannt ist, mit Ausnahme einiger sehr
untergeordneten und örtlich beschränkten Beben, ist die Erschüt-
terung quer auf das Streichen des Gebirges erfolgt. Stets schien
dieselbe vornehmlich einer mehr oder minder scharf begrenzten
Linie zu folgen; es sind zu wiederholten Malen und mit verschie-
dener Intensität Beben auf derselben Linie aufgetreten, und der
Stoss hat sich jedesmal weiter nordwärts in das gegenüber lie-
gende archäische Plateau fortgesetzt, als südwärts in das gefaltete
Kettengebirge, aus welchem er hervorging.
Der Grund dieser Uebereinstimmung ist heute noch nicht be-
kannt, aber ich halte die Ansicht für berechtigt, dass die Ursache
dieser Erschütterungen eine gemeinsame sei, und dass die in
diesen Erdbeben sich äussernde Kraft stets vorhanden ist und nur
zeitweise zur Aeusserung gelangt.
Begibt man sich tiefer in die Alpen, so stösst man auf ausser-
ordentlich verwickelte Verhältnisse. Auch das Erdbeben von
Belluno am 29. Juni 1873 hat sich, obwohl vom südlichen Rande
der Alpen ausgehend, quer durch die ganze Breite der Alpen
fortgesetzt und ist sogar über Linz und Freistadt bis in das ar-
chäische Plateau eingedrungen.*^
R. Hörnes hat versucht, am Südfusse der Ostalpen vom
Gardasee bis über Fiume hin eine Zone häufiger Erdbeben, gleich-
sam eine peripherische Linie, festzustellen, von welcher eine An-
zahl von Stosslinien quer in die Alpen reichen soll.'^ H. Hoefer
ist, von einer Vergleichung der Erdbeben in Kärnten ausgehend,
zu dem Entwürfe eines Netzes langer Linien gelangt, von welchen
ein Theil dem Streichen des Gebirges folgt. '^ Gerade dieses Stück
der Alpen besitzt aber, wie sich weiterhin zeigen wird, einen sehr
verwickelten Bau, und wir müssen von weiteren Studien Aufschluss
darüber erwarten, welche dieser beiden Auffassungen der Wahr-
heit näher steht.
Dass es sich bei den transversalen Beben um eine horizontale
und ruckweise Ortsveränderung eines Gebirgstheiles gegen einen
andern handelt, wird von den neueren Beobachtern übereinstim-
mend angenommen. Die Art der Bewegung deutet auf steile
Flächen, welche senkrecht auf das Streichen des Gebirges stehen;
es ist das eine Form der alpinen Dislocationen, welche an späterer
I lO I^*i südlicbe Italien.
Stelle als ,Blatt* bezeichnet werden wird. Im Süden hat Hörnes
versucht, das Erdbeben von Belluno unmittelbar auf sichtbare
Verschiebungsflächen dieser Art zurückzuführen.'^ Bittner hat
den Parallelismus der N. 15° W. streichenden zahlreichen Blatt-
flächen des nordöstlichen Theiles der Alpen mit der Kamplinie
betont.'* Man wird aber darum nicht anzunehmen haben, dass
solche Blattflächen sich bis in die jenseitige archäische Masse
fortsetzen. Demnach wäre die weite Verlängerung der Schütter-
gebiete gegen Nord nur ein Phänomen der Fortpflanzung, ein An-
zeichen der Richtung der Stösse, welche aus den Alpen hinaus
erfolgt sind.
B. Das südliche Italien.
Wenn Jemand von den liparischen Vulcanen gegen das
Festland oder gegen die sicilische Nordküste blickt, sieht er sich
umgeben von steil abgebrochenen Massen uralten Gesteins.
Gneiss oder Granit bilden den grössten Theil dieser Felsen, und
die angelehnten Zonen von Schiefer und jüngeren Felsarten bis
zum Flysch befinden sich auf der den Liparen abgewendeten
Seite des Gebirges.
Gegen Nordost ist es der M. Cocuzzo, welcher dem tyrrhe-
nischen Meere seinen steilen Abhang zuwendet; eine Scholle von
transgredirendem Kalkstein krönt denselben; landwärts trennt den
Cocuzzo das Längenthal des Crati von dem grossen Gebirgskerne
der Sila. — Gegen Osten sieht man die aus Gneiss bestehenden
Höhen des Cap Vaticano und die granitischen Klippen der Scylla,
beides abgesunkene Fragmente des Aspromonte, welcher sich mit
schroffem Abfalle über dieselben erhebt und gegen das östliche,
jonische Meer hin mit jüngeren Gebirgszonen bekleidet ist. —
Gegen Süd endlich, an der sicilischen Küste, sind die Ränder der
alten peloritanischen Masse den Liparen zugewendet, deren älteste
Granitmassen in dem nordöstlichen Theile der Insel zu Tage tre-
ten, während an ihrer abgewendeten Südseite, g^g^n den Aetna
hin, sich die jüngeren Zonen des Aspromonte mit gewendetem
Streichen fortsetzen.
BnichriDiI des Aspromonte. III
So zeigen sich Aspromonte, vaticanische Höhen, Scylla und
das peloritanische Gebirge von vorneherein als Trümmer eines
einst zusammenhängenden Gebirgskernes, den heute die Strasse
von Messina durchquert, und dessen hauptsächlicher Bruchrand
an der Westseite des Aspromonte gegen die Liparen blickt."
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3bB«
nkcn).
Dieser Bruchrand ist nun die Strasse gewesen, auf welcher
im Jahre 1783 durch einige Monate die seismische Thätigkeit
unter wiederholter Verschiebung des Maximums thätig gewesen
ist. Schon im Jahre i 780 scheint die Serie dieser Vorgänge mit
einem Ausbruche des Aetna begonnen zu haben, welchem bei Ali
und Fiüme di Niso an der sicilischen Küste heftige locale Stösse
folgten; dann trat ein Ausbruch auf Vulcano ein, und am 5. Fe-
bruar I 783 erfolgte der erste Hauptschlag an dem Bruchrande
112 Seismische Linien der Liparen.
des Aspromonte, bei Oppido und S. Cristina, wobei sich in
langer und tiefer Kluft die jüngeren Tertiärablagerungen weithin
von diesem Bruchrande ablösten. Die Erschütterung breitete sich
gegen Süd, West und Nord, aber nur wenig gegen Ost, das ist
über den Bruchrand hin, aus. Binnen wenigen Wochen wanderte
bei unverkennbarer Verschiebung des Angriffspunktes der seis-
mischen Thätigkeit das Maximum über Soriano und Polia bis Giri-
falco, nahe dem nördlichen Ende der Bruchlinie, fort und kehrte
dann wieder nach Radicena bei Oppido, also in die Nähe des Aus-
gangspunktes zurück. Es ist eine dauernde Veränderung an dem
Meeresstrande mit Ausnahme grosser Abgleitungen im Hafen von
Messina nicht eingetreten.
Ein Vergleich mit anderen Erschütterungen in der Umrandung
des südlichen tyrrhenischen Meeres lässt erkennen, dass die Linie
von 1783 nur ein Theil einer grossen Curve, so ziemlich eines Kreis-
bogens ist, welcher die Liparen gegen Ost und Süd umgibt und
durch zahlreiche Erschütterungen ausgezeichnet ist. Dieser Bogen
läuft östlich vom M. Cocuzzo durch das Cratithal, und zwar über
Luzzi bei Bisignano, Cosenza, Donnici und S. Stefano bei Rogliano
nach Girifalco, dann längs der Dislocation des Aspromonte über
Pezzoni, Soriano, Terranova, Oppido und S. Cristina, ferner
jenseits der Meerenge südlich von der peloritanischen Masse über
Ali zum Aetna, von wo aus er sich über Bronte und Nicosia zu
den Madonien fortsetzen dürfte.
Ausser dieser peripherischen Linie ist in dieser seilten Region
eine Anzahl anderer Stosslinien bekannt, welche strahlenförmig
von den Liparen ausgehen, auf welchen die Erschütterungen, so
weit die Erfahrungen reichen, meistens von den Liparen gegen
Aussen gerichtet sind, und welche zum Theile die peripherische
Linie kreuzen und über dieselbe hinausgehen, zum Theile aber,
und zwar insbesondere in der Nähe des Aspromonte, an dieser
zu enden scheinen. Solche Linien laufen: gegen Nordost, von
Amantea quer über die peripherische Linie und die ganze Halb-
insel bis Rossano an der Ostküste, gegen Ostnordost in den Golf
der S. Eufemia und über Catanzaro zur Ostküste, gegen Süd
von Vulcano in den Aetna und von da gegen Südsüdwest nach
Mineo, dann weit gegen Südwest über Palermo gegen Favignana.
Vcreinißiing der Radiallinien. 1^3
Die Bogenlinie hat einen Radius von beiläufig 90 — 100 Km.;
Cocuzzo, das vaticanische Cap, Scylla und das peloritanische Ge-
birge liegen innerhalb, Sila und Aspromonte ausserhalb derselben.
Die Radiallinien convergiren gegen die Liparen. Nun hat aber
Fr. Hoffmann bereits im Jahre 1832 gezeigt/^ und Judd hat es
neuerdings bekräftigt,"' dass innerhalb der Liparen, südlich vom
Stromboli, an einer vStelle, welche wir annähernd als den Mittel-
punkt der peripherischen Linie betrachten könnten, eine Gruppe
von kleinen Inseln und Klippen liegt, deren Bau von jenem der
übrigen Inseln abweicht. Denn während auf den anderen Inseln
orrössere und kleinere Kratere als die Anzeichen ebenso vieler
Ausbruchstellen sich erheben, besteht diese ganze Gruppe nur
aus den Trümmern eines einzigen gewaltigen Kraters, welchen
Hoffmann als den Centralkrater der Liparen bezeichnet.
Voii dieser unregelmässig ringförmig angeordneten Gruppe,
das ist von den Inseln und Klippen Panaria, Basiluzzo, Dattilo,
Lisca bianca mit der submarinen Fumarole, dann Bottaro, Pana-
rella, Formiche und Lisca nera, laufen aber nach Hoffmann und
Judd drei radiale Linien, w^elche mit den Ausbruchstellen der
Liparen besetzt sind. Die erste geht gegen Westsüdwest über
Salina, Filicuri und Alicuri, die zweite erst gegen Südsüdwest
nach Lipari, dann gegen Südost durch Vulcano zur Solfatara auf
Cap Calava, die dritte gegen Nordnordost durch den Stromboli.
Vergleicht man nun diese schon von Hoffmann auf einem
Kärtchen verzeichneten vulcanischen Linien mit jenem Netze von
Linien, welches lediglich aus den seismischen Angaben gewonnen
wurde, so wird man die Folgerung wohl kaum zurückweisen
können, dass diese radialen Vulcanlinien in irgend einer engen
Beziehung zu den radialen Stosslinien stehen. Es haben aber
bereits mehrere zuverlässige Beobachter eine Uebereinstimmung
von gesteigerter Thätigkeit des Stromboli mit calabrischen
Stössen wahrgenommen, so Äthan. Kircher im Jahre 1638," so
auch Conte Ippolito,"^ Grimaldi"^ und die meisten Zeugen der
grossen Erschütterungen von 1783. In gleicher Weise hat Ferrara
an vielen einzelnen Beispielen einen Zusammenhang zwischen lipa-
rischen Ausbrüchen und Erschütterungen der sicilischcn Nord-
küste zu erweisen gesucht. ^"^
Sucss, Das Antlitz der Erde. w
114 Einbruch in Vorl)creitiinjj.
Man hat sich also wohl vorzustellen, dass in einem durch die
peripherische Linie von 1783 abgegrenzten Räume die Erdrinde
schüsseiförmig sich einsenkt, und dass hiebei radiale
Sprünge entstehen, welche gegen die Liparen conver-
giren. Diese convergirenden Linien sind in der Nähe dieses
Centrums mit vulcanischen Ausbruchstellen besetzt. Jede Gleich-
gewichtsstörung der einzelnen Schollen verursacht gesteigerte
vulcanische Thätigkeit auf den Inseln und Erschütterungen des
Festlandes oder Siciliens.
Wird einmal dieser Vorgang der Senkung weiter vorge-
schritten sein, so werden die niedrigen Gneissberge des vatica-
nischen \'orgebirges , die Granitberge der Scylla und ein guter
Theil des peloritanischen Gebirges und der Madonien unter dem
tyrrhenischen Meere begraben sein, welches dann den Bruchrand
der westlichen Seite des Aspromonte nach gänzlicher Zerstörung
der tertiären Vorlagen gerade so bespülen wird, wie es heute den
westlichen Bruchrand des Cocuzzo bespült. Die Strasse von Mes-
sina wird erweitert sein, und von der heute noch aus den Trüm-
mern erkennbaren Umbeugung der jüngeren Gesteinszonen des
Appennin wird höchstens zwischen Ali und Taormina ein verein-
zeltes Bruchstück aufragen, als das östliche Vorgebirge der wesent-
lich verkleinerten Trinacria, dem Geologen als ein schwer zu lösen-
des Räthsel.
Dass durch ähnliche Vorgänge in einer früheren Zeit die
Abtrennung Sicilien's von Nord- Afrika sich vollzogen haben mag,
wird sich aus einem folgenden Abschnitte ergeben. Für jetzt ent-
nehmen wir diesen Erfahrungen, dass den Einbrüchen der West-
seite des Appennin die Anlage von Radialspalten nicht fremd ist,
und dass vermuthlich die grosse Anzahl von Ausbruchstellen in
den Liparen ihren Grund eben in der Convergenz dieser Radial-
spalten und ihrer gegenseitigen Verschneidung hat. So mag auch
der Untergrund der phlegräischen Felder beschaffen sein, und die
Neigung zur Verlegung der Ausbruchstellen läge dann in der
grösseren Beweglichkeit der keilförmigen Endstücke. Die be-
ständigeren und höher aufbauenden Einzelvulcane liegen mehr
gegen die Randkluft hin, vielleicht an den Durchschnittsstellen
von radialen Sprüngen und dieser Randkluft. ""^
Vulcanc von Central- Amerika. 1^5
C. Das Festland von Central- Amerika,
Die Vulcane des mittelamerikanischcn Festlandes sind von
den Feuerbergen von Quito ebenso selbständig, wie von dem
bogenförmig gekrümmten Zuge vulcanischer Berge in den kleinen
Antillen und von der quer über den Continent von West gegen
Ost verlaufenden Reihe der mexicanischen Vulcane. Sie beginnen
mit dem Vulcan Chiriqui in 8° 48' nördl. Br., verfolgen eine nord-
westliche Richtung bis zur Bucht von Fonseca, und von dieser an
eine etwas mehr westnordwestliche Linie bis nach Socomusco in
Mexico.
Man könnte also wohl von zwei Hauptzügen sprechen, welche
unter einem stumpfen Winkel in der Bucht von Fonseca sich ver-
einigen, aber beide Z\xg^ haben die merkwürdige Eigenschaft
gemein, dass die auf ihnen sich erhebenden, zum Theile riesigen
Vulcane in vielen Fällen auf deutlich erkennbaren Querspalten
stehen. Bald hat sich eine selbständige, meilenlange Querlinie
gebildet, wie in der Reihe von Chiquimula im östlichen Guate-
mala, bald zeigt nur der Bau des Gipfels die Verschiebung der
Ausbruchstelle, welche quer auf die Hauptlinie vor sich geht.
Dieses Bestreben, die alte Ausbruchstelle zu verlassen, ist all-
gemein.
Die Hauptlinie folgt, insbesondere westlich von der Bucht
von Fonseca, sehr nahe der pacifischen Küste; die Querlinien, auf
welchen sich die eruptive Thätigkeit verschiebt, laufen aber mehr
oder minder senkrecht auf diese Küste, und beinahe in allen Fällen
ist der südwestlichste, d. i. der pacifischen Küste zunächst liegende
Krater allein thätig.
Die Verschiebung erfolgt also auf kürzeren oder
längeren Querspalten in der Richtung gegen das paci-
fische Meer. Dieser Vorgang ist aber um so bemerkenswerther,
als er in gar keiner erkennbaren Verbindung mit dem Baue jener
Bruchstücke älteren Gebirges steht, welche in dieser Region vor-
handen sind.
Der südlichsten Ausbruchstelle, dem Chiri([ui, folgt gegen
Nordwest der Robalo, welcher noch nicht genauer untersucht zu
:*
I 1 6 Vom Chiriqui gegen Leon.
sein scheint, und hier trifift die vulcanische Hauptlinie auf die aus
Granit und Syenit bestehende Cordillere von Talamanca. Auf-
gerichtete und gefaltete Schichten von miocänem Alter begleiten
gegen Nord das granitische Gebirge, und gerade auf der Linie
der Vulcane erhebt sich der Pico Blanco zu 3620 M. Er wurde
selbst für einen Vulcan gehalten, bis Gabb ihn bestieg und zeigte,
dass sein Gipfel aus einem Gang von altem Porphyr besteht,
welcher aus dem abgewitterten Granit hervorragt/'
Die vulcanische Linie wird aber durch das Granitgebirge
nicht abgelenkt, sondern es sind demselben Vulcane wie der Monte
Lyon und wohl audtl der Ujum aufgesetzt/^ dann folgen die Vul-
cane Irazu und Turrialba, Zurqui, Barba und Poas.
Der Gipfel des Turrialba wird von Seebach als ein von Ost-
nordost gegen Westsüdwest, also quer auf die vulcanische Haupt-
linie verlaufender Rücken geschildert und als ein Typus jener
Vulcane, welche ihre Ausbruchstelle nach einer bestimmten Rich-
tung verlegen. Die jüngste, zugleich, wenn man den Kraterboden
vergleicht, niedrigste und heute noch thätige Ausbruchstelle liegt
gegen Westsüdwest/^ Gabb gibt die Höhe mit 3461 M. an.
,In dem Poas,* sagt Seebach, ,habe ich den complicirtesten
Vulcan gefunden, von dem ich bisher gehört. Ein Zwillingsvulcan
mit linear fortschreitenden Thätigkeitsaxen Merkwürdig ist bei
allen diesen Gesellen, dass sie, falls eine Hauptrichtung vorhan-
den, schief auf der Hauptrichtung der Kette stehen. Nur der
Zurqui, Rincon und Orosi machen eine Ausnahme.*^"
Die Linie der grossen Vulcane erreicht nun den pacifischen
Küstensaum und folgt demselben. Es erscheinen, um nur einige
der wichtigsten zu nennen, Guipilapa (Mira valles) , Rincon de la
Vieja, Orosi, im See von Nicaragua Omotepec, Zapateca u. A.,
dann Mombacho, die oft besprochene Gruppe des Masaya und
Nindiri, dann der Momotombo. In der folgenden Ebene von Leon
ragt eine grössere Anzahl von Kraterbergen empor. Vom Momo-
tombo bis zum Vicjo erheben sich in gerader Linie, und zwar auf
der Hauptlinie selbst, Las Pilas, Orota, Santa Clara und mehrere
ungenannte Kegel.
Die Vulcane von Axusco und Telica stehen ein wenig näher
gegen das Meer und scheinen einer zweiten, der Hauptlinie
Neue Vulcane bei Leon. 117
parallelen, also ebenfalls gegen Nordwest gerichteten Zone an-
zugehören.^'
Der letztgenannte, Telica, ist nach Seebach ein quer-
gestreckter Rücken mit fünf Krateren, von welchen wieder der
westlichste es war, der zur Zeit von Seebach's Besuch im Jahre
1864 noch schwache Dämpfe ausstiess.^^
Am II. und 12. April 1849 hörte man in der Stadt Leon
unterirdisches Grollen. Am 13. April Morgens bildete sich eine
Oeffnung an dem Fusse des längst erloschenen Vulcans Pilas.
Lavastücke wurden ausgeworfen und fielen frisch gegossenem
Eisen ähnlich zu Boden. Es folgte diesem unregelmässigen Aus-
wurfe das Hervorquillen eines grossen Lavastromes durch den
Rest des Tages, und um diese Zeit war der Boden fast ohne Er-
schütterung. Am 14. April hörte die Lava auf zu fliessen und es
begann eine lange Reihe stossweiser Eruptionen und das Hervor-
schleudern von Steinen. Squier, welchem ich diese Angaben ent-
lehne, besuchte die Stelle am 22. April und fand den neuen
Kegel 150 bis 200 Fuss hoch.-^^
Seither hat sich im November 1867 in der Nähe dieser Stelle
noch ein neuer Vulcan gebildet. Der Bericht von Dickerson über
diesen Vorgang ist so lehrreich, dass ich demselben einige Ein-
zelnheiten entnehmen will.^*
Am 14. November 1867, gegen i Uhr Morgens, begann die
Erscheinung mit einer Reihe von filxplosionen, welche in der Stadt
Leon deutlich bemerkt wurden, die etwa 8 Leguas westlich von
dieser Stelle liegt. Es entstand in der Erdrinde eine Spalte von
ungefähr einer halben (engl.) Meile Länge, welche beiläufig in der
Mitte zwischen den beiden Vulcanen Pilas und Orota von der vul-
canischen Hauptlinie gegen Südwest abging. Schon vor dem
Sonnenaufgange des 14. November sah man aus dieser Spalte an
verschiedenen Orten Feuer hervortreten. Die Explosionen folgten
einander bald in kurzen Zwischenräumen, bald je nach einer halben
Stunde, aber das dumpfe Geräusch, das unterirdische Grollen war
fast ununterbrochen. Nach einigen Tagen öffneten sich zwei Kra-
tere auf der neuen, gegen Südwest laufenden Spalte, welche etwa
1000 Fuss von einander entfernt waren; der eine, gegen Südwest
gelegen, warf vulcanische Massen in verticaler Richtung aus, der
I I 8 Neue Valcane bef Leon.
andere, j^ej^en Nordost, schleuderte sie schräge unter einem
Winkel von 45'' aus. Am 22. November wurden sie von Dickerson
besucht; damals hatte der Hauptkrater bereits eine Höhe von
etwa 200 Fuss und seine Oefifnung etwa 60 Fuss Durchmesser.
Am 27. November Nachmittags begann der Vulcan nach einer
Reihe der heftigsten Explosionen schwarzen Sand in grosser
Menge und schwerere Felsstücke auszuwerfen. Am nächsten Mor-
gen war weit und breit das Land mit einer Lage feinen schwarzen
Sandes bedeckt und eine weite leuchtende Wolke goss einen
Regen von Sand herab. Dieser Sandregen hielt bis zum Morgen
des 30. November an, dann erlosch der Vulcan, welcher durch
seine Ausbrüche erschöpft zu sein schien. So bedeckte der Sand
alles Land in einem Halbmesser von mehr als 80 Km. Zu Leon
war die Schichte Ys Zoll stark. Näher gegen den Vulcan hin stieg
die Mächtigkeit der Schichte und die Grösse des Kornes. Auf
eine englische Meile aus dem Krater stieg der Durchmesser des
Kornes auf % bis Yg Zoll und die Mächtigkeit erreichte i Fuss.
An der Basis des Kegels ist es nur ein Haufwerk von Blöcken von
4 — 5 Fuss Durchmesser.
Der Kegel selbst mass am Schlüsse der Eruption 200 Fuss
Höhe; der Durchmesser des Kraters war 200 Fuss und seine Tiefe
ebenfalls 200 Fuss. Ein langes Band von Schlacken erstreckt sich
gegen Nordost. Sechzehn Tage hatte der Ausbruch gedauert.
Der Sand bestand aus Bruchstücken von Schlacke, Chrysolith und
Feldspath. —
Dieser neue Kegel steht also abermals auf einer Querspalte ;
der hauptsächlichste Punkt der Thätigkeit, als welchen wir den
Krater mit verticaler Wurfrichtung anzusehen haben, lag wieder
gegen Südwest. Der fertige Kegel gleicht etwa dem Monte Nuovo
bei Fuzzuoli, indem er nur einen Ring von Auswürflingen darstellt
und der Boden des Kraters nicht wesentlich höher zu liegen scheint
als die umliegende Ebene. Ausserordentlich gross muss aber, nach
dem Volum der ausgeschleuderten Massen zu urtheilen, der zurück-
gebliebene Hohlraum gewesen sein, und doch erzeugten diese
grossen Massen nur einen Kegel von 200 Fuss Höhe. —
Kehren wir aber zurück zu der Verfolgung der vulcanischen
Hauptlinie.
Conseguina 1^9
Jenseits des Viejo, aber wieder etwas seewärts, ausserhalb
der Richtung der Hauptlinie, folgt nun der berühmteste Vulcan
dieser Region, der Conseguina, Seine Eruption vom 20. Januar
1835 gilt, vielleicht nicht mit Unrecht, als die grossartigste und
schrecklichste Erscheinung dieser Art in den letzten Jahrhunderten.
So unermesslich war die Masse ausgeworfener Theile des Erd-
innern, dass Dollfuss und Mont-Serrat, deren ausführliche Be-
schreibung der Vulcane von Guatemala und Salvador ich in dem
Nachfolgenden vielfach benutzt habe, auf Grund einer Sammlung
amtlicher Berichte dem von Asche und Bimsstein bestreuten Theile
des Meeres von Ost gegen West eine Ausdehnung von 2000 Km.
zuschreiben. In der ganzen Umgebung, noch in der Stadt S. Mi-
guel, welche doch 80 — 90 Km. vom Conseguina entfernt ist,
herrschte durch dritthalb Tage die vollste Finsterniss; die Aeste
der Bäume brachen unter dem Regen von Sand und Asche und
die Vögel fielen todt zu Boden. Selbst in der Stadt Guatemala,
beiläufig 350 Km. von der Ausbruchstelle, war die Sonne durch
einen dunklen Nebel getrübt und es dauerte daselbst der Aschen-
fall bis zum 31. Januar. Die Erschütterungen der Erdrinde aber
waren so heftig, dass sie sich mit erschreckender Gewalt gegen
Nordwest durch Guatemala bis nach Chiapas, gegen Nordost bis
Jamaica und gegen Südost bis Bogota fortpflanzten.^^
Wieder entsteht die Frage nach dem Ausmaasse des Hohl-
raumes, welchen dieser ausserordentliche Auswurf zurückgelassen
haben mag. —
Conseguina bildet, seewärts vortretend, die südliche Ab-
grenzung der Bucht von Fonseca, in deren Hintergrund der un-
thätige Vulcan auf der Insel Tigre und an deren Nordrand der
Conchagua sich erhebt, welcher nach langer Ruhe am 2^, Februar
1868 ausbrach. Mit dem Conchagua beginnt der zweite, etwas
mehr gegen West gerichtete Theil der mittelamerikanischen Vul-
canenreihe.
Das nördliche Guatemala besteht, wie an späterer Stelle aus-
führlicher gezeigt werden wird, eins einem Bruchstücke eines ein-
seitig gebauten Gebirgszuges, welcher gegen Ostnordost, ziemlich
quer über das nordamerikanische Festland streicht und seine
Fortsetzung in Jamaica und Haiti findet. Die nördlichste Zone
1 20 Aufeinanderfolge von Querlinien.
ist Kalkstein; ihr folgt eine Zone älterer Schiefergesteine, welche
im Hintergrunde des amatischen Golfes und östlich von demselben
das caraibische Meer erreicht; südlich von dieser taucht eine
schmale Granitzone nördlich von der Stadt Guatemala hervor und
folgt gegen Ostnordost eine Strecke weit dem Längenthaie des
Rio Grande. Alle südlicher folgenden Höhenzüge aber bis in die
Nähe der Bucht von Fonseca und bis zu einem grossen Abbruche,
welcher, schräge das Streichen des Gebirges durchschneidend,
nahezu dem Verlaufe der pacifischen Küste folgt, sind aus einer
Felsart zusammengesetzt, welche Dollfuss und Mont-Serrat als
^Porphyre trachytique^ bezeichnen. Der Kante und dem Ge-
hänge dieses schrägen und der pacifischen Küste parallelen Ab-
bruches sind die Vulcane von Salvador und Guatemala auf-
gesetzt.
Von diesen Vulcanen gelten aber alle jene eigenthümlichen
Kennzeichen, welche die Linie vom Chiriqui bis zum Conseguina
auszeichnen. ,Man bemerkt in der That,* sagen Dollfuss und Mont-
Serrat, ,dass man es nicht mit einer Serie vereinzelter Vulcane zu
thun hat, welche nach irgend einer mehr oder minder geraden
oder gebrochenen Linie gereiht wären, sondern mit einer Auf-
einanderfolge kleiner Systeme, welche von einander ziemlich
unabhängig und nach Entfernungen geordnet sind, die zwischen
verhältnissmässig ziemlich engen Grenzen schwanken. Jede dieser
Gruppen ist von einer mehr oder minder beträchtlichen Anzahl
von Kegeln und Krateren gebildet, die einen erloschen, die an-
deren noch thätig, gereiht nach einer geraden Linie, deren Rich-
tung annähernd senkrecht steht auf jener der vulcanischen Haupt-
axe.' ,. . . Es scheint daher, als hätte sich an jeder Ausbruchstelle
eine Spalte normal auf die Hauptspalte gebildet, auf welcher
(Querspalte) die vulcanischen Essen stehen, eine nach der anderen
gebildet durch einen fortschreitenden Gang der eruptiven Thätig-
keit. Dass dieser Gang stets in einer bestimmten und unverän-
derten Richtung erfolgt sei, können wir nicht behaupten, aber wir
bemerken dennoch im Vorübergehen und ohne für den Augenblick
hieraus einen Schluss ziehen zu wollen, dass in vielen Fällen, wenn
einer der Vulcane einer besonderen Gruppe noch thätig ist, der-
selbe an dem südlichen Ende des Systems steht.*
J6
Izalco. 12 1
Dem Conchagiia folgt in der Richtung gegen Westnordwest
auf der Hauptlinie der 2153 M. hohe thätige S. Miguel, bis zu
welchem sich vom Conchagua ein weites Lavafeld hinzieht. An
diesen reihen sich, ebenfalls auf der Hauptlinie, die kleineren Aus-
bruchstellen von Chinameca und der Vulcan von Tecapa, dann
der S.Vicente (2400 M.), hierauf der See von Ilopango, aus dessen
Mitte im Februar 1 880 ein neuer Vulcan hervortrat. Rockstroh
hat denselben anschaulich beschrieben.^^
Den See umgeben steile Wände älteren Gebirges. Land-
einwärts gegen Nordnordost liegt der kleine erloschene Vulcan
von Cojutepeque.
Jenseits des Sees von Ilopango erhebt sich die vulcanische
Gruppe von San Salvador, dann, ziemlich auffallend gegen das
Meer vorgeschoben, der merkwürdige Izalco (21, Fig. 5).
K. von Seebach, dessen ausgedehnte Arbeiten in diesem Ge-
biete bisher nur in einzelnen, allerdings höchst werthvoUen Bruch-
stücken in die Oefifentlichkeit gelangt sind, hat eine lehrreiche
Beschreibung desselben geliefert.^^
Dieser Vulcan ist, wie die genannten Ausbruchstellen bei
Leon, wie der JoruUo und der Monte Nuovo, ganz in historischer
Zeit entstanden, und zwar seit dem 29. März 1793. Kr liegt gegen
Südwest vor dem erloschenen Cerro Redondo und ist seit seiner
Entstehung mit geringen Unterbrechungen thätig; durch viele
Jahre hat er ebenso regelmässige rhythmische Eruptionen gezeigt
wie der Stromboli. Er erhebt sich nach Seebach 597 M. über das
Meer und 292 M. über den Boden der Kirche zu Izalco. Hieraus
berechnet Seebach das Volum des Kegels mit 26*88 Millionen
Kubikm. und bei fortwährend gleichmässiger ITiätigkeit seit 1 793
den Auswurf auf 07 Kubikm. per Minute. Thatsächlich dürfte
das Volum der ausgeworfenen Massen jedoch noch weit grösser
sein, weil bei heftigeren Ausbrüchen nur ein geringer Theil zum
Aufbaue des Kegels dient und der Rest weit über Land und
Meer hingetragen wird.
Eine genauere Vergleichung der jenseits deslz^ilco liegenden
Vulcane wird erst nach Veröffentlichung von K. von Seebach's
Arbeiten thunlich sein; einstweilen aber mag die beifolgende, nach
DoUfuss und Mont-Serrat entworfene Skizze zeigen, bis zu welchem
Grade die Querspalten zur PZntwicklung gelangen. Hier steht vor
Allem die lange Reihe der Vulcane von Chiquimula (14 — ib) und
jene von Cerro Redondo ([2, 13), beide nur erloschene Kratere
umfassend, auf der Hauptlinie dann der thätige Pacaya (i 1) und
der hohe, durch den verheerenden Ausbruch von Wasser im
Jahre 1541, wahrscheinlich den Bruch und die Entleerung eines
Kratersees, bekannte Vulcan d'Agua. Es folgt die mächtig Quer-
linie des V. de Fuego (7, 8, 9) mit dem thätigen Schlünde an dem
südwesdichen Ende, hierauf die ebenfalls riesige Gruppe des
V. d'Atitlan {4, 5, 6), abermals mit der thätigen Esse am südwest-
lichen Ende, dann der erloschene V. S. Pedro (3), endlich an der
mexicanischen Grenze die beiden Ausbruchstellen von Quezalte-
nango (i, 2), von welchen ausnahmsweise der vom Meere ent-
ferntere, nordöstliche Schlund thätig ist.
Auf der ganzen Linie von Chiriqui im Südosten bis zur Bucht
von Fonseca und bis an die mexicanische Grenze im Nordwesten
i%"iederfaoli sich also oftmals die Erscheinung:, dass die \ ulcane
entweder auf länj^eren selbständigen Ouerlinien stehen, >YeIche
die Hauptiinie in rechtem oder spitzem Winkel tretlen, oder es
zeigt sich in den einzelnen \'ulcanen selbst das Bestreben, ihre
Ausbruchsstelle quer auf die Hauptlinie zu verschieben, und
zwar erfolsrt diese Verschiebun^r, wie es scheint, in allen
Fällen, mit Ausnahme des Cerro Ouemado in der Gruppe von
Ouezaltenango im äussersten Nordwesten, in der Richtung
gegen das pacifische Meer.
Diese Wrschiebung erfolgt aber ziemlich rasch und sind im
Laufe der letzten hundert Jahre bereits einige neue Ausbruch-
stellen in dieser Richtung geöftnet worden, abgesehen von den
zahlreichen Erschütterungen des Bodens und den Ausbrüchen aus
den bestehenden Essen, welche die, man könnte fast sagen, ununter-
brochene Bewegung der Erdrinde in diesen Regionen verrathen.
In Bezug auf eine der heftigeren unter den neuen Er-
schütterungen, jene vom 19. December 1S62 und den folgenden
Wochen, hat P. Lizarzaburu die merkwürdige Erfahrung geschöpft,
dass dieselbe nicht von einem einzigen Punkte, sondern von einem
grossen Stücke der Hauptlinie, und insbesondere von dem Vulcan
d'Atitlan, dem V. de Fuego und dem Izalco auszugehen schien.
In der Nähe dieser drei Vulcane traten die grössten Verheerungen
ein. Auf dem magnetischen Observatorium zu Guatemala begann
die erste und heftigste Erschütterung am 19. December i8()2
7** 25' pm. mit einem Stosse aus Südwest, das ist aus der Rich-
tung zwischen Atitlan und Fuego, und es folgte sofort eine Be-
wegung aus Südsüdost, also beiläufig aus der Gegend des Izalco.
Am 20. December trafen weitere Erschütterungen aus Südsüd-
ost ein. Nach einer Unterbrechung bis zum 26. December er-
neuerten sich die Stcisse aus Südwest, und diese hielten bis in die
zweite Hälfte des Monats Januar an.^*^
Die Uebereinstimmung dieser Angaben mit den Beobach-
tungen über das Wandern der Stosspunkte auf der calal>rischen
Hauptlinie besteht vor Allem darin, dass in beiden (icbi(l(*n
gleichsam unter unseren Augen grosse und zusammenhängende
Bewegungen der Erdrinde sich vollziehen und noch weit grösserem
sich vorbereiten. Während aber in Calabrien die deutlichsten
124 Angebliche Erhebungen Südamerika's.
Anzeichen dieser Vorgänge auf der peripherischen Randkluft her-
vorgetreten sind, zeigt sich in Mittelamerika auf der ganzen langen
Erstreckung vom Chiriqui bis an die mexicanische Grenze, erst
schräge über das Festland, dann längs der pacifischen Küste, von
8° 48' bis gegen den 15. Breitegrad an zahlreichen Beispielen das
Bestreben nach weiterer Ausbildung von Querspalten in der Rich-
tung des pacifischen Oceans. Diese Querspalten dürfen mög-
licher Weise im Sinne von Radialsprüngen aufgefasst werden,
welche entweder einem sehr grossen, zusammenhängenden, oder
zweien, in der Nähe der Bucht von Fonseca zusammentreffenden
Senkungsfeldern angehören. Der Vorgang würde dann bestehen in
der Oeffnung von Radialsprüngen von aussen gegen innen.
Dabei greift die längste dieser Radiallinien, jene von Chiquimula,
weit über die sonst ziemlich deutlich ausgesprochene peripherische
Zone hinaus.
Ein sehr grosser Theil der pacifischen Seite von Mittel-Ame-
rika ist hier im Absinken begriffen. Dieses Absinken erfolgt quer
auf das Streichen des aus Granit und geschichteten Felsarten
bestehenden Kettengebirges, welches gegen Jamaica und Haiti
hinüberstreicht, und lässt nicht den geringsten Zusammenhang mit
der Structur dieses Gebirges erkennen.
D. Die Angaben über rhapsodische Erhebungen der süd-
amerikanischen Westküste,
In Calabrien wurden bei heftigeren Erdbeben auf der Strasse
liegende Steine in die Höhe geschnellt. Bei dem chilenischen Erd-
beben vom 7. November 1837 soll ein Mastbaum, welcher mit
seinem unteren Ende angeblich 10 Meter tief in die Erde ver-
senkt und von eisernen Klammern festgehalten war, ohne Zer-
störung der Oeffnung in der Erde aus derselben hervorgestossen
worden sein.^° A. v. Humboldt erzählt sogar, dass bei der Zer-
störung von Riobamba im Jahre 1797 durch die , minenartige Ex-
plosion' des senkrechten Stosses viele Leichname der Einwohner
auf den mehrere hundert Fuss hohen Hügel la Cullca, jenseits des
Flüsschens von Lican, geschleudert wurden.^'
Vulcane und Terrassen. I 2 ^
Diese Erscheinungen gleichen in der That sehr wenig jenen
Bewegungen der Erde, durch welche Gebirge erzeugt worden
sind, und noch weit weniger jenen vermeintlichen ausgedehnten,
gleichförmigen und langsamen Bewegungen der Erdfeste, welche
als ,continentale, säculare Schwankungen* bezeichnet wer-
den. Sie deuten vielmehr auf plötzliches, locales Aufschnellen,
vielleicht ein Aufprellen durch Entlastung. Dass sich dabei eine
bleibende, wenn auch geringe Ortsveränderung gegen aufwärts
vollziehe, ist von vorneherein gar nicht unwahrscheinlich, aber um
so merkwürdiger ist die Thatsache, dass eine solche dauernde
Veränderung zwar oft behauptet, aber bis heute kaum irgendwo
mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist.
Der bekannteste, in den Lehrbüchern am häufigsten ange-
führte, angeblich am sichersten nachgewiesene Fall betrifft die
vermeintliche wiederholte Erhebung der westlichen Küste Süd-
amerika's bei grossen Erdbeben. Diesen will ich versuchen, nach
den vorliegenden Berichten zu prüfen.
Allerdings muss vorausgeschickt werden, dass gerade hier
die äusseren Verhältnisse in besonderem Maasse geeignet sind,
den Beobachter von vorneherein der Annahme wiederholter rhap-
sodischer Erhebungen günstig zu stimmen.
Zunächst erhebt sich parallel dieser durch so viele Breiten-
grade fast geradlinig verlaufenden Küste eine der grössten Vulcan-
linien der Erde, und schon dieser Umstand konnte zu einer Zeit,
in welcher die Ansichten über den Zusammenhang von Vulcanis-
mus und Erhebung von den heutigen verschieden waren, einigen
Einfluss auf das Urtheil üben.
Ferner ist diese Küste auf lange Strecken hin umgürtet von
abgestuftem Schuttlande, in welchem über dem heutigen Meeres-
spiegel Conchylien angetroffen wurden. Diese Terrassen zeigen
ohne Zweifel beträchtliche Veränderungen in der Lage des
Strandes an, aber irgend eine ursachliche Verknüpfung mit
den heutigen Erderschütterungen ist nicht ersichtlich; sie ge-
hören einer vergangenen Zeit an und sollen an einer späteren
Stelle als ein Theil einer noch sehr weit über den Schütter-
kreiß dieser Beben hinaus verbreiteten Erscheinung besprochen
werden.
120 Bewegung^ von Sediment.
Endlich ist der Fuss dieser Küste an vielen Stellen mit
Küchenüberresten belegt, und diese sind sogar an manchen Orten
heute noch in Ablagerung begriffen.
Als Darwin im Jahre 1835 diese Küsten besuchte, besass
man nur wenig Erfahrungen über die ausserordentliche Verbrei-
tung solcher Reste, und allerdings musste es im höchsten Grade
befremden und konnte es von ihm immerhin nach den damaligen
Erfahrungen als ein Zeichen junger Hebung angesehen werden,
als er auf der Insel S. Lorenzo bei Callao, 85 Fuss über dem
Meere, in einer Lage von Meeresconchylien einen Faden, Stücke
von Flechtwerk und andere Spuren menschlicher Thätigkeit an-
traft' Dana, welcher einige Jahre darauf die Stelle besuchte, hat
dies bereits aufgeklärt/^
Bevor ich nun weiter an die Aufzählung der Berichte aus
Südamerika schreite, mag an den Umstand erinnert werden, dass
die seismischen Wellen des Oceans, so wie sie aufreissend und
zerstörend über das Festland sich wälzen, so auch ausserordent-
liche Mengen von losem Sediment vom Meeresgrunde heben und
fortbewegen. Nach der grossen Ueberfluthung von Callao am
28. October 1746 blieben auf den Trümmern der zerstörten Stadt
grosse Haufen von Meeressand und Gerollen zurück.'*^ Wo eine
Insel die seismischen Wogen zertheilt oder wo sonst zwei seismisch
erregte Strömungen sich treffen, entsteht auf diese Art leicht
neues Land. Davon bietet Ostindien ein grosses Beispiel. An der
Malabar-Küste wurde nördlich von Cochin im Jahre 1341 bei
einem grossen Erbeben die Insel Vaypi aufgeworfen. Sie besteht
aus Seesand und aus denselben Sedimenten, welche heute von
den Ghäts in die flachen Districte von Malabar h^rabgetragen
werden. Zugleich wurde das Gebiet der Mündung des Flusses
Cochin gänzlich verändert, und so gewaltig war der Eindruck dieser
Naturerscheinung auf die Hindus, dass sie von ihr eine neue Zeit-
rechnung ,Puduvepa* (Neue Einführung) zählten.'*'^
Nun kehren wir nach Südamerika zurück, und zwar zunächst
zu den von Tschudi gesammelten Beobachtungen über angebliche
wiederholte Hebung und Senkung des Landes um Callao.
Von den Küchenresten von Callao ist bereits die Rede, ge-
wesen. Ausser auf diese beruft man sich auf den Umstand, dass
Callao; Valparaiso 1822. I27
die heute zwei Seemeilen vom Festlande entfernte Insel S. Lorenzo
demselben bald näher gewesen sei, bald weiter von demselben
abgetrennt. Im Jahre 1742 sei die Entfernung beiläufig dieselbe
gewesen, wie heute; bei dem grossen Erdbeben von i 746 sei eine
Versenkung der wStadt eingetreten; durch eine Hebung der Küste
sei 1760 die Insel dem Lande wieder so nahe gebracht worden,
dass die Jungen mit Steinen hinüberwerfen konnten. Zwischen der
Insel und dem Festlande liege eine Untiefe, ,Camotal* genannt,
weil man einst auf ihr, als sie trocken lag, Camote, das ist Kar-
toffel gebaut habe. *''
Es handelt sich hier um eine Landzuncre zwischen S. Lorenzo
und dem Festlandc, welche bald, sei es durch langsame Verlan-
dung oder durch plötzliches Hinwerfen von Sediment, gebildet,
bald, vielleicht von einer darüber stürzenden seismischen Woge
wieder durchrissen und zerstört wurde. Eine Schwankung des
Festlandes folgt hieraus nicht. Die Berichte von 1746 sprechen
auch nicht von einer Versenkung der Stadt, sondern beschreiben
im Gegentheile deutlich das Heransteigen und endliche I linstürzen
der Meereswoge über das Land. —
Jene Angaben, welche die meiste Verbreitung gefunden
haben, betreffen die Erschütterungen einzelner Theile Südame-
rika*s in den Jahren 1822, 1835 und 1837.
Das Erdbeben vom ig. November 1822 schien seinen Aus-
gangspunkt nordöstlich von Valparaiso zu haben. Der mass-
gebende Bericht über die gleichzeitige Erhellung des Landes ist
ein Brief von Mrs. Maria Graham, welchen die geologische Ge-
sellschaft in London veröffentlicht hat. Diesem Briefe zufolge
schien es am nächstfolgenden Morgen, als sei die ganze Küste
auf eine Enstreckung von mehr als 100 Miles über ihr früheres
Niveau erhoben. In Valparaiso habe die Aenderung etwa 3 Fuss
betragen, zu Ouintero beiläufig 4 P'uss. Bei Hochwasser habe man
das alte Bett des Meeres trocken gesehen, mit Austern und
anderen Muscheln haftend auf dem Felsen, auf welchem sie ge-
wachsen waren, jedoch todt und sehr üble Gerüche verlireitend.^'
Spätere Beobachtungen von Dr. Meyen und And^rn-n über-
gehe ich, weil sie erst Jahre lang nach dem Ereignisse gemacht
wurden und kaum Neues hinzuführen.
128 Widersprechende Berichte.
Den bestimmten Angaben von Mrs. Graham stehen aber
ebenso bestimmte gegentheilige Angaben entgegen, deren
wichtigste allerdings erst im Jahre 1835 veröffentlicht wurden; es
sind dies Briefe von Capitän Belcher, Lieutenant Bower und
dem bekannten Malacologen Cuming an dieselbe geologische
Gesellschaft/^
Capitän Belcher bezweifelt, dass irgend eine Veränderung
des Niveau's eingetreten sei, welche die dortigen Sondirungen be-
einflusst hätte, weil bei den an der chilenischen Küste stationirten
königlichen Schiffen keine Anzeige dieser Art eingelaufen sei,
was gewiss geschehen wäre, wenn die Sache den ansässigen Eng-
ländern von Bedeutung erschienen wäre. Lieutenant Bower war
im Februar 1823 in Valparaiso und hat dort Alles in demselben
Zustande gefunden, wie ein Jahr zuvor, doch ist seit dem Erd-
beben das Wasser allmälig zurückgetreten zwischen der Landungs-
stelle und dem Marktplatze, und es ist eine Reihe fester Gebäude
errichtet, wo früher das Meer floss.
Herr Cuming war in Valparaiso vom Januar 1822 bis 1827
und mit wenig Unterbrechungen bis 1 83 1 . Er war Zeuge des Erd-
bebens; sein Haus wurde zerstört. Er hörte, dass das Meer sich
zurückgezogen habe und mit grosser Macht wiedergekehrt sei;
als er am nächsten Morgen an den Strand kam, bemerkte er die
Wirkungen, sah aber in Bezug auf das Meer nichts als hohe Fluth.
Er hat nicht von einer Erhebung der Küste oder von einzelnen
Felsen gehört; weder er, noch seine Freunde könnten den An-
gaben Mrs. Graham's zustimmen. Er habe vor und nach dem Erd-
beben und bis zum Schlüsse seines Aufenthaltes an den Felsriffen
der Bucht Fuci, Patellae, Balanen u. s. w. gesammelt, ohne jemals
eine Aenderung wahrzunehmen. Die Ansicht, dass das Land sich
erhoben hat, möge daher rühren, dass seit dem Erdbeben eine
Anhäufung von Detritus an einer Stelle stattgefunden habe, welche
vor dem Erdbeben von der Fluth erreicht wurde, und auf welcher
Häuser und sogar kleine Strassen errichtet wurden. Der grösste
Theil dieser Anschwemmung sei jedoch erst im Juni 1827, also fünf
Jahre nach dem Erdbeben, durch heftige Regen erzeugt worden,
welche den losen granitischen Boden der nächsten Gehänge her-
abtrugen.
Hienach halte ich die Discussion über den ersten Fall, das
Erdbeben von 1822, für erledijjt.
Der nächste Fall betrifft das Erdbeben von Concepcion
vom 20. Februar 1835.
FiR. ö. Schiiu|i!a(7 .ia Enllit-Iicn
vom 20. Ffbruar iH.l;
|n.ir!i Cqnclu i T0..1).
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Schauplatü der wich-
tigsten Begebenheiten. Enr. Concha i Toro hat den geologischen
Bau desselben kürzlich beschrieben. Die Küste besteht hier,
zwischen 36° 30' und 37° ;iO, aus den alten Felsarten der chile-
nischen Küstencordillere, auf welchen Schollen der Kreideforma-
tion, der Tertiärformation und von quaternären Ablagerungen
Hegen.'''
I ßO Fitzroy's Bericht.
Nördlich von der Stadt Concepcion liegt die Bahia de
Talcahuano, auch Bucht von Concepcion genannt, an dem
südöstlichen Ufer derselben die alte Hauptstadt Penco, gegen
Nordost der baculitenreiche Grünsandstein von Tome. Die
Insel Quiriquina legt sich quer über einen grossen Theil der
Bucht.
Gegen Südwest von Concepcion befindet sich die viel aus-
gedehntere Bahia de Arauco, westwärts begrenzt durch Punta
Lavapies, deren Fortsetzung die Isla de S. Maria bildet. Kreide-
schichten bilden die Meeresküste gegen F. Lavapies hinaus und
ebenso fortstreichend die Mitte der Isla de S. Maria; westlich von
diesem Kreidestreifen besteht die Insel aus tertiären, östlich von
demselben aus quaternären oder noch jüngeren Bildungen. Oest-
lich von F. Lavapies mündet der Rio Tubul.
Capitän Fitzroy, in dessen Gesellschaft bekanntlich Ch. Dar-
win auf dem ,Beagle' reiste, befand sich an dem verhängniss-
vollen Tage in Concepcion und hat einen anschaulichen Bericht
über das Ereigniss erstattet. *^°
Dieser Bericht beginnt mit der Angabe, dass am 20. Februar
1835, um 10 Uhr Vormittags, die Bevölkerung überrascht wurde
durch den ganz ungewohnten Umstand, dass sehr grosse Züge
von Seevögeln sich landeinwärts bewegten. Um 1 1 Uhr 40 Mi-
nuten trat die erste Erschütterung in Concepcion ein, gleich
darauf die allgemeine Zerstörung. Der Stoss schien aus Südost zu
kommen. Das niedrige und lose Land wurde mehr zerrüttet und
schien sich von den festeren Bergen zu lösen. In Talcahuano und
Fenco traten dieselben Erscheinungen ein.
Eine halbe Stunde nach dem Hauptstosse hatte sich das Meer
so weit zurückgezogen, dass selbst Fahrzeuge, welche in 7 Faden
ankerten, trocken lagen. Alle Felsen und Untiefen in der Bucht
von Talcahuano waren sichtbar. Dann drängte sich eine ungeheure
Welle durch die westliche Strasse zwischen Quiriquina und dem
Festlande, bis zu 30 Fuss über Hochwasser Alles vor sich hin-
fegend. Es folgte eine zweite noch grössere und noch mehr brau-
sende Woge, endlich nach einigen Minuten die dritte und mäch-
tigste. Erschöpfung schien zu folgen. Erde und Wasser zitterten.
Durch drei Tage noch ebbte und fluthete die See ganz unregel-
Angebliches Zurücksinken des Landes. i 1 I
massig und häufig. Einige Stunden nach dem Ereignisse stieg und
fiel sie zwei- oder dreimal in der Stunde.
Oestlich von Quiriquina trat eine schwächere Welle ein. In
derselben Zeit meinte man an einigen Orten jenseits Quiriquina
und in der Bucht von S. Vincente rauchartige Eruptionen im Meere
wahrzunehmen. Es folgte denselben ein Wirbel, als würde die
See in eine Höhlung sich ergiessen.
^Diirch einige Tage nach der Zerstörung,^ sagt Fitzroy weiter,
yStieg das Meer nicht bis {ii den gewöhnlichen Marken, um 4 bis
5 Fuss vertical. Einige dachten, das Land sei gehoben worden,
aber der allgemeine und vorherrschende Gedanke war, dass das
Meer sich yiirückgeiogen habe. Diese Differenz perminderte sich
allmälig, bis Mitte April nur eine Differen{ von 2 Fuss ^wischen
den thatsächlichen und den früheren Hochwassermarken bestand,^
Der Beweis, dass das Land sich erhoben habe, liegt in der
Thatsache, dass die Lnsel S, Maria um g Fuss gehoben wurde. '
Die Erhebung des südlichen Endes dieser Insel betrug 8 Fuss,
der Mitte 9 Fuss, des Nordendes 10 Fuss. Die Insel wurde zwei-
mal besucht, Ende März und Anfangs April. Das erste Mal wurde
die Erhebung von 8 Fuss ermittelt; später tauchten Zweifel auf
und man kehrte nochmals zurück und bestätigte auf verschiedene
Art die erste Beobachtung. Bei Tubul, am Festlande, betrug die
Erhebung 6 Fuss.
So weit die wesentlichsten Angaben von Fitzroy; Darwin war
zur selben Zeit in Valdivia.
Man ersieht hieraus, dass auf einer Linie von Tubul am Fest-
lande nordwärts längs der Insel S.Maria sich Verschiedenheit zeigte,
und zwar 6 Fuss in Tubul, dann steigend 8, 9 und 10 Fuss auf
S. Maria; ferner, dass bei Talcahuana die Differenz anfangs 4 bis
5 Fuss betrug und sich bis Mitte April auf 2 Fuss minderte; ferner,
dass auf S. Maria die letzten Beobachtungen Anfangs April ge-
macht wurden. In einem späteren Berichte sagt Darwin: ,Es er-
scheint aus den Untersuchungen des Capitän Fit^roy, dass sowohl
die Insel S. Maria als Concepcion im Laufe einiger Wochen sich
senkten und einen Theil ihrer ersten Erhebung verloren/^'
Caldcleugh, welcher ebenfalls als Augenzeuge über diese
Vorgänge berichtet hat, schreibt: , Beide, Capitän Fit^roy und
o*
1^2 Alte Bauten bei Penco.
Capitän Simpson von der chilenischen Flotte, sind der Meinung,
dass die Erhebung des Bodens sowohl auf der Insel als in Con-
cepcion ^ur Zeit des Erdbebens bedeutend grösser gewesen sei, und
dass die vielen folgenden kleineren Oscillationen eine Senkung bis
lu dem oben genannten Niveau (8 — lo Fuss) herbeigeführt haben
mögen /^^
Nicht lange nach Fitzroy, am 3. Mai 1835, ankerte Capitän
Coste bei S. Maria; auch er fand 9 Fuss weniger Ankergrund als
im Vorjahre. Am Ufer sah er auch ähnliche Spuren wie Fitzroy,
stellte aber leider keine genaueren Messungen an.^^
Zugleich mit den Berichten der Forscher des Beagle wurden
der geologischen Gesellschaft ein Bericht von Don Mar. Rivero
und ein Brief von Col. Walpole vorgelegt, welche sich Beide
gegen jede in Chile während dieses Erdbebens vorgekommene
Niveauänderung aussprachen.^^
Selbst Ch. Lyell, der eifrigste Vertreter der Ansicht von der
Erhebung des Festlandes, hat sich später zu der Bemerkung ver-
anlasst gesehen, dass die geringe Höhe der alten Bauten von
Penco über dem Meere geeignet sei, die Meinung über eine
dauernde Erhebung dieser Küste zu beirren und einiges Licht auf
die in den letzten Jahren geäusserte Meinung zu werfen, dass an
der chilenischen Küste die Neigung vorhanden sei, nach jeder
Erhebung allmälig wieder zurücksinken und in die frühere Lage
zurückzukehren. ''5
Unter diesen Umständen sind aber alle Schlussfolgerungen,
welche die Vertheidiger der Elevationstheorie gerade an diesen
Fall geknüpft haben, hinfäUig und drängt sich die Frage auf, ob
diese vorübergehende und nicht beträchtliche Differenz nicht doch
weit einfacher durch die überaus heftige Erschütterung des Meeres
zu erklären sei. Zwischen P. Lavapies und S. Maria tritt heute eine
ansehnliche Strömung in den Golf von Arauco ein, um denselben
nordwärts wieder zu verlassen ; es bleibt die Frage, ob dieselbe für
einige Zeit abgelenkt sein mochte, und ob etwa auch hiedurch eine
vorübergehende Niveaudifferenz herbeigeführt werden konnte.
Die Angaben über eine weitere Erhebung des Landes wäh-
rend des Erdbebens von Valdivia am 7. November 1837
beschränken sich auf eine Mittheilung des Capitän Coste über die
Valdivia, iSSy. I^^
Insel Lemus im Chonos- Archipel. Als dieser am 1 1 . December
desselben Jahres die Insel besuchte, traf er den Meeresgrund
um mehr als 8 Fuss erhoben; Felsen, welche sonst stets das
Meer bedeckte, waren entblösst, eine grosse Menge von in Zer-
setzung begriffenen Conchylien und Fischen bedeckte den Strand,
welchen entwurzelte und vom Meere herbeigetragene Bäume in
grosser Zahl umgaben. Capitän Coste sah darin Spuren entweder
einer raschen Erhebung des Meeres oder von Oscillationen des
Meeres.^^
Diese letztere Frage aber scheint mir die entscheidende; es
müsste vor Allem bekannt sein, ob wirklich Felsen, oder ob Sand-
bänke trocken gelegt wurden, und bis zu welchem Grade das
Meer, welches die Bäume herbeitrug, auch durch herbeigeschlepp-
tes Sediment etwa die Tiefe verringert habe. Auch bei diesem
Erdbeben war die Bewegung des Oceans so bedeutend, dass auf
den Gambier-Inseln, auf einzelnen der Tonga- und auf den Samoa-
Inseln Hochfluthen eintraten. Auf Wawau in der Tonga-Gruppe
wurde die ausserordentliche Erregung des Meeres durch 36 Stun-
den bemerkt."
Es gibt aber an mehreren Punkten der westlichen Küste
Südamerika's ältere Bauwerke, welche jeder beträchtlicheren Er-
hebung des Bodens von vorneherein widersprechen Die Grab-
hügel und Spuren alter Bauwerke, welche Bibra in der Algodon-
Bay 40 — 50 Fuss über dem Meeresspiegel traf, führten diesen
Beobachter zu demselben Schlüsse ,5*^ und ebenso Dav. Forbes,
als er an der bolivischen Küste zahlreiche indianische Tumuli
kaum 20 Fuss über dem Meere sah.'^'^ Ja für Valparaiso selbst hat
Darwin betont, es lasse sich aus den dortigen Bauwerken der
Beweis führen, dass seit 220 Jahren die grösste mögliche Er-
hebung 1 5 Fuss nicht überschreiten konnte.*^
Die berufenste Autorität in dieser Frage, Professor R. Phi-
lippi in S. Jago, hat schon vor Jahren in seiner Beschreibung der
sogenannten Wüste Atacama hervorgehoben, dass er keine That-
sachen gefunden habe, welche auf eine neue, in historischer Zeit
eingetretene Hebung dieser Gegend hinweisen würden, und hat
seither ausdrücklich bemerkt, dass nach der gewaltigen Erschüt-
terung von Arica am 1 8. August 1 868 weder von der peruanischen
j 7 j. Phnippi'-s Meinaog.
noch von der chilenischen Küste Berichte über Hebungen oder
Senkungen des Bodens eingelangt seien/' Derselbe hat übri-
gens auf meine Bitte die Güte gehabt, nochmals Umfrage zu
halten, und schreibt mir am 12. Juni 1882: , Leider haben meine
diesfalligen Erhebungen kein Resultat gehabt. Es gibt noch gegen-
wärtig in Chile wenige Personen, die sich für wissenschaftliche
Fragen interessiren, und im Jahre 1835 gab es deren noch weniger;
die I lafencapitane aber und die Seefahrer der damaligen Zeit sind
längst todt. Ich muss wiederholen, dass mir keine neueren Er-
hebungen der chilenischen Küste bekannt geworden sind, aber
ich habe in Talcahuano und Corral mehrfach erzählen hören, dass
das Erdbeben von 1835 Veränderungen des Meeresgrundes her-
vorgebracht habe, und dass an einzelnen seichten Stellen, welche
d«;n Mschern wohlbekannt sind, die Höhe der darüber stehenden
Wassersäule abgenommen habe. Diese Behauptungen der Fischer
sind meines Erachtens kein voUgiltiger Beweis; diese Leute achten
wenig auf bestimmte Daten, und es ist z. B. in dem Meerbusen
von Corral leicht möglich, dass die Anschwemmungen des Valdivia-
E'lusses ein Seichterwerden des Meeres, und zwar ziemlich allmälig
bewirkt haben, welches, als es sehr auffallend geworden war, dem
erwähnten Erdbeben zugeschrieben wurde. Es gibt eine Menge
Leute, auch unter den Gebildeten, die bei der Erklärung einer
E>scheinung niemals die einfachste und natürlichste Ursache an-
nehmen.*
,Auch vom Hafen von Ancud wird allgemein behauptet, sein
Grund habe sich in Folge des Erdbebens von 1835 verändert;
von einer Erhebung der ganzen Küste habe ich nichts gehört.
Dies ist freilich kein Beweis dagegen, denn eine unbedeutende
Erhebung derselben um wenige Fuss würde den Anwohnern kaum
besonders aufgefallen sein. . . .*
Nach einer ausführlichen Darlegung über Küchenreste und
alte Strandlinien, welche an späterer Stelle besprochen werden
sollen, sagt Professor Philippi weiters: , Offen muss ich gestehen,
dass ich in Folge meiner Beobachtungen und Erfahrungen wenig
geneigt bin zu glauben, dass die Anden und andere hohe Ge-
birge lediglich in Folge von vielen Tausenden solcher Erdbeben,
die jedes den Boden um ein paar Zoll oder ein paar Fuss,
Darwin's Folgerungen. '35
wenn es hoch gekommen wäre, emporgehoben hätten, entstan-
den sind.'
Dies führt uns zu den weittragenden F'olgerungen, welche
vor Jahren aus den Beobachtungen in Chile gezogen worden sind.
Das Erdbeben vom 20. Februar 1835 hat in der That die
Anregung zu einer der bedeutendsten Schriften über die Erhebung
der Gebirge gegeben, ja, fast möchte ich sagen, zu dem einzigen
auf directe Beobachtung der Natur gestützten Versuche, die
älteren Ansichten von der Kraft, welche die Gebirgsketten auf-
gerichtet haben soll, näher zu ermitteln. Ihr Verfasser ist Charles
Darwin." Es ist seit jener Zeit kein zweiter, oder doch kein Ver-
such von gleicher Bedeutung in dieser Richtung gemacht worden.
Heute, nach fast einem halben Jahrhunderte, ist es wohl gestattet,
anders über diese Fragen zu urtheilen und dennoch die Kühnheit
der Verallgemeinerungen anzuerkennen, welche damals schon den
grossen Meister verrieth.
Darwin sah die erwachende Thätigkeit der Vulcane während
und nach dem Erdbeben; er glaubte die wenn auch ungleich-
förmige Erhebung des festen Landes zu sehen; er sah ferner die
Terra.ssen längs der Küste. Er wusste aber auch, dass ähnliche
Terrassen die Ostküste Südamerika's begleiten, wo es keine Vul-
cane und keine Erdbeben gibt. Die Erdbeben mussten daher
seinem Auge als die örtliche AeusscRing einer allgemeinen Kraft
erscheinen. Die säculare Contraction der Erde, welche damals
schon von Einzelnen betont wurde, schien mit Recht Darwin voll-
ständig ungeeignet, um jene intermittirenden Erhebungen zu er-
klären, welche die Terrassen ihm anzeigten, und so gelangte er
zu dem Schlüsse, ,dass die Gestalt der flüssigen Oberfläche des
Erdkernes irgend weichem Wechsel unterworfen ist. dessen Ur-
sache gänzlich unbekannt, dessen Wirkung langsam, iutermittirend,
aber unwiderstehlich ist'.
Legen wir nun vor uns eine Karte von Südamerika und
denken wir uns den grossen Continent von Nord nach Süd nach
der ]Jnie der grössten Länge, und ebenso von Ost nach West
nach der grössten Breite in vier ungleiche Theile getheilt. Ent-
nehmen wir ferner einem späteren Abschnitte hier schon die That-
sache, dass die Terrassen gegen Süd ihre grösste Entwicklung
I ^6 Räumliche Vcrtheilung. Boussinj^ault.
haben, und sowohl an der Ostküste wie an der Westküste nord-
wärts abnehmen und endlich verschwinden.
Es zeigt sich nun, dass der südwestliche Theil Südamerika's,
jener, der Chile umfasst und von dem hier vorzugsweise die Rede
war, Vulcane bietet und Erdbeben und Terrassen ; der südöstliche
zeigt Terrassen, aber keine Vulcane und nur sehr selten Erd-
beben; der nordwestliche hat Vulcane und Erdbeben, aber keine
Terrassen; der nordöstliche hat Erdbeben, aber keine Vulcane
und keine Terrassen.
Näher betrachtend sieht man, dass, wie schon gesagt wurde,
die Terrassen im Sinne der Parallelen abnehmen und im Norden
fehlen, dass dagegen die Erdbeben dem Hochgebirge folgen.
Indem dieses gegen Nordost abschwenkt, zeigen sich auch im
nordöstlichen Theile von Südamerika Erdbeben. Die furchtbaren
Erschütterungen von Caracas erfolgten weit ausserhalb des Ge-
bietes der Vulcane und der Terrassen.
Die räumliche Annäherung dieser Naturerscheinungen in
Chile ist also nur ein Argument von geringer Stärke für ihre ur-
sachliche Verknüpfung, und im Norden Südamerika's sind auch
andere Ansichten über das Wesen der Erdbeben erwacht. In dem-
selben Jahre 1835 erklärte Boussingault, dass die grössten Erd-
beben der neuen Welt überhaupt nicht mit Eruptionen in Ver-
bindung stehen. Ihr Ursprung müsse einem wahren Nachsinken
(tin veritable iassement) im Innern der Cordilleren zugeschrieben
werden. ,Diese Nachsenkungen der Cordilleren, welche nach ihrer
Erhebung so häufig sein mussten, dauern in unseren Tagen noch
an. Ich nehme nicht Anstand, ihnen die meisten der grossen Be-
wegungen zuzuschreiben, welche so oft die Berge erschüttern.'^^
K. Fuchs sagt, dass, seitdem Erdbeben wirklich wissenschaft-
lich beobachtet und deren Erscheinungen und Folgen untersucht
werden, sich unter vielen Tausenden von Erdbeben auch nicht
ein Fall von Hebung zugetragen hat.^** Gewiss ist es sehr
auffallend, dass seit Jahren und bei der fortwährend sich steigern-
den Aufmerksamkeit für solche Fälle keine neuen Angaben über
Erhebung des Landes aus Südamerika eingelaufen sind, und die
von Fonck ausgesprochene Vermuthung, dass der Grund in der
grösseren Entfernung der letzten Stosspunkte von der Küste zu
Ergebnisse der Prüfung. I 3 7
suchen sei, scheint mir durch die vorliegenden Beobachtungen
nicht hinreichend unterstützt zu sein,^^
Das Urtheil über die so oft behaupteten rhapsodischen Er-
hebungen des westlichen Südamerika sollte daher meines Er-
achtens folgendermassen lauten :
1. In Callao wurden irrthümliche Meinungen durch Küchen-
reste veranlasst; hier handelt es sich um wiederholte Anschwem-
mung und Abschwemmung einer Bank an der Landseite der Insel
S. Lorenzo.
2. In dem Falle von Valparaiso 1822 wird von den be-
rufensten Augenzeugen, wie Cuming, jede Veränderung der
Strandlinie entschieden geläugnet.
3. Bei dem Erdbeben von Concepcion 1835 war die Be-
wegung der Wassermasse des Pacifischen Oceans so heftig, dass
bald nach dem Stosse einige Fuss Landes am Strande trocken
blieben; dies hielt nicht an; mehrere Wochen vergingen jedoch,
bis das Gleichgewicht des Meeres wieder hergestellt war.
4. Ueber Valdivia 1837 liegen überhaupt keine genaueren
Angaben vor.
5. Bei keiner der zahlreichen seitherigen Erschütterungen
des westlichen Südamerika ist eine Erhebung des Landes be-
merkt worden.
Anmerkungen zu Abschnitt II : Einzelne Scliüttergebiote.
= Kilm. Naumitnn, Ueber Enibeben und Vulcnnausbnichc ia Japan; aus den
Miltlicil. lUr ili:ulS4:h. GLSL-IWh. f. Xatur- und VSlkcrkumle Ü.st-Askn\ 15. Heft, (;'■ -l".
Yokohama. 1S78, S. 4, 5.
^ J. ^[ilnc, Kotes on the great Earth(iu.ikrs of Js\an; Trans. SeismuL Soc. of
Ja|>. »81. in, p. iiä- io=.
I J. D. Whitni-y, The Owen'ü Valley Earthquakc nf Mardi jf., 18;:: Overlaad
Monthly for \ag. and Sept. 1872, p. 273.
!. A. 11. Wynne. Notes on the F-irthiiuakc in Ihc Punjah of Marcli I-", 1S7S;
Journ. As. S.H-. Itenunl, :878, XLVIIli, p. 131 — 140.
o Alh. Heim. Die schweizerischen Enlbelx-n vom November 1871 bis l£ndt l«80;
n.uh di-n von i\vt Knll>cben-Commission (;e,™minulti;n Rtnchlen, 4", Bern, 1H81; S. 18 — 20,
7 J. Milnc, The dislrib. o( seism. Aclivily in Jap.-in; Trans. Ijeismol. Soc. of Japan
188;. IV. |i. Jo.
» Kussi, Meteoriilocia F.ndo|,-ena, 8°, vol. II, 1882: Micr»siNmo1oi;ia.
9 Kyren, Bull. Acad. Pitcrsb. 1877. XXIV, p. 507.
>" f.. H. Jeiltcles, Bericht üh. J. Erdbolicn .im i;. Janu.ir 1858 in den Karpathen
und Sudelen, Silüiinirsber. k. Ak.vl. Wiss. Wien, XXXV. 1858, S. ;il-5<)2 und Knrle;
Jul. Schmidt, Untersuchuni;cn üli. d, Enlliebcn vom 15. Januar 1858. Mitlhcil. Reof;r.
C.e-ellseh. Wien, 11, S. l3i— 2o3 und Karle; A. Kornhuber, Erill>ebcn vom 15. Januar
l8;8, liesiinders nicksichtlich seiner Verbreitung in Unjjam, Her. dei Vereins f. Nalutk.
in l'rcssburg. 1858.
■■ Die Erdbeben Xieder-Oe.sterreichs, Denkschr. k. Akad. Wiss. Wien, 1873, XXXIII.
S. 1 — 38 und Karten.
iJ Die Hauplquelle für diu.ses Belwn isl eine Note in rocgcndorff's Ann.il. I'hys.
Chem. l837, 42. Bd., S. 685-690.
'3 Xach einer Sammlung noch ungedruckter Berichle.
M Bittncr. Beitr. ^ur Kenntniss des Erdbebens von Itclluno vom 29. Juni [873;
Sitiunßsber. k. Akad. Wiss. Wien, 1874, Bd. 69, S. (1.
•i R. Hoernes, Erdbcbcnstudicn ; Jahrb. gcol. Reichsanst. 1878, XXVIII, S. 38?
bis 448 und Karte,
'6 H. Hoefcr, Die Erdl>cben Kärnten's und deren Stosslinien; Denkschr. k. Akad.
Wiss. Wien, 1880, Bd. 42, i. Abth., S. 1 — 90 und Karten.
■7 R. Hoernes, Das Erdbeben von Bclluno am 29. Juni 1873; Mitlheil. d. naiunv.
Vereins (. Steiermark, 1877, u. a. .ind. Orten.
'* R, IJittnei, Die hi^oI. Verh.ältnisse von Heraslcin in Niederiislerreich. Mit
thterit. Sr. k. Höh. des Erih. Leopold hcr.iusgegeben von M. A. Becker, I, 4", 1882, S. 3o8.
■9 Die Erdbeben des südlichen Italien, Denkschr. k. Akad. Wiss. Wien, XXXIV.
S. 1 — 32; wesentliche ErRänzungen der damals gegebenen Sh'w.r.c des geologivchen
finden sich in t.. Burgerslein und F. Noe, Geolog. Beobachtungen im südlichen
Anmerkungen zu Th. I, Abschn. II. Einzelne Schüttergebiete. '39
Calabrien, Sitzungsbcr. k. Akad. Wiss. Wien, 1880, Bd. 81, a, S. 154, mit Karte und Prof.,
in der ausführlichen Monographie der jüngeren Ablagerungen von G. Seguenza, Le
formazioni terziarie nella prov. di Reggio, Atti della R. Accad. dei Lyncei, 3. ser., VI,
1880, und in E. Cortese, Sulla formaz. dcllo Stretto di Messina, BoUet. comit. geol. 1882,
XI ir, p. 4 — 39, tav. I, II.
20 Fr. Hoffmann, Ucber die geognostische Beschaffenheit der Liparischen Inseln,
Schreiben an Herrn L. v. Buch; Annal. l*hys. Chem. i832, S. 81—88, Taf. IV.
2» J. \V. Judd, Contributions to the Study of Volcanos, Geol. Magaz., Jan. 1875,
insbes. ]). 4 und 214 und das Kärtchen auf p. 7. In letzter Zeit hat Cortese folgende
Spaltrichtungcn angenommen: l. Ostwest: Alicuri, Filicuri, Saline; 2. Nordost-Süd-
west: Stromboli, l'anaria, n. Theil von Lipari; 3. Nordsüd: Lipari, Vulcano, Vulcanello;
Cortese, Sulla cort. geol. dell' Isola di Lipari; Bollet. comit. geol. 1881, 2. ser., II, p. 502.
22 Ath. Kircheri Mundus subterraneus, Praef. und p. 240.
23 Cielppolito in Hamilton's Bericht; Philos. Transact. 1783, p. 2l3 u. folg.
24 Grimahli, Descrizione de* Tremuoti accad. nelle Calabric nel 1783; 8°, Napoli,
1784, p. 46.
25 Ferrara, Mem. Sopra i Tremuoti della Sicilia in Marzo l823; 8", Palermo,
1823, insbes. p. 23, 32 u. folg.
26 Es ist absichtlich unterlassen worden, jenes wunderbare System von radialen
Sprüngen anzuführen, welches Rossi als vom Albaner Gebirge ausstrahlend beschrieben
hat. Den Ergebnissen dieses emsigen Beobachters über Bewegung auf Spalten will ich
gerne im Wesentlichen zustimmen, ebenx) einzelnen Beobachtungen von Brüchen, wie ins-
besondere dem von Ponzi geführten Nachweise eines Bruches im Tiberthale in Rom selbst.
Aber es scheint mir gerade nach Ponzi's Arbeiten kaum thunlich, auf Breislak's Meinung
zurückzukommen, dass auf dem Forum selbst ein Vulcan sich befunden habe, und noch
viel weniger dürfte es möglich sein, aus Erderschütterungen einzelne so nahe anein-
anderliegende Linien mit nur einiger Sicherheit zu erkennen, nnmentlich nicht aus einer
Erschütterung, welche alle zur selben Zeit getroffen hat. Die calabrischen Radiallinien
sind von einander weit entfernt und sind zu ganz verschiedenen Zeiten selbständige seis-
mische Stosslinien gewesen; M. St. de Rossi, Meteor. Endog., I, p. 2CX) — 238; Atti Accad.
N. Lyncei, 1873.
27 W. M. Gabb, Notes on Costa Rica Geology ; Americ. Journ. sc. arts, 1875,
3. ser., IX, p. 198 — 204, p. 320; Humboldt hielt den Pico Blanco für einen »ungeöff-
neten Trachytkegel' (Kosmos, IV. 1858, S. 3o7), M. Wagner für einen Vulcan (Naturw.
Reisen im tropischen Amerika, 8°, 1870, S. 323 u. folg.).
2fi Die Lage von Lyon und Ujum zum Pico Blanco ist gut ersichtlich auf der Karte
in Petermann's geogr. Mittheil. 1877, XXIII, Taf. 18; für die nördlicher folgende
Gegend bis zum See von Nicaragua mag die Karte von Frantzius, eb. das. 1869, XV,
Taf. 5 dienen.
29 K. V. Seebach's Besteigung des Vulcans Turrialba in Costa-Rica; Petermann's
geogr. Mittheil. 1865, XI, S. 322, Taf. IX. Das Vorland vom Fussc des Turrialba zum
Golf von Nicoya wird von Attwood als gänzlich aus verfestigter Asche mit Zügen von
Augit-Andesit bestehend dargestellt; es enthält die Gold und Silber führenden Gänge der
Aguacate- Berge; Attwood, On the geol. of part of Costa-Rica, Quart. Journ. geol. Soc.
1882, XXXVIII, p. 328—339.
30 K. V. Seebach, Petermann's geogr. Mittheil. 1866, XII, S. 274.
3» A. DoUfuss et E. de Mont-Serrat, Voy. göol. dans les Republ. de Guate-
mala et de .Salvador (Miss, scientif. au Mexique et dans l'Amer. centr., Geologie), 40, Paris,
l8(>8, p. 327.
32 K. V. See b ach, Petermann's geogr. Mittheil. 1866, XII, S. 273.
33 E. G. S{juier, The Volcanos of Cenir. America and the geogr. anrl topogr.
featuies of Nicaragua; X. Ann. Meeting of the Am, Assoc. at New-Haven, 22. Aug. l8c;o.
Aus der New-York Daily Tribüne, 80, 1850, p. 5, 6.
I 40 Anmerkungen zu Th. I, Abschn. IT. Einzelne Schüttergebietc.
34 A. B. Dickerson, On thc Volc. Eruption near the city of Leon, Amer. Journ.
sc. arts, 1868, 2. scr., XLV, p. l3l — 133; auch vollinhaltlich abgedruckt bei AI. Perrey,
Note sur les tremblements de terre en 1866 et 1867 (aus dem Bull. Acad. roy. Bclg. i8(>8),
p. 197 — 200 und bei Dollfuss et Mont-Serrat, p. 827 — 33o.
35 Dollfuss et Mont-Serrat, p. 333 — 340.
36 Dieselben eb. das. p. 296, 297.
i7 Edwin Rockstroh, Informe de la Commission scicntif. del Instit. Nacion. de
Guatemala nombr. p. et Sr. Ministro de Instrucc. Publ. para el Estudio de los Fcnomenos
volciin. en el Eago de Ilopango; 80, Guatemala, 1880, 61 pp. und Karte.
3^ K. V. Scebach, Ueber den Vulcan Izalco und den Bau der central-amerikani-
schen Vulcane im Allgemeinen; Nachr. v. d. kön. Gesellsch. d. Wiss. a. d. G. A. Univ.
zu Göttingen, 1865, S. 521 — 547. Prof. v. Fritsch hat die ausserordentliche Güte gehabt,
mir aus Seebjich's Manuscripten eine Skizze der Umgebung des Izalco mitzutheilen. Doll-
fuss und Mont-Serrat ist sonderbarerweise selbst die Thatsache von Seebach's nicht sehr
lange vorher unternommenen Besteigung dieses Vulcans unbekannt geblieben.
39 J. A. Lizarzaburu, Observaciones Meteorol. correspond. al anno de 1862,
hechas en el Observat. del Seminario de Guatemala. (Aus der Gaceta de Guatemala.) 8<^,
17 pp. Ich verdanke die Mittheilung dieser Beobachtungen Herrn Edw. Rockstroh in
Guatemala.
•»o Lettre de Mr. Gay ä. Mr. Arago; Comptes rend. i838, VI, p. 833.
4» Humboldt, Kosmos, I, S. 210.
42 Ch. Darwin, Journal of Researches, 8°, i839, p. 451 u. a. and. Ort.
43 Ch. Wilkes, U. S. Exploring Expedition, X, Geology by J. D. Dana, 4°,
1849. P- 591-
44 A True and Particular Relation of the dreadful Earthquake, which ha])])end at
Lima etc. p. 146. Von einer Hebung des Landes ist in diesem ausführlichen Berichte
keine Rede.
45 Newbold, Summary of the Geol. of South. India; Journ. Roy. Asiat. Soc. 1846,
VIH, insbes. p. 280 u. folg.; citirt: Thomson, Madras Journ. Litt. Science, Jan. 1837,
p. 176, 177.
46 V. Tschudi, Peru, Reiseskizzen, 8«, 1846, I, S. 43 — 49.
47 Mrs. Maria Graham, An Account of some Effects of the late Earth(|uakes in
Chili, extr. from a letter to H. Warburton Esq.; Transact. Geol. Soc. 1822, 2^ ser., I,
p. 4l3 — 415; Greenough hatte als Präsident dieser hervorragenden Gesellschaft in seiner
Jahresadresse vom 4. Juni i834 grosse Zweifel über diese Angaben ausgesprochen; es folgte
eine selbständige Schrift: Mrs. Calcott (ehemals Mrs. Graham), Letter to the President and
Members of the Geol. Soc. etc., 8", London, i834, welche aber keine neuen Thatsachen brachte.
48 Proceed. geol. Soc. i838, H, p. 2i3; Capitän Belcher*s und Mr. Cuming's
Briefe wurden mitgetheilt in der Sitzung vom 2. Dec. 183$. Später hat E. Chevalier
(in dem Reisewerke der I^onite und in einer Note sur la constit. geol. des cnvir. de Val-
paraiso et sur le soulcvement du sol de la cötc du Chili, Bull. soc. g6ol. 1843, XIV,
p. 396 — 401) auf Grund der Vergleichung der Sondirungen von Ulloa, 1744» und von
Dupetit-Thours, i837, ebenfalls jede wesentliche Aenderung in der Nähe von Valparaiso
geleugnet, aber versucht, sogar alle Conchylicn führenden, terrassirten Ablagerungen längs
der Küste als Wirkungen seismisch erregter Hochfluthen darzustellen.
49 Don PInrique Concha i Toro, Estudio sobre el carbon fosil que se explota
en Chile; Anal. Univ. Chile, 1876, p. 337-423 und 2 Taf.; auch Sieveking, Peter-
mann's geogr. Mittheil. i883, XXTX, S. 57—61.
50 (R. Fitzroy), Sketch of the Surveying Voyages of H. M. Ships Adventure and
Beagle; Journ. Roy. Geogr. Soc. l836, VI, p. 3l9— 33i. Noch weiter im Süden soll die
Insel Mocha (38° 12') um 2 Fuss gehoben worden sein, doch scheinen die Nachrichten
wenig bestimmt zu sein.
Anmerkungen zu Th. I, Abschn. II. Einzelne Schüttergebietc. I 4 I
5> Ch. Darwin, Geol. Observ. on the volc. Islands etc., 2^ etl., 1876, p. 237; ebenso
Domcyko, ,Sin embargo, por las noticias recibidas posteriorraente por FiUroy, parece
que desde entonces el mencionado puerto de la isla ha ganado multo en ])roruudidad, i
quo toda csta parte de la costa de Chile que el terremoto de i835 habia lcvanta<lo, ha
vuelto a bajar i hundirse en el mar*; Solevantamiento de la Costa de Chile, Anal.
Univ. Chile, 1860, p. 576.
52 AI. Caldclcugh, An Account of the grcat Earthquakc experienced in Chile
20. Febr. l835; Philos. Transact. i836, p. 24.
53 Capit. Coste, Comptes rcnd. i838, VII, p. 706.
54 In der Sitzung vom 4. Januar 1837. Man findet in den Proc. Geol. Soc, II,
p. 179 eine Note von Lieut. Freyer über scheinbare Erhebung des Landes mit Bezug auf
die Aluschelbänkc von Arica und die Insel S. Lorenzo bei Callao; p. 209 den ersten Be-
richt Fitzroy*s über S.Maria und eine Mittheilung von R. E. Alison über diesen Ge-
genst;ind; p. 444 eine Abhandlung von Caldcleugh, und p. 446 eine andere von Darwin;
dann ist der in der Zeitschrift ,E1 Araucano* enthaltene Aufsatz von Rivero, endlich der
Brief (>)1. AValpole 's an Palmerston angeführt, welche beide Letztert.n, wie gesagt, jede
Erhebung o<ler Senkung des Bodens in Abretle stellen.
55 Lyell. Princ. Geol., XI. ed., 1872, II, p. 156.
56 Comptes rend. i838, VII, p. 707.
57 Dumoulin, Lettre i\ M. Arago; Coincidence de date de (juehjues mouvements
extraordinaires de la mer, observes dans TOceanie, avec le tremblement de terre, (jui en
1837 renversa la ville de Valdivia au Chili; Comptes rend. 1840, X, p. 835 — 837.
58 v. Bibra, Die Algodon-Bay; Denkschr. k. Akad. Wiss. Wien, 1852, IV,
S. 75—116.
59 D. Forbes, On the Geol. of Bolivia and S. l*eru; Quart. Journ. Geol. Soc. 1861,
XVir, p. 10.
^ Ch. Darwin, Journ. Res. p. 452; Proc. (leol. Soc, II, ]>. 488. Die Kirche S. Augu-
stin in Valparaiso wi<lerspricht einer Hebung.
<5' Philippi, Die sogenannte Wüste Atacama; Peterniann's geogr. Mittheil. 1856,
S. 56, und brieflich in H och stet ter, Erdbeben von Peru und seine Fluth wellen.
6^ Ch. Darwin, On the Connexion of certain Volcanic Phenoniena in South-
America and the formation of Mountain Chains and Volcanos, as the Efl'ect of the same
Power by which Continents are elevated; Transact. Geol. Soc, V, i838, p. 601 — 63 1,
pl. XLIX.
^3 Boussingault , Sur les tremblements de terre des Andes ; Ann. ehem. phys.
1835, t. 58, p. 81, 85. Die angeführten Beispiele beziehen sich allerdings nur auf den Ein-
sturz von Berggipfeln ; die Ansichten über die Erhebung der Gebirge im festen Zustan<le
und die Zusammensetzung der Ketten aus Schollen von verschiedtrner (irösse sind jedoeh für
<iie damalige Zeit sehr bemerkenswcrth ; siehe auch Humboldt, Kosmos, IV, S. 219, 490.
64 K. Fuchs, Vulcane und P>dbeben, 8°, 1875, S. 178; ähnlich das anonyme Werk:
Scepticism in (xcology and the Reasons for it, 8°, Lon<lon, 1877, p. 10 u. folg.
^5 F. Fouck, Las ajitaciones oceanicas causad. en les costas del Pacifico por el
tcrrem. d. l3. agosto 1868; An. Univ. Chil. 1871, p. 3o2, 3o3.
DRITTER ABSCHNITT
Dislocationen.
Zcrlcgunjj der Spannungen. - Dislocation durch tangentiale Bewegung. — Faltung. —
Schuppenstructur. — Ueberscliiebungs- oder Wechselflächen. — Verschiebungs- oder Blatt-
flächen. — Torsion. — Di.slocation durch radiale Bewegung. — Einsinken auf weichender
Grundlage. — Flexuren und Verwerfungen. — Sprungnetzc. — Kesselbrüche. — Dislocation
aus vereinigter radialer und tangentialer Bewegung. — Rückfaltung und Einklemmung. —
Vorfaltung.
Üs hat sich in den letzten Jahren in Betreff der Bildung der
Kettengebirge ein wesentlicher Umschwung der Meinungen voll-
zogen. Abgesehen von den vortrefflichen älteren Arbeiten Favre's,
haben, um nur von Europa zu sprechen, Heim, Baltzer, Mojsi-
sovics u. A. in den Alpen, Paul in den Karpathen, Credner im
Erzgebirge, Lossen im Harz, MTherson in Spanien und viele An-
dere so wesentlich zu einer richtigeren -und auf eine weitere Er-
fassung der Thatsachen begründeten Auffassung des Baues der
grossen Kettengebirge beigetragen, dass es überflüssig geworden
ist, auf eine Widerlegung der älteren Meinungen von der Er-
hebung der Gebirge einzugehen. Andererseits muss zugestanden
werden, dass die neueren Anschauungen über die Bildung der
Gebirge durch allgemeine Bewegungen, welchen gegenüber alle
Felsarten in gleichem Maasse passiv sind, dennoch erst in ihren
Grundsätzen feststehen. Die Einzelheiten der Vorgänge durch eine
genaue Prüfung und Vergleichung einzelner Fälle zu ermitteln,
ist die Aufgabe der nächsten Jahre. Jede genaue Untersuchung
des Wesens irgend einer bestimmten Dislocation, jede gewissen-
hafte Darstellung irgend eines grösseren künstlichen Aufschlusses,
wie das Gotthard-Profil von Stapff oder das Bötzberg-Profil von
Zerlegung der Spannung. 14^
Moesch, gewinnt hiedurch erhöhtes Interesse, und dankbar wendet
man sich auch dem grossen Schatze älterer Beobachtungen von
Neuem zu. So anerkenne ich hier gerne die vielfache Anregung,
\velche mir aus v. CarnalFs nun bald fünfzig Jahre altem Buche
über die Sprünge im Steinkohlengebirge zu Theil geworden ist.
Ich nehme auch keinen Anstand, zu gestehen, dass bei allem In-
teresse für die vielfachen Versuche, die Erscheinungen des Bruches
oder der Faltung künstlich hervorzubringen, mir für den Augen-
blick die Untersuchung entscheidender Punkte in der Natur selbst
von weit grösserer Wichtigkeit erscheint. Der Querschliff irgend
eines Brockens von gefaltetem Schiefer oder der genaue Riss
irgend eines bergmännischen Aufschlusses, etwa wie Köhler's
Skizzen aus dem westphälischen Steinkohlengebirge, führt uns
unmittelbar dem Verständnisse einer Reihe von mechanischen Vor-
gängen näher, welche früher nur selten die verdiente Aufmerksam-
keit gefunden haben. '
Die sichtbaren Dislocationen in dem Felsgerüste der
Erde sind das Ergebniss von Bewegungen, welche aus
der Verringerung des Volums unseres Planeten hervor-
gehen. Die durch diesen Vorgang erzeugten Spannungen zeigen
das Bestreben, sich in tangentiale und in radiale Spannungen
und dabei in horizontale (d. i. schiebende und faltende) und in ver-
ticale (d. i. senkende) Bewegungen zu zerlegen. Man hat daher die
Dislocationen in zwei grosse Hauptgruppen zu trennen, von welchen
die eine durch mehr oder minder horizontale, die andere durch
mehr oder minder verticale Ortsveränderungen grösserer oder
geringerer Gebirgstheile gegen einander erzeugt worden ist.
Es gibt weite Gebiete, in welchen die erste, und andere, in
welchen die zweite Gruppe vorherrscht, und es gibt auch Strecken,
in welchen beide gemeinsam erscheinen und ein innerer Zusam-
menhang zwischen beiden erkennbar ist, in welchen daher die
räumliche Zerlegung eine minder vollständige gewesen ist. Dieser
wesentliche Unterschied in den Bewegungen der Lithosphäre ist
aus einer Vergleichung der Structur der alten Welt deutlich er-
kennbar; er ist auch den amerikanischen Geologen nicht ent-
gangen. Die geologische Provinz des Great Basin, sagt Clarence
King, h^ zwei verschiedene Typen dynamischer Thätigkeit
1^4 Tangentiale Bewegung.
erlitten: einen, in welchem sichtlich tangentialer Druck der haupt-
sächliche Factor war, und welcher Contraction und Faltung er-
zeugte, wahrscheinlich in postjurassischer Zeit; einen anderen
von streng verticaler Thätigkeit, wahrscheinlich innerhalb der
tertiären Epoche, in welcher wenig Beweise oder Spuren von tan-
gentialem Drucke vorhanden sind.*
Unsere Fachgenossen jenseits des Oceans sind sogar um ein
gutes Stück weiter gegangen. Schon im Jahre 1875 sprach Gilbert
bei der Vergleichung der gefalteten Appalachien mit den gesenk-
ten Basin Ranges die Vermuthung aus, dass in den Appalachien
die bewegenden Ursachen oberflächlich, in den Basin Ranges
tiefliegend seien, ^ Wir werden Gelegenheit haben, aus dem
Verhalten der Alpen gegen ihr nördliches Vorland zu entnehmen,
bis zu welchem Grade diese Vermuthung in Europa Bestätigung
findet. Es mag jedoch schon an dieser Stelle erwähnt werden, dass
in der Regel nur die Dislocationen der zweiten Gruppe von vul-
canischen Ausbrüchen begleitet sind.
Aus diesen allgemeinen Betrachtungen ergeben sich die
Grundsätze, nach welchen die Terminologie der Gebirgsstörungen
zu ordnen ist.
A. Dislocation durch tangentiale Bewegung.
Wir beginnen nun mit jenen Bewegungen, welche aus tan-
gentialen Spannungen hervorgehen.
Die einfachste und unmittelbarste Folge einer annähernd
horizontalen Bewegung der obersten Theile der Erde ist das Ent-
stehen langer Falten, deren Sättel eine Strecke weit hinstreichen,
dann allmälig verflachen und durch andere Sättel abgelöst werden,
welche parallel und mehr oder minder abwechselnd stehen. Wohl
mag auch einmal ein Sattel sich in spitzem Winkel spalten. Solche
Falten werden gestaut durch entgegenstehende Hindernisse, und
ihr Streichen krümmt sich dann im Sinne der allgemeinen Bewe-
gung nach vorwärts. Der mittlere Theil des Juragebirges ist ein
seit lange bekanntes, treffliches Beispiel für diesen Fall.
Faltung erscheint in den verschiedensten Formen und in
den verschiedensten Felsarten und Höhen. In den gelTänderten
Pal taug.
145
Menilit-führenden Schiefer massen, welche in Mähren den äusseren
Saum des westlichen Endes der Karpathen begleiten, sieht man
Faltungen von der Regelmässigkeit eines schematisirten Modells.
Wer die Wände des Axenberges an dem Vierwaldstättersee ge-
sehen hat, wird erstaunt gewesen sein über die unentwirrbare
Verknetung der Kalkbänke. Auf Höhen, welche die höchsten
Gipfel der Alpen weit überragen, treten im Himalaya gewaltige
Falten auf Der Faltenbau der Appalachien ist in seiner gross-
artigen Einfachheit der Ausgangspunkt von wichtigen tektonischen
Arbeiten in Amerika schon zu einer Zeit gewesen, als in Europa
noch jeder grössere Faitensattel als eine selbständige Erhebungs-
linie angesehen wurde.
Staut sich die faltende Masse in sich selbst, so thürmt sie
sich zu Luftsälteln auf, welche wohl auch gegeneinander geneigt
sein mögen. IJie Luftsättel, welche Kauffmann vom Pilatus, Escher
I ^6 Neigung cict Fallen
vom Säntis, v. Richthofen vom Formarinsee in Vorarlberg', Lotti
in den Apuanischen Alpen beschrieben haben, zei^^en verschieden-
artige Abänderungen dieser Erscheinung.
Es ist ganz richtig, dass, wie Heim hervorhebt, bei gleicher
Bewegung Falten entstehen können, welche nach entgegen-
gesetzten Himmelsrichtungen geneigt sind, dass also z. B. in
einem nach Nord bewegten Gebirge nach Nord geneigte und auch
nach Süd geneigte Falten auftreten können, und wohl eben so
richtig, dass als der erste Anlass für die Neigung eines solchen
Luftsattels die Höhe des Fusspunktes der Faltung angesehen
wird.' Aber die Erfahrung lehrt, Thurmann hat es vor Jahren im
Jura gezeigt und Heim selbst bestätigt es an vielen Stellen seines
inhaltreichen Werkes, dass die übergrosse Mehrzahl der geneigten
Falten eine und dieselbe Neigung hat, so zwar, dass der Scheitel
der Falte gegen aussen, die folgende Mulde gegen innen, in dem
Finster-Aathorp-Masse. ^47
grössten Theile der Alpen also der Sattel gegen Nord, die Mulde
gegen Süd gerichtet ist. Dieser Umstand ist es auch, welcher der
von B. Studer ausgesprochenen Regel zu Grunde liegt, dass die
C-förmig gekrümmten Schichten in den Schweizer Alpen die offene
Seite nach aussen kehren. Das grösste und merkwürdigste Bei-
spiel von Einfaltung und Ueberfaltung bieten die von Heim und
Baltzer so eingehend dargestellten Beziehungen der Trias und
des Jurakalkes zum Gneiss an dem Nordabhange der Finster-
Aarhom-Masse. ^
Der Gipfel der Jungfrau besteht 800 M. hoch aus über-
schobenem Gneiss; unter demselben sind die schroffen Abstürze
der Nordseite aus jurassischem Kalkstein gebildet, welcher in
zwei grossen Synklinalen Falten eingeknetet ist in den Gneiss,
und unter den Wänden von Jurakalk tritt wieder der Gneiss her-
vor. Der höher liegende der beiden jurassischen Keile dringt
aber, sich fortwährend verengend, 3 Km, tief in die Gneissmasse
ein, während der tiefere stumpf endet. Es setzt sich ostwärts an
dem ganzen Nordabhange des grossen Gebirgsstockes unter ver-
-schiedenen Abänderungen diese Ueberfaltung fort. Herr Baltzer
hat die Güte gehabt, mich von Hof bei Meyringen auf den Urbach-
sattei unter dem Gstelli-Horn zu führen, wo fünf liegende Falten
von Gneiss, zum Theile von Triasformation umgürtet, in den
I 4o Umwandlung in Marmor.
Jurakalk eingreifen. Das steile, durch Erosion abgetrennte Gstelli-
Horn besteht aus einer Kuppe von Gneiss, welche ein Theil des
obersten, fünften Gneisskeiles ist, unter dieser Kuppe aus einer
eingefalteten Masse von Jurakalkstein, welche schroffe Wände
bildet und an deren oberer und unterer Grenze Baltzer Spuren
der Triasformation fand, dann unter diesen Wänden wieder aus
Gneiss, nämlich aus einem Theile des vierten Keiles. Es ist eine
Stelle von wunderbarer Klarheit, und Baltzer's Darstellung gibt
ein vortreflFliches Bild von den hier in all' ihrer Grossartigkeit vor
das Auge gerückten Knetungen der festesten Felsarten.,
An den Enden der langen und schmalen Kalkfalten, welche
mit Recht als ,ausgewalzte' Synklinalen angesehen werden, hat
der auf den Jurakalkstein geübte Druck, verbunden mit einer
horizontalen Verschiebung der Theile, den höchsten Grad erreicht.
An solchen Stellen geschieht es,'dass einzelne Kalkstücke, ab-
gequetscht von der Hauptmasse, vereinzelt im Gneiss getroffen
werden. Ebenso sind Gneissstücke in den Kalkstein gerathen.
An denselben Stellen der grössten mechanischen Einwirkung
treten auch jene merkwürdigen Umwandlungen von Jurakalkstein
in Marmor auf, als deren Ursache die Bewegung des Gebirges
selbst erkannt ist. Das Ende einer solchen Kalkfalte kommt vom
Laubstock an die Grimselstrasse herab und ist dort auf das Leich-
teste jedem Besucher des Haslithales zugänglich.
An allen diesen ausserordentlichen Erscheinungen, insbe-
sondere an der Auswalzung der Kalkkeile, scheint der Vorwärts-
bewegung des hangenden Gebirges der wesentlichste Theil zu-
zufallen.
Schon vor vielen Jahren hatten aufmerksame Beobachter der
Faltungen im Juragebirge, wie Gressly, wahrgenommen, dass
bei stärker geneigten Falten das Bestreben hervortrete, nach einer
der Axe des Sattels entsprechenden Fläche sich zu theilen, wor-
auf dann die Ueberschiebung des hangenden Theiles auf dieser
Theilungsfläche erfolgt. In gleicher Weise hatte H. D. Rogers
aus seiner Untersuchung der Appalachien die Regel gewonnen,
dass bei Ueberstürzung einer Falte der normal gelagerte Flügel
über den umgestürzten, also der hangende über den liegenden
Flügel hinauf bewegt wird.^ Ist die ursprüngliche Falte nordwärts
Schuppenstructur. 149
geneigt und die Bewegung des Gebirges gegen Nord gerichtet,
so neigt sich die Theilungsfläche gegen Süd.
Man sieht nun, dass in gewissen Gebirgsth eilen diese Er-
scheinung nicht vereinzelt auftritt, sondern in mehreren parallel
hintereinander streichenden Faltensätteln sich wiederholt. Die
Folge ist eine ganz eigenthümliche Structur des Gebirges. In dem
ursprünglichen, geneigten Faltensattel zeigte der liegende Theil
die verkehrte, der hangende die normale Reihenfolge der Schichten.
Indem nun durch die Ueberschiebung der liegende, das ist der
überstürzte Flügel dem Auge gänzlich entzogen wird, bleiben
hintereinander nur die hangenden Flügel mit gegen das Innere
des Gebirges, bei nördlicher Bewegung also südwärts geneigter,
doch normaler Schichtfolge sichtbar, so dass, um eine von Albrecht
Müller in Basel gebrauchte Bezeichnungsart zu wiederholen, man,
gegen das Innere des Gebirges gehend, die Schichtfolge trifft:
abcde, abcde, abcde. Ein einfaches Faltengebirge aber
würde ergeben: abcdedcbabcdedcba, u. s. w.
Es wird diese Erscheinung weiterhin als die Schuppen-
structur bezeichnet werden.
In ausgezeichneter Weise ist die Schuppenstructur, wie Bittner
nachgewiesen hat, in dem östlichsten Theile der Kalkzone der
Alpen, in Niederösterreich, entwickelt. Die langen Streichungs-
linien haben hier bereits die nordöstliche Richtung der Karpathen
angenommen, und dieselbe Schichtfolge wiederholt sich wieder
und wieder, stets nach Süd oder nach Südost geneigt. ,Man wird,*
sagt Bittner, ,die aufeinanderfolgenden Schichtwiederholungen als
ebenso viele Hangendflügel schiefer oder liegender Falten aufzu-
fassen haben, deren antiklinale Axen bei weiter fortschreitender
Entwicklung der Falten gerissen sind, wodurch die Hangendflügel
übereinandergeschoben , die liegenden Flügel dagegen sammt
und sonders verdrückt wurden. '^
Derselbe Bau ist auch in anderen Theilen der Ostalpen in
mehr oder minder ausgeprägter Weise anzutreffen, und er wieder-
holt sich unter eigenthümlichen Umständen im östlichen Jura ge-
rade an der Stelle der grössten Stauung gegen den Schwarzwald.
Die regelmässigen Falten des Juragebirges strecken sich in weitem
Bogen von West und Südwest her. Der Einfluss des Schwarz-
rjO , Tafel- und Keltenjnta.
Waldes wird nach Albr. Müller östlich von einer Linie bemerkbar,
welche vom Westrande des südlichen Schwarzwaldes gegen Süd
über Kandern und Lörrach, östlich von Basel, längs der Birs, an
dem westlichen Abstürze des Gempen-Plateaus vorbei gegen Nun-
ningen gezogen würde. Oestlich von dieser Linie liegt eine Zone
von jurassischen Ablagerungen ohne Faltung, mit flachem süd-
lichen Fallen gleichsam auf der Schulter des südlichen Schwarz-
waldes; dies ist der Tafeljura. Südlich von diesem Tafeljura
streicht der gefaltete Kettenjura.
Von Nunningen an über Bretzwyl und Reigoldtswyl ist nun
nach demselben Beobachter der nördliche Theil des Kettenjura
1 bis 1 7, Km. weit auf den Tafeljura, und zwar zumeist der Rogen-
stein des mitrieren Jura auf den flach gegen Süd geneigten
)
I', !• Tri«f„ni,al[«n;y'.y..y. = J„r.f..,n,;iti«n ; »f, ,c = cinKcfall.-lP MiocSu.chi.h.^n.
weissen Jura hinaufgeschoben, während südlich von dieser Ueber-
schiebung, namentlich in der Nähe des grossen Ilauensteiner
Tunnels, hintereinander drei bis vier Muschelkalkgräte mit be-
ständigem Südfallen erscheinen.*
Die vorzüglichen Arbeiten, welche Moesch über diesen Theil
des Juragebirges geliefert hat, gestatten nun, mit grosser Deut-
lichkeit die allmälige Veränderung des Baues im Streichen, d. i.
gegen Nordost zu verfolgen. An den Saalhöfen unter der Gais-
fluh, östlich von Oltingen, und von da an über Densbüren und bis
an die Aare sieht man allenthalben den nördlichen Rand des Ketten-
jura als ein von Süd her nordwärts überworfenes Gewölbe, folglich
mit überstürzter ■ Schichtfolge sich auf den Rand des Tafeljura
legen, wobei die miocäne Molasse in einem langen Streifen ein-
geklemmt ist zwischen das von Süd her überschobene Gewölbe
und den von Nord her flach abdachenden Tafeljura.
Die Habsburg. I C i
Der Bötzberg -Tunnel durchfahrt von Süden her das ganze
überstürzte Gewölbe von Trias und Jura, gelangt dann in die ein-
gekeilte Zone von miocänen Ablagerungen und durch diese end-
lich in die flach gelagerten höchsten Juraschichten des Tafel-
gebietes. '^
Die Ueberstürzung des nördlichen Randes des Kettenjura
setzt sich auch über die Aare fort. Die südwärts geneigten Bänke
des Muschelkalkes durchqueren bei Bad Schinznach (/-, Fig. 1 1) den
Fluss und streichen dann aufwärts zur Höhe des Wülpelsberges, wo
ihre aufgerichteten Köpfe die ehrwürdigen Reste der Habsburg
Fig. II. Die Habsburg,
r* = Muschelkalk; /• = Kcupt^r; ß, /*, J* = Jurafurroation.
tragen. Sie führen Placodus und Myophoria; der Thurm der alten
Veste steht auf ihrer höchsten Kante. Unter dem Muschelkalke,
durch eine steile, bewaldete Lehne von demselben getrennt, be-
finden sich Brüche in Keupergyps (/^ Fig. 1 1); diesen unterlagert
der dunkle Kalkstein des unteren Lias. Im Wiesengrunde darunter
trifft man lose Blöcke von Rogenstein und noch tiefer, am Fusse
des Berges, sind die Bänke des weissen Jura aufgeschlossen,
welche, 60° nach Süd geneigt, diese ganze Schichtenfolge unter-
teufen. '°
Während so die Ueberstürzung des Nordrandes anhält, er-
langen im Innern des Kettenjura die Falten mehr und mehr ihren
normalen Bau wieder, welchen die innerste südlichste Zone auch
an der Stelle der stärksten Entwicklung der . Schuppenstructur
nicht verloren hatte.
Die langen Falten der jurassischen Ketten zeigen also an
der Stelle der grössten Annäherung an den Schwarzwald auf
152
Wechsel.
eine kurze Strecke hin jene Ueberschiebung der Hangendflügel,
welche für die Schuppenstructur bezeichnend ist, und jenseits der
Region der Stauung hört diese Erscheinung wieder auf. Der
nördliche Rand des Kettenjura bleibt aber auch weiterhin über-
werfen, und der innere Rand gibt seinen regelmässigen Faltenbau
auch in der Region der Schuppenstructur nicht ganz auf.
Wir werden die Schuppenstructur in Südtirol und an anderen
Orten wieder antreffen.
Vergleicht man nun diese Vorkommnisse mit den Erfahrungen
der Bergleute, so wird es klar, dass sie nichts Anderes sind als
dieselben Ueberschiebungen, welche man unter den Namen der
jWechsel* oder , Seh lachten* von den Verwerfungen zu unter-
scheiden gelernt hat, und welche in England ,Creeps* genannt
werden.
Es ist das besondere Verdienst Köhler's, für das westphälische
Kohlengebirge die neueren Ansichten über den Bau der Gebirge
zur Erklärung der vorhandenen Störungen angewendet zu haben.
Das flötzführende Gebirge in Westphalen ist gefaltet durch eine
von Süd gegen Nord wirkende horizontale Kraft.
jUnter Wechsel oder Ueberschiebung,* sagt Köhler,
jVersteht man im Allgemeinen eine solche Störung des Gebirges,
bei welcher ein Flötz im Hangenden der ersteren höher liegt als
im Liegenden. . . .* Die Wechsel treten in Westphalen immer
streichend auf und haben das Einfallen der verschobenen Flötz-
theile, nur etwas stärker. Die saigere Grösse der eingetretenen
Niveauveränderung des Flötzes steigt in einem Falle auf 500 M.
Die grösseren Wechsel fallen gegen Süd; es kommen jedoch
Ausnahmen vor, welche gegen Nord fallen. Die Wechsel sind
nichts Anderes als ,die höchste Potenz der Faltung.*
Hienach vergleicht Köhler die Wechsel mit Heim's Darstel-
lungen von überschobenen Gebirgsfalten. "
Aus den vereinten Beobachtungen von Wimmer, Groddeck,
Stelzner und Köhler ist festgestellt, dass die berühmte Lager-
stätte des Rammeisberges bei Goslar auf einem solchen Wechsel,
auf einer Ueberschiebung des unterdevonischen Spiriferen-Sand-
steins über mitteldevonische Schiefer liege, und dass die eigen-
thümliche Gestalt der Lagerstätte darin ihren Grund hat, dass das
Wildkirchli. 1 5 3
Erz selbst an den Bewegungen des Gebirges theilgenommen hat.
Die Art der vorkommenden Faltungen, Einklemmungen und der
Auswalzungen des Erzlagers bis zu einem blossen Bestege erinnert
in jeder Beziehung an die grossen Vorkommnisse der Finster-
Aarhorn-Masse. "
Es sind einzelne Fälle bekannt geworden, in welchen die
horizontale Ueberschiebung so weit reicht, dass ziemlich ausge-
breitete Lappen älterer. Schichten, oft sogar durch spätere Erosion
abgetrennt, auf jüngeren Schichten getroffen werden. Zu den weit-
gehendsten Abweichungen von normaler Lagerung scheinen in
dieser Richtung die Störungen zu gehören, welche M. Bertrand
vom äusseren Rande des Juragebirges zwischen Besancjon und
Salins beschrieben hat.'^ —
Das regelmässige Streichen der Gebirgsfalten ist zuweilen
durch eine plötzliche S-förmige Beugung und durch das Vorwärts-
treten eines Gebirgstheiles gegen den anderen unterbrochen.
Noch häufiger sieht man einen steilfallenden Bruch, welcher beide
Gebirgstheile quer auf das Streichen trennt. Diese oft beträcht-
liche Verschiebung einzelner Gebirgstheile gegen einander ist
ohne Zweifel durch eine ungleichmässige Bewegung der Massen
hervorgebracht, und zuweilen sieht man, dass die Falten auf einer
Seite der trennenden Fläche weit gedrängter oder weit mehr ge-
neigt sind, Wechsel zu bilden, als auf der anderen.
Diese Flächen haben eine ausserordentliche Bedeutung für
das Verständniss der Entstehung der Faltengebirge.
Als im Jahre 1854 der edle und unvergessliche Escher mir
den Faltenbau des Säntis erläuterte, wies er nachdrucksvoll auf
eine kleine Wand in der Nähe des Wildkirchli, welche einer quer
die Falten durchschneidenden Kluft anzugehören schien. Als er
im Jahre 1857 zu Trogen vor der naturforschenden Gesellschaft
die sechs Falten des Säntis beschrieb, sagte er: , Während man
in der Längenrichtung dieses Gebirges keinen Spalten (failles)
begegnet, so zeigen sich dagegen Ouerrisse, die oft das
ganze Gebirge durchsetzen, wie vom Wildkirchlein bis zum
Rheinthale. Bei diesen Querspalten beobachtet man auch die Po-
litur der gesprengten Felsflächen, sowie auch Dislocation der-
selben.'
Verschiebungen in den Ostalpen. ^ 5 5
also mehr gegen Nordnordwest verläuft, aber es fehlen mir nähere
Angaben über dieselbe/**
Die Verschiebung, welche quer auf das Streichen in der Ge-
gend des oberen Thunersee's eintritt, habe ich bereits an anderer
Stelle nach Studer's Beobachtungen angeführt, sowie die Ver-
schiebung einzelner Theile der Molasse gegen einander, welche
Kauffmann zwischen dem Thuner- und Zürichersee nachgewie-
sen hat.'^
In den östlichen Alpen zeigen sich zahlreiche Verschiebungs-
flächen, welche, wie immer auch das Streichen des betreffenden
Gebirgstheiles verlaufen mag, gegen Nord bis Nordost, sehr vor-
herrschend gegen Nordnordost gerichtet sind. Diese Flächen
fallen steil zur Tiefe, und so beständig ihre Streichungsrichtung ist,
ebenso unbeständig scheint ihr Fallen zu sein, indem es leicht aus
Westnordwest in Ostsüdost übergeht. Die Flächen selbst sind oft
bucklig, doch glatt geschliffen, nicht selten von horizontalen oder
leicht zum Horizonte geneigten Striemen oder Furchen bedeckt, und
begleitet von der bei der Bildung von solchen Harnischen so oft
hervortretenden , Neigung, kleinere Gebirgstheile keilförmig oder
linsenförmig abzuquetschen. Im Kalkgebirge sind die Wände zu-
weilen ganz zusammengesetzt von den nur lose zusammenge-
backenen polyedrischen Bruchstücken des bei der Bewegung voll-
kommen zertrümmerten Gesteins und laufen die Schliffe über
diese Bruchstücke hin. Im Schiefer oder in hartem Mergel geht
die Abquetschung oder netzförmige Durchquerung des Gesteins
mit glänzenden und gestriemten Flächen wohl auch noch viel
weiter und wird jene eigenthümliche Art der Zertrümmerung er-
zeugt, welche man im Harze ,Verruschelung' nennt.
Besuchen wir, von Berchtesgaden südwärts gehend, zuerst
den Königssee. Wo die aus geschichtetem Kalkstein bestehende
Falkensteiner Wand am weitesten in den See hervortritt, zeigt
sich eine grosse und glatte, senkrechte, in Nordnordost streichende
Wand, begleitet von parallelen Klüften in der Masse des Kalk-
steins. Jenseits des See's ersteigen wir die mächtige Kalkstein-
masse des Steinernen Meeres. Wiederholt zeigen sich während des
Aufstieges die Nordnordost streichenden Flächen, so an der Quelle
in der Saugasse, dann auf dem Plateau des Steinernen Meeres
I 1^6 Die Gangstreichen der Tauem.
selbst in dem Hohlwege oberhalb der Funtenseealpe. Die ganze
Masse der Schönfeldspitze mit ihren aufgebogenen Schichten
gleicht einem zwischen Nord- und Nordnordost-Klüften zerdrückten
Gebirgstheile. An der Buchlauer Scharte erreichen wir die Kante
des südlichen Absturzes, zugleich den Südrand der Kalkzone.
Der östliche Rand der Scharte ist durch grosse und wieder-
holte in Nordnordost gerichtete Flächen gebildet, welche das
pfoilorförmige oder coulissenartige Hervortreten einzelner grosser
Theile des mächtigen Absturzes veranlassen, genau so, wie
sich dies im Ennsthale am südlichen Abstürze des Dachstein-
gobirges zeigt.
Auf der Buchlauer Scharte umgeben uns starre Wände von
woissijrauem Kalkstein; tief unter diesen Wänden breitet sich ein
inM'undetes, grünes Bergland aus. Das ist das paläozoische Schiefer-
i»-t^bin*-e des Mitter-Pinzgau ; erst in grösserer Entfernung, gegen
/oll und Taxenbach, erhebt es sich zu beträchtlicheren Höhen,
und über diesen ist die zackige Linie der Tauern sichtbar.
Wir durchqueren dieses Schiefergebirge.
In dem Gneiss der Tauern befinden sich jene goldführenden
,(iangstreichenS welche der Stammort des , Goldes der Taurisker*
sind und durch Jahrhunderte der Anlass zu einem reichen und
hochberühmten Bergbaue waren. Diese goldführenden Gang-
streichen oder Blätter sind sehr zahlreich und mit sehr wenigen
Ausnahmen streichen sie gegen Nordnordost oder Nordost und
treten hiebei wohl auch maschenförmig aneinander. Zwei Zonen
oder Bündel solcher Blätter sind besonders bemerkenswerth, näm-
lich auf der 1700 M. langen, gegen Nordnordost laufenden Linie
des Rathhausberges, und auf der nur um ein Geringes mehr gegen
Ost streichenden Linie Krzweise-Bockhardt-Siglitz, welche mit ihrer
südlichen Fortsetzung jenseits des Gletschers sich auf 7 Km. ver-
folgen lässt. In verticaler Richtung sind diese Blätter bis auf
1 5 00 M. verfolgt.
Die ausführlichste Beschreibung derselben hat in neuerer Zeit
F. Posepny gegeben. Dieser Beobachter sieht in ihnen örtliche
Verschiedenheiten in der horizontalen Bewegung der Gebirgs-
masse: ,Es lag in diesem Processe nicht so sehr die Bildung
einer Spalte oder eines Risses zur Tendenz, als vielmehr eine
Die Blätter in Raibl. I 5 7
Verschiebung des Gesteinsmediums.* Bei diesem Vorgange sind
nicht ganz lineal-gerade und auch nicht ganz ebene, sondern
krummflächige Risse erzeugt worden. Bei der horizontalen Bewe-
gungwurden an den ausgebauchten Stellen jene Reibungsproducte
erzeugt, weiche zwischen Harnischen und Rutschflächen die Blätter
begleiten. In der Nähe des Bockhardt treten die Blätter auch in
den Kalkstein über.'^
Wir verlassen dieses in seinen Einzelheiten höchst lehrreiche
Gebiet und wenden uns noch weiter gegen Süd, zu dem Gebirge
der Umgebung von Raibl. Eine mächtige und wohlgegliederte
Serie von Triasablagerungen ist hier vorhanden. Sie neigt sich
regelmässig gegen Süd. Ein Glied derselben, der erzführende
Kalk, welcher die ganze Masse des Königsberges bildet, enthält
Lagerstätten von Bleiglanz und Galmei. Schwarzer fischführender
Schiefer überlagert den erzführenden Kalk.
Auch von diesen Lagerstätten hat Posepny eine Monographie
geliefert, welche zeigt, dass der Bleiglanz auf einer Reihe von
Blättern oder Sprüngen auftritt, welche ein nahezu nördliches
Streichen besitzen und zu einer Anzahl von Zonen verbunden sind.
Diese Klüfte, sagt Posepny, sind mit einem feinen Schnitt in's
Gestein zu vergleichen, und nur selten entstehen aus denselben
förmliche Spalten, die theils offen, theils mit zerriebenem Gestein
erfüllt sind. Die Wände sind in der Regel glatt, zuweilen mit paral-
lelen Rinnen, wohl auch mit sich kreuzenden Systemen von Striemen
bedeckt. Das Fallen wechselt und ist bald nach Ost, bald wieder
nach West gerichtet, aber wo südwärts diese Klüfte die Grenze
gegen den auflagernden Schiefer durchschneiden, sieht man, dass
dieser Schiefer geschleppt und das ganze Gebirge nach diesen
Blättern verschoben ist. Der erzführende Kalkstein tritt also im
Streichen gleichsam ruckweise gegen den Schiefer vor, und die
Aufschlüsse in der Grube und zu Tage haben Posepny gestattet,
zu erkennen, dass an der Westseite des Thaies die Summe der
Verschiebungen gegen den Schiefer an den einzelnen Blättern
etwa 420 M., an der Ostseite dagegen, wo die Sachlage aller-
dings weniger klar ist, beiläufig 760 M. erreiche. Dabei erfolgen
diese Verschiebungen in solcher Weise, dass in der Tiefe des
Thaies, welches ebenfalls nördlich streicht, der Kalkstein am
I 58 Beispiele von Verschiebungen.
weitesten gegen Süd steht, an jedem Abhänge dagegen der-
selbe Kalkstein bei jeder Verschiebung mehr und mehr nach
Norden tritt/^
Verlassen wir nun Raibl und suchen wir ostwärts das parallele
Lahnthal auf. Dort zeigt sich eine weit beträchtlichere horizontale
Verschiebung. Die westliche Thalseite entspricht beiläufig der
Fortsetzung der Gebirge von Raibl; dann folgt, dem Hauptthale
und nach seiner Gabelung südwärts seinem linken Hauptarme
entsprechend, vielleicht von da durch die tiefe Scharte östlich vom
Mittagskogel in's Coritenzathal sich fortsetzend, eine in Nord
oder Nordnordost gerichtete Trennung des Gebirges, und was
östlich von dieser Linie liegt, die Bergmassen der Prinza, des
Mangart, des Jelouz und andere, ist um etwa 3 — 4 Km. gegen
Nord gerückt.'^
Zahlreiche weitere Beispiele könnten aus den Ostalpen ange-
führt werden; es mag nur noch an die gleichfalls Nordnordost
streichende Verschiebungslinie von Belluno erinnert werden,
welche bei Besprechung des Erdbebens von Belluno in Betracht
gekommen ist.
In dem nordöstlichsten Theile der Alpen tritt eine Ablenkung
von dem sonst so beständig gegen Nord, Nordnordost oder Nord-
ost gerichteten Streichen der Blätter ein. An der Hohen Wand bei
Wr.-Neustadt, wo Triaskalk über Kreideablagerung liegt, sind,
wie Bittner gezeigt hat, beide von gegen Nordnordwest streichen-
den Flächen durchschnitten und an denselben verschoben.'" Diese
lehrreiche Kreuzung von Störungen wird an späterer Stelle be-
sprochen werden.
In jedem Grade des Einflusses auf den Gebirgsbau lassen
sich diese steilen Verschiebungsflächen in den östlichen Alpen ver-
folgen, von der Dislocation grosser Gebirgstheile an beiden Seiten
eines Ouerthales bis herab zu der nur wenige Meter betragenden
Verschiebung an einem erzführenden Blatte und endlich bis zur
feinen, einem geraden Haarrisse gleichenden Trennungsfläche im
Kalkstein, und diese letzteren Flächen scheinen im Gebirge eine ähn-
liche Rolle zu spielen wie die noch weit kleineren Verschiebungs-
flächen, welche das Mikroskop in gekrümmtem Gestein erkennen
lässt. ''
Merkmale der Blätter. ^59
Sie fehlen auch anderen Gebieten nicht; die Medina-fault, an
welcher eine Hälfte der Insel Wight gegen die andere verschoben
wurde, ist dafür ein lehrreiches Beispiel. Dass diese Flächen aus
der tangentialen Spannung hervorgehen, wie die Ueberschiebungs-
flächen, bedarf wohl keines weiteren Beweises, aber es fehlt für
dieselben ein bezeichnender Name.
Köhler kennt auch Verschiebungen dieser Art aus dem Stein-
kohlengebirge und rechnet dieselben zu CarnaU's ,Uebersprün-
gen*. Ich werde für dieselben den dem Bergbaue in den Alpen
entlehnten Ausdruck , Blätter* benützen.
Es gehen demnach aus der tangentialen Bewegung im Ge-
birge zweierlei Sprungflächen hervor. Die erste Gruppe bilden
Ueberschiebungsflächen,WechseloderSchlächten, durch deren
Wiederholung die Schuppenstructur entsteht, und die zweite Gruppe
sind die Verschiebungsflächen, Blätter oder Uebersprünge.
Das Streichen der Wechsel entspricht dem Streichen der Ge-
birgsfalten und wird mit denselben abgelenkt. Das Streichen der
Blätter ist mehr oder minder, doch nicht immer genau senkrecht
auf das Streichen des Gebirges; es ist der Ablenkung nicht unter-
worfen, wie jenes der Wechsel und gibt wohl ein richtigeres Bild
von den allgemeinen Bewegungen der Masse.
Jede einzelne Wechselfläche hat eine bestimmte Fallrichtung,
welche an demselben Orte gegen die Tiefe anhält. Die Fallrich-
tung der Blattflächen ist fast immer ausserordentlich steil, mag
aber gegen die Tiefe von einer Himmelsrichtung in die entgegen-
gesetzte sich ändern und wieder in die erste zurückkehren.
Die Blätter sind weit mehr geneigt, Thalbildung zu veran-
lassen, als die Wechsel. Die Blätter sind zuweilen erzführend, die
Wechsel sind es weit seltener.
Die Blätter gehen in ihrer normalen Gestalt aus der gleich-
sinnigen, aber ungleich starken Bewegung von Gebirgstheilen
hervor. Der Parallelismus der Bewegung beider Theile ist öfters
nur in Bezug auf die Himmelsrichtung vorhanden, während der eine
Flügel weit steiler in die Tiefe ziehen mag, als der andere. Dies wird
insbesonders dann eintreten, wenn in Folge der stärkeren Bewegung
der vortretende Flügel sich stärker faltet. Es können darum an
Blättern beträchtliche Niveauverschiedenheiten eintreten , ohne
1 6o Torsion.
dass ein eigentliches Absinken eines der beiden Flügel, eine Ver-
werfung im engeren Sinne, eintrete, und bezeichnend hiefür ist,
dass selbst in diesem Falle keine verticalen Striemen an den Har-
nischen sichtbar werden, sondern dass die Linien auf denselben
sich nur leicht gegen den Horizont neigen, oder dass zwei Systeme
von Linien über einander sichtbar werden, beide von verschie-
dener und dennoch flacher Neigung. —
Eine ausserordentlich viel grössere Verwicklung all' dieser
Verhältnisse, sowohl der Blätter als der Wechsel, tritt dann ein,
wenn sich in demselben Gebiete zwei verschiedene Faltungs-
richtungen geltend machen.
In dem grössten Theile Europa's nördlich von den Alpen zeigen
die Gebirgsketten wie im Alpensysteme selbst eine Faltung gegen
Nord. Dies hindert aber nicht, dass weithin in Mittel-Europa zwei
verschiedene Richtungen bemerkbar werden, von welchen die
eine mehr gegen Nordost, die andere mehr gegen Nordwest
streichende Falten und Gebirgszüge erzeugt hat, und welche als
die niederländische und die hercynische Richtung bezeichnet
werden.
Wo nur eine dieser beiden Richtungen Ausdruck findet, wie
im südwestlichen Irland, wo in den Gebirgen um Killarney-Lake
das Devon hoch aufgeschoben ist über den Kohlenkalk," oder
längs der belgischen Kohlenfelder, oder im Erzgebirge, da bleibt
trotz aller sonstiger Complication der Verhältnisse der Zusammen-
hang der Dislocationen und der Gebirgsbewegung immerhin noch
leichter erkennbar. Unvergleichlich viel schwieriger wird die Auf-
gabe dort, wo auf denselben Höhenzug zwei Faltungsrichtungen
Einfluss genommen haben.
Nach Lossen's überaus lehrreicher Darstellung ist der Harz
als ein Gebirgsknoten anzusehen, hervorgegangen aus einseitiger
Faltung, welche jedoch zuerst im niederländischen, dann im hercy-
nischen Sinne erfolgte. Zuerst wäre demnach eine Kraft aus Süd-
ost wirksam gewesen, unter deren Einfluss die ersten Grundlinien
des Baues geschaffen wurden; später, nachdem diese heute noch
in dem Streichen eines grossen Theiles des Gebirges erkennbaren
Grundlinien vorhanden waren, und als insbesondere die grosse
Granitmasse des Brockens schon mit ihrer weiten Buckelfläche
Sprunßbiindcl aus Torsion. I 6 I
unter dem paläozoischen Schiefer und Quarzit lag, hat, nach
dieser Anschauung, auf dieses mehr oder minder nordöstlich
streichende Gebirge eine Kraft im hercynischen Sinne, d. i. aus
Südwest gewirkt.'^
Die Sattellinien der Falten und die Wechselflächen wurden
durch diese zweite Bewegung vielfach windschief verbogen. Die
Entstehung jenes grossen und merkwürdigen Systems von Gang-
spalten, welches in der Nähe von St. Andreasberg, also unweit von
dem südlichen Ende der Granitmasse des Brocken, seinen Ur-
sprung nimmt, und dessen strahlenförmige Anordnung Groddeck
hervorgehoben hatte, wird im Zusammenhange rtiit diesen Vor-
gängen der Gebirgsbildung von Lossen als die Folge einer Torsion
der Gebirgsmasse aufgefasst. ^*
Daubr^e hat bandförmige Streifen von starkem Glas an den
schmalen Enden in Backen gespannt und dann einer schrauben-
förmigen Drehung bis zu 20** unterworfen. Es zeigte sich, dass in
regelmässigen Abständen von dem rechten und von dem linken
Rande der Platte strahlenförmig ausgehende Bündel von Sprüngen
erzeugt wurden. ""^
Die Sprünge im Harzgebirge, von welchen einzelne eine
Länge von 14 Km. erreichen, sind unter wesentlich anderen Be-
dingungen entstanden. Es sind jene freien Ränder der Platte in
der Natur nicht vorhanden, welche, wie die Versuche Daubree's
zeigen, für die Anordnung der Sprünge auf der Glasplatte maass-
gebend sind, und, was sehr wesentlich ist, während Daubrt^e that-
sächlich eine schraubenförmige Drehung ausführte, sind in der
Natur zwei auf einander senkrechte Bewegungen gefolgt, von wel-
chen die eine früher und die andere später eintrat, und keine dieser
Bewegungen ist, für sich betrachtet, eine drehende gewesen. Den-
noch besteht in der-That ein gewisser Grad von Aehnlichkeit zwi-
schen dem von St. Andreasberg ausstrahlenden Gangsystem und
den auf künstlichem Wege erzeugten Bündeln von Torsions-
sprüngen.
Durch Kayser's Untersuchungen ist die Kenntniss von diesem
Spaltensystem noch wesentlich vervollständigt worden. Hienach ist
jede der grösseren Spalten von einer Dislocation des Gebirges zu-
gleich in horizontalem und in verticalem Sinne begleitet, und diese
Suess, Das Antlitz der Erde. II
I 6 2 Spalten von St. Andreasberg.
Dislocationen betreffen auch den Granit, welcher wie die anderen
Gesteine an diesen Sprüngen verschoben wird.
Hauptlinien sind: die Oderspalte, die Ackerspalte und die
Andreasberger Ruschein.
Die Oderspalte, etwa 1 4 Km. lang, läuft von einer Stelle öst-
lich von St. Andreasberg, das niederländische Streichen des Ge-
birges durchschneidend, gegen Nordnordwest; sie ist gegen Ost
geneigt, und der Ostflügel des Gebirges ist gegen Nord und ab-
wärts bewegt. Oestlich von dieser grossen Linie befindet sich eine
Anzahl in Nordwest streichender Spalten, welche an ihr in spitzem
Winkel enden; an der südlichsten derselben ist der Ostflügel
merklich gegen Nord verschoben (4, Fig. 1 2).
Die Ackerspalte beginnt in der Nähe des Ausgangspunktes
der Oderspalte und ist anfangs gegen Nordwest gerichtet; weiter-
hin wendet ihr Streichen mehr und mehr gegen Westnordwest, so
dass sie sich immer rascher von der Oderspalte entfernt. An ihr,
sowie an einer nördlich vorliegenden Parallelspalte findet eine
sehr merkbare Verschiebung des Ostflügels gegen Nord, weiter-
hin, diesem entsprechend, des Nordflügels gegen West statt.
Durch die Aenderung ihres Streichens nähert sie sich mehr und
mehr der Richtung der zahlreichen und langen Clausthaler Spalten,
welche in den geöffneten Raum zwischen der Oderspalte und
Ackerspalte fallen (3, Fig. 12).
Ein südlich der Ackerspalte nahe gelegener kleiner Gang,
auf welchem die Baue .Segen Gottes* und , Neues Glückauf* liegen,
strebt in seinem Streichen dem Ausstrahlungspunkte der grossen
Gänge zu und begrenzt mit der Ackerspalte einen längeren
schmalen Granitstreif gegen die nordwärts von der Ackerspalte
und südwärts von ihr selbst folgende Grauwacke. Ich hebe diese
Linie hervor, weil an diesem Gange nicht mehr der nördliche,
sondern der südliche Flügel nach abwärts bewegt ist, und das
Fallen der Kluft nach Kayser wahrscheinlich steil gegen Süd ge-
richtet ist. Da die südlich folgende Gruppe der Ruschein durch
südliches Fallen und die Senkung der Südflügel ausgezeichnet ist,
würde es nach den vorliegenden Beschreibungen den Anschein
gewinnen, als stelle der besagte schmale Granitstreifen in der That
einen Horst dar, von welchem das Gebirge beiderseits sich abstuft.
Spalten von St. Aadrea-sbcrg.
163
Die Ruschein sind weite, von zerdrücktem Gebirge erfüllte
Spalten, welche in einem keilförmigen Räume die silberreichen
Gänge von Andreasberg gegen Nord, West und Süd umgrenzen.
Die edlen Gange gehen nicht über die Ruschein hinaus; ihre Lage
gegen den gemeinschaftlichen Ausstrahlungspunkt ist aus Fig. i 2
ersichtlich.
Die nördliche, Neufanger Ruschel fallt nach Süd und der Süd-
flügel sammt dem Erzrevier ist gesenkt. Auch die südlichen Ru-
scheln fallen steil nach Süd, aber es scheint Meinungsverschieden-
heit darüber zu herrschen, ob der Südfiügel der südlichsten der
grossen Kdelleuter Ruschel gesenkt oder überschoben sei."*"
Es ist ein sehr erfreulicher Umstand, dass eine so schöne
Aufgabe, wie die Lösung der durch die zweifache Faltung und
durch die strahlenförmige Anordnung der Sprünge angeregten
Fragen der irdischen Dynamik, in ein leicht zugängliches Gebirge
I 64 Senkunj,'.
gelegt ist, wo ausgedehnter Bergbau, gewissenhafte und ausge-
zeichnete Forscher und alle erforderlichen Hilfsmittel in einer
Weise vorhanden sind, welche hoffen lässt, dass hier noch weitere
Wesentliche Fortschritte für das Verständniss des Gebirgsbaues
im Allgemeinen werden gewonnen werden. Für jetzt mag man
recht wohl in den östlich von der Ackerspalte gesammelten That-
sachen die Spuren einer grossen Schraubenanlage erkennen, und
man mag allerdings, wie gesagt, einige Aehnlichkeit zwischen
der Ausstrahlung der Gänge und den Sprungbündeln Daubree's
finden. Das südlich von der Ackerspalte vorherrschende Süd-
fallen der Spalten bleibt schwerer vereinbar mit diesen Vergleichen.
Befände sich die Oderspalte vereinzelt in den Alpen, so würde
man sie wahrscheinlich als ein normales Blatt der älteren nieder-
ländischen Bewegung ansehen. Die Beständigkeit im Streichen
der alpinen Blätter steht aber im auffallendsten Gegensatze zu
der Lage der anderen Sprünge. Sicher erwiesen ist, dass der
Granit des Harzes diesen Spaltenbildungen gegenüber vollkom-
men passiv bleibt. —
B. Dislocation durch Senkung.
Die aus der Contraction der Erdmasse hervorgehenden Span-
nungen zeigen, sagten wir, die Neigung, sich in zwei Richtungen
der Bewegung zu zerlegen, von welchen die eine mehr oder minder
tangential, horizontal, faltend, verschiebend oder überschiebend,
die andere vertical und senkend wirke. Wohl sind bereits Blatt-
flächen angeführt worden, an welchen die Gleitlinien auf den Har-
nischen sich abwärts neigen und an welchen nicht unbeträchtliche
verticale Dislocationen eintreten mögen, aber die anregende und
bestimmende Kraft ist doch auch in diesen Fällen die horizontale
Componente gewesen. Es wird nun um der Deutlichkeit der Dar-
stellung willen zu empfehlen sein, dass wir die bisher verfolgte
Reihe von Beispielen unterbrechen, um die äussersten Fälle der
zweiten Gruppe von Dislocationen kennen zu lernen, und um von
diesem P^xtrem allmälig zurückzukehren zu jenen verwickelten
Störungen des Gebirges, in welchen beide Componenten wirksam
«
waren oder noch sind.
Passive Senkung. I 65
Die Erfahrung lehrt, dass man von einer radialen Spannung
nicht sprechen sollte, sofern man nur die Störungen in dem Baue
des äusseren Felsgerüstes im Auge hat. Ein activer Zug nach
abwärts ist in der ganzen umfangreichen Gruppe von Disloca-
tionen, welche ich jetzt zu besprechen versuchen will, nicht sicht-
bar. Wo die tangentiale Bewegung fehlt, lassen sich die vor-
handenen Dislocationen ungezwungen durch das Weichen der
Unterlage und durch die Schwerkraft erklären. Was man sieht,
sind nur verschiedenartige Formen von passiven Einsenkungen
und Einstürzen. Es bleibt der Eindruck, als wirke die radiale
Componente in grösserer Tiefe, und als würden hiedurch unter
einer äusseren Schale Räume geschaffen, welche gestatten, dass
grosse Theile der äusseren Schale in dieselben hinabsinken.
Diese Auffassung ist nicht neu; man begegnet derselben unter
verschiedenen Abänderungen in den neueren Schriften über Ge-
birgsbau; sie ist von sehr grosser Bedeutung für das Verständniss
des Gefüges der äusseren Theile des Planeten, aber ihre weitere
Erläuterung kann nicht an dieser einleitenden Stelle unternommen
werden, deren Aufgabe vielmehr erst die Ermittlung einer bestimm-
teren Gruppirung und Terminologie der Dislocationen ist.
Die Untersuchung eines einzelnen Einbruches oder einer ein-
zelnen Senkungslinie führt nicht gar weit. So lange man jede F^alte
eines Kettengebirges für sich zu betrachten und jede Antiklinale
des Juragebirges als das Ergebniss einer gleichsam individuellen
linearen Erhebung anzusehen gewohnt war, blieb die Einsicht in
das Wesen der Faltenbildung überhaupt verschlossen. So wie die
Falten einer grossen Kette nach gemeinsamen Gesetzen geordnet
sind, so wie jede derselben von ihren Nachbarfalten und von der
allgemeinen Structur der Kette abhängig ist und so wie sie alle
aus einer gemeinschaftlichen Ursache hervorgegangen sind, so
sieht man auch in ausgedehnten Landstrichen die Senkungslinien
zu Netzen oder Systemen sich ordnen, welche gemeinschaftlich die
Lage eines Senkungsfeldes zeichnen und ebenso wie die Falten
eines Kettengebirges aus einer gemeinschaftlichen Ursache her-
vorgegangen sind.
In einem normalen Senkungsfelde unterscheidet man zwei
Hauptrichtungen der Sprünge, welche wir in Uebereinstimmung
1 66 Bruchnetze.
mit der schon vor vielen Jahren von Deffner für die Brüche im
schwäbischen Jura eingeführten Bezeichnung die peripherischen
und die radialen Sprünge nennen. Ausserdem finden sich stets
noch ohne allgemein giltige Regel hinzutretende diagonale
Sprünge und ferner kürzere untergeordnete Quersprünge,
welche die Hauptsprünge rechtwinkelig verbinden.
Die peripherischen Sprünge bilden die wichtigste Gruppe.
Sie umgrenzen nicht nur das Sen-kungsfeld mit weitem Bogen oder
Polygon, sondern sie wiederholen sich innerhalb dieses Umrisses
in mehr oder minder concentrischer Weise, wohl auch als die
Sehne eines Bogens oder quer über den Winkel des Polygons her-
laufend, und nicht selten bemerkt man eine höchst merkwürdige
Regelmässigkeit in den horizontalen Abständen der einzelnen gegen
die Mitte des Senkungsfeldes einander folgenden Zonen von peri-
pherischen Sprüngen.
An jedem dieser peripherischen Sprünge ist mit wenigen Aus-
nahmen der gegen die Mitte des Senkungsfeldes liegende Flügel
gesenkt, so dass sich der Betrag der Senkungen gegen die Mitte,
das ist gegen die Tiefe des Senkungsfeldes, summirt. Es kommt
aber allerdings auch vor, dass zwischen irgend zwei peripherischen
Sprüngen ein Gebirgsstreifen zu tief gesunken ist, so dass dann
die äussere Seite des folgenden Sprunges als die hangende er-
scheint und eine kleine Compensation eintritt. Solche zu tief ge-
senkte Streifen nennen wir nach einem alten bergmännischen Aus-
drucke Gräben oder Grabensenkungen. Es kommt ferner vor,
dass in dem Streichen einer peripherischen Linie das Ausmass der
Senkung allmälig sich mindert und zugleich in nicht allzugrosser
Entfernung eine zweite peripherische Spalte mit parallelem Ver-
laufe beginnt und mit zunehmender Senkung sich fortsetzt, so dass
die eine Spalte durch die andere abgelöst wird, wie in ähnhcher
Weise die Falten der Kettengebirge sich ablösen. Dann bleibt
zwischen beiden Sprüngen ein gleichsam schwebendes Stück zu-
rück, und solche Stücke hat Mojsisovics bei den grossen Senkungs-
brüchen der Südalpen als Brücken bezeichnet.
Nähern sich die äusseren Umrisse zweier Senkungsfelder ein-
ander und bleibt zwischen beiden ein trennender Rücken, von
welchem nach beiden Seiten die Senkungen mehr oder minder
Horste. 167
treppenförmig abfallen, so bezeichnen wir diesen Rücken mit einem
ebenfalls im Bergbaue üblichen Worte als einen Horst, wohl
auch als einen Horst erster Ordnung, im Gegensatze zu den
untergeordneten Horsten, welche da und dort zwischen dem
Spnmgnetze sich bilden. Als solche Horste erster Ordnung wer-
den wir z. B. den Schwarzwald, die Vogesen, den Morvan und das
Kaibab-Plateau am Colorado kennen lernen. Dass untergeord-
nete Horste schon auf Sprüngen im gefalteten Gebirge entstehen
können, sobald diese auch von verticaler Bewegung begleitet sind,
hat das Beispiel an der Ackerspalte bei St. Andreasberg bereits
gezeigt.
Die radialen Sprünge sind in ihrer Anlage lange nicht so
regelmässig wie die peripherischen Sprünge. Sie sind in Senkungs-
feldern von massiger Ausdehnung besser entwickelt; sie durch-
schneiden dann die peripherischen Sprünge und erzeugen mehr
oder minder trapezförmige Schollen, welche zuweilen eine selb-
ständige, schräge und abnorme Bewegung verrathen, durch welche
die Regelmässigkeit des Senkungsfeldes örtlich beirrt wird. Gegen
die Mitte, wo die radialen Linien sich zu drängen beginnen, ent-
stehen kleinere Keile, und aus der weitgehenden Zerstückelung
der Erde gehen stellenweise eigenthümliche, örtlich verschiedene
Einsturzfelder hervor, welche bald einen runden, bald einen un-
regelmässig eckigen Umriss haben können und deren Ausdehnung
in ein und demselben Senkungsfelde eine sehr verschiedene sein
mag. Als solche Einstürze gegen die Tiefe eines Senkungsfeldes
sind z. B. der Rieskessel, der Höhgau und die Liparischen Inseln
anzuführen.
Es ist bereits erwähnt worden, wie ausserordentlich leicht
selbst sehr grosse Sprünge dieser Art, welche mit verticalen Dis-
locationen im Betrage von tausenden von Füssen verbunden sind,
unserem Auge verhüllt bleiben und wie oft künstliche Aufschlüsse
solche Störungen dort biossiegen, wo sie früher nie vermuthet
wurden. So wird es erklärlich, dass die Sprungnetze in der Regel
nur in sehr lückenhafter Weise bekannt sind. Böhmen, sonst so
vielfältig durchforscht, ist hiefür ein schlagendes Beispiel. Kein
Anzeichen verräth an der Oberfläche des einförmigen Hügellandes
von Przibram das Vorhandensein der Lettenkluft, jener gewaltigen
I 68 Senkungen in Böhmen.
Störungsfläche, welche die dortigen Silbergänge durchsetzt, jetzt
bis zu einer Tiefe von mehr als tausend Meter aufgeschlossen
ist und welche in der Tiefe der Grube unter den azoischen Ab-
theilungen des Silur ihre Unterlage, den Granit, wieder sichtbar
werden lässt. Die Lettenkluft streicht nordöstlich, und der süd-
östliche Theil wird als der gesenkte anzusehen sein. ^^
Es ist aber in hohem Grade wahrscheinlich, dass die wenig
südlich davon ebenfalls gegen Nordost fast geradlinig zu Tage
verlaufende Grenze des Granits gegen die azoischen Ablagerungen
einem zweiten, ähnlichen Bruche entspricht, und dass die Letten-
kluft und diese Granitgrenze nur Theile einer grossen Gruppe
nordöstlich streichender Sprünge sind, von welchen einige durch
die verdienstlichen Arbeiten von Krejci und Helmhacker erst kürz-
lich zwischen Beraun und Prag ermittelt wurden/^
Diese Sprünge liegen im Streichen der böhmischen Silurmulde,
welche nach diesen Erfahrungen anstatt des früher gebotenen
Bildes einer einfachen Synklinale mehr und mehr das Bild einer
sehr breiten und verwickelten Grabensenkung annimmt. Diese
Gruppe von nordöstlichen Sprüngen ist aber wieder nur ein Theil
jenes grossen Systems von Sprüngen, von welchem die böhmische
Masse durchsetzt ist, welchem die Brüche am Fusse des Erzgebirges,
die wiederholten parallelen Senkungslinien am Fusse des Iser-
und Riesengebirges, die scharfe, von Elbe-Teinitz gegen Südost
ziehende Linie, die. von Frag gegen Süd ziehende Linie des
Moldauthales und manche andere angehören, von welchen, eine
vorläufige Skizze mir mitzutheilen, Prof. Krejci die Güte hatte,
und deren genauere Ermittlung die dankbare Aufgabe unserer
Fachgenossen in Prag geworden ist. Heute lässt sich jedoch schon
erkennen , dass ein sehr grosser Theil Böhmens , insbesondere
West, Nord und Ost des Landes, der Schauplatz ausgedehnter
Senkungen gewesen ist, welche sich auf weichender Unterlage an
zahlreichen Sprungflächen vollzogen haben. Die schematische
Unterscheidung von peripherischen und radialen Sprüngen findet
in diesem Falle freilich keine Anwendung. Der archäische Süden
des Landes ragt, allerdings auch von Sprüngen durchsetzt,
dennoch im tektonischen noch weit mehr als im orographischen
Sinne über das andere Land hervor; gegen Nordost und Nord-
SenkuDf^n ia Utah. I 6q
west stehen als Grenzen die Abhänge des Riesengebirges und des
Erzgebirges.
Die Vorstellungen, welche sich auf den enger umgrenzten
Gebieten des mittleren Europa bilden, sind aber zum guten Theile
nicht übertragbar auf jene weiten Regionen anderer Welttheile,
■if. l3. Die Brüche lU-r
Hochiilateam von
Utah.
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in welchen horizontal geschichtete Platten auf ausserordentliche
Strecken hin durchschnitten sind von grossen Storungslinien, in
welchen der Begriff von peripherischen Linien selten, jener von
radialen Linien noch seltener Geltung erlangen kann, wo bei der
Vertheilung der Linien die Durchkreuzung selten ist und folglich
auch die Veranlassung zu localen Einstürzen fehlt, und bei ihrer
I yo Bruch des Wahsatch.
ausserordentlichen Länjje nicht nur das Ausmaass der Senkung
sich ändert, sondern sogar die Senkung bald auf der einen und
bald auf der anderen Seite desselben Sprunges eintritt.
Um diesen Gegensatz zu zeigen, wähle ich das ausgezeich-
netste Beispiel, nämlich jenes System von Störungen, welches die
Hochplateaux des westlichen Utah durchsetzt, und von welchem
Dutton ein ebenso anschauliches als lehrreiches Bild entwor-
fen hat. '^
Das an der Ostseite des grossen Salzsee's und des Utah Lake
herabstreichende Wahsatchgebirge reicht lange nicht so weit nach
Süden, als unsere Karten in der Regel angeben, sondern endet
in der Nähe des M. Nebo, beiläufig in 3c/ 45'.
Das Wahsatchgebirge ist gegen den Salzsee von einem von
Nord gegen Süd laufenden grossen Bruche abgeschnitten, an
welchem der westliche Flügel abgesunken ist. Gegen Süd löst
sich dieser Bruch in zwei staffeiförmig stehende Brüche auf. Dem
südlichen Ende des Gebirges gegenüber erhebt sich M. Nebo,
eine Masse, welche von einem meridionalen Bruche in solcher
Weise abgeschnitten ist, dass die Osthälfte sank, und man be-
trachtet den Bruch des M. Nebo als die Fortsetzung des Bruches
oder der parallelen Brüche, an welchen die Westseite des Wah-
satch abgesunken ist.
Von M. Nebo an folgt bis zum grossen Canon des Colorado
hinab ein Landstrich, welcher gebildet wird von gewaltigen Schollen
horizontal geschichteten Gebirges, welches den Westrand des
grossen Colorado-Plateaus ausmacht. Die Schichten bestehen aus
marinen Ablagerungen, welche vom Carbon bis in die Kreide
reichen, wobei in der Kreide die Einschaltung von blattführenden
und wohl auch von echten lacustren Schichten sich gegen oben
mehr und mehr bemerkbar macht; hierauf folgen tertiäre lacustre
Sedimente und dann ausgedehnte vulcanische Decken. Die Ober-
fläche dieser grossen Schollen liegt in vielen Fällen mehr als
I i.ooo Fuss über dem Meere, und sie sind umgrenzt und durch-
schnitten von grossen linearen Störungen.
Die Anordnung der Störungslinien ist auf Fig. 1 3 nach Dutton,
Atlas PI. IV, ersichtlich gemacht, wobei Dutton für den südlichen
Theil die Arbeiten PowelFs und Gilbert's zu Grunde gelegt hat.
Flexuren. I y I
Sie gleicht einer ruthenförmigen Zertheilung des Hauptbruches
am Wahsatch und Nebo, wobei im Süden zwischen den östlichen
und westlichen Kaibabbrüchen (6 und 7 auf Fig. 13) das Kaibab-
Plateau im Grossen die Stellung eines Horstes einnimmt. Die öst-
lichen Linien mögen dann als dem westlichen Theile jener peri-
pherischen Linien zulaufend angesehen werden, an welchen, wie
sich später zeigen wird, das Colorado-Plateau eingesenkt ist, wäh-
rend die westlichen Linien in sehr verwickelte Beziehungen zu den
Ketten des Great-Basin treten.
Durch diese Brüche werden, wie gesagt, grosse Schollen
umgrenzt.
Die erste dieser Schollen, Wahsatch-Plateau, erhebt sich süd-
östlich von M. Nebo und dem Ende der Wahsatch-Mountains zwi-
schen 39° 30' und 39°. Von der Westseite dieser Scholle gehen
die weiteren Störungslinien aus; sie divergiren gegen Süd, und
indem sich neue Linien mit ähnlicher Anordnung anschliessen, ent-
steht nun jenes grosse Bündel nordwärts mehr oder weniger gegen
die Westseite vom Wahsatch-Plateau hinstrebender und südwärts
auseinandertretender Linien, welche, immer weiter von einander
entfernt, die Cahons des Colorado kreuzen und noch weiter nach
Süden sich fortsetzen. Fig. 13 zeigt sie etwa bis 35° 40' hinab.
Diese Störungslinien sind auf lange Strecken hin mehr oder
minder scharfe S förmige Beugungen der Schichten, welche von
den amerikanischen Forschern im Gegensatze zu den ,folds\ d. i.
wahren Falten alpiner Gebirgsbildung, als ^monoclinal flexures^
bezeichnet werden. Es fehlt unserer Nomenclatur eine kurze Be-
zeichnung für diese Form der Störungen, und ich werde sie eben-
falls Flexuren, im Gegensatze zu Falten, nennen. Diese Flexuren
ersterben an manchen Orten in immer flacherer Beugung; an an-
deren Orten gehen sie in steile Brüche über mit beträchtlicher
Absenkung einer Seite. Aus der zerrissenen Flexur wird eine
Verwerfung mit geschleppten Flügeln, wobei der gesenkte
Flügel nach aufwärts, der andere nach abwärts geschleppt ist,
gerade wie durch Zerreissung eines Faltensattels eine Wechsel-
fläche erzeugt wird.
Flexuren und Verwerfungen haben daher nicht als wesentlich
verschiedene Erscheinungen zu gelten. Beide treten abwechselnd
1^2 Sevierbruch.
auf derselben Störungslinie je nach dem Wechsel des Betrages
der Störung auf, und es kann sogar geschehen, dass an derselben
Stelle eine Störung in einem höheren Niveau als Flexur, in einem
tieferen als Verwerfung sichtbar wird. Nun schwankt aber auf
diesen langen Linien nicht nur der Betrag der Störung, sondern
es kann bald der östliche, bald der westliche Flügel abgesunken
sein, wie wir dies eben an dem Hauptbruche der Wahsatch-Moun-
tains und des M. Nebo sahen, und wie dies ja auch z. B. Elie de
Beaumont vor Jahren an dem Bruche von Zabern in den Vogesen
dargestellt hat.
Hin Beispiel soll dies zeigen.
Wir folgen von Süd gegen Nord Dutton's Darstellung der
Sevierlinie (5, Fig. 13). Sie beginnt 35 Miles nördlich vom grossen
Canon. Anfangs ist sie mit der gesunkenen Seite nach abwärts
gebeugt, also entgegengesetzt der gewöhnlichen Schleppung,
und die andere Seite ist horizontal. Fünf Miles entfernt von der
Störung Hegen die an der Störung gebeugten Schichten auch
horizontal und ebenso hoch wie der jenseitige Flügel. Weiter
nördlich ist sie abgestuft in zwei Brüche. Noch weiter, am Rande
des Faunsagunt-Plateaus, ist die gesunkene westliche Seite auf-
wärts gebeugt, die andere horizontal. Noch weiter nach Nord
treten von der gesunkenen Seite her Zweigbrüche Hinzu, und es
tritt etwas Stafifelbildung ein. Der Bruch vereinigt sich wieder,
hat aber an verticalem Ausmaasse verloren.
Es beträgt die Senkung bei Hillsdale, noch immer am Rande
des Faunsagunt-Plateaus, etwa in 3 7** 40', nur 800 Fuss. Dies bleibt
sich durch beiläufig i o Miles gleich ; durch die nächsten 60 Miles
folgt eine sehr allmälige Zunahme. In Panciuitch Canon, den der
Sevier durchfliesst, liegt ein grosses eruptives Centrum und wird
die Verfolgung schwieriger, doch bildet der Hauptbruch die
grosse Plateauwand gegen Ost.
In Circle -Valley geht nun ein Zweig ab und kehrt wieder
zurück. Noch nördlicher, bei Fast Fork Canon (38" 5' — 38° 10')
sind die gesunkenen Schichten aufgebeugt gegen den Bruch,
gegen oben aber abgetrennt, mit einem Verwürfe von 3000 Fuss.
Das Maximum der Dislocation wird bei dem Mormonendorfe
Monroe (38" 38') erreicht, dann nimmt der Betrag der Störung ab.
Verschiedenes Maass der Bewegung.
173
Zwischen Glenwood und Salina (zwischen 38° 43' und 38" 75')
scheint derselbe auf Null gesunken zu sein und nun tritt gänzliche
Verkehrung ein. Während auf der ganzen Strecke bis hieher der
westliche Flügel gesenkt war, erfolgt nun die Senkung gegen Ost.
Der Bruch bildet nun den Ostrand des San Pete-Plateaus und
nimmt fortwährend zu, bis in die Nähe des M. Nebo.
Dutton nimmt an, dass in diesem nördlichen TheÜe eine
jüngere Bewegung der älteren gefolgt sei.
Es ist mir nöthig erschienen, so weit ins Einzelne zu gehen,
um den Wechsel in den wesentlichsten Merkmalen erkennen zu
lassen. Es ist ferner die der gewöhnlichen Schleppung entgegen-
gesetzte Auf beugung der Schichten am südlichen Ende der Sevier-
Linie hervorzuheben. Dieser Fall trifft Öfters ein und wird dadurch
erklärt, dass an derselben Stelle Dislocationen im entgegenge-
setzten Sinne eingetreten seien, d. i. dass z. B. erst der östliche,
dann der westliche Flügel der tiefere gewesen sei.
Das Maass der verticalen Dislocation steigt bis auf etwa
7000 Fuss an einzelnen die.ser Linien, lieber die Art der Bewe-
gung, d. i. ob der tiefer liegende Flügel gesenkt oder der andere
gehoben sei, sprechen .sich die amerikani.schen Forscher ohne Aus-
nahme mit der äussersten Zurückhaltung aus und verwahren
•sogar ausdrücklich dagegen, dass aus den von ihnen
drücken eine bestimmtere Folgerung gezogen werde.
I y6 Alpine Einbrüche.
leicht kennbarer Streifen von eocänem, petrefactenreichem Grün-
sand und Eisenoolith, begleitet von zuweilen riffartig hervortreten-
dem, gleichfalls eocänem Lithothamnienkalk, streicht an dem äusser-
sten Saume des Gebirges von Baiern her gegen Ostnordost, bricht
ab und taucht mit gleichem Streichen jenseits der Salzach bei
S. Pankraz, am Wartberge bei Mattsee und an anderen Stellen
wieder hervor. Innerhalb dieses äussersten Saumes und grössten-
theils mit demselben ist die Flyschzone ihrer vollen Breite nach
gegen Ost bis an die Salzach und gfegen Süd bis an die Kalk-
wände des Untersberges zur Tiefe hinabgesunken. Es fehlt daher
dieser Gegend das waldige Vorgebirge, welches sonst das land-
schaftliche Mittelglied zwischen dem grünen Flachlande und den
schroffen Abstürzen des Hochgebirges bildet; aber gerade der
hiedurch hervortretende, ungewohnte Gegensatz bedingt die un-
vergleichliche Lage der Stadt und den gewaltigen Eindruck,
welchen die Höhen des Stauffen- und des Untersberges hervor-
bringen.
Ein zweites Beispiel ist der merkwürdige Einbruch des Prät-
tigau, von welchem ich bald ausführlicher zu sprechen haben
werde.
Ein dritter Fall ist der Einbruch von Laibach, mit ausser-
ordentlich unregelmässigem Umrisse, unterbrochen und getheilt
durch zahlreiche aufragende Klippen.
Ein viertes Beispiel ist die Senkung von Wien. Diese steht
fast ebenso weit nach aussen wie jene von Salzburg, aber sie um-
fasst ausser dem Flysch die gesammte Breite der Kalkzone. Diese
Senkung ist im Sinne des Streichens des Gebirges, welches hier
gegen Nordost gerichtet ist,. viel länger als ihre Breite. Gegen
Südwest bildet die Thermenlinie von Baden und Yöslau die
Grenze, doch kennt man einzelne Thermen auch an dem öst-
lichen Rande.
Ein erneuerter Besuch des Ostrandes der Alpen gegen
die ungarische Ebene hat mich in der Ansicht bestärkt, dass der
Einbruch von Wien im Zusammenhanofe mit diesem Rande zu be-
trachten ist.
Die Alpen enden hier nicht mit geradlinigem Bruche und sie
dachen nicht mit lang unter die Ebene hinablaufenden Falten ab,
Ostrand der Alpen. 177
wie dies allerdings weiter im Süden der Fall ist. Es sind im
Gegentheile zwei grosse, bogenförmige Ausschnitte in dem
Gebirgsrande vorhanden, welche zwei Einsenkungsgebieten ent-
sprechen.
Die Umrahmung der ersten Senkung beginnt mit niedrigen
Gneisskuppen in der Nähe des südlichen Endes des Neusiedler-
sees und verläuft über Kobersdorf und Landsee gegen Güns. Bei
Landsee erhebt sich an diesem Rande eine nicht unbedeutende
Basaltmasse; auch im Innern der Senkung sieht man Basalt bei
Pullendorf.
Das zweite Senkungsgebiet ist viel ausgedehnter. Es reicht
von dem aus wahrscheinlich devonischem Schiefer gebildeten Süd-
rande des Gebirgszuges von Güns in weitem Bogen bis Graz und
von da bis Marburg am Ostende des Bachergebirges. Wenn man,
von Güns kommend, eine Anzahl jener Thäler gekreuzt hat, welche,
in weiche tertiäre Lagen eingesenkt, von den steirischen Bergen
zum Raabflusse hinabziehen, so kann man nahe der Westgrenze
Ungarns, z. B. auf den Höhen zwischen Grobendorf und Ulbern-
dorf oberhalb Stegersbach, den Blick gegen Südwest gerichtet,
ein für alpine Gebiete seltenes Bild sehen.
Zur Rechten weichen die hohen und dunklen devonischen
Berge von Graz in weitem Bogen zurück; hinter ihnen erheben
sich die aus Gneiss und altem Schiefer bestehenden noch höheren
Rücken, welche, südwärts zur Koralpe ziehend, allmälig dem
Auge entschwinden. Vor den Bergen von Graz liegt ein Stück
grüner Ebene, dann mitten in der Landschaft, ganz vereinzelt, die
grosse kubische Masse der Riegersburg, der Rest einer einst viel
weiter ausgebreiteten Decke von basaltischer Breccie und Tuff.
Ein wenig links von dem senkrechten Abstürze der Riegersburg
werden die Umrisse der Trachytberge von Gleichenberg sichtbar.
Noch weiter links verliert sich der Blick in dem Dufte, welcher
über der weiten ungarischen Ebene ausgebreitet liegt.
So endet der Hauptstamm der Alpen. Es ist nicht allmäliges
Untertauchen, sondern Abbruch, oder vielmehr zweifacher bogen-
förmiger Einbruch, begleitet von vulcanischen Ausbrüchen, und
es ist gar kein ursachlicher Zusammenhang kennbar zwischen dem
Gefüge des Gebirges und dem Verlaufe dieser Einbrüche. Der
Sness, Das Antlitz der Krde. 12
I y 8 Alter des Ostrandes der Alpen.
Gebirgszug von Güns tritt wie ein Horst zwischen beiden Ein-
brüchen hervor.
Der Zusammenhang dieser beiden Senkungen mit jener von
Wien verräth sich durch den Umstand, dass es dieselben Glieder
der mittleren Tertiärablagerungen sind, welche sich von Wien bis
zum Bacher an die Bruchränder schmiegen. Die erste Mediterran-
stufe, welcher auch die Meeresmolasse der Schweiz angehört,
zieht sich von Baiern her am Rande der böhmischen Masse über
Linz, Melk, Hörn u. s. w. hin; sie ist noch niemals innerhalb der
eben genannten Senkungen gefunden worden, aber sie tritt süd-
lich vom Bachergebirge wieder in ansehnlicher Entwicklung her-
vor. Das älteste Glied, welches innerhalb dieser Senkungen er-
scheint, sind die lignitreichen Schichten von Pitten und Eibiswald
mit der Fauna des Mastod. angustidens. Ihnen folgen Meeres-
schichten der zweiten Mediterranstufe mit Cerith. lignitarum, Py-
rula cornuta und der westafrikanischen Tugonia anatina, dann die
ganze mannigfaltige Serie jüngerer Glieder.
Es ist daher das Alter der drei Einsenkungen von Wien, von
Landsee und von Graz ziemlich genau bekannt, und wir werden
sehen, dass beträchtliche, auaiserhalb der Alpen gelegene Ein-
senkungen in Mittel-Europa auch beiläufig derselben Phase der
Tertiärzeit zufallen.
Diese Einsenkungen sind aber die Zeichen eines Weichens
der Unterlage unter einzelnen Theilen der bereits gefalteten
Alpen.
Noch auffallender als in den Alpen ist die kesseiförmige Ge-
stalt der Einbrüche an der Innenseite des Appennin. Seitdem ich
vor Jahren das bogenförmige Eingreifen dieser Brüche in das
gefaltete Gebirge beschrieb, habe ich wiederholte Gelegenheit
gehabt, mehrere derselben neuerdings zu besuchen, und bin dabei
in meinen damaligen Ansichten bestärkt worden. Schon der Um-
riss des Golfes von Genua ist hier zu nennen; die toscanische
Senkung, mehr nach dem Streichen des Gebirges gestreckt und
bis in den Innenrand der östlichen Flyschzone eingreifend, gleicht
in vieler Beziehung der Niederung von Wien. So wie man vom
Westen, z. B. von München kommend, auf der Eisenbahn nur die
Flyschzone überschreitet, um sich in Wien in der Tiefe der alpinen
Westrand Italicn's. I 79
Senkung zu befinden, so übersetzt die Eisenbahn zwischen Bo-
logna und Pistoja auch nur den Flysch, und Florenz Hegt ebenso
auf einer Senkung des Appennin, wie Wien auf einer Senkung
der Alpen.
Gegen Süd wird dann die kreisförmige Gestalt immer deut-
licher, so am Südrande des Golfes von Neapel bis Capri hinaus,
im Golf von Salern zwischen Capri und Punta della Licosa, im
Golf der S. Eufemia zwischen Cap Suvero und dem vaticanischen
Vorgebirge, endlich im Golf von Gioja zwischen diesem Vor-
gebirge und Scilla. Die Horste ragen als Vorgebirge ins Meer
hinaus. Die Tiefe dieser Senkungen kennen wir nicht, aber wir
wissen, dass noch mindestens 1500 Fuss Asche und Tuff unter
der Stadt Neapel liegen. Selbstverständlich hat man bei Be-
urtheilung dieser Einbrüche nicht die flach concave Küstenlinie
ins Auge zu fassen, sondern den bogenförmigen Abhang des Ge-
birges, welcher in seinem Laufe von einem Vorgebirge zum an-
dern sich mehr oder weniger weit landeinwärts zieht. Auch die
peripherische Schütterlinie Calabriens scheint nichts Anderes als *
der Grundplan zu sein, nach welchem ein neuer grosser Einbruch
dieser Art sich allmälig vorbereitet. Ebenso ist vielleicht der
grosse bogenförmige Steilrand entstanden, welcher den Piano di
Catania und den Aetna umfasst und sich vom M. Cieri oberhalb
Taormina über M. Sordo, M. Gallina oberhalb Nicosia, über Castro
Giovanni, Piazza, Caltagirone, Vizzini, zur Küste zwischen Syracus
und Noto erstreckt.
Es ist also die Westküste Italiens mit einer langen Reihe von
Einsenkungen besetzt, welche in ihrem Zusammenhange den un-
regelmässigen Abbruch des Appennin und die wechselvolle Glie-
derung dieser Küste im Gegensatze zur Ostküste erzeugen. Nur
durch Einbrüche dieser Art konnten Horste erzeugt werden wie
der lange, quer auf das Streichen des Gebirges aufragende Kalk-
zug von Sorrent und Capri.
Brüche von dieser Art können aber ein noch weit grösseres
Maass erreichen. Dies lehrt die Beschaffenheit vieler Küsten,
welche steil und quer auf das Streichen gebrochen sind.
Betrachten wir z. B. die Gebirge der Krim. Schon Pallas
hielt die nördliche Hälfte des Schwarzen Meeres für ein Senkungs-
12
->*
l8o Die Krim.
feld. , Viele neuere Beobachter, unter ihnen Spratt, schlössen sich
dieser Meinung an und begründeten sie durch den plötzlichen Ab-
sturz des Meeresbodens und durch die Beschaffenheit der Bruch-
ränder des taurischen Gebirges. In der That beträgt die Tiefe
des Meeres nördlich von der Linie Cap Emineh — Cap Saritsch
nur 70 — 80 M., während sie südlich von derselben schnell auf
1 000 — 1 800 M. steigt, und in der Mitte der Westhälfte des Pontus
hat Spratt sogar Tiefen von über 2100 M. gefunden; das ist bei-
nahe der doppelte Betrag der Höhe der taurischen Berge.^^
Auch gegen Ost hin hat Em. Favre, gestützt auf Abich's
Arbeiten, sowie auf seine eigenen Beobachtungen, sowohl im
Kaukasus als auf der Krim, den einstigen Zusammenhang dieser
Gebiete nachgewiesen.^*
Der Kaukasus kann gedacht werden als bestehend aus zwei
einseitigen Ketten, welche von Südwest her aneinandergerückt
sind. Grosse Vulcane stehen hier ausnahmsweise mitten im Ge-
birge, nämlich Elbruz und Kasbek, dem südlichen Abhänge aber
gehören die grössten Brüche und Störungen an. In der Nordkette
fallen Jura, Neocom und die jüngeren Schichten concordant gegen
Nord, während die südliche Kette eine durchgreifende Discordanz
zwischen Jura und Neocom erkennen lässt; auch fehlt der Nord-
kette, wie es scheint, die ältere Tertiärstufe gänzlich.
Die südliche Zone des Kaukasus ist es nun, welcher das tau-
rische Gebirge nach Favre angehört; in diesem ebenfalls nord-
wärts geneigten Bruchstücke wiederholen sich seine stratigraphi-
schen Eigenthümlichkeiten.
Das taurische Gebirge, jenes gegen Süd keilförmig gestal-
tete Bruchstück der äusseren Ketten eines grossen Gebirgszuges,
ist also ein Fragment des vom Innenrande her eingesunkenen
Kaukasus. Sein keilförmiger Umriss entspricht seiner Stellung
als Horst zwischen der östlichen und der westlichen Einsenkung
des Pontus.
Noch weit grössere Beispiele für solche Senkungen anzu-
führen, wird sich an späterer Stelle die Gelegenheit finden.
Vereinigte Bewegung.
C. Dislocationen aus vereinigter Senkung und tangentialer
Betvegung.
In jenen Fällen, in welchen Senkung und tangentiale Bewe-
gung thätig waren, ist zuerst zu unterscheiden, welches die Strei-
chungsrichtung der hauptsächlichen Bruchlinie im Verhältnisse zu
der Richtung der faltenden Kraft ist. Steht der Bruch annähernd
senkrecht auf der Richtung der Gebirgsfalten, ist er also ein
Querbruch, so wird die Störung wahrscheinlich durch den ver-
schiedenen Grad der Faltung auf beiden Seiten mehr oder weniger
der schrägen Bewegung an einer Blattfläche gleichen. Ist da-
gegen der Bruch ein Längsbruch, was viel häufiger vorkommt, so
ist zu unterscheiden, ob der gesenkte Theil im Sinne der faltenden
Kraft nach innen oder nach aussen liegt, ob also z. B. in einem
nach Nord gefalteten Zuge der südliche oder der nördliche Theil
abgesunken ist.
Wird ein gefaltetes Gebirge von einem Längsbruche durch-
schnitten und sinkt an demselben der innere Flügel zur Tiefe, so
zeigt sich nicht selten in dem Gebirge das Bestreben, in einer
der normalen Faltung ganz entgegengesetzten Richtung
den Bruch zu überfalten, wodurch an demselben nicht nur
Aufrichtung, sondern auch Einklemmung und Umstürzung der
Schichten entstehen mag. Diese Erscheinung nennen wir Rück-
faltung,
Das mittlere Europa umschliesst mehrere sehr ausgezeichnete
Beispiele von Rückfaltung.
Die grosse Masse des Riesen- undlsergebirges sammtder
Heuscheuer und den inneren Theilen der Sudeten ist nach Nord-
ost bis Ost bewegt. An ihrem Innenrande ist sie auf eine lange
Strecke durch einen nordwestlich streichenden Bruch abgeschnitten,
und auf dieser Linie ist in einer dem normalen Gebirgsbaue ent-
gegengesetzten Richtung Granit mit anderen archäischen Fels-
arten gegen Südwest über weissen Jura und Kreide herüberge-
beugt. Es hat in letzter Zeit v. Dechen die hierauf bezüglichen
Thatsachen für die 127 Km. lange Strecke von Oberau bei Meissen
bis Zittau gesammelt. Man ersieht, dass an einzelnen Stellen
I 8 2 Voglarn.
Aufrichtung von Kreide an Granit, an anderen wahre Ueberschie-
bung von Granit über Jura und Kreide beobachtet wurde.^^
Dieselbe Erscheinung wiederholt sich an dem südwestlichen
Rande der böhmischen Masse, im Angesichte der Alpen. Bei
Voglarn, unweit von Ortenburg in Baiern, haben Egger und
Gümbel eine Ueberschiebung von Gneiss über eine nach ab-
wärts gerichtete Synklinale von oberem Jura gefunden, und
Ammon hat gezeigt, dass in diese Mulde auch die Kreide-
formation eingeklemmt ist. Auch dieser Bruchrand ist daher
nach Ablagerung der Kreideformation vom hangenden Flügel
her überschoben.«^^
Aehnlich dürfte es sich auch an dem Südrande des Teuto-
burger Waldes verhalten. Es ist allerdings in solchen Fällen
schwer zu sagen, ob wahre Verwerfungen überschoben wurden
oder Flexuren; bei dem grossen Ausmasse der Brüche wird das
Erstere als wahrscheinlicher zu betrachten sein.
Dieselbe Rückfaltung tritt auch in den alpinen Einsturz-
gebieten auf.
Es hat H. V. Mojsisovics die Güte gehabt, das Einsturzgebiet
des Prättigau auf Fig. 15 nach dem heutigen Stande der Er-
fahrungen darzustellen.
Man sieht, wie der westliche Theil der Kalkzone der östlichen
Alpen im Rhaetikon endet, und wie an diesem Ende die Faltungen
und Wechsel in wahrer Schuppenstructur rechtwinkelig umgebeugt
werden, so dass sie zuletzt nordsüdlich streichen, als wäre eine
grosse horizontale Verschiebung der Ostalpen gegen die West-
alpen an der Rheinlinie eingetreten, und als sei der Rhaetikon
horizontal geschleppt. Uebersteigt man nun von Norden her den
Rhaetikon und erreicht man an seinem höchsten Funkte, der Scesa
Plana, den steil abstürzenden Südrand, so sieht man nicht, wie es
etwas weiter gegen Ost der Fall ist. Berge von älterem Schiefer
und über diesen vergletscherte Kämme und Zacken von Gneiss,
sondern tief unten das grüne Hügelland des Prättigaus, zuerst
aus Jura und Kreidebildungen von helvetischem Typus zusammen-
gesetzt, wie sie jenseits des Rheins am Säntis zu Tage stehen,
und eine grosse Ausbreitung von Flysch. Gegen Ost ist der
Bruch ebenfalls sehr scharf ausgeprägt, und eine schmale Um-
Prätligau. 183
randung von Triasbildungen bezeichnet die Grenze gegen die
Gneissmasse der Silvretta.
Hier, wo im Rhaetikon die Faltungsrichtung gegen Nord
und Nordwest bis zur Bildung von Wechseln und Schuppenstructur
gestiegen ist, findet nichtsdestoweniger an dem Südrande des-
selben und zum Theile auch an dem Westrande der Silvretta
deutliche Rückfaltung statt, so dass das Senkungsfeld gegen Nord
und Ost davon in mehr oder weniger ausgeprägter Weise um-
geben ist.
Die Hohe Wand bei Wiener-Neustadt ist ein ähnliches Bei-
spiel von Rückfaltung in einem alpinen Einstürze. Es ist dieselbe,
deren Blattflächen S. 1 58 erwähnt wurden. Diese Wand läuft der
Thermenlinie in unmittelbarer Nähe parallel und bezeichnet den
I $4 Hohe Wand bei Wiener-Neustadt.
Stärksten Abbruch des östlichsten Flügels der Kalkalpen. Ob-
wohl, wie Bittner gezeigt hat, dieser ganze Gebirgstheil in aus-
geprägter Schuppenstructur gegen Nordwest in Schollen gestaut
ist, sieht man an diesem inneren Bruche dennoch Trias über
Kreideformation im entgegengesetzten Sinne, nämlich gegen Süd-
ost überschoben, und es kommt dabei zur Bildung einer grossen
Wechselfläche.
Was aber diese Stelle besonders lehrreich gestaltet, ist der
ebenfalls von Bittner bereits erwähnte Umstand, dass die ganze
gegen Südost rückgefaltete und überschobene Masse von jün-
geren Blättern durchschnitten und nach denselben etwa in ähn-
licher Weise Staffel form ig verschoben ist, wie der Kalkabsturz
am Südabhange des Dachsteingebirges oder des Steinernen
Meeres, und dass diese Blätter der Richtung der nahen, durch
die Erdbeben-Beobachtungen bekannt gewordenen Kamplinie
entsprechen. —
Wenn nun aber in einem faltenden Gebirge Absenkungen auf
im Streichen liegenden Sprüngen in solcher Weise sich ereignen.
Vorfaltung. ^^5
dass ein nach aussen Hegender Gebirgstheil gesenkt wird, dass
also z. B. in einem nordwärts faltenden Gebirge auf Ostwest-
sprüngen nordwärts von der Hauptregion der Faltenbildung das
Land hinabsinkt, dann erfolgt weit grössere Horizontal-
bewegung, als würde sie befördert durch die vorliegende
Senkung. Dies nennen wir Vorfaltung.
Dies scheint der Vorgang zu sein, welcher zu den verwickel-
ten Lagerungsverhältnissen in den belgischen Kohlenfeldern
geführt hat.
Aus der Gegend von Boulogne bis nach Aachen reicht eine
grosse Ueberschiebung des Gebirges gegen Nord, welche es dahin
bringt, dass an mehreren Stellen, im Pas de Calais wie bei Lüt-
tich, das flötzreiche Carbongebirge unter devonischen Schichten
abgebaut wird, und dass bei Namur ein nach abwärts gerichtetes
Stück eines grossen Faltensattels, bestehend aus silurischen und
devonischen Ablagerungen, dem in gleichem Sinne nach abwärts
gekrümmten carbonischen Gebirge auflagert.
Der ausgedehnte Bergbau, durch welchen überhaupt all'
diese ausserordentlichen Störungen unter dem von der Kreide-
formation bedeckten flachen Hügellande erst bekannt geworden
sind, gestattet nach den heutigen Aufschlüssen bereits eine Ana-
lyse der Erscheinungen.
Nach Cornet und Briart hat man bei Namur zu unterscheiden:
zuerst Bildung der silurischen Cr6te du Condroz durch Faltung aus
Süd, welche die Verschiedenheit der Devonablagerungen im Nor-
den und im Süden dieses alten Kammes veranlasst; hierauf grosse
postcarbonische Faltung aus Süd, durch welche die erste Ueber-
schiebung des dem alten Sattel vorliegenden Theiles von flötz-
führendem Carbongebirge verursacht wird; dann Bildung eines
ostwestlich streichenden, gegen Nord geneigten Spnmges, mit
Absenkung des nördlichen Theiles; dies ist die ^faille de Boussu^
{A A Ay Fig. 1 7), welche den nördlichen Theil der alten Faltung
im Streichen schneidet und ihren nördlichen Theil senkt. Dann
folgt ein zweiter Sprung, der ^Cran de retour d'A?i^in^ (B B B,
Fig. 1 7), im Streichen dem ersten fast parallel, mit südlichem Fallen
denselben im Kreuz schneidend und verbunden mit Senkuni^ eines
sehr grossen südlichen Gebirgstheiles und Verwerfung der beiden
|86
Belgisches Kohlengehirge.
Flügel der älteren Faille de Boussu. Diesen von untergeordneten
Bewegungen begleiteten Hauptsenkungen folgt nun die Ueber-
schiebung des südlichen Gebirges gegen Nord über die Brüche
hin, auf der ganzen Erstreckung des Kohlengebietes, auf einer
grossen Wechselfläche; dies ist die , Grande faille du Midi' oder
,FaiUe Eifelienne' {C C C, Fig. 17).^'
Das ausserordentliche Maass dieser Bewegung ergibt sich
am besten aus dem Umstände, dass die Mächtigkeit des bereits
durch Denudation verminderten Restes des flötzführenden Ge-
birges auf 2100 M., jene des Kohlenkalkes und Devons auf bei-
^=
läufig 2500 M. geschätzt wird, und dass die Ueberschiebung im
Jahre 1877 bereits auf eine Länge von etwa 200 Km. bekannt war.
Cornet und Briart haben, wie Fig. i 7 zeigt, eine ideale Ergänzung
des überschobenen Flügels versucht, um das Maass der einge-
tretenen, wohl die Ueberschiebung begleitenden Zerstörung und
Abtragung des Gebirges zu beurtheilen, und veranschlagen diese
bei Namur auf 5000 — 6000 M.
Ein höchst competenter BeurtheÜer dieser Vorkommnisse,
Gosselet, sagt: ,Die Ursache der Faltung liegt in der Versen-
kung der centralen Theile des Beckens und der relativen Erhebung
Ueberschiebung von Senkungen. ^87
der Ränder mit Gleitung einer Schichte über der andern. Die
Versenkung selbst ist eine Folge des andauernden Rückzuges
der Erdrinde.* ^^ *
Von einer Trennung der tangentialen und der radialen oder,
wie wir sagten, der faltenden und der senkenden Bewegungen
ist bei dieser übersichtlichen Betrachtung der Dislocationen aus-
gegangen worden; die letzten Beispiele und insbesondere die
auffallende Beförderung, welche die tangentiale Bewegung durch
gleichzeitige Senkung des Vorlandes erfährt, leiten uns zurück zur
Prüfung des ursachlichen Zusammenhanges beider. Diese Prüfung
kann jedoch nur auf Grund der Vergleichung sehr grosser Theile
der Erdoberfläche unternommen werden. Immerhin kann man aus
den genannten Beispielen ersehen, dass in all' diesen Fällen ein
gewisses Bestreben vorhanden ist, die Senkungen zu über-
schieben. Diese Ueberschiebung findet in grossem Maassstabe
statt, wo die Senkung vor der ohnehin vorhandenen normalen Fal-
tungsrichtung liegt, wie in Belgien vor der Faltungsrichtung der
Ardennen; sie fehlt aber auch dann nicht, wenn die Senkung nach
innen liegt, und dann mag sogar eine örtliche Umkehr der Be-
wegung eintreten, wie am Südrande des Riesengebirges oder an
dem südwestlichen Rande der böhmischen Masse bei Voglarn,
oder im Prättigau, oder an der Hohen Wand bei Wiener-Neustadt.
Anmerkungen zu Abschnitt III: Dislocationen.
» G. Köhler, Uebcr die Störungen im westphälischen Steinkohlengebirge und deren
Entstehung; Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen, 1880, XXVIII, S. 195—210, 2 Taf.;
B. Lütti, Sopra una piega con rovesciamento degli strati paleoz. etc., Boll. Comit. geol. 1881,
XII, p. 85—96, t. III; ders., La doppia piega d'Ami e la sezione trasvers. delle Alpe
Apuanc; ebendas. p. 419—428, t IX.
2 dar. King, U. S. Geol. Explor. 40tb Parallel, 4°, I, 1878, p. 744.
3 G. K. Gilbert, in Wheeler, Rep. Geol. and Geogr. Explor. and Surveys West
of 100. Merid., 40, HI, 1875, p. 62.
4 A. Heim, Der Mechanismus der Gebirgsbildung, 4°, 1878, I, S. 233; II, S. 207.
5 Heim, a. ang. Orte, und A. Baltzer, Der mechanische Contact von Gneiss und
Kalk im Berner Oberland; Beitr. zur geol. Karte der Schweiz, XX, 4", Bern, 1880,
und Atlas.
6 H. D. Rogers, On the Laws of Structure of the more Disturbed Zones of the
Earth's Crust; Trans. Roy. Soc. Edinb. 1856, XXI c, p. 442: Uninverted side of Wave
usually shoved over the Inverted.
7 AI. Bittner, Die geolog. Verhältnisse von Hernstein, S. 305.
^ Albr. Müller, Ueber die anormalen Lagerungsverhältnisse im westlichen Basler
Jura, S. 428 — 462, und Tafel; vgL S tu der, Geol. der Schweiz, H, S. 33o; Moesch,
Der südl. Aarg. Jura, Beitr. zur geol. Karte der Schweiz, X, 1874, Taf. II, Fig. 3.
9 Gas. Moesch, Der Aargauer Jura und die nördlichen Gebiete des Cantons Zürich;
Beitr. zur geol. Karte der Schweiz, IV, 4°, 1867, insbes. S. 266 und folg.; 20 Profile an
der Grenze von Plateau- und Kettenjura; das Profil des Bötzberg-Tunnels in desselben
Anhang zu Beitr. Heft IV (erschienen mit Heft X, 1874). Müller hat gemeint, zur Er-
klärung der Schuppenstructur ausser dem auch von ihm anerkannten Drucke aus Süd und
der Stauung durch den Schwarzwald noch besondere parallele Brüche und insbesondere
für die Wiesenberg — Mont Terrible-Kette und die Hasenhubel-Linie »wiederholte Stösse
und Aufrisse aus der Tiefe' annehmen zu sollen. (Ich theilc jedoch in dieser Beziehung
die ältere, jetzt von Moesch mit grosser Sachkenntniss vertretene Ansicht, nach welcher
sich alle diese Erscheinungen auf überschobene Wellen zurückführen lassen.)
10 Dieses Profil ist zu wiederholten Malen, so kürzlich erst in den Verhandl. Schweiz.
Naturf.-Ges. zu Aarau, 1881, S. 70 — 71, beschrieben worden. Ich habe den braunen Jura
und Insectcnmcrgel nicht anstehend getroffen.
»I Köhler a. ang. Orte S. 199, 200.
"2 Köhler, Die Störungen im Rammelsberger Erzlager bei Goslar; Zeitschr. für
Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 1882, XXX, S. 3l-43 und 278; 4 Taf.
13 M. Bertrand, Failles de la lisiere du Jura entre Besan9on et Salius; Bull. soc.
g6ol. 1882, 3e ser., X, p. 114— 126.
»4 A. Escher v. d. Linth, Geol. Beschreib, d. Sentis-Gruppe (herausgeg. von Moesch);
Beitr. zur geol. Karte der Schweiz, 1878, XIII, S. 71, 23 1.
»5 A. Jaccard, Jura Vaudois et Ncuchatelois ; Beitr. zur geol. Karte der Schweiz,
1869, VI, p. 263, 264.
»ö Entstehung der Alpen, S. 61 u. folg.
Anmerkungen zu Th. I, Abschn. III. Dislocationen* I 89
17 F. Posepny, Die Goldbergbaue der Hohen Tauern (aus dem Archiv, f. prakt.
Geol., I), 1879, S. 21, 92, 218 und a. and. Ort.
18 Ders., Die Blei- und Galmei-Erzlagerstätten von Raibl in Kärnten; Jahrb. geol.
Reichsanst. 1873, XXIII, S. 325 ^- folg. Die bucklige Oberfläche des ,Morgenblattes*
ist, wie mir Hr. Bergmeister Gröger sagt, bereits auf 500 M. in verticaler Richtung be-
kannt; die drei Hauptgruppen der Blätter: Josefi, Struggl und Morgenblatt streichen nörd-
lich bis nordnordöstlich, und es sind die erzführenden Blätter von zahlreichen tauben
Blättern begleitet. Der Galmei liegt getrennt und abgeschnitten durch die nordnordwestlich
streichende Galmei-Kluft.
'9 Jahrb. geol. Reichsanst. 1867, XVII, S. 576.
*o Bittner, Hernstein, S. 245 u. folg.
*» z.B. Heim, Mechanismus der Gcbirgsbildung, Taf. XV, Fig. 8.
22 E. HuU, The phys. Geol. and Geogr. of Ireland; 8«, 1878, p. i35, Fig. 17.
23 K. A. Lossen, Ueber den Zusammenhang zwischen Falten, Spalten und Eruptiv-
gesteinen im Harz; Jahrb. k. prcuss. geol. Landesanstalt, II, 1882, S. I — 50.
*4 A. V. Groddeck, Beitr. zur Geogn. des Oberharzes, Zeitschr. deutsch, geol.
Ges. 1877, XXIX, S. 440 u. folg.; Lossen, ebendas. S. 38.
25 A. Daubr6e, Etudes Synth6t. de G60I. Experimentale, 8", 1879, insbes. pl. IL
26 E. Kays er, Ueber das Spaltensystem am Südwestabfalle des Brockenmassivs;
Jahrb. k. preuss. geol. Landesanstalt, II, 1882, S. 412 — 454, Taf. X, XL
27 F. Posepny, Ueber Dislocationcn im Przibramer Erzrevier; Jahrb. geol.
Reichsanst. 1872, XII, S. 229—234.
28 J. Krejci und R. Helmhacker, Erläut. zur geol. Karte der Umgebungen von
Prag; Archiv f. d. naturw. Landesdurchforschung von Böhmen, 1879, IV, in.sbes. S. 82-90;
derselben Verf. Erläut. zur geol. Karte des Eisengebirges, ebendas. 1882, V, an mehr.
Ort., vervollständigt wesentlich das Bild des böhmischen Sprungnetzes in Südost.
29 C. E. Dutton, Rep. on the Geol. of thc High Plateaus of Utah, 40, 1880, mit
Atlas, insbes. p. 25 — 54.
30 J. W. Powell, Rep. on the Geol. of the East. Portion of the Uinta Mountains,
40, 1876, p. 16; Dutton, p. 34.
3< Dutton, p. 44.
32 E. Beyrich, Ueber die Lagerung der Kreideformation im schles. Gebirge,
Abhandl. Berl. Akad. Wiss. 1854, S. 69; auch Kunth, Ueber die Kreidemulde bei Lahn
in Niederschlcsicn ; Zeitschr. deutsch, geol. Ges. i863, XV, S. 743.
33 Spratt, Geol. of Varna, Quart. Journ. geol. Soc. 1856, XIII, p. 80.
34 E. Favre, Rech. g6ol. dans la partic centr. de la Chatne du Caucase, 40, 1875,
p. 106; Etüde stratigr. de la Partie Sud-Ouest de la Crim^c, 4^», 1877, p. 66 — 72 (aus den
M^m. de la Soc. de Phys. et d*Hist. nat. de G^nfeve).
35 V. Dechcn, Ueber grosse Dislocationcn; Sitzungsbcr. niederrhein. Ges. f. Natur-
und Heilkunde, 1881.
36 L. V. Ammon, Die Jura- Ablagerungen zwischen Regensburg und Passau; Ab-
handl. zool.-miner. Ver., Regensburg, 1875, -^» S. 94 — 97.
37 F. L. Cornet et A. Briart, Sur le Relief du Sol en Belgique apr&j les temps
paldoz.; Annal. Soc. g6ol. Belg. 1877, IV, p. 71 — II 5, pl. VI— XL
38 Gosselet, Sur la structure generale du bass. houill. Franco-Belge ; Bull. Soc.
g6ol. fr. 1879—1880, 3« scr., VIII, p. 505.
VIERTER ABSCHNITT.
Vulcane.
Denudationsreihe. — Vesuv und M. Nuovo. — M. Venda. — Laccolithen. — Palandokän
und Dary-dagh. — Whin Sill. — Die Hebriden. — Predazzo. — Die Spalte im Banat. —
Syenitische Narbe von Brunn. — Elk Mountains und Harz. — Batholithen; Drammen-
granit; Vogesen; Erzgebirge. — Maculae. — Einsacken. — Die Reihe.
Die vulcanischen Eruptionen, die Aschenkegel und die Lava-
ströme unserer Feuerberge sind nur geringe und oberflächliche
Anzeichen von grossen Vorgängen in der Tiefe des Erdkörpers,
von deren näherem Wesen bis heute trotz der unermüdeten Thätig-
keit so vieler Forscher doch nur gar unvollkommene Kenntniss
gewonnen ist. Die verschiedenen Richtungen dieser Thätigkeit zu
verfolgen ist jetzt nicht meine Aufgabe, aber es mag versucht
werden, von den bekanntesten Vulcanbergen der Gegenwart aus-
gehend, so weit als thunlich durch die Auswahl entsprechender
Beispiele die allmälige Entkleidung und Zerstörung eines vulcani-
schen Berges zu verfolgen. Dies ist einer jener Wege, welche zur
Kenntniss des tieferen Schlotes und der abyssischen Vorgänge
führen sollten, und mancher Punkt ist allerdings auf demselben
bereits verständlicher geworden. Es ist also, wenn der Ausdruck
gestattet ist, eine Denudationsreihe, welche ich aufsuchen
möchte.
An früherer Stelle (S. 67) wurde mit einiger Ausführlichkeit
jener Trichter und Sandkegel gedacht, welche auf Sprüngen in
den Alluvien bei Erdbeben hervorgebracht werden. Die am 9. No-
vember 1880 bei dem Erdbeben von Agram im Gebiete der Save
gebildeten Sandkegel waren nicht höher als 0*3 M. Manche dieser
Vulcane. I g I
kleinen Kegel waren vereinzelt, andere ständen auf gemein-
schaftlicher Basis oder waren auf einer kleinen linearen Spalte ge-
kuppelt.*
Diese winzigen Kegel haben in Bezug auf den mechanischen
Vorgang bei ihrer Entstehung eine grössere Aehnlichkeit mit
unseren grossen vulcanischen Bergen, als man in der Regel zuzu-
gestehen geneigt war. Spalten werden gebildet, und die zähe oder
flüssige Masse dringt aus der Tiefe an einzelnen Stellen hervor;
es mag die Umgebung nachsinken und dadurch das Emporquellen
gesteigert werden.
Im Wesentlichen wiederholen sich diese Umstände bei den
Vulcanen. Es entsteht durch Senkung oder auf andere Art ein
Sprung; an einer Erweiterung desselben oder dort, wo er von
einem Quersprunge gekreuzt wird, bietet sich die Gelegenheit zur
Entlastung der mit gespannten Wasserdämpfen erfüllten Laven,
und diese dringen hervor. Explosion und Zerstäubung erfolgt. Ein
Aschenkegel wird aufgeschüttet; der Aschenkegel reisst an der
Seite auf, oder der Rand seines Kraters wird überwältigt; ein
Strom heissen Gesteins breitet sich an seinem Fusse aus; oftmals
fehlt auch der Strom. Das ist in der Regel Alles. Aber es ist auch
schon bemerkt worden, und Geikie hat es kürzlich wieder betont,
dass die grossen Decken von Laven, welche da und dort über
viele Quadratmeilen ausgebreitet angetroffen werden, nicht auf
diesem Wege gebildet worden sind, sondern dass sich wahrschein-
lich die Spalten selbst ihrer Länge nach öffneten.* In solchen
Fällen möchte wohl auch durch das Nachsinken grösserer Ge-
birgstheile das Emporquellen vermehrt worden sein, wie bei den
grossen Ergüssen an den Sprunglinien der Hochplateaux von Utah
vorausgesetzt wird.
Man kann, die Aufschüttungskegel untereinander vergleichend,
verschiedene Typen der Ausbildung unterscheiden, wie Vesuv und
M. Nuovo, aber wenn irgendwie haltbare Ergebnisse erreicht
werden sollen, darf nicht vergessen werden, dass auf diesem
Gebiete jeder Versuch einer strengeren Schematisirung ein Irr-
thum wäre.
Berge mit Somma und Atrium, wie der Vesuv, bauen und
verfestigen sich auf eigenthümliche Weise. Das Gebälke von
ig2 Inneres Gerüste des Vesuv.
Laven, welches von der Asche verhüllt wird, hat ohne Zweifel
einen recht verwickelten Bau. Jeder grössere seitliche Ausbruch
eines solchen Berges schafft einen verticalen Eruptivgang, welcher
wie eine Wand von dem Schlot bis zur äusseren Fläche des
inneren Kegels, also bis zum Atrium reicht, — ferner einen
kürzeren Strom von Ergüssen an dem äusseren Mantel des inneren
Kegels, welcher unmittelbar aus den reihenweise gestellten Bocchen
oder Eruptionsschlünden auf dem Eruptivgange hervortritt, —
dann einen mehr oder minder geschlossenen Atrialring, welcher
durch Ausbreitung im Thale des Atriums erzeugt wird, — endlich
den grossen und freien Lavastrom, welcher durch die Scharte der
Somma hervortritt und über den Abhang des äusseren Kegels
herabfliesst.
Seit jenem grossen Ausbruche, welcher den Schlund der
Somma des Vesuv erzeugte, sind an diesem Berge Ausbrüche
dieser Art oft eingetreten. Im Laufe dieser Zeit ist durch den Auf-
bau des centralen Kegels das Atrium an den Wänden der Somma
immer weiter nach aufwärts gerückt worden. Stärkere Ausbrüche
und vorübergehende Zerstörungen des centralen Kegels haben
diesen Vorgang öfters unterbrochen, aber das endliche Ergebniss
ist doch Erhöhung des Atriums und zugleich Vergrösserung seines
-Durchmessers gewesen. Die im Atrium erstarrten Ergüsse haben
Ringstücke von immer grösserem Durchmesser gebildet, und diese
übereinander gelagerten Atriairinge setzen heute im Innern des
Berges einen grossen, konischen und nach oben geöffneten Becher
zusammen, welcher den centralen Kegel von dem äusseren Kegel
absondert und alle jüngeren Eruptivgänge des Centralkegels
umschliesst. Diese stehen mit ihrem unteren Theile in diesem
Becher, vertical und zugleich strahlenförmig gegen den centralen
Schlund.
Ein solches Gerüste kann selbstverständlich nur entstehen,
wo aus ein und demselben Schlünde zahlreiche Ausbrüche ein-
ander folgen. Am M. Nuovo, in den Phlegrärischen Feldern über-
haupt, sieht man nichts Aehnliches. Es sind wenig Lavaströme
vorhanden und viele Ausbruchstellen. Die Neigung zur Verlegung
der Ausbruchstellen tritt auf das Deutlichste hervor. Der M. Nuovo
ist nur ein ringförmiger Haufe von Asche und einigen Schlacken,
M. Vend.i. ig^
dessen Kraterboden erstaunlich tief, ja fast in der Tiefe des
äusseren Fusses liegt, sich also nur wenig über das Meer
erhebt.
Der Gegensatz von Vesuv und den Phlegräischen Feldern ist
also sehr gross, und er ist auch allbekannt. Er liegt nicht nur in
der Verschiedenheit der Laven, sondern ganz vorzüglich in der
Beharrlichkeit des Schlundes am Vesuv und der Veränderlichkeit
der Eruptivstellen in den Phlegräischen Feldern.
Der Grund hiefür muss aber in der Beschaffenheit der Spalten
gesucht werden, und ein Vergleich mit den Liparischen Inseln
bietet, wie sich bald zeigen wird, vielleicht einige Aufklärung. —
Nun wird ein solcher vulcanischer Kegel den zerstörenden
Einflüssen ausgesetzt. Die Asche wird herausgewaschen; das stei-
nige Gerüste mag sich erhalten, so weit es aus steilen Gängen
besteht; die Ergüsse, welche auf Asche ruhen, stürzen ab. Auf
dem Scheitel des Berges treten in strahlenförmiger Anordnung
die Eruptivgänge hervor. Zugleich wird der Sockel des Vulcans
rings um seinen Fuss blossgelegt.
Man sieht die Reste der Krone und man sieht einen Theil
der Unterlage, aber man sieht nicht den Schlot. Dies ist der Zu-
stand, in welchem sich der M. Venda in den euganäischen Bergen
bei Padua befindet.
Sein Bau und seine Gesteine sind oft beschrieben worden, am
eingehendsten von E. Reyer.^
Wir wollen die Unterlage betrachten.
Die tiefste sichtbare Felsart ist eine am westlichen Fusse, bei
Fontana Fredda, entblösste Masse von Oligoklas-Trachyt. Ueber
ihr folgen tithonische Lagen mit Phylloceras und Terebr. diphya,
knapp dem Trachyt auflagernd, flach nordwestlich geneigt, auf 2
bis 3 Fuss vom Trachyt in lichten körnigen Marmor umgewandelt,
auf weitere 8 Fuss lichtblaugrau, minder marmorisirt, mit erkenn-
baren Petrefacten, noch höher oben von dem gewöhnlichen,
knollig-flasrigen Gefüge der tithonischen Ablagerungen, doch sind
auch in dieser Entfernung die Kalkknollen noch mehr oder minder
marmorisirt. Es hat also der Oligoklas-Trachyt eine Veränderung
am Contacte gegen oben ausgeübt und muss seitlich zwischen
die Schichten hereingetreten sein.
Surss, Das Antlitz dpr Erde. l3
^ 94 Gesteinsfolge des M. Vcnda.
Ueber dem Tithon liegt Biancone in starken Bänken, mit den
bezeichnenden Fossilien des Neocom, dann eine Masse von Quarz-
trachyt, über welcher vielleicht noch etwas Neocom, dann die ganze
Mächtigkeit der Scaglia folgt, als Vertreterin der höheren Theile
der Kreideformation. Die Scaglia umschliesst mindestens zwei
Massen von Trachyt, hievon die grössere gegen Nordwest. Knapp
über der Scaglia Hegt wieder Trachyt (M. Madonna, M. Grande u. A.).
Das nächste Glied ist lichter, tertiärer Mergel, zuweilen einem
Tuff ähnlich ; er enthält fossile Blätter. In diesem Mergel liegt der
Trachyt von Schivanoja. Darüber folgt der Hauptnummulitenkalk
mit Fragmenten vonConolyp. conoideus und grossen Nummulinen.
Hierauf tritt eine doleritische Einschaltung ein (Teolo, M. Oliveto',
unter S. Antonio u. A.); es sind kleine Mengen dunkler basischer
Laven vorhanden; die begleitenden dunklen Tuffe führen Orbi-
toiden und dürften beiläufig in den Horizont von Priabona zu
stellen sein; diese dunklen Tuffe reichen an dem centralen Kegel
des Venda ziemlich hoch hinauf und werden von seinen Eruptiv-
gängen durchbrochen. Ueber dem doleritischen Tuff, in Bezug
<iuf welchen mir noch nicht alle Zweifel darüber geschwunden sind,
ob er nicht ein Ausläufer der grossen basischen Tuff- und Lava-
massen des nahen vicentinischen Gebietes sei, folgt abermals
Trachyt (M. Altorre, M. Guin u. A.). Dieser Trachyt ist der letzte;
die vereinzelten Bergkuppen, welche er krönt, stellen Theile von
Strömen dar, welche heute durch Erosion von dem centralen
Kegel abgetrennt sind; ihre Entstehung ist gleichzeitig mit der
Bildung der grössten Radialgänge (Pendise, Forche, Rua u. A.).
Es folgt die rhyolithische Phase, das Aufschütten von weissem
Tuff und die Bildung der Ergüsse von Rhyolith. Am Fusse des
Sieve enthält der weisse Tuff Versteinerungen, welche demselben
das Alter der Bryozoenschichten von Val di Lonte an der Basis
der vicentinischen Oligocänschichten anweist. Das letzte Glied
dieser langen Reihe endlich sind die schwarzen Laven (Sievit v.
Rath), welche als Decke auf M. Sieve und den benachbarten
Höhen erscheinen, und als Gänge, von glasigen Salbändern be-
gleitet, den weissen Tuff durchsetzen.
Aus dieser Gesteinsfolge halte ich, wie gesagt, die tieferen
Trachytmassen für seitlich eingetretene Lagermassen. Schon vor
Laccolithcn. I QC
längerer Zeit konnte gezeigt werden, dass hier eine grössere
Menge von Oligoklas-Trachyt, seitlich zwischen die geschichteten
jurassischen Kalksteine eindringend, eine bedeutende Masse der-
selben abgerissen, gleichsam schwimmend fortbewegt und an ihrer
unteren Seite verändert habe. Das ist die am Contact veränderte
tithonische Scholle von Fontana Fredda. Ebenso wurde damals
erwähnt, dass grössere Massen von Trachyt seitlich keilförmig
zwischen die auseinandertretenden Schichtflächen der Scaglia ge-
treten seien, ja dass grosse Bruchstücke von Scaglia bei dieser
Gelegenheit förmliche Breccien mit trachytähnlichem Bindemittel
gebildet haben/ —
Anderen trachytischen Vulcanen Europa's fehlt entweder die
Mannigfaltigkeit der Schichtgesteine des Sockels oder die günstige
Erschliessung desselben. Um Vergleichungspunkte für diese seit-
lichen Ausbreitungen zu erhalten, wenden wir uns nach Amerika.
In den letzten Jahren ist, bei sehr erfreulicher Uebereinstim-
mung der Beobachter in Betreff der thatsächlichen Verhältnisse,
eine Reihe merkwürdiger Entblössungen von in Sedimente einge-
schalteten Laven durch unsere Fachgenossen in Nordamerika
als ein besonderer Typus eruptiver Berge beschrieben worden.
Allgemeine Darstellungen besitzen wir von Peale,'' Gilbert^ und
Endlich 7 und gute örtliche Beschreibungen fehlen nicht. Es ergibt
sich aus denselben, dass vereinzelte Bergmassen getroffen werden,
welche in verschiedenen Horizonten, von der Kohlenformation bis
zur oberen Kreide hinauf, das Eintreten postcretacischer Eruptiv-
gesteine zwischen die Sedimente erkennen lassen. Am häufigsten
findet dieses Eindringen in die weniger widerstandsfähigen Schiefer
und Mergel der Kreideformation statt. Bald sieht man nur kleine
Intrusivstöcke, bald schwellen sie in der Gestalt von halben Linsen
oder von grossen Broden zu gar gewaltigen Massen an, und diese
Massen sind es, welche Gilbert als ,Laccolithen* bezeichnet. In
der Regel stehen sie gruppenweise nahe um- und übereinander;
in anderen Fällen trifft man sie einzeln. Die sedimentären Schichten
wölben sich von den Rändern über den Laccolith herauf, und oft
sind beträchtliche Theile der Kuppel über demselben erhalten.
Zuweilen ist die Kuppel wohl auch von einem Netze radialer
Sprünge durchbrochen, welche als sternförmig gestellte Gänge
I q6 Beispiele von Laccolitben.
den heutigen Denudationsrest überragen. Die meisten sichtbaren
Laccolithen sind aus einer mächtigen Decke von lacustren Ter-
tiärbildungen herausgewaschen, welche einstens weit und breit
das Land bedeckte. Sie bestehen aus einer Felsart, welche von
Endlich als ,porphyritic trachyte* ausgeschieden, von Anderen
schlechtweg als Trachyt bezeichnet wird; nur in wenigen Fällen
sind sie aus Rhyolith gebildet. Man hat noch keine Laccolithen
von basischen Laven gefunden.
Die wichtigsten Beispiele sind: die Berge um Park View
Mount. auf der continentalen Wasserscheide zwischen North Park
und Middle Park, Spanish Peaks vor dem Ostabhange der Rocky
Mountains und nordwestlich von diesen die vulcanischen Berge
des Huerfano-Gebietes, dann jenseits der Rocky Mountains, auf
dem Colorado-Plateau, die isolirten Massen der Sierra la Plata,
S. San Miguel, S. el Late, S. Carriso, S. Abajo, S. la Sal und west-
lich von diesen der Zug der Henry Mountains, welcher nahe östlich
von der S. 169 Fig. 13 dargestellten Waterpocket-Flexur an dem
Westrande des grossen Plateaus liegt. Manche dieser Bergmassen
sind sehr hoch. Die Basis der San Miguelberge befindet sich in etwa
2400 M.; der höchste Gipfel, allerdings kein Laccolith, M. Wilson,
erhebt sich auf dieser Basis bis zur Seehöhe von 4352 M. Der
Gipfel der Spanish Peaks ragt aus dem weit niedrigeren Vorlande
der Rocky Mountains zu 4152 M. empor.
Die Einschaltung der Eruptivmassen in das geschichtete Ge-
birge zeigt sich nun unter mannigfaltigen Abänderungen. Holmes
hat eine lehrreiche Zeichnung der Abhänge des Hesperus Mount.
in der Sierra la Plata (südwestliches Colorado) gegeben, welche
deutlich die Einschaltung der Kante eines Laccolithen zwischen
die cretacischen Schiefer mit ebener Grundfläche und gewölbtem
Rücken zeigt, wobei jedoch über dem gewölbten Rücken in den
gleichförmig gewölbten cretacischen Schichten zahlreiche kleinere
Einschaltungen von Trachyt sich wiederholen.^ Höchst anschau-
lich hat derselbe Beobachter geschildert, wie in der Sierra el Late
(südwestlich von Sierra la Plata) die in den cretacischen Schiefer
gedrungenen geschmolzenen Massen überfüllt sind mit Bruch-
stücken dieses Schiefers, dass aber alle Fragmente tieferer Sedi-
mente fehlen, zum Anzeichen, dass die Kluft in der Tiefe scharf
Spanish Peaks. IQ7
abgegrenzt sei. Es ist hier keine volle Ueberwölbung sichtbar, und
der tiefere Horizont der Schiefer ist dem Eruptivgesteine so innig
beigemengt, dass er gleichsam von demselben aufgezehrt wird.
Noch weiter gegen Südwest, in der Sierra Carriso, sind die
höheren Theile der Kreideformation gänzlich entfernt, und sieht
man die Trachytmassen eingeschaltet in Schichten von der unteren
Kreide bis zur Trias hinab.''
Die Spanish Peaks, weit im Osten, sind durch die radialen
Gänge auf ihrer Oberfläche besonders ausgezeichnet. Sie wurden
von Endlich beschrieben. Es sind zwei Spitzen, deren beträchtliche
Höhe und deren Lage nahe vor dem östlichen Fusse der Rocky-
Mountains, oder vielmehr der Sangue de Cristo-Kette, bereits er-
wähnt worden ist. Der östliche Berg besteht aus Eruptivgestein,
der westliche vorherrschend aus sedimentären Schichten, nament-
lich aus Sandstein und Schiefer von carbonischem Alter. Diese
Schichten sind nach ihren Fugen auseinandergetrieben, grosse
eruptive Keile sind eingedrungen, das oberhalb liegende Ge-
wölbe wurde gesprengt, und hier bildete sich ein Netz von
Gängen, welches bis in die cretacischen Schichten hinaufreicht
und welches vielleicht bei seiner Bildung nicht in allen Theilen die
Oberfläche erreichte, während auf anderen Gängen ein Ausquellen
zu Tage stattgefunden zu haben scheint.'"
Das ausführlichste Bild besitzen wir von der Reihe der Henry
Mountains in Gilbert's monographischer Beschreibung derselben.
Es sind dies fünf Bergmassen, welche sich in beiläufig gleicher
Entfernung von der grossen Waterpocket-Flexur auf dem hier
1500 M. hohen Plateau in ihren höchsten Gipfeln bis zu 3429 M.
(M. Ellen) und 3398 M. (M. Pennell) erheben. Die Waterpocket-
Flexur ist mit einer Senkung des Ostflügels bis zu dem Betrage
von 7000 Fuss (2134 M.) verbunden, und die Henry Mountains
stehen auf dem flach lagernden gesenkten Theile.
Die Laccolithen liegen in Gruppen über und neben einander
und bilden den Kern dieser Berge. M. Ellen zählt vielleicht
dreissig derselben, M. Holmes deren zwei, M. Ellsworth einen,
M. Pennell und M. Hillers je einen grossen und mehrere kleine.
Sie reichen nach der Höhe des Lagers vom Carbon bis zur Kreide,
aber die Zeit ihrer Bildung ist durchwegs postcretacisch. In Klls-
Iq8 Henry Mountains.
worth und Holmes sind vollständige Ueberwölbungen durch sedi-
mentäre Schichten vorhanden. Hillers' Laccolith ist der grösste;
er ist zur Hälfte entblösst; seine Höhe wird über 2000 M., seine
Basis auf 6*4 und 5 "6 Km. geschätzt. Von diesem gibt es Ueber-
gänge bis zu den kleinsten eingeschalteten Lagergängen. Wo
immer die vulcanischen mit den sedimentären Felsarten in Be-
rührung treten, sind die letzteren verändert. Die Laccolithen liegen
hier ohne Ausnahme in den minder widerstandsfähigen Schiefer-
horizonten, nie in den sie trennenden festeren Sandsteinbänken.
Eine schematische Darstellung zeigt den grossen Laccolithen von
M. Hillers mit seinen kleinen Begleitern, von welchen der tiefste
Fig. 18. Die M. Hillers-Gruppe von Laccolithen (nach Gilbert).
a Millers' Laccolith, und b Pulpit Lace, umgeben von kleineren Intrusivraassen.
Die unterste Horizontallinie ist die Meeresflache, die zweite die obere Grenze des Carbon, die höchste
die obere Grenze der Juraformation.
auf der Oberfläche der Steinkohlenformation, der höchste aber
etwa 300 M. über der Basis der Kreideformation ruht.
Wir sind gewohnt, vulcanische Eruptionen an Senkungen auf-
treten zu sehen. So ist es auch in dem weiten Gebiete der Basin
Ranges, westlich vom Colorado-Plateau, welches hier noch nicht
zu besprechen Gelegenheit war, und auf welchem gefaltetes Ge-
birge auf langen Brüchen in fast meridian verlaufenden Streifen
niedersinkt. »Einzelne Ketten,* berichtet Clar. King, , wurden
in drei bis vier Blöcke zertheilt, welche Tausende von Füssen
unter die anderen hinabsanken. Die grössten rhyolithischen Aus-
brüche begleiten diese Stellen der Versenkung. Wo ein grosser
Gebirgsblock abgelöst wurde von seiner Umgebung und in die
Tiefe sank, dort sind die Rhyolithe über denselben hingeflossen
und haben sich grosse Anhäufungen von Auswürflingen aufge-
baut. ... Es gibt einige wenige Fälle, in welchen Gebirgszüge
gespalten wurden und durch Gänge ein begrenzter Ausfluss
stattfand über hohe Gipfel; aber die allgemeine Regel war, dass
Vergleich mit den Enganaen. I QQ
die grossen Ejectionen in den gesenkten Gebieten eintraten.
Solche rhyolithische Ejectionen haben Berggruppen aufgebaut,
3000 — 6000 Fuss mächtig, in Blöcken von 70 — 80 Miles (i 13 bis
129 Km.) Länge.*"
Aehnlich ist auch die Regel bei den grossen Ausbrüchen,
welche die Hauptsprünge des Colorado-Plateaus begleiten, und
es ist nicht thunlich, den Vorgang bei der Eruption der gewaltigen,
aus Sprüngen hervorgetretenen Decken zu trennen von dem Vor-
gange des Eindringens der Laccolithen, welches an vereinzelten
Stellen, ausserhalb dieser Hauptsprünge, sich vollzogen hat. Es
hat Dutton diesen Umstand ganz richtig erkannt. Ich stimme unter
dem Eindrucke jener Vorgänge am Vesuv, welche durch so lange
Zeit vorbereitend den Ausbrüchen vom i. und 17. April 1871
vorhergegangen sind, gerne der Ansicht bei, dass man geneigt ist,
die Kraft zu überschätzen, welche dem Wasserdampfe in der Lava
zugeschrieben wird. Das Heraustreten derselben auf viele Meilen
langen Spalten erfolgt höchst wahrscheinlich nach den einfachen
Gesetzen der Hydrostatik^ wobei das Hinabsinken des Gebirgs-
blockes selbst eine wesentliche Rolle bei dem Emporquellen der
geschmolzenen Unterlage spielen muss. Es bleibt die Frage, ob
der Druck, welcher durch sinkende Gebirgsmassen auf solche
Lavamassen ausgeübt wird, welche nicht zum Durchbruche ge-
langen, jene Intrusionen hervorzubringen vermag, welche eben
besprochen worden sind. '"^
Wir wollen nun zu den euganäischen Bergen bei Padua zu-
rückkehren.
Die Unterschiede von den amerikanischen Vorkommnissen
liegen zuerst in den ausserordentlich viel kleineren Dimensionen
der euganäischen Intrusivmassen, ferner in dem Mangel von minder
festen Schichten in dem gänzlich aus geschichtetem Kalkstein auf-
gebauten Sockel, endlich darin, dass die Radialgänge des Scheitels
auf dem Venda nicht wie etwa auf den mächtigen Spanish Peaks
aus der Sprengung der sedimentären Kuppel hervorgegangen
sind, sondern aus einander folgenden Eruptionen innerhalb eines
Aschenkegels. Im Wesen aber sind die Vorgänge, welche zur
seitlichen Intrusion geführt haben, offenbar ganz ähnliche gewesen,
und mag man daher allerdings in d(Mi Euganäen von Laccolithen
200 Erhebungskratere.
im Tithon, im Biancone und in der Scaglia sprechen, wenn sie auch
hier sich nicht allzusehr von dem alten Begriffe der Lagergänge
entfernen. —
An die Vorstellungen von Auftreibung der sedimentären
Decke durch vulcanische Intrusion knüpft sich leicht eine Ge-
dankenreihe, welche der alten Anschauung von einer gewissen
erhebenden Thätigkeit der Laven und von der Bildung der so-
genannten Erhebungskratere parallel zu laufen scheint.
,Man kann,* sagt L. v. Buch, ,die ganze Gruppe der Canari-
schtm Inseln nicht anders betrachten, als eine Sammlung von In-
seln, welche nach und nach und einzeln aus dem Grunde der See
erhoben worden sind. Die Kraft, welche eine so bedeutende Wir-
kung hervorzubringen vermag, muss sich lange im Innern sammeln
und verstärken, ehe sie den Widerstand der daraufdrückenden
Masse überwältigen kann. Daher reisst sie auf dem Grunde des
Meeres, wohl auch tiefer im Innern, zwischen anderen, gebildeten
liasaltischen und Conglomeratschichten bis über die Oberfläche
trmpor und entweicht hier durch den gewaltigen Erhebungskrater.
ICine so grosse erhobene Masse fällt aber wieder zurück und ver-
schliesst bald die nur für solche Kraftäusserung gebildete Oefif-
nung. Es entsteht kein Vulcan. — Der Pic aber steigt aus der
Mitte eines solchen Erhebungskraters als ein hoher Dom von
Trachyt herauf. Nun ist die fortdauernde Verbindung des Innern
mit der Atmosphäre eröffnet. . . .*'^
L. V. Buch unterscheidet also: Auftreibung des Bodens, Ein-
sturz und Verschluss, dann Eruption in der Mitte des Einsturzes.
Die Vorstellung erwuchs aus der Grossartigkeit der Somma-
kränze; nur in der ersten dieser drei Phasen wird der vulcani-
schen Masse eine örtlich umgrenzte, activ erhebende Kraft zu-
geschrieben.
In diesem beschränkten Sinne, ohne Beziehung auf die als
l)ereits bestehend gedachten grossen Züge der Gestaltung der
Ketten und Brüche und nur so weit örtliche Erhebung und nach-
folgender Einsturz in Betracht kommen, ist diese ältere Anschauung
wieder hervorgetreten in jener bewunderungswürdigen Darstel-
lung des armenischen I lochlandes, mit welcher H. Abich in neue-
ster Zeit unsere Wissenschaft bereichert hat. '^
Palandokän und Dary-dagh. 20I
Zwei Bergmassen sind es, auf welche Abich hiebei sich beruft:
der Palandokän südlich von Erzerum und der Dary-dagh bei
Djoulfa.
Das Gebirge südlich von Erzerum ist aus cretacischem Kalk-
stein, aus Gabbro und Serpentin gebildet, über welche weithin
tertiäre Eruptivgesteine ausgebreitet sind. Aus diesen besteht
auch der mächtige Palandokän (2947 M.), und unter seinem
Gipfel gegen West öffnet sich ein grosser Krater. Seine längere
Axe misst 9 — 10 Km. Im Innern dieses gewaltigen Kraters aber
und umgeben von den vulcanischen Massen seiner steil abfallenden
Ränder trifft man klippenförmige, in Marmor umgewandelte Massen
von Kalkstein und Alabaster, in Verbindung mit Serpentin, grün-
lichem chloritischem Schiefer und kieselreichen Gesteinen der
Gabbrogruppe, also die Felsarten des Grundgebirges. Sie bilden
wesentliche Bestandtheile des Kraterbaues und sind , durch die vul-
canischen Massen überwältigt, die das Grundgebirge anscheinend
gehoben, auseinandergedrängt und nach Süden wie nach Norden
hinausgeschoben haben*. '^
Hievon wesentlich verschieden ist das zweite Beispiel.
Im Thalgebiete des Araxes, südlich von Nachitschevan, liegt
über dem dislocirten paläozoischen Gebirge eine Serie, welche
mit eocänemNummulitenkalk beginnt und deren jüngstes Glied die
salzführenden Ablagerungen der Miocänzeit sind. Rothe Conglo-
merate, fast ausschliesslich aus Trachyt gebildet, sind dieser
tertiären Serie eingeschaltet und gelten als Anhaltspunkt zur
Feststellung des Alters der nahen Trachytberge. Drei Trachyt-
berge von pfeilerförmiger Gestalt und etwa von Nordnordwest
gegen Südsüdost aneinandergereiht, erheben sich östlich von
Nachitschevan über das tertiäre Land: Nagajir, Asabkew-dagh
und Ingatasch; sie stehen auf einer gemeinsamen Längenanschwel-
lung des Bodens. Ihnen folgen gegen Ost und Südost noch zwei
ähnliche Berge, Ylanly- und Alanja-dagh. In der Fortsetzung der
ersten Serie gegen Südsüdost und als sichtbare Fortsetzung der-
selben ragt östlich von Djoulfa der Dary-dagh (1943 M.) hervor.
Seine Zusammensetzung ist jedoch gänzlich verschieden von jener
der Trachytpfeiler, als deren Fortsetzung er erscheint. Er besteht
gänzlich aus den Schichten der transgredirenden Serie, nämlich
202 Basische Eindringlinge.
aus Nummulitenkalk und den trachytischen Trümmergesteinen;
diese sind zu einem mächtigen Gewölbe aufgebogen, das von
einem nordsüdlich verlaufenden Bruche durchschnitten ist, mit
Absenkung des westlichen Theiles. Auf der Bruchlinie wird nicht
eruptives Gestein sichtbar, sondern Thonmergel mit Gyps und mit
Arsenverbindungen. '^
Da die trachytischen Trümmerschichten ebenfalls theilnehmen
an der Wölbung des Dary-dagh, dieser also jünger sein muss als
alle oder wenigstens ein Theil der trachytischen Eruptionen, wer-
den wir hier zu der Vermuthung wiederholter Dislocationen auf
derselben Linie geführt, nämlich älterer Brüche, auf welchen
Nagajir und seine Genossen hervortraten, auf deren Kosten
die trachytischen Conglomerate und Breccien des Dary-dagh
gebildet wurden, dann der Wölbung dieser Trümmergesteine
selbst, dem Einstürze der Wölbung und endlich den Arsen-Ema-
nationen.
Palandokän zeigt also Ueberwältigung, Durchdringung und
weitgehende Contactveränderung der Sedimente, wie wir sie bald
in der eruptiven Spalte des Banates wieder finden werden; Dary-
dagh ist verschieden, deutet auf wiederholte Bewegungen des
Gebirges vor und nach den Eruptionen, ohne dass, wie mir wenig-
stens scheint, eine active Gebirgsauftreibung durch Laven noth-
wendiger Weise angenommen werden müsste.
Nach dieser Abschweifung setzen wir die Betrachtung der
Intrusionen fort und kommen nun zu jenen, welche von basi-
schen Felsarten veranlasst werden.
Obwohl man aus Amerika basische Vorkommnisse noch
nicht beschrieben hat, kennt man doch solche aus Europa. In
Kohlenwerken sieht man basaltische Eindringlinge nicht selten.
Im Allgemeinen nehmen aber basische Intrusionen nicht die Ge-
stalt mächtiger Brode oder Linsen an, wie die trachytischen Lac--
colithen, sondern sie breiten sich bei viel geringerer Mächtigkeit
über weit grössere Flächen aus, so dass man sie oft schon für
gleichzeitige Bildungen gehalten und ihre spätere Einschaltung
verkannt hat. Die basischen Intrusionen verhalten sich also ihrer
Gestalt nach zu den trachytischen ähnlich wie die zu Tage sich
bewegenden Laven, und es mag dieser Umstand wohl in der allge-
Whin Sill. 2O3
mein beobachteten grösseren Beweglichkeit der basischen Massen
begründet sein.
Hier mag es genügen, ein einziges, allerdings ein grosses und
merkwürdiges Beispiel zu nennen. Es ist dies die ausgedehnte
Basaltlage, welche dem unteren Theile der Carbonformation in
Northumberland eingeschaltet und als der Whin Sill bekannt
ist. Durch lange Zeit schwankten die Meinungen darüber, ob der
Whin Sill als ein dem Kohlenkalke gleichzeitiger deckenförmiger
Erguss, oder ob er als ein Lagergang von ausserordentlichen
Dimensionen anzusehen sei, bis die genaueren Aufnahmen der
Grafschaft durch Topley und Lebour die Richtigkeit der letzteren
Ansicht nachwiesen.
Der Whin Sill ist mit untergeordneten Unterbrechungen auf
eine Erstreckung von 120 — 130 Km. bekannt. Er erreicht eine
Mächtigkeit von 2 3 M. und darüber und keilt gegen Westen aus.
Die Einschaltung erfolgt auf grosse Strecken zwischen die Schicht-
tugen des Kohlenkalkes und der begleitenden Lagen von Sand-
stein und Schiefer; es erscheinen Veränderungen am Contact nicht
nur nach unten, sondern auch nach oben, und werden wohl auch
kleinere Gänge gegen oben abgegeben. Es hält sich aber der Whin
Sill nicht, wie man einstens glaubte, an dieselbe Schichtfuge; er
steigt in den mächtigen Ablagerungen der Carbonzeit nach oben
und sinkt wieder tiefer, so dass die äussersten verticalen Schwan-
kungen, welche er erfahrt, nicht weniger als etwa 520 M. be-
tragen. '7
Die ausserordentliche Verbreitung des Whin Sill scheint mir
aber die Frage anzuregen, ob auf so grosse Entfernung vom Erup-
tionsherde hin wirklich an eine auftreibende. Tausende von Füssen
erhebende Kraft gedacht werden darf, deren Träger eine Lava-
mässe von doch nicht gar bedeutender Mächtigkeit wäre. Es
dürfte auch hier die Annahme näher liegen, dass das heutige Auf-
treten des Whin Sill den Verlauf eines schrägen Sprunges be-
zeichne, welcher auf grosse Strecken den Schichtfugen gefolgt,
wiederholt jedoch in andere Horizonte übergesprungen ist, und
welcher von dem einströmenden Basalt erfüllt wurde. Sprünge
dieser Art mögen gar leicht, namentlich durch Schleppung an
Brüchen, entstehen. Ob dann auf diese die Bezeichnung ,1 n t r u s i o n'
204 Beschaffenheit des Schlotes.
mit vollem Rechte angewendet werden darf, mag vorläufig unbe-
sprochen bleiben; ich würde die Bezeichnung Jnjection* vor-
ziehen. —
Alle diese Intrusionen oder Injectionen gehen in irgend einer
Gestalt seitlich vom Schlote ab; zu diesem gelangen wir jetzt.
Es ist kein Vulcan bekannt, welcher so tief erodirt wäre, dass
sein Schlot sichtbar, und welcher noch von strahlenförmig ge-
stellten Eruptivgängen gekrönt wäre, wie der M. Venda. Aller-
dings gibt es aber Fälle, in welchen, nach Zerstörung des Aschen-
kegels und seiner Gänge, und nach Blosslegung des Schlotes, der
Zusammenhang mit den umgebenden Lavaströmen dennoch kenn-
bar geblieben ist. Diese müssen den Ausgangspunkt bilden.
Auf den inneren Hebriden breiten sich, insbesondere auf
Skye und Mull, grosse basaltische Ströme aus; die Basalte im
nordöstlichen Irland sind wahrscheinlich als ihre Fortsetzung an-
zusehen. Unter diesen Strömen sind die Reste mesozoischer Ab-
lagerungen erhalten worden, welche ohne den Schutz dieser Decken
von dem paläozoischen Untergrunde hinweggefegt worden wären.
Die nahe Westküste von Schottland besteht fast ausschliesslich
aus dem entblössten alten Gebirge.
Judd hat gezeigt, dass aus diesen vulcanischen Ergüssen vier
granitische Massen auf einer beiläufig von Süd gegen Nord laufen-
den Linie sich erheben, welche die Kerne von ebenso vielen gros-
sen Feuerbergen darstellen. Sie sind: der Vulcan der Insel Mull,
jener der Halbinsel Ardnamurchan, dann jener der Insel Rum und
der Insel Skye. Die Entfernung der Mitte der nördlichsten dieser
vier Ausbruchsstellen von der Mitte der südlichsten, also die Länge
des hier erkennbaren Theiles einer grossen vulcanischen Linie,
beträgt beiläufig 88 Km. Diese Linie setzt sich aber vermuthlich
nach Nord und nach Süd noch weiter fort. Jeder dieser granitischen
Kerne ist in Verbindung mit später heraufgedrungenen basischen
Felsarten, namentlich Gabbrogesteinen ; die Masse von Mull ist
vielfach von denselben durchzweigt; an den nördlichen Massen
steht der basische Stock neben dem Granit und gibt Gänge in den-
selben ab. In der Nähe dieser Eruptionspunkte sind die sedimen-
tären Felsarten sehr verändert und die basaltischen Gänge ausser-
ordentlich gedrängt. Der Bildung der granitischen Massen scheint
eine Zeit der Ruhe und Denudation gefolgt zu sein, bevor die
basischen Ausbrüche eintraten. Diese ereigneten sich auf trockenem
Lande; überwältigte Wälder und Lagen mit miocänen Pflanzen
an ihrer Basis geben
hieven Zeugniss. Die
grössten Aschenkegel,
jene von Mull und Skye,
dürften über 4000 M.
Höhe erreicht haben.'*
Diese granitischen
Massen geben auch
wirkliche LaccoHthen
in die mesozoischen
Schichten ab.
Schon im Jahre
1871, bevor Judd die
Bedeutung der grani-
tischen Kerne dargelegt
hatte, erkannte hier
Geikie , amorphe' intru-
sive Massen, aus Syenit,
Felsit oder Quarzpor-
phyr bestehend, welche,
durch unregelmä.s.sige
Brüche gedrängt, keine
parallelen Grenzflächen
bilden. Solche Massen
werden erwähnt auf der
Insel Raasay, welche
nördlich vom Vulcane
vonSkye liegt, auf Skye
.selbst und auf Eigg,
dann zwischen den Vul- iiruciinpii.- auf Ardnamur. sviiicinpi..
Chan). K. Allr Frl,.irtrn.
canen von Rum und von 3, iii.i,<:h<. i..ivon,
Ardnamurchan. Insbesondere werden auf Eigg drei solche Felsit-
massen beschrieben, welche aus den umgehenden Basalten auf-
ragen. Die grösste, 50 — 70 M. hoch, bildet das ni">rdlich(! Ende
2o6 Predazzo.
der Insel und »scheint annähernd längs der Schichtfläche der ooli-
thischen Schichten aufgestiegen zu sein und auf diese Art selbst
eine grosse rohe Lage zu bilden*/^
Judd hat die Einschaltung dieser Massen in die mesozoische
Serie bestätigt und schon im Jahre 1874 gezeigt, dass hier die
sauren Felsarten dicke, linsenförmige Intrusivmassen bilden, welche
auf massige Entfernungen vom Eruptivstocke beschränkt sind,
während basaltische Laven den Schichtfugen auf grosse Strecken
zu folgen vermögen. Die ersteren bestehen nach diesen Angaben
aus verschiedenen Abarten von Felsit, mehr oder minder quarz-
führend, häufig von porphyritischerStructur und durch eingestreute
Hornblendekrystalle übergehend in Syenit-Granit. . Die basischen
Intrusionen sind fast immer doleritisch, mit viel Olivin und Ueber-
gängen einerseits in feinkörnigen Gabbro, anderseits in Basalt.
Es ist gesagt worden, dass die basischen Laven dieser Vul-
cane auf tertiären blattführenden Schichten liegen; in gleicher
Weise sieht man auf den Faröer-Inseln Braunkohle-führende Ab-
lagerungen eingeschaltet zwischen basaltische Laven, und die
entsprechenden Vorkommnisse auf Island sind allgemein bekannt.
Es geben diese Bildungen Zeugniss von einem ausgedehnten Fest-
lande, welches in der späteren Hälfte der Tertiärzeit von Schott-
land weit nach Norden sich ausdehnte.^° —
Bei Predazzo in Südtirol ist durch das von Nord gegen Süd
verlaufende Thal des Avisio und durch das von Osten einmün-
dende Val Travignolo der Schlot eines Vulcanes der Triaszeit
erschlossen. Es ist eine wunderbare Stelle. Seit im Jahre 1823
Marzari-Pencati die erste Schilderung derselben lieferte, ist sie
bis zu dem heutigen Tage der Schauplatz stets erneuter For-
schungen gewesen, und die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ist
noch lange nicht geklärt."
Hier können nur wenige Hauptzüge der Structur angeführt
werden. Für die folgenden Erörterungen knüpft sich in Predazzo
das Interesse hauptsächlich an den Umstand, dass mitten in den
Alpen das Alter eines eruptiven Stockes von Granit und Syenit
mit Bestimmtheit ermittelt werden kann.
Avisio und Val Travignolo treffen sich ganz nahe bei dem
Städtchen Predazzo. Den Hauptrücken westlich vom Avisio bildet
Eruptivslock von Predawo. 207
der Dosso Capella mit dem gegen Predazzo gewendeten Ab-
hänge ai Canzocoli; südlich vom Val Travignolo erhebt sich die
Malgola, nördlich der Mulat. Fig. 20 ist von Osten her aus Val
Travignolo gezeichnet; links steht die Malgola, rechts der Mulat,
ai Canzocoli und der Dosso Capella in der Mitte. Es sind nur drei
Haupttypen von eruptivem Gestein auf dieser kleinen Skizze unter-
schieden, nämlich Granit, Syenit (Monzonit) und Melaphyr. Die
zahlreichen Gänge und untergeordneten Abänderungen darzu-
stellen, fallt nicht in den Kreis meiner Aufgabe. Es ist links der
Mulat bis zu seiner Spitze aus den Ablagerungen der unteren
Trias gebildet; sein Abhang gegen Predazzo dagegen besteht
aus eruptivem Syenit; die Linie des Contactes, der Marmorisirung
der Triaskalke u. s. w., also die äu-ssere Grenze des Eruptivstockes
geht quer über den Berg. Der Syenit umschliesst an diesem Ab-
hänge eine grössere und viele kleinere Schollen von marmorisir-
tem Triaskalk und zahlreiche, steil aufsteigende Gänge von fleisch-
rothem Orthoklas-Porphyr, welche den Eindruck zurücklassen, als
gingen sie von dem Granitstocke aus, welchem wir sofort auf der
anderen Thalseite begegnen werden.
Ebenso scharf und deutlich lässt der in der Mitte der Skizze,
im Hintergrunde jenseits Predazzo, sichtbare Dosso Capella die
Umgrenzung des Eruptivstockes erkennen. Dieselbe zieht über
208 Eruptivslock von Predazzo.
den Berg schräg nach aufwärts. In dem unteren Theile des Ab-
hanges ist es eruptiver Syenit, welcher an den Kalkstein tritt, und
hier befindet sich an der Stelle ai Canzocoli der seit vielen Jahren
berühmte Hauptfundort der Silicate der Contactzone; höher oben
grenzt der Kalkstein an Melaphyr. Hinter Dosso Capella sieht
man rechts auf den Höhen Melaphyr auf Kalkstein; dies ist
schon ein Theil der von dem Vulcan ausgegangenen Lavaströme.
In der Tiefe des Avisiothales kommt unter dem Syenit ein Granit-
stock hervor; er ist aber hier durch den Fuss des Mulatto
verdeckt.
Rechts auf der Höhe des Mulatto stehen in aufiTallenden,
nicht allzuhohen, dunklen Wänden augitische Gesteine an, welche
sich in einem langen Gange gerade an dem vorspringenden Rücken
des Mulatto bis zur Tiefe des Thaies gegen Predazzo fortsetzen
und alle tieferen Felsarten durchschneiden. Diese letzteren sind
turmalinführender Granit und Syenit; sie setzen sich auf der an-
dern Seite des Berges gegen den Fuss des Dosso Capella und
der Sforzella fort. Der ganze Mulatto ist vulcanischen Ursprunges;
die Grenze gegen den Triaskalkstein liegt nahe rechts ausserhalb
der Skizze, in einer Thalfurche gegen M. Viezzena.
Die Vertheilung der Felsarten, die Silicate an den Contact-
stellen, die zahlreichen Gänge und die Einschaltungen der Mela-
phyrlaven und der Tuffe in die Triasbildungen lassen keinen
Zweifel über den eruptiven Ursprung, den genetischen Zusammen-
hang und das Alter dieser merkwürdigen Vorkommnisse. Sie
wiederholen sich unmittelbar im Nordosten am M. Monzoni, mit
prachtvoller Entwicklung seitlicher Gänge, doch ohne dass Granit
sichtbar würde. Der Bestand von Laccolithen wurde in diesem
Gebiete noch nicht erwiesen.
Nachdem, wie das Beispiel der Finsteraarhorn-Masse lehrt,
die Umwandlung petrefactenführender, geschichteter Kalkablage-
rungen in weissen Marmor an der Grenze von Granitmassen durch
Druck erfolgen mag, liegt in dem Erscheinen der krystallisirten
Silicate in der Contactzone das entscheidendste Merkmal der erup-
tiven und vulcanischen Natur der Syenitmasse von Predazzo. Das-
selbe Merkmal kommt aber auch einem Theile des Saumes der
gewaltigen Masse des Adamello zu.
Adamello.
2og
Der Stock des Adamello erhebt sich zwischen Val Camonica
und dem Judicarienthale auf der Grenze der Lombardei und des
südwestlichen Tirol. Die Haupterstreckung ist gegen Nordnord-
ost gerichtet und folgt nahe der östlich liegenden grossen Bruch-
Hnie der Judicarien. Die bemerkenswertheste Felsart dieses Ge-
birgsstockes ist leicht kennbar durch zahlreiche kurze und dicke
Säulen von dunkler Hornblende und dunkle GHmmerblätter in
weisser Grundmasse. G. v. Rath hat diese Felsart Tonalit genannt;
Zirkel betrachtet sie als dem quarzführenden Diorit zunächst
stehend."
Wo in seinem südöstlichen Theile der Tonalitstock des Ada-
mello mit Triaskalkstein in Berührung kommt, erscheinen die Con-
tacterscheinungen von Predazzo wieder. Die Skizzen, welche
Lepsius aus Val Bona und Val Bondol veröffentlicht hat, lassen
keinen Zweifel über die Uebereinstimmung des Wesens der Vor-
kommnisse in beiden Gebieten. So sieht man z. B. an dem Süd-
abhänge der aus Tonalit bestehenden Cima Bruffione in Val Bondol
diesen mit steiler Grenze in Contact treten mit triadischen Knollen-
kalken, welche steil gegen den Tonalit geneigt, in Marmor um-
gewandelt und mit Contactsilicaten imprägnirt sind.^^
Wir werden bei der Besprechung der Südalpen diesen be-
merkenswerthen Umstand wieder zu berühren haben.
Die Vulcanenreihe der Hebriden lässt zugleich die Lage der
Schlote und Reste der ergossenen Laven erkennen; ihre Thätig-
keit erstreckt sich in die miocäne oder eine noch spätere Zeit.
Die Vulcane von Predazzo und dem Monzoni lassen ebenfalls ihre
Schlote erkennen, und obwohl ihr Alter unvergleichlich viel höher
ist als jenes der Hebriden-Vulcane, sieht man dennoch auch hier
die zugehörigen, der Triasformation eingeschalteten Laven und
Tuffe.
In einem ähnlichen Grade der Entblössung befindet sich die
von Peters und Posepny geschilderte Ausbruchsstelle von Rez-
bänya im südöstlichen Ungarn, in welcher wir nun zum ersten
Male in der hier angeführten Reihe von Beispielen Erzlagerstätten
in unmittelbarer Verbindung mit dem Eruptivstocke in der Aura
des vulcanischen Contactes antreffen. Felsarten, welche Peters als
Syenit und Syenitporphyr bezeichnet, verändern ihre Umgebung
Soest, Das Antlitz der Erde. 14
2 I O Spalte im Banat.
und lassen an dem Neocomkalkstein das für den vulcanischen Con-
tact bezeichnende Gemenge von WoUastonit, Granat und blauem
Kalkspath erscheinen.
Die langen und dünnen Gänge von Eruptivgestein, welche in
die Spalten des Gebirges eindringen und spitze Keile desselben
umschliessen, sind für Posepny ein erneuter Beweis, dass diese
Eruptivmassen nicht treibende, sondern getriebene Massen
seien. Die Senkung eines benachbarten Gebietes sei Veranlassung
zu solchen Eruptionen, die Eruptivmasse selbst aber sei durch
den Druck der sinkenden Masse in die Gänge eingepresst.**
Südlich von dem aus Siebenbürgen hervortretenden Temes-
flusse zieht sich durch das Banat ein Gebirgszug zur Donau herab,
dessen höchster Gipfel, Muntje Semenik, 1450 M. erreicht und
dessen mittlere Höhe etwa 800 M. betragen mag. Das Streichen
seiner Structur ist von Nordost oder Nordnordost gegen Südsüd-
west gerichtet, und mit dieser Richtung setzt sich das Gebirge
südwärts über die Donau nach Serbien fort. Indem der grosse
Strom in gewundenem Laufe dieses Gebirge und seine östlichen
Parallelzüge durchquert, entsteht von Moldowa abwärts bis zum
Eisernen Thore eine Reihe grosser Stromschnellen. Uns soll hier
nur der westliche Theil des Gebirges und namentlich der gegen
Westen blickende Rand desselben beschäftigen.
Dieses Gebirge besteht aus langen Falten von Glimmer-
schiefer mit etwas Gneiss, dann flötzführenden Carbonschichten,
rothem permischen Sandstein, aus Jura und Kreidekalkstein. Ein
sehr grosser, von Nord nach Süd laufender Bruch durchschneidet
das Gebirge; er trifift die gegen Südwest und Südsüdwest strei-
chenden Falten in spitzem Winkel und schneidet die mesozoischen
Schichten gegen Westen ab, so dass jenseits, westlich von diesem
Bruche, fast nur niedrigere Berge von Glimmerschiefer oder die
offene Ebene zu sehen sind. So weit dieser Bruch auf der Nord-
seite der Donau im Banater Gebirge liegt, von Deutsch-Bokschan
im Norden bis Moldowa an der Donau im Süden, ist derselbe mit
einer Reihe von alten Ausbruchsstellen besetzt, wie die auf Fig. 2 1
dargestellte, 78 Km. lange Strecke zeigt. Aber der Bruch über-
setzt südwärts die Donau und ist dort von ähnlichen Ausbruchs-
stellen begleitet.
Als die Hauptquelle für
die Kenntniss des gefalte-
ten Gebirges ist die im Jahre
1857 erschienene Beschrei-
bung des wichtigsten Thei-
les desselben von Joh. Ku-
dernatsch zu bezeichnen,
in welcher so manche An-
schauung über Bau und Ent-
stehung der Gebirge aus-
gedrückt wurde, die erst
viel später zur Geltung ge-
kommen ist. Für das in Fig.
21 dargestellte Stück des
westlichen Bruches nenne
ich vor Allen die im Jahre
1860 von der österreichi-
schen Staatseisen bahn -Ge-
sellschaft herausgegebene
geologische Specialkarte
desselben, weicherauch die
von Cotta im Jahre 1865
veröffentlichte Karte ent-
nommen ist.''
Die wichtigsten auf die-
ser Strecke sichtbaren Vor-
kommnisse von Eruptivge-
stein sind von Süd gegen
Nord: jene von Moldowa,
von Kohldorf und Szdszka,
vonCziklowa undOrawitza,
von Dognäcska, endlich
die grosse unregelmässige
Masse nördlich von Bok-
schan. Mit Ausnahme der
letzteren nimmt jedes die-
ser Vorkommnisse einen in
212 Spalte im Banat.
der Richtung des Bruches sehr verlängerten Raum ein, so zwar,
dass von dem hier dargestellten 78 Km. langen Stücke desselben
thatsächlich etwa auf 47 Km. das Eruptivgestein sichtbar ist und
man keinen Grund hat zu bezweifeln, dass bei noch tieferer Ab-
waschung der Oberfläche anstatt dieser vereinzelten Vorkomm-
nisse nur eine einzige zusammenhängende Zone desselben an dem
Bruche sichtbar sein würde.
Diese eruptiven Felsarten wurden anfänglich als Syenit oder
Granit bezeichnet; Cotta nannte sie mit einem neuen Namen Ba-
natit; sie sind, wie die seitherigen Untersuchungen von Niedz-
wiezki,'^ Szabö^^ u. A. gezeigt haben, mannigfaltig in ihrer
Zusammensetzung und werden als echte Syenite oder als quarz-
führende Diorite, als Amphiboldiorite, Andesite und Andesin-
Quarztrachyte bezeichnet. Den weitaus verbreitetsten Typus unter
denselben nennt G. v. Rath mit Niedzwiezki Ouarzdiorit, und ver-
gleicht ihn wie Cotta mit dem an so vielen Orten in Ungarn und
Siebenbürgen erzführenden Propylit, ferner mit dem Tonalit des
Adamello.*^ Bei Moldowa ist auch ein ansehnlicher Gang von
Basalt vorhanden.
Wo immer die syenitische oder dioritische Felsart mit dem
mesozoischen Kalkstein in Berührung kommt, ist dieser verändert;
es erscheint Granat, Wollastonit, Vesuvian, Glimmer, blauer Kalk-
spath und eine ganze Reihe bezeichnender Mineralien des vulca-
nischen Contactes. In der Zone des Contactes liegen auch die
zahlreichen Erzlagerstätten dieses Zuges; Magneteisenstein, Blei-
und Kupfererze, Silber und Gold finden sich in demselben. Je
nach ihrer Lage gegen den Kalkstein sind die einzelnen Eruptiv-
stellen ganz oder nur theilweise von dem Contacthofe umgeben.
Das Eruptivgebiet von Moravitza liegt im Glimmerschiefer, kreuzt
aber einen Kalkzug und verändert und vererzt denselben.*^
Cotta hat die Meinung geäussert, dass es auf dieser Spalte
nicht zu wirklichen Ausbrüchen an der Oberfläche gekommen sei,
aber der fast gänzliche Mangel an seitlichen Ergüssen kann hiefür
kein voller Beweis sein. Die Abtragung von Gebirge, welche
nothwendig war, um diese Form der Entblössung der Spalte zu
erzeugen, ist eine so bedeutende gewesen, dass ihr die ausge-
strömten Laven auf eine weite Umgebung unterliegen mussten.
Narben. 2 1 3
Es sind hier cretacische Kalksteine verändert worden; wir
werden daher dem Quarzdiorit dieser Spalte kein höheres als
etwa tertiäres Alter trotz der ausserordentlichen Denudation zu-
schreiben können, und er ist vielleicht gleichzeitig mit dem Pro-
pylit der Karpathen, dessen Ausbrüche in die oligocäne oder in
die frühere Hälfte der miocänen Zeit zu stellen sind.^° —
Die etwa seit der Mitte der Tertiärzeit eingetretene Ab-
waschung scheint hingereicht zu haben, um auf einer 78 Km. langen
Strecke in mehr als der Hälfte der Erstreckung die Spaltenausfül-
lung blosszulegen. Bei weiter vorgeschrittener Zerstörung würden
wir eine einzige Zone von Quarzdiorit sehen. Leicht könnte aber
diese Zerstörung so weit reichen, dass die benachbarten meso-
zoischen Kalksteine und mit ihnen die Contact- und Erzbildungen
verschwinden, und von der ganzen heutigen mannigfaltigen Be-
schaffenheit des Gebirges bliebe dann nichts zurück als ein diori-
tischer oder syenitischer Zug, eingebettet in Glimmerschiefer und
Gneiss, welchem so mancher Beobachter dann ohne Weiteres ein
archaisches Alter zuzuweisen sich bereit finden möchte.
So gelangen wir von der Betrachtung der Aschenkegel der
Gegenwart, die von der Denudation gebotenen Bilder aneinander-
schliessend, allmälig zu den vielgestaltigen Producten abyssischer
Vorgänge, welche auf den alten abgenagten Gebirgsmassen Böh-
men's oder Norwegen's, wie auch da und dort in den jüngeren
Faltungsbergen sichtbar werden. So wurde jener merkwürdige
syenitische, in seinem südlichen Theile granitische Zug gebildet,
welcher bei Brunn den Ostrand der böhmischen Masse begleitet und
sie abtrennt von den Sudeten. Die nachfolgende Figur 24 lässt in
rohem Umrisse ihre Lage erkennen und zeigt, dass durch sie zwei
ganz verschieden gebaute Schollen der Erde geschieden werden.^'
Solche entblösste Eruptivzüge werden hier als Narben be-
zeichnet werden.
Aber nicht nur Narben mögen durch Entblössung sichtbar
werden, sondern auch alte Lavadecken, abyssische Gänge und
Durchdringungen mancher Art, vielleicht auch Intrusivmassen
oder wahre Laccolithen der grossen Tiefe.
Dies ist der Weg, auf welchem Judd dahin gelangt ist, nach
der Untersuchung der Eruptivstöcke der Hebriden auch aus-
Elk-MounUiD3. 215
Kohlenkalk und eine weitere mächtige Serie folgt, welche bis in
die oberen Theile der Kreideformation reicht. Der Kreideforma-
— j r^^^^z 1 tion sindintrusivmassen
'^ — ^ von Rhyolith und Tra-
chyt eingeschaltet.
In tektonischer Be-
ziehung sieht man, dass
die beiden grössten Gra-
nitstöcke, Snow Mass
Group und White Rock
Group, auf einer ge-
raeinsamen Störungs-
linie stehen, welche als
Bruchfalte (Faultfold)
bezeichnet wird, und
welche von einer deut-
lichen seitlichen Bewe-
gung der Massen be-
gleitet ist, die quer auf
das Streichen von Nord-
ost gegen Südwest ge-
richtet war. Diese seit-
liche Bewegung ist so-
gar so beträchtlich ge-
wesen, dass an dem süd-
westlichen Rande des
Granites Ueberschie-
bungen desselben ein-
getreten sind und zwi-
schen beiden Massen
eine Einklemmung von sedimentären Schichten entsteht.
Dieses grosse Maass seitlicher Bewegung und das Auftreten
trachytischer Massen in der cretacischen Aussenzone scheinen den
Anlass dazu gegeben zu haben, dass auch diese beiden grossen,
in der Tiefe wohl sicher zusammenhängenden -Granitstöcke als
echte Laccolithen von postcretacischem Alter bezeichnet worden
sind, und dass einzelne Forscher sogar geneigt waren, die
2 1 6 Eingeschaltete Granitmassen.
Intrusion des Granites mit der Bildung des Gebirges selbst in ur-
sachliche Verbindung zu bringen.
Holmes drückt sich vorsichtig aus, es sei nicht schwer, sich
vorzustellen, dass, während die seitliche Verschiebung und Faltung
vor sich ging, die unterliegende plastische Masse diese Bewegung
begleitete und die heutige Sachlage formte, und dass während
dieses Vorganges sie sich selbst eindrängte oder eingedrängt
wurde durch die Bruchlinie in den beiden grossen Massen der
Snow Mass und White Peak Groups.^*
In dieser Auffassung bleibt also die faltende Kraft als das
erste und anregende Moment des Gebirgsbaues anerkannt, wäh-
rend andere Autoren die Elk-Mountains geradezu als durch das
lundringen eines postcretacischen Granites gehoben und gefaltet
ansehen. Dieser Granit scheint aber durchwegs in demselben stra-
tigraphischen Horizonte zu liegen, und er erinnert hiedurch wie
durch seine Lagerung ganz und gar an die passiv überschobenen
Massen der Cima d'Asta oder der Jungfrau.
l^ie von Holmes ausgesprochene Meinung schliesst sich aber
ziemlich nahe an die von Lossen über den Granit des Harzgebirges
aufgestellten Ansichten an. Lossen meint, ,dass die einseitig
(hcteroklin) zusammengeschobene Falte bei gesteigertem Drucke
in eine dem Streichen nach durchrissene Falte mit aufwärts ge-
vschobenom Hangenden und diese bei abermalig fortgesetzter
vStoigorung dos Druckes in eine Zerspaltung mit aufgepressten
Mruplivgosleinen übergehen könne'. In seinen neuesten Schriften
nennt Lossen den Harz ,ein als Gebirgsknoten nachgewiesenes
windschiefes, elliptisches Massengebirge mit ausgepresstem Erup-
tivmagma in den dynamischen Brennpunkten'. Aus einzelnen Stellen
ergibt sich sogar, dass Lossen sich den Granit als plastische Masse
direct dem Einflüsse der lateralen Bewegung ausgesetzt vorstellt,und
von der treppenförmigen Anordnung der Falten wird gesagt: ,Die
Treppen sind die Wellenberge des granitischen Magma's, welche die
Bewegungen des Faltungsprocesses der festen Rinde mitmachen.'^^^
Dieser Granit hat die Tanner Grauwacke am Contacte ver-
ändert, welche heute noch an einzelnen Stellen sein Dach bildet;
er hat daher auch, wie die amerikanischen Laccolithen, Contact-
wirkung nach oben ausgeübt.
Eingeschaltete Granitmassen. 217
Nun mag nochmals betont sein, dass weder nach Holmes'
Meinung in den Elk-Mountains, noch nach Lossen im Harze die
ältere Anschauung von der Erhebung der Gebirge durch den
Granit Stütze findet, sondern dass beide Beobachter die Faltung
des Gebirges doch als die primäre, beherrschende Erscheinung
und die Auspressung des granitischen Magma's als eine beglei-
tende, durch diese Faltung erst veranlasste Nebenerscheinung an-
sehen. —
Es sind zahlreiche Granitmassen bekannt, welche folgende
Merkmale in sich vereinigen:
a) Sie liegen eingebettet in alte geschichtete Gesteine, am
häufigsten in Schiefer, aus welchen sie durch die Denudation aus-
geschält werden, und sie haben, so weit sich dies erkennen lässt,
die Gestalt von grossen unregelmässigen Broden oder
Kuchen.
bj Sie haben Contactwirkung nicht nur nach den Seiten,
sondern auch nach oben ausgeübt, sind also jünger als ihr
Dach.
cj Sie geben in vielen Fällen Apophysen nach der Seite
oder wohl auch nach oben ab; diese Apophysen sind in Spalten
injicirt, deren Bildung der Injection unmittelbar vorausgehen
musste.
Der Drammen-Granit im Gebiete von Christiania wird nach
Kjerulf's Schilderung auf nicht unbeträchtliche Strecken von ver-
schiedenen Gliedern der Silurformation flach überlagert; er ver-
ändert sie alle nach oben am Contact, schliesst Bruchstücke der-
selben ein und gibt Gänge in dieselben ab.^^
Die beiden Granitstöcke von Barr-Andlau und von Hohwald
in den Vogesen, deren Contactwirkungen auf die Steiger Schiefer
von Rosenbusch so trefflich untersucht wurden, sind diesen Schie-
fern eingelagert und geben Apophysen in dieselben ab.^^
Die grossen Granitstöcke des Erzgebirges zeigen ähnliche
Verhältnisse und sind zum Theile heute noch überwaMbt von der
Schiefermasse, welcher sie eingeschaltet sind und welche sie ver-
ändert haben. Mit dem Streichen des Erzgebirges stehen diese
Stöcke freilich in gar keinem sichtbaren Zusammenhange; der
grosse Neudecker Stock liegt mehr oder minder quer im Gebirge
2 1 8 Bildung von Hohlräumen.
und wird im Süden von dem grossen Abbruche des Gebirges ge-
rade so abgeschnitten, wie die Massen der Vogesen von den Ver-
werfungen durchschnitten werden, welche für die Gestaltung
dieses Gebirges so massgebend sind. —
Es lässt sich nicht leugnen, dass die wichtigsten Merk-
male dieser Granitmassen, und insbesondere die Contactwirkung
gegen das Dach, sich in den trachytischen Laccolithen Nord-
amerika's wiederfinden. Ihre Dimensionen sind aber noch weit
grösser, und es entsteht die Frage, wie denn so ausserordentlich
grosse, nach ihrer grösseren Axe zehn, zwanzig und noch weit
mehr Kilometer messende, kuchenförmige Massen nachträglich
eingeschaltet werden konnten in einen bestimmten Horizont, z. B.
in eine bestimmte Schieferzone, oder doch, wie bei Christiania, in
eine ziemlich nahe bei einander liegende Gruppe von geschichteten
Gesteinen.
Es ist unbedingt nothwendig, dass der Injection der graniti-
schen Masse, welche eine so hohe Temperatur besass, dass sie die
Gesteine zu verändern im Stande war, die Bildung eines ent-
sprechenden Hohlraumes vorausging.
Man hat die tangentiale oder faltende Bewegung der äusseren
Theile des Erdkörpers zuweilen eine , Rindenbewegung' genannt,
aber der Begriff der ,Erdrinde' ist von manchen Unklarheiten um-
geben. Vorgänge wie an der belgischen Faille du midi zeigen, dass
ein thatsächliches Abheben einzelner Theile und ein Hinübertreten
derselben über andere stattfinden kann. Dieses Abheben mag in
der Tiefe, namentlich bei ungleichmässiger tangentialer Bewegung
oder bei ungleichmässiger Stauung recht häufig vorgekommen
sein, am häufigsten wohl in den Schieferzonen der Tiefe, welche
hiezu am geeignetsten sind, und so mögen sehr grosse, mehr oder
minder linsenförmige Hohlräume gebildet worden sein, in welche
sofort die granitische Masse eintrat, die Decke verändernd und
Gänge in ihre Spalten entsendend. Oft deutet nichts darauf hin,
dass die ganze, der Fläche des Abhubes oder Abstaues auflastende
Masse jüngerer Sedimentgesteine durchbrochen, dass es an der
Oberfläche der Erde zu einem vulcanischen Ausbruche und der
Bildung der Zerstäubungsproducte gekommen sei, welche die Ex-
plosion begleiten. Das Magma trat so weit ein, als der Abstau
Batholithen.
219
reichte, und erstarrte in demselben zu einem felsigen Kuchen,
einem wahren Batholithen, welcher spätere Gebirgsbildung
zwar niemals zu veranlassen, aber allerdings dieselbe in gewissen
Fällen durch seine grosse Masse, seine Festigkeit und seinen Um-
riss in einzelnen untergeordneten Zügen passiv zu beeinflussen im
Stande war.
Die granitischen Stöcke der Pyrenäen sind, wie Zirkel deut-
lich gezeigt hat, von sehr verschiedenem Alter. Aehnlich verhält
es sich mit den granitischen Kernen der Alpen. Mehrere von diesen
liegen wohl als wahre Batholithen in Schiefer von carbonischem
Alter, andere in weit tieferen Horizonten, andere Granite sind
weit jünger; wie solche bei Predazzo mit wahren Eruptions-
erscheinungen in Verbindung treten, wurde bereits erwähnt.
Hoch über dem Bernina-Hospiz liegen auf dem Granit Schollen
von weissem, sei es durch Druck, sei es durch vulcanischen Con-
tact, halbmarmorisirten Kalkstein, welcher zahlreiche, wie es
scheint rhätische Fossilien umschliesst. Tief unten in Val Trompia
entblössen die Bergbauten der Grube Arnaldo eine Masse von
grünem Granit, deren bucklige Oberfläche an einer Stelle aufs
Innigste verwachsen erscheint mit dem auflagernden, wahrschein-
lich carbonischen Thonglimmerschiefer, während sie an einer an-
deren, ganz nahe benachbarten Stelle unmittelbar von rothem per-
mischen Sandstein bedeckt ist.
Aber der tiefe Einblick, welchen das Alpengebirge eröffnet,
lehrt auch andere, gar unerwartete Erscheinungen kennen. Wäh-
rend syenitische und dioritische Felsarten in den Schloten tertiärer
Vulcane angetroffen werden, machen uns Stäche und John mit
Eruptivgesteinen näher bekannt, die nicht wenig den jungen An-
desiten und Propyliten gleichen, und welche in den obersten
Quellgebieten der Etsch und der Adda der Unterlage der ganzen
mächtigen mesozoischen Reihe eingeschaltet sind.-^^ —
Kehren wir aber nun noch einmal zu der Bildung grosser
Hohlräume im Innern des Erdkörpers zurück. Der Abstau einer
grösseren Masse geschichteter Gebirge mag hinreichen, um das
Eintreten linsenförmig erstarrender und ihr Dach verändernder
granitischer Massen zu erklären. Unabhängig hievon ist aber schon
vor vielen Jahren aus ganz anderen Gründen die Meinung aus-
220 Maculae.
gesprochen worden, dass es im Innern der Erdmasse keine zu-
sammenhängende Pyrosphäre gebe, sondern dass die Laven in
einzelnen grossen Hohlräumen gleichsam in unterirdischen Seen
ruhen. Hopkins betrachtete diese Lavaseen als die Reste der
ursprünglichen, gluthflüssigen Masse des Erdkörpers und bezeich-
nete sie als ^residual lakes^ Eine merkwürdige Erfahrung, die
trotz aller Ausnahmen doch überaus auffallende Wiederkehr jener
selben Altersfolge eruptiver Felsarten in so entfernten Gebieten,
wie z. B. Ungarn und Westamerika, welche den Namen der Richt-
hofen'schen Reihe führt, hat zu der Erörterung dieser älteren An-
sicht zurückgeführt. Propylit, Andesit, Trachyt, Rhyolith, Basalt
lautet jene merkwürdige Reihenfolge, welche Richthofen's scharfer
Blick zuerst erkannte, deren Beständigkeit oft geleugnet worden
ist, deren Wiederkehr auf den weitesten Gebieten des westlichen
Amerika jetzt ausser Zweifel steht, und welche nach Godfrey nun
auch auf Japan als die Regel gelten soll.^^ Ihre Bestätigung auf
den grossen Bruchfeldern der Hochplateaux von Utah hat Dutton
zu theoretischen Erörterungen veranlasst, in welchen zunächst die
locale, umgrenzte Beschaffenheit der Lavabehälter der Tiefe be-
tont, die Auffassung von Hopkins als Residua einer früheren
allgemeinen Gluthflüssigkeit aber geleugnet wird. Nach Dutton
werden solche Behälter, sie werden ,Maculae' genannt, im Innern
der Erde neu gebildet, und es wird die von Cl. King neuerlich be-
tonte Ansicht vom Flüssigwerden durch Verminderung des Druckes
mit dieser Voraussetzung in Verbindung gebracht.^° —
In dem vorhergehenden i\bschnitte wurde erwähnt, dass zwar
die Dislocationen der Erde ein Bestreben zur Zerlegung der Span-
nungen in tangentiale und radiale Spannungen erkennen lassen,
dass jedoch directe Folgen der radialen Spannung, gleichsam ein
actives Hinabziehen gegen den Mittelpunkt der Erde kaum nach-
weisbar seien, wohl aber ein häufiges passives Hinabsinken grosser
Schollen. Dieses passive Hinabsinken setzt auch grosse Hohl-
räume voraus. In solchen Regionen zeigt sich am häufigsten das
Aufquellen von Laven. Die Vorstellung, welche sich aus der Ver-
gleichung dieser Erfahrungen ergibt, ist also etwa diese:
Die obersten peripherischen Theile des Erdkörpers sind durch
tangentiale Spannung festgehalten, wie ein Gewölbe. Entweder
Nachsacken der Eniptivstocke. 221
radiale Spannung oder Abstau trennt einen Theil des Erdkörpers
gegen innen ab, und es bildet sich eine grosse, der Erdoberfläche
mehr oder minder parallele, bei radialem A-briss sehr ausgedehnte,
bei Abstau mehr linsenförmige Ablösung, eine Macula, welche
sich mit Laven füllt. Findet an der Oberfläche die tangentiale
Spannung nach irgend einer Richtung ihre Auslösung, z. B. durch
Faltung oder durch Ueberschiebung einer anderen Scholle, so
sinkt hinter der Faltung oder Ueberschiebung das Gewölbe in
die Macula, und auf den Sprüngen oder Einbrüchen quillt Lava
hervor.
Inwieferne sich diese Vorstellung bestätigt, kann jedoch
erst an späterer Stelle genauer geprüft werden. —
Zum Schlüsse mag noch eine Erscheinung erwähnt werden,
welche nicht wenigen Ausbruchsstellen gemein zu sein scheint. Es
ist dies das umgrenzte örtliche Einsinken, oder, um Reyer's drasti-
sches Wort zu gebrauchen, das Nachsacken des Vulcan's und
des umgebenden Gebirges. Hiemit will ich mich nicht beziehen
auf jene Beispiele, welche aus der nächsten Umgebung jüngerer
Vulcane, z. B. von dem Signal Post Hill auf San Jago (Capverd'-
sche Inseln) oder von einer kleineren Ausbruchsstelle bei Auck-
land (N. Zealand) öfters erwähnt worden sind, weil es sich an
diesen Stellen doch nur um Vorkommnisse von ziemlich geringer
Ausdehnung handelt.'*'
Es handelt sich um die ganze Masse des Vulcans. In voller
Uebereinstimmung zeigt Judd, dass der Vulcan von Mull nach-
gesunken sei, gibt Mojsisovics an, dass der Eruptivstock von Pre-
dazzo sich nachträglich gesenkt habe, und schildert Reyer die
nachträgliche Senkung der Masse des Venda.^^
,Man erhält den Eindruck,* sagt Mojsisovics, ,als ob an der
Peripherie der Eruptionsstelle Theile des durchsetzten Gebirges
in entstandene Hohlräume hinabgetaucht worden wären.' Es ist
bereits gelegentlich erwähnt worden, wie sehr man geneigt ist, das
Volum der bei einer grossen Eruption hervorgestossenen Massen
zu unterschätzen, und wie klein die Aufschüttungskegel im Ver-
gleiche zu jener Masse fein vertheilter Materie sind, welche bei
ähnlichen Katastrophen auf grosse Strecken hin die Sonne ver-
dunkelt.
222 Die Denudationsreihe.
Um nun die Denudationsreihe in ihren Hauptzügen zu über-
sehen, wollen wir auf die im vorhergehenden Abschnitte erwähnten
jüngsten Vulcane des mittelamerikanischen Festlandes zurück-
greifen.
Es beginnt dann die Serie mit dem jungen Vulcan bei Leon,
mit der Ausbruchsstelle in dem See von Ilopango und dem Izalco;
keiner dieser Feuerberge ist noch ein Jahrhundert alt; neben ihnen
nennen wir etwa Jorullo und M. Nuovo.
An diese jüngsten Feuerberge schliessen sich jene unmittel-
bar an, welche sich in ununterbrochener eruptiver Thätigkeit be-
finden und dies durch einen sichtbaren glühenden Lavaspiegel
bekunden, wie Stromboli, und, in allerdings wesentlich anderer
Gestalt, Kilauea. Auch der bereits genannte Izalco befand sich
wenigstens noch vor nicht langer Zeit im strombolischen Zustande.
Es folgen jene Vulcane, welche häufige Eruptionen, wie
Vesuv oder Aetna, oder minder häufige, wie Ischia, bieten. Ihre
Zahl ist sehr gross, und noch grösser die Zahl jener, von welchen
Ausbrüche historisch nicht oder doch nicht mit Sicherheit nachge-
wiesen sind, welche aber ihre Aschenkegel vollkommen bewahrt
haben, wie die Puys der Auvergne oder Rocca Monfina.
Die nächsten sind solche Vulcane, welche so weit zur Ruine
geworden sind, dass aus dem theilweise zerstörten Aschenkegel
das Gerüste desselben hervortritt; hierher gehören z.B. M. Venda
in den euganäischen Bergen, an dessen blossgelegter Basis sich
auch schon die seitlichen Intrusionen enthüllen, und, nach Doel-
ter's Beobachtungen, einige Ausbruchsstellen ^uf den Ponza-
Inseln. Hier sind die Lavadecken schön abgetrennt von der Aus-
bruchsstelle.
Basische Vulcane mit sichtbarem Gerüste sind mir nicht be-
kannt; aber zahlreich sind die Fälle weithin vereinzelter basischer
Stromtheile, welche Vulcane dieser und nachfolgender Phasen
begleiten.
Die Erosion dringt weiter vor, und was unter dem Venda nur
in kleinem Maassstabe sichtbar war, die seitliche Intrusion oder
Injection von Linsen saurer Laven, das zeigt sich in grösstem
Maassstabe in den Henry Mountains, Sierra el Late, San Carriso
und anderen Fällen im mittleren Nordamerika.
Die Denudationsreihe. 223
Noch weiter reicht die Zerstörung; sie lässt z. B. in Predazzo
hoch oben auf den Bergen die der Triasformation eingeschalteten
Laven und unten im Thale die Tiefen des Schlundes erkennen,
und in diesem granitische und syenitische Felsarten, während die
Zonen des Contactes an den Wänden von den bezeichnenden Sili-
caten begleitet sind. Diese Entblössung der Felsarten der Tiefe
mag auf einer Linie von mehreren Ausbruchsstellen erfolgen, wie
auf den Hebriden, oder es mag die Entblössung so weit reichen,
dass der Zusammenhang der gemeinsamen Spalte so deuthch her-
vortritt wie im Banat. Endlich mag die Zerstörung so tief gehen,
dass nur eine Narbe zurückbleibt, wie der Syenitzug von Brunn.
Alle bisher genannten Vorkommnisse sind entweder Auf-
schüttungen auf der Oberfläche des Planeten, veranlasst durch
Ausbrüche, welche aus dem Innern desselben hervordrangen, oder
es sind die Reste der Schlote und Spalten, durch welche diese
Ausbrüche ihren Weg fanden. Die Zerstörung der Erde dringt
aber weiter vor; die Denudation enthüllt uns auch Massen, w^elche,
wenigstens in den meisten Fällen, die Oberfläche im feurigflüssigen
Zustande nicht erreicht haben, sondern als Batholithen, als ge-
waltige Felsenbrode in der Tiefe erstarrt sind, wie dies häufig
noch eine auf ihrem Rücken uns erhaltene Scholle von verändertem
Schiefer, ein Bruchstück der alten Wölbung, lehrt.
So gelangen wir von den Aschenhaufen der Gegenwart zu
denGranitmassen desErzgebirges, dem DrammengranitNorwegens
und zu der Erkenntniss der ausserordentlichen Mannigfaltigkeit
io der Bildungsweise der Granite der Alpen.
Endlich führt die Kette der Erscheinungen zu der Voraus-
setzung von Ablösungen in der Tiefe, welche durch tangentialen
Abstau oder durch radialen Abriss gebildet sind, und es bleibt
weiter zu untersuchen, inwieferne dieser Annahme der thatsäch-
liche Bau der Gebirge entspricht.
Anmerkungen zu Abschnitt IV^: Vulcane.
« (i. I'cxidr, Hcitr. zur Kenntniss der durch das Erdbeben vom 9. November 1880
lifrvorjjrhrjiclilcn Sandschlammauswurfc, 8^, 1880.
» Arcb. (icikie, The I^ava-Kiehls of North- Western Europe; Naturc, Nov. 4. 1880,
vol. XXIII, p. } 5.
.1 E. Keyer, Die Eufjanäen, Bau und Geschichte eines Vulcans, 8°, 1877; daneb.
innbcN. (I. v. Kath, (icojjnostische Mittheil, über die euganäischen Berge bei Padua, Zeitschr.
deutsch. t:e()l. (Jos. 1864, XVT, S. 461—529, Taf. XV, XVI; cbcndas. S. 520 u. folg. be-
findet sich ein Abdruck von de Zigno's Schrift über denselben Gegenstand, welche die
Jura- und Neocomschichten von Fontana Fredda aufführt.
4 Der Vulcan Venda; Sitzungsber. k. Akad. Wiss. Wien, 1875, LXXI, S. 12.
5 A. ('. Peale, On a peculiar tyi>c of eruptive Mountains in Colorado; Hayden,
Hüll. U. S. Geol. and Geogr. Surv. territ. 1877, Ilf, p. 551—564.
^ G. K. Gilbert, Rep. on the Geol. of the Henry Mountains; 4«, 1877, (U. S.
Geogr. and (icol. Surv. J. W. Powell).
7 F. M. Endlich, On the enipted Rocks of Colorado; Hayden, X. Ann. Rep.
of the U. S. Geol. and Geogr. Surv. territ. for 1876; 1878, p. 199—272.
8 M. H. Holmes, Geol. Rep. on the San Juan District; IX. Ann. Rep. U. S.
Surv. for. 1875; 1877, p. 268, pl. XLV, Fig. i.
9 Holmes, ebendas. p. 273, 274.
«o Endlich, Geol. Rep. on the South Eastern District, ebendas. p. 127 u. folg.,
pl. XVI.
" Clar. King, U. S. Geol. Explor. of the 40. Parall. 1878, I, p. 694.
" Dutton, High-Plateaus, p. 129— i3i.
i3 L.V.Buch, Physikal. Beschreibung der canarischen Inseln, 1825; Ges. Schriften
herausgeg. von Ewald, Roth und Dames, III, 1877, ^' 5*0*
M H. Ab ich, Geol. Forschungen in den Kaukasusländern, II, Geol. des armenischen
Hochlandes, I. Westhälfte, 40, 1882, Atl., S. 73, 78, 329 u. a. and. Ort.
»5 H. Abich, ebendas. S. 76.
16 H. Abich, ebendas. S. 78 u. folg.
17 W. Topley and G. A. Lebour, On the Intrusive Character of the Whin Sill
of Northumberland ; Quart. Journ. geol. Soc. 1877, XXXIII, p. 406—421. An dieser Stelle
möchte ich erwähnen, dass in den letzten Jahren der Versuch unternommen worden ist,
die zahlreichen Basaltströme des vicentinischen Gebirges einem einzigen Horizonte zu-
zuweisen und den grössten Theil derselben als intrusiv zu bezeichnen. Diese Ansicht theile
ich nicht. Nur in der Nähe von Ronca kenne ich im Horizonte des Tuffes mit Strombus
Fortisi einen kleinen, gewundenen wahren Intrusivgang. Die Verschiedenheit des Alters
der Basalte ergibt sich aus der Verschiedenheit der Versteinerungen in den Tuffen auf
Anmcrkunfjen zu Th. I, Abschn. IV. Vulcane. 2 25
unzweifelhafte Weise. — Für Beispiele v^l. Gcikie, On the Carbonif. Volcanic Rocks of
the Basin of the Firth of Forth; Transact. Roy. Soc. Edinb. 1880, XXIX, p. 476.
»8 J. \V. Judd, The Secondary Rocks of Scotland, 2*1 pap. On the ancient Vol-
canoes of the Hebrides and the Relations of their Products to the Mesoz. Strata; Quart.
Journ. geol. Soc. 1874, XXX, p. 220— 3oü, pl. XXII, XXIIf, und Uebersichtskartc in
1878, vol. XXXIV, pl. XXXI.
»9 Arch. Geikie, On the tcrt. Volc. Rocks of the Brit. Islands, id pap. Quart
Journ. geol. Soc. 1871, XXVII, p. 294. Diese Massen konnten wegen des kleinen Mass-
stabes des Kärtchens P'ig. 19 auf demselben nicht dargestellt werden.
20 Geikie, On the Geol. of the Faeroe Islands, Trans. Roy. Soc. Edinb. 1880 — 81,
XXX a, p. 240.
21 Aus der reichen Literatur nenne ich nur: F. v. Richthofen, Geogn. Beschreib,
der Umgebung von Predazzo, S. Cassian u. s. w. 40, 1860; tZ. Do elter, Ueber die Eruptiv-
gebilde von P'leims nebst einigen Bemerkungen über den Bau älterer Vulcane; Sitzungsber.
k. Akad. Wiss. Wien, 1876, Bd. 74, S. 857—878, Karte des (Tcbietes von Predazzo;
E. v. Mojsisovics, Die Dolomitriffe von Südtirol und Venetien, 8*», 1879, S. 344 — 393;
Ed. Reyer, Predazzo, Jahrb. geol. Reichsanst. 188 1, XXXI, S. I — 56, und Karte.
22 G. V. Rath, Beitr. zur Kenntuiss der erupt. Gesteiuc der Alpen, Zeitschr.
deutsch, geol. (les. 1864, S. 249; Zirkel, Lehrb. der Petrogr. 1866, II, S. 22.
23 R. Lepsius, Das westliche Südtirol, 40, 1878, S. 208, 222.
24 C. Peters, Geol. u. mineral. Studien aus dem südöstlichen Ungarn, Sitzungsber.
k. Akad. Wiss. Wien, 1861, XLITI, S. 385—463 und XLIV, S. 81 — 187, Karte und
Tafel; F. Posepny, Geol. -montan. Studie der Erzlagerstätten von R6zbdnya, aus Fcildtani
Közl. IV, 1874, 80, Budapest, 198 S., Kart und Taf., insbes. S. 190.
25 Joh. Kudernatsch, Geol. des Banater Gebirgszuges, Sitzungsber. k. Ak.id.
Wiss. Wien, XXIIT, 1857, S. 39 — 148, Karte und Tafel; Beruh, v. Cotta, Erzlager-
stätten im Banat und in' Serbien, 8", 1865, 108 S. und Tafel. L. Löczi .spricht sich
gegen die nördliche Verlängerung der Spalte aus, welche (.'otta annimmt (A Ilegyes
Drocsa-hegj'seg Asvany-Lelhelyei, 8'», Budapest, 1877, P- ^^•)
26 J. Niedzwiezki, Zur Kcnntniss der Banator Erui)tivgesteine; Jahrb. geol.
Reichsanst 1873, XXIII; Tschcrmak, Minor. Mitth., S. 255 — 262.
^7 Szabo in Földt KözL VI, 1876, S. II2— 132 u. a. and. Ort; auch F. v. Hauer,
Die Geologie und ihre Anwendung u. s. w., 2. Aufl., 8", 1878, S. 540.
2^ Diese merkwürdige Stelle wurde näher beschrieben von (x. Marka, Einige
Notizen über das Banater Gebirge; Jahrb. geol. Reichsanst. 1869, XIX, S. 3 18 u. ft)lg.,
Taf. vrrr, ix.
29 G. V. Rath, Sitzungsber. Niederrhein. Ges. für Natur- und Heilkunde zu Bonn,
l3. Jonuar 1879.
3" Es ist in demsell)en Gebirge, weiter gegen Ost, noch eine zweite ähnliche, doch
bis heute weit weniger l^ekannte Einie von Eruptivstellen vorhanden. Sie zieht von dem
Bergorte Mai<lanpek in Serbien nonlwärts herauf, ül)ersetzt die Don.au und enthält un-
mittelbar nördlich von derselben im Ljubkowatliale Erze in den gleichen Contactbildungen
(Zej)harovich, Berg- und Hüttenm. Zeitschrift, V, S. 12; auch J. Böckh, (leol. Notiz,
über d. südl. Theil des ('omit. Sz(")reny, aus iMildt. K(")zl. 1879, S. 29 Anm.; für ähnliche
Eruptiv>tellcn aucli cbendas. iH8ü und insbesondere Hugo Szterenyi ebendas. l883, S. 142.)
Kudernatscli meinte sogar, an dem westliclien Rande des grossen Granitzuges des
Puschkasch, der im Osten von Steyerdorf auftritt, ebenfalls im Kalk Contacterscheinungen
zu sehen (Jalirb. geol. Reichsaust. 1855, VI, S. 228), doch l)edarf die Angabe nach
Tietze's Beobachtungen einer neuen Prüfung (eben<las. 1872, XXH, S. 43).
3* Die näheren Beziehungen dieses Zuges zu den benachbarten Gebirgen wurden
bereits Entst. der Alpen, S. 67 — 71, l)eNprochen.
32 W. H. Holmes, Reji. on the (leol. of the NW. Portion of the Elk Ranj^e;
Hayden, Ann. Rep. for 187J, 8", 1876, p. 5«> u. folg.
Sucss, r).is Antlitz «l»T K.rdi-. I5
2 20 Anmerkungen zu Th. I, Abschn. IV. Vulcane.
33 Endlich, On thc enipted Rocks of Colorado; Hayden, Ann. Rep. for 1876, 8°,
1878, p. 210—211.
34 Holmes a. ang. Orte, p. 68.
35 Lossen, Geol. und petrogr. Bcitr., S. 4, 21, 43.
36 Th. Kjerulf, Die Geol. des südl. und mittl. Norwegen (deutsch von A. Gurlt),
8", 1880, insbes. S. 73 und S. 242, Fig. 195; E. Reyer, Vier Ausflüge in die Eruptiv-
massen bei Christiania, Jahrb. geol. Reichsanst. 1880, XXX, S. 27 — 42.
37 H. Rosen busch, Die Steiger Schiefer und ihre Contactzone an den Granititcn
von Rarr-Andlau und Hochwald; Abhandl. zur geol. Specialkarte von Elsass-Lothringen,
Bd. I, Heft n, 1877.
38 J. Stäche und C. v. John, Geol. und petrogr. Beitr. zur Kenntniss der älteren
Eruptiv- und Massengesteine der Mittel- und Ostalpen; Jahrb. geol. Reichsanst 1877,
XXVn, S. 143—242, und 1879, XXIX, S. 317—404, Taf. Ebenso haben Teller und
John in neuester Zeit zwischen der Granitmasse von Brixen und der grossen permischen
Porphyrdecke von Bozen das merkwürdige, vorherrschend durch Diorit gebildete Eruptiv-
gebiet von Klausen genauer kennen gelehrt; ebendas. XXXII, 1882, S. 589 — 684, und Taf.
39 F. Baron Richthofe n, The Natural System of Volcanic Rocks, Mem. Cali-
fornia Acad. Sc. 1868, vol. I, p. 39— 133, insbes. p. Cy; J. G. H. Godfrcy, Notes on thc
Geol. of Japan, Quart. Journ. Geol. Soc. 1878, XXXIV, p. 542.
40 Du t ton. High Plateaus, p. 116, 128 u, a. and. Ort.
4» Scrope, Volcanoes, p. 273; Darwin, Geol. Observ., 2'^ ed., p. 12; Hcaphy,
Quart. Journ. 1860, XVI, p. 245.
42 Judd a. ang. Orte, Quart. Journ. 1874, p. 256; Mojsisovics, Dolomitriffe,
S. 377, 378; Reyer, Eugan., S. 75—78.
FÜNFTER ABSCHNITT.
Verschiedenartigkeit der Bewegungen.
Versuche einer Kintheilunjj der Krdbeben. — Dislocations- und vulcanische Beben. —
Blattbeben. — Wechselbebon. — Senkungsbeben. — Der Aetna 1780 und 1874 bis i883. —
Verschiedenartij^kcit vulcanischcr Beben. — Die Denudationsreihe.
eine strengere Prüfung lehrt, dass bis zu dem heutigen Tage
eine mes.sbare Ortsveränderung irgend eines Stückes des Fels-
gerü.stes der Erde gegen ein anderes, sei es in Form einer Er-
hebung oder vSenkung oder Verschiebung fe.ster Gebirg.stheile,
nicht mit voller Beweiskraft festgestellt ist. Zwei hervorragende
Fälle, die Bildung des Ullah-bund im Ran of Kachh und die an-
gebliche wiederholte P>hebung der Westküste wSüdamerika's,
welche häufig als Beispiele für solche Veränderungen angeführt
worden sind, wurden bereits besprochen und andere werden an
späterer Stelle ähnliche Ergebnisse liefern. Aber wenn auch that-
sächliche Bewegung vor un.seren Augen nicht erwiesen worden
ist, lehren doch die zahlreichen üislocationen, dass solche Bewe-
gung oft und in grösstem Maassstabe sich ereignet hat, und zeigen
die häufigen Erderschütterungen, dass diese Vorgänge nicht be-
endet sind.
Die Mannigfaltigkeit der Erderschütterungen ist eine sehr
erosse, die Ersch(;inunt/ selbst ihrem Wesen nach schwer in scharfer
Beobachtungsmethode zu erfassen, und die Zahl der planmäs.sig
durchgt^führten Arbeiten überhaupt bis heute eine gar geringe.
Bei der Picurtheilung des W(*S(mis der lu'dbeben wird dah(T ein
ganz bos(Mld(M•(^s Maass von Zurückhaltung zur Pflicht.
'5*
228 Eintheilung der Beben.
In den letzten Jahren sind Classificationen der Erdbeben nach
ihrer Entstehungsursache zu wiederholten Malen versucht worden.
R. Hoernes unterscheidet Einsturzbeben, vulcanische Beben
und tektonische Beben.* Toula schliesst sich diesem Vorschlage
an und schlägt vor, die letzteren Dislocations- oder Structur-
beben zu nennen.^ Lasaulx trennt zuerst vulcanische und nicht-
vulcanische Beben und dann unter den letzteren Einsturz- und
Spaltenbeben. Als eine Nebenerscheinung nennt noch Lasaulx die
Gruppe der Relaisbeben, nämlich secundäre Erschütterungen,
welche ausserhalb des engeren Erschütterungskreises eines Erd-
stosses durch diesen auf anderem Gebiete angeregt werden.^
Dies sind die ersten, gleichsam tastenden Versuche, um die
vielgestaltige Menge von Erscheinungen zu theilen und womög-
lich näher zu erfassen. Als wesentlich erscheint mir in denselben
das richtige Bestreben, solche Erderschütterungen, welche wahre
Ortsveränderungen einzelner Theile der Lithosphäre begleiten
oder vorbereiten, mag man sie nun tektonische Beben oder Dis-
locationsbeben nennen, von allen anderen Beben abzuscheiden.
Vorausgesetzt nun, was gerne zugegeben werden mag, dass
keine Dislocation ohne Erdbeben gebildet wird, muss es ebenso
viele Arten von Dislocationsbeben geben, als es Gruppen von
Dislocationen gibt, und dieselben Grundsätze der Eintheilung
müssen auch hier Geltung erlangen. Hienach hätten wir wenigstens
in jenen typischen Fällen, in welchen die Zerlegung der telluri-
schen Spannungen eine vollständigere ist, zwei Hauptgruppen zu
unterscheiden, nämlich Erdbeben, welche aus tangentialen Span-
nungen, und solche, welche aus Senkung hervorgehen.
Alle jene Erdbeben, welche aus dem nördlichen Theile der
Ostalpen angeführt worden sind, sowie das Erdbeben von Sillein
am 15. Januar 1858 in dem benachbarten Theile der Karpathen,
zeigen in übereinstimmender Weise eine quer auf das Streichen
des Gebirges gerichtete Axe. Die erregte Bewegung, welche in
vielen Fällen ihr Maximum knapp an dem Aussenrande des Ge-
birges hat, pflanzt sich stets geradlinig weit in die gegenüber-
liegende böhmische Masse, und zwar nicht selten bis Prag oder
Leitmeritz fort; sie kann sogar Meissen in Sachsen erreichen.
Dies gilt von allen seit dem Jahre 1590 eingetretenen Stössen
Blatt- und Wechselbeben.
229
auf der Kamplinie und ebenso von dem Erdbeben von Scheibbs
vom 1 1. Juli 1876. Die Analogie der Stosslinien mit jener Gruppe
von Dislocationen, welche wir Blätter nennen, und Bittner's Be-
merkung über dqn genauen Parallelismus der Blätter und der
Kamplinie sind schon angeführt worden. Alle diese Beben sind
demnach als Blattbeben anzusehen.
Von dem analogen Erdbeben von Belluno vom 29. Juni 1873
soll an späterer Stelle gesprochen werden.
Wenn das belgische Erdbeben vom 2;^. Februar 1828, welches
durch grosse Ausdehnung bei massiger Intensität und durch ge-
naues Verfolgen des Streichens des Kohlengebirges ausgezeichnet
war, in der That, wie Lasaulx vermuthet, von der Faille du midi
(S. 1 86, Fig. 1 7) ausging, so dürfte es als ein Beispiel eines Wechsel-
oder Vorschubbebens angesehen werden.*
Im Allgemeinen dürften sich die Schüttergebiete von Wechsel-
beben an der Oberfläche weniger scharf abgrenzen als Blattbeben,
deren radial aus dem Gebirge hervortretende Stossrichtung be-
zeichnend ist.
Es ist wahrscheinlich, dass die grösste Anzahl der Beben in
der nördlichen Hälfte der Alpen aus tangentialen Bewegungen
hervorgehe. Solche Beben scheinen, wie schon gesagt worden
ist, nur äusserst selten von vulcanischen Ausbrüchen begleitet
zu sein. —
Bei der Besprechung der zweiten Gruppe von Dislocationen
wurde bemerkt, dass die zweite aus der Contraction des Erd-
körpers hervorgehende Componente, der Zug nach abwärts, in
der Beschaffenheit der Gebirgsstörungen nicht sichtbar wird, son-
dern dass die in diese Gruppe eingereihten Dislocationen sich
lediglich als Aeusserungen der Schwerkraft darstellen und den
Eindruck hervorbringen, als seien Theile der Erdrinde durch eigene
Schwere hinabgestürzt in unter ihnen vorhandene Hohlräume, oder
als sinke die Oberfläche auf weichender Unterlage.
Hier nun stehen die meisten Fragen offen, denn es führt uns
diese Reihe von Erscheinungen, namentlich das Einsinken grosser
Erdstücke, zurück zu der noch so wenig umgrenzten und doch so
vielfach begründeten Meinung von der Bildung grosser und flacher
Hohlräume in der Tiefe des Erdkörpers, welche Dutton Maculae
230 Senkungsbeben.
nennt, und gerade hier, gerade in diesen Senkungsfeldern, treten
auf den Dislocationsbrüchen und mit den Erderschütterungen die
meisten vulcanischen Ausbrüche hervor. Hier nun entsteht die
Frage, wo die Grenze zwischen Dislocationsbeben und vulcani-
schen Beben zu ziehen sei, eine Frage, welche im abstracten
Sinne sehr leicht zu lösen ist, indem man die explosiven Erschei-
nungen als bezeichnend für die vulcanischen Beben festhält. In der
Natur aber zieht sich diese Grenze nicht so leicht; der Vorgang
der Eruption zerfällt in eine Reihe von Abschnitten, in welchen
die Bewegungen einander nicht gleichen, und es erscheinen Beben
auf einer längeren Linie, welche man leicht für Dislocationsbeben
halten möchte, die aber doch nur eine Phase des Ausbruches be-
zeichnen.
Das grosse calabrische Beben von 1783, welches auf einer
peripherischen Randlinie die Stosspunkte hin und her treten Hess,
ist ein Dislocationsbeben und mag als ein peripherisches
Senkungsbeben bezeichnet werden, zum Unterschiede von den
radialen Beben desselben Gebietes. Wo sich die radialen Linien
durchschneiden, wie unter den Liparen, mag man auch von cen-
tralen Senkungsbeben sprechen. Eis mögen auch verschiedene
Schollen eines Senkungsfeldes gleichzeitig, doch in verschiedenem
Sinne erbeben. In allen Fällen bleibt die Eruption der Vulcane bei
den Dislocationsbeben eine secundäre Erscheinung.
Viel schwerer ist es, diese Bezeichnungen auf das mittel-
amerikanische Festland anzuwenden. Denn wenn auch die Senkung
der pacifischen Region deutlich genug hervortritt und eine un-
verkennbare vulcanische Hauptzone vorhanden ist, unterscheidet
sich dieses Gebiet doch wesentlich von Süditalien durch das ste-
tige und, abgesehen von dem nordwestlichsten Ende, allgemeine
Vorrücken der vulcanischen Thätigkeit auf Querlinien gegen die
Senkung hin, während in dem engeren, mehr tellerförmigen süd-
italienischen Senkungsfelde die Erscheinungen auf den Radialen
nicht so regelmässig sind.
Um nun die Verschiedenheit der Vorgänge auf italienischem
Gebiete und den Charakter von Vorgängen auf einer solchen
Radiallinie näher zu zeigen, wollen wir einen Blick auf jene Linie
werfen, welche von Vulcano in den Aetna, nach Paternö und
Vulcano — Aetna — Mineo. 2 3 I
Mineo, also etwa von Nordnordost gegen Südsüdwest durch den
Aetna läuft.
Dem calabrischen Erdbeben von 1783 war durch einige Zeit
Unruhe auf dieser Linie vorangegangen.
Nachdem der Berg durch vierzehn Jahre geruht hatte, traten
in der ersten Hälfte des Jahres 1780 wiederholte Ausbrüche des
Aetna ein; am 18. Mai erfolgten besonders heftige locale Stösse
an der Küste zwischen Taormina und Messina, welche mit Explo-
sionen verglichen wurden; im Monate Juni brach unter furcht-
barem Getöse Vulcano los; am 14. September wurde Patti, an
der Nordküste zwischen Vulcano und dem Aetna liegend,, von
einem heftigen Erdstosse getroffen; am i3. Februar 1781 war
Erdbeben in Messina; am 4. Mai, als der Aetna noch in Thätig-
keit war, erfolgte ein Stoss von Nord gegen Süd, von Vulcano
über Patti gegen den Aetna. Später, am 5. Februar i 783, begann
das grosse calabrische Erdbeben.
Diese selbe Linie ist seit dem Jahre 1873 in Thätigkeit.
Ueber die Vorgänge auf Vulcano besitzen wir Berichte von Mer-
calli und Picone; jene auf dem Aetna und in Sicilien sind auf das
Eingehendste von Or. Silvestri untersucht worden.*^
Seit dem Jahre 1 780 war Vulcano in Ruhe geblieben, bis er im
Monate Juli 1873 begann, mehr und mehr Dampf auszustossen. Am
7. September stieg eine hohe Rauchsäule empor und nun folgten
bis zum 20. October rhvthmische, strombolische Ausbrüche und
bildeten sich vier grosse Oeffnungen im nördlichen Theile des
Kraters. Etwa bis zur Mitte des folgenden Jahres 1874 blieb Vul-
cano in massiger Thätigkeit.
Am 29. August 1874 brach Aetna los. Der Gipfel des Berges
war vom Cratere elliptico gegen Nordnordost auf eine Länge von
5 Km. gespalten. Eine mächtige Rauchsäule trat hervor; Asche
und Schlacken wurden ausgeworfen; durch sieben Stunden ver-
nahm man, wie Silvestri sagt, das eigenthümliche Gebrüll, welches
sich bei dem F;mpor([uellen der Lava vernehmen lässt. Da be-
gannen ganz unerwarteter Weise die Anzeichen des nahenden
Ausbruches abzunehmen, und am folgenden Tage, den 30. August,
schien dieser Paroxysmus beendet. Nun folgten durch längere Zeit
heftige Erderschütterungen an dem nördlichen Fusse des Berges.
232 Vulcano — Aetna — Mineo.
Wir gelangen zu einer nächsten Phase. Diese begann am
4. October 1878 mit einem heftigen Erdbeben zu Mineo, am süd-
lichsten Ende der Radiallinie. Weitere Stösse folgten; in den
ersten Tagen des Monats December traten an den Schlamm-
vulcanen zu Paternö, welches in gerader Linie zwischen Mineo
und dem Gipfel des Aetna liegt, Ausbrüche von Gas und Schlamm
auf, welche lange andauerten. Vulcano, der seit 1873 nicht ganz
zur Ruhe gekommen war, steigerte vom 6. Januar 1879 an seine
Thätigkeit. Am 26. Mai wurden wiederholte Erdstösse am süd-
lichen Fusse des Aetna verspürt, und gegen den Abend sah man
auf der Höhe des Berges sowohl von SSW. als von NNO. schwarze
Rauchsäulen aufsteigen, während sich aus dem Hauptkrater weis-
ser Dampf erhob. Die ganze Hochregion des Berges hatte sich in
der Richtung der Radiallinie von SSW. gegen NNO., mit leichter
S-förmiger Krümmung die Spalte von 1874 wieder eröffnend, auf
io Km. Länge mitten durch den Hauptkrater gespalten. Silvcstri
hat die Einzelnheiten des Ausbruches mit bewundernswerthem
Muth und Scharfsinn verfolgt.
Am 6. bis 7. Juni konnte dieser Ausbruch als beendet an-
gesehen werden; daneben, ganz ausserhalb des Gebietes dieser
Vorgänge, tief unten an dem östlichen Fusse des Berges, in der
Nähe der Vorlagen des Val del Bove gegen das Meer, hatte sich
am I . Juni ein leichter Erdstoss eingestellt. Während die Eruption
zu Ende war, hielten hier die Erdstösse an, bis am 17. Juni eine
äusserst heftige sussultorische Erschütterung diese scheinbar ab-
seits liegende Gegend traf. Personen auf freiem Felde erhielten
die Empfindung, als hätten sie einen Sprung gethan. Mehrere
Ortschaften wurden erheblich beschädigt. Die etwa 7 Km. lange
grössere Axe des Schüttergebietes war aus OSO. gegen den
Gipfel des Aetna gerichtet.^
Es steigerten sich die Ausbrüche zu Paternö; am 13. December
1879 war wieder heftiges Erdbeben im Süden bei Mineo.
Schon damals konnte Silvestri aus diesen Vorkommnissen
entnehmen, dass in der Tiefe des Erdkörpers eine Spalte vorhan-
den sein müsse, welche den Aetna von NNO. gegen SSW. durch-
setzt, und dass der nördlichste vorgeschobene Nebenkrater des
Aetna, bei dem Dorfe Mojo, dann der Hauptkrater, die Schlamm-
Aufquellen der Lava auf Mauna-Loa. ^33
ausbrüche bei Paterno und Mineo dem Verlaufe dieser Spalte ent-
sprechen. Seither ist eine weitere Bestätigung eingetreten, indem
am 2 2. März 1883, südlicher und tiefer als bisher, doch abermals
von SSW. gegen NNO., unter M. Concilio der Berg auf 5 Km.
Länge barst; doch ist auch dieses Mal die Menge herausgetretener
Lava nur eine sehr massige gewesen. Die Thätigkeit und Lage
von Vulcano aber lassen diese Spalte als eine Fortsetzung der
südlichen Radiallinie der Liparen erkennen. —
Diese Einzelheiten lassen nun die grosse Verschiedenheit
zwischen einem aus tangentialer Spannung hervorgegangenen
Dislocationsbeben, wie etwa einem nordalpinen Blattbeben, und
den Vorgängen auf der Radialkluft eines Senkungsfeldes ersehen.
Bei den neueren Ausbrüchen des Vesuv konnte man stets
einen ' längeren oder kürzeren Zeitraum der Vorbereitung er-
kennen. Silvestri betont ausdrücklich, dass am Aetna den letzten
grossen Ausbrüchen stets eine längere oder kürzere strombolische,
d. i. rhythmische Thätigkeit als Einleitung vorangegangen war.
Dies deutet an, dass es sich hier nicht um Bewegung grosser Erd-
schollen gegen einander handelt, sondern um die allmälige und
zeitweise Wiedereröffnung verschlackter Kanäle, welche auf den
Bruchspalten vorhanden sind.
Es sind aber an anderen Vulcanen Fälle von ruhigerem Auf-
quellen und Abfliessen von grossen Lavamengen beobachtet
worden, und ein merkwürdiges Beispiel dieser Art hat Dutton an
dem Mauna-Loa geschildert. Die Ausbrüche der Lava erfolgen
hier plötzlich aus Radialspalten; der glühende Strom springt
zuerst zu beträchtlicher Höhe auf und fliesst dann ab; einer
der drei Ströme von 1881 — 1882 erreichte die Länge von
80 Km., aber kein Erdbeben, keine gewaltige Erschütterung
des Berges, auch kein Hervorstossen von Wolken von Wasser-
dampf, auch nicht der Aufbau von Aschenkegeln wie auf Kilauea
begleitete die Naturerscheinung.^ Wenn wir also auch bei der
Meinung zu beharren haben, dass Dislocationen stets von Erd-
beben begleitet sind, gilt dies doch von Eruptionen nicht. Eine
nähere Vergleichung der Schilderung Silvestri's, namentlich auch
in Bezug auf das Verhalten der Schlammvulcane von Paterno,
mit den Angaben Dulton's bestätigt jedoch die Meinung, dass
234
e auf äiteren Emplivstocken
das Getöse des Ausbruches, die Zerstäubung der Gesteine und
selbst gewisse Erschütterungen hauptsächlich dem Wasserdampfe
zuzuschreiben sind.
Von besonderer Bedeutung aber scheinen mir die nach der
Eruption, zuweilen abseits eintretenden Beben, wie jene am öst-
lichen Kusse des Aetna im Monate Juni 1879, welche einer unter-
brochenen Eruption folgten.
Auf einer langen Linie, von Vulcano bis Mineo, bewegt sich
die Unruhe; nur an einer Stelle, an den Flanken des Aetna, hoch
über Vulcano und hoch über den übrigen erschütterten Gebieten,
tritt Lava hervor und erfolgen die Explosionen. Tief unten am
Fusse folgen aber auch Erdstösse nach dem Ende der Explosionen.
Alle Erschütterungen auf dieser langen Linie konnten als Vor-
bereitungen zum Ausbruche angesehen werden; für diese Krd-
stösse kann diese Auffassung nicht gelten.
Man kennt noch eine Gruppe zuweilen recht heftiger, zu-
weilen örtlich sehr scharf umgrenzter Beben, welche bald in der
Nähe thätiger Vulcane, wie am 18. Mai 1780 bei Ali unweit von
Taormina in Sicilien, oder am 4. März 1881 zu Casa Micciola
auf Ischia, bald von jüngeren erloschenen Vulcanen, wie in vielen
Fällen vom Albaner Gebirge oder vom Vultur, bald von alt er-
loschenen Eruptivstöcken wie am 21. Mai 1882 vom Kaiserstuhle
im Breisgau' ausgegangen sind, welche eine Anzahl gemeinschaft-
licher Merkmale besitzen, und von denen ich auch nicht zu ent-
scheiden wüsste, ob sie als Explosivstösse, alsNachsackungsbeben
oder wie sie überhaupt aufzufassen seien.
Weitere Beobachtung wird wohl auch hier den erwünschten
Aufschluss bringen. —
Es ist an einer früheren Stelle versucht worden, eine Denu-
dationsreihe der Vulcane zu ermitteln. Von den jüngsten Aschen-
kegeln der Gegenwart sind wir zu solchen gelangt, deren Gebälke
i-Inseln) und in deren Unterbau viel-
I4uren seitlichen Intrusionen sichtbar
P%rgleichung mit den grossen amerika-
r>* Mountains u. A,) einladen. An tieter
-igten sich innerhalb der decken-
.iltem Typus (Syenit, Quarzdlorit,
Schluss. 23 s
Granit) in der Tiefe des Schlotes (Hebriden, Südtirol); die Reste
der Decken verschwanden, der sichtbare Querschnitt der Aus-
bruchsstellen verlängerte sich, und es gewann die Linie der vulca-
nischen Spalte mehr und mehr Zusammenhang (Banat).
Diese Phase ist es, welche sich mit Silvestri's Beobachtungen
über die Vorgänge auf der grossen, den Aetna durchsetzenden
Spalte vergleichen lässt.
Die weitere Zerstörung der äusseren Hüllen des Planeten
entblösst nun die langgestreckten Narben und jene grossen, in
die Sedimente eingetretenen granitischen oder syenitischen Brode,
welche ihr Dach verändert haben, und führt uns zu den Spuren
einer Reihe grosser abyssischer Vorgänge. Mit diesen \^orgängen
scheint das Fehlen der radialen Comi)onente in den Dislocationen
unserer Gebirge, das passive Absinken grosser Schollen und aus-
gedehnter Tafeln in gewaltige Tiefen in irgendwelchem ursach-
lichen Zusammenhange zu stehen.
Die Aufgabe des nächsten Thciles ist es nun, das Gefüge
der wichtigsten Gebirgszüge der Krde nach dem heutigen Zu-
stande der Erfahrung zu überblicken, und dabei zu untersuchen,
bis zu welchem Grade in dem Antlitze des Planeten die räumliche
Zerlegung jener Spannungen Ausdruck findet, welche aus der
Verminderung seines Körperinhaltes hervorgehen.
Anmerkungen zu Abschnitt V: Verscliiedenarügkeit der
Bewegungen.
» K. Hocrnes, Krdbcbenstuilicn; Jahrb. gcol. Reichsanst. 1878, XXVIII, S. 387
und fülj(.
2 F. Toula, Uebcr den gegenwärtigen Stand der Erdbebenfrage, 8", Wien, 1881, S. 54.
3 A. V. La sau Ix, Die Erdbeben, in A. Kenngott, Handwörterbuch d. Mineral., Gcol.
und Paläontol., I, i883, S. 358—364.
4 Die Nachweisungen über dieses merkwürdige Beben hat Hoff vereinigt; Gesch. der
natürl. Veränderungen der Erdoberfläche, V, 1841, S. 286 — 293.
5 Or. Silvestri, Ueber die Eruption des Aetna am 29. August 1874, übers, von
G. V. Rath, Neues Jahrb. Mineral. 1875, S. 36, und dess.: Sulla doppia Eruzione c i Terre-
moti deir Etna nel 1879; 2» ed. ampliata del i« Rjipporto present. al R, Govcrno, 8",
Catania, 1879, 46 pp., tav.; dess.: Lettera all* ill, Prof. L. Palmieri im BoU. Vulc. ital.,
VII, 1880, p. 9 — 12 und 82, 86; ferner: Sulla Eruzione dell' Etna scopp. il di 22 Marzo
i883; Rapport© al R. Governo, 8^, Catania, i883; für Vulcano*s Verhalten um diese Zeit:
G. Mercalli, Contribuz. alla Geol. delle Isole Lipari, Atti d. Soc. Ital. di Sc. nat. Milano,
XXn, 1879, p. 367—380.
6 II movimento del suolo fu come una spinta cosi veemcnte, che la gente che cra
per le stradc e per le campagne ebbe la coscicnza di aver fatto in quel momento come
un salto da terra; Silvestri, Rapp., p. 39.
7 C. E. Dutton, Recent Exploration of the volc. Phenom. of the Hawaiian Islands;
Am. Journ. Science, i883, 3*1 ser., XXV, p. 222. Der ganze gewaltige Kegel des Mauna-
Loa ist nicht aus Asche, sondern aus blasiger Lava erbaut.
** A. Knop, Das Erdbeben im Kaiserstuhl im Breisgau am 21. Mai 1882; Beitr.
z. naturwiss. Chronik des Grossh. Baden, 1881 — 1882; aus den Verh. Karlsruh. naturwiss.
Vereines, i883, S. 1—6 und Tafel.
ZWEITER THEIL
DIE GEBIRGE DER ERDE.
ERSTER ABSCHNITT.
Das nördliche Vorland des Alpensystems.
Die russische Tafel. — Die Sudeten. — Das fränkisch -schwäbische Senkungsfeld. — Ries
und liöh^^au. — Die Horste. — (Juarzgänge in denselben. — Die zackigen Theile^der
Umrisse. — Su<lctisclie Spuren. — Beziehungen des Alpensystems zu seinem Vorlande.
Die Erschütterungen, welche von dem nördlichen Rande der
Alpen in die Granitberge der böhmischen Masse eindringen, setzen
dabei von einer Scholle der Erdrinde in eine andere über (S. 105,
Eig. 3). Die Verschiedenheit der Structur und der Schichtenfolge
in beiden Gebirgen ist in der That ausserordentlich gross. Der
einheitliche Bau des Aussenrandes der Alpen und der Karj^athen,
von der Schweiz durch Baiern, Oesterreich, Mähren, Schlesien
und Galizien ist ebenso unverkennbar, als die Mannigfaltigkeit in
dem Umrisse der nördlich vorliegenden Massen. Dennoch steht
der Verlauf des Umrisses des Alpensystems und seiner äusseren
Falten augenscheinlich in einer gewissen Abhängigkeit von diesem
nördlichen Vorlande.
Um den Bau des Alpensystems zu verstehen, ist es also noth-
wendig, auch dieses nördliche Vorland zu kennen, und wenn einer-
seits bisher zugestanden worden ist, dass der Umriss des Alpen-
systems von diesem Vorlande abhängig sei, bleibt andererseits
die Frage offen, ob nicht auch die Entstehung der Alpen einen
Einfluss auf die Structur des Vorlandes ausgeübt hat.
Das nördliche Vorland der Alpen zerfällt in drei von einander
sehr verschiedene Theile. Diese sind von Ost gegen West: die
russische Platte, die Sudeten und die mitteleuropäi.schen Gobirgs-
kerne. Unter der letzteriMi Bezeichnung^ fasse ich hier der Kürze
240 Die russische Tafel.
halber die böhmische Masse und alles westlich davon in dem Vor-
lande der Alpen auftretende alte Gebirge zusammen, also den
Schwarzwald, die Vogesen, die kleine Masse bei Dole, das fran-
zösische Centralplateau und die iberische Meseta.
A. Die russische Tafel.
Das fremdartigste Stück des Vorlandes ist die russische
Tafel. Um einen Ausgangspunkt für ihre Beschreibung zu finden,
muss man weit nach Norden gehen. Schlagen wir Grewingk's
Karte der Ostsee-Provinzen auf. Granit und Gneiss bilden den
Boden in Finnland und das nördliche Ufer des finnischen Meer-
busens. Am südlichen Ufer treten die tieferen Abtheilungen der
Silurformation in ganz flacher Lagerung hervor; höhere Abthei-
lungen folgen südwärts, und sie umfassen noch den nördlichen
Theil des Peipus-Sees und gegen West die Insel Oesel. Dann
folgt in gleicher, fast horizontaler Lagerung der rothe Sandstein
der devonischen Formation; er reicht bis zum südlichen Ende des
Peipus und bildet fast ringsum das Ufer des Riga'schen Meer-
busens. Noch weiter südwärts lagern dann die mittleren und
höheren Theile des Devon, über weite Flächen ausgebreitet, und
gegen das nordwestliche Kowno hin greift endlich Zechstein und
die Jura-Ablagerung von Popilany über die flachen Tafeln der
silurischen und devonischen Schichten.*
Den östlichen Karpathen steht kein Gebirgsabhang entgegen,
wie etwa der Rand des böhmischen Plateaus; weit breiten sich die
Ebenen aus, welche aus Löss, aus verschiedenen Ablagerungen
der jüngeren Tertiärzeit und der mittleren und oberen Kreide zu-
sammengesetzt sind. Der Lauf des Dniestr und seiner Neben-
flüsse aber lässt unter dieser Decke die Fortsetzung der paläo-
zoischen Platten wiedererkennen, welche wir eben hoch im Norden
erwähnt haben. Die rothen Sandsteinmassen des Devon, die merk-
würdigen Fischreste, die Meeresconchylien im Silur und dabei
dieselbe flache Lagerung haben längst schon die Uebereinstim-
mung mit der grossen russischen Tafel ausser Zweifel gesetzt.
Sie sind niemals gefaltet und neigen sich nur wenig gegen Süd-
west. Malinski und Barbot de Marny haben in neuerer Zeit die
Südliche Ausbreitung der Tafel. ^ 4 ^
Fortsetzung dieser Vorkommnisse in den angrenzenden Theilen
des südwestlichen Russland verfolgt, und Alth hat alle älteren und
neueren Beobachtungen in Oesterreich und Russland zu einem
sehr lehrreichen Gesammtbilde vereinigt.' An dieses schliessen
sich ergänzend die Arbeiten von PauP und die paläontologischen
Bemerkungen von F. Schmidt/ Endlich hat Alth selbst seither
die merkwürdige Thatsache festgestellt, dass sich gegen West
zwischen den rothen Sandstein und das Cenoman noch eine ober-
jurassische Kalkbildung, eine Transgression von westlichem Cha-
rakter einschaltet.^
Die Entblössungen des alten Gebirges sind allerdings auf
die Flussthäler beschränkt, aber die Vereinigung der Beobach-
tungen lässt nichtsdestoweniger die Hauptumrisse der Verbreitung
erkennen. Die Granitplatte, welche am Bug weithin sichtbar wird
und sich in das Gouvernement Cherson fortsetzt, bildet die Unter-
lage ; sie ist am Dniestr etwa bis Jampol unterhalb Mohilew zu
sehen, und die äusserste Linie von Granitvorkommnissen dürfte sich
von hier nordwestlich gegen Proskurow am obern Bug und dann
nordnordöstlich gegen Nowogrod -Wolynsk in Volhynien er-
strecken. Westlich von dieser Linie trifft man in fast horizontaler
Lagerung die paläozoischen Schichten, und zwar werden gegen
West immer jüngere Abtheilungen sichtbar.^ Bei Jampol liegt
Sandstein als tiefstes Glied des Silur auf dem Granit ; dann folgen
höhere Glieder bei Mohilew, Kameniec-Podolski, an der österreichi-
schen Grenze nordwärts bis Tarnaruda und innerhalb derselben
am Dniestr bis oberhalb Zalescyki. An den Nebenflüssen des
Dniestr, welche alle aus dem Norden kommen, hängt ihre Ent-
blössung von dem Maasse der Auswaschung ab. Den höchsten
Abtheilungen des wSilur folgt gegen West der rothe devonische
Sandstein ; er ist am Dniestr bis über Nieznow hinauf, ferner
an der Zlota lipa und im Thale des Sered bis 8 Km. unter Tar-
nopol sichtbar; dann verschwindet er unter viel jüngeren Ablage-
rungen. —
So liegt also im östlichen Galizien unter der Ebene ein Theil
jener merkwürdigen Scholle, welche vom südlichen Schweden
durch das nördliche und mittlere Russland her und weit nach
Osten hin seit den ältesten Zeiten ihre flache Lagerung bewahrt
Supss, Das Antlitz drr l"".ril«'. I(^
242 Versinken der russischen Tafel.
hat, und sie lässt auch hier, im Flussbette des Dniestr, eine wesent-
liche Beirrung ihrer Schichtenlage nicht erkennen.
Zwischen dem Dniestr bei Zalescyki und dem aus gefalteten
Neocomschichten zusammengesetzten Aussenrande der Kar-
pathen befindet sich noch ein beträchtlicher Fluss, der Pruth, aber
sein Thal, welches beiläufig zur selben Meereshöhe ausgewaschen
ist wie jenes des Dniestr, lässt nur tertiären Sand und Thon sicht-
bar werden.
Vergebens sucht man die Fortsetzung der paläozoischen
Schichten; nicht einmal die Kreide ist sichtbar.
Alth vermuthet, es müsse am Ostrande der Karpathen ein
grosser Einsturz erfolgt sein, durch welchen ein mehrere Meilen
breiter Abgrund gebildet wurde, welchen später die tertiären Ab-
sätze ausfüllten.7 Paul meinte sogar, es könne die Frage nicht un-
bedingt ausgeschlossen bleiben, ob, nicht in den krystallinischen
Schiefergesteinen der Karpathen metamorphosirte Aequivalente
der podolischen Silurablagerungen zu suchen seien. ^
Wie dem auch sei, so viel ist sicher, dass diese ganze Serie
von mächtigen und gegen Nord und Nordwest so weit verbreiteten
Ablagerungen hier plötzlich dem Auge entzogen wird. In der
geographischen Breite der böhmischen Silurmulde und noch süd-
licher als diese kann man am Dniestr Eurypterus Fischeri, Illae-
nus Barriensis, Phacops Downingiae und andere bezeichnende Fos-
silien des Nordens sammeln. Noch auffallender ist das Auftreten
des alten rothen Sandsteins. Mehr als 30 Breitegrade gegen Nord
kann man ihn verfolgen, seitdem kürzlich seine Aequivalente von
Nathorst auf Spitzbergen nachgewiesen wurden.^ Von Spitzbergen
findet der alte rothe Sandstein seine Fortsetzung über die Orkney's
nach Schottland und bis nach Wales. Einzelne alte Sandstein-
schollen in Norwegen scheinen hieher zu gehören. Die südlichsten
Strecken sind jene im Angesichte der Karpathen, und von hier
haben wir uns wieder weit nordwärts zu wenden, um die Fort-
setzung der scandinavischen Vorkommnisse am Riga'schen Meer-
busen zu treffen. Von hier aber zieht die weitere Fortsetzuncr
östlich und nordöstlich gegen das weisse Meer, als sollte die scan-
dinavisch-finnische Masse rings von einem grossen Gürtel des
alten rothen Sandsteins umgeben sein.'° —
Die Sudeten. 243
Geht man von dem Rande der Karpathen bei Kutty gegen
Nordnordost, so erreicht man in etwa 34*5 Km. die Mitte des
Pruththales oberhalb Sniatyn und nach weiteren 25 Km. die pa-
läozoischen Ablagerungen bei Zalescyki. Innerhalb dieser 25 Km.
muss dieser ohnehin stellenweise, wenn auch nur flach gegen Süd-
west geneigte Theil der russischen Platte durch diese flache Nei-
r
gung, durch Beugung oder durch Bruch so tief gesenkt sein, dass
er im Thale des Pruth nicht mehr sichtbar ist, und die Senkung
muss wohl auch noch weiter gegen die Karpathen hin und unter
dieselben sich fortsetzen.
Alle Umstände führen zu der Vermuthung, dass ein Theil
der russischen Tafel von den karpathischen Faltungen,
überwältigt worden ist.
B. Die Sudeten.
Die flach gelagerten Glieder der russischen Tafel verschwin-
den gegen West unter der Ebene ; es ist nicht sicher, ob sie unter
der jungen Ueberdeckung den Bug überschreiten, aber es ist
sicher, dass sie den Sanfluss nicht erreichen.
Schon ziemlich weit östlich von diesem Flusse, in der Nähe
des Ortes Lubaczow, hat Hilber an zwei Stellen das Herauftauchen
steil aufgerichteter Schichten von grauem Schieferthon wahrge-
nommen."
Im südlichen Radom, bei Sandomir, Kielce und Chienciny
erhebt sich ein kleines selbständiges Gebirge, welches wir mit
Pusch das Sandomirer Gebirge nennen wollen. Es besteht, wie
F. Roemer und Hempel gezeigt haben, aus einer Anzahl öst-
lich oder ostsüdöstlich streichender Falten und tritt nach Tietze's
Beobachtungen auch auf österreichischem Gebiete, bei Gorzyce,
hervor." Die ganze Reihe der Trias und ein Theil der Jura-
formation sind vorhanden und haben an den Faltungen theil-
genommen. Das tiefste Glied ist, nach Zeuschner silurischer
Graptolithenschiefer, denn die mächtigen Quarzite, welche an
den Sätteln des Gebirges hervorragen, dürften schon dem
Unterdevon zufallen, j^uch eine reiche mitteldevonische Fauna
hat derselbe hier angetroffen, welche dem Eiflerkalk entspricht,'^
16*
244 Sandomirer Gebirge.
I
und F. Roemer hat noch eine oberdevonische Fauna nachge-
wiesen, welche mit dem Goniatitenschiefer von Büdesheim und
dem Nassau'schen Cypridinenschiefer übereinstimmt.'^ Die Car-
bonformation scheint gar nicht vertreten zu sein; Zechstein mit
Productus horridus folgt auf Devon, dann Triasbildungen.
Das ist nicht mehr die Schichtfolge und die Structur der rus-
sischen Tafel, und wenn auch weit im Norden in den Domanikschie-
fern ein Aequivalent der Büdesheimer Goniatitenschiefer bestehen
und im Ural noch Devonkalk mit Stringocephalus Burtini vor-
kommen mag, stimmt doch was aus dem Sandomirer Gebirge be-
kannt ist, so sehr mit allen westlichen Vorkommnissen bis zu den
Sudeten überein, dass wir eine Grenzlinie östlich vom Sanflusse
suchen müssen.
In der That taucht nun aus dem weit gegen West sich
erstreckenden Lande da und dort altes Schichtgebirge hervor;
so Mitteldevon und Kohlenkalk bei Debnik nördlich von Krzezo-
wice, Stringocephalen-Kalkstein bei Siewersz und devonischer
Schiefer bei Tost, nördlich von Gleiwitz, bis endlich jenseits
der oberschlesischen Kohlenfelder die Abhänge der Sudeten er-
reicht sind.
Nur der südliche Theil der Sudeten wird uns beschäf-
tigen. Ich müsste weit über den Rahmen dieser Schrift hinaus-
gehen, wenn ich die zahlreichen verdienten Forscher aufzählen
wollte, welchen die Kenntniss von dem Baue dieses Gebirgszuges
zu verdanken ist. Für das österreichische Gebiet nenne ich nur
H. Wolf und D. Stur,'^ für den Rand der Karpathen und das Ge-
biet von Krakau Hohenegger und Fallaux,'^ für Oberschleslcn
und die benachbarten Theile Polens F. Roemer.''
Der südliche Theil der Sudeten hat ganz monoklinale Struc-
tur, und von den höchsten Kuppen gegen Ost herabsteigend be-
gegnet man im Allgemeinen bis weit in die polnische Ebene hinaus
immer jüngeren Schichten. Die ältesten Abtheilungen dieser Serie,
welche am höchsten ansteigen, Jiaben im Allgemeinen auch die steilste
Lagerung; die zunächstfolgenden Glieder, bis zu den Kohlenflötzen
hinab, zeigen oftmalige untergeordnete Falten und Knickun<:jen,
durch welche ihre ohnehin beträchtliche Mächtigkeit scheinbar
noch vergrössert wird. Die jüngeren Glieder lagern in der Plbene
Sudetische Transgressionen. 24^
flach, während es weiter im Norden nicht an Anzeichen fehlt, dass
noch nach der Kreidezeit grosse Faltungen eintraten.
Eine nähere Prüfung dieser grossen ostwärts geneigten Serie
zeigt aber, dass sie nicht vollständig ist; mehrere Glieder, wie
Lias, Neocom, Gault, Eocän, fehlen derselben ; jeder Lücke ist
eine Transgression gefolgt, welche auf einer weithin abgewasche-
nen Fläche der älteren Bildungen stattfand, und da diese älteren
Bildungen der Abrasion nicht horizontale Flächen boten, liegt
z. B. bunter Sandstein da auf Culmschiefer und dort, unweit da-
von, auf carbonischem flötzreichen Gebirge u. s. w. Es sind aber
offenbar sehr gleichförmige und einander ähnliche Bewegungen
gewesen, welche zu wiederholten Malen Abrasion und Transgres-
sion veranlasst haben.
Der Ostabhang des Gebirges selbst, von der Höhe bis herab
zu der Ebene des flötzreichen Gebirges, besteht in einer Breite
von mehreren Meilen aus Devon und Culm. Auf den muthmasslich
archäischen Felsarten liegt hier unterdevonischer Quarzit mit
Homalonotus crassicauda, Grammysia Hamiltonensis und Spirifer
macropterus. Diese Zone streicht in der Gegend von Zuckmantel
und Würbenthai etwa von Nord gegen Süd und wendet sich dann
gegen Südsüdwest. In dieser Richtung erstreckt sich das unter-
devonische Gebirge noch sehr weit fort und erreicht sogar bei
Petrowitz, östlich von Raitz (nördlich von Brunn), jene Narbe, d. i.
jenen grossen, hier durch einen Syenitzug ausgezeichneten Haupt-
bruch, welcher die Sudeten scharf von der böhmischen Masse
scheidet.
Die nächste Zone gegen Ost ist von mitteldevonischem Alter.
Von Bennisch bis Sternberg herab ist dieselbe durch das Vor-
kommen eines Zuges von Eisensteinen, dann durch Schalsteine,
Diabas-Mandelsteine und untergeordnete Kalklagen ausgezeich-
net. Phacops latifrons bezeichnet das Alter. Weiter im Süden
besteht diese Zone nur* aus Kalkstein und sie erreicht ebenfalls
nördlich von Brunn, und zwar in beträchtlicher Breite, den Syenit.'^
Nun folgt die breiteste dieser Zonen, der Culm mit den
Dachschieferbrüchen. Stur hat innerhalb dieser Zone, deren Fels-
arten sehr mannio^faltli^ sind, drei Horizonte unterschieden. Posi-
donomya Becheri und Archaeocalamites radiatus sind die wich-
Die schlesischen Kohlenflotze.
247
parallel streichende Zone, wie Devon und Culm, sondern es schiebt
sich im Norden, wie F. Roemer ausführlich gezeigt hat, im weiten
Bogen eine Reihe von Culmvorkommnissen vor, von dem vor-
springenden Theile der Hauptmasse bei Hultschin über Katscher,
östlich von Leobschütz, nördlich von Kosel gegen Tost, und diese
Linie, in Verbindung mit dem Auftreten von devonischem Kalk-
stein bei Siewerz und von Devon und Kohlenkalk nördlich von
Krzezowice, umgrenzt den Raum, innerhalb dessen Kohlenflötze
bekannt sind.*-'
Fijf. 25. Das Vorland der Ontkarpathen
( hauptsächlich auf Grund der
Arbeiten von V. v. Hauer
und Althj. Diu crctacischc
Transgrcssion, die miocancn
und jüngeren ])ildun>:^cn sind
entfernt.
Tamop4tl_ -— :i_-rJj _ --T" _"!_■
.?£^
~ jLi~_z:" -~ -CKoarm- SiX^—j2 ~
(zcrnoruitz
Arch '.- Archaische Felsarten.
Sit — Silur.
RS — Alter rother Sandstein.
Man bemerkt, dass dieser Bogen gegen Wes^, Nord und Ost
geschlossen, gegen die Karpathen hin aber offen ist. Bergdirector
Jicinsky hat es versucht, auf Grund der Erfahrungen des Berg-
baues den Zusammenhang der Hauptflötze in dem gesammten
Revier zu ermitteln und ist ebenfalls zu einer Reihe von grossen
Bogen gelangt, welche unter der Triasformation sich fortsetzen
und gegen die Karpathen geöffnet sind."°
Diese Lage der Dinge ist für mich der Beweis, dass das
schlesische KohlcMigebirge thatsächlich unter die Kar-
pathen sich fortsetzt.
2.i8 Kohlenflotze und Rand der Karpathen.
Hochstetter hat diese Vermuthung schon seit langer Zeit
ausgesprochen ;" ich selbst habe sie immer getheilt ;" Stur ist bei
seinen Betrachtungen von dieser Voraussetzung ausgegangen ; ""^
Jicinsky hat die muthmassliche Fortsetzung der Klotze unter die
Karpathen schon durch Punktreihen angedeutet und in diesem
Sinne ein ideales Profil entworfen. Da jedoch dieses Kohlen-
gebirge concordant auf dem Devon und dem Culm der Sudeten
lagert und die Verschiedenheit der Oberflächengestaltung nur der
grösseren Zerstörbarkeit des Steinkohlengebirges zuzuschreiben
ist, muss man dasselbe als einen normalen Bestandtheil der Sudeten
selbst ansehen, und es folgt hieraus, dass die Faltungen der Kar-
pathen sich wohl an den aufgerichteten Schiefer- und Sandstein-
massen der Culmzone gestaut haben, aber über die niedrige Fläche
der flötzreichen Region hinübergetreten sind, und dass in der That
ein Stück der Sudeten unter den Karpathen liegt.
Man hat denn auch, z. B. bei Schönhof, mit Erfolg Schür-
fungen bis knapp an den Rand der Flyschzone der Karpathen
ausgeführt, und sogar in der Nähe von Hustopec, nördlich von der
Berührungsstelle von Culm und Flysch bei Weisskirchen, noch
auf Kohle gebohrt. Dort traf man in der That auf ein Flötz, von
welchem es sich jedoch bei weiterer Ausrichtung zeigte, dass es
nur in einen sehr grossen, losen Block von zertrümmertem Stein-
kohlengebirge eingeschlossen sei. Im Allgemeinen sind merk-
würdiger Weise die Störungen und Knickungen der Flötze, so-
weit die heutigen Aufschlüsse beurtheilen lassen, gegen die Sudeten
hin steiler und. heftiger als gegen die Karpathen.
Trotz der grossen, auf österreichischem Gebiete auf mehrere
tausend Fuss geschätzten Mächtigkeit der flötzreichen Ablagerun-
gen, glaube ich dennoch nicht, dass sie in einer dem heutigen Um-
risse entsprechenden Mulde abgelagert worden seien, sondern
halte sie nur für Reste einer viel weiter ausgedehnten Ab-
lagerung, welche in einer weiten Mulde bewahrt worden sind von
jener grossen vortriadischen Abrasion, welche alles Land bei dem
Vordringen des bunten Sandsteines ebnete, den Culmsattel bei
Tost hervortreten Hess und die permischen Ablagerungen,
von welchen nur vereinzelte Spuren sichtbar geblieben sind,
zerstörte. —
Sudetische Aussenzonen. 2 49
Ueber diesen paläozoischen Ablagerungen der Sudeten liegt
nun mit sehr flach gegen Ost oder Nordost geneigten Schichten
eine mannigfaltige Reihe von mesozoischen Meeresbildungen. Der
Verlauf ihres Westrandes ist bedingt durch das Maass der Zer-
störung, welcher sie unterworfen gewesen sind, der sichtbare Ost-
rand aber durch das Ausmaass der Abwaschung und Zerstörung des
auflagernden, nächst jüngeren Gliedes. So entstehen jene paral-
lelen oder concentrischen Formationsgrenzen auf den Karten,
welche so oft für eben soviele Anzeichen der Senkung, z. B. im
Pariser Becken, angesehen worden sind.
Diese flache Lagerung ist, so weit meine Erfahrungen reichen,
^ur durch eine grössere Störung unterbrochen, über deren Zu-
sammenhang mit dem sonstigen Baue des Landes ich trotz mehr-
maligen Besuches der Strecke zu keinem bestimmten Urtheil ge-
langen konnte. Es ist dies eine quer auf dem Streichen dieser
mesozoischen Gürtel liegende Synklinale oder Grabenverwerfung,
an welcher alle Schichten, auch die Kreide, theilnehmen, deren
Axe etwas nördlich von Krakau liegt, und welche mit westnord-
westlicher Richtung über Trzebinia hinaus gegen Myslowitz streicht
(Fig. 24) ; sie ist anfangs ziemlich weit, wird dann enger und steiler
und dürfte gegen Myslowitz in einen einfacheren Bruch übergehen;
vielleicht geht noch eine zweite solche Störung von dieser in der
Richtung Trzebinia-Chrzanow ab. Mit dieser Ausnahme ist der
Verlauf der mesozoischen Zonen sehr regelmässig und wird auch
durch die hervortretenden Kuppen alten Gebirges wenig beirrt.
Die Triaszone ist gegen West in zahlreiche einzelne Kuppen
aufgelöst, sinkt im Norden nach Roemer's Untersuchungen etwas
westlich von der Wartha unter den braunen Jura hinab, wird von
der eben erwähnten Störung Krakau-Myslowitz betroffen und
fällt im Angesichte der Karpathen, südlich von dieser Störung,
den Höhenzug zwischen Alwernia und Chelmek bildend, zur Weich-
sel ab. Die Lagerung scheint hier ganz flach zu sein. Den Fuss
des mit den Resten der Veste Lipowec gezierten Abhanges bildet
bunter Sandstein. Jenseits der Weichsel befindet sich der Fuss der
Karpathen, hier nach Hohenegger aus gefalteten Nummuliten-
schichtcn bestehend. Die Entfernung des Fusses beider Höhen-
züge beträgt 9*5 Km."'^
250 Jura von Kurdwanow.
lieber der Triasformation ist die rhätische Stufe nur örtlich
und in untergeordneter Weise vertreten ; Lias bleibt ganz unsicht-
bar ; im Norden treten thonige Gesteine mit Perisphinctes Parkin-
soni, im Süden die Oolithe von Baiin mit Stephanoc. macrocephalum
über den Keuper vor; über diesen erscheint im Süden blauer Thon
mit Belemn. semihastatus, dann sind sie überragt von weissen Jura-
kalk-Felsen, welche von Czenstochau an einen landschaftlich sehr
hervortretenden, zusammenhängenden Zug an der Ostseite der
Wartha über Olkusz bis Krakau und bis knapp an den Fuss der
Karpathen bilden. Ostwärts sinken sie bei Lelow und in der
Nähe von Krakau unter die zusammenhängende Decke von Ce-
noman. Diese Jurakalke widerstehen der Denudation in höherem
Grade als die Sandsteine und Thone der älteren Stufen des meso-
zoischen Gebirges, und selbst als die zwischen minder widerstands-
fähige Schichten eingeschalteten Kalkbänke der Trias. Dies ist
offenbar der Grund, warum man den Jurakalk auch quer über
das Thal der Weichsel bis ganz an den Rand der Karpathen ver-
folgen kann.
Die Breite des sich in einzelne Kuppen auflösenden Jura-
zuges im Angesichte der Karpathen zwischen Mirow und Podgörze
ist eine ganz ansehnliche. Zwischen Tyniec* und Podgörze über-
schreitet derselbe die Weichsel, mehrere kleinere Massen ragen
aus den AUuvien hervor, und die letzte Kuppe, bei Kurdwanow
westlich von Wieliczka, steht nur 2 Km. vom Karpathenrande
bereits innerhalb jenes Saumes von tertiärem schwefel- und salz-
führenden Thon, welcher bei Wieliczka selbst von den Karpathen
in grossen Falten nordwärts überschoben ist.""^
Diese sehr bemerkenswerthe Berührungsstelle zeigt, dass der
weit aus Nordost herstreichende Jurazug in der Nähe der Kar-
pathen keine Ablenkung erfährt, sondern dass er unter die Kar-
pathen hinabsinkt.
lieber dem Jura fehlt Neocom und Gault; die Cenomanstufe
greift, wie das an so vielen Orten sichtbar ist, weit über die älteren
Stufen vor und grosse vereinzelte Schollen erscheinen sogar west-
lich von der Triaszone bei Oppeln und unmittelbar auf der Culm-
zone bei Hotzenplotz. Diese Transgression verräth das grosse
Ausmaass der Abrasion, welche vorhergegangen sein muss. Der
Hinabsinken der sudetischen Aussenzonen. 2 5 I
Culmschiefer lag bereits bloss, die Trias musste von einem grossen
Theile des Kohlenreviers entfernt sein, und es bleibt daher wenig
Zweifel darüber, dass zu jener Zeit, in welcher die miocänen Ab-
lagerungen bei Wieliczka von den Karpathen vorwärts gedrängt
wurden, die Abtragung nicht nur des Carbon, sondern auch
von Trias und Jura beiläufig ebenso weit vorgeschritten war
wie heute.
Ein zusammenhängender Saum von Kreideablagerungen er-
scheint aber erst im Osten zwischen Wartha und Pilica, zieht sich
bei Krakau in die Mulde von Trzebinia hinein und erreicht end-
lich die Weichsel ; wie die Triasformation ist auch die Kreide
gegen die Karpathen hin abgewaschen, und jenseits der Weichsel
kenne ich wenigstens in der Gegend von Krakau nur undeutliche
Spuren. Ostwärts bedeckt sie nun weithin die Ebene.
Eocäne Ablagerungen sind in dem ganzen Vorlande der Kar-
pathen nicht bekannt ; zahlreiche vereinzelte Schollen einer mio-
cänen Meerestransgression finden sich über den Kohlenfeldern;
die Ablagerungen dieses Alters erlangen am Saume der Kar-
pathen grosse Mächtigkeit und sind, wie ich bereits erwähnt habe,
in demselben von den Karpathen her in grosse Falten über-
schoben. —
Hiemit sind wir an jenen Ablagerungen angelangt, welche
an den Bewegungen der Karpathen unmittelbar Antheil nehmen.
Im Ganzen aber erkennt man Folgendes :
Die archäischen Gesteine der Sudeten erreichen südwärts
ohne Beirrung den grossen Bruch von Brunn ; dasselbe gilt von
der unterdevonischen und von der mitteldevonischen Zope. Der
äussere Rand der Culmzone tritt mit dem äusseren Rande der
Karpathen südlich von Weisskirchen in Berührung; beide sind an-
einandergepresst ; alle weiteren Zonen der Sudeten bis zur
polnischen Ebene hinaus, Carbon, Trias, Jura und Kreide,
sinken von Norden her unter die Karpathen hinab.
Was zu Tage diese Berührungsstelle überschritten hat, näm-
lich Archäisch, I^evon und Culm, wird von dem Bruche bei Brunn
gegen die böhmische Masse plötzlich abgeschnitten, und die Fort-
setzunor der äusseren Zonen der Sudeten ist unter der mährischen
Ebene zu suchen.
"^ ^j- Div fraBkiäcli-schwäbische Senkangsfeld.
W'^T Jtis*.^ den Bau der Karpathen richtig beurtheilen will,
..Ui • Hcic aujjser Acht lassen, dass trotz des regelmässigen Yer-
auK^ ÄHüier Falten dieses Kettengebirge wenigstens zum Theile
au* iviei anderen, sehr verschiedenartigen Schollen der
b'rvirinvle ruht, nämlich im Osten auf der russischen Tafel
uiid im Westen auf dem südöstlichen Theile der ostwärts
i!onoiirten Sudeten.
C. Das fränkisch-schwäbische Senkungsfeld.
Ein langer Saum von Rothliegendem bezeichnet vom Süd-
fusse des Riesengebirges her den wahren Rand der böhmischen
Masse. In der Gegend von Brunn neigen sich die Schichten steil
ostwärts gegen den Bruch ; an einer Stelle, bei Rossitz südlich
von Brunn, erscheint zwischen der archäischen Unterlage und dem
Rothliegenden noch eine kleine Scholle des oberen Carbon mit
bauwürdigen Plötzen, und noch weit im Süden, bei Zöbing unweit
von Krems, haftet an der Aussenseite des Bruches eine Scholle
von Rothliegendem.
Bis Brunn hinab standen die Sudeten zwischen der böhmi-
schen Masse und den Karpathen ; nun reicht der Blick von den
Abhängen des Manhartsgebirges, welches den Rand der böhmi-
schen Masse bildet, frei über die Ebene zu dem hier allerdings
durch Einsturz lückenhaften Saum der Flyschzone.
Auf der Höhe der böhmischen Masse sieht man hier weithin
nur archäische Felsarten, aber die gleichsam fragend aufragenden
Schichtenköpfe des Rothliegenden an dem Randbruche zeigen,
dass ihre Fortsetzung einst das ganze Land bedeckt haben muss.
Jm Norden ist ihre Verbreitung wohl bekannt, aber auch im Süden,
bei Budweis, mitten in dem Hauptgebiete archäischer Felsarten,
liegt eine vereinzelte Scholle.'^
In Sachsen ist eine beträchtliche Denudation der carbonischen
Flötze vor der Ablagerung des übergreifenden Rothliegenden
nachgewiesen. ''^ Sucht man aber den westlichen, bairischen Rand
der grossen Masse auf, so trifft man, wie Gümbel gezeigt hat,
auch hier einen Abbruch, welcher noch dazu im Fichtelgebirge
und durch seine ganze Fortsetzung im Thüringerwalde das
Der Bonaubnich. 253
Streichen des Gebirges quer durchschneidet, und längs dieses
Abbruches ragt derselbe Saum von steil gestelltem Rothliegenden
empor mit denselben vereinzelten Schollen des oberen flötzfüh-
renden Carbon, welche wir an der Ostseite bei Rossitz kennen.
Die Beschreibungen der Vorkommnisse von Stockheim und Erben-
dorf, sowie des ganzen, wenn auch unterbrochenen Saumes von
Rothliegendem an dem Rande des alten Gebirges vom Thüringer-
walde bis zur Walhalla bei Regensburg herab, welche selbst
noch auf Rothliegendem erbaut ist, zeigen die auffallendste
Uebereinstimmung mit der östlichen Bruchlinie vom Südfusse des
Riesengebirges über Brunn, Rossitz und Zöbing.'* —
Was jenseits dieses westlichen Randes liegt, bis weit zum
Schwarzwalde hinüber, hat aber einen gar eigenthümlichen Bau.
Die ganze Decke von Trias- und Jurabildungen, welche in der
Gestalt eines Dreieckes gegen Ost vom Thüringer- und Franken-
walde, dem Ende des Fichtelgebirges und dem bairischen Walde,
gegen West vom Oden- und Schwarzwalde begrenzt wird, und
welche im Süden zwischen Schaffhausen und Regensburg an
einem grossen Bruche, dem Donaubruche, endet, gleicht der
eingebrochenen Eisdecke eines entwässerten Teiches. Von den
alten Granit- und Gneissgebirgen im Osten und im Westen sinken
Trias und Jura in Staffeln zur Tiefe; bevor der grosse Quer-
bruch an der Donau erreicht ist, fallen noch kreisförmige Stücke
mitten im Streichen der Juraformation zur Tiefe hinab und eines
derselben erzeugt den wunderbaren Rieskessel bei Nördlingen.
Alle die mannigfaltigen Lagen der schwäbischen Juraformation
brechen aber sammt der unterliegenden Trias jenseits des Ries-
kessels längs der Donau zur Tiefe hinab, und ihre Fortsetzung
befindet sich unter jener Ebene, an deren südlichem Rande sich
die Alpen erheben.
Seit längerer Zeit hat man den Abbruch an der Donau als
den Rand einer grossen Absenkung und den Rieskessel als einen
Einsturz richtig erkannt ; dass dies aber nur Theile eines einzigen
grossen, bis zum Vogelsberge und bis zum Thüringerwalde
reichenden Vorganges der Einsenkung sind, zeigt deutlich eine
lange Reihe von Beobachtungen über die Verwerfungen, welche
gegen Ost und gegen West den Fuss der alten Gebirge begleiten.
254 Brüche des Thüringcrwaldcs.
Ich will nur einige neuere Angaben anführen und beginne im
Nordosten, am Rande des Thüringerwaldes.
H. Credner hat die linearen, von Nordwest gegen Südost
, verlaufenden Verwerfungen, welche das Land zu beiden Seiten
des Thüringerwaldes durchschneiden, im Jahre 1855 ausführlich
beschrieben; jene des südwestlichen Abhanges, welche für uns
von Bedeutung sind, haben Bücking und Frantzen neuerdings
untersucht und von einzelnen derselben geradezu monographische
Darstellungen gegeben.'^
Diese Arbeiten beziehen sich hauptsächlich auf die Strecke
von dem ebenfalls durch eine Verwerfung abgegrenzten archäi-
schen Kerne des Thüringerwaldes nördlich von Schmalkalden bis
Meiningen herab. Die Verfasser gehen in dankenswerther Weise
in die Einzelheiten der Bewegung jeder Scholle ein. Man kann
bemerken, dass einzelne dieser Verwerfungen von Stauung oder
Schleppung begleitet sind, andere dagegen nicht, und dass das
staffeiförmige Absinken, obwohl im Ganzen unzweifelhaft, doch
unterbrochen wird durch einzelne Brüche, an welchen nicht der
südliche, sondern der nördliche Theil abgesunken ist, durch
Grabenbildungen, d. i. durch die Versenkung längerer Streifen
zwischen zwei Brüchen. An der am genauesten von Bücking be-
sprochenen Verwerfung zwischen Möckers und Benshausen ist in
der nordwestlichen Hälfte der nördliche Theil gesenkt, mit einem
Niveau-Unterschiede von 370 — 450 M., während gegen Südost
eine ganz kurze Unterbrechung vorhanden ist, verbunden mit
einem Querbruche, und in dem übrigen südöstlichen Theile die
Südseite gesenkt ist.
Hier ist also mitten in dem Verlaufe des Bruches gleichsam
eine neutrale Stelle vorhanden und zu beiden Seiten derselben
die Bewegung im entgegengesetzten Sinne erfolgt ; dies ist die-
selbe Erscheinung, welche an der grossen Sevier-Linie in Utah
erwähnt worden ist (S. 172), und derartige Vorkommnisse ver-
rathen die Passivität der sinkenden Scholle.
Weiter gegen Süd gestalten sich die Verhältnisse einfacher ;
Gümbel hat gefunden, dass an dem Aussenrande des Neuwaldes
und des Fichtelgebirges die mesozoischen Schichten stets aufge-
richtet, stellenweise sogar überkippt sind, in geringer Entfernung
Hercynische Randbrüchc. Odenwald. ^55
vom alten Gebirge jedoch eine flache Lagerung annehmen. Zu-
gleich sind vier lange, dem Gebirgsrande beiläufig parallele
Störungslinien sichtbar, welche in fast gleichen Zwischenräumen
von je 8 Km. nebeneinander herlaufen, sich gegen Südost bis
an den Westrand des fränkischen Juragebirges erkennen lassen
und zum Theile sogar bis gegen die Thalung der Donau herab-
reichen.
Diese vier hauptsächlichen ,Zerspaltungen' sind wohl von
Verschiebung, Aufrichtung und Quetschung, aber nicht von Fal-
tung begleitet. Gümbel hebt hervor, dass ihr Parallelismus unter
einander und mit dem Gebirgsrande für die Identität der Ursache
sprechen, und hat diese Brüche mit besonderen Namen belegt ;
sie sind auf dem letzterschienenen Blatte der geognostischen
Karte von Baiern auf der Strecke von Coburg bis über Thurnau
hinab verzeichnet.^*"
Nun verlassen wir den hercynischen Rand mit seinen süd-
östlich streichenden Störungen, reisen nordwärts über das Trias-
gebiet, treffen bei Kissingen eine Kreuzung von mächtigen Ver-
werfungen, welche nach Südost streichen, mit solchen, die gegen
Südwest verlaufen,^' und wenden uns dem Odenwalde zu.
Abermals zeigt sich hier, wie zu beiden Seiten der böhmi-
schen Masse, ein den archäischen Kern umgebender Gürtel von
steil abfallendem Rothliegend; die vereinzelten Schollen von
Carbon, welche wir dort haben, sind aber hier bisher vergeblich
gesucht worden. In dem anschliessenden mesozoischen Lande
folgen auch ähnliche parallele Brüche. Benecke und Cohen haben
erst jüngst eine Uebersicht derselben für die südlichen Umge-
bungen des Odenwaldes gegeben.^'
Es sind nach diesen Angaben drei Systeme von Spalten hier
zu unterscheiden, nämlich erstens Spalten, welche gegen Nord-
nordost verlaufen und in der Nähe des Rheinthaies liegen, zwei-
tens solche, die gegen Nordost streichen und dem Aussenrande
des Odenwaldes entsprechen, und endlich eine untergeordnete
Gruppe von gegen Nordwest gerichteten Spalten, welche die
zweite Gruppe rechtwinklig kreuzt.
Die erste Gruppe hat die Einsenkung des Rheinthaies ver-
anlasst; sie verräth sich hauptsächlich an dem Ostrande der
256 Langenbrücken. Schwarzwald.
Vogesen, des Hardtwaldes und wohl auch des Taunus, und an
dem Westrande des Schwarzwaldes und des Odenwaldes; dies
sind die Rheinspalten. Die zweite Gruppe entspricht der Um-
rahmung des grossen schwäbisch-fränkischen Senkungsfeldes, und
die dritte betrachten wir als die Radialspalten desselben.
Südlich von Heidelberg, wo die archäischen Gesteine des
Odenwaldes nicht mehr sichtbar sind und die Triasformation an
den Rand des Rheinthaies tritt, treffen die Odenwaldspalten,
welche die zweite Gruppe bilden, auf die Rheinspalten, und hier
liegt die schon im Jahre 1859 von Deffner und Fraas in allen
wesentlichen Zügen richtig aufgefasste Juraversenkung von Lan-
genbrücken.^^
Knapp an dem Rande des Rheinthaies wird nämlich an dieser
Stelle eine Odenwaldspalte mit abgesunkenem Nordflügel von
einer Rheinspalte geschnitten, und in dem spitzen Winkel, welchen
beide Spalten bilden, ist, indem gegen den Durchschnittspunkt
die Senkung zunimmt, eine vereinzelte keilförmige Scholle der
Juraformation mitten im Triasgebiete vor der Zerstörung bewahrt
geblieben, als eines der nicht seltenen Zeichen einer früheren
grösseren Verbreitung dieser Schichten.
Sowie aber an der Versenkung von Langenbrücken der dem
Odenwalde näherstehende, nämlich der nordwestliche Flügel der
gesunkene ist, so ist es auch an der von Benecke und Cohen be-
schriebenen Hilsbacher Linie der Fall, und die genauer bekannten
Verwerfungen der südöstlichen Abhänge des Odenwaldes zeigen
daher im Gegensatze zu der grossen Mehrzahl der anderen Brüche
des fränkisch-schwäbischen Senkungsfeldes den nördlichen Flügel
in tieferer Lage.
Anders ist es im Schwarzwalde. Die schlagendsten und ge-
nauesten Beobachtungen hat hier Fraas an den Eisenbahnlinien
gemacht. Die Schwarzwaldbahn von Zuffenhausen, unweit von
Stuttgart, nach Calw zeigt eine Niveaudifferenz der verschiedenen
Abtheilungen der Triasformation von 350 — 450 M., welche nicht
durch ursprüngliche Ablagerung herbeigeführt ist, sondern durch
acht grössere und zahlreiche kleinere Verwerfungen, wobei immer
der östliche Theil an dem westlichen, dem Schwarzwalde näher
liegenden Theile, abgesunken ist, ohne dass jedoch nothwendiger
Schwarzwaldbrüche. 2 S 7
Weise die Neigung der Schichten gegen Ost gerichtet wäre.
,Die heutige Oberflächenbildung des Landes/ sagt Fraas,
»erscheint hienach als das Resultat treppenförmiger Ein-
senkungen der Schichten, welche zwischen dem Schwarz-
walde und dem Neckar statthatten. In Folge der Einsen-
kungen brachen tausendfach die Schichtentafeln entzwei, einfach
dahin sich neigend, wo ein Raum es gestattete.' ^^
Senkrecht auf die Längenbrüche sind auch hier Querbrüche
vorhanden. Es wird gezeigt, dass die Richtung beider vom
Schwarzwalde gegen Stuttgart hin sich verändert, und zwar so,
dass im eigentlichen Schwarzwaldgebiete die beiden Richtungen
hör. I und 7, bei Stuttgart aber durch allmälige Wendung bereits
hör. 3 und 9 sind, das heisst, dass die Richtung der langen Haupt-
brüche im Schwarzwalde Nord — Süd ist, diese Richtung gegen
Stuttgart hin sich in Nordost — Südwest verändert und gleich-
zeitig die Richtung der Querbrüche aus Ost — West in Nord-
west — Südost übergeht.
Ebenso zeigt die Bahnlinie Rottweil- Villingen das Abfallen
der Schichten in mindestens sieben Treppen; das jüngere Gebirge
ist an dem älteren abgesunken, und es kann, nach den Worten
desselben Beobachters, ,von einer Anlagerung des schwäbi-
schen Flötzgebirges an den Schwarzwald eigentlich
keine Rede mehr sein.*^^
Dasselbe System von Brüchen zieht sich aber auch südwärts
um den Schwarzwald; die Bohrungen auf Steinkohle haben ihr
Vorhandensein bewiesen, und noch bei Zeiningen unweit Rhein-
felden trifft eine aus Ostsüdost streichende Verwerfung eine
andere, welche nach Südwest Vferläuft.^^ So ist auch der Tafel-
jura zerstückt und abgesunken, als würde der gefaltete Jura von
Süden her über eine einbrechende Platte getreten sein (S. 150,
Fig. 10).
Ringsum, am Schwarzwalde wie am Odenwalde und jenseits
am Thüringer und am bairischen Walde, vollzieht sich die Ab-
trennung der mesozoischen Tafeln vom alten Gebirge in mehr
oder minder dem Gebirgsrande parallelen Brüchen, welche häufig
von Querbrüchen rechtwinkelig gekreuzt werden. Wendet man
sich der Mitte des Gebietes zu, so trifft man auch hier auf zahl-
Suess, Das Antlitz der Krde. 17
2^8 DefFner's Ansichten.
reiche und unzweideutige Zeichen des Einbruches. Es enthalten
einzelne Hefte der ,Begleitworte zur geognostischen Specialkarte
von Württemberg' einen ganzen Schatz von ähnlichen Beobach-
tungen, als die erste Grundlage zur Entwerfung einer das ganze
Senkungsfeld umfassenden Karte des Bruchnetzes, und Fraas hat
erst kürzlich eine Uebersicht der wichtigsten Linien veröffentlicht.-'^
Gerechtes Staunen und die vollste Anerkennung der Unbefangen-
heit des Urtheiles muss aber die Thatsache erwecken, dass schon
vor mehr als zwanzig Jahren einer der Mitarbeiter an dieser Spe-
cialkarte, C. Deffner, im Gegensatze zu vielen hervorragenden
Autoritäten nicht nur die Natur dieser Brüche und die Allgemein-
heit der Einsenkung richtig erkannt, sondern auch für das zwischen
solchen Brüchen eingesunkene Gebiet am mittleren Neckar süd-
lich von Stuttgart eine Karte dieser Brüche angefertigt, periphe-
rische und radiale Brüche mit diesen selben Ausdrücken unter-
schieden, die bogenförmige Krümmung der peripherischen Linien
aus Nordsüd fast bis Westost nachgewiesen, ferner mit Bestimmtheit
ausgesprochen hat, dass die jüngeren Eruptivgesteine, welche da
und dort diese Brüche und Einsenkungen begleiten, nicht die Ur-
sache, sondern die Folge der durch andere Ursachen hervor-
gerufenen Spaltungen der festen Erdrinde seien. Deffner hat sich
in dieser bemerkenswerthen Schrift sogar schon die Frage gestellt,
ob nicht ein Zusammenhang zwischen dieser ausgedehnten Ein-
senkung und der Entstehung der Alpen bestehe, , etwa in der Weise,
dass eine Bewegung des flüssigen Erdkernes gegen die Hebungs-
linie der alpinen Centralkette hin ein Nachsinken der peripheri-
schen Umgebung bis in eine gewisse Entfernung zur Folge haben
müsste'.^*
Der Parallelismus des Donaubruches mit dem Alpenrande
wird auch von Fraas betont. ,Zur selben Zeit,' sagt Fraas, ,als
die Falte der Alpen sich erhob, barst das Tafelland des Jura im
gleichen Sinne.' ^^
Der Umriss des Senkungsfeldes ist nordwärts deutlich keil-
förmig und die peripherischen Brüche sind lang und gerade und
schneiden sich nach den vorliegenden Angaben nordwärts in spitzen
Winkeln; es scheint, dass sie gegen die Mitte hin sich mehr im
Bogen vereinigen; ob sie endlich der Linie des Donaubruches
Ries und Höhgau. 2 59
sich nähern, vermag ich nicht zu entscheiden. Nördlich vom Do-
naubruche aber tritt nun eine andere Form der Einsenkung auf,
nämlich kesseiförmige Einstürze. Der kleinste dieser Einstürze,
wenn er überhaupt in diese Gruppe zu stellen ist, befindet sich bei
Steinheim unweit Heidenheim; sein Durchmesser beträgt kaum
I Km. und er ist mit tertiären Süsswasserbildungen angefüllt. Als
typisch haben zu gelten: der Rieskessel, in welchem Nördlingen
liegt, und der Kessel des Höhgaues.
7). Ries und Höhgau.
Von den Schriften, welche sich auf den Bau des Rieskessels
beziehen, reicht es hin, jene von Deffner und Fraas für den württem-
bergischen, jene GümbeFs für den bairischen Antheil zu nennen/®
Es bietet das Ries mancherlei Belehrung zu dem Verständ-
nisse der Einbruchsfelder in den Alpen, und ich will daher etwas
ausführlicher von demselben sprechen. Dass ich dies zu unter-
nehmen vermag, danke ich meinem nie ermüdeten Freunde und
Meister Oscar Fraas, welcher die Güte gehabt hat, mich an die
wichtigsten Stellen zu führen und mir dieselben zu erläutern.
Von einer Höhe, etwa vom Scheitel des Ipf bei Bopfingen
aus betrachtet, gleicht das Ries einem weiten, flachen Teller. Es
ist eine kreisförmige Ebene von 12 — 15 Km. Durchmesser, welche
mit geringem Gefälle ihren Abfluss südwärts durch eine Enge
findet. Zwei niedrige Höhenzüge strecken sich von Süden her in
etwas divergirenden Richtungen durch die kreisförmige Ebene;
die westliche zieht über Nördlingen gegen den Wallerstein, die
östliche über den Spitzberg zum Wenneberge.
Jeder dieser Höhenzüge besteht aus zwei verschiedenen
Theilen, nämlich aus einer alten Unterlage und einer jüngeren
Krönung. Die alte Unterlage ist zum grössten Theile zersetztes
archäisches Gebirge, Granit oder ein flasriges Hornblendegestein,
das wohl auch als Diorit bezeichnet worden ist. Da und dort sieht
man aber auch zwischen diesen archäischen Trümmern eingekeilte
Stücke von rothem oder blauem Keuperletten, von Unterlias, von
Amaltheenthon oder einzelne Stufen des braunen Jura. Am Wenne-
berge tritt auch ein kleiner Gang von jungem Eruptivgestein
,7*
26o ^cr Ricskessel.
auf. Dies sind die sichtbaren Gipfel der versunkenen Schollen,
deren Rest die Ebene bedeckt.
Die Krönung der Höhenzüge ist aus tertiären Süsswasser-
ablagerungen gebildet, bald aus einer Schale vonLittorinellenkalk,
bald aus einer Breccie, welche durch Süsswasserkalk gebunden
ist, in den bezeichnendsten Fällen aber aus grossschaligen Sinter-
bildungen, welche von gasreichen Quellen inmitten des tertiären
Sees aufgebaut wurden. Aus solchen Quellenbildungen besteht
insbesondere der steile und auffallende Wallerstein, welcher,
einem breiten Granitrücken aufgesetzt, heute nur mehr ein Bruch-
stück eines einst viel grösseren, glockenförmigen Aufbaues zeigt,
und welcher mit seinen Genossen am Spitzberge u. A. den glocken-
förmigen Gebilden nicht wenig gleichen mochte, welchen heute
Pyramid-Lake im westlichen Nevada den Namen verdankt.^'
In diesen Quellenbildungen nun hat Fraas einen unerwarteten
Reichthum an organischen Resten, Knochen, Federn und Eier von
Vögeln und Bruchstücke kleiner Säugethiere entdeckt und durch
sie den Nachweis geboten, dass diese Quellgebilde die Nistplätze
zahlreicher Pelikane und Enten mitten in dem tertiären See ge-
wesen seien.
Die Schollen des gesunkenen Gebirges ausserhalb dieser
Höhenzüge sind, wie wir eben sagten, von der Ebene bedeckt.
Da und dort lagert noch etwas vulcanischer Tuff an; Braunkohle-
führendes Tertiärland und Lehm bilden den Boden der Ebene selbst ;
sie sind stellenweise mit 200 Fuss nicht durchsunken worden.
Nähern wir uns nun dem äusseren Rande der Ebene, so er-
gibt sich eine grosse Schwierigkeit in der tektonischen Umgren-
zung des Einsturzes. Rings um den Rand des Kessels ist alles
Gebirge bis auf eine nicht geringe Entfernung von demselben
verstürzt und zerbrochen. Weithin ist ferner der Rand des Ries
mit Travertinbildungen oder mit einer Breccie von tertiärem Alter
überklebt. Bald kommt unter diesem Granit hervor, bald ragen
längs dem Rande gereihte Riffe von weissem Jura auf, in steiler
Schichtstellung, verstürzt und nicht selten durch den Druck so
vollständig zertrümmert, dass ein leichter Schlag genügt, um den
Kalkstein in zahlreiche eckige Stückchen auseinanderfallen zu
lassen.
Vulcane im Ries. 201
In vereinzelten Gräben zwischen diesem zerrütteten Rand-
gebirge und ausserhalb der Ebene des Ries stehen die merk-
würdigsten Eruptionsstellen dieser Gegend. Ich habe jene am
Heerhofe südlich von Kirchheim und an der alten Bürg (Dom-
bruch) westlich von Edernheim kennen gelernt.
Am Heerhofe sieht man zwischen jurassischen Bergen einen
breiten und gerundeten Bühl, welcher aus grobgeschichteten Mas-
sen von Asche und Auswürflingen besteht. Die etwas abweichende
Fallrichtung in zwei benachbarten Brüchen deutet wohl die Aus-
bruchsstelle an. Man sieht weder Gänge noch Ergüsse, aber in der
Asche liegen zahlreiche Schlackenfetzen von ohrförmiger oder
Spiral eingerollter Gestalt, zuweilen kometenartig nach rückwärts
zu einem langen Schwänze ausgezogen, einstens rotirende Tropfen,
im Niederfallen flachgedrückt und so erstarrt. Sie lassen über die
unmittelbare Nähe des Schlotes keinen Zweifel.
An der alten Bürg gibt es ähnliche Boliden; viele Stücke von
archäischem Gebirge liegen in der Asche, und ein grosser Block
von jurassischer Breccie ist in dieselbe eingesunken.
Schon vor Jahren folgerte Gümbel aus dem Vorkommen ein-
zelner Bomben im Ries, dass wahre Eruptionsstellen innerhalb
dieses Gebietes vorhanden seien. Gerade der Mangel an Gängen
und Ergüssen an diesen Stellen erinnert an die wechselnden Aus-
bruchsstellen der phlegräischen Felder, an M. Nuovo und ähn-
liche Berge, welche, durch einen einzigen Ausbruch gebildet,
nicht bleibend zu Ausbruchsstellen geworden sind. —
Die Frage, ob der Rieskessel als ein selbständiger kesseiför-
miger Einbruch der Erdrinde anzusehen sei, wofür der kreisförmige
Umriss der Ebene spricht, oder ob das Absinken zwischen langen
geradlinigen Brüchen stattgefunden habe, welche über die Gegend
des Ries hinausreichen, ist nur schwer zu entscheiden. Durch
Deffner und Fraas wurde in dem zertrümmerten Randgebirge des
Ries eine Anzahl geradliniger Brüche erkannt und mit Namen
wie die Sigart-Hürnheimer Axe, die Zipplinger Axe u. A. belegt,
und wurde ferner in diesem Gebiete eine Anzahl kleiner, abge-
trennter , Umwälzungssporaden* ausgeschieden, unter welchen
das kleine Einbruchsfeld von Herdtfeldhausen das merkwürdig-
ste ist.
202 Kreisförmiger Umriss des Rieskessels.
Die bedeutendste selbständige Bruchlinie ist jedenfalls die
Linie Sigart-Hürnheim, auch die Utzmemminger Linie genannt,
welche von Nordwest gegen Südost streicht, als Tangente dem
südwestlichen Theile des Riesgebietes sich nähert und von kleinen
Parallelbrüchen begleitet ist. An dem südwestlichen Rande des
Ries kann man sogar einen vom unteren braunen Jura bis in den
weissen Jura reichenden Schichtencomplex sehen, welcher, vier-
mal durch Verwerfungen gekreuzt und eben so oft sich wieder-
holend, mit seiner ganzen Mächtigkeit vom Rieskessel ab- und süd-
südwestlich gegen die Utzmemminger Bruchlinie geneigt ist.
Diese und ähnliche Umstände, insbesondere die geringen
Dimensionen, bis zu welchen die Einbruchsstellen, z. B. bei Herdt-
feldhausen, herabsinken können, der kreisförmige Umriss des
kleinen Einbruches von Steinheim, die weitgehende Zerbröckelung
des Jurakalkes am Rande des Ries, dann die Angaben von dem
Vorkommen anderer ausgedehnter, doch in verticalem Sinne min-
der ausgeprägter Senkungsfelder in der Nähe des Ries, wie bei
Neresheim, dann zwischen Ellenberg und Bopfingen, endlich in
Begleitung vulcanischer Vorkommnisse bei Urach, haben in mir
den Eindruck zurückgelassen, dass dreieckige oder trapezoidale
Schollen durch die Verschneidung mehrerer Brüche umgrenzt
werden, und dass bei dem Vorschreiten des Einsinkens durch das
Abdrücken der Ecken das Dreieck zum Sechseck, das Viereck zum
Achtecke wird, bis durch die mehr oder minder regelmässige Ver-
mehrung der Seiten des Polygons in staffeiförmigen Brüchen
der kreisförmige Umriss des inneren Senkungsfeldes erreicht
wird, welcher nun von einem Saume zertrümmerten Gebirges
umgeben ist.
Auf diesem Wege mögen hier, getrennt von einander, grosse
und kleine, tiefe oder minder tiefe, von vulcanischen Ausbrüchen
begleitete oder nicht begleitete Einbrüche entstanden sein. Den
Einbrüchen ist aber, wie in so vielen Senkungsgebieten, ein an-
derer Vorgang, und zwar, wie es scheint, hier erst viel später, nach-
gefolgt, nämlich die Ueberschiebung einzelner Gebirgsstücke über
andere. Fraas hat eine solche Ueberschiebung auf einer geschlif-
fenen und gestriemten Oberfläche von weissem Jura y bei dem
Tunnel von Lauchheim westlich vom Ries nachgewiesen, und
Höhgau. 263
später hat Defifner die Ueberschiebung einer grossen Masse von
braunem und etwas weissem Jura noch näher am Ries, nämlich
am Buchberge bei Bopfingen, auf das Genaueste festgestellt. Die
geschliffene Ueberschiebungsfläche gehört auch hier dem weissen
Jura Y an ; die Richtung der Bewegung war Ostnordost — West-
südwest, und es wurde ermittelt, dass die scheuernden Ouarz-
körner auf dieser Fläche nicht aus dem überschobenen braunen
Jura stammen, sondern aus einer Sandablagerung, welche wahr-
scheinlich jünger ist als die Tertiärformation. —
Entfernt vom Ries, nahe dem südwestlichen Ende der schwä-
bischen Alb, schon im Angesichte der Hochgebirge der Schweiz,
befindet sich das Einbruchsfeld des Höhgaues. Grosse vulcani-
sche Massen erheben sich in seinem Innern, und die Aschenkegel
dieser Vulcane haben vielleicht einmal die ganze Fläche des Ein-
bruchsfeldes eingenommen. Der Umriss nähert sich mehr einem
Vierecke als einem Kreise, und die grösste Dimension beträgt
etwa 18 Km. Das Einbruchsfeld ist nicht geschlossen, sondern
südwärts gegen den Bodensee offen. Flaches Torfland begrenzt
scharf gegen innen auf längere Strecken den Bruchrand. In der
Mitte der Senkung ragt zunächst eine breite Gruppe vielfach mit-
einander verbundener Hügel von Süsswassermolasse, vulcanischem
Tuff und erratischem Haufwerke empor, und aus diesem erheben
sich die vulcanischen Zacken.'*^
Die westlichen Ausbrüche, zu welchen der Hohenstoffel ge-
hört, sind basaltisch, die östlichen Berge, der Hohentwiel, Hohen-
krähen und Mägdeberg, bestehen aus Phonolith. Fraas hat die
Meinung ausgesprochen, dass so steile Massen wie der Twiel in
der Asche selbst erstarrt seien; in der That sieht man an dem-
selben, und insbesondere an seiner Westseite, beträchtliche Theile
der alten Aschenhülle, und die scharfe Erhaltung des Umrisses der
zartesten sechseckigen Gllmmerplättchen zeigt, dass diese Asche
seit ihrer Aufschüttung nicht umgewaschen worden ist.
Die Rundsicht vom Hohentwiel erachte ich für eines der lehr-
reichsten Bilder, welche mir jemals in Bezug auf das Verhalten
verschiedener Gebirgssysteme zu einander vor das Auge getreten
sind. Nach drei Seiten umgibt den Berg der Einbruch des Jura-
gebirges, und nur seine dazwischentretenden vulcanischen Be-
264 ^^® Horste.
gleiter hindern den Ueberblick des Bruchrandes. Südwärts zieht
sich flaches Land weit hinaus, und am Ufer des Untersees erkennt
man die Hügel der Süsswassermolasse von Oeningen, in welche
die Einstreuungen der Hohgau-Asche erfolgt sind w^ährend des
Daseins jener reichen Flora, die uns durch Heer's Bemühungen so
deutlich bekannt geworden ist. Und jenseits vom Untersee, hinter
dem dunklen Umrisse der Stadt Constanz und der spiegelnden
Fläche des Bodensees thürmen sich die gewaltigen Luftsättel des
Säntis, wie eine überwältigend vortretende Brandung der Erd-
masse selbst.
E, Die Horste.
Wir steigen über den Schw^arzwald ins Rheinthal. Dort hat
scholl vor vielen Jahren filie de Beaumont das Vorhandensein zahl-
reicher Verwerfungen nachgewiesen, welche ziemlich parallel gegen
Nordnordost streichen und die beiden dem Rhein zugekehrten
Abhänge des Schwarzwaldes und der Vogesen in Streifen zer-
legen. Nach Beaumont's Ansicht erfolgte zuerst eine Aufwölbung
des ganzen Landes, welche beide Gebirge, Vogesen und Schwarz-
wald, umfasste, und hierauf ein beiderseits treppenförmiger Ab-
sturz ins heutige Rheinthal. Der Umstand, dass auf den höheren
Theilen der Vogesen nur Vogesensandstein zu finden ist, der
bunte Sandstein dagegen erst in den tieferen Treppen sichtbar
wird, und die durch geneigte Lage der abgesunkenen Streifen
herbeigeführte scheinbare Discordanz des bunten Sandsteins gegen
den höher liegenden Vogesensandstein veranlassten ihn zu der
Meinung, dass der Vogesensandstein trocken gelegt worden sei,
und dass der bunte Sandstein sich an dem Fusse des Gebirges
abgelagert habe.'*^
Diesen Irrthum hat zuerst Bleicher im Jahre 1870 berichtigt.
Dass der Vogesensandstein nur selten vom bunten Sandstein be-
deckt werde, schreibt Bleicher lediglich der weitgehenden Ab-
schwemmung der jüngeren Schichten zu und spricht mit Bestimmt-
heit aus, dass der Vogesensandstein einstens nicht nur vom bunten
Sandstein, sondern von der ganzen Trias- und Juraformation be-
deckt gewesen sei, welche von Lothringen her über dieses ganze
Gebiet sich bis nach Württemberg erstreckte.^^
Bedeutung der Horste. 265
Eine lebhafte Discussion hat sich noch in den letzten Jahren
über Beaumont's Ansichten erhoben; die Discordanz zwischen Vo-
gesensandstein und buntem Sandstein hat noch bis in die neueste
Zeit, namentlich in Baden Vertheidiger gefunden, aber ich meine,
dass nach Benecke's Darstellung der Sachlage diese Frage als
gegen Beaumont entschieden anzusehen ist/^ Dabei bleibt dem
grossen französischen Forscher ungeschmälert das Verdienst,
die Lage der wichtigsten Bruchlinien und die Hauptzüge des
eigenthümlichen Baues des Rheinthaies zuerst richtig erkannt
zu haben.
Kreuzen wir nun die Vogesen, so finden wir nicht nur an
ihrem Westabhange, sondern weithin um viele Theile des fran-
zösischen Centralplateaus, sowie insbesondere um sein nordöst-
liches Vorgebirge, den Morvan, in grosser Anzahl ähnliche Ver-
werfungen, wie sie soeben aus Baiern und Württemberg beschrie-
ben worden sind. Die neuere französische Literatur enthält viele
Beweise hiefür. Es kann demnach kein Zweifel darüber herrschen,
dciss ringsum die genannten Gebirge, an den Rändern des bairi-
schen und Thüringerwaldes, um den Schwarzwald und die Vo- ^
gesen, um den Odenwald und weithin gegen West um einengrossen
Theil des französischen Centralplateaus, die Tafeln mesozoischer
Schichten eingesunken sind, und dass aus dieser allgemeinen
Einsenkung die genannten Gebirge als Horste hervor-
ragen, selbst nur Stücke alter, gefalteter Gebirge, deren Streichen
gar häufig mit ihrem Umrisse nicht übereinstimmt, und deren
archäisches Gestein nur durch Abwaschung sichtbar geworden ist.
Man wird sich vorstellen dürfen, dass vom Centralplateau bis an
. den Böhmerwald eine gemeinschaftliche und zusammenhängende
Unterlage von paläozoischen und archäischen Bildungen bestand,
auf welche die Schichten der Trias- und Jurameere abgelagert
wurden, deren Ufer uns heute nirgends in diesem weiten Gebiete
erhalten sind. Wir wissen nicht, ob dieselben einen grösseren oder
nur einen geringeren Theil der beiden grösseren Plateaux, näm-
lich des böhmischen und des französischen, bedeckt haben, doch
kann zwischen diesen beiden grossen Massen eine sehr beträcht-
liche Unterbrechung des Meeres nicht als erwiesen angesehen
werden. Diese gemeinschaftliche Unterlage nun mit allen meso-
206 Zusammenhang der Horste.
zoischen Schichten ist zur Tiefe gegangen, und die Horste, welche
zwischen den einzelnen Senkungsfeldern stehen blieben, verdanken
ihre heutige Höhe nicht eigener Erhebung, sondern diesem allge-
meinen Absinken der Umgebung. Man müsste auf Vogesen,
Schwarzwald und ihre nördlichen Fortsetzungen die ganze Mäch-
tigkeit der Trias und des Jura aufthürmen, um das wahre Maass
der Bewegungen der Erdrinde nach abwärts und der seither ein-
getretenen Abwaschung zu versinnlichen.
Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass die ganze
böhmische Masse einer weitgehenden Denudation unterworfen war
vor Ablagerung der carbonischen Flötze; es ist eine zweite De-
nudation eingetreten vor der Ablagerung des Rothliegenden; es
ist der Cenomanstufe wieder eine sehr ausgedehnte Entblössung
und Abrasion vorangegangen. Aehnlich verhält es sich auf dem
französischen Centralplateau und auch auf jener ausgebreiteten
Scholle, welche einen grossen Theil der iberischen Halbinsel ein-
nimmt und welcher bald unter dem Namen der iberischen Meseta
zu besprechen sein wird. Es fehlt noch jeder Ueberblick über den
zeitlichen Zusammenhang dieser Vorgänge. Dagegen treten die
ersten Linien des räumlichen Zusammenhanges hervor. Schon
sucht man in den Kohlenflötzen von Rochebrune, am Südrande
der Vogesen, die Fortsetzung der Flötze des Morvan. Indem die
mesozoischen Tafeln zur Tiefe gehen, enthüllt sich auf
den Horsten ein älteres Europa.
Die Vorstellung, dass die Ränder dieser Horste als Ufer-
ränder der mesozoischen Zeit anzusehen seien, ist ganz unhaltbar;
schon die Verbreitung einzelner hervorragender Glieder, wie des
Muschelkalkes, welcher die Rheingebirge rings umgibt, um inner-
halb der Niederung von Paris zu enden, zeigt dies recht deutlich.
Aber ebenso irrig wäre die Meinung, dass allenthalben einheitlich
fortlaufende peripherische Rapdklüfte diese Massen abgrenzen.
Sprünge verschiedener Art, in vielen Fällen wahre Radialsprünge,
setzen aus den gesunkenen mesozoischen Schollen in die alten
Gneiss- oder Granitmassen fort und sind dort in der Regel durch
Quarz- oder Schwerspathgänge bezeichnet.
Die Umrisse der Horste selbst werden durch solche Sprünge
beeinflusst. Die Art und Weise, in welcher nach Grebe's Auf-
Gangspalten . 267
nahmen die mesozoischen Tafeln an einem Netze theils nordöst-
lich und theils nordnordöstlich streichender Brüche zu beiden Seiten
vom Hochwalde bei Trier absinken und hiedurch den Hochwald
wie einen Sporn in das Senkungsfeld von Paris ragen lassen, ist
ein treffliches Beispiel, um zu zeigen, wie schwer es ist, eine
bestimmte Regel für die Art der Umgrenzung der Senkungsfelder
aufzustellen.^^
Die Brüche, welche den nördlichen und westlichen Morvan
nach M. L^vy und V^lain ,in Tangenten* umgeben und das ge-
schichtete Gebirge treppenförmig abfallen lassen, sind zuweilen
von Quarzgängen begleitet, wohl auch von Gängen von rothem
Hornstein, Flussspath und Baryt. Auf der Höhe des Morvan
liegen in den Verwerfungen Bruchstücke des Lias.'*^
Ueberhaupt zeigen sich in dem Randgebiete des französischen
Centralplateaus die Merkmale der Senkung und Denudation noch
viel deutlicher als in Süddeutschland.***
In den Vogesen hat schon Beaumont den Zusammenhang der
Verwerfungen, der Erzgänge und der mächtigen, zuweilen meh-
rere hundert Fuss über die Umgegend aufragenden Quarzmauern
anerkannt und ausführlich besprochen.**^ Neben den in der Rich-
tung der Rheinspalten streichenden Gängen im Granit mag hier
nur im Südosten des grossen O. 35° N. laufenden Quarzganges
von Val d'Ajol gedacht sein, in dessen Nähe die Thermen von
Plombieres liegen.
Der Quellstollen selbst durchschneidet Gänge, welche Quarz,
Flussspath, Schwerspath und Kiese führen, und die Quellen haben
bekanntlich nach Daubree's meisterhaften Untersuchungen in dem
römischen Mauerwerke Flussspath gebildet.^"
An dem Westrande des grossen fränkisch -schwäbischen
Senkungsfeldes fehlt es nicht an ähnlichen Gängen; sie haben
hier vorherrschend die Richtung von Radialsprüngen.
Es mag zuerst der von Benecke und Cohen beschriebene
Schriesheimer Schwerspathgang genannt sein, welcher ostsüdöst-
lich streicht.^*
Auf den breiten Streifen von Buntsandstein, welcher südlich
von Pforzheim ins Rheinthal hinübersetzt, befinden sich zahlreiche
südöstlich streichende Gänge, und weiter gegen Süd folgen mit
208 Gänge des Kinzigthales.
gleichem Streichen die Gänge von Neu-Bulach; ihre Ausfüllung
ist vorherrschend barytisch, und sie finden ihre weitere Fortsetzung
in Brüchen der Triasformation, namentlich in der von Bach be-
schriebenen Hochsträss-Verwerfung,^'' welche gleichfalls südöst-
lich streicht und sie mit dem Bruchnetze der schwäbischen Trias
verbindet.
Noch auffallender ist diese Verbindung etwas weiter im
Süden.
Bei Freudenstadt, auf württembergischem Gebiete, sinkt näm-
lich, wie Paulus gezeigt hat, zwischen zwei parallelen und etwa
8 Km. von einander entfernten Verwerfungen, welche gegen Süd-
ost verlaufen, eine beträchtliche Scholle von Muschelkalk in den
bunten Sandstein ein. Hier befinden wir uns bereits ganz in dem
Gebiete von Deffner's Radialspalten. Beide Verwerfungen sind
durch Spalten bezeichnet, welche auf grosse Strecken hin von
Schwerspathgängen ausgefüllt sind, welche in der Tiefe in Quarz-
gänge übergehen und Kupfer und etwas Bleiglanz führen. Zwi-
schen beiden Hauptgängen erscheint noch eine Gruppe kleinerer,
ebenfalls paralleler Schwerspathgänge.^^
Diese Gänge, welche, wie gesagt, in Einbruchslinien der
schwäbischen Trias liegen, sind aber nur ein Theil einer ausge-
dehnten Gruppe von Gängen, welche über Rippoldsau und Wit-
tichen im Kinzigthale ihre grösste Entwicklung finden, und sie
zeigen, dass die Klüfte, an welchen die Trias verworfen wurde,
weit in den archäischen Kern des Schwarzwaldes hineinreichen.
Diesen Zusammenhang haben alle Beobachter anerkannt, insbe-
sondere auch F. Sandberger, welcher die Gänge des Kinzigthales
auf das Genaueste untersucht hat.^* —
An den Gehängen des bairischen Waldes sind die Verhält-
nisse viel grössere und es treten bemerkenswerthe Abänderungen
ein. Um aber die Structur dieses Gebirgsrandes deutlicher dar-
stellen zu können, will ich einige Worte über ein ähnliches Gebiet,
das nördliche Schottland, vorausschicken.
Archäische und silurische Gesteine und alter rother Sandstein
setzen, vielfach in parallele Falten gelegt, dieses rauhe Gebirgs-
land zusammen. Wohl kannte man seit langer Zeit kleine verein-
zelte Schollen von jurassischen Ablagerungen, wie das kohlen-
Nordöstliches Schottland. 269
führende Fragment von Brora, aber erst in neuerer Zeit wurde
durch Judd gezeigt, dass dieses ganze Land mit der heute so viel-
gestaltigen Oberfläche vor Zeiten mit einer Decke von Trias- und
Juraschichten und von Ablagerungen der mittleren und oberen
Kreide bedeckt war. Die geringen Reste dieser Decken sind
theils, und zwar namentlich im Westen, unter Bruchstücken ter-
tiärer Lavaergüsse und theils durch gewaltige Verwerfungen bis
auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Solche Verwerfungen
nehmen einen bestimmenden Einfluss auf den Verlauf der Küsten
von Sutherland und Ross. An diesen Bruchlinien ist das Land
herabgesunken unter den Dornoch Firth und Moray Firth. Ein
schmaler und sehr unterbrochener Saum von Trias- und Jurabil-
dungen ist unter den Verwerfungen knapp am Rande des Meeres
sichtbar. In Sutherland wird auf eine Strecke hin die Verwerfung
staffeiförmig, und ein Saum von Mitteldevon erscheint auf der
höheren Stufe, oberer Oolith auf der tieferen, lieber diesen Stufen
steht Granit zu Tage. Alles höhere Land bildet Untersilur und
alter rother Sandstein, während unter dem wenig tiefen Meere
vielleicht auf weite Strecken hin die mesozoischen Ablagerungen
noch erhalten sind. Der Bruch, welcher Moray Firth gegen West
begrenzt, ist aber wahrscheinlich die Fortsetzung jener grossen
Störung, welche am caledonischen Kanäle das ganze Land von
Meer zu Meer durchcjuert."
Auch hier erscheint die Masse des alten Gebirges als ein
Horst; an seinen zackigen Rändern, in tieferem Niveau liegen die
mesozoischen Ablagerungen.
Auch am Fusse der Vogesen kann man in kleinerem Mass-
stabe einen zackenförmigen Umriss wahrnehmen, erzeugt durch
das Herantreten der langen einzelnen Rheinbrüche an die Sohle
des Flussthaies. Würde aber heute das östliche Baiern und
namentlich das Flussgebiet der Naab vom Meere bedeckt, so
würde das böhmische Festland gegen West einen Umriss zeigen,
welcher in den Hauptzügen jenem des nordöstlichen Schottland
gleichen würde. Die Buchten von Weiden und Schwandorf würden
dem Dornoch und Moray Firth entsprechen, und sowie der grosse
Bruch des caledonischen Kanals an der Westseite des Moray
Firth sich kennbar macht bis in die Nähe von Tarbet.Ness, würde
270 Riesige Quarzgänge.
man die Fortsetzung eines viele Meilen langen Bruches, der Linie
des Pfahls, aus dem archäischen Gebirge hervortreten und die
Nordgrenze des Busens von Schwandorf bilden sehen bis in die
Nähe von Amberg.
Dieses archäische Gebirge ist, wie wir aus den umfangreichen
und mühsamen Untersuchungen GümbeFs wissen, im Norden,
namentlich im Fichtelgebirge, gefaltet, und die Falten streichen
gegen Nordost, so dass dieser Theil eine Fortsetzung des Erz-
gebirges bildet. Im Süden dagegen herrscht ein gleichförmiges
Fallen der Schichten gegen Nordost, so dass die ältesten Gebirgs-
glieder an der Donau und an dem Bruche östlich von Amberg
sichtbar werden. In diesem Gebirgslande nun erscheinen mehrere
riesige Quarzzüge, welche ich als die grössten Denkmale linearer
Dislocation ansehe, die überhaupt in unserem Welttheile be-
kannt sind.
Drei dieser Züge sind von besonderer Bedeutung:
Den ersten haben Reuss und Jokely beschrieben. Er beginnt
in dem nordwestlichsten Theile von Böhmen, nordwestlich von
Asch, zieht sich gegen Südost quer durch den Glimmerschiefer,
den Gneiss und den Granit des Erzgebirges, also quer durch die
wichtigsten Gesteinszonen der Kette, dann quer durch den schmalen
Gneisszug, welcher bei Seeberg den Südfuss des Erzgebirges be-
gleitet, verschwindet unter der tertiären Decke der kleinen Nie-
derung von Franzensbad und Eger, taucht jenseits derselben im
Granitgebirge von Sandau sofort wieder hervor und erstreckt sich
in demselben bis südlich von Königswart. Die Entfernung der End-
punkte beträgt beiläufig 40 Km.^^
Dieser Quarzzug, welcher durch die Art, in welcher er das
Erzgebirge kreuzt, sich auf eine ganz unzweifelhafte Weise als ein
Gang zu erkennen gibt, hat zwar nicht einen streng linearen Ver-
lauf, entfernt sich jedoch so wenig von der geraden Richtung,
dass die Zusammengehörigkeit der beiden durch das Tertiärland
getrennten Theile leicht erkennbar ist. An seinem südlichen Ende
ist, wie Hochstetter in seinen Studien aus dem Böhmerwalde ge-
zeigt hat, eine nachträgliche Störung in dem Baue des Gebirges
erkennbar. An dieses Ende des ersten Quarzzuges schliessen sich
gegen Südwest kleinere Gänge oder Trümmer, und noch etwas
Der böhmische Pfahl. 2 7 I
weiter gegen Südwest, als wäre eine Verschiebung eingetreten,
tritt bei Hals nordwestlich von Tachau der Anfang des zweiten
grossen Quarzzuges hervor, welchen Hochstetter zuerst verfolgt
und den böhmischen Pfahl genannt hat.^^
Dieser Zug, dessen ursprünglicher Zusammenhang mit dem
Zuge von Asch höchst wahrscheinlich ist, verläuft im Allgemeinen
gegen Südsüdost. Anfangs beschreibt derselbe eine merkliche
Krümmung gegen Ost, dann kehrt er in die gerade Richtung zu-
rück und tritt in der Nähe von Fürth über die bairische Grenze;
noch am westlichen Abhänge des Hohen Bogen sieht man einige
abgetrennte kleinere Gänge, die das südliche Ende bezeichnen.^^
Die Entfernung der Endpunkte dieses Zuges beträgt beiläufig
55 Km. Die Mächtigkeit ist an einzelnen Stellen 30 M., an an-
deren scheint sie auf 70 — 100 M. zu steigen. Der Quarz bezeichnet
auf eine sehr lange Strecke scharf die Grenze zwischen Gneiss
und Hornblendegestein ; dieser Umstand und seine sehr beträcht-
liche Mächtigkeit mögen die Veranlassung sein, dass er zuerst als ein
Lager aufgefasst wurde; aber abgesehen davon, dass an einzelnen
Punkten, wo das Hornblendegestein eine Ausbuchtung bildet, der
Quarz dieser Ausbuchtung nicht folgt, sondern dieselbe in gerader
Linie durchschneidet, weicht er gegen Süd von dieser Grenze ab
und tritt ganz in die Hornblendegesteine über. Es ist derselbe also
wirklich ein Gang, gerade so wie der nördliche Zug, w^elcher das
Erzgebirge durchschneidet, und der Umstand, dass er weithin die
Grenze zweier Felsarten bezeichnet, verräth nur das ausser-
ordentliche Ausmass der eingetretenen Dislocation und der Ab-
waschung.
Der dritte Quarzzug, der Pfahl, Valium, ist von allen der
beträchtlichste. Einen Theil desselben hat Wineberger verzeich-
net; eine eingehende Darstellung verdanken wir den Arbeiten
Gümbel's.s^
Der Pfahl, oder wie wir ihn zur Unterscheidung vom böhmi-
schen Pfahl nennen wollen, der grosse Pfahl, weicht weniger
von der geraden Linie ab als die anderen Züge. Seine Richtung
ist N. 58" W., seine Mächtigkeit eine wechselnde; in dem gröss-
ten Theile wenigstens seiner nördlichen Hälfte dürfte sie 70 bis
1 1 5 M. im Durchschnitte betraijen. Der Pfahl beginnt am Kolm-
272 Der grosse Pfahl.
berge südöstlich von Amberg, bezeichnet von hier an gegen Süd-
ost auf eine Strecke von etwa 44 Km. die Grenze des Granits
gegen Trias und braunen Jura, tritt dann westlich von Cham ganz
in das archäische Gebiet ein und verfolgt unbeirrt seine gerade
südöstliche Richtung über Viechtach, Grafenau und Freyung bis
an die österreichische Grenze. Die gesammte Länge vom Kolm-
berge bis dahin beläuft sich auf etwas mehr als 150 Km. Die Yer-
theilung der Gesteine auf oberösterreichischem Gebiete und der
vollkommen übereinstimmende Lauf des oberen Mühlthales machen
es aber wahrscheinlich, dass die Dislocation noch weiter gegen
Südost reiche. Gegen Nordwest erstreckt sich weit über Amberg
hinaus in der fortgesetzten Richtung des grossen Pfahls eine Stö-
rung der mesozoischen Schichten, begleitet von einem Gange von
Eisenerz, den Gümbel dem tiefsten Horizonte der Kreideablage-
rungen dieser Gegend zuzählt.
Auch der Pfahl wurde als ein Lager aufgefasst. Es hat jedoch
Gümbel selbst die gewichtigen Bedenken aufgezählt, welche die-
ser Auffassung entgegenstehen, vor Allem seine ausserordentlich
lange, gerade Erstreckung, welche, es darf wohl gesagt werden,
gar kein normales Schichtgebilde, am wenigsten in archäischen
Gebirgen, an irgend einer Stelle Europa's zeigt, und die Wieder-
holung gewisser vorherrschender Streichungsrichtungen nördlich
und südlich vom Pfahl, welche denselben nicht ablenken.^"* Bedenkt
man ausserdem, dass gegen Nordwest eine Dislocation sichtlich
die Richtung des Pfahl's fortsetzt, dass ihm zwischen Kotzing und
Bodenmais in 8 — S'/^ Km. Entfernung ein Parallelzug folgt, dass
der südliche Bruchrand des Gebirges an der Donau ihm ebenfalls
nahezu parallel ist, und dass heute wohl Niemand daran zweifelt,
dass die grossen böhmischen Quarzzüge Gänge seien, so muss
man auch den grossen Pfahl als die Ausfüllung einer grossen Dis-
locationskluft anerkennen.
Es sind viele untergeordnete Quarzzüge neben den grossen
Linien vorhanden, so im Granit von Tirschenreuth. Es treten auch
hier barytische Bleigänge innerhalb des Gebietes der mesozoischen
Brüche auf.
Das schräge Hervortreten grosser Brüche aus der archäi-
schen Masse bleibt bezeichnend für den bairischen Bruchrand und
Sudetische Spuren. -73
veranlasst die grossen Zacken des Umrisses, welche an die schot-
tische Ostküste erinnern. Hierin besteht völliore Wrschiedenheit
von dem einheitlichen östlichen Rande der böhmischen Masse,
welcher, wie wir bereits sahen, als die Fortsetzung des Bruches,
welcher die Sudeten abtrennt, einen geschlossenen Abhang von
Brunn bis an die Donau bildet.
F, Siidetische Spuren,
An dem Gebirgsrande längs der Donau, unterhalb von Regens-
burg, treten nun sehr bemerkenswerthe Erscheinungen auf. Das
Rothliegende, welches wir als den Begleiter des Gebirgsrandes
kennen gelernt haben, erscheint zum letzten Male bei Donaustauf.
Dann kennt man es nicht mehr um den ganzen Südrand der böh-
mischen Masse herum, bis es wieder an dem östlichen Bruchrandc
bei Zöbing nördlich von Krems sichtbar wird. Der Gneiss beginnt
die Donau zu überschreiten und versinkt in der Gegend südlich
von Engelhardtszell in Oberösterreich sehr allmälig unter der ter-
tiären Bedeckung.
Schon weit von Nordwest her erkennt man in Franken, wie
einzelne Glieder der Trias und des Lias an Mächtigkeit abnehmen
und verschwinden. Jenseits von Regensburg aber, der Donau ent-
lang gegen Passau, sieht man, was sonst in dem ganzen Gebiete
nicht gesehen wird, einzelne Schollen des oberen Jura sich un-
mittelbar an die äusseren, der grossen Ebene zugekehrten Ge-
hänge des archäischen Gebirges legen, so namentlich in der Nähe
von Straubing, von Hofkirchen und in grösserer Ausdehnung,
allerdings nur durch unterbrochene Entblössungen unter dem Ter-
tiärlande bekannt, südlich von der Donau bei Ortenburg und noch
näher an Passau. Mittlere und obere Kreide begleiten den Jura
auf dieser Strecke.
Betrachten wir zuerst die Lagerung. Am unteren Laufe des
Regen schliesst sich Jura, etwas Lias und Keuper in steiler Stel-
lung an den Granit, südlich von Regenstauf sind die Schichten
überworfen und fallen unter den Granit. Die letzte mit der Haupt-
masse des fränkischen Jura noch in unmittell^arer Verbindung
stehende Scholle erreicht, steil an Granit gelohnt, zwischen Regens-
Suess, Das Antlitz der l'>(lo. I <S
2 74 Schieb tfolgc bei Passau. Trumsee.
bürg und der Walhalla die Donau. Der Umriss des Granitgebirges
bildet fast einen rechten Winkel. Bei Donaustauf erscheint zum
letzten Male das Rothliegende.
Die vereinzelten Stücke der Juraformation, welche bei Strau-
bing noch von Keuper begleitet sind, haben grosse Störungen
erfahren ; bei Voglarn unweit von Ortenburg ist sogar, wie bereits
gesagt worden ist, eine Synklinale, nach abwärts gerichtete
Falte vorhanden, deren Mitte aus Gneiss besteht, während die
beiden Flügel aus überworfenen Juraschichten gebildet sind, und
unter diese Juraschichten taucht noch die Kreide hinab, welche
auch an dieser ausserordentlichen Bewegung theilgenommen hat.
(S. 182).''
Zugleich tritt, je mehr man sich von Regensburg entfernt, eine
um so grössere Veränderung in der Zusammensetzung der juras-
sischen Ablagerungen ein ; der Lias verschwindet ; mittlerer und
oberer brauner Jura vereinigen in einer Bank sonst getrennte
Formen, wie bei Krakau, und eine Anzahl von Arten, welche mit
dem braunen Jura Krakau's gemein sind, zeigt sich. Ebenso auf-
fallend ist die Veränderung des weissen Jura ; was F. Roemer und
Neumayr vor längerer Zeit vermutheten, kann nach den letzten Ar-
beiten von Ammon und Uhlig als erwiesen gelten, nämlich die Ueber-
einstimmungder Jurabildungen von Passau mit den vereinzelten Vor-
kommnissen von Brunn und mit den Jurabildungen des Gebietes von
Krakau und der einstige Zusammenhang dieser Ablagerungen. ""^
Bei Passau endet diese an das alte Gebirge gelehnte Zone
von Jura und Kreide, aber weit gegen Südsüdwest, gerade dort,
wo eine von Passau gegen Salzburg gezogene Linie den äusserstcn
Saum der Alpen durchschneiden würde, zeigen sich an dem Trum-
see bei Mattsee fremdartige Vorkommnisse, Nummulitenreicher
Grünsandstein, die Fortsetzung der Ablagerungen des Kressen-
berges, bildet hier den vordersten Saum, und aus ihm besteht der
kleine, schroff in den See vortretende Wartberg. Hart an dem
Rande des Sees sind aber an ein oder zwei ganz beschränkten
Punkten Kreideablagerungen mit Belemnitella bekannt, und am
jenseitigen Ufer erhebt sich aus dem Flachlande, südlich von dem
Dorfe Fruham, eine kleine Kuppe von weissem, vielleicht juras-
sischem Kalkstein,^^
Leitzcrsdorf. Olomutschan.- 2 7 S
Durch eine sehr lange Strecke fehlt nun jede ähnliche Spur.
Erst jenseits der Donau wiederholt sich Aehnliches knapp vor
dem äussersten Saume der Alpen. Bei Leitzersdorf, nördlich
von Stockerau, knapp vor den aufgerichteten Schichten des alpinen
Orbitoidenkalksteins, wurde blauer Thon angetroffen, dessen
reiche Foraminiferen-Fauna nach F. Karrer mit dem westphälischen
Senon, der Mucronatenkreide von Lemberg und mit dem böhmi-
schen Baculitenthone übereinstimmt.^^ Unweit davon ragt aus dem
mit fremden Blöcken beladenen Mergel und Schiefer der Flyschzone
ein Stock von lichtem Kalkstein hervor, welcher vielleicht von juras-
sischem Alter ist. Eine steile, glattgeschliffene Blattfläche, welche
nordwestlich streicht, schneidet denselben gegen Süden ab.
Nun beginnt in der Richtung gegen Nordnordost knapp vor
dem äusseren Rande der weithin versunkenen Flyschzone eine
lange Reihe jurassischer Berge, welche steil aus der Ebene herauf-
ragen und über Ernstbrunn, Staats, Falkenstein, zu den ebenfalls
jurassischen Folauer Bergen bei Nikolsburg ziehen. Man trifft hier
die Schichten von Nattheim in Württemberg mit den bezeichnend-
sten Merkmalen wieder, dann lichte, tithonische Kalksteine. Die
Erforschung dieses Zuges ist nicht vollendet.
Endlich erreichen wir die jurassischen Schollen, welche bei
Olomutschan in der Nähe von Brunn theils auf Syenit, theils auf
mitteldevonischem Kalkstein lagern. Die Art ihrer Lagerung lehrt,
dass der grosse Bruch von Brunn und der Syenitstreifen schon
um die Mitte der Juraformation beiläufig in derselben Weise
bestanden wie heute. ,In ihrer Zusammensetzung*, sagt Uhlig am
Schlüsse seiner Untersuchungen über diese Juraschichten, »haben
sie die meiste Aehnlichkeit mit den niederbairischenundschlesisch-
polnischen Jura- Ablagerungen und sind als der letzte Denudations-
rest ehemals ausgedehnter Küstengebilde zu betrachten, welche
die frühere Verbindung der beiden genannten Gebiete durch einen
den Südrand des böhmischen Massivs umgebenden Meeresarm
beweisen. '^5
Weit von dieser merkwürdigen Stelle, an der grossen Bruch-
linie des Riesen- und Isergebirges, liegt bis nach vSachsen hin, wie
bereits erwähnt worden ist, ein Saum von Jurakalk, welcher, be-
gleitet von mittlerer und oberer Kreide, ganz wie zwischen Regens-
1»
*
2 76 Jura in Böhmen.
bürg und Passau streckenweise unter den Granit geneigt ist. Nun
hat G. Bruder gezeigt, dass der Jurakalk von Sternberg bei Zeid-
1er, welcher diesem Saume angehört, die Zonen des Peltoc. bimam-
matum und der OppeUa tenuilobata mit Merkmalen umfasst, welche
dieses Gebiet ebenfalls der polnisch- mährisch -niederbairischen
Region zuweisen. ^^
Dies beweist zunächst, da ältere Theile der Juraformation bei
Brunn horizontal auf Devon und Syenit liegen, dass im nördlichen
Böhmen auf dem Bruche am Fusse des Isergebirges noch spätere
Bewegungen eingetreten sind als an dem Bruche bei Brunn. Es
sind aber ferner diese böhmisch-sächsischen Jurakalke, wie schon
ihre Zusammensetzung beweist, gewiss nicht als Ablagerungen in
einem langen und schmalen Fjord anzusehen ; auch sie sind De-
nudationsreste, durch ihre eigenthümliche Lagerung vor der gänz-
lichen Zerstörung bewahrte Spuren einer weitreichenden Trans-
gression.
So zeigt es sich, dass die Juraformation, welche bei Kurd-
wänow unweit von Krakau unter den Karpathen verschwindet,
südlich von dem Berührungspunkte von Weisskirchen (S. 246,
Fig. 24) mit ähnlichen Merkmalen wiederkehrt, nie von Lias, fast
immer von mittlerer und oberer Kreide begleitet. IJeberall fehlen
die Thone mit Waldh. impressa ; die Zone des Peltoc. bimamma-
tum tritt stets durch ihre Mächtigkeit hervor.
Wir erkennen ein durch viele Merkmale vereinigtes Jura-
gebiet, welches, unbeirrt durch das Vordrängen der Karpathen,
von Czenstochau bis Kurdwänow, bis Brunn, dann aus dem nord-
östlichen Böhmen bis gegen Meissen in Sachsen und an der Donau
bis gegen Regensburg sich erstreckt.
F, Die Be{ielmngcn des Alpeiuystems -{ii seinem nördlichen
Vorlande,
Die russische Tafel lässt sich mit unveränderten Merkmalen
aus dem Norden bis in die Nähe des Ausscnrandes der östlichen
Karpathen verfolgen und scheint unter dieselben hinabzusinken.
Die einzelnen von West gegen Ost gereihten Zonen der Sudeten
treten unmittelbar an den äusseren Rand der Westkarpathen
Beziehungen der Alpen zum Vorlande. 2 7 7
heran; die widerstandsfähigere Juraformation erscheint sogar noch
an dem gefalteten miocänen Vorlande, nur 2 Km. vom Gebirgs-
rande. Kreide, Jura, Trias und Carbon tauchen anscheinend
nacheinander unter die Karpathen hinab; jene Glieder der Sudeten
aber, welche heute orographisch hervortreten, Culm und Devon,
werden bei Weisskirchen von dem Saume der Karpathen berührt,
welcher sich an ihnen zu stauen scheint. Diese stauenden Glieder
der Sudeten reichen südlich von dem Berührungspunkte bis an
den Bruch von Brunn ; es sind aber in Mähren südlich von der
Berührungsstelle einige ziemlich klare Andeutungen des Wieder-
erscheinens von Spuren der versunkenen Jurazone vorhanden.
Wo die Alpen westlich von St. Polten sich der grossen
archäischen Masse am meisten nähern und die Ablenkung gegen
ihre karpathischen Bogen beginnt, dort ist diese Masse nackt;
nicht einmal jene Schollen von RothHegend sind hier bekannt,
welche sonst den Abbruch begleiten. Von Passau an gegen
Donaustauf liegt dann eine Zone von Jurabildungen, welche noch
immer durch einige bemerkenswerthe sudetische Merkmale aus-
gezeichnet sind, und mit derselben trifft man Schollen der nordi-
schen, wahrscheinlich böhmischen Kreideformation ; der Abbruch
der Masse ist überschoben und Bruch und Einklemmung sind
jüngere als die mittlere Kreide.
Das ganze Trias- und Juragebiet vom Fichtelgebirge und bairi-
schen Walde bis zum Schwarzwald und Odenwald ist in grossen und
kleinen Schollen zur Tiefe gesunken und bricht an derDonau endlich
völlig zur Tiefe. Hier, vor dem Hauptbruche, erfolgen noch einige
grosse Kesselbrüche wie im Ries und Höhgau. Die das Senkungs-
feld gegen Ost und West umrahmenden Gebirge ragen als Pfeiler
oder Horste aus der grossen Senkung. Einzelne Brüche dringen
aus dem Senkungsfelde auch in die alten Felsarten der Horste
ein, oft nur als grosse Ou^rzmauern kennbar.
Die Brüche der Absenkung setzen sich nun auch um den
südlichen Schwarzwald in den Tafeljura fort, und wohl mag man
die Art des Vortretens der vordersten, überschlagenen Welle des
Kettenjura (Bötzberg-Profil, S. 150, Fig. 10; Habsburg, S. 151,
Fig. 1 1) als das Anzeichen des thatsächlichen Hinübertretens eines
Gliedes des Alpensystems über das Vorland ansehen.
278 Alter der Einbrüche.
Es ergibt sich aber Folgendes. Oestlich von dem südlichen
Ende der böhmischen Masse scheinen die Alpen sammt dem ganzen
karpathischen Bogen über zwei andere Gebirge hinübergedrängt
zu sein, nämlich über die mesozoischen Zonen der Sudeten und
über die russische Tafel. Ebenso tritt südlich vom Schwarzwald
der Kettenjura über den gebrochenen Tafeljura. Zwischen beiden
Gebieten jedoch, vom Schwarzwalde bis Regensburg, wo man ein
Herübertreten über das fränkisch-schwäbische Senkungsfeld er-
warten sollte, hat sich der ganze den Alpen zunächst liegende
Theil desselben durch den grossen Abbruch längs der Donau ab-
getrennt und dem Auge gänzlich entzogen ; die Ebene bedeckt
ihn. Es ist allerdings möglich, dass dieser Bruch durch das Vor-
dringen der Alpen bewirkt wurde. Die allgemeine Absenkung des
Trias- und Juragebietes in Franken und Schwaben ist aber von den
Alpen unabhängig; das zeigt schon der Umstand, dass sie sich
gegen Paris hin wiederholt.
In diesem ganzen Vorlande sind ctllerdings alte Faltungen
nachweisbar; es sind auch seit der mesozoischen Zeit einzelne
Ueberschiebungen und Einklemmungen, wie am Buchberge bei
Bopfingen, oder bei Voglarn, oder am Fusse des Isergebirges,
eingetreten, ^ber es ist nichts vorhanden, was sich nur annähernd
den grossen tangentialen Bewegungen des Alpenrandes ver-
gleichen Hesse. Die Zerlegung dieser Spannung ist daher in diesem
Gebiete eine sehr ausgesprochene.
Es mag hier vorläufig nur an Gosselet's Meinung über die
Beziehungen des belgischen Kohlengebietes und der Bewegung auf
der Faille du midi (S. 1 86) zu dem dortigen Vorlande erinnert sein
und an Gilbert's Ansicht, dass die Ursache der Bewegung in den
gefalteten Appalachien oberflächlich, in den gesenkten Basin
Ranges tiefliegend sei (S. 144).
An früherer Stelle wurde bemerkt, dass der Einbruch der
Alpen bei Wien und die grossen Einbrüche des Ostrandes über
Graz bis zum Bachergebirge, nach der Beschaffenheit der in die
Bruchfelder eingedrungenen und den Brüchen discordant ange-
lagerten Tertiärschichten zu urtheilen, einer und derselben Stufe
der Tertiärformation, nämlich der Stufe der Braunkohle von Pitten
und Eibiswald mit Mastodon angustidens angehören (S. 178). Diese
Alter des äusseren Bruchrandes. ^79-
Stufe entspricht dem Alter nach sehr genau der Süsswasser-
molasse von Oeningen, welcher die Asche der I löhgau- Vulcane
eingestreut ist. Insbesondere ist es dieselbe Landfauna, welche in
Pitten und in Oeningen angetroffen wird, und welche wohl auch
die Fauna von Sansans genannt worden ist. Die Landfauna des
Süsswasserkalkes von Steinheim und die Vogelfauna des Quellen-
kalkes im Ries gehören, wie die von Fraas ausgeführten Unter-
suchungen derselben zeigen, dieser selben Fauna an.
. Diese inneralpinen und ausseralpinen Einbrüche fallen also
der Zeit nach nahe aneinander, und es ist immerhin möglich, dass
sie ganz gleichzeitigen Ereignissen ihren Ursprung verdanken.
Es gibt einige Anzeichen dafür, dass der äussere Bruchrand
älter sei. Glieder der ersten Mediterranstufe ziehen sich an dem
äusseren Rande der böhmischen Masse von Retz über Eggenburg
und Hörn, wo sie spätere Störungen erlitten haben, in vielen ein-
zelnen Vorkommnissen über Wiedenfeld bei Krems, Melk, Wallsee,
Linz, Ortenburg bei Fassau u. s. w. bis gegen den Donaubruch und
scheinen, so viel ich diese Sache zu beurtheilen weiss, an diesem
Bruche auch eine ähnliche Stellung einzunehmen. Diese Ablage-
rungen sind älter als die Landfauna von Oeningen, Steinheim und
Eibiswald. Sie scheinen in die erwähnten Einbrüche ausserhalb
der Alpen ebensowenig einzutreten als in die alpinen Einbrüche.
Aniiierkungen zu Abschnitt I: Das nördliche Vorland des
Alpensystenis.
» C. Grewiiigk, Geogn. Karte der üstseeprovinzen Liv-, E>th- uiul Kurland;
Archiv für Naturkunde, Dorpat, 1879, Bd. VlII.
2 A. V. Alth, Ueber die pal»Hozoischeii Gebilde Podolien's und deren Verstei-
nerungen; Abhandl. geol. Reichsanst. 1874, VIT, insbes. S. I — 21, und die Ergänzung dess.:
Die Gegend von Nizniow und das Tlial der Zlota Lipa in üstgalizien; Jahrb. geol.
Reichsanst. 1877, XXVII, S. 319—340.
3 Paul, Grundzüge der Geol. der Bukowina; Jahrb. geol. Reichsanst. 1876, XXVI,
S. 328—330.
4 ¥t. Schmidt, Einige Bemerkungen über die podol.-galiz. Silurforraation und deren
Petrefactcn; Bull. Acad. St.-P6tersb., 1875.
5 A. V. Alth, Die Versteinerungen des Nizniover Kalksteines; Beitr. zur Palueont.
von Oesterr.-Ung. von Mojsisovics und Neumayr, 1881, I, S. i83 u. folg.
6 Die Lagerungsverhältnisse in Volhynien sind mir allerdings noch unklar; Os-
sowski's schöne geol. Karte von Volhynien (Fol., Paris, 1880) zeigt gegen West Kreide
und Tertiär; gegen Ost aber, jenseits des Flusses Slucz und in seinem Ouellgebictc
azoischen Quarzit, weiterhin auch Kalk und Schiefer. Der Ouarzit aber liegt unmittelbar
auf Granit.
7 A. V. Alth, Paläoz. Geb., S. 4; ein Profd von Pruth zum Dnie^tr, allerdings h:iuj)t-
sächlich mit Bezug auf die Tertiärbildungen, gibt Petrino, Verhandl. geol. Reichsnnst.
1875, S. 218.
^ Paul, Geol. Bukow., S. 33o.
9 A. G. Nathorst, Ueber die wissenschaftl. Resultate der letzten schwedischen
Exped. nach Spitzbergen (übers, v. Th. Fuchs); Verhandl. geol. Reichsanst. l883, S. 25.
10 Godwin-Austen, Jones, Ramsay, Geikie leugnen den marinen Ursprung
des Old Red und betrachten Scandinavien mit seiner Fortsetzung zu den llebriden als
ein sehr altes Festland; Geikie, ()n the Old Red Sandstone of West. Europe; Trans. Roy.
Soc. Edinb., 1878, XVIII, p. 346, 350.
11 V. Hilber, Geol. Aufnahmen um Lubaczow und Sieniawa in Galizien; Verhandl.
geol. Reichsanst. 1882, S. 3o7.
1-? Ferd. Roemer, Geogn. Beobacht. im polnischen Mittelgebirge, Zeitschr. deutsch,
geol. Ges. 1866, XVIII, S. 667—690, Taf. XIII; J. de Ilempel, Descr. geol. des cnvi-
rons de Kielce, de Chenciny et de Malagoszcz, situes au Centre de la Pologne, Ann. des
Mines, 1867, 6*^' ser, XII, p 141 — 183, mit Karte; E. Tietze, Verhandl. geol. Reichsanst.
|883, S. 3l. Die Umgebung von Chmielnik und Pinczow auf russischem (iebiete ist dar-
gestellt auf der geol. Karte eines Theiles des Gouvern. Kielce von S. Kontkiewicz,
Sprawozdanie z Badan geol. etc., Pamietn. Fizyjgraf. Warszaw., 1882, II, tab. X.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. I. Das nordliche Vorland des Alpensystems. 28 I
»J Zcuschner, Ucber das Vorkommen von Diceras arietiua in Korzetzko bei
Chenciny, Zeitschr. deutsch. i:,'eol. Ges. 1868, XX, S. 576 — 580 ; Ue])er die eigcnthüm-
liche Entwicklung der Triasformation zwischen Brzeziny und Pierzchnica u. s. w. ebendas.
S. 727—740, Taf. XV'; Uebcr die neuentdeckte Silurformation von Kleczanow bei Sando-
mierz im südl. Polen, ebendas. 1869, XXI, S. 257-262, und Geogn. Beschr. der mittleren
devonischen Schichten zwischen Grzcgorzowice und Skaly-Zagaje bei Nowa Slupia, ebendas.
S. 263 — 274; ferner: Ueber den silurischen Thonschiefer von Zbrza bei Kielce, ebendas.
S. 569 — 573 und Karte. Es bleibt mir in der That noch einiger Zweifel darüber, ob nach
Hempel's Darstellung die mesozoischen Schichten an allen Bewegungen des alten Gebirges
hier theilgcnommen haben. J. Trcjdosiewicz, Opis badan geol. etc., Sprawozd. Komis,
fizyjogr. XIII, Krakau, 1879, hat bei Zbrza auch mitteldevonischen Kalkstein angetroflen
und zählt den dortigen Quarzit zum Unterdevon.
14 Ferd. Roemer, Geogn. Beobacht., S. 675; Leth. geogn., 1880, I, S. 23, 49.
15 Resultate dieser Arbeiten sind, soweit sie Devon und Carbon betreffen, zu einer
eingehenden Gesammtdarstellung vereinigt von D. Stur, Die Culmflora, I, S. 91 — io3;
II, S. 317— 366; Abhandl. geol. Reichsanst. 1875-1877, VIII.
16 L. Hohenegger, Geogn. Karte der Nordkarpathen in Schlesien u. s. w., mit
Erläuterungen, Gotha, 1861; dess. : Geogn. Karte des ehemaligen Gebietes von Krakau,
zusammengest. von Com. Fallaux, Denkschr. k. Akad. Wiss. Wien, 1866, XXVI.
17 Ferd. Roemer, Geol. von Oberschlesien; geogn. Karte von Oberbchlesien, in
12 Blättern, 1870.
»8 Es ist in letzter Zeit die Meinung wieder hervorgetreten, dass der schmale, west-
lich vom Syenit liegende Kalk/ug am Schlosse Eichhorn dem Devon zuzuzählen sei (C. v.
Camerlandcr, Verhandl. geol. Reichsanst. l883, S. 57); hieraus würde folgen, dass
nicht ein einheitlicher, sondern zwei oder mehr Brüche an dieser Stelle nebeneinander die
Grenze der Sudeten bezeichnen ; eine weitere Aenderung der hier versuchten Darstellung
würde sich nicht ergeben.
»9 Ferd. Roemer, Geol. von Oiierschlesien, Atlas, Uebersichtskärtchen, Bl. I.
20 W. Jicinsky, Der Zusammenhang der mähr.-schlcs. und der preuss.-schles.
Kohlenformation; aus der (Jest. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen, 1877, ^'^^- '^'
ders.: Der Zusammenhang der einzelnen Klötze und Flötzgruppen im Ostrau-Karviner
Steinkohlenreviere, ebend. 1880, S. 409 u. folg., Taf. XVTI.
21 F. V. Höchst etter, Ueber das Vorkommen von Erdöl und Erdwachs im San-
decer Kreise in Westgalizien; Jahrb. geol. Reichsanst. 1865, XV, S. 206.
22 Entstehung der Alpen, S. 71.
23 D. Stur, Culmllora, S. 3 19, 320.
24 L. Hohenegger 's Karte von Krakau zeigt aufs Deutlichste diese Verhältnisse.
25 Bemerkungen über die Lagerung des Salzgebirges bei Wieliczka; Sitzungsber.
k. Akad. Wiss. Wien, 1868, Bd. 58, l. Abth., S. 544.
26 D. Stur, Vorläufige Notiz über die dyadische Flora der Anthracit-Lagerstätten bei
ßudweis in Böhmen; Verhandl. geol. Reichsanst. 1872, S. 165 — 168.
27 H. Credner, Die geol. Landesuntersuchung des Königreichs Sachsen, 8", 1881,
S. 9. (Aus den Mitth. des Vereins für Erdkunde in Leipzig, 1880.)
2^* Gümbel, Die geogn. Verhältnis>e der fränkischen Alb (aus der ,Bavaria'), 8",
1864, S. 14; Geogn. Beschreibung des Ktiiiigreiches Baiern, II, S. 656 u. folg.; HI, S. 555
u. folg. und an vielen anderen Stellen. Das Hinzutreten des Zechsteins im nördlichen
Theile dieses Gebietes ändert die Sachlage nicht wesentlich; auch F. Beyschlag, Geogn.
Skizze der Umgegend von Crock im Thüringerwalde, Zeitschr. für ges. Naturw. Halle,
Bd. 55, 1882, gibt auf Taf. VIF die Darstellung einer solchen Rothliegend-Scholle und der
Randbrüche; hier ist das Flöt/ jxrmisch.
29 H. Bücking, Gebirg^störungen und Erosi()nser>cheinungen südwestlich vom
Thüringerwalde, Jahib. der k. preu.^>. geol. Landesanstalt und Bergakad. zu Berlin für I8S0,
282 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. I. Das nördliche Vorland des Alpensystems.
I, 1881, S. 60 — 105, Taf. II, III; W. Frantzen, Die Störungen in der Umgegend des
grossen Dollmars bei Meiningen, ebendas. S. 106 — 136, Taf. IV, V.
30 Gümbel, Geogn. Beschreibung Baiems, 11, S. 592. Sie sind: die Culmbacher,
Weismainer, Lichtcnfelser und Staffelsteiner Spalte. Der Verfasser stellt noch viel genauere
Darstellungen dieser merkwürdigen Störungen in Aussicht.
3' Gümbel, Geol. Rundschau von Kissingen (aus dem Werke: Bad Kissingen von
Sotier), S. i3 — 16.
32 E. W. Benecke und E. Cohen, Geogn. Beschreibung der Umgegend von Heidel-
berg, 8", 1881, insbes. S. 595 u. folg.
33 G. Dcffner und O. Fr aas. Die Juraversenkung bei Langenbrückeu (aus dem
N. Jahrb. für Mineral, u. s. w.), 8", Stuttgart, 1859. Nach den ausdrücklichen Angaben
voiv Benecke und Cohen sind hier die Rhein- und Odenwaldspalten getrennt; Knop und
Jordan haben die von Süd nach Langenbrücken gelangende Rheinspalte in der Oden-
waldspalte ihre Fortsetzung ünden lassen: Das rhein.-schwäb. Erdbeben vom 24. Januar
1880, Verhandl. des naturwiss. Vereins zu Karlsruhe, 1880.
34 O. Fraas, Geol. Profil der Schwarzwaldbahn von Zuffenhausen nach Calw;
Württcmb. Jahresh. 1876, XXXII, S. 128.
35 Ders., Vorlage der Eisenbahnprofile Bietigheim-Bruchsal und Rothweil- Villingen;
ebendas. 1872, XX VIII, S. 66.
36 A. R. Ausfeld, Geol. Skizze der Gegend von Rheinfelden, Mittheil. Aargauer
Naturf. Ges. 1882, III, S. 83 — 102; F. Mühlberg, Sammelprofil der Bohrungen, ebendas.
mit Tafel.
37 O. Fraas, Geogn. Beschreibung von Württemberg, Baden und Hohenzollern,
8", 1882, S. XX — XXVI. Eine Reihe wichtiger Anhaltspunkte hat C. Regel mann ge-
sammelt; Trigonom. Höhenbestimmungen u. s. w., Württemb. Jahrb. für Statistik u. s. w.,
1877, V. ,Das Schichtgefälle scheidet den Albkörper in drei dem Streichen parallele
Zonen: in eine nahezu horizontale nördliche Randzone, eine schwach geneigte Mittelzone
und eine stark einfallende südliche Randzone* (ebendas. S. i37).
3^ C. Deffner, Die Lagerungsverhältnisse zwischen Schönbuch und Schurwald,
Württemb. Jahresh. 1861, XVII, S. 170 — 262, Taf. IV, V, insbes. S. 256 u. folg., und in
Ergänzung der Darstellung derselben Gegend: Fraas, Begleitworte zum Atlasblatt Stutt-
gart, 1865; H.Bach, Athisbl. Böblingen, 1868; Deffner, Atlasbl. Kirchheim, 1872, u. And.
39 O. Fraas, Geogn. Beschreibung von Württemberg, S. XIX.
40 G. Deffner und O. Fraas, Begleitworte zur geogn. Specialkarte von Württemberg,
Atlasblätter Bopfingcn und Ellenberg, 40, 1877; ferner: Fraas, Geogn. Beschreibung von
Württemberg, S. XXXI u. 161 ; insbes. über die vulcanischen Erscheinungen im Zusammen-
hange mit dem Baue: Gümbel, Ueber den Riesvulcan und über vulcanische Erscheinungen
im Rieskessel, Sitzungsber. k. Akad. Wiss. München, 1870, I, S. 153 — 200; G. Deffner,
Die Granite in den vulcanischen Tuffen der schwäb. Alb, Württemb. Jahresh. 1873, XXIX,
S. 121 u. folg., und viele andere Schriften. Auch v. Dechen anerkennt den Rieskessel
als Einsturz und fasst auch das Urgebirge im Ries als Theil eines alten Festlandes auf:
Ueber auffallende Lagerungsverhältnisse, Verhandl. naturhist. Vereins Rheinl. Wcstph.,
Sitzungsber. 1880, XXX VH, S. 37. Für Ueberschiebung insbes. G. Deffner, Der Buch-
berg bei Bopfingen, Württemb. Jahresh. 1870, XXVI, S. 95—142, 3 Taf.
4« Cl. King, Rep. on the Geol. Explor. of the 401I» Parallel, 4", 1878, T, ]). 515.
pl. XXHL Die ,rohe bothryoidische Oberfläche, welche aus riesigen schwamnuihnlichen Ge-
stalten aufgebaut .scheint, die sich wie Dachziegel überdecken', entspricht auch ganz und gar
den Ablagerungen des Wallersteins.
42 O. Fraas, Geogr. Karte von Württemberg, Bl. Hohentwiel und Begleitworte, 1879.
43 Elie de Beaumont, Explic. de la Carte göol. de la France, 1841, I, p. 267 — 437.
44 G. Bleicher, Essai de G60I. compar6e des Pyrenies, du Plateau central et des
Vosges; These pres. ä la fac. des Sciences de Strasbourg, 8", Colmar, 1870, p. 71 u. folg.
Anmerkungen zu Th. IF, Abschn. I. Das nördliche Vorland des Alpensystems. 283
45 K. W. Benecke, Ueber die Trias in Elsass-Lothringen und Luxemburg, Abhandl.
zur geol. Specialkarte von Klsass-Lothringcn, 1877, I, S. 794 u. folg., und: Abriss der Geol.
von Elsass-Loth ringen, 8°, Strassburg, 1878, S. 1 10 u. folg.. Sandberger und Platz mögen
als Vertreter von Beaumont's Ansicht, Lcpsius und Laspeyres für die entgegengesetzte
genannt werden.
46 H. Grebe, Ueber das Ober -Rothliegende, die Trias etc. in der Trier*schen
Gegend, Jahrb. k. preuss. geol. Landesanst. für 1881, S. 471 u. folg., Taf. XII; für die
Fortsetzung gegen Metz: G. Steinmann, Geol. Führer der Umgegend von Metz, Jahresber.
des Vereines für Erdkunde zu Metz, IV, 1882, S. 10; auch Benecke's wohlbegründete Be-
merkungen im Neuen Jahrb. für Mineral, u. s. w., 1880, I, S. 222.
47 Mich. L6vy et Ch. V^lain, Sur les failles du revers occidental du Morvan,
Bull. soc. geol. 1877, 3e s6r., V, p. 350—365. Es scheinen im Morvan die Brüche des
Ostrandes weit nach einwärts zu reichen ; sie sind bei Alligny, südlich von Saulieu, mit
Basalt injicirt; ebendas. p. 562 u. folg.; Beaumont, Explic. geol., II, p. 207, 273 und
an and. Ort.; auch Grüner, Essai sur une Chissitic. des principaux filons du Plateau
Central de la France, Ann. des Sciences de la Soc. imp. de Lyon, 1856, 2^ ser., VIII,
p. 202 u. folg.
48 Bei Thiviers in der Dordogne, am südwestlichen Rande des Plateaus, an einem
grossen Randbruchc, sind die Belemniten des Ooliths in Schwerspath verwandelt; Harle,
Note sur la form, jurass. et la position des depöts manganesiferes dans la Dordogne, Bull,
soc. geol. 1864, 2'- s6r., XII, p. ii u. folg.; am SO.-Rande siud die Verwerfungen in den
Coirons bereits gänzlich durch Abrasion geebnet gewesen, als sie von Basalt überdeckt
wurden; Torcapel, ebendas. 1882, 3»-' s6r., X, p. 409, 412.
49 £lie de Beaumont, Explic. carte geol., II, p. 417 u. folg.
50 Daubree, M^m. sur la Relation des Sources thermales de Plombi^res avec les
filons m^talliferes, Ann. des Mines, XIII, 1858; es sei hier nur kurz an die Ouellen
von Kreuznach und von Dürckheim a. d. Hardt erinnert, welche auf den Rhein-
brüchen liegen; die ältesten bekannten Ouellabsätze bestehen auch hier aus Quarz;
Laspeyres, Kreuznach und Dürckheim a. d. Hardt, Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1867,
XIX, S. 803—922, Taf. XII, und 1868, XX, S. 153-204, insbes. S. 188 und 198, 199;
ebenso liegt am Westabhange des Schwarzwaldes, knapp an der Therme von Baden-
weiler, der Gang Haus-Baden auf einem Rheinbruche; Sandberger, Geol. Beschrei-
bung der Umgegend von Badenweiler, Beitr. inn. Stat., VII, 1858, S. 14, 15; Daub
wollte im Jahre 1851 einen Zusammenhang solcher Gangtrümmer so ziemlich durch die
ganze Länge des Schwarzwaldes erkennen und wies damals schon auf den Parallelismus
mit den von Beaumont beschriebenen Verwerfungen der Vogesen hin; Daub,. Die Feld-
steinporphyre und die Erzgänge des Münsterthaies bei Staufen, Neues Jahrb. für Mineral,
u. s. w., 185 1, S. 1—23.
5^ E. \V. Bc necke und E. Cohen, Umgegend von Hci<lelberg, S. 178 u. folg.
52 H. Bach, Beglcitworte zur geol. Karte von Württemberg, Atlasbl. Calw,
1869, S. 18.
5J E. Paulus, Begleitworte zur geogn. Specialkarte von Württemberg, Atlasbl.
Freudenstadt, 4«>. 1866, S. i3.
54 Sandberger, Geol. Beschreibung der Umgebungen der Renchbäder, Beitr. zur
Statistik der inn. Verwalt. des Grossherzogthums Baden, Heft XVI, l863; Vogelgesang,
Geogn. bergmänn. Beschreibung des Kinzigthaler Bergbaues, ebendas. Heft XXT, 4", 1865,
und insbes. F. Sandberger, Untersuchungen über die l'>zgänge von Wittichen im bad.
Schwarzwahle, Neues Jahrb. für Mineral, u. s. w., 1868, S. 388; Sandberger erwähnt in
seiner in Bezug auf die Art der Füllung dieser Gänge so lehrreichen Monographie des
Schapbacher Hauptganges (Untersuch, über Erzgänge, 1882, I, S. 45) eines Gerölles aus
Vogesensandstein, welches zeigt, dass schon vor Ablagerung des letzteren hier Barytgänge
gebildet wurden, läs.^t aber darum den Leser nicht im Zweifel tlarüber, dass die hier
284 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. I. Das nördliche Vorland des Alpensystems.
besprochenen Gänge von jüngerem Alter seien und sich häufig in BuntMUuUtein und Rcttli-
liegendem als quarzige oder barytische Trümmer fortsetzen.
55 J. W. Judd, The Secondary Strata of Scotland, yuart. Journ. (Jeol. Soc. 1S7.?,
1874, 1878, insbes. 1873, p. i3i — 134, pl. VII.
56 A. E. Reu SS, Die geogn. Verhältnisse tles Egercr Bezirkes und des Ascher (ic-
bietes in Böhmen, Abhandl. geol. Keichsanst. 1852, I, S. 3o — 32; J. Jokely, Zur Kcnnt-
niss der geol. Beschaffenheit des Egererkreises in Böhmen, Jahrb. geol. Keichsanst. 1856,
VII, S. 527, 528. Diese grossen Quarzzüge sind auch verzeichnet auf F. von Hau er 's
geol. Karte von Oesterreich.
57 F. v. Hochstetter, Geogn. Studien aus dem Böhmerwalde, IV; Jahrb. geol.
Keichsanst. 1855, VI, S. 767 — 774 und die schematische Zeichnung S. 762.
58 Gümbel, Geogn. Karte des Königreiches Baiern, Bl. IX, Cham.
59 L. Wineberger, Geogn. Beschreibung des bairischen und Xeuburger Waldes,
8", Passau, 1851, und Gümbel, Geogn. Beschreibung des Königr. Baiern, 11, »S. 372 u. folg.,
497» 50^ ^^^ a« ^^^- ^rt-
60 Gümbel, ebendas. S. 377.
öl J. G. Egger, Der Jurakalk bei Ortenburg, aus dem I. Jahresber. des naturhist.
Vereines in Passau für 1857, S. 6 u. folg.; Gümbel, Geogn. Beschreibung des Kiwiigr.
Baiern, II, S. 695; L. v. Ammon, Die Jura- Ablagerungen zwischen Kegensburg und Passau,
Abhandl. des zool.-mineral. Vereines in Regensburg, 1875, ^» ^- 94~97-
6^ F. Roemcr, Geol. Oberschlesiens, S. 276; M. Neumayr, Die Cephalopoden-
fauna der Oolithe von Baiin bei Krakau, Abhandl. geol. Reichsanst. Wien, 1871, V,
^« 50, 51; Ammon, a. ang. Orte, insbes. S. 151 ; V. Uhlig, Die JurabiMungcn in der
Umgebung von Brunn, Mojsisovics und Neumayr, Beitr. zur Paläont. Oesterr.-Ung., iSSi,
I, S. 141— 145. U^ber den Charakter der Kreidebildungcn Carl Gerster: Die Pläner-
bildungen um Ortenburg bei Passau, Nova Acta Acad. Leop. Carol., 1881, XLII, ]>. 57, 58.
Diese entsprechen dem Pläner von Hundorf und Strehlen, dem Baculitenmcrgel und den
Schichten von Kieslingswalda ; aus dem letzteren Umstände wird auch die Möglichkeit einer
Verbindung mit dem norddeutschen Meere über Schlesien als denkbar erklärt. Ferner soll
die Kreideablagerung von Siegsdorf bei. Traunstein weit mehr den Vorkommnissen von
Lemberg und Norddeutschland, als jenen von Böhmen und Sachsen sich nähern.
63 Jurassische Versteinerungen wurden noch nicht gefunden; die Stelle ist erw;ihnt
bei F. V. Hauer, Ueber die Eocängebilde im Erzherzogthum Oesterr. u. s. w., Jahrb. geol.
Reichsanst., IX, 1858, S. 119; sie wurde in neuester Zeit von Frauscher untersucht. Das
Vorkommen der Belemnitellen in dem See ist seit längerer Zeit bekannt.
^4 F*. Karr er, Ueber ein neues Vorkommen von oberer Kreideformation in Leitzers-
dorf bei Stockerau; Jahrb. geol. Reichsanst. 1870, XX, S. 157 — ^.184*, 2 Taf
«^5 Uhlig, a. ang. Orte, S. 145.
t>6 Ct. Bruder, Zur Kenntniss der Jura-Ablagerungen von Sternberg bei Zcidler in
Böhmen; Sitzungsber. k. Akad. Wiss. 1881, Bd. 83, S. 47—49, 2 Taf.
ZWEITER ABSCHNITT.
Die Leitlinien des Alpensystems.
Der Nordnind der Alpen und der Karp.itheu. — Oertlichc Vorschübe des Aussenrandes.
— Umbeiijjunf; des Endes der Karpathen. — Unibeu^'unjj des westsiebenbürgischen Ge-
birges. — Umbeuj;un{j des Appennin. — Sicilien. — Xordafrikanisches Gebirge. — Gibraltar.
— Die betische Cordillere. — Wirbelforniige Anordnung der Leitlinien.
Je mannig-faltiijer die Umrisse der einzelnen Gebirgstheile
sind, welche das nördliche Vorland der Alpen und der Karpathen
bilden, um so bemerkenswerther ist die Einheit der lanjjen und
leicht jjeschwunq^enen Curve, welche den Nordrand des Ketten-
jjebirges bezeichnet, und welche sich auch dort ohne Mühe ver-
folgen lässt, wo in Niederösterreich und Mähren Theile des Aus.sen-
randes zur Tiefe gesunken sind.
Am südlichen Ende des Schwarzwaldes treten die Falten des
Juragebirges mit überbogenem Vorderrande über den gesenkten
Tafeljura.
Innerhalb des Juragebirges, an dem ganzen äus.seren Saume
der Alpen und auch in den Karpathen kündigt sich, welches auch
die Beschaffenheit des Vorlandes sei, das Vordringen des Gebirges
durch einen oder mehrere lange Faltensättel in den miocänen Ab-
lagerungen an. Es ist überflüssig, hier von der Wölbung der
Schweizer Molasse zu sprechen. Die Schwierigkeiten, welche sich
durch lange Zeit der Verfolgung dieser Falten in den weichen und
daher leicht zerstr)rbaren Miocänschichten gegen Osten entgegen-
setzten, sind in neuerer Zeit dadurch behoben worden, dass ge-
rade in diesem äusseren Saume bercfmännische Arbeiten den a;c-
wünschten Aufschluss lieferten. Gümbers Quorprofil durch das
286 Ueberfaltung des karpathischcn Aussenrandcs.
Leitzachthal zeigt in den kohlenführenden Tertiärschichten dieses
Saumes bei Miesbach zwei oder drei nordwärts überschobene
Falten/ Sehr weit davon, in den Gruben von Wieliczka, haben in
gleicher Weise Paul's Untersuchungen das Vorhandensein von
zwei oder drei spitzen und nordwärts überschobenen Falten nach-
gewiesen, welche die eigenthümliche Lage der Salzflötze in dem
miocänen Tegel erklären/ Noch weiter gegen Ost liegt ebenso
an dem äusseren Saume der Karpathen die wichtige Lagerstätte
von Ozokerit bei Boryslaw in einem antiklinalen Sattel des mio-
cänen Salzthones. Mit Recht hebt Paul hervor, dass diese beiden
wichtigsten Productionsorte des galizischen Bergbaues, nämlich
der Salzbergbau von Wieliczka und die- Ozokeritgruben von Bo-
ryslaw, unter dem Einflüsse derselben tektonischen Erscheinung
stehen. ,Derselbe nordwärts wirkende Gebirgsschub, der die Salz-
flötze von Wieliczka zu steilen Falten zusammenbog, richtete auch
den Schichtensattel von Boryslaw auf und schuf so die Bedin-
gungen zur Ansammlung eines Productes, durch dessen Ausbeu-
tung bereits Millionen gewonnen wurden.'^
Allgemein ist die Regel, dass die bauwürdigen Mengen von
Erdöl sich auf den Antiklinalen angesammelt vorfinden, und die
Ozokerit- und Erdölzone von Boryslaw setzt sich weit gegen
Osten, stets dem äussersten Saume des Gebirges folgend, bis
Sloboda rungurska und Lucza, also bis südlich von Kolomea fort,
und noch viel weiter, wo in der Wallachei die Karpathen beginnen,
sich aus Nord — Süd gegen Nordost — Südwest umzubeugen, setzt
sich dieselbe Erscheinung, hier noch in viel jüngeren Schichten,
den Congerien- und Paludinenschichten fort. Im Flussgebiete des
Slonik, nördlich von Buzeu, in dem südöstlichen Theile der Kar-
pathen, stehen nach Cobalcescu die salzführenden Thone steil
aufgerichtet und die discordant ihnen vorliegenden Paludinen-
schichten sind in Falten gelegt, welche, der Beugung des Gebirges
entsprechend, von Nordost gegen Südwest streichen.'*
Die Molassefalten der Schweiz liegen innerhalb des Jura-
gebirges; jene des Leitzachthaies in Baiern liegen südlich von
Regensburg und von dem Anschlüsse des grossen Donaubruches
an dem überbogenen Bruchrand der archäischen Masse; die
Falten von Wieliczka befinden sich in unmittelbarer Nähe der
Oertliche Vorschübe des alpinen Ausscnrandcs. 287
mesozoischen Zonen der Sudeten, welche gerade hier unter die
Karpathen hinabzusinken scheinen, und sie setzen sich fort
durch das ganze Gebiet, in welchem die russische Tafel das Vor-
land bildet.
Genauere Prüfung zeigt freilich einige untergeordnete Be-
irrung in dem sonst so stetigen Verlaufe dieser äusseren Curve.
Diese Beirrung wird durch das örtliche raschere Hervortreten ein-
zelner Gebirgstheile herbeigeführt. Wo die Flysckzone aus der
Schweiz nach Oesterreich übertritt, in der Gegend des Bodensees,
tritt in flacher S-förmiger Beugung die östliche Fortsetzung um
ein gutes Stück über die westliche Streichungsrichtung vor. Die-
ses Vortreten des Aussenrandes entspricht im Innern des Gebirges
der Schleppung des Rhaetikon an der Rheinlinie (S. 183, Fig. 15)
und dem Einstürze des Prättigau.
Aehnliches wiederholt sich bei Salzburg. Die Flyschzone ist
versenkt, aber deutlich erkennt man, dass sie an der Salzach, wo
sie wieder hervorragt, weiter nach Norden gerückt ist.
Noch schärfer bemerkt man dieses bei Wien; an dem Durch-
bruche der Donau tritt der nördlich von dem Fli^sse liegende Theil
der Flyschzone um 2 — 3 Km. mit seinem Aussenrande über die
Fortsetzung des südlichen Aussenrandes vor.
Dies sind Verschiebungen im Sinne von Blattflächen. Sie
gehen aus tangentialer Bewegung hervor, wie die überschobenen
Randfalten selbst ; abertrotz der massgebenden Bedeutung, welche
diese Bewegung für das ganze Streichen und den Bau dieser
grossen Zonen hat, scheinen sie, auch abgesehen von den ofter-
wähnten örtlichen Einbrüchen, nicht frei zu sein von langen linearen
Brüchen. Der um dieKenntniss der westlichen Alpen hochverdiente
Lory sucht sogar in grossen Senkungsbrüchen den wesentlichen
Zug des Aufbaues dieses Theiles der Kette. Zwei derselben hat
Mojsisovics im Salzkammergute verfolgt ; weitere Studien müssen
zeigen, wie weit und unter welchen Formen die tangential bewegte
Masse hier zugleich gesenkt ist."*
A. Umbeiigung des Endes der Karpathen.
Schon vor mehreren Jahren konnte es ausgesprochen werden,
dass die tangentiale Kraft nicht nur in den Alpen, sondern in
288 Umbeugung des Endes der Karpathcn.
Pluropa überhaupt vornehmlich gegen Nord gerichtet sei, mit Ab-
weichungen gegen West und gegen Ost. Wir werden sehen, dass
durch seitherige Arbeiten dieses Ergebniss für die damals betrach-
teten Gebirgstheile vollkommen aufrecht bleibt, dass aber neue
Erfahrungen sich hinzufügen, welche das Gesammtbild des Alpen-
systems doch gar wesentlich verändern.
In den westlichen Theilen der Alpen, wurde damals gesagt,
ist die bewegende Kraft gegen West gerichtet, in der Ostschw^eiz,
in Baiern und bis Wien gegen Nord, in den Karpathen gegen
Nordwest, Nord, Nordost, endlich rein gegen Ost, so dass nord-
südliches Streichen eintritt und die Gebirgskette einen weiten
Bogen beschreibt.
Nun wurde eben erwähnt, dass an dem südöstlichsten Aussen-
rande der Karpathen, in der Wallachei, gegen Südwest streichende
Falten auftreten. Noch viel weiter gegen West, imPrahovathale, ist
Flysch und in demselben Acanthoceras mamillare bekannt,^ und
es scheint sich eine volle Umbeugung zu vollziehen. Die mir be-
kannt gewordenen Beobachtungen sind jedoch zu unvollständig,
um erkennen zu lassen, in welche Beziehungen die Flyschzone
hier zu dem höchst verwickelten Gebirgszuge tritt, welcher von
den Stromschnellen der Donau durch das östliche Serbien zum
Balkan zieht. ^
Bleiben wir nun auch auf wallachischem Boden heute noch in
Zweifel über das volle Maass der Umbeugung der tangentialen
Bewegung, so ist in Siebenbürgen für eine innere Parallelkette
bereits Sicherheit erlangt. Es hat nämlich Loczy gefunden, dass
der westsiebenbürgische, innerhalb des karpathischen Bogens sich
erhebende Gebirgsstock gegen Ost, Südost und auch gegen Süd
von einer gefalteten Zone von Flysch mit regelmässigen Auf-
brüchen von Klippenkalk umgürtet ist, welche innerhalb der Krüm-
mung des Marosflusses bogenförmig hinstreicht. ^
Hier vollzieht sich thatsächlich volle l'mbeugung gegen Süd.
Es erleidet innerhalb des pannonischen Gebietes die tangentiale
Bewegung eine Ablenkung von beiläufig 2 '/, Quadranten oder 2 2 5°.
Dieses Ergebniss fordert zur neuerlichen Betrachtung des süd-
lichen Endes des Appennin auf.
Der Appennin. 280
B. Umbeugung des Endes des Appennin,
Das Kalk- und Sandsteingebirge der Basilicata erreicht im
Golf von Tarent das jonische Meer ; die äussersten Ausläufer der
Kalkberge reichen etwa bis Spezzano; was südlicher folgt, ist ein
aus Granit, Gneiss und älterem Schiefer bestehendes Gebirge mit
den Merkmalen der älteren Felsarten unserer Alpen. Wir betrach-
ten nur das südlichste Stück, den Stock des Aspromonte, welchen
die beiden Busen von Squillace und S. Eufemia abschnüren. Die
Westseite ist abgebrochen ; diese, sowie den Kamm bilden die
älteren krystallinischen Gesteine. Am östlichen Gehänge, oder
vielmehr gegen SO. und nur gegen Sinopoli auf die Höhe über-
greifend, schliesst sich eine sehr unterbrochene Schieferzone an.
Auf diesen älteren Felsarten erscheinen vereinzelte Schollen von
tithonischem Kalkstein, zuweilen mit Nerineen, und von cenomanen
Ablagerungen mit afrikanischem Typus, endlich in etwas grösserer
Ausdehnung tertiäre Flyschsandsteine mit eihem kleinen, Anthra-
cotherium -führenden Kohlenflötze. Alle diese Transgressionen
gehören dem Südosten und Süden des Aspromonte an, und sie
reichen bis an die südlichste Spitze in der Gegend von Mellito.
Sowohl die älteren krystallinischen Felsarten, als die Schiefer-
zone greifen nach Sicilien hinüber, wo sie den Kern des pelorita-
nischen Gebirges bis über Cap Calavä hinaus bilden, wie es
Seguenza so genau beschrieben hat.^ Auch die Transgressionen
erscheinen wieder, so insbesondere mehrere Schollen der afrika-
nischen Cenomanbildungen, welche in der Umgebung von Bar-
celona dem alten Gebirge auflagern. Zugleich schliesst sich aber
eine ausgezeichnete Zone von Sedimentbildungen an den äusseren
Rand der Schieferzone, in welcher man das Rothliegende, die
Dolomite der Triasformation, rhätische Schichten mit Spirigera
oxycolpos u. A., zwei oder drei petrefactenführende Stufen des
Lias, dann Tithon und Neocom unterscheidet. Cap S. Alessio im
Südosten und Militello im Westen bezeichnen am besten den
Verlauf dieser Zone. Südlich folgt dieser eine Höhenzone von
tertiären Flysch bergen, deren Fuss von den Laven des Aetna
bespült wird.
Suess, Das Antlitz der Erde. '9
2QO Sicilisches Streichen.
Obwohl ich selbst das Vergnügen gehabt habe, unter der
Führung des Herrn Seguenza diese merkwürdige Zone zu be-
suchen, welche in ihrer Zusammensetzung mehr als irgend ein Theil
des Appennin an die Ostalpen erinnert, habe ich wegen der ver-
hältnissmässig geringen Längenerstreckung derselben bis jetzt
nicht gewagt, weitergehende Schlüsse an ihr Auftreten zu knüpfen.
Seither hat sich die Kenntniss von dem Baue der sicilischen
Gebirgszüge beträchtlich erweitert. Es ist insbesondere aus Gem-
mellaro's wichtigen Untersuchungen bekannt geworden, dass die
Triasformation der Ostküste durch die Madonien sich fortsetzt und
dann, in zwei grosse Züge gabelförmig getheilt, einerseits längs
der Nordküste bis zum M. S. Giuliano bei Trapani, andererseits
gegen SW. bis in die Nähe von Sciacca reicht. Sie bildet an
vielen Orten die Unterlage einer mannigfaltigen Reihe von rhä-
tischen, jurassischen und cretacischen Ablagerungen und ist oft
durch Fossilien, insbesondere durch Daonellen und Halobien kenn-
bar. Die tiefsten Lagen erscheinen am M. S. Elia, an der Nord-
küste in der Nähe von Bagheria, O. von Palermo. '°
Ebenso ist seither durch eine neuere Arbeit Mottura's auf
weite Strecken hin sowohl am Südrande der Madonien, als auch
weiter gegen SO. über Raddusa gegen den Westrand der Ebene
von Catania, und im SW. gegen Caltanisetta das Hervortauchen
mächtiger Massen von Flyschgesteinen, von Argille scagliose mit
Fucoiden, von Albarese, Sandstein und Nummulitenkalkstein in
früher kaum vermutheter Ausdehnung nachgewiesen worden."
Nachdem nun sogar von Boschetello bei Vizzini cephalopoden-
reicher Neocom als die Unterlage jener Hippuritenkalksteine be-
kannt geworden ist, welche gegen SO. bis zum Cap Passaro
streckenweise sichtbar sind," wird man sich der Meinung nicht
mehr verschliessen dürfen, dass die südwärts geneigte Verrucano-
und Triaszone des Cap Alessio thatsächlich als ein Theil des
Schichtenkopfes einer weitgestreckten Kalkzone anzusehen ist.
Wenn nun die Einheit des Aspromonte in Calabrien und des
peloritanischen Stockes in Sicilien ausser Zweifel steht, wie die
gegenseitige Lage, die Umbeugung der allerdings lückenhaften
calabrischen Schieferzone und die Identität der cretacischen Trans-
gressionen zeigt, so folgt hieraus, dass die gefalteten Sediment-
Fortsetzung durch Dak'hcla. 2QI
bildungen am Aussenrande des Appennin unter einem Theile des
jonischen Meeres eine scharfe Beugung gegen West erfahren.
Und nun sehen wir uns plötzlich vor ein neues Problem ge-
stellt. Im Nordosten Siciliens erblicken wir ein Fragment alter kry-
stallinischer Felsarten, umgürtet von einer aus Calabrien herüber-
reichenden Zone von Schiefer; dieser folgen Zonen von Verrucano,
Trias, rhätischer Stufe, Lias bis Neocom, Alles auf ein ziemlich
schmales Band zusammengedrängt, das kaum über Taormina
herabreicht; dann folgen die Flyschgesteine. Zuerst erscheinen
sie als ein ansehnlicher selbständiger Saum bis in die Nähe des
Aetna, dann sinken sie unter die jüngeren Bildungen hinab, ent-
hüllen sich nur stellenweise und lassen wohl auch ihre Unterlage,
Hippuritenkalk und Neocom, zu Tage treten.
Ein Theil der horizontalen jüngeren Tertiärschichten findet
seine leicht erkennbare Fortsetzung auf dem tafelförmigen Malta.
Die Fortsetzung des Eocän- und Kreidegebirges aber liegt, wie
Coquand schon vor vielen Jahren ganz richtig erkannte, im nörd-
lichen Afrika.'^ Weit zieht sich von dort das Vorgebirge Dak'
heia mit dem Cap Bon gegen Sicilien herüber; es ist zum grossen
Theile aus Neocom und Flysch zusammengesetzt, wie die Vor-
kommnisse am Cap Bon selbst, bei Zaghouan und an der Südseite
gegen den Golf von Hammamet lehren."*
Dort also haben wir unsere Vergleichungen fortzusetzen.
C. Die nordafrikanische Kette.
Unter den Felsarten, aus welchen das grosse nordafrikani-
sche Kettengebirge aufgebaut ist, bemerken wir nun zuerst eine
Reihe jüngerer vulcanischer Vorkommnisse, welche da
und dort als Inseln aus dem Meere aufragen, an einzelnen Stellen
aber auch auf das Festland übergreifen.
Wir treffen zunächst, schon in einiger Entfernung vom Lande,
auf die schroffe, 350 M. hohe Insel Galita und die sie begleiten-
den Riffe und kleineren Inseln. Mit Ausnahme einer steil aufge-
richteten Scholle von dunklem Kalkstein und Schiefer besteht die
ganze Insel aus Trachyt und einem dunklen, doleritähnlichen
Gesteine. '^
19*
■ - »^'^
2Q2 Vulcanische Zone in Nordafrika.
Weiter gegen West liegt die Fortsetzung auf dem afrikani-
schen Festlande; ich erwähne die basaltischen Massen von Dellys
in Kabylien. Noch weiter, westlich von Algier und der Ebene der
Mtidja, greifen diese Gesteine etwas tiefer in das Land. Sie er-
scheinen im Gebiete von Milianah sogar in drei getrennten
Zonen, deren erste am Meere bei Scherschel und an anderen
Orten, die zweite am Südrande der landeinwärts folgenden ersten
Ketten von Bergen der Kreideformation, und die dritte, süd-
lichste mit einer Länge von mehr als 50 Km. am Südfusse der
nächsten Kette der Kreideformation, der grossen Sra Kebira,
liegt. '^
Auch in Oran treten vulcanische Gesteine auf, und zwar
Trachyte und Basalte. Hier stehen sie in inniger Verbindung mit
jüngeren Tertiärschichten und sogar mit einer älteren Abtheilung
der quaternären Bildungen. Die Trachyte scheinen im Allgemeinen
etwas älter zu sein als die Basalte. '^
Die Insel Habibas besteht aus Mühlsteintrachyt.'^
Noch weiter gegen West zeigen sich zu beiden Seiten des
Wadi Tafna grössere Basaltmassen; in der Basaltinsel von Ain-
Temouchent, an der Grenze von Oran und Tlemcen, ergiessen
sich Basaltströme über quaternäre Lagen mit Landschnecken. '^
Die Insel Raschgoun liefert Puzzuolane und glasigen Feld-
spath/°
Auch bei Nemours treten wieder grössere Basaltmassen
hervor.
Die Djafarän-Inseln, westlich von Nemours, bestehen aus
Trachyt und Phonolith." Auf der sehr kleinen Insel Alboran,
welche weit entfernt von der Küste liegt, trifft man ein steil auf-
gerichtetes Stück einer geschichteten Scholle, wie es scheint von
jungem sedimentären Ursprünge, und darüber eine Lage von
olivinhaltiger Felsart."
Es ist also auf den Inseln und längs der Küste diese Reihe
jüngerer Eruptivbildungen bis weit gegen West nachweisbar.
Als eine nächste, doch etwa mit Ausnahme der kleinen Insel
Plane, westlich von Oran, schon ganz dem Ufersaume des Fest-
landes angehörige Zone unterscheiden wir eine Reihe von Vor-
kommnissen älterer Felsarten, nämlich Gneiss und älteren Gra-
Gneiss des Dj. Edough, Kabylien, Algier. 2 93
nit, Glimmerschiefer und Thonschiefer mit Lagen von körnigem
Marmor.
Die erste Gneissmasse ist jene des Dj. Edough, westlich
von Bona. Sie ist durch den Fetzara-See südwärts begrenzt. Ihr
gegenüber, an der Westseite des Golfes von Stora, bestehen die
,Sieben Caps* bei Collo aus Granit und Quarzporphyr. Die süd-
lich folgende Schieferzone reicht vom Edough, der Küste ziemlich
parallel laufend, über Philippeville, dann südlich von Collo biis
gegen Djidjelli im Golf von Bougie, wo an der Küste wieder
Quarzporphyr sichtbar wird.*^
Die nächste ist die grosse kabylische Gneissmasse, west-
lich vom Busen von Bougie, welche mit den begleitenden älteren
Schiefern das ganze Gebiet des bei Dellys mündenden Wadi Se-
baou umfasst. Sie erhebt sich landeinwärts bis zur Höhe von
1420M. und bleibt daher beträchtlich niedriger als der sie südlich
umgebende und überragende gewaltige Schichtenkopf des aus
Kalkstein bestehenden Djurdjura, dessen Höhen zwischen 1730 und
2517 M. schwanken. Die kabylische Gneissmasse ist stellenweise
durch transgredirende, nummulitenführende Schichten verdeckt,
doch bleibt sie in drei grösseren Gruppen sichtbar, deren südliche,
die älteren Schiefer inbegriffen, von West nach Ost 54 Km. bei einer
mittleren Breite von 1 6 Km. erreicht. Gegen Dellys und das Meer hin
scheint sie vollständig von tertiären Ablagerungen bedeckt zu sein.**
Das nächste Auftauchen älterer Felsarten ist besonders be-
zeichnend für die Art des Einbruches der jetzt unter dem Meere
begrabenen Theile dieses grossen Gebirgszuges. Sowie zwischen
der Bucht von Neapel und jener von Salerno die Landzunge von
Sorrent mit der Insel Capri hervorragt, zwei selbständige Einsen-
kungen als Horst abgrenzend, ragen östlich und westlich von der
Bucht von Algier zwei Halbinseln ins Meer hinaus, im Osten Cap
Matifou, im Westen die Halbinsel von Bouzar^a, und jedes dieser
Vorgebirge besteht aus je einem Stücke der Schieferhülle der
versunkenen Masse von Algier. So wenigstens allein kann ich die
vielfach vorliegenden Darstellungen auffassen. Auf Bouzarea ist
die sichtbare Masse alter Felsarten viel bedeutender als auf Cap
Matifou; man sieht hier eine Folge von granatführendem Glimmer-
schiefer, Talk- und Thonschiefer, mit einer mächtigen Einschaltung
2 94 Mostaganem, Räs-el-Deir, Ras Torf.
von dunkelblauem Kalkstein ; gneissartige Zwischenlagen und
vereinzelte kleinere Granitvorkommnisse innerhalb des Schiefers,
wie sie am Edough und im peloritanischen Gebirge bekannt sind,
werden auch hier angetroffen. Die Lagen neigen sich bei Algier
gegen Süd, und die Steilheit ihrer Neigung nimmt südwärts zu.
Auf der Höhe von Bouzar^a ist das Streichen bogenförmig ge-
krümmt. Dieses Fragment ist südwärts durch die Ebene der
Mtidja vom Kalkgebirge getrennt.^^
Noch weiter gegen West, an der Westseite der Bucht von
Mostaganem, in dem Küstensaume von Oran, erscheinen grani-
tische Gesteine, fein gefältelte, seidenglänzende Thonschiefer,
Kalkstein und galmeiführender Dolomit unter einer Gruppe von
rothem Schiefer und von Ouarzsandstein. Diese älteren Felsarten
bilden viele Küstenpunkte westlich von Oran, ziehen sich in der
Richtung der Küste fort und treten nach Bleicher in den Höhen
südlich von Nemours auf.*^
Auch weiter südlich von Nemours, gegen Oudjda, treten
ältere Felsarten in längerem Zuge auf einer Antiklinale hervor,
welche, der Richtung des Gebirges folgend, über die marokkani-
sche Grenze streicht. Auch hier gibt es vereinzelte Granitvor-
kommnisse im Schiefer.''^ Dem östlichen Theile des Gebirges fehlen
so tiefgreifende innere Aufbrüche, wie es scheint, gänzlich.
Verfolgen wir die Meeresküste, so zeigt sich auf marokkani-
schem Gebiete nach Coquand's mühevollen Beobachtungen Fol-
gendes. Während die ebengenannten Gebirgsfalten von Tlemcen
gegen WSW. landeinwärts fortstreichen, bleibt eine Reihe von
Aufbrüchen alter Felsarten dem bogenförmig'gekrümmten Meeres-
saume treu, ohne tiefer in das Land einzudringen. An den Vor-
gebirgen erscheinen die ältesten Glieder, so auf dem weit vor-
ragenden Räs-el-Deir (Cabo tres Forcas) bei Melilla; Ras Torf
(Cabo Negro) nördlich von Tetuan hat seinen Namen von dem
dunklen, granatführenden Glimmerschiefer, welcher hier, begleitet
von Thonschiefer und jüngeren Granitgängen, auftritt. Dieselben
alten Felsarten bilden das Vorgebirge von Ceuta, welches sich
vom Dj. Mousa abzweigt.
So erreichen die alten Felsarten längs des Südufers des Mittel-
meeres die Strasse von Gibraltar; landwärts sind sie hier von altem
Djaritz. Rother Sandstein. ^QS
Sedimentgebirge begleitet, welches den grössten Theil der Ufer-
strecke von Tetuan bis durch das Rif hinab innerhalb der eben
erwähnten noch älteren Schollen zu bilden scheint, und an einer
Stelle, bei Djaritz oberhalb Tetuan, hat Coquand Reste von Tri-
lobiten, Orthoceras, Orthis u. A. in einem höheren Gliede dieser
Zone getroffen. Ihr Streichen geht dabei allmäligaus ONO. — WSW.
in Süd-Nord über.**
Das nächste Gebirgsglied ist, abgesehen von vereinzelten
Vorkommnissen von Kohlenkalk, welche Bleicher in Oran anführt,
ein dunkelrothes Conglomerat oder rother Sandstein, in welchem
man fossile Stämme angetroffen hat, und welches von Pomel für
permisch gehalten, von Bleicher noch zum Carbon gezählt wird.
Es erscheint dasselbe über dem Schiefer und unter dem mesozoi-
schen Kalkgebirge im nördlichen Theile der Provinz Constantine,
dann auf dem Dj. Khar, d. i. dem Löwenberge bei Oran, am Cap
Falcon, über dem Schiefer des östlichen Tlemcen und an anderen
Orten. Im Westen umgibt ein von Ferne sichtbarer Bogen von
rothem Sandstein von Tetuan an, und wie es scheint auch durch
das Rif, die Uferzone der alten Schiefergesteine. Es ist sehr
möglich, dass diese rothe permische Serie jener mächtigen
rothen Schichtfolge im Süden des Landes und des hohen Atlas
entspreche, welche Fritsch als , Wan s er o -Sandstein* be-
zeichnet.'^
Ueber diesem rothgefärbten Gliede liegt das hohe Kalk-
gebirge. Dass ein tiefster Theil desselben wenigstens im Osten
der Trias zufällt, ergibt sich trotz des Mangels an Petrefacten
aus der Ueberlagerung durch den Lias; eine Anzahl von Be-
obachtern hat dies anerkannt.^" Lias ist an mehreren Punkten im
nördlichen Theile der Kette bekannt; jurassische Bildungen nehmen
einen grösseren, jene der Kreide- und Eocänformation aber den
grössten Antheil an dem Aufbaue jener gewaltigen Faltungen,
aus welchen sich die südwärts durch die Niederung der Hodna
und eine Reihe von Schotts getrennte Gebirgskette zusammen-
setzt. Ihr Streichen ist von Tunis an weithin unausgesetzt WSW.,
bis etwa im marokkanischen Rif jene Beugung gegen Nord eintritt,
welche wir bereits in den inneren Zonen kennen gelernt haben,
und welche den Abschluss des Mittelmeeres bewirkt.
2q6 Gefaltete Kalkzonc; Sebcha*s und Sahara.
So kommt es, dass nach Coquand das Cap Spartel aus Flysch
besteht, dass Desguin so wie Lenz auf der ganzen Strecke von
Tanger bis Meknfes und Fes nicht auf ältere Schichten als
höchstens auf solche des oberen Jura gestossen sind, und dass die
einzigen mesozoischen Fossilien, welche Desguin südlich von
Tanger antraf, dem Horizonte der Ostrea scyphax angehören.^*
Auf französischem Gebiete ist in der Entwirrung der Falten
des Kalkgebirges bereits ganz Ausserordentliches geleistet wor-
den, wie denn überhaupt die Entzifferung der Structur der nord-
afrikanischen Ketten durch französische Geologen zu den erfreu-
lichsten Leistungen auf dem Gebiete der beschreibenden Geologie
gezählt werden darf und den Betheiligten zur grössten Ehre
gereicht.
Hier ist es nicht nöthig, auf die Einzelheiten des Faltenbaues
einzugehen ; es verdient aber erwähnt zu werden, dass nach den
schönen Karten Brossard's jene Querverbindung, welche im Ge-
biete von Bou Saada südwestlich von der Hodna, von dem nörd-
lich von den Sebcha's liegenden Gebirge zu dem südlichen her-
überzieht, ebenfalls aus Falten zusammengesetzt ist, welche das
Streichen der Hauptketten haben und quer abgesunken sind.
Mit einer Regelmässigkeit, wie man sie etwa im Juragebirge
anzutreffen gewohnt ist, streichen die Falten durch das Gebirge
nördlich von den Sebcha's, und an seinem Rande zeigen sich sehr
junge tertiäre Schichten, welche an den Störungen theilgenommen
haben.^^
Südlich von der Zwischenebene der Sebcha's erhebt sich das
gefaltete Gebirge abermals zu beträchtlichen Höhen, es ist aber
in demselben keine ältere Ablagerung nachgewiesen als oberer
Jura, lieber diesem folgt Neocom, dann, etwa im Niveau des
Gault, eine grosse Mächtigkeit von flyschartigem Sandstein, dar-
über die mittlere und obere Kreide. Das Cenoman besteht aus
Gyps, Mergel und Kalkstein, die höheren Kreideglieder aus Kalk-
stein. Gegen Ost tritt Eocän hinzu.
Von Figuig weit im Westen an der Grenze von Marokko, bis
über Laghouat hin, wo dieses Gebirge Djebel Amour heisst, endet
dasselbe nach Rolland's Angaben steil und geradlinig mit nord-
östlichem Streichen gegen die unermessliche Sahara ; der Aussen-
Appenninischcr Bau der afrikanischen Kette. 207
rand besteht aus gegen SO. geneigten Schichten von Kreidekalk-
stein, dem äusseren Abfalle einer grossen Sattelfalte. Gegen
Biskra ist der Umriss weniger geradlinig, der Bau des Gebirges
aber derselbe.^^
Wir erkennen demnach in den nordafrikanischen Ketten eine
Anzahl von parallelen Zonen. Die erste ist die vulcanische, zum
grossen Theile inselförmig aus dem Meere hervorragend, von der
Insel Galita im Osten durch eine Reihe einzelner Punkte vertreten
bis zu den Djafar^-n-Inseln in der Bucht von Melilla im Westen.
Die zweite Zone, öfters in der Gestalt von Halbinseln ins Meer
hervorragend, besteht aus mehr oder minder fragmentarischen
Vorkommnissen von Gneiss, Granit und altem Schiefergebirge,
vom Edough bis zum langen Räs-el-Deir und, der Krümmung des
Ufers folgend, bis zu den Säulen des Hercules. Den Zusammen-
hang der einzelnen Glieder dieser Zone haben französische Geo-
logen längst erkannt, und Pomel hat sie in einem Gesammtbilde
dieses Gebirgszuges schon vor mehreren Jahren trefflich geschil-
dert.^* lieber dem Schiefergebirge liegt rothes, für permisch oder
carbon gehaltenes Conglomerat und rother Sandstein ; dann er-
heben sich die schroffen, hohen Schichtenköpfe des gefalteten
Kalkgebirges, welches südwärts bis zur Hodna und darüber hin-
aus bis zur Sahara reicht. Es wiederholt sich, südwärts ge-
wendet, in Nordafrika der Bau des Appennin.
Auch hier ist die Zone der krystallinischen Felsarten einge-
brochen bis auf wenige Reste und ist das gefaltete Gebirge land-
einwärts gestaut ; auch hier bezeichnen vulcanische Gesteine die
Region der Einbrüche, welche auch hier, wie an der Westküste
Italiens, nicht nach langen Linien, sondern in vereinzelten Kesseln
erfolgt zu sein scheinen, wie die aus den Trümmern der älteren
Gesteine bestehenden Vorgebirge anzeigen.
Von diesen, den Mittelmeerküsten folgenden Ketten scheint
jedoch der hohe Atlas, so weit er überhaupt bekannt ist, nicht
nur dem Streichen, sondern auch der Zusammensetzung nach sehr
verschieden zu sein. Er entfernt sich mit westsüdwestlichem
Streichen weit von dem nördlichen Gebirge, welches bei Gibraltar
sich nordwärts kehrt, und erreicht im Cap Ghir die atlantische
Küste.
298 Das südliche Spanien.
D. Die betische Cor diller e.
Im Rif und bis zu den Säulen des Hercules schwenken die
nordafrikanischen Ketten in grossen Bogen gegen Nord und
führen uns nach Europa zurück.
Das südliche Spanien zerfallt in drei natürliche Gebiete; das
erste ist die Region der Ketten der betischen Cordillere, welche
mit ostnordöstlichem Streichen die Küste des Mittelmeeres be-
gleiten; dann folgt das etwa in gleicher Richtung verlaufende Thal
des Guadalquivir, und jenseits dieses Flusses liegt der scharf ge-
zeichnete Südrand der grossen iberischen Meseta, welcher der-
selben Richtung folgt. Diese ausgedehnte Meseta, deren wichtig-
stes Glied im Süden die Sierra Morena ist, gleicht in der weiten
Verbreitung archäischer Felsarten, der Lückenhaftigkeit der meso-
zoischen Serie, in dem das Streichen der Felsarten durchschnei-
denden Umrisse, und in der weiter im Norden hervortretenden
Transgression des Cenoman ganz und gar der böhmischen Masse
oder dem französischen Centralplateau, und die Sierra Morena
erhebt sich gegen den äusseren Rand etwa so, wie das Mannhart-
gebirge in Niederösterreich.
Unsere Aufmerksamkeit ist zunächst den betischen Ketten
zugewendet, und um ihren Bau zu schildern, soll derselbe Weg
verfolgt werden, den ich soeben bei Besprechung des nordafrika-
nischen Gebirges einzuschlagen versucht habe. Auch hier wollen
wir uns vom Mittelmeere her dem Festlande nähern und die ein-
zelnen Zonen aufsuchen und verfolgen.
In dem am weitesten entgegentretenden Theile des Fest-
landes, dem Cabo de Gata, begegnen wir einer ziemlich ausge-
dehnten Kette junger vulcanischer Vorkommnisse, durch deren
Eruption die südöstliche Küste der Provinz Almeria bis in die
Nähe von Mojacar gebildet wurde und welche sich von da in ver-
ein zelten Punkten nordöstlich über Vera hinaus fortsetzen.^- Kleinere
Vorkommnisse von vulcanischen Felsarten sind noch weiter gegen
NO. in der Nähe der Meeresküste sichtbar, und östlich von Car-
tagena wird nach Botella's Darstellung das kleinere, aus altem
Schiefer bestehende Felsenstück, welches im Cabo de Palos endet.
Vulcanische Zone. Schiefergebirjje. ^QQ
durch eine Kette vulcanischer Höhen vom Festlande getrennt.
Auch die kleinen Riffe in der Lagune Mar Menor bei Cartagena
bestehen aus Trachyt und Basalt.^^
So ist also der ganze südöstliche Rand der iberischen Halb-
insel von Cabo deGata bis Cabo de Palos mit jungen vulcanischen
Bildungen besetzt; mit Ausnahme der Umgebung von Lissabon
ist auch kein Theil der Küste heftigeren und häufigeren Erschütte-
rungen der Erde ausgesetzt als dieser.^^
Dieser vulcanischen Zone folgt landeinwärts ein sehr ausge-
dehntes Schiefergebirge, mit geringer Entwicklung von Gneiss,
hauptsächlich aus granatführendem Glimmerschiefer, Talk- und
Thonschiefer und aus Lagen von krystallinischem Kalkstein zu-
sammengesetzt. Dieses Schiefergebirge beginnt im Osten mit dem
schon erwähnten Rücken zwischen Cabo de Palos und Cartagena,
zeigt sich in einzelnen Aufbrüchen nördlich von dieser Stadt und
setzt sich gegen SW. fort. Dann bildet dasselbe mehrere sehr
grosse antiklinale Sättel, welche von ONO. gegen WSW. streichen.
Der erste dieser grossen Sättel oder Aufbrüche ist die Sierra Al-
hamilla, der nächste, nördlich von dieser, die weite Sierra de los
Filabres.^^ Es reiht sich weiter an dieselben die grösste Wölbung
dieser Art, die mächtige Sierra Nevada. Auch diese besteht
nach den Angaben von Ansted^^ und Drasche^° aus einer ein-
fachen, gegen West allmälig an Höhe zunehmenden, dann steil
endigenden Antiklinale von Glimmerschiefer, Thonschiefer und
altem Kalkstein. Gonzalo hat diese grosse Masse neuerdings
genau beschrieben und gezeigt, wie sie gegen SW. ihre weitere
Fortsetzung in der schroffen Sierra de Almijara in der Nähe der
Küste findet.'*'
Zwischen dem südöstlichen Theile der Sierra Nevada und dem
Meere erhebt sich aber noch die durch ihren Reichthum an Blei
und Zinkerzen berühmte Sierra de Gador, westlich von Almeria,
welche eine triadische Scholle ist.^'
Es erstreckt sich nun das alte Schiefergebirge weit in die
Provinz Malaga, bis endlich, begleitet von Gneiss, Granit und
archäischem Schiefer, oberhalb Marbella ein grosser Serpentin-
stock sichtbar wird. Dieser ist nach Mac Pherson's eingehender
Beschreibung gegen NO. gegabelt, nimmt an dieser Seite Antheil
300 Betische Kalkzone. Gibraltar.
an der halbkreisförmigen Umrahmung der Hoya de Malaga und
bildet gegen Südwest den ausgedehntesten, wenn auch nicht den
höchsten Theil der Serrania de Ronda. Er fällt steil zum Meere
ab; bei Marbella sieht man noch am Meeressaume einen schmalen
verworfenen Saum von Schiefer und mesozoischen Schichten. Ein
ebenfalls von Verwerfungen begleiteter Saum von stark gefal-
teten dolomitischen Lagen, die für paläozoisch gehalten werden,
begleitet die alten Gesteine der Serrania de Ronda und westlich
von Marbella, bei Manilba, enden in der Nähe des Meeresufers der
Serpentin und der alte Dolomit.^^
Hiemit ist das Gebiet der älteren Felsarten in der betischen
Cordillere abgeschlossen. Niemals hat man in diesem ausgedehn-
ten Schiefergebirge bisher organische Reste angetroffen, obwohl
auf der gegenüberliegenden Meseta nahe dem Rande, z. B. in
der Nähe von Alcaräz in der Provinz Murcia, von Verneuil schon
vor vielen Jahren silurische Petrefacten nachgewiesen worden
sind. Dieser so vielfach an alpine Vorkommnisse mahnenden
Schieferzone folgt' nun eine Zone von mesozoischem und eocänem
Alter, welche von Verwerfungen vielfach durchschnitten und in
hohem Grade gefaltet ist.
Wir betrachten zuerst die vereinzelte Kalkscholle von Gib-
raltar. Bei einer Untersuchung dieses Punktes haben kürzlich
Ramsay und Geikie das gegenüberliegende afrikanische Ufer be-
sucht, dort den bereits erwähnten alten Thonschiefer bei Ceuta
mit westlicher Neigung angetroffen und sich von der Ueberein-
stimmung des Djebel Mousa oberhalb Ceuta, d. i. der zweiten
Säule des Hercules, mit dem Felsen von Gibraltar -in Streichen
und Gestein überzeugt. Wir haben also anzunehmen, dass diese
höchst wahrscheinlich jurassische Kalkzone von Afrika nach Eu-
ropa herüberstreicht. Der Fels von Gibraltar selbst, welcher von
einer grossen Verwerfung durchschnitten ist, streicht erst Süd —
Nord und weiter gegen Nord wendet sich sein Streichen mehr und
mehr gegen Nordost.'**
Dieser Richtung folgend, erreichen wir den nördlicheren, aus
mesozoischem Kalkstein und eocänen Schichten bestehenden, hoch
aufgefalteten und von zahlreichen im Streichen liegenden Brüchen
durchsetzten Theil der Serrania de Ronda, deren südlicher archäi-
Faltung der betischen Cordillere. ßO I
scher oder paläozoischer Theil bereits erwähnt worden ist. Dieser
Gebirgstheil ist der Gegenstand mehrerer inhaltsreicher Schriften
von Mac Pherson geworden/^ In welchen auch zum ersten Male
hervorgehoben wurde, dass der ganze Gebirgszug des nördlichen
Afrika nicht durch eine Bewegung der Massen gegen Nord, son-
dern durch eine süd- oder südostwärts gerichtete Bewegung ge-
bildet worden sei/^
Die betische Cordillere ist als ein nord- oder nordwestwärts
gefaltetes Gebirge anzusehen; ,das gewaltige Phänomen der Fal-
tung, der Brüche und der einseitigen Structur, welche die Zusam-
mensetzung aller Sierren, welche die Cordillera B^tica bilden,
beherrscht, scheint mir,* sagt Mac Pherson, ,einfach das Ergebniss
jenes ausserordentlichen seitlichen Druckes zu sein, welcher diesen
Theil der Erdrinde gegen die bereits zur Faltung unfähige Masse
der centralen spanischen Meseta presste. . /^^
Die Verwerfungen, welche die Serrania de Ronda durchsetzen,
und welche die stark gefalteten einzelnen Streifen des Gebirges in
einzelnen Fällen in sehr abnorme Stellung zu einander gebracht
zu haben scheinen, können diese schon durch die Vertheilung der
Felsarten im Grossen vorgezeichnete Auffassung nicht beirren.
Sie enthält ihre weitere Bestätigung in den weiter gegen Nord-
ost gesammelten Beobachtungen, insbesondere durch das von
Ortuega veröffentlichte Profil über die Sierra de Abdalagis nörd-
lich von Alora in der Provinz Malaga.'*^ Diese mesozoische Zone
streicht gegen ONO. über Lorca und Murcia und nördlich von
diesen Städten, wenn auch mehrfach von jungtertiären Ebenen
unterbrochen, fort und erreicht in der Provinz Alicante das Meer.
Den äusseren, nördlichen Saum der betischen Cordillera
begleiten in den Thälern des Guadalete und des Guadalquivir
zunächst heftig gefaltete tertiäre Schichten. Endlich sinken sie
unter die Ebene; es folgen die AUuvien des Guadalquivir und bei
Sevilla ist der steile Rand der Sierra Morena und der centralen
Meseta erreicht.
Man trifft demnach in diesem Theile der iberischen Halbinsel,
vom Mittelmeere landeinwärts schreitend, zuerst eine Gruppe
jüngerer vulcanischer Bildungen von Cabo de Gata bis Cabo de
Palos, dann eine gegen Ostnordost streichende Zone von altem
302 Anordnung der alpinen Leitlinien.
Schiefergebirge , welchen wir die Serpentinmasse der Serrania
de Ronda sammt den begleitenden älteren Felsarten zuzählen und
deren hervorragendstes Glied die Sierra Nevada ist. Sie reicht von
Malaga bis Cabo de Palos. Dieser Zone folgt eine Zone von
mesozoischem Kalkstein und eocänen Schichten, welche vom Fel-
sen von Gibraltar mit seinem bogenförmig gekrümmten Streichen
über die nördlichen Theile der Serrania de Ronda gegen die Sa-
gra Sierra sich fortsetzt und bis in die Provinz Alicante zieht.
Ausserhalb dieser Zone liegen die gefalteten Tertiärschichten der
Ebene des Guadalquivir, dann folgt der Fluss, dann die entgegen-
stehende Meseta.
Das ist dieselbe Reihenfolge, wie sie im nördlichen Afrika,
im Appennin, in den Karpathen mit geringen örtlichen Abände-
rungen angetroffen wird. Die betische Kette wendet dem Mittel-
meere den abgebrochenen Innenrand zu, an welchem vulcanische
Eruptionen stattgefunden haben; der gefaltete Aussenrand ist
gegen die Meseta gerichtet.
Ob diese Kette, wie mehrfach vermuthet worden ist, ihre
Fortsetzung in den Balearen findet, wage ich trotz der vorliegen-
den trefflichen Studien über diese Inseln nach dem verwickelten
Baue derselben nicht zu entscheiden.
E. Die Anordnung der Leitlinien,
Die weitgehende Uebereinstimmung in der Structur dieser
Ketten und die eiq-enthümliche und wiederholte Ablenkunof der
Falten laden zu dem Versuche ein, absehend von allen neben-
sächlichen Abweichungen, in dem Verlaufe jener grossen Fal-
tungen der Erdrinde in Südeuropa, welche unter dem Namen des
Alpensystems zusammengefasst worden sind, die hauptsächlichen
Streichungslinien, gleichsam die Leitlinien der Falten, aufzusuchen
und zu verzeichnen.
Die nebenstehende Figur gibt hievon einen allerdings rohen
und sehr schematischen Versuch.
Ein nach Nordwest convexes Bogenstück zeigt das Jura-
gebirge; sein südliches Ende ist den Nordalpen entschieden näher
Jura. Alpen. Karpathcn. 3^3
als das nordöstliche. Die Bewegung der Falten ist nach aussen
gerichtet.
Die Alpen beginnen westlich von Genua; innerhalb des Jura-
gebirges dehnt sich der Bogen ihrer Faltungen erst gegen Nord,
dann mehr und mehr gegen Ost. Es sind hier mehrere concen-
trische Leitlinien eingezeichnet, entsprechend dem Anschaaren
mehrerer Ketten in dieser Region. Die nördlichste dieser Linien
wendet sich um das südliche Ende der böhmischen Masse und
bildet den Bogen der Karpathen, welcher übertritt über Theile
der Sudeten und der russischen Platte. Auch auf dieserJJnie ist
die Bewegung stets nach aussen gerichtet, erst gegen West und
Nord, wie im vorliegenden Juragebirge, dann mit allmäliger Wen-
dung aus Nord wieder mehr gegen Nordwest in Mähren, dann in
— «^....
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Fin. 26. Sc hrm.iti s i r tc r Entwurf tl o r Leitlinien des A 1 pensy ste m s.
Galizien gegen Nord, endlich in der Moldau und der Wallachei
gegen Ost und Südost.
Eine andere Leitlinie verläuft aus den Alpen längs des Platten-
sees gegen Nordost; das ist die Linie des ungarischen Mittel-
gebirges; die Bewegung ist hier gegen Nordwest gerichtet.
In Siebenbürgen verzeichnen wir innerhalb des Buges des
Maros-Flusses ein Bogenstück, welches gegen Ost und Süd ge-
wölbt ist; es ist dies der Rand des siebenbürgischen Erzgebirges.
Die faltende Kraft ist auch nach aussen, d. i. gegen Ost, Südost
und Süd gerichtet.
304 Appennin. Nordafrika. Betische Kette.
Die letzten Beobachtungen Toula's im westlichen Balkan
verrathen einen so ausserordentlich verwickelten Bau, dass ich es
noch nicht unternehmen kann, diese Betrachtungen auf den Balkan
auszudehnen/'
Der Appennin scheint in der Bucht von Genua mit einer
Krümmung gegen Nord zu beginnen; dann wendet sich der Ge-
birgszug gegen Südost; die faltende Kraft ist hier gegen Nordost
gewendet.
In Sicilien ziehen wir ein Linienstück beiläufig von Ost gegen
West; es entspricht jenem Gebirgsstücke, dessen archäischer,
mit den calabrischen Gebirgen übereinstimmender Kern in dem
nordöstlichen Theile der Insel sichtbar ist; hier geht die faltende
Kraft gegen Süd.
Als eine Fortsetzung dieses Bruchstückes erscheint die gegen
WSW. laufende Linie des nördlichen Afrika; sie beugt sich im
Westen gegen Nord. Auf dieser Linie ist die Faltung gegen Süd,
dann, entsprechend der Beugung, mehr und mehr gegen West
gerichtet.
Diese Beugung tritt bei den Säulen des Hercules nach Eu-
ropa herüber und scheint eine volle Verbindung zwischen den
Falten des nördlichen Afrika und jenen der betischen Cordillere zu
vermitteln.
Die Leitlinie dieser Cordillere streicht gegen ONO. ; die Fal-
tung ist gegen NNW. gewendet.
Will man die alten Massen von der iberischen Meseta bis
zur russischen Platte als Nordgrenze des Alpensystems ansehen,
so ist hiemit die Reihe der langen Hauptfalten geschlossen; will
man, da ja auch im Innern der besprochenen Ketten fremde
Massen, wie die von Mojsisovics kürzlich betonte serbisch-croati-
sche Masse, keineswegs zu fehlen scheinen, auch die Pyrenäen in
dieser Gruppe von Gebirgszügen nennen, so erhält man noch
eine lange, beiläufig von WNW. nach OSO. verlaufende Linie, in
welcher die faltende Kraft nach NNO. gerichtet zu sein scheint.
Auf diese Weise ergibt sich eine Anzahl von Linien, welche
auf eine sehr eigenthümliche Weise wirbeiförmig angeordnet
und mit Ausnahme der Pyrenäen alle in demselben Sinne gefaltet
sind. Die Mitte dieses Wirbels liegt südwestlich von Genua.''*'
Westliches Mittelmecr und Ungarn. 305
So lange man nur die in Europa liegenden Theile des Alpen-
systems betrachtet, scheinen sie allerdings mit geringen, den
äussersten Theilen der Ketten angehörigen Ausnahmen nach Nord-
west, Nord oder Nordost bewegt. Schon in Sicilien hat sich aber
das Verhältniss geändert ; die Einbeziehung der nordafrikanischen
Kette ändert vollständig das Bild.
Die Art der Auffassung dieser grossen Curven bedarf aller-
dings noch einer Erläuterung. Bei dem stetigen Verlaufe des
äusseren Umrisses der meisten dieser Ketten und den vielfachen
Unterbrechungen, welche die inneren Zonen erleiden, wurde neben
dem Streichen etwa der Mitte der gefalteten mesozoischen Aussen-
zone der äussere Umriss als Anhaltspunkt zur Verzeichnung der
Curve gewählt. Darum kommt z. B. die grosse Verschiebung,
welche innerhalb der Alpen vom oberen Tessin gegen Nordost
sich zu vollziehen scheint, gar nicht zum Ausdrucke. Von eben so
grossem Einflüsse ist dies für die Linie des Appennin. Nachdem
man auf Corsica durch Dieulafait die Länge der rhätischen Zone
kennen gelernt und Lotti gezeigt hat, dass die Serpentine Cor-
sica's ein eben so hohes Alter besitzen als jene der See-Alpen
und Ligurien's, und dass sie vielleicht nur die Fortsetzung der
alpinen Vorkommnisse seien, welche sich bis Elba und möglicher-
weise noch weiter bis Giglio und zum M. Argentario erstrecken
könnte, hat die Ansicht Boden gefasst, dass die wahre Fortsetzung
der alten calabrischen Gesteine auf Corsica zu suchen sei.^'
Ohne weiteren Untersuchungen vorgreifen zu wollen, will
ich bemerken, dass der äussere Umriss des Appennin nicht für
eine solche Erklärung spricht, dass es nach den heutigen Beob-
achtungen vielmehr scheint, als seien hier Bruchstücke eines selb-
ständigen, an die Innenseite des Appennin anschaarenden Gebirgs-
zweiges vorhanden, dass aber selbst in dem Falle der Bestätigung
dieser neueren Ansicht die wesentlich auf das Streichen der äus-
seren Zonen begründete Anlage dieser Curven hiedurch nur wenig
beeinflusst würde. "^^
Um so bemerkenswerther ist aber gegenüber den Beobach-
tungen auf Corsica die Thatsache, dass in Sardinien die Merk-
male eines ausseralpinen Landstriches immer mehr in den Vorder-
grund treten, wie namentlich durch Bornemann's Nachweis von
Sufss. D.is Antlitz drr Krdc. 20
3o6 Transgressionen innerhalb der Curven.
transgredirender ausseralpiner Trias in dem südwestlichen Theile
der Insel, welche mir sehr an die rothen transgredirenden Schollen
der iberischen Meseta zu erinnern scheint."
So bleiben in diesem Theile der Mittelmeer-Region mehrere
wichtige Fragen offen. —
Zwei Umstände mögen hier noch betont werden.
Der erste ist die auffallende Uebereinstimmung des west-
lichen Mittelmeerbeckens mit der ungarischen Ebene.
Jedes dieser Gebiete liegt innerhalb des Bogens einer grossen
Erdfaltung, umgeben von zahlreichen grösseren und kleineren Ein-
brüchen, welche mit Vulcanen besetzt sind und bald mehr, bald
weniger tief in den paläozoischen, den mesozoischen Kalkgürtel oder
in den Flyschgürtel eingreifen, die, bald mehr, bald weniger deutlich
von einander gesondert, den gefalteten Wall zusammensetzen.
Der zweite Umstand besteht darin, dass trotz der augen-
scheinlichen Jugend mancher sehr grosser und allgemeiner Be-
wegungen dennoch dieses Gebirgssystem gewiss nicht ganz und
gar einer jungen Zeit angehört. Auf den entblössten älteren Fels-
arten finden sich nämlich Transgressionen vor, welche in vieler
Beziehung an die Transgressionen auf den Horsten des Vorlandes
mahnen.
Mittlere und obere Kreide und Oligocän bezeichnen zwei
Hauptstufen der Transgression im ausseralpinen Deutschland. In
Kärnten und westlich von Graz liegen Kreideschichten unmittel-
bar auf Devon und noch älteren Gesteinen. In Kärnten und Krain
dringen oligocäne Ablagerungen von dem Alter der Schichten von
Sangonini und von Castel Gomberto in das Gebiet der Triaskalke
und der krystallinischen Schiefer. Am Col de Chaberton in den
Cottischen Alpen liegen mitten in Gebieten, deren Felsarten für
sehr alt gehalten werden, Kalksteine der Kreideformation. Bei
Genua liegt eine grosse oligocäne Flyschmasse auf granitischen
Gesteinen; die Kohle mit Anthracotherium magnum liegt bei Sa-
vona unter dieser Flyschdecke unmittelbar auf Granit. Die Trans-
gressionen im östlichen Calabrien und das Uebergreifen der afri-
kanischen Cenomanschichten auf den Granit im nordöstlichen
Sicilien habe ich bereits erwähnt. Auf die kabylische Masse greift
der Flysch.
Transgressionen innerhalb der Curven. 3^7
Ebenso findet man innerhalb dieser grossen Curven einzelne
Strecken, auf welchen solche Transgressionen sichtbar sind. An
dem inneren grossen Bruchrande der Karpathen, auf den verein-
zelten Stöcken von Gneiss und Glimmerschiefer, welche im nord-
westlichen Siebenbürgen, südlich von dem Trachytgebirge von
Nagy-Bänya, hervortreten, beginnt die Transgression mit ober-
cretacischen Schollen.^^ In Croatien, dann bei Fünfkirchen und in
mehreren Theilen des südlichen Ungarn trifft man auf eine Anzahl
völlig ausseralpiner Merkmale.
Gerade diese Thatsache, das Wiedererscheinen gewisser
Transgressionen innerhalb der grossen Leitlinien der Gebirgs-
züge und sogar auf den älteren Zonen dieser Gebirgszüge selbst,
wie in Kärnten und in Sicilien, ist von wesentlicher Bedeutung und
lässt sich ohne die Vergleichung anderer Gebirgsketten nicht be-
urtheilen.
Die alpinen Linien sind nicht ganz ohne Parallele auf der
übrigen Erdoberfläche. Die nächste Annäherung an eine solche
Anordnung findet sich, so weit die heutigen Erfahrungen reichen,
in der Art der Umrandung des caraibischen Meeres.
Die Leitlinien anderer grosser Gebirge sind nun aufzusuchen.
Bevor jedoch dieser Versuch unternommen wird, bleibt das grosse
Senkungsfeld zu betrachten, in dessen Tiefe das adriatische Meer
liegt, welches mit seinen grossen gegen innen überschobenen Bruch-
linien bis über den See von Idro, bis Meran und bis Idria in die
Alpen hereingreift, und durch welches die Beziehungen der auf
Fig. 26 nicht verzeichneten dinarischen Gebirgszüge zu den Alpen
in so hohem Masse beeinflusst werden.
20*
Anmerkungen zu Abschnitt II : Die Leitlinien des Alpensystems.
' Gümbel, Ausflugskarten in das Tertiärgebiet von Miesbach und in den Hoch-
gcbirgsstock zwischen Tcgcrnsee und "Wendelstein; gewidmet der deutschen geol. Ges.;
München, 1875.
2 K. M. Paul, Ucber die Lagerungsverhältnisse in Wicliczka; Jahrb. geol. Reichsanst.,
XXX, 1880, S. 688.
3 Ders., Die Petroleum- und Ozokeritvorkommnisse Ost-Galiziens; ebendas. XXXI,
1881, S. l63.
4 G. Cobalcescu, Geol. Untersuchungen im Buzeu'er Districte; Vcrhandl. geol.
Reichsanst. 1882, S. 227—231.
5 E. V. Mojsisovics, ebendas. i883, S. 3.
6 Verhandl. geol. Reichsanst. 1877, S. 71.
7 P. Lehmann hat im Fogarascher Gebirge nur eine gegen N. und S. abfallende
Antiklinale von alten Felsarten getroffen; Beobachtungen über Tektonik und Gletschcr-
spuren im Fogarascher Hochgebirge, Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1881, XXXIII, S. 109
— 117, Taf. XIV.
8 Loczi, L., Jelent6s a Hegyes-Drocsa-Hegys6gben tctt földtani Kirandulasokröl ;
Földtani Közlöny, 1876, 80, Budap., S. 22, 23.
9 G. Seguenza, Brcve nota int. le formazione primaric e secondarie della Prov.
di Messina; Bollet Comit. giol. dTtil. 1871, II, p. 49, 97, 145 (vgl. Anmerk. zu I, Ab-
.schnitt II, S. i38, Note 19), und insbes. Cortese in Bollet. Comit. geol. 1882, p. 348.
«o G. G. Gemmellaro, Sul Trias della Regione occid. della Sicilia, Accad. di
Lincei, 1881 — 1882, 3o ser., XII; aus Gerollen sind auch vortriadischc Ccphalopoden be-
kannt geworden, welche solchen aus dem Sandstein von Artinsk zunächst stehen; Mojsi-
sovics, Verhandl. geol. Reichsanst. 1822, S. 3i.
>» Mottura, Appendice alla Memoria sulla Formazione terz. nella zona solfifera di
Sicilia; Mem. r. Comit. geol. 1872, II, p. 5 — 8.
»2 R. Travaglia, La sezione di Licodia-Eubea e la serie dei terr. nella regione
S. PI. della Sicilia, Bollet. 1880, XI, p. 250, 597; Ippol. Cafici, ebendas. p. 495.
»3 An mehreren Orten, so z. B. in Coquand, Descript. geol. de la partie septentr.
de l'emp. du Maroc, Bull. soc. g6ol., 1847, 2« s6r., IV, p. 1189, und: Sur la format. cr6tac.
de Sicilc, ebendas. 1866, 2^ ser., XXIII, p. 497—504.
>4 A. Pomel, Le Sahara, Observ. de g6ol. et de geogr. phys. et biol. avec des
aper^us sur 1' Atlas et le Soudan; Publ. de la soc. de climat. d'Alger, 1872, p. 32;
G. Stäche, Geol. Touren in der Regentschaft Tunis, Verhandl. geol. Reichsanst. 1876,
S. 34— 38; Tchihatcheff, Espagne, Algerie et Tunisic, 80, Paris, 1880, p. 495.
»5 Ich folge hier der Darstellung von V61ain, Constit. g<^ol. des ilcs voisincs du
litoral de l'Afrique, du Maroc h la Tunisie, Comptes rend. 1874, t. 78, p. 73. Rcnvu
hat vor längerer Zeit eine geol. Karte der Insel veröffentlicht und die porphyrartigen Varie-
täten des Trachytes für Granit angesehen; Explor. scientif. de l'Algerie, 40, 1848, Geologie,
p. 61, pl. II. Auch Issel hat auf Galita Granit verzeichnet und betrachtet die Insel als eine
Fortsetzung Sardinien's; Ann. Mus. civ., Genova 1879—80, XV, p. 250.
'6 A. Pomel, Descript. et Carte g^ol. du Massif de Milianah; Soc. de Climatol.
Algörienne, 1872, p. i3o — 138.
»7 Bleicher, Rech, .sur Torigine des Clements litholog. des tcrr. tcrt. et quat. des
cuv. d'Oran, Comptes rend. 1874, t. 78, p. 700, und: Note sur la geol. rles environs d'(^ran,
Bull. soc. g^ol. 1875, 3« s6r., III, p. 187—195.
Aumerkungcu zu Th. II, Al>schn. II. Die Leitlinien des Alpensystems. ^qq
»<* Vilain, a. ang. Orte p. 72.
»9 Pouyanne, Notice j^'eul. sur la subdivis. de Tlemcen; Ann. des Mines, 1877,
7c .s«ir., XII, p. i38.
20 V ciain, a. anj:j. Orte p. 71, und: Sur un feldspath orthose vitreux des pouzzolanes
de nie Rachgoün, Comptes rend. 1874, t. 79, p. 250.
21 V^lain, a. ang. Orte.
2^ F. M. Davila, Isla de Alboran; Boletin de la Comis. de Mapa j^eol. d'Ksp.,
1876, IIT, p. 177—179-
23 Eine höchst ausführliche Schilderung des Kdou^h hat Coquand geliefert; Descr.
geol. de la prov. de Constantine, Mem. j-oc. geol. 1854, 2^' scr., V, p. 12 u. folg.; die Schiefer-
zone bei L. Hardouin, Sur la g^ol. de la subdiv. de Constantine, Bull. soc. g6ol. 1868,
2« ser., XXV, p. 328, pl. V; auch Parrant, Carte g(iol. du d6p. de Constantine par Tissot,
ebendas. 1882, 3^ ser., X, p. 299 — 3o6.
24 A. Peron, Sur la constit. geol. des Montagncs de la grande Kabylie. — Sur
les roches du inassif d'Alger et d'autres points du littoral afric. Bull. soc. geol. 1867,
2«- scr., t. XXTV, p. 627—652; Note von P. Marcs, ebendas. 1867, 2« ser., t. XXV,
p. 135, und insbes. L. Ville, Etudes geol. faitcs dans la Kabylie, ebendas. t. XXV,
p. 251—276, pl. III.
25 Renou, Descr. geol. de TAlg., p. 66—74; Profil des Vorgebirges, pl. III, Fig. 22;
P. Marcs in Bull. soc. geol. 1861, p. 365 — 368 u. a. and. Ort. — Cap Matifou hat kürz-
lich Tchihatcheff etwas ausführlicher besprochen in: Espagne, Algerie et Tunisie,
p. 206 u. folg.
26 Pouyanne, Tlemcen, p. 84, l35.
^7 Bleicher, Rcchcrches sur les terr. antcrieurs au jurassicjue dans la prov. d'Oran;
Bull. soc. geol. 1880, 3t? scr., VIII, p. 3o3 — 309. Hier scheint es auch, z. B. bei Ncdroma,
an der Strasse SO. von Nemours, nicht an Contacterschcinungen zwischen Granit und
Schiefer zu fehlen; Chiastolith- und Andalusit-führende Schiefer treten in diesem (lebicte auf.
28 H. Cocjuand, Descr. geol. de la partie septentr. de l'empire du Maroc, Bull,
soc. geol. 1847, 2*^ scr., t. TV, p. l 198 — 1205. Lenz hat kürzlich Thonglimmerschiefer bei
Ceuta erwähnt; Mittheil, der afrikan. Ges. 1880, II. S. 76.
29 V. Fritsch, Uc])er die geol. Verhältnisse von Marokko; Zeitschr. ges. Naturwiss.
1881, 3. Ser., VI, S. 204.
30 Z. B. Coquand, Prov. de Constantine, p. 44 — 60; Maroc, p. 12 18.
3' Mourlon, Estjuisse geol. sur le Maroc, 18 pp., aus dem Bull, de l'Acad. roy.
de Belgique, 1870, 2*^' ser., t. XXX (nach Aufsammlungen von Desguin); Bleicher,
Sur la g6ol. des r^gions compriscs entre Tanger, el Araich et Meknes, Comptes rend. 1874,
t. 78, p. 1712 — 1716.
^^ Brossard, Constit. phys. et g^ol. de la subdivis. de Setif, M6m. soc. g6ol.,
2« scr., VIII, p. 271, pl. XX für den Südrand im Setif, namentlich in der Niederung von
Zahrez; für westliche Strecken im Gebiete des Nähr Uassal: Bou rguignat, Etudes geol.
et paR'ont. des Hauts Plateau.v de l'Atlas entre Boghar et Tiharet, 4°, Paris, 1868, wo
p. 33 sogar eine dache Sattelwölbung beschrieben wird, an welcher (juarternäre Schichten
theilnehmen sollen.
U G. Rolland, Sur le terr. cret. du Sahara se])tentrional. Bull. soc. g^ol. 1881,
3*-* scr., IX, p. 510 — 515; für den Südrand des Aoures-Gebirges: Duboccj, Mem. sur la
constit. geol. des Zibün et de l'CJuad R'ir, Ann. des Mines, 1852, 5c scr., II, p. 249 — 33o,
und für den westlich folgenden Theil bis weit in die Wüste hinaus: Ville, Exj)lor. geol.
du Beni Mzab, du Sahara et de la reg. des steppes de la ]*rov. d'Alger, 4", Paris, 1867.
34 Cocjuand, Constantine, p. 43 u. a. and. Ort.; Pomel, Le vSahara, ]). 26.
35 F. M. Dona vre, Dat<)> para una Resona fisica y gcolögica de la region S. E.
de la Prov. de Almeria; l^oletin de la Comision del M;ii)a geol. de Esi)ana, 1877, IV,
p. 16- 3l.
3 I O AnmerkuDgen zu Th. 11, Abschn. II. Die Leitlinien des Alpensystems.
36 Fed. de Botella y de Hornos, Descripc. Geol. Min. de las Provincias de Murcia
y Albacete, Fol., Madrid, 1868, Specialkarte von Cartagena, p. 43.
i7 Es reicht hin, an das Erdbeben vom 10. Juni i863 zu erinnern, welches das Thal
des Almanzora-Flusses erschütterte und welchem lange Unruhe folgte; C. de Prado, in
Perrey, Tremblem.de terre en i863, p. 139, 172 u. folg.
38 Donayre, a. ang. Orte p. 3i — 50; L. N. Monreal, Apuntes fis. geol. referentes
a la Zona central de la Prov. de Almen'a; Bolet. 1878, V, p. 54 — 76.
39 D. T. Ansted, On the Geol. of Malaga aud the Southern Part of Andalusia;
Quart. Journ. geol. Soc. 1859, XV, p. 588.
40 R. v. Dräsche, Geol. Skizze des Hochgebirgstheiles der Sierra Nevada; Jahrb.
geol. Reichsanst. 1879, XXIX, S. 93 — in.
4» D. Joaq. Gonzalo y Tarin, Resefia fis. y geol. de la Prov. de Granada; Bolet.
Com. Mapa geol. 1881, VIII, insbes. p. i3 u. folg., lam. A.
42 Ders.: Edad. geol. de las Calizas metalif. de la Sierra de Gador; ebendas. 1882,
IX, p. 97— III.
43 J. Mac Pherson, Relacion entre las formas orogrdficas y la Constituciön geol.
de la Serrania de Ronda, 8^, Madrid, 1881, 34 pp. und Karte.
44 A. C. Ramsay und J. Geikie, On the Geol. of Gibraltar; Quart. Journ. geol.
Soc. 1878, XXXIV, p. 513. Nach dem Vorkommen einer für Rhynchonella concinna
gehaltenen Art wird der Kalk von Gibraltar zum Jura gerechnet. Die im Westen auf-
lagernden Schiefer und Sandsteine von S. Roque und Algesiras, welche auch in der grossen
Verwerfung im Fels von Gibraltar erscheinen, bilden wohl die Fortsetzung der unteren
Kreide und des Flysch der Gegend von Tanger.
45 Mac Pherson, Breve Noticia acerca de la especial Estructura de la Peninsula
Ibörica, aus den Ann. de la Soc. Esp. de Hist. Nat. 1879, VIII, 26 pp.; Estudio geol. y
petrogr. del Norte de la Prov. de Sevilla, Bolet. Com. Mapa geol. 1879, VI, insbes. p. 156
— 172; Uniclinal Structure of the Iberian Peninsula; Ann. de la Soc. Hist. Nat. 1880, IX,
vgl. auch Anm. 43.
46 Mac Pherson, Uniclin. Structure, p. 24, 25.
47 Mac Pherson, Sevilla, p. 171.
48 Dom. de Oructa, Bo»<|ucjo ffs. geol. de la region septentr. de la Prov. de Md-
laga; Bolet. Com. Mäpa geol. 1877, IV, lam. D.
49 F. Toula, Grundlinien der Geol. des westlichen Balkan; Dcnkschr. k. Akad.
Wiss. Wien, 1881, XMVb, S. I— 56, Taf. I— IV und Karte.
50 H. Haben ich t, Die Grundzüge im geol. Baue Europa's, 8», Gotha, 1881, mag
hier darum erwähnt werden, weil in dieser Schrift (Carton 3) der erste mir bekannte, wenn
auch mangelhafte und insbesondere durch irrige Auffassung des Appennin beirrte Versuch
einer kartographischen Darstellung der Faltungslinien des Alpensystems enthalten ist.
5> Hollande, Geol. de la Corse, Ann. des Sciences gdol., 1877, IX, Art. 2, 114 pp.,
pl. VIII— XII; Dieulafait, Serpentincs de la Corse, leur äge et leur origine, Comptes rend.
1880, t. 91, p. 1000 — 1003; H. Reu seh, Note sur la G60I. de la Corse, Bull. soc. geol.
1882, 3c s6r., XI,' p. 56 — 67; B. Lotti, Appunti geol. sulla Corsica, Bollet. Comit. geol.
1883, 2« ser., IV, p. 65—73.
52 C. J. Forsyth- Major, Die Tyrrhenis; Zeitschr. Kosmos, i883, VII, S. 104.
53 G. Bornemann, Sul Trias nella parte merid. dell* isola di Sardegna; Bollet. Comit.
geol. 1881, 2" ser., II, p. 267 — 275, 2 Taf.
54 C. Hof mann, Bericht über die im Sommer 1882 im südöstl. Theile des Szath-
märer Comitates ausgeführten geol. Specialaufnahmen; Földt. Közlöny, i883, XIII, S. 106.
DRITTER ABSCHNITT
Die adriatische Senkung.
Bedeutung des Adamello. — Die Judicaricnlinie. — Astabrüche. — Zwischen Judicarien
und dem Bruche von Schio. -- Im Norden der Astibrüchc. — Drau- und Gailbrüchc. —
Dinarischc oder Karstbrüche. — Junge Erweiterung des adriatischcn Meeres. — Uebersicht.
eine einheitliche und stetige Curve bezeichnet, sagten wir,
den Nordrand der Alpen; sie lässt sich leicht auch dort verfolgen,
wo in Niederösterreich und Mähren Theile des äusseren Randes
zur Tiefe gesunken sind, und der Nordrand der Karpathen ent-
spricht der Fortsetzung dieser selben stetigen Curve.
Der Gegensatz zwischen diesem Aussenrande und dem zer-
trümmerten, von grossen vulcanischen Ergüssen begleiteten Innen-
rande des karpathischen Zuges ist oft erwähnt worden, aber der
Geeensatz, welcher zwischen dem nördlichen und dem südlichen
Saume der Alpen besteht, ist auch so gross, dass man sogar auf
weite Strecken im Zweifel bleiben mag, wo denn überhaupt der
südliche Rand der Alpen zu verzeichnen sei.
Besteigen wir am frühen Morgen den Dom zu Mailand, so
erblicken wir von den Seealpen zu unserer Linken bis weithin zur
breiten Masse des Monte Rosa und noch weiter zur Rechten einen
herrlichen, die reiche Ebene umfassenden Bogen weisser Gipfel
und Ketten. Hier ist allerdings der Südrand der Alpen scharf ge-
zeichnet ; gerade hier ist auch die Verschiedenheit der Gesteine
des nördlichen und des südlichen Randes der Alpen am grössten.
Surss, Das Antlitz di*r Erde. 21
3 I 2 Adamello.
Alte Felsarten bilden diesen breiten Bogen; B. Studer wusste
schon vor vielen Jahren, dass derselbe der Bruchrand eines weiten
Senkungsfeldes sei, welches von der lombardischen Ebene bedeckt
ist, und es ist höchstens die vereinzelte Hügelgruppe der Superga,
südlich von Turin, welche mit ihren südwärts geneigten Schichten
als ein Bruchstück dieser gesunkenen Masse angesehen werden mag.
Erst vom Lago Maggiore an gewinnt ein Saum von meso-
zoischen und tertiären Ablagerungen am Südrande des Gebirges
einige Bedeutung. Suchen wir seinen Fuss als den Südrand der
Alpen festzuhalten, so führt er uns über Como und Bergamo gegen
Brescia ; östlich von dieser Stadt bleiben wir in Zweifel, ob den
nackten und karstähnlichen Hügeln des unteren Lias zu folgen
sei, welche gegen Nordost die Weitung der Ebene bis Salo am
Gardasee umgrenzen. Wir folgen ihnen nicht, sondern bleiben in
der bisherigen gegen OSO. zielenden Richtung Como— Bergamo —
Brescia. Sie leitet uns südlich vom Gardasee gegen Verona; nun
wendet sich aber der Bergesrand mehr und mehr aus OSO. gegen
Südost und wir gelangen weit hinab gegen Este, an das südliche
Ende der euganäischen Berge. Wo aber liegt nun die weitere
Fortsetzung des Alpenrandes, und liegen Padua und Treviso und
die ganze venetianische Niederung von Vicenza bis Görz wirk-
lich innerhalb der Alpen ?
Adamello. Wir treten in die Alpen selbst ein und suchen
zunächst die aus Granit und Tonalit zusammengesetzte Gebirgs-
masse des Adamello auf, welche sich nördlich vom See von Idro,
an der Grenze Tirols und der Lombardei, zwischen dem Judica-
rienthale im Osten und Val Camonica im Westen erhebt. Oest-
lich von Cedegolo wird die granitische Masse durch von beiden
Seiten vortretendes Sedimentgebirge so sehr eingeengt, dass man
mit mehr Recht von zwei durch einen schmalen Streifen zu-
sammenhängenden granitischen Gebieten sprechen möchte, von
welchen das südliche weniger hoch und weniger ausgedehnt ist
und Kh di Castello (2879 M.), Cima di Danerba (2844 M.), Corno
Busecca (2660 M.) u. A. umfasst, während dem nördlichen Gebiete
Adamello (3547 M.), Car^ alto (3461 M.), die Firn- und Gletscher-
felder nördlich von Val di Fumo, dann in weiterer Fortsetzung die
Cima Fresanella (3561 M.) und ihre Umgebung zufallen.
Contactzone des Adamello. 3^3
Es ist bereits erwähnt worden, dass sich an dem Saume dieser
granitischen Massen im Triaskalkstein Erscheinungen des vul-
canischen Contactes wie bei Predazzo zeigen (S. 209).
Schon als im Jahre 1 846 der um die Kenntnisse Tirols hoch-
verdiente J. Trinker die östlichen Abhänge dieser Gebirgstheile
untersuchte, fand er, dass der Kalkstein ,in krystallinische Gebilde
umgewandelt ist, wo er mit plutonischen Felsarten zusammentrifft*,
so in Val di Breguzzo und Val di Daone, und erwähnte er das Vor-
«
kommen von Granat mit Kalkstein in Val di Daone.' Nicht lange
darauf beschrieb Escher, welcher von Westen her den Rand des
Granites erreicht hatte, am Lago d'Arno, welcher oberhalb Cede-
golo in einem Seitenthale des Val Saviore liegt, einen »Streifen
höchst eigenthümlicher Gesteine, die zum Theile in hohem Grade
an die Silicatbildungen der Sommablöcke im Tuffe von Neapel
oder an die Contacterscheinungen am Monzoni erinnern*.^ Curioni,
Ragazzoni, Bittner haben einzelne Theile dieser merkwürdigen
Umrandung beschrieben;^ die ausführlichsten Angaben sind von
Lepsius^ und Stäche^ gegeben worden.
Lepsius hat im Südosten die Contactzone auf eine Länge
von 15 Kilom. verfolgt, das triadische Alter der in Marmor um-
gewandelten Kalkbänke ausser Zweifel gesetzt, das häufige Vor-
kommen von Granat, Vesuvian, Epidot, WoUastonit und anderen
bezeichnenden Mineralien vulcanischen Contactes an vielen Punkten
nachgewiesen und den Tonalitstock als die Quelle der Umwandlung
anerkannt. Nichtsdestoweniger schrieb er dem Tonalit archäisches
Alter zu und gelangte zu der Annahme, dass derselbe passiv aus
jener Tiefenstufe hervorgehoben worden sei, ,in welcher derselbe
eine solche Eigenwärme besass, die nicht genügte, um den Tonalit
zu schmelzen oder in einen plastischen Zustand zu versetzen, die
aber hinreichte, um die Contactmetamorphose zu bewirken*.^
Auf noch weit grössere Erstreckung hat Stäche dieselben
Randbildungen in ihrem unregelmässig schleifenförmigen Ein-
greifen in die Tonalit- und Granitmasse rings um den Südost-, Süd-
und Westrand der Masse verfolgt und in seiner letzten Veröffent-
lichung über diesen Gegenstand an der Westseite weit gegen Nord
früher für viel älter gehaltene Gesteine als Umwandlungen des Ser-
vino, also der tiefsten Theile der Triasformation erkannt. Stäche
21*
1 1 4 Contactzonc des Adamello.
hält für sicher, dass in der östlichen, südlichen und westlichen
Umgebung des Adamellogebirges während der permischen und
triadischen Zeit sich Perioden vulcanischer Thätigkeit wiederholten,
während die zahlreichen Einschaltungen von deckenartigen dioriti-
schen Lagermassen in die Randzone denselben zu der Meinung
führten, diese Gesteine seien als eine schon ursprünglich unter
aussergewöhnlichen Verhältnissen gebildete ,epikrystallinische
oder eventuell subvulcanische Facies* anzusehen. Zugleich hebt
jedoch Stäche mit Recht hervor, dass in keiner der Conglomerat-
oder Breccienbildungen irgendwelcher vorglacialen Zeitperiode,
auch nicht in den mächtigen und häufig Porphyre führenden per-
mischen Conglomeratbänken je ein Gerolle von Tonalit gefunden
worden sei.
Die Beziehungen der sedimentären Schichten zu dem Granit
und Tonalit des Adamello sind gänzlich verschieden von jenen,
die sich in anderen grossen Gebirgskernen der Alpen zwischen me-
sozoischen Lagen und den Granit- oder Gneissmassen erkennen
lassen. An dem Nordrande der Finsteraarhorngruppe sind die
Trias- und Jurabildungen in lange Falten gelegt (S. 147), welche
die ältesten Lagen gegen oben und unten, die jüngsten in der
Mitte zeigen, welche in den Gneiss oder Granit eingefaltet sind und
an den keilförmigen Enden der Synklinalen die viel besprochene
Umwandlung des Jurakalkes in Marmor erkennen lassen. Dieser
Marmor mag auf Klüften und auf Verschiebungsflächen von einem
grünen talkartigen Mineral überzogen sein, dessen nähere Be-
schaffenheit noch zu untersuchen ist, aber die Silicate des vul-
canischen Contactes, wie Granat, Epidot u. A. hat man auch an
diesen Stellen höchster mechanischer Einwirkung nie angetroffen.
Obwohl die Triasschichten am Adamello insbesondere an der
Stelle der grössten Einschnürung östlich von Cedegolo schleifen-
förmig in das Tönalitgebiet eingreifen und nur gegen Nordost die
Abgrenzung eine mehr geradlinige ist, sind diese Triasschichten
doch durchaus nicht keilförmig eingefaltet wie in der Finster-
aarhorngruppe. Während dort stets die ältesten sichtbaren Sedi-
mentgebilde in den Falten dem Granit oder Gneiss zunächst lagern,
ist es rings um den südlichen, östlichen und westlichen Theil und
namentlich rings um den südlichen Abschnitt des Rc di Castello,
Monte Doja.
315
sowie an der eingeschnürten Stelle stets das jüngste sichtbare
Glied der sedimentären Bildungen, welches zunächst an die kry-
stallinische Felsart herantritt und auf grössere oder geringere Ent-
fernung von dem Contacte umgewandelt ist.
Wie im Südosten die Triasschichten des Monte Doja unter
die Granit- und Tonalitmassen des Corno Busecca mit immer stei-
9 Ri di Cailello. Ncigi
lerem Winkel hinabtauchen, hat Lepsius anschaulich beschrieben.
An der Grotta rossa {2188 M.) im Süden und dem Cingolo rosso
(3178 M.) im Südosten streicht mit weithin leuchtender rother
Farbe der Grödener Sandstein durch ; der Werfener Schiefer kreuzt
das zwischen beiden Höhen liegende Val aperta in der Nähe der
obersten Alphütte und hierauf folgen die Kalkbänke der Trias-
formation im Monte Doja, in mächtigen und wohlgeschichl
7 I 6 Quarzit im Contact.
Massen sichtbar, welche, steiler und steiler geneigt, in einer hohen
Runse im obersten Thalgrunde den Contact erreichen.^ Nahe
unter dem Gipfel des gegenüberliegenden Monte Rema (2372 M.)
läuft die Zone des Contactes hin und an seinem südlichen Gehänge
hat die Grenze einen ziemlich scharfen Bug ausgeführt, um von
hier an die Richtung gegen NNO. zu verfolgen. Der weisse Mar-
mor, gerade hier überaus reich an krystallisirten Silicaten, lässt
die Zone der Berührung auf grosse Entfernung hin verfolgen.
Nähert man sich nun aber anstatt durch Val aperta, durch
das nördlich folgende Val di Daone der Zone des Contactes, so
erreicht man 5500 M. im NNO. von Monte Rema die Granit-
grenze in etwa 11 00 M. tieferer Lage. Der Grödener Sandstein
besitzt im untersten Theile dieses langen Thaies seine normale
rothe Färbung und unter demselben wird im Thalgrunde der per-
mische Porphyr sichtbar. Schon mehr als tausend Meter vom Con-
tact aber verwandelt sich dieser wegen seiner grossen Feuer-
beständigkeit in den Schmelzwerken der Alpen so hoch geschätzte
Sandstein in einen braungrauen Quarzit; in eine ähnliche Felsart
gehen auch einzelne Bänke der unteren Trias über, wie das Vor-
kommen scharfer Hohlräume der Naticella costata in denselben
beweist. Solche Quarzitbänke bilden in grosser Mächtigkeit die
Gehänge des Thaies, während darüber erst die unveränderten und
petrefactenreichen Bänke des Muschelkalkes, näher am Granit aber,
hoch oben, die in Marmor verwandelten Fortsetzungen desselben
liegen. In dieser Tiefe scheint der Grödener Sandstein, leicht
gegen den Granit geneigt, bis an den Contact zu reichen und voll-
zieht sich die Berührung also oben in Muschelkalk, unten aber
in Grödener Sandstein.
Dringt man aber noch weiter, über den Contact hinaus, durch
das Gebiet des harten weissen Granits in das Val di Daone auf-
wärts, so gelangt man in die Region der grossten Einschnürung des
Gebirgskernes, und westlich oberhalb der Alphütte Nudole gegen
den einsamen Lago di Campo wird die westliche Marmorzone
erreicht. Wir befinden uns nun an dem nördlichen Gehänge des
Re di Castello. Weisser Marmor mit Granat und anderen bezeich-
nenden Mineralien des Contactes begleitet in steiler Schichtstellung
ganz wie an der östlichen Zone die Grenze des Granites. Er zieht
►
Lago (li Canipo.
317
vom Lago d'Arno, wo ihn Escher sah, über den Grenzpass deüa
Forcellina (Taf. II) zum Lago di Campe, wendet dann in grossem
Bogen und zieht unter Cima delle Casinelle hin, wie dies Stäche
genau beschrieben hat. Der dunkle und dlckbankigeQuarzit inner-
halb der Marmorzone ist aber identisch mit dem veränderten Grö-
dener Sandstein des unteren Val di Daone. Etwa im Horizonte der
Werfener Schiefer erscheinen wahre Fleckschiefer.
So weit uns der Rand der südlichen Hälfte des Adamello-
gebietes bekannt ist, sinken von allen Seiten die sedimentären
Gesteine unter den Granit und Tonalit trichterförmig ein oder
sie brechen in steilem und geschlepptem Bruche ab. Die jüngsten
Lagen befinden sich zunächst am Contact; die älteren liegen mehr
und mehr gegen aussen. So erklärt sich die umgürtende Marmor-
zone. Kein anderer grosser Granitstock der Alpen zeigt ähnlichen
Bau; kein anderer zeigt die Silicate des vulcanischen Contactes,
Die kleinen Stöcke von Predazzo und Monzoni sind die einzigen,
welche ähnliche Merkmale besitzen.
Mit Predazzo und Monzoni hat Adamello und sein südlicher
Abschnitt, der Re di Castello, den wohl abgegrenzten massigen
7 I 8 öänge der Contactzonc.
Kern gemein und den Marmorsaum mit den Silicaten des vulcani-
schen Contactes. Auch dürften die umgewandelten Gesteine in
allen drei Fällen von ziemlich gleichem Alter sein, nämlich noch
etwas über das Alter des Muschelkalkes heraufreichen. Eine Ver-
schiedenheit besteht jedoch darin, dass die Gänge und Ergüsse von
Melaphyr sammt den begleitenden Tuffen, welche die Ausbruch-
stellen von Predazzo und Monzoni umgeben, der Nachbarschaft
des Adamello vollständig fehlen. Oestlich von demselben, sowie
gegen Süden und auch im Norden gegen den Ortler, sowie gegen
West in den mesozoischen Falten, welche den Bernina durchziehen,
kennt man die höheren Glieder der Trias, gegen Süd und Ost auch
die lange Reihe jüngerer Sedimente, aber es sind nirgend jene
massenhaften Decken von Laven oder Asche bekannt, welche
einer so grossen Ausbruchsstelle entsprechen würden.
In der 500 bis höchstens 2000 M. breiten Aura des Contactes
fehlt es allerdings nicht an mannigfaltigen Einschaltungen. Leicht
unterscheidet man drei Gruppen derselben. Die erste umfasst die
den Schichten der Trias normal eingeschalteten Tafeln oder Decken
von braunrothem Porphyr (tc, tc Fig. 27); ich halte sie für über-
einstimmend mit den triadischen Porphyrdecken, welche in den
Südalpen vom Luschariberge bei Raibl bis Val Trompia und
noch weiter gegen West an so vielen Punkten sichtbar sind. Die
zweite Gruppe sind Ausfüllungen von Spalten in dem braunen
Quarzit des Grödener Sandsteins. Die Ausfüllung besteht aus
grossen Krystallen von weissem Orthoklas, grossen weissen Glim-
merblättern und Bündeln von Turmalin in grauem Quarz, also aus
einem grosskörnigen Granit, wie er als Ganggranit in so vielen
Granitgebieten auftritt; hier reichen diese Gänge, welche ganz
den Charakter von Secretionsgängen an sich tragen, wie gesagt,
bis in den Grödener Sandstein. Die dritte Gruppe endlich sind
wahre Intrusivgänge ; die wenigen, welche ich sah, bestehen aus
einer zersetzten grünen Felsart mit weissen Feldspathkrystallen ;
man sieht unter Passo della Forcellina einen solchen Gang die ge-
bänderten Kalkschichten schräge durchschneiden, ohne dass er
durch irgend eine Randkluft vom Kalk getrennt wäre. In den
von Stäche untersuchten Randtheilen des Westens scheinen die
Intrusionen beträchtlicher und häufiger zu sein.
Judicarienlinie. 3^9
Die Zone vulcanischen Contactes, welche die ganze Gruppe
des Re di Castello und einen guten Theil des Adamello umgibt,
zwingt uns, dieses grosse Granit- und Tonalitgebirge als ein vul-
canisches Gebilde anzusehen, welches jünger sein muss als die
Zeit des oberen Muschelkalkes. Es mögen Meinungsverschieden-
heiten darüber bestehen, ob man dasselbe als Narbe oder als Lac-
colithen aufzufassen habe, d. i. ob die vulcanische Masse in der
That zur Eruption an die Erdoberfläche gelangt sei oder nicht.
Zur Aufhellung dieser Frage verfolgen wir nun zunächst den Stock
in seinem weiteren Verlaufe gegen NNO.
Die Linie der Judicarien. Es nimmt die Ostgrenze des
Tonalitgebirges einen geraden gegen NNO. gerichteten Verlauf.
Stäche hat diese Grenze begangen und in Val di Breguzzo, sowie
in den nördlich folgenden Thälern keine Marmorzone mehr, son-
dern Gneissphyllit angetroffen, welcher jedoch gleichfalls west-
wärts unter den Tonalit sich neigt. Die Erstreckung der Hauptaxe
des ganzen Gebirgsstockes gegen NNO., sowie der Verlauf dieses
Grenzbruches verrathen das Vorhandensein enger Beziehungen
zwischen dem Tonalitstocke und der östlich, ganz nahe und in der-
selben Richtung verlaufenden grossen Störungslinie der Judicarien.
Wer vom Idrosee nordwärts in das Thal des oberen Chiese,
die Judicarien, eintritt, sieht zu seiner Linken mächtige dunkle
Massen von permischem Porphyr, Tuff, Schiefer und Sandstein, zu
seiner Rechten aber die bleichen Kalkwände der oberen Trias.
Das Absinken des Gebirges zur Rechten mag wohl leichtlich
2000 M. betragen. Das ist jener gewaltige Bruch, mit welchem
das Absinken alles ostwärts gegen die Etsch liegenden Gebirges
beginnt. Auch bei Storo besteht dieser Gegensatz beider Thal-
seiten. Etwa 9 Kilom. weiter in dem geradlinig gegen NNO. ge-
richteten Thale, am Ausgange des Val di Daone ist der Bruch
in eine grosse Flexur übergegangen. Dieselben Bänke des Mu-
schelkalkes, welche weiter gegen West mit Granat und Epidot
beladen, als weisse Marmorlagen westwärts unter den Granit
tauchen, neigen sich hier als dunkle petrefactenreiche Bänke in
grossen Bogenstücken ostwärts zum Thale, um unter die höheren
Triasbänke hinabzusinken, welche in flacher Lagerung die Ostseite
der Judicarien bilden.'*
320 Judicarienlinie.
Der Bruch stellt sich bald wieder ein. Wo das Judicarienthal
gegen Nordost biegt, behält derselbe seine gerade gegen NNO.
laufende Richtung, setzt, wie Bittner gezeigt hat, von Roncone
gegen Verdesina durch das Gebirge und erreicht so Val Ren-
dena; diesem Thale folgt er bis Pinzolo; von da setzt er mit un-
veränderter Richtung wieder in das Gebirge, durchquert dasselbe
und kreuzt bei Mal6 am Ausgange des Rabbithaies das grosse
Val di Sole. Von hier an beginnt seine Richtung aus NNO. allmälig
sich etwas gegen Nordost zu wenden; er setzt sich nun von Male
über Bevia gegen Mocenigo fort und erreicht südlich von dem
Ausgange des Ultenthales das Thal der Etsch.*-'
Die Länge dieser für alle späteren Betrachtungen so wichtigen
Linie beträgt vom Idrosee bis zur Stelle, wo bei Verdesina das
Val Rendena erreicht wird, etwa 34 Kilom., von da bis in das
Val di Sole bei Mal6 36 Kilom. und von Mal^ bis ins Etschthal
unterhalb Lana 32 Kilom., folglich in den bisher erwähnten Stücken
102 Kilom. Den Ostrand des Bruches bildet das abgesunkene
mesozoische Gebirge des Etschthales, welches jedoch sehr häufig
in der Nähe des Bruches gegen denselben geneigt zu sein scheint,
und dessen ältere Unterlage. An der mächtigen Laugenspitze, süd-
lich von der Kreuzung des Etschthales, ist es der permische Por-
phyr, welcher als die Unterlage des mesozoischen Kalkgebirges
an dem Ostrande des Bruches sichtbar wird.
Die Westseite des Bruches besteht im Süden gegen den Re
di Castello und Adamello zunächst aus jenen Streifen von permi-
schem und triadischem Gestein, welche wir soeben an dem Ost-
rande der Masse des Adamello kennen gelernt haben; der Ostrand
der Presanella, in welcher eine Felsart sich bemerkbar macht, die
als Tonalitgneiss bezeichnet wird, ist nach Stäche nur durch eine
schmale Zone älterer Phyllite von der Judicarienlinie getrennt.
Gneiss und Phyllit bilden nun weiter gegen Nord vielfach den
Westrand, bis wieder einzelne Kuppen von Tonalit und jüngerem
Granit erscheinen. Endlich taucht, noch bevor das Etschthal er-
reicht ist, an dem Westrande des Bruches, von St. Pankraz im
unteren Ulten bis zur Etsch, ein neuer grosser Tonalitstock her-
vor. Porphyr und Grödener Sandstein bilden, wie gesagt, hier den
Ostrand des Bruches.
Granit an der Brennerstrasse. 32 1
Die von C. W. C. Fuchs veröffentlichte Karte der Umgegend
von Meran zeigt deutlich, wie der Tonalitstock, der grosse Bruch
und die Porphyre und permischen Ablagerungen seiner Ostseite in
der Nähe dieser Stadt schräge das Etschthal überqueren.'" Durch
die höchst verdienstvollen Arbeiten Teller's ist in den letzten
Jahren auch die weitere Fortsetzung bekannt geworden. Der Judi-
carienbruch lässt sich durch die Naifschlucht bei Meran bisWeissen-
bach im Penserthal verfolgen ; hier wendet sich seine Richtung aus
Nordost mehr und mehr gegen Ost. Diese letzte Strecke beträgt
26 Kilom., so dass die Gesammtlänge des Bruches vom Idrosee
bis ins Penserthal etwa 128 Kilom. misst. Das merkwürdigste
Ergebniss aus Teller's Untersuchungen ist jedoch der Nachweis
der Fortsetzung des Granitstockes bis weit gegen Ost. Der Iffinger
oberhalb Meran (2551 M.), schon von Fuchs als die Fortsetzung
der jenseits der Etsch auftauchenden Tonalitmasse erkannt, ist
nur ein Theil eines sehr langen Zuges, welcher in seiner Haupt-
masse aus Granit, an der Nordseite aber aus einer fortlaufenden
Zone von Tonalitgneiss besteht, und welcher durch das Penserthal,
dann ostwärts bei Mauls und der Franzensfeste quer über die Brenner-
strasse streicht." In der Nähe der Brennerstrasse, wo der Granitzug
seine grösste Breite erlangt, ist an seinem Südrande der Judicarien-
bruch nicht mehr sichtbar und der Granitzug selbst lagert gegen
Nord und Süd wie ein Gewölbe unter den angrenzenden Gesteins-
zonen. Nachdem er das Pusterthal bis in die Nähe von Brunneck
begleitet hat, scheint dieser Granitzug hinabtauchend sein Ende
zu erreichen, aber es tritt jenseits des Ahrenthales nördlich von
Brunneck aus Gneiss und Gneissphyllit im Antholzer Gebirge
(Schnebiger Nock, 3390 M.) ein neuer, von Tonalitgneiss rings
umgebener Dom von Granit hervor, welcher nach Teller mit
den Gneissphylliten der Umrandung in inniger Verbindung steht;
diese enthalten zahlreiche kleine linsenförmige Einschaltungen des-
selben Granites, ja gegen Südwest hin wird eine linsenförmige
Nebenmasse so ausserordentlich gross, dass sie als ein langge-
streckter Zug die Grenzkämme dreier nicht unbeträchtlicher Thäler
überquert."
Wir sehen daher eine sehr grosse Bruchlinie vom Idrosee
durch Judicarien, durch Val Rendena, über Male, durch die Naif-
322 GraoUische Zone Südtirols.
Schlucht bei Meran bis in das Penserthal auf beiläufig 128 Kilom.
sich erstrecken und dabei, nachdem bis in die Nähe von Meran
die gerade Richtung gegen NNO. eingehalten war, eine haken-
förmige Beugung gegen NO. eintreten. Wir sehen auf der ganzen
Länge die östliche Seite des Gebirges abgesunken. Ferner er-
blicken wir westlich von den Judicarien die grosse im Sinne des
Bruches gedehnte Masse von Tonalit und Granit, welche den Re
di Castello, Adamello und die Presanella umfasst, welche, wo sie im
Süden mit Triaskalk in Berührung kommt, von demselben am Rande
unterlagert wird und denselben in vulcanischem Contacte verändert.
Weiter gegen Nord tritt eine zweite grosse Granitzone hervor.
Keil am SeilspiU. 3^3
diese nur an der Nordseite von Tonalitgneiss begleitet und an der
Südseite hart an dem gebogenen Ende des grossen Bruches gelegen,
die Beugung des Bruches begleitend, allmälig aus NNO. in NO.,
endlich in östliches Streichen übergehend. Sie ist an ihrem Ende
begleitet von der mit Gneiss innig durch Einschaltungen verbundenen
Antholzer Masse. Es gestaltet sich nun die oben gestellte Frage
dahin, ob die beiden durch tonalitische Ausbildung und die Be-
ziehungen zu dem grossen Bruche ausgezeichneten Granitzüge von
ganz verschiedenem Alter seien, oder ob es ein gleichzeitiger Zug
von Laccolithen sei, welcher im Re di Castello die Triasschichten
verändert und an seinem andern Ende, in der Antholzer Masse,
in weit tieferem Horizonte in dem Gneissgebiete sichtbar ist.
Wo sich die Beugung des Bruches und des Granitzuges zwi-
schen Eisack und Etsch vollzogen hat, tritt eine merkwürdige tek-
tonische Erscheinung ein, welche ebenfalls von Teller richtig er-
kannt worden ist. Das nordwärts liegende Gebirge schiebt sich
über den Granitzug herüber; es ist Gneiss, Glimmerschiefer,
Phyllit, Verrucano und Diploporen-führender Triaskalk. Von
Sterzing an der Brenn erstrasse südwärts zum Penserjoch anstei-
gend sieht man unter der Seilspitze die Fig. 30 dargestellte
flache Ueberschiebung des wahrscheinlich carbonischen Fhyllits
über den Triaskalk. In den tieferen Theilen des Kalkkeiles richten
sich die Bänke in demselben auf, als sträubten sie sich gegen die
Ueberwältigung durch die Masse der älteren Schiefer. (Fig. 3 1 .)
Man bemerkt, dass dieser grosse Kalkkeil nicht wie meistens in
der Masse des Finsteraarhorn in das Gebirge, sondern dass er
gegen aufwärts und auswärts gerichtet ist. Die Gneisslagen,
welche den Kalk unterlagern, enthalten auf der Höhe des Joches
eingeknetete Streifen von Verrucano-Conglomerat. Südwärts vom
Joche liegen alte Schiefer; es scheint noch eine Spur eines Kalk-
streifens durchzuziehen; ein kleiner Bau auf Fahlerz befindet sich
im tieferen Theile des Abhanges, und in der Thalsohle bei Asten
beginnt dann der Tonalit.'^
Die Astabrüche. Die Judicarienlinie und die begleitenden
Granit- und Tonalitzüge bilden gegen West und Nordwest den
Rahmen eines ausgedehnten Senkungsfeldes, welches .^^egen Ost
und Südost von den Flexuren und Brüchen des Karstes und der
324 Astabrüche,
dalmatinischen Küste umfasst wird, und in dessen Tiefe das Adria-
tische Meer liegt. Erst in den letzten Jahren ist hier schrittweise
der Zusammenhang" der Erscheinungen klar geworden. Noch im
Jahre 1875 konnte ich nur von einzelnen damals als Ausnahme
erscheinenden Ueberschiebungen gegen Süd an der Cima d'Asta,
bei S. Orso unweit Schio und an einzelnen der Karstbrüche spre-
chen, während Senkung und vielfach auch Ueberschiebung heute
über das weite Gebiet, allerdings unter eigenthümlichen und von
den Vorkommnissen der Nordalpen wesentlich verschiedenen Um-
ständen, als Regel erkannt sind.
Den grössten Fortschritt haben hier die bewunderungswerthen
Untersuchungen herbeigeführt, welche Edmund von Mojsisovics
und seine Mitarbeiter im südlichen Tirol und den angrenzenden
Gebirgen Italiens durchführten und durch welche für einen grossen
Theil des Westens das Bruchnetz festgestellt wurde. Schon im
Jahre 1879 konnte Mojsisovics eine Uebersicht der Bruchlinien
zwischen Etsch und Piave veröffentlichen, und die seitherigen For-
schungen österreichischer und italienischer Fachgenossen haben
das Bild nach allen Seiten vervollständigt."
Hetz von Brüchen. 325
Im Jahre 1882 hat es T. TarameUi unternommen, einen Ent-
wurf der wichtigsten Störungslinien vom Gardasee bis nach Istrien
zu entwerfen,'^ Nachdem ich einen beträchtlichen Theil des Ge-
bietes aus eigener Anschauung kennen gelernt habe, will ich es
nun versuchen, einen neuen Ueberblick der bisher gewonnenen
Erfahrungen zu geben, und hiebei in gewisse Einzelheiten ein-
gehen, welche mir für das Verständniss des Gefüges und der Ent-
stehung grosser Gebirgsketten überhaupt von Werth scheinen.
<^%^^^'"''^
Vorerst mag jedoch erinnert sein an die ruthenförmige Ver-
theilung der von dem Westrande des Wahsatch ausgehenden
Tafelbrüche von Utah (S. 169, Fig. 13), an den wechselnden Betrag
ihrer Dislocation und an die Beziehungen der dortigen Flexuren zu
den Brüchen. Man wird Mojsisovics' Darstellung der grossen süd-
alpinen Brüche nicht lesen können, ohne die ausserordentliche
Uebereinstimmung vieler Kennzeichen zu bemerken. Die fächer-
förmige Zersplitterung einzelner Brüche, die Intermittenz der ge-
ringeren Bruchlinien, die parallele Zersplitterung als Vertreterin
einer einzigen mächtigeren Dislocation an anderem Orte, dasUeber-
setzen des grö.sseren Betrages derDi.slocation von einer Brnchlinie
328 Linie von Belluno.
beträgt beiläufig 140 Kilom. Die ausserordentliche örtliche Ver-
schiedenheit in der Mächtigkeit der permischen Porphyrdecken,
sowie auch der Kalkmassen der Triasformation erschwert die
genaue Ermittlung des Ausmaasses der verticalen Dislocation, doch
muss dieselbe an der Südstirn der Cima d'Asta weit mehr als
2000 M. sein; vielleicht beträgt sie mehr als 3000 M. Allenthalben
an dieser Hauptlinie ist der Südflügel gesunken und dies gilt als
Regel für die ganze Gruppe der Cima d'Asta-Linien, so dass sich
der Betrag der Senkungen gegen Süden summirt.
Die zweite wichtige Linie dieser Gruppe hat Mojsisovics die
Belluneserlinie genannt. Sie zweigt schon nahe an dem Ur-
sprünge der Val Suganalinie von dieser ab, wird im Val Sugana
durch die untergeordnete Linie des Monte Zaccon von ihr getrennt
und erstreckt sich gegen OSO. nördlich von Feltre bis in die Ge-
gend nördlich von Belluno, in ihrem ganzen östlichen Theile, wie
Hörnes gezeigt hat, die Gestalt einer Flexur annehmend. Bei
Belluno trifft sie auf die gegen Nord gerichtete Querlinie von
S. Croce. Die mächtige, von Nord gegen Süd vortretende Masse
des Monte Cavallo scheint nach den bisher vorliegenden Angaben
nicht von der Flexur durchquert zu werden, aber bei Barcis in
Val Zelline, an dem Ostabhange des Monte Cavallo, beginnt nach
Taramelli's Darstellung eine neue, sehr lange und in leichter Krüm-
mung ebenfalls gegen NNO. verlaufende Senkungslinie, welche
nach seiner Meinung als die Fortsetzung der Linie von Belluno
anzusehen ist, bei Gemona den Tagliamento kreuzt ^und bei Sta-
rasella unweit von Caporetto das Gebiet des Isonzo erreicht.^
Diese Linie, welche auf dem grössten Theile ihres Verlaufes
von Barcis über Gemona gegen den Isonzo die Grenze des hö-
heren Triasgebirges gegen die abgesunkenen und nun südlich vor-
liegenden Kreide- und Tertiärberge ausmacht, hat von Taramelli
den Namen ,Frattura periadriatica' erhalten, eine Bezeich-
nung, welche auf alle Brüche dieses ausgedehnten Bruchfeldes,
bis Meran, bis Lienz und bis Idria angewendet werden mag.
Bevor diese Linie Starasella erreicht hat, ist sie allerdings
für eine kurze Strecke in das Gebiet der Trias und der rhätischen
Kalksteine getreten, die Masse des Monte Matajur absondernd von
dem grossen Hauptgebiete der Triaskalksteine, aber sofort bei
Linie von Bcllano. 329
Caporetto trifft sie wieder zusammen mit der schon im Jahre 185S
von Stur erkannten Störungsregion an dem Südrande der grossen,
östlich vom Isonzo liegenden Kalkgebirge. An dieser Stelle, zwi-
schen Monte Canin und dem Natisone, unterscheidet aber Stur drei
von Norden her überschobene Brüche, bei welchen der rhätische
Kalk über die Kreideformation tritt. Dies ist das Gebiet, in
welchem die Gruppe der Karstbrüche hervortritt, welche an spä-
terer Stelle zu besprechen sein wird."
Die Linie von Belluno misst, wenn man das jenseits vom Monte
Cavallo liegende Stück im Sinne Taramelli's hinzuzählt, bis an den
Isonzo nicht weniger als 180 — [90 Kilom. und auch östlich von
Caporetto liegt die Kreidegrenze gegGti Deutschruth in ihrer wei-
teren Fortsetzung. Der Zusammenhang dieser Stücke ist aber
noch nicht erwiesen.
(dunkel b(
Tuff irit (
, W'tchcc lieh ;in den Runde der K]
diK-rrantlurr ! hirriuf nril lur Ebrn«
del ipilie M. Glmn; nun folKl rinr n
'«itlicli vnn der Rrenk».
bl. beitebt am maTlnen Ab-
n« seneicte Scbiotcbichlen. dann nualt
■ mäcbÜEe Serie von Korallcnknlk, »eh
ilpini vnn S. Uicbel« (ai der Stur« tob
Zu; von KchioicbichlcD, dann abermali
.nn Lsvrrda, lieferei Terllür und Kreide.
Südlich von der Westhälfte der Linie von Belluno sinkt das
Gebirge noch weiter in grossen Flexuren zur Tiefe, welche jedoch
nicht mit der Gruppe der Cima d'Asta-Brüche in unmittelbare
Verbindung treten. Eine solche Flexur durchzieht mit nach Süden
convexer Streichungslinie die Sette Communi. Die Kalkberge
südlich von der Cima d'Asta bilden nach Vacek's Beobachtungen
eine Kuppel, deren nordwestliche Ecke (Monte Dosso) örtlich ein-
gestürzt ist. Die Schichten neigen sich hierauf südwärts ein wenig,
erheben sich wieder und fallen in grosser Flexur ab, welche erst
gegen Ost, dann Nordost, nördlich von Frimolano durchzieht.
Eine zweite, weit längere Flexur ist an ihrem Beginne, bei
S. Orso östlich von Schio, südwärts überschoben und zieht weiter
^^O Zwischen Judicarien und Schio.
gegen Nordost über Bassano gegen Serravalle, den Aussenrand
gegen die Ebene bildend und streckenweise von einem parallelen
Bruche begleitet, welcher in dem äussern Saume eine Verdoppelung^
der tertiären Schichtfolge veranlasst (Fig. 33)."
Nach diesen Beobachtungen darf man annehmen, dass der
Bau der südlichen Alpen etwa vom See von Caldonazzo südlich
von Trient über die Südstirne der Cima d'Asta bis Agordo, Pieve
di Cadore und Rigolato, und von dieser gegen Nordost gerichteten
Linie südwärts bis zur Ebene, einer grossen südwärts blickenden
Treppe gleicht, deren Stufen gegen Ost an Breite und Zahl zu-
nehmen, an Höhe aber abnehmen und von welchen einige der
höchsten sich dem Graben an der Südseite der Cima d'Asta nä-
hern. Die der Ebene zunächst liegenden Stufen haben die Gestalt
von Flexuren, während bei den nördlichen Stufen fast ausschliess-
lich Brüche sichtbar sind.
Zwischen dem Judicarienbruche und dem Bruche von
Schio. Aus dem nordwestlichen Theile des Bruchfeldes ragt mit
unrcgelmässigem Umrisse jener grosse Schild von permischem
Poq^hyr hervor, in dessen Tiefenlinien bei Bozen Etsch und Eisack
sich vereinigen {tz, t: Fig. 29). Gegen Süd und gegen Nord treten
ältere Bildungen unter dem Porphyr hervor; gegen Ost und gegen
West sinkt er unter jüngere Bildungen hinab. Gegen Süd wird
der Thonglimmerschiefer und mit demselben der Granit der Cima
d'Asta sichtbar, deren südwärts gerichteter Abbruch soeben be-
sprochen wurde. Gegen Nord ist es ebenfalls der Thonglimmer-
schiefer, welcher hervortritt. Die jüngeren Gebilde, welche ost-
wärts dem Porphyr auflagern, bilden den durch seine landschaft-
liche Schönheit berühmten, ziemlich irrig als die , Dolomitregion'
bezeichneten Theil von Südtirol. Der Westrand sinkt steiler und
streckenweise die Gestalt einer westwärts überbogenen Flexur
annehmend unter eine lange und schmale Scholle von Ablage-
rungen hinab, welche die ganze Reihe von der permischen bis
zur mittleren Tertiärzeit umfasst, und welche in einen grossen
Graben zwischen die Flexur des westlichen Porphyrrandes und
die Judicarienlinie eingesenkt ist.
Diese schmale Scholle ist das Etschbuchtgebirge; ihm
gehört der breite Nonsberg an, das wilde Brentagebirge mit der
Das Etschthal. 3 3 I
Cima Tosa, welche sich in mehreren Spitzen über 3CX)o M. erhebt,
und eine Reihe anderer mächtiger Züge, welche sich durch mehr
oder minder ausgesprochenes nordöstliches Streichen auszeichnen.
Diese Richtung tritt namentlich gegen Süd hervor, wo die Judi-
carienlinie und der Rand des Porphyrschildes auseinandertreten.
Noch weiter gegen Süd erweitert sich das Gebiet dieser Scholle
mehr und mehr, die Grabensenkung endet und die Fortsetzung
des Etschbuchtgebirges umfasst beide Ufer des Gardasees und
weithin alle Berge und Vorberge bis zu der grossen Bruchlinie
von Schio.
Wir kehren zu dem nördlichen Theile zurück.
Der Porphyr umgibt den Nordrand der Scholle und reicht
an der Judicarienlinie, wie wir bereits sahen, bis über die Laugen-
spitze herab ; noch tiefere Schiefergesteine, da und dort auch
Granit, kommen durch Aufschleppung an der Judicarienlinie zum
Vorschein ; in Val Rendena ist auf eine längere Strecke der Por-
phyr wieder aufgeschleppt, so dass er auch hier auf beiden Seiten
des Grabens sichtbar ist.
Vacek und Bittner haben den Bau des Etschbuchtgebirges
untersucht.^^ Die wesentlichen Züge sind die folgenden.
Der Graben ist nicht symmetrisch. An seiner Ostseite ist
eine einzige, westwärts gesenkte und etwas westwärts überbogene
Flexur an dem Rande des Porphyrs vorhanden, während das
zwischen dieser Flexur und der Judicarienlinie Liegende durch eine
grössere Anzahl von Flexuren zertheilt ist, welche alle im Sinne
der Judicarienlinie ostwärts oder südostwärts gesenkt und über-
bogen sind. Ich bezeichne diese Störungslinien wie jene südlich
von den Sprüngen der Cima d'Astagruppe als Flexuren, obwohl
»
sie alle sich von dem einfachen Typus der stufenförmigen Fle-
xur durch zwei Merkmale unterscheiden, nämlich dadurch, dass
der Hangendflügel überbogen oder überkippt ist, und dass der
liegende Gebirgstheil eine wenn auch flache Neigung in entgegen-
gesetzter Richtung hat. Hiedurch erhalten diese Störungen das
Aussehen von sehr oberflächlichen schiefen Falten, aber es muss
wohl jede Flexur diese Abänderung erfahren, wenn zugleich mit
der Senkung eine horizontale Bewegung nach der Richtung der
Senkung staltfindet.
332
Das Etschthal.
Diese Flexuren streichen, wie gesagt, mehr oder minder der
Judicarienlinie parallel und sind in gleichem Sinne gesenkt, mit
Ueberschiebung des hangenden Flügels, also im entgegengeselz-
; ten Sinne als der Porphyrrand. Sie reichen durch das ganze
I' Etschbuchtgebirge und zu beiden Seiten des Gardasees herab.
' Gegen Südwest treten Verwicklungen ein durch die Interferenz
■ mit Störungslinien, welche in der Richtung OSO. bis ONO. aus
dem lombardischen Senkungsgebiete herübertreten. Eine Haupt-
j; Störung dieser Art kommt von Val Trompia her bei Ponte di Caf-
I faro an die Judicarienlinie und scheint dieselbe zu kreuzen ; in den
von Edmund Fuchs beschriebenen Gängen von Barghe in Val Sab-
bia und an mancher anderen Stelle zeigt sich das Herübertreten
dieser lombardischen Flexuren und Sprünge.^^
An der Ostseite des Gardasees sind judicarische Flexuren
noch in ihrer typischen Gestalt zu treffen. Eine solche schiefe Fle-
xur bildet, wie Bittner und Nicolis gezeigt haben, den Rücken des
Monte Baldo. Am Ostufer des Sees sind vereinzelte Tertiär-
schollen auf Kreide sichtbar ; dann steigen allmälig ostwärts die
Schichten höher und höher, um von dem Hauptrücken gegen Ost
theils als Knie und theils als Bruch so zu enden, dass die tertiären
Schichten an der Trias sich aufbiegen oder an derselben scharf
abstossen.^''
Diese Linie am Ostrande des Monte Baldo scheint es auch
zu sein, an welcher die oft besprochenen seismischen Phänomene
dieses Bergzuges auftreten.^^ Noch jenseits der Etsch befindet
sich an der Ostseite des Monte Pastello und Pastelletto eine der
Baldolinie entsprechende Parallelstörung. So weit reicht das Ge-
biet der judicarischen Flexuren.
Es gebührt nun Vacek das Verdienst, gezeigt zu haben, dass
einzelne dieser Flexuren, zumeist in der Nähe des Etschthales,
bogenförmig umschwenken und mit gänzlich verändertem, mehr
oder minder gegen Ost gerichtetem Streichen in jene Flexuren
übergehen, welche den Astabrüchen parallel laufen. Diese Er-
scheinung" halte ich darum für wichtig, weil sie den Zusammen-
hang der verschiedenen Bewegungen verräth, und wir werden sie
in weit grösserem Massstabe in Ostindien wieder antreffen. ''^ In
gleicher Weise scheint sich auch im Süden die Pastellolinie umzu-
Der Bruch von Schio. 333
beugen und ihre Fortsetzung in jener Flexur zu finden, welche
vom Südabhange des Corno d'Aquiglio an den südlichen Rand
der Monti Lessini bezeichnet/^
Vom Etschthale bis gegen Schio hin sind nun mehrere Fle-
xuren vorhanden, welche in der Regel eine gegen Süd leicht con-
vexe Streichungslinie haben; ihr südlicher Flügel ist gesenkt, der
nördliche zuweilen über denselben geschoben. Eine bedeutendere
solche Flexur zieht südlich von dem Kessel von Recoaro hin und
bezeichnet hier die Grenze zwischen den Triasbergen und den
niedrigeren Kreide- und Tertiärrücken.^^
Wir haben nun nochmals nordwärts in das Etschbuchtgebirge
zurückzukehren, um eine von diesen Flexuren verschiedene Reihe
von Störungen kennen zu lernen.
Alle neueren Beobachter stimmen darin überein, dass schon
im Norden, vom Nonsberge herab, einzelne scharfe Sprünge mit
gesenktem Ostflügel vorhanden sind, welche die Flexuren (oder
schiefen Falten) in spitzem Winkel schneiden, und welche von Nord
gegen Süd ziehen. Zwischen Trient und Riva sind drei bis vier
solcher Sprünge vorhanden. Sie wiederholen sich mit gleicher
Richtung von Nord gegen Süd auch südlich von Val Ronchi
und gegen Velo ; ein grosser solcher Sprung mit östlichem Ab-
sinken, doch mehr gegen NNW. gerichtet, ist von Bittner aus der
Gegend von Montecchiä über Bolca zum Monte Spitz, als die
westliche Grenze des Hauptgebietes der vicentinischen Tertiär-
bildungen verfolgt worden, und mit Recht bemerkt Bittner, dass
durch die Richtung dieses Sprunges eine fächerförmige Anordnung
angedeutet wird, deren letztes Glied der grosse Bruch von
Schio ist.^""
. Dieser grosse Bruch beginnt in dem höheren Gebirge nord-
westlich von Schio und bildet bis in die Nähe dieser Stadt den
westlichen Rand der gewaltigen, bei S. Orso südwärts überscho-
benen Flexur, welche die Bergmassen des Tretto unter die Ebene
von Thiene sinken lässt. Von Schio angefangen aber bezeichnet
dieselbe Linie den Rand der Scaglia und der tertiären Bildungen
gegen diese Ebene. So kreuzt sie Malo, ostwärts schon von Schio
an von steilen aufgeschleppten Scherben der alt-mediterranen
Schioschichten begleitet, streicht dann in der Nähe von Vicenza
234 Vicenza.
durch und bildet die ösüiche Grenze der berischen und der euga-
näischen Berge gegen die Ebene. Ihre Richtung ist zwischen NW.
und NNW., ihre Länge bis gegen Battaglia beiläufig 70 Kilom.^'
Westlich von dieser Linie liegt das tertiäre Hügelland von
Vicenza und dieses bildet sammt den berischen und den euganäi-
schen Bergen einen langen, in die Ebene vorragenden Sporn,
welcher auf der Linie Verona — Este unter die Ebene des Po hinab-
taucht. Man bemerkt keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen
den eocänen und oligocänen Basalt- und Trachytausbrüchen dieser
Gegend und dem grossen Sprunge von Schio, welcher jünger ist
und an dem, wie gesagt, alt-mediterrane Schichten aufgeschleppt
sind. Dieses ganze Gebiet hat vielmehr den Bau einer flachen
Mulde; in dem südlichsten Theile kommt zwischen Este und Bat-
^i?« 34* Monteccht und Capuleti westlich von Vicenza.
Br basaltische ürecciola; a Bryozocnmergcl ; b grosse Rustcllarien, Crassutella, darüber Ostr. rari-
lamella; C Clyp. Hreunigi; J Kurallcnkalk; e Lithothamnicnkalk ; [i, [i, 3 sehr kleine Auf läge ninj^tm vun
BasalttufF in nicht ganz sicherem Horizont; /(unter dem Schlosse der Montecchi) Kicselkalk mit Korallen;
m, m Spalten, jene links mit organischen Resten aus dem Horizonte von Sangonini, jene rechts mit solchen
von Castel' Gomberto.
taglia in grosser Ausdehnung die Kreideformation, an einer Stelle,
bei dem S. 193 erwähnten Fontana Fredda, sogar der obere Jura
wieder zum Vorschein.
Untergeordnete Störungen werden z. B. im Südwesten von
Vicenza sichtbar; die Verwerfung, mit welcher hier, an den Schlös-
sern der Montecchi und der Capuleti, die vulcanische Mandelstein-
breccie an die mittleren Tertiärschichten stösst, ist von Sprüngen
begleitet, welche in weichem Mergel wohlerhaltene oligocäne
Meeresconchylien enthalten.
Auf dem Stücke der Südalpen, welches bisher besprochen
wurde, lassen sich daher folgende Dislocationen beobachten. Es
sind lange, stellenweise in Brüche übergehende Flexuren vorhanden,
welche der Judicarienlinie parallel, ostwärts gesenkt und ostwärts,
richtiger aus WNW. gegen OSO. überschoben sind. Diese reichen
Im Norden der Astibrüche. 335
von der Judicarienlinie bis an die linke Seite der Etsch unterhalb
Peri. Ferner sind ähnliche Flexuren vorhanden, welche den Asta-
brüchen mehr oder minder parallel laufen, südlich von diesen
liegen und südlich gesenkt und zuweilen südlich überschoben
sind. Einzelne der judicarischen Flexuren schwenken in scharfem
Buge, beiläufig in der Nähe des Etschthales, in die Richtung der
Astaflexuren um.
Der Betrag der Senkung an den einzelnen Flexuren nimmt
im Allgemeinen sowohl mit der Entfernung von den judicarischen,
als auch von den Astasprüngen gegen die Ebene ab.
Ausser diesen Flexuren sind geradlinige, im Grossen fächer-
förmig gestellte Brüche mit gesenktem Ostflügel vorhanden, welche
vom Nonsberge bis in den nördlichen Theil der Provinz Verona
die nordsüdliche Richtung beibehalten; von Montecchiä läuft dann
ein solcher Bruch gegen NNW., und das letzte Glied dieser Gruppe
scheint der Bruch von Schio zu sein, welcher noch mehr gegen
Nordwest gerichtet ist.
Während die flexuren gegen die Ebene an Bedeutung ab-
nehmen, steigert sich die Bedeutung dieser Linien in der Richtung
des Bruches von Schio ; wenigstens deutet hierauf die Bedeutung
der beiden letzten Linien dieser Gruppe.
Dislocationen im Norden der Astabrüche. Die Masse
der Cima d'Asta verhält sich sammt dem Porphyr allen bisher
aufgezählten Störungen gegenüber wie ein grosser Horst. Dieser
Horst selbst ist von einzelnen grossen Dislocationen durchquert,
welche ebenfalls stufenförmiges Absinken herbeiführen, aber sein
Absinken ist nicht gegen Süd, sondern gegen Nord ge-
richtet. E. V. Mojsisovics und sein Mitarbeiter R. Hörnes haben
diese merkwürdige Thatsache festgestellt, und was ich über dieses
Gebiet zu sagen habe, ist fast ausschliesslich den trefflichen Dar-
stellungen des Ersteren entnommen.^^
Von Lavis im Etschthale, an der südwestlichen Ecke der Por-
phyrdecke, läuft der Umriss derselben ziemlich geradlinig gegen
Nordost in die Richtung von Trudcn, östlich von Neumarkt, und
scheint seine unmittelbare Fortsetzung in einer Störungslinie zu
finden, welche (|uer ül)er das ganze Porphyrgebiet, mehr und
mehr gegen ONO. gerichtet, bis in die Nähe des Latemargebirges
336 Das Porphyrgebiet.
mit abgesunkenem Nordflügel sich erstreckt. Dies ist die Linie
von Truden; sie ist um so bemerkenswerther, als sie räumlich
etwa in die Mitte zwischen den grossen Val Suganabruch und den
Judicarienbruch fallt und zugleich eine mittlere Richtung einhält.
Ein zweiter wichtiger Querbruch im Porphyr ist die Linie
von Tiers; sie beginnt bei Virgl in der unmittelbaren Nähe von
Bozen, läuft gegen OSO. nach Tiers am Ostrande des Porphyrs
und setzt sich als eine Flexur von etwa 800 M. Fallhöhe zwischen
Rosengarten und Schiern fort. Auch hier ist der ganzen Länge
nach der Nordflügel abgesenkt.
Eine ähnliche Flexur umgibt die gewaltige Pyramide des
Langkofel gegen Nord und Nordwest.
Der Eisackfluss kreuzt den Porphyr in einer Grabensenkung,
welche durch stafifelförmige Verwerfungen beiläufig in judicarischer
Richtung gebildet ist, und nördlich von diesen Brüchen, in der
Nähe des Bergortes Klausen, trifft man den Beginn jener bedeu-
tenden Dislocation, welche Mojsisovics als die Bruchlinie von
Villnöss bezeichnet hat. Diese wollen wir etwas näher betrachten.
Dem Phyllit, welcher gegen Nord unter dem Porphyr her-
vortritt, ist nördlich und nordwestlich von Klausen eine Anzahl
dioritischer Laccolithen eingeschaltet. Diese Massen sind nach
Teller, welcher ihre Lagerung und ihre Contactzone untersucht
hat, ,als Intrusionskerne aufzufassen, welche erst nach der Ab-
tragung der Deckschichten als freie Kuppen aus der Schicht-
gesteinsumhüllung heraustraten'.^^ Dies sind eben die Merkmale
wahrer Laccolithen. Da Gerolle desselben Diorits von Teller in
den permischen Conglomeraten unter dem Porphyr angetroffen
wurden, sind diese Intrusionen von hohem Alter. Die beiden
grössten dieser Körper werden von einem gegen OSO. laufenden
Bruche mit gesenktem Nordflügel abgeschnitten. Dieser Bruch
ist in den übereinanderliegenden Stollen am Pfundererberge auf
mehr als 400 M. Höhe mit ausserordentlich steilem Einfallen auf-
geschlossen worden, aber die Fallhöhe der Dislocation muss noch
weit beträchtlicher sein.*** Dies ist der westliche Beginn der Bruch-
linie von Villnöss.
Sie kreuzt den Eisackfluss, läuft durch das Villnössthal hin
und lässt an der gesenkten Nordseite Schollen von Porphyr im
Linie von Villnöss. 337
Gebiete des Thonglimmerschiefers, endlich auch einen Sporn von
Trias sichtbar werden. Im mittleren Villnöss bemisst Mojsisovics
die Höhe der Dislocation auf mindestens 800 M. Nun tritt der
Bruch in das Triasgebirge, und es hat an dieser Stelle nach Hörnes
der Betrag der Senkung wesentlich abgenommen; gegen Campil
nimmt er rasch wieder zu. Im Süden davon stellt sich im Garde-
nazzagebirge ein grosser, wohl 1000 M. betragender Grabenbruch
ein, welcher Schollen der Kreideformation neben die rhätischen
Wände legt; den Villnösser Bruch selbst begleiten kleinere und
grössere Parallelbrüche, und von dem Thale von Wengen gegen
Ost ist nun nicht mehr der nördliche, sondern der südliche
Theil gesenkt. So setzt derselbe quer durch das Fanesgebirge
und erreicht in der Nähe von Peutelstein das Thal von Ampezzo;
auf dieser Strecke ist er von Gräben begleitet, in welchen, z. B. an
der Senkung unter der Croda di Antruilles, Streifen der Kreide-
formation, eingekeilt zwischen die rhätischen Massen, vor der
Denudation bewahrt geblieben sind.
Nun durchschneidet der Bruch die Masse des Monte Cristallo,
von welchem gegen Süd und Südwest der hohe und lange Rücken
des Monte Pomagagnon abgesunken ist. Wieder entsteht ein Gra-
ben; bevor das Mesurinathal erreicht ist enden die Brüche, aber
sofort stellt sich nur wenig südlicher in Val Buona ein neuer, be-
trächtlicher Bruch ein, welcher sich leicht als die aus der Richtung
gesprungene Fortsetzung des Bruches von Villnöss zu erkennen
gibt, und dieser zieht sich am Nordrande des Monte Marmarole
gegen Auronzo und von dort in's Comelico.
Sowie nun der Bruch von Villnöss, östlich vom Thale von
Wengen, nicht mehr den nördlichen, sondern den südlichen Flügel
absinken lässt, sieht man an den mehr oder minder parallelen Brü-
chen und Flexuren, welche ihn gegen Süd, bis zu den Astabrüchen
hin, begleiten, ebenfalls den südlichen Flügel gesenkt; die Bruch-
linie, welche den Monte Anteiao durchschneidet, und die Linie von
Fauzarego sind Beispiele.
Wir kehren aber zur Linie von Villnöss zurück. Ihr östlichster
Theil ist durch die Arbeiten Harada's bekannt geworden. Die
Richtung derselben ist von Val Buona an mehr und mehr ONO.,
und so wird dieselbe nahezu parallel mit dem östlichen Theile der
238 Drau- und Gailbrüche.
Val Suganalinie. In einer Entfernung von 8 — 10 Kilom. laufen
nun etwa vom Piave angefangen beide Linien nebeneinander her,
durch Quersprünge fast rechtwinkelig verbunden. Jenseits Come-
lico inferiore, am Fusse der Terza piccola, springt plötzlich der
Villnössbruch rechtwinkelig gegen NNW. ab und umschliesst das
Phyllitgebiet des Monte Zovo; dann erwacht er wieder bei Sap-
pada für eine Strecke als Bruch eines Gewölbes. Die Val Su-
ganalinie aber zeigt, wie Harada's Aufnahmen erkennen lassen, in
diesem östlichsten Theile auf eine lange Strecke den nördlichen
anstatt des südlichen Flügels gesenkt, aber es mag vielleicht die
starke östliche Absenkung an dem Querbruche des Val Frisone
hiezu beigetragen haben.
Mit einer grossen Flexur sinkt nun südlich von der Val Su-
ganalinie das Gebirge südwärts zum Tagliamento ab.^^
Die Drau- und Gailbrüche. Es sind wesentlich andere Er-
scheinungen, zu welchen wir nun gelangen.
Der bisher betrachtete Theil der Südalpen ist gegen West
von der Judicarienlinie, gegen Nord von der aus der Gegend süd-
lich von Meran bis gegen Brunneck sich streckenden Granitmasse
und weiterhin von dem Phyllitgebirge begrenzt, welches unter den
Schichtenköpfen der permischen und triadischen Ablagerungen
hervortritt. Diese Schichtenköpfe ziehen vom mittleren Enneberg
in leichtem Bogen ostwärts gegen die Quellen der Drau bei Innichen
und nehmen von da, den Bogen fortsetzend, eine südöstliche
Richtung, so dass der Phyllit ziemlich tief in das Thal des Piave
hinabreicht, wo ihn das östlichste Ende des Bruches von Villnöss
umgibt.
Dieses weite Gebiet nun, vom Idrosee bis Meran, bis an die
Quellen der Drau und bis an den oberen Piave und auch noch
ein gutes Stück des östlich folgenden Kalkgebirges umfassend,
gleicht einer grossen Schüssel. In zahlreichen Sprüngen und Fle-
xuren sinkt das Gebirge hinab zur venetianischen Ebene, aber in
der westlichen Hälfte ragt ein mächtiger Horst hervor, der Stock
der Cima d'Asta, welcher nicht nur dieser allgemeinen Senkung
nicht gefolgt ist und so die gewaltigen Brüche an seiner Südseite
hervorgebracht hat, sondern auch von diesem Südrande an bis
weit gegen Nord, ja bis nahe an den Granitrand des Nordens hin.
Der Lauf des DrauHusscs. 339
ein entgegengesetztes, nördliches Absinken des Gebirges veran-
lasst hat.^^
Der Schichtenkopf von permischen und Triasbildungen nun,
welcher als der Rand der Schüssel gegen Nord und Nordost über
den Phyllit sich erhebt, wird von allen Beobachtern als ein Denu-
dationsrand aufgefasst; Loretz hat eine Reihe guter Profile über
ihn veröfifentlicht.^7 Es ist dies sicher kein Bruch, wenn auch zu-
weilen das Abfallen der Trias vom Phyllit so steil ist, dass man
eine abgewaschene Flexur voraussehen möchte.
Wir treten nun über diesen Rand der Schüssel hinaus.
Jede Karte der Alpen lässt leicht erkennen, wie der Draufluss
in seinem oberen Laufe zwei sehr scharfe knieförmige Beugungen
macht. Er wendet sich zuerst gegen Nordost nach Lienz, dann
nach Südost gegen Oberdrauburg; von da bildet er ein zweites
Knie, an dessen Scheitel Sachsenburg liegt, und die folgende ge-
rade Strecke, welche ganz nahe östlich von Sachsenburg beginnt
und bis zu der Vereinigung mit dem Gailflusse bei Villach reicht,
ist der Strecke Lienz — Oberdrauburg parallel. Ganz im Gegen-
satze hiezu besitzt der Gailfluss von seinem Ursprünge an, welcher
nahe südlich vom Drauflusse liegt, bis an den Südfuss des Do-
bratschberges bei Villach, also bis ganz nahe an seine Mündung,
d. i. durch etwas mehr als loo Kilom. ein geradlinig gegen OSO.
verlaufendes Thal. wSo wird durch diese Tiefenlinien mitten in den
Alpen ein Gebiet umgrenzt, welches an seiner Südseite gerad-
linig gegen OSO. von Sillian bis zum Dobratsch längs der Gail
sich erstreckt und gegen Norden zwei keilförmige Stücke vor-
treten lässt; der Scheitel des einen liegt bei Lienz, jener des
andern bei Sachsenburg. Es ist derselbe Raum, von welchem
L. V. Buch im Jahre 1824 eine geologische Uebersichtskarte ver-
öfifentlicht hat, welche heute noch zur Erläuterung des Nach-
folgenden benützt werden mag.^'*
Wer, vom Brenner oder aus dem Etschthale kommend, auf
der Eisenbahn durch das enge Drauthal unterhalb Sillian gegen
Lienz fahrt, kann zu seiner Rechten hohe Abhänge von Kalkstein,
an einzelnen Stellen auch die gewaltsam gewundenen rothen Lagen
des Lias wahrnehmen, während die Abhänge zur Linken Gneiss
und alte Schiefer zeioren. Sillian — Lienz ist eine Störuncfslinie. Die
3 40 Licnz.
andere Seite des Keils, Lienz — Ober-Drauburg, ist es auch, und
dieser Bruch setzt sich geradlinig durch das Gitschthal gegen Süd-
ost bis gegen den Gailfluss in der Nähe von Hermagor fort und
tritt dort, wie es scheint etwas mehr gegen Ost gewendet, zu jener
Gruppe von Brüchen, an welchen südlich von Bleiberg die marine
Kohlenformation sichtbar wird. Dies ist der Gitschbruch.^^
Der dreieckige Raum, welchen die Linie an der Drau von
Sillian bis Lienz, der Gitschbruch und das Gailthal umschliessen,
ist vielfach beschrieben worden, so insbesondere von Emmrich und
Stur.^"" Der Bau dieser Scholle ist, abgesehen von minder wichtigen
Störungen, der folgende.
Die Schichten streichen quer über das Dreieck von Ost gegen
West. Die Abhänge gegen den Gailfluss bestehen durchwegs aus
Phyllit; diesem folgen einige kleine Spuren von Porphyrdecken,
dann ein weithin sichtbares Band von rothem Grödener Sandstein
und diesem in grosser Mächtigkeit und zu beträchtlichen Höhen
sich erhebend die Triasformation. Nordwärts stürzen dann mit
steilen Schichtflächen die auflagernden Plattenkalke in gewaltigen
Wänden zur Tiefe und an ihren Fuss lehnen sich petrefactenreiche
rhätische Bänke und die dünn geschichteten und vielfach zerknit-
terten Schichten des Lias. Bis ganz nahe an den Scheitel des
Dreieckes reicht diese mächtige, nordwärts geneigte Serie, da
plötzlich kommt jenseits des Lias wieder die rhätische Stufe her-
vor; das Kalkriff des Rauchkofels bei Lienz vertritt die lichten
Massen der Trias; an dem kleinen Tristachersee streicht noch ein-
mal der rothe Grödener Sandstein durch und unter demselben er-
scheint der Phyllit, in geringer Ausdehnung in den Heimwäldern
bei Lienz den nördlichsten Theil der keilförmigen Scholle bildend.
Man könnte diese Scholle daher als einen Ausschnitt aus einer
ost-westlich streichenden Synklinale bezeichnen, aber der nörd-
liche Flügel ist im Verhältnisse zu dem südlichen von so ausser-
ordentlich geringer Entwicklung und so ganz auf die Spitze des
Dreieckes beschränkt, dass das ganze Gebiet mehr einer dreiecki-
gen, monoklinal nordwärts geneigten Scholle mit aufgeschlepptem
oder aufgestauchtem Scheitel gleicht.
Die Draulinie Lienz — Sillian, welche die Westseite des Drei-
eckes bildet, scheint nach den bisher bekannt gewordenen Beob-
Licn7.
341
achtungen eine sehr wichtige Verschiebungslinie zu sein. Obwohl,
wie gesagt, Phyllit und Gneiss an dem linken Drauufer sich be-
merkbar machen, hat doch schon Emmrich an einer Stelle des
linken Ufers, an der Lienzer Klause, ein Vorkommen von rhäti-
schen Schichten gesehen/'
Erst in der neuesten Zeit aber ist von Teller gezeigt worden,
dass dieses Gebirge von zwei Falten von mesozoischem Kalkstein
durchzogen ist, welche in vielen Punkten der S. 323 erwähnten
Triasfalte vom Penserjoche gleichen. Der erste Zug ist nur
2^1^ Kilom. lang, befindet sich mitten im Schiefer- und Gneiss-
gebiet, westlich von Inner- Villgraten, ist sehr steil gegen Süd ge-
neigt und besteht aus diploporenführendem Kalkstein; er scheint
von Verrucano begleitet zu sein. Weit beträchtlicher ist der zweite
Zug. Dieser beginnt bei Winbach unweit Sillian, lässt hier Trias
und belemnitenführenden Lias mit Bestimmtheit unterscheiden und
ist nur durch einen Schuttkegel vom Drauflusse getrennt. Von
hier wurde er durch Teller längs des Drauthales gegen West durch
33 Kilom. bis zu dem Dolomitriffe der Stadt Brunneck verfolgt
(Fig. 29, S. 322). Dieser Zug ist eine gegen Süd überschobene Falte
im Phyllit. Der Lias an seinem östlichen Ende besteht aus rothen
Adneter Schichten und aus Fleckenmergel, wde im Lienzer Ge-
birge. Teller spricht in der That die Vermuthung aus, dass dieser
lange Zug nur die verschleppte Fortsetzung des Triaszuges vom
Rauchkofel, also eines Theiles des Keiles von Lienz sei.^'
Es steht fest, dass unmittelbar nördlich von jenem Schichten-
kopfe, den wir zuvor als den Rand der Schüssel bezeichnet haben,
innerhalb des Phyllitgebietes, bei Brunneck sogar noch auf dem
Südgehänge des Pusterthaies, ein Gebiet beginnt, in welchem der
Bau und die Zusammensetzung des Gebirges andere sind. An die
Stelle des weiten schüsseiförmigen Einbruches treten enge, in den
Schiefer gepresste Falten und die Merkmale der Ablagerungen
selbst weisen, wie schon vor Jahren Emmrich erkannte, auf die
Nordalpen.
Wir begeben uns jetzt an die Ostseite des Dreieckes von Lienz.
Der Bau der Scholle, an deren nördlichem Scheitel Sachsen-
burg liegt, ist verschieden von jenem der Scholle von Lienz. Wäh-
rend hier der Phyllit hauptsächlich im Süden sichtbar war, die
34-2 Die Scholk von Sachsenburg.
mesozoischen Schichten sich vorwaltend gegen Nord neigten und
im Norden nur ein recht kleines Stück Phyllit hervortaiichte, be-
steht in der Scholle von Sachsenburg der nördliche Theil weithin
aus Phyllit mit einem eingelagerten Zuge von Marmor, und es ist
im Süden, an der Gail, das ältere Gebirge nur in massiger Aus-
dehnung an grossen Brüchen sichtbar."
Es ist nicht nothwendig, dieses Gebiet weiter zu verfolgen.
Wir sehen den winkeligen Lauf der Drau durch Brüche bedingt.
den nordwärts gesenkten Keil von Llenz hineinragen in das ältere
Gebirge, ais würde er einer von Nord kommenden Bewegung Wider-
stand leisten, und sehen die grosse südwärts geschobene Falte von
Brunneck, welche so sehr der Kalkzone von Pens gleicht. Der Bau
dieses Gebirges ist verschieden von jenem der grossen Schüssel;
auch die lithologischen und paläontologischen Merkmale mehrerer
Glieder sind andere; es ist dasselbe Kalkgebirge, welches von
Villach viele Meilen weit nach Osten, quer durch Kärnten in das
südliche Steiermark und bis an den Südfuss des Bachergebirges
Die CarnischcR Alpen
343
südlich von der Drau sich fortsetzt, und welches wir nun bis in die
Stadt Brunneck zu verfolgen gelernt haben.
In dem Winkel, welchen der Schichtenkopf der grossen Schüssel
mit dem Lienzer Gebirge bildet, liegt der Beginn der Carnischen
Alpen, eines Gebirgszuges, welcher durch das Auftreten petre-
factenreicher Ablagerungen von obersilurischem und von carboni-
schem Alter ausgezeichnet ist. Vor Allem ist hier der Grapto-
lithenschiefer zu erwähnen, welchen zuerst Stäche in Kärnten,
dann Taramelli in dem benachbarten oberitalienischen Gebiete
antraf.*'
Die Structur dieses Gebirgstheiles ist eine sehr verwickelte,
und ich beschränke mein Urtheil auf den östlichen Theil, welchen
ich durch wiederholten längeren Aufenthalt kennen gelernt habe.
Südlich von Hermagor ist die paläozoische Schichtenreihe auf die
Mitte des Gebirgszuges beschränkt, und es ist leicht erklärlich, dass
man die mächtigen lichten Triaskalksteine im Norden und im Süden
für normal aufgelagert, ja sogar für eine Vertretung der permi-
schen Zeit gehalten hat. PIs sind dies aber im Norden wie im Süden
an Längsbrüchen eingesunkene Massen, und ist namentlich die den
Botanikern als der Standort der wunderbaren Wulfenia Carinthiaca
bekannte Masse des Gartnerkofels reich an Triasversteinerungen
und durch sehr scharfen Senkungsbruch gegen das Carbon ab-
gegrenzt. Aehnlich verhält es sich südwärts gegen Malborghetto
244 Karstbrüche.
und Pontafel. Der Betrag dieser Senkungen ist ein ausserordent-
lich grosser, doch zififermässig nicht festzustellen.
Die Karstbrüche. In der Nähe von Caporetto am oberen
Isonzo zeigt sich die erste jener langen Dislocationslinien, welche
von hier an jedenfalls bis Antivari, d. i. durch vier Breitegrade,
wahrscheinlich aber noch viel weiter gegen Süden fortziehen, und
welche mit beständigem südöstlichen Streichen für den Bau der
östlichen Küstenländer des adriatischen Meeres massgebend sind.
Es gibt kein Gebiet in Europa, in welchem Dislocationen von
SQ ausserordentlicher Länge und Regelmässigkeit bekannt wären,
und es ist dasselbe durch den rühmlichen Wetteifer österreichi-
scher Geologen im Karstgebiete, im westlichen Croatien, sowie
durch die ganze Erstreckung Dalmatiens erforscht worden. Stur
hat die nordwestlichen Theile am Isonzo,^^ Stäche Istrien und die
benachbarten Theile,*^ Hauer den Zusammenhang durch ganz Dal-
matien geschildert. ''^ Aber erst nachdem auch das westliche Bos-
nien und die Herzegowina erforscht waren, konnte Mojsisovics
ihren Zusammenhang mit dem Senkungsgebiete der Südalpen an-
deuten*^ und konnte Bittner zeigen, dass bis in die Herzegowina
das Wesen dieser langen Dislocationen dasselbe ist.*^ Endlich hat
sie Tietze auf dem montenegrinischen Gebiete noch weiter gegen
Süd verfolgt.5° Es sind durchwegs Flexuren oder Brüche, deren
südwestlicher, dem Meere zugekehrter Schenkel gesenkt und deren
nordöstlicher Schenkel zuweilen überschoben ist. Es wiederholt
sich also in weit grösserem Maassstabe der Bau der Flexuren Süd-
tirols; während aber dort Senkung und Ueberschiebung gegen
Südost, weiterhin gegen Süd erfolgte, tritt' sie hier gegen Südwest
ein. So vollzieht sich das Absinken des dinarischen Gebirgszuges
gegen die Tiefe des adriatischen Meeres.
Die Art des Eingreifens dieser Linien in die Alpen verdient
einige Beachtung.
Ein sehr grosser Bruch von beiläufig ostwestlicher Richtung
schneidet nach Stur östlich von Caporetto das Gebirge von Dach-
steinkalk ab, welches den mächtigen Krn und die Höhen südlich
vom Wocheinthale bildet, und der Dachsteinkalk ist südwärts über
die abgesunkenen Kreidekalke geschoben. Dieser Bruch scheint
die Fortsetzung jener langen Dislocationslinie zu sein, welche nach
Envcitcninjj des adriatischcn Meeres. 345
Taramelli's Angaben von Barcis über Gemona nach Starasella bei
Caporetto läuft.
Südlich von diesem Hauptbruche zeigt sich die erste der süd-
östlich laufenden Linien. Sie scheint nicht in die Richtung der
vorhergehenden Linie einzulenken. Sie entspricht dem Flusslaufe
des Isonzo bei Tolmein, findet ihre Fortsetzung im Thale der Idria
gegen Tribussa, legt bei der Bergstadt Idria, wo sie von vielen
untergeordneten Brüchen begleitet ist, die überstürzten und gänz-
lich verkehrten Lagen des Carbon und der Trias auf eine längere
Strecke knapp neben den abgesunkenen Kreidekalk^' und ver-
läuft weiter über Zirknitz gegen Laas.
Eine zweite Linie erscheint südwestlich von Canale, läuft
nördlich von Görz an dem Fusse der über die abgesunkenen Ge-
birge hinübergeschobenen Bergmassen des Tarnowaner und Birn-
baumer Waldes hin und ist von Stäche durch die Spalte von Buc-
cari, nördlich von Fiume, bis an die Meeresküste bei Novi und,
in Zersplitterung, auf die Insel Veglia verfolgt worden.
Eine dritte Linie beginnt hart am Meere, bei Duino nord-
westlich von Triest; sie führt schräge über die istrische Halbinsel
und zerlegt sich hier in treppenförmige Abstürze. Im Westen von
Veglia, auf der Insel Cherso, auf Lussin und Unie erscheinen die
weiteren Fortsetzungen dieser istrischen Dislocationen.
So streichen, bald durch Zersplitterung vermehrt, bald in ge-
ringerer Zahl, diese grossen Störungslinien fort; eine derselben
bildet einen grossen Theil der Küste des dalmatinischen Fest-
landes. Sie im Einzelnen gegen Südost zu verfolgen ist aber hier
nicht meine Aufgabe.
Erweiterung des adriatischen Meeres. Die mittel-
tertiären Meeresablagerungen reichen von Norden her nicht all-
zuweit nach Bosnien, und was von jüngeren Schollen im Westen
dieses Landes, sowie überhaupt dem periadriatischen Gebiete von
Istrien bis Montenegro etwa da und dort auflagert, ist in süssem
Wasser gebildet. Auch die im Gebiete der Dislocationslinien lie-
genden Küsten des Festlandes und die zahlreichen Inseln sind ganz
frei von jenen jüngeren Meeresbildungen, welche doch sonst in so
grosser Ausdehnung an vielen Küsten des Mittelmeeres angetroffen
werden. Die kleine Insel Pclagosa, mitten im adriatischen Meere
2^*
34^^ Conero, Gargano, Apulien.
und jjerade an jener Stelle gelegen, an welcher sich die Insel-
gruppen des Ostens und des Westens am meisten nahem, ist der
nördlichste Punkt, an welchem solche Ablagerungen bekannt sind,
und Stäche betrachtet geradezu die Inselkette Lagosta — Pelagosa —
Tremiti als die Südküste des einstigen adriatischen Festlandes. "^^
In der That findet sich längs der italienischen Ostküste eine
Reihe von Vorkommnissen, welche als Bruchstücke der eingesun-
kenen dalmatinischen Tafel aufgefasst werden können. Die erste
dieser Schollen ist der Monte Conero bei Ancona. Das zweite,
viel bedeutendere Stück ist das breite und vielfach gegliederte
Vorgebirge des Monte Gargano. Dasselbe erhebt sich in einzelnen
Theilen über looo M., bricht steil gegen den Apennin ab und
ist durch eine von jungen Meeresablagerungen erfüllte Niederung
von demselben getrennt. Seine steil geneigten Schichten bestehen
nach Bucca*s Angaben aus tithonischem, cretacischem und eocä-
nem Kalkstein und aus eocänem Mero^el.'^ Endlich sind hieher die
ausgebreiteten Vorkommnisse von Kreidekalkstein zu rechnen,
welche in den Murgien von Bari und unter den jüngeren Ab-
lagerungen Apuliens bis Otranto hinaus bekannt sind. '^ Der
Gegensatz all* dieser Strecken gegen den Apennin ist so gjoss,
dass de Giorgi vorschlug, dieselben als ein besonderes orographi-
si^hes S)*stem^ als ,Apulo-Garganische Gruppe* abzuscheiden.-^
Zur Bekräftigung der 'Ansicht, dass hier ein Zusammenhang
quer über die heutige Adria stattgefunden habe, macht XeumajT
aufmerksam, dass nach Kobell die heutige Landschneckenfauna
vles Monte Ganrano nicht italienischen, sondern dalmatinischen
Charakter an sich tra^ft,'^
Ks fehlt auch nicht an zahlreichen anderen Spuren des Zu-
s;xntn:onhani:x^s. In den: südlichsten Theile der istrischen Halbinsel
lit^vn an vier Ostküste sehr iunv:^^ Massen von Sand über der be-
kann:en terra rv\^^\, weiche sich von hier auf c:e kleinen west-
Uohor, lns^\n Inie, die beiden Canidv^Ie ur.d S^insego fortsetzen :
S5,whe unvl Marvhese::i halvn dit^elin^n :r. leiricr Zeit untersucht
und Msirv h^^t^^;:: ha: unter den: Ss.inv!e vor. Sar.st^^o eine verhärtete
La^v :r,:; S^^halen von IoIh :u:c:: Arten von Lanisohnecken auf-
ox^\:nv:en. l'^t^o lV\^Kivh:er Ssihen hierin v::e S:^::n:ente eines
5^r\xss<"^:x^:: Svron:os.^
Periadriatischc Erdbeben.
347
Auf vielen Inseln erscheinen in ßreccien die Reste grosser
Landthiere; so ist kürzlich wieder von Neumayr und Woldrich
das Vorkommen von Pferd, Bison, Hirsch und Rhinoceros auf
Lesina als ein Beweis für den einstigen Zusammenhang dieser Insel
mit dem Festlande betont worden.^® Der merkwürdigste Fall dieser
Art scheint das kleine Felsriff Silo unweit von der Südspitze der
Canidole piccola zu sein. Nach Marchesetti liegt dieser Fels, dessen
Oberfläche nur wenige Quadratmeter misst, so tief, dass er bei
jeder höheren Fluth ganz vom Meere bedeckt wird. Nichtsdesto-
weniger finden sich in seiner Breccie zahlreiche Reste grosser
Wiederkäuen^^ Es ist eine bekannte Thatsache, dass auf mehreren
der dalmatinischen Inseln der Schakal (Canis aureus) noch heute
lebend angetroffen wird.
Es ist aber aller Grund vorhanden, zu vermuthen, dass die
Bewegungen, durch welche in neuerer Zeit das adriatische Meer
erweitert wurde, auch heute nicht abgeschlossen sind. Die Region
der periadriatischen Brüche ist heute häufigen und verschieden-
artigen Bewegungen ausgesetzt. Es ist nach den Beobachtungen
von Bittner und Hörnes^ anzunehmen, dass das bedeutende Erd-
beben von Belluno vom 29. Juni 1873 auf zwei parallel gegen
NNO. gerichteten Verschiebungsflächen, auf wahren Blättern, vom
Südrande der Alpen (juer durch dieselben bis in die böhmische
Masse erfolgt und daher jenen Erdbeben sehr ähnlich gewesen
ist, welche am Nordabhange der Alpen eintreten. Eine Erklärung
für diese aus dem Senkungsfelde heraus erfolgende Erschütterung
bin ich zu geben nicht in der Lage. Allerdings sind auch andere
ähnliche Blätter mit Verschiebungen z. B. bei Raibl und im Thale
von Weissenfeis vorhanden, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass
auch das grosse Erdbeben von Villach vom Jahre 1348 ein Quer-
beben gewesen sei.
Aber es ist eine bekannte Thatsache, dass Zengg, Zara, Ra-
gusa und andere Theile der durch Dislocationslinien gebildeten
Küstenstrecken Dalmatiens zu wiederholten Malen der Schauplatz
der heftigsten P>schütterungen gewesen sind, und Hörnes hat mit
Recht darauf aufmerksam gemacht, dass in den Jahren 1 869 und
1870 die Karstlinie Görz — Klana — Fiume — Ottocac, d.i. die zweite
der S. 345 angeführten Dislocationslinien, eine Strasse wandernder
350 Vordere Kante der Alpen.
frei entwickelt über dem gesenkten Vorlande, zuletzt in weitem
Bogen nordwärts vortretend, gibt sich nach Allem, was von seinem
Baue bekannt ist, zu erkennen als die vordere Kante einer
höher liegenden Schuppe des Erdkörpers, welche hin-
übertritt über gesenktes Vorland.
Diesen Saum überschreitend, treffen wir gegen das Innere
des Gebirges, bald mehr, bald weniger regelmässig angeordnet,
in gefalteten, überschobenen, auch durch lange Brüche gegen
vorne gesenkten Ketten, Streifen und Scherben, ältere und ältere
Gesteine, bis weit im Süden wieder Einsturz erfolgt.
Mannigfaltig ist das Vorland der Alpen, einheitlich ihr Aussen-
rand, mannigfaltig wieder ihre Innenseite.
Die Einstürze oder Einsenkungen der Innenseite erfolgen auf
verschiedene Art. In den Karpathen sind es Brüche mit vulcani-
schen Eruptionen ; bald greifen sie tief ins Gebirge, wie von To-
kaj gegen Eperies, und es bleibt nur die Flyschzone des Gebirges
sichtbar, bald wieder bleibt der innere Theil des Gebirges in
grosser Breite sichtbar, wie unmittelbar westlich davon. Die
Senkung von Wien, jene am Ostrande der Alpen bei Landsec
und südlich davon von dem Sporn bei Güns bis hinab zum
Bachergebirge wurden bereits ausführlicher erwähnt.
Hier, südlich vom Bacher, scheint jener selbständige, ein-
seitige Ast der Alpen Ursprung zu nehmen, welcher als das
ungarische Mittelgebirge gegen Nordost zur Innenseite der Kar-
pathen zieht und dessen versenkte innere Zonen unter dem Platten-
see liegen ; ihre Reste erscheinen bei Stuhlweissenburg.
In Uebereinstimmung mit Mojsisovics meine ich die verein-
zelten Gebirgsstöcke, welche, westlich von Agram beginnend, im
Süden längs der Save, im Norden bis über Fünfkirchen hin aus
der Ebene hervortauchen, als Theile einer grossen, ihrer Zusam-
mensetzung wie ihrem Baue nach den Alpen fremden Masse an-
sehen zu sollen. An diese ist die von Serpentinzügen begleitete
Flyschzone des dinarischen Zweiges gestaut, welcher unter dem
Einflüsse dieser nahen Masse nicht in gleich typischer Weise wie
die anderen Zweige des Alpensystems sich zu entwickeln vermag.
Schon von der Senkung von Laibach her und bis hinab nach
Montenegro, so weit die neueren Untersuchungen reichen, ziehen
Absenkung zur Adria. 35 ^
langgestreckte Körper von Schiefer, grösstentheils von carboni-
schem Alter hin, weit mehr den flachen Gewölben der toscanischen
Catena metallifera gleichend, als den Gneisskernen der Alpen. Sie
bilden die älteste Serie dieses Gebirges, und westlich von ihnen
beginnen jene langen, ihnen parallel streichenden Brüche und Fle-
xuren, an welchen alles westliche Land absinkt gegen das adria-
tische Meer. Der Karst ist sammt der Halbinsel Istrien nur ein
Stück dieses selben Gebirges; dieselben Störungslinien durch-
ziehen ihn und ihre Richtung prägt sich scharf aus in dem ge-
zackten Laufe des Isonzo.
Nun sind wir wieder an dem Hauptstamme der Alpen ange-
langt. Wo am Isonzo diese Linien in die Alpen eingedrungen
sind, erscheinen neue Brüche, welche nun weithin bis Meran und
bis an den See von Idro sich erstrecken. Alle diese grossen Linien,
von Montenegro bis an den See von Idro, umgeben das adriatische
Meer gegen Ost, Nord und Nordwest und können mit Recht die
periadriatischen Brüche genannt werden.
Diese Linien bezeichnen Treppen der Absenkung und das
adriatische Meer liegt in der Tiefe der Senkung. Die Lage des
adriatischen Meeres ist daher in dem Gefüge der Südalpen vor-
gezeichnet. Aus dieser allgemeinen Absenkung ragt jedoch in
Südtirol die granitische Masse der Cimad'Asta als ein Horst hervor,
und was nordwärts von dieser liegt, ist in entgegengesetztem Sinne
abgestuft; die periadriatischen Linien zeigen aber in dem ganzen
Gebiete nicht nur Absenkung, sondern auch ein Herübertreten des
höheren über den gesenkten Gebirgstheil und da, mit Ausnahme des
Gebietes nördlich von der Cima d' Asta, der letztere stets dem Meere
zunächst liegt, erfolgt die Ueberschiebung rings von den Gebirgen
gegen das Meer, d. i. von der Höhe gegen die Tiefe der Senkung.
Sie ist daher in dem Etschbuchtgebirge und am Gardasee gegen
Südost, südlich von der Cima d'Asta gegen SSO. oder Süd, in
Istrien, Croatien und Dalmatien aber gegen Südwest gerichtet.
Diese verschiedenen periadriatischen Dislocationslinien sind,
wie sich zeigt, nach demselben Grundplane gebaut; verticale und
horizontale Bewegung ist eingetreten und zugleich scheinen alle
Umstände die im amerikanischen Westen schon vor Jahren von
Gilbert gewonnene Anschauung zu bestärken, dass die verticale
352 Nord- und Südalpen.
Bewegung eine tiefer liegende, die horizontale eine mehr ober-
flächliche sei (S. 144).
Es liegt die Versuchung nahe, diese Erfahrungen auf die nörd-
lichen Alpen anzuwenden und in wesentlicher Annäherung an die
von Herrn Lory in den Westalpen vertretenen Ansichten alle
Falten der Nordalpen als überschobene Brüche oder Flexuren an-
zusehen/' Ich bin der Meinung, dass dies über den wahren Sach-
verhalt hinausführen würde.
In den Südalpen treten, wie sich zeigte, senkende und tangen-
tiale Bewegungen ein ; parallele Flexuren mögen so parallele schiefe
Synklinalen und auch Schuppenstructur erzeugen. Es mag in den
Westalpen im Angesichte des französischen Centralplateaus durch
grosse Bruchlinien der Bau der Alpen wesentlich beeinflusst sein,
und Aehnliches scheint nach den neueren Beobachtungen in den
Nordalpen in der Nähe der böhmischen Masse einzutreten. Aber
die Falten der Finsteraarhornmasse, welche sich in derselben Fels-
wand mehrfach übereinander wiederholen und in welchen der Jura-
kalk nach oben und nach unten von Trias umgeben ist, die Falten-
sättel des Pilatus oder Säntis, alle die in sich selbst zusammen-
geknitterten Gebirgstheile gestatten . eine solche Erklärung nicht.
Der Verlauf der langen Jurawellen, die Bewegung und Stauung
der Alpenkette in ihrer Gesammtheit, die Structur der Karpathen
mit ihren langen, durch die Bauten auf Erdöl erschlossenen Sätteln
zeigen ein unverkennbares Uebergewicht der tangentialen Rich-
tung, wenn auch in den letzten Jahren in dem nördlichen Theile
der Ostalpen eine grosse Anzahl von Senkungen nachgewiesen
worden ist, und wenn auch ganz insbesondere die Südgrenze der
Flyschzone in diesem Theile der Alpen mehr und mehr sich als eine
ausserordentlich grosse und langgestreckte überschobene Dislo-
cation herausstellt.
Es besteht aber vor Allem ein durchgreifender Unterschied
zwischen dem nördlichen und dem südlichen Theile der Ostalpen
darin, dass im Norden alle tangentiale Bewegung gegen aussen,
etwa gegen die böhmische Masse gerichtet ist, während in dem
ganzen betrachteten Theile der Südalpen diese Bewegung gegen
innen, gegen die concave Seite der Curve, d. i. gegen die Tiefe
der adriatischen Senkung gerichtet ist. Das ist das Bestreben die
Vordere Kante des Apennin. 353
Senkung ZU überschieben, welches wir (S. 187) auch an ausser-
alpinen Gebirgen wahrgenommen haben (S. 182).
Dieses Senkungsfeld entspricht seiner Lage nach einer wei-
teren Umgrenzung des adriatischen Meeres, und es mag daher
recht wohl gesagt werden, dass der Rand der adriatischen Sen-
kung bis nach Meran in die Alpen greife. Zugleich zeigt aber ein
Blick auf Taf. HI, dass eine ganz sonderbare Uebereinstimmung in
den Umrissen des adriatischen Meeres, dieses Senkungsfeldes und
des fränkisch-schwäbischen Senkungsfeldes jenseits der Alpen be-
steht. Zwischen den letzteren aber liegt, einem versteiften Balken
ähnlich, die zusammengefaltete Masse der Alpen.
In den Südalpen trifft man weiter gegen West, etwa an der
grossen Flexur der Maniva beginnend, ein zweites, das lombar-
dische Senkungsgebiet, in dessen östlichem Theile, am Comersee,
auch eine südwärts überschobene Flexur bekannt ist. Im Innern
der Alpen bezeichnet der ganz eigenartige vulcanische Stock des
Adamello beiläufig die Scheide beider Gebiete.
So stehen also dem Apennin zwei Senkungsfelder gegenüber,
nämlich das lombardische und das adriatische. Bei Ancona, am
Monte Gargano und in Apulien ragen Reste des gesunkenen Adria-
landes hervor. Wenn die früher gestellte Frage, wo denn eigent-
lich der von Verona gegen Südost nach Este ziehende Rand der
Alpen seine Fortsetzung finde, eine tiefere Berechtigung besässe,
wenn man überhaupt berechtigt wäre, einen solchen einheitlichen
Rand vorauszusetzen, müsste man sagen, dass diese Fortsetzung
von Este in derselben Richtung gegen Südost an der Westseite
des Monte Conero bei Ancona und weiter an der Westseite des
Monte Gargano zu suchen sei.
Der Apennin, welcher weitaus selbständiger auftritt als die
bisher aufgezählten Zweige des Alpensystems, wiederholt nun jenen
Vorgang, von welchem der Aussenrand der Alpen Zeugnlss gibt.
Unerachtet der Mannigfaltigkeit des Vorlandes tritt er in ununter-
brochener, stetiger Curve gegen die lombardische, wie gegen die
adriatische Senkung vor und ganz wie der äussere Saum der Alpen
erscheint uns auch dieser Saum wieder als die vordere Kante
einer höher liegenden Schuppe des Erdkörpers, welche
hinübertritt über tiefer liegendes Vorland.
254 Virgation.
Wir Übersteigen den Apennin und befinden uns an seiner
Westseite wieder im Gebiete der Einstürze; Vulcane begleiten sie,
wie in den Karpathen; wie bei Eperies nur die Flyschzone zurück-
geblieben war, so ist es bei Florenz wieder; dieselbe Zertrümme-
rung des inneren Randes wiederholt sich.
So zeigt sich also in dem allgemeinen Vortreten der stetigen
Curven dieser Schuppenränder über mannigfach gesenktes und
gebrochenes Vorland das Wesen des ruthenförmigen Auseinander-
tretens der einzelnen Aeste der Alpen, der Virgation des Ge-
birges. Diese Anordnung bringt es aber mit sich, dass eine Region,
welche Rückland ist für einen Ast, das Vorland bildet für den
nächstfolgenden.
Die Faltenkette ist stets scharf abgegrenzt gegen das Vorland,
aber ihre Beziehungen zu dem Rücklande sind in den Alpen sehr
schwer zu erkennen. Zwischen dem mittelungarischen und dem
dinarischen Zuge scheint wirklich ein fremder alter Kern vorhanden
zu sein. Im Apennin tritt dagegen eine Reihe von Beziehungen
zum Rücklande recht deutlich hervor, wie Lotti kürzlich gezeigt
hat.^^ Auf Elba liegt nämlich unter den Silurschichten alter Ser-
pentin, welcher auf Giglio und Argentario und im nordöstlichen
Corsica sich fortsetzt und wahrscheinlich den grossen alten Ser-
pentinmassen der westlichen Südalpen entspricht. Es folgen Ab-
lagerungen von wahrscheinlich permischem Alter, aber nun fehlt
dem ganzen Inselgebiete die Trias, sowie sie dem grössten Theile
der Catena metallifera auf der Halbinsel fehlt, und da wie dort, in
der Catena metallifera, in Elba und auf Gorsica liegt die rhätische
Stufe transgredirend sogar auf vorsilurischen Gesteinen. Eine
weitere Transgression tritt auf Elba für einen Theil des oberen
Lias ein; über diesem folgt eine neue grosse Lücke für das ganze
Gebiet und die eocänen Schichten transgrediren wie in der Halb-
insel auch auf Elba und Corsica über weit ältere Gesteine.
Man sieht also das Rückland durch Lücken und Transgres-
sionen ausgezeichnet, und der Umstand, dass diese selben Unter-
brechungen der normalen Schichtfolge bis in die inneren Ketten
des Faltengebirges, namentlich in die Catena metallifera zu ver-
folgen sind, zeigt den einstigen Zusammenhang an.
Anmerkungen zu Abschnitt III: Die adriatisclie Senkung.
» J. Trinker, Bericht über die im Sommer 1846 vorjjcnommene j;eoj»n. mont. Reise
in Sftdtirol, in : Bericht über die IX. Generalversammlung des Vereines zur jjeojjn. monl.
Durchforschung von Tirol und Vorarlberg, 8", Innsbruck, 1847, '^^ 9» '7-
2 Es eher in B. Studer's Geol. der Schweiz, 185 1, I, S. 294.
3 Curioni hat hauptsächlich den südlichen Theil, und zwar die Einbuchtung des
Tonalits gegen Blumone und den hohen Uebergang in das Thal des Leno, ferner Lago
di Campo beschrieben; über den Forcellinapass ist Ragazzoni gegangen; G. Curioni,
Ricerche geol. sull' Epoca dell* Emersione delle Rocce sienit. (Tonalite) della Catena d.
Monti deir Adamello; Mem. Ist. Lomb., 1873, XII, p. 341 — 36o. Bemcrkenswerth sind die
hier beschriebenen Keile von Schiefer, Kalk und Granitfels in Tonalit.
4 R. Lepsius, Das westliche Südtirol, 4", Berlin, 1878, insbes. S. 67 — 77, M^ — '52f
189, 191 — 229, 334, 336 u. A. ; auch Verhandl. geol. Reichsanst., 1879, S. 339—343.
5G. Stäche, Die Umrandung des Adamellostockes und die Entwicklung der
Permformation zwischen Val buona, Giudicaria und Val Camonica; Verhandl. geol. Reichs-
anst, 1879, S. 3oo -3l0; Aus den Randgebieten des Adamello, ebendiis., 1880, p. 252 — 255,
u. a. and. Orten.
6 Lepsius, Südtirol, S. 76; Doelter*s Bemerkungen hiegegen in den Verhan<il.
geol. Reichsanst., 1878, S. 349— 351 ; Lepsius, ebendas. 1879, S. 3i.
7 Fig. 27 ist dieselbe Stelle, welche von Lepsius, Südtirol, S. 73 und 222 abgebildet
wurde; Cima Bruffione bei Lepsius ist Corno Busecca; die Feststellung der tifel förmigen
Gestalt der Por]ihyreinschaltungen habe ich insbesondere Dr. C. Diener zu danken, welcher
das Gehänge bis zu den entscheidenden Stellen erklettert hat.
8 Diese Stelle, welche sehr klar und lehrreich ist, wurde kürzlich von Bittner aus-
führlich beschrieben; lieber die geol. Aufnahmen in Judicarien und Val Sabbia; Jahrb. der
geol. Reichsanst, 1881, XXXI, S. 219 u. folg.
9 G. Stäche, Verhandl. der geol. Reichsanst, 1879, S. 127, 250.
>o C. W. C. Fuchs, Die Umgebung von Meran; Neu. Jahrb., 1875, S. 812—848,
Taf. XVI.
" F. Teller, Ueber die Aufnahmen im unteren Vintschgau und im Iffinger-Gebietc
bei Meran; Verhandl. der geol. Reichsanst., 1878, S. 392 — 396; Aufnahmen zwischen Etsch
und Eisack, cbendas. 1880, S. 91 — 98; Tektonik der Brixencr Granitmasse un<l ihrer nörd-
lichen Umrandung, ebeudiLs. 1881, S. 69—74; Aufnahme im llochpusterthale, ebend;us. 1882,
S. 342 — 346; siehe auch P ichler, Beitr. z. Geogn. von Tirol, Neu. Jahrb. f. Min. 1871,
S. 256 u. folg.
I-' Teller, Verhandl. geol. Reichsanst, 1882, S. 345.
'3 Hier habe ich grosse Blöcke von wachsgelbcm Hornstein angetroffen, wie sie mir
sonst nirgends in ilcn Alpen begegnet sind; möglicher Weise stammen sie aus dem ('ontact
von Tonalit und Schiefer.
M E. Mojsisovics v. Mojsvar, Die Dolomitrifl'e von Südtirol un<l Venctien, 8",
1879, S. lüf), 515, 518 u. A.
356 Anmerkungen zu Th. U, Abschn. III. Die adriatische Senkung.
»5 T. Taramelli, Geol. delle Prov. Venete; Mem. Accad. Lyncei, 1882, XIII, tav. II.
»6 L. V. Buch, Ueber die geogn. Beschaffenheit der Gegend von Pergine; Der
Gcsellsch. naturf. Freunde zu Berlin neue Schriften, 1801, III, S. 233; auch in den Geogn.
Beöb. auf Reisen 1802 und Gesamm. Schriften, hgg. von Ewald, Roth und Eck, 1867, I,
S. 328; auch G. V. Rath, Die Lagoraikettc und das Cima d* Astagebirge ; Jahrb. geol.
Reichsanst., i863, XIII, S. 121 — 128.
»7 Diese Stelle ist von mir beschrieben worden in: Ueber die Aequivalcntc des
Rothlicgcnden in den Südalpen, Sitzungsber. k. Akad. Wiss. Wien, I-VII, 1868, S. 23o
u. folg. Taf. I; auch Entstehung der Alpen, S. 86 — 89, und Mojsisovics, Dolomitriffe,
insbes. S. 417.
>* Diese westliche Gegend hat W. Gümbel beschrieben in: Geogn. Mittheil, aus
den Alpen, III; Sitzungsber. Akad. München, 1876, VI, S. 61 u. folg.
>9 Toyokitsi Harada, Ein Beitrag zur Geol. des Comclico und der westlichen
Camia; Jahrb. geol. Reichsanst., i883, XXXIII, S. 151—188, Taf. I, II.
20 T. Taramelli, Spiegazione della Carta geol. del Friuli, 120, Pavia, 1881, p. 172,
und: Geol. delle Prov. Venete (Mem. Accad. Lyncei, XIII, 1882), p. 201, tav. II.
a> D. Stur, Das Isonzothal von Flitsch abwärts bis Görz u. s. w.; Jahrb. geol.
Reichsanst., IX, 1858, S. 365, 366.
22 M. Vacek, Die Sette Communi, Verhandl. geol. Reichsanst, 1877, S. 211 — 21 3
und 3oi — 305; Bittner, Die Tertiärbildungen von Bassano und Schio, ebendas. S. 207 — 210,
und: Das Tertiär von Marostica, ebendas. 1878, S. 127 — i3o.
23 M. Vacek, Die Umgebungen von Roveredo; ebendas. 1878, S. 341 — 345; Um-
gebungen von Trient, ebendas. 1881, S. 157 — 162; Nonsberg, ebendas. 1882, S. 42 — 46;
A. Bittner, Sedimentgebilde in Judicarien, ebendas. 1880, S. 233 — 238; derselbe, Jahrb.
geol. Reichsanst, 1881, XXXI, S. 359 u. folg. u. a. and. Orten.
24 Edm. Fuchs, l^tude sur les gisements mctallif^res des Vallöes Trompia, Sabbia
et Sassina, Ann. d. Mines, 6« s6r., XIU, 1868, p. 420, pl. XVI, Fig. 7; ich bin nicht
sicher, ob die von Edm. Fuchs und später von mir beschriebenen Gänge des Val Trompia
den judicarischen Flexuren oder richtiger den sofort zu besprechenden Nordsüdsprüngen
zuzuzählen .seien; Ueber das Rothliegende im Val Trompia, Sitzungsber. k. Akad. Wiss.
Wien, 1869, LIX, S. 107 u. folg. Die grosse Verwicklung des Baues dieser Gegend hat neuer-
dings Bittner dargestellt in seinen Nachträgen zum Berichte über die geol. Aufnahmen in
Judicarien und Val Sabbia, Jahrb. geol. Reichsanst, i883, XXXIII, S. 438 u. folg.
25 In ihrem südlichen Theile wendet sich die Baldolinie allerdings aus dem judi-
carischen Streichen gegen West und Senkung und Ueberschiebung erfolgen gegen Süd;
Bittner, Der geol. Bau des südlichen Baldogebirges, Verhandl. geol. Reichsanst., 1879,
S. 396—402, und Enr. Nicolis, Note illustr. alla Carta geol. d. Prov. di Verona, 8°,
Verona, 1882, p. 118—122.
26 So wenigstens würde sich aus Goiran's Ortsbezeichnungen ergeben; dessen
Meteorologia'endogena, 12°, Verona, 1879, p. 22 u. folg.
27 Zunächst muss erinnert werden, dass östlich und südöstlich von Trient, in der
Richtung gegen Pergine und den Lago di Caldonazzo, die Enden der grossen Astasprünge
liegen. Thonglimmerschiefer wird bis hiehcr zwischen den Sprüngen sichtbar und die
Endigung der Sprünge scheint mit einem localen Auskeilcn der Porphyrdecken zusammen-
zufallen (Fig. 29). Nun vollzieht sich nach Vacek die Umbeugung der ersten Flexur quer
über den Etschfluss in solcher Weise, dass dieselbe, aus Südwest, vom Orto d'Abramo her-
ziehend, gerade nördlich von Trient die östliche Richtung erreicht, also nördlich von dem
Ende <ier Aslasprünge, und dass diese Flexur hiebei windschief wird. Während nämlich
im Orto d'Abramo bei judicarischem Streichen auch in judicarischcm Sinne der Ostflügcl
gesenkt und der Westflügel über denselben getreten ist, zeigt das nördlich von Trient
liegende und gegen Ost streichende Stück den. nördlichen Flügel gesenkt, und der süd-
liche ist über diesen geschoben. Pline zweite Flexur streicht in gleicher Richtung wie
jene des Oito d'Abramo, vom Monte Bastornata nördlich von Rovcrcto zur Etsch und
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. III. Die adriatischc Senkung. 357
übersetzt das Thal mit ähnlicher Krümmung bei Calliano, also südlich von den Asta-
sprüngen, und diese wird nicht windschief, sondern es bleibt derselbe, also im M. Bastor-
nata der östliche, jenseits Calliano der südliche Flügel gesenkt. Gegenüber von der nörd-
lichen Flexur (Orto d'Abramo— S. Agatha nördl. von Trient) befindet sich am M. Kalis
zwischen S. Agatha und dem Porphyr eine in SSW. übcrbogene Flexur, als würde zwischen
dem Ende der Astabrüche und der Porphyrmasse von Lavis ein kleinerer Graben durch-
ziehen; Vacek, Verhandl. geol. Reichsanst, i88i, S. i6i.
28 Vacek bei Bittner, V. Sabbia, Jahrb. geol. Reichsanst., 1881, XXXI, S. 365.
29 Bittner, Das Alpcngebict zwischen Vicenza und Verona, V<irhandl. geol.
Reichsanst, 1877, S. 226 — 23 1.
30 Ders., Vorlage der Karte der Tredici Communi, ebendas. 1878, S. 59 — 63.
31 Dieser grosse Bruch wurde von Schauroth im Jahre 1855 als solcher erkannt;
in seinem nördlichsten Theile hat Bittner Aufschleppung des westlichen Flügels angetroffen,
während von Schio gegen Süd der östliche, gesunkene Flügel aufgeschleppt ist; Verhandl.
geol. Reichsanst., 1879, S. 77. Es ist ganz dieselbe Erscheinung, welche S. 172 an den
Sprüngen des Coloradoplatcaus erwähnt wurde.
32 Edm. Mojsisovics V. Mojsvdr, Die Dolomitriffe von Südtirol und Venetien, 8",
Wien, 1879 u. Karte; die Uebersicht der Störungen auf S. 515 u. folg.; für die Linie von
Truden S. i35, Linie von Tiers S. i3i, 181, Linie unter dem Langkofel S. 193, Villnösslinic
S. 123, 206, 220, 255, 265 u. a. and. Orten.
33 F. Teller und C. v. John, Geol. petrogr. Beitr. zur Kenntniss der dioritischen
Gesteine von Klausen in Südtirol, Jahrb. geol. Reichsanst., 1882, XXXII, S. 589—684,
2 Taf., insb. S. 636 u. 672.
34 Teller hält diesen Bruch zugleich für den Eruptivcanal der Laccolithen ; das steile
Einfallen desselben ist ersichtlich bei F. PoSepny, Die Erzlagerstätten am Pfundererberg,
Archiv f. prakt. Geol., I, 1880, Taf. X, Fig. 2, 3.
35 Toyokitsi Harada, Ein Beitr. z. Geol. des Comelico u. der westlichen Car-
nia, Jahrb. geol. Reichsanst., i883, XXXIII, S. 151 — 188, 2 Taf., insb. S. 153 u. 186.
Die Uebcrkippung der Tagliamentoflexur vor dem Bruche der Scholle Ugoi-Lavinamondo
(S. 178) erinnert ausserordentlich an das Verhalten der Flexur von S. Orso gegen den Bruch
von Schio.
36 Man trifft alle wesentlichen Züge dieser Auffassung, sq die Betonung der ,auf-
fallenden Localisirung der Nordwerwerfungen* und Andere schon in der ersten Gesammt-
darstellung dieses Bruchnet/.es durch Edm. v. Mojsisovics, Dolomitriffe, S. 515 u. folg.
37 H. Loretz, Das Tirol -Venetianische Grenzgebiet der Gegend von Ampezzo,
Zeitschr. deutsch, geol. Ges., 1874, XXVI, Taf. VIII, Fig. 1—5; Taf. IX, Fig. 6.
38 L. V. Buch, Ueber die karnischen Alpen; ein Schreiben an d. Geheimrath
V. Leonhard, Mineral. Taschcnb. f. 1824, S. 396 — 437, Taf. IV; auch L. v. Buch 's
Gesamm. Schriften, herausg. v. Ewald, Roth u. Dames, III, 1877, i'^sb. S. 177 u. folg.,
Taf. V.
39 Edm. V. Mojsisovics hat denselben beschrieben; Verhandl. geol. Reichsanst.,
1872, S. 351 — 353; die Brüche bei Bleiberg habe ich ausführlich besprochen in: Aequiv. des
Rothliegendcn, I, Sitzungsber. k. Akad. Wiss. Wien, 1868, LVII, S. 252 u. folg., Taf. I.
40 II. ICmmrich, Notiz üb. d. Alpenkalk der Lienzer Gegend, Jahrb. geol. Rcich.s-
anst., 1855. VI, S. 444—453; D. Stur, Geol. Verhältnisse der Thäler der Drau, Isel,
Müll und (lail, ebend;Ls. 1856, VII, S. 414—424 u. Prof. Es hat Mojsisovics einige
Brüche im Süden erkannt, welche ich für <len Bau der ganzen Scholle nicht für so mass-
geben«! hielt, um sie hier hervorheben zu sollen; Verhandl. geol. Reichsanst, 1873,
s. 235—237.
4^ Dies dürfte übereinstimmen mit dem von Stur angeführten Auftreten von Alpen-
kalk bei Bannberg.
42 F. Teller, Neue Vorkommnisse diploporenführendcr Dolomite, Verhandl. geol.
Reichsanst., i8«3, S. H)3— 200.
358 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. III. Die adriatische Senkung.
43 An wenigen Orten tritt die Bedeutung der grossen Bruchlinien für den Bau der
Alpen so eindringlich zu Tage wie in dem westlichen Theil der Sachsenburger Scholle,
etwa auf einer Wanderung von Lind im Drauthale gegen Süd nach S. Lorenzen am Gitsch-
bruche. In Fellbach oberhalb Lind beginnt der Anstieg. Wir gehen über südlich geneigten
Thonglimmcrschiefer, welcher gegen oben grüne Lagen aufnimmt. Es folgt gegen Süd
geneigt der Grödener Sandstein und in schönem Aufschlüsse, beinahe senkrecht gestellt,
die untere Trias, dabei Lagen mit Spir. fragilis, Retzia trigonella u. A. Auf der Hohe
des Rückens liegt Marmor, blaugrau und geschichtet, 50— 60« S. ein wenig in W. ge-
neigt. Wir steigen über zahlreiche Schichtenköpfe hinab zum Weissensee, denn der Trias-
kalk ist steiler gegen Süd geneigt als der Abhang. Der See liegt beiläufig im Streichen;
wir kreuzen ihn an seiner engsten Stelle; erst steigen wir jenseits über weissen Dolomit,
dann folgt schwarzer Schiefer mit Resten von Fischen und Krebsen, wohl der Fischschiefer
von Raibl, hier mit Homsteinlagen ; er ist nur 3o — 40" S. etwas in W. geneigt. Der zweite
Rücken ist erstiegen und gewährt uns einen herrlichen Blick über die südlichen Gipfel;
noch immer hält dieselbe Fallrichtung an; unter der Lorenzer Hütte folgt brauner Schiefer
mit zahlreichen Schalen von Cardita. Die Neigung ist 45° Süd. Dem Schiefer folgt Dolo-
mit, in grösseren Wänden entblösst. Absteigend erreichen wir geschichteten Kalk; es ist
der Plattenkalk. Dieser stellt sich steiler, endlich senkrecht und vollzieht einige S-formige
Beugungen; ein kurzer Abhang folgt gegen S. Lorenzen; der Plattenkalk biegt auf dieser
kurzen Strecke facherfcirmig bis zu 3o<» Nordfallen um. Die Sohle des Gitschthalcs ist er-
reicht. Der grüne jenseitige Abhang ist Phyllit. Jede Fortsetzung der mächtigen in Süd
geneigten Serie, durch welche wir seit dem Köhlerhause ob Fellbach gegangen waren, ist
verschwunden. Der Weg betrug in der Luftlinie 9 Kilom., die Mächtigkeit zum Mindesten
3 — 4 Kilom. Alles ist abgesunken an dem Gitschbruche.
44 Zuletzt dargestellt von G. Stäche, Aus dem Westabschnitt der karnischen Haupt-
kette. — Die Silurformation des Wolayergebirges und des Paralba-Silvellarückens; Verhandl.
geol. Reichsanst., i883, S. 210—216.
45 D. Stur, Das Isonzothal von Flitsch abwärts bis Görz u. s. w., Jahrb. geol.
Reichsanst., 1858, IX, S. 324—367 u. Taf. Auf S. 366 befindet sich eine sehr treffende
Darstellung der passiven Ueberschiebung der grossen tafelförmigen Kalkgebirge über die
cocünen Mergel und Sandsteine des gerenkten Flügels; für den ob. Isonzo auch F. v. Hauer,
Sitzungsber. k. Akad. Wiss. 1857, XXV, S. 328 u. folg.
46 G. Stäche, Die Eocängebiete in Innerkrain und Istrien, ebendas. 1859, X, S. 272
—332, Taf. VIII; 1864, XIV, S. 11 — Il6, Taf. I und 1867. XVII, S. 243—290, Taf. VL
47 F. V. Hauer, Erläuterungen zur geol. Uebersichtskarte der österr. Monarchie,
ebendas. 1868, XVIII, S. 431—454 u. a. and. Orten; G. Stäche, Geol. Uebersichtskarte der
Küstenländer von Oesterreich-Ungarn, 1878, Fol.
48 Edm. V. Mojsisovics, E. Tietze und A. Bittner, Grundlinien der Geol. von
Bosnien-Herzegowina, Jahrb. geol. Reichsanst., 1880, XXX, S. 17, 21; vgl. P'ntstehung
der Alpen, S. 92.
49 Bittner, ebendas. S. 265, 269.
50 E. Tietze, Geol. Uebersicht von Montenegro, ebendas. i883, XXXIV, S. 92.
5» M. V. Lipoid, Erläut. zur geol. Karte der Umgebung von Idria, ebendas. 1874,
XXIV, S. 425—456, Taf. IX, X; auch Stur, Verhandl. geol. Reichsanst., 1872, S. 234—240.
52 G. Stäche, Geol. Notizen über die Insel Pelagosa, Verhandl. geol. Reichsanst.,
1876, S. 123 — 127; vgl. auch Stur, ebendas. 1874, S. 391; über das Adrialand auch
Mojsisovics, DolomitrifTe, S. 53l; Marchpsetti, Descrizione dell* isohi di Pelagosa,
BoU. Soc. Scienze Nat. Trieste, 1876, II, S. 283— 3o6; R. F. Burton, A Visit to Lissa
and Pelagosa, Journ. geogr. Soc, 1879, XLIX, p. 184 u. folg.
53 L. Bucca, Appunti geol. sui Monti del Gargano, Boll. com. geol., 1881, XII,
p. 556 u. 563.
54 C. de Giorgi, Note stratigr. e geol. da Fasano ad Otranto, ebendas. 1881, XII,
p. 187—203, tav. IV.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. III. Die adriatische Senkung. 359
55 Ders., ebendas. 1879, X, p. 622.
56 M. Neumayr, Ueber den geol. Bau der Insel Kos, Denkschr. Akad. Wien, 1879,
XL, S. 263 Note; Kobelt, Jahrb. deutsch, malakoz. Ges., 1879, S. 144.
57 Stäche. Verhandl. geol. Reichsanst., 1872, S. 221; C. Marchesetli, Cenni
gcol. sull* isola di Sansego; Bollet. soc. adriat Trieste, 1882, VII, p. 289- 304.
58 M. Neumayr, Verhandl. geol. Reichsanst., 1882, S. 161 ; J. Woldrich, Beitr.
z. Fauna der Breccien u. s. w., Jahrb. geol. Reichsanst., 1882, XXXII, S. 454 u. folg.
59 Marchesetti, a. ang. Orte, p. 3oo.
60 Bittner, Beitr. zur Kenntniss des Erdbebens von Belluno vom 29. Juni 1873,
Sitzungsber. Akad. Wien, 1874, l.XIX, 2. Abth., S. 541 ; R. Hornes, Erdbebenstudien,
Jahrb. geol. Reichsanst., 1878, XXVIII, S. 387 — 44^» '^♦'^f- ^I» für die Erschütterungen
der .Südalpen in Zusammenhang mit den Dislocationslinicn in.sbes. H. Hoefer, Die Erdbeben
Kärntens und deren Stosslinien, Denkschr. Akad. Wien, 1880, XLII, 90 S., 3 Taf. (S. 87
Einscnkung der Adria) und R. Canaval, Das Erdbeben von Gmünd am 5. November 1881,
Sitzungsber. Akad. Wien, 1882, LXXXVI, S. 353-409, 2 Taf.; Tietze, Geol. Uebersicht
von Montenegro, S. 65 und 93.
6» Hörn es, Erdbebenstud., S. 433 u. a. and. Orten. Hauptsächlich auf Grund der
Arbeit von D. Stur, Das Erdbeben von Klana im Jahre 1870, Jahrb. geol. Reichsan.st.
1871, XXI, S. 231 — 264, Taf. IX, X.
62 Ch. Lory, Essai sur l'Orographie des Alpes occid., 8", Grenoblc, 1878; Coup
dVeil sur la Structure des Massifs primitifs du Dauphine; aus d. Bull, de la section de l'Is^re
du Club alpin fran^., II, 1878 u. a. and. Orten.
^J B. Lolti, Osscrv. geol. sulle isole dell' Archipel, toscano, Boll. com. geol., 1884,
XV, p. 56-61.
Sucss, l):is Antlitz ilcr Krtli*. 24
VIERTER ABSCHNITT.
Das Mittelmeer.
Fünf historische Phasen von ungleichem Werthc. — Beziehungeri zu Amerika. — Der
atlantische Ocean, — Guadahiuivir, Gironde, Rhone. — Erste Mediterranstufe. — Der
Schlier. — Zweite Mediterranstufe. — Das sarmatische Binnenmeer. — Die pontischen
See*n. — Neuere Zeit. — Nordische Gäste. — Die letzten Einbräche. — Uebersicht.
L/ie silurischen Ablagerungen des mittleren und südlichen
Europa unterscheiden sich in ihrer Gesammtheit auf eine nicht
unwesentliche Weise von den gleichaltrigen Ablagerungen des
Nordens. Es ist für einen beträchtlichen Theil der jurassischen
Zeit das Dasein einer , mediterranen Provinz', welche auch die
Alpen und die Karpathen umfasst, im Gegensatze zu einer nord-
europäischen Provinz, als erwiesen anzunehmen. In noch jüngeren
Ablagerungen tritt deutlich der Einfluss des wärmeren Klima's in
dieser mediterranen, aber stets die Alpen mit umfassenden Region
hervor, so z. B. in der reichen Korallenfauna der Turonstufe in
Südfrankreich und in den Gosaubildungen der östlichen Alpen.
Nicht weniger auffallend ist der grosse Formenreichthum und die
Pracht der alttertiären Faunen in den vicentinischen Voralpen.
Gegen die Mitte der Tertiärformation, zur oligocänen Zeit, bedeckt
in weiter Transgression das Meer einen grossen Theil Europa's,
so gross, dass diese oligocäne Transgression nur von jener der ce-
nomanen Stufe übertrofifen wird ; aber auch während dieser grossen
Erweiterung des Meeres zeigt sich eine überreiche Korallenfauna
zu Crosara und bei Castel Gomberto, die in einzelnen Buchten
der Alpen, namentlich in Krain, ja noch in der nördlichen Flysch-
zone am Waschberge bei Wien vertreten ist, während die gleich-
Eintheilung der Tertiärformation. 3 6 I
zeitigen Ablagerungen von Gaas und Lesbarritz, der Sand von
Fontainebleau und von Weinheim nur eine kärgliche Vertretung
dieser Gruppe und nur wenige von den reichverzierten Conchylien
der vicentinischen Vorberge enthalten und gegen Nordost in den
schlammigen Ablagerungen derselben Zeit der Charakter der süd-
lichen Aequivalente mehr und mehr verloren geht.
Erst nach dieser grossen Transgression aber erscheint eine
Fauna, welche eine bemerkenswerthe Anzahl heute noch im Mittel-
meere lebender Arten umschliesst und welche überhaupt so nahe
Beziehungen zu der heutigen Bevölkerung des Mittelmeeres zeigt,
dass sie seit einiger Zeit von einer Gruppe von Geologen als die
, erste Mediterranstufe' bezeichnet werden konnte. Diese Stufe
soll den Ausgangspunkt der nachfolgenden Betrachtungen über
die Geschichte des Mittelmeeres bilden.
Es sind verschiedene Grundsätze mit verschiedenem Erfolge
zur Plintheilung der tertiären Ablagerungen angewendet worden.
Seit Lyell und Deshayes nach der Procentzahl der überlebenden
Arten die grossen Gruppen von Eocän, Miocän und Pliocän unter-
schieden und dadurch eine erste, wenn auch künstliche, doch
höchst fruchtbringende Trennung durchführten, haben die Erfah-
rungen sich wesentlich erweitert. Lyell selbst anerkannte die Noth-
wcndigkeit der Vermehrung dieser Gruppen. Das wichtigste der
neu hinzugetretenen Glieder, Beyrich's Oligocängruppe, stützt sich
aber nicht so sehr auf die Verhältnisszahl der lebenden Formen,
als auf ein Kennzeichen vollkommen verschiedener Art, nämlich
auf die transgredirende Lagerung. Auf paläontologischen Grün-
den beruhte dagegen der von M. Hoernes ausgegangene Vor-
schlag, die mittleren und einen guten Theil der jüngeren Glieder
wieder unter dem gemeinsamen Namen der Neogengruppe zu ver-
einigen. Es wird hier die sarmatische Schichtenreihe zu erwähnen
sein, welche ausserordentlich wenige, ja vielleicht mit Ausnahme
gewisser Rhizopoden gar keine noch lebenden Arten enthält, und
dennoch ohne allen Zweifel jünger ist als die Ablagerungen von
Baden oder als der Leithakalk, w^elche eine hohe Procentzahl über-
lebender Arten umfassen. Endlich haben die Localforschungen zu
einem Heere von örtlichen Bezeichnungen geführt, durch welche
die Analyse der Sachlage wesentlich erleichtert, die Uebersicht
24*
7 02 Un{»leicher Wcrth der Gruppen.
der Vorgänge jedoch erschwert worden ist, und indem von K. Mayer
und Anderen einer grösseren Anzahl dieser örtlichen Glieder der
Rang selbständiger Abtheilungen der Tertiärformation zuge-
wiesen wurde, ist, fürchte ich, das Lineal, welches die Rubriken
zieht, zu einem gefahrlichen Werkzeuge der Synthese geworden.
Allerdings sind es die organischen Reste, welche uns eines
der ersten und wichtigsten Hilfsmittel zur Aufhellung der Vorzeit
liefern. Aber das Ziel der Forschung muss die Erkenntniss jener
grossen physischen Veränderungen bleiben, welchen gegenüber
die Veränderungen der organischen Welt nur als Erscheinungen
zweiter Ordnung, als Folgewirkungen sich darstellen.
Von diesem Standpunkte ausgehend, suchen wir, um eine
Uebersicht über die Vergangenheit des hier in Frage stehenden
Theiles von Europa zu erlangen, vor Allem jene Phasen auf, in
welchen der marine Charakter der Ablagerungen am reinsten zum
Ausdrucke gelangt. Dies sind die Phasen der normalen Zusammen-
setzung des Seewassers, folglich der ungestörtesten Verbindung
der vom Lande umschlossenen Wässer mit einem Weltmeere,
und zwar, wie sich bald zeigen wird, mit dem atlantischen Ocean.
Die Lage des Mittelmeeres lehrt ferner, dass, soferne Umstände
herrschen, welche nur einigermassen den heutigen gleichen, die
Aufhebung einer bestehenden Meeresverbindung über eine um so
viel grössere Fläche ihre Wirkung äussern mag, je näher am atlan-
tischen Ocean, d. i. je mehr in West sie erfolgt, dass daher im
Osten eine häufigere Unterbrechung der normalen Meeresbildungen
und eine grössere Mannigfaltigkeit der Folgen der Isolirung ver-
muthet werden darf als im Westen. Es zeigen daher schon diese
ersten Betrachtungen, dass bei der endlosen Mannigfaltigkeit der
Ereignisse von einer Gleichwerthigkeit der hier unterschiedenen
Phasen in der Geschichte des Mittelmeeres eben so wenig die Rede
sein kann, als von der Gleichwerthigkeit einer Serie von Ereig-
nissen in der Historie des Menschengeschlechtes. Aber so wie auf
die Schicksale eines Volkes neben örtlichen auch allgemeine Vor-
gänge von Einfluss sind, so ist es auch hier. Das im vorhergehen-
den Abschnitte besprochene Nachsinken der nördlichen Adria
bleibt ein locales Ereigniss, während das Erscheinen von nordi-
schen Conchylien im Mittelmeere die Folge eines allgemeinen
Die fünf Mediterranstufen. 363
Vorganges ist, dessen Ursachen ausserhalb des Mittelmeeres
liegen.
Vorläufig haben wir uns aber nur mit der Ordnung der that-
sächlichen Erfahrungen zu beschäftigen, und wir unterscheiden zu
diesem Zwecke seit dem Abschlüsse der oligocänen Zeit mehrere
Phasen des normalen Zustandes des Mittelmeeres, welche als die
erste, zweite, dritte und vierte Mediterranstufe bezeichnet werden
sollen, und welchen sich die Gegenwart sammt den heute an-
dauernden untergeordneten Schwankungen der Strandlinie als eine
fünfte Stufe anschliesst. Jede dieser Stufen und insbesondere die
erste und dritte derselben lässt sich in weitere Glieder theilen. Am
auffallendsten ist die zweite dieser Stufen durch aussermarine Bil-
dungen, welche eine Isolirung des Ostens verrathen, sowohl von
der vorhergehenden, als von der nachfolgenden Stufe getrennt.
Aber in dem Verbreitungsgebiete jeder dieser Stufen kann man
wahrnehmen, dass es solche Strecken umfasst, welche auch während
der vorhergehenden Stufe bedeckt waren, und solche Strecken,
welche neu hinzutreten, während andererseits Strecken verlassen
werden, welche der vorhergehenden Stufe angehörten. Der Um-
riss des Mittelmeeres ist daher in jeder Phase ein anderer.
Um nun einen ersten Ueberblick dieser Stufen zu geben und
die weitere Darstellung zu erleichtern, mögen folgende hervor-
ragende und bekannte Beispiele tertiärer Vorkommnisse die bei-
läufige Bedeutung derselben kennzeichnen.
Die erste Mediterranstufe umfasst die Faluns von L^ognan,
die untere Serie der Meeresbildungen im Rhonethale mit den
Schichten von St. Paul — Troix-Chäteaux, die Meeresmolasse der
Schweiz, die Meeresmolasse Baierns, die Gruppe der Horner
Schichten an den Abhängen des Mannhartsgebirges, die Schio-
schichten Oberitaliens und des Apennin, den Serpentinsand von
Turin, den unteren Kalkstein mit oder doch bis zu dem Horizonte
des Orbitoides Mantelli auf Malta und Gozzo u. s. w.
Im östlichen und südlichen Europa folgt dieser Stufe auf
grosse Erstreckungen eine mächtige Ablagerung von blauem
Mergel, welche viele selbständige Merkmale bietet und häufig
von Gyps- und Salzablagerungen begleitet ist: dies ist der
Schlier.
7 6 4 Die fünf Mediterranstufen.
Der zweiten Mediterranstufe gehören die Faluns der
Touraine an, die Faluns von Salles, die Mergel von Cabrieres im
Rhonethale, die Ablagerungen von Baden, Vöslau, Grinzing,
Stei.nabrunn und der Leithakalk bei Wien, in Ungarn, Siebenbürgen
und der Wallachei, die Schichtengruppe von Tortona, die oberen
Horizonte der Insel Malta.
Im Donauthale liegt auf diesen Ablagerungen die fremdartige
sarmatische Stufe, in welche nur wenige von den mediterranen
Typen aufsteigen und deren Verbreitungsbezirk ostwärts über
jenes der zweiten Mediterranstufe, ja sogar bis über den Kaspi- und
Aralsee hinausgreift.
Es hat Theodor Fuchs mit Recht darauf hingewiesen, dass
im mittleren Italien die blauen Mergel des Vatican über der zweiten
Mediterranstufe eine Stellung einnehmen, welche jener des Schlier
an der unteren Grenze dieser Stufe nicht unähnlich ist.'
In die dritte und vierte Mediterranstufe ist die gesammte
Reihe der älteren und jüngeren Pliocänablagerungen einzureihen,
also die jüngeren Meeresbildungen des Rhonethaies, die Ablage-
rungen von Asti, von Siena und dem Monte Mario, von Gerace
und Messina, von Korinth und Rhodos. In die vierte Stufe fallen
auch die Spuren des Einflusses einer gesteigerten Kälte.
Als die fünfte Mediterranstufe reiht sich das heutige
Mittel meer an, mit Inbegriff der neuesten Randbildungen, die an
der Westküste Italien's, im westlichen Nordafrika, in Cypern und
an anderen Stellen bekannt sind.
Diese fünf Stufen entsprechen im Grossen etwa dem Mittel-
miocän, dem Obermiocän, den pliocänen und quaternären, dann
den jüngsten Bildungen nach der heute üblichen Ausdrucksweise
jener französischen und italienischen Geologen, welche den süd-
französischen Asterienkalk, die Ablagerungen von Gaas, Dego,
Castel Gomberto u. A. noch als Untermiocän bezeichnen.
Beziehungen zu Amerika. Es ist durch eine Reihe neuerer
Beobachtungen sichergestellt worden, dass die Meeresablagerungen
der südamerikanischen Westküste und jene der Antillen eine ganz
besondere Aehnlichkeit mit europäischen Vorkommnissen besitzen.
Diese Aehnlichkeit tritt von den ältesten Bildungen an hervor und
reicht, wie Philippi bemerkt, in Chile bis in die Tertiärzeit herauf,
\
Die Antillen. 365
während welcher dort, an der pacifischen Küste, eine Conchylien-
fauna lebte, deren Gepräge jenem der mediterranen Fauna ver-
wandt ist.^ Erst in den jüngsten Zeiten ändert sich dieses Verhält-
niss und es folgt die heutige westatlantische, der europäischen
fremde Meeresbevölkerung.
Unter solchen Umständen müsste jede Darstellung der Ver-
gangenheit des Mittelmeeres unvollständig sein, welche nicht die
jenseits des atlantischen Oceans bisher gesammelten Erfahrungen
über diesen Gegenstand berücksichtigen wollte.
Die Antillen bilden, wie später gezeigt werden soll, ein bogen-
förmig streichendes Kettengebirge, welches über Cuba, Haiti,
Puerto-Rico und dann südwärts gegen Trinidad zieht. Jamaica
und der südwestliche Theil von Haiti gehören einer innen an-
schaarenden Kette an. Der caraibische Golf ist an der Innenseite
dieser Ketten eingesunken, während das Vorland^ soweit es nicht
von den Wässern des mexicanischen Golfes bedeckt ist, von Mata-
moras, wahrscheinlich aber schon von Veracruz angefangen, weit
um den Nordrand des Golfes herum bis nach Arkansas und Ala-
bama, mit Inbegriff der Halbinsel Florida, und weit an der caro-
linischen Küste hinauf nur aus ganz flach gelagertem Lande be-
steht. Nichtsdestoweniger sinkt der mexicanische Golf bis unter
2000 Faden hinab und im caraibischen Meere wird diese grosse
Tiefe schon nahe an der Ostküste von Yucatan und der Südküste
von Cuba erreicht.
In Jamaica liegt auf einer Serie, welche sich den tieferen Ab-
theilungen unseres Flysch vergleichen lässt, lichter, versteinerungs-
reicher Kalkstein, und seine Fauna entspricht, wie Duncan, Barrett
und Woodward nachgewiesen haben, in überraschender Weise
den Gosauablagerungen der nordöstlichen Alpen. Neben Actaeo-
nella laevis, Nerinaea und zahlreichen Hippuriten erscheint hier
eine Anzahl der bezeichnendsten Korallen der Gosaubildungen,
wie Diploria crassilamellosa, Heliastraea exsculpta und Cyatho-
seris Haidingeri.^
Das Vorkommen dieser cretacischen Korallen auf der anderen
Seite des atlantischen Oceans gestattet die Vermuthung, dass zu
jener Zeit ([uer über den Ocean irgend eine Verbindung, sei es in
Gestalt einer zusammenhängenden Küstenlinie oder doch einer
^66 Europäisches Mitteltertiär der Antillen.
Reihe von Inseln, bestanden habe, und diese Vermuthung wird
bestärkt durch den Umstand, dass sich dieselbe Erscheinung noch
in der Tertiärzeit wiederholt. Sie ist so auffallend, dass sie bereits
zu wiederholten Malen die Aufmerksamkeit der Beobachter ge-
fesselt und dass Duncan, Jones, Etheridge, Guppy, Cotteau u. A.
eine Anzahl vortrefflicher Arbeiten über diesen Gegenstand ge-
liefert haben/
Aus diesen Arbeiten vermag ich nun allerdings das Vor-
kommen der wahren eocänen Korallenfauna auf den westindischen
Inseln dermalen noch nicht als erwiesen anzusehen. Die eocänen
Rififbildungen Europa's, als welche ich die durch d' Achiardi bekannt
gewordenen Korallenbildungen des Friaul ansehe,^ scheinen bis
heute jenseits des Oceans noch nicht aufgefunden zu sein.
Dagegen entsprechen die Korallenbildungen auf St. Bartho-
lomäus und ihre Zeitäquivalente auf Jamaica, Cuba und anderen
Inseln nach Duncan's Untersuchungen den Korallenbänken von
Castel Gomberto und Crosara. Sie bilden auch die »Fernando Beds*
auf Trinidad. Die in diesen Horizonten jenseits des atlantischen
Oceans vorkommenden europäischen Arten, wie Trochosmilia
subcurvata, Trochosmilia arguta, Stephanocoenia elegans, Astro-
coenia multigranosa, Ulophylla macrogyra, Porites ramosa, sind es
auch, welche die Riffe von Castel Gomberto aufbauen und zieren.
Die nächstjüngere, vielleicht mit der vorhergehenden noch
zu vereinigende Abtheilung der westindischen Tertiärablagerungen
ist der Kieselkalk der Insel Antigua. Duncan und Jones haben
denselben bereits im Jahre 1 864 dem unteren Kalkstein der Insel
Malta gleichgestellt. Das Auftreten der Stylocoenia lobato-rotun-
data möchte allerdings nicht als sehr massgebend gelten, da diese
Art in Europa eine grosse verticale Verbreitung besitzt; von
grösserer Bedeutung ist das Erscheinen der Astrocoenia ornata
der Turiner Ablagerungen und das massenhafte Auftreten des
Orbitoides Mantelli, welcher in Europa in gleicher Häufigkeit in
den tiefsten Ablagerungen der Insel Malta liegt.
In Europa besteht aber sicher nur ein geringer Unterschied
des Alters zwischen der Korallenfauna von Castel Gomberto und
dem unteren Kalkstein von Malta. Nach Th. Fuchs liegt dieser
Kalkstein unter dem Horizonte von Schio und nähert sich seine
Mitteltertiär von Florida. 307
Fauna jener von Castel Gomberto und Schio/ Eine wesentliche
Lücke ist daher wohl auch zwischen dem korallenführenden Lager
von St. Bartholomäus und dem Kieselkalke von Antigua nicht
vorauszusetzen.^
Die in Westindien folgenden Lagen von weissem Kalkstein
stimmen zunächst mit dem oberen Kalkstein von Malta, also mit
den Leithakalk -Bildungen der zweiten Mediterranstufe überein.
Cidaris Melitensis erscheint auf mehreren der westindischen Inseln
in Gesellschaft von Arten, welche sehr nahe Verwandte im oberen
Kalke von Malta besitzen, wie Schizaster Loveni und Brissopsis
Antillarum.
Wir halten nun fest, dass in den westindischen Inseln die
Korallenfauna von Castel Gomberto und der orbitoidenreiche Kalk-
stein von Malta vertreten sind, und dass über diesen noch jüngere
marine Kalkbänke lagern, und mit diesen Erfahrungen wenden wir
uns gegen Nord.
Eugen Smith hat in Bestätigung älterer Angaben gezeigt,
dass die Halbinsel Florida weder gar so niedrig, noch so jungen
Alters ist, als man zu vermuthen pflegt. Ein Rücken, welcher sich
streckenweise über 200 Fuss hoch erhebt, zieht von Norden her
in die grosse Halbinsel herein und der grösste Theil derselben
besteht, südlich bis fast an die Everglades heran und an mehreren
Stellen westlich bis an das Meer, aus dem Vicksburg-Limestone
mit Orbitoides Mantelli, welcher nichts Anderes ist als die Fort-
setzung des westindischen Orbitoiden-Kalksteins, also eines Zeit-
äquivalentes des unteren Kalksteins von Malta.^
Man kann wohl mit nicht geringer Sicherheit die höheren
Theile der Bahama's und der ganzen äusseren Zone der Antillen
als heute vereinzelte Schollen dieser grossen tertiären, floridani-
schen Platte ansehen.
Das von Hilgard veröffentlichte Kärtchen des mexicanischen
Golfes lässt nun die weitere nördliche und westliche Fortsetzung
dieser floridanischen Tertiärablagerungen erkennen.*'
Im Osten wie im Westen des Mississippi tauchen paläozoische
und noch ältere Gesteine hervor. Im Osten ist es das südliche
Ende der Appalachien, das wir erblicken; die mittlere und obere
Kreideformation schmiegen sich, wie an so vielen Orten, auch hier
368 Der mexicanische Golf.
transgredirend an den südlichen und westlichen Umriss derselben;
die westliche texanische Gruppe ist rings von der Kreideformation
umgeben. In eben so flacher Lagerung wie die Kreideformation
folgen dann die ersten Glieder der Tertiärformation, und zwar
sind auf Fig. 37 alle älteren Glieder derselben bis und mit Ein-
. I>H Purl.Hm!>.in.
schluss des Vicksburg-IJmestone, d. i. des Orbitoiden-Kalksteins,
zusammengefasst {/,). Sie umfassen z. B. in Alabama nach Heilprin
eine tiefste lignitführende Gruppe, den kieseligen ,Buhrstone' mit
Ostrea sellaeformis. den Sandstein von Claiborne, welcher dem
Pariser Grobkalke nach seinen Conchylien gleichgestellt wird, den
weissen Kalkstein (Jacksonlan), welcher das Lager der grossen
Zeuglodontenreste bildet, und den, wie es scheint, mit dem vorher-
gehenden ziemlich enge verbundenen Orbitoiden-Kalkstein.'" Sie
erstrecken sich vom Rio Grande durch Texas und Louisiana im
X
Zeitweise Abschliessung des mexicanischen Golfes. 3^9
Mississippithale aufwärts und sind in der Tiefe desselben bis Vicks-
burg sichtbar; von da an umgeben sie in ähnlicher Weise die
östliche Kreidezone und setzen sich gegen Süd nach Florida, zu-
gleich gegen Nord durch Georgia in der Richtung der atlantischen
Küste fort.
Etwa von Pensacola, nahe der westlichen Grenze des Staates
Florida, angefangen erreichen diese tertiären Ablagerungen das
Ufer des mexicanischen Golfes und ihre Westgrenze auf dem Fest-
lande entspricht beiläufig dem Verlaufe jenes bedeutenden Steil-
abfalles, welcher westlich von Florida die i oo-Fadenlinie aus-
zeichnet. Nun tritt die bemerkenswerthe Erscheinung ein, dass an
die floridanische Platte ostwärts, d. i. gegen den atlantischen
Ocean, eine weitere Reihe jüngerer Meeresbildungen sich an-
schliesst, während dies gegen Westen nicht der Fall ist. Dort folgt
im Gegentheile von Pensacola westwärts und quer über das Thal
des Mississippi bis an den Rio Grande eine Zone von dunklerem,
steifem Thon mit schwachen Zwischenlagen von dunklem Kalk-
stein, .gyps- und lignitführend, ohne andere organische Reste als
Spuren von Blättern und einer Schildkröte. Dieses ist Hilgard's
Grand-Gulf-Series {g g, Fig. 37), aus welcher derselbe eine
zeitweise Abschliessung des Golfes gegen den Ocean entnimmt.
Ueber der Grand-Gulf-Series folgt zuerst der hochgelbe Drift-
sand oder Orangesand und über diesem die marinen Schichten
der Port-Hudson-Group, welche von sehr geringem Alter sind.
Sie bestehen aus einem über 200 Meter mächtigen Wechsel von
Schlamm- und Lagunenbildungen mit sandigen Schichten, welche
die heutige Meeresfauna enthalten.
Es hat daher während der Zeit der Grand-Gulf-Series die
floridanische Platte wahrscheinlich noch vollständiger als heute
den Golf vom Ocean abgeschlossen. Dass sie ihre Fortsetzung in
den südlichen Inseln findet, ist bereits angeführt worden, und es
gibt einige Spuren, welche das geringe Alter dieser Abtrennungen
anzeigen. Hieher mag man das Vorkommen der Reste einer
grossen und erst in später Zeit erloschenen Säugethierfauna in den
Höhlen des Kalksteins der kleinen Insel Anguilla zählen, und ein
genaueres Studium der heutigen Fauna und Flora gibt noch
weitere Aufschlüsse über die Zerstückelung der tertiären Platte,
270 Tertiärer Saum von Georgien bis New-Jersey.
So hat Bland gefunden, dass die Landconchylien von Cuba bis zu
den virginischen Inseln und Anguilla auf einen Zusammenhang mit
Mexico und Centralamerika, dagegen von Antigua und St. Chri-
stoph bis Trinidad auf südamerikanische Herkunft weisen." Die
Fauna der tieferen Theile des mexicanischen Golfes wie des carai-
bischen Meeres steht nach den letzten von AI. Agassiz ausgeführ-
ten Untersuchungen der pacifischen Tiefseefauna näher als der
atlantischen."
Von Florida zieht nun nordwärts durch Georgien, beide Caro-
linen, Virginia, Maryland und New-Jersey ein breiter Saum ganz
flach gelagerter und nur wenig über das heutige Niveau des
Meeres aufragender Tertiärablagerungen an dem atlantischen
Saume des Festlandes hin. Er erreicht beiläufig im 40. Breite-
grade sein Ende und die nördlich von New- York liegenden atlan-
tischen Küsten sind nicht mit tertiären Meeresablagerungen be-
kleidet.
So wie in Europa die rififbauenden Korallen nur in den süd-
licheren Tertiärablagerungen häufiger vorkommen, ist dies auch
in Amerika der Fall, und diese nördlich von Florida auftretenden
Schichten sind wie die flach gelagerten nördlichen Tertiärschichten
Europa's fast nur durch Conchylien ausgezeichnet. Nach den ver-
dienstlichen neueren Untersuchungen von Heilprin wären hier drei
Horizonte zu unterscheiden, welche jünger sind als der Orbitoiden-
kalk von Vicksburg. Die erste, die Stufe von Maryland oder
das untere atlantische Miocän, wird wenigstens einem Theile der
ersten Mediterranstufe und den Faluns vonL^ognan gleichgestellt;
die Ablagerungen von Virginien und ein jüngerer Horizont von
Maryland bilden Heilprin's virginische Stufe oder das mittlere
atlantische Miocän, welches als das muthmassliche Zeitäquivalent
der zweiten Mediterranstufe angesehen wird. Die jüngsten Schichten
endlich sind jene von Nord- und Südcarolina, die carolinische
Stufe oder das obere westatlantische Miocän.'^
Hienach scheint an diesem Küstensaume die Anordnung im
Allgemeinen eine solche zu sein, dass die älteren Stufen mehr
gegen Nord, die jüngeren aber gegen Süd, nämlich gegen die
Carolinen, vorherrschen. Ihre Fauna ist eine ziemlich selbständige;
in den jüngeren Schichten mehrt sich die Uebereinstimmung mit
Spuren von Land im atlantischen Ocean. 37^
der heutigen westatlantischen Fauna; in jenen von Patuxent River,
Maryland, meinte Rolle schon im Jahre iSSg gewisse Aehnlich-
keiten mit Conchylien von Loibersdorf, d. i. der ersten Mediterran-
stufe Europa's, zu erkennen.'*
Der atlantische Ocean. In der Nähe des 40. Breitegrades
nähert sich der Saum amerikanischer Tertiärablagerungen der
atlantischen Küste. Nördlich davon sieht man weder in den Ver-
einigten Staaten, noch in Canada, noch weiter hinauf in den arkti-
schen Gegenden Nordamerika's irgendwo die Spuren eines tertiären
Meeres. Was etwa an jüngeren Bildungen dafür gehalten werden
könnte, gehört der Champlainperiode, einer weit jüngeren Zeit, an.
Vergeblich sucht man aber auch an der Westküste Norwegens,
in Schottland oder Irland nach Meeresbildungen der Tertiärzeit;
sie erscheinen erst in der südlichen Hälfte der Nordsee.
Nun könnte man einwenden, dass diese Ablagerungen durch
Eis zerstört seien, aber gerade für die nördlicheren Theile des
atlantischen Gebietes sind in eigenthümlicher Weise positive
Spuren trockenen Landes während der mittleren Tertiärzeit er-
halten. Diese Spuren bestehen in den Ueberresten einer Flora,
welche in braunkohleführenden Schichten, von basaltischen Laven
überdeckt, eben durcTi diese Decken der späteren Zerstörung ent-
gangen sind.
Solche pflanzenführende, von Basalt überdeckte Lagen finden
sich in der Grafschaft Antrim im nördlichen Irland; sie wieder-
holen sich in dem vulcanischen Gebiete der Hebriden und setzen
von dort weiter gegen Norden. Die Faröer bestehen aus zwei
grossen, flach Hegenden Decken von Basalt und Tuff, welche durch
eine solche kohlen- und landpflanzenführende Lage getrennt sind.
Aehnliche Bildungen erscheinen auf Island wieder, wo sie als
,Surturbrand' bekannt sind, und an der Ostküste Grönlands hat
Payer in dem basaltischen Zuge, welcher vom Kaiser Franz Josephs-
Fjord bis zur Shannon-Insel reicht, an mehreren Punkten, wie ins-
besondere im südlichen Theile der Sabine-Insel, eingeschaltete
Lagen mit Braunkohle gefunden.'^ Es wiederholen sich dieselben
an der grönländischen Westküste, wo sie auf der Insel Disko den
Stoff zu einigen der lehrreichsten Untersuchungen Osw. Heer's
geliefert haben, ja noch in 81° 45' nördl. Br. im Discovery-Harbour,
372
Spuren von Land im atlantischea Ocean.
Robeson-Canal, traf Feilden tertiäre Pflanzen an und brachte aus
den dortigen Lignitlagen männliche Blüthen des Taxodium disti-
chum, wie sie auch in ähnlichen Lagen auf Cap Staratschin auf
Spitzbergen gefunden worden sind, also die Blüthen einer Pflanze,
welche heute in Mexico
und dem Süden der Ver-
einigten Staaten fort-
lebt. ■"
Die grosse Ausbrei-
tung dieser Vorkomm-
nisse von Irland und den
Hebriden zu den Farö-
ern und quer über den
atlantischen Ocean nach
Island und an die grön-
ländische Ostküste und
darüber hinaus ist denn
auch bereits zu wieder-
holten Malen als das
Zeugniss für den Be-
stand eines grossen und
mit einer reichen Pflan-
FiB. j8. s.i.rö.^ji.,^^>^«.^i.. F.,fi«.i„.,.in. zendecke bekleideten
Festlandes an der Stelle
des heutigen nordatlantischen Meeres aufgefasst worden. Die
Feststellung der genaueren Chronologie dieser Floren ist sehr
schwierig; der Bestand dieses Festlandes oder doch dieser Reihe
ausgedehnterer Landmassen fallt höchst wahrscheinlich mit jenem
eines guten TheÜes unserer Mediterranstufen zusammen. Die
ausserordentlichen Ergüsse von Laven sind zugleich ein mittel-
barer Beweis für die Bedeutung der tektonischen Bewegungen,
welche diese Gegenden um dieselbe Zeit betroffen haben.
Erst im hohen Norden erscheinen tertiäre Meeresschichten
wieder. Toula führt nach Jul. Payer's Aufsammlungen von mehreren
Punkten der grönländischen Ostküste zwischen 74° 30' und 75° 30'
mittel tertiären, quarzreichen Sandstein an, welcher auf Hoch-
stetter -Vorland Reste mariner Bivalven enthält.'** Die seither von
Tertiäre Mcercsablagcrungen im hohen Norden und auf den Azoren. 373
Nathorst vom Eisfjord in Spitzbergen mitgebrachten Stücke lehren
aber, dass diese Quarzitlager mit marinen Conchylien sich bis dahin
fortsetzen. Sie werden nach Nathorst von den pflanzenführenden
Schichten sowohl überlagert als unterlagert. Trotz der ausser-
ordentlich kümmerlichen Erhaltung der Fossilien konnte Th. Fuchs
unter denselben Gattungen wie : Siliquaria, Pharella, Psammosolen
und Callista unterscheiden, welche heute den arktischen Meeren
ganz fremd sind und in allerdings entfernter Weise etwa auf das
Alter unserer tieferen Mediterranstufen hinweisen. Sicher ist, dass
dort Meeresthiere erscheinen, welche viel südlicheren Regionen
der Gegenwart entsprechen. Weitere Aufschlüsse müssen wir von
neuen Entdeckungen erwarten.'^
So unvollständig sind bis heute die Kenntnisse von der Ab-
grenzung dieses Festlandes oder dieser Reihe grosser Inseln gegen
Nord. Noch unvollständiger ist die Abgrenzung gegen Süd. Auf
den Azoren trifft man einen Anhaltspunkt. Auch hier gibt es vul-
canische Gesteine von tertiärem Alter; mit und unter diesen Laven
und Aschen erscheinen marine Ablagerungen. Sie finden sich auf
S. Maria, der südlichsten der Azoren, in 37" nördl. Br., dann auf
Madeira und auf Porto-Santo, und sie gehören nach K. Mayer's
Untersuchungen, mit Ausnahme eines kleinen, jüngeren Vorkom-
mens auf Madeira, sämmtlich der helvetischen Abtheilung, also
der ersten Mediterranstufe an. In Madeira liegen sie bis 1350 Fuss
über dem heutigen Meeresspiegel.^" —
Die Ostküste des nordatlantischen Oceans ist recht verschie-
den von der Westküste,
Schon bei der Besprechung des nördlichen Vorlandes der
Alpen wurden innerhalb dieses Vorlandes drei Elemente unter-
schieden, nämlich die russische Tafel, die Sudeten und die Region
der westeuropäischen Gebirgskerne. Zu diesen Gebirgskernen
wurden die bcihmische Masse, Schwarzwald, Vogesen, das franzö-
sische Centralplateau und die iberische Meseta gezählt. Ihre Um-
risse sind vielgestaltig und unregelmässig; das ältere Gebirge in
ihnen ist gefaltet; oft breitet sich über sie die Transgression der
• mittleren und oberen Kreide aus; einzelne derselben haben wir
bereits als Horste kennen gelernt, an und zwischen welchen Trias
und Jura abgesunken sind.
274 ^^*^ atlantische Küste Europa's.
Die Sudeten erreichen räumlich bei Weitem nicht so grosse
Bedeutung wie die beiden anderen Gebiete, und es lehrt die geo-
logische Karte von Europa, dass in der That nördlich von den
Alpen unser Welttheil, abgesehen von den Sudeten, in zwei grosse
Regionen zertheilt werden kann. Die östliche dieser Regionen ist
die russische Tafel; sie reicht durch die baltischen Inseln in das
südliche Schweden und findet dort ihr Ende. Was westlich liegt,
ist eine Gruppe von grossen inselförmigen Massen von gefaltetem
älteren Gebirge, zwischen welchen die Niederungen eingesunken
sind. Dies ist die Region der westeuropäischen Gebirgskerne;
Norwegen, Schottland, dann Cornwall, Irland, die Bretagne und
selbst die Ardennen gleichen, bei allen Verschiedenheiten im Ein-
zelnen, doch nach ihrer inselförmigen Vertheilung durchwegs den
eben genannten Gebirgskernen des alpinen Vorlandes.
Die zackigen Umrisse des nordöstlichen Schottland, welche
durch das Herantreten einzelner grosser geradliniger Brüche an
die Meeresküste veranlasst werden, sind bereits an früherer Stelle
(S. 269) mit dem Umrisse des bairischen Waldes verglichen worden.
Judd hat gezeigt, dass an solchen Brüchen da und dort tief abge-
sunkene Schollen von mesozoischen Ablagerungen vor der sonst
allgemeinen Zerstörung bewahrt geblieben sind. Es ist, meint der-
selbe Beobachter, unmöglich, der Folgerung auszuweichen, dass
der ganze Norden und Nordwesten des britischen Archipels, welcher
heute durch Denudation in ein rauhes Gebirgsland umgestaltet ist,
dereinst, so wie die südlichen und südöstlichen Theile, wenn nicht
ganz, so doch zum grossen Theile von sedimentären Ablagerungen
bedeckt war, welche vom Carbon bis einschliesslich zur Kreide
reichten.^' Wir haben daher auch Schottland als einen entblössten
Horst anzusehen.
Noch viel weiter im Norden, auf Andö, der nördlichsten der
Lofoten, befindet sich ganz vereinzelt, doch in allen wesentlichen
Zügen den abgesunkenen Schollen Schottlands gleichend, ein
kleiner Rest von braunem Jura."
Mit einziger Ausnahme des nördlichen Spanien, wo der Aussen-
rand eines Kettengebirges die Küste bildet, tritt Kuropa an seiner
ganzen Westküste nur mit solchen Gebirgskernen, welche wahr-
scheinlich durchwegs Horste sind, an den atlantischen Ocean.
Die atlantische Küste £uropa*s. 375
Dies ist die Ursache des so ausserordentlich mannigfaltigen Um-
risses der Küste und darum ist auch nicht wie in dem südlichen
Theile der Vereinigten Staaten eine zusammenhängende zonen-
förmige Anlagerung der tertiären Bildungen, sondern ein buchten-
förmiges Eingreifen derselben in das Festland sichtbar.
Noch an den Hebriden und im nördlichen Irland haben wir
die Erhaltung tertiärer Landfloren unter den basaltischen Decken
kennen gelernt. Diese Küsten entbehren so wie die ganze West-
küste Irlands jeder Bekleidung durch tertiäre Meeresbildungen.
Dasselbe gilt von Cornwall. Als ein Vorläufer erscheint im Co-
tentin, auf dem Rücken der alten Gebirge der Normandie, welche
eine Fortsetzung der Gebirge von Cornwall sind, zum ersten Male
eine Gruppe kleinerer Schollen von tertiären Meeresablagerungen.
Ihre Fortsetzung ist nach allen Seiten abgespült. Man kennt hier
transgredirende Kreideformation, Meeresbildungen vom Alter des
Pariser Grobkalkes, sehr fragliche Aequivalente der ersten oder
zweiten Mediterranstufe, endlich solche des englischen Crag, welche
in die Zeit der dritten Stufe fallen. Diese bemerkenswerthe Stelle
lehrt zugleich, wie weit sich in gewissen Fällen die Meere der Vor-
zeit über jene mehr oder minder umschlossenen Becken hinaus er-
streckt haben mögen, welche sie heute mit zusammenhängenden
Decken ausfüllen.
Das erste grössere buchtenförmige Eingreifen solcher Ab-
lagerungen zeigt sich an der unteren Loire. Auch hier liegen
sie, wie am unteren Mississippi, auf transgredirender Kreideforma-
tion ; sie befinden sich noch ganz auf dem Rücken des Gebirgs-
kernes der Bretagne.
Die zweite Bucht ist jene der Gironde. Diese ist auf der
einen Seite durch die Ränder der Gebirgskerne der Bretagne und
des Centralplateau's, auf der anderen durch den Aussenrand der
Pyrenäen begrenzt und besitzt daher eine ähnliche Lage, wie das
Tertiärland zwischen der böhmischen Masse und den Alpen.
Die dritte Bucht befindet sich am unteren Tajo. Ihre Tertiär-
ablagerungen setzen sich in vereinzelten Vorkommnissen gegen
Süden fort, ziehen sich sogar um Cap S. Vincent und scheinen
jenseits des Guadiana sich mit der nächstfolgenden Bucht in Ver-
bindung zu setzen, so dass hier allerdings, wenigstens für einen
Suess, Das Antlitz der Krde. 2s
^j6 Atlantische Buchten.
Bruchtheil der atlantischen Küste, von einer Umgürtung derselben
gesprochen werden könnte. Hier dürfte aber auch die Küste
wenigstens in ihren allgemeinen Umrissen beiläufig dem Umrisse
der iberischen Meseta entsprechen. Die Tertiärablagerungen
marinen Ursprunges liegen im Süden auf der mesozoischen Um-
randung der Meseta.
Die vierte Bucht ist jene des Guadalquivir. Ihre Lage ent-
spricht jener der Gironde ; sie wird auf der einen Seite von dem
Rande der Meseta, auf der anderen von dem äusseren Saume der
bätischen Cordillere umgrenzt.
Die Strasse von Gibraltar liegt, wie wir bereits gesehen
haben, in dem Querbruche eines Kettengebirges.
Endlich greifen tertiäre Meeresbildungen vom atlantischen
Ocean her in das Gebiet von Marokko ein.
Die oben aufgezählten Theile der europäischen Westküste
haben eine sehr verschiedene tektonische Bedeutung. Die Schollen
im Cotentin, die Ablagerungen an der unteren Loire, wie jene am
Tajo und längs der portugiesischen Küste um Cap S. Vincent
herum betrachten wir als Theile der alten atlantischen Küste oder
des atlantischen Meeresgrundes. Die Niederungen an der Gironde
und am Guadalquivir dagegen entsprechen dem Verlaufe zweier
grossen Gebirgsketten und verhüllen die Grenze zwischen diesen
und ihrem Vorlande. Wie gross auch die Bedeutung der Strasse
von Gibraltar für den heutigen physischen Zustand unseres Welt-
theiles sein mag, ist sie doch in der allgemeinen Structur dessel-
ben nicht bedingt, sondern von diesem Standpunkte aus nur ein
Zw^ischenfall von recht untergeordnetem Range.
Die weitgehende Uebereinstimmung der atlantischen Küsten-
bildungen und der mittelländischen Ablagerungen zwingt uns
schon von vorne, für die ältere Zeit eine freie Verbindung beider
Meere anzunehmen, und es ist selbstverständlich, dass wir dieselbe
zunächst auf den tektonisch bedeutsamsten Linien, jener der Gironde
und des Guadalquivir, suchen.
Die weitere Aufgabe wird aber wesentlich erleichtert, wenn
wir hier schon einen flüchtigen Blick auf die jüngeren Tertiär-
bildungen des nordwestlichen Europa werfen. Diese abgetrennte
Behandlung mag umsomehr gerechtfertigt sein, als der mediterrane
TertiärablageruDgen an der Nordsee. 377
Typus dort doch nur unter wesentlichen Abänderungen Ausdruck
findet.
Es zeigen sich nämlich rings um den südlichen Theil der
Nordsee die Spuren flach gelagerter Schichten, welche ihrem Alter
nach die Zeit der ersten und wohl auch der zweiten Mediterran-
stufe mit umfassen. Die Umrisse ihrer heutigen Verbreitungs-
gebiete sind jedoch nur durch das Maass der Abspülung bedingt,
welche diese Niederungen seither erfahren haben. Sie bilden, wie
aus Dumont's und Beyrich's Untersuchungen hervorgeht, einen
weiten, nach Nordost offenen Bogen, welcher etwa von der Insel
Sylt bis gegen Antwerpen zieht und den Unterlauf und die Mün-
dungen der Elbe, der Weser, der Ems und des Rhein's umfasst
und in dessen Rand auch noch die Mündung der Scheide fallt.^^
Von diesem grossen Bogen ist allerdings nur der östliche und der
westliche Theil in einiger Vollständigkeit sichtbar, während der
südliche Theil, welchem die Meeresablagerungen von Osnabrück
und Bünde zuzuzählen sind, gar lückenhaft erhalten ist; aber die
Lage dieser Abwaschungsreste ist eine solche, dass sie sich deut-
lich als eine Reihe von einander folgenden Schalenrändern zu er-
kennen geben. Dabei liegen die Mündungen der grossen Zuflüsse
der Nordsee in der Tiefe dieser Schale, welche folglich heute noch
mit der Tiefe des Landes zusammenfällt.
Dieser grosse Bogen findet aber in England keine Fort-
setzung. Man kennt aus ganz Grossbritannien bis heute keine
marinen Ablagerungen aus der Zeit der ersten und zweiten Medi-
terranstufe. Ebensowenig kennt man solche mit Sicherheit im
Cotentin, und die schönen Untersuchungen, welche Vasseur im
Loirethale durchgeführt hat, lassen wenig Zweifel darüber, dass
sie auch dort nicht oder doch nur in ihren allerhöchsten Theilen
und in gar unvollständiger Weise vertreten sind.""*
Noch bei Bovey Tracey in Devonshire, auf dem Rücken des
alten Gebirges, welches in der Bretagne seine Fortsetzung findet,
liegen pflanzenführende Schichten, welche Osw. Heer zunächst
jenen bereits erwähnten Vorkommnissen von Antrim in Irland ver-
gleicht, und wenn auch Heer den Binnensee von Bovey Tracey in
die aquitanische Stufe und den Ablagerungen von Salzhausen in
der Wetterau gleichstellt, deren Alter nur den tiefsten Horizonten
25*
378 Der Crag.
der ersten Mediterranstufe zu vergleichen wäre oder ein noch etwas
höheres ist, mag man doch recht wohl mit Ramsay in diesem Vor-
kommen einen neuen Beweis für den Ausschluss des Meeres wäh-
rend der Miocänzeit und für die grosse Ausdehnung des nord-
atlantischen Continentes oder der Reihe grosser nordatlantischer
Inseln erblicken.^^
Ganz verschieden ist das Verhalten der späteren Ablage-
rungen. Als die Zeitäquivalente der dritten Stufe werden hier die
verschiedenen Unterabtheilungen des belgischen und des eng-
lischen Crag angesehen. Sie erscheinen westlich in der Tiefe der
grossen, die Nordsee südwärts umgürtenden Schale, treten von
Antwerpen nach Norfolk und Suffolk hinüber, liegen in den flachen
Niederungen des östlichen England transgredirend, insbesondere
auf dem alttertiären Londonthon und erscheinen ebenso als Thon mit
Nassa prismatica übergreifend im Cotentin und in der Loirebucht.^^
Zwei Umstände mögen hier betont sein.
Zuerst ist zu bemerken, dass der englische Crag eine wesent-
liche Beimengung von nordischen Formen enthält. Die Zahl der-
selben nimmt in den höheren Gliedern zu, aber Prestwich traf
schon an der Basis der tiefsten Abtheilung, des Coralline-Crag,
einen grossen Porphyrblock an, welcher als ein Beweis dafür an-
genommen wurde, dass Transport durch Eis in diesen Breiten be-
reits bei Beginn der Crag- Ablagerungen stattgefunden habe. Wenn
also für das Mittelmeer etwa der Eintritt der kalten Formen als
bezeichnend für den Beginn der vierten Stufe angesehen werden
wollte, müsste man entweder ein früheres Auftreten dieses Merk-
males im Norden zugestehen oder den gesammten Crag erst in
die vierte Stufe reihen.
Ferner zeigen die Crag -Ablagerungen sowohl Englands als
Belgiens trotz ihrer ganz flachen Lagerung und ihrer geringen
Höhe über dem heutigen Meeresspiegel ganz deutliche Spuren
wiederholter Schwankungen der Strandlinie. Durch diese Oscilla-
tionen mussten bei der ganz flachen Lagerung weite Strecken
trocken gelegt werden. In Suffolk ist der rothe Crag in Erosions-
furchen des älteren Gliedes, des weissen oder Coralline-Crag ein-
gelagert und umgibt wohl auch inselförmig stehen gebliebene
Blöcke des weissen Crag.
Guadalquivir. 379
Während die eocänen Bildungen einen hervorragenden An-
iheil an der Zusammensetzung des südöstlichen England nehmen,
eocäne Bildungen auch nicht nur in Belgien, sondern auch im
Cotentin erscheinen und die Inseln an der Loiremündung aus
eocänem Grobkalk bestehen, während zur oligocänen Zeit eine
noch grössere Transgression des Meeres stattfand, welches in langer
Bucht vom atlantischen Ocean bis Rennes vordrang und in der
Gestalt der Sande von Fontainebleau seine Ablagerungen weit
über den Rahmen des Pariser Beckens ausbreitete, bemerkt man
bis zur Loire herab ein Zurückweichen der Wässer während der
ersten Mediterranstufe. Später greift das Meer wieder über viele
bisher trocken gelegene Landstriche, begleitet von immer deut-
licheren Spuren einer kalten Zeit.
Guadalquivir. Die Höhen der grossen Gebirgskerne des
westlichen und mittleren Europa tragen ausgedehnte Schollen von
Süsswasserbildungen, welche beweisen, dass diese Höhen von den
verschiedenen Ausbreitungen des Mittelmeeres, welche ich hier
zu besprechen habe, nicht erreicht worden sind. Auf der Höhe
der spanischen Meseta breiten sich in horizontaler Lagerung Bänke
von mitteltertiärem Süsswasserkalk und Mergel, zuweilen von
Gyps begleitet, aus, welche heute noch einen sehr beträchtlichen
Theil der Oberfläche der ganzen Halbinsel bedecken. In ähn-
licher Weise erscheinen auf dem französischen Centralplateau,
insbesondere an den oberen Zuflüssen der Loire, in Begleitung
einer mannigfaltigen Reihe vulcanischer Bildungen tertiäre Schich-
ten von verschiedenem Alter, welche sämmtlich in süssem Wasser
gebildet sind. Ebenso sieht man auf der böhmischen Masse, am
Fusse des Erzgebirges, ebenfalls in Begleitung vulcanischer Ge-
steine eine Serie von kohlenführenden Tertiärablagerungen, welche
ausschliesslich in süssem Wasser abgelagert sind, und die Säug-
thierreste, welche sie umschliessen, lassen keinen Zweifel darüber,
dass sie der Zeit nach jedenfalls die erste und die zweite Mediterran-
stufe mit umfassen. Ebenso erscheinen lignitführende Tertiär-
schichten im südlichen Böhmen, deren Alter jedoch allerdings ein
geringeres ist.
So scheiden sich grosse Gebiete sofort als Theile alten Fest-
landes aus. An den Rändern dieser Gebiete und südlich von den-
Guadalquivir. 3^^
Der Unterlage der ersten Stufe wird der Orbitoidenkalkstein
zuzurechnen sein, welchen M'Pherson in Sevilla am Rande der
Meseta traf,'*^ und Mallada hat den Grobkalk mit grossen Austern
und Clypeaster längs des Thaies des Guadalquivir quer durch die
Provinz Cordoba bis nach Jaen verfolgt/^ Schon vor Jahren kannte
aber Verneuil vereinzelte Schollen in den höheren Theilen des
Hussthales, sogar bis in die Nähe von Alcaraz im westlichen
Murcia, und schloss hieraus bereits im Jahre 1853, dass zur Tertiär-
zeit eine Meeresverbindung quer durch das heutige Festland be-
standen haben müsse, durch welche die Sierra Nevada sammt der
Sierra de la Sagra, Sierra de Segura und die Berge von Jaen ab-
getrennt waren von der mit Süsswassersee'n bedeckten Meseta.^°
Diese Meeresbildungen greifen aber in grösseren Flächen
und in kleinen Schollen auch vielfach in das südlich vom Guadal-
quivir liegende Gebirge. Th. Fuchs fand unter den von Dräsche
zwischen der Stadt Granada und der Sierra Nevada, knapp am
Rande des Gebirges gesammelten Versteinerungen Pectines,
welche in die Schioschichten, also in den tiefsten Theil der ersten
Stufe zu stellen sind, während aus dem Lithothamnienkalk von
Escuzar Pecten Zitteli bekannt ist, welcher heute an die Basis der
zweiten Stufe gereiht wird.^'
Nach Gonzalo y Tarin haben diese Ablagerungen an grossen
Gebirgsfaltungen theilgenommen, obwohl sie übergreifend auf den
alten Felsarten liegen. Die Verbreitung der Schollen zeigt, dass
sie sich über das ganze Gebiet der Alpujarras im Südwesten der
Sierra Nevada ausgedehnt haben, und sie treten auch bei Ugijar
im Süden des Hochgebirges auf.^'
Schon Verneuil traf sie bis zur Höhe von 1 200 M.
Es ist daher in der Bucht des Guadalquivir eine Verbindung
des atlantischen und des Mittelmeeres während der ersten und
wohl auch der zweiten Stufe anzunehmen. Der Nordrand lässt
sich an dem südlichen Fusse der Meseta vom Meere weit land-
einwärts verfolgen, aber der Südrand dieses Meerestheiles ist nicht
festzustellen, da spätere Gebirgsbewegungen das Land vollständig
verändert haben. Als sicher hat zu gelten, dass Theile der
heutigen Cordillere südlich vom Guadalquivir damals noch Meeres-
grund waren, und die Verbindung hat aller Wahrscheinlichkeit
Gironde. 3^3
conchylienreichen mediterranen Faluns finden ihre typische Ent-
wicklung südwestlich von der Stadt Bordeaux; ihre jüngste Ab-
theilung aber besitzt ihre bezeichnendste Fundstelle weit draussen
im Flachlande, mitten im Gebiete der Sande der Landes, bei Salles
an dem Flüsschen Leyre.^*
Die oligocänen Ablagerungen haben grössere Aehnlichkeit
mit jenen der Südalpen als mit jenen der unteren Loire und der
Seine; sie bewahren noch bis zu einem gewissen Grade die süd-
europäischen Merkmale und schliessen mit einer Süsswasser-
bildung. Auch die darüber folgenden Meeresbildungen sind durch
eingeschaltete Süsswasserbildungen von einander getrennt, lieber
dem Asterienkalke liegt ein erster Süsswasserhorizont; hierauf
folgt der marine Falun von Bazas und Merignac; nach einem neuen
Süsswasserhorizonte folgt der marine Falun von L^ognan, diesem
abermals ein Süsswasserhorizont und endlich der jüngste Falun,
jener von Salles.
Der Falun von Bazas und Merignac darf vielleicht als dem
tiefsten Theile der ersten Stufe entsprechend angesehen werden ;
die Uebereinstimmung des Falun von L^ognan mit den Ablage-
rungen von Gauderndorf und Eggenburg, nämlich mit den mitt-
leren und oberen Gliedern der ersten Stufe, hat M. Hoernes bereits
vor vielen Jahren nachgewiesen, und ebenso hat Th. Fuchs die
volle Uebereinstimmung der Conchylien des Falun von Salles mit
den Ablagerungen der zweiten Mediterranstufe in der Niederung
von Wien gezeigt.^^
Wendet man sich aber aus dieser Gegend landeinwärts gegen
Lot et Garonne und Gers, so sieht man die marinen Ablagerungen
rasch abnehmen, während die einzelnen aussermarinen Einschal-
tungen der Gegend von Bordeaux gegen Südost mehr und mehr
an Bedeutung gewinnen und endlich, wie insbesondere von Linder
gezeigt worden ist, als zwar deutlich unterscheidbare, aber nicht
mehr durch Meeresbildungen von einander getrennte Glieder sich
überlagern. ^^
Immerhin liegen noch einige der Zerstörung entgangene
Schollen der Meeresablagerungen der zweiten Stufe bei Sos und
bei Eauze, unweit der Grenze der beiden genannten Departements
und etwa 120 — 130 Kilom. vom Meere entfernt.^^ Ebenso trifft
Rhone. 885
Die Bucht der Gironde ist demnach wahrscheinlich nicht als
eine alte VerbindungsstrasSe des Mittelmeeres anzusehen, sondern
nur als eine atlantische Bucht, aus welcher das Meer mehrmals
zurückwich, um wieder in dieselbe zurückzukehren. Die erste
Stufe ist durch Meeresbildungen vertreten; besondere Ausbreitung
ist für die zweite Stufe erkennbar, und es ist die Vermuthung ge-
stattet, dass zu jener Zeit von hier eine Ausbreitung des Meeres
bis an die Loire reichte. Ablagerungen der dritten Stufe sind in
diesem Gebiete nicht nachgewiesen.
Rhone. Sowie das Thal des Guadalquivir und jenes der Loire
den atlantischen Wässern, öffnete sich dem westlichen Mittelmeere
das heutige Thal des Rhoneflusses. An den Südrand des Central-
plateau's schmiegt sich bei Montpellier eine mannigfaltige Reihe
jüngerer Tertiärbildungen, und es greifen von den Mündungen her
Meeresablagerungen der ersten, zweiten und dritten Stufe weit
nordwärts in das Land. Die Kenntniss dieses Gebietes ist von
grosser Bedeutung für die Geschichte des Mittelmeeres, und wir
besitzen von demselben, abgesehen von älteren Arbeiten, eine
Reihe trefflicher Monographien von F. Fontannes, welche vollen
Einblick gewähren. '^^
Zuerst ist hervorzuheben, dass das Thal des Rhone unter-
halb Lyon, welches man richtiger das untere Saonethal nennen
würde, abermals jene Grundzüge des Baues wiederholt, welche
wir am Guadalquivir und der Gironde getroffen haben. Wieder
bildet eine Seite des Thaies der Rand eines alten Gebirgskernes
und die andere Seite der vorgeschobene Saum eines Ketten-
gebirges, nämlich der Alpen. Es muss aber schon hier be-
merkt werden, dass die Ablagerungen der ersten, und nach Fon-
tanne's Profilen wohl auch der zweiten Stufe, obwohl vielfach
transgredirend auf Schollen der Kreideformation abgelagert, doch
die Bewegungen des äusseren Saumes der Alpen mitgemacht
haben. Sie heben gegen die Alpen hin ihre Schichtenköpfe steil
zum Himmel, diese sind wohl auch an einzelnen Stellen über-
gebogen ^' und wir entbehren folglich jedes Anhaltspunktes, um
das östliche Ufer der ersten und zweiten Stufe festzustellen.
Anders verhält es sich, wie sich sofort zeigen wird, mit der nach-
folgenden dritten Stufe.
386 Rhone.
Etwa auf halbem Wege zwischen Lyon und dem Meere, bei
Mont^limart, nähert sich der convexe Bogen der Alpen am meisten
dem Bruchrande des Centralplateau's und gerade an dieser Stelle
ragt ein längerer Rücken von Kreidegebirge hervor, gegen West
und Ost von Tertiärbildungen begleitet. Er grenzt das Dauphin^
im Norden von dem provencjalischen Gebiete im Süden ab. Dieses
südliche Gebiet ist von hervorragenden Kuppen des Kreide-
gebirges unterbrochen.
Alle drei Mediterranstufen reichen nordwärts über die Enge
von Mont^limart hinaus. Ihre Unterlage besteht aus Süsswasser-
schichten, deren höchste Theile möglicherweise schon der ersten
Stufe zuzuzählen sind. Hierauf folgt eine längere Reihe von Mee-
resbildungen, welche Fontannes als ,Helv^tien' oder ,Groupe de
Visan' bezeichnet. Diese Gruppe umschliesst die Aequivalente
von L^ognan und der ersten Mediterranstufe, aber ihre obersten
Schichten, die Mergel und Sande von Tersanne, Visan und Ca-
bri^res, sind die Vertreter der zweiten Stufe. Dieses oberste Glied
tritt in zwei verschiedenen Entwicklungen auf. Im Süden, wie bei
Cabri^res am Mont Luberon, ist es eine reine Meeresablagerung,
ausgezeichnet durch Ancillaria glandiformis, Cardita Jouannetti
und die gewöhnlichen Begleiter derselben, welche von Fischer und
Tournouer dem Falun von Salles gleichgestellt wird, und Th. Fuchs
und Fontannes haben gemeinschaftlich in Cabrieres selbst die
besondere Aehnlichkeit mit Grinzing bestätigt.'*' Es steht daher
fest, dass dieser Horizont der zweiten Stufe zufällt, und dass jene
Süsswasserbildungen, welche an anderen Orten zwischen I und 11
auftreten, hier nicht bekannt sind. In dem Bas-Dauphin^ und
nordwärts tritt dagegen eine Ablagerung auf, welche zu Tersanne
(Drome) noch eine gute Anzahl mariner Arten, noch weiter im
Norden aber neben zahlreichen Helices nur eine vereinzelte glatte
Nassa, N. Michaudi, enthält.
Der zweiten Stufe folgt Süsswasserkalk ; über demselben er-
scheinen rothe Thone mit der reichen Säugthierfauna von Cucuron.
Die nachfolgenden Ablagerungen sind unter verschiedenen
Verhältnissen abgelagert. Sie sind durch eine Zeit der Erosion
getrennt und liegen in den ausgefurchten Thälern; sie haben keinen
Antheil genommen an den Faltungen der Alpen.
Rhönc. 287
Das erste Glied dieser zweiten Gruppe besteht aus den merk-
würdigen Süsswasserschichten von Bollöne, mit Melanopsis, Car-
dium und Congeria, deren Aehnlichkeit mit den ausgedehnten
Süsswasserschichten des östlichen Europa zuerst von K. Mayer
betont worden ist. Nun folgen die Mergel mit Nassa semistriata,
als die marinen Vertreter der dritten Stufe, und diesen abermals
Süsswasser- und Landbildungen. Noch jünger als diese sind die
Ablagerungen mit Mastodon avernensis.
Hienach zeigt auch das Rhonethal eine lange Reihe wech-
selnder mariner und aussermariner Schichten. Die Grenze zwischen
I und n ist nicht wie an vielen Orten durch eine aussermarine
Einschaltung bezeichnet, aber II ist nordwärts nur durch die lito-
ralen Lagen mit Nassa Michaudi und Landschnecken bezeichnet.
Zwischen II und III tritt dagegen ein so weites Zurückweichen des
Meeres, dass die Austiefung von Thälern erfolgt, und vielleicht
fallen gerade in diese Zeit grosse tektonische Veränderungen an
dem Saume der Alpen. Die Congerienschichten von Boll^ne sind
die ersten, welche sich in diese neuen Thäler legen. Ich ge-
stehe jedoch, dass mir einige Zweifel darüber geblieben sind,
welche Rolle bei dieser Gruppirung dem säugthierreichen rothen
Thone von Cucuron zufällt, welcher weder eine Meeres-, noch
eine reine Süsswasserbildung, sondern wie an vielen anderen Orten
der Hauptsache nach eine subaerische, höchstens durch unter-
geordnete Wasserläufe gesammelte Menge von Terra rossa zu
sein scheint, nämlich der Lösungsrückstand, welcher auf Kalk-
plateaux zurückbleibt, welche durch lange Zeit der Einwirkung
der Atmosphäre ausgesetzt sind. So verhält es sich bekanntlich
mit dem rothen Thone des Karstes, mit den rothen Breccien in
den Kalkspalten vieler Mittelmeerinseln und wohl auch mit dem
rothen Thone von Pikermi bei Athen. ^-^
Die drei Stufen des Mittelmeeres greifen nun auf folgende
Weise in das Land:
Die erste Stufe begleitet den Saum der Alpen, nimmt Theil
an der Faltung, liegt etwas entfernter vom Gebirge flach und zieht
über Chambery und den Lac de Bourget in die Schweiz. Sie
findet ihre unmittelbare Fortsetzunj^^: in der Meeresmolasse der
Schweizer Alpen.
3gO Meeresmolassc der Nordalpen.
Abermals sehen wir, wie so oft schon, an einer Seite des Ge-
bietes, welches betrachtet werden soll, den vorgeschobenen Rand
des Kettengebirges, an der anderen Seite erst den Donaubruch,
dann den Südrand der böhmischen Masse. Diesem entsprechend
begegnen wir einer südlichen oder subalpinen und einer nörd-
lichen Zone von Meeresmolassc, während die jüngeren Bildungen
der Ebene mehr oder minder vollständig den Zwischenraum be-
decken, aber selbstverständlich kann die südliche Zone auch hier
nicht als eine Küstenlinie gelten.
Diese südliche Zone läuft nach Gümbel's Beobachtungen in
ziemlich gleicher Entfernung von den Kalkalpen, von Bregenz über
Schfeffau, Kempten, Peissenberg u. s. f., endlich über Traunstein bis
in die unmittelbare Nähe derSalzach.^^ Sie scheint nicht nachOester-
reich herüberzutreten. Wir haben aber festzuhalten, dass vom
Mont Luberon an der Durance, welcher selbst nur ein ostwestlich
streichender Zug der umbeugenden Alpen zu sein scheint, durch
das Rhönethal aufwärts, überMont^limart, dann jenseits Chambery
durch die ganze Schweiz, durch Vorarlberg und ganz Baiern, von
der Durance bis zur Salzach, Meeresablagerungen der ersten Me-
diterranstufe von dem faltenden Saume des Hochgebirges vor-
wärts bewegt worden sind, welches daher selbst, zum Wenigsten
mit seinen äusseren Theilen, auf einem Räume steht, welcher ein-
stens dem Mittelmeere angehörte.
Die nördliche, flachgelagerte Zone der Meeresmolasse liegt
nicht auf tieferen Gliedern der Tertiärformation, sondern lehnt sich
an viel ältere Gebirge, zumeist an den Jurakalk der Schwäbischen
Alb. Sie ist die Fortsetzung jener Zone, welche in der Schweiz
als die ,subjurassische' Meeresmolasse bezeichnet wird. An den
äusseren Gehängen des Randes liegt sie nach Schill über 800 M.
hoch;^' sie hat in der benachbarten vulcanischen Region des Höh-
gau mancherlei Störungen erlitten und zieht von da, beiläufig
dem Albrande folgend, weit gegen Nordost. Der sichtbare Ver-
lauf ist zwar mehrfach durch Abwaschung oder durch Ueber-
deckung unterbrochen, doch verfolgt man sie deutlich bis an den
Rand des bayrischen Waldes, wo sie, bald den archäischen Ge-
steinen, bald den jurassischen Schollen der Gegend von Passau
aufgelagert, namentlich bei Ortenburg mit grossem Reichthume
Kriite Meüitermnslufe in Niederiulerrejch. 39 I
an Versteinerungen auftritt.*' In wiederholten Schollen findet sie
längs dem Rande der böhmischen Masse ihre Fortsetzung bei Linz,
Wallsee, Molk, Wiedendorf bei Krems, Grübern, Meissau, Eggen-
burg, bis die letzten Spuren bei Unter-Nalb in der Nähe von Retz
erreicht sind.
Auch diese Zone ist daher auf eine ausserordentlich lange Er-
streckurig, und zwar von der Schweiz her bis ganz nahe an die
Stelle bekannt, an welcher der Thayafluss aus dem alten Gebirge
in die Niederung hervortritt. (S. 27g.)
Gegen Ost nimmt sie einigermassen an Mannigfaltigkeit zu.
Während, wie wir früher sagten, im Westen in der Regel der
Meeressand unmittelbar auf älterem Gebirge ruht, erscheint bei
Linz als Haupt Vertreter der Zone weisser Sand mit Resten von
Squatodon und anderen Seesäugthieren, bei Molk aber liegt unter
diesem weissen Sande Thon mit Cerithium margaritaceum und
Ostrea fimbriata, in Begleitung von Kohlenflötzen, so dass man an
die brackische Unterlage der südlichen Zone in der subalpinen
Region der Schweiz und Bayerns erinnert wird."
Bei Meissau in Niederösterreich sieht man eine wahre Strand-
bildung an den äusseren Gehängen des Mannhartsberges, und die
Balanen sind, wie M. Hörnes vor Jahren bereits bemerkte, auf
die rundgewaschenen Granitkuppen aufgewachsen. Westlich von
Meissau liegt bei Hörn eine grössere Scholle eingesenkt in das
alte Gebirge; dies ist das sogenannte ,Horner Becken' und hier
ist die Mannigfaltigkeit am grössten. Die Unterlage besteht hier
aus den Brackwasserschichten von Molt mit Cerithium margarita-
ceum, welche den kohlen führen den Lagen von Molk entsprechen.
Ihnen ist der Sand von Loibersdorf aufgelagert, mit dem grossen
Cardium Kübecki und den bereits erwähnten Anmahnungen an
amerikanische Vorkommnisse, ein Horizont, welcher, wenig mäch-
tig und manche oligocäne Art uinschliessend, bis Siebenbürgen
bekannt, aber dem westlichen Europa bis heute fremd ist. Der
nächste Horizont ist jener von Gaudcrndorf, besonders ähnlich
der Meeresmolasse von St. Gallen, und auf diesem lagern die mehr
litoralen Bildungen von Kggenburg und Meissau.
Die südliche Zone sehen wir an der Salzach enden, iii>' nörd-
liche Zone aber nahe an der Thava.
392 Umfassung der Alpen.
Was an Spuren der ersten Mediterranzone noch weiter gegen
Nord liegt, ist vereinzelt und wenig ausgeprägt. Die einzige
sichere Nachweisung derselben an der Aussenseite der Karpathen
erfolgte in der Nähe von Mautnitz bei Seelowitz im nördlichen
Mähren.''* Dort zeigt sich der Horizont von Gauderndorf und viel-
leicht jener von Eggenburg. In dem Hangendgebirge des Stein-
kohlengebietes von Ostrau scheint der erstere auch vertreten zu
sein, und unter demselben liegen basaltische Tuffe mit grossen
Meeresconchylien, die jenen von Loibersdorf gleichen.
Nördlich von diesem Kohlenfelde und an dem ganzen weiteren
Aussenrande der Karpathen ist mir bis heute noch keine ganz zu-
verlässige Spur der ersten Stufe bekannt geworden.
So zeigt es sich, dass in dieser ersten Phase der Ausbreitung
das Mittelmeer bis an die südlichen Ränder der grossen west-
europäischen Horste gereicht und das ganze Gebiet des heutigen
Hauptstammes der Alpen mit einem Arme umfasst hat, dessen
einstige Breite wir allerdings nicht einmal annähernd zu bestimmen
in der Lage sind. Gegen die Schweizer und Bayrischen Alpen hin
treffen wir nur aufgerichtete Schichtenköpfe; gegen Nord scheint
der Albrand und der Südrand der böhmischen Masse ziemlich nahe
mit dem Ufer zusammenzufallen, aber es schieben sich brackische
Schichten in der Richtung des Rheinthaies vor, unter welchen der
Horizont des Mainzer Cerithienkalkes als ein Zeitäquivalent der
ganzen oder doch des tieferen Theiles der ersten Mediterranstufe
anzusehen ist. Dieser erscheint aber nicht nur in der Tiefe des
Rheinthaies, sondern auch als eine vereinzelte Scholle bei Darm-
stadt. Solche Schollen bestärken die Vermuthung, dass die Aus-
breitung der heute bei Mainz sichtbaren tertiären Ablagerungen
eine weit grössere gewesen sei, und dass die grosse Graben -
Verwerfung des Rheins jünger sei als diese Ablagerungen. '^'^ —
Es ist nicht meine Absicht, die südlich von den bisher be-
sprochenen Zonen bekannten Vorkommnisse der ersten Mediterran-
stufe im Einzelnen zu verfolgen. Für die uns hier berührenden
Fragen reicht es hin, zu wissen, dass viele solcher Vorkommnisse
davon Zeugniss geben, dass die Verbreitung des Meeres im süd-
lichen Eirropa und in einem grossen Theile des heutigen Mittel-
meergebietes eine beträchtliche war. Allerdings ist mir die I. Stufe
Das Anatolische Festland. 393
an dem inneren Bruchrande der Karpathen nicht bekannt; ebenso
wenig ist sie bisher in dem eingebrochenen Theile der Niederung
von Wien zwischen der Flyschzone und dem Leithagebirge und
auch nicht an dem Bruchrande der Alpen beiGüns und Graz bekannt,
und auch in den Senkungsfeldern an der Innenseite des Apennin
sieht man sie nicht. Dafür tritt sie aber an vielen Orten innerhalb
der ungarischen Niederung auf; bei Korod in Siebenbürgen wieder-
holen sich die Ablagerungen von Loibersdorf. In Südsteiermark und
Krain hat diese Stufe eine grosse Verbreitung und ist sie in grosse
ostwestlich streichende Falten gelegt. Die Schichten von Schio
und der Grünsand von Belluno gehören ihr in den Südalpen an ;
hieher zählen wir den Serpentinsand von Turin und die Kalksteine
des Mont Titano an der Aussenseite des Apennin, und tiefere
Lagen der Insel Malta.
Man kennt diese Stufe von Corsica und Sardinien, ebenso aus
den algierischen Küstenstrichen. Th. Fuchs hat unter den von
Lenz in Marokko gesammelten Versteinerungen Pecten Beudanti,
eine bezeichnende Form der I. Stufe, erkannt. Das Stück stammt
aus dem Gebiete der tertiären Salzablagerungen von Fäs.*^^
Wir brechen nun aber diese Bemerkungen über den Westen
ab, um eine Reihe von Erfahrungen aufzuzählen, welche im Osten
gesammelt worden sind, und welche ein unerwartetes Licht auf
die Vergangenheit des Mittelmeeres werfen.
Dem ganzen Pontus, dem Marmarameere und dem ägäischen
Meere fehlt bis heute jeder Nachweis der ersten Mediterranstufe.
Rumelien und Anatolien bilden jetzt, und auch, wie sich zeigen
wird, noch in weit späterer Zeit eine geschlossene Festlandsmasse,
an deren südlichem und östlichem Rande jedoch die Spuren der
alten Erstreckung des Mittelmeeres erkennbar sind. Diese Spuren
bestehen in versteinerungsreichen Schollen, welche, durch späte
Gebirgsbewegungen und durch die Erosion aus dem Zusammen-
hanore crerissen, in zuweilen ^anz erstaunlichen Höhen auf dem
älteren Gebirge angetroffen werden. Allerdings ist nicht in jeder
Scholle nach den heute vorlie^^enden Anii^aben zu unterscheiden,
ob sie der I. oder der II. Stuf(.^ angehöre, aber es ist kein Zweifel
darüber, dass beide Stufen in diesem Gebiete ihre Vertretung
finden.
26*
394
Erste Mediterranstufe in Kleinasien.
Die erste dieser Schollen liegt in Karlen, bei dem Dorfe Ger-
mano, an dem südlichen Gehänge der Kette des Lida, östlich von
der Insel Kos; sie findet ihre Fortsetzung in einer Reihe gegen
Nordost gelegener Vorkommnisse, und noch weiter landeinwärts
in derselben Richtung liegt auf der Höhe des Davas Dagh, in
mehr als 1360 M. transgredirend auf steilgestellten älteren Schich-
ten, ein Bruchstück von muschelreichen, marinen Mediterranschich-
ten. Tchihatcheff hat es aufgefunden und beschrieben."
Eine zweite Gruppe solcher Schollen ist aus dem südlichen
Lycien bekannt. Spratt und Forbes haben hier an vier Stellen
diese Ablagerungen gefunden; die erste liegt bei Arsa, am linken
Ufer des Xanthus, die zweite bei Saaret in der Nähe von Anti-
phellus, mehr als 800 M. über dem Meere, die dritte bei Gendever
an der Westseite des Thaies von Kassabar in 900 M., und die
vierte endlich bei Armutli, am südlichen Ende der Hochfläche von
Armali, 2000 M. hoch.^® Noch viel weiter gegen Nordost, am jen-
seitigen Ende dieser Hochfläche, bei Tshobansa, hat Tchihatcheff
Spuren getroffen.
Im peträischen Cilicien gewinnen diese Ablagerungen Zu-
sammenhang und sie reichen nach Tchihatcheff im Thale des Gueuk-
Su vom Meeresufer an bis über Ermenek, umziehen dann die aus
älteren Felsarten gebildete Kette des Topguedik Dagh und er-
reichen bei Boyalar unweit von Karaman die Höhe von 1 3 1 8 M.
Von Karaman an umgürten sie gegen Südost das ältere Gebirge
und erstrecken sich längs der Küste gegen Tarsus und Adana.'^''
Die Mediterran-Ablagerungen der Umgebung von Tarsus
sind durch ihre Ausbreitung und ihren Reichthum an organischen
Resten ausgezeichnet; Russegger hat dieselben schon vor vielen
Jahren beobachtet und an den oberen Zuflüssen des Saihun
weit in das Gebirge verfolgt; einen besonderen Reichthum an
Versteinerungen traf derselbe bei dem Dorfe Hudh, am Ostabhange
des Bulgar Dagh.^
Mit diesem ausgedehnten Gebiete enden aber die mediter-
ranen Ablagerungen nicht. Die mühevollen Reisen Tchihatcheff\s
haben weit im Innern des Landes, ja bis in überraschender Nähe
an das pontische Ufer das Vorhandensein vereinzelter Stücke der-
selben ergeben.
Uebergreifen nach Persien. 395
Hoch im Norden, östlich von Tokat, zwischen Alus undTerzi,
am Oberlaufe dos Jeshil Irmak (hier Derekojiin-Su) liegt Sandstein
und gelblicher Kalk mit Pecten planecostatus und Anomia costata.
Oestlich davon befindet sich südlich von Enderes eine grössere
Scholle; Pecten planecostatus und Pecten scabrellus werden von
hier genannt. Südöstlich von dieser Stelle erscheinen dieselben
Ablagerungen am Oberlaufe des Euphrat wieder, aber trotz dieser
Annäherung an das Schwarze Meer wird ausdrücklich betont,
dass sie durch eine mächtige Gebirgskette von demselben abge-
schlossen bleiben.'"
So dürfen wir denn nicht bezweifeln, dass der östliche Theil
Kleinasiens in später Zeit grossen Veränderungen der Bodenge-
staltung unterworfen war, und dass das Mittelmeer einen grossen
Theil dieser Gebiete einstens bedeckt hat. Hudh, obwohl weit
landeinwärts gelegen, ist nach der von F. v. Hauer veröffent-
lichten Liste der Versteinerungen der II. Stufe zuzuzählen;'" die
nördlicheren Vorkommnisse betrachte ich als der I. Stufe an-
gehörig. —
So unerwartet diese Beobachtungen an sich sind, haben sie
ihre volle Bedeutung doch erst gewonnen, seitdem durch Abich's
umfassende Forschungen uns die Grundzüge des Baues von Ar-
menien, Azerbedjan und dem kaukasischen Isthmus erschlossen
worden sind. Aus diesen lernen wir nun, dass die versteinerungs-
reichen Ablagerungen der ersten Mediterranstufe auch in dem süd-
lichen Theile dieses Gebietes durch späte Geblrgsbewegungen
in Schollen zerbrochen und zu grossen Höhen emporgetragen
worden sind, und dass sie im Gebiete des Euphrat aus der Nähe
des Passes Sipinkör, nördlich von Erzinghan, bis über Mamachu-
tun im Gau von Terdjan (westlich von Erzerum) sich erstrecken.
Sie erreichen jedoch das armenische Hochland nördlich vom Araxes
nicht, auf welchem bisher nur oligocäne Ablagerungen getroffen
wurden, sondern setzen sich gegen Südost fort und erscheinen
insbesondere auf den Inseln und an dem Ufer des Urmia-See's in
beträchtlicher Entwicklung. Sie befinden sich hier in übergreifen-
der Lagerung auf paläozoischer Unterlage. ''■^
Von da breiten sich diese mediterranen Meeresbildungen
weit über das iranische Hochland aus, und Fuchs hat nachTie]
iq5 Der erste Umriss des Mittelmceres.
Aufsammlungen im Siakuhgebirge, südöstlich von Teheran, die
tieferen Theile der I. Stufe nachgewiesen.^^
Ausdrücklich hebt Fuchs hervor, dass die Conchylienfauna
vom Siakuhgebirge noch vollständig das Gepräge einer mediter-
ranen Tertiärfauna trägt. So wie Tchihatchefif betont, dass auch
die nördlichsten dieser Ablagerungen in keinem Zusammenhange
stehen mit den Ufern des Schwarzen Meeres, betont auch Tietze,
dass an dem kaspischen Abhänge des Alburs weder diese Ab-
lagerungen, noch die sofort zu erwähnende Salzformation der Süd-
seite getroffen worden sind.^^ —
Die oligocänen Ablagerungen vom Horizonte von Castel
Gomberto sind in Westindien bekannt; sie erscheinen wieder in
Südeuropa; wir kennen sie durch Abich aus Armenien.
In gleicher Weise reicht die erste Mediterranstufe von den
Azoren und Madeira nach Europa und bis nach Persien. Sie greift
von der atlantischen Küste in die Bucht der Garonne zwischen
dem Centralplateau und dem Nordrande der Pyrenäen, ohne, wie
es scheint, auf diesem Wege bis in das heutige Gebiet des Mittel-
meeres vorzudringen. Dagegen ist ihr die andalusische Strasse
zwischen der betischen Cordillere und der iberischen Meseta offen-
gestanden, und vielleicht gab es noch eine südlichere Verbindung
über Fäs. Dieses Meer trat nun von Süden her an das französische
Centralplateau, reichte bis in das Gebiet eines grossen Theiles
des heutigen Juragebirges, hatte nach Norden, wo heute das
Rheinthal eingesenkt ist, wahrscheinlich eine brackische Auswei-
tung, bespülte die schwäbische Alb und den Jurakalkstein von
Passau, umgürtete die böhmische Masse und reichte, dem äusseren
Abhänge des Mannhart, dann dem Gehänge des devonischen Ge-
birges nördlich von Brunn folgend, bis an die Nordgrenze von
Mähren.
Grosse Veränderungen sind seither eingetreten; vom Golf
von Lyon bis in die Nähe von Salzburg sieht man die Ablage-
rungen dieses Meeres eingefaltet in den vorwärts bewegten Saum
der Alpen, und die Umgestaltung der Gebirge ist eine so ge-
waltige gewesen, dass heute nur sehr vereinzelte Züge des
«
damaligen Zustandes zu erkennen sind. Immerhin mag man
sehen, dass dieses Meer gegen Ost bis Siebenbürgen reichte
Der Schlier. 397
und dass seine Ablagerungen in den nordafrikanischen Küsten-
gebirgen, in Italien, auf Sicilien und Malta vertreten sind. Sie
fehlen aber der Balkanhalbinsel, dem Pontus und dem westlichen
Kleinasien.
An der Südseite Kleinasiens treten sie wieder auf und wurden
in einzelnen Schollen nordwärts bis in das Thal des Jeschil-Irmak
und bis an den Oberlauf des Euphrat, von dort über den Urmia-
See bis auf das iranische Hochland verfolgt.
In welchem Grade nun auch in untergeordneten Theilen
unsere Anschauungen über diesen Gegenstand Erweiterungen
und Berichtigungen erfahren mögen, so mag doch aus den An-
strengungen so vieler Eorscher die Erfahrung als ein gesichertes
Ergebniss geschöpft werden, dass zu jener Zeit, in welcher unsere
Meeresfauna zum ersten Male in ihren Hauptzügen das Gepräge
der heutigen Mittelmeerfauna annahm, dieses Meer das heutige
Gebiet der Alpen umfasste und bis weit über Teheran nach Osten
reichte.
Unter welchen Wandelungen sich aber die Umgestaltung
aus dieser ersten Phase bis zu dem heutigen Zustande des Mittel-
meeres sich vollzog, wollen wir nun weiter verfolgen.
Der Schlier. Es ist einer der bemerkenswerthesten Ab-
schnitte in der Vergangenheit des Mittelmeeres, welcher jetzt zu
besprechen ist. Die grosse erste Ausbreitung des Mittelmeeres
mit ihren mannigfaltigen Ablagerungen von Thon, Sand und Kalk-
sedimenten, welche eine weitgehende Sonderung der zur Ablage-
rung gelangenden Stoffe erweist, ist vorüber, und an ihre Stelle
tritt ein Meer, welches über ausserordentlich weite Strecken gleich-
förmigen, blaugrauen, häufig mit kleinen GHmmerblättchen durch-
streuten Schlamm niederlegt, aus welchem eine wenig plastische,
bald etwas schiefrige, bald derbe und harte, mergelige Molasse
geworden ist, welche in Oberösterreich mit dem Worte , Schlier'
bezeichnet wird. Häufig sind von Oberösterreich bis nach Galizien
dieser Molasse grosse linsenförmige Massen von rein gewaschenem,
losem Kies eingelagert; im Apennin erscheinen ähnliche Ein-
schaltungen von Serpentinsand. Reine Kalklagen fehlen gänzlich;
dafür ist der Schlier oft von Jod- oder Bitterquellen, von Gyps-
398 Der Schlier.
oder Salzflötzen, ja bei Kalusch am Nordrande der Karpathen
sogar von jenen Kalisalzen begleitet, welche das Product einer
sehr weit vorgeschrittenen Verdampfung des Meerwassers sind.
Allenthalben ist dieses Glied von derselben Fauna begleitet,
welche ein eigenthümliches Gepräge besitzt. Aturia Aturi, Soleno-
mya Doderleini, Axinus angulatus, Pecten denudatus, Spatangus
austriacus gehören zu den bezeichnendsten Formen; die Korallen
sind fast nur durch Einzelkorallen vertreten ; zuweilen erscheinen
grosse Schaaren von Pteropodenschalen.
Dieses wichtige und durch die Beständigkeit so vieler Merk-
male ausgezeichnete Glied der Tertiärformation ist sonderbarer
Weise den älteren Beobachtern entgangen.
Im Jahre 1852 beschrieb C. Ehrlich in Linz den Schlier von
Ottnang in Oberösterreich.^ Im folgenden Jahre veröffentlichte
M. Hörnes eine Liste der Conchylien von Ottnang und hielt sie
im Wesentlichen für übereinstimmend mit jenen des Tegels von
Baden bei Wien, also mit den Tiefwasserbildungen der IL Me-
diterranstufe.^^ Im Jahre 1866 identificirte ich mit dem Schlier
von Ottnang den durch Fischschuppen ausgezeichneten blau-
grauen Mergel der ausseralpinen Niederung von Wien, und konnte
bereits gezeigt werden, dass derselbe ein selbständiges, der
I. Mediterranstufe aufgelagertes Glied der Tertiärformation sei,
welchem die Bitterquellen vonLaa in Niederösterreich und manche
ähnliche Vorkommnisse angehören; endlich konnte bereits die
Vermuthung ausgesprochen werden, dass im Norden die berühm-
ten Salzflötze von Wieliczka hieher zu zählen seien.^*
Nachdem an mehreren anderen Punkten in Oesterreich und
Ungarn der Schlier mit denselben Merkmalen wiedererkannt wor-
den war, kündigte Th. Fuchs im Jahre 1872 die überraschende
Beobachtung an, dass der österreichische Schlier in Italien auf-
trete, und nicht lange darauf zeigte derselbe, dass die mächtigen
Molasseberge, welche in kühnen Formen, vom Reno durchrissen,
den Aussenrand des Apennin oberhalb Bologna bilden, dieselben
bezeichnenden Fossilien, wie Aturia Aturi, Solenomya Doder-
leini, Pecten denudatus u. s. w. führen und dieselbe tektonische
Stelle einnehmen wie der Schlier an dem Aussenrande der Kar-
pathen.^ Im Jahre 1876 endlich lieferte Fuchs nach einem Besuche
Schlier in Üebterreich. 399
der Inseln Malta und Gozzo den Nachweis, dass auch dort zwi-
schen der I. und IL Mediterranstufe thonige und mergelige
Schichten mit Aturia Aturi, Pecten denudatus und anderen
bezeichnenden Fossilien des Schlier auftreten. ^° Nachdem nun
Rud. Hörnes für den Norden ^^ und Manzoni für die Gegend von
Bologna ^^ in paläontologischen Arbeiten diese Angaben bestä-
tigt hatten, konnte man erkennen, dass nicht nur am Nordrande
der Ostalpen, sondern vom Nordrande der Karpathen bis Malta
zwischen die I. und II. Stufe der Schlier als ein selbständiges,
fremdartiges, einförmiges Schichtgebilde mit besonderen Merk-
malen eingeschaltet sei.'^
Die Verbreitung ist nach den heutigen Erfahrungen die fol-
gende.
Der Schlier beginnt in den östlichsten Theilen Bayerns. Er
reicht in Oberösterreich, von den jüngeren Bildungen der Ebene
bedeckt, vom Saume der Alpen bis an den Rand der böhmischen
Masse. Er bildet ebenso weiter im Osten den Untergrund der
Ebene von der Südspitze der böhmischen Masse bis zu den Alpen,
liegt östlich von Krems unmittelbar auf granitischen Ausläufern,
und bei Grübern südlich von Meissau unmittelbar auf den ober-
sten Theilen der I. Mediterranstufe. Wo diese abgewaschen ist,
schliesst er sich an das Urgebirge ; er erstreckt sich dann, viel-
fach von Schollen der II. Stufe bedeckt, über die heutige euro-
päische Wasserscheide, bildet den grössten Theil der Hangend-
schichten der Kohlenfelder von Ostrau und greift von da gegen
Troppau und nach Preussisch-Schlesien hinüber. Zahlreich sind,
von den Jodquellen von Hall in Oberösterreich angefangen, die
Spuren verschiedener DIssociationsproducte des Meeres, und
wo der Schlier selbst ohne Decke auf grössere Strecken zu Tage
liegt, bildet er oft von weissen Efflorescenzen bedeckte, wasser-
dichte, nur Salzpflanzen ernährende Stellen, die sogenannten Nass-
gallen. Die eingeschwemmten Linsen von Kies in dem Hangend-
gebirge von Ostrau zeigen sich, wenn sie zuerst angefahren werden,
erfüllt von leicht gesalzenem oder jodhaltigem Wasser; dies ist
z. B. die Grundlage des Jodbades zu Gotschalkowitz. In Schlesien
mehren sich Gypslager und schwach gesalzene Quellen.
Betrachten wir nun den Rand des Gebirges.
ipO Wieliczka.
Wo im Westen an der Salzach die I. Mediterranstufe ver-
schwindet, schliesst sich der Schlier an den Saum der Flyschzone,
und er zeigt sich an jenen wenigen Stellen, an welchen er eine
Beobachtung gestattet, gefaltet und aufgerichtet. So zieht der-
selbe nach Osten fort. Bei Staats in Niederösterreich bildet er ein
sichtbares Gewölbe zwischen der Linie der versunkenen Flysch-
zone und einem vorliegenden Riffe von Jurakalk. In der Gegend
von Seelowitz in Mähren ist er so gut aufgeschlossen, dass Rzehak
einzelne untergeordnete Glieder in demselben zu unterscheiden
versuchen konnte.^*
Nun überschreiten wir das bereits erwähnte Kohlengebiet
von Ostrau und treffen endlich, dem Saume der Flyschzone fol-
gend, zunächst das grosse Salzlager von Wieliczka, dessen Faltung
bereits an früherer Stelle besprochen worden ist (S. 286). Pecten
denudatus, Solenomya Doderleini und allerdings daneben auch
viele andere Meeresthiere, welche in die Ablagerungen der zweiten
Mediterranstufe aufsteigen, sind als Begleiter des Salzes bekannt.
Die Salzablagerungen folgen durch ganz Galizien und die Buko-
wina in einer etwa 30 Kilom. breiten Zone dem Fusse des Ge-
birges und an mehr als zweihundert Stellen verräth sich der Salz-
gehalt durch Aufschlüsse oder Quellen. ^^
Dem Vorlande fehlen nicht die flach gelagerten Fortsetzungen
dieser gefalteten Zone. Wie aus den Beobachtungen von Kontkie-
wicz hervorgeht, liegt nördlich von der Weichsel, in dem südöst-
lichen Theile des Königreiches Polen, über der Kreide eine
Schichte von grauem Mergel mit Ostrea cochlear, Pecten cristatus
und Pecten Coheni, und über dieser folgt Gyps. Diese Pecten-
und gypsreiche Serie ist als das Aequivalent der karpathischen
Salzzone zu betrachten. ^^
Dieselbe Schichtfolge zeigt sich nach Lomnicki sowohl bei
Lemberg, als auch durch den ganzen mittleren Theil von Ost-
galizien; Hilber's genaue Studien zeigen, dass unter dem Gyps
Pecten denudatus und Pecten Coheni des Schlier mit einer Anzahl
in die IL Stufe aufsteigender Arten liegen, und über dem Gyps
ist die II. Mediterranstufe abgelagert.^^
Die Salzzone der Karpathen setzt von der Südgrenze der
Bukowina durch die Moldau fort^*^ und noch nördlich von Ploesci
Schlier in Galizien. 4^^
in der Wallachei liegt Steinsalz im Schlier an dem hier gegen Süd-
ost gewendeten Rande des Gebirges. ^^ Westlich davon lehnen
sich jüngere Schichten an den Südrand des Fogarascher Gebirges
und die Salzzone ist verschwunden.*''
Es erstreckt sich demnach die Zone von Meeresablagerungen,
welche durch Dissociationsproducte verschiedener Art ausgezeich-
net sind, von den Jodcpellen von Hall durch ganz Niederöster-
reich und Mähren nach Schlesien und bildet eine gewaltige salz-
reiche Zone an dem ganzen Aussenrande der Karpathen bis in die
Wallachei hinab. Im Flachlande entspricht dieser Zone im süd-
westlichen Polen und den benachbarten Theilen Galizien's der
Gyps. Einige leicht kennbare Fossilien, wie Fecten denudatus und
Pecten Coheni, welche nur aus dem Schlier bekannt sind, zeigen
den Zusammenhang dieser flach gelagerten Schichten mit den
gefalteten, subkarpathischen Salzschichten. Im Sandomirer Ge-
birge und westlich davon ist ein kleiner Theil der Nordgrenze
dieser Ablagerungen erkennbar ; im Osten kennt man das Ufer
nicht; es mag wohl ein Flachufer auf der russischen Platte gewesen
sein. —
Wir verkissen die Karpathen und kehren nochmals gegen
Westen zurück.
Gegen das Ende des Zeitabschnittes, in welchem diese salz-
reichen Ablagerungen gebildet wurden, oder unmittelbar nach
demselben sind an dem östlichen Rande der Alpen sehr grosse
tektonische Ereignisse eingetreten. Um diese Zeit wurde, wie wir
an früherer Stelle bemerkten (S. 178), durch das Einsinken des
Verbindungsstückes zwischen Alpen und Karpathen die inner-
alpine Niederung von Wien gebildet und jene Strasse über das
Alpensystem geschaffen, durch welche heute die Donau einen
so grossen Theil der alpinen Wässer zum Schwarzen Meere
führt. In derselben Zeit entstanden die beiden grossen Senkungs-
felder von Landsee und Gratz, und der heutige Ostrand der
Alpen bis zum Bachergebirge in Südsteiermark hinab. In die-
sem weiten Gebiete ist denn auch der Schlier nicht, oder doch
noch nirgends mit voller Sicherheit bekannt. Die nächst jün-
geren Bildungen sind es, welche sich hier dem Bruchrande an-
schliessen.
^.02 Schlier in Siebenbürgen.
Dasselbe gilt nach R. Hörnes für den oberen Theil der Save-
niederung/'
Südlich vom Bacher ist dagegen eine breite Zone ostwestlich
streichender Falten vorhanden, welche weit ostwärts in die Niede-
rung vortreten, und hier trifft man auch die I. Mediterranstufe
und den Schlier.
Der Schlier ist in der weiten pannonischen Ebene gleichfalls
zur Ablagerung gekommen. So hat auch in jenem grossen und
merkwürdigen Profile der Tertiärablagerungen bei Zsibö, wo der
Szamosfluss aus dem siebenbürgischen Kessel nach Ungarn her-
übertritt, K. Hofmann den Schlier mit Aturia Aturi den Meeres-
ablagerungen der I. Stufe aufgelagert angetroffen/'' Innerhalb
des grossen Kessels aber sieht man eine mächtige, rings um
den Fuss der einfassenden Gebirge hinlaufende Zone von Salz.
An Hunderten von Orten verräth sie sich durch zu Tage stehendes
Salz oder durch salzige Quellen, und die Spuren in der Mitte des
Landes zeigen, dass diese Zone nur der Rand eines salzreichen
Horizontes ist, welcher durch die Tiefe des ganzen transsylvani-
schen Kessels sich wie eine Schale fortsetzt.^*^
Höchst merkwürdig muss um jene Zeit die Beschaffenheit
dieses Landstriches gewesen sein. Obwohl, die Salzzone der Mol-
dau an dem äusseren Gehänge der Karpathen gefaltet ist und auch
die ähnlichen Bildungen im östlichen Siebenbürgen eine grosse
Störung, Posepny's Salinarlinie von Farajd, erkennen lassen, hat
doch bereits das Gebirge, wenn auch nicht in seiner heutigen Aus-
bildung, bestanden. Dies ergibt sich aus dem Umstände, dass ein
Theil der karpathischen Eruptivgesteine älter ist als der Schlier.
Dieses Gebirge war an beiden Seiten von einem Meere umflossen,
in welchem grosse Salzmassen sich ablagerten. Innerhalb des
Gebirges, an der Ost- und Nordseite des Kessels erhoben sich
grosse Vulcane, und es sind einige Anzeichen vorhanden, welche
eine Verbindung beider Salzmeere in der Richtung der Quellen
des Altflusses und des Ojtospasses, also im südöstlichen Theile
des Kessels vermuthen lassen.*^ —
Der Schlier erscheint in Oberitalien in einzelnen Schollen über
den Schichten von Schio, welche der ersten Mediterranstufe an-
gehören. In der Nähe von Turin überlagert er, südwärts geneigt,
Schlier in Italien. 4^3
die Schioschichten von Gasino und den Serpentinsand von Turin,
welcher von einzelnen Beobachtern als dem Schlier selbst an-
gehörig betrachtet wird. An dem südwärts gegenüber gelegenen
Rande des Apennin und bis gegen Acqui und Serravalle heraus
liegt abermals Schlier; hier ruht er unmittelbar auf dem Flysch
wie in den Karpathen. Der Schlier bildet hier die Janghische*
Stufe (^tage Langhien) von Pareto und Ch. Meyer; Th. Fuchs hat
auch hier die Uebereinstimmung sichergestellt. Aturia Aturi,
Solenomya D.oderleini und viele andere Formen des Schlier sind
hier angetroffen worden, doch fehlen Gyps und Salz/^
Nun folgen die bereits genanntenVorkommnisse von Bologna.
Bei Ancona liegt Schlier und andere Schollen folgen längs dem
Aussenrande des Apennin/^ In Sicilien ist der Schlier, welcher
namentlich im südöstlichen Theile der Insel sehr ausgebreitet ist,
von Cafici beschrieben worden ; auch hier trifft man Aturia Aturi
und Solenomya Doderleini; die II. Mediterranstufe überlagert
denselben.'*^ Durch ganz Italien sind diese Ablagerungen häufig
begleitet von pteropodenreichen Schichten wie im nördlichen
Mähren. Wie sie zwischen der I. und II. Mediterranstufe ihre
Fortsetzung auf Malta und Gozzo finden, habe ich bereits
erwähnt.
Der Schlier folgt daher dem Aussenrande des Apennin, wie
er jenem der Karpathen folgt, und er greift auch flach gelagert
über das Vorland, gegen Ancona, wie gegen das südöstliche Sici-
lien und gegen Malta. Um so bemerkenswerther ist der Umstand,
dass mir bis heute kein sicherer Nachweis seines Vorkommens an
der Westseite des Apennin, in den Einbrüchen des Gebirges be-
kannt ist, und es liegt hierin eine sehr bemerkenswerthe Ueberein-
stimmung mit den Ostalpen. Verlässt man aber die Region dieser
Einbrüche, in deren nördlichstem sich westlich von Genua und bei
Savona die III. Mediterranstufe hart an den Bruch schmiegt, so
trifft man bei Vence, nordöstlich von Nizza, wieder den typischen
Schlier mit Pecten denudatus u. s. w. Tournouer hat ihn richtig
erkannt. Der Schlier lagert dort als , Molasse grise* auf der , Mo-
lasse jaune de Vence*, welche Tournouer den Ablagerungen von
Gauderndorf, also einem Gliede der I. Stufe, mit Recht gleich-
stellt. Diese Stelle gehört bereits dem westlichen Rande der Alpen
404 Schlier bei Nizza.
an und kann als ein äusserstes Glied der Ablagerungen der Rhöne-
bucht angesehen werden.®^ —
So weit reichen zuverlässige Nachweise.
Es ist möglich zu erkennen, dass vom östlichen Bayern bis
Schlesien und aussen rings um die Karpathen bis in die Wallachei,
dann über einen grossen Theil Ungarns bis nach Siebenbürgen,
durch einen Theil der Südalpen, bei Turin, dann rings um den
äusseren Rand des Apennin bis Sicilien und Malta, endlich in
dem südwestlichsten Theile der Alpen bei Vence eine eigenthüm-
liche, fast immer graue und mergelige Meeresbildung sich zwi-
schen die I. und 11. Mediterranstufe einschaltet, welche durch
fremdartige Merkmale sich von beiden unterscheidet. Ihre Fauna
hat viele mit den höheren oder tieferen Meeresablagerungen über-
einstimmende Arten, und dennoch ist das Gepräge ein so eigen-
thümliches, dass selten ein Zweifel über die Zugehörigkeit irgend
einer Stelle bleibt. Wenn z. B. bei Ottnang in Oberösterreich der
glatte Pecten denudatus mit Aturia Aturi in blaugrauem Mergel
erscheint und derselbe Pecten in ähnlichem Mergel auf Malta oder
bei Vence sich wiederholt, mahnt dies eher an die Gleichförmig*-
keit jurassischer Stockwerke, als an die Mannigfaltigkeit tertiärer
Ablagerungen.
Die grossen Salzstöcke von Wieliczka und Bochnia, von
Parajd, Ddesakna, Thorda, von Maros-Ujvär, Vizakna und so
viele andere, die jod- und zuweilen auch bromhaltigen Heilquellen
von Hall, Luhatschowitz, Darkau, Gotschalkowitz u. a., die Bitter-
brunnen von Laa, Seelowitz u. a. stehen alle in dem versalzenen
nördlichen Theile dieses Meeres, aber wir können die gleich-
zeitigen Sedimente desselben bis nach Südfrankreich und Malta
erkennen.
Nun zeigt sich aber, dass in Lycien, wo wir bereits die I.
und II. Mediterranstufe erkannt haben, der Schlier wahrscheinlich
auch vorhanden ist. Herr Fuchs hat die Güte, mir mitzutheilen,
dass unter den von F". v. Luschan auf dem Wege von Assa-Altü nach .
Kassaba, an dem Steilrande der Ebene von Kassaba, gesammel-
ten Stücken auch solche mit den Merkmalen des vSchlier erschei-
nen. In hartem, lichtgrauem Thonmergel, welcher durch Ueber-
häufung mit Rhizopodenschalen ein griesartiges Aussehen erhält.
Salz in Persien.
405
liegen zahlreiche Versteinerungen. ,Die Beschaffenheit des Ge-
steins, sowie das häufige Vorkommen von Aturia Aturi sprechen
für Schlier, mit welcher Voraussetzung auch die übrigen Fossilien
sehr gut übereinstimmen, mit Ausnahme je eines grossen Exem-
plars von Conus extensus und Fasciolaria Tarbelliana, welche
mehr für den Horizont von Grund oder Gainfahrn (IL Mediterran-
stufe) sprechen würden/ ^^
Durch diesen Fund wird man zu der noch ungelösten Frage
geführt, ob etwa die weiten Salzlager Persiens ebenfalls von dem
Alter der karpathischen Salzablagerungen seien. Aus dem öst-
lichen Kleinasien und aus Armenien zieht durch Azerbedjan eine
tertiäre, der I. Mediterranstufe nachfolgende, salz- und gyps-
reiche Ablagerung gegen Südost und setzt sich durch das ganze
nördliche Persien ostwärts am Rande der Wüste fort; sie reicht
nach Chorassan weit hinein und nach vereinzelten Nachrichten
dringt sie sogar bis Herat vor. Sie ist auch in einzelnen Theilen
des südlichen Persien bekannt und bildet ferner einen zusammen-
hängenden Saum an dem westlichen Rande der gegen Südost
streichenden Ketten des Zagros. Dieser Saum reicht aus Kur-
distan durch das ganze Tigristhal hinab, und die Salzlager west-
lich von Shiraz, sowie jene der Inseln Kishm und Hormuzd fallen
demselben zu. Dies ist die ,Gypsiferous Series* von Loftus.^
Abich, welcher bereits vor längerer Zeit die Einheit dieser
grossen mitteltertiären Salz- und Gypsablagerung behauptete,^'
erinnert in seiner Darstellung der Tertiärformation in Armenien
und Azerbedjan an die Gajstufe, d. i. gypsreiche Stufe, welche im
südlichen Sind in der mittleren Tertiärformation erscheint.
Dr. Wähner theilt mir mit, dass er auf der Reise von Kazwin
nach Hamadan zuerst bei Hissar, nördlich vom Karaghangebirge,
dann bei Käbutärchan, südlich von diesem Gebirge den petre-
factenreichen Orbitoidenkalkstein, welcher die Basis der I. Medi-
terranstufe bildet, getroffen hat, und beide, etwa vier Tagereisen
von einander entfernte Zonen bestehen aus i^efalteten und auf-
gerichteten Schichten. Zwischen beiden Zonen liegt das ebenfalls
steil gefaltete Salzgebirge.
Tietze, welcher sowohl die karpathischen, als auch die persi-
schen Salzlatrer aus eigener Anschauung" kennt, hält die letzteren
Die Kirchberger Schichten. 4^7
Weiter gegen West, vom Randen bis Kirchberg a. d. Hier,
auf dem Hochsträss bei Ulm und bis gegen Dillingen herab, also
am Oberlaufe der Donau und ein klein wenig darüber hinaus bis
in den Canton Schafifhausen, kennt man seit längerer Zeit eine
Süsswasserbildung unter dem Namen der Kirchberger Schich-
ten. Oncophora socialis, Unio Eseri, Cardium solitarium gehören
zu den häufigsten Formen. Bei Ehingen liegen nach Sandberger
diese Schichten unmittelbar auf der Meeresmolasse, folglich auf
der I. Mediterranstufe, und werden von Süsswasserschichten mit
Helix sylvana überlagert.
Man hat diesen Horizont in der Nähe der Donau noch nicht
weiter stromabwärts zu verfolgen vermocht, aber er wiederholt
sich, wie Rzehak gezeigt hat, in der Nähe von Brunn. Gerade
dort, wo das Zwittawathal und mit demselben jener grosse Bruch
die Ebene erreicht, welcher die Sudeten von der böhmischen
Masse trennt, tritt eine Anhäufung von Sand hervor, welche die
genannten Conchylien der Kirchberger Schichten enthält, und, von
den ersten Spuren der neuen Meeresfauna begleitet, zwischen den
Schlier und die nun folgenden, mannigfaltigen Sedimente der
II. Mediterranstufe sich einschiebt.^-'
Unterdessen hat sich der neue Bruchrand der Ostalpen ge-
bildet, von Wien durch Steiermark bis zum Bachergebirge hinab,
aber es ist nicht das Meer, welches sofort die neuen Senkungen
in Besitz nimmt, sondern es lagern sich zunächst Braunkohlenflötze
an die Brüche, mit einer reichen Landflora und Landfauna, der-
selben, welche in der Schweiz in der oberen Süsswassermolasse
und in der Kohle von Winterthur, im südlichen Frankreich in dem
Süsswasserkalke von Sansans angetroffen wird. Dies ist die Stufe
der Lignite von Pitten bei den österreichischen Geologen.
Es folgt ihnen nun das allenthalben hereintretende Meer. Die
ersten Lagen, welche es absetzt, haben nicht selten brackische
Beimengungen; Melanopsiden erscheinen stellenweise in Menge
unter den Meeresconchylien. Diese tieferen Abtheilungen der
II. Mediterranstufe, in welchen Pyrula cornuta und Cerithium ligni-
tarum^^ zu den häufigsten Vorkommnissen gehören, hat man in
neuester Zeit als ein selbständiges Glied ausgeschieden, und die
, Schichten von Grund* genannt. Ich habe sie hier vorläufig,
Suoss, Das Antlitz der Krdc. 27
408 n. Mediterranstufe im Westen.
und ohne hiemit ein bestimmtes Urtheil über die Abtrennung aus-
sprechen zu wollen, zugleich mit den übrigen Meeresablagerungen
der n. Stufe besprochen.
Wir beginnen an der atlantischen Küste.
Die IL Mediterranstufe greift in die Bucht der Garonne ein
und ihr gehören, wie wir bereits sahen, dort die Faluns von Salles
und Saubrigues an. Eine Süsswasserbildung trennt sie von der
I. Stufe. Das Meer breitet sich in der Touraine übergreifend aus.
und bildet dort eine weite Bucht, in welche bisher mediterrane
Bildungen nicht vorgedrungen waren.
Bei Lissabon erscheint dieselbe Stufe; Pereireia Gervaisi, ein
sehr fremdartiger Gastropode, gehört ihr ani Die Ablagerungen
begleiten die portugiesische Küste und treten in die Bucht des
Guadalquivir; sie erscheinen dann an der mittelländischen Küste
Spaniens bei Barcelona und an vielen anderen Punkten.
Sie fehlen nicht in Marokko, noch an den nordafrikanischen
Küsten, noch auf Sardinien, Corsica und den Balearen. Sie drin-
gen in die Rhonebucht vor und gehen in derselben nordwärts in
Htorale Ablagerungen mit Nassa Michaudi über, folgen aber
nicht der I. Stufe in das Gebiet der Schweizer Alpen.
Sehr beachtenswerth ist die Art ihres Auftretens in Italien.
Sie erscheinen nämlich in dem nördlichen Theile der inneren
Senkungsfelder des Apennin, wo der Kalk von Rosignano dieser
Stufe zufallt, während die südlicheren Einsturzgebiete von jün--
gerer Entstehung sind. Zugleich sind sie in reichlicher Entwick-
lung an dem äusseren Saume des Apennin vorhanden; dort
werden sie die ,tortonische Stufe' genannt und liegen auf dem
Schlier, wie dies auch in Sicilien und auf Malta der Fall ist.
Diese Ablagerungen müssen auch tief in das Gebiet der
heutigen Südalpen hineingereicht haben; in dem grossen Graben-
bruche an der Südstirn der Cima d'Asta liegt am M. Civerone
eine abgerissene verticale Scholle derselben mit Lignit, mit
Cerithium lignitarum, Panopaea u. A. eingekeilt zwischen den
Massen des Triaskalkes.
Sie treten nicht nur in Südsteiermark hart an den Bruch der
Alpen, sondern dringen auch dort in die Alpen ein und erreichen,
mit ihren bezeichnenden Conchylien erfüllt, das Lavantthal in den
II. Mediterranstufe bei Wien. 400
Kärntner Alpen. Von dem Bruchrande der Alpen dehnen sie
sich weit über die pannonische Ebene aus. In dem südwestlichen
Theile dieser Ebene tritt die sonderbare Pereirea Gervaisi von
Lissabon wieder auf.
Ebenso ist diese Stufe bei Belgrad bekannt; dort reicht sie
in das Thal der Morawa; sie erscheint ferner innerhalb des Ge-
birges bei Bahna in der Nähe des Eisernen Thores, und an dem
Fusse der blutgetränkten Hügel von Plewna taucht nach dieser
Richtung die letzte bisher bekannte Spur dieser Ausbreitung des
Mittelmeeres hervor.^^
Aus dem pannonischen Becken dringt das Meer einerseits
nach Siebenbürgen und andererseits durch die Lücken, welche
das Leithagebirge von den Alpen im Süden und von den Kar-
pathen im Norden trennt, in die junge alpine Niederung von Wien
und zugleich über die Reste der Flyschzone in das ausseralpine
Becken vor.
Bei Wien ist, so wie in Ungarn, die Mannigfaltigkeit der Ab-
lagerungen, wie der Reichthum der Thierwelt erstaunlich. Der
blaue Thon von Baden und Vöslau mit seinen Pleurotomen, Einzel-
korallen und Pteropoden, der bivalvenreiche Sand von Pötzleins-
dorf, die Kalkbänke, welche von Lithothamnien aufgebaut wurden,
und zwischen ihnen die Mergel von Gainfahrn und Steinabrunn
mit Ancillaria glandiformis und Venericardia Jouannetti, mit ihrer
Mannigfaltigkeit von Conus, Cypraea, Voluta, Strombus und Can-
cellaria, die groben Strandconglomerate mit den grossen Cly-
peastroiden, Pectines und Austern, da und dort mit den Resten
grosser Korallenstöcke, sie sind alle die Ablagerungen desselben
Meeres und in demselben die Vertreter verschiedener Tiefenzonen.
Dies wurde schon vor Jahren behauptet und von Th. Fuchs und
F. Karrer durch mühsame Einzelstudien festgestellt.^
In dem alpinen Theile der Niederung von Wien tritt die
IL Mediterranstufe als Umrandung auf und ist von jüngeren Schich-
ten überlagert, welche die Mitte der Niederung einnehmen. An-
ders ist es ausserhalb des alpinen Theiles. Die Umrandung be-
schränkt sich dort fast ganz auf einzelne der Juraklippen und weder
an dem Aussenrande der alpinen Flyschzone, noch an jenem der
böhmischen Masse sieht man Anlagerungen von dem Alter dieser
27*
^ I O n. Mediterranstufc in Mähren.
Stufe. Sie ist durch einzelne blockförmige oder täfeiförmige
Massen vertreten, welche sich über dem Schlier aus der Ebene
erheben, als Zeugen einer weitgehenden Abspülung. Ein solcher
Block ist der Buchberg bei Mailberg. Es ist schwer, die westliche
Ausbreitung des Meeres mit Bestimmtheit zu ermitteln; es ist je-
doch sicher, dass solche Ablagerungen nicht einmal bis zur Donau-
pforte der Wachau bei Krems sichtbar sind, während, wie wir
früher sahen, der Schlier bis über die bayrische Grenze, die I. Medi-
terranstufe aber rings um die Alpen bis in das Rhonethal reicht,
wo sie etwa von Lyon an wieder von den aus Süden vordringen-
den Sedimenten der II. Stufe überlagert wird. Dies sind die ersten
Spuren der nun mehr und mehr zur Geltung gelangenden und bis
zum heutigen Tage so bedeutungsvollen hydrographischen Ab-
scheidung des Donauthales von dem westlichen und südlichen
Europa. —
Obwohl diese Ablagerungen, wie gesagt, sich dem äusseren
Rande der böhmischen Masse nicht anschmiegen, und an diesem
allenthalben nur der Schlier, die I. Stufe oder der nackte Fels
sichtbar sind, dringen sie dennoch aus der Nähe von Brunn in
einer tiefen Bucht bis nach Böhmen vor. Diese Bucht endet bei
Wildenschwert, Abtsdorf und Böhmisch-Trübau; ihre Länge be-
trägt etwa 85 Kilom.''^
Zwischen Brunn und Olmütz ist eine grössere Anzahl von
blockförmigen Abwaschungsresten sichtbar, deren oberste Tafel,
wo sie aus Lithothamnienkalk besteht, in sehr gleichförmiger Weise
die Seehöhe von 350 — 355 M. zeigt. Bei Ruditz unweit von Brunn
erreichen diese Ablagerungen jedoch 435 M. und gegen das Ende
der grossen böhmischen Bucht bei Abtsdorf 429 M.^ Ich habe
aus zahlreichen Messungen die Ansicht gewonnen, dass der da-
malige Strand etwa 440 — 450 M. über dem heutigen Strande lag.
Nun überschreitet diese Stufe die europäische Wasserscheide,
stets in Schollen dem Schlier aufgelagert und erscheint in der Nähe
der Wasserscheide in 310 M.^
Sie breitet sich gegen Schlesien hin aus, erreicht jenseits der
Weichsel, dem Gyps aufgelagert, den südwestlichen Theil des
Königreiches Polen und es hat ohne Zweifel das Meer zu jener
Zeit die gesammte Niederung Galiziens überfluthet. Die Nord-
Ueberfluthungen der russischen Tafel. 411
und Ostgrenze dieser Ausdehnung des Meeres kennen wir nicht,
doch gibt es da und dort im südlichen Russland kleine Reste
seiner Ablagerungen, welche zeigen, dass es wenigstens durch
einige Zeit weit über das Flachland hinspülte.
Diese Spuren sind durch grosse Entfernungen getrennt.
Die russische Tafel ist seit dem Schlüsse der permischen Zeit
zu wiederholten Malen vom Meere überfluthet worden.
Die erste Ueberfluthung dieser Art legte eine Anzahl von
Stufen des mittleren und oberen Jura nieder, welche als der ,Jura
von Moskau' bekannt sind.
Die zweite Ueberfluthung trat zur Zeit der mittleren Kreide
ein. Diese Transgression breitet sich nicht nur über die rujssische
Tafel, sondern zugleich über ausserordentlich weite Flächen in
allen fünf Welttheilen aus, und ist in ihrer Allgemeinheit eine
der räthselhaftesten Erscheinungen an der Geschichte der Flötz-
gebirge.
Die dritte Ueberfluthung gehört, obwohl sie an einzelnen
Stellen, namentlich in der Nähe des Aralsees,'"^ von eocänen Ab-
lagerungen begleitet zu sein scheint, doch der Hauptsache nach
der oligocänen Zeit an und ist eine Fortsetzung jener grossen
Transgression des oligocänen Meeres, welche das ganze nord-
östliche Deutschland überdeckt. Die Nordgrenze, innerhalb wel-
cher oligocäne Spuren bekannt sind, verläuft von den Ufern der
Ostsee bei Königsberg gegen Thorn, dann gegen Kiew und
Elisabethgrad. Man trifft oligocäne Conchylien von nordeuropäi-
schem Charakter bei Achalzik in Imeretien und auch an den Ufern
des Aralsees. Oligocäne Ablagerungen ziehen sich ferner an der
Ostseite des Uralgebirges weit nach Norden und breiten sich ost-
wärts über die sibirische Ebene aus. Trautschold hat Fossilien
dieses Alters aus dem Districte Kamyschloff" angeführt, und von
Karpinsky wurde die Ausbreitung derselben an den westlichen
Zuflüssen des Tobol bis an die Tura unterhalb Werchoturie, also
etwa bis in den 58." nördl. Br. nachgewiesen. '°' Es ist überaus
wahrscheinlich, dass das oligocäne Meer Nordeuropa's, dessen
organische Reste sich in so auffallender Weise von der gleich-
zeitigen Fauna des Meeres in den Südalpen unterscheiden, auf
diesem Wege mit den arktischen Regionen in Verbindung stand.
412
IL Mediterranstufe am Asow*schen Meere.
Die vierte bisher bekannte Transgression ist jene der IL Medi-
terranstufe. Sie kommt aus dem Westen über Galizien her. Die
entferntesten, mit Genauigkeit bekannten Vorkommnisse dieser
Stufe waren bis vor kurzer Zeit einige von Barbot de Marny ge-
schilderte Schollen in der Nähe von Elisabethgrad im nördlichen
Kherson; Buccinum miocenicum, Bucc. costulatum, Mitra scrobi-
culata, Turritella turris und andere bezeichnende Conchylien er-
scheinen dort.'**^ Aber auch noch weiter gegen Ost, an der Nord-
seite der Halbinsel von Kertsch hatte vor Jahren Abich einige
Anhaltspunkte für das Auftreten derselben gewonnen, und die von
Andrussow hier angestellten Untersuchungen haben die erwünschte
Klarheit gebracht. In der That liegt bei Tschokrak, an der Asow-
schen Seite der Halbinsel, über blauem Thon ein Kalkstein mit
einer Reihe von Conchylien der IL Mediterranstufe; bedeckt wird
derselbe von den bald zu besprechenden sarmatischen Ablage-
rungen.'*"^
Alle diese merkwürdigen mediterranen Reste bleiben aber in
Bezug auf ihre Verbreitung ohne jeden sichtbaren Zusammenhang
mit dem heutigen Umrisse des Pontus; sie liegen nordwärts von
dem kaukasischen Gebirgsfragmente der Krim.
An dem Ufersaume des Schwarzen Meeres selbst, dann auch
des Marmara- und des ägäischen Meeres, in dem ganzen mittle-
ren Theile der Balkanhalbinsel und im westlichen Kleinasien ist
die IL Mediterranstufe ebenso unbekannt, wie die I. Stufe. Sie er-
scheint aber südlich von dieser Region auf Cypern und Candia,
sowie an der kleinasiatischen Küste. Dass die Fossilien von Hudh
hieher gehören, habe ich bereits erwähnt. Nichtsdestoweniger
mögen einige Zweifel darüber gestattet sein, ob die IL Mediterran-
stufe in der That so weit gegen Osten dringt, wie die I. Stufe und
die Salzbildungen.
Manche Vorkommnisse, wie die von Tietze an den kaspischen
Thoren über dem Salz getroffenen Sande mit Austern, lassen das-
selbe allerdings als wahrscheinlich ansehen, doch mögen hierüber
künftige Beobachtungen entscheiden.
Bleibt auch diese Frage unentschieden, so ist dafür die süd-
liche Ausbreitung dieser Stufe durch einige merkwürdige Erfah-
rungen sichergestellt.
I
Ueberfluthung des NO. Afrika. 4^3
Ehrenberg hat zuerst in der libyschen Wüste, bei der Oase
Siuah, das Vorkommen mitteltertiärer Meeresablagerungen er-
kannt, und durch Fraas ist der erste Nachweis ähnlicher Bildungen
zwischen Kairo und Suez, sowie am Schaluf, an dem Schiflffahrts-
canale gegeben worden. Seitdem Zittel als Begleiter von Gerh.
Rohlfs die libysche Wüste durchreiste, weiss man, dass diese Ab-
lagerungen aus der Cyrenaica zur Oase Siuah ziehen, hier eine
weite, etwa zu loo M. Seehöhe sich erhebende Tafel bilden, welche
südwärts mit steilem Schichtenkopfe endet, und dass diese Tafel
und der steile Schichtenkopf von der Oase Siuah gegen Nordost
sich fortsetzen. Das tiefste Glied bildet grünlicher Salzmergel mit
Gyps und ein Wechsel von sandigem Grobkalk und grünem Mergel ;
dieser liegt auf Nummulitenkalk. Ueberlagert werden die marinen
Mediterranschichten in der Oase Siuah von hartem Süsswasserkalk
und Süsswasserquarz.'°*
Für die Kenntniss der Verbreitung dieser Schichten bei Suez
sind insbesondere Beyrich's Mittheilungen von Bedeutung, welche
sich auf G. Schweinfurth's Beobachtungen gründen. Hienach er-
scheinen diese Schichten nicht nur an dem Nordgehänge des Ge-
birges zwischen Kairo und Suez in der Nähe des Wadi Gjäffara,
wo sie Fraas getroffen hatte und an dem nordöstlichen Gehänge
des Gebel Genef, wo sie von Th. Fuchs, gypshältigem Mergel
aufgelagert, gefunden wurden, sondern sie ziehen sich zwischen
G. Gendf und G. Atäka bei Suez und dem noch weiter südwärts
gegen das Rothe Meer vortretenden G. Galäla fort.'°*^ Ich lege
aber Gewicht auf diesen Umstand. Die genannten Berge bestehen
aus Kreidelcalk und aus älteren Tertiärschichten, welche jedoch
jünger sind als jene, denen in der Oase Siuah die Mediterran-
schichten concordant aufruhen. Während die früheren Funde durch
Fraas und Fuchs nur an dem nördlichen Abhänge dieser Berge das
Vorkommen der mediterranen Sedimente erkennen Hessen, sieht
man dieselben nun SW. von Suez offen gegen das Gebiet des
erythräischen Meeres vortreten, dessen heutige Fauna von der
Mediterranfauna so sehr verschieden ist. Es hat daher ohne Zweifel
seither an dieser Stelle das erythräische Gebiet einen Theil des
alten Mediterrangebietes erobert, aber es darf nicht verschwiegen
werden, dass trotz des sonst gleichförmig mediterranen Charakters
1 1 • Die sarmatischen Ablagerungen.
der genannten Ablagerungen ein vereinzelter Fremdling von indo-
pacifischem Typus, Placuna miocenica Fuchs, in der Oase Siuah
anijetroffen worden ist. Diese Ablagerungen gehören nach
Th. Fuchs dem Horizonte von Grund an, also dem tieferen Theile
der IL Stufe.'**^ Nach dieser aus paläontologischen Vergleichen
hervorgegangenen Feststellung würde die Ueberfluthung des
nordöstlichen Afrika beiläufig demselben Zeitabschnitte zufallen,
in welchem das Meer zuerst die östlichen Bruchränder der Alpen
bespült hat.
Der Unterschied zwischen dem neuen Umrisse des Mittel-
nieeres und jenem zur Zeit der I. Stufe ist also der folgende.
Die Verbindung im Norden der Alpen über das Juragebirge,
die Schweizer und bayrischen Voralpen ist aufgehoben. Die an-
dauernde Ausbreitung in der Richtung des Euphrat und Persien's
ist aus den heutigen Erfahrungen nicht erweisbar. Dagegen findet
neue Ausdehnung statt von der Loire gegen die Touraine, ferner
in die nördlichen Senkungsfelder des Apennin, in die östlichen
Senkungsfelder der Alpen, über den galizischen Schlier gegen
den südlichen Theil der russischen Ebene bis gegen das Asow-
sche Meer, endlich über die Cyrenaica gegen Suez.
Die sarmatischen Ablagerungen. Der zweiten Mittel-
meerstufe folgt bei Wien eine Schichtenreihe, welche durch die
Einförmigkeit ihrer Fauna in einem sonderbaren Gegensatze zu
der II. Stufe steht, und diese Schichtenreihe mit ihrer armen und
einförmigen Fauna setzt sich aus dem Donauthale ostwärts noch
weit über jenes Gebiet hinaus fort, innerhalb dessen die IL Mittel-
meerstufe bekannt ist. Sie breitet sich über einen beträchtlichen
Theil von Südrussland aus, erscheint an den Ufern des Marmara-
meeres, des Schwarzen, Asow'schen und Kaspischen Meeres und
erreicht den Aral-See. Alle diese ausgedehnten Gebiete waren
damals von einem Wasserspiegel bedeckt, welcher von den öst-
lichen Alpen bis über den Ust-Urt hinaus sich erstreckte. Diese
Ausdehnung ist aber grösser als die Längenaxe des heutigen
Mittelmeeres von der Strasse von Gibraltar zur syrischen Küste.
Barbot de Marny, welcher seine angestrengten und erfolg-
reichen Bemühungen um die Aufhellung der Vergangenheit der
I
Sarmatische Meeresfauna. 4^5
politischen und der aralo-kaspischen Niederungen seither erst mit
seiner Gesundheit, dann mit dem Leben bezahlt hat, stand mir im
Jahre 1866 mit freundlicher Belehrung zur Seite, als für diese Ab-
lagerungen der selbständige Name der sarmatischen Stufe vorge-
schlagen wurde. Schon damals wurde erkannt, dass die stellenweise
diesen Ablagerungen eingeschwemmten Reste von landbewoh-
nenden Säugthieren denselben Arten angehören, welche auch
in den Uferbildungen der IL Mittelmeerstufe angetroffen werden,
und dass sie älter und ganz verschieden von jenen sind, welche
die III. Mittelmeerstufe zuweilen enthält, dass also die chronologi-
sche Gleichstellung mit der III. Mediterranstufe ein Irrthum wäre/°''
In der sarmatischen Meeresfauna fallt zuerst das Fehlen nicht
nur aller Pteropoden, Balanen, Brachiopoden, Echinoiden und
Korallen, sondern auch aller irgendwie reicher ornamentirter For-
men von Conchylien auf, insbesondere das Fehlen jeder Andeu-
tung, die ein wärmeres Clima vermuthen Hesse. Schon im Jahre
1866 wurden solche Arten von Conchylien unterschieden, welche
als ein verarmter Rest der vorhergegangenen Mediterranbildungen
in die sarmatischen Ablagerungen heraufreichen, und solche, die
als neue Arten hinzutreten. Aber die ersteren beschränken sich,
je nachdem man untergeordnete Unterschiede mehr oder minder
stark zur Geltung bringt, auf 20 — 30 Arten, unter welchen jedoch
keine einzige Art von Conus, Cypraea, Oliva, Tritonium, Strombus
und der vielen anderen Gattungen sich befindet, welche den »wär-
meren Habitus* der zweiten Mediterranstufe bekunden. Es sind
kleinere Arten von Murex, Cerithium, Pleurotoma u. A. Hiezu
tritt eine grosse Auster, welche von Einzelnen als eine selbstän-
dige Art, von Anderen als übereinstimmend mit der Ostr. Gien-
gensis der Mediterranablagerungen angesehen wird.
Auch die neu hinzutretenden Arten sind nicht von wesentlich
anderem Gepräge; Buccinum duplicatum, Mactra podolica, Tapes
gregaria gehören zu den häufigsten unter ihnen. Eine grössere
Mannigfaltigkeit neuer Gestalten entwickelt die Gruppe der Tro-
chiden.
Was dieser Conchylienfauna an Verschiedenheit der Arten
fehlt, ersetzt sie durch die oft staunenswerthe Anzahl von Indivi-
duen, welche mit Millionen von Gehäusen die Bänke erfüllen.
ij. I 6 Beschaffenheit des sarmatischen Meeres.
Im Jahre 1 866 waren die mediterranen Schollen des südlichen
Russland nicht bekannt und es herrschte noch ohne Widerspruch
die Humboldt'sche Ansicht von einer verhältnissmässig späten
Verbindung des Kaspi und des Aral mit dem arktischen Ocean.
Es lag daher die Vermuthung nahe, dass die plötzliche und ausser-
ordentliche Verarmung der Mediterranfauna bis auf einen geringen
Rest, namentlich das Verschwinden aller Zeugen eines wärmeren
Meeres, und das Erscheinen der neuen Formen mit der grossen
östlichen Ausbreitung des Meeres und der Herstellung einer Ver-
bindung mit nordischen Wässern zusammenhänge. Seither haben
sich die Erfahrungen nach allen Richtungen erweitert; erfahrene
Forscher, wie Fr. Schmidt, haben sich gegen eine arktische Ver-
bindung zur sarmatischen Zeit ausgesprochen. '°** Zugleich tritt
aber durch die fortschreitende Erkenntniss der Beziehungen des
chinesischen Han-hai zu der turkestanischen Niederung diese Frage
mit einer Reihe von anderen Fragen in Verbindung, welche erst
an späterer Stelle erörtert werden können. Für diese spätere Er-
örterung ist das Nachfolgende von Bedeutung.
Th. Fuchs setzt voraus, das sarmatische Meer sei isolirt ge-
wesen und habe einen etwas geringeren Salzgehalt besessen als
der Ocean; zum Beweise wird die^Aehnlichkeit der Gesammt-
tracht, namentlich der Fauna, mit jener des heutigen Pontus
betont.*°9
R. Hörnes sucht die Ursache der eigenthümlichen Armuth
der Fauna in dem örtlich und zeitlich wechselnden Salzgehalte
dieses Meeres. "°
A. Bittner betrachtet das sarmatische Meer überhaupt nur
als einen mediterranen Rest und die sarmatische Fauna bei Wien
nur als einen verkümmerten und durch Isolirung und brackische
Einflüsse degenerirten oder abgeänderten minimalen Bestandtheil
der vorangegangenen Fauna.'"
Diese drei Anschauungen vereinigen sich in der Voraus-
setzung, dass die Verbindung mit dem offenen Meere nicht hin-
reichend war, um ganz normale Verhältnisse innerhalb des aller-
dings sehr ausgedehnten Binnenmeeres aufrecht zu halten, und
sobald jedeVerbindung gegen Nord oderOst ausser Betracht bleibt,
erhält allerdings das ganze sarmatische Meer sammt seiner grossen
Autochthone sarmatische Arten. 4^7
Transgression gegen den Aral wie gegen die untere Donau und
das Marmarameer den untergeordneten Rang eines vom Mittel-
meere abhängigen Meerestheiles. Es unterliegt aber keinem
Zweifel, dass eine Anzahl von Arten ausserhalb des sarmatischen
Meeres nicht bekannt ist, wie Mactra podolica, Tapes gregaria
und andere der häufigsten Vorkommnisse."'
Ferner tauchen in den sarmatischen Sandablagerungen Bess*
arabiens und der Krim, wie den Darstellungen von Orbigny, Sinzow,
Barbot de Marny u. A. zu entnehmen ist, ganze Reihen neuer Ge-
stalten in den Gattungen Trochus, Phasianella, Turbo u. A. auf,
welche niemals in mediterranen Wässern angetroffen worden sind."^
Dieser nicht unbeträchtliche Theil der sarmatischen Conchy-
lienfauna wird vorläufig als autochthon anzusehen sein, und wir
besässen in demselben das Beispiel einer eingeborenen und an ihrer
Geburtsstätte haftenden Fauna in einem ausgedehnten Meerestheile.
Zu dieser Conchylienfauna, welche nach dieser Auffassung
aus einem armen mediterranen Relicte und einer autochthonen
Gruppe besteht, gesellt sich eine Anzahl von Fischen und eine un-
verhältnissmässig mannigfaltige Reihe von Seesäugthieren, welche
zu den Phoken, Delphinen und den Walen gehören."^ Diese
Säugthiere erscheinen sowohl bei Wien, als in Bessarabien und
der Krim.
Bei Wien treten sie hauptsächlich in dem blauen Thon auf,
welcher die tieferen Theile der sarmatischen Sedimente bildet, und
sie sind hier begleitet von Fluss-, Sumpf- und Landschildkröten,
sowie von Landpflanzen (Daphnogene, Laurus, Cassia, Zapfen
von Coniferen)."^
Viele Merkmale in diesen Ablagerungen verrathen die Nähe
eines Stromes, aber die zahlreichen Gypskrystalle in dem Thone
deuten nach anderen Vorgängen, welche wir nicht zu verfolgen
vermögen ; andererseits zeigt das Erscheinen von Austernbänken
normalen Salzgehalt an. In den sandigen Ablagerungen weist der
Polymorphismus einzelner Zweischaler auf veränderliche Zustände,
aber es gibt Orte, an denen im reinen Sand eine grössere Mannig-
faltigkeit an Arten auftritt und keine Andeutung solcher abnormer
Zustände sich geltend macht, wie z. B. in Wiesen westlich von
Wiener-Neustadt und in Kischineff in Bessarabien.
4 1 8 Westliches Ende des sarma tischen Meeres.
Während die Mediterranfauna offenbar anderswo angedauert
hat, und in ihr Hunderte von Thierarten sich bis zu dem heu-
tigen Tage erhalten haben, sind alle autochthonen Arten des sar-
matischen Meeres mit dem Ende dieses Meeres erloschen, und so
tritt der eigenthümliche Umstand ein, dass diese sarmatische Fauna
sich von der heutigen Mittelmeerfauna viel weiter entfernt als jene
der I. und IL Mediterranstufe. Eine Altersbestimmung nach der
Percentzahl lebender Formen würde, wie bereits gesagt worden
ist, hier ein ganz irriges Ergebniss liefern, und es steht die Frage
offen, ob die sarmatische Fauna auch nur eine einzige noch lebende
Conchylienart umschliesst.
Auffallend und bisher noch nicht erklärt ist das vereinzelte
Erscheinen einiger dieser Fauna sonst fremdartiger Conchylien,
einer Haliotis und zweier Arten von Lima, in den sarmatischen
Ablagerungen Galiziens."^
Die Verbreitung der sarmatischen Ablagerungen ist die fol-
gende.
Dieselben treten westlich von Wien nur an wenigen Punkten
ausserhalb des Randes der Alpen auf, und es sind mir keine
sicheren Beweise dafür bekannt, dass sie im nördlichen Mähren
die heutige Wasserscheide überschreiten, obwohl Kontkiewicz die-
selben noch im südwestlichen Theile des Königreiches Polen an-
getroffen hat. Bei ^Yien sind sie in der Regel dem von der zwei-
ten Mediterranstufe gebildeten Gehänge als eine etwas niedrigere
Stufe angelagert und bilden dann einen neuen concentrischen
Saum; zuweilen erscheinen sie aber auch als Decke auf derselben ;
so in dem Hügellande, welches südlich vom Leithagebirge Nieder-
österreich von Ungarn trennt. Die höchsten Ablagerungen dieser
Art haben die Merkmale des Strandes und liegen in dieser Gegend
bis 386 M. hoch auf der Kuppe des Marzer Kogelberges.
Sie setzen sich nun in die pannonische Ebene und bis Sieben-
bürgen fort, reichen in die Bucht von Gratz und nehmen südlich
vom Bachergebirge Antheil an der Bildung jener von Ost nach
West streichenden tertiären Falten, die bereits erwähnt worden
sind. In dieser Gegend erscheinen sie als die Mitte langer und
enger Synklinalen. Westwärts dringen sie in die Alpen bis Stein
in Krain vor."^ Sie erscheinen an einzelnen Stellen an dem nörd-
Sarmati&che AiLsbreitung gegen SW. 4-^9
liebsten Saume der bosnischen Höhen, umsäumen die Fruska-Gora
bei Peterwardein und sind im Banat vorhanden.
Die Schollen jüngerer Tertiärbildungen, welche im südlichen
Banat in ungewöhnlichen Höhen angetroffen werden, deuten darauf
hin, dass die Verbindung, welche einstens mit den Mediterran-
bildungen bei Plewna und den sarmatischen Ablagerungen der
unteren Donau bestand, durch spätere Gebirgsbewegungen ge-
schlossen worden ist.
Die sarmatische Stufe ist in der Wallachei und im nördlichen
Bulgarien weit verbreitet. Sie lehnt sich an die Südseite des Fo-
garascher Gebirges und zieht von dort nordwärts durch die Mol-
dau und Bessarabien in die Bukowina und nach Ostgalizien. An
der unteren Donau bildet sie ferner nach Toula den Untergrund
der Ebene zwischen dem Fusse des Balkan und dem Strome bis
an den Isker;"^ sie setzt sich dann, bei Plewna der II. Mediterran-
stufe aufruhend, noch über Nikopoli fort, aber das Plateau zwi-
schen Rustschuk undVarna besteht nach Hochstetter aus oberer
Kreide, und dieser vermuthet, dass von Sistowa bis Tschernawoda
die sarmatischen Ablagerungen fehlen."^ Allerdings greifen sie
aber von Raschowa gegen Küstendsche vor.''° Obwohl der Balkan
hier ihre südliche Grenze bildet, folgen sie doch dem Westrande
des Schwarzen Meeres bei Baldtschik und Warna, von wo sie
Spratt vor langer Zeit beschrieb.
Nun dringen sie in das Marmarameer, jedoch, wie Hochstetter
gezeigt hat, nicht in die Niederung von Adrianopel vor; sie bilden
den grössten Theil der Halbinsel von Gallipoli, zeigen sich in
horizontaler Lagerung zu beiden Seiten der Dardanellen bis zu
etwa 244 M. über dem Meere und liegen bei Constantinopel, wie
bei Renkiöi unweit des Ruinenfeldes von Hissarlik, auf einer Süss-
wasserbildung mit Anodonta Hellespontica, Melanopsis bucci-
noidea u. A., welche von R. Hoernes und Neumayr überein-
stimmend als ein tieferes GHed der sarmatischen Stufe selbst an-
gesehen wird."'
Südlich von Troja sind jedoch die sarmatischen Schichten bis
heute nicht weiter als etwa bis zu dem Vorgebirge bekannt, welches
den Golf von Adramyti nordwärts abschhesst,*" und weder Samo-
thraki noch Chios, noch die ganze Westküste des Golfes von
i|20 Die Miodoboren.
Salonichi bis Euboea herab haben bisher eine sichere Spur solcher
Ablagerungen geliefert. Nur gewisse limnische Ablagerungen,
welche L. Burgerstein auf der Halbinsel Kassandra traf, mögen
als ein Anhaltspunkt für die Vermuthung gelten, dass das sarma-
tische Meer, wenn auch mit geringerem Salzgehalte, sich bis da-
hin erstreckte."^
Wir kehren zum Pontus zurück.
An seinem südlichen Ufer kennt man noch keine Spur solcher
Ablagerungen."* Von Norden her, aus dem südlichen Polen und
aus Galizien, durch Podolien und Bessarabien, zieht sich dagegen
die bereits erwähnte Zone sarmatischer Schichten herab, welche
einerseits gegen die Wallachei, andererseits ostwärts gegen die
russische Niederung ihre Fortsetzung findet. Diese Zone, welche
im Norden der ü. Mediterranstufe aufliegt, ist durch das Hervor-
treten einzelner echt mariner Typen, sowie durch eine grössere
Mannigfaltigkeit der Fauna, sowohl an einzelnen Punkten in Gali-
zien, als auch bei Kischineff in Bessarabien ausgezeichnet. Ihr ge-
hört der lange, über 400 M. sich erhebende Hügelzug der Miodo-
boren (Honigwälder) an, welcher von Podkamien bei Brody bis
über Kamieniec Podolski hinaus sich erstreckt und aus einem
sarmatischen Bryozoenriff besteht; Pleuropora lapidosa hat diesen,
sowie eine Anzahl kleinerer Züge in Podolien der Hauptsache
nach aufgebaut."^
Von der bessarabischen Zone, welche bis über den unteren
Dnjester herüberreicht, erstreckt sich nun ein sarmatischer Gürtel
ostwärts über Stepanowka, Wossnesensk gegen Nikopol und nach
Taurien, im Norden der Kreide und dem Granit aufgelagert, süd-
wärts von dem jüngeren Steppenkalk bedeckt. Die sarmatischen
Ablagerungen erscheinen in der Krim und ziehen ununterbrochen
zum kaukasischen Isthmus; dort begleiten sie das Gebirge im
Norden über Stawropol bis Derbent und im Süden sind sie im
Flussgebiete des Rion und des Kur bekannt. Sie haben an den
grossen Bewegungen des Hochgebirges theilgenommen und sind
nach Abich's Beobachtungen am Schach-Dagh, nahe dem östlichen
Ende des Kaukasus, zu der Höhe von 2330 M. emporgetragen. "^
Sie folgen nun südwärts dem kaspischen Meere ; Tietze hat
sie an der Nordseite des Alburs bei Beschel am Ausgange des
Pontische Ablagerungen. 42 I
Talarthales angetroffen. "^ Ostwärts vom Kaukasus nehmen sie
theil an dem Aufbaue des Plateau's des Ust-Urt. Sie ragen mit
horizontalen Rändern an der Ostseite dieses Plateau's hoch über
den Wasserspiegel des Aral hervor, und haben gewiss dereinst
die ganze Fläche dieses Binnensee's eingenommen, doch sind sie
weiter im Osten noch nicht nachgewiesen. —
Das sarmatische Meer ist demnach eine weite bis über den
heutigen Aral ausgedehnte Wasserfläche gewesen, welche west-
wärts im heutigen Donauthale in kleinere Becken abgetheilt war.
Die Verbindung mit dem offenen Ocean ist wahrscheinlich keine
ganz vollständige gewesen, doch hat sich offenbar, abgesehen von
Vorgängen in der Nähe der Küsten, durch längere Zeit dieselbe
Zusammensetzung des Wassers in diesem Binnenmeere erhalten.
Auch die einzelnen westlichen Becken hatten dieselbe Beschaffen-
heit und communicirten daher offen mit dem grossen Binnenmeere.
Der grösste Theil des Pontus, wenigstens der ganze Nord,
Ost und Westen, dann das Marmarameer und der Norden des
ägäischen Meeres waren diesem Gewässer bereits zugänglich und
es konnte im kaspischen Gebiete bis an den Fuss des Albrus ge-
langen. Die Beziehungen desselben zu den asiatischen Niederungen
werden, wie gesagt, an späterer Stelle zu erwähnen sein.
Das sarmatische Gebiet liegt ganz ausserhalb des
heutigen Mittelmeeres, sobald man dieses in einem engeren
Sinne, d. i. mit Ausschluss des ägäischen und pontischen Meeres,
begreifen will; die Stelle seiner Verbindung mit dem Mittelmeere
ist nicht bekannt und die grösste Mannigfaltigkeit, sowie der am
reinsten marine Typus der Fauna findet sich sonderbarer Weise
in der galizisch-bessarabischen Zone. —
Die pontischen Ablagerungen. In den autochthonen
Arten des sarmatischen Binnenmeeres trat uns die erste Anlage
einer neuen Meeresfauna entgegen. Dieser Keim sollte nicht zu
weiterer Entwicklung gelangen. Das Sinken der Strandlinie von
der Meereshöhe der II. Mediterranstufe zu dem Niveau der sarma-
tischen Zeit ist nur der Vorläufer eines weit grösseren Herab-
sinkens gewesen. Wir sind in der That an dem Zeitpunkte der
grössten Einengung des Mittelmeeres angelangt.
A22 Vor-pontische Erosion in Oesterrcich.
In dem Gebiete des Schwarzen Meeres liegt flach auf den
sarmatischen Schichten eine Gruppe von Ablagerungen, welche
in süssem oder nur leicht brackischem Wasser gebildet wurden
und welche durch zahlreiche und eigenthümliche Cardien und
durch Gattungen, wie Melanopsis, Valenciennesia, Congeria ge-
kennzeichnet sind. Hieher gehört der Steppenkalk von Odessa.
Dies ist die ältere aralo-kaspische Stufe von Murchison, welche
man in neuerer Zeit die pontische oder wohl auch die pannoni-
sehe Stufe zu nennen sich gewöhnt hat. Sie streckt sich gegen
Ost in der Richtung des kaspischen Meeres, namentlich in der
Manytschniederung aus,"^ dringt im Südwest in das Becken von
Adrianopel und an die Westküste der Chalkidike und reicht gegen
West tief in die Wallachei, gegen Nordwest bis gegen Czortkow
in Galizien.
Aehnliche und gleichzeitige Ablagerungen erfüllen die pan-
nonischen Niederungen und die Niederung von Wien.
Bei Wien beginnen die pontischen Ablagerungen an mehreren
Orten mit einer harten Grenzschichte mit Congeria triangularis,"''
dann folgt mächtiger blauer Thon mit Sandlagen. Es schliesst
hier die Serie mit einer rein fluviatilen Bildung, dem Belvedere-
schotter, welche von den archäischen Gebieten im Nordwest, also
von Böhmen, herabkommt und als eine Lage von gelben Ge-
schieben und von Sand sich über die Niederung breitet. Dieser
Fluss hat unterhalb Krems ein grosses Delta aufgeschüttet, wel-
ches heute allerdings in Hügel aufgelöst ist.'^°
Die Lagerung der pontischen Schichten in diesem Gebiete
ist eine eigenthümliche. In gewissen Gegenden, wie z. B. westlich
vom Neusiedlersee, ruhen sie in Thälern, welche in die 11. Medi-
terran- und die sarmatische Stufe eingegraben sind. Es muss da-
her ihrer Ablagerung eine vollständige Trockenlegung des Landes
und die Erosion dieser Thäler durch strömendes Wasser voran-
gegangen sein. An anderen Punkten liegen sie bis zu nicht un-
beträchtlichen Höhen wohl bis nahe an 300 — 350 M. flach auf der
sarmatischen Stufe. So z. B. in der Nähe von Mödling bei Wien. '^*
Die Erklärung mag darin gefunden werden, dass nach der
Trockenlegung und Ausfurchung des Landes ein allmäliges An-
steigen des See's eingetreten ist, bis zu der eben genannten
Grosse Einengung des Mittelmeeres. 4^3
Höhe. Dann folgte, wie gesagt, der aus Böhmen kommende
grosse Fluss.
Dieser See ist mit den anderen Seebecken der Donau bis
zum Meere hinab in Verbindung gestanden, wie sich am deut-
lichsten aus dem Umstände ergibt, dass einzelne Seefische bis in
die Gegend von Wien vordringen konnten. '^^
Die Spuren dieses ausserordentlichen Rückzuges des Meeres,
durch welchen das ganze Donauthal und das ganze pontische Ge-
biet dem süssen oder brackischen Wasser überlassen wurden, sind
auch in Italien bemerkbar.
Schon vor einer Reihe von Jahren hatte Capellini über den
tortonischen Ablagerungen, also über der ü. Mediterranstufe, die
Reste einer pontischen Cardienfauna erkannt, und zahlreiche seit-
herige Arbeiten, wie insbesondere die Entdeckung derselben Fauna
durch Cafici in Sicilien, haben zu folgenden Ergebnissen geführt. '-^^
Aus dem nördlichen Toscana und aus der Mark Ancona, zu
beiden Seiten des Apennin bei Reggio und bis nach Sicilien liegt
über Schichten mit Ancillaria glandiformis und Cardita Jouannetti
oder ihren Zeitäquivalenten eine Ablagerung von Tripel, welche
unzählige Reste von Radiolarien und Diatomaceen und zugleich
eine mannigfaltige Fauna von Fischen umschliesst. Diese Fauna,
in welcher Bosniaski nahe an einhundert Arten von Fischen
unterschieden hat, besteht nach diesem Forscher aus einem Ge-
menge von Gattungen der hohen See (Clupea, Gadus, Caranx,
Rhombus) und zahlreichen kleinen Süsswasserfischen (Leuciscus).
Der Gesammtcharakter der Fauna ist ein mediterraner, mit etwas
nordischem Gepräge. '^^
In diesem Tripel sind ferner Conchylien aus Gattungen wie
Syndosmya, Ervilia, Tapes, Cardium angetroffen worden, welche
eine gewisse generische Annäherung an die sarmatische Fauna
andeuten, wenn auch übereinstimmende Arten nicht mit Sicherheit
nachgewiesen sind. Es meinte daher Capellini, in diesen Schichten
wirklich die Vertreter der sarmatischen Stufe gefunden zu haben.
Einzelne Beobachter sahen in der Art des Sedimentes und
dem Reichthume an Diatomaceen den Beweis, dass diese weit aus-
gebreitete Tripelablagerung in grösserer Wassertiefe abgelagert
sei als die unterlieijenden Schichten mit Cardita Jouannetti ; Andere
Suess, Das Antlitz der Krde. 28
424 Rückzug des Strandes in Italien.
vermutheten wegen der zahlreichen Süsswasserfische und des Cha-
rakters der Conchylien seichtes Wasser und Nähe des Ufers ; wie
dem auch sein mag, es ist doch seither sichergestellt, dass sich
über dem Tripel nochmals normale Ablagerungen der IL Stufe
mit Card. Jouannetti, Pecten aduncus u. A. einstellen. Es theilen
daher Stöhr und Bosniaski nicht die Ansicht Capellini's, dass die
sarmatische Stufe durch diesen Tripel vertreten sei, sondern sie
sehen in demselben nur eine der II. Stufe eingeschaltete, allerdings
durch ganz Italien verbreitete Lage.
Diesen höchsten, dem Tripel aufgelagerten Theilen der
n. Stufe folgt nun allgemeines Sinken der Strandlinie ; zu beiden
Seiten des Apennin bilden sich Lagunen, in welchen Gyps zur
Ablagerung kommt. Dieser gypsreiche Horizont lässt sich im
Osten von Turin über Ancona gegen Reggio verfolgen ; ebenso
zieht er sich im Westen von Sarzano über Livorno und Volterra
durch Toscana herab, erscheint im westlichen Calabrien wieder,
geht von Reggio nach Sicilien über und findet dort grosse Aus-
breitung. Die sicilischen Schwefelgruben gehören diesem Hori-
zonte an, und der Schwefel ist durch Reduction des in den La-
gunen abgelagerten Gypses entstanden. Auch zelliger Kalkstein
ist an vielen Orten zur Ablagerung gelangt.
Diese Ablagerungen sind arm an organischen Resten ; Lebias
crassicauda erscheint in denselben. Dieser Gypshorizont und nicht
der tiefer liegende Tripel wird von Bosniaski, und zwar wohl mit
Recht, als das wahre Zeitäquivalent der sarmatischen Stufe an-
gesehen.
Ueber diesem Gypshorizont liegen bei Livorno und an einigen
anderen Orten in geringer Mächtigkeit weisse Mergel mit Mela-
nopsis, Planorbis, Insectea, Süsswasserfischen und Fröschen. Diese
Zeit ist nach demselben Beobachter die Phase des grössten Rück-
zuges des Meeres.
Es folgt als höchstes Glied dieser Schichtgruppe vSand, Mergel,
Molasse, wohl auch noch etwas Gyps und zugleich die pontische
Fauna mit Congerien und den eigenthümlichen Cardien des süd-
russischen Steppenkalkes. Auch dieser Horizont ist jetzt im Nor-
den wie im Süden der Halbinsel bekannt. Dies ist der höhere
Theil von Mayer's , Stufe von Messina* (Piano Messiniano bei
I
I
Vor-pontische Erosion in Südfrankreich. 4^5
Seguenza) ; die Uebereinstimmung mit den politischen Ablage-
rungen ist allgemein anerkannt.
Nun macht Bosniaski in seinen werthvollen Studien über
diesen Gegenstand aufmerksam, dass in diesen pontischen Ab-
lagerungen Spuren von Salzwasserfischen (Dentex, Raja) er-
scheinen, und folgert daraus, dass der Stand des Meeres ein höherer
gewesen sei als während der Bildung der unmittelbar vorher-
gegangenen Süsswasserschichten.
Wir erinnern uns, dass westlich vom Neusiedlersee den pon-
tischen Ablagerungen Erosion von Thälern vorangegangen war
und wir daraus Trockenlegung des Landes zwischen der sarma-
tischen und der pontischen Zeit geschlossen hatten, und dass auch
bis Wien einzelne Salzwasserfische vorgedrungen waren. Nun
verlassen wir Italien und wenden uns dem Rhonethale zu.
Auch dort hat sich aus Fontanne's Studien ergeben, dass den
pontischen Cardienschichten von Bollene eine Austiefung von
Thälern unmittelbar vorangegangen ist. Die Ablagerungen der
IL Mediterranstufe sind ausgefurcht und die Cardienschichten liegen
in den Furchen. Auch in Südfrankreich ist also ein ganz ausser-
ordentliches Zurückweichen der Strandlinie vor den Cardien-
schichten bemerkbar.
Die pontische Stufe kennen wir nun als eine Ablagerung von
süssem oder wenig brackischem Wasser vom kaspischen Meere
bis in das Rhonethal. In dieser Gestalt bedeckt sie Südrussland,
dringt sie in das Donauthal bis über Wien hinauf, überlagert sie
zu beiden Seiten des Apennin und in Sicilien den Gyps, und liegt
sie in der alten Erosionslinie des Rhonegebietes. Mit Recht be-
zeichnet sie Neumayr als eine ausgezeichnete Continentalepoche
und betont derselbe, dass die marinen Aecjuivalente derselben
überhaupt noch nicht bekannt seien, ja dass die Strandlinie
der damaligen Zeit wahrscheinlich tiefer gelegen sei als die
heutige. *^^
Wir nehmen nun wahr, dass das Maximum des Zurückweichens
wahrscheinlich an die Grenze der sarmatischen und der pontischen
Zeit fallt; die Erosionen an der Donau und im Rhonethale und
die eingeschaltete Schicht mit Süsswasserfischen inToscana deuten
daraufhin.
28*
426
in. Mediterranstufe.
In der Zeit dieses Maximums des Zurückweichens, in der Zeit,
in welcher das Mittelmeer ostwärts wahrscheinlich nicht über Sar-
dinien und Corsica hinausreicht, ändert sich die. Landbevölkerung.
An die Stelle der vorhergehenden Fauna mit Mastodon angustidens,
Palaeomeryx, Listriodon u. A. tritt eine neue Fauna, welche Mast,
longirostris, Hippotherium. Antilope und andere Formen enthält.
Während man ziemlich viele Fälle kennt, in welchen Reste der
vorhergegangenen Landfauna mit Mast, angustidens marinen
Küstenbildungen eingeschwemmt sind und dasselbe auch von den
der pontischen Zeit nachfolgenden Landfaunen gilt, hat sich noch
nie ein Rest der Landfauna der pontischen Zeit in irgend welche
Meeresbildungen eingeschwemmt gefunden. So weit war die
Küste zurückgewichen.
Von dem Beginne der III. Mediterranstufe bis zur
Gegenwart. Nach dem Schlüsse der pontischen Phase breitet
sich von Neuem das Meer aus und es bedeckt mit rein marinen
Schichten einen grossen Theil des Gebietes der pontischen Ab-
lagerungen. Die Fauna dieses Meeres nähert sich noch mehr als
jene der I. und ü. Stufe der heutigen Mediterranfauna. Zugleich
mit dem neuen Vordringen des Meeres erscheint abermals eine
neue Landbevölkerung. Dies ist der Beginn der III. Mediterranstufe.
Ausserordentlich grosse Veränderungen, deren Umrisse wir
mit der Annäherung an den heutigen Tag immer deutlicher zu
erkennen vermögen, liegen noch zwischen dieser Zeit und der
Gegenwart. Aber durch diesen überaus langen Zeitraum scheint
nie mehr die Abschliessung und Versalzung eines so grossen
Meerestheiles eingetreten zu sein wie zwischen der I. und II. Stufe,
und auch kein so weites Zurückweichen des Meeres wie zwischen
der n. und III. Stufe. Die Mannigfaltigkeit der Vorkommnisse
wird nun aber so gross, dass die Darstellung derselben eine sehr
gedrängte werden muss.
Wir beginnen im Westen.
Die grosse Abwaschung, welcher die Bucht der Gironde nach-
träglich ausgesetzt war, scheint alle Spuren der III. Mediterran-
stufe aus derselben entfernt zu haben. Sie sind dagegen in jener
des Guadalquivir wohl bekannt und leicht von jenen der ü. Stufe
I
Ablagerungen bei Gerace. 42 7
ZU scheiden. Sie erscheinen an vielen Orten im westlichen Mittel-
meere, sowohl an den nordafrikanischen Küstenländern, wie an
den südlichen Rändern der iberischen Masse und des französischen
Centralplateau's und greifen dann, den pontischen Cardienschichten
aufgelagert, innerhalb der vor-pontischen Erosionsfurchen tief in
das Rhonethal ein.
Sie umgeben beide Abhänge des Apennin, bilden im Norden
die durch ihren Reichthum an organischen Resten ausgezeichneten
Ablagerungen von Asti und von Siena und bedecken einen Theil Si-
ciliens, fast allenthalben den pontischen Cardienschichten aufruhend.
Eine Ausnahme scheint der nördlichste Theil der Bucht von Genua
zu bilden, wo sie den älteren Felsarten der Alpen unmittelbar an-
haften und junger Einbruch vorhanden zu sein scheint, und eine
zweite Ausnahme trifft man an der Südspitze der Halbinsel. Dort
hat Seguenza diese Ablagerungen, welche sonst in der Regel als
,unteres Pliocän* bezeichnet werden, wegen ihrer eigenartigen
Ausbildung mit dem Namen , Piano Zancleano' belegt und in
werthvollen Untersuchungen dargethan, dass dieses Zancleano,
über alle vorhergehenden Stufen, sowie über die aufgerichteten
Köpfe weit älterer Bildungen übergreifend, an den Gehängen des
Aspromonte bis zu der beträchtlichen Höhe von 1200 M. hinauf-
reicht.'^^
In der That sieht man von den Ufern des jonischen Meeres,
etwa von Gerace, die weissen cubischen Schollen des aus mürbem
Kalk, Sand und Bryozoenschichten zusammengesetzten mächtigen
Zancleano, an das dunkle, ältere Gebirge geklebt, wie die Reste
eines zerrissenen Mantels mit sehr leichtem Neigungswinkel an
dem Gebirge nach aufwärts ziehen. Aber obwohl ich nur diesen
tieferen Saum besucht habe, muss ich bemerken, dass es mir
schwer fallt, die Bryozoenschichten von Gerace, welche eine so
grosse Aehnlichkeit mit der in 20 — 35 Faden auftretenden ,Co-
rallinen-', d. i. Bryozoünzone des heutigen ägäischen Meeres be-
sitzen, als eine in mehr als 1000 M. Tiefe gebildete Ablagerung an-
zusehen, wie es der Fall sein müsste, wenn die Lagen des Zancleano
unter der heutigen Neigung gebildet wären. Es wird daher an
dieser Stelle irgend eine späte Bewegung des Gebirges anzu-
nehmen sein. '^7
IV. Mediterranstufe.
429
reichen sie bis 330 M. hoch, und die Reste der tieferen Theile
liegen auf Imbros, Lemnos, Samos und anderen Inseln zerstreut.
Sehr mächtig sind sie auf Euboea, und in Lokris, nahe dem höch-
sten Gipfel das Karyagebirges, traf Bittner tertiäre fluviatile Con-
glomerate, welche dieser Stufe angehören, noch 900 M. über dem
Meere/^^ Es ist sogar möglich, dass die mächtigen tertiären Con-
glomerate des nördlichen Peloponnes hieher zu zählen sind, welche
von Boblaye und Virlet an dem Ziriagebirge, südlich von Trikala,
allerdings wie es scheint mit geneigten Schichten, bis zu 1500 M.
verfolgt worden sind.'-'^ Sie greifen endlich in ihrer typischen
Form als Paludinenschichten über die Cycladen, sogar bis Kreta
hinaus.
Das steile Abbrechen der levantinischen Süsswasserbildungen
gegen das Meer hat bereits vor vielen Jahren Spratt zu der An-
sicht geführt, dass dieser ganze Theil des Mittelmeeres einem
jungen Einbrüche seine Entstehung zu danken habe, und die
Reisen Neumayr's und seiner Arbeitsgenossen haben diese Ansicht
vollkommen bestätigt. —
Abermals vollzieht sich eine grosse Veränderung; neue
Meeresbildungen, die IV. Mediterranfauna, das Oberpliocän, er-
scheint. Das Meer umgibt wieder beide Abhänge des Apennin ;
bei Rom lagern sich die Meeressande des M. Mario auf die blauen
Mergel des Vatican, welche in vieler Beziehung an den Schlier
erinnern ; in Calabrien liegen die gleichzeitigen Sedimente an
den Abhängen des Zancleano und, nach Seguenza, in Furchen
desselben. Sie bedecken einen grossen Theil Siciliens, erreichen
nicht die dalmatinische Küste und der Saum, welchen sie rings
um den Peloponnes ziehen, reicht ziemlich gleichförmig zur Höhe
von 500 M. Sie dringen bis an den Cycladen vor und liegen,
z. B. in Kos, auf den levantinischen Paludinenschichten. Doch
erreichen auch sie weder das ägäische Gebiet, noch die ägyp-
tische Küste.
Von dem Zeitpunkte des Eintrittes des Meeres über den Rand
des levantinischen Süsswassergebietes nimmt aber die Mannig-
faltigkeit der Vorkommnisse in solchem Maasse zu, dass ich mich
begnügen muss, die Art der Besprechung abermals verändernd,
an die Stelle chronologischer Uebersichten eine gedrängte Dar-
>?äer Merkmale oder Ereignisse treten zu lassen.
"^te Pniir- wöcse idi kurz zu erörtern beabsichtige, sind : das
T T-r*r— ■^■^Äsoe Erscheinen arktischer Conchvlien im Mittelmeere
^jjjj^^ 3* zK^i::::^ erazelner junger Einbrüche. Das vorübergehende
^:;«-«^;:^^ez des Rothen Meeres in das heutige Mittelmeergebiet,
.,p^:,3^ ^ L'sierägj'pten bemerkbar ist, soll in dem nächstfolgen-
der^ A'rcchnine besprochen werden.
Nordische Gäste im Mittelmeere. Durch alle Phasen
ier Geschichte des Mittelmeeres und insbesondere während jener
.-T.xssen Einengung, welche dem Erscheinen der II. Stufe voran-
^
«^r-C- 5^"*^*^^ jener noch grösseren, welche die Zeit der pontischen
5c>2^wassersee'n eröffnete und begleitete, ist der atlantische Ocean
^e Region gewesen, in welcher die Mediterranfauna in ihren
bezeichnenden Arten fortgelebt und von wo aus sie die verlassenen
Gebiete immer von Neuem wieder bevölkert hat. Dies ist die Be-
deutung des vornehmlich westlichen Zuges der Verwandtschaften,
welchen man von der I. Stufe bis zur Gegenwart antrifft.
Bereits vor geraumer Zeit, und bevor wir noch gelernt hatten,
die I. von der ü. Stufe zu trennen, konnte auf Grund der von
M. Hömes gegebenen Darstellungen der Tertiärconchylien von
Wien gezeigt werden, dass unter denselben sich sehr bezeichnende
Arten finden, welche heute an der senegambischen Küste fort-
leben, und die neueren Untersuchungen an den Cap-Verden und
der westafrikanischen Küste haben diese Beispiele vermehrt.'^"
Neben diesem sehr wichtigen Elemente schliessen die einzelnen
Faunen aber andere Gruppen von verschiedenem Alter und ver-
schiedener Herkunft ein, welche nur durch eine sorgfältige Analyse
getrennt werden können.
Eine durch ihre Gründlichkeit ausgezeichnete Gliederung
dieser Art hat R. Tournouer für die Conchvlien der II. Medi-
terranstufe, wie sie zu Cabrieres in der Rhonebucht auftritt,
geliefert. Die unterschiedenen Gruppen sind : i . eine geringe An-
zahl von Arten, welche die Fortsetzung von alten Typen der euro-
päischen Meere aus der oligocänen oder sogar der eocänen Zeit
zu sein scheinen; 2. eine viel zahlreichere Gruppe von neuen und
wichtigen Arten, welche die Mediterranfauna von der oligocänen
Analysen der If^ und der III. Fauna. 431
Fauna trennen, ihr das Gepräge geben und welche heute ihre Ver-
wandten in fremden, wärmeren Wässern haben; 3. solche Arten,
deren Verwandte weder in älteren europäischen, noch in heutigen
wärmeren Wässern zu finden sind, sondern welche als neue Typen
auftreten und welche zum Theile später wieder verschwinden, zum
Theile aber sich fortpflanzend und weiter entwickelnd, den Grund-
stock der heutigen Mittelmeerfauna bilden.'^'
Man könnte wohl Tournouer's Grundgedanken kurz ausdrücken
durch eine Scheidung in alte Autochthonen, in Verdrängte und in
junge Autochthonen, welch' letztere aus sterilen und aus fertilen
Typen bestehen würden. Die normale Annäherung an die Gegen-
wart könnte sich dann vollziehen durch das zunehmende Erlöschen
der alten Autochthonen, durch die vorschreitende Verdrängung
der zweiten Gruppe, durch das Verschwinden der sterilen jungen
Typen, endlich durch die Vermehrung und das endliche Ueber-
gewicht der fertilen jungen Typen. Aber in solcher Weise voll-
zieht sich dieser grosse Vorgang nicht.
Zunächst handelt es sich nicht um die Verdrängung der zwei-
ten Gruppe allein; die ganze Meeresfauna wird vor dem Eintritte
der pontischen Zeit aus einem sehr grossen Theile des Meeres
verdrängt, das Meer selbst ausserordentlich eingeengt, die Binnen-
seeablagerungen breiten sich aus, und es handelt sich nun darum,
welche Typen aus der zurückgedrängten Gesammtheit bei dem
abermaligen Vordringen des Meeres die neuen Gestade zu er-
reichen und an denselben sich zu behaupten vermögen.
In der von Fontannes gelieferten Analyse der III. Mediterran-
fauna in der Rhonebucht zeigt sich nun das Zurückbleiben
der südlichen Formen deutlich genug. Es umfasst diese Fauna
315 Arten in 143 Gattungen. Von diesen 143 Gattungen finden
sich zwei in dem heutigen Mittelmeere nur in je i oder 2 kleinen
Arten in beträchtlichen Tiefen vor; 2 Gattungen sind erloschen;
16 weitere Gattungen sind dem heutigen Mittelmeere fremd und
leben, zum nicht geringen Theile in reicher Entfaltung, in den
wärmeren Meeren der Gegenwart. Sie vertreten daher in der
III. Stufe die Verwandtschaft mit den wärmeren Meeren des heu-
tigen Tages. Aber alle diese 16 Gattungen sind schon in dieser
Fauna mit einer einzigen Ausnahme nur durch eine sehr geringe
432 Analyse der IV. Fauna.
Artenzahl vertreten, gerade so wie im heutigen Mittelmeere der
einzige Conus mediterraneus die zahlreichen und grossen Conus-
arten der früheren Mediterranfaunen als ein vereinzelter Epigone
vertritt.'*'
Indem wir aber von der lU. zur IV. Fauna, dem Oberpliocän,
übergehen, begegnen wir einem ganz neuen und dem Mittelmeere
bisher fremd gebliebenen Elemente, nämlich einer Reihe von nor-
dischen Gästen. Zugleich treten die Vertreter wärmerer Meere
noch mehr zurück.
Die muschelreichen Ablagerungen des M. Pellegrino und
der Ficarazzi bei Palermo werden von einzelnen Autoren der
IV. Fauna zugezählt, von Anderen für etwas jünger gehalten. Hier
unterscheidet Monterosato 504 Arten von Meeresconchylien, und
unter diesen 41 1 Arten, welche noch heute im Mittelmeere leben,
27 Arten, welche nicht heute im Mittelmeere, wohl aber im atlan-
tischen und im nordatlantischen Ocean fortleben, und endlich
66 Arten, welche bis heute noch nicht im lebenden Zustande an-
getroffen worden sind. Unter den Arten der zweiten Gruppe finden
sich aber solche, wie Buccinum Groenlandicum, Bucc. undatum,
Trichotropis borealis, Panopaea Norvegica, Mya truncata, Cyprina
Islandica u. A., welche heute für die kalten nordischen Meere be-
zeichnend sind.'*^
Das Erscheinen dieser Arten steht ohne Zweifel in ursach-
lichem Zusammenhange mit jenen Spuren grosser Kälte, welche
an dem Schlüsse der Tertiärzeit über einen grossen Theil der Erd-
oberfläche und insbesondere auch über das ganze europäische
Festland hin bemerkbar sind. Die Verfolgung dieses Horizontes
innerhalb der mediterranen Meeresablagerungen ist jedoch mit
besonderen Schwierigkeiten verbunden und heute noch durchaus
nicht gelungen, obwohl schon im Jahre 1844 Philippi aus dem
südlichen Sicilien einige hochnordische Arten bekannt gemacht
hatte.
Vergleichen wir nun mit der eben erwähnten Fauna aus der
Nähe von Palermo P. Fischer's Analyse der Conchylienfauna von
Rhodos, welche gleichfalls der IV. Fauna, dem Oberpliocän, zu-
gerechnet wird. Von 312 Arten leben heute 246 noch im Mittel-
meere fort; 58 Arten sind erloschen und nur 8 Arten erscheinen
Analysen der Calabrischen Faunen. 433
als verdrängt. Von diesen letzteren leben heute 3 Arten an den
westafrikanischen Küsten oder den Cap Verden, i in West- und
Nordeuropa und 4 sind nordische Arten.*^*
In den Meeresablagerungen der Insel Kos, welche den levan-
tinischen Süsswasserbildungen auflagern, sieht Neumayr beträcht-
liche Aehnlichkeit mit jenen von Rhodos und beide werden für
gleich alt gehalten. Von 107 auf Kos gesammelten Arten finden
sich 80 auf Rhodos wieder, aber die nordischen Gäste wurden
wenigstens bisher auf Kos noch nicht angetroffen. '^^
Weit schwieriger ist die Deutung der Vorkommnisse des süd-
lichen Calabrien. Seguenza unterscheidet dort einen Piano Sici-
liano, welchem discordant ein Piano Saariano auflagern soll, wobei
die nordischen Arten von der unteren Stufe bis in den älteren
Theil der nächstfolgenden, des Piano Saariano, reichen sollen.
Das Saariano inf. oder die ältere Quaternärbildung erreicht
nach den Angaben dieses Beobachters oberhalb Reggio die See-
höhe von 830 M. und umfasst 497 Arten, unter diesen 300 Mol-
lusken. Von diesen sind 9 nordische und nur 6 — 7 erloschene
Arten.
Das Saariano sup. lehnt sich in geringerer Höhe, mit einer
Strandlinie, welche etwa zu 250 M. gereicht haben mag, an die
oben genannten Ablagerungen ; es sind 5 1 5 Arten bekannt, unter
diesen 310 Arten aus dem Saariano inf., doch fehlen die nordischen
Arten. Unter den 309 Conchylien dieser Abtheilung findet man
im Gegentheile neben der grossen Ueberzahl heutiger Mediterran-
typen 8 Arten, welche in wärmeren Wässern fortleben.
Fasst man alle Gruppen wirbelloser Thiere ins Auge, so findet
man 1 1 Arten aus wärmeren Meeren und von diesen leben heute
7 an der Westküste Afrika's und den canarischen oder Cap
Verde-Inseln, und 4 im Rothen Meere oder anderen wärmeren
Meeren. Es sind ferner 10 — 13 erloschene Conchylienarten in
diesem Saariano sup. vorhanden, unter welchen sich jedoch ein-
zelne aus der II. und III. Mediterranstufe wiedergekehrte Typen
befinden.
Hieraus wird gefolgert, dass zur Zeit des höchsten Standes
der Strandlinie die nordischen Arten noch im Mittelmeere verw^eil-
ten, und dass bei sinkender Strandlinie dieselben verschwanden.
Gemischter Charakter der heutigen Mittelmeerfaüna. 435
britischen Meere zeigt. Dies ist das celtische Element, welches,
zum nicht geringen Theile zur glacialen Zeit hier erschienen, heute
in den tieferen Regionen sich erhalten hat. In den höheren Zonen
lebt das lusitanische und typisch-mediterrane Element und mit
demselben trifft man da und dort einen Fremdling von besonders
hohem Alter, wie das westindische Tritonium nobile an der sici-
lischen Ostküste. '^° Endlich fehlen auch nicht ganz die nordischen
Reste, wie jener merkwürdige langschwänzige Krebs, Nephrops
Norvegicus, welcher mit einer kleinen Anzahl anderer nordischer
Arten nach Lorenz nur an den tiefsten Stellen des nördlichen und
mittleren Quarnero erscheint und sonst dem ganzen Mittelmeere
fehlt. An diesen Stellen ist er allerdings so häufig, dass er täglich
in Körben nach Venedig, Triest und Fiume auf den Markt ge-
bracht wird.'^'
Das allgemeine Ergebniss aus den bisherigen Untersuchungen
scheint mir zu sein, dass seit dem Beginne der HI. Stufe viele
locale Ereignisse im Mittelmeere eingetreten sind, von welchen
das grösste sogleich zu besprechen sein wird, dass viele Schwan-
kungen der Strandlinie seither eingetreten sind, dass aber das
Meer niemals mehr so grosse vorübergehende Einengung erlitt,
wie unmittelbar vor der HI. Stufe.
In diesem Meere mit schwankender Strandlinie ist nun zuerst
die in. Fauna erschienen, später erschienen die nordischen Gäste,
noch später, bei mildem Klima erschienen wieder einige wärmere
Elemente. Das Klima und auch der Stand der Strandlinie näherten
sich mehr und mehr dem heutigen Zustande und von jeder der
früheren Einwanderungen ist wenigstens irgend eine Spur in der
heutigen Fauna zurückgeblieben.
Es ist daher ausserordentlich schwer, bei dem heutigen Zu-
stande unserer Kenntnisse schärfere Grenzen innerhalb der ge-
raumen Serie von Ablagerungen zu ziehen, welche uns von dem
Beginne der III. Fauna trennt, obwohl manche grosse Verände-
rung innerhalb dieses grossen Zeitraumes leicht erkennbar ist.'^*
Für die hier zu verfolgende Richtung der Untersuchungen ist
nichtsdestoweniger das Erscheinen der nordischen Gäste von ganz
besonderer Bedeutung. Die tektonischen Veränderungen des
Mittelmeerbeckens sind bei all' ihrer Grossartigkeit doch nur als
436 I^ie letzten Einbrüche.
locale Vorfalle aufzufassen. Das Erscheinen der nordischen For-
men ist ein aus allgemeinen Ursachen hervorgegangenes, von
diesen localen Ereignissen ganz unabhängiges Phänomen, und
darum trotz aller Unsicherheit in den Einzelnheiten, welche der
heutige unvollständige Zustand der Beobachtung bedingt, ein
höchst werthvoUer Anhaltspunkt für die Chronologie der tektoni-
schen Vorgänge.
Die letzten Einbrüche. Es ist eine sehr auffallende That-
sache, dass die jüngeren, abgestuften Meeresablagerungen, welche
soeben besprochen wurden, gewissen Theilen des heutigen Mittel-
meeres gänzlich oder mit Ausnahme der niedrigsten und daher
jüngsten Stufen, und zwar unter solchen Nebenumständen fehlen,
welche die Jugend dieser Meerestheile zu erkennen gestatten.
Das grösste Beispiel der Hinzufügung eines neuen Meeres-
theiles in jüngster Zeit ist das ägäische Meer mit dem Pontus.
In Südrussland reicht, wie wir sahen, das tongrische Meer vom
Samlande her ostwärts über die ganze Niederung bis an die Ost-
seite des Ural. Dann folgt nach langer Unterbrechung die zweite
Mediterranstufe, welche wir von Galizien her bis Elisabethgrad
und bis gegen Kertsch verfolgen konnten, ohne jedoch, was nicht
zu übersehen ist, eine directe Verbindung mit dem heutigen Mittel-
meerbecken zu erkennen. Hierauf deckt die sarmatische Stufe
das ganze Gebiet weit gegen den Aral. Es folgt nun die pon-
tische Stufe mit dem Steppenkalke, die Zeit der grossen Ein-
engung des Mittelmeeres. Aber während im Westen, z. B. in
Italien, der pontischen Stufe die III. und IV. Mediterranstufe nach-
folgen, ist dies im Gebiete des Schwarzen Meeres nicht der Fall.
Dieses Gebiet bleibt im Gegentheile durch lange Zeit dem Mittel-
meere verschlossen.
Eigenthümlich gestalten sich die Dinge im ägäischon Gebiete.
Weder die I. noch die II. Mediterranstufe haben dasselbe bedeckt.
Die sarmatische und pontische Stufe erreichen vom Norden her
die Troas; die letztere erreicht auch die Chalkidike. Während der
m. Mediterranstufe liegt hier ein tiefer Süsswassersee, ein Theil
jener levantinischen See'nkette, welche aus Slavonion bis nach
Kleinasien reicht. Erst im Süden davon liegt das Mittelmeer.
Einbruch des ägäischen Festlandes. 437
Bis zu dieser Zeit war also hier das heutige Europa mit Asien
stets durch ein breites Stück festen Landes verbunden.
Die Vorgänge, welche nun folgen, hat uns Neumayr klar-
gelegt.'"
Zuerst bricht der südliche Theil dieses Festlandes ein und die
IV. Mediterranstufe tritt über Milos, Rhodos und den östlichen
Theil von Kos herein; sie legt dort Meeresablagerungen auf die
levantinischen Süsswasserbildungen. Dies ist wahrscheinlich die
Zeit der Bildung jener grossen Bruchzone, welche durch die cycla-
dische Vulcanenlinie von Nisyros, Santorin, Milos, Porös, Methana
und Aegina bezeichnet wird, und auf welcher die Erderschütte-
rungen und vulcanischen Ausbrüche bis zu dem heutigen Tage
andauern. Ihre Fortsetzung scheint im Golf von Korinth zu liegen
und nach den von Th. Fuchs auf dem Isthmus angetroffenen
Lagerungsverhältnissen besitzt sie dort die Merkmale einer grossen
Grabenverwerfung. '^*
Sehr spät endlich bricht das ägäische Festland ganz zur Tiefe;
mächtige abgebrochene levantinische Süsswasserablagerungen be-
zeichnen die neue Küste; das Mittelmeer dringt vor, weithin legt
sich dasselbe in das pontische Bett, im Asow'schen Meere noch
über den sonst ziemlich regelmässigen Umriss desselben hinaus-
spülend.
Eine neue Ordnung ist eingetreten; wo hohes Gebirge war,
ist nun tiefes Meer entstanden, an vielen Orten Tausende von
Füssen tief, und zwar erst in ganz junger, jedenfalls in postglacialer
Zeit. Vielleicht war sogar der Mensch bereits Zeuge dieser Er-
eignisse. In den Dardanellen und bei GalUpoli treten allerdings
Mediterranbildungen auf, aber sie reichen nicht mehr als 40 Fuss
über den heutigen Meeresspiegel, enthalten keine nordische und
nur eine erloschene, sonst durchwegs heutige mediterrane Con-
chylien, und bei Gallipoli wurde ein Feuersteinmesser gefunden,
welches aus diesen Bänken stammen soll."^'' Das Donauthal, welches
durch so lange Zeit ein Glied bildete in der grossen Kette süd-
russischer und innerasiatischer Niederungen, ist jetzt erst durch
einen Theil des Mittelmeeres von ihnen getrennt. Westlich vom
heutigen Pontus liegt offener Abfluss der Ströme und Leihen; öst-
lich von demselben fehlt der Abfluss und stockt das Leben.
I i
Der aralo-kaspische Doppelsee. 43 Q
SO class auch zur Zeit der grössten Ausdehnung ein Doppelsee
mit zwei wohlgetrennten Theilen vorhanden war. Die Trennung
wurde herbeigeführt durch die Tafel des Ust-Urt, welche im An-
schlüsse an die Mugodjarberge die kaspische von der aralischen
Niederung schied.
Um diese grosse mittlere Masse dehnte sich nun der aralo-
kaspische Doppelsee in solcher Weise aus, dass er im Norden
mit seiner westlichen Hälfte ein Stück der unteren Wolga und im
Westen die Niederung des Manytsch, letztere sogar bis an das
Asow'sche Meer bedeckte. Der weitere Umriss war durch die
kaukasischen Abhänge vorgezeichnet. Ferner zweigte an der
Bucht von Krasnowodsk ein Arm ab, welcher sich auf der west-
lichen Kara-Kum erweiterte und nordwärts durch den südlichen
Rand des Ust-Urt begrenzt war. Er umfasste gegen Nord den
ganzen Aral; da aber dieser See heute bekanntlich 48*5 M. über
dem schwarzen und 7 1 • i M. über dem kaspischen Meere liegt, zeigt
es sich, dass sein Wasserstand nach der Abtrennung ganz und gar
unabhängig geworden ist von jenem des Kaspi. Aber auch über
den heutigen Umriss hinaus kennt man die Spuren grösserer Aus-
dehnung, z. B. bei Mali-basch am Syr-Daria, und Helmersen aner-
kennt im Süden den Nachweis eines um etwa 20 M. höheren Standes.
Werfen wir nach diesen Erfahrungen über die Geschichte
der pontischen Region einen Blick auf den mexicanischen Golf
(s. Fig. 37). Flach gelagerte Tertiärschichten umlagern den Nor-
den des Golfes (/;); die Anlagerung von Meeresbildungen schreitet
an der atlantischen Küste ungestört fort (/,,), aber diese treten
nicht in den Golf ein; dort entsteht die Binnensee-Ablagerung der
Grand-Gulf-Series (j^^). Später allerdings tritt der atlantische
Ocean wieder in den Golf, und nun legt er die marinen Port-Hud-
son-Schichten gerade ebenso auf die Grand-Gulf-Series, wie in
jüngster Zeit das Mittelmeer seine Sedimente auf die Ablagerungen
des alten pontischen Binnensee's legt.
Wir kehren zum Mittelmeere zurück.
Ein gutes Beispiel des Einsinkens einer grösseren Fläche
bildet hier die Insel Malta, von welcher bereits gesagt worden
ist, dass sie aus Ablagerungen der I. Mediterranstufe, des Schlier
und der II. Stufe besteht.
Sucss, Das Antlitz der Erde. 29
Grabenversenk ung v
441
bilden nur Theile einer jjrossen Grabensenkung, welche den gan-
zen Raum zwischen dem Bruche von Fomm-er-Rih und einer
Verwerfung auf Gozzo einnimmt. Diese läuft von der Schlucht
Migiar-Scini gegen Nordost zum Räs-el-Kaia.
¥Än weiterer grosser Bruch, die Malak- Verwerfung, begleitet
den Südrand von Malta ; der Betrag der Senkung ist auch 350 Fuss;
er steigt durch das Hinzutreten eines zweiten, untergeordneten
nie Wände J.l K
luffrichtepptcB SchichtkSpfen
t i; 5 Dreccie nil Elrphanlenr
Bruches auf 550 Fuss; nicht allzuweit ausserhalb des Ufers ist das
Meer 5oo Faden tief.
So ist die Tafel zur Tiefe gegangen ; die Insel Comino und
die Strasse von Frioul liegen in dem Graben ; Malta und Gozzo
sind Fragmente von Horsten. Spratt, welcher sich so hervor-
ragende Verdienste um die Aufhellung der physischen Geschichte
des Mittelmeeres erworben hat, meinte sogar, die stürmische Ein-
füllung der Reste von Landthieren in die dem Bruche von Malak
Geringes Alter der letzten Einbrüche. 443
Fedjadj. Es ist dies sicher keine Meeresbildung; dennoch taucht
sie unter das Meer hinab und bildet im Angesichte von Sfax die
Inselgruppe Kerkena/^*
Ebenso besteht Formentera, im Gegensatze zu den übrigen
Balearen, aus einer jungen Landbildung/^^
Auf Kreta erscheinen in jungen Ablagerungen zahlreiche
Reste von Hippopotamus ; nicht nur auf Malta, sondern auch auf
Sicilien und in den Höhen und Spalten des Felsens von Gibraltar
liegen die Spuren grosser Landthiere. Man kann bemerken, dass
Hyaena spelaea, welche in England so häufig in Höhlen auftritt,
und auch den mitteleuropäischen Höhlen nicht fehlt, bei Mentone
in Begleitung von menschlichen Resten, auf Gibraltar mit afrika-
nischen Thierformen erscheint, und thatsächlich nicht mit der ge-
streiften Hyäne (H. striata) des heutigen Nordafrika überein-
stimmt, welche aus Asien gekommen zu sein scheint, sondern mit
der gefleckten Hyäne (H. crocuta) des Südens. Der Schakal lebt,
wie bereits gesagt worden ist, heute noch auf einzelnen Inseln
Dalmatiens. Das Stachelschwein, das Chamäleon und zahlreiche
andere Formen von Thieren und Pflanzen verbinden Spanien, Si-
cilien und Italien mit dem nördlichen Afrika.
Zu wiederholten Malen wurde die Ansicht ausgesprochen,
dass noch in jüngster Zeit eine Landverbindung quer über das
heutige Mittelmeer bestanden habe und dass grosse Theile des
Mittelmeeres überhaupt nicht bestanden hätten, '^^ Es ist aber
heute noch sehr schwer, den Zusammenhang der Dinge näher zu
erfassen. So viel nur ergibt sich mit Sicherheit, dass die Zertrüm-
merung des Festlandes stückweise und zu sehr verschiedenen
Zeiten vorgeschritten ist, und dass sehr grosse Einbrüche dieser
Art sich nach der glacialen Zeit ereignet haben.
Uebersicht. Die angeführten Erfahrungen lassen die nach-
folgende Reihe von Veränderungen in dem Zustande des Mittel-
meeres erkennen.
Die Ablagerungen der mittleren Kreide auf Jamaica und jene
der Oligocänzeit auf mehreren westindischen Inseln verrathen eine
auffallende Uebereinstimmung mit den gleichaltrigen Bildungen
des südlichen Europa. Diese Uebereinstimmung dauert in einem
Uebersicht. II. Stufe. 445
Karpathen bis in die Wallachei. Auf diesem ganzen Gebiete ist er
durch Gyps, Kochsalz und andere Producte der Dissociation aus-
gezeichnet. Hieher gehören auch die Salzlager Siebenbürgens.
Der Schlier ist auch in Ungarn bekannt; er begleitet den äusseren
Saum des Apennin und erscheint mit ähnlichen Merkmalen im
südlichen Kleinasien. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass die
ausgedehnten tertiären Gyps- und Steinsalzlager des Euphrat-
gebietes und Persiens derselben Zeit angehören.
An den Schluss dieses, durch die Abschliessung und Ver-
salzung grosser Meerestheile ausgezeichneten Zeitabschnittes fallen
einige der grössten tektonischen Veränderungen. Während der
marine Schlier an den Faltungen sowohl der Alpen als der Kar-
pathen und des Apennin und an dem Ausbaue des äusseren Ran-
des dieser Ketten theilnimmt, sieht man in Toscana wie in Oester-
reich, in Westungarn und in Steiermark grosse Einbrüche eintreten
und in diese legen sich zunächst blattführende, kohlenreiche
Schichten, welche dem Alter nach dem Schlier unmittelbar nach-
folgen. Um diese Zeit ist auch die alpine Niederung von Wien
eingebrochen, wurden die Alpen von den Karpathen getrennt,
wurde der östliche Abbruch der Alpen mit der Bucht von Gratz
gebildet, wurde der spätere östliche Abfluss der Donau vorbereitet
und ist der toscanische Theil der innerapenninischen Senkungen
gebildet oder wenigstens vorgezeichnet worden. Wahrscheinlich
fällt in diese Zeit auch ein guter Theil der innerkarpathischen Ein-
brüche. Im Westen scheint der Schlier nur durch Süsswasser-
ablagerungen vertreten zu sein.
Nun dringt neuerdings das Mittelmeer vor und es lagert sich
die. zweite Mediterranstufe ab. Der Ocean greift nicht nur in
die Bucht der Gironde, sondern auch nordwärts transgredirend
über dieselbe gegen Orleans hinaus, erreicht aber wahrscheinlich
auch dieses Mal nicht durch die Bucht der Gironde das Mittel-
meer. Die Verbindung am Guadalquivir ist wieder vorhanden.
Das Meer dringt in dem Rhonegebiet weit gegen Nord, erreicht
aber nicht mehr die Schweiz, und die zur Zeit der ersten Mediter-
ranstufe nach dieser Richtung vorhandene Verbindung mit dem
oberen Donaubecken fehlt. Dafür zeigen sich seine Spuren in den
innern Einbrüchen des Apennin und der Alpen, und sowie das
. ^>-WH T^ ,WT 2CU£
s die aJten GrenK^ üi>er:^cir^tet. so umgürtet
•zrit r:rr C:e KarpaiiHK!. sorsdem trin e> ai^cä weit über die
Äicbe PLÄTte- über das Gouverrerrerit Kbersc»:! and sogar bis
ri ci-r «[^reec d des he-Jtigen Asow'sche:^ Me^rres hiiL Es erreicht
a-ci der:: sü'üclien Theil Kleinasien's, aber es L?: nicht sicher, ob
Ablagerungen aus dieser Zeit auch in dem Innern des Landes, in
Armenien und Persien vorhanden sind-
Dagegen ist es der tiefere Theii der Ablageningen dieser
Soir'e, welcher über die Ivbische Wüste bis in die Oase Siuah vor-
drinii^t und bei Suez bis an das heute von einer iranz verschiedenen
Fauna bewohnte rothe Meer vordringt.
Der zweiten Mediterranstufe foli^en in: Westen weder Süss-
Wasserbildungen, während in Osteuropa eine neue und selbständige
Schichtgruppe, die sarmatische Stufe, auftritt.
Die sarmatische Stufe miLSs als eine marine Stufe angesehen
werden, obwohl sie an vielen Stellen brackische Einschwemmungen
enthält und obwohl ihrer F'auna ein eigenthümlicher Stempel der
Einförmigkeit aufgeprägt ist. Sie füllt die Niederungen des Donau-
gebietes von Niederösterreich bis zum schwarzen Meere, bedeckt
grosse Strecken vom südlichen Polen her durch Südrussland bis
an das kaspische Meer und bis an den Aralsee, und dringt in die
Dardanellen und in den nördlichen Theil des ägäischen Meeres.
Die ausgedehnten gypsführenden Eagen zu beiden Seiten des
Apennin, welchen auch die sicilischen Schwefelgruben angehören,
entsprechen vielleicht ihrem Alter nach der sarmatischen Stufe.
Nun tritt eine ganz wunderbar ausgedehnte Ablagerung
brackischer, durch mannigfaltige Cardien und durch Congerien
ausgezeichneter Sedimente ein; dies sind die pontischen Bil-
dungen. Sie erscheinen im Rhonethale, wo ihnen eine Zeit der
Erosion voranging ; sie zeigen sich zu beiden Seiten des Apen-
nin und sind bis Sicilien bekannt. In dem ganzen Gebiete der
Donauniederungen, von Niederösterreich abwärts, liegen sie auf
der sarmatischen Stufe; ebenso ist es im südlichen Russland.
Neuerdings breitet sich 'das Mittelmeer aus; die dritte Me-
diterranstufe dringt wieder im Rhonethale vor, den pontischen
Al)lag<;rungen aufruhend; sie erscheint an zahlreichen Stellen im
Umkreise; des heutigen Mittelmeeres und der Einbruch bei Genua
Uebersicht. Jüngste Bildungen. 447
scheint dieser Zeit anzugehören. Sie reicht aber im Osten nord-
wärts nicht über Kos hinaus, und an der Stelle des heutigen ägäi-
schen Meeres ist noch immer festes Land und ein oder mehrere
grosse und tiefe Süsswassersee'n. In das Innere Kleinasien's reicht
diese Stufe auch nicht.
Man erkennt an den heutigen Gestaden des Mittelmeeres
durch die verschiedenen Höhen, in welchen, oft in deutlich ge-
trennten Treppen, die späteren Absätze erfolgten, ein ausgebrei-
tetes Schwanken der Strandlinie. Nordische Gäste, Arten, welche
heute in Grönland leben, erscheinen in der Mittelmeerfauna ; der
grösste Theil verschwindet wieder, doch dürfte jene Reihe kelti-
scher Arten, welche heute die tieferen und kälteren Regionen des
Mittelmeeres bewohnt, um diese Zeit eingewandert sein.
Nach dieser Zeit treten neuerdings grosse Einbrüche ein.
Das ägäische Festland, welches durch alle vorhergehenden Ab-
schnitte von Kleinasien herübergereicht und das pontische Gebiet
abgetrennt hatte, geht nun zur Tiefe, ebenso das pontische Ge-
biet selbst bis an den Nordrand des westlichen Kaukasus, und
das Mittelmeer tritt in ein weites neues Gebiet ein, während im
kaspischen Becken die alten Zustände fortdauern. Die nördliche
Adria geht zur Tiefe und an vielen anderen Stellen ereignen sich
grössere und kleinere Absenkungen und Nachbrüche.
Neben diesen Nachbrüchen vollzieht sich aber noch ein an-
derer Proccss im Mittelmeere, nämlich eine allgemeine Verände-
rung der Strandlinie. Das ist kein localer, sondern, wie sich an
späterer Stelle zeigen wird, ein sehr ausgebreiteter Vorgang.
Die trockenliegenden Strandbildungen, welche an so vielen
Stellen in der Hr)he von einigen Füssen über dem heutigen Meeres-
spiegel zu sehen sind, haben ohne Zweifel dieselbe Entstehung
wie die weit höher ansteigenden Treppen von Meeresbildungen,
welche bis in die Zeit der nordischen Gäste und noch weiter zurück-
reichen. Der Gegensatz zwischen der Regelmässigkeit dieser
jungen Treppen und der Faltung und dem Bruche der Gebirgsketten
hat sich bereits vielen Beobachtern aufgedrängt. Die Gleich-
förmigkeit des ,Cordon litoral (luaternaire*, also der jüngsten ver-
lassenen Meeresbildung auf Cypern, hat Gaudry veranlasst, zwei
verschiedene Reihen von Erscheinungen im Mittelmeere anzu-
Künftige Einbrüche. 449
dafür, dass dieses ganze Gebiet zwischen Baku, Schemacha,
Nucha, Elisabetpol und Schuscha, also die ganze gegen das
kaspische Meer geöffnete Ebene sich ebenso verhake, wie die
calabrische und die nordadriatische Senkungsregion, d. i. dass
neue Senkung sich vorbereite.'^** Diesem Gebiete schliesst sich aber
im Westen die, so weit geschichtliche Ueberlieferungen reichen,
d. i. seit mehr als einem Jahrtausend, von den heftigsten Erschüt-
terungen heimgesuchte Region südlich vom Goktschai bis gegen
den Ararat hin an, und wir treffen in Armenien aufzahlreiche Nach-
richten von Erdbeben aus dem vulcanischen Hochplateau nördlich
von Kars, sowie aus der Gegend von Erzerum. Diese Stadt wurde
in demselben Monate Mai 1859, in welchem weit im Osten die
Stösse am unteren Laufe des Kur und des Araxes wanderten, plötz-
lich von einem Schlage getroffen, welcher den dritten Theil der
Häuser stürzte und Hunderte von Menschen tödtete. Von hier
aber zieht sich eine zweite seismische Zone über den Wan - See
gegen Mambedj, Aleppo und Antiocheia. Auch auf dieser Zone
traten schon im Alterthume verheerende Erderschütterungen auf,
und sie haben sich bis in die neuere Zeit wiederholt (S. 76).
Wird einmal an der Südseite des Kaukasus das Land am
unteren Kur zur Tiefe gehen, wie die östliche Fortsetzung dieser
Gebirgskette bereits zur Tiefe gegangen ist? Wird sich hier ein
neuer Busen des kaspischen Meeres bilden ? Oder sagen uns diese
wiederholten Erdstösse gar, dass dereinst das ganze östliche
Kleinasien zur Tiefe brechen wird, wie das ägäische Fesdand in
jüngster Zeit zur Tiefe gebrochen ist, und dass, sowie der Pontus
in jüngster Zeit dem Mittelmeere angefügt wurde, so nun auch
das kaspische Meer entweder von Antiocheia oder von der colchi-
schen Küste her demselben ebenfalls angefügt werden wird ?
Wir haben keine Antwort auf solche Fragen, aber wir sehen,
dass die alten Kräfte wirksam sind, und müssen vermuthen, dass
die Veränderungen, welche sie vorbereiten, jenen ähnlich sein
werden, welche bereits eingetreten sind.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittelmeer. 45 ^
bänke von S. Bartholomäus u. and. Orten als demselben Gliede angehörig; auch diese Auf-
fassung steht nicht in Widerspruch mit den europäischen Vorkommnissen.
8 Eug. A. Smith, On the Geol. of Florida; Amer. Joum. Science, i88i, 3. ser.,
XXI, p. 292— 3oq.
9 E. W. Hilgard, The later Tertiary of the Gulf of Mexico, ebendas. 1882, 3. ser.,
XXII, p. 58 — 65, pl. III; auch dess.: On the geol. history of the Gulf of Mexico; Proc.
Am. Assoc, XX. Meeting, Indianop., 8°, Cambridge, 187.2, p. 222 — 236 und im Anhange
zu Humphreys and Abbot, Report upon the Physics and Hydraulics of the Mississippi
Riv., 2. Aufl., 40, Washington, 1876, p. 636 — 646 u. F. V. Hopkins, Karte in Ann. Rep.
of the Louisiana State Univ., New-Orleans, 1871.
»o Ang. Heilprin, Notes on Ihe tert. Geol. of the Southern Un. States; Proc. Ac.
Nat. Sc. Philad., 1881, p. 151 — 159.
" Th. Bland, On the geogr. Distrib. of the Gen. and Spec. of Land Shells of the
W. Ind. Islands etc.; Ann. Lyc. nat. bist. New-York, 1862, VII, p. 335 — ^^^J femer:
Notes relat. to the Phys. Geogr. and Geol. of, and Distrib. of terr. Moll, in certain of the
W. Ind. Islands, und: On the Phys. Geogr. of, and Distrib. of terr. Moll, in the Bahama
Islands, ebendas. 1874, X, p. 3li — 324; für Säugthiere auch: M. F. de Castro, Pruebas
paleont. de que la Isla de Cuba ha estado unida al Continente Amer.; Bolet. Com. geol.
Esp., 1881, VIII, p. 357—372.
»2 AI. Agassiz, Origin of the West Ind. (Caribbean) Echinid. Fauna; in Reports
of the Results of Dredging etc.; Mem. Mus. Comp. ZooL Harvard Coli., i883, X, a,
P- 79-94.
'3 Ang. Heilprin, On the Relation, Ages and Classification of the Post-Eocene
Tertiary Deposits of the Atlantic Slope; Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia, 1882, p. 150 — 186.
»4 F. Rolle, Ueb. d. geolog. Stellung der Homer-Schichten; Sitzungsbcr. Akad.
Wiss. Wien, XXXVI, 1859, S. 81, auch Heilprin, Proc. Acad. Nat. Sc. Philad. 1880, p. 33.
»5 J. Geikic, On the Geol. of the Facroc Isl.; Trans. Roy. Soc. Edinb., 1880 — 1881,
XXX, ])1. XVI; A. II. Stokes, Notes upon the Coal found in Süderöc; Quart. Journ.
Geol. Soc, 1880, XXXVT, p. 620—626.
»6 Die zweite deutsche Nordpolfahrt, 1874, II; Toula, S. 477; Lenz, S. 486 u.
folg.; Heer, S. 512-517.
»7 Osw. Heer, Notes on foss. Plauts discov. in Grinell-Land by Capt. H. W.
Feilden; Quart. Joum. geol. Soc, 1878, XXXIV, p. 67; auch Etheridgc, ebendas. p. 569.
lÄ F. Toula, Zweite deutsche Nordpolf., S. 477.
»9 Th. Fuchs, Uebcr die während d. schwed. geol. Expedition n. Spitzbergen im
Jahre 1882 gesammelten Tert. Conchylicn; Bihang tili. K. Svensk. Vet. Ak. Handl., l883,
VIII, Nr. 15..
20 K. Mayer in G. Härtung, Geol. Beschreib, d. Inseln Madeira u. Porto Santo,
8", 1864, S. i83 u. folg., insb. S. 276, 277.
21 Judd, Quart. Journ. geol. Soc, 1878, XXXIV, p. 669.
22 Die letzte Beschreibung hat K. Pettersen geliefert: Lofoten og Vesteraalen;
Archiv f. Mathem. og Naturvidensk., Kristiani.i, 1881, 97 pp. u. geol. Karte.
23 Beyrich's Uebcrsichtskarte in den Abhandl. Akad. Wiss. Berlin, 1855, bildet
heute noch den Ausgangspunkt aller Untersuchungen über dieses Gebiet.
24 G. Vasseur, Rech. göol. sur les terrains tert. de la France Occid.; Ann. d.
Sciences geol., 1881, XIII, p. I— 432 u. Karten.
25 W. Pengelly, The Lignites and Clays of Bovey Tracey, Devonsh. ; Philos.
Transact. Roy. Soc, i863, vol. 152, p. 1019 — lo38, 3 pl., und: Osw. Heer, On the Foss.
Flora of Rovcy Tracey, ebendas. p. io39 — 1086, 17 pl. ; ferner: Ramsay, Phys. Geogr.
aud Geol. of Gr. Britaiu, 8«, 1878, p. 259, 354.
452 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittclraecr.
26 Aus der reichen Literatur über diesen Gegenstand nenne ich nur J. Prestwich,
On the Structure of the Crag-Beds of Norfolk and SufTolk, Quart. Journ. geol. Soc, 1871,
XXVII, p. 115 — 146, 325—356 u. 452—496, und E. Van den Broeck, Esquisse geol. et
pal^ont. des Depols plioc. des Environs d*Anvers, M6m. de hi Soc. Malacol. Belg., 1874,
IX, p. 83—371.
27 D. Joaq. Gonzalo y Tarin, Prov. de Huelva, Bolet. Comis. Mupa geol. Esp.,
1878. V, p. 75, 81, 87.
2** M'Pherson, Prov. de Sevilla, ebendas. 1879, VI, p. 252.
29 L. Mallada, ebendas. 1880, VII, p. 48.
30 de Verneuil et CoUomb, Coup d*aMl sur la Constit. geol. de plus, provinces
de TEspagne, Bull. soc. geol., 1853, 2« ser., X, p. 78, 79 und dicselb. : ("icol. du Sud-Est de
TEspagne, ebendas. 1856, 2« s6r., XIII, p. 716 u. folg. Schon im Jahre 1849 hob
d*Archiac hervor, dass das castilische l'lateau mit 682 M. mittlerer Höhe und das Plateau
der Auvergne mit nur 339 M. mittlerer Höhe in gleicher Weise von dem Meere frei ge-
blieben seien, welches sie umgab; Hist. des Progres de la Geol. TI, b, p. 841.
3» Rieh. V. Dräsche, Geol. Skizze des Ilochgeb. der Sierra Nevad.i, Jahrb. geol.
Reichsanst., 1879, XXIX, S. Il3, 115; auch Silvertop, Procecd. geol. Soc, i834, p. 216;
Ansted, Quart. Journ. XV, p. 585.
32 Gonzalo y Tarin, Prov. de Granada, Bolet. Comis. Mapa geol. Esp., 1881,
VIII, p. 78 u. folg.
33 Ebendas. p. 83, femer Is. Gomban u. A. M. Alcibar, Prov. de Tarragona,
ebendas. 1877, IV, p. 237.
34 Tournoucr, Note stratigr. et paleontol. sur Ics faluns du dep. <le la Gironde,
Bull. soc. gdol., 1862, 2« s6r., XIX, p. io38.
35 Th. Fuchs, Der ,Falun von Salles* und die sogenannte jüngere Mediterranstufe'
des Wiener Beckens; Verhandl. geol. Reichsan.st., 1874, S. 105 — 111. Wenn sich auch
herausstellen sollte, dass die Faluns von Bazas-Merignac den Schichten von Molt entsprechen,
würde doch ein bezeichnendes Glied der ersten Stufe bei Wien, nämlich die Schichten von
Loibersdorf mit Card. Kübecki, an der Gironde fehlen.
36 Linder, Des D<^püts lacustres du Vallon de Saucats; Actes <le la Soc. linn. de
Bordeaux, 1872, XXVII, p. 451 — 525; auch früher R. Tournouer, Sur Tage geol. des
Mollasses de TAgenais; Bull. soc. g6ol., 1869, 2« s6r., XXVI, p. 983— 1023.
37 Vict. Raulin, Aper9U sur TOrogr., la G60I. et la Hydrograph, de la France;
in: Dechambre, Dict encycl. des Sciences MMic, 8°, Paris, 1879, p. 349 u. a. and. Orten.
3* J. Delbos, Essai d*une Descript g^ol. du Bassin de TAdour, 4*», Bordeaux,
1854 u. a. and. Orten; für das Alter von Saubrigues auch Benoist, I/Etage Tortonien
dans la Gironde, Actes soc. linn., Bordeaux, 1878, XXXII, p. LXXXV — XC.
39 R. Tournouer, Sur les d^p6t$ d'eau douce du bassin de la Garonne, corresp.
au calc. de Beauce et aux sables de TOrl^annais, Bull. soc. geol., 1867, 2^ ser., XXIV,
insb. p. 486, und ders.: Sur les lambeaux du terr. tert. des environs de Rennes et de Dinan,
ebendas. 1868, 2« s^r., XXV, p. 386 u. folg.
40 F. Fontannes, ]^tudes statigr. et pal^ont. pour servir a Thist. de la Periode
tert. dans le Ba.ssin du Rhone, 7 Theile, Lyon et Paris, 1875 — 1881.
4» Fontannes, VI, Bassin de Crest, Fig. i3, p. 47.
42 C. Fischer et R. Tournoucr, Invert^br^s foss. du Mont L^beron (aus: Gaudry,
Fischer et Tournouer, Anim. foss. du M. L^beron), 40, Paris, 1873, p. 152; Fon-
tannes, l^tudes, IV, p. 59 und insb. Fuchs, BoUet. comit. geol., 1879, p. 17- 19.
43 Hiebci bemerke ich jedoch ausdrücklich, dass die von Fontannes insb. IV, p. 61,
62 ausgesprochene Ansicht, dass die Knochenlager von Cucuron älter seien als die Lagen
mit Nassa semistriata (dritte Stufe), mir vollkommen richtig erscheint und ganz mit den mir
sonst bekannten Vorkommni.ssen dieser Art übereinstimmt.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittclmecr. 453
44 Fontannes, Note sur TExtcnsion et la Faune de la Mer plioccne dans Ic Sud-
Est de la France; Bull. soc. giol, 1862, 3«? sir., XI, p. io3 — 141.
45 Fontannes, ttudes, VI, Bassin de Crest, pl. A. B, C.
46 A. Jaccard, Dcscr. g^ol. du Jura Vaudois (Matir. p. 1. Carte g6ol. de la Suisse,
VI, 1869), p. 106 u. folg.
47 J. B. Greppin, Le Jura Bcrnois (Mat6r. VIII, 1870), p. 176.
48 B. Studer, Geol. d. Schweiz, II, S. 434.
49 E. Renevicr, Mcm. g6ol. sur la Porte du Rhone; Denkschr. Schweiz. Naturf.
Ges., 1855.
50 Gümbel, Gcognost. Beschr. d. Königr. Baiern, I, S. 756 u. folg.
51 J. Schill, Die Tcrt. u. Quart. Bildungen des Landes am nördl. Bodensee u. im
Höhgau; 8«, Sluttg., 1858, S. 33, 102 u. a. and. Orten.
52 Gümbel, Geogn. Beschr. d. Königr. Baiern, II, S. 784.
53 F. Posepny, Oligocäne Schichten bei Pielach nächst Melk; Jahrb. geol. Reichs-
anst, XIV, 1865; Verhandl. S. 165. Ich habe hier auch Fragmente von Cyrena angetroffen.
54 Untersuch, über d. Charakter der österr. Tertiärablagcrungen, Sitzungsber. Akad.
Wien, 1866, LIV, i. Abth., S. 87 — 152.
55 Hierüber z. B.: R. Lepsius, Das Mainzer Becken, 40, i883, S. Ii3 u. a. and. Orten.
56 Osk. Lenz, Bcitr. z. Kcnntniss der Tertiiirbil düngen in Nord- und Westafrika;
Verhandl. geol, Reichsanst, i883, S. 229.
57 P. de Tchihatcheff, Asie Mineure, IV«* partie, Geologie, III, 8", 1869, p. 15
— 20; auch Bull. soc. g^ol., 1854, XI, p. 393.
58 T. A. B. Spratt and Edw. Forbes, Travels in Lycia, Milyas and the Ciby-
ratis, 8", 1847, 1^» P* '69—175; vgl. unten, Note 89 über einzelne der genannten Punkte.
59 Tchihatcheff, Asie Mincure, IV, 3, p. 27—60.
60 J. Russcggcr, Reise in (Tricchcnland, Unter-Egypten, im nördl. Syrien und
südöstl. Kleinasien, II, 8«, 1843, S. 607, 628 u. a. and. Orten; dess.: Geogno.st. Karte des
Taurus, Fol., Wien, 1842.
6« Tchihatcheff, a. ang. Orte, p. 95, 97, loi, iio.
62 F. v. Hauer in Haidinger's Berichte über Mittheil. d. Freunde d. Naturwiss.,
Wien, 1848, IV, S. 3 II, 3 12.
6j H. Abich, Ueber d. Steinsalz u. seine geol. Stellung im russ. Armenien; Möm.
Acad. Pdtcrsb., 1857, 6« ser, VII, p. 61- 150, 10 Taf. u. insb. Geol. Forschungen in d.
Kaukas. Ländern, II; Geol. d. Armen. Hochlandes, 40, 1882, S. 210 — 327.
64 Th. Fuchs, Ueber die von Dr. E. Tietze aus Persien mitgebrachten Tert. Verst.;
Denk.schr. Akad. Wien, 1879, XLI, S. 99— 108, 6 Taf., und Sitzungsber., 1880, LXXXI,
S. 97—100 u. Taf.
65 E. Tietze, Bemerk, über d. Tektonik des Albursgebirges, Jahrb. geol. Reichsanst.,
1877, XXVn, S. 414.
66 C. Ehrlich, Geognost. Wanderungen im Gebiete der n. ö. Alpen, 8*>, Linz, 1852,
S. 72; eine erste Liste der Foraminiferen von Reuss ist beigefügt.
67 M. Hörne s, Verzeichniss der in Ottnang vorkommend. Versteinerungen, Jahrb.
geol. Reichsanst., 1853, IV, S. 190; auch Reuss, Foraminif. von Ottnang, ebendas. 1864,
XIV, Verhandl. S. 20; diese Thiergruppe wurde später auch bearbeitet von F. Karrer,
Ueber d. Foraminif. des Schlier in Niederösterr. u. Mähren, Sitzungsber. Akad. Wien, 1867,
LV, S. 331—349.
68 Untersuch, über den Charakter der österr. Tertiärablag., eb. das. 1866, LIV,
S. 127.
69 Th. Fuchs, Geol. Studien in d. Tert. Bildungen Süditaliens, eb. das. 1872,
LXVI, I. Abth., S. 48; de*is.: Die Gliederung der Tert. Ablag, am Nordabhange der
4 54 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittelmeer.
Apenninen von Ancona bis Bologna, eb. das. 1875, LXXT, i. Abth., S. 164. Ebenso
A. Manzoni, Lo Schlier di Ottnang nell' Alta Austria e lo Schlier delle Collinc di Boh>gna;
BoUet. Com. Geol., 1876, p. 122 — 1 32 u. a. vielen anderen Orten.
70 Th. Fuchs, Das Alter der Tertiärschichten v. Malta; Sitzungsbcr. Akad. Wien,
1874, LXX, I. Abth., S. 92 — 102, und: Ueber den sog. ,Badner Tegel* auf Malta, ebcndas.
1876, LXXUI, I. Abth., S. 67—73.
7» Kud. Hoernes, Die Fauna des Schliers von üttnang; Jahrb. geol. Kcichsanst.
1875, XXV, S. 333—400, Taf. X-XV.
72 A. Manzoni, Gli Echinodermi foss. dello Schlier dclle Collinc di Bologna,
Dcnkschr. Akad. Wien, 1878, XXXIX, S. 149— 164, 4 Taf. und: Echiuod. foss. della
Molassa Serpentinosa; eb. das. 1880, XLII, S. 185 — 190, 3 Taf.
73 Ich betone hier die Selbständigkeit desselben. Man hat den Schlier zuweilen als
die Tiefseebildung der I. Stufe angesehen, wofür mir keine entscheidenden Gründe bekannt
sind; in neuester Zeit hat man wegen des Vorkommens einer grösseren Anzahl von Arten
aus der 11. Stufe denselben dieser zugerechnet. Sowie aber die heute lebende Fauna des
Mittelmceres Elemente von verschiedener Herkunft umfasst, gilt dies auch von jeder frü-
heren Fauna und das ausschliessliche Studium von Artverzeichnissen mag leicht in Irrthum
führen. Die Gesammtheit der physischen Merkmale ist zu erfassen, und wo es gelingt,
über einen grösseren Raum an gleichen Merkmalen eine Bildung zu verfolgen, wird sie
selbst zum Merkmale einer selbständigen Episode der Vergangenheit und ist sie als solches
zu verzeichnen.
74 A. Rzehak, Ueb. d. Gliederung u. Verbreit. d. alt. Medit. Stufe bei Gr.-Seelo-
witz; Vcrh. geol. Reich.sanst., 1880, S. 3oo — 3o3.
75 Mich. Kclb, Die Soolequellen von Galizien; Jahrb. geol. Reichsanst. 1876,
XXVI, S. 135, 169, Taf. XIV.
/6 Stan. Kontkiewicz, Kurzer Bericht üb. die von ihm ausgef. geol. Untersuch,
im südwcstl. Theile v. Königr. Polen; Vcrh. geol. Reichsanst. 188 1, S. 66—69. ^^^^
Gyps erscheint unmittelbar über der Peclenschicht in einer Lage, welche aus riesigen, bis
2 Met. hohen Gypskrystallen gebildet ist, welche vertical nebeneinander stehen. — Zu
meinem lebhaften Bedauern ist mir der II. Theil von J. Niedzwied/ki's vortrefl'l icher
Monographie von Wieliczka erst während des Druckes zugekommen; die Ergebnisse seiner
eingehenden Forschungen stimmen in allen wesentlichen Punkten mit dem hier (lesagten
überein; J. Niedzwiedzki, Beitr. z. Kenntniss d. Salzformation von Wieliczka u. Bochnia;
2 Theile, 8", Lemberg, 1883/4.
77 M. Lomnicki, Einiges üb. d. Gypsformation in Ostgalizicn; Verh. geol. Reichs-
anst. 1880, S. 272—275; die Fauna bei Hilber, Geol. Studien in d. ostguliz. Miocängeb.;
Jahrb. eb. das. 1882, XXXII, S. 292—297.
7® V. Gr. Cobalcescu, Ueb. einige Tertiärbild, in der Moldau; Vcrh. geol. Reichs-
anst. i883, S. 152—157.
79 C. D. Pilide, Ueb. d. Neogene Becken N. v. Ploesci; Jahrb. geol. Reichsanst.
1877, XXVIT, S. l32, 140; Paul, Verh. eb. das. 1881, S. 93— 95 ; Ucber die Faltung dieser
Ablagerungen Cobalcescu eb. das. 1882, S. 23o.
80 Das Vorkommen von Schlier in der kleinen Tertiär- Seh olle von Buhna oberhalb
des Eisernen Thores der Donau .scheint mir noch nicht vollständig sichergestellt; vgl.
Stephanesco, Note s. l. bass» tert. de Bahna; Bull. soc. geol. 1877, 3. scr., V, p. 387—393,
pl. V, u. Tournouer's Bemerkungen hiezu.
81 Es sind innerhalb des Bruchrandes von Wien einige sehr untergeordnete und
unsichere Aufschlüs.se bei Gross- Russbach vorhanden; ebenso verweise ich auf Th. Fuchs,
Jahrb. geol. Reichsanst. 1868, XXVIII, S. 283, Note; für die Ausbreitung im Süden: R. Hoer-
nes, Ein Beitr. z. Kenntniss d. mioc. Meeresablag. der Steiermark; Mittheil, naturw. Ver.
Steierm. 1882, S. 19. In Südsteiermark u. Krain wird der Schlier wohl auch als , Mergel
von Tüffer* bezeichnet; nach Bittner*s Beobachtungen nähert sich derselbe an einzelnen
Stellen sehr den galizischen , Schichten von Baranow' Hilber's. Diese Bestätigung der
Anmerkungen zu Th. 11, Abschn. IV. Das Mittelmccr. 455
hier vertretenen Ansichten ist um so erfreulicher, als sie von einem Beobachter herrührt,
welcher diese Ansichten nicht thcilt; A. Bittner, Die Tcrt. Ablag, von Trifail u. Sagor;
Jahrb. geol. Reichsanst. 1884, S. 457, 491, 548, 588 u. an and. Ort.
82 Th. Fuchs, Neu. Jahrb. f. Min. 1881, Referate, S. 99. Koch u. Kürthy haben
gezeigt, dass im NW. Siebenbürgen die grossen Dislocationen wie in den O. Alpen zwischen
die I. u. n. Mediterranstufe fallen, so dass die letzteren dem Sande von Korod der 1. Stufe
discordant anlagern; Petrogr. u. tekton. Verhältnisse der trachyt. Gesteine des Vlegyasza-
Stockes; Siebcnb. Mus. Verein, Klausenburg, 1878, S. 385.
*3 Eine Uebersicht dieser reichen Vorkommnisse bei F. v. Hauer u. G. Stäche,
Geol. Siebenbürgens, 8°, i863, S. 102 — lio, u. F. Posepny, Studien aus d. Salinengebietc
Siebenb.; Jahrb. geol. Reichsanst. 1867, XVII, S. 475— -516 u. 1871, XXI, S. 123 — 188 q.
Taf.; F. Herbich, Das Sz6klerland, 8«, Budapest, 1878, S. 261— 266.
*4 Hauer u. Stäche, eb. das. S. 290; Posepny, eb. das. 1871, S. 147. Die älteren
Ansichten Coquand's über das Alter der Salzlagerstätten meinte ich übergehen zu dürfen.
85 Ch. Mayer, Sur la carte g^ol. de la Ligurie centrale; Bull. soc. g6ol. 1877, 3. sdr.,
V, p. 288; Th. Fuchs, Studien üb. d. Gliederung d. jung. Tertiärbildungen Ob. Italiens;
Sitzungsb. Akad. Wien, 1878, LXXXVII, i. Abth., S. 419—480.
86 Bei Camerino liegt mit Aturia Aturi auch Brissopsis Ottnangensis im Schlier;
Loriol, Descr. des Echin. des env. de Camerino (Toscane) prcc. d'une not. stratigr. par
M. Canavari; M^m. soc. phys. hist. nat. Geneve 1882, t. XX VIII. Bei Stilo in Calabrien
hat Seguenza Aturia Aturi im »Langhiano' getroffen.
87 Ipp. Cafici, La Form. Mioc, nel territ. di Licodia-Eubea; Ac. d. Lyncei, l883,
ser. 3, vol. XIV.
88 Tournouer, Notes paUont. sur quelques-uns des terr. tert. etc.; Bull. soc. g^ol.
1877, 3. s6t. V, p. 844.
89 Hr. Th. Fuchs schreibt ferner: Einige Zeit nach Dr. Luschan besuchte
Dr. Tietze dieselbe Gegend und hatte die Güte, mir die mitgebrachten Stücke zum
Stadium zu überlassen. Nach seinen Mittheilungen treten schlierähnliche Bildungen an
zahlreichen Punkten Lyciens als Ausfüllungen schmaler Thälcr auf; sie bestehen aus einem
Wechsel von Mergel, Sandstein und Conglomerat. liegen auf Nummuütenkalk und haben
an den letzten Bewegungen des Gebirges theilgenommen; ihr Aussehen erinnert zuweilen
an Flysch. Die von Tietze mitgetheilten Vorkommnisse sind übrigens mehr sandig als
jene von Luschan, die Aturien fehlen und die Fauna erinnert mehr an den Horizont
von Grund. Nur einige lichtgraue Mergelstücke mit zahlreichen Pteropoden, mit Corbula
und Limopsis nähern sich dem Typus des Schlier. — Die von Luschan bei Seret in Lycien
(wahrscheinlich Saaret bei Forbes) gesammelten Fossilien entsprechen nach Fuchs den
Ablagerungen von Grund oder Lapugy (II. Stufe).
90 Loftus, On the Geol. of Portion of the Turko-Persian Frontier and Districts
adjoining; Quart. Journ. geol. Soc. 1855, XI, p. 247 u. folg.; W. T. Blanford, Eastern
Persia, An Account of the Journeys of the Persian Boundary Commiss. 1870 — 72; 8°, Lond.
1876, II, p. 461 — 462; die jüngeren marinen Tertiär-Bildungen der Makran-Küste liegen
übergreifend auf der aufgerichteten Salzformation.
91 H. Ab ich, Das Steinsalz und seine geol. Stellung im russ. Armenien; M^m.
Ac. Sc. Petersb. 1857, 6. s6r., VII, p. 61 — 150; 10 pl.
92 E. Tietze, Verh. geol. Reichsanst. 1875, S. 3o, auch: Die Mineral-Rcichthümer
Persien^s; Jahrb. eb. das. 1879, XXIX, S. 572, 573 u. an and. Ort.
93 A. Rzehak, Beitr. z. Kenntn. der Tertiärform, im ausseralp. Wiener Becken;
Verh. naturf. Verein in Brunn, i883, XXI; F. Sa ndb erger. Die Kirchberger Schichten
in Oesterr.; Verh. geol. Reichsaust., i883, S. 208 — 210. Rzehak hat in dem Oncophora-Sandc
Geschiebe von Schlier mit Aturien gefunden. Bei Schaffhausen wird derselbe von echter
Juranagelfluh überlagert; F. Schalch, Ueb. einige Tertiärbildungen d. Umgeb. v. .Schaff-
hausen; Neu. Jahrb. f. Min., 1881, IT, S. 42—76, Taf. IV.
Suess, Das Antlitz der Krdo. 3q
456 Anmerkungen zu Th. IT, Abschn. IV. Das Mittelmeer.
94 Pyrazus bidentatus nach Tournoucr, Sur le Cerith. bidentatum Grat, et sur le
Cerith. lignitarum Eichw. ; Crosse, Journ. de Conchyl. Janv. 1874, p. I — 8.
95 F. Foetterle, Die geolog. Verhältnisse der Gegend zwisch. Nikopoli, Plewna u.
Jablanitza in Bulgar.; Verh. geol. Reichsanst. 1869, S. 191 u. folg.
96 Insb. Th. Fuchs u. F. Karrer, Ueb. das Verhältniss des marinen Tegels zum
Lcithakalke; Jahrb. geol. Reichsanst. 1871, XXI, S. 67 — 122.
97 A. E. Reuss, Die marin. Tertiärschichten Böhmen*s; Sitzungsber. Ak. Wien, 1860,
XXXIX, S. 207—285, 8 Taf.
98 J. Wolf, Verh. geol. Reichsanst. 1862, S. 52; Weihon bei Seelowitz 185*05
W. Klaft., Urbaniberg b. Austerlitz 18772 Klaft, Kopaninberg b. Wischau 185*0 Klaft.
99 Am Hranitzki Kopec; Wolf, Verh. geol. Reichsanst. i863, S. 20.
»«> Abich, Beitr. zur Paläont. des asiat. Russlands (aus d. M^m. Ac. Petersb.)
1858, u. an and. Ort.; auch Koenen vermuthet nach diesen Angaben das Auftreten des
Nummulitengebirges am Aralsee unter den oligocänen Ablagerungen; Bull. soc. imp. Nat.
Moscou, 1868, XLI, a, p. 171.
»o' H. Trautschold, Traces de TEtage tongrien pr^s de Kamyschloff; Bull, de
la Soc. Ouralienne, Ekaterinoslaw, 1882, VII, p. 21 — 23, u. insb. A. P. Karpinsky,
Sediments tert. du versant oriental de l'Oural; cb. das. VII, p. 60—72.
»o2 N. Barbot de Marny, Geol. Beschreibung des Gouv. Kherson, 8«, S. Petersb.
1869, S. 150 (in russ. Sprache).
»03 H. Abich, Einl. Grundzüge d. Geol. d. Halbinseln Kertsch u. Taman; Mcm.
Ac. Petersb. 1865, 7. ser. IX, S. 9 u. folg.; Nie. Andrussow, Beobachtungen üb.
geol. Untersuch, in d. Umgebung d. Stadt Kertsch (in russ. Sprache); Neuruss. naturf.
Gesellsch. l883, XI u. Verh. geol. Reichsanst. 1884, S. 190 — 194; Hr. Abich hat die Güte
gehabt, mir die an noch östlicheren Punkten gesammelten Stücke mitzutheilcn, und, nach-
dem der Vergleich nicht zu einem entscheidenden Urtheile berechtigte, neue Aufsammlungen
einzuleiten, deren Erfolg abzuwarten ist. — Alle bei Tschokrok gesammelten Conchyl icn
der n. Stufe sind sehr klein.
*o4 K. A. 2^ittel, Beitr. z. Geol. u. Paläont. der libyschen Wüste u. der angrenzend.
Gebiete v. Aegypten; 40 Cassel i883, S. CXXVIII— CXXXII. Das Vorkommen in der
Cyrenaica ist besonders durch seitherige Funde Schweinfurth's bei Tobruk sichergestellt
worden; eb. das., S. CXXXI, Note.
105 E. Beyrich, Ueb. geogn. Beobachtungen G. Schweinfurth's in d. Wüste zwischen
Cairo und Sues; Sitzungsb. Akad. Berlin 1882, X, S. l63— 182, T. IV, V.
106 xh. Fuchs, Die geol. BeschafTenheit der Landenge von Suez; Denkschr. Akad.
Wien 1877, XXXVIII, S. 25 — 42 u. Beitr. z. Kenntniss d. Miocänfauna Aegyt. u. d. libyschen
Wüste; in ZitteTs Beiträgen, S. 21—66.
»07 Untersuch, üb. d. Charakter d. österr. Tertiärablagerungen; Sit/ungsb. Akad. Wien,
1866, LIV, I. Abth., S. 87—152.
»08 Fr. Schmidt, Briefe an F. v. Richthofen, Zeitsch. deutsch, geol. Ges. 1877,
XXIX, S. 83o u. 837.
'«>9 Th. Fuchs, Ueb. d. Natur d. sarmatischen Stufe u. deren Analoga in d. Jetzt/.cit
u. in früheren geol. Epochen; Sitzungsb. Akad. Wien, 1877, LXXV, S. 321 —339.
»«oR. Hoernes, Sarmat. Ablagerungen in d. Umgebung von Gratz; Mitth. naturw.
Ver. f. Steierm. 1878, S. 4 u. folg.
'" A. Bittner, Ueb. d. Charakter d. sarmat. Fauna d. Wiener Beckens; Jahrb. geol.
Reichsanst. i883, XXXIH, S. 1 31 — 150.
»" Manche dieser Arten sind wohl zuweilen aus anderen Gebieten, wie z. B. aus
der I. Stufe (»Schweizer Molasse) angeführt worden, doch haben die Citate in einer ^t^eDge-
ren Prüfung der Vorkommnisse selbst keine Bestätigung gefunden.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittelmeer. 457
"J Z. B. J. Sinzow in d. Schriften d. neuruss. naturf. Gesellsch. in Odessa, 1875,
III u. 1877, V; Barbot in Geol. d. Gouv. Kherson, S. 151 u. folg.; auch Hoernes,
Fauna d. sarmat. Ablagen v. Kischineff in Bessarab.; Jahrb. geol. Reichsanst. 1874, XXIV,
S. 33 — 45, Taf. II, III; A. E. Reuss, Tert. Bryozoen v. Kischinew; Sitzungsb. Akad.
Wien 1869, LX, i. Abth. S. 505-512; F. Karrer u. J. Sinzow: Ueb. d. Auf-
treten des Foraminif. Genus Nubecularia im sarmat. Sande v. Kischinew; eb. das. 1876,
LXXIV, I. Abth. S. 272-284 u. Taf.
"4 K. Peters, Phoca ponfica Eichw. bei Wien; Sitzungsb. Akad. Wien, 1867, LV,
2. Abth., S. HO — Ii3; J. F. Brandt, Untersuch, üb. die foss. u. subfoss. Cetaceen
Europa's; M6m. Ac. P^tersb, 1873, 7. s6r. XX, und Ergänzungen, ebcndas. 1874, 7. s6r.
XXI; P. J. van Beneden, Les Pachyacanthus du Mus^e de Vienne; Bull. Acad. Belg.
1875, 2. s6r. XL.
'»5 An dem reichsten Fundorte bei Wien, in Nussdorf, zeigt sich der sonderbare
Umstand, dass zwei Thiere, ein Säugthier und ein Fisch, durch Hyperostose, d. i. durch
eine ganz absonderliche Anschwellung der Knochen ausgezeichnet sind. Der Sirenide,
auf welchen Brandt die Gattung Pachyacanthus gründete, zeigt dieses Merkmal in so
hohem Grade, dass der Rückenmarks-Canal an einem guten Theile der Wirbelsäule auf
einen engen Spalt zusammengedrängt wird; in geringerem Maasse ist diese Erscheinung
auch an lebenden Sireniden, wie van Beneden meint, vorherrschend an -alten Individuen, zu
beobachten. Bei dem Fische, Caranx carangopsis, sind die Wirbelkörper so vollständig
überwuchert, dass nur an den concaven Endflächen der Wirbel überhaupt als solcher er-
kennbar ist, und die Rippen sind mit grossen blasenartigen Auf^reibungen bedeckt (F.
Steindachner, Beitr. z. Kenntn. d. foss. Fischfauna Oesterreich's; Sitzungsb. Akad. Wien
1859, XXXVII, S. 685—694, Taf. V— VII). Dieser Fisch ist dem Caranx carangus der
Antillen und Brasilicn's verwandt, welcher ähnliche Auftreibungen einzelner Skelettheile
häufig zeigt. Hr. Steindachner erklärt mir jedoch, dass trotz des Zusammentreffens dieser
Erscheinung in so allgemeinem und ausserordentlichem Grade bei den Individuen zweier
ganz verschiedener Thiere hieraus ein Schluss auf eine abnorme Zusammensetzung des Meer-
wassers nicht gestattet sei, indem solche Verdickungen bei Sparoiden, Sciaenoiden, Carangiden,
Taenoiden u. A. nicht selten seien, namentlich bei grösseren Individuen, und zwar in nor-
malem Wasser. Sie ist in verschiedenen anderen Gruppen von Wirbelthieren, und auch bei
menschlichen Individuen bekannt. Die Vorkommnisse von Nussdorf hat auch P. Gervais
beschrieben; De l'Hyperostose chez l'homme et chez les animaux; Joum. de Zool. 1875,
IV, p. 282, 455.
"6 V. Hilber, Geol. Studien in den ostgaliz. Miocän-Gebieten ; Jahrb. geol. Reichs-
anst. 1882, XXXII, S. 309 u. folg.
"7 V. Hilber, Ueb. d. Miocän, insb. üb. d. Auftreten sarmatischer Schichten bei
Stein in Krain; eb. das. 1881, XXXI, S. 473—478.
ii8 F. Toula, Die sarmat. Ablag, zwischen Donau u. Timok; Sitzungsb. Akad. Wien,
1877, LXXV, I. Abth., S. Ii3— 144 u. Taf.; dess.: Grundlinien d. Geol. d. westl. Balkan;
Denkschr. eb. das. 1881, XLIV, S. 39.
»«9 F. V. llochstetter, Die geol. Verhältnisse d. östl. Theiles der europ. Türkei;
Jahrb. geol. Reichsanst. 1870, XX, S. 401.
»20 K. Peters, Grundlin. z. Geogr. u. Geol. der Dobrudscha; II; Denkschr. Akad.
Wien, 1867, XXVir, S. 51—52.
>2i R. Hoernes, Ein Beitr. z. Kenntn. foss. Binnenfaunen; Sitzungsb. Akad. Wien,
1876, l.XXIV, 1. Abth., S. 7—34; Frank Calvert u. M. Neumayr, Die jungen Ab-
lagerungen am Hellespont; Denkschr. Akad. Wien, 1880, XL, S. 36o u. folg.
122 Das Kärtchen bei J. S. Di 11 er, Notes on the geol. of the Troad; Quart. Joum.
geol. Soc. 1883, XXXIX, p. 628. »
»23 L. Burgerstein, Geol. Untersuch, im SW. Theile der Halbin.sel Chalkidike;
Denkschr. Akad. Wien, 1880, XL, S. 325.
»24 Die Halbinsel von Sinope sollte mit Rücksicht auf die Angaben von Brauns
wohl neuerlich besucht werden; Tchihatcheff, Asic Mineure, G60I. 111, p. 150.
3o*
458 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittelmeer.
<
»25 N. Barbot de Marny, Ueb. die jüngeren Ablagerungen d. südl. Russland;
Sitzungsb. Akad. Wien, 1866, LIII, S. 339—342; Hilbcr, Jahrb. gcol. Reichsanst. 1882
S. 3ii u. an and. Ort; Lor. Teisseyre, Der podolischc Ilügclzug der Miodoborcn als
ein Sarmat. Bryozoen-Riff; eb. das. 1884, XXXIV, S. 299 — 3i2; K. v. Dunikowski,
Geol. Untersuch, in Russ. Podolien; Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1884, S. 55, 63.
126 H. Abich, Prodromus einer Geol. d. kaukasischen Länder, 4^, 1858, S. 152 u. folg.
»27 E. Tictzc, Bemerk, üb. d. Tektonik d. Albursgebirges in Persicn; Jahrb. geol.
Reichsanst. 1877, XXVII, S. 392.
128 V. V. Möller, Paläont. Beiträge u. Erläut. z. Briefe Danilcwsky's üb. die Resultate
seiner Reise an d. Manytsch; M61. phys. chim. Ac. Petersb. 1878, XI, S. 55 — 76.
"9 F. Karrer, Ueb. d. Verhältn. d. Congerien-Sch. z. sarmat. Stufe bei Liesing; Jahrb.
gcol. Reichsanst 1868, XVIII, S. 273 — 276; Th. Fuchs, Ueb. ein neuartiges Vorkommen
V. Cong.-Schicht. b. Gumpoldskirchen ; eb. das. 1870, XX, S. 128— l3o.
130 Dies ist der »Belvedere-Schotter* der Wiener Geologen. Er entspricht dem
Schotter von Eppelsheim im Mainzer Becken u. von Balta in Podolien, sowie dem Dino-
therien-Sande des Juragebirges.
»3« Th. Fuchs, eb. das.; F. Karr er, Geol. d. Franz Jos.-Hochcjuell.-Leitung;
Abh. geol. Reichsanst. 1877, S. 250 u. folg. Der Eichkogel bei Mödling ist 1146' hoch,
doch besteht die höchste Kuppe aus Süsswasserkalk, welcher der pontischen Stufe auf-
gesetzt ist.
'32 J. He ekel, Jahrb. geol. Reichsanst. 1851, II, Verh. S. 157; wahrscheinlich ein
Brosmius, dem heutigen Dorsch verwandt; Th. Fuchs, Ueb. die Fischfauna d. Congcrien-
Schichten; Verh. eb. das. 1871, S. 227: Beryx, ein Clupeoide u. vielleicht im Scomberoide.
Die sarmatische Gattung Cetotherium steigt in die pontischen Ablagerungen Süd-Russland*s
auf; Fuchs eb. das. 1871, S. 3o3.
^ii Aus der ziemlich reichen Literatur nenne ich nur: Für die Gegend von Turin:
Fuchs, Studien u. s. w. Sitzungsb. Akad. Wien, 1878, LXXVII, l. Abth., S. 419; für
Livomo u. die Westküste, dann für Ancona u. Sinigaglia mit dem entsprechenden Theile
der Ostküste: G. Capellini, La formaz. gessosa di Gaste llina marit.; Mem. Ac. Bologna,
1874, 3. ser. IV; dess. : Gli Strati a Congerie e le Marne compatte mioc. dei Dintorni di
Ancona; Mem. Ac. Lyncei 1879, 3. ser. III; ferner dess.: Gli Strati a Cong. o la formaz.
gessoso-solfifera n. prov. di Pisa e nei dint. di Livomo; eb. das. 1880, 3. ser. V; S. de
Bosniaski, Cenni sopra Tordinam. cronol. e la Natura dei Strati terz. sup. nei Monti
Livornesi; Rendic. Soc. Tose. Scienz. Nat Pisa, 6. lugl. 1879, u. dess. La formaz. gessosa
e il Secondo Piano Meditcrr. in Italia, eb, das. 14. Nov. 1880; für den Süden u. für Si-
cilien: G. Seguenza, Le formaz. terz. n. prov. di Reggio; Mem. Ac. Lyncei 1880, 3. ser.
VI, insb. p. 161 u. folg.; Ipp. Cafici, La formaz. gess. dei Vizzinese e dei Licodiano;
BoU. com. geol. 1880, p. 37 — 54; E. Cortese, Brevi cenni s. geol. d. parte NE. della
Sicilia; eb. das. 1882, XIU, p. 33 1 — 334; S. Mottura, Append. alla Mem. s. form. terz.
n. Zona Solfifera d. Sicilia; Mem. Comit. Geol. 1872, II; E. Stöhr, Sulla posic. geol.
dei tufo e dei tripoli n. zona solfif. d. Sicil.; Boll. com. geol. 1878, IX, p. 498 u. folg.
»34 S. de Bosniaski, La formaz. gess. p. ii u. an and. Ort. ; hieher gehört auch
die von Sau vage beschriebene Fischfauna von Licata.
»35 M. Neumayr, Ueb. d. geol. Bau der Insel Kos u. üb. die Gliederung d. jungtcrt.
Binnenablagerungen des Archipels; Denkschr. Akad Wien, 1879, XL, S. 255, 279.
»36 G. Seguenza, Le formaz. terz. nella prov. di Reggio (Calabr.), Atti Accad. Lync.
1880, ser. 3, VI, p. 169, 175 u. an and. Ort.
»37 G. v. Rath, Ein Ausflug nach Calabrien, 8° 1871, hat eine von mir entworfene
Skizze des M. Jejunio u. des Berges von Gerace veröffentlicht, welche dieses Verhältn iss
sichtbar werden lässt. Der links unterhalb der höchsten Masse des Jejunio aufragende
conische Gipfel soll noch einen Lappen von tertiärem Sande tragen, doch habe ich denselben
nicht erstiegen.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittelmeer. 45g
»38 A. Bittner, Der jjeol. Bau von Attika, Boeotien, Lokris u. Parnaüsis; Denkschr.
Akad. Wien, 1878, XL, S. 12.
»39 Puillon de Boblayc et Th. Virlet, Exp6d. scient. de Morec, t. II, 2, G60I.
et Min6r. 404 Paris, i833, p. 214.
MO Ueber die Wohnsitze d. Brachiopoden, II, Sitzungsb. Akad. Wien, 1860, XXXVIII,
S. 159; Ueb. die einstige Verbindung N.-Afrika*s mit S.-Europa; Jahrb. geol. Reichsanst.
i863, XIII, S. 26, 27; dann L. Tausch, Die von Prof. C. Doelter auf den Capverden
gesammelten Conchylien; Zeitschr. deutsch. Malak. Ges. 1884, S. 181 — 188 u. A.
14« R. Tournouer in Fischer et Tournoucr, Invert. foss. du Mont L^beron
(Gaudry, Animaux foss. du M. L6b. 4«, 1873) p. i63— 170.
M2 F. Fontannes, Bull. soc. göol. 1882, 3. s6r. XI, p. 116, 117.
M3 Ms«. T. A. di Monterosato, Not. int. alle Conch. foss. di M. Pellegrino e
Ficarazzi; 8° Palermo, 1872; die nordischen Arten liegen (p. 17) bei Ficarazzi in einer
besonderen Schichte; auch dcss. Catalog. delle Conchigl. foss. etc.; Boll. com. geol. 1877,
VIII, p. 28—42.
M4 P. Fischer, Pal6ont. des Terr. Tert. de Tlle de Rhodes; M6m. Soc. giol. 1877,
3. s6r. I, p. 40 — 44.
'45 Neumayr, Kos, S. 252.
146 Segucnza, Prov. di Reggio, p. 237, 315, 336 u. insb. 345 u. folg. Piano
Siciliano mit nordischen Conchylien wird als ,Pleistocän* zum Tertiär, ,Piano Saariano^
welches in seinem älteren Theile dieselben nordischen Arten enthält, zum Quaternario
gestellt, u. die Recurrenz der wärmeren Formen fällt in das jüngere Saariano; diese Ver-
suche einer Classification zeigen deutlich genug die Schwierigkeit des Gegenstandes. Eine
etwas abweichende Darstellung der Lagerungs Verhältnisse bei Reggio gibt Mantovani,
Ale. osserv. nei terr. terz. dei dintorni di Reggio Cal.; Boll. com. geol. 1878, p. 443 — 468.
»47 Th. Fuchs, Die Tertiärbildungen von Tarent; Sitzungsb. Akad. Wien, 1874,
LXX, S. 193—197.
»48 W. Kobelt, Verzeichn. der von mir bei Tarent gesamm. foss. Conch.; Jahrb.
deutsch, malak. Ges. 1874, I, S. 65 — 77; die Uebereinstimmung dieser Ablagerungen mit
jenen von Lentini in Sicilien betonen Fuchs u. Bittner, Die Plioc. Bildungen v. Syrakus
u. Lentini; Sitzungsb. Akad. Wien, 1875, LXXI.
»49 C. de Stefani, Sedim. sottomar. dell* epoca postplioc. in Italia; Boll. com. geol.
1876, VII, p. 272 — 289; auch Neumayr, Kos, S. 251.
»50 Kobelt, Jahrb. malak. Ges. 1874, I, S. 347—352.
»5» Für seine Standorte J. R. Lorenz, Phys. Verh. u. Vertheil. d. Organism. im
Quarncr. Golfe, 80, i863, S. 328.
»52 Zu ähnlichen Resultaten gelangten z. B. P. Fischer, Ile de Rhodes, p. 42 u.
schon Philippi, Enum. Moll. Sic. 1844, II, p. 271.
»53 Neumayr, Kos, S. 273 u. folg. u. Zur Geschichte d. östl. Mittelmeerbeckens;
Virchow u. Holtzendorff*s Samml. gemeinverst. wiss. Vortr. Heft 392; Berlin, 1882.
»54 Th. Fuchs, Stud. üb. d. jüngeren Tert. Bildungen Griechenland's ; Denkschr.
Akad. Wien, 1877, XXXVU, 2. Abth., S. 1-42.
»55 Calvcrt u. Neumayr, Junge Ablag, am Hellespont, S. 366 u. 368. Spratt
kannte bereits im J. 1856 nicht nur die jungen mediterranen Meeresbildungen in den Darda-
nellen, sondern auch eine ähnliche Ablagerung zu Leftero-Khori in der Bucht von Salonich,
S. vom Vardar; sie ist etwa 3o Fuss hoch, offenbar sehr jung, u. an Süsswasserbildungcn
gelehnt; On the Geol. of Varna and the neighb. parts of Bulgaria; Quart. Journ. 1856, XIII,
p. 72 — 83; On the freshwater deposits of Euboea; eb. das. p. 177 — 184.
»5^^ V. de Filippi, Note di un Viaggio in Persia; 8», Milano, 1865, p. 3 18.
»57 V. Helme rsen, Beitr. z. Kenntniss d. geol. u. physikogeogr. Verhältnisse d.
Aralokasp. Niederung; Bull. Ac. Petersb. 1879, XXV, p. 513—549; insb. p. 543 u. folg.
460 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IV. Das Mittelmeer.
Nach Starinow's historischen Untersuchungen wünle die letzte Trennung; in die Jahre
1540— '545 f-»l'<^n-
»5« V. V. Möller, am ang. Orte (Note 128).
159 Konschin, Reiseskizz. aus den Steppen Kara-K.um; Iswest. i883, S. 3i5 -332.
160 Ilelmersen, am ang. Orte, u. (Jak o wie w): Zur Gcol. der Aralokasp. Nie-
derung; eb. das. l883, XXVIII, p. 364 — 379. Die einstige Verbindung mit dem Asow-
.schen Meere zeigt das Vorkommen lebender kaspischer Conchylien in demselben; E. v.
Martens, Ueb. vorderasiat. Conchylien; 40, 1874, S. 79.
161 F. w. Hut ton, Sketch of the Phys. Geol. of the Island of Malta; Geol. Magaz.
1866, III, p. 145 — 152, pl. VIII, IX; A. Leith Adams, Notes of a Naturalist in the Nile
Valley and Malta; 8°, 1870, p 75, 141 — 147, 174; die meisten dieser Brüche sind schon
verzeichnet in des Karl of Ducie Geol. Map. of Malta, fol. 1854.
»^2 X. A. B. Spratt, On the Bone-Caves near Crendi, Zebbug and Mellilia. in the
Lsl. of Malta; Quart. J<mrn. gcol. Soc. 1867, XXIII, p. 296; Dolomieu hat schon früher
aus anderen Gründen Aehnliches für Malta vorausgesetzt.
*63 C. J. Forsyth -Major, Die Tyrrhenis; aus d. Zeitschr. Kosmos, i883, XIII,
vgl. die Bemerkungen auf S. 3o5.
»<>4 A. Pomel, Gcol. de la Petite Syrte et de la region des Chotts Tunisiens; Bull,
soc. g^ol. 1878, 3. ser. VI, p. 217 — 224, auch: Le Sahara, p. 53.
»65 L. M. Vi dal y Eng. Molina, Bosquejo geol. de las Islas Ibiza y Formentera;
Bol. Com. Mapa geol. 1880, VII, p. 91, lam. B.
»^ Am weitesten gegangen sind in dieser Richtung A. C. Ramsay, The Geol. of
Gibraltar and the opp. Coast of Africa and the History of the Med. Sea; Proc. Roy. Instit.
1879, VIII, p. 594 — 601 und Em. Blanchard: Les preuves de la formation recente de la
Mdditcrran^c ; Comptes rend. 1881, t. 93, j). 1042 — 1048; dazu die Bemerkungen von Alph.
Milne Edwards eb. das. p. 1048. Daubree, p. 1050 u. Hubert, Observ. sur l'etat de la
Mcditerr. ä la fin de T^poque tert. ; eb. das. p. 11 17 — 11 19.
»67 A. Gaudry, G^ol. de l'Ile de Chypre; Mem. soc. gdol. 1859, 2. ser. VII, p. 233.
»68 H. Abich, Geolog. Forschungen u. s. w. II, S. 427 u. folg. — ,Um diese Störungen
(die Erdbeben von Schemacha) in ihrem ganzen Umfange zu würdigen, muss die Ansicht
als das Resultat sorgfaltiger Untersuchung vorangestellt werden, dass der centrale Ge-
birgskamm der Kaukasus-Kette, mindestens von dem 11.900 Fuss hohen Babadag an, bis
zur Meeresküste den nordlichen stehen gebliebenen Rand einer grossen Verwerfungssj>alte
bezeichnet, durch welche der Zusammenhang einer ursprünglich flachen Terrainwölbung
in der Richtung ihrer Längenachse aufgehoben wurde, während der andere Gebirgstheil,
in Folge einer allgemeinen, dem Kurathale zugewendeten Bodensenkung sicli herab-
ncigtc und durch das Hinzutreten noch anderer longitudinaler Verwerfungen in eine An-
zahl von Terrassen zerlegt wurde. . . . Geognostischc Thatsachen, die ich auf Wanderungen
längs der Küste des caspischen Meeres bis Lenhoran und Astara, wie im Talysch-Gebirge
bis zum Plateau von Ardebil beobachtet habe, sprechen dafür, den Umfang dieses Ein-
senkungsgebietcs nicht nur über die Kura-Thalebcne, sondern auch auf die Südhälfte
des caspischen Meeres auszudehnen'; H. Abich, Ueber eine im Caspischen Meere er-
schienene Insel; Mem. Ac. Petersb. 6. ser., t. VI, N^ 5, p. 45.
FÜNFTER ABSCHNITT.
Die grosse Wüstentafel.
Sahara und Aegypten. — Süd-Arabien und Abessynien. — Sinai, Syrien und Nord-
Arabien. — Suez und der Nil.
Uie Sahara und Aegypten. Von der Mündung des Wadi
Draa in den atlantischen Ocean erstreckt sich gegen Ostnordost
bis an die mittelländische Küste nördlich von der kleinen Syrte
die Grenze zweier Theile der Erdoberfläche, welche durch ihren
Bau, wie durch die Zusammensetzung verschieden sind. Der nörd-
liche Theil ist in Falten gelegt und besitzt eine sehr vollständige
Schichtenreihe ; der südliche Theil liegt flach, und über paläozoi-
schen Schichten beginnt erst mit der cenomanen Transgression
eine neue Reihe von Ablagerungen.
Dieser weite südwärts gelegene Theil ist es nun, welchen wir
betrachten wollen. So unvollkommen unsere Kenntniss von dem-
selben nach mancher Richtung auch sein mag, so gestattet doch
die Einfachheit seines Baues bereits die Aneinanderfügung einer
Anzahl von planmässigen Arbeiten, welche Fachgenossen in dem
mittleren und östlichen Theile der grossen Tafel ausgeführt haben,
und jener vereinzelten Beobachtungen, welche durch die be-
wunderungs^vürdige Hingebung von Männern, wie Duveyrier,
Barth, Overweg, Nachtigal, de Bary, Roche und Oskar Lenz aus
den entfernteren Theilen des Südens und Westens gesammelt
worden sind.
462 Sahara.
Schon im Jahre 1872 hat Pomel in seiner bereits erwähnten
trefflichen Schrift über die Sahara eine solche Uebersicht versucht.
DcLS ganze westliche Guinea, sagt derselbe, bis zu der Grenze der
Sommerregen zwischen Timbuktu und St. Louis w^ürde, um 200 M.
gesenkt, nur eine Insel oder Halbinsel von alten kr}^stallinischen
und Schiefergesteinen bilden. Der Atlas schliesst sich in seinem
verwickelten Baue an Europa an. Die Sahara besteht bis zu den
Syrten hinaus aus paläozoischen und cretacischen Schichten.' •
Im Jahre 1881 knüpfte G. Rolland an seine eigenen, bis el
Gol^ah ausgedehnten Beobachtungen und an die Arbeiten des
unglücklichen Roche, des verdienten Mitgliedes der Expedition
Flatters, eine kurze Uebersicht des Baues der gesammten Sahara,
und veröffentlichte derselbe die erste geologische Karte des ganzen
mittleren Theiles der Wüste von Figuig und Gurara im Westen
bis zum schwarzen Gebirge im Osten und bis zum Gebirgslande
der Ahaggar im Süden.*
Schon im vorhergehenden Jahre hatte K. Zittel, als ein Be-
gleiter der Rohlfs'schen Expedition in die libysche Wüste, eine
geologische Karte des Ostens veröffentlicht, welche vom Rothen
Meere bis zur Oase Siuah und südwärts bis in die Breite von Edfu
reicht. Im Jahre 1883 aber, und nachdem seither Oskar Lenz seine
denkwürdige Reise durch den Westen nach Timbuktu glücklich
ausgeführt hatte, konnte es Zittel unternehmen, ein weit voll-
ständigeres Bild der gesammten Wüste zu entwerfen, afe seine
Vorgänger.^
Wir wollen zunächst den Rand der Wüstentafel gegen das
gefaltete Gebirge verfolgen. Im Westen allerdings ist unsere
Kenntniss trotz der neueren Forschungen von Fritsch^ und Lenz^
noch immer eine äusserst imvoUständige. Schon die Thatsache,
dass im äussersten Westsüdwest eine selbständige, aus alten Feis-
atten bestehende Kette, der Anti -Atlas, sich einschaltet, zeigt,
dass dort, trotz der Uebereinstimmung in der Streichungsrichtung
des Gebirges, doch vom Osten wesentlich verschiedene, heute
nicht zu überblickende Verhältnisse herrschen.
Im östlichen Marokko und von Figuig ostw^ärts besteht der
geradlinige äussere Saum des Gebirges (S. 296) aus aufgerichteten
cretacischen Schichten. ,Nichts,' sagt Rolland, ,kann schlagender
Grebirgsrand im NW. der Sahara. 4^3
sein, als die letzten Falten des Djebel-Amour, welche sich gerad-
linig und zuweilen fast vertical im Angesichte der Unermesslich-
keit der Sahara erheben, indem sie plötzlich auftauchen aus dem
Mantel von jungen Aufschüttungen, welcher Alles ausgeglichen
hat weit gegen Süd bis an die Grenzen des Horizontes. Ein Bei-
spiel ist der Djebel-Tizigrarin oder Fels der Hunde, auf welchem
die Stadt Laghouat erbaut ist, ein vereinzelter Kamm, scharf und
ausgezackt, aus Kalkbänken gebildet, welche 45° Südost fallen.*^
Westlich von Biskra ist ein Einbruch vorhanden, etwa wie
bei Salzburg oder bei Wien, welcher die im Gebirge liegende
Niederung der Hodna mit dem Vorlande verbindet. Oestlich von
Biskra aber, wo ausser cretacischen Schichten auch Nummuliten-
kalk an dem äusseren Rande sichtbar ist, und wo die Schwenkung
der Ketten in der Richtung des Cap Bon und gegen Sicilien her-
vortritt, stellen sich Vorketten ein und es geht die scharfe Ein-
fachheit der Grenze hiedurch verloren.
Innerhalb dieser Ketten liegt die cenomane Stufe regelmässig
auf dem Gault und der unteren Kreide, diese auf Jura; ältere
Glieder werden erst weiter im Norden sichtbar. Treten wir nun in
die Region der Sahara hinaus, so zeigt sich zuerst, dass es von
der Cenomanstufe aufwärts dieselbe petrographische und paläon-
tologische Entwicklung der Kreideformation ist, welche die Falten
des Kettengebirges und auch die Hamada's, d. i. die Steinwüsten
des Vorlandes bildet. Während aber diese mächtigen cretaci-
schen Ablagerungen im Gebirge auf ihrer normalen Unterlage
ruhen, liegen sie im Südwesten von Figuig, eine Tagreise südlich
von Djorf et Torba, schon auf Devon, und es ist daher in nicht
allzugrosser Entfernung vom Saume des gefalteten Gebirges die
ganze untere und mittlere Reihe der mesozoischen Ablagerungen
verschwunden.
.
Ebenso verschwindet der Nummulitenkalk, welcher in dem
östlichen Saume des Gebirges vorhanden ist, in dem vorliegenden
Wüstenlande, in welchem er erst weit im Osten, in der libyschen
Wüste, wieder auftritt; wenigstens ist es bisher nicht gelungen,
denselben in der Gegend der Schotts nachzuweisen. Dies könnte
der Abrasion zugeschrieben werden, welcher eine so ausserordent-
lich wichtige Rolle in der Gestaltung der Sahara zufällt; aber die
464 E>»e Schott's.
Mediterranschichten mit Ostrea longirostris, welche innerhalb der
Ketten in Constantine vorkommen, erscheinen auch an den Rän-
dern der Schotts.
Vergleicht man nun die Beziehungen dieses östlichen Theiles
des gefalteten Gebirges zu seinem Vorlande etwa mit den Be-
ziehungen der Karpathen zu der russischen Tafel, so ergibt sich,
dass in Nordafrika an dem äusseren Gebirgssaume wohl steile
Aufrichtung, aber nicht Ueberschiebung getroffen wird, und ferner
dass eine mächtige Schichtreihe, die mittlere und obere Kreide,
mit unveränderten Merkmalen in das Vorland fortsetzt; sie ist von
den grossen Tafelbergen desselben nur durch eine allerdings breite
Zone von sehr jungen Schuttbildungen getrennt. Eine ganz auf-
fallende Uebereinstimmung beider Gebiete besteht dagegen in
Bezug auf die Lückenhaftigkeit der Ablagerungen im Vorlande,
die Transgression, welche mit der Cenomanstufe beginnt, und die
flache Lagerung des Vorlandes.
Die Zone der Schotts, welche sich bei Gabes dem Mittelmeere
nähert, gehört schon ganz dem Vorlande an. Dru hat eine sehr
lehrreiche Schilderung des Schott el Fedjej und des westlich mit
demselben zusammenhängenden Schott el Djerid geliefert.' Ein
etwa 1 40 Kilom. langer Steilrand, welcher von Gabes westwärts
bis zur Anschwellung von Kriz reicht, sich noch westlich in
den Sporn von Nefta fortsetzt, und in seinen höchsten Theilen
400 — 500 M. erreicht, bildet den gemeinsamen Nordrand beider
Schotts. Die Mitte desselben, welche nur 250 — 300 M. hoch ist,
besteht aus der Cenomanstufe,** während gegen seine beiden Enden
die jüngeren Glieder der Kreideformation sich anschliessen, und
die mediterranen Ablagerungen mit Ostrea longirostris da und
dort in zerbrochenen und auf untergeordneten Verwerfungen abge-
sunkenen Schollen sichtbar sind. Der südliche Rand ist auch ein
Steilrand, bis 350 M. hoch, aber in seinem Verlaufe unabhängig
von dem nördlichen und beträchtlich kürzer als dieser. Er dehnt
sich auch von Ost gegen West, ist aber gegen Süd convex und
endet im Westen mit einem Sporn, welcher beide Schotts trennt.
So hat der östliche, Schott el Fedjej, gegen Nord und gegen Süd
steile, felsige Abstürze, der westliche, Schott el Djerid, dagegen
nur gegen Nord, gegen Süden aber ein unbestimmtes Flachufer.
Zonen der Sahara. 4^5
Dru meint, eine Erhebung habe Ursache gegeben zu einem
gewaltigen Einbrüche, und vergleicht die Schotts mit einem Knopf-
loche, ähnlich der öfters genannten .Boutonniere' des pays de
Braye. Die Thatsache, dass alte Strandlinien bis ziemlich an die
Kammhöhe der Schwelle von Gabes reichen und dennoch jüngere
Meeresspuren selbst in den weiter im Westen bis unter das Niveau
des Meeres hinabsinkenden Theilen der Schotts nicht mit Sicher-
heit nachweisbar sind, scheint mir auf ein sehr geringes Alter
dieses Einbruches hinzudeuten.
Die Anordnung der Gesteine in der grossen Tafel der Sahara
ist nun eine solche, dass die ältesten im Süden und im Osten, die
jüngeren im Norden und insbesonders in der Richtung gegen die
Nilmündungen hin angetroffen werden.
unK der Formalinnen in der WUjIe Sahara
und oWie Kreide; t, EocUn : f, Znei» Med
Die erste und älteste Zone bilden Granit und Gneiss, zuweilen
in Verbindung mit altem Schiefer und Quarzit. Dieser ersten Zone
rechnen wir die Granithohen zu, welche Lenz in el Eglab am
südlichen Rande der grossen wesdichen Sandwüste Igidi antraf.
Ferner ist hieher das Hochgebirge Ahaggar zu rechnen, in dessen
Innerem Duveyrier nach lo.sen Geschieben auch das Vorkommen
466 Archaische Zone der Sahara.
vulkanischer Berge vermuthet. Das Granit- und Gneissgebirge
tritt nordwärts bis an den Südrand der Tafelberge von Mujdir
und Tasili heran, und umfasst das Quellgebiet des Wadi Igharghar.
In dem Stocke von Egere lagern Basaltströme in Thälern dieser
alten Felsarten.
Barth und Bary haben, nach Air reisend, den Ostrand des
Ahaggargebirges umgangen und es hat der Letztere eine genaue
Aufzählung der Vorkommnisse hinterlassen; diese Reise hat aber
sein Leben gekostet, und wieder stehen wir vor dem Namen eines
jener zahlreichen Opfer, welche die Erforschung des Erdballes
fordert.^
Nun weiss man, dass südlich von Ghät, nachdem die Tafel-
berge von Sandstein und namentlich die Fortsetzungen des Tasili
gekreuzt sind, auch hier granitischer Boden erreicht wird, welcher
den Untergrund weit gegen Süd, bis gegen Air bildet, dem aber
noch mehrere abgetrennte Sandsteintafeln aufgelagert sind, von
welchen insbesondere eine im Süden von Falesles und eine zweite,
viel weiter im Süden, nahe der nördlichen Grenze von Air gelegene
zu erwähnen sind. Es ist wohl anzunehmen, dass sie die Ausläufer
der grossen ebenen Hamada's sind, welche sich ostwärts gegen
die Oase Kauär über eine weite Fläche ausdehnen.
Sandstein und Granit sind streckenweise von Basalt begleitet;
es erscheinen auch Amphibolschiefer und Gneiss. ATr selbst be-
steht aus Granit; in der Gegend von Adschiro sind vulkanische
Bildungen vorhanden, so namentlich der Vulkan Tekinduhir, dessen
Lavafeld sich bis in die unmittelbare Nähe von Adschiro er-
streckt.
Das Tümmogebirge ist vornehmlich aus Sandstein gebildet
und die Aufzeichnungen von Rohlfs und Nachtigal auf der Linie
vom Tümmo zum Tsadsee lassen das südliche Vordringen der
Sandsteintafeln deutlich erkennen. Die steilen, vereinzelten F^ls-
blöcke, welche in einzelnen Ortschaften in Kauär als Zufluchts-
stätten gegen feindliche Ueberfalle dienen, bestehen aus demselben
horizontal geschichteten Sandstein; in Dibbela herrscht er auch
noch; erst südlich davon, im Geissiger Gebirge, erwähnt Rohlfs
das erste Auftreten von Granit und in Agadem hat Nachtigal ge-
schichteten Kalkstein getroffen. *°
Aichaische Zone der Sihara. 4^7
Es ist daher die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die
flach gelagerten Sedimente des Nordens von Ghät südwärts bis in
jene Niederung reichen, welche heute in dem Wasser des Tsad
den Rest eines früher weit grösseren Binnensee's trägt.
Wir betreten nun das Gebirgsland der Tibesti und treffen zu-
nächst auf den 2500 M. hohen vulkanischen Tarso, an dessen
Kraterrand im September 1869 Nachtigal seine gefahrvolle Flucht
aus BardaV ausführte. An der Südwestseite des Vulkans werden
Granit und Sandstein erwähnt; unbekannt ist die weitere Zusammen-
setzung des gegen Südost sich fortsetzenden Gebirges; an seiner
Südseite liegt in Borkü, nördlich von der Oase Budu der Tafel-
berg Koroka, aus demselben geschwärzten Sandstein gebildet,
welcher hier so viele Verbreitung gewinnt."
Unbekannt ist auch die Zusammensetzung des weiter gegen
Südost liegenden Gebirgsstockes in Ennedi und bis nach Darfur
fehlt uns jede Andeutung über den geologischen Bau des Landes.
Hier aber beginnen jene ausgebreiteten Flächen, aus denen in
vereinzelten Stöcken und Knollen das archaische Gebirge her-
vorragt, welches den ganzen Untergrund von Kordofan und
Sennaar bis fast in die Nähe von Chartum ausmacht. Von hier er-
streckt sich dasselbe bis an das Rothe Meer und an demselben
sehr weit nach Norden, ja bis an den Golf von Suez, um, wie sich
später zeigen wird, in dem Gebirgsstocke von Sinai seine Fort-
setzung nach Arabien zu finden.
^y Die Westgrenze dieses östHchen, vorherrschend aus Granit,
Gneiss und Amphibolgesteinen aufgebauten Gebietes ist aber eine
sehr unregelmässige und Lappen von sedimentärem Gestein greifen
von Westen über dasselbe herein. Es tritt dasselbe an mehreren
Stellen bis an den Nil vor, und bildet die Katarakten in diesem
Strome; erst unterhalb Assuan ist es auf eine weniger breite, dem
Meeresufer parallele Zone beschränkt.
Im Südosten ist dieser archaischen Region das weite vulka-
nische Gebiet von Abessynien und Schoa aufgesetzt, welches
durch die Mannigfaltigkeit seiner Gebirgsformen ausgezeichnet ist.
So weit wir demnach die Sachlage heute zu überblicken ver-
mögen, zeigt die archaische Unterlage der Sahara folgende Be-
grenzung.
470 Tertiäres Gebiet der Sahara.
weit im Süden, südlich von Garo in der Oase Bilma, zum Tsadsee
reisend, noch ,Ammonshörner' notirte, ist die Möglichkeit vor-
handen, dass ein Theil der in jener Richtung liegenden Reste von
Tafelbergen nicht von devonischem, sondern auch noch von creta-
cischem Alter sei.'*
Die vierte Zone bildet der Nummulitenkalk. Obwohl der-
selbe an dem Aufbaue der Gebirgsketten nördlich von den Schotts
theilnimmt, ist er dennoch aus der ganzen westlichen und mittleren
Wüstenregion bis heute nicht bekannt und stellt sich erst in
Aegypten ein.
Diese Zone taucht zwischen den Oasen Siuah und Farafrah
aus dem Sandmeere hervor, umfasst die Oase Beharieh, in welcher
sie von einem vereinzelten Bäsaltstocke durchsetzt ist, und bildet
beide Ufer des Nil vom Mokattam bei Kairo bis oberhalb des
ersten Kataraktes, wo unter dem Nummulitenkalke die cretacische
Zone und unter dieser die archaischen Felsen sichtbar sind.
An diese vierte Zone, deren westlicher Theil ganz unter dem
Sandmeere liegt, schliesst sich, gleichsam eine fünfte Zone bil-
dend, die zweite Mediterranstufe an. Sie erscheint in der Oase
Siuah und zieht sich von dort gegen Nordost ; man sieht sie im
Flussthale des Nil nicht, doch erscheint sie östlich von demselben
wieder, und sie erreicht an einer Stelle südwestlich von Suez das
Rothe Meer. Einige Funde deuten darauf hin, dass die Cyrenaica
aus solchen Ablagerungen bestehe.'^ Die Reste von Mediterran-
ablagerungen mit Ostr. longirostris an den Schotts westlich von
Gabes wurden bereits angeführt. —
Südarabien und Abessynien. Weit vom Westen her
haben wir nun die Anordnung der geschichteten Gebirge verfolgt,
welche den Untergrund der nordafrikanischen Wüstenregion bil-
den, und haben gesehen, wie zwischen dem Nil und dem Rothen
Meere die archaische Unterlage derselben hervortritt. Es entsteht
die Frage, ob die Ablagerungen der Wüstentafel wirklich hier ihr
Ende erreichen, oder ob sie noch weiter gegen Ost fortsetzen.
Um dies zu ermitteln, werden wir zuerst die jenseits vom südlichen
Ende des Rothen Meeres liegenden Gebiete betrachten, und
hierauf jene, welche jenseits von dem nördlichen Ende liegen.
Das südliche Arabicu. 47^
Die erste Aufgabe ist wesentlich erleichtert durch Carter's
Beschreibung der südarabischen Küste und dieser ist das Folgende
entnommen.'^
Ras Messandum in der Strasse von Hormuzd, oft für Basalt
gehalten, besteht aus flach gelagertem, dunklem Kalkstein. Von
hier erhebt sich das Gebirge allmälig zu beträchtlicher Höhe, so
dass es oberhalb Maskat, abgesehen von höheren Gipfeln, etwa
6000 (engl.) Fuss misst; in diesen Höhen beginnt der weisse Num-
muliten- und Alveolinenkalk sich zu zeigen, welcher auf den fol-
genden Küstenstrecken grosse Bedeutung erlangt. Die Stadt
Maskat liegt auf einer grünen, diallagführenden Felsart, die als
Euphotid bezeichnet wird; auch Diorit wird angeführt. Gegen
Ost setzt der weisse Kalkstein fort; am Wadi Schab zeigen seine
Wände horizontale Schichtung; gegen Räs-el-Hadd nimmt die
Höhe ab und dieses östlichste Vorgebirge ist eine flache und san-
dige Spitze.
Im Ras Djibsch treten die grünen Gesteine von Maskat wieder
hervor ; das Ufer wird ganz flach und die Sandwüste erreicht end-
lich das Meer, so dass man von der vorliegenden, etwa 600 Fuss
hohen Insel Mosera weit landeinwärts blicken kann. Diese Insel
besteht aus denselben grünen Felsarten; es sind ihnen hier einige
Schollen von weissem Nummulitenkalk aufgelagert.
Auf dem Festlande kommt nun unter dem Wüstensande wieder
der fossilienreiche Nummulitenkalk hervor; er bildet die Westseite
der Bucht von Haschisch, dann die kleine Insel Hammar el-Nafur
und reicht bis in die Nähe von Ras Djesireh.
Dieses Vorgebirge besteht abermals aus den grünen Fels-
arten von Maskat ; zu seiner Rechten wie zur Linken erstrecken
sich, so weit das Auge reicht, die horizontalen Bänke des lichten
Nummulitenkalkes ; sie bilden auch Ras Schirbedat; im Hinter-
grunde der nun folgenden Churian-Murian-Bucht tritt ein schwarzes
Eruptivgestein hervor, welches nach aufwärts Gänge in die weissen
Kalkbänke sendet. —
Wir sind jetzt an einer wichtigen Grenze angelangt, denn
während seit Räs-el-Hadd sich die Abstürze an der Küste in
massigen Höhen bewegten, erhebt sich nun das Land plötzlich
von Ras Nus an zu etwa 4000 (engl.) Fuss und behält mit einer
Suoxs, Das Antlitz der Erde. 3l
472
Marbat.
einzigen Unterbrechung, vor Ras Fartak, eine sehr beträchtliche
Höhe bis zur Strasse Bab-el-Mandeb.
Hier tritt auch zum ersten Male Granit hervor. Er bildet die
Churian-Murian-Inseln und ist auf denselben von den grünen Ge-
steinen von Maskat begleitet; einzelne Kalkschollen sind ihm auf-
gelagert. Auf Ras Nus selbst reicht der Granit etwa 1 200 Fuss
hoch hinauf; den höheren Theil bildet Kalkstein. Nun senkt sich
die Oberfläche des Granits und bei Marbat liegt ihm eine wohl-
gegliederte Reihe von Schichten auf.
Das erste Glied dieser Reihe ist gelblicher und brauner,
glimmerreicher Sandstein, etwa 1700 Fuss mächtig, ohne orga-
;^.^-<«5^ife^
K7 V— 1 .J-.-»
"n/
Fig. 42. Marbat an der arabischen SüdkUste (nach Carter).
Im Vordergründe Granit; am Fusse des Oebirges junge Afeeresbildungen; a Sandstein, grösstcnthcils
von Schutthalden bedeckt; b petrefactenreicher bunter Mergel des Cenoman ; c ober-crctacischer
Kalkstein.
nische Reste. Hierauf folgt durch 300 Fuss eine Serie von roth-
und buntgefärbten, thonigen Schichten, welche sich an den fol-
genden Küstenstrecken öfters wiederholt und welche dort Pecten
quadricostatus, Salenia scutigera, Orbitulina concava und andere
wohlbekannte cenomane Arten geliefert hat.'^
Die auflagernden Kalkbänke fallen noch der Kreideformation
zu und dieser sind, in Fig. 42 nicht sichtbar, noch höhere, in
Pfeiler aufgelöste Gipfel von Alveolinenkalk aufgesetzt.
Der untere Sandstein von Marbat entspricht seiner Beschaffen-
heit wie seiner Lage nach daher dem nubischen Sandstein
Ras Fartak. Aden. 473
Aeg)'pten's, und die von Carter an dieser Stelle beobachtete Schicht-
folge ist dieselbe, welche man z. B. im Nilthale bei Assuan antrifft.
In dem hohen Ras Seger ist der Granit verschwunden ; auch
ein Theil des Sandsteins liegt unter dem Meere ; über der bunten
Serie erheben sich die lichten Kalkwände.
Nun folgt in der Bucht el-Kamar die erwähnte Unterbrechung
des hohen Gebirgsabfalles, aber Ras Fartak ist der neuerliche Be-
ginn des Hochlandes. An diesem Vorgebirge sieht man zunächst
die Bänke des weissen Alveolinenkalkes aus dem Meere schräge
aufsteigen bis etwa zur Höhe von 1 900 Fuss ; in dieser Höhe legen
sie sich horizontal und ziehen so weiter. Ebenso steigen auf der
andern Seite des Vorgebirges die Lagen der bunten, cenomanen
Serie unter 43** aufwärts und nehmen in bestimmter Höhe die hori-
zontale Lage an. Bei Ras Scharwein erscheint der erste Basalt,
eingedrungen in die bunten Mergel des Cenoman.
Es schiebt sich nun eine schmale Ebene zwischen den Strand
und die hohen Felswände und auf dieser erscheinen zwischen Ras
Scharwein und Makalla mehrere kleine vulkanische Kegel. Sie
heben sich durch ihre schwarze Farbe und die scharfe Abgrenzung
ihrer Ergüsse grell von der weissen Strandfläche ab und nehmen
eine Strecke von etwa 72 Kilom. ein.
In Makalla ist wieder Granit mit den grünen Felsarten, über-
lagert von Kalkstein ; 6000 Fuss hoch erhebt sich der Rand des
grossen Tafellandes; der Granit tritt an der Küste hervor.
Etwa 96 Kilom. nordöstlich von Aden bespült tiefes Meer
einen gewaltigen, tausende von Füssen über dasselbe aufragenden
Absturz ; dies hält durch etwa 40 Kilom. an ; dann zieht der Ab-
sturz landeinwärts in gerader Linie zu der Strasse Bab-el-Mandeb,
so dass vor demselben ein flacher, dreieckiger Raum zurückbleibt.
Auf diesem erhebt sich ein Vulkan, dessen Kraterrand 1 700 Fuss
erreicht, und in dem Krater dieses Vulkan's liegt die Stadt
Aden. —
Die im Süden gegenüber liegende Somäliküste hat ganz den-
selben Bau. Das Land östlich von Berbera besteht aus lichtem
Kalkstein ; auf Hais tritt als Unterlage ein Amphibolgestein
hervor; Meyt ist wieder lichter Kalkstein und dieser dürfte un-
unterbrochen bis Cap Guardafui reichen.'^
3i*
474 Sokotra. Bab-el-Mandeb.
Die Insel Abd-ul-Kuri ist 1600 Fuss hoch und besteht in
ihrem unteren Theile aus Granit und den grünen F'elsarten von
Maskat ; auf diesen liegt Kalkstein. Von der nur 400 Fuss hohen
Insel Kai Faraun ist nur Gyps bekannt; die , Brüder' zwischen
Abd-ul-Kuri und Sokotra haben dieselbe Zusammensetzuncr wie
Abd-ul-Kuri und dasselbe gilt nach B. Balfour's Aufsammlungen
auch von der grossen Insel Sokotra.'^
Im Norden dieser Insel befindet sich ein langer Zug von alten
Felsarten, wie Granit, Gneiss und Hornblendschiefer; er umfasst
den Dj. Huggier und ist durch Mannigfaltigkeit der Bergformen
ausgezeichnet; den ganzen Süden, Westen und Osten bildet harter,
lichter, flach gelagerter Kalkstein. Im Osten erscheint ferner ein
rhyolithisches Gebiet, und es sind kleinere Basaltvorkommnisse
an mehreren Punkten angetroffen worden. —
An der südöstlichen Küste Arabiens sind demnach die ge-
schichteten Gebirge ebenso flach gelagert wie in Aegypten, und
nur örtlich gewahrt man, wie bei Ras Fartak, eine Beugung,
welche mehr der Schleppung an einem Bruche gleicht als einer
Faltung. Wie in Aegypten fehlt, wenn man vom nubischen Sand-
stein absieht, jeder Nachweis von Ablagerungen, welche älter
wären als die Cenomanstufe. Wie in Aegypten kommt an vielen
Stellen die archaische Unterlage zum Vorschein und wenigstens
bis zu der Granitzone des Ras Nus und der Churian-Murian-Inseln
ist die Serie der geschichteten Ablagerungen ganz dieselbe w-ie
in Aegypten. Oestlich davon, in Oman, ist bisher nur die Trans-
gression des Nummulitenkalkes über die alten Felsarten mit
Sicherheit bekannt.
Derselbe Bau des Küstenstriches ist im nördlichen Somali
und bis Sokotra sichtbar, und wir erkennen somit im Golf von
Aden einen Einbruch, welcher die zusammenhängende Tafel unter-
brach, und Arabien, wie das Somäliland erscheinen als die Fort-
setzungen der grossen nordafrikanischen Wüstentafel.
Die eruptiven Bildungen, welche von Ras Scharwein gegen
West erwähnt werden, sind nur die Ausläufer jener wichtigen vul-
kanischen Region, welche die Umgebung der Strasse Bab-el-
Mandeb bildet und von da auf vielen Inseln und an beiden Ufern
des Rothen Meeres Fortsetzung findet. Insbesondere häufen
AbcssynicE. 475
sich die Spuren von jüngeren Ausbrüchen gegen West. In dem
Hochlande von Abessynien und in Schoa Hegt eines der bedeutend-
sten Gebiete eruptiver Thätigkeit. Die gewaltigen Lävafelder
Abessyniens mögen von verschiedenem Alter sein ; es mag ein
Theil von ihnen sogar, wie Blanford meint, den Ergüssen des
Dekkan, also den ältesten Abtheilungen der Eocänzeit ent-
sprechen; sicher ist, dass unter denselben in den meisten grossen
Thälern wieder horizontale Sandsteinlagen sichtbar sind, welche
auf archaischer Grundlage ruhen.
Dies geht nicht nur für Abessynien aus den Aufnahmen von
Ferret und Galimier,'" für Schoa aus jenen von Röchet d'Hiiri-
court," sondern ganz insbesondere auch aus den Beobachtungen
Blanford's hervor, welcher bei Gelegenheit des englischen Feld-
zuges in Abessynien die Linie von Massaua bis Magdala auf das
Genaueste kennen lernte."
Hier nun erscheint bei Antalo im nordösthchen Abessynien
eine der Wüstentafel sonst ganz fremde Bildung, nämlich eine
Scholle, welche nach ihren organischen Resten dem mittleren Jura
zuzufallen scheint ; es ist Blanford's Antalo-Kalkstein. Leider ist
es, wie dieser gewissenhafte Beobachter selbst angibt, nicht ge-
lungen, das gegenseitige Lagerungsverhältniss des Sandsteins und
des jurassischen Kalksteins auf eine unzweifelhafte Weise festzu-
stellen.'-* Es ist daher nicht sicher, ob der muthmassliche Vertreter
des nubischen Sandsteins, Blanford's Sandstein von Adigrat, dem
Cenoman oder einer jener wahrscheinlich älteren Sandsteinablage-
rungen zufällt, von welchen ich bald zu sprechen haben werde.
Sinai und Syrien. Die Massengesteine, welche die Unter-
lage der grossen Wüstentafel ausmachen, der nubische Sandstein
und die grossen cretacischen und alttertiären Kalklager setzen, wie
wir nun sahen, aus Afrika ostwärts in das südliche Arabien fort.
Noch klarer liegt ihr Zusammenhang mit den Bergen der slnaiti-
schen Halbinsel und des gelobten I^andes zu Tage.
In jenem schmalen Streifen alter Massengesteine, welcher
zwischen dem Nil und der Meeresküste nordwärts zieht, in dem
Mons porphyrites, erlangen diese Felsarten besondere Mannig-
faltigkeit, welche sie dann auch weiter im Osten auszeichnet.
^\ • \^^
A76 Sinai. Der Berg Hör.
Rother Granit ist die wichtigste Felsart; Begleiter sind Gneiss
und vielerlei alte Schiefergesteine, dann rother Porphyr und
Diorit. So treten sie an das Ufer der Bucht von Suez und finden
ihre Fortsetzung an dem jenseitigen Ufer, in den beträchtlichen
Höhen, welche den südlichen Theil der sinaitischen Halbinsel ein-
nehmen, und aus welchen sich Dj. Musa, der Berg der Gesetz-
gebung, erhebt. Sie erreichen die Ostküste der Halbinsel und
finden dort in gleicher Weise ihre Fortsetzung jenseits der Bucht
von Akaba in den Granitbergen des Landes Midian und nördlich
und südlich von diesen.
Manche Umstände haben uns in den letzten Jahren genauere
Kenntniss von diesem Stücke Landes gebracht, so Burton's Ver-
such ein reiches Goldland in Midian nachzuweisen,^^ und Beke's
Zweifel an der wahren Lage des biblischen Sinai. Dj. Baghir,
auch Dj. el Nur, der Berg des Lichtes, genannt, und nördlich von
Akaba, an der Westseite des Wadi Ithm gelegen, sollte in Wahr-
heit die geheiligte Stelle sein, und Milne, welcher den Bibel-
forscher begleitete, hat uns den Bau der Ostküste des Meerbusens
kennen gelehrt.^^ So gelangen wir bis in die Nähe von Petra
und des Berges Hör und erreichen damit das Gebiet jener treff-
lichen Forschungen, durch welche L. Lartet so viel neues Licht
auf den Bau von Palästina und Idumäa geworfen hat,'^ dass die-
selben im Zusammenhalte mit den klaren Darstellungen, die
Ose. Fraas von Judäa gegeben hat,'^ uns gestatten, ein Urtheil
über die Bildung des Jordanthaies und seine Beziehungen zum
Rothen Meere zu bilden. Für jetzt aber mag Lartet's Beobach-
tungen die wichtige Erfahrung entnommen werden, dass auf der
Ostseite des Wadi Arabah, welches die Fortsetzung der Linie des
Jordan und des Todten Meeres bildet, die Massengesteine weiter
nach Norden reichen als auf der Westseite. Die Porphyre, welche
das jüngste GHed der Massengesteine zu bilden scheinen, nehmen
im Norden noch beträchtlichen Antheil an dem Aufbaue des
Berges Hör, und der nördlichste Ausläufer ist bei Saheh an dem
südöstlichen Ufer des Todten Meeres sichtbar.
So umrahmen alte Massengesteine den ganzen nördlichen
Theil des Rothen Meeres. An der Südspitze der sinaitischen Halb-
insel begegnen sich zwei der grössten linearen Bruchsysteme
Die Jordanlinie. 477
welche auf der Erdoberfläche bekannt sind. Die erste Richtung
ist die erythräische ; sie findet ihre Fortsetzung in der Richtung
von Suez. Die zweite, fast genau von Nord nach Süd laufende
Richtung ist jene der Jordanlinie. Von Coelesyrien her, durch
den See von Tiberias, dem Laufe des Jordan folgend, durch das
Todte Meer, das Wadi Arabah, über die etwa 230 — 240M. hohe,
aus cretacischem Kalkstein aufgebaute Schwelle von Safeh herab
zum Wadi Akabah und den gleichnamigen Golf, erstreckt sich
diese. Sie trifft in spitzem Winkel auf die- erythräische Linie und
findet keine Fortsetzung. Das Zusammentreffen erfolgt inner-
halb des Gebietes der alten Massengesteine, welches so in drei
Theile getheilt wird. Der erste, westliche Theil ist der Mons por-
phyrites und das ägyptische Randgebirge. Das andere Stück ist
des sinaitische; es ist keilförmig. Das dritte Stück ist das ara-
bische, welches über den Berg Hör hinaus seine letzten Spuren
noch am Todten Meere hervortreten lässt.
Dieser Gruppe alter Felsarten, welche ich wegen der Porphyre
und Diorite nicht in ihrer Gesammtheit als archaisch bezeichnen
will, folgt der nubische Sandstein. Nur als ein schmaler Saum
begleitet er den Westrand des alten Gebirges im östlichen Aegyp-:
ten ; er zieht von dem nördlichen Ende desselben zum Meere, dann
in breiterer Entwicklung quer über die sinaitische Halbinsel, viel-
fach mit Sandflächen bedeckt, welche aus der Zersetzung des Sand-
steins hervorgehen. Plötzlich, in der Nähe des nördlichen Endes
des Golfes von Akabah, scheint diese Zone zu enden. Jenseits,
an der Ostseite der Jordanlinie, erscheint sie wieder, theils unten
im Thale in abgesunkenen Schollen, theils hoch auf den Gipfeln
der Berge. So fand Milne zwei grosse Sandsteinschollen wohl
1000 M. hoch, über dem Granit die höchsten Theile des Dj. Atag-
taghir, unweit vom Berge des Lichtes, bildend, und nach Lartet
ist es derselbe nubische Sandstein, welcher den Gipfel des Berges
Hör zusammensetzt. Dies ist die Stelle von Aaron's Grab, 1327 M.
über dem Rothen Meere, und der Sandstein liegt hier auf Porphyr.
Vom Berge Hör senkt sich der Sandstein zur Tiefe, doch so,
dass er noch an der ganzen Ostseite des Todten Meeres den
Sockel der Abstürze zusammensetzt, während er an der Westseite
nicht sichtbar ist. Der Höhenunterschied vom Berge Hör bis
478 Der nubische Sandstein.
hieher beträgt 1720 M. Noch eine weite Strecke gegen Nord er-
scheint der nubische Sandstein, doch nur am Fusse der östlichen
Abhänge des Jordanthaies, und er findet wahrscheinlich seine Fort-
setzung in dem rothen Sandstein des Libanon.
Allerdings darf jedoch dieses Gebilde hier nicht ohneweiters
dem Cenoman zugerechnet werden, wie dies im Westen geschehen
ist. Zuerst ist zu bemerken, dass, abgesehen von minder sicher-
gestellten Angaben, durch Bauermann und Täte ein Vorkommen
der Carbonformation im Wadi Nasb der sinaitischen Halbinsel
nachgewiesen worden ist. Meeresablagerungen sind durch Kalk-
stein mit Orthis Michelini u. A. vertreten, und im Sandstein wurde
der Abdruck eines Lepidodendron gefunden.'^ Es ist die Spur
des Wiedererscheinens jener carbonischen Zone, welche weit im
Westen Lenz auf seiner Reise nach Timbuktu antraf und welche
dort durch Meeresbildungen vertreten ist, dieselbe, welche in der
Gegend von Murzuk in Pflanzenresten nachgewiesen wurde, und
von welcher bis heute jeder Nachweis im Nilgebiete fehlt.
Im Allgemeinen aber erinnern hier die Merkmale des Sand-
steins ganz ausserordentlich an unsere europäischen Permsand-
steine. Der nubische Sandstein ist hier häufig dunkelroth oder
weiss oder roth und weiss; er lagert häufig auf Porphyr, führt Roll-
stücke von Porphyr und wird nach Raboisson sogar von Porphyr-
gängen durchsetzt ; ^^ auf der sinaitischen Halbinsel, wie bei Petra,
führt er Kupfer. Die Lagerstätten von Türkis finden sich in dem-
selben sowohl auf der sinaitischen Halbinsel, als auch in Abessy-
nien; auch Salz und Gyps erscheinen. Schon im Jahre 1858 hatte
Unger nach der Untersuchung eines fossilen Holzes, welches
Russegger in der Gegend von Assuan gefunden, den nubischen
Sandstein dem Rothliegenden gleichgestellt. Dieses Ergebniss
wurde von Zittel nicht bestätigt, welcher im Gegentheile durch
weitere Pflanzenfunde im Norden das jüngere Alter sicherstellte.^''
Aber hier im Osten wie in Abessynien mehrt sich die Zahl der
äusseren Merkmale, welche für ein höheres Alter eines grösseren
Theiles des nubischen Sandsteins sprechen, so sehr, dass das cnd-
giltige Urtheil offen bleiben muss.
Diesen Sandstein überlagert nun allenthalben die Cenoman-
stufe sammt den ihr folgenden, grossentheils kalkigen Ablagerungen
DJ. Ataha. 479
bis zum Nummulitenkalke, welchen wir zugleich besprechen wollen.
Mag der nubische Sandstein cenoman sein, so liegt zwischen dem-
selben und den carbonischen Ablagerungen des Wadi Nasb ein
unermesslich langer Zeitraum. Gehört derselbe der Zeit des euro-
päischen Rothliegenden an, so mindert sich der Zeitraum, welcher
der Transgression vorangeht, nur um einen Bruchtheil, und es mehrt
sich die Aehnlichkeit z. B. mit Böhmen, wo das Cenoman dem
Rothliegenden aufruht.
Die Zone von Kreide- und Nummulitenkalk zieht von Kairo
gegen Suez und bildet die Höhen, welche hier an den südlichen
Theil des Schifffahrtskanals und den nördlichen Theil des Meer-
busens von Westen herantreten. Mit breitem, schroffem, aus zahl-
reichen flachgelagerten Bänken sich aufbauendem Abstürze erhebt
sich Dj. Atäka bei Suez. Er ist, wie Vaillant zeigte, von einer
etwa 300 M. mächtigen Verwerfung durchschnitten^' Ich stimme
vollkommen mit Beyrich's Meinung überein, dass die Form dieser
Gebirgsstücke durch parallele Bruchlinien hervorgerufen sei, und
das örtliche Hervortreten kleiner vulkanischer Kuppen ist eine
Bestätigung dieser Meinung.''
Die Kreide- und Eocänschichten ziehen nun, dem nubischen
Sandstein aufgelagert, wie dieser quer über die sinaitische Halb-
insel; vor ihnen breitet sich die Wüste Tih aus. Sie sind hier, wie
Bauermann gezeigt hat, auch von zahlreichen Verwerfungen durch-
schnitten.^^
Sie gelangen nun nach Palästina und bilden weithin die Berge
von Juda und alles Land bis zu dem Sporn von Carmel hinaus; es
folgt die Senkung von Jezreel mit ihren vulkanischen Ausbrüchen,
und jenseits setzen sich dieselben Schichten wieder in den Libanon
fort. Es ist fast Alles nur cretacischer Kalkstein, und der eocäne
Kalkstein liegt in seltenen vereinzelten Schollen auf demselben.
480 Schwelle in Wadi Arabah.
Oestlich vom Jordan ist das Verhältniss ein etwas verschie-
denes. Tief unten im Wadi Garundel, südlich von Petra, liegt
eine abgesunkene Scholle von Nummulitenkalk und an mehreren
Stellen sieht man abgesunkenen Kreidekalk; zugleich erscheinen
die cretacischen Schollen auf den Höhen, und von den drei Gipfeln
des Hör besteht einer aus Porphyr, ein anderer, der höchste, wie
gesagt, aus nubischem Sandstein, der dritte aus cretacischem
Kalkstein. Nun bildet nordwärts derselbe lichte Kalkstein alles
Hochland der Moabiter und Ammoniter im Osten des Todten
Meeres. Untqr demselben ist am Todten Meere der nubische
Sandstein sichtbar; auf der Höhe sind ihm schwarze vulkanische
Massen aufgesetzt, vereinzelte Kegel und breite Ströme. Der
lichte Kalkstein zieht fort, bildet den Ostrand des Jordanthaies
und verschwindet endlich unter den weiten Laven des Jaulän, des
Haurän und der noch weiter im Innern des Landes von Wettstein
und Doughty erschlossenen vulkanischen Gebiete. —
Wer quer über das Land von Jaffa nach Jerusalem und an
das Todte Meer reist, erhebt sich zuerst auf dem Rücken von Juda
bis zu etwa 1000 M. über dem Mittelmeere und steigt sodann etwa
1 400 M. zu dem Todten Meere hinab, dessen Wasserspiegel be-
kanntlich in — 392 M. liegt. Da jedoch die dem Ostrande zu-
nächst liegende Tiefe dieses Meeres beinahe 400 M. beträgt, so
fallt thatsächlich die Oberfläche des Gebirges von dem Rücken
von Juda um etwa 1 800 M. gegen die tiefste Stelle dieser grossen
Tiefenlinie hinab.
Nach den Arbeiten Lartet's, nach der Erforschung der cre-
tacischen Schwelle im Wadi Arabah, welche in -|- 230 bis 240 M.
die Wasserscheide zw^ischen dem Rothen Meere und dem Todten
Meere bildet, und dem Nachw-eise des gänzlichen Mangels jün-
gerer Tertiärablagerungen in dem ganzen Gebiete der Tiefenlinie
hat es als sichergestellt zu gelten, dass das offene Meer in diese
grosse und merkwürdige Tiefe niemals eingedrungen ist. Die
Bildung dieser Tiefenlinie ist ein junges Ereigniss, sonst wäre die
Schwelle vom Meere überschritten worden.
Alles Land westlich vom Todten Meere ist flach gelagert,
und trotz der mächtigen Absenkung der Oberfläche besteht es nur
aus Kalkstein der mittleren und oberen Kreide. Nach Fraas sind
Das Todte Meer eine Graben Versenkung. 48 I
aber zu beiden Seiten des Rückens, gegen das Mittelmeer wie
gegen das Todte Meer, treppenförmige parallele Verwerfungen
vorhanden, welche die Oberfläche von der Höhe herabsenken zu
den Tiefen im Osten und im Westen.^*
Anders ist es im Osten. Lartet hat gelehrt, dass dort die
alten Massengesteine weiter nach Nord greifen als an der West-
seite der Tiefenlinie, dass der Porphyr noch an der Südostseite des
Todten Meeres hervortritt, und dass der nubische Sandstein an
dem Fusse des ganzen Ostufers und noch w^eit im Jordanthale
hinauf sichtbar ist. Das östliche Ufer zeigt daher in jedem Quer-
profile ältere Felsarten als das westliche. Hieraus schloss Lartet,
in Uebereinstimmung mit früheren Vermuthungen von L. v. Buch
und Hitchcock, dass das Todte Meer und die Jordanlinie ein Bruch
sei, verbunden mit Senkung des westlichen Flügels.
Hält man nun aber Lartet's Erfahrungen im Osten der Bruch-
linie und jene von Fraas im Westen derselben zusammen, so zeigt
sich Folgendes. Die Höhe des breiten Rückens von Juda weicht
nicht allzusehr von jener des Hochlandes östlich vom Todten
Meere ab. Kreidekalke bilden da und dort den Boden. Die Jordan-
linie ist ein Bruch, aber während im Osten dieser Bruch an einer
einzigen grossen Hauptspalte sich vollzog, entstanden im Westen
mehrere parallele Brüche, auf welchen der Westflügel nicht im
ganzen Körper, sondern in Treppen absank, so dass ein ein-
seitiger Graben entstand. Der Rücken von Juda behielt seine
Höhe und gegen das Mittelmeer wiederholte sich die staffeiförmige
Senkung; hier ist aber jeder Gegenflügel verloren gegan-
gen. Und da die ganze syrische Küste auch keine Spur von ter-
tiären Mediterranbildungen, mit Ausnahme der niederen und ganz
jungen Küstenbildungen von Beyrut und Jaffa mit Pectunculus
violascens, trägt, ist dieser Bruch auch für sehr jung, fjür wohl
ebenso jung zu halten als die Eröflfnung des ägäischen und des
Schwarzen Meeres.
Hiefür wird sich aber bald noch weitere Wahrscheinlichkeit
ergeben.
Kehren wir jedoch zu dem Todten Meere zurück.
Eine einfache Verwerfung kann an der Oberfläche eine Stufe
erzeugen, aber kein Thal; sie kann durch Erosion zu einem Thale
482 Das Rothe Meer eine Graben Versenkung.
ausgeweitet werden, aber dann wird das Thal eine bestimmte, der
Richtung des Abflusses entsprechende Neigung besitzen und nie
unter das Niveau des Meeres hinabreichen. Ein Thal, dessen
Sohle 800 M. unter das Meer hinabreicht, um südwärts bald
wieder 230 M. über dasselbe anzusteigen und dann wieder unter
das Meer hinabzusinken, kann weder durch eine einzige Verwer-
fung, noch durch Verwerfung und Erosion erzeugt sein. Streifen
müssen abgesunken sein an parallelen Brüchen, in grosser Länge
und zu ungleicher Tiefe. Das ist jenes Schwanken in der Mäch-
tigkeit der Verwerfungen, welches wir an den Sprüngen des Hoch-
plateau's von Utah, wie an den grossen Brüchen der Südalpen
wahrgenommen haben. So allein können breite Thalniederungen,
wie Wadi Arabah und Wadi Akabah entstehen, und das ungleiche
Maass des Absinkens im Graben kann durch Klemmung herbei-
geführt werden.^5
Eine Grabenversenkung, wohl die grösste der Erde, ist aber
auch das Rothe Meer. Die parallelen Umrisse, die Aehnlichkeit
der gegenüberliegenden Küsten, so weit sie bekannt sind, und die
vulkanischen Erscheinungen im Süden deuten darauf hin. Oft
schon hat man dieses Meeresbecken als einen , Einsturz' darge-
stellt, insbesondere seinen südlichen Theil. Das bezeichnendste
Wort hat aber Ose. Fraas gesprochen. ,Aehnlich wie Schwarz-
wald und Vogesen, obgleich durch das breite Rheinthal getrennt,
doch auf einerlei Bildungsweise hindeuten, so auch die crystalli-
nischen Berge im Osten und Westen des Rothen Meeres. . . . Wie
im Westen der Vogesen und im Osten des Schwarzwaldes die
Trias und der Jura an das alte crystallinische Gebirge sich anlegt,
so im Osten des Sinai wie im Westen der Nilberge beiderseits
obere Kreide und älteres Tertiär.* ^^
Nun betrachten wir in der That das Rheinthal bei Strassburg.
Die geschichteten Tafeln des süddeutschen Senkungsfeldes und
jene der Niederung von Paris, welche einst über Schwarzwald und
Vogesen hinweg vereinigt waren, sind zur Tiefe gegangen; die
Horste sind stehen geblieben; diese aber durchschneidet der
grosse, aus geradlinigen Brüchen hervorgegangene Graben des
Rheins. Ob diese Ereignisse gleichzeitig waren, oder in welcher
Folge Tafelsenkung an den Seiten und Grabensenkung in der
Hall. 483
Mitte standen, wissen wir nicht. Aber ebenso ragt das alte Ge-
birge am Rothen Meere wie ein Horst aus dem nubischen Sandstein
und den cretacischen und eocänen Tafeln, und ebenso schneidet
mitten durch den alten Horst der grosse erjlhräische Graben. —
Einige Angaben lassen die Vermuthung zu, dass das grosse
Wadi Sirhän im nördlichen Arabien, und insbesondere sein süd-
licher Theil, das Djof, ebenfalls eine Grabenversenkung sei ; Blunt
hat bereits diese Gegend dem Todten Meere verglichen.^^ j)ie
vulkanischen Vorkommnisse des Haurän setzen sich im Westen
des Wadi Sirhän südwärts auf eine unbekannte Strecke fort; im
Osten scheint etwa der 3 1 . Breitegrad ihre Südgrenze zu bezeich-
nen. Was weiter folgt, ist ein weit ausgedehntes Sandsteingebiet
mit treppenförmig hervortretenden Schichtköpfen, wie in der Sahara,
und dieses bildet die ganze steinige Hamada bis zum Euphrat.
Der höchste Theil dieses Sandsteingebietes, etwa 2500 (engl.) Fuss
hoch, liegt knapp an dem Ostrande des Djof und endet mit ziem-
lich steilem Abstürze gegen diese etwa um 600 Fuss tiefer liegende
Fläche. Der flachen Sandsteintafel ist mit auffallend scharfer Ab-
grenzung eine Sandwüste, der grosse Nefud, aufgelagert, aus
welcher Sandsteinkuppen aufragen, welche durch ihre geschwärzte
Oberfläche ebenso ausgezeichnet sind wie jene desTasili in Afrika.
Südlich von dieser Sandwüste sind auch Sandsteinkuppen vorhan-
den, bis endlich am Dj. Aja westlich von Hail und am Dj. Scham-
mar die granitische Unterlage hervortritt. Es ist rother Granit
vorherrschend, und diese Gebirgszüge sind wahrscheinlich als die
Fortsetzung der sinaitischen Höhen anzusehen.
Diese Darstellung Blunt's bestätigt zugleich die Vermuthung,
dass, so wie Syrien im Norden und Oman und die arabische Küste
im Süden, so auch das ganze Innere des Landes einen ähnlichen
Bau besitzt wie Aegypten und das ganze Wüstenland des nörd-
lichen Afrika.
So sehen wir demnach von den atlantischen Küsten, durch
das ganze Wüstenland bis zum Golf von Gabes, dann südwärts
durch die Gebiete der Tuareg, bis über Air hinaus, bis weit süd-
lich von der Oase Kauär, bis Borkü, bis Darfur und noch das
Somäliland in sich begreifend, dann im Norden ganz Aeg}''pten,
Syrien und ganz Arabien bis an den Euphrat umfassend, ein
aS/L Ausdehnung der grossen Wüstentafel.
grosses Stück der Erdoberfläche durch gemeinsame Merkmale aus-
gezeichnet. In diesem ganzen Gebiete herrscht flache Lagerung;
Störungen treten nur durch Senkung, namentlich durch grosse
Grabenversenkungen ein, welche da und dort mit Schleppung an
den Kanten verbunden sind. Tangentiale Bewegung und Faltung
aber fehlt diesem Gebiete nach dem heutigen Stande unserer Er-
fahrungen vollständig. Ebenso fehlt nach dem heutigen Stande
der Beobachtungen diesem ganzen Gebiete, etwa mit Ausnahme
des Antalo-Kalksteins in Abessynien, die ganze Reihe von Ab-
lagerungen zwischen dem Schlüsse der paläozoischen Zeit und der
cenomanen Stufe, und wenn auch eingewendet werden mag, dass
diese ausgedehnten Flächen noch viel zu wenig untersucht seien,
als dass auf ähnliche negative Merkmale Gewicht gelegt werden
könnte, so ist doch zu erinnern, dass in dem Gebiete der mittleren
Sahara, in Aegypten und Palästina die Transgression der Cenoman-
stufe und ihre unmittelbare Auflagerung auf paläozoische oder
noch ältere Felsarten mit Sicherheit auf grosse Strecken hin sicher-
gestellt ist.
Die grosse Wüstentafel reicht also vom atlantischen Ocean
bis an den Euphrat und an den persischen Meerbusen, und so wie
die Lagerung, ist auch die Schichtfolge durch ähnliche Merkmale
gekennzeichnet wie auf der russischen Tafel.
Suez und der Nil. Die erythräische Grabenversenkung ist
im Norden durch die Landenge von Suez, einen schmalen und
niedrigen Strich jungen Schwemmlandes, angefüllt. Trotz seines
sehr geringen Alters und seiner ganz unbedeutenden Meereshöhe
trennt dieser Landstrich zwei von einander sehr verschiedene
Meeresfaunen.
Die indische Meeresfauna tritt durch die Strasse Bab-el-Man-
deb in das Rothe Meer, erreicht mit vielen typischen Arten den
Golf von Akaba, ist auch bei Suez vertreten und dringt sogar
landeinwärts oberhalb Suez in eine Reihe abgetrennter Meeres-
becken, die sog. Bittersee'n, ein, welche heute der Schifffahrts-
kanal durchschneidet. Die Ufer des Rothen Meeres zeigen an vielen
Orten, im Süden wie im Norden, die Spuren eines höheren Stan-
des der Strandlinie. Sie muss noch nach der Bildung dos grossen
Die Landenge von Suez. 4^5
Grabens höher gestanden und später gesenkt worden sein. Diese
Spuren bestehen in der Regel aus jungen horizontalen Muschel-
bänken oder aus trockenliegenden Korallenbildungen; auch bei
Suez selbst sind sie vorhanden.
Die lusitanische Fauna der atlantischen Küste bildet, wie wir
an früherer Stelle sahen, den bezeichnenden Theil der medi-
terranen Meeresfauna, doch sind ihr zahlreiche celtische und einige
seltene boreale, arktische und westindische Reste beigemengt.
So erreicht sie, wenn auch nicht eben in reichlicher Vertretung,
den Lido an dem östlichen Rande des Delta's, und vereinzelte
Vertreter derselben lebten bereits vor der Herstellung des Schiff-
fahrtskanales in den landeinwärts gelegenen Lagunen, namentlich
in dem grossen See Menzaleh.
Wie wenig diese für die Thierwelt so wichtige Grenze in der
Gestaltung der Oberfläche ausgeprägt ist, geht daraus hervor,
dass der höchste Rücken, welchen der Kanal zu durchschneiden
hatte, el-Guisr, nur i8 M. hoch ist. In dem Süsswasserkanale,
welcher das Wasser des Nil nach Suez führt und welcher zum
Theile der Linie des alten Süsswasserkanales der Pharaonen folgt,
langt der Fluss in 6*7 M. über dem Niveau beider Meere bei
Ismailia, etwa in der Mitte der Landenge an. Schon vor der Ver-
bindung beider Meere durch den Schifffahrtskanal sah man weit
im Lande Brunnen, deren Wasserstand sich mit den Gezeiten der
Meere hob und senkte, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass, so
wie Rhein und Donau unterirdisch durch eine gemeinsame Grund-
wassermenge verbunden sind, so auch das Rothe und das Mittel-
meer stets durch ein gemeinsames brackisches Grundwasser ver-
bunden waren.
Die gesammte Länge des Schififfahrtskanales beträgt 1 60 Kilo-
meter; zieht man jedoch die Lagunen und die abgetrennten Meeres-
theile ab, welche vom Norden wie vom Süden her in das Land
eingreifen, so vermindert sich die Breite des trennenden Land-
streifens sofort auf weniger als dreissig, wenn man die an den
tieferen Gehängen da und dort erscheinenden Umsäumungen von
gebleichten Muschelschalen in Betracht zieht, auf 20 bis 1 5 Kilom.
Der Kanal durchbricht bei Port Said den schmalen, sandigen
Lido und tritt in den See Menzaleh; die Mündungen des tanitischen
486 Grenze des mediterranen und des erythraischen Gebietes.
und des pelusischen (bubastischen) Nilarmes liegen östlich von
dieser Stelle. Alles Sumpfland gegen Ost bis gegen die Ruinen
von Pelusium hin ist in rascher Verlandung begriffen. Etwa in
Kilom. 37 schneidet der Kanal die Linie des einstigen pelusischen
Armes; er durchquert dann eine schmale Strecke trockenen Landes
bei Kantara und erreicht den See Ballah, die äusserste Lagune
des Mittelmeergebietes, welche südlich von el-Ferdane bis Kilom. 66
reicht. Hier erst verlassen wir das Mediterrangebiet.
Nun kreuzen wir den Rücken el-Guisr und erreichen den
Spiegel des See's Timsah, d. i. des Krokodilsee's, welchen die
Schifffahrtslinie in Kilom. 76 — 80 durchzieht. An dem Ufer dieses
See's erhebt sich die junge Stadt Ismailia, und westlich von der-
selben treffen wir bei Saba'h 'Byar, d. i. bei den Sieben Brunnen,
den Süsswasserkanal. Dieser Punkt entspricht dem Ausgange des
Thaies Gessen, und, wie sich bald zeigen wird, dem Laufe eines
Nilarmes, welcher einstens in der Richtung gegen den See Tim-
sah floss.
Das Flachland im Osten und Südosten des Timsah ist gegen
den See durch Steilränder abgegrenzt, welchen einzelne kleine tafel-
förmige Massen vorliegen; unter diesen erwähne ich das Plateau
der Hyänen im Osten, dann jenes von Tussum in Kilom. 85 und
in dessen Nähe die Stelle, welche Scheich Ennedek genannt wird.
Im Westen von Tussum sieht man eine grössere Gruppe nach
SSW. streichender Dünen und in Kilom. 90 ist das Serapeum er-
reicht. Nahe südlich von diesem, etwa in Kilom. 94 — 95 beginnen
die beiden grossen, vor der Eröffnung des Schifffahrtskanales fast
trocken liegenden Becken der Bittersee'n. Sie nehmen die Strecke
des Kanales bis Kilom. 138 ein, und dieses ganze Gebiet vom
Serapeum angefangen ist der erythraischen Region zuzurechnen.
Nun wird die Schwelle des Schaluf gekreuzt, und durch eine
schmale Furche, in welcher der alte Kanal der Pharaonen liegt,
erreichen wir nahe unter Kilom. 150 die Lagune von Suez und in
Kilom. 160 das Rothe Meer.
Nur dem südlichen Theile dieser Linie und nur von der
Westseite her nähern sich höhere Berge, nämlich Dj. Genef,
in dessen Fortsetzung die Schwelle Schaluf liegt, welche die
Bittersee'n gegen Süd abschliesst, dann Dj. Awebet und der
Lagerung bei Suez. 487
lange Rücken des Dj. Atäka, welcher südlich von Suez mit breitem
und steilem Abstürze an das Rothe Meer tritt (Fig. 43).
Weder in der weithin dem Auge eröffneten Structur dieser
höheren Berge, noch in dem Baue des Flachlandes ist irgend ein
Anzeichen von Wölbung oder Aufrichtung der Schichten bemerk-
bar. Allerdings sind jedoch in den Bergen Senkungsbrüche vor-
handen ; die Meeresschichten des Tieflandes sehen aus, als hätte
sie gestern erst das Meer verlassen.
Im Jahre 1869 wurde mir durch den Khedive Ismail die er-
wünschte Gelegenheit geboten, die wichtigsten Strecken des
Kanales kennen zu lernen. Meine damaligen örtlichen Beobach-
tungen gewannen erst einigen Zusammenhang durch die werth-
voUen Schriften, welche seither über den Isthmus erschienen sind,
und unter welchen ich zuvörderst jene von Laurent,^* Lesseps^^
und Th. Fuchs *° nenne. Aber aufs Tiefste eingeprägt blieb mir
das Bild einer Gegend, in welcher von sehr alter Zeit her die
Folge der Meeresbildungen in durchwegs fast oder ganz horizon-
talen Bänken sichtbar ist, und in welcher man zwei Serien der
flachen Lagerung erblickt, nämlich eine ältere, deren einzelne
Schichten sich normal überlagern, in immer jüngeren Bänken
immerhöhereTheilederBergebildendjbis die jüngsten auf derHöhe
der Tafelflächen liegen, und eine zweite, jüngere Serie, in welcher
sich die Schichten anlagern, und zwar in solcher Weise, dass die
jüngeren in immer tieferen und tieferen Treppen sich an die vor-
hergehenden anschmiegen, so dass endlich die jüngsten Glieder
der zweiten Serie in dem Niveau des Meeres liegen und zugleich
in dem Niveau der ältesten Glieder der ersten Serie. Dabei ist
die angelagerte Serie sicher unter einer sinkenden, und zwar
scheinbar unter einer rhapsodisch sinkenden Strandlinie abgesetzt,
während die aufsteigende Serie hierüber bestimmte Nachweise
kaum gibt, wohl aber sagt, dass bei sinkender Strandlinie ihr Ende
erreicht sein muss, sobald der Wasserspiegel die eigenen Sedi-
mente erreicht. Endlich setzt der Beginn der zweiten Serie in
diesem Falle voraus, dass die vorhergehenden Sedimente zer-
brochen und hiedurch neue submarine Abhänge gebildet seien. —
Auf der Linie des Kanales unterscheidet man, wie gesagt,
ziemlich leicht drei Regionen, nämlich: die mediterrane Region von
Suess, Das Antlitz der Erde. 32
il88 Elemente der Landschaft bei Suez.
Kilom. o — 66, durch den See Menzaleh bis zur Südspitze der
Lagune Ballah reichend, — die mittlere oder neutrale Region, von
Kilom. 66 — 95, welche den See Timsah umfasst, — und die
erythräische Region von Kilom. 95 — 160, d. i. von einem Punkte
südlich vom Serapeum durch die Bittersee'n und die Lagune von
Suez zum Rothen Meere; folgen wir aber Laurent, welcher die
Streifen von todten Muschelschalen an dem Gehänge in Betracht
zieht, so reicht die mediterrane Zone bis Kilom. 68, die neutrale
Zone mit dem See Timsah nur bis Kilom. 83, und der Rest fallt
dem erythräischen Gebiete zu. Ferner erinnern wir uns, dass das
Thal Gessen und der vom Nil herkommende Süsswasserkanal die
Linie des Kanals auf der neutralen Strecke, in der Nähe des See's
Timsah treffen.
Die Landschaft besteht in Summe aus den folgenden Ele-
menten: aus den höheren Bergen im Südwesten, mit den wenig
hervortretenden Resten der IL Mediterranstufe, aus den erythräi-
schen, dann aus den jüngeren Mediterranbildungen, ferner aus
den Ablagerungen des Nil, endlich aus den Dünen und den Neh-
rungen.
Die höheren Berge, den mächtigen Atdka bei Suez, Auwebed
und Gen^f, haben wir als Theile der grossen Kalkzone anzusehen,
welche zur sinaitischen Halbinsel und nach Judäa zieht.
Mittlere Kreide ist das älteste sichtbare Glied; nach den
Fossilien, welche Beyrich vom Auwebed anführt, würde dort die
Schichtfolge bis in's Oligocän reichen.
Auch die 11. Mediterranstufe wurde bereits (S. 41 3) besprochen
und hervorgehoben, dass sie südlich vom Atdka bis in das heutige
Gebiet des Rothen Meeres hervortritt. Dennoch hat damals eine
weitgehende Mengung der mediterranen und der erythräischen
Fauna nicht stattgefunden. Es kann daher an dieser Stelle die ery-
thräische Grabensenkung in ihrer heutigen Wesenheit zur Zeit der
zweiten Mediterranstufe kaum bestanden haben. Beyrich deutet
sogar die Meinung an, dass die Miocänablagerungen selbst sammt
den Gebirgsstöcken durch parallele Bruchlinien zerstückt, d. i.
dass sie nicht in den Thälern abgelagert seien, in welchen man
sie jetzt findet, sondern dass sie älter seien als diese Thäler,
dass sie folglich noch der Serie der aufgelagerten, nicht der an-
Erythräischc Ablagerungen bei Kairo. 4^9
gelagerten Schichten zuzuzählen sei. Dieser Punkt wäre einer
neuen Untersuchung sehr würdig.
Das meiste Interesse knüpft sich aber an die jungen Bildungen
der Landenge. Es ist von vorneherein klar, dass bei einem nur
um etwa i8 — 20 M. höheren Stande der Strandlinie die heutige
Landenge überschritten würde, ja dass in früherer Zeit sich diese
Ueberschreitung bei noch geringerer Höhe der Strandlinie voll-
ziehen musste, da ein guter Theil der heute vorhandenen Land-
rücken nur aus Sandwehen besteht.
Die erste und sehr auffallende Thatsache, welcher wir be-
gegnen, ist die zuerst von Beyrich hervorgehobene, seither auch
von Th. Fuchs anerkannte Verwandtschaft der allerdings bisher
nur durch wenige Arten vertretenen Fauna der Sandablagerungen
bei den Pyramiden von Ghizeh mit jener des Rothen Meeres.
Diese Sandablagerungen bilden den Steilrand der Wüste gegen
das Nilthal. Die Sphinx ist in ihre verhärteten Lagen einge-
schnitten. Zittel gibt die Höhe der Anlagerung mit 64 M. an,
und dieselbe Höhe verzeichnet Schweinfurt für den oberen Rand
einer Zone von Pholadenlöchern, welche er an den Abhängen
des Mokattam oberhalb Kairo verfolgt und als dieser Phase
zugehörig erkannt hat.** Die Schalen von Ostrea Forskali und
Pecten erythraeus, welche im Rothen Meere leben, liegen in die-
sem Sande.
Es tritt also in der That eine Scholle von erythräischem Typus
oder doch eine solche, die mehrere bezeichnende erythräische
Arten umfasst, in das Gebiet des heutigen Mittelmeeres.
Wir betreten nun den Isthmus.
Th. Fuchs unterscheidet an den Bittersee^n ein tiefer liegen-
des, jüngeres Gebiet von wellenförmiger Oberfläche, welches sich
nicht mehr als etwa 8 M. über den Meeresspiegel erhebt, und ein
dahinter Hegendes Terrassenland mit concentrischen Steilrändern.
Der höchste von Fuchs besuchte Punkt lag in etwa 14 M. See-
höhe, doch mochten gegen Osten weitere Stufen wohl die doppelte'
Höhe erreichen. Die meisten Conchylien lieferte Plateau Kabret,
etwa 8 M. über der umgebenden Wüste und 5 Kilom. östlich vom
See, auf der ersten Stufe des Terrassenlandes. Hier fanden sich
erythräische Meeresconchylien, zugleich jedoch einige wenige
32*
AQO Einstige Verbindung des Meeres bei Suez.
dem Rothen Meere fremde Formen, insbesondere Ostrea pseudo-
crassissima, ganz der bekannten Form aus mediterranen Tertiär-
bildungen gleichend, und zwei lebend nicht bekannte Pectines,
ferner Süsswasserconchylien, welche heute am oberen Nil leben,
wie Etheria semilunata und Spatha nilotica, von welchen später
mehr zu sprechen sein wird.
In geringer Höhe über den Bittersee'n findet sich also die
erythräische Fauna, begleitet von einigen erloschenen Typen, von
welchen wenigstens eine Art entschieden mediterranen Charakter
trägt, und zugleich erscheinen Conchylien des Nil.
Nun begeben wir uns an die Ufer des Rothen Meeres.
Neue Beobachtungen von HuU, über welche erst eine kurze
Nachricht vorliegt, haben gezeigt, dass bei Suez Spuren eines
alten Meeresstandes in beiläufig 200 (engl.) Fuss über dem heu-
tigen Meere sichtbar sind; dies stimmt sehr nahe mit der Höhe
der Pholadenzone bei Kairo.
Weit vollständiger sind die Berichte über die noch jüngeren
und daher tieferen muschelführenden Lagen bei Suez.
Es hat sich Issel der dankenswerthen Aufgabe unterzogen,
die organischen Ueberreste derselben zu untersuchen und mit der
heutigen Fauna zu vergleichen.'*^ Obwohl diese Muschelbänke
nur wenige Meter über dem Meere liegen, vollkommen horizontal
sind, die Bivalven in der Regel in ihrer natürlichen Lebensstellung
enthalten, und obwohl einzelne Arten in denselben noch ihre ur-
sprüngliche Färbung erkennen lassen, ist doch diese Fauna etwas
verschieden von jener, welche heute im Golfe von Suez lebt. Es
wurden im Ganzen 2^2 Arten in diesen Ablagerungen getroffen
und von diesen sind 18 Gattungen und 105 Arten nicht als im
Golf von Suez oder in jenem von Akaba lebend bekannt. Da-
gegen finden sich eilfechte mediterrane Arten vor; andere werden
wahrscheinlich in entfernteren Theilen des Rothen Meeres noch an-
getroffen werden.
Ohne weiter in die Einzelheiten des Vergleiches einzugehen,
begnügen wir uns mit der Thatsache, dass selbst bei dieser ge-
ringen Höhe der Strandlinie über dem heutigen Meere mediterrane
Arten bei Suez sich der erythräischen Fauna beimengen konnten.
Allerdings müssen wir aber sofort hinzufügen, dass heute bei Suez
Der Süsswasscrkanal der Pharaonen.
491
. mit den erythräischen Typen eine nicht geringe Anzahl von solchen
Arten lebt, welche deutlich stellvertretende Formen von mediter-
ranen Arten und oft von diesen nur durch gar geringe Merkmale
getrennt sind. Unter diesen Umständen trage ich kein Bedenken,
der Ansicht Issel's folgend, diese vicarirenden Arten als abge-
änderte Formen anzusehen. Sie sind junge, durch* Isolifung ent-
standene Arten. Die neuerliche, durch den Ausbau des Schiff-
fahrtskanales ermöglichte Mengung beider Faunen vollzieht sich,
wie Keller gezeigt hat, langsam und fast nur in Bezug auf die litor
ralen Formen.^^
Manche Erscheinungen deuten darauf hin, dass die Senkung
der Strandlinie keine allmälige, sondern vielmehr eine rhapsodische
gewesen sei, wie dies an späterer Stelle auszuführen sein wird.
Man hat aus historischen Quellen, insbesondere aus den Angaben
über den Zug der Israeliten durch das Rothe Meer und den Unter-
gang des Pharaoh Ptah Men geglaubt, den Beweis erbringen zu
können, dass die Bittefsee'n zu jener Zeit noch mit dem Rothen
Meere in Verbindung standen und mit Seewasser gefüllt waren *,
doch sind neue Ansichten über die Linie des Ueberganges her-
vorgetreten und ich wage es nicht, ein Urtheil über diese Frage
abzugeben.
Lesseps hat die auf die ältere Geschichte des Süsswasser-
kanales bezüglichen Angaben gesammelt, welche Herodot, Diodor,
Plinius und Strabo geliefert haben. Für uns ist von Bedeutung,
dass, wie ein Blick auf Herodot's Darstellung lehrt,** das Niveau
des Nil zur Zeit Necho's, des Sohnes Psammetich's, genau das-
selbe war wie heute, denn die Linie des Süsswasserkanales war
dieselbe, welcher auf grössere Strecken hin heute der Süsswasser-
kanal folgt. Strabo erzählt, dass die Bittersee'n durch den Kanal
süss geworden seien, und möglicherweise hängt hiemit die Nach-
richt bei Renaud zusammen, dass nach den Bohrungen, welche in
der Tiefe der Bittersee'n vorgenommen wurden, das stellenweise
bis 7*5 M. mächtige Salzflötz auf Nilschlamm zu liegen scheine.*^
• Diodor meldet, dass Ptolemäus IL Schleussen eingeschaltet
habe zum Oeffnen und zum Schliessen; deshalb heisse jener Theil
des Kanals, welcher sich bei Arsinoe (Suez) ins Meer ergiesst,
der Ptolemäische Fluss. Lesseps ist der Ansicht, dass man da-
492 Schaluf.
mals bei dem kleinen Querschnitte des Kanals das Eindringen der
Fluth des Rothen Meeres gefürchtet habe, dass es sich also um
eine Fluthschleusse handle. Andererseits macht Lesseps aufmerk-
sam, dass in der Nähe des Schaluf der heutige Süsswasserkanal
mit dem alten Kanäle identisch ist, und dass dieser heute mit
einer Schleusse von 3 M. Fall über dem mittleren Niveau des
Rothen Meeres endet. Es sei daher vor eilf Jahrhunderten, nämlich
zur Zeit, als der Kalife Omar den Kanal erneuerte, die mittlere
Höhe des Rothen Meeres um 3 M. höher gewesen als heute.^^
Dass Süsswasserconchylien, wie Etheria und Spatha, welche
heute nur am oberen Nil leben, schon zu jener Zeit in dieser
Gegend vorhanden waren, als noch die Fauna des Rothen Meeres
etwa 7 — 8 M. über dem heutigen Meeresniveau an den Bittersee'n
lebte, wird von mehreren Beobachtern, insbesondere von Th. Fuchs,
angegeben. Es finden sich jedoch über den jüngeren Meeres-
bildungen, wie zuerst Vaillant zeigte, am Schaluf, dann am Se-
rapeum und an einzelnen anderen Punkten südlich vom Timsah,
innerhalb des erythräischen Gebietes sehr regelmässige, mit Ethe-
rienschalen überhäufte Bänke; eine Bildung derselben durch den
Süsswasserkanal allein ist höchst unwahrscheinlich, wie dies schon
Issel mit Recht bemerkt hat. Nun darf aber nicht übersehen werden,
dass der Lauf des Süsswasserkanales im Thale Gessen bis zu den
Sieben Brunnen heraus ohne Zweifel einem alten Arme des Nil
entspricht, und es geht aus den Beobachtungen, welche die Mit-
glieder der französischen Expedition nach Aegypten im Beginne
dieses Jahrhunderts gesammelt haben, mit Bestimmtheit hervor,
dass im Jahre 1800 vor der Wiederherstellung des Süsswasser-
kanales der Nil bei ausserordentlichem Hochwasser dieser selben
Linie folgend, die Sieben Brunnen bei Ismailia erreicht hat. Der
Fluss umspülte sogar die Höhe Scheich Ennedek, südlich vom See
Timsah, fand aber den Abfluss nordwärts in die Lagune Ballah
und gegen das Mittelmeer.*^
Hieraus geht hervor, dass der Krokodilsee Timsah, welcher
mitten auf dem Isthmus liegt, heute noch dem natürlichen In-
undationsgebiete des Nil angehört.
Ziehen wir nun die Summe aus diesen einzelnen Angaben, so tritt
zuerst die Thatsache hervor, dass alle jungen Meeresablagerungen,
Uebersicht der Veränderangen bei Suez. 493
welche den Isthmus zusammensetzen, horizontal liegen, dass der
ganze niedrige Landstrich lediglich durch Verlandung gebildet
zu sein scheint, und dass der Nil wenigstens von einem gewissen
Zeitabschnitte an einen Antheil an dieser Verlandung genommen
hat. Ferner geht hervor, dass bei mehr als sechzig Meter Höhe
die Strandlinie des Rothen Meeres hinausreichte über das Nilthal
und die Ablagerungen von Ghizeh gebildet wurden, welche Pecten
erythraeus und Ostraea Forskali des Rothen Meeres enthalten, —
dass noch bei 8 M. Höhe an den Bittersee'n die typische erythräi-
sche Meeresfauna erscheint, ihr jedoch einzelne erloschene Arten
von mediterranem Charakter und auch Nilmuscheln beigemengt
sind, — dass noch in sehr geringer Höhe über dem Meere bei
Suez in den trocken liegenden Muschelbänken mitten unter den
erythräischen Conchylien mehrere mediterrane Arten vorkommen,
— dass endlich in der lebenden Fauna von Suez eine lange Reihe
von mediterranen Conchylien durch vicarirende Arten vertreten
ist. Es hat also bei höherer Lage der Strandlinie ein Uebergreifen
des Rothen Meeres in das Gebiet des Mittelmeeres stattgefunden;
später ist eine vorübergehende Mengung der Faunen eingetreten
und bei sinkender Strandlinie haben sich dieselben wieder
getrennt. Bei Suez aber sind durch die Abtrennung mediterraner
Individuen nun vicarirende Arten entstanden.
Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass die letzten Be-
wegungen der Strandlinie der historischen Zeit angehören, und
wir werden später angebliche Beweise solcher Bewegungen inner-
halb der beiden letzten Jahrtausende im Mittelmeer antreffen.
Als sicher kann aber gelten, dass der Nil einen Arm durch das
Thal Gessen gegen die Sieben Brunnen sandte, als das Rothe Meer
noch 6 — 8 M. über seinem heutigen Stande war und über die
Bittersee'n heraufreichte. Ebenso sicher ist, dass seither die
Strandlinie gesunken, der Nil aber seinen Stand nicht
wesentlich verändert hat. Nun ist aber das Gefalle des Nil
in seinem Unterlaufe ein äusserst geringes; Fraas nimmt dasselbe
von Assuan bis Kairo mit 1 1 Centim., und von Kairo abwärts
mit 4 Centim. auf den Kilometer, oder i : 9090 und i : 25.000 an.
Der Fluss müsste daher jede Veränderung der Höhenverhältnisse
des Landes empfinden. Es ist allerdings eine Aufschüttung von
z^g^ Beständigkeit des Nil.
AUuvien eingetreten, aber ich theile vollständig das von Fraas
ausgesprochene abfallige Urtheil über alle bisherigen Versuche,
chronologische Ergebnisse aus der je nach den örtlichen Um-
standen höchst verschiedenen Mächtigkeit dieser Aufschüttungen
zu ziehen/*
So wie die horizontale Lage aller den Isthmus aufbauenden
jungen Meeresbildungen verräth, dass ihre Trockenlegung nicht
aus localen, sondern aus Ursachen von sehr grosser Ausdehnung
hervorgegangen ist, so zeigt auch die Lage und die Vergangenheit
des Nil, dass in jüngerer Zeit hier eine örtliche Erhebung des Lan-
des unmöglich stattgefunden haben kann. Die meisten Beobachter
haben dies gefühlt; Laurent, Vassel, Th. Fuchs meinten, der Nil
selbst habe durch sein süsses Wasser die Meeresfaunen getrennt.
Vassel und Fuchs fassen den ganzen Isthmus nur als eine junge
Anschwemmung auf/^ ,Soll man,* fragt Laurent, ,in neuerer Zeit
eine langsame Erhebung annehmen, welche die harte Bank am
Schaluf um 2 M. über den heutigen Stand des Rothen Meeres er-
hob, oder soll man den gleichzeitigen Rückzug beider Meere vor-
aussetzen?* ^^ Ich meine, dass der unveränderte Zustand des Nil
nur die letztere Annahme zulässt.
Allerdings bezieht sich dies nur auf den Unterlauf des Stromes.
Schon bei Selsileh, also noch unterhalb der Katarakte, zeigen
sich Flussconchylien und alte Terrassen nach Leith Adams in
ziemlicher Höhe über dem Strome und weiter aufwärts sind solche
Anzeichen höherer Wasserstände häufig; sie dürften 100 bis 120
Fuss über den Strom erreichen.^' Hieraus folgt nur der Fort-
schritt der Erosion und das Sinken des Stromes mit der Senkung
der Strandlinie. l)as Alter des Nil ist aber ein sehr hohes.
Die Spuren der Nilfauna sind weit ausgebreitet. In den Al-
luvien von Ghenneh im peträischen Arabien traf Bauermann eine
Schale der heute im Nil lebenden Spatha Chaziana und in den
benachbarten uralten Türkisminen trafen sich mit Steinwerkzeugen
Bruchstücke derselben Muschel. ^^
Schon vor Jahren brachte Tristram aus dem See Tiberias
Chromis nilotica, einen bezeichnenden Fisch des Nil und andere
Vertreter der Nilfauna und schloss schon damals auf das hohe Alter
dieser Flussbevölkerung.''^ Lortet bestätigt diese Vorkommnisse ;
Ausbreitung der Fauna des Nil. 495
der Spiegel des See's Hegt nach diesem Beobachter in — 212 M.;
die grösste Tiefe des See's, im Norden gelegen, ist 250 M., so
dass noch hier der Boden die Tiefe von — 462 M. erreicht. Es sind
aber rings um den See Terrassen sichtbar, welche bis zu der Höhe
des Mittelmeerstrandes reichen, und mochte wohl leicht dereinst
eine Verbindung über die Ebene Jezreel bestanden haben.^*
In der Umgebung von Beyrut lebt Trionyx aegyptiacus,
aber die sonderbarste unter dieser Reihe von Thatsachen ist wohl
der Umstand, dass 3 Kilom. nördlich von Cäsarea, an der sumpfigen
Mündung des Nähr e' Zerka oder Krokodilflusses, sich bis heute
das Krokodil des Nil erhalten hat. Plinius kannte hier eine Stadt
Crocodilon, Strabo erwähnte sie, und heute noch trägt eine
Dorfruine diesen Namen; in neuerer Zeit hat Böttger die ein-
schlägigen Nachrichten gesammelt, aus welchen hervorgeht, dass
das Thier nicht selten ist, dass es zuweilen Kinder oder Schafe an-
fällt und dass im April 1877 in der Nähe des Flusses ein 3 M.
langes Individuum erlegt wurde.^^
Diese Erfahrungen werfen zugleich ein unerwartetes Licht
auf die oft und mit vielen begleitenden Einzelheiten wiederholten
Berichte über die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch
den Ritter Deodat von Gozon ausgeführte Tödtung eines be-
schuppten Ungeheuers auf der Insel Rhodos.^^
So liegen die Anzeichen der alten Nilbevölkerung ausge-
streut über das Land; sie ist älter als ein guter Theil des vor-
liegenden Mittelmeeres und älter als der Grabenbruch des Todten
Meeres. Sie ist vielleicht sogar eben so alt als der Uebergang
von der aufsteigenden zu der absteigenden Schichtreihe bei Suez.
Anmerkungen zu Abschnitt V: Die grosse Wüstentafel.
< Pomel, Le Sahara, p. 23, 26 u. an and. Stellen.
2 Rolland, Sur le terr. cr6t. du Sahara septentr. Comptes rend. 1880, XC, p. 1570
— 1578 u. Bull. soc. g6o\. 1881, 3. ser. IX, p. 508—551, pl. XIII — XV; Mission Trans-
Saharicnne, G60I. et Hydrol., Ann. des Mines, 1880, 7. ser. XVIII, p. 152 — 164 u. Karte;
ferner: Roche, Itin^raire de Biskra chez les Touaregs; Comptes rend. 1880, XC, p. 1297;
Sur la g^ol. du Sahara septentr. eb. das. 1880, XCI, p. 890—893.
3 K. A. Zittel, Ueber d. Bau d. libyschen Wüste ; Festrede k. bayr. Ak. Wissensch.
1880; ferner: Beitr. z. Geol. u. Paläont. d. Libyschen Wüste (Expedit, z. Erforschung d.
lib. Wüste im Winter 1873—74 ausgef. v. G. Rohlfs); 40 Cassel, i883.
4 C. V. Fritsch, Ueb. d. geol. Verhältnisse in Marocco; Zeitschr. f. d. ges. Naturw.,
Halle, 1881, 3. Folge, VI, S. 201-207.
5 O. Lenz, Vorlauf. Bericht in Mittheil. Afrik. Gesellsch. 1880, II, S. 100 u. folg.;
Karte in Petermann's Mittheil. 1884; Kurzer Bericht üb. meine Reise von Tanger nach
Timbuktu u. Senegambien; Zeitsch. d. Ges. f. Erdk. 1881, XVI, S. 272 — 293.
6 Rolland, Bull. soc. g6ol. 1881, p. 511.
7 Dru in Roudaire, Rapport sur la derniire Exp6d. des Chotts; 8° Paris, 1881,
?' 45 — 60.
8 Von den zweifelhaften Spuren des Urgo-aptien meine ich keine Erwähnung thun
zu sollen, weil nirgends im Gebiete dieses Vorlandes eine Bestätigung für das Vorkommen
solcher Ablagerungen bis heute gewonnen worden ist.
9 Tagebuch des verstorbenen Dr. Erwin von Bary, geführt auf seiner Reise von
Tripolis nach Ghät u. Air; Zeitschr. Ges. Erdkunde, Berlin, 1880, XV, S. 334 — 4*8.
10 G. Rohlfs, Quer durch Afrika; 8°, 1874, I, S. 238—274; G. Nachtigal, Sa-
hara und Sudan, 8« 1879, II, S. 491—554.
»I Nachtigal eb. das. II, S. III; auch S. 109, schwärzlicher Sandstein der Oase
Kirdi in Borkü. Im Egei sind die Abhänge zu der Niederung terrassirt.
»2 G. Stäche, Fragmente einer afrikan. Kohlenkalkfauna aus d. Gebiete d. West-
Sahara; Denkschr. Ak. Wien, i883, XLVI, S. 369—418, Taf.
i3 Beyrich, Bericht üb. die von Overweg auf d. Reise von Tripoli nach Alurzuk
u. von Murzuk nach Ghät gefund. Versteinerungen; Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1852,
IV, S. 143— 161 ; insb. S. 159, 160.
14 Rohlfs am ang. Orte, I, S. 269.
15 Zittel, Libysche Wüste, S. CXXXI, Note 2.
»6 H. J. Carter, Memoir on the Geol. of the South East Coast of Arabiii; Journ.
Bombay Brauch Asiat. Soc. 1852, IV, p. 21 — 96. Von weiteren Arbeiten über diese Küste
mag W. T. Blanford, Note on Maskat and Massandim, Rep. geol. Surv. Ind. 1872, V,
p. 75 — 77, erwähnt sein, weil dort die Vermuthung ausgesprochen ist, der dunkle Kalk
der Strasse von Hormuzd könne der Trias angehören; Myophoria wird angeführt, aber
auch Exogyra, so dass die vorhandenen Andeutungen sich widersprechen.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. V. Die grosse Wüstentafel. 497
17 P. M. Duncan, A Descript. of the Echinodermata from the Strata on the South-
East. Coast of Arabia, and at Bagh on the Nerbudda; Quart. Journ. geol. Soc. 1865, XXI,
p. 349 — 363.
»8 Die Darstellung V61ain*s, Mission de S. Paul 40 1879, p. 1—92, scheint mir der
älteren Angabc, dass Aden wirklich eine Ausbruchsstelle sei, nicht zu widersprechen. Das
Kalkgebirge dürfte sich landeinwärts bis an den oberen Jura im Lande der südlichen Galla
erstrecken; Rieh. Brenn er's Forschungen in Ost-Afrika; Peterm. geogr. Mitth. 1868, S. 365.
>9 B. Balfour, Bericht vor der Brit. Assoc. im J. 1881; T. G. Bonney, On a
Collect, of Rock Specimens from the Isl. of Socotra; Phil. Trans. i883, vol. 174, a,
p. 273—294, pl. VI, VII.
20 Ferret et Galimier, Voyage en Abyssinie, vol. III, G60I. Die gesammten
älteren Erfahrungen über diese vulcanische Region sind vereinigt in T. £. Gump recht.
Die vulcan. Thätigkeit auf d. Festlande v. Africa, in Arabien u. auf d. Inseln d. Rothen
Meeres, 8° Berl. 1849, S. lo3 — 193.
2» Röchet d*H6ricourt, Bull. soc. g6ol. 1846, 2. s6r. III, p. 541 folg.; Second
Voyage dans le Pays des Adels, 8«, Paris, 1846; Dufr«inoy, Rapport, Comptes rend.
1846, XXU, p. 806 u. folg.
" W. T. Blanford, Observations on the Geol. and Zool. of Abyssinia, 80, Lond.
1870, p. 143 — 2o3 u. geol. Karte.
23 Blanford, eb. das. p. 177, Anmerkung.
24 R. F. Burton, The Gold-Mines of Midian and the ruined Midianite Cities;
8" Lond. 1878.
25 J. Milne, Geol. Notes on the Sinaitip Penins. and Northwest Arabia; Quart
Journ. geol. Soc. 1875, XXXI, p. 1—28.
26 L. L artet, Essai sur la G60I. de la Pal^stine et des contr. avois.; Ann. d.
sciences g6ol. 1869, I, p. 1—116, 149 — 329 u. Karte; und: Exploration göol. de la Mer
Morte, de la PaUstine et de ITdumic; 40 Paris, 1875 P)l dieser Band bildet einen Theil
der Expedition scientif. du Duc de Luynes.
27 Ose. Fraas, Aus dem Orient; geol. Beobachtungen am Nil, auf d. Sinai-Halb-
insel u. in Syrien; 8° Stuttgart, 1867.
28 R. Täte, On the Age of the Nubian Sandstone; Quart Journ. geol. Soc. 1871,
XXVII, p. 404—406. Pomel, Bull. soc. gdol. 1876, 3. s6r. IV, p. 524-529.
29 rAbb6 Raboisson, Contrib. k l'histoire stratigr. du Relief du Sinai, et spe-
cialem, de Tage des porphyres de cette contröe; Comptes rend. i883, XCVI, p. 282 — 285.
30 Zittel, Libysche Wüste, S. LIX.
3» L6on Vaillant, Note s. 1. constitut g^ol. de quelques terr. des env. de Suez;
Comptes rend. 1864, LIX, p. 867—868 u. Bull. soc. g^ol. 1865, 2. s6r.»XXII, p. 277—286.
32 E. Beyrich, Ueb. geognost Beobachtungen G. Schweinfurth's , Sitzungsber.
Akad. Berlin, 1882, X, S. 175. Ein Auftreten vulcanischer Gesteine bei Abu Zdbel am
Süsswasserkanale haben Beyrich u. Arzruni beschrieben; eb. das. S. 177, 185, Taf. V.
Figari Bey bezeichnet im peträischen Arabien auf seiner geolog. Karte eine ganze An-
zahl solcher Punkte, diese Angaben entbehren aber noch der Bestätigung.
33 H. Bauermann, Note on a Geol. Rcconnoiss. made in Arabia Petraea in the
Spring of 1868; Quart. Journ. geol. Soc. 1669, XXV, p. 17 — 39, pl. I.
34 Lartet nimmt nur eine sehr flache Wölbung des judäischen Landes an, aber nach
den Einzclangaben bei Fraas S. 72 u. folg. bin ich diesem gefolgt.
35 In Bezug auf die Zeit des Einsturzes und den Vorgang bei dem Grabenbruche
des Todten Meeres mag noch Folgendes erwähnt sein. Bis zur Hohe von etwa loo M.
albü 292 M. unter dem Mittelmcere, ist das Todte Meer von sehr jungen AUuvien um-
gürtet, welche Lartet die »Depots de Li9an' nennt. Diese liegen horizontal, sind dünn-
geschichtet und enthalten Gyps, aber weder organische Reste, noch Spuren vulcanischer
Gesteine, obwohl der östliche Abhang mit basaltischen Ausbrüchen besetzt ist. Lartet
z^(j8 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. V. Die grosse Wüstentafel.
folgert, dass der Bruch älter sei als diese Eruptionen, und unterscheidet unter den Laven
ältere, welche tafelförmig auf den Höhen sich ausbreiten, und jüngere, deren Ströme in
jungen Erosionsthälern liegen. Ist nun der Ostrand des Todten Meeres in der That so
weit erforscht, dass man mit einiger Bestimmtheit von dem Fehlen basaltischer Spuren in
den dortigen Depots de Li^an sprechen mag, worüber mir ein Urtheil nicht zusteht, so
folgt aus der Horizontali tat dieser Ablagerungen ferner, dass alle die jüngeren Ausbrüche
von einer wesentlichen Veränderung der Hauptsenkung nicht begleitet gewesen sind. Die
Erschütterungen gehen bekanntlich bis in die neueste Zeit fort; am Rothen Meere sind
mehrere vulcanische Ausbrüche aus historischer Zeit bekannt.
36 Fraas, Aus d. Orient, S. 33.
37 Wilfr. Scawen Blunt, Notes on the physic. Geogr. of northern Arabia, in:
Lady Anne Blunt, A Pilgrimage to Nejd; 8», 1881; IT, p. 235 — 248. Die eben erschei-
nende Darstellung W.-Arabien's von Doughty macht es wahrscheinlich, dass der Granit
von Hall gegen SW. bis Mekka reiche, und zeigt zum ersten Male die grosse Bedeutung
der vulcanischen Harra's; Travels in N. W. Arabia and Nejd; Proc. geogr. Soc. 1884,
p. 365 — 399, Karte.
38 Ch. Laurent, Essai g6ol. sur les terrains, qui composent Tlsthme de Suez;
extr. de TAnnuaire 1870 de la Soc. des anc. Elfeves de Ec. imp. d*Arts et Md't.; 8°, S. Nico-
las-de-Port, 143 pp. u. 2 Taf.
39 F. de Lesseps, Communic. sur les lacs amers de Tlsthme de Suez; Comptes
rend. 1874, LXXVIH, p. 1740 — 1748; Deuxiöme Note, eb. das., 1876, LXXXII, p. 1 133 — 1 137.
40 Th. Fuchs, Die geol. Beschaffenheit d. Landenge v. Suez; Denkschr. Ak. "Wien,
1877. XXXVni, S. 25-42, 3 Taf
41 G. Schwein furth, Ueb. die geol. Schichtengliederung des Mokattam bei Cairo;
Zeitschr. deutsch, geol. Ges. i883, XXXV, S. 716 u. folg.
42 Ant. Issel, Malacologia del Mar Rosso; 8°, Pisa, 1869, p. 17 u. Catal. delle
Conch. foss. raccolte suUe spiagge emerse del Mar Rosso, p. 245 — 3o3.
43 C. Keller, Die Fauna im Suez-Kanal u. die Diffusion d. mediterran, u. ery-
thräisch. Thierwelt; Neue Denkschr. Schweiz. Ges. i883, XX VIII, 39 SS., 2 Taf.
44 Herodot, Euterpe, II, 157 u. folg.
45 Renaud, Note sur la constit. geol. de l'isthme de Suez; Comptes rend. 1856,
XLII, p. 1 163 — 1167.
46 Lesseps, Comptes rend. 1874, p. 1743; auch Laurent, Essai, p. 63. Hier ist
es nöthig, einige Worte über die Schwelle des Schaluf zu sagen, welche die Bittersce'n
südwärts von der Lagune von Suez und dem Rothen Meere scheidet. Laurent und Lesseps
meinten, einen Sporn der miocänen Schichten des Dj. Gen6f zu sehen; ich fand diesen
nicht und ebensowenig hat denselben Th. Fuchs angetroffen. Im Jahre 1869 wurde es
mir gestattet, diesen Theil der Berme des Kanals durch eine kleine Grabung blosszulegen,
aber allerdings war der Kanal bereits mit dem Meere in Verbindung, und ich habe daher
den tieferen Theil von Laurent's Profil nicht gesehen. Was ich antraf, war blauer, gyps-
reicher Thon, über demselben, gegen Nord geneigt, gegen oben sich auskcilend, eine harte
braungelbe Bank, welche hauptsächlich aus zelligem Gyps bestand und die Kante einer
grösseren schalenförmigen Gypsablagerung zu sein schien und an deren Oberfläche etwa
1-5 M. über dem Meere Bohrlöcher sichtbar waren; darauf folgte wieder blauer Thon
und Gyps.
47 Den sonst sehr schätzenswerthen Beobachtungen der grossen wissenschaftlichen
Expedition, welche Napoleon I. nach Aegypten begleitete, liegt leider ein ganz irrthüm-
liches Nivellement zu Grunde.
48 Fraas, Aus d. Orient, S. 212.
49 Th. Fuchs, Ueb. d. geol. Beschaffenheit d. Landenge von Suez u. d. Amur-
Liman im Nord-japanischen Meere; Verhandl. geol. Reichsanst. 1881, S. 178— 181; die
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. V. Die grosse Wüstentafel. 499
ältere Aasicht von der P>hebung des Landes wurde vertreten von Ferret et Galimier,
Note sur Ic Soul6vement des Cötes de la Mer Rouge et l'ancicn Canal des Rois 8»
Paris, 1847 (*^^ ^' Voy. en Abyssinie).
50 Laurent, Essai g6ol. p. 17.
51 A. Leith Adams, Notes on thc "Geol. of a Portion of the Nile Valley north
of the 2 d Cataract in Nubia , taken chiefly with the View of induc. further Search for
fluviat. Shells at high Icvels; Quart. Journ. geol. Soc. 1864, XX, p. 6—19.
52 Bauermann am ang. O. Quart. Journ. 1869, XXV, p. 35. Die Muschel hat
offenbar den Arbeitern als Nahrung gedient; diese Gruben, am Wadi Maghara gelegen,
welcher in W. Ghenneh mündet, wurden nach Lepsius bereits im vierten Jahrtausend
vor Chr. entdeckt u. durch eine Arbeitercolonie ausgebeutet; dess. Briefe aus Aegypt.,
Aethiop. u. d. Halbinsel des Sinai, 8", 1852, S. 336.
53 A. Günther, Rcp. on a Collect, of Reptiles and Fishes from Palestine; Pro-
ceed. Zool, Soc. 1864, p. 488 — 493; H. B. Tristram, Nat. bist Review, 1865, XII,
p. 541 — 544 u. an and. Ort.
54 Lortet, Dragages profondes ex6c. dans le lac de Tib6riade (Syrie); Comptes
rend. 1880, XCI, p. 500 — 503. — Es ist unter Berufung auf ältere Beobachtungen Tristram's
angenommen worden, dass Terrassen am Rothcn Meere die Hohe der Schwelle von Ara-
bah erreichen, und dass einstmals ein südlicher Abfluss stattgefunden habe (Nature,
March 19, i883, p. 520), aber Lartet's genaue Angaben (z. B. Bullet, soc. g6ol. 1865,
2. ser. XXV, p. 448 u. folg.) weisen nicht nach dieser Richtung und es ist sehr unwahr-
scheinlich, dass die hohe südliche Schwelle überschritten worden sei, da doch dem See
von Tibcrias in tieferem Niveau ein Ausgang zum Mittelmeere gegeben war.
55 Osk. Böttger, Die Reptilien u. Amphibien von Syrien, Palästina u. Cypern;
Bcr. Scnckenberg. naturf. Gesellsch. 1879 — 80, S. 199 — 206 u. Karte des Nähr e' Zerka,
Taf. IV. Der ,Leviathan* bei Hiob, Cap. 40 u. 41 ist sicher das Krokodil, aber es kann
daraus kaum eine Berufung auf das Thier des Nähr e' Zerka gefolgert werden, weil der
zugleich besprochene ,Behemoth* offenbar das Nilpferd ist. Beide Thicrc hat schon Sam.
Bochart, Hierozoicon, fol« 1563, II, p. 753 — 796 ganz richtig gedeutet. Hierüber auch
K. Schlottmann, Das Buch Hiob, 8°, 1851, S. 490—503.
56 Wir besitzen hierüber insbesondere eine ausführliche Erzählung in Jac. Bosio,
Istoria dcUa sacra Religione et 111™* Militia di San Giovanni Gierosolomit. Fol» Roma,
1594, U, p. 45 — 47. Das Ereigniss soll sich an einer Quelle unter dem Hügel des Kirch-
lein's S. Stefano an der Strasse von der Stadt nach Casali, und zwar unter dem Gross-
meister Heiion de Villanuova (i322 — 1346) zugetragen haben. Bosio's Erzählung enthält
alle jene dem Kampfe vorangehenden und nachfolgenden Einzelheiten, welche in dem Ge-
dichte F. V. Schiller's Raum gefunden haben. Abgesehen von manchen Abenteuerlich-
keiten in der Beschreibung des Thieres ist zu erwähnen, dass der Ritter sich demselben
durch das Wasser nähern musste, dass er vom Pferde steigen musste, um es zu bekämpfen,
und dass die minder stark beschuppte und verwundbare Stelle sich unter dem Halse befand.
SECHSTER ABSCHNITT.
Das gebrochene indische Festland.
Südafrika. — Die ostindische Halbinsel. — Madajjascar. — Uebersicht.
Oüdafrika. Die Lothungen in der Nähe des Caplandes
haben gezeigt, dass die östliche wie die westliche Küste Süd-
afrika's weit steiler zur Tiefe sinken als der südlichste Theil,
welchem die Agulhasbank vorliegt. Die Hundert-Fadenlinie ent-
fernt sich etwa vom Cap der guten Hoffnung im Westen und von
der Algoabucht im Osten mehr und mehr von dem Umrisse des
Festlandes, umfasst die Agulhasbank und reicht etwa zwei Breite-
grade südlich vom Festlande in das Meer hinaus/
Die Hundert-Fadenlinie stimmt also nicht mit dem stumpfen
Umrisse der Küste überein, sondern verlängert denselben gegen
Süd. Es lässt ferner jede bessere geographische Karte erkennen,
dass auch der Verlauf der Höhen im Innern des Landes zwar deut-
lich in Beziehungen steht zu dem Verlaufe der Küste, dass jedoch
eine wesentliche Abweichung auch hier besteht. Eine Reihe
paralleler Züge läuft von der Algoabucht oder der Küste zwischen
der Algoabucht und Cap Agulhas gegen West und beiläufig in
der Gegend von Worcester, NO. von der Capstadt, beugt sich
das Streichen derselben, dem Verlaufe der Küste entsprechend,
gegen NNW. in die Richtung von Namaqua-Land. Hieher ge-
hören die Winterhoekberge, Lange Berge, die grossen und kleinen
Zwarteberge, Witteberge, weiterhin die Berge des Cold Bokkeveld,
Utnriss von Südafrika. 5^^
die Cedarberge und Andere. Diese Bergzüge bilden eben so
viele Umwallungen des inneren Hochlandes, der Karoo; da sie
jedoch zwischen Algoabucht und Cap Agulhas gegen das Meer
ausstreichen, ist gleichsam im Südosten ein zu wenig an Festland,
im Südwesten ein zu viel vorhanden und dem Cap der guten Hoff-
nung fehlt ein entsprechendes Gegenstück an der Ostseite des
Festlandes.
Diese Asymmetrie des Umrisses ist in dem Baue des Landes
begründet und tritt auf den geologischen Karten deutlich hervor.
Bain hat diesen Umstand schon vor Jahren im Wesentlichen richtig
dargestellt' und noch deudicher zeigt er sich auf Dunn's Karte
von Südafrika.''
Die Gesteine der Höhenzüge, welche zwischen Cap Agulhas
und Algoabucht unter das Meer gesunken waren, finden zum
Theile ihre Fortsetzung in Natal, während an der Zwischenstrecke,
zwischen Great Fish River und S, John's River, hauptsächlich in
Brit. Kaffraria, die Bildungen der Karoo aus dem Innenlande bis
an's Meer reichen und keine vorliegende Umwallung von parallelen
Bergzügen sie umgibt. Wo diese Umwallung aber vorhanden ist,
besteht sie aus den ältesten Felsarten, während gegen Innen jüngere
/
502 Schichtfolge in Südafrika.
Bildungen liegen, und die grossen Sandsteintafeln der Karoo,
welche in Brit. Kafifraria ans Meer kommen, sind die jüngsten
Glieder dieser Serie, so, dass das ganze Land einer grossen Schale
gleicht, deren Rand die älteren Gesteine bilden, welcher Rand
aber in ungleichförmiger Weise zur Tiefe gebrochen ist. Gegen
das Cap der guten Hoffnung ist derselbe in seiner grössten Breite
sichtbar; in Brit. Kaffraria ist er ganz verschwunden. Der Sand-
stein des Tafelberges ist eine transgredirende Scholle auf dem
Umwallungsgebirge.
So tritt also die Asymmetrie und mit derselben die Bedeu-
tung der Einbrüche für dieses Stück Festlandes schon bei dem
ersten Anblicke der Karte hervor. ,Der Tafelberg-Sandstein',
schrieb vor Jahren F. v. Hochstetter, , bildet gewissermassen den
Rand der grossen Continentalplatte, welche aus den zonenförmig
oder beckenförmig über einander gelagerten Formationen der
grossen Karoo besteht; dieser Rand ist in vielfachen parallelen
Bruchlinien niedergebrochen und die Küstenlinie selbst bezeichnet
wohl nur die am tiefsten gehende Bruchlinie.* ^
Es sind drei tektonische Glieder vorhanden.
Das erste Glied bilden die archaischen Felsarten und paläo-
zoische Ablagerungen, aus welchen in der Capcolonie marine
Devonversteinerungen und carbonische Pflanzenreste bekannt sind ;
sie sind gefaltet und erodirt; sie bilden die mehrfach erwähnten
Umwallungsberge und den Sockel des Tafelberges und erreichen
in Namaqua-Land, in Griqua-Land West und in der Kalahara
grosse Ausdehnung.
Das zweite Glied sind die Karoo- Ablagerungen. Ihrem Alter
nach reichen sie von der permischen Zeit in die Trias; sie sind
mehrere tausend Fuss mächtig, liegen flach auf dem alten gefal-
teten Gebirge und haben noch niemals eine Spur von Meeres-
thieren geliefert.
Das dritte Glied endlich besteht aus jüngeren, marinen An-
lagerungen der mesozoischen Zeit; sie sind noch niemals auf der
Höhe der inneren Tafelgebirge und überhaupt noch niemals in
allzu grosser Entfernung von der heutigen Meeresküste angetroffen
worden; sie nehmen nur geringen Einfluss auf die Gestaltung des
Continentes und ich werde sie erst an späterer Stelle besprechen.
Die Karoo. 5^3
Die grösste Wichtigkeit erlangt für das Innere des Landes
das zweite Glied, die Ablagerungen der Karoo. Sie beginnen in
der ganzen Capcolonie und in Natal, wie namentlich bei Pieter-
Maritzburg, mit einer zuweilen sehr mächtigen Anhäufung grosser
Blöcke, welche zuerst Sutherland als von Eis herbeigetragen dar-
stellte und der permischen Eisdrift England's verglich.^ Sie werden
als Dwyka-Conglomerate bezeichnet und bilden einen Theil
der tiefsten von Bain unterschiedenen Gruppe, der Ecca-Beds.
Ueber ihnen liegen die unteren Karoo- oder Koonap-Sandsteine
und Schiefer, welche in Klein-Roggeveld und an anderen Orten zahl-
reiche fossile Bäume enthalten. Die nächstfolgenden Ablagerungen
sind die weit ausgebreiteten oberen Karoo-Sandsteine oder
Beaufort-Beds; sie umschliessen neben Glossopteris Browniana
und vielleicht Phyllotheca indica, stellenweise Reste von Palaeo-
niscus, insbesondere aber Dicynodon, Oudenodon, Galesaurus,
dann Micropholis und andere fremdartige Reptilien. Ihnen sind
die Stormberg-Beds aufgelagert, weisse und gelbliche Sand-
steine, mit grauen und röthlichen Schieferlagen und häufig kohlen-
führend. Diese enthalten auch Reptilienreste, doch scheint Dicy-
nodon zu fehlen ; aus diesen Ablagerungen dürfte der bei Thaba-
chou, Basuto-Land, gefundene Rest eines Säugthieres, des Trity-
lodon longaevus, stammen.^
Diese flachgelagerten Sandsteinmassen enthalten zahlreiche
Decken vulkanischer Gesteine, welche als porphyritische Mandel-
steine, als Melaphyr, Trapp, Basalt oder als Grünstein von den
verschiedenen Autoren bezeichnet werden und in neuerer Zeit
vielfach der Gegenstand petrographischer Untersuchungen ge-
wesen sind. Sie scheinen von sehr mannigfaltiger Beschaffenheit
zu sein ; sie sind oft die Veranlassung zu auffallenden Stufen an
den Abhängen der Tafelberge und setzen auch häufig die höch-
sten Theile, gleichsam das Dach derselben zusammen. So bildet
nach Stow ein Bruchstück einer solchen I^ecke den grossen Ab-
sturz unter dem Gipfel des Hangklip, welcher südlich von den
Stormbergen weit und breit die Gegend überragt,^ und ebenso
besteht der Kamm eines grossen Theiles jenes gewaltigen Ab-
sturzes, mit welchem die Quathlamba- (Draken-) Berge ostwärts
gegen Natal abfallen und auch der höchste Theil desselben, der
Suess, Das Antlitx der Erde. 33
^OA Namaqua-Land.
auf etwa i o.ooo Fuss geschätzte Mont-aux-Sources, nach Gries-
bach aus der Kante einer solchen Decke.^
So scharf sich nun im Allgemeinen die flachgelagerten Massen
der Karoo von dem Dwyka-Conglomerate bis zu den Stormberg-
Beds von der gefalteten Unterlage abtrennen mögen, gibt es doch
nach den vorliegenden Darstellungen noch eine schwierige und
nicht ganz gelöste Frage. Es treten nämlich an dem Tafelberge,
sowie weit davon in Natal, unmittelbar über dem gefalteten Ge-
birge transgredirende oder doch scheinbar transgredirende Sand-
steinmassen auf, welche älter sind als die Karoo-Sandsteine und
vielleicht eine dem Dwyka-Conglomerate vorangegangene Trans-
gression anzeigen ; sie werden von Griesbach und Anderen als
Tafelberg-Sandstein bezeichnet. —
Die Faltungen des älteren Gebirges, welches, wie wir sahen,
im Süden des Continentes in der Gestalt umwallender Rücken der
grossen Tafelmasse der Karoo-Sandsteine vorliegt, streichen zu-
erst westlich von der Algoabucht von OSO. gegen WNW., weiter-
hin von Ost nach West, entsprechend dem Verlaufe der Berg-
rücken, und auch der Südrand des Sandsteingebietes verläuft
nahezu in derselben Richtung.^ Etwa von der Capstadt an folgt
dieses ältere Gebirge der Westküste gegen Nord, und in Nama-
qua-Land bildet Gneiss den grössten Theil der Oberfläche, doch
liegen demselben vereinzelte Schollen des horizontal gelagerten
Tafelberg-Sandstein's auf.'° Diesem ausgedehnten Gneissgebiete
folgt ostwärts ein paläozoisches Gebiet, welches die westliche
Hälfte von Griqualand West umfasst, und dessen Bau, obwohl es
bisher noch keine fossilen Reste geliefert hat, dennoch durch
Stow in seinen wesentlichen Grundzügen bekannt geworden ist ;
Anderson's Karte der Kalaharawüste lässt die nördliche Fort-
setzung der von Stow unterschiedenen Gebirgsglieder erkennen."
Wir gehen zur Verfolgung dieser wichtigen Arbeiten von
einem leicht erkennbaren Punkte, der Einmündung des Vaal in
den Oranjefluss, aus. Von diesem Punkte zieht in der Richtung
gegen Nordost, erst dem Vaalflusse parallel, dann dem Laufe des
Haartflusses folgend, eine beträchtliche Stufe durch das Land,
welche die Grenze des paläozoischen Gebirges gegen die ostwärts
ausgebreiteten horizontalen Ablagerungen bezeichnet. Diese Stufe
, Griqua-Land. 5^5
Wird als Campbell-Range bezeichnet; sie ist aber keine Kette,
sondern der Rand einer ausgedehnten, wie es scheint, mehr oder
minder schildförmigen Fläche und besteht aus den Schichten-
köpfen einer mächtigen kieselreichen Kalksteinablagerung; an
ihrem Fusse kommen da und dort Reste einer noch älteren, steil
aufgerichteten Schichtenreihe zum Vorschein.
Wir ersteigen nun, etwa von Campbelltown ausgehend, den
Abhang von Campbell-Range und kreuzen das breite Kalkgebiet
bis Griquatown. Hier ist der Kalkstein zu Ende und folgen, gegen
NNO. streichend, die langen Züge der Griquatown- (Kuruman-)
Range. Diese bestehen aus Kieselschiefer, führen Magneteisen-
stein und von dem südlichen Theile wird Asbest angeführt; diese
Range ist es, welche in dem scharfen, gegen Süd gerichteten Knie
des Oranjeflusses bei Prieska durchbrochen wird. Griquatown-
Range reicht im Norden weit über Griqualand hinaus; im Süden
jenseits des Oranjeflusses findet sie ihre Fortsetzung in dem gegen
Südost streichenden Doornberge; diese Zone des Gebirges ist auf
eine Länge von mehr als zwei Breitegraden bekannt.
Es folgt derselben gegen West bei Moss Fontein und Angeluk
ein Gebiet von Feldspathgesteinen und Mandelstein von beträcht-
licher Ausdehnung und vielfach von rothem Sand bedeckt. Hier-
auf erreicht man noch weiter im Westen die langen Rücken der
Matsäp- und Klipfonteinberge, welche aus altem, gefaltetem
Quarzit zusammengesetzt sind und der Griquatown- Range parallel
gegen NNO. streichen. Sie sind nur die Vorketten des Lange-
berges, jenes merkwürdigen Zuges, welcher zwischen Bul Fontein
und Kheis vom Oranjeflusse durchquert wird, und welcher, aus
dem Süden herübertretend, erst den früher genannten Zügen pa-
rallel gegen NNO., weiter im Norden aber in der Richtung des
Meridian's sich weit gegen Nord, nach Anderson's Karte sogar,
den östlichen Theil der Kalaharawüste begleitend, bis in die Nähe
des 22. Breitegrades erstreckt. Demnach würde die Länge des
Langeberges etwa sieben Breitegrade betragen. Soweit er er-
forscht ist, besteht dieser merkwürdige Zug, sowie die unmittelbar
vorhergenannten, aus gefaltetem oder sehr steil aufgerichtetem
Quarzit, welchen Stow, allerdings nur vermuthungsweise, für de-
vonisch hält. Nun erreicht man die Ausläufer der Sandwüste und
33*
506 Grenze des Karoo-Sandstcin\s.
bei Kheis schieferige Felsarten, deren Anschluss an den Gneiss
von Namaqualand nur in sehr unvollständiger Weise bekannt ist.
Es geht aus diesen Beobachtungen hervor, dass in der Mitte
des Continentes ein ausgedehntes gefaltetes paläozoisches Gebiet
vorhanden ist, welches gegen Nord oder Nordnordost streicht,
und entweder durch Zerstörung der Karoo-Ablagerungen bloss-
gelegt wurde, oder, wie Stow meint, die ursprüngliche Umgrenzung
dieser Ablagerungen bildete. Die Kalaharawüste scheint ganz
oder doch zum grössten Theile diesem paläozoischen Gebiete an-
zugehören.
Nachdem dies festgestellt ist, wenden wir uns zu den flach
gelagerten Massen der Karoo.
Der Verlauf des geschlossenen Südrandes ist auf Fig. 44 aus
den Zügen des Dwyka-Conglomerates ersichtlich; über demselben
erhebt sich der untere, hierauf der obere oder Beaufortsandstein,
welcher weit und breit die Oberfläche des Landes bildet. Im Westen
sind ihm nur einzelne Schollen der Stormberg-Beds aufgelagert,
während dieselben im Osten eine zusammenhängende Decke bilden.
Den südlichen Rand der grossen Sandsteinregion begleiten
in der Cap-Colonie Khprug Kop bei Calvinia, Schoorstein Berg,
Schildpad Kop, Spitzkop und viele andere; der grosse Winterberg
gehört dem Sandsteingebiete an. Das Dwyka-Conglomerat er-
reicht in der Nähe der Mündung des Great Fish River das Meer
und taucht bei S. John's River nördlich von Kafifraria wieder aus
demselben hervor. Zwischen diesen beiden Stellen tritt, wie wir
bereits sahen, die Sandsteinmasse an das Meer.
Der Ostrand der Sandsteinmasse ist sehr scharf bezeichnet
und läuft durch Natal, durch Zulu-Land und das östliche Transvaal
bis in die unmittelbare Nähe des Olifantflusses ; er lässt sich von
31° 30' bis etwa 2^° 15', also durch mehr als sieben Breitegrade
verfolgen. Von Westen her steigt das Tafelland an, und dann
senkt es sich plötzlich gegen Natal herab. Es ist bereits gesagt
worden, dass die Quathlamba- oder Drakenberge die östliche
Kante des Tafellandes bilden, dass sie in dem etwa 10.000 Fuss
hohen Mont-aux-Sources ihre grösste Höhe erreichen, und dass
eingeschaltete Effusivdecken die Kante, wie die aufgesetzten
Gipfel bilden.
Quathlamba. 5^7
Bei der näheren Betrachtung dieser wichtigen Linie folgen
wir nun für Natäl den Darstellungen von Griesbach," für die
Gegend zwischen Lydenburg und der Delagoabucht jenen von
Cohen. *^
Zuerst ist zu bemerken, dass diese Linie keine gerade ist; es
tritt insbesondere im Quellgebiete des Tugela eine grosse Aus-
buchtung ein, durch welche der Kamm gegen West verschoben
wird, obwohl er weiter im Norden wieder beiläufig dieselbe Rich-
tung annimmt, welche er durch Natal verfolgte. Weiter im Norden
endet er vor dem Olifantflusse, und während das Plateau von
Lydenburg etwa 1800 — 1900M. misst, und viele Höhen sich auf
demselben über 2000 M., der Mauchberg sogar bis 2660 M. er-
heben, liegt tief unten in 600 M. der Lauf des Olifant.
Trotz seiner Ausbuchtungen ist dieser Ostrand des Sandstein-
gebirges in Natal und Zululand gewiss, nach aller Wahrscheinlich-
keit aber auf seiner ganzen Länge, durch einen sehr grossen Ab-
bruch bedingt, wie dies Rehmann richtig erkannt hat.*** Es geht
dies für mich aus dem Umstände hervor, dass tief unten an der
Ostküste von Natal und auch an nördlicheren Stellen die abge-
sunkenen Schollen des Dwyka-Conglomerates und der Karoo-
sandsteine angetroffen werden. Dies ist auch der Grund, warum
auf Fig. 44 in Natal noch eine östliche Zone von Dwyka-Con-
glomerat sichtbar ist.
Verfolgen wir das Querprofil der Quathlambakette und des
Vorlandes in Natal.
Vom Mont-aux-Sources fällt das Gebirge nach Griesbach in
grossen Stufen zur Tiefe, welche den Schichtenköpfen der Karoo-
Ablagerungen und den Enden der eingeschalteten Decken ent-
sprechen. Bei Pieter Maritzbürg sind schiefrige Lagen erreicht,
welche den tieferen Horizonten eigen sind. Sie gehen nach ab-
wärts ziemlich allmälig in das Dwyka-Conglomerat über, welches
den Fuss des grossen Gehänges umsäumt. Dieses Conglomerat
liegt ungleichförmig auf einem älteren, aber auch flachgelagerten
Quarzit, welcher dem Tafelbergsandstein des Cap's der guten
Hoffnung mit vielem Grunde gleichgestellt wird. Er bildet unter
dem Quathlamba einzelne ausgezeichnete Tafelberge, wie z. B. den
Krantzkop am Tugela. Unter diesem Quarzit entblössen die Flüsse
508 Grosser Bruch in Natal.
an vielen Orten alte gefaltete Schiefer und den Gneiss. Dieser ist
die Grundlage der ganzen Serie. Bevor aber nun ostwärts das Meer
erreicht wird, tritt neuerlich das Dwyka-Conglomerat auf und dem-
selben folgen an dem Meeresufer selbst vereinzelte Schollen von
Karoosandstein. Ihre Schichtung ist seewärts geneigt. Die Klippe,
auf welcher der Leuchtthurm des Hafens von Durban erbaut ist,
besteht aus den seewärts geneigten Bänken einer solchen Scholle,
deren Fortsetzung hoch oben in den Schichtenköpfen zu suchen
ist, aus welchen der Abhang der Ouathlamba aufgethürmt ist.
Hieraus geht hervor, dass die Karoo-Ablagerungen sich einst
viel weiter gegen Ost ausdehnten, und dass die Schollen an der
Meeresküste abgesunken sind an einem oder an mehreren grossen
Brüchen, aber die heutigen Abhänge der Quathlamba sind nicht die
Bruchflächen. Die grosse Ablösung des jetzt an und unter dem Meere
liegenden Theiles des Festlandes erfolgte weit näher an der heuti-
gen Uferlinie und spätere Denudation hat den Absturz gemildert
und die Kante desselben allmälig landeinwärts geschoben. Diese
Denudationskante ist die Quathlambakante ; das Quellgebiet des
Tugela arbeitet heute noch an ihrem Zurückschieben und auf der
ganzen Linie sind solche Kräfte wirksam. So hoch heute derMont-
aux-Sources sich auch über den Leuchtthurm von Durban erheben
mag, die ursprüngliche Höhe der Bruchkante über dem Meere ist
sicher eine noch grössere gewesen.
Dieselben wesentlichen Züge lässt der Abhang der Ouath-
lamba inl Norden erkennen. Begleiten wir zu diesem Ende Cohen
auf der Reise von Lydenburg an die Delagoabucht.
Sobald östlich von Spitzkop der Rand des Plateau's erreicht
ist, ändert sich die Landschaft. An die Stelle steiler Tafelränder
und Schluchten treten Kuppen und muldenförmige Thäler; dieses
ist das Granitgebiet. Dasselbe fällt in einigen steilen Stufen ost-
wärts ab. Im Osten davon, in den Umswasibergen, in der Nähe
des Ingwanyaflusses, treten zum ersten Male seit dem Verlassen
des Hochgebirges wieder geschichtete Gesteine auf, und zwar
Quarzsandstein, dann mürber, schwarzer Schiefer, welche beide
mit den Gesteinen des grossen Plateau's grosse Aehnlichkeit zeigen.
Der östlich folgende, lange Zug der Lomboboberge besteht aus
Felsitporphyr.
Diamantengniben. C OQ
Es ist sehr möglich, dass die Schichtgesteine der Umswasi-
berge den abgesunkenen Schollen an der Küste von Natal ent-
sprechen. Machado hat noch östlich von dem Lombobozuge
seewärts mitten in dem Flachlande vereinzelte Sandsteinberge an-
getroffen.'^
Während auf diese Weise der südliche und. der östliche Rand
der Karoo-Ablagerungen scharf begrenzt sind, verengt sich die
Masse derselben gegen Nord und ist der westliche Rand durch
breite Denudationsbuchten getheilt. Eine Beschreibung der Un-
regelmässigkeiten des westlichen Umrisses liegt jedoch nicht in
meiner Absicht. Schon haben wir gesehen, wie in Griqua die pa-
läozoischen Gesteine vom Westen her bis an den Ostrand der
Campbell-Range (Kaap-Plateau bei Jeppe) vordringen. Die Karoo-
Ablagerungen, welche sich in wagrechten Lagerungen an diesen
Rand schliessen, bestehen aus schiefrigen Gesteinen, doch kennt
man auch von hier Reste von Dicynodon ; '^ innerhalb ihres Gebietes
liegen die wichtigsten Diamantengruben, und diese erstrecken
sich von hier in den Oranje-Freistaat. Der Abbau dieser Gruben
erfolgt in verticaler Richtung innerhalb grosser Schlünde, welche
erfüllt sind von einer mit fremden Blöcken beladenen Tuffmasse,
in welcher die Diamanten erscheinen. Nach Chaper's Darstellung
sind diese diamantführenden Stöcke durch breiartige, nicht feurig-
flüssige Ausbrüche gebildet worden; Cohen möchte sie den Maaren
der Eifel vergleichen.'^
Die paläozoischen Ablagerungen erstrecken sich wahrschein-
lich ununterbrochen vom Campbell-Range im Westen des Haart-
Flusses um den westlichen Rand des Hohen Feldes in die Gegend
zwischen dem Marico und dem oberen Limpopo, wo unter ihnen,
nach Hübner's Beobachtungen '* an der Kornkoppe, südlich von
der Vereinigung der beiden genannten Flüsse, der Granit her-
vortritt. Grosse Grünsteindecken bilden die Oberfläche sowohl
gegen Süden an den Pilandsbergen gegen Rustenburg, als gegen
Nordwest in der Umgebung von Shoshong. Die archaischen
Gebirge aber nehmen hervorragenden Antheil an dem Aufbaue
der ausgedehnten Höhen zwischen dem Limpopo im Norden und
dem Buschfelde und Olifantflusse im Süden. Insbesondere scheint
der östliche Theil, das von Rehmann als das Ingalale-Plateau
CIO Limpopo und Zambesi.
bezeichnete Stück, welches bis gegen das grosse Knie des Lim-
popo vordringt, aus einem ausgedehnten Kerne von Granit zu
bestehen, welcher von einer Schieferhülle umgeben ist. Dieser
Schieferhülle werden nach Rehmann auch die Lechlababerge an-
gehören, welche, obwohl sie beiläufig der Fortsetzung der grossen
Quathlambalinie entsprechen, dennoch als Theile eines selbstän-
digen Gebirgsgliedes anzusehen sind.
Erst am Nordrande des Ingalale-Plateau's, an den Zoutpan's-
Bergen gegen das Thal des Limpopo, sind wieder Sandstein-
schollen sichtbar, welche den Karoo-Ablagerungen zuzuzählen
sein werden.
Auch jenseits des Limpopo, bis an den Zambesi, scheint die
Zusammensetzung des Landes dieselbe zu sein. Granit und kry-
stallinischer Schiefer sind allenthalben sichtbar, umschliessen den
Tati-Golddistrict und tragen nur da und dort Schollen von Sand-
stein, welche wahrscheinlich Reste der abgewaschenen Trans-
gression der Karoo-Ablagerungen sind. Abgesehen von der
Scholle am Serorumeflusse in 23'// südl. Br., welche mit der
Grünsteindecke von Shoshong in Verbindung stehen dürfte, traf
Hübner in 20*'südl. Br., südlich von Inyati, auf horizontal geschich-
teten Sandstein mit fossilen Hölzern, welcher wahrscheinlich zu
den Karoo-Sandsteinen g*ehört. Am Kraal Malisa, etwa in iq° 59'
südl. Br., liegt am oberen Guay eine ähnliche horizontale Sand-
steinscholle ; sie ist von Grünsteindecken durchzogen.
Noch weiter im Norden erscheinen am Zambesi ausgedehnte,
von Kohlenflötzen begleitete Sandsteinablagerungen, welche zu-
erst von Livingstone und Thornton beobachtet und seither von
Kuss ausführlich beschrieben worden sind. Diese Schollen liegen
unter den Wasserfallen etwa von 16° 40' bis 15° 50'; südlich von
denselben traf Kuss neben einer grossen Ausdehnung der archai-
schen Felsarten an vielen Stellen braunen Porphyr, welcher an
den Lupatabergen, die der Zambesi durchbricht, rothem Sandstein
auflagert; auch südlicher, bei Senna, liegt eine grössere Sand-
steinscholle.'''
Im Norden, beiläufig vom 12. bis zum io.° südl. Br. gelangt,
wie Thomson gezeigt hat, eine grosse, flachgelagerte Sandstein-
platte an das Meer, welche der Rovumafluss durchwaschen und
Rovuma. 5 I I
in zwei Stücke, Mawia und Makonde, getheilt hat. Im Osten, längs
der Küste, beträgt die Höhe der Sandsteintafel nur wenige hun-
dert Fuss; sie reicht mit keilförmiger Gestalt etwa bis zum 39.''
östl. L. stromaufwärts am Rovuma und erlangt an ihrem inneren
Rande die Seehöhe von mehr als 2500 (engl.) Fuss. Diese aus-
gedehnte Tafel liegt auf Granit und die entblösste Unterlage ist
landeinwärts mit steilen und vereinzelten Bergen bedeckt wie das
Granitgebiet von Darfur und Kordofan. In einem bestimmten
Gebiete jedoch, zwischen Itule und Kwamakanja, an dem Lujende,
welcher sich von Süden in den .Rovuma ergiesst, ist ein Stück
kohlenführenden Schiefers, welcher zur Sandsteinablagerung ge-
hört, wie Thomson meint, dadurch mitten in dem Granitgebiete
vor der Zerstörung bewahrt worden, dass es in eine Graben-
verwerfung versenkt war.''°
Hiemit nähern wir uns dem Gebiete zwischen dem 10. und
5.° südl. Br., über welches derselbe Forscher so viele und lehr-
reiche Beobachtungen gesammelt hat, und innerhalb dessen zwei
grosse Sandsteingebiete, ein östliches und ein westliches, zu unter-
scheiden sind."
Das östliche Sandsteingebiet liegt an der Küste, erhebt sich
nirgends zu beträchtlichen Höhen und ist landeinwärts durch einen
hohen Steilrand begrenzt, welcher den Beginn des archaischen
Gebietes bezeichnet. Der Steilrand weicht etwa im 8.° südl. Br.
am weitesten von der Küste zurück, bis nahe an den 36.° östl. L.,
und daher erlangt hier der Sandstein die grösste Breite; gegen
Nord verengt er sich mehr und mehr und ist gegenüber der Insel
Pemba nur recht schmal. Der Sandstein ist von Kohle begleitet;
es erscheinen auch Kalkflötze, und Thomson erwähnt von zwei
Punkten in dem nördlichen Theile dieses Gebietes Fossilien der
Carbonzeit.
Das hohe archaische Plateau reicht bis an den Tanganyika
und an den Nyassa und westlich noch weit über den letzteren
hinaus. In Ujiji und Ukaranga aber, an dem NO. -Theile des
Tanganyika, dann an einigen Punkten der Westseite und an dem
südlichen Ende dieses See's beginnt das westliche Sandsteingebiet,
welches sich auf eine unbekannte Strecke gegen den oberen Congo
fortsetzt. Dieser Sandstein ist von grosser Mächtigkeit und hat,
512 Tanganyika und Nyassa..
obwohl er am Tanganyika von Verwerfungen durchsetzt ist, den-
noch im Grossen seine flache Lagerung behauptet.
Obwohl hier die Gleichaltrigkeit des Sandsteins mit jenem
der Karoo nicht erwiesen ist, sind doch die Elemente des Baues,
die archaische Unterlage begleitet von älterem, gefaltetem Schiefer-
gebirge, und die flachen transgredirenden Sandsteintafeln jenen
des Südens ausserordentlich ähnlich.
Einen flüchtigen Blick wollen wir noch auf die beiden ge-
nannten See'n werfen. Den See Nyassa umgibt im Norden ein
älteres vulcanisches Gebiet, welchem einige junge Eruptionskegel
aufgesetzt sind. Der See Tanganyika ist in den flachgelagerten
Sandstein und in seine alte Unterlage eingesenkt. Seine südliche
Hälfte durchschneidet etwa von 7° 8' bis 8° 30' südl. Br. ein aus-
gedehntes altes Eruptivgebiet. Seit man diesen See näher kennt,
ist er für einen Einsturz gehalten worden. Stanley meinte sogar,
dass die nördliche Hälfte jüngeren Ursprunges sei und dass die
Veränderungen in dem Abflüsse des Lukuga hievon Zeugniss
geben. Auch Thomson betrachtet denselben als eine Senkung-.
Der steile Abbruch der Sandsteinmassen gegen den See und die
Durchquerung der Eruptivmasse in der südlichen Hälfte werden,
wohl mit Recht, als Belege für diese Ansicht angeführt."
In der That wüsste ich nicht, wie diese beiden grossen Ver-
tiefungen, deren jede bei geringer Breite durch etwa 5 Breite-
grade sich hinzieht, auf anderem Wege als durch Grabenversen-
kungen sollten erzeugt sein, und bin der Meinung, dass der Vor-
gang bei ihrer Entstehung ein ähnlicher war wie bei Entstehung
des Rothen Meeres, des Todten Meeres und der Schotts.
Noch weit unvollständiger als die Kenntniss von dem Osten
sind die Erfahrungen, welche über den Bau des westlichen Afrika
vorliegen. Die von Lenz verfasste Karte zeigt allerdings, welche
grosse Ausdehnung auch hier die ältesten Felsarten erlangen.'^
Die Conglomeratfelsen von Pungo Andongo (q° 24' südl. Br.) im
östlichen Angola, und die horizontalen, pflanzenführenden Sand-
steinablagerungen, welchen sie aufgesetzt sind, mussten Living-
stone an die Sandsteine des Ostens erinnern. Es ist sehr wahr-
scheinlich, dass auf der ganzen Breite des Continentes ähnliche
Verhältnisse herrschen. —
Mesozoische Meeresbildungen in Südafrika. 5^3
Im Caplande und bis ins nördliche Transvaal konnten wir eine
ältere, gefaltete Gesteinsgruppe und eine flachgelagerte, trans-
gredirende Gruppe unterscheiden, welche letztere vorherrschend
aus Sandstein besteht und dem Alter nach die permische und die
Triaszeit umfasst. Dies sind die Karoo-Ablagerungen. An ein-
zelnen Stellen schien auch ein jüngstes Glied der Carbonformation
an der flachen Transgression theilzunehmen. Weiter im Norden
sahen wir wieder gefaltete ältere Gesteine und transgredirende,
flache Sandsteinschollen, aber. es fehlt noch der directe Nachweis,
dass die letzteren von demselben Alter seien wie die Sandsteine
. der Karoo. Immerhin sind es zwei einander sehr ähnliche und in
gleichem tektonischen Verhältnisse zu einander stehende Elemente,
welche nach dem heutigen Stande der Erfahrungen vom Cap bis
unter den 6. oder 5.° südl. Br. das Innere des Continentes zu-
sammensetzen.
Es gibt noch ein drittes tektonisches Element im südlichen
Afrika, welches jedoch, wie wir früher sagten, nur untergeord-
neten Einfluss auf die Beschaffenheit des grossen Welttheiles aus-
übt und bisher nur in der Nähe der Meeresküste bekannt ist; dies
sind marine Anlagerungen aus dem jüngeren Theile der mesozoi-
schen Serie. So unbedeutend ihre Verbreitung auch sein mag, knüpft
sich doch für die Kenntniss der Geschichte Afrika's nicht geringes
Interesse an diese vereinzelten Schollen. Sie liegen sehr weit von
einander entfernt, sind von verschiedenem Alter, enthalten jedoch
überall Seethiere. Sie sind ohne Ausnahme jünger als die Sand-
steinmassen der Karoo und überhaupt als die Sandstein-Trans-
gressionen des Inneren, in welchen man bisher noch nie eine Spur
von Seethieren angetroffen hat. In einzelnen Eällen zeigt es sich
sogar mit Bestimmtheit, dass ein Theil der Dislocationen, welche
die heutige Gestalt des südlichen Afrika bestimmen, tief in die
mesozoische Zeit zurückreicht.
Die erste Gruppe solcher Schollen findet sich an der West-
küste in zwei weit getrennten Gebieten; sie ist von cretacischem
Alter und wurde von Giebel, Lenz und Szajnocha bekannt ge-
macht.-'* Das erste Gebiet liegt nördlich vom Aequator; auf den
Elobi-Inseln in der Coriscobucht, welche sich nur 8 — 10 M. über
das Meer erheben, werden in horizontalen Sandsteinbänken zahl-
514 Uitenhage-Series.
reiche Ammoniten getroffen; der Sandstein setzt auf das Festland
fort. Schloenbachia inflata tritt hier auf, und zwar nach Szajnocha
in jener Varietät, welche in der Ootatoorgruppe der ostindischen
Kreideformation herrscht. — Das zweite Gebiet liegt um mehr als
15 Breitegrade südlicher, an der Fish-Bay, südlich von Mossa-
medes. An dieser Stelle wurden bereits vor vielen Jahren von
Lieutenant Wolf nördlich von der Säule des Bartol. Diaz ver-
steinerungsreiche Schichten bemerkt.^^ Schi, inflata wird von
deutschen Geologen zum Gault, in Frankreich dagegen zum Unter-
Cenoman gerechnet.
Die nächste Gruppe solcher Schollen gehört dem südlichen •
und südöstlichen Theile der Cap-Colonie an. Sie zerfällt in zwei
Schichtreihen, nämlich eine mesozoische und eine jungtertiäre oder
quaternäre Reihe.
Die mesozoischen Ablagerungen tragen den Namen ,Uiten-
hage-Series', sind horizontal gelagert, bestehen aus mehr oder
minder glauconitischen Schichten von Sandstein und Schiefer und
führen in einzelnen Lagen Cycadeen und Farren, welche von den
Landpflanzen der Karoo-Sandsteine verschieden sind; in anderen
Lagen enthalte^ sie Meeresconchylien, welche durch lange Zeit
für jurassische gehalten wurden ;^^ nach den neueren Unter-
suchungen von Holub und Neumayr mehren sich jedoch die An-
zeichen dafür, dass sie in das Neocom zu stellen seien. *^ Diese
merkwürdigen A.blagerungen, in welchen der Wechsel von Schich-
ten mit Landpflanzen und solchen mit Meeresconchylien deutlich
genug die Nähe des Strandes verräth, finden sich hauptsächlich
in den Thälern der Flüsse, welche in die Algoabucht und die be-
nachbarte S. Francis-Bucht münden; sie liegen unmittelbar auf
den paläozoischen Ablagerungen der den Karoo-Sandstein um-
wallenden Gebirgszüge, dringen im Thale des Sonntagsflusses bis
an den Fuss der Karoo-Sandsteine vor, und erscheinen auch
w^eiter im Westen in einigen kleineren Schollen auf dem paläo-
zoischen Gebirge. Hieraus geht hervor, dass die Entblössung des
paläozoischen Gebirges im Süden Afrika's bereits vor der Zeit der
unteren Kreide vollzogen war.^^
Die jungtertiären oder quaternären Ablagerungen finden sich
gleichfalls hauptsächlich in der Umgebung der Algoabucht; sie
Kreide in NataL Jura von Momhas. 5^5
liegen theils auf den Uitenhage- und theils auf den paläozoischen
Schichten. Einzelne Schollen dieser Art sollen auch bei Bredas-
dorp, nördlich von Cap Agulhas, auf dem alten Gebirge lagern. —
Die dritte Gruppe dieser Schollen erscheint an der Küste
von Natal und des Zululandes. Wir haben gesehen, dass im
Westen von Natal der hohe Rand der flachgelagerten Karoo den
Abhang der Quathlamba bildet, während gegen Osten, am Meeres-
rande, abgesunkene Schollen derselben Karoo-Sandsteine mit
seewärts geneigten Schichten auftreten. An dieser Meeresküste
treten nun vom südlichen Ende Natal's bis zur S. Lucia-Bucht ver-
einzelte Vorkommnisse von marinen Ablagerungen der mittleren
und oberen Kreide auf, welche Garden, Baily und Griesbach be-
schrieben haben.*^ Sie ruhen horizontal gelagert und daher dis-
cordant auf den geneigten Schichten der abgesunkenen Karoo-
Sandsteine, und zeigen, dass die grosse Dislocation, als deren
zurückgenagten Rand wir die Quathlamba-Linie betrachten, älter
ist als die Cenomanstufe. Die Kreideformation trägt hier in aus-
gesprochener Weise jene Merkmale, welche wir an der Ostseite
Ostindien's wieder antreffen werden.
Das vierte bisher bekannt gewordene Vorkommen mariner
mesozoischer Schichten liegt weit mehr gegen Nord, bei Mombas
an der Suaheliküste. Die erste Spur, ein von Krapf an Ose. Fraas
gesendeter Ammonit von Kisaludini bei Mombas, Hess das Erschei-
nen des obersten Kelloway-Horizontes vermuthen, während eine
reichere, von Hildebrandt's Negern gesammelte und von Beyrich
untersuchte Reihe von Ammoniten eine höhere Zone des Jura,
nämlich die Kimmeridgestufe, und zwar in jener Entwicklung dar-
stellt, als welche sie in Ostindien unter dem Namen ,Katrol-Sand-
stein' bekannt ist.^°
So hat man also an der afrikanischen Westküste die Zone der
Schloenbachia inflata, im Süden die Uitenhage-Serie, welche wir
dem Neocom gleichstellen, in Natal und Zululand Cenoman und
Oberkreide, an der Suäheliküste den obersten Jura angetroffen.
Nie sind bis heute, auch in den bekanntesten Landstrichen des
Südens, solche marine Schichten in dem Inneren des Landes ge-
funden worden. Das archaische und das paläozoische Gebirge
sammt den weiten aufgelagerten Schollen von Karoo- Ablagerungen
5 I 6 Die indische Halbinsel.
bilden die hohen Tafeln des Innern, welche von diesen meso-
zoischen Meeresablagerungen wenigstens nach dem heutigen
Stande der Erfahrungen nicht erreicht werden. Die Bedeutung
dieser letzteren für die Geschichte des indischen Ocean's kann
aber erst aus einem Vergleiche mit Ostindien hervortreten, welchen
ich nun versuchen will.
Die indische Halbinsel. Das ostindische Reich wird
durch die breiten Alluvialgebiete des Indus und des Ganges in
zwei Theile getheilt, deren nördlicher die Gebirgsketten umfasst,
während wir stets nur den südlichen im Auge haben werden, wenn
von der indischen Halbinsel gesprochen werden wird. Diese
in der Gestalt der Oberfläche sehr ausgeprägte Abgrenzung fallt
im Westen, gegen den Indus und nördlich von Delhi, mit einer
tiefgehenden Verschiedenheit in der Zusammensetzung und dem
Baue beider Landestheile zusammen; dort besteht ein ganz ähn-
licher Gegensatz wie zwischen den Alpen und ihrem Vorlande. Die
Halbinsel ist das Vorland. Gegen Nordost jedoch besteht dieser
Gegensatz sonderbarerweise nicht in gleichem Maasse; wir werden
sehen, dass dieselben Elemente, aus welchen die Halbinsel zusam-
mengesetzt ist, sich in Assam, südlich vom Brahmaputra, weit gegen
ONO. fortsetzen, und dass sogar der überschobene Aussenrand
des Hochgebirges streckenweise, wohl nicht seinem Baue, aber
dennoch seiner Gesteinsfolge nach mit der Halbinsel übereinstimmt.
Die geologische Aufnahme Ostindien's, an welcher eine An-
zahl der bedeutendsten Fachmänner betheiligt ist, hat bereits
solche Fortschritte gemacht, dass die wesentlichen Merkmale der
Structur deutlich vorliegen, und das Verständniss dieser umfang-
reichen Arbeiten wurde in hohem Grade erleichtert durch die von
Medlicott und W. Blanford im Jahre 1879 herausgegebene ver-
gleichende Uebersicht ihrer Ergebnisse,^' an welche sich Waagen's
Schrift über die Verbreitung der organischen Ueberreste in er-
wünschter Weise anschliesst.^"^ Diese Schriften und die seit 1879
bekannt gewordenen weiteren Fortschritte der Landesaufnahme
lassen das Folgende entnehmen.
Obwohl die Halbinsel Berge von beträchtlicher Höhe um-
fasst, gibt es mit Ausnahme des uralten Arvaligebirges im NW.
Vindhya. Gondwann. S ' 7
dennoch keinen einzigen Höhenzug auf der Halbinsel, welcher in
seiner Richtung durch das Streichen der Felsarten bestimmt wäre.
Alles ist gebrochenes oder von der Denudation durchnagtes Tafel-
land. Die Sahyädri oder westlichen Ghäts, die Sätpuraberge an
der Südseite des Narbada, wie die Vindhya an seiner Nordseite,
sind nur die Ränder grosser Tafeln. Die höchsten Theile der
Nilgiri's, welche sich über 8000 (engl.) Fuss erheben, sind flache
Stücke dieses Tafelgebirges; der höchste Berg der südlichen Sät-
pura, Pachmarhi, 43 80 Fuss hoch, besteht aus horizontal gelagertem
Sandstein, und der höchste Gipfel der nördlichen Sahyädri, Mahä-
bleshwar, 4540 F., ist ein Stück einer flachen basaltischen Decke.
An der Zusammensetzung der Halbinsel nehmen mehrere,
von einander wesentlich verschiedene Elemente theil. Als erstes
derselben ist das archaische Gebirge zu nennen, hauptsächlich
aus Gneiss bestehend, an welches sich eine lange Reihe sehr alter
Schiefergesteine anreiht, mit Inbegriff jener Serie alter Quarzit-
und Schiefermassen, welche von den indischen Geologen als
, Transition* oder ,Sub-Metamorphic Rocks* bezeichnet werden,
und welche auch in tektonischer Beziehung enge an das archaische
Gebirge sich schliessen. Das zweite Element bildet die Vindhya-
gruppe, eine Reihe von zweifellos klastischen Schichten von
Sandstein, Schiefer und Kalkstein, welche dem Alter nach wahr-
scheinlich einem beträchtlichen Theile der paläozoischen Zeit ent-
sprechen, aber sonderbarer Weise bis heute noch keine Spur
organischer Ueberreste geliefert haben, obwohl in den Hoch-
gebirgen des Nordens paläozoische Fossilien nicht fehlen. Den
Vindhyan's folgt die Gondwänagruppe; es sind dies pflanzen-
und reptilienführende Sandsteine, zuweilen kohlenführend, welche
in ihrem unteren Theile die Aequivalente der afrikanischen Karoo
bilden, in ihren höheren Theilen aber über das Alter der Karoo
hinaus bis in jenes der pflanzenführenden Ablagerungen von
Uitenhage reichen und wie diese gegen die Meeresküste hin ein-
zelne marine Einschaltungen aufnehmen. Die sublitoralen An-
lagerungen Südafrika's wiederholen sich unter geringen, doch
eigenthümlichen Abänderungen in Ostindien. Endlich tritt hier
noch als ein besonderes, über einen beträchtlichen Theil der
Oberfläche ausgebreitetes Element eine sehr grosso Anhäufung
^ 1 8 Die grosse indische Gneissmasse. Arvali.
von Effusivmassen hinzu, welche man in der Regel unter dem
Gesammtnamen ,Dekkan Trap* zusammenfasst.
Das archaische Gebirge nimmt, durch Abwaschung entblösst,
einen bedeutenden Theil der Oberfläche der Halbinsel ein. Es ist
vorherrschend Gneiss, welcher die Insel Ceylon, das Cap Comorin,
die westlichen Ghät's bis zum i6. Breitegrade, und, nur auf ver-
hältnissmässig kurze Strecken dem Auge entzogen, die ganze
Ostküste der Halbinsel nordwärts bis zu dem Buge des Ganges
zusammensetzt. Diese Gneissmasse erstreckt sich also von Point
de Galle durch etwa 19 Breitegrade gegen Nord. Ihr gehört der
ganze Süden und ganz Mysore an, dann versinkt sie gegen West
unter dem Dekkan Trap und unter den geschichteten Felsarten;
sie ist es, welche jenseits des Ganges ihre Fortsetzung in Assam
findet.
Dieser grossen Hauptmasse archaischer Felsarten sind zwei
kleinere vorgelagert. Die erste findet sich in Bundelkund und ist
von unregelmässig halbkreisförmigem Umrisse; ihr nordwestliches
Ende liegt in der Nähe von Gwalior. Die zweite ist in lang ge-
streckte Falten und Rücken aufgelöst und bildet an dem nord-
westlichen Rande der Halbinsel das Arvaligebirge.
Das Arvaligebirge gehört zu den allerältesten Faltengebirgen,
welche dem menschlichen Auge sichtbar sind. Hacket hat den
mittleren und östlichen Theil desselben zwischen dem 24. und
29. Breitegrade auf eine Länge von mehr als 5oo Kilom. genauer
bekannt gemacht.^^ Es streicht in der Richtung N. 36° O. an dem
Ostrande der Wüste Räjputäna hin, löst sich nordwärts in ver-
einzelte Rücken auf, welche bald nur als ganz flache Hügel aus
der Wüste aufragen, und erreicht mit seinen Ausläufern die Stadt
Delhi. Nur Gneiss und die älteren Schiefer- und Quarzitgesteine
bilden diese gefalteten Ketten, deren ausserordentlich hohes Alter
sich aus dem Umstände ergibt, dass ihnen einzelne Schollen der
Vindhyagruppe flach und discordant aufgelagert sind. Gegen
Südost schneidet das Arvaligebirge mit einer ausserordentlich
langen, im Streichen liegenden Verwerfung gegen eine weite Tafel
flachgelagerter Vindhyan's ab. Diese lange Verwerfung verläuft
etwas nördlich längs dem Chambalflusse und möchte in ihrer Fort-
setzung den Jumna oberhalb Agra treffen.
Vellakondagebirge. 5^9
Die volle Unabhängigkeit dieser uralten Faltungsrichtung
von dem heutigen Verlaufe der indischen Hochgebirge mag hier
betont sein. —
So wie in der Nähe des Arvaligebirges lagern die Vindhya-
gesteine, wo immer sie im Norden der Halbinsel getroffen werden,
ziemlich flach.
Hoch im Norden, zu beiden Seiten des Chenäbflusses, liegen
die vereinzelten Koränaberge, deren Gestein der älteren Quarzit-
und Schieferserie der Arvali gleicht, mit steilen NO. — SW. strei-
chenden Kämmen. Der höchste Theil erhebt sich 957 F. über
die Ebene. Diese kleine Gruppe ist für unsere ferneren Betrach-
tungen darum von hoher Bedeutung, weil sie sich bis auf etwa
65 Kilom. dem Aussenrande des gefalteten Hochgebirges nähert. —
Nördlich von Madras ziehen sich die östlichen Ghät's an der
Meeresküste gegen den Unterlauf des Kistna; sie bestehen aus
archaischen Felsarten und heissen hier die Ghät's von Nellore oder
das Vellakondagebirge. Dieser grosse Rücken nun ist, wie King
und Foote gezeigt haben, westwärts durch eine Verwerfung be-
grenzt, an welcher eine ausgedehnte Scholle von Vindhyagesteinen
zur Tiefe gesunken ist. Diese Scholle hat einen mondförmigen
Umriss; das nördliche Ende liegt fast in 17^ noch nördlich vom
Kistna, und das südliche Ende etwa in 13° 20' nordwestlich von
Madras. Der westliche Umriss ist stärker gewölbt als der östliche,
welcher der Vellakonda-Verwerfung entspricht. Es ist dies, wie
heftige Faltungen und Ueberschiebungen zeigen, ein Stück eines
grossen und alten Faltengebirges, welches jedoch, da die Vind-
hyan's an der Faltung theilnehmen, jünger ist als die Arvalikette,
Die Faltung erfolgte von Ost gegen West.-^*
Dieses gefaltete Stück, welchem die wilden Quarzitland-
schaften der Nagari- und Tripettiberge in der Nähe von Madras
angehören, ist trotz seines sehr hohen Alters das jüngste Zeichen
ausgedehnter tangentialer Bewegung auf der gesammten Halb-
insel, welcher, so wie dem südafrikginischen Festlande, jede
ausgedehnte Faltenbildung zum mindesten seit der Carboh-
zeit fremd ist. Um so ausgedehnter und bedeutender sind die
Verwerfungen und Senkungen. Es betreffen diese Störungen auch
einen Theil der aufgelagerten Decken der pflanzenführenden
Suess, Das Antlitz der Erdo. 34
^20 Gliederung der Gondwina's.
Gondwänaschichten, deren einzelne Glieder nun zuvor zu be-
trachten sind.
Die Serie der Gondwana-Ablagerungen beginnt mit der
Tälchirstufe, äusserst feinkörnigem, siltähnlichem Schiefer und
weichem Sandstein in Verbindung mit Lagen von Blöcken; diese
wechseln in der Grösse von kleinen Steinchen bis zum Gewichte
von 30 Tonnen. Die grossen Blöcke liegen zuweilen im feinsten
Silt; Blanford, Oldham und Fedden haben sich für den Transport
derselben durch Eis ausgesprochen.- Ihre Uebereinstimmung mit
dem Dw^ka-Consjlomerate, welches das tiefste Glied der afrika-
nischen Karoo-Gruppe bildet, ist sehr auffallend. Der auf die Unter-
suchung der Pflanzenreste beruhenden Eintheilung Feistmanters
folgend, rechnen wir zu diesem tiefsten Gliede auch die kohlen-
fuhrende Kaharbäristufe. Gangamopteris ist in diesen tieferen
Ablagerungen häufig: Glossopteris ist reichlich vertreten.^'
Das nächstfolgende Glied bildet die pflanzen- und kohlen-
reiche Damüdastufe, in deren obersten l'nterabtheilung;^, dem
Manglischiefer, ein t}-pischer Lab}Tinthodonte, Brachyops laticeps,
gefunden >\airde.
Die dritte ist die Panchetstufe, welche neben I^b\Tintho-
don auch Reste von Dic\Tiodon oreliefert hat. Mit dieser schliesst
ünter-Gondwana ab.
Diese drei Hauptstufen entsprechen, wie mehrere überein-
stimmende Arten von Pflanzen und die Gattung Dicynodon
andeuten, dem D\\*\"ka-Coni:^lomerate und wahrscheinlich der Ge-
sammtheit der unteren Karoo-, der Beaufort- und der Stormberg--
stufe in Südafrika. Nie hat man in denselben eine Spur von S^ee-
thieren gefunden. Mit vielem Grunde kann n:an sie dem Alter
nach als dem gesammten Zeiträume von: Rothliegenden bis etwa
zum Schlüsse der Triaszeit entsprechend ansehen.
Wir setzen also im Allgemeinen Unter-Gondwäna der Karoo
gleich; in Ober-Gondwana treten uns n:ehrere auf jung;^eres
Aller deutende Merkmale entgegen, wenn auch z, B. die Gattung
Glossopteris aus l'nter-Gondwana hier vorhanden ist.
In der tiefsten Stufe der Ober-Gondw.ina :r::V: rr.an Gattunoren
wie Sphenopteris, Thinnfeldia, Taeniopteris neben zahlreichen
Cvcadeen, dann Palissya, Cuninchamites u. A. In den etwas
Dixcdnlnnx inacrhiilli der Gondwäna'K. 5 2 I
höheren Ablagerungen der Kota- und Maleristufe liegen Reste
echter Crocoditier, wie Parasuchus, und Fische, wie Dapedius,
Lepidotus, Tetragonolepis, welche wir in Europa vorherrschend
im Lias zu sehen gewohnt sind. Endlich folgt eine längere Reihe
noch höherer pflanzen führen der Schichten, deren höchste, die
Urmiaschichten, in der sublttoralen Region mit marinen Ablage-
rungen wechseln, und diese marinen Schichten sind, wie sich bald
zeigen wird, der Uitenhage-Serie des Caplandes gleichzustellen.
Im südlichen Afrika sahen wir die mächtigen Ablagerungen
der Karoo flach auf einem älteren Sockel ruhend; sie bilden die
Tafelberge im Innern des Landes und den grossen Abhang der
Quathlamba. Keine jüngeren Schichten sind ihnen aufgelagert.
In tieferem Niveau, gleichsam an ihrem Fusse, liegen viel jüngere
Pflanzenreiche Schichten mit den eingeschalteten Meeresablage-
rungen von Uitenhage. Die Discordanz ist eine vollständige.
Ebenso herrscht Discordanz zwischen Unter- und Ober-
Gondwdna in Ostindien. Der Unterschied zwischen beiden Re-
gionen ist jedoch, ausser der Altersverschiedenheit von Uitenhage
(Neocom?) und Ober-Gondwäna(Lias?) der folgende. Die grossen
Schollen von Unter-Gondwäna bilden nicht zusammenhängendes
hohes Tafelland wie in Afrika; mächtige Denudation ist über In-
dien hingegangen, und die wichtigsten sichtbaren Stücke von
Unter-Gondwäna verdanken ihre Erhaltung hauptsächlich ihrer
Versenkung in die Gneissmasse, auf Grabenbriichen, welche vor
Ober-Gondwäna eingetreten sind. Die grosse Denudation ist
nach diesen Bewegungen und vor oder während eines Theiles von
Ober-Gondwdna eingetreten, so dass Transgression der letzteren
auf sehr vielen Punkten sichtbar ist. Auch beschränken sich die
Ober-Gondwäna- Lagen nicht auf die sublitorale Region, sondern
sie erstrecken sich bis in die Mitte des Landes.
Die kohlenführenden Unter- Gondwäna- Ablagerungen er-
innern daher in ihrer Vertheilung zunächst an die Schollen und
Streifen der Carbon- und Triasformation, welche in die archaische
Masse des französischen Centralplateau's eingesenkt sind, und von *
welchen die grosse Grabenversenkung zwischen Cr^usot undll
chanin, Saöne et Loire, ein so lehrreiches Beispielj
haben sich in Europa die erfahrensten Bergleute g
äüfe ilariDirx f S:n;ir^~:iii'j«: ^'jur.r: - :r- ";i^rr't^ n jz>dt±n:
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:TI iHC'rfrrÜ 'jrI»Jäi."
l'r:'. »TT'f -5i>r*i-T- _
Kohlenfeldct in Unter-Gondwdna. 523
Beginnen wir die Betrachtungen einzelner Beispiele bei Rdni-
ganj an dem östlichen Ende der ersten Reihe. Hier war es, wo
Blanford vor Jahren die Bedeutung der Verwerfungen erkannte.
Es wurde gezeigt, dass dieses Kohlenfeld, abgesehen von anderen
Verwürfen, gegen Süd abgeschnitten ist durch eine mächtige
Senkung, welche gewiss nicht weniger als 9000, wahrscheinlich
aber mehr als 12.000 Fuss beträgt. Die älteren Schichten lagern
am Nordrande auf Gneiss; sie sind gegen Süd geneigt; jüngere
Schichten folgen gegen Süd und die ganze mächtige Schicht-
gruppe bricht an dem Süd -Verwürfe ab.^'
Das kleine, aber wichtige Kohlenfeld von Kaharbäri in der
Nähe von Hazäribägh ist nach Hughes gegen Nord wie gegen
Süd durch ostwestliche Verwürfe abgegrenzt, also ein wahrer
Graben, wenn auch der Betrag der Verwürfe hier nur ein geringer
ist.^* Im Allgemeinen scheint längs des Damüda-Flusses der süd-
liche Rand der grösseren Schollen wie bei Räniganj gesenkt
zu sein.
Das South -Rewah- Gebiet, welches sich durch mehr als
300 Kilom. S. vom Soneflusse hinzieht, ist noch wenig bekannt.
Der östliche Ausläufer desselben, welcher zwischen den Flüssen
Rer und Kunhur die Verbindung mit der Schollenreihe der Da-
müdalinie andeutet, ist nach Griesbach ein wahrer Graben, ein-
gesunken zwischen fast parallelen Brüchen in N. und S.''' In dem
westlichen Theile des grossen Gebietes, in der Nähe des Sone,
ist der Nordrand geradlinig, gegen OSO. gerichtet und höchst
wahrscheinlich ein Bruch ; in diesem Theile greifen Ober-Gondwäna-
Schichten auf das ältere Gebirge über.^"
Das Sdtpuragebiet ist, abgesehen von den kleineren Gond-
Wi^naschollen, welche am Rande der grossen Trapmasse sichtbar
sind, etwa 1 80 Kilom. lang und liegt südlich vom Narbada, diesem
Flusse ziemlich parallel. In demselben sind die Schichten der
Unter-Gondwäna-Gruppe, wie im westlichen South Rewah, gegen
N. geneigt, und der Nordrand dürfte ein Bruch sein, doch liegen
Ober-Gondwdna-Schichlen transgredirend über den bisher unter-
suchten Theiien der muth masslichen Bruchlinie, woraus aicl
gibt, dass die grosse Einsenkung auch hier vor der Ablw
wenigstens eines Theiles von Ober-Gondwäna erfolgte^^
524 Sublitorale Zone Ostindien's.
Es ist meine Absicht nicht, diese Beispiele zu vermehren,
welche nur bestimmt sind zu zeigen, wie grossen linearen Brüchen
die Masse der indischen Halbinsel nach der Zeit des Unter-Gond-
wäna und vor einem Theile von Ober-Gondwäna ausgesetzt ge-
wesen ist/^
Wir verlassen nun die Kohlengebiete des Innern und wenden
uns der für die Kenntniss der physischen Geschichte Ostindien's
wichtigen sublitoralen Zone des Ostens zu.
Zu den merkwürdigsten Ergebnissen der Forschungen auf der
indischen Halbinsel gehört der Nachweis, dass der Ostrand der
grossen Gneissmasse schon seit der Mitte der mesozoischen Zeit
eine natürliche Anlagerungslinie bildet. Die tieferen Horizonte
der pflanzenführenden Schichten, deren versenkte Denudations-
reste wir soeben im Innern des Landes an einzelnen Beispielen
kennen 'gelernt haben, fehlen dem Aussenrande mit Ausnahme
einiger kleiner Schollen an dem nördlichsten Ende nach den bis
heute vorliegenden Beobachtungen ganz; die Anlagerung beginnt
mit der Räjmahälgruppe, welche der Basis von Ober-Gondwäna
entspricht. Die höheren pflanzenführenden Schichten sind strecken-
weise von marinen Schichten begleitet, was innerhalb des Landes
nie der Fall ist; endlich sind sie da und dort von noch jüngeren
Meeresablagerungen bedeckt, welche jedoch auch nicht in das
Innere des Landes reichen.
Auf der schmalen Ebene, welche dem Fusse der westlichen
Ghät's vorliegt, sieht man gar keine mesozoischen Ablagerungen;
es tritt nur bei Ouilon und südlich von dieser Stadt eine bunt-
gefärbte Sandsteinablagerung von nachtertiärem Alter auf; im
Osten nennt man dieselbe Cuddalore-Sandstein. Noch bei Nagar-
coil, etwa 20 Kilom. N. von Cap Comorin, liegt eine Scholle von
Cuddalore-Sandstein,^^ und nun treten wir an die Ostküste über,
bemerkend, dass auf Ceylon mesozoische Ablagerungen noch
nicht bekannt sind.
Nahe N. von Trichinopoly erscheinen etwa in 11° nördl. Br.
an dem Ostrande der Gneissmasse die ersten Anlagerungen der
pflanzenführenden Räjmahälschichten. Auf ihnen oder unmittelbar
auf dem Gneissrande bis gegen Pondichery, vielleicht sogar
bis Sripermatur bei Madras, liegen cretacische Meeresschichten.
Ostküste Ostindien's. 5-^5
Sie haben die Veranlassung zu Stoliczka's umfassenden Unter-
suchungen geboten/* Aus diesen ist zu entnehmen, dass hier die
Cenoman-, Turon- und Senonstufe der europäischen Kreide in drei
getrennten Stufen vertreten sind, und dass manche wesentliche
Verschiedenheit gegenüber der Kreidefauna Europa's und Nord-
afrika's, zugleich aber ganz besondere Uebereinstimmung mit
jener von Natal besteht/^ Auf der Kreide liegen Schollen des
Cuddalore-Sandstein's.
Die RäjmahälschoUen ziehen sich an dem Gneissrande nord-
wärts und erreichen in der Nähe von Madras unter den jüngsten
Anschwemmungen eine grössere Ausdehnung. Bei Sripermatur
erscheinen schlecht erhaltene Ammoniten und andere Fossilien,
welche Stoliczka für oberjurassisch hielt, Waagen aber als Neo-
com deutet/'^
Noch weiter ziehen sich über Nellore und Guntur die Spuren
der Räjmahdlschichten,^' bis zwischen den Flüssen Kistna und
Godävari wieder eine vollständigere Schichtenreihe über den-
selben sichtbar ist, welche W. King in lehrreicher Weise be-
schrieben hat und welcher wir einige Aufmerksamkeit zuzuwenden
haben.*^
Der mächtige Godävari durchströmt in tiefer Schlucht den
Gneiss und tritt bei Rdjahmundry in 1 7° nördl. Br. aus demselben
hervor; hier beginnt sein grosses Delta. Westlich vom Godävari
erreicht das lange, gegen SO. streichende und durch seine gerad-
linige und parallele Begrenzung ausgezeichnete Kohlengebiet des
Godävari den Ostrand der Gneissmasse; es besteht aus den
tieferen Abtheilungen der Gondwänagruppe, und quer über sein
Ende legen sich in voller Discordanz, dem Verlaufe der Küsten-
linie und des Gneissrandes folgend, die Räjmahälschichten des
Ober-Gondwäna. Hier kann kein Zweifel bestehen, dass die Bil-
dung des Gneissrandes jünger ist als jene Gondwänaschichten,
welche eingesunken in dem Kohlengebiete liegen, und älter als
die Räjmahälschichten, welche die sublitorale Zone begleiten.
In den tiefsten Schichten, welche auf dem Gneissrande und
quer über dem Kohlengebiete liegen, wurde nur die Räjmahäl-
flora gefunden. Ueber denselben, folgen Schiefer mit einer etwas
veränderten Flora und schlecht erhaltenen Meeresfossilien, wie bei
C26 RÄjmahalbtTjje.
Sripermatur, endlich Sandstein, in welchem ausser anderen weniger
deutlichen Meeresconchylien Trigonia ventricosa und Trig. Smeei
erscheinen. Die erstere ist ein bezeichnendes Fossil von Uiten-
hage. Hiemit haben wir eine neue und wichtige Beziehung zu
Südafrika erlangt. Die cretacischen Ablagerungen von Trichino-
poly sind an dieser Stelle nicht bekannt; dafür folgt in der Nähe
von Räjahmundry ein Stück basaltischer Decken in enger Ver-
bindung mit petrefactenreichen Meeresschichten von untertertiärem
oder obercretacischem Alter, dessen Bildung daher wahrschein-
lich innerhalb jenes längeren Zeitraumes liegt, in welchem die
weit entfernte Masse der Dekkan-Ergüsse aufgehäuft worden ist.
Auf dem Basalt liegt der Cuddalore-Sandstein. —
Die nächste grosse Scholle liegt an dem Gneissrande bei
Kuttack, wo der Mahänadi aus dem Urgebirge hervortritt, etwa
in 20° 30'; von hier sind nur die pflanzenführenden Räjmahäl-
schichten bekannt.^^
Nun trennt sich das heutige Meeresufer vom Gneissrande und
dieser setzt landeinwärts fort gegen den grossen Bug des Ganges.
Vom Flusse Mor in 24" nördl. Br. bis an den Ganges in 25° 20'
ist dieser Rand von pflanzenführenden Schichten begleitet, welche
mit Zwischenlagen von älteren basaltischen Ergüssen die oftgenann-
ten Rdjmahdlberge bilden. Der Gneiss erreicht bei Colgong den
Ganges. Sein Ostrand ist nach Ball's Beobachtungen von Brüchen
begleitet. An demselben erscheinen zuerst kleinere Schollen des
Tälchirhorizontes, dann, über einen Theil des letzteren transgre-
dirend, die ebenfalls zu Unter- Gondwdna gehörigen Damuda-
schichten, hierauf in beträchtlicher Ausdehnung die Rdjmahdl-
schichten, welchen die basaltischen Decken und Gänge dieses
Gebietes angehören. Es unterscheidet sich also dieser nördliche
Zug von dem südlichen Theile des Gneissrandes durch das Er-
scheinen kleiner Reste von Unter-Gondwäna, durch die älteren
Basaltergüsse und durch das Fehlen mariner Schichten. Ball be-
stätigt das von Blanford bei Untersuchung des Räniganj-Kohlen-
gebietes erhaltene Ergebniss, dass die basaltischen Ausbrüche in
Bengalen nicht nur jünger als Unter-Gondwäna, sondern auch
jünger als die grossen Verwerfungen dieses Landstriches sind,
dass die pflanzenführenden Räjmahälschichten kaum seit ihrer ur-
Shillong-Plateau. 527
sprQnglichen Ablagerung gestört wurden, und dass Brüche in den-
selben sehr selten sind, endlich dass die Lava-Ergüsse südlich von
dem Knie des Ganges wahrscheinlich mit dem Abschlüsse einer
grossen Periode von Störungen zusammenfallen.^"
Nachdem wir nun von Trichinopoly im 1 1 . Breitegrade bis
an den Ganges in 25° 20' die Anlagerung an den Gneissrand ver-
folgt haben, werfen wir einen Blick auf die ausserhalb der Halb-
insel im engeren Sinne, jenseits der Gangesniederung gelegenen
Berge von Assam.
So wie im Knie des Ganges die Räjmahälberge liegen, er-
hebt sich östlich von der Alluvialebene im Knie des Brahmaputra
ein Höhenzug, und es gibt Umstände, welche trotz der grossen
Unterbrechung diesen Höhenzug als eine Fortsetzung der Berge
am Ganges erscheinen lassen. Auf den Karten wird derselbe
nach den Stämmen, von welchen er bewohnt ist, als die Gäro-,
Khäsia-, Jaintia- und Mikirberge bezeichnet ; seine Länge beträgt
über 400 Kilom. und die meisten Höhen liegen zwischen 4000 und
6000 Fuss. Sein Nordrand begleitet das südliche Ufer des Brahma-
putra, während der scharf abgegrenzte Südrand ein bogenförmiges
Streichen hat, welches im Westen, in der Nähe des Brahmaputra,
gegen SO., weiterhin von W. gegen O., dann gegen NO. ge-
richtet ist. Wir nennen denselben den Gebirgszug von Assam,
oder, nach Medlicott, das Shillong-Plateau.
Dieses Gebirgsstück hat eine sehr eigenthümliche Lage.
Nördlich von demselben erhebt sich der überfaltete Aussenrand
des Himalaya ; im Süden tritt an dasselbe der gefaltete Aussen-
rand der Barail- und Pätkaiketten heran, welche Theiledes grossen
burmanischen Kettengebirges sind, das sich von hier gegen Arra-
kan, Cap NegraTs und noch viel weiter gegen Süd fortsetzt. Zwi-
schen diesen beiden grossen, im Thal des Brahmaputra gegen ein-
ander strebenden Faltungsgebieten ragt es hervor, und sein nord-
östlicher Rand verschwindet in der Nähe von Golaghat (etwa in
91° östl. L. Greenw.) unter den Alluvien des grossen Stromes.
Medlicott und Godwin-Austen haben die wesentlichsten Bei-
träge zur Kenntniss seines Baues geliefert.-'
Der nördliche, dem Brahmaputra zugekehrte Abhang ist sanft
und besteht durchwegs aus Gneiss und Granit. Er tritt an vielen
528 Westküste Ostindien's.
Stellen bis an den Strom vor und einzelne Kuppen, welche nörd-
lich von dem Strome aus dem Schwemmlande hervorragen, lassen
erkennen, dass dasselbe archaische Gebirge sich bis ganz nahe
an den Aussenrand des Himalaya fortsetzt.^* Dieser Gneiss gleicht
ganz und gar jenem, welcher einen so grossen Theil der Halbinsel
bildet. Er erhebt sich gegen Süd und hier sind demselben Ge-
steine aufgelagert, welche die Fortsetzung der Vindhyagesteine
von Behar (S. von Patna) sein dürften. Nun folgt südwärts in der
Gegend von Shillong ein steiler Bruch, an welchen sich eine sehr
mächtige Masse basaltischer Ströme anschliesst, vielleicht die
Fortsetzung der älteren Basalte von Rdjmahäl.
lieber alle diese Gesteine, über den Gneiss, die Vindhya's
und die älteren Basalte breitet sich auf der Höhe der Südseite des
Tafellandes eine horizontale Transgression weit jüngerer, ver-
steinerungsführender Schichten aus. Es sind dies zuerst cretaci-
sche Schichten, welche jenen von Trichinopoly und Natal gleichen,
hierauf Nummulitenkalk und, wie aus einzelnen Angaben hervor-
zugehen scheint, noch einige Schollen einer jüngeren tertiären
Meeresablagerung. Die Beschaffenheit der Kreideschichten lässt
vermuthen, dass auf diesem Tafellande einstmals das nördliche
Ufer des Kreidemeeres lag.
Alle diese flachgelagerten, transgredirenden Schichten beugen
sich an dem scharfen Südrande des Höhenzuges in einer grossen
Flexur um und sinken dann steil zur Tiefe. Südlich von der Flexur
sind noch einige steil gestellte und stark gefaltete Stücke der jün-
geren Tertiärbildungen sichtbar. —
Die Westküste der indischen Halbinsel ist wesentlich ver-
schieden von der östlichen. Von Cap Comorin nordwärts bis über
Bombay hinaus wird sie gebildet von den Sahyadri oder west-
lichen Ghät's, dem Rande des Tafellandes, und mit Ausnahme des
nachtertiären Cuddalore - Sandsteins bei Ouilon im äussersten
Süden, sieht man keine Meeresbildung dieser grossen Stufe an-
gelagert. Die Wasserscheide der Halbinsel liegt durch diese lange
Erstreckung stets nahe an der Küste, so dass aller Abfluss gegen
Ost geht, und nur im Süden greift ein tieferer Sattel durch das
Land. Trotz dieser geschlossenen Einheit der Stufe besteht sie
aus zwei ganz verschiedenen Theilen. Von Cap Comorin in
Ergüsse des Dekkan. 5^9
8.° nördl. Br. nordwärts bis zum i6.° nördl. Br. ist sie von der
grossen Gneissmasse des Ostens gebildet, und von da gegen die
Bucht von Cambay bis über den 20.° nördl. Br. besteht sie aus
den mächtigen Laven und Aschenanhäufungen des Dekkan.
Acht Breitegrade der Westküste gehören dem Gneiss, vier
Breitegrade den Laven an, deren Alter beiläufig an die Grenze
von Kreide und Eocän zu stellen ist, wahrscheinlich auch ins Eocän
hinaufreicht." Einheitlich und ohne irgendwie die Richtung zu
ändern, setzt sich die Küstenlinie aus dem einen Gebiete in das
andere fort. Diese Linie ist aber nicht die westliche Grenze der
Laven. Sie liegen weit ausgebreitet in Kattywar und ihre Aus-
läufererscheinen noch in dem gefalteten Gebirge von Sind. 'Gegen
Nord und Ost löst sich die grosse Masse in Tafeln und Schollen
auf; wir haben ähnliche Stücke sogar bei Rdjahmundry an der
Ostküste kennen gelernt. Darum ist es schwer, die ursprüngliche
Ausdehnung der Ergüsse in Ziffern anzugeben. Um sie zu be-
zeichnen, führen die indischen Geologen an, dass die 825 Kilom.
lange Eisenbahn von Bombay nach Ndgpur erst unmittelbar vor
Nagpur die vulcanischen Gesteine verlässt, und dass durch bei-
nahe IG Breite- und 16 Längegrade ihre einstige Ausbreitung als
erwiesen anzusehen ist.^**
Die grösste Mächtigkeit erlangen die vulcanischen Massen
bei Bombay. In der Hauptmasse erscheinen nur Spüren von Land-
und Süsswasserbildungen ; diese ist gewiss nicht unter dem Meere
gebildet. Nur die entferntesten Ausläufer in Sind und an der Ost-
küste stehen mit Meeresablagerungen in Verbindung. Welcher
Hohlraum wurde durch diese Effusionen geschaffen? —
Wo der Golf von Cambay die Hauptmasse der Laven des
Dekkan abtrennt von der Platte von Kattywar, beginnen marine
Transgressionen theils unter den Rändern der Laven und theils
über denselben sich zu zeigen. Die erste Transgression, welche
hier angetroffen wird, gehört der Cenomanstufe an. Diese er-
scheint im Nordosten der Bucht, in der Umgegend von Baroda,
wird unter dem westlichen Rande der Laven bei Bägh sichtbar
und lässt sich landeinwärts, im unteren Narbadathale bis in die
Gegend südlich von Indore verfolgen. Man bezeichnet sie als die
,Bägh-Beds'.55
530 Bdßh. Insel Perim.
Die cenomanen Ablagerungen von Bägh entsprechen aber
ihrer Fauna nach nicht jenen von Natal, von Pondichery und von
Assam, sondern den arabischen Vorkommnissen des Ras Fartak,
der ägyptischen Cenomanstufe und jener der Mittelmeerregion.
Aus diesem Umstände lässt sich zweierlei entnehmen. Erstens
sehen wir, da der cretacische Typus von Natal und der Ostküste
Indiens sich auch viel weiter im Osten, z. B. in Japan wiederholt,^^
dass zur Zeit der mittleren Kreideformation eine Trennung zwi-
schen einem Mecresgebiete vorhanden war, welches aus dem süd-
lichen Europa über Nordafrika und Arabien bis über den Golf von
Cambay reichte, und einem zweiten ausgedehnten Meeresgebiete,
welches die südöstliche Küste von Afrika, die Ostküste Ostindiens
und die Berge von Assam nach dieser Richtung zur Grenze hatte.
Und weiter folgt hieraus, dass in diesen beiden getrennten Meeres-
theilen zur cenomanen Zeit Erweiterung des Meeres durch Trans-
gression eintrat.
Wie die Kreide, erscheint auch am Golf vom Cambay zum
ersten Male eine Reihe theils mariner und theils fluviatiler Tertiär-
ablagerungen, welche jünger sind als die Laven. Sie reichen
weniger weit ostwärts in das Land hinein als die Kreide von Bägh,
aber sie erstrecken sich weit gegen NW. und sind thatsächlich
nur die Ausläufer jener ausgebreiteten Tertiärbildungen, welche
einen grossen Theil der gefalteten Ketten von Sind ausmachen.
Sie beginnen zwischen dem Unterlaufe des Tapti und des Narbada
mit alttertiärem Nummulitenkalk; es folgen mitteltertiäre Schichten
mit Baianus, und auf der kleinen Insel Perim im Golf von Cambay
tritt Sandstein auf mit Resten von Mastodon, Dinotherium, Brahma-
therium und anderen Vertretern einer grossen Landfauna, welche
zehn Arten mit der Siwalikfauna der Vorberge des Himalaya ge-
mein hat.
Die tieferen Glieder dieser tertiären Reihe umgeben die
basaltische Platte von Kattywar an der Südseite und setzen sich
von dort nach Kachh und westwärts über den Indus in das grosse
Kettengebirge von Sind fort.
Man kann sagen, dass, so wie von den Gebirgen von Burmah
her die ganze Schichtreihe von der Cenomanstufe aufwärts ihr Ab-
lagerungsgebiet vorschiebt auf die alten Gneiss- und Vindhya-
Jura von Kachh. Madagascar. 53 ^
massen der Berge von Assam, so^auch von den gefalteten Ketten
von Sind her alle Schichten von der Cenomanstufe aufwärts her-
übergreifen auf die äusseren Ränder der alten Felsarten der Halb-
insel bis an den Narbada und den Unterlauf des Tapti.
Näher an dem Aussenrande der Ketten von Sind aber, in
Kachh, werden unter den Ausläufern der vulcanischen Decken
jurassische Meeresablagerungen sichtbar. Sie tauchen als Inseln
aus dem Schwemmlande hervor und sind in einige Falten gebogen.^^
Mit der grösseren Entwicklung der Meeressedimente beginnt die
Faltung. Die ältesten sichtbaren Lagen gehören in die Zeit des
Grossoolith's. Ihre Fauna, zum Theile selbst ihre oolithischen
Gesteine zeigen den europäischen Typus. Es ist eine höchst eigen-
thümliche und für die Beurtheilung des Wesens der Formations-
grenzen höchst lehrreiche Thatsache, dass Stoliczka und Waagen
hier eine ganze Reihe untergeordneter Zonen der mittleren und
oberen Juraformation nachzuweisen im Stande waren, mit den-
selben leitenden Arten und in derselben Reihenfolge wie im mitt-
leren Europa. Von diesen haben wir eine, die Zone des Feltoc.
acanthicum oder den Katrol- Sandstein, bereits von Mombas in
Ostafrika erwähnt. Sie scheinen ziemlich ununterbrochen bis in
das Tithon zu reichen, lieber den nachweisbar jurassischen Hori-
zonten sind einzelne Arten der Fauna von Uitenhage sichtbar und
über dieser liegt eine Anzahl von Arten des französischen Aptien.*^®
Die Jura- Ablagerungen von Kachh setzen sich gegen Nord
an dem äusseren Saume der Ausläufer des Arvaligebirges unter
der Ebene von Räjputäna fort und sind noch westlich von Jesalmir
bekannt. Mit ihnen haben wir ein Gebiet betreten, welches durch
Faltung wie durch marine Entwicklung sich von der Halbinsel
unterscheidet, gleichsam eine Mittelregion zwischen dieser und
dem Hochgebirge. Es deuten aber die Reste von Landpflanzen,
welche mehreren Abtheilungen dieser Meeresschichten eingestreut
sind, darauf hin, dass die Küste nicht fern war. —
Madagascar. Die Arbeiten Grandidier's und der englischen
Missionäre haben in den letzten Jahren die Kenntniss der Structur
von Madagascar wesentlich erweitert und lassen die folgenden
Grundlinien erkennen. ^^
532 Hochland von Madagascar.
Die Mitte dieser grossen Insel wird vom Norden her bis in
die Nähe des 22." von einem aus Granit und Gneiss bestehenden
Hochlande gebildet, welches insbesondere die beiden Provinzen
Im^rinaund Betsil^o umfasst. Seine Höhe beträgt beiläufig 1 500 M.
Es ist nach Ost und nach West durch schroffe Abstürze, gegen
Süd durch eine querstehende Kette begrenzt ; im Imerina ist seine
Breite beiläufig 1 30 Kilom., südlich davon, bei Sirab^, nur 90 bis
100 Kilom. und im 22.'' y wo man vom Berge Kirianga beide Rän-
der sieht und das südliche Ende nahe ist, beträgt die Breite nur
mehr 56 Kilom. Die Wasserscheide liegt ganz in der Nähe des
östlichen Randes.
Von der Ostküste gegen Antananarivo reisend, trifft man den
Absturz in drei Stufen getheilt ; diese vereinigen sich im Norden,
und an der Vereinigungsstelle liegt in 17" 20' — 17** 40' der grosse
See Alaotra, 900 M. hoch. Die innerste dieser Stufen ist die be-
deutendste und zieht sich gegen Süd fort. An diesem Steilrande
erscheinen mächtige vereinzelte Tafelberge, welche gewaltige
natürliche Festungen bilden, denen in der Geschichte der Insel
eine hervorragende Rolle zufallt, so der Festungsberg Isa-
hazävona an der Grenze der unterhalb des Abhanges liegenden
waldigen Provinz Tanäla und der berühmte Festungsberg Ikongo,
welcher 8 Kilom. lang, 300 — 500 M. über die Ebene eine weite
Hache trägt, auf der sich fünf Ortschaften und zwei Ströme be-
finden, und welchen die Zäfirambo in zwei langen Belagerungen
glücklich gegen die Höva's behauptet haben. Südlich vom Ikongo,
im Quellgebiete des Flusses Mätitänana, fällt der Ostrand in einer
einzigen grossen Stufe über 800 M. tief herab, und in der Nähe
der südöstlichen Ecke erhebt sich der hohe vereinzelte Granitberg
Ivohib^.
Der westliche Rand ist im Norden innerhalb der Bembatuka-
bucht in vier Stufen getheilt und daher leichter zu übersteigen als
der östliche, welcher sich auf lange Strecken als eine geschlossene
Wand zeigt, doch liegt das Höva-Fort Antöngodrahöja in ly**
südl. Br. an cier Kante des Westrandes 1500 M. hoch und ist der
westliche Rand in 1 8" 40' auch zu einem einheitlichen Abstürze
von mehr als 800 M. vereinigt. Im Süden trägt die westliche
Hauptstufe den Namen Böngo Lava.
Ankärat. Nossi-B6. 533
Die Ströme des Hochlandes stürzen in grossen Wasserfällen
über diese Stufen herab. Seine Oberfläche ist sehr uneben; höhere
Granitzüge erheben sich über dieselbe; seine Tiefen und insbeson-
dere die Flächen der beiden Zwischenstufen im Osten sind mit
einer mächtigen Lage von rothem Thon bedeckt, in welche das
Wasser tiefe Furchen zieht. Im Südwesten, in Bära, bildet nach
Cowen's Angaben Granit den Untergrund eines wüsten Land-
striches; demselben folgt westlich eine Mulde mit abgestuften
Abhängen, der Boden eines getrockneten See's, und jenseits, etwa
in 22** 10' — 22" 25' südl. Br. die Gruppe der Isäloberge, ein
Sandstein -Tafelgebirge, welches von Wasserläufen tief durch-
schnitten ist.^
Dem Hochlande sind ferner vulkanische Berge aufgesetzt.
Südwestlich von Antananarivo liegt die Gruppe von Ankärat, aus
fünf vulkanischen Kegeln bestehend ; sie sind die höchsten Berge
von Madagascar und der höchste erreicht nach Johnson 2873 M.
Nordwestlich von diesen, am See Itasy, befindet sich ein ausge-
dehntes vulkanisches Gebiet, den phlegräischen Feldern vergleich-
bar; Mullens zählte hier 40 Kratere. Viele andere sind über das
westliche Imerina ausgestreut und es scheint sich von hier in sol-
chen sporadischen Vorkommnissen das eruptive Gebiet nordwärts
fortzusetzen zu dem grossen vulkanischen Tafelberge Vöamböhitra,
welcher an der nordwestlichen Kante des Hochlandes steht, und
von da zu den Radama-Inseln, zu dem gewaltigen Vulkan Katowla
innerhalb der Passandavabucht, dem M. Amber an der Nordspitze,
nach Majotte, Johanna und den Komoren.^'
Indem das Hochland nordwärts sich senkt, trifft man auf den
Inseln seine Gesteine wieder. Herland's Darstellung von Nossi-
B^ gibt davon ein gutes Beispiel. Das südliche Vorgebirge der
Insel, Lugub^, ist so wie die Insel Nossi-Komba aus Granit und
altem Schiefer gebildet. Der nördliche Theil besteht dagegen
aus einer Scholle von altem Sandstein von rother und gelber
F'arbe. Die ganze Mitte ist vulkanisch und trägt mehrere Kratere
und sieben Kratersee'n.^' An der Ostküste von Nossi-B6 liegt
ein Stück nummulitenführenden Kalksteins. Dies ist wahrschein-
lich der Anfang des breiten Streifens von mesozoischen und eocä-
nen Ablagerungen, welcher gegen W. und S. und bis Fort Dauphin
534 Ostindien und Südafrika.
im SSO. das granitische Hochland von Madagascar umgibt, und
welchen Grandidier für den Rest einer weit ausgedehnteren Tafel
hält. Aus den eocänen Ablagerungen nennt man Nummulites,
Alveolina, Velates Schmideliana u. A. ; die mesozoischen Ab-
lagerungen scheinen insbesondere am Flusse Anhulah^, welcher
in die S. Augustinus Bucht mündet, reich an Versteinerungen
zu sein.^^
Der Ostküste fehlt ein solcher Saum; auf dem Flachlande
derselben erheben sich nur einzelne kleinere vulcanische Berge.
So weit wir Madagascar kennen, bietet es grosse Aehnlichkeit
mit Südafrika und mit Ostindien. Die langen und scharf ausge-
prägten parallelen Stufen, welche mit gegen NNO. streichenden
Abfällen das Hochland abgrenzen, geben demselben die Merkmale
eines alten Horstes. Auf demselben liegen die Sandsteine des
Isälogebirges, von Nossi-B^ und anderen Orten, deren Alter un-
bekannt ist. Vulcane sind dem Hochlande aufgesetzt wie der böh-
mischen Masse oder dem französischen Centralplateau. Der meso-
zoische und eocäne Gürtel gehört nur dem Westen und Süden an
und fehlt dem Osten. Es ist auffallend, dass in Madagascar wie
in Ostindien der Ablauf der Wässer des Hochlandes einseitig ist,
und dass der mesozoische Gürtel hier wie unter den Sahyädri ge-
rade an jener Seite fehlt, deren Kante die Wasserscheide bildet.
Die Seychellen, weit gegen NNO., aber genau im Streichen
des grossen Horstes gelegen, bestehen aus Granit;^* R^union,
Mauritius und Rodriguez sind vulcanischen Ursprunges.
Uebersicht. Es besteht eine unleugbare Aehnlichkeit zwi-
schen dem Baue des südlichen Afrika und jenem der indischen
Halbinsel. In jedem dieser beiden grossen Gebiete fehlt seit langer
Zeit, jedenfalls seit der Carbonzeit in Afrika, und wohl seit ebenso
langer Zeit in Ostindien, jede Aeusserung der tangentialen Kraft,
jede Faltung des Gebirges. Es sind wahre Tafelländer. In jedem
derselben lastet auf einer älteren Unterlage eine mächtige Reihe
von nicht marinen Ablagerungen, welche von der permischen bis
in die rhätische Zeit, vielleicht bis in den Lias reichen. Durch
diesen langen Zeitraum hat eine Serie gleichartiger Landfloren,
begleitet von eigenthümlichen Reptilien, in beiden Gebieten gelebt.
Lemuria.
535
Nun folgt Zusammenbruch. Ein neuer Ocean wird gebildet und
neue Umrisse der Festländer. Im Innern bleiben hohe Tafelberge
von pflanzenführendem Sandstein zurück, oder Stücke solcher
Tafeln, welche in Gräben der alten Unterlage versenkt worden
sind; die nachfolgenden jüngeren Bildungen aber, in Afrika
Meeresbildungen, in Ostindien nach der Stufe von Ober-Gondwäna
ebenfalls Meeresbildungen, lagern sich rings in tieferem Niveau
an die neuen Brüche. Aus der Tiefe des Oceans ragt mit allen
Merkmalen eines Horstes die grosse Insel Madagascar hervor,
ebenfalls mit Sandsteinschollen auf einem granitischen Sockel,
und ebenfalls in tieferem Niveau von einem Saume mesozoischer
Ablagerungen begleitet.
Der Gedanke an den einstigen Zusammenhang von Südafrika
und Ostindien ist schon bei der Erkenntniss der ersten Grundzüge
ihrer Beschaffenheit hervorgetreten, und er hat die Unterstützung
der ausgezeichnetsten Kenner beider Länder, wie Stow in Afrika und
H. F. Blanford undGriesbach in Indien, bereits vor Jahren gefunden.^^
Mit Recht fragt Stow im Angesichte der mächtigen Schichten-
köpfe von Karoo-Sandstein, welche an so vielen Stellen frei dem
Meere zugekehrt sind, wo denn die Umrahmung des weiten Beckens
sei, in welchem sich diese Tausende von Füssen pflanzenführendef
Sandsteine gesammelt haben. Blanford weist in Indien darauf hin,
dass die vulcanischen Ergüsse des Dekkan gegen Osten horizontal
liegen, dagegen in jenem Theile der Sahyädri, welcher dem Meere
zugewendet ist, sich so sehr seewärts neigen, dass Bombay Island
im Meeresniveau auf den höheren Theilen derselben steht.^ Eben-
so verweisen Medlicott und Blanford auf die Verschiedenheit der
Kreideablagerungen von Bägh und von Trichinopoly.^^
Auf einem ganz anderen Wege, nämlich durch die Verglei-
chung der Verbreitungsgebiete heutiger Lebensformen, sind her-
vorragende Zoologen zu der Hypothese von dem Bestände eines
Continentes an der Stelle eines grossen Theiles des westlichen
indischen Oceans gelangt, und es wurde diesem versunkenen Fest-
lande der Name ,Lemuria' gegeben. Andere Zoologen haben diese
Annahme verworfen, und die beträchtliche, vielfach unter 2000 bis
260Ü Faden sinkende Tiefe des Meeres in der Nähe von Madagascar
wurde als ein wesentlicher Grund gegen dieselbe angeführt.
Sucss, Da» Antlitx der Krdc.
^36 Quathlaraba und Sabyadri.
Es ist jedoch nicht meine Absicht, hier in eine Erörterung
dieser Meinungsverschiedenheiten einzugehen, deren Ergebniss
im besten Falle nur die Beantwortung der weit engeren Frage
sein könnte, ob noch in der heutigen Fauna und Flora die Spuren
eines einstigen Zusammenhanges nachweisbar seien. Diese die
Geschichte beider Festländer betreffende Frage muss zuerst an
der Beschafifenheit der Festländer selbst, ihrer heutigen Umgren-
zung und der angelagerten Zonen geprüft werden.
Die Analogie der Quathlambakette im Westen und der
Sahyädri im Osten ist so gross, dass sie einer Erläuterung nicht
bedarf. Es sind die grossen Bruchränder von Tafelländern. Im
Einzelnen sind aber die heute vorhandenen Ränder des trockenen
Landes von verschiedener Beschaffenheit. Die Ostseite der indi-
schen Halbinsel hat eine nach Unter-Gondwäna beginnende, bis
über die obere Kreide reichende Umrandung von sedimentären
Ablagerungen. Die Westseite hat keine solche Umrandung bis hin-
auf über den 20. Breitegrad. Anders ist es in Madagascar; dort
fehlt der Ostseite die Umrandung, sie ist aber im Westen und
Süden vorhanden und reicht von Jura oder Neocom bis in's Eocän.
Wieder anders verhält sich das südliche Afrika. Im Osten der
Capcolonie beginnen die Anlagerungen mit den Schichten von
Uitenhage, die wir zur unteren Kreide gestellt haben; in Kafifraria
fehlt eine Anlagerung; in Natal stellen sich höhere Schichten der
Kreideformation ein.
Im Ganzen zeigt die Vertheilung der marinen Formationen
folgende Umrisse :
Der mittlere und obere Jura dringen mit europäischen Merk-
malen bis Mombas in Afrika und bis Kachh in Ostindien; ihr Auf-
treten an der Ostküste von Madagascar ist noch unsicher. Die
jurassischen Spuren der ostindischen Ostküste sind auch sehr un-
sicher und gehören vielleicht der folgenden Stufe an. Die untere
Kreide mit südlichen Merkmalen, die Stufe von Uitenhage, erscheint
an der Ostseite der Capcolonie und in Spuren an der Ostküste
Ostindiens, aber es sind in Kachh und der Salzkette einige Spuren
(zwei Trigonien) vorhanden, welche möglicher Weise ein Ueber-
greifen dieser südlichen Entwicklungsform in die nördliche Region
andeuten.
(ircn/cn der Meere. 537
Zur Zeit der mittleren und oberen Kreide kommt breites
ofifenes Meer von Europa über die Wüste, über Arabien, vielleicht
über Somali her und die Ablagerungen der südeuropäischen Kreide
dringen im Narbadathale in das Innere des ostindischen Tafel-,
landes. Im Süden, in Natal und in Trichinopoly und gegen NO.
weit hinauf bis an das Plateau von Shillong zwischen Brahmaputra
und Ganges, ist auch mittlere und obere Kreide vorhanden, doch
in einer verschiedenen, südlichen Entwicklungsform. Einzelne
Arten stimmen überein, die grosse Mehrzahl ist verschieden. Es
ist daher sehr wahrscheinlich, dass zu jener Zeit keine ganz freie
Verbindung zwischen dem Nordwesten und dem Südosten vor-
handen war.
Zur Eocänzeit dringt immer noch offenes Meer über Arabien
vor; die nummulitenführenden Schichten reichen bis Kachh und
Guzerat, und ostwärts erreichen sie über das Gebiet der Salzkette
und des Himalaya im Shillongplateau das Gebiet der südlichen
Kreideformation, welche sie überlagern; von dort ziehen sie weit
gegen SO. Südwärts dringen sie bis an die NW.-Küste von Mada-
gascar vor, aber dem südöstlichen Afrika, dem östlichen Mada-
gascar und der ganzen W. -Küste von Ostindien südlich von
Guzerat und der ganzen O. -Küste blieben sie dennoch fern ;
die mit Zweifel dem Eocän zugezählten Ablagerungen von Räjah-
mundry am unteren Godävari weichen zu sehr von dem gewöhn-
lichen Typus ab, um in Betracht zu kommen. — Es müssen daher
wohl auch seit der Eocänzeit wichtige Veränderungen in den Um-
rissen der Festländer eingetreten sein.
Die Folgerungen, welche mir, selbstverständlich unter Vor-
behalt ihrer Abänderung durch neue Beobachtungen, heute mög-
lich erscheinen, sind die folgenden :
Ostindien, Madagascar und Südafrika tragen die gemein-
samen Merkmale eines einst vereinigten Tafellandes. In Ostindien
begann Zusammenbruch zwischen Unter- und Ober-Gondwäna,
d. i. wahrscheinlich während oder nach dem Lias. In Südafrika
ist diese Epoche nicht näher zu bezeichnen, doch ist sie jedenfalls
später als die Triasformation und früher als das Neocom. Seither
ist der Einbruch fortgegangen. Zur Zeit der mittleren Kreide war
noch eine Grenze von SW. gegen NO. vorhanden, vielleicht nicht
35*
CßS Indischer Einbruch.
unähnlich jener, welche heute weiter im Norden die indische und
die mittelländische Fauna trennt, doch war die Grenze der Fauna
nicht so scharf wie heute. Auch zur Eocänzeit, wo die mittel-
ländischen Ablagerungen nach Grandidier bis Madagascar reich-
ten, war noch irgend eine Scheidung vorhanden.
Die aus den Sedimenten derselben cretacischen und tertiären
Meere gebildeten Tafeln Arabien's und der Sahara sind heute als
trockenes Land sichtbar. Es ist auch auf diesem weiten Gebiete
die Trennung einer aufsteigenden und einer absteigenden, oder
einer aufgelagerten und einer angelagerten Serie wie bei Suez zu
unterscheiden, deren Grenze allerdings in eine weit frühere Zeit
fällt. An späterer Stelle wird zu prüfen sein, ob der Einbruch
so grosser Festländer an sich ein allgemeines Sinken der Strand-
linie und daher die Blosslegung der Tafeln herbeiführen konnte.
Anmerkungen zu Abschnitt VI: Das gebrochene
indische Festland.
» Die Küsten- u. Landes- Vermessung der Kap-Kolonie ; Petermann's geogr. Mitth.
1868, S. 23, 24; Taf. Iir.
2 A. Geddes Bain, On the Geol. of S. Africa; Trans, geol. Soc. 1856, 2. ser. VII,
p. 175 — 192, pl. XX, XXI.
3 E. J. Dünn, Geol. Sketch Map of S. Africa; from personal Observations com-
bincd with those of MM. A. G. Bain, Wylie, T. Bain, Atherstone, Pinchin in Cape Col.,
Sutherland in Natal and Mr. E. Button N. of 24'' lat. (Fol., ohne Jahreszahl).
4 F. V. Hochstetter, Beiträge z. Geol. d. Caplandes; Reise d. österr. Fregatte
Novara; Geol. Theil, II, 4« Wien, 1866, S. 28.
5 Sutherland, Notes on an ancient Boulder-Clay of Natal; Quart. Journ. geol.
Soc. 1870, XXVI, p, 514 — 516. Die ganze Schichtfolge der Karoo ist am ausführlichsten
aufgeführt von Kup. Jones u. Täte nach Bain, eb. das. 1867, XXIII, p. 142 — 149 u.
njich Wylcy eb. das. p. 17 1 — lyi.
^ R. Owen, On the Skull and Dentition of a Triassic Mammal (Tritylodon long-
aevus Ow.) from S. Africa; Quart. Journ. geol. soc. 1884; Discuss. p. 152.
7 G. W. Stow, On some l'oints of S. African Geol.; Quart. Journ. geol. 5>oc. 1871,
XXVII, p. 497—548, insb. p. 531.
^ C. L. Griesbach, On the Geol. of Natal; eb. das. 1871, XXVII, p. 53—72,
pl. TI, III.
9 R. Pinchin, A short Description of the Geol. of Part of the East. Prov. of the
Colony of the Cape of Good Hope; eb. das. 1875, XXXT, p. 106— 108, pl; IV.
»o Rubridge, On some Points in the Geol. of South-Africa, eb. das. 1859, XV,
p. 195 — 198.
" G. W. Stow, Geol. Notes upon Griqualand West; eb. das. 1874, XXX, p. 58 1
— 682, pl. XXXV— XXXIX; auch E. Cohen, Brief im Neu. Jahrb. f. Mineral. l£73,
S. 52 — 56 u. Andr. A. Anderson, Notes on the Geography of S. Centr. Africa, in
Explanation of a New Map of the Region; Proc. Roy. Geogr. Soc. 1884, VI, p. 19 — 36
u. Karte.
>- C. L. Griesbach, Geol. Durchschnitt durch Südafrika; Jahrb. geol. Reichs-
anst. 1870, XX, S. 501 — 504, Taf. XIX, u. vollständiger am ang. Orte Quart. Journ.
1S75, XXXT.
U K. Cohen, Erläut. Bemerkungen zu d. Routenkartc einer Reise von Lydenburg
nach (1. Goldfeldern u. von Lydenburg nach d. Delagoa-Bay; 8« 1875.
14 Ant. Rehmann, Das Transvaal-Gebiet d. südl. Afrika in phys.-geogr. Be-
ziehung; Mitth. geogr. Ges. Wien, i883, XXVI, S. 257 — 266, 321 — 362, 369—395,
417 — 44.^; Karte u. 2 Taf.; auch F. Jeppe, Die Trans vaaFsche od. Südafrikan. Re-
publik; Petcrm. geogr. Mitth. Ergänzungsheft XXIV, 1868 mit der Karte von Jeppc
540 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. VI. Das j^cbrochene ind. Fe^tland.
u. Merensky; femer: Jeppe, Notes on some of the Phys. and Gcol. Features of the
Transvaal; Journ. Geogr. Soc. 1877, XLVII, p. 217 — 250 u. Karte.
»5 J. J. Machado, Caminho de Ferro de Louren^o Marques d Fronteira de Trans-
vaal; Bolet. Soc. geogr. Lisbon, 1880, 2. Ser., 2, p. 67 — 104; insb. p. 89.
»6 z. B. Lee in Geol. Magaz. 1879, 2. ser. VI, p. 192.
«7 E. J. Dünn, On the Mode of Occurrence of Diamonds in S. Afr.; Quart. Journ.
geol. Soc. 1874, XXX, p. 54 — 60; M. Chaper, Note sur la Region diamantifere de TAfr.
austr. 80 Paris, 1880, insbes. p. 42 u. folg.; E. Cohen, Ueb. die südafrik. Diamant-
felder; 80 i883, S. 5 (aus d. V. Jahresber. d. Vereines für Erdkunde zu Metz für 1882).
18 A. Hübner, Geogr. Skizzen aus Südost-Afrika; Peterm. Geogr. Milth. 1872,
XVIU, S. 422— 431, Taf. XXI.
"9 I.ivingstone u. Thornton, Berichte im Journ. geogr. Soc. 1861, XXI, p. 261,
291 u. an and. Ort.; H. Kuss, Note sur la constit. geol. d'unc partie de la Zambcsie;
Bull. soc. giol. 1884, 3. s^r. XII, p. 3o3 — 3i7, u. geol. Karte.
20 Jos. Thomson, Notes on the Basin of the River Rovuma, East Africa; Proc.
geogr. Soc. 1882, new ser. IV, p. 65 — 79 u. Karte.
"21 Ders. : To the Central Afric. Lakes and Back; 8© 1881; Appendix III. Notes
on the Geol. of East Centr. Africa, vol. II, p. 299 — 3o7 u. geol. Karte.
22 H. M. Stanley, Durch den dunkeln Welltheil (deutsche Ausg. v. Böttger), 80
1878, II, S. 37: »Die Kurungw6-Spilze besteht aus senkrechten, 50 bis 200 Fuss hoch
aus dem See emporsteigenden Wänden aus einem schönen röthlichen Sandstein mit hori-
zontalen Schichten. Ihr eigenthümliches Aussehen kann man sich vorstellen, wenn man
die Bootsmannschaft ausrufen hört: „O, Mutter, dies ist eine Festung! Sich, dort sind die
Fenster und hier ist eines der Thore!** Kirungwd erscheint wie ein hoch anschwellender
Bergrucken, der bis zu einer unbekannten Tiefe gerade durchgeschnitten ist. Wenn wir
die Skizze des „Hohen Platzes des Geistes Mtombwa", der auf der gegenüberliegenden
Seite des See's liegt, scharf ansehen, so halten wir die Annahme für begründet, dass
dieser Bergrücken einst eine Fortsetzung der Hochebene von Marungu bildete, da die
Felsen aus demselben Material bestehen u. beide Seiten des See's die ganz ähnlichen Re-
sultate eines plötzlichen Einsinkens ohne Störung oder Verschiebung der Schichten zeigen.**
Auch Jos. Thomson, On the geogr. Evolution of the Tanganyika Basin; Rep. Brit.
Assoc. Southampton, 1882, p. 622, 623. Hiebei mag an die aufiallend marinen Gestalten
unter den Conchylien des Tanganyika und an das Vorkommen der cretacischen Gattung
Pyrgulifera in demselben erinnert sein; Tausch, Ueb. einige Conchyl. aus d. Tangauyika-
See und deren foss. Verwandte; Anzeig. Ak. Wien, 1884, S. i3ü. — Nahe der NW.-Seite
des Nyassa, auf dem archaischen Plateau, hat kürzlich Drummond Ablagerungen von
wahrscheinlich lacustrem Ursprünge mit Fischen, Mollusken und Blättern angetroflen;
Nature, 10. April 1884, p. 5^1.
23 Osk. Lenz, Geol. Karte von West- Afrika; Peterm. geogr. Mitth. 1882, Taf. I.
24 Giebel, Zeitschr. f. d. ges. Naturw. 1876, Bd. 48, S. 58; Lenz, Geol. Mitth.
aus West- Afrika; Verh. geol. Reichsanst. 1878; S. 148. L. Szajnocha, Zur Kenntuiss
d. mittel-cret. Cephalop. Fauna auf d. Inseln Elobi in W. -Afrika; Denkschr. Ak.
Wien, 1884.
25 (Lieut. Wolf:) Narrative of Voy. to explore the sh()re> of Africa, Arabia and
Madagascar, performed in H. M. Ships Leven and Barracouta (dircct. by Capt,
W. F. W. Owen) 8*^ Lond. l833, II vol., p, 23l; Versteinerungen in Sandstein nordwärts
von der Säule des Bartol. Diaz in II " 53' 3" o. L., 15" 40' 7" s. Br. zwischen Port
Alexander u. Little Fish Bay; auch Journ. geogr. Soc. i833, III, p. 217.
2Ö Stow am ang. Orte, Quart. Journ. geol. Soc. 1871, XXVII, p. 497 u. f(dg. ;
für die Fauna und Flora insb. Kraus, Ueb. d. geol. Verhältnisse d. östl. Küste d. Kap-
landes; Amtl. Bericht üb. d. XX. Versamml. d. Gescllsch. deutsch. Xaturforsch. u. Aerztc,
Mainz, 1842 u. Ralph Täte, (^n some secondary Fossils fr(mi S. Africa; (jiiart. Journ.
geol. Soc. 1867, XXIII, p. 139—175, pl. V— IX.
AnmerkBDgcn cn Th. 11, Abschn. VI. Das gebrochene ind. FestUnd. 54I
ayr, Ueb. einige Fossil, aus d, Uitenhage-Fonnation in
1881. XLIV, S. 167-276: 2 Taf.
"* Slow hat luch Conchylien der Uilenhage-Serie nach England geschickt, welche
angeblich vom Zambesi stammen (am ang. Orte p. 505 Note); Hr. Holub versichert mich
aber, dass diese Stücke von Händlern gebracht worden seien, und dass dieser Angabe des
Fundortes kein Gewicht beizulegen sei.
'9 R. J. Garden, Notice of some Creiac. Rocks near Natal, S. Afr.; Quart Joara.
geol. soc. 1855, Xf, p. 45J u. Will. Baily, Descript. a( some cret. Fossils from S. Afr.,
eb.das. p. 454-465; pl.XI-XIII; Griesbach eb. das. 1871, XXVII, p. 60— 70. pl. Hl;
die erste Entdeckung erfolgte durch Fynn im J. 1824; am Umtata-Flnsse, weiter gegen
Süd, sollen fossile Schildkrötenreste vorkommen.
30 Ose. Fraas, Württemb. Jahresh. 1859, XV, S. 356; E. Beyrich, Ueb. jnras*.
Ammoniten von Mombassa; Mo natsber. Akad. Berlin, S.März, 1877, S. 96— lo3.
3' H. B. Medlicott and W. T. Blaoford, A Manual of the Geol, of India;
8° Calcutta, 1S79; 2 Bde. 8° u. Karte. — Bei der ganz ausserordenOicheD Schwierigkeit,
eine irgendwie gleichartige Orthographie in einer Schrift wie die vorliegende zu erzielen,
habe ich es für ilna Zw eck massigste gehalten, in Indien die von der geol. Landes-Auf-
uahme benutzte Schreibweise beizubehalten; allerdings ergeben sich hiebei im Norden
neue Schwierigkeilen, insbesondere in BetrelT der Zischlaute; io dieser Beziehung bin ich
der UebuDg Richthofen's (China, I, p. XXI, und [70, Note) gefolgt, doch waren In-
conscquenzen nicht zu vermeiden. Selbst das metrische Maass liess sich dort, wo öfters
eine runde Zahl von englischen oder russischen aussen genannt ist, nicht strenge
durchführen.
1' W, Waagen, Ueb. die geogr. Vertheilung d. fossil. Organismen in Indien;
Denkschr. Ak. Wiss. Wien, 1878, XXXIX b, S. I-2I u. Karte.
3i C. A. Hacket, On the Geol. of the Arvali Region, Centr. and Eastern; Record»
geol. Surv. Ind. 1881, XIV, p. 279— 3o3, u. Karte.
31 W. King jun,. On the Kadapah and Kamül Fotmations in the Madras Pre-
sidency; Mcm. gvo\. Surv. Iml, 1872, VIII, insb. p. 259—265; Rob. Br. Foote, Sketch
of the Work of the Geol. Survey in South. India; aus d. Journ. of the Madras Utet. Soc.
1982; 50 pp. 8"; insb. p. 18.
.15 W. T. Blanford, Descr. of the Geol. of Nigpür; Mem, g. S. Ind. 1872, IX,
p. 3;4, Oldham's Note daselbst; F, Fedden, On the Evidences of ,Ground-Ice" in
ttopical India during the Talchir Period; Rec. g. S. Ind. 1875, VIII, p. 16— 18.
jB Ott. Feistmantcl, A sketch of the history of the fossils of the Indian Gond-
wana System; Journ. As. Soc. Bengal, 1881, vol. L, b, p. 168—219.
ii W. T, Blanford, On the Geol. Strncture and Relations of the Raniganj Coal-
Field, Bengal; Mem. g, S. Ind. 1861, III. a; insb. p. 149 — 153.
j8 T. W. H. Hugucä, The Kuhurbarf Goal Field; eb. das. 1871, VII, insb.
p. 222 u. folg.
in Griesbach, Geol. of the Ramkola and Tatapani Coal-Fields; eb. das. 1880,
XV. p. 141.
10 Medlicott and Blanford, Manual, I, p. 201; auch Hughes, Notes on the
South Kewah Gooilvi-ana basin; Records g. S. Ind. 188I, XIV, p. 126— 138.
41 M^inual. I, p. 215, ="'>■
l' Im Tal cbir- Gebiete am Brihmani, NW. von Kultack, ist der N.-Rand verworfen
und rlas N.-Fallen allgemein, während die grosse Godävary- Reihe 'durch grade u. parallele
Linien hegrcn'.t. in ihrem Innern von Verwerfungen durchschnitten, dennoch ab eine
Ablagerung zwischen ursprünglich parallelen u. gradlinigen Ufern dargestellt wird,
W. Kin^', The Geol. of the PrÄnhita-Godavari Valley: Mem. g, S. Ind. 1881, XYIE^
542 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. VI. Das gebrochene ind. Festland.
43 W. King, General Sketch of the Geol. of the Travancore State; Rec. g. S. Ind.
1882, XV, p. 87 — 93, u. dcss. : The W"arkilli-Beds and reported assoc. cieposits at Quilon;
eb. das. p. 93 — 102; K<irte. Cullen's ältere Angaben über das Vorkommen von Meeres-
fossilien in Kalkstein bei Quilon habe ich wegen der vielfachen Zweifel, welche sich an
diese Angabe knüpfen, hier gänzlich übergangen.
44 H. F. Blanford, On the Cretac. and other rocks of the South Arcot and
Trichinopoly Distr., Madras; Mem. g. S. Ind. 1865, IV, p. i— 217, Karte; F. Stoliczka,
Cretac. Fauna of South. India; (Palaeontol. Ind.) 1865 -1871.
45 Medlicott and Blanford, Manual, I, p. 292.
46 R. Br. Foote, On the Geol. of parts of the Madras and North Arcot Distr.
lying North of the Palar River; Mem. g. S. Ind. 1873, X, p. 63 — 124; \V. Waagen,
Jurassic Fauna of Kutch (Palaeont. Ind.) I, p. 236 u. ders.: Geogr. Vcrbr. foss. Org. S. 12.
47 R. Br. Foote, On the geol. Structure of the Fast. Coast from Lat. 150 North w.
to Masulipatam; eb. das. 1880, XVI, p. 49—84, Karte.
48 W. King, The Upp. GondwÄna's and other Formations of the Coastal Region
of the Godävari Disfr.; eb. das. 1880, XVI, p. 195—264; Karte.
49 V. Ball, On the ^Atgarh Sandstones " near Cuttack; Rec. g. S. Ind. 1877, X,
p. 63 — 68, Karte, u. O. Feistmantel, On some foss. Plauts from the Atgarh Sandstones,
eb. das. p. 68 — 70.
50 V.«Ball, Geol. of the Rajmehal Hills; Mem. g. S. Ind. 1877, XIII, p. 155—248,
Karte; insb. p. 221.
51 Th. Oldham, On the geol. Structure of a Portion of the Khasi Hills, Bcngal;
Mem. g. S. Ind. 1858, I, p. 99 — 210, Karte; H. B. Medlicott, The Coal of Assam; eb.
das, 1865, IV, p. 387—442 und Geol. Sketch of the Shillong Plateau in N. E. Bengal;
eb. das. 1871, VII, p. 151 — 207, Karte, insb. das Sammelprofil auf S. 154, ferner Records
g. S. Ind. 1874, VII, p. 61; H. H. Godwin-Austen, Notes to accomp. a Geol. Map of
a Portion of the Khasi Hills near long. 91° E. ; Journ. As. Soc. Beng. 1869, XXXVHI,
b, p. I — 27, Karte, u. Notes on the Geol. and Phys. features of the Jaintia Hills, eb. das.
p. 151 — 156; Medlicott and Blanford, Manual, II, p. 682 — 7o3; T. D. La Touche,
The Daranggiri Coal field, Garo Hills, Assam; Rec. g. S. Ind. 1882, XV, p. 175 — 178, Karte.
5^ Malle t hat eine solche Kuppe von Hornblendeschiefer am linken Ufer des
Raidak -Flusses in 870 47' nur wenige hundert Ellen von den steilgcstelltcn Tertiär-
schichten der Vorketten der Himalaya angetroffen; On the Geol. and Min. Resources of
the Ddrjüing District and the Western Duars; Mem. g. S. Ind. 1875, ^I» P- 44-
53 Neumayr, Die Intertrappean Beds im Dekan u. die Laramicgruppe im westl.
Nordamerika; Neu. Jahrb. f. Min. 1884, a, S. 75, 76; Duncan in Medlicott, Ann. Rep.
for 1883; Records g. S. Ind. 1884, XVII, p. 7.
54 Medlicott and Blanford, Manual, p. 3oo.
55 W. T. Blanford, On the Geol. of the Taptee and low. Nerbudda Valleys; Mem.
g. S. Ind. 1869, VI, p. 163—384; hiezu Karte PL I.
56 Edm. Naumann, Ueb. d. Vorkommen d. Kreideformation auf der Insel Yezo
(Hokkaido), 8» Yokohama, 1880; Mittheil. d. deutsch. Gesellsch. f. Nutur- und \7>lkerkunde
Ostasiens, Heft XXI; 19 SS. — Szajnocha's Bemerkung, dass Schloenb. intlata von der
äquatorialen Westküste Afrika' s in der Varietät der Kreide von l'ondichery auftrete, ist vor-
läufig zu vereinzelt, um einen Schluss auf die westliche Ausdehnung dieses Meeres zu
gestatten.
57 A. B. Wynne, Memoir on the Geol. of Kutch; Mem. g. S. Ind. 1872, p. 1—293,
Karte; Waagen, Jurassic Fauna of Kutch, vol. I, 1875 (Palaeont. Ind.); Einleitung u.
p. 224—238.
58 Die Reihenfolge der in Kachh nachgewiesenen europäischen Horizonte ist:
Putchum-Gruppe = Gross-Oolith (unten Trigonia, Corbula U.A.; oben Oppelia serrigera);
Zone des Stephanoceras macrocephalum, — des Perisph. anceps, — des Peltoc. athleta, —
Anmerkungen zu Th. TI, Abschn. VI. Das gebrochene ind. Festland. 543
des Amalth. Lambert! und des Am. cordatus, — des Peltoc. transversarium, — des Peltoc.
acanthicum (Katrol Sandstein = Mombas in Ostafrika); — auf diesem liegt die Unter-
Region der Umia-Gruppe, mit Arten des Tithon und der Portland-Schichten (Waagen p. 234).
Nun folgt eine grosse Mächtigkeit von pflanzenfiihrenden Schichten. Der Umia-Horizont
zeigt Aehnlichkeit mit den afrikanischen Ablagerungen von Uitcnhage; Trigonia ventricosa
von Uitenhage, welche mit Trig. Smeei an der Ostküste erscheint, kommt hier vor, und
Trig. Smeei erscheint noch hoch in den pflanzenführenden Ablagerungen (Manual, p. 259).
Ueber denselben liegen an einer Stelle noch Apt-Schichtcn. Dies entspricht vollkommen
dem an früherer Stelle über das Alter der Schichten von Uitenhage Gesagten.
59 Alfr. Grandidier, Madagascar; Bull. soc. g^ogr. Paris, 1871, 6. s^r. I, p. 81 — 108,
Karte; 1872, 6. s^r. III, p. 369 — 37 1; La province d'Imerina; eb. das. i883, 7. s6r. IV,
p. 242 — 249 u. Karte u. an viel. and. Orten; Jos. MuUens, On the Central Provinces of
Madag.; Proc. geogr. Soc. London, 1875, XIX, p. 181 — 205 ^* Journ. geogr. Soc. 1875,
XLV, p. 128—152, Karte; Recent Journeys in Madag., eb. das. 1877, XL VII, p. 47 — 72,
Karten; W. Deans Cowcn, Geogr. Excursions in South Ccntr. Madag.; Proceed. geogr.
Soc. 1882, new ser. IV, p. 521 — 537, Karte; J. Sibree, The great Afric. Island, Chapters
on Madagascar; 8^ Lond. 1880.
60 Co wen am ang. Orte, p. 53o; es sollen Fossilien in dem Sandstein enthalten
sein, leider sind sie nicht näher bekannt; Sibree an ang. Orte S. 34 beschreibt geschich-
teten gelben Sandstein am Flusse Betsiboka; Buckland erwähnte schon vor langen Jahren
den „New Red Sandstone** von Port Louquez im N. der Insel ; Trans, geol. Soc. V, p. 478.
61 Auch an der NO.-Küste traf Coignet nur Granit und Basalt, sowie eine geringe
jüngere Anlagerung von möglicher Weise tertiärem Alter; F. Coignet, Excurs. sur la
Cote NE. de ITle de Madag.; Bull. soc. geogr. Paris, 1867, 5. sdr. XIV, insb. p. 279 u. folg.
62 F. Herland, Essai sur la topogr. de Nossi-Be, sur sa constit. g^ol. etc.; Revue
Coloniale, Avril 1856; 25 pp. u. geol. Karte von Nossi-Be und Nossi-Kuma; vgl. auch
Ann. d. Mines, 1856, 5. scr. VIII. Der Sandstein von Nossi-B6 dürfte wohl derselbe sein,
welchen Guillemin an der NW.-Küste als kohlenführend beschrieben hat. E. Guillemin,
Note sur une Exploration geol. h. Madagascar pend. Tann. 1863; Ann. d. Mines, 1866,
6. ser. X, p. 277—319; vgl. auch eb. das. 1854, 5. ser. VI, 570—576 für Kohle.
63 Fischer, Note sur la g6ol. du Sud de Madagascar; Bull. Soc. g^ol. 1868, 2. s6r.
XXV, p. 398—400; eine Nerinaca mit breiter Basis, welche Fischer für cretacisch hält;
ferner Compt. rcnd. 1876, LXVI, p. ui, Phylloceras, Lytoceras u. Cosmoceras, welche für
jurassisch gelten; Sibree am ang. Orte p. 53: Von Rev. Richardson im J. 1877 in grosser
Menge im obern Theile des S. Augustine's River (-= Anhulahe) angetroffen; darunter
Ammonitcs, Nerinaea, Terebratula u. And.
64 L. Pelly, On the Island of Mahi; Journ. geogr. Soc. 1865, XXXV, p. 23 1:
„Eine Granit-Bildung, aufragend in der Mitte einer weiten Schale von Korallenbildung ;** —
Ch. Vtilain, Mission de S. Paul, 40 1879, p. 440—451. — Alle Seychellen bis auf zwei
sind Granit, sagt Wolf, Baracouta, II, p. 165.
^5 W. Stow: On the probable Existence of an ancient Southern Continent; Quart.
Journ. geol. Soc. 1871, XXVII, p. 546—548; H. F. Blanford: On the Agc and Cor-
relations of the Plantbearing Series of India and the former Existence of an Indo-Oceanic
Continent; cb. das. 1875, XXXI, p. 5 19 — 542, pl. XXV, u. an and. Orten.
oö Ein l'rofil dieser Art gibt schon Clark, eb. das. 1847, ^^I» P- 222.
^V Manual Geol. Ind. I, p. 297.
SIEBENTER ABSCHNITT.
Die indischen Behaarungen. *
Die iranischen Aussenkctten. — Die Salzkette. — Die tertiären Ketten. — Der westliche
Himalaya — Mustagh und Kuen-lun. — Hindu Kush und Pdmir. — Der östliche Himalaya.
— Burmahi Malakka, Sumatra. — Ucbersicht.
seitdem A. v. Humboldt und Carl Ritter uns die ersten Grund-
lagen einer Geographie von Inner- Asien gaben, sind ruhmwürdige
Anstrengungen gemacht worden, um den Verlauf und den Bau
der grössten Hochgebirge der Erde genauer festzustellen. Erst
in den letzten Jahren hat F. v. Richthofen die Structur des nörd-
lichen China dargelegt, hat Przewalsky in kühnen Reisen einen
grossen Theil von Tibet erschlossen, wurde durch vereinte Be-
mühungen die Anordnung der gedrängten Ketten des Pamir er-
mittelt, und hat, als die PVucht jahrelanger Aufopferung, Lydekker
die geologische Karte des westlichen Himalaya vom Tieflande des
Indus bis zu den Gletschern des namenlosen Riesenberges K. in
der Mustäghkette veröffentlicht.
Nichtsdestoweniger ist auch heute noch die Kenntniss von
einem grossen Theile dieser Hochgebirge eine äusserst unvoll-
ständige, und es ist daher umsomehr geboten, von dem Bekann-
teren auszugehen und zurückhaltend zu bleiben in den Folgerungen.
Dieser Abschnitt behandelt den in Bezug auf seinen Bau am ge-
nauesten bekannten Theil der asiatischen Hochgebirge, und den-
noch fehlt es auch hier nicht an Lücken.
Hochspitzen des Himalaya. 54^
Dieses Gebiet umfasst die mächtigsten Gebirgszüge und die
höchsten Berggipfel der Erde. Ihre Höhenzififern sind nur mit
Vorbehalt zu nennen, weil die Meinung hervortritt, dass alle bis-
her ermittelten Ziffern wegen einer in dem Refractions-Coefficienten
erforderlichen Richtigstellung unter der Wahrheit liegen, und es
ist auch wahrscheinlich geworden, dass NW. vom Gaurisänkar
noch höhere Spitzen aufragen als alle bisher gemessenen.'
Die höchsten bekannten Gipfel erheben sich nicht allzu fern
von dem Tieflande des Ganges in der südlichsten Gneisskette des
Himalaya, und der Gegensatz zwischen Hochspitzen und Tiefland
fällt zusammen mit einem scharf ausgeprägten Gegensatze zwi-
schen gefalteten Ketten und gebrochenem Tafellande. Zugleich
ist hier einige Gelegenheit geboten, um das Verhältniss grosser
gefalteter Ketten zu einander, die Art ihrer Schaarung, zu ver-
folgen.
Das Tafelland wurde in dem vorhergehenden Abschnitte be-
sprochen ; dort wie hier bilden die trefflichen Arbeiten der geo-
logischen Landesaufnahme in Indien den ersten und wichtigsten
Ausgangspunkt ; ich hätte aber trotz des überreichen Inhaltes ihrer
Berichte eine so schwierige Aufgabe nicht zu versuchen gewagt,
ohne manche gütige Unterstützung von Seite massgebender, eng-
lischer wie russischer Fachgenossen, wie sich dies nicht nur aus
dem Inhalte dieses, sondern auch des nächstfolgenden Abschnittes
ergeben wird. —
Die Alpen lehren, dass die bogenförmigen Aussenränder der
einzelnen Aeste weit beständiger in Bau und Verlauf sind als die
Innenseiten ; wir beginnen auch hier mit den Aussenrändern.
Vier Bogen treten gegen die indische Halbinsel vor.
Der erste bogenförmige Aussenrand beginnt in den kurdi-
schen Bergen; er begrenzt die mesopotamische Ebene, folgt dem
persischen Meerbusen, wendet sich mehr und mehr gegen Ost,
erreicht die Mündungen des Indus und zieht von hier nordwärts,
beiläufig diesem Strome folgend, in die Gegend von Tank, NW.
von Dera Ismail Khan. Dies ist der Aussenrand des iranischen
Bogens.
Der zweite Aussenrand weicht in seinem Baue von jenem
aller anderen Gebirge der Erde ab. Er tritt in scharfer Krümmung
546 -Die iranischen Aussenketten.
gegen den Indus vor, über den Berg Sheikh Budin gegen Puniäla,
weicht wieder zurück gegen Kälabägh, wo er vom Indus durch-
brochen wird, tritt jenseits des Stromes abermals gegen Süd vor
und erreicht in der Nähe von Jalalpur den Fluss Jhelum. Dies ist
die Salzkette, der Aussenrand des Hindu Kush. Es ist das
kürzeste Randstück.
Vom Jhelum streicht der Aussenrand des Himalaya erst
gegen SO., dann mehr und mehr gegen O., endlich gegen ONO.
in das Thal des Brahmaputra hinein, wo in Assam das keil-
förmige Plateau von Assam vorliegt. Dies ist das dritte Rand-
stück.
Aus dem Brahmaputrathaie tritt S. vom Plateau von Shillong
ein anderer Gebirgsrand hervor ; zuerst streicht er dem Himalaya
fast parallel gegen WSW., dann beugt er sich gegen SW. und
hierauf ziemlich rasch gegen S., durch Arrakan zum Cap Negrais,
den Andamanen und den Nikobaren. Wir werden die Ketten,
welchen dieser Rand angehört, hier in der Regel als die bur ma-
nischen Ketten bezeichnen, aber sie sind nur ein Theil eines
ausserordentlich grossen, gekrümmten Zuges, welcher in N. und
NNW. Richthofen's ,hinterindisches System', im Süden einen
grossen Theil der Sunda-Inseln umfasst; wir nennen sie insgesammt
den malayischen Zug.
Die iranischen Aussenketten. Der westliche Theil der
iranischen Aussenketten wird von hohen Gebirgszügen gebildet,
welche mit südöstlichem Streichen sich an der Ostseite des Tigris
zum persischen Meerbusen strecken und dann eine mehr und mehr
östliche Richtung verfolgen. Den ganzen gegen SO. ziehenden
Theil fassen wir unter dem Namen der Zagrosketten zusammen.
Loftus hat dieselben nach vielen Richtungen durchreist; wir folgen
seinen Berichten.^
In der Niederung Mesopotamien's taucht da und dort unter
dem Schwemmlande eine Reihe flachgelagerter Sedimente von
mitteltertiärem Alter hervor, welche als die gypsführende Serie
(gypsiferous series) bezeichnet werden. Ihre Verbreitung ist eine
sehr grosse, und Loftus hält sie für übereinstimmend mit den
Gyps- und Salzablagerungen am Wänsee, welche, wie wir früher
Aussenrand des Zagros. ^47
sahen, vielleicht das Aequivalent der Gyps- und Salzablagerungen
der Karpathen, also des Schlier, sind.
Diese gypsführende Gruppe besteht aus drei Gliedern, oben
aus einer Ablagerung von Gerollen, darunter aus mürbem, rothem
Kalksandstein, endlich aus buntem Thon mit Gyps und zuweilen
mit Salz. Die Asphaltvorkommnisse der Vorberge des Zdgros
gehören ihr an.
Gegen den östlichen Rand des Schwemmlandes erhebt sich
die gypsführende Gruppe, und sie bildet mit gefalteten und auf-
gerichteten Schichten einen breiten Saum an dem Fusse des Ge-
birges auf der ganzen Strecke von Jezireh-ibn-Omdr oberhalb
Mossul in 36° nördl. Bn bis Käzerün in 29° 47'. Ihre Schichten-
köpfe ragen frei hervor und finden ihre Fortsetzung in den ver-
einzelten abgerissenen Schollen, welche, in Synclinalen eingefaltet,
hoch oben im Gebirge liegen, so in Lüristän im Thale des Kerkhah,
im Pish-Küh in 6000 Fuss, und zu Kirrind, westlich von Kerman-
shah, mit schlecht erhaltenen Meeresconchylien in etwa 5500 Fuss.
Unter der gypsführenden Gruppe folgt in grosser Mächtigkeit
der Nummulitenkalk. Er bildet hohe und viele Meilen lange Falten-
sättel, welche von tiefen Querschluchten durchschnitten sind, und
da und dort fast unnahbare ,Diz* oder Festungsberge. Ein Bei-
spiel ist der mächtige Ban-i-Zdrdah zwischen Bagdad und Sennah ;
er ist gegen SW. durch den schroffen Schichtenkopf einer auf-
gebrochenen Antiklinale begrenzt und gegen NO. durch einen
Bruch, welcher seine ganze Masse als den vorderen Theil der
nachfolgenden Synclinale von dieser abtrennte und absinken Hess.
Auf diesem Block von Nummulitenkalk hat Yezdijird, der Letzte
der Sassaniden, den letzten Widerstand gegen die Moslim versucht.
Der Nummulitenkalk erreicht im Zdgros Höhen von mehr als
10.000 Fuss; seine Falten ziehen durch das ganze Gebirge, vom
Norden her bis südwärts über die Ruinen vcn Persepolis hinaus.
Das nächste Glied des Gebirges bildet die Kreideformation,
in der Regel ebenfalls harter Kalkstein. Sie zieht von den kurdi-
schen Bergen durch Lüristän, erreicht in den Bdkhtiydribergen
grosse Entwicklung und streicht weiter gegen SO. Blauer Kalk-
stein, welcher die Unterlage des Kreidekalkes bildet, mag viel-
leicht einer älteren mesozoischen Gruppe angehören, doch spricht
54^ Zagros.
dies Loftus nur als Vermuthung aus, und spätere Beobachter, wie
Blanford, bezweifeln es.' An einer einzigen Stelle, mitten in den
BäkhtiyÄribergen wurde in grauem Kalkstein eine Orthis von
devonischem oder silurischem Alter getroffen. Endlich erscheinen
als Unterlage air dieser Schichten in dem östlichen Theile des
Gebirges archaische Schiefergesteine; sie begleiten eine grosse
granitische Zone, welche, aus NW. herabstreichend, am Ostrande
des Gebirges gegen die Ebene den mächtigsten Stock, den
13.780 Fuss hohen Elwend bildet und von dort ununterbrochen
bis in die niedrige Kette von Färäjäbad in ^2'' 15' nördl. Er. sich
erstreckt.
So stellt sich die Reihe der Zägrosketten sammt ihren Fort-
setzungen bis Shiraz als ein einseitiges, durch tangentiale Be-
wegung aus NO. gegen SW. gebildetes System paralleler Falten
dar. Am Ostrande ragt der Granit aus Elwend hervor, umgeben
von altem Schiefer; gegen West folgen die Falten des Kreide-
und Nummuliten-Kalksteines und am Aussenrande gegen die Ebene
die aufgerichtete gypsführende Serie.
Die Schichtfolge gleicht ausserordentlich jener, welche wir
in Arabien und in Aeg}-pten angetroffen haben. Es besteht in
dieser Beziehung nicht jener Gegensatz zwischen dem Zdgros und
seinem Vorlande, von welchem die Alpen ein so auffallendes Bei-
spiel geben, und man wäre versucht zu sagen, die Ketten des
Zägros seien nur ein gefaltetes Stück der Wüstentafel.
Innerhalb der Zägrosketten ragen noch weitere Züge hervor,
in welchen südöstliches oder ostsüdöstliches Streichen herrscht,
und an der Nordseite des hohen Kohrud zwischen Käshän und
Isfahän haben Blanford und Tietze Granit angetroffen, während
die Südseite aus Kalk besteht.'*
Es soll jedoch hier nur der Bau des äusseren Saumes Iran's
betrachtet werden; dass wir denselben weiter gegen SO. zu ver-
folgen im Stande sind, ist insbesondere Blanford zu danken, wel-
cher die Küste bis Cap Monze hinab an vielen Stellen besucht,
die Randgebirge von Gwddar auf der Reise über Jälk und Bampur
gegen Karmdn gekreuzt und eine ausführliche Beschreibung der
Gebirgszüge an dem rechten Ufer des unteren Indus gegeben hat,
welche den südöstlichen Theil des iranischen Randgebirges bilden.*^
IUI.id,,hisla.,. 549
Wir lernen hieraus, dass die Küsten von einer sehr jungen,
nur 20 — 25F. über den heutigen Strand reichenden Meeresbildung,
dem ,LitoraI concrete' umgeben sind, und dass als nächst älteres
Glied an der ganzen Südküste von Makrän horizontal gelagerte
Meeresbildungen von grosser Mächtigkeit bis gegen Cap Monze
sichtbar sind, welche flach über die äusseren Mulden und Sättel
des Gebirges hinübergreifen. Diese Ablagerungen bezeichnet
Blanford als die Makrängruppe, und es scheint ihnen hier eine
ähnliche Stellung zuzukommen, vi'ie der IH. oder IV. Mediterran-
stufe im Mittelmeerbecken ; wahrscheinlich sind es dieselben jungen
Meeresschichten, welche an der Nordküste des persischen Meer-
busens, insbesondere auf der Insel Karak bei Abushahr, er-
scheinen.
Auf den Inseln der Strasse von Hormuzd und wahrscheinlich
auch auf der benachbarten Küste tauchen unter der Makrdn-
gruppe buntgefärbte Salzlager mit aufgerichteten Schichten her-
vor, vermuthlich die Fortsetzung der gypsführenden Gruppe
Mesopotamien's.
Landeinwärts folgt nun Nummuliten-Kalkstein, eocänerMergel
und Sandstein, und eine grosse Mächtigkeil von bleichem Hippu-
ritenkalk. Sie ziehen von Shiraz gegen SO., setzen weit und
breit die gefalteten Ketten zusammen und reichen in Balüdshistdn,
in lange, von O. gegen W. gerichtete Parallelzüge gereiht, über
Pi'shi'n bis Jälk und noch viel weiter. Der Kreidekalk ist stellen-
weise von Eruptivgesteinen desselben Alters durchsetzt. Gneiss,
Glimmerschiefer und Talkschiefer bilden die Unterlage; sie sind
bei Saiddbad, SW. von Karmdn, sichtbar und an dem Rande der
grossen Ebene von Narmashi'r, 50 dass Blanford vermuthen durfte,
es reiche eine einheitliche Zone derselben vom Elwend durch das
ganze Gebiet des Zägros und von da bis an die Grenze von
Balüdshistän.
Endlich sind jüngere vulcanische Bildungen in beträchtlicher
Ausdehnung vorhanden. Sie bilden NO. von den eben erwähnten
alten Felsarten von Saiddbad das hohe Gebirge bis in die Nähe
von Karmdn; gegen SO. gehört ihnen der 14.600' hohe Kdh
Häzär bei Rdyi'n an; sie breiten sich zwischen Bam und Bampur^
aus, und jenseits dieser Vorkommnisse erheben sich die beäd
550 Laki und Khirthar.
mächtigen, aber wenig gekannten Kegel Kuh-i-Basmän und Kuh-
i-Naushäda.
Bis nach Baludshistän ist also die Structur und die Gesteins-
folge der iranischen Randketten, so weit sie uns bekannt sind, die-
selbe wie im Nordwesten. Allerdings liegen einige Anzeichen,
insbesondere in den orographischen Aufzeichnungen von St. John,
vor, welche darauf hindeuten, dass an der Strasse von Hormuzd
zwei bogenförmig vortretende Systeme äusserer Falten aneinander-
schaaren und dass folglich die Gestalt dieses Meerestheiles in dem
Verlaufe der Gebirgsfalten und dem Verhältnisse derselben zu
dem arabischen Vorlande tief begründet sei; in dem Streichen der
inneren Ketten ist aber eine solche Schaarung nicht bekannt. Sie
nähern sich mit südöstlichem Streichen den östlich verlaufenden
Ketten des Balüdshistän, welche die Verbindung mit dem Falten-
gebirge von Sind herstellen.^
Das Gebirge am unteren Indus, dessen Bau ebenfalls haupt-
sächlich durch Blanford bekannt geworden ist, beginnt mit dem
kurzen, gegen SW. streichenden Zuge, welcher am Cap Monze
unter das Meer taucht; von den anderen Zügen nenne ich nur die
östlich vortretende Lakikette, deren nördliches Ende bei Sehwän
liegt und deren Vorlagen die östliche Beugung des unteren Indus
veranlassen, und die lange, mit leichter Krümmung von S. gegen
N. aus 2(f 15' bis fast 28° nördl. Br. verlaufende Khirtharkette.
Es sind dies einfache Falten von massiger Höhe, und nirgends
sind ältere als cretacische Gesteine bekannt. Noch in der Laki-
kette, gleichsam im Angesichte der alten Tafel der indischen Halb-
insel, tritt der weisse Hippuritenkalk unter den nummulitenführenden
Schichten hervor ; in dem südöstlichen Theile dieser Höhenzüge
erscheinen bereits die äussersten Ausläufer der Basalte des Dek-
kan; sie haben an der F'altung theilgenommen. Schichten der
mittleren Tertiärzeit, namentlich die marine Gäjgruppe und die
nicht marine, den durch ihren Reichthum an Säugthierresten be-
kannten Siwalik's des Himalayarandes entsprechende Manchar-
gruppe sind auch gefaltet und bilden einen guten Theil dieser
Höhenzüge; aber die noch jüngere, flach gelagerte, marine Makrdn-
gruppe reicht nicht bis Cap Monze und ist im Industhale nicht
bekannt.^
Kandahar. Takht-i-Suliman. 551
Auch in dem westlichen Theile dieser Zügey in der etwa
380 Kilom. langen Strecke von Quetta bis Kelät und bis Gwujjuck
im Mushkathale in Makrän hat Cook keine älteren als cretacische
Ablagerungen getroffen; das Eocän steht hier in Verbindung oder
ruht unmittelbar auf Serpentin und auf dioritischen Felsarten,
deren Aehnlichkeit mit jenen des südlichen Arabien Carter
betont.^
Durch das südwestliche Streichen des Cap Monze, dann durch
das östliche Vortreten der Laki- und die nördliche Richtung der
Khirtharkette erhält das Gebirge am unteren Indus eine verlängert
S-förmige Anordnung. Nördlich vom Khirthar tritt die weit mäch-
tigere Sulimänkette wieder westwärts vor, aber die Zusammen-
setzung ist dieselbe.
Griesbach ist über den Bolanpass und Kandahar bis Girishk
am rialmand vorgedrungen und hat dabei eine grössere Anzahl
gegen SW. ziehender Ketten gekreuzt, aber auch auf dieser
Strecke wurden keine älteren als cretacische und eocäne Ablage-
rungen angetroffen. Die cretacischen Kalksteine sind, namentlich
in der Nähe von Kandahar, von cretacischen Eruptivgesteinen
durchbrochen; das Eocän ist in einzelnen Zügen von Flysch be-
gleitet, die mitteltertiäre Gäjgruppe nicht gefaltet, doch discordant
gegen die Unterlage, bis in das Pishinthal W. von Quetta. Gries-
bach betrachtet denn auch die afghanischen Kreidekalk- und
Flyschberge als einen Theil jenes weiten Gebietes von ähnlicher
Schichtfolge, das vom Karst, der Herzegowina und Griechenland
über Syrien und Persien bis an den Indus sich erstreckt.^
Alle äusseren Falten vom Meere nordwärts bis 30" 30' hat
Blanford untersucht; die ältesten Ablagerungen gehören durch-
wegs der Kreideformation an;'° endlich hat Griesbach im Norden
den 1 1.300 Fuss hohen Takht-i-Sulimän erstiegen, den höchsten
Gipfel der Sulimänkette, und auch hier kein älteres als cretacisches
Gestein getroffen."
Die bisher über die Beschaffenheit des iranischen Rand-
gebirges gesammelten Beobachtungen liefern demnach ein sehr
bestimmtes, übereinstimmendes Ergebniss. Wir sehen, dass von
unserem Ausgangspunkte Jezireh-ibn-Omdr oberhalb Mossul am
Tigris bis zur Annäherung an den Hindu Kush bei Tank, unweit
Suess, Das Antlitz der Erde.
552 Schichtfolge des iranischen Bogcns.
von dem am Indus gelegenen Dera-Ismail-Khän, dieses Rand-
gebirge das Hochland in solcher Weise umschliesst, dass nur ein
geringer Theil des Abflusses der Hochfläche zum Meere gelangt,
dass ferner vielleicht die äusseren Falten in der Strasse von Hor-
muzd eine besondere Schaarung bilden, die inneren Fedten jedoch
vom oberen Tigris bis nach Baludshistän und von da mit gewen-
detem Streichen bis zum Takht-i-Sulimän sich fortsetzen, und dass
in diesem grossen System bogenförmiger Falten von W. bis O.
Hippuritenkalk, Flysch, Nummulitenkalk und miocäne Schichten
die herrschenden Felsarten sind. Die mittleren und tieferen Theile
der mesozoischen Schichtenreihe sind an keiner Stelle nachge-
wiesen; nur paläozoische Schichten erscheinen da und dort, in der
Regel aber besteht die Unterlage, wo sie überhaupt sichtbar ist,
aus Gneiss und altem Schiefergestein. Hiezu treten cretacische,
tertiäre und noch jüngere Eruptivgesteine.
Nur an der Küste von Makrän und im persischen Golf ist die
Anlagerung junger horizontaler Meeresschichten bekannt. In allen
anderen Theilen des Randgebirges haben auch die jüngsten sicht-
baren Tertiärablagerungen Faltung erlitten.
In W. liegt vor dem iranischen Bogen das arabische Vorland
mit ziemlich derselben Schichtfolge; in O. breitet sich dagegen
vor demselben die gänzlich verschiedene, durch die lange Serie
altmesozoischer Sandsteine ausgezeichnete Tafel der ostindischen
Halbinsel aus, und eben so verschieden ist auch die Schichtfolge
in den anschaarenden Ketten des Hindu Kush.
Das ausserordentliche Ausmaass tangentialer Bewegung erhält
aber, wie Blanford hervorhebt, dadurch den schärfsten Ausdruck,
dass der beinahe 240 Kilom. lange Weg von Gwadar nach Jälk
in Baludshistän nur verticale oder fast verticale Schichten von an-
scheinend tertiärem Alter durchciuert.''
Die Salzkette. Eine gemeinsame Zone von gefalteten
tertiären Ablagerungen umsäumt alle die grossen indischen Bogen.
Der Aussenrand des Hindu Kush ist jedoch von jenem der übrigen
Bogen, sowie aller anderen mir bekannten Gebirge dadurch aus-
gezeichnet, dass an seinem äussersten Saume in steiler, vielfach
gebrochener Stufe noch die ältere unterläge der tertiären
Die SalikcUe, 553
Vorketten sichtbar wird. Diese Stufe, an welche unmittelbar
das flache Schwemmland des Punjab tritt, ist die Salzkette.
Die Seehöhe dieses Schwemmlandes beträgt beiläufig 750
Fuss, die mittlere Höhe der Stufe über derselben etwas über
2000 Fuss; der höchste Punkt der Salzkette, der Sakesar, erreicht
die Seehöhe von 5010 Fuss. Diese Stufe, welche an vielen Stellen
einer gebrochenen Anticlinale gleicht, ist jedoch durchaus nicht
gerade, sondern gegen Kälabägh, wo der Indus hervortritt, so
tief ausgebuchtet, dass das höhere Land, welches durch die Stufe
abgegrenzt wird, in zwei Platten zertheilt ist, nämlich die 1000
bis 1500 Fuss hohe Ebene von Bannü und die weit grössere, bei-
läufig ebenso hohe Ebene von Rawalpindi oder des Potwdr.
Wynne hat den Bau der Salzkette ausführlich geschildert; Waagen
hat das Alter der einzelnen Glieder festgestellt.'''
Die tiefsten sichtbaren Ablagerungen sind salzfiihrende Schich-
ten und rother Sandstein; über denselben folgt Kalkstein mit Pro-
ductus und grossem Reichthum an organischen Resten, welcher
. in den bisherigen Darstellungen dem Kohlenkalke gleichgestellt
ist; er ist von ceratitenführenden Bänken überlagert, welche der
Trias zugezählt werden; in einem höheren Horizonte liegen Fos-
silien des mittleren Jura, dann schwarzer Schiefer, ähnlich dem
jurassischen Spiti-Schiefer des Hochgebirges, hierauf Grünsand
mit Neocom-Versteinerungen, dann endlich das Eocän und die
mächtige Reihe tertiärer Ablagerungen. Mehrere dieser Glieder
zeigen entschiedene Aehnlichkeit mit den Vorkommnissen des
Himalaya und Waagen betrachtet die gesammte Serie als den
Ausdruck des üeberganges aus der Schichtfolge bei Kachh in
die Schichtfolge des Hochgebirges.'*
Die Störungen sind ausserordentlich gross; das Streichen der
einzelnen Stücke, welche zusammen die beiden Bogen der Salz-
kette ausmachen, wechselt rasch und ist an einigen Stellen S-förmig
gebogen; endlich bringt die Auslaugung der Salzschichten an
dem Fusse der grossen Stufe beträchtliche locale Absenkungen
hervor. Im W. läuft zuerst eine tertiäre Kette gegen SO.; ihr
kommt eine zweite entgegen, welche gegen SW. streicht; wo
beide zusammentreffen, an der südlichen Ecke, ist die Masse <
Makdüm Günd oder Scheik Budi'n (4516 Fuss) hervorgep«
554 Kälabigh.
in welcher durch eine südwärts überschlagene Falte eine grosse
jungtertiäre Scholle vom Jura umschlossen wird. Die gegen SW.
laufende Falte ist ostwärts von einem parallelen Rücken begleitet,
welcher nach O, die ältere Schichtreihe entblösst; dann biegt sie
sich S-förmig um ;
der convexe Rand
wird concav und
zeigt an diesem
dieälterenSchich-
ten.SowirdKäla-
bägh erreicht, wo
der zweite, das
Fotwär umfassen-
de Bogen be-
ginnt; die grossen
horizontalen Ver-
schiebungen und
Brüche an dieser
Stelle zeigt Fig.
4?. Dieser zweite
Bogen erreicht im
O. bei Jalalpur
den Jhelum und
setzt sich noch in
der ganz unregel-
mässigen, eben-
falls S-förmig ge-
bogenen Tilla-
kette nordwärts
fort (Taf. IV).
So zeigt dieses kurze, zwischen die Sulimdnkette und den
Himalaya eingeklemmte Randstück das höchste Ausmaass und die
höchste Mannigfaltigkeit der Störungen.
Die tertiären Vorketten. In den westlichen Alpen trennt
eine sehr scharfe Linie das Molassenland von den weiter nach
Innen liegenden Falten. Es beginnt dasselbe mit der unteren
Tertiire Vorketten. 555
Süsswasser-Molasse; die Grenze ist nach Aussen überbogen, so
da3s die Molasse gegen die Alpen sich neigt; dann erhebt sie sich
vor dieser Grenze zu einer, wohl auch zu zwei Anticlinalen und
flacht endlich gegen die Ebene aus. Zu wiederholten Malen ist
von zuverlässigen Beobachtern betont worden, dass die Einschal-
tungen von Conglomeraten in die Molasse an den Mündungen der
heutigen Querthäler erscheinen, und es wurde hieraus gefolgert,
dass diese Thäler bereits vor einem guten Theile der Tertiärzeit,
daher auch vor der Aufwölbung dieser Anticlinalen und der Ueber-
beugung der Grenze bestanden haben.
In den Ostalpen sind zwei scharfe Grenzen dieser Art vor-
handen. Die erste, ebenfalls nach Aussen überbogen, wo immer
sie näher beobachtet wurde, trennt die grosse Flyschzone von den
inneren Falten. Das Flyschgebirge umfasst cretacische und ter-
tiäre Gesteine, und an der Cantsflue in Vorarlberg tritt die juras-
sische Unterlage in steiler Falte hervor. Die zweite scharfe Linie
grenzt den Flysch gegen das vorliegende jüngere Tertiärland ab,
aber bei der leichten Zerstörbarkeit des letzteren prägt sich diese
Grenze an dem grössten Theile des Nordrandes der Alpen nur in
der geschlossenen Curve des äusseren Abhanges aus.
In den Karpathen sind die Verhältnisse ähnlich wie in den
Alpen. Die innere Linie fehlt, aber in den Klippenzügen tritt die
Unterlage hervor, wie an der Canisflue, und die äussere Linie ist
es, welche das gefaltete Salzgebirge abtrennt vom Flysch. —
Eine ähnliche scharfe Grenzlinie findet sich in den südlichen
Ketten des Hindu Kush und sie wiederholt sich im Himalaya.
Eine gemeinsame, bald breite, bald schmale tertiäre Zone wird
durch dieselbe von dem höheren Gebirge abgetrennt. Diese Zone
umgibt, allenthalben nach Innen scharf abgegrenzt, die genannten
Gebirgssysteme. Ihr ältestes Glied ist der Nummulitenkalk, wel-
cher allerdings auch innerhalb der inneren Falten vorhanden ist.
Alle die betheiligten .Stufen der Tertiärformation sind schon in den
Ketten von Sind, also dem ost-iranischen Randgebirge, vorhanden
und nehmen dort beträchtlichen Antheil an der Zusammensetzung
der Höhen, aber es fehlt die scharfe Abgrenzung gegen Innen.
Die Grenzlinie der tertiären Zone gegen die Ketten des
Kush läuft erst von W. gegen O., südlich von den Afridibi
556 Tertiäre Vorketten.
zeigt am Indus eine leichte Ausbuchtung, welche vielleicht der
grossen Bucht der Salzkette bei Kdlabägh entspricht, und wendet
sich dann nördlich von Rawalpindi gegen NO. (Taf. IV), endlich
fast rein gegen N. zu der Schaarung in der Nähe des Jhelum bei
Muzafirabad. Südlich von dieser Grenze bildet das Tertiärland
die schon genannten Hochflächen von Bannu und des Potwdr,
welche gegen S. an der Salzkette endigen.
Im Himalaya verläuft die Grenzlinie mit einem regelmässigen,
nur in der Nähe des Sutlej etwas gegen die Ebene vortretenden
Bogen aus der Gegend von Muzafirabad weithin bis gegen den
Brahmaputra. Die tertiäre Zone des Hindu Kush tritt über den
Jhelum und setzt sich unmittelbar in jene des Himalaya fort.
Diese ist anfangs von ziemlicher Breite, wird, wo in der Nähe
des Sutlej die Grenze des alten Gebirges vortritt, plötzlich viel
schmaler, bleibt nun durch eine lange Strecke schmal, verschwindet
sogar in Bhutan für ein kurzes Stück des Gebirgsrandes ganz, er-
scheint wieder, ist im Thale des Brahmaputra gut entwickelt,
kreuzt dasselbe oberhalb der Berge von Assam und setzt sich nun
in die Tertiärzone der burmanischen Ketten unter scharfer Beu-
gung des Streichens fort. Nun zieht dieselbe gegen SW. und
endlich nach S., so dass sie in ziemlicher Breite an den Südrand
des Plateaus von Shillong reicht und zugleich den westlichen
Rand der burmanischen Ketten bis an die Küste von Arrakan be-
gleitet. In den burmanischen Ketten treten allerdings dieselben
Tertiärablagerungen auch in die Zusammensetzung der inneren
Ketten ein.
Der Nummulitenkalk ist im ganzen Gebiete des Hindu Kush
vorhanden und reicht nach Medlicott, welcher die Vorketten des
Himalaya auf eine höchst lehrreiche Weise dargestellt hat, in ein-
zelnen Aufbrüchen bis an die irenannte Verenirunof in der Nähe des
Sutlej.' Von da an fehlt derselbe und nur die jüngeren Schichten
begleiten das Gebirge, bis weit im Osten auch der Nummuliten-
Kalkstein wieder erscheint. '° Alle Tertiärschichten des Hindu
Kush und des westlichen und mittleren Himalaya über dem Num-
mulitenkalke sind ausserhalb des Meeres gebildet.
Die marine Gdjgruppe, nicht unähnlich dem Auftreten der
Meeresmo lasse zwischen der unteren und der oberen Süsswasser-
Scliaaning am Jhclum. 55 7
Molasse der Schweiz, ist nur dem südlichsten Theile der sonst
ganz aussermarinen Sandsteinzüge der Ketten von Sind ein-
geschaltet, und erst weit im Osten, auf dem Plateau von Shillong
und im östlichen Bengalen erscheinen wieder Meeresbildungen
von mittel tertiärem Alter.
Die Mächtigkeit der nicht marinen Tertiärschichten über dem
Nummulitenkalk ist ausserordentlich gross; sie umschÜessen min-
destens zwei von einander verschiedene Landbevölkerungen und
entsprechen wahrscheinlich dem gesammten Zeiträume von der
Eocänzeit bis zur Gegenwart. Manche der jüngeren Ablagerungen,
wie die durch ihren Reichthum an Säugthierresten ausgezeichnete
Sewalikstufe, gleichen in ihrer Zusammensetzung so sehr dem
jüngsten und heute in Fortbildung begriffenen Schwemmlande des
Indus und des Ganges, dass man sie geradezu als gefaltete Allu-
vialmassen des heute noch andauernden Fluss- System 's gekenn-
zeichnet hat. Wie in der Schweizer Molasse, so erscheinen nach
übereinstimmenden Beobachtungen die eingeschalteten Conglo-
meratmassen in der Nähe der heutigen Thalmündungen. Lydekker
bemerkt sogar, dass Geschiebe aus Felsarten der inneren Ketten
auch in den tertiären Schichten nur an den Mündungen jener
Hauptthäler angetroffen werden, welche heute tiefer in das Ge-
birge reichen, und dass die tertiären Conglomerate vor den kür-
zeren Querthälern nur die Gesteine der näher gelegenen Ketten
führen.
Der innere Theil der Tertiärzone neigt sich unter das Hoch-
gebirge in Folge einer von dort her erfolgten .seitlichen Bewegung,
ganz wie wir dies an dem überschobenen Aussenrande der Schwei-
zer Alpen zu sehen gewohnt sind, und in der tertiären Zone selbst
sind lange Stürungslinien vorhanden, welche eine offenbare Aehn-
lichkeit mit der langen Anticiinalfalte der Molasse haben. Hier
aber tritt der eigenthümliche Fall ein, dass im Thale des Jhelum
zwei Beugungsrichtungen aufeinandertreffen. Die Vergleichung
der verdienstlichen Studien von Medücott in den Subhimalaya's
und am Jhelum, von Lydekkrr an dem innersten Rande der ^
himaiaya's bisMuzafirabad und von Wynne auf den >
furchten Flächen innerhalb der Salzkette gestatt
seitige Verhallen der beiden Beugungen zu e
••■
cc8 Lange Linien am Fusse des Himalaya.
Dies ist aber um so wichtiger, als man einigen Grund hat, in
diesen Linien den Ausdruck der allgemeinen Bewegungen beider
Gebirgssysteme zu sehen.
Wie Taf. IV erkennen lässt, scheinen die äusseren Faltung-en
des Hindu Kush in Hazära etwas weiter gegen S. vorgedrung-en
zu sein als die benachbarten Theile des Himalaya. Man möchte
darum in dem Tertiärlande am Jhelum ein gewaltiges Schleppen
und Vorüberschleifen der schaarenden Gebirgstheile vermuthen;
die Beobachtungen zeigen aber nichts Aehnliches.
Die Störungslinien sind Anticlinalen oder Flexuren mit g-e-
senktem äusseren Theile, beide häufig auf lange Strecken hin nach
Aussen, d. i. im Himalaya gegen SW., im Hindu Kush gegen SO.
überschoben.
Wir beginnen im Gebiete des Himalaya.
Eine lange Synclinale folgt dem äusseren Rande des alten
Gebirges, zieht bei Punch vorüber, nähert sich der Stelle, an
welcher bei Uri der Jhelum das alte Gebirge verlässt, und scheint
vor Muzafirabad auszuflachen.
Ausserhalb dieser Linie treten an mehreren Stellen aus dem
Tertiärlande vereinzelte Massen von älterem Kalkstein hervor,
welche wir vorläufig mit Lydekker als mesozoisch ansehen. Ins-
besondere erscheinen zwei mächtige Vorkommnisse dieser Art am
Chenäb; die erste, Läpri, erhebt sich zu 9914 Fuss, die zweite,
Sangar Marg, ist nur 6676 F. hoch, aber beinahe 50 Kilom. lang.
Sangar Marg verräth sich deutlich als der Aufbruch einer grossen,
nach auswärts bewegten Falte und setzt sich gegen NW. in ähnlichen
Aufbrüchen fort. Das sind wahre Klippen im karpathischen Sinne.
Unterhalb des Sangar Marg kreuzen den Chenäb zwei ausser-
ordentlich lange, parallele Störungslinien.
Die erste Linie beginnt weit im SO., durchquert als ein gegen
SW. überschobener Wechsel den Sutlej, erreicht nach einem Laufe
von mehr als 300 Kilom. den Chenäb unter dem Sangar Marg und
zieht weiter zum Jhelum. Die zweite Linie liegt nahe südlich von
dieser und bewegt sich mit derselben zum Jhelum. Dort deuten
nach Medlicott's Angabe alle Anzeichen dahin, dass diese beiden
Linien, die eine nördlich, die andere südlich vom Berge Narh,
sich in scharfer Curve beugen und ohne Unterbrechung aus dem
\«.
Bakrdla und Tilla. 559
nordwestlichen Streichen des Himalaya in das südwestliche des
Hindu Kush übergehen. Auch südlich davon scheint quer über dem
Jhelum ein gemeinschaftliches Bogenfragment vorhanden zu sein.
Die Linien W. vom Jhelum sind nicht so stetig in ihrem
Laufe. Eine Anzahl derselben folgt der Richtung des älteren Ge-
birges, geht dann in die rein westliche Richtung über, bildet in
dieser Richtung die zahlreichen parallelen Falten des eocänen
Salzgebietes im Districte von Kohät und ist von Wynne bis Thal
am Kuramflusse verfolgt worden, wo um den mesozoischen Berg
Kadimuk die eocänen Schichten sich scharf gegen N. zu beugen
scheinen, wahrscheinlich der Schaarung mit der Sulimänkette
entsprechend.'^ Ein anderer Theil dieser Linien wendet sich mehr
und mehr gegen SW. Eine derselben streicht unter dem Namen der
Bakrälakette in die Salzkette; in ihrem südlichen Theile werden
die alten Schichten der Salzkette sichtbar. Die bereits genannte,
vielfach geknickte Tillakette am östlichen Ende der Salzkette ist
auch wohl nichts Anderes als eine dieser gegen den Jhelum streben-
den Linien. Gegen W. tauchen innerhalb der Salzkette andere
Linien hervor, welche nach NW. gerichtet, folglich auf die Bakräla-
linie senkrecht sind, als würde in diesen Vorbergen und in der
Vorstufe der Salzkette eine Interferenz von Hindu Kush- und von
Himalaya-Störungen eintreten..
,Die Anordnung,' sagen Medlicott und Blanford, »zeigt auf
überzeugende Weise die gleichzeitige Thätigkeit in beiden Stö-
rungsrichtungen. In diesem Kampfe um Raum scheint die Rich-
tung der Salzkette die Oberhand behauptet zu haben, denn die
Flexuren dieser Richtung dauern in höherem Grade an, indem sie
die Linien der Himalaya-Richtung kreuzen*.'^
18
Der westliche Himalaya bis zur Mustäghkette. Dieses
gesammte Gebiet ist von Lydekker in so trefflicher Weise dar-
gestellt worden, dass sein Werk über diesen Gegenstand den be-
deutendsten neueren Beiträgen zur Kenntniss der Structur der
Hochgebirge beigezählt werden muss.'^ An dasselbe schliesst
sich Godwin Austen's neuer Versuch einer Uebersicht des ge-
sammten Himalaya, welcher auf einer so ausserordentlichen Kennt-
niss der Sachlage beruht, dass er, trotz des wohl allzusehr hervor-
560 Pir Panjdl.
tretenden Bestrebens, sehr lange Linien zu construiren, dennoch
die Beherrschung der Menge vereinzelter Erfahrungen wesentlich
erleichtert.'"
Schon die erste innerhalb des Tertiärlandes verlaufende Zone
zeigt die Gefahren einer allzu schematischen Auffassung. Wäh-
rend im SO., jenseits vom Sutlej, eine breite Zone minder hoher
Berge vor den grossen schneebedeckten Ketten liegt, tritt gegen
NW. der Saum des Gebirges etwas mehr gegen das Tertiärland
vor, und aus einem Zuge alter, vorherrschend schiefriger Gesteine
erheben sich hohe, zackige Kämme von Granit und granitischem
Gneiss. Nahe bei Simla ragt nicht weit von dem tertiären Saum
der Berg Chor 11.982 Fuss hoch empor; die breite Masse des
Dhauladhär ist durch einen schmalen Zug mit dem Pir Panjäl
etwa so verbunden, wie der Iffinger bei Bozen mit dem Granit von
Sterzing; dabei ist Pir Panjäl in der Richtung des Streichens sehr
verlängert, erreicht an seinem nördlichen Ende im Tatakuti
15.524 Fuss, und weitere kleinere Granitmassen zeigen seine Fort-
setzung an. Die Schiefergesteine sind in hohem Grad verändert ;
es sind Fleckschiefer vorhanden, und es zeigen sich namentlich in
den höheren Horizonten zahlreiche Einschaltungen von vulkani-
schen Producten. Mac Mahon hat aus der Beschaffenheit der
granitischen Gesteine des Dhauladhär höchst wahrscheinlich ge-
macht, dass diese selbst intrusive Massen seien, und so sind die
indischen Forscher ganz selbständig für diesen ersten Zug des
westlichen Himalaya zu ähnlichen Ergebnissen gelangt, wie sie
für den Harz, für den Adamello und manche andere Gebirgstheile
auf verschiedenen Wegen und von verschiedenen Beobachtern
erlangt worden sind.''
Die Richtung dieses ersten Zuges folgt, wie Taf. IV zeigt,
auf das Genaueste der Richtung der Störungslinien im tertiären
Lande, und zugleich ist der ganze Zug des Pir Panjäl gegen
aussen, d. i. gegen SW. überstürzt, so dass nördlich wie südlich
von dem granitischen Zuge die Neigung der Schichten gegen NO.
gerichtet ist. Auch diese tangentiale Bewegung entspricht den
Bewegungen des Tertiärlandes, und so treffen wir in diesem ersten
Zuge auch den ersten Beweis der Einheit der Bewegung in dem
Hochgebirge und in den tertiären Vorketten.
Kashm[T. ZJnskir. Spiti. ^6l
Dieser Zug ist bis nach Khäghän gegen NW. zu verfolgen,
also bis nahe an den Meridian von Muzafirabad. —
Der Zone des Pir Panjäl folgt gegen Nord mit gleichem
Streichen eine Zone von ober- paläozoischen und mesozoischen
Ablagerungen, welcher die grosse Mulde von Kashmir angehört.
Sie beginnt schon in Chamba mit einer kleinen, vollständig in der
Richtung gegen SW. verdrückten Synclinale, und der ganze süd-
liche Theil der grossen Mulde besteht, wie Lydekker insbesondere
bei Islamabad zeigt, aus einer langen Reihe gleichmässig gegen
SW. überschobener Falten. Mesozoische Schollen begleiten die
Ränder der grossen Mulde, bilden wahrscheinlich die ganze Tiefe
derselben und setzen sich mit gleichem Streichen an den oberen
Kishanganga und in der Richtung von Khäghdn fort.
Nun gelangen wir an die hohe und bis 80 Kilom. breite
Gneissmasse von Zänskär, welche in der Richtung von Kärtse mit
stumpfem Umrisse endet und noch nahe diesem nordwestlichen
Ende im Nun Kun 23.447 Fuss erreicht. Von dieser wird ver-
muthet, dass sie, über Lahol hinaus fortsetzend, in SO. zum Nanda
Debi und noch weiter zur Kette des Gaurisänkar und des Kinchin-
junga streiche.
An die nordöstliche Seite des Zdnskär schliesst sich jene
mächtige, vom paläozoischen Gebirge bis in die Kreideformation
reichende Zone versteinerungsreicher Ablagerungen, welche in
ihrem langen, gegen NW. gerichteten Laufe einer der stärksten
Beweise für den einheitlichen Bau des westlichen Himalaya ist.
Strachey hat sie bis zum See Mänasarowar in Tibet verfolgt und
sie als den Träger der weiten Hochebene von Hundes erkannt;
Stoliczka hat in derselben in Spiti die Gliederung der Formationen
durchgeführt und eine Reihe von Gliedern der alpinen Trias nach-
gewiesen, und Griesbach hat diese Arbeiten vervollständigt, das
Arbeitsfeld Strachey's mit jenem von Stoliczka verbunden und
die Concordanz aller Glieder bis zur Kreideformation gezeigt."
Dieser grossen Zone sind auch die Abbildungen Taf. I,
Schichtfaltung an einem Zweige des Bambadhuragletschers, und
Fig. 8, S. 146, Manirangpass, entnommen. Sie hat im Grossen
den Bau einer mächtigen Synclinale, welche von untergeordnet©
Längsfalten und von zahlreichen Brüchen und Ueberschiefe
562 Schichtfolge N. vom Zänskir.
flächen durchsetzt ist. So schliesst sie sich auch an die Masse des
Zänskär, trägt in der Mitte der Synclinale, auf dem Pankpopasse,
die letzten cretacischen Schollen und weiter in NO. nach Lydekker
C.\
loidenkiLlk und fl
auf unersteigltchem Gipfel eine Scholle von eruptivem Gesteine,
vielleicht von eocänem .'Mter.
In der Nähe des Suruflusses scheint sie, nahe dem Ende der
Zänskdrma-sse, zu enden, aber Lydekker zeigt, dass bei Kärtse
Kanga T'arbat. Encäne Zone. 5^3
noch vereinzelte Schollen vorhanden sind, und diese stellen die
Verbindung her mit einem weiteren mesozoischen Gebiete, wel-
ches in keilförmiger Gestalt das Streichen der Zdnskärmasse fort-
setzt (Taf. IV). Dieses besteht anfangs aus einer Anticlinale und
zwei Synclinalen, wobei die südliche Synclinale gegen SW. über-
schoben ist, und beide Mulden vereinigen sich endlich zu einem
langen und schmalen Keil, dessen Fortsetzungen in einzelnen
Schollen bis an den Südfuss des riesigen Nanga Parbat {26.62g
Fuss) verfolgt sind und von dort wahrscheinlich über die britische
Grenze nach Childs fortsetzen.'^
Diese Anordnung der mesozoischen Gesteine spricht aber
sehr dafür, dass in der nördlichen Fortsetzung der Zänskärmasse
eine regelmässige, wenn auch gegen SW. überschobene und sehr
zerrissene Uebermantelung, also eine Verbindung der beiden
mesozoischen Zonen von Spiti (Bdra lache Godwin-Austen zum
grössten Theile) und jener von Kashmir anzunehmen ist.
Die Zone, von welcher ich nun zu sprechen habe, ist von
allen die fremdartigste. Einzelne Schollen von eocänen Ablage-
rungen erscheinen W. vom Suruflusse bei Dras, und wo östlich
von diesem Flusse die mesozoische Zone ihren grossen Lauf gegen
SO. beginnt, schliesst sich an dieselbe eine zusammenhängende
Zone von eocänen Ablagerungen und eocänen Eruptivmassen,
welche in der Richtung des Indus sehr weit gegen SO. reicht.
Ihre Richtung ist etwas mehr gegen Ost gerichtet, als jene des
mesozoischen Gebietes, so zwar, dass ein keilförmiges Stück alter
Felsarten, welches gegen S. an Breite zunimmt, zwischen beide
trennend eintritt; dieses keilförmige Stück umschliesst in Rupshu
den Tso Moriri und bedeutet den Beginn einer neuen Zone grosser
Gneissmassen.
Durch diese keilförmige Einschaltung wird es klar, dass die
eocäne Zone ein von dem mesozoischen Gebiete vollständig ge-
schiedenes Gebilde ist, und dass beträchtliche tektonische Verände-
rungen der Eocänzeit vorangegangen sein müssen. Durch mehr
als 300 Kilom. ist diese alttertiäre Zone bereits verfolgt, ihre
Länge gegen SO. ist aber jedenfalls noch weit beträchtlicher; der
Nordrand zeigt bis gegen Leh die Zeichen normalei
an den Gneiss von I.Adäk, der Südrand dagegen jd
^64 Kann. LadAk. Mustdgh.
gegen SO. ist die Structur durch Seitendruck verwickelt. Die
Eruptivgesteine gehören nur der Südseite an. Die nummuliten-
führenden Ablagerungen erheben sich zu sehr bedeutenden Höhen ;
der Kanri oder Stok, S. von Leh, erreicht 21.000 Fuss und über-
ragt weithin die südlichen Berge. Welche Veränderungen setzt
diese Zone im Innern des Himalaya, weit nördlich von der Strei-
chungslinie des Nanda Debi, voraus, wie gross ist der Gegenstand
mit welchem wir uns beschäftigen, und wie klein sind die Auf-
fassungen, mit welchen man sich demselben zu nähern gewohnt ist !
Der eocänen Zone folgt das breite Gneiss- und Granitgebiet
von Ladäk, welches, von vielen untergeordneten Einfaltungen
paläozoischer Gesteine begleitet, über das Plateau von Deosai
gegen Rondu und Gilgit streicht.
Mesozoische Schollen beginnen wieder in Braldu sich zu
zeigen. Körniger Kalkstein, wie er z. B. von Lydekker am Fusse
des Masherbrum (25.676 Fuss) erwähnt wird, mag w^ohl nach den
Erfahrungen, welche aus den Alpen vorliegen, als Vertreter sol-
cher Zonen angesehen werden. Ein zusammenhängender, stellen-
»
weise petrefactenführender Zug von carbonischen und mesozoi-
schen Gesteinen wurde von Godwin-Austen bei Shigar in Baltistan
aufgefunden; dieser streicht zuerst O. und NO, beugt sich aber
nach Lydekker's Beobachtungen bald in das normale NW.-
Streichen des Himalaya um und erstreckt sich in dieser Richtung-
östlich von Askole als eine gegen SW. überschobene Einfaltung-,
vielfach durch Druck verändert, unter dem Biafogletscher gegen
NW. und höchst wahrscheinlich noch weiter unter die Eisfelder,
welche nach Hunza und Nagar abdachen.^^
So sind wir an der Nordgrenze der britischen Besitzungen
angelangt. Südwestlich von dem mesozoischen Streifen von Bal-
tistan liegen Haramosh (24.285 Fuss), Raki Foshi (25.561 Fuss)
und andere aus Gneiss und Granit bestehende Riesen, welche dem-
nach der Zone von Ladäk zugezählt werden; nördlich von diesem
Streifen folgt einer der mächtigsten Gebirgszüge der Erde, der
Mustägh. Auch dieser besteht aus Gneiss und Granit; Masher-
brum, Gusherbrum (26.378 Fuss), vor allen anderen der zweit-
höchste Berg der Erde, der anonyme, zweigehörnte K^ der briti-
schen Landesaufnahme (28.265 Fuss) gehören demselben an. Das
Kiirdicoram. 5^5
Streichen derselben ist ebenfalls NW., und die eben erwähnte
Ueberschiebung- bei Askole zeigt an, dass bis hieher dieselbe
tangentiale Bewegung herrscht wie in den tertiären Ber-
gen des südlichen Randes.
Kärdkoram und westlicher Kuen-lun. Alle bisher be-
sprochenen Zonen des Himalaya streichen gleichförmig gegen
NW. oder NNW., und an vielen Stellen ist Ueberfaltung gegen
SW. sichtbar. Der mesozoische Zug, welcher im Nordwesten der
grossen Zänskärmasse keilförmig sich verschmälerte und unter
dem Fu.sse des Nanga Parbat nur in einzelnen Schollen seine Fort-
setzung fand, setzt sich, wie wir sahen, jenseits des Suru weit
gegen SO. fort; auf dem Plateau von Hundes, in Tibet, rücken
die N. und S. von demselben liegenden Gneissketten mehr und
mehr auseinander, aber die auf dieser Zone bemerkbare Divergenz
der grossen Gneisszüge ist nur gering im Verhältnisse zu den Er-
scheinungen im Norden.
Ein keilförmig beginnendes Kalkgebirge nimmt N. vom
Mustdgh gegen O. so rasch an Breite zu, dass die nächstfolgende
Linie älterer Felsarten, der Kuen-lun, mehr und mehr von der
Richtung des Himalaya abweichend, sich der Östlichen Richtung
nähert. Es breitet sich ostwärts aus und bildet endlich ein weites
Kalkplateau zwischen dem Himalaya und dem Kuen-lun. Diesem
Kalksteingebiete gehört der oftgenannte Käräkoram an.
Wir beginnen im Osten.
Der Südrand des grossen Kalkgebirges liegt in Chäng-
chenmo, einem Seitenthale des oberen Shäyok. An seiner Nord-
seite erheben sich bei Gogra graue Kalksteinwände mit Dicero-
cardium und Megalodon ; dieser Kalk ist auf Anticlinalen von
Kohlenkalk unterbrochen; sobald der nördliche Bergzug erstiegen
ist, überblickt man die weite Hochfläche.
Das Hochplateau ist fast ganz unbewohnt. Nur dieser nörd-
lich vom Chdngchenmothale liegende westlichste Theil desselben
ist je von einem Europäer betreten worden. Adolf Schlagintweit
war der Erste, welcher dieses Hochland kreuzte; er wurde
Kashgar getödtet. Seither haben engHsche Forscher es
reist, aber es ist der 80." östl. L. kaum erreicht worden. Eine
5 66 Lingzithang. Kuen-lun.
anschauliche Schilderung hat Drew entworfen. Hienach erreicht
man, von S. kommend, zuerst die weite Ebene Lingzithang" (i 7.000
Fuss), hierauf den Bergzug Lokzhung (bis 2 1 .000 Fuss), dann die
Kuen-lun-Ebene (16.000 Fuss), endlich den Kuen-lun, welcher die
nördliche Umsäumung bildet und in die Ebene von Khotan (4000
Fuss) abdacht.'^
Lingzithang ist ein weiter, horizontaler Seeboden, bedeckt
mit weissem Thon, in welchem ein zweiter, nur etwa 20 Fuss
tieferer Seeboden hegt; Spuren von Wasserpflanzen sind in dem
Thon enthalten ; Strandlinien erheben sich an den Abhängen der
Lokzhungberge mindestens 150 Fuss über die Ebene; grosse
Salzlachen sind auf ihr ausgestreut.
Die Lokzhungberge nehmen gegen O. an Höhe ab ; sie be-
stehen aus parallelen Zügen, welche WNW., also dem Hauptzuge
des Kuen-lun beiläufig parallel streichen. Drew unterscheidet in
denselben einen grauen Crinoidenkalk mit steil aufgerichteten
Schichten, welchem discordant eisenschüssiger Sandstein und
Hippuritenkalk folgt; auch der letztere zeigt häufig steile Schicht-
stellung.
Die Kuen-lun-Ebene ist mannigfaltiger als Lingzithang und
besteht aus einer grösseren Anzahl kleinerer Seeboden ; über sie
ragt etwa 4000 Fuss hoch die Kammhnie des Kuen-lun empor,
welcher an dem Abflüsse des östlichen Karakash zuerst aus einer
Vorlage von Schiefer, dann aus Granit besteht. Die Entfernung
seines Fusses von Chängchenmo mag etwa 170 Kilom. betrag-en.
Die westlich folgenden Gebirgsgegenden hat F. Stoliczka
auf drei Linien durchzogen, welche in annähernd radialer Richtung
von der Tiefe des Tarymbeckens aus die Ketten queren.*^ Die
erste dieser Linien läuft von Sanju (W. von Khotan) über Shdhi-
dula und den westlichsten Theil von Lingzithang nach Chäng-
chenmo ; die zweite geht von Kärghalik über den Yangi Dawan,
dann gegen SO., die vorhergehende Linie in Aktägh berührend,
dann südwärts über den Käräkorampass und die Hochebene Dip-
sang ; die dritte wendet sich gegen SW. und führt von Yangi-
hissär über Chehil Gombaz, Chichiklik und Tashkurghan gegen
Ak Tdsh im östlichen Theile des Pamir. Die erste Linie wurde
von S. gegen N., die zweite von N. gegen S. und die dritte nach
Beugung des Kuen-lun. 507
beiden Richtungen zurückgelegt; ich werde versuchen, sie alle
von Norden aus zu besprechen.
Die beiden ersten Linien durchschneiden den Kuen-lun und
das südlich folgende Kalkgebirge, die dritte, in den Pdmir drin-
gende Linie trifft aber dieselben Gesteine mit etwas geändertem
Streichen an, ein Umstand, welchen Stoliczka ausdrücklich und zu
wiederholten Malen hervorgehoben hat, und aus welchem sich die
merkwürdige Thatsache ergibt, dass der Kuen-lun selbst,
gegen NNW. abschwenkend, jenes grosse Gebirge bildet,
welches sich westlich über Yärkand und Kashgar er-
hebt und in der Regel als Kizilydrt bezeichnet wird. —
Zuerst trifft man bei Sänju (6070 Fuss) gegen den Rand der
Niederung rothen cretacischen Sandstein und chloritischen Mergel
mit Gryphaea vesiculosa, discordant dem steil gestellten, älteren
Schiefer angelehnt. Oberhalb Sänju zieht eine Zone von Kohlen-
kalk durch, dann folgen alte Schiefer, zum Theile chloritisch, zum
Theile echte Glimmerschiefer, welchen bei Täm eine paläozoische
Scholle eingesenkt zu sein scheint; granatführender Glimmer-
schiefer bildet die Höhe des Sänjupasses (16.650 Fuss); hierauf
werden in der Tiefe des Karakash die häufig syenitischen Gneiss-
massen erreicht, welche die Hauptlinie des Kuen-lun bilden. Aus
ihnen besteht die Umgebung von Shähidula. Nun folgen abermals
Schiefer, zum grossen Theile gewiss von paläozoischem Alter,
welche den Fass Suget (17.618 Fuss) und alles Hochland bis in
die Gegend von Kizil-Jilga W. von Thaldat, folglich die ganze
Gegend W. von der Kuen-lun-Hochebene bilden, und hier erst,
bei dem Lagerplatze Shing-lung (auch Dong-lung) erscheint Kalk-
stein mit Megalodon triqueter. Dieser Punkt entspricht der Fort-
setzung von Drew's Lokzhungbergen, und von hier reicht der
mesozoische Kalkstein bis Gogra in Chängchenmo.
Die zweite Linie trifft südlich von Kdrghalik eine breite Zone
sehr junger Bildungen, dann grauen Dolomit und Kalk, Schiefer
und Grünstein, dann jenseits von Chiklik die Schieferserie des
Sänjupasses. Nördlich vom Yängipasse tritt der Gneiss hervor.
Den Fass selbst und die ganze Strecke bis Aktägh bilden die auf
der östlichen Linie erwähnten Schiefer, hier von Grünstein be-
gleitet, und etwas S. von Aktägh beginnt Kohlenkalk. Dieser ist
Supss, Das Antlitz der Erde. Sy
c68 Beugung des Kuen-lun.
südwärts überbogen, so dass er mit steilem Nordfallen ammoniten-
reichen Triaskalk überlagert. Der mesozoische Kalkstein hält nun
an, und die Höhe des Käräkoram bildet Lias mit Belemniten. Die
Dipsang-Hochebene ist höchst wahrscheinlich auch Lias, und die
Kalkzone reicht südwärts bis an den Saserpass, welcher dem
Streichen der grossen Mustäghkette entspricht.
In beiden Profilen erscheint also Gneiss und syenitischer
Gneiss nicht auf den Höhen, sondern er streicht N. von den Pässen
Suget und Yängi.
Die Reise von Yängihissär in den Pamir wurde früher unter-
nommen als jene über die Pässe Yängi und Käräkoram, die Linie
über Sänju kannte jedoch Stoliczka bereits. In den beiden ersten
Tagreisen wurden nur junge, zum Theile vielleicht tertiäre Bil-
dungen gekreuzt. Sobald dieselben überschritten sind, wird die
Schieferzone von Sänju und Täm der ersten Linie wieder erkannt,
welche identisch ist mit jener von Chiklik der zweiten Linie, hier
wie bei Chiklik von Grünstein begleitet.^^ £§ zeigen sich Spuren
des rothen cretacischen Sandstein's von Sänju, und vor Chichiklik
wird der Gneiss erreicht; zwischen dem Kokmainäkpasse und
Tashkurghan zieht noch ein Zug von Glimmer- und Hornblende-
schiefer durch. Hierauf beginnt ein zweiter Zug von Gneiss und
syenitischem Gneiss, welcher bis Kogashak bei Aktäsh südwärts
übergebogen oder senkrecht aufgestellt ist gegen einen Zug von
paläozoischem Schiefer, dem ein hohes Kalkgebirge folgt.
Wir befinden uns im östlichen Pamir, an dem Oberlaufe des
Ak-ssu.*^ Dieser hohe Kalkzug, welcher eine Reihe von Ver-
steinerungen geliefert hat, umschliesst Kohlenkalk und Trias.
Stoliczka hat ihn bei Isstyk getroffen; bei Aktäsh ist sein Streichen
fast rein O., vor Kanshubar beugt es sich gegen SO., bildet die
höchsten Theile des Pcisses Neza-täsh und zieht gegen SO. weiter.
Und indem derselbe Beobachter bald darauf N. vom Käräkoram
den Nordsaum des Kalkgebirges trifft, schreibt er am 13. Juni
1874 ^^ sein Tagebuch: ,. . . es ist kein Zweifel, dass dieser Kalk-
stein sich bis südlich von Aktäsh erstreckt.*
Das Ergebniss ist also folgendes: Ein petrefactenreicher
mesozoischer, wohl auch stellenweise den Kohlenkalk umfassender
Zug zeigt sich im östlichen Pamir mit fast östlichem Streichen
Hindu Kush und Pamir. 569
zwischen Isstyk und Aktäsh, wendet sich bald gegen SO., über-
schreitet den Neza-täsh, nimmt zwischen Mustägh und Kuen-lun
im oberen Thale des Yärkandflusses an Breite zu, reicht endlich
südwärts bis an den Saser Pass und nach Chängchenmo, umfasst
in seiner Mitte Käräkoram, die Hochebene Dipsang, die Lokzhung-
berge, Lingzithang und alles Hochland bis an den Kuen-lun, sich
wahrscheinlich ostwärts fortsetzend in den Aksai Chin, d. i. die
Weisse Wüste, und gegen den Jeshil Kul.
Nördlich von diesem Kalkgebiete wendet der Kuen-lun sein
Streichen bogenförmig zu jenem des Kizilyärt und setzt in zwei
Gneisszügen bei Chichiklik und südlich von Tashkurghan in jene
gegen NNW. streichenden Ketten fort, welche die Niederung
des Tarym gegen West umgeben.
Die Uebereinstimmung dieses Ergebnisses mit dem Verlaufe
der tertiären Störungslinien ist aber sehr auffallend. Schon von
den Ebenen im 33.° an sieht man alle Elemente, aus welchen die
Ketten des Himalaya aufgebaut sind, gegen NW. streben, und
dann bald in flacherem Bogen gegen die Richtung des Hindu Kush
sich umbeugen, bald scharf in eine NNW. Richtung, wie aufge-
schleppt, übergehen.
Die Aufbeugung des Kuen-lun gleicht einer Wiederholung
der Störungslinien der tertiären Vorketten umsomehr, als auch
unweit von AktÄsh Stellen vorhanden sind, an welchen derGneiss
südwärts sich überbeugt über den Kalkstein.
Hindu Kush und Pdmir. Als der Beginn einer genaueren
Kenntniss der südlichen Ketten des Hindu Kush ist die im Jahre
1872 erfolgte Veröffenthchung der Forschungen von Waagen und
Wynne an dem M. Sirban, S. von Abbotabad, zu bezeichnen."
Aus diesen Arbeiten hat sich nämlich ergeben, dass schon in diesen
ersten Ketten die Schichtfolge der nahen Salzkette nicht mehr
vorhanden ist, sondern eine Reihe von Ablagerungen auftritt,
welche mit den mesozoischen Zonen des Himalaya, also mit jenen
von Kashmir und der jenseits des Zänskär gelegenen Zone, ins-
besondere aber mit dem entfernten Spiti übereinstimmt. Hier tritt
bereits jener wohlgeschichtete, graue Kalkstein mit Megalodgi
und Dicerocardium auf, welchen wir soeben weit im Osti
37*
570 Sirban.
Chängchenmo auf die Hochebene W. von Lingzithang verfolgt
haben, und welcher so sehr an die östlichen Alpen erinnert. Es
ist die Juraformation nur durch dunkle Schiefermassen vertreten,
wie in Spiti, also von dem Jura der Salzkette ganz und gar ver-
schieden, und über unterer Kreide folgt ein höherer cretacischer
Kalkstein wie in Chikkim. Diese Uebereinstimmung ist um so
auffallender, als der zunächst liegende Zug des Himalaya, Pir
Panjäl mit dem langen Granitkerne, überhaupt noch keine erkenn-
baren organischen Reste aus der mesozoischen Zeit geliefert hat.
Es kann aber nicht daran gezweifelt werden, dass die heute zer-
brochenen und gefalteten mesozoischen Kalkmassen, welche die
einzelnen Zonen des Himalaya von Tibet bis zum Kdräkoram und
bis in den östlichen Pamir bilden, dereinst von einem gemein-
samen Meere abgelagert worden sind, und nun sehen wir, dass
dieses Meer auch die südliche Region des heutigen Hindu Kush
umfasste.
Den Untersuchungen über M. Sirban sind die weiteren Auf-
nahmen der südlichen Ketten durch Wynne nachgefolgt, welchen
wir Folgendes entnehmen.^"
Die älteren Gesteine sind von dem jüngeren Tertiärlande
von Rawalpindi durch eine sehr lange, bogenförmige Dislocation
scharf abgetrennt, welcher auf längere Strecken untergeordnete
Dislocationen parallel laufen. Diese bogenförmige Hauptlinie
läuft von Muzafirabad zuerst nach S., wendet sich bei Murree mehr
und mehr gegen SW., zieht nördlich von Rawalpindi, in die west-
liche Richtung übergehend, hin, und erreicht Kohät. Die Ueber-
schiebung gegen Aussen ist auf dieser Linie so stark, dass z. B.
oberhalb Rawalpindi die jurassischen Schiefer fast horizontal auf
dem Nummulitenkalke liegen. In dem südöstlichen Theile ist es
die Margallakette, aus oft wiederholten Zonen von gefalteten
mesozoischen und eocänen Gesteinen bestehend, welche diesen
äusseren Saum bildet; weiter im Innern herrschen alte Schiefer,
und diese sind es auch, welche eine ziemliche Strecke weit unter-
halb Muzafirabad an die Schaarung heraustreten und sich mit
Seehöhen von 8 — 9000 Fuss unmittelbar über den Jhelum erheben.
Innerhalb dieser Schieferzone treten Massen von graniti-
schem Gneiss hervor und bilden die hohen Berge zwischen Kunhar
Südliche Ketten des Hindu Kush. 571
und Indus, und W. vom Indus. Die älteren Schiefer stimmen über-
ein mit jenen des Pir Panjäl, und es wird behauptet, dass auch der
granitische Gneiss identisch sei mit den Intrusivmassen des Dhau-
ladhär und des Pir Panjäl.
Wie dem auch sein mag, ist doch sicher, dass die gesammte
Vertheilung der Felsarten und das Streichen derselben bedingt
sind durch Linien, welche in vollster Uebereinstimmung stehen
mit den Dislocationen des vorliegenden Tertiärlandes, und dass
Ueberschiebungen gegen Aussen allenthalben bemerkt werden.
So wie O. vom jhelum die Neigung der Schichten gegen NO., so
herrscht W. von demselben die Neigung gegen NW., nämlich
gegen das höhere Gebirge. Es ist eben das Drängen nach Vor-
wärts, welches in allen Theilen des Gebirges zum Ausdrucke
gelangt.
In seiner äusseren Gestalt ist dieser Gebirgstheil durch eine
Anzahl in denselben versenkter Ebenen ausgezeichnet, wie die
Ebene Pakli Dara im NO., welche in die alten Felsarten eingesenkt
ist, ähnlich dem Hirschberger Kessel im Riesengebirge, und die
grosse, im Streichen des Gebirges gedehnte Ebene von Hazdra,
vom Indus abgetrennt durch den Schieferzug der Gandgarh berge,
welche mehr der Ebene von Laibach in den Ostalpen zu gleichen
scheint, als der grossen Synclinale von Sirinagar.
So folgt, wie der Himalaya, auch die erste Reihe der Ketten
des Hindu Kush denselben Bewegungen, welche die Dislocationen
des Tertiärgebirges veranlasst haben; es ist derselbe Plan und
dieselbe Richtung der Störungen, nur ist ihr Ausmaass ein viel
bedeutenderes. —
Die Schlucht des Kunhar oberhalb Muzafirabad, in welcher
sich die Schaarung vollzieht, ist in alte Schiefer eingeschnitten
und von hohen Bergen umgeben, von denen, aus Nanga Parbat
sichtbar sein soll, welcher schon den Gneissketten von Laddk an-
gehört. Was von 34° 30' gegen N. oder NW. liegt, ist in Bezug
auf seine Structur unbekannt. Wir wissen jedoch, dass die hohe
Kunarkette, welche Kafiristan gegen Süd begrenzt, in der Rich-
tung gegen NO. oder ONO. verläuft, und dieselbe Richtung ver-
folgt der grosse Hauptzug des Hindu Kush von Kuh Baba ober-
halb Kabul über die Khawakpässe bis zu jener dreifachen Pas
572 Pamir.
linie, welche von Chitrdl nach Iskashim führt, wo, bei einer Kamm-
höhe von 16.000 Fuss, auf einem südlichen Ausläufer der Tirach
Mir 25.426 Fuss erreicht.^' Von hier setzt der gewaltige Gebirgszug
in unveränderter Richtung fort, bildet das Schneegebirge, welches
seinen Nordabhang dem oberen Faendsh zuwendet, sinkt bei dem
Passe Baroghil -auf 12.000 Fuss herab und erhebt sich wieder,
grosse Gletscher südwärts gegen Kunjud herabsendend.
Hiemit sind wir an dem Oberlaufe des Oxus angelangt.
Schon im Sommer 1874 schrieb F. Stoliczka seinen Freunden nach
Europa: , Pamir, das Dach der Welt, ist gar kein Plateau; es sind
gedrängte Ketten*; und der Ausdauer und Hingebung russischer
Forscher ist es zu danken, dass heute bereits eine Uebersicht ge-
wonnen, und dass der Parallelismus dieser Ketten mit dem Hindu
Kush sichergestellt ist. Die entscheidenden Beobachtungen sind
den im Jahre 1883 von Iwanow und seinen Genossen ausgeführten
Reisen zuzuschreiben, für deren gütige Mittheilung ich hier zu
danken habe.^'
Nach Iwanow sind zu unterscheiden: die Kette von Wach an
zwischen dem Wachan Daria und dem Pämirflusse; die Pämir-
Hauptkette zwischen den Flüssen Pamir und Alitschur; die
Alitschurkette zwischen diesem Flusse und dem Murghab; die
Murghabkette, welche sich gegen ONO. bis zum Passe Ulug--
rabat erstreckt; endlich die Rangkulkette, N. von diesem See,
welche im Osten einen Theil der Wasserscheide zwischen Amu
und Tarym bildet und sich gegen W. mit dem Karakulzuge ver-
bindet, welcher von Kokuj-bel und Tachtagorum kommt.
Diese Züge erstrecken sich alle fast parallel von WSW. gegen
ONO.; im Süden folgt ihnen in gleicher Richtung der Hindu Kush,
im Norden die Sa-Alai und Alaikette. Gegen Südwesten ver-
flachen sie; es fehlt aber jener steile gemeinsame Abfall, welcher
auf den Karten zwischen dem See Shiwa und der Niederung ver-
zeichnet ist; ein Ausläufer erstreckt sich im Gegentheile bis gegen
Rustak, W. von Faisabad, und da Wood ausdrücklich die NO. —
SW.-Richtung des hohen Khoja-Mohammed- Gebirges erwähnt,
möchte ich auch dieses als eine Fortsetzung der Ketten des Pamir
ansehen.^^
Betrachten wir nun die Ostseite.
Pusht-i-Khar.
573
Stoliczka hat gezeigt, dass die mesozoische Kalkregion des
Kärdkoram über den Pass Neza-täsh und Aktäsh, aus NW. in
flachem Bogen fast bis OW. sich beugend, gegen Isstyk streicht,
also das nördliche Ende der Kette von Wachan erreicht. Da
Iwanowas Beobachtungen nicht nur auf dem Streichen der Gebirgs-
züge, sondern auch auf dem Streichen der Felsarten beruhen, er-
gibt sich hieraus, dass Hindu Kush und mit ihm die Kette von
Wachan südlich von dem Eintreffen der Zone von Käräkoram an
der Linie der Berührung beider Bogensysteme liegen, und dass
der Hauptzug des Hindu Kush mit dem mächtigsten Zuge des
westlichen Himalaya, dem Mustdgh, im nördlichen Kunjud ent-
weder im Bogen sich vereinigen oder in spitzem Winkel sich treffen
muss; das erstere zeigt auch in der That z. B. die Karte der eng-
lischen Landesvermessung in der Art der Umfassung von Kunjud
und des oberen Gilgit. Hayward sagt sogar ausdrücklich, das
Zusammentreffen erfolge am Haupte des Thaies von Gilgit, an
einer Stelle, genannt Pusht-i-Khar, d. i. der Eselsrücken.^*
Gerade südlich von diesem Gebiete liegt Hunza und Nagar, bis
an dessen Grenze unter den Gletschern des Südabhanges des
Mustdgh Lydekker die Fortsetzungen der Triaszone von Baltistdn
verfolgt hat.^5 Zwischen diesem Kalkzuge und jenem von Kdrd-
koram — Neza-tdsh müssen die Gneissketten des Hindu Kush und
des Mustdgh sich begegnen.
Anders verhält es sich nördlich von dem Kalkzuge von Aktdsh.
Hier beugt sich, wie wir sahen, der Kuen-lun in grossem Bogen
gegen NNW. und bildet eine lange Kette, welche, anfangs nicht
sehr hoch, sich jenseits des Passes Chichiklik rasch erhebt, die
25.500 Fuss hohe Gneissmasse des Tagharma (Mustdghata) über
dem kleinen Karakul und jenseits desselben eine ungenannte Höhe
von 2 2.5oo Fuss und noch eine lange Reihe von hohen Spitzen
trägt. Dieser grosse, gegen NNW. gerichtete Zug, gewöhnlich
Kizilydrt genannt, ist von einer oder zwei kürzeren Parallelketten
begleitet, und wir bezeichnen ihn mit Iwanow als das Gebirge
von Kashgar.
Die gegen ONO. streichenden Ketten des Pdmir nähern sich
ohne Vermittlung den Kashgar'schen NNW.-Ketten oder enden
im Angesichte derselben.
Q^A Uebersicht der grossen Schaarung.
Vom Passe Kush-bel, NO. vom Passe Kara Art, blickt Iwa-
now südwärts in das Thal des nördlichen Ges herab und sieht es
auf der rechten Seite begrenzt von schönen Gebirgsausläufern, auf
der linken aber von der hohen gezackten Kette Kyrk-ku (Vierzig
Spitzen). Das Thal erstreckt sich 70 Kilom. gegen WNW. in NW.
Kyrk-ku ist tief herab mit Schnee bedeckt, und Gletscher häng-en
in jeder Furche fast bis zum Thalboden herab. Das ist die nörd-
liche Fortsetzung des Kashgar'schen Hauptzuges.
Diesem unvermittelten Zusammentreffen der beiden Gebirgs-
richtungen ist wohl die Unregelmässigkeit der Wasserscheide
zwischen Tarym und Oxus zuzuschreiben, welche diese Region
mehrmals durchschneidet.
Uebersicht der grossen Schaarung. Der Linie des Zu-
sammentreffens der Bogen des Himalaya und des Hindu Kush
von dem indischen Flachlande her uns nähernd, treffen wir zuerst
in der Nähe des Flusses Chenäb auf die Koränaberge, eine Gruppe
weit vorgeschobener und völlig vereinzelter Höhen, welche, im
Angesichte der ersten Faltungen des Hochgebirges, aus den Fels-
arten des Tafelgebirges der Halbinsel gebildet sind.
Hierauf folgt gegen West die Salzkette, eine von Störung-en
durchschnittene Stufe, welche den Untergrund der tertiären Vor-
ketten des Hindu Kush sichtbar werden lässt. Nun erreichen wir
in Ost und West die tertiären Vorketten selbst, welche von ausser-
ordentlich langen, dem Saume der beiden Gebirge parallelen
Anticlinalen und von Flexuren durchzogen sind, welche auf lange
Strecken nach Aussen überschoben sind. Diese Linien begegnen
sich in der Nähe des Jhelum, und einzelne von ihnen scheinen
ohne Unterbrechung über die Linie der Begegnung von der SO.-
Richtung des Himalaya in die SW.-Richtung des Hindu Kush um-
zubeugen. In Westen scheint einige Interferenz durch das Ueber-
greifen von Himalaya-Linien zu entstehen.
Der Saum des Hindu Kush wie des Himalaya gegen die ter-
tiären Vorketten ist durch lange Dislocationen bezeichnet, welche
ebenfalls Ueberschiebungen gegen Aussen zeigen. Im Hindu Kush
tritt der Gebirgsbogen weiter gegen Süd vor als O. vom Jhelum,
und unter Muzafirabad kommt sogar die Schieferzone unter den
Uebersicht der grossea SchaaniDg. 575
mesozoischen Sedimenten auf eine grössere Strecke an das rechte
Ufer des Jhelum heraus; die folgenden Gneiss- und Granitmassen
von Amb treten im Khägan oberhalb Muzafirabad an die Fort-
setzungen der ersten Himalayakette. Dies ist der Pir Panjdl mit
seinem instrusiven granitischen Kerne, ebenfalls nach Aussen über-
bogen.
Im Westen fehlen Beobachtungen bis an die Hauptkette des
Hindu Kush, aber im Osten sieht man alle Zonen des Himalaya,
zum grossen Theile gegen SW. überbogen, in gleichem Sinne
heraufstreichen zu der Region der Berührung, wie die Dislocations-
linien der tertiären Vorketten, so zuerst Pir Panjdl, hierauf die
mesozoische Zone von Kashmir, die Gneisszone ^on Zdnskdr, die
mesozoische Zone von Spiti, welche S. vom Nanga Farbat die
britische Grenze erreicht, die Gneisszone von Laddk und die meso-
zoischen Schollen von Baltistän, welche unter den Gletschern des
Mustägh gegen Kunjud streichen, endlich die Gneisskette Mustägh.
Nun sehen wir die Hauptkette des Westens, den Hindu Kush,
zur Begegnung mit der mächtigsten Kette des Ostens, dem Mus-
tägh, eintreffen, und wie wir früher sagten, muss diese Begegnung
in Kunjud stattfinden.
Das gegen Ost so rasch an Breite zunehmende Kalkgebiet
Kdrdkoram — Lingzithang greift nun von SO. her über Neza-täsh
in den Östlichen Pamir, abermals den Zusammenhang des Baues
andeutend; im Norden aber krümmt sich Kuen-lun erst gegen NW.,
dann gegen NNW., um die Ketten des Kashgargebirges mit dem
mächtigen Tagharma und das Vierzig Spitzen- Gebirge zu bilden.
Im Westen schliesst sich an Hindu Kush nun die lange Reihe
der parallelen Pdmirketten an, welche ohne Vermittlung an das
Kashgar'sche Gebirge treten ; dieselbe Richtung verfolgen die
Alaiketten, welche dem Tianshan angehören. Die Tianshanketten
aber ziehen ohne Ablenkung quer über die Richtung des Kasghar-
schen Gebirges und mit ihnen hat die grosse Schaarung ihr Ende
erreicht. —
Die grossen Gebirgszüge verhalten sich an dieser Schaarung
zu einander wie die untergeordneten Dislocationen der tertiären
Vorberge. Die erste Dislocation der Vorhügel zeigt sich W. vom
Jhelum noch ausserhalb der Salzkette in beiläufig 32° 45' ; der
576 Der östliche Himalaya.
Pass Kush-bel oberhalb des Ges liegt N. vom 39.**; es erstreckt
sich die Behaarung durch sechs bis sieben Breitegrade. Im Süden
befindet sie sich etwas W. vom 74. Merid. Greenw., im Norden
etwas O. von demselben; der Verlauf ist daher Nord etwas in Ost.
Sie ist im Süden durch den Jhelum, im Norden auf lange Strecken
nicht einmal durch ein Thal bezeichnet. Die mächtigsten Ketten
scheinen sich in gemeinsamem Sattel zu vereinigen. Gerade hier-
aus ergibt sich die grosse Gemeinsamkeit der Bewegungen. Wie
zwei flache Lavaströme oder zwei Güsse von Schlacke, neben ein-
ander hinfliessend, ihre erstarrenden Wellen schaaren lassen an
einer langen Linie, an welcher sich diese Wellen bald vereinigen
und bald gegenseitig schleppen, so begegnen sich die Ketten des
Himalaya und des Hindu Kush.
Der östliche Himalaya. Durch die ganze ausserordent-
liche Länge des convexen äusseren Saumes vom 74.** am Jhelum
bis zum 94.° östl. L. Greenw. am Brahmaputra und wahrscheinlich
noch weiter gegen Osten ist der Saum des Gebirges in der Regel
überbogen und widersinnisch, d. i. gegen das Innere der Ketten
geneigt.^^ Bei dieser Einheit des wichtigsten Grundzuges der
Structur ist die Verschiedenheit um so auffallender, welche in Be-
zug auf die Beschaffenheit der Ablagerungen zwischen einzelnen
Theilen dieses Saumes besteht, und wenn auch die vorliegenden
Beobachtungen über denselben noch ausserordentlich lückenhaft
sind, bieten sie doch heute schon Ergebnisse von nicht geringem
Werthe für die Beurtheilung allgemeiner Fragen.
Vom 74. bis etwa zum 77.° östl. L. reichen die hohen und
zackigen Kämme des Pir Panjäl und des Dhauladhär, der nach
aussen überworfenen Zone von bisher versteinerungslosen Fels-
arten mit intrusivem Granitkerne. Gegen O. verliert die äussere
Zone an Höhe und wird hier von Medlicott und Blanford als die
,Lower Himalaya's* bezeichnet. In derselben mächtigen Serie bis-
her versteinerungsleerer Sedimente, welche schon vom Jhelum her
als die Krol- und Blaini-Series bezeichnet werden, sind beträcht-
liche Züge von Kalkstein und Dolomit vorhanden; man hat einen
Theil derselben der Trias zugezählt, doch fehlen die Beweise. Bei
Simla erreicht diese Serie, in die nördlich folgende Zone ein-
Kinchinjunya. DAnkia. 577
dringend, besondere Breite. Jenseits von Kumaon beginnt eine
grosse Lücke in den Beobachtungen. Erst MedÜcott's bis an die
Ufer des Trisul-Ganga NW. von Kathmändu ausgedehnter Aus-
flug nach Nepal bringt einiges Licht über den Bau dieses den
Europäern sonst verschlossenen Landes. Hier scheinen die Ele-
mente, aus welchen die äusseren Zonen des Hochgebirges zu-
sammengesetzt sind, im Wesentlichen noch dieselben zu sein wie
in Kumaon."
Abermals stehen wir vor einer grossen Lücke und erst an
der Grenze von Sikkim erreichen wir das Gebiet von F. R. Mallet's
Untersuchungen, welche den äusseren Gebirgsrand fast vom 88.
bis zum 90.° östl. L. umfassen.'^* Nun ist einige Ausführlichkeit in
der Besprechung nöthig.
O. von Darjiling ergiesst sich der Rungit in den Tista und
der letztere durchquert dann, von N. gegen S. fliessend, das Ge-
birge. Dieses Querthal ist in grüne und graue Schiefer (Ddling-
Series) eingegraben, welche die Enden zweier grosser Gneiss-
massen des Kinchinjunga (28.516 engl. Fuss) im Westen und des
Dänkia (23.18g Fuss) im Osten von einander scheiden. Darjiling
ist nahe dem Rande der westlichen Gneissmasse erbaut. Der
Schiefer trennt aber nicht nur beide Gneissmassen, er umgibt auch
beide gegen N. und ebenso gegen S., wo der Gnelss sehr nahe
gegen die Ebene vortritt, und von allen Seiten neigt sich der
Schiefer unter den Gneiss.
Von der Ebene her neigt sich steil gegen NNW. unter diesen
den Gneiss unterteufenden Schiefer eine Reihe von Sandstein,
splittrigem und kohligem Schiefer, in welcher vor Jahren Hooker
die ersten Spuren von Pflanzenresten entdeckte. Es ist in der
That ein Theil der Unter-Gondwdna- (Damiida-) Schichten der
Halbinsel, welcher, unter die Schieferzone und folgHch auch unter
die beiden Gneissmassen des Kinchinjunga und des Däling ge-
neigt, an der Zusammensetzung des äusseren Gebirgssaumes durch
eine längere Strecke theilnimmt. Auch die vorliegende, hier
lückenhafte tertiäre Zone ist, wie allenthalben, gegen das Gebirge
geneigt. Die Kalkzüge der Krol-Serie sind verschwunden. —
Die Lagerung von Unter-Gondwäna und der Scliieferzüge
gegen den Gneiss wurde ursprüngHch als eine muldenförmige auf-
578 Daflaberge.
gefasst ; sie entspricht aber der Ueberbeugung, welche fast allent-
halben, wo der Gebirgsrand bekannt ist, sich zeigt. Die gleich-
falls widersinnische, südwärts gerichtete Neigung des nördlichen
Schiefergürtels macht es wahrscheinlich, dass die beiden g*enann-
ten Gneissmassen einen fächerförmigen Bau haben, d. i. dass die
grossen äusseren Gebirgskerne des Himalaya eine ähnliche Structur
besitzen wie ein Theil der äusseren Zone der grossen Gebirgs-
kerne der Westalpen, z. B. Montblanc. —
Gegen O. verschwinden die Gondwänaschichten des äusseren
Gebirgsrandes wieder; O. vom Joldoka erscheinen Kalkzüge,
nicht unähnlich der Krol-Serie des Westens, und am 90.** östl. L.
treffen wir auf eine neue Lücke in den Beobachtungen.
Viel weiter gegen O., in 93° 30' bis 94° östl. L., wo der
Dikrangfluss aus den Daflabergen hervortritt, fehlen wieder die
Kalkzüge; dafür stellen sich die kohlenführenden Gondwäna-
schichten wieder ein. Diese merkwürdige Beobachtung ist Godwin-
Austen zu verdanken.^^ Die tertiären Vorberge sind in lange,
NO. streichende Falten gelegt und erheben sich im Gorusutia
mehr als 3000 Fuss über den Brahmaputra, gegen dessen Flach-
land sie einen weithin sichtbaren Absturz kehren. Innerhalb dieser
Falten folgt steil und sehr zerdrückt die kohlenführende Serie,
insbesondere in der Sohle des Längenthaies des mittleren Dikrang,
hierauf sofort Glimmerschiefer, Gneiss und Granit. —
Im Westen und bis Kumaon nehmen also mächtige Kalkzuge
theil an dem Baue dieser äusseren Zone des Hochgebirges ; ähn-
lich ist es im mittleren Nepal ; in Sikkim verschwindet der Kalk
und treten die kohlenführenden Schichten der Halbinsel ein ; an
der Grenze von Bhutan treten wieder Kalkzüge an ihre Stelle ; in
den Daflabergen fehlen diese und sind wieder die kohlenführenden
Schichten vorhanden. —
Betrachten wir aber das Gebirge nicht nach seiner Länge,
sondern in meridionaler Richtung, d. i. in Beziehung zu den süd-
lich vorliegenden Gegenden, so mag man sich die Sachlage wohl
folgendermassen vorstellen.
Die höchsten bekannten Gipfel des Himalaya gehören der
südlichsten Gneisszone an und diese ist, wenigstens in Sikkim, in
ähnlicher Weise durch Schieferzüge in Massifs getheilt, wie der
Die Burmanischen Ketten. 579
Gneiss der Schweizer Alpen. An beiden Seiten des Tista ist Fächer-
structur anzunehmen. Der südliche Rand der Fächer des Kinchin-
junga und des Dänkia bildet zugleich einen Theil des überbogenen
Aussenrandes und an dessen Zusammensetzung nehmen hier Unter-
Gondwäna und jüngere Tertiärschichten Antheil. Aus dem vor-
liegenden Schwemmlande des Brahmaputra ragen vereinzelte
Kuppen von Gneiss hervor und S. vom Flusse erhebt sich, an der
Nordseite allerdings nur zu geringen Höhen, der Gneisszug des
langen, keilförmigen Shillong- Plateau. Ein Trap-Erguss der
Gondwänazeit schmiegt sich im Süden an den Gneiss, die mittlere
und obere Kreide liegen flach über beiden, dann folgt noch weiter
gegen S. der Nummulitenkalk, endlich fallt die ganze auflagernde
sedimentäre Serie gegen S. und SO. nach Art einer grossen Flexur
ab. An ihrem Fusse liegen, arg gestört, die jüngeren Tertiär-
schichten und vor uns stehen die Burmanischen Faltenzüge.
Die Burmanischen Ketten. Es ist eine der ausgedehn-
testen Reihen von Faltungen, welche ich jetzt kurz zu besprechen
die Absicht habe.
Nach den bisher vorliegenden Nachrichten zieht aus dem öst-
lichen Tibet, von den Quellgebieten des Irawadi, des Salwin und
des Mekong, eine Anzahl paralleler Gebirgszüge aus WNW. gegen
OSO. herab ;^'' sie bilden Richthofen's ,hinterindisches System'.
Ihre Beziehungen zu dem östlichen Ende des Himalaya sind un-
bekannt; aber während sie sich in der Richtung von Ta-li-fu und
Momein fortsetzen, erscheinen westlich vorliegende Züge, welche
offenbar derselben Gruppe angehören, unterhalb des Buges des
Brahmaputra; sie bilden hier die Nägaberge, die Fatkai- und
Barailkette oberhalb Kachar und eine lange Reihe anderer Zügey
welche erst NO. — SW., dann unter ziemlich rascher Beugung
N. — S. streichen ; von diesen zieht sich der lange Zug von Arra-
kan bis Cap Negrais herab.
In ganz Burmah sieht man ein ausserordentlich stark ent-
wickeltes System von nleridionalen Längenthälern, und zugleich
zeigt der Verlauf der malayischen Halbinsel und der vorliegen-
den Inseln, wie sich südwärts allmälig eine grosse und allge-
meine Krümmung aus N. — S. gegen NW. — SO. vollzieht. So weit
58o
Entgegengesetzte Bewegungen am Brahmaputra.
die geologische Beschaffenheit dieses Gebietes bekannt ist, stimmt
sie auch mit diesen aus der Gestalt der Oberfläche erkennbaren
Zügen überein, und es lassen sich drei grosse Zonen unterscheiden.
Die westliche umfasst die aufgezählten Ketten von den Nag'a-
bergen in 27" 30' bis Gross-Nikobar in 7"" nördl. Br., und wie wir
bald sehen werden, noch weiter gegen Süd ; die mittlere ist das
Tiefland des Irawadi und das vorliegende Meer ; die östliche Zone
umfasst alles Gebirge östlich von den Städten Ava und Mandulay
und vom Sittoung und die ganze malayische Halbinsel. Die älte-
sten Gesteine der westlichen Zone werden der Trias zugezählt;
jene der mittleren reichen nicht unter die Tertiärformation herab ;
die östliche Zone ist aus viel älteren und vorherrschend aus archai-
schen Felsarten gebildet.
Auch hier ist besondere Aufmerksamkeit dem Baue des
äusseren Saumes zuzuwenden.
Mallet hat den Gebirgsrand längs des Brahmaputra von 27^20'
nördl. Br. bis 26^30' untersucht. Derselbe besteht aus einer mittel-
tertiären, kohlenreichen Serie und einer älteren Serie von verstei-
nerungslosem Schiefer und Quarzit (Disang Group), welche in
ähnlicher Weise durch ganz Arrakan hinabzieht (NegraTs Group
im S.). Beide Serien sind auf diese ganze Erstreckung Widersinn isch,
d. i. gegen SO. geneigt, und wenn auch mit Mallet angenommen
wird, dass die jüngere kohlenführende Serie durch einen lang-en
Bruch von der älteren Serie abgeschieden sei, so ergibt sich doch
aus der widersinnischen Lagerung beider Gebirgsglieder wieder,
wie an dem Saume des Himalaya, die ausserordentliche Wirkung-
der tangentialen Bewegung.'*'
Dieser Saum ist aber von jenem des Himalaya nur durch das
Thal des Brahmaputra getrennt, und wir befinden uns vor einem
Falle, in welchem zwei Gebirgszüge mit entgegengesetzter
tangentialer Bewegung sich einander nähern. Im N. des
Brahmaputra neigen sich die Schichten vorherrschend gegen NW.,
im Süden gegen SO.; zugleich sind in der Streichungsrichtung-
beider Gebirge die Convexitäten gegen einander und gegen das
keilförmige Zwischenstück von Shillong gerichtet. Es ist daher in
dieser Region ein voller Antagonismus der tangentialen Bewegung-
sichtbar.
Barailketten. 58 1
Nun nähern wir uns dem Shillong-Plateau ; die äusseren Bur-
manischen Bogen werden hier anfangs durch das Thal d^s Dhan-
siri von demselben getrennt, welches das NO. -Ende des Plateau's
umfliesst, um sich in den Brahmaputra zu ergiessen. Gerade hier
ist durch R. D. Oldham die ganze Breite der Gebirgsfalten bis an
die grosse Niederung des Irawadi bekannt geworden. Es sind
mehrere Parallelzüge vorhanden. Das Mitteltertiär reicht auf den-
selben zu beträchtlichen Höhen ; es erscheinen unter demselben
muthmasslich cretacische Schichten, dann die ältere Sandstein-
und Schiefergruppe, und gegen den Ostrand, also gegen den
Saum der grossen Niederung, zeigt sich ein langer Zug von Ser-
pentin.^'
Es liegt jüngeres Tertiärland von dem äusseren Abhänge der
Barailketten bis hinüber zum Shillong-Plateau, und zwar ist in
SW., wo die Höhen gegen Kachar auseinanderweichen, zwischen
beiden eine horizontal gelagerte Region von Tertiärschichten
sichtbar. Sie sind hier sehr mächtig, und schon vor Jahren haben
Medlicott und Blanford die Vermuthung ausgesprochen, dass sie
aus altem Himalaya-Schutt gebildet seien, und dass erst durch
die Verdrückung dieser Sedimente in das Burmanische Streichen,
also durch ihre Anfügung an dieses Faltensystem, die Ablenkung
des Brahmaputra an die Nordseite des Shillong-Plateau verursacht
worden sei.^^
In sehr regelmässigen Parallelzügen streichen die Lushaiberge
gegen S.^* bis nach Pegu; von diesem Lande hat Theobald eine
Aufnahme geliefert, welche trotz vielfacher Unsicherheiten in der
Altersbestimmung der Sedimente doch vielfachen Aufschluss gibt.^^
Wir beschränken uns auch hier vorläufig auf die westliche
oder Arrakankette. Es ist nyr ein einzelner, langer Faltenzug,
welcher aus den nördlichen Ketten bis Cap Negrais vordringt, und
auch dieser sinkt schon in 17° 30' auf etwa 1400 Fuss, gegen S.
aber zu noch geringeren Höhen herab. Es ist eine ältere Serie
vorhanden, welche wegen des Vorkommens von Halobia und Car-
dita der Trias des Himalaya gleichgestellt wird ; Kreideformation
ist durch das Erscheinen von Schloenb. inflata an dem West-
abhange bei Sandoway angedeutet; eine bedeutende Mächtigkeit
von versteinerungslosen Bänken von Schiefer, massigem Sand-
582 Arrakan.
Stein, auch etwas lithographischem Kalkstein (Negrais-Series)
bildet einen grossen Theil der Kette, dann folgen Nummulitenkalk
und jüngere Tertiärschichten.
Der Gebirgszug ist im Allgemeinen ein Sattel ; in seiner Axe
tritt von der britischen Grenze beiläufig bis zum 19.° herab die
Trias hervor, aber gerade hier ist der Sattel gegen O. gebrochen,
so dass Nummulitenkalk an die Trias stösst ; südwärts verschwindet
der Bruch und zugleich die Trias, so dass dann der normal gebaute
Sattel bis CapNegrais streicht; der südlichste Fels, Pooriam Point,
O. von der Mündung des Basseinflusses, besteht aus Nummuliten-
schichten. Zugleich stellen sich an der Ostküste lange Züge von
Serpentin ein, offenbar die Fortsetzungen jenes Serpentinzuges,
welcher in 25° 10' an dem östlichen Rande beginnt. Diese Fort-
setzungen liegen etwa zwischen 19^20' und 17° 25'. Aber nicht
nur der Verlauf der Faltung und die lange Erstreckung dieser
Serpentinzüge verräth den Zusammenhang dieser Ketten. Am
oberen Dahingflusse in 27° 30', welcher aus den Nägabergen fliesst,
sind Salzquellen und Petroleum bekannt, und solche Vorkomm-
nisse wiederholen sich an mehreren Orten, wie insbesondere auf
der Baränga-Insel an der Koleminmündung, dann auf den Inseln
Rämri und Cheduba, wo sie von Schlammvulcanen begleitet sind,
und bis Negrais. Sie sind auch an der Ostseite der Kette vor-
handen. Bei Menbo am Irawadi (20° nördl. Br.) kennt man einen
Schlammvulcan, und zahlreich sind die Salz- und Fetroleumquellen
bis zum Meere hinab. Zu beiden Seiten des Gebirges scheinen sie
den Nummulitenschichten oder dem Mitteltertiär anzugehören.^*^
Die Vereinigung dieser Merkmale, der lange Zug versteine-
rungsleerer Sandsteine und Schiefer von höchstens cretacischem
Alter, die Salzquellen, die Petroleum-Vorkommnisse, die Schlamm-
vulcane und die Serpentine erinnern in so ausserordentlicher Weise
an die Karpathen, den Kaukasus und gewisse Theile des Apennin,
dass man einen gleichen Gebirgszug trotz des örtlichen Hervor-
tretens der Trias wohl in Europa ein Flyschgebirge nennen würde.
Unter den indischen Gebirgen stehen bei aller Verschiedenheit
doch die Ketten von Sind demselben zunächst. Es erreicht der-
selbe aber am Cap Negrais nicht sein Ende. Alle. Beobachter,
welche sich seit Rink mit den Inseln des Golfes von Bengalen
Burmanischc Vulcane. 5^3
beschäftigt haben, stimmen darin überein, dass der Höhenzug von
Arrakan durch Preparis und Cocos sich in die Andamanen und
in die Nikobaren fortsetze. Es ist dieselbe Richtung des Streichens;
es sind dieselben Felsarten, Serpentin hier oft mit Gabbro und
Grünstein, dann Sandstein, Schiefer und jüngeres Tertiär, welche
in gebrochenen Falten und von Korallenriffen umgeben, diese
Inseln bilden/^
In Verfolgung dieser westlichen Zone der burmanischen
Ketten sind wir nun von 27° 30' bis 7° nördl. Br. gelangt; wir
brechen vorläufig ab, um uns der mittleren Zone zuzuwenden.
Unter derselben verstehen wir den ganzen Raum zwischen dem
Ostrande der eben besprochenen Kette von Arrakan und dem öst-
lichen Ufer des Sittoung, dann des Fanboung, welcher bei Ava in
den Irawadi mündet. Es ist aber höchst wahrscheinlich, dass sich
dieselbe Zone nordwärts mit wenig veränderter Breite bis weit über
die Gegend von Bhamo fortsetzt, und gegen Süd umfasst sie den
ganzen Meerestheil zwischen den Andamanen und Nikobaren gegen
W. und der malayischen Halbinsel gegen O.
Was zunächst auffällt, ist eine Reihe junger Vulcane.
Aus dem Flachlande des Irawadi erhebt sich nahe dem 21.°
nördl. Br., NO. von den Fetroleumquellen von Y^nän-Khyoung
und O. von Pagän, der mächtige vereinzelte Vulcan Puppä doung
zu der Seehöhe von etwa 5000 Fuss, während Pagän am Irawadi
nur beiläufig 300 Fuss hoch liegt. Blanford hat ihn erstiegen.
Der Krater senkt sich wohl 2000 Fuss unter den Rand und dieser
ist gegen N. eingebrochen. Asche und Laven breiten sich als eine
Decke über das zunächst gelegene Land aus.**
Weit südlich davon, S. von Nga-pu-tau am unteren Bassein,
in 16° 22', ragt aus einem Wasserlaufe, der von alttertiären Schich-
ten umgrenzt ist, der ,Chouk-talon' oder ,einsame Stein' hervor,
ein kleinerer Trachytfels, welcher einen Gang oder eine unter-
geordnete Ausbruchsstelle anzeigt.*^
Die weitere Fortsetzung dieser Linie bilden die bekannten
Vulcane von Narkondam (13'' 24') und Barren Island (i^° 17').^°
Abgesehen nun von diesen Vulcanen besteht die mittlere Zone
aus drei Theilen, nämlich aus dem Thale des Irawadi, jenem des
Sittoung und dem langen, beide Thäler trennenden Pegu Yomah
Suoss, ]).is Antlitz der Erde. 38
584 Pcjju Yomah.
Der ganze Pegu Yomah, dessen höchster Theil in 17^55'
2000 Fuss erreichen soll, besteht nach Theobald aus jüngeren
Tertiärschichten, welche in flache Falten gelegt sind und in Avelche
die Flussthäler eingewaschen sind. In der Nähe des Meeres be-
rühren sich die Delta's beider Flüsse, da der Pegu Yomah bei
Rangoon endet, aber in dem Maasse, in welchem geg'en N. das
Flachland der Flüsse schmaler wird, nimmt der tertiäre Höhenzug
an Breite zu, bis er etwa vom 19.° an allein die mittlere Zone
bildet.
Diese Tertiärablagerungen sind reich an Meeresconchylien ;
es ist aber ein jüngeres Glied abzutrennen, welches zwar auch
noch Haifischzähne als Nachweis der Verbindung mit dem Meere,
sonst aber grosse Mengen verkieselter Baumstämme und die
Reste einer Landfauna enthält, welche jener der Sewalikberge
gleichzustellen ist. Aus Theobald's Darstellung scheint hervor-
zugehen, dass dieses jüngere Glied den Meeresschichten in tieferem
Niveau angelagert ist. —
Hieraus lässt sich nun für die Vergangenheit der burmanischen
Ketten Folgendes entnehmen.
Die Entstehung dieser trennenden Niederung zwischen der
Flyschzone von Arrakan und den alten Felsarten im Osten muss
bis in die mittlere Tertiärzeit zurückreichen. Das Meer, welches
die Ablagerungen des Pegu Yomah zurückliess, reichte sehr \\reit
gegen N. und war die Fortsetzung des heutigen Golfes von Pegxi.
Bei sinkendem Strande erfolgten jene fluviatilen und Mündungfs-
bildungen, in welchen die Fauna von Sewalik sichtbar ist, welche
im Alter der Landbevölkerung der pontischen Zeit zunächst
steht. Bei noch weiterem Sinken wurde endlich der heutige Zu-
stand der Dinge hergestellt. Die ursprünglichen Höhen des Meeres
über dem Lande lassen sich aber nicht ermitteln, da Faltung an
der Erhöhung des Pegu Yomah theilgenommen hat ; Bhamo, am
Irawadi, mehr als 8 Breitegrade nördlich von der Mündung des
Flusses, liegt nur 430 engl. Fuss über dem Meere.
Es tritt hier Aehnlichkeit mit einem allerdings weit kleineren
Gebiete Europa's hervor ; man kann nämlich diese mittlere Zone
von Burmah mit der inneralpinen Niederung von Wien vergleichen,
welche, durch Trümmer und Sporen der Flyschzone unvollständig
Pcrak. Sumatra. 5^5
abgetrennt von der ausseralpinen Region, zur mitteltertiären Zeit
dem Golfe von Pegu ähnlich war.
Die östliche Zone ist weit weniger durchforscht. Man weiss
zwar, dass die erste Kette, welche sich östlich über dem Sittoung-
flusse erhebt, Poungloung Range, aus archaischen Felsarten be-
steht, aber bei Moulmein am Salwin tritt eine ausgedehnte Masse
paläozoischer Ablagerungen auf. Die Kalkfelsen, welche dem
obersten Gliede derselben angehören, haben carbonische Ver-
steinerungen geliefert. Es scheint nach Theobald, als würden
diese paläozoischen Schichten, die Poungloungkette abtrennend,
im Thale des Salwin sehr weit gegen N. fortsetzen und im Süden
ihre weitere Fortsetzung in den steilen Kalkfelsen finden, welche
den Mergui-Archipel zusammensetzen.^'
Die archaischen Felsarten, welche in Tenasserim, O. von der
paläozoischen Zone von Mergui bekannt sind, bilden die Land-
enge von Krau, und alle bisher vorliegenden Nachrichten deuten
darauf hin, dass auch der ganze Süden der Halbinsel aus Granit,
archaischem Schiefer und paläozoischen Ablagerungen gebildet
sei. Allerdings fallt jedoch nach Tenison-Woods der Bau des
Landes nicht genau mit dem Streichen dieses südlichen Theiles
zusammen. Es ist im Gegentheile in Perak eine westliche Gruppe
von Parallelketten vorhanden, welche im Staate Keddah beginnt
und die Verbreiterung der Halbinsel veranlasst; sie umfasst auch
Penang und die Dinging-Inseln, streicht NNO. — SSW. und erhebt
sich bis fast 7000 Fuss. Es folgt O. vom Perakflusse eine kürzere
Kette mit NS.-Richtung. Oestlich von dieser liegt die Haupt-
kette.^^ Bei Singapore ist Granit vorhanden in Begleitung anderer
Massengesteine und alter Sandstein und Schiefer; das Streichen
ist NW.53
Sumatra. Das Meer von Pegu, die Fortsetzung der grossen
Tertiärbucht des Irawadi, verengt sich gegen Süd; die grosse
Insel Sumatra tritt hervor, und die Arbeiten der niederländischen
Geologen lassen uns erkennen, wie auf ihr die Gesteine der Niko-
baren anschliessen an jene der Halbinsel von Malakka.
In der That lehren die trefflichen Forschungen Verbeek's und
seiner Arbeitsgenossen, dass wenig neue Elemente auf Sumatra
38*
586 Vulcane von Sumatra.
hervortreten.^* Es sind ausgedehnte ältere Schiefermassen vor-
handen, jüngerer intrusiver Granit, Schiefer und Kalk der Carbon-
formation, eine Reihe von Grünstein -Ausbrüchen, insbesondere
Diorit und Diabas, eine ziemlich mannigfaltige tertiäre Serie,
endlich die mitteltertiären Andesite und die mächtig-en jung-en
Vulcane.
Die ganze Linie der W. vorliegenden Inseln, von Pulo Babi
und dem wegen seines Kohlenreichthums öfters erwähnten Pulo
Nias durch die Mentawei-Inseln bis Pulo Engano, besteht aus
Tertiärland und bildet so eine selbständige, vorliegende Zone. Auf
Sumatra selbst, welches allerdings nur in seinem südlichen und
mittleren Theile genauer bekannt ist, sind die genannten Gesteine
in vielfache Falten gelegt und gestört. Diese Gesteine sind
von zwei sehr langen, genau in der Richtung der Insel, d. i. gegen
NW. verlaufenden vulcanischen Linien durchzogen. Die erste
folgt knapp der westlichen Küste ; sie ist von miocänem Alter und
durch eine lange Reihe von Andesit- Vorkommnissen bezeichnet.
Die zweite Linie ist die Hauptaxe der heutigen Vulcane. Diese
erstreckt sich durch die ganze 1 1 1 7 Kilom. betragende Länge der
Insel und ist vom 6.° südl. Br. bis zum 2.° nördh Br., bis wohin
genauere Untersuchungen reichen, mit nicht weniger als zwölf
kurzen Querspalten besetzt, welche jenen der centralamerikanischen
Vulcanspalte (Fig. 5, S. 122) ähnlich, doch minder regelmässig
angeordnet sind. Auf diesem System von Sprüngen kennt man
heute bis zum 2.° nördl. Br. 59, oder, wenn man jene der ersten
Querspalte hinzuzählt, welche über den Krakatau zum Goeneng
Pajoeng an der NW. -Ecke Java's läuft, 66 Vulcane. Unter diesen
sind 8 als wirksam bekannt, darunter der vielbesprochene Krakatau,
der 3167 M. hohe Dempo, der beiläufig 3600 M. hohe Korintji
u. And. Im Norden der Insel sind aber sicher noch mehrere Aus-
bruchsstellen vorhanden. 5^
Das ist nicht kesseiförmiger Einbruch an der Innenseite einer
gefalteten Kette, sondern Längenbruch der Kette selbst im grössten
Maassstabe. Die ältere, mitteltertiäre Bruchlinie liegt gegen W.,
also ausserhalb der heutigen Zone der Vulcane, denn beide Linien
sind deutlich convex gegen SW., im Sinne des grossen malayi-
schen Bogens. Die jungen Vulcane sitzen auf dem fertigen Falten-
Einbruch des malayischen Bogens. 5^7
gebirge und der Fuss ihrer Aschenkegel schmiegt sich in seine
ausgewaschenen Thäler, ein untrügliches Zeichen der Nothwendig-
keit, ihr Erscheinen als eine weit spätere, der Faltung des Ge-
birges nachfolgende oder doch nur ihre jüngsten Phasen beglei-
tende Erscheinung aufzufassen.
Das Netz von Sprüngen deutet aber dahin, als sollte die
ganze Insel zerbrochen werden, wie es wohl ihre Fortsetzungen
schon sind. Und wenn wirklich dieser Einbruch sich vollziehen
sollte, und diese oder neue Vulcane fortfahren würden, aus der
Tiefe des Einbruches ihre Aschenkegel aufzuschütten, so würde
endlich an der Stelle des gefalteten Gebirges nichts sichtbar bleiben
als eine Anzahl vulcanischer Inseln, wie Barren Island und Nar-
kondam.
Java ist in der That eine Doppelreihe solcher Vulcane, auf-
gesetzt auf tertiäres Land, etwas Flysch und Serpentin ; Jahre sind
vergangen, bevor es gelungen ist, auf dieser grossen Insel auch
einzelne Spuren der älteren Schiefergesteine von Sumatra wieder-
zufinden.^^ Noch weiter ist die Zerstörung des grossen bogen-
förmigen Zuges im Osten gegangen und seine Trümmer reichen
über Timor hinaus. Sie im Einzelnen aufzusuchen, ist hier nicht
meine Aufgabe. —
Nicht mit Unrecht erinnert Martin, dass die von Wallace
nach der Fauna O. von Bali und Borneo gezogene Grenze Asien's
und Australien's aus dem geologischen Baue der Inseln nicht zu
rechtfertigen sei."
Eben so wenig fällt aber z. B. in den westindischen Inseln die
durch die Landconchylien angedeutete Grenze zwischen Anguilla
und S. Christoph mit einer geologischen Grenze zusammen. Auch
dort zieht die Scheidungslinie quer über Inselketten, welche dem-
selben Gebirgszuge angehören. Das ist eben bezeichnend für Ab-
trennung durch Einsturz und stimmt überein mit einer älteren
Aeusserung von Wallace, nach welcher der malayische Archipel
,die Anzeichen eines weiten Festlandes mit einer besonderen Fauna
und Flora bietet, welches nach und nach und in unregel-
mässiger Weise zerbrochen worden ist.^^ Unter diesen Umstän-
den und bei der namhaften Tiefe der trennenden Meere fallt aber
nur sehr geringes Gewicht auf die ausgedehnten, aber wenig
588 Uebersicht der indischen Schaarungen.
beträchtlichen neueren Schwankungen der Strandlinie, welche
einer anderen Gruppe von Erscheinungen angehören. Es ist das-
selbe Ergebniss, zu welchem wir auf anderem Wege im Mittel-
meere gelangt sind.
Schluss. Es treten vier grosse Bogen gegen Süd vor,
welche wir als den iranischen, jenen des Hindu Kush, des Hima-
laya und den malayischen Bogen bezeichnet haben. Sie treffen
sich im Angesichte des indischen Tafellandes, welches ihnen als
eine fremde Masse gegenüber steht und sie trennt. Die Bewegxing
gegen Süd äussert sich am stärksten an den beiden mittleren
Bogen, und zwar durch Ueberschiebung der ganzen Gesteinsfolge,
welche dadurch auf langen Zonen in umgestürzter Lagerung* er-
scheint. In den meridionalen Theilen des iranischen Bog-ens am
Indus, sowie in den meridionalen Theilen des malayischen Bogens
in Arrakan scheinen sich nur lange sattelförmige Falten ohne
Ueberstürzung gebildet zu haben ; in dem Thale des Brahmaputra
aber, im Angesichte des gegen SO. überfalteten Saumes des
Himalaya, erfolgt Ueberfaltung des malayischen Saumes in der
entgegengesetzten Richtung, nämlich gegen NW.
So ähnlich nun aber die Anlage und der Verlauf dieser vier
Bogen sein mögen, sind doch die durch sie umgrenzten Räume,
welche gleichsam ihr Hinterland bilden, nicht ganz gleichartig.
So weit man Iran kennt, zeigt es dieselbe Schichtfolge wie
der äussere Bogen. Im Westen herrscht voller Parallelismus zwi-
schen der NW.-Fortsetzung des Alburs und den Zägrosketten,
und wir werden bald sehen, dass am SO. -Ufer des kaspischen
Meeres zwei flache innere Bogen sich treffen. Der iranische Bogen
ist also nur der äussere Theil einer grossen, von einheitlich an-
geordneten Falten durchzogenen Fläche, welche dem Rande selbst
homolog ist.
Die Ketten des Hindu Kush von der Salzkette und den ter-
tiären Faltungen und Flexuren des Südens durch Hazara und, so
weit man die folgenden Hochgebirge kennt, auch durch diese bis
zum Pdmir und bis zum Tian-shan verrathen sich ebenfalls als
Theile eines grossen, gemeinschaftlichen Faltensystems, welches
vom fernen Norden her bis an die Tiefebene des Indus reicht,
Oestliches Tibet. 589
allerdings in jenem Zustande äusserster Verklemmung, welcher
sich in dem mehrfach gebrochenen Streichen der Salzkette aus-
prägt.
Der Himalaya gehört ebenfalls einem sehr breiten, einheit-
lich bewegten Gebiete an, und die Ueberfaltung seines Aussen-
randes wiederholt sich wenigstens in seinem westlichen Theile
weit gegen Nord, sogar am Südrande des Mustägh, auch nörd-
lich vom Käräkoram und, wie es scheint, auch noch dort, wo
der NW.-Theil der Kalkzone des Käräkoram in den Pamir tritt.
Wir ziehen zu diesem Faltengebiete auch den westlichen Kuen-lun,
aber wo dieser gegen NW. abschwenkt, treten an seinem nörd-
lichen Fusse cretacische Transgressionen auf, welche der Muth-
massung Raum lassen, dass es eine fremde Scholle von abweichen-
der Schichtfolge sei, welche unter der Niederung des Tarym die
Beugung dieser mächtigen Kette und ihre Entfernung vom Tian-
shan veranlasst.
Weiter gegen Ost besteht allerdings diese Trennung nicht
mehr. Przewalski hat gezeigt, wie N. vom Kuen-lun die gewal-
tigen Züge des Altyn-tag und Nan-shan sich einschalten, und
das Bild, welches dieser unternehmende Reisende von dem Lande
zwischen dem Meridian des Lob Nor und jenem des Kuku Nor,
und vom ^2, bis zum 46.° nördl. Br. entworfen hat, zeigt durch
10 Längen- und 18 Breitegrade eine einheitliche Entwicklung
nahezu paralleler Ketten. Sogar mitten in der Wüste Gobi sind •
untergeordnete Parallelzüge vorhanden. In dieses weite Gebiet
fallt ein Theil der mongolischen Berge, der östliche Tian-shan,
die Wüste Gobi S. von Chami, Altyn-tag und Nan-shan mit dem
Humboldtgebirge, die Süd-Kukunor-Kette, Kuen-lun mit seinen
Nebenzügen und die Gebirge S. von demselben, Tan-la und auch
Ssamtyn-Kansyr des tibetanischen Himalaya. Alle diese Ketten
streichen O. etwas in S., mit untergeordneten Ablenkungen gegen
O. oder ONO., wodurch einzelne Begegnungen und eine lang-
gezogene, mehr oder minder netzförmige Anordnung entstehen,
welche jedoch das grosse allgemeine Streichen gegen O. etwas in
S. deutlich hervortreten lässt. Nur die Ritterkette an der Süd-
seite des Nan-shan tritt als ein kurzes, gegen NO. gerichtetes, ver-
einzeltes Ouerstück auf.*^'^
590 Nördliche Fortsetzung der bunnanischen Ketten.
Die Aufnahmen der Punditen, namentlich jene des uner-
schrockenen Nain-Ssing, welcher cretacische Fossilien vom Nam-
cho-See, 120 Kilom. N. von Lhassa, brachte, zeigen aber, dass
es dasselbe System von Falten ist, welches, die bog-enförmig-e
Krümmung annehmend, bis zu dem Aussenrande des Himalaya
reicht und welches in dem Meridian des Lob Nor die Ueberschie-
bung des Randes in Bhutan bildet.^
Dieses ist wohl die grösste Breitenentwicklung eines einheit-
lich gefalteten Gebietes auf der Erde; diese Breite reicht, quer
auf die Falten gemessen, von Bhutan bis in die Mongolei, d. i.
durch mehr als 22 Breitegrade oder ziemlich durch den vierten
Theil des Erd-Quadranten. —
Die burmanischen Ketten dringen sehr weit %^%^r\. NNW.
vor; die Art ihrer Begegnung mit den grossen latitudinalen Ketten
ist unbekannt, doch hoffen wir hierüber Aufklärung von Szechdny
und Löczi, welche ihren nördlichen Theil durchreist haben. Diese
merkwürdige Reise hat am Nordabhang des Nan-shan und am
Kuku Nor in das grosse, eben erwähnte Faltungsgebiet geführt,
und Kreitner's vorläufiger Bericht lässt die Vermuthung schärfer
hervortreten, dass ein guter Theil der von Przewalski gesehenen,
gegen OSO. ziehenden Ketten, und namentlich jene zwischen
Himalaya und Kuen-lun aus OSO. gegen SO., SSO., endlich
gegen S. im Streichen sich gegen Ta-H-fu und Bhamo beugten. In
diesem Falle würde nicht Schaarung des Himalaya mit dem malayi-
schen Bogen eintreten, sondern würde der malayische Bogen die
Fortsetzung der inner-tibetanischen Ketten selbst sein.^'
Man weiss, dass im Norden eine grössere Anzahl dicht g-e-
drängter Parallelketten vorhanden ist, während weiter in Süd
unter der Ebene des Irawadi und dem Meere von Pegu ein Theil
derselben verschwunden ist. Im Innern des malayischen Bogens
aber erscheinen mesozoische pflanzenführende Schichten, welche
einem Theile der Gondwäna-Serie der indischen Halbinsel ent-
sprechen.''' Viele Umstände sprechen dafür, dass Cochinchina und
Tonking altes Tafelland sind. Hiedurch unterscheidet sich aber
der malayische wesentlich von den westlichen Bogen. Es tritt eine
neue Schwierigkeit in der Verfolgung des Zusammenhanges der
Gebirge hervor. Dazu gesellt sich das Hinabsinken grosser Ketten
Pacifische Schaarungen. 5 Q ^
unter das Meer und der mangelhafte Stand der Erforschung. Austra-
lien ist ein Tafelland, umgeben von einem Gebirgsbogen, von
welchem nur Trümmer in Neu-Seeland und Neu-Caledonien sieht-
bar sind; unter eigenthümlichen Umständen zeigen sich diese
Stücke ; die Richtung des Bogens ist verschieden von jener der
bisher betrachteten. Im östlichen China hat uns Richthofen aus-
gedehntes Tafelland kennen gelehrt; dagegen deutet der Verlauf
der vorliegenden Inseln auf neue schaarende Ketten von Formosa
durch die Liu-kiu-Inseln gegen Kiu-siu, von dort durch Nipon
nach Jesso, von da durch die Kurilen gegen Kamschatka, endlich
durch die Aleuten und Alaska gegen Kenai und zur Schaarung
mit dem NW.-Ende der amerikanischen Gebirgszüge.
Sowie gegen die indische Halbinsel dringen schaarende
Bogen von NW., N. und NO. gegen den nordpacifischen Ocean
vor. Es besteht eine ganz ausserordentliche tektonische
Homologie zwischen dem indischen Tafellande und dem
nördlichen Theile des pacifischen Ocean's.
Mehrere Umstände veranlassen mich aber, zur näheren Be-
sprechung des östlichen Asien erst an einer späteren Stelle zurück-
zukehren. Sie wird wesentlich erleichtert sein, wenn die Dax-
stellung des am genauesten bekannten, zwischen Ketten liegenden
Tafellandes, des Colorado -Plateau's in Nordamerika, voran-
gegangen und wenn die eigenthümlichen Merkmale der Schicht-
folge auf anderen Tafelländern erörtert sein werden. Dann wird
sich auch die Möglichkeit ergeben, die Gesammtheit der Umran-
dung des stillen Weltmeeres in ihrem merkwürdigen Gegensatze
zu der atlantischen Umrandung zu betrachten.
Anmerkungen zu Abschnitt VII: Die indischen Schaarungen.
> Das Kärtchen Taf. IV ist nach den von der geolog. Landcs-Aufnahme in Indien
veröffentlichten Karten entworfen, u. zw. ist der Himalaya bis zum Jhelum nach Lydekkcr,
das tertiäre Gebiet O. von diesem Flusse nach Medlicott und der Westen nach "Wynne
eingezeichnet. Die Störungslinien des Tertiärlandes sind als Anticlinalen bezeichnet, doch
sind viele von denselben südlich gesenkte Flexuren; Ä = Archaisch; p = Alte Schiefer
und Paläozoisch; m = Mesozoisch; ti Eocän und Eocäne Vulcanische Decken; t^ — t^
Mittel- und Ober-Tertiär; dfj, a^ älteres und jüngeres Schwemmland. Die weissen
Strecken NO. und SW. von Abbotabad und S. von Kishtwar sind nicht kartirt. —
In Betreff der in diesem Abschnitte befolgten Schreibweise berufe ich mich auf Note 3i,
S. 541; bei der Behandlung so verschiedenartiger Gebiete sind Ungleichartigkeiten nicht
zu vermeiden, sobald man nicht gewaltsam Einheit herstellen und dadurch die Ver-
gleichung der Originalwerke erschweren will.
2 W. W. Graham, Travel and Ascents in the Himalaya's; Proc. geogr. Soc. 1884,
new ser. VI, p. 68—70 u. 429 — 447.
3 W. K. Loftus, On the Geol. of Portions of the Turko-Persian Frontier and
Districts adjoining; Quart. Journ. geol. Soc. 1855, XI, p. 247 — 344; geol. Karte.
4 E. Tietze, Bemerkungen üb. die Tektonik des Albursgebirges in Persien; Jahrb.
geol. Reichsanst. 1877, XXVII, S. 407. Nach V. v. Moll er 's Untersuchungen ist dieser
Kalkstein möglicher Weise dem Carbon zuzuzählen; Ueb. einige Foraminiferenführende
Gesteine Persien's; Jahrb. geol. Reichsanst. 1880, XXX, S. 580—586.
5 W. T. Blanford, Note on the geol. form, seen along the Coasts of Bilüchistdn
and Persia from Karacho to the Head of the Persian Gulf; Rec. geol. Surv. Ind. 1872,
V, p. 41 — 45; Eastern Persia, An Account of the Journeys of the Persian Boundary
Commission 1870 — 71—72, vol. II: the Zoology and Geol. by W. T. Blanford; 8«
London, 1872.
6 Oliv. B. St. John, On the Physic. Geogr. of Persia; East. Persia; An Account
etc. ; I, insb. orographische Karte p. 6.
7 W. T. Blanford, The Geol. of Western Sind; Mem. g. S. Ind. 1880, XVII,
p. I— 201, Karte.
8 H. Cook, Geol. Discoveries in the Valley of Kelat and surr, parts in Beloo-
chistan, in H. J. Carter, On Contrib. to the Geol. of West. India; Journ. Bombay
Brauch Asiat. Soc. 1862, VI, p. 184—194; ich habe im Gegensatze zu anderen Autoren
in Cook's Angabe von dem Vorkommen von Orthoceratitcn im Kreidekalke keinen hin-
reichenden Nachweis von dem Auftreten älterer Schichten erblickt.
9 C. L. Griesbach, Rep. on the Geol. of the Section betw. The Bolan Pass in
Biluchistan and Girishk in South. Afghanistan; Mem. g. S. Ind. 1881, XVIII, p. i — 60;.
Karte. Die Art des Eindringens der PIruptivgesteine, welche an dem Contact bei Kan-
dahar Gold führen, erinnert sehr an Posepny's Beobachtung, dass Intrusionen in Kalk-
stein häufig in Systeme von Höhlen erfolgt sind, welche in viel früherer Zeit durch Wasser
gebildet worden waren.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. VII. Die indischen Schaarungen. 593
»o W. T. Blanford, The Geol. of Western Sind; eb. das. 1879, XVII, p. I— 210,
Karten; dess.: Greol. Notes on the Hills of the Neighbourhood of the Sind and Punjab
Frontier betw. Quetta and Dera Ghazi Khan; eb. das. i883, XX, p. 105 — 240, Karten;
auch V. Ball, Geol. Notes made on a Visit to the Goal discov. in the Country of the
Luni Pathans; Records, 1874, VII, p. 145 — 158, Karte.
11 Griesbach in Medlicott's Ann. Rep. for i883; Records g. S. Ind. 1884,
XVn, p. I ; die Nachrichten« über die weitere Fortsetzung in dem Lande der Wuziri sind
unvollständig nnd ziemlich widersprechend; Stewart und Oldham, Joum. As. See.
Bengal, 1861, XXIX, p. 3i4 — 320 u. Alb. M. Verchdre, Kashmir, the West Himalaya
and the Afghan Mountains, a geol. paper; eb. das. 1867, XXXVI, b, p. 18 — 20.
12 Medlicott and Blanford, Manual, I, p. LIX.
»3 A. B. Wynne, On the Geol. of the Salt Range in the Punjab; Mem. g. S. Ind.
1878, XIV, 3i3 pp. u. Karten; ders.: On the Trans-Indus Extension of the Punjdb Salt-
Range; eb. das. 1880, XVII, b, 95 pp. u. Karten; W. Waagen, Salt Range Fossils;
Palaeont. Ind. ser. XIII, 1879 u. folg.
M Waagen, Geogr. Verth. Foss. Org. in Indien, S. 8.
«5 In wie ferne die Bezeichnungen ,Carbon* und »Trias* eine Veränderung zu er-
fahren haben, wird sich erst aus dem Abschlüsse von Waagen*s paläontologischen Unter-
suchungen ergeben.
»6 Medlicott, On the Greol. Structure and relations of the South, portion of the
Himalayan ränge betw. the rivers Ganges and Ravee; Mem. g. S. Ind. 1864, III, 6,
208 pp., Karte; ders.: Note upon the Sub-Himalayan Series in the Jamu (Jummoa) Hills;
Records eb. das. 1876, X, p. 49—57 (Karte p. 155); Wynne, Observ. on some Features in
the Phys. Geol. of the Outer Himal. Region of the Upp. Punjab; Quart. Joum. geol. Soc.
1874, XXX, p. 61—80, Karte; ders.: Note on the tert. Zone and underlying Rocks in
the NortVWest Punjab; Rec. g. S. Ind. 1877, X, p. 107 — 132, Karte; ferner Manual,
II, p. 517 u. folg.
»7 Wynne, The Trans-Indus Salt Region in the Kohdt District; Mem. g. S. Ind.
1874, XI, p. loi — 33o, Karte; ders.: A geol. Reconnoiss. from the Indus at Kushalgarh
to the Kuram at Thal on the Aftghan Frontier; Records eb. das. 1879, XII, p. loo — 114,
Karte. Am Kuram erscheint der Rest eines alten Eruptivstockes. Noch weiter in West
ist die Kenntniss von dem Baue des Gebirges eine ganz unvollständige und man bleibt
über die Art der Schaaning im Unklaren. Sikardm (15.620 Fuss), der höchste Gipfel des
Safcd Koh, besteht aus weissem Quarzit; bei Ali Khel ist Serpentin; bei Jagdalak, O.
von Kabul, wird Spinell in weissem, glimmerführendem Kalkstein gewonnen; Prpc. As.
Soc. Beng. 1880, p. 3, 4.
»8 Manual Geol. Ind. II, p. 568.
19 R. Lydekker, The Geol. of the Kdshmir and Chamba Territ. and the Brit.
District of Khdgdn; Mem. g. S. Ind. i883, XXII, p. 1—344, Karte.
20 H. H. Godwin-Austen, President's Adress Geogr. Section, Brit. Assoc. South-
port, i883; auch in Proc. Geogr. Soc. i883, V, p. 610 — 625, und ders.: The Mountain-
Systems of the Himalaya and neighbour. Ranges of India; eb. das. 1884, VI, p. 83
— 87, Karte.
21 C. A. Mc. Mahon, On the microsc. structure of some Dalhousie rocks; Records
g. S. Ind. i883, XVI, p. 129—144, pl. I, u. ders.: On the micr. struct. of some Himalayan
i^ranites and gneissose granites; eb. das. 1884, XVII, p. $Z — 72, pl.; Lydekker,
p. 270 u. folg.
22 R. Strachey, On the Geol. of Part of the Himalaya Mountains and Tibet;
Ouart. Joum. geol. Soc. 185 1, VII, p. 292 — 3l0, Karte u. Prof.; für den ersten Nachweis
alpiner Trias: Jahrb. geol. Reichsanst. 1862, XII, Verh. S. 258; F. Stoliczka, Geol.
Sections across the Himalayan Mountains, from Wangtu-Bridge on the River Sutlej to
Sundgo on the Indus; Mem. g. S. Ind. 1865, V, p. I — 154, Taf., u. an viel. and. Orten;
594 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. VII. Die indischen Schaarungen.
Griesbach, Pal. Notes on the lower Trias of the Himalayas; Rec. g. S. Ind. 1880,
XIII, p. 94— II 3, u. A.
23 G. T. Vignes, Travels in Kashmir, Ladak, Iskardo etc. 80 1842, I, p. 209 wird
für die NW.-Fortsetzung angeführt; die Stelle scheint sich nur auf die Nähe von Gurcz
zu beziehen.
34 Lydekker, am ang. Orte, p. 192.
25 Fr. Drew: The Jummoo and Kashmir Territories, 8° 1875, p. 33i — 354. Auf
unseren am meisten verbreiteten Karten ist »Thaldaf verzeichnet; diese Stelle liegt an
dem Nordfusse der Lokzhungberge ; für diese Gegend auch zu vergl. G. W. IT ay ward,
Journey from Leh to Yarkand and Kashgar; Joum. geogr. Soc. 1870, XL, p. 53
— 166, Karte.
26 Scientific Results of the Second Yarkand Mission; based upon the Coli, and
Notes of the late Ferd. Stoliczka; Geology by W. T. Blanford; 40 Calcutta, 1879.
»7 Eb. das. Tagebuch v. 23. März u. 3. — 8. Juni 1874.
2* Vgl. Petermann 's Geogr. Mittheil. 1884, Taf. IV. — Aktasch bedeutet »weisser
Stein' und es scheint der Name ebenso das Durchstreichen der Kalkfelsen anzuzeigen, wie
in kleinerem Maassstabe Piz Alv im Bernina.
29 W. Waagen and A. B. Wynne, The Geol. of Mount Sirban in the upp.
Punjäb; Mem. g. S. Ind. 1872, IX, p. 33i — 350; Karte.
30 Wynne, Observ. on some Features in the phys. Geol. of the outer Himalay.
Region of the upp. Punjäb; Quart. Joum. geol. Soc. 1874, XXX, p. 61 — 80, pl. VII; —
Note on the tert. Zone and underlying Rocks in the NW. Panjab; Rec. g. S. Ind. 1877, X,
p. 107 — 132, Karte; — Further Notes on the Geol. of the upp. Punjäb; eb. das. 1879,
XII, p. 114 — 133, mit geol. Karte von Hazdra; auch eb. das. 1882, XV, p. 164 — 169;
Waagen, Note on the Attock slates eb. das. p. i83 — 185; Lydekker eb. das. 1882, XV,
p. 14 u. A.
3» W. W. Mc. Nair, A Visit to Kafiristan; Proc. Geogr. Soc. 1884, VI, p. 9.
32 Ich habe insbesondere zu danken für die Mittheilungen der noch im Drucke be-
findlichen Berichte über eine Anzahl von Vorlesungen, welche Hr. Iwanow im Frühjahre
1884 vor der k. russ. geographischen Gesellschaft gehalten hat. Zur Erläuterung berufe ich
mich auf Petermann's Mitth. 1884, XXX, Taf. IV und Proc. Geogr. Soc. 1884, Karte
p. 176; diese Karten, so wie die vorläufige Karte in den Iswestj. sind jedoch vor Rück-
kunft der Expedition angefertigt, und Iwanow spricht sich in Betreff der hier in Frage
kommenden Punkte insbesondere gegen die Angaben über den Lauf des Ges-Flusses (in
NO.) so wie gegen den steilen Abfall aus, mit welchem angeblich Pamir gegen SW. in
der Richtung gegen Faisabad enden soll.
33 Capt. John. Wood, A Jouruey to the Source of the River Oxus; 2^1 ed. 8« 1872,
p. 158; jenseits Rustak würde sich der hohe, vereinzelte Umbar Koh bei Kunduz an-
schliessen; vgl. eb. das. p. 152.
34 Hayward am ang. Orte, p. 125. Von Hayward wird Mustagh noch unter dem
Namen Kdrakoram begriffen.
35 Lydekker, Geol. of Därdistdn, Baltistan etc. Rec. g. S. Ind. 1881, XIX,
p. 15, Karte.
36 Diese widersinnische Lagerung ist bald für wahre Lagerung angesehen und sogar
der Gneiss des Kinchinjunga für jünger als Unt. Gondwana gehalten worden; bald hat
man ursprüngliche Uferlinie und späteren Einbruch zu sehen vermeint. Wenn auch für
manche jüngere Ablagerung das Ufer nahe gewesen sein mag, haben doch jene Geologen,
welche den Saum der Alpen kennen, sofort die allgemeine Ueberfaltung wieder erkannt;
so Griesbach, Rec. g. Surv. Ind. 1880, p. 84 in Kumaon u. L. v. Löczi, Földtan. kSzL
i883, S. 270 in der Gegend von Darjiling.
37 H. B. Medlicott, Note on the Geol. of Nepal; eb. das. 1875, Vm, p. 93
— lOi; Karte.
I
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. VU. Die indischen Schaaningen. 595
38 Fr. R. Mallet, On the Geol. of the Därjüing Distr. and the Western Dudrs;
Mem. eb. das. 1875, XI, p. 1—96; Karten.
39 H. H. Godwin-Austen, Notes on the Geol. of part of the Dafla-Hills, Assam;
Joum. Asiat. Soc. Beng. 1875, ^^^ ^er., XLIV, p. 3$ — 41, Taf.
40 Ich berufe mich auf die Karte von .C. H. Lepper, The Singpho-Kampti Country
or Neutral Ground between India and China; Proc. As. Soc. Bong. March, 1882, pl. I, und
auf die nach Colborne Baber vervollständigte Karte von B. Hassenstein in Peterm.
geogr. Mitth. i883, XXIX, Taf I.
4« F. R. Mallet, On the Coal-Fields of the Ndgd-Hills, bordering the Lakhimpur
and .Sibsdgar Distr. Assam; Mem. g. Surv. Ind. 1876, XII, p. 269—363, Karten. Im Falle
einer Verwerfung sollte auch' die jüngere Serie nicht in diesem, sondern im entgegen-
gesetzten Sinne geschleppt sein.
42 R. D. Oldham, Rep. on the Geol. of parts of Manipur and the Naga Hills;
Mem. eb. das. i883, XIX, p. 217—242; Karte.
43 T. D. La Touche, Notes on a Traverse through the East. Khasia, Jaintia and
N. Cachar hills; Rec. eb. das. i883, XVI, p. 203; Manual Geol. Ind. II, p. 699.
44 ,Nach N. wie nach S. tritt der merkwürdige Parallelismus der Ketten hervor. . . .
Die Spitzen der Uiphum-Kette, von welchen Klang-Sang (2600 Fuss) eine der höchsten
ist, stehen in einer wunderbar geraden Linie, so dass eine einzige AIcsstisch-Visur alle
hervorragenden Punkte durch viele Meilen gegen Süd trifft. . . .* Capt. Tanner, the
Lushai Expedition; Proc. Geogr. Soc. 1873, XVH, p. 49.
45 W. Theobald, On the Geol. of Pegu; Mem. g. S. Ind. 1873, X, p. 189
— 359, Karte.
46 W. Theobald, Salt-Springs of Pegu; Rec. eb. das. 1873, VI, p. 67— 73, Karte;
Mallet, Mud Volcanoes of Rdmri and Cheduba; eb. das. 1878, XI, p. 188 — 223, Karten;
u. Note on a recent Eruption in Rdmri Isl. eb. das. 1879, XII, p. 70 — 72. Erdöl zeigt
sich auch im Punjdb und an vereinzelten Stellen in Sind ; endlich sind die Schlammvulkane
der Meeresküste W. von den Mündungen des Indus zu erwähnen, aber die Zonen sind
nirgends so zusammenhängend als in dieser Kette.
47 F. Stoliczka, Die Andamanen; Verh. geol. Reichsanst. 1868, S. 192; V. Ball,
Notes on the Geol. of the Vicinity of Port Blair, Andam., Joum. As. Soc. Beng. 1870,
XXXIX, b, p. 23 1 — 239, und Brief Notes on the Geol. and the Fauna in the Neighb. of
Nancowry harbour, Nicob. eb. das. p. 25—37; Medlicott and Blanford, Man. Geol.
Ind. II, p. 732 — 736; G. E. Bulger, A visit to Port Blair and M. Harriet, And. Isl.
Canad. Natural 1876, VIH, p. 95 — io3; ferner H. Rink, Die Nikobar. Inseln, 8» Kopenhag.
1847, Karte u. F. v. Hochstetter, Beitr. z. Geol. u. physik. Geograph, d. Nikobar-Inseln,
Reise d. Freg. Novara, Geol. Theil, H, 1866, S. 83 — 112, Karte; C. Schwager, Foss.
Foram. v. Kar Nikobar, eb. das. S. 187 — 268, Taf. — Lydekker zeigt, dass die Zahnreste
von Diodon, welche im Tertiär der Ins. Rdmri erscheinen, übereinstimmen mit solchen
aus dem Sandstein von Port Blair, Andam. Ins.; Rec. g. Surv. Ind. 1880, XIH, p. 59. —
Hochstetter hat (S. 98) diese Serpentine den tertiären Serpentinen Italiens gleich-
gestellt und ebenso vergleicht Neumayr den ganzen Zug dem griechischen Flysch;
Bittner, Neumayr u. Teller, Ueberblick d. geol. Verh. eines Theiles der Aegäisch.
Küstenländer; Denkschr. Akad. Wien 1880, XL, S. 405.
48 W. T. Blanford, Account of a Visit to Puppd doung, an extinct Volcano in
Upp. Burma; Joum. As. Soc. Beng. i863, XXXI, p. 215—226, Taf.; Anderson führt
einen Vulkan noch weiter im N., in 25°, an; diese Angabe fallt ausserhalb des Gebietes,
welches ich hier zu besprechen beabsichtige.
49 Theobald, Geol. of Pegu, am ang. O. p. 142.
50 G. v. Liebig, Barren-Island; Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1858, X, S. 299—304,
Taf.; V. Ball, Barren Isl. and Narkondam; Rec. g. Surv. Ind. 1873, VI, p. 81—90.
5« Theobald, Geol. of Pegu, am ang. O. p. 223; Manual Geol. Ind. II, p. 709.
5Q6 Anmerkungen zu Th. 11, Abschn. VII. Die indischen Schaaningcn.
52 J. Errington de la Croix, Le Royaume de P6rak; Bull. soc. g^o^. i883,
7. sdr. IV, p. 333 — 352, Karten. J. E. Tenison Woods, Gcol. of the Malay. Penins.,
Nature, 1884, p. 76 u. Alount. Syst. of the Malay. Penins. eb. das. p. 264.
53 J. R. Logan, Notice of the Geol. of the Straits of Singapore; Quart. Joum. Gcol.
Soc. 1851, VII, p. 310—344, Karte; L. v. L6czi sagt, dass das Aussehen der bei Sin-
gapore dem Granit auflagernden Sedimente dem alpinen Flysch gleicht; Földt. Kozl.:
Sitzg. ung. geol. Ges. v. 5. Jan. 1881.
54 Es mag hier nur das letzte und wichtigste Werk genannt sein: R. D. M. Verb eck,
Topogr. en Geol. Beschrijving v. un Ged. v. Sumatra's "Westkust; 8^^ Batav. i883; Atlas
in 8° u. 40. — Auch die Petroleum-Vorkommnisse des Nordens wiederholen sich auf
Sumatra.
55 Verbeek am ang. O., p. 398 u. folg.; Atlas 8" Taf. XII.
56 Verbeek u. R. Fennema, Nouv. faits g^ol. observ6s h Java; Arch. N6erl.
1881, XVI, p. 48—64.
57 K. Martin, Die wichtigst. Daten uns. geolog. Kenntniss vom Niederl. Ostind.
Archipel; Bijdr. tot de Taal Land en Volkenk. en Ned. Ind. uit p. t. Geleg. van het VI.
Intern. Congress d. Orientalist, te Leiden, s*Gravenhage, i883, p. 27.
58 ,gradually and irregulary broken up*; A. R. Wallace, On the Phys. Geogr.
of the Malay Archip., Joum. geogr. Soc. i863, XXXIII, p. 233; hienach wurden zuerst
die Philippinen abgetrennt, viel später Java, noch etwas später Sumatra und Bomeo; zu-
letzt die Inseln S. v. Singapore bis Banca und Biliton; Wallace, Island Life, 8<», 1880, p. 362.
59 N. Przewalski, Forschungen in Centr.- Asien. IV. Vom Saisan-See nach Tibet;
40 Petersb. l883; die Karte auch reducirt in Peterm. Mitth. l883, Taf. IX; auch Przewalski,
Das Nördliche Tibet; eb. das. S. 14 — 23,
60 Ose. Feistmantel, On the Occurr. of the Cretac. Genus Omphalia near Namcho
Lake, about 75 miles N. of Lhassa; Rec. g. Surv. Ind. 1877, X, p. 21- 25.
61 G. Kreitner, Im fernen Osten; Reisen des Graf. B. Sz^chönyj in Indien, Jajyan,
China, Tibet u. Burma; 8« Wien, 1881; Taf. in.
62 Ratte, Note sur Tlndo-Chine; Bull. soc. g6ol. 1876, 3. scr. IV, p. 509 — 521 ;
Petiton, Carte g6ol. du Cochin-Chine, eb. das. i883, 3. ser. XI, pl. VIII; K. Fuchs,
Comptes rend. 10. Juli 1882, p. 107 u. Zeiller eb. das. 24. Juli 1882, p. 194; Zeiller,
Flore du Tonking, Bull. soc. gdol. i883, 3. scr. XI, p. 436 u. folg. u. an and. Orten.
ACHTER ABSCHNITT.
Die Beziehungen der Alpen zu den asiatischen Gebirgen.'
Aufgabe dieses Abschnittes. — Tian-schan von J. MuschketofT. — Westliche Ausläufer
des Tian-schan. — Nura-tau, Scheich -Djeli, Mangischlak, Kohlenjjebirge am Donetz. —
Paropamisus, Chorassan, Kopct-daph, Baichan, Kauka.sus, Krim. — Matschin. — Balkan
und Karpathen. — Alburs, Iranisch-Taurische Schaarung. — Dinarischer Zug. — Lösung
der wirbeiförmigen Anordnung der Alpen. — Ural, Pae-choi und Timan. — Uebersicht.
Cs ist der schwierigste Theil dieser vergleichenden Ueber-
sicht des Verlaufes der grossen Gebirgszüge, an welchen ich nun
schreite. Zwei ausgedehnte Gebiete sind bisher besprochen wor-
den, das System der Alpen im Westen und die asiatischen Bogen
im Osten, welche beide ihre Gestaltung durch tangentiale Be-
wegungen erhalten haben, aber die Anordnung der Leitlinien ist
in jedem dieser beiden Gebiete wenigstens scheinbar eine gänzlich
verschiedene. Es entsteht nun die Frage, wie sich diese beiden
Arten der Anordnung begegnen.
Zunächst ist der latitudinale Hauptzug des inneren Asien, der
Tian-schan, näher zu betrachten und sind seine westlichen Ausläufer
gegen Europa hin zu verfolgen. In den Alpen werden wir hierauf
zu fragen haben, ob mit dem Ende der Karpathen in Siebenbürgen
wirklich das Ende jener Linien erreicht sei, welche an der wirbei-
förmigen Anordnung der Alpen theilnehmen. Hierauf werden wir
uns südwärts wenden und prüfen, ob der iranische Bogen in der
That der westlichste der schaarenden Bogen, oder ob in Europa
eine weitere Wiederholung zu treffen sei. Aus dieser Analyse wird,
5g8 Tian-schan.
SO hoffe ich, gezeigt werden können, worin das Wesen der An-
ordnung der Alpen besteht. Endlich sollen noch Ural, Pae-choi
und das Timan'sche Gebirge besprochen werden.
Der Weg ist lang, aber es gibt keinen kürzeren; nur so kann
die eigenthümliche Art des Zusammenhanges der grossen Gebirgs-
züge dieses Continentes und die Bedeutung dargelegt werden,
welche den zwischenliegenden Ketten, wie dem Kaukasus, dem
Taurus, dem Balkan, dem Pindus zukommt.
Die Darstellung wird sich bei dem Umfange des Stoffes
knapp an die ermittelten Thatsachen halten müssen, und auch von
diesen werde ich nur die wichtigsten anzuführen im Stande sein.
Der Tian-schan bildet den Ausgangspunkt, und ich freue mich,
hier dem Berufensten weichen und eine Beschreibung der Grund-
züge des Baues dieses ausgejdehnten Hochgebirges einschalten zu
dürfen, welche der beste Kenner desselben, Prof. Muschketofif, mir
mitzutheilen die Güte hatte.
Tian-schan (von Prof. J. Muschketoff).' Unter Tian-schan
hat man ein ganzes System verschiedener Gebirgszüge im Grossen
und Ganzen mit der Streichrichtung WSW. — ONO. zu verstehen.
Dieses System nimmt seinen Anfang in der Wüste Gobi nahe bei
der Stadt Barkul, als verhältnissmässig niedriger und schmaler,
wenn auch von der umgebenden öden Fläche sich scharf abheben-
der Gebirgszug. Derselbe nimmt gegen West in verticaler wie in
horizontaler Richtung immer grössere Dimensionen an und spaltet
sich in mehrere nahezu parallele Ketten ; gleichzeitig zweigen sich
meist in der Richtung NW. Ausläufer ab, welche nicht selten als
selbständige Gebirgszüge betrachtet werden können.
So zweigt sich von ihm bei den Quellen des Kungess, fast
gegenüber Julduss, der Gebirgszug Eiran-Chabirgan oder Boro-
choro ab, der im Verein mit dem dsungarischen Ala-tau die ganze
nördliche Hälfte von Kuldscha einnimmt und durch den Barlik-tau
mit dem nordwestlichen Tarbagatai in Verbindung tritt.
Westlich von dem Pik Chan-Tengri (22.500 Fuss) ist eine
derartige Verzweigung und zugleich eine Entwicklung in die
Breite in noch höherem Maasse wahrzunehmen; sie erreichen ihr
Maximum auf dem Meridian von Kaschgar, wo die Gesammtbreite
Die Aestc des Tian-schan.
599
des Tian-schan nicht weniger als 300 Kilom. beträgt. An dieser
Stelle kann man neben einigen unbedeutenden nicht weniger als
vier nahezu parallele Hauptketten unterscheiden; diese sind:
I. Sa-Ilischer Ala-tau; 2. Kungj-Ala-tau; 3. Terskj Ala-tau und
4. Kokschal.
Der erste vereinigt sich bei der berühmten Schlucht Buam
mit dem Tschu-Ilischen Gebirge oder Suok-Tübe, welches ebenso
wie der Boro-choro nach NW. streicht und am Südende des
Balchasch-See's endet.
Der zweite, Kungj-Ala-tau, trägt weiter westlich den Namen
Alexandergebirge und vereinigt sich bei der Stadt Aulje-Ata in
gleicher Weise mit dem NW.-Zuge Kara-tau, welcher dem Tschu-
Ili-Zuge parallel läuft.
Die beiden letztgenannten Züge, nämlich Terskj -Ala-tau und
Kokschal, beginnen bei dem Chan-Tengri und gehen nach Westen
zu gabelförmig auseinander; der Zwischenraum wird von Gebirgs-
zügen zweiten Ranges eingenommen, die stellenweise eine ausser-
ordentliche Höhe erreichen, wie z. B. der von zahlreichen Gletschern
bedeckte Ak-Schjrak, ebenso die Gebirge Son-kul, Baural-basch,
At-basch u. s. w. Unter den diese Züge trennenden Thälern zeich-
net sich durch seine Ausdehnung dasjenige des Narin, des Quell-
flusses des Syr-Darja, aus.
Der Terskj -Ala-tau setzt sich in dem Susamjr-tau weiter
fort und endet im Westen mit einer ganzen Serie von Parallel-
zügen: Talaskj- Ala-tau, Tschatkal und Namandgangebirge.
Kokschal setzt sich als Kurpetau und Suektau bis an den Alai-
Gebirgszug fort, dem Verbindungsgliede zwischen dem System
des Tian-schan und dem Pamir.
Auf dem Meridian von Suek verläuft zwischen dem Alai-"
gebirge und den beiden obgenannten, dem Namandgan- und
Tschatkalgebirge , in nordwestlicher Richtung das Fergana-
gebirge; letzteres bildet die Ostgrenze des Ferganagebietes,
ersteres seine Nord- und Südgrenzen. Sie laufen nach Westen zu
ebenfalls in nordwestlicher Richtung aus, wie der kleine Kasj-
kurt und der lange Nura-tau, der Ausläufer des Turkestan-
gebirges, das seinerseits als eine Fortsetzung des Alaizuges zu
betrachten ist.
Sucss, Das Antlitz der Erde. 39
600 Die Aeste des Tian-schan.
Dem Alaizuge parallel ziehen sich das Sa-Alai- (Hinter- Alai)
und weiter westlich das Gissargebirge und das Gebirge Peter's I.
Sie alle laufen in zahlreichen kleinen und niederen Zügen strahlen-
förmig in die Ebene der Bucharei aus. Die strahlenförmig" diver-
girenden westlichen Ausläufer des Tian-schan-System's verlieren
sich allmälig in die Turan'sche Niederung.
Alle diese zahlreichen Gebirgszüge lassen sich zu drei Grup-
pen zusammenfassen: i. solche mit dem Streichen ONO.; sie sind
weitaus die zahlreichsten und bedingen die Richtung des ganzen
System's des Tian-schan; 2. solche mit der Richtung NW. ; sie
bilden die westlichen Ausläufer der Hauptzüge; und 3. solche mit
der Richtung W., wenig zahlreich und nur als Züge zweiten Ran-
ges auftretend. Wo Gebirgszüge der ersten Gruppe mit solchen
der zweiten zusammenstossen, da beobachtet man regelmässig ein
Ausbiegen derselben, und zwar mit der convexen Seite gegen
Süden; zugleich sind die Abhänge nach Norden zu steiler als die
südlichen; die nördlichen Abhänge weisen Massengesteine in
stärkerer Entwicklung auf als die südlichen, die ihrerseits ein
regelmässigeres System von Falten aufweisen. Diese Verhältnisse
gelten übrigens allgemein für alle Gebirgszüge des Tian-schan in
ihrer ganzen Ausdehnung, nur dass sie an den genannten Ver-
einigungspunkten deutlicher hervortreten.
An der Zusammensetzung, der Gebirgszüge nehmen meist
paläozoische Gebilde, einschliesslich den Kohlenkalk der Stein-
kohlenperiode theil, überdies metamorphische und Massengesteine ;
jüngere Gebilde finden sich vereinzelt in geringer Ausdehnung in
den Gebirgsthälern und lagern stets discordant auf den paläozoi-
schen. Nachgewiesen sind: Trias, Jura (reich an Kohle), Kreide
und Tertiär; letzteres ist durch lockere Kalksteine, Sandsteine
und kieselige Conglomerate vertreten.
Alle diese Sedimente treten ausser in den Gebirgsthälern, wo
sie wie das Eocän von Ladakh im Himalaya bis zu bedeutenden
Höhen, im Alai bis zu 10 — 11.000 Fuss hoch beobachtet worden
sind, zumeist am Rande der Gebirge gegen die Ebene zu auf und
lassen sich hier in den Flussthälern sehr vollständig beobachten,
so z. B. im Ferganagebiete, in Kuldscha u. s. w., desgleichen in
der südwestlichen Bucharei und in Gissar, woselbst sie ganze
Felsarten des Tian-schan. 6oi
Gebirgszüge bilden. Diese Sedimente sind über die gesammte
anliegende Niederung verbreitet, nach West bis an den Aral- und
Kaspisee, nach O. bis an den Lob Nor; sie umziehen als ununter-
brochener Gürtel den ganzen Tian-schan; nur an dem äussersten
östlichen Ende, bei der Stadt Barkul, sind sie noch nicht nach-
gewiesen, weil dort bisher überhaupt noch kein Geologe ge-
wesen ist.
Diesen Sedimenten kommt eine hervorragende Bedeutung
für Mittel- Asien zu, erstens weil die lockeren tertiären Sandsteine
das Materiale für den Flugsand liefern, der von den Winden über
weite Strecken ausgebreitet wird und den Wüsteneien ihren Cha-
rakter ertheilt, und zweitens weil die Brände der mächtigen jurassi-
schen Kohlenflötze Humboldt^u der Annahme vulcanischer Thätig-
keit in Mittel-Asien veranlassten, ein Irrthum, der sich leider bis
heute fortgepflanzt hat. An allen Punkten, an welchen der grosse
Naturforscher auf Grund chinesischer Quellen Vulcane oder Solfa-
taren annahm, sind brennende jurassische Kohlenflötze beobachtet
worden, so in Kuldscha, Urumtschi, Turfan, Kutschi u. s. w.,
d. h. sowohl nördlich als südlich vom Tian-schan.
Was nun die Massengesteine anbelangt, so sind dieselben im
Tian-schan recht mannigfaltig und treten zwischen metamorphischen
und paläozoischen Gesteinen auf, aber in den verschiedenen Ge-
birgszügen in wechselnder Ausdehnung und Menge. So finden
sich Granit, Granitit, Syenit, Granitporphyr, Orthoklasporphyr,
Felsit, Gabbro u. s. w. vorherrschend in den massiven, gegen NO.
gerichteten Gebirgszügen; Diabas, Melaphyr, Dolerit, Teschenit,
Porphyrite u. s. w. in den gegen NW. streichenden; Diorit,
Gneiss u. s. w. in den nach W. — O. gerichteten. Die krystallinischen
Gesteine walten fast überall auf den nördlichen, steileren und con-
cav verlaufenden Abhängen vor. Beispielsweise treten auf dem
Nordabhange des Sa-Ilischen Gebirges Felsit-, Orthoklas-, Sphae-
rolith- und Quarzporphyre auf; desgleichen im Tschu-Ili- Gebirge;
Syenit und Diorit auf dem Nordabhange des Terskj-Ala-tau;
Melaphyr und Diabas auf dem Nordabhange des Aigjr-tau; Mela-
phyr auf dem NO.-Abhange des Kara-tau; Augitporphyr auf dem
NW.-Abhange des Talass- Ala-tau ; Augitporphyr auf dem N.-
Abhange des Sonkulgebirges ; Diabas auf dem NO.-Abhange,
39»
602 Einseitigkeit der Aeste des Tian-schan.
Augitporphyr und Andesit auf dem N.-Abhange des Kara-teke
und bei Suek; südlicher, am Flusse Tojunn, treten Basalte auf.
In Betreff dieser letzteren Vorkommnisse muss ich bemerken,
dass, obgleich die S. vom See Tschatyr-kul auftretenden Gesteine
unstreitig vulcanischen Ursprunges sind, sie dennoch nichts an dem
oben über Humboldt's Ansicht Gesagten ändern, da sie nicht der
gegenwärtigen Periode, sondern älteren tertiären Vulcanen an-
gehören; das Gleiche gilt vom Dolerit des Eiren-Chabirgan, des
Karakasyk im Alaigebirge, dem Teschenit des Kasjkurt u. s. w.
JDas Vorkommen vulcanischer Gesteine südlich vom Tian-
schan widerspricht scheinbar dem im Allgemeinen über die Ver-
breitung der Massengesteine Gesagten; allein dies ist nur schein-
bar der Fall, denn diese Gesteine treten an dem Nordabhange des
Kokschal oder Suek-tau und seiner westlichen Verlängerung auf,
also übereinstimmend mit den übrigen Massengesteinen im ganzen
Tian-schan. Desgleichen treten Teschenit auf dem Nordabhange
des Kasjkurt, Gabbro, Melaphyr und Granit auf dem N.-Abh'ange
des Alaigebirges u. s. w. auf, d. h. überall im Tian-schan zeigt sich
das gleiche Verhalten, mit wenigen Ausnahmen in unbedeutenden
Höhenzügen.
Was nun das Alter des Tian-schan-Gebirges anbelangt, so sind
die massiven NO. -Züge älter als die übrigen, doch reicht ihre
Bildungszeit wohl kaum weiter zurück als bis zur Trias; die jün-
geren NW.-Züge sind wahrscheinlich erst nach Ablauf der Tertiär-
periode entstanden, gleichzeitig mit einem bedeutenden Wachs-
thume der schon vorhandenen Erhebungen, da, wie oben bereits
erwähnt, tertiäre Ablagerungen auf sehr bedeutenden Höhen vor-
kommen. Seine endgiltige Gestaltung hat also der Tian-schan erst
nach dem Tertiär erhalten, und es gibt einige Anzeichen dafür,
dass eine Erhebung noch gegenwärtig stattfindet; diese Anzeichen
sind jedoch nur indirecte und nicht über allen Zweifel erhaben.
Aus allem Dargelegten ergeben sich für den Tian-schan genau
die umgekehrten Verhältnisse wie für die Alpen. Bei letzteren
verlaufen die Züge convex nach N., im Tian-schan convex nach S.;
dort sind die Südabhänge steil, hier die nördlichen; dort walten
Massengesteine auf den Südabhängen vor, hier auf den Nord-
abhängen. Der an den Alpen, Karpathen u. s. w. nachgewiesene
Scheich-Djeli. 603
Zusammenhang dieser Erscheinungen bethätigt sich jedoch in voll-
kommenstem Maasse auch für den Tian-schan; desgleichen zeigt
sich auch eine grosse Gleichförmigkeit in dem Streichen der Falten
und in der Umbeugungsrichtung. Den massigen Gesteinen kommt
bei der Bildung des Tian-schan eine rein passive Rolle zu; die
Verbindungslinie ihrer Ausgangspunkte fallt mit der Kamm-
richtung keineswegs zusammen. In dieser Beziehung liegen für den
Tian-schan zahlreiche Beobachtungen vor, analog denen, welche
von Ihnen und Prof. Heim für die Alpen angeführt worden sind.' —
So weit Muschketoff's Darstellung. Es ergibt sich hieraus
vor Allem die wichtige Erfahrung, dass die im Allgemeinen nach
Süd gerichtete tangentiale Bewegung der schaarenden indischen
Bogen auch in den langen Zügen des Tian-schan sich kundgibt, und
dass für das ganze innere Asien diese Bewegung gegen Süd die
herrschende und das Land gestaltende Erscheinung ist.
Von den aufgezählten gegen NW. streichenden Aesten des
Tian-schan kommen Boro-choro mit dem Tarbag-atai und der Sa-
Ilische Ala-tau mit dem Suok-tübe hier nicht in Betracht, da sie
Europa nicht erreichen. Man mag die Frage aufwerfen,* ob die
vereinzelte Faltung, welche auf der Halbinsel Kulandy, an dem
NW.-Ufer des Aral, hervortritt und die NW. streichenden Berge
der Astrachan'schen Steppe, wie Tschaptschatschi und die Gruppe
des kleinen und des grossen Bogdo, etwa die Fortsetzungen des
vom Alexandergebirge mit NW.-Streichen herkommenden Kara-
tau seien, aber bei der beträchtlichen Entfernung dieser Punkte
von einander ist es schwer, hierüber zu urtheilen.
Um so deutlicher ist das nordwestliche Fortstreichen des süd-
lich nachfolgenden Astes des Tian-schan.
Nura-tau-Mangischlak. Nura-tau, vom Alai herkommend,
tritt mit nordwestlicher Richtung als eine hohe, schneebedeckte
Kette weit gegen die Steppe Kizil-kum vor und scheidet den Sir
Darja vom Amu Darja. Seine weitere Fortsetzung bildet der
60 Kilom. lange Gebirgszug Scheich-Djeli oder Sultan-Ujzdagh,
welcher unterhalb Chiwa den Amu Darja erreicht. Er besteht nach
Barbot aus Granit, Gneiss, Talkschiefer, Chloritschiefer, auch
Kalk-Pistazit-Schiefer und Marmor; das Streichen ist NW. (hör.
604 Mangischlak.
6 — 7), das Fallen sehr wechselnd, häufig vertical und die cretaci-
schen Schichten reichen in discordanter Lagerung bis zur Höhe
des Gebirgszuges.^
Erosionsreste der Kreideformation ragen aus dem Delta des
Amu Darja hervor; sie sind gleichsam die Vorposten des Ust-Urt.
An der Westseite der grossen Tafel zeigt sich aber eine Fort-
setzung des NW. streichenden Gebirges. Sie bildet die Halbinsel
Mangischlak. Es ist eine regelmässige, NW. streichende Anti-
klinale, deren mittleren Sattel der aus petrefactenleerem Quarzit
und Thonschiefer bestehende Kara-tau bildet; in den Thälern
gegen N. und S. tritt die Juraformation und der cenomane Hori-
zont der Phosphorite hervor; die beiden Ak-tau, d. i. weissen
Berge, gegen N. und S. gehören der oberen Kreide an. Auf der
Höhe des Kara-tau traf Barbot eine horizontale sarmatische
Scholle.'* Hienach würde diese Falte jünger sein als Scheich-
Djeli.
Im Anschlüsse an Mangischlak unterscheidet Karpinsky in
S. Russland eine breite Zone, in welcher Dislocationen nach der
Richtung NW. oder WNW. vorkommen^ (m^ m Taf. V). Das
erste und auffallendste Beispiel ist die genau in der Fortsetzung
des Kara-tau auf Mangischlak erfolgende Faltung der Carbon-
ablagerungen des Donetz. Das Streichen ist NW. und zeigt sich
auf eine grosse Erstreckung; bis an den Fluss Orel sind die Fort-
setzungen durch Bohrung erwiesen. Andere Fälle von Disloca-
tion mit demselben Streichen werden aus den Gouvernements Char-
kow und Jekaterinoslaw, von Isatschkj, Bezirk Lubny im Gouv.
Pultowa, und nach Feofilaktoff auch von Kanew amEHijestr, Gouv.
Kiew, angeführt, ja derselbe Beobachter rechnet in diese selbe
Zone paralleler Störungen auch das in NW. streichende Falten
gelegte Sandomirer Gebirge in Polen, welches mehrere Hun-
dert Kilom. von dem westlichsten der genannten Punkte, Kanew,
entfernt ist. —
Mag nun diese Voraussetzung eine tiefere Begründung finden
oder nicht, so ist doch sicher, dass von Alai über Nura-tau, über
Scheich-Djeli, Mangischlak und das Kohlengebiet des Donetz
hinaus noch eine Anzahl von untergeordneten Störungen nach
derselben Richtung erfolgt. Auch cretacische Schichten nehmen
Der grosse Balchan. 605
an ihnen theil, und mit Recht betont Karpinsky, dass dennoch in
der Nähe das Silur am Dnjestr und das Devon in Orel und Woro-
nesch horizontal bleiben. Im Allgemeinen werden aber hier unter-
schieden: eine Gruppe von sehr alten N. und NO.-Störungen im
archaischen Gebirge, welche gänzlich abradirt und von flachen
paläozoischen Sedimenten überlagert sind; eine zweite Gruppe,
NW. streichend, parallel dem Kaukasus, welcher auch Mangisch-
lak zufallt, von verschiedenem Alter, doch gewiss von gemein-
samem Ursprünge; endlich vielleicht eine noch jüngere Gruppe,
vertreten durch die Ergenihügel, welche fast meridional oder
NNO. streichen.
Die zweite Gruppe ist es, welche den grossen asiatischen
Zügen entspricht.
Paropamisus — Kaukasus. Der flache Bogen des Paro-
pamisus setzt sich in gerader, nordwestlicher Richtung durch die
Bergzüge von Sarachs, den Kopet-dagh und den Kjurjan-dagh
fort. Der letztere Zug ist 2 — 3000 Fuss hoch; Sievers, welcher
denselben bei der Festung Kizil-Arwat kreuzte, fand sarmatische
Vorberge und auf der Höhe des Passes lichtgrauen Kalkstein der
oberen Kreide; ältere Felsarten sind noch nicht bekannt.^
An den Kjurjan-dagh schliesst sich unmittelbar die Höhe des
kleinen Balchan und dann in geringer Entfernung der grosse Bal-
chan und die Gebirgsgruppe des Busens von Krasnowodsk.
Nach Koschkul's Untersuchungen bilden die Gebirge des
Busens von Krasnowodsk sammt dem grossen Balchan eine ge-
meinsame, gegen WNW., genau in der Richtung des Kaukasus
streichende Antiklinale, deren südlicher Theil zum grössten Theile
eingestürzt ist. Der grosse Balchan, an dessen westlichem
Rande sich der Dagh-dirim-burun 5650 Fuss über den Kaspi er-
hebt, ist der östliche, stehen gebliebene Theil des Südschenkels
und seine Schichten neigen gegen Süd. Die Mitte des Sattels
liegt unter dem Busen von Krasnowodsk und dem Balchan'schen
Busen und setzt sich am Lande in der Richtung der Festung Tasch-
arwat-Kala am NW.-Fusse des grossen Balchan fort. Die tief-
sten sichtbaren Felsarten bilden die niederen, O. — W. streichenden
Vorgebirge in der Nähe von Krasnowodsk; Koschkul bezeichnet
6o6 Mündung des Oxus.
sie als Granit und Grünstein; Dölter und Tietze halten den letz-
teren für einen älteren Porphyrit. Die nördlich folgenden Berg-
züge, der Kuba-dagh, dessen Fortsetzung die Insel Dag-h-ada bil-
det, der lange Gebirgszug Kjurre und seine östliche Fortsetzung,
der Koscha-seira, bilden den Nordflügel der Antiklinale und sind
gegen N. geneigt. Im Kuba-dagh erscheinen gypsführende Schich-
ten; Kjurre besteht aus Thonschiefer und glauconitischem Sand-
stein, und der letztere ist es wohl, welchen Sievers im Koscha-seira
für cretacisch erklärt. ^
Diese kleine Gebirgsgruppe ist durch zwei Umstände aus-
gezeichnet; erstens bildet sie, wie ein unterseeischer Rücken deut-
lich anzeigt, die Fortsetzung des Kaukasus und somit die Verbin-
dung desselben mit den langen, zum Paropamisus sich streckenden
Zügen, und ferner liegt an ihr, wie Karelin schon vor Jahren nach-
wies, die alte Mündung des Oxus. Der grosse Strom floss zwischen
dem grossen Baichan und dem kleinen Baichan und scheint sich
dann in zwei Arme getheilt zu haben, die das grosse Delta um-
fassten, welches heute die flache Halbinsel Dardscha bildet. Diese
ist über dem versenkten südlichen Schenkel der Antiklinale, näm-
lich über der unterirdischen Fortsetzung des grossen Baichan
abgelagert.
Südlich vom trockenen Bette des Oxus bis an das Meeresufer
und die Insel Tscheieken, sowie auch weiter gegen Süd lieg-en die
erdölreichen Ablagerungen dieser Gegend. —
Nun ist der Kaukasus erreicht, und es entsteht die Frage,
ob in diesem mächtigen Gebirgszuge die tangentiale Bewegj-ung
ebenso wie in den centralasiatischen Ketten, als deren Fortsetzung
er sich darstellt, nach Süd gerichtet sei. Die Antwort ist, dass der
Kaukasus ein höchst eigenthümliches, von dem einfacheren Baue
anderer Ketten abweichendes Gefüge besitzt. Die Erkenntniss
desselben ist uns durch Abich's jahrelange und umfassende For-
schungen eröffnet worden.^ Es ist unumgänglich in manche Ein-
zelheit der Angaben Abich's einzugehen, da sie für das Verstand-
niss der Gebirgsbildung im Allgemeinen von hoher Bedeutung
sind, und es wird sich hiebei zugleich zeigen, dass jene einfachere
Auffassung des Kaukasus als einer einseitig gegen N. und NO.
Die meskischen Berge. 607
bewegten Kette, welche ich meinte aus Favre's Untersuchungen
in diesem Gebirge entnehmen zu können, wohl in gewisser Rich-
tung berechtigt ist, aber doch dep bezeichnenden Grundzug des
Aufbaues nicht in sich begreift.^
Es sind zwei Gebiete vorhanden, in welchen altkrystallinische,
hauptsächlich granitische Felsarten auftreten, welche als die ar-
chaische Unterlage angesehen werden dürfen. Das erste Gebiet
gehört dem hohen Hauptkamme des Kaukasus an und reicht von
den Quellen des Kuban bis zu jenen des Terek; es ist die schnee-
bedeckte Hochregion zwischen Elbrus und Kasbek. Das zweite
Gebiet archaischer Felsarten liegt tief unten an dem südlichen
Fusse und bildet dort die Wasserscheide zwischen dem Pontus
und dem Kaspi. Sein Streichen ist gegen NO. gerichtet
und folglich von jenem des Kaukasus gänzlich verschie-
den; das Gepräge der begleitenden sedimentären Schichten ent-
spricht den taurisch-armenischen Gebirgen; an seiner Ostseite
sieht man mittelcretacische Schichten den archaischen Felsarten
übergreifend aufgelagert. Dies sind die meskischen Berge.
Wir betrachten sie als eine dem Kaukasus fremde Gebirgsbildung;
sie werden erst an späterer Stelle wieder erwähnt werden. —
Nach dieser Abscheidung der meskischen Berge suchen wir
von Nord her uns dem Kaukasus zu nähern. Wir treffen zunächst
auf die bis zu 2500 (engl.) Fuss sich erhebende sarmatische Tafel
von Stawropol, auf den quellenreichen Bezirk von Piätigorsk mit
dem vereinzelten Eruptivstocke des Besch-tau und weiter gegen
SO. zwischen dem Terek bei Mosdok und Wladikawkas erheben
sich zwei lange Rücken, welche dem Kaukasus parallel laufen und
nach Koschkul's Profilen durch sarmatische Faltungen entstanden
sind.^° —
Die erste Zone des Kaukasus besteht aus einer mächtigen,
concordanten Serie, welche Sedimente vom Alter des Lias bis
zur oberen Kreide und streckenweise noch etwas aufgelagerten
Flysch umfasst. Diese Zone ist im Allgemeinen normal gegen NO.
geneigt. Im Meridian des Elbrus ist ihre Neigung flach und sehr
regelmässig; noch auf 60 Kilom. nordwärts vom Kamme des Ge-
birges ist durch die Erosion unter derselben die archaische Unter-
lage sichtbar, deren Oberfläche auch flach gegen Nord geneigt
6o8 Schach-dagh.
ist und als die ursprüngliche Anlagerungsfläche der liasischen
Sedimente angesehen wird. Gegen Wladikawkas vereng-t sich
diese Zone, aber weiter im SO., im Daghestan, nimmt ihre Breite
zu; hier ist sie in parallele Sättel und Mulden gefaltet, welche in
mancher Beziehung an den Bau des Juragebirges erinnern. Die
ganze gefaltete Zone steigt hier gegen Süden zu immer grösseren
Höhen an und kehrt die steilen Schichtenköpfe der einzelnen Ab-
theilungen des geschichteten Gebirges in langen Reihen gegen
Süd. Einzelne Tafelberge erheben sich als die Vorlagen dieser
Schichtenköpfe bis zu 8000 Fuss und endlich erreichen sie in der
Tafelzone des Schach-dagh sogar die Höhe von 12.041 F. Hier
ist es, wo die sarmatischen Schichten, in Thäler der älteren Sedi-
mente eingedrungen, bis zu 7 1 70 Fuss emporgetragen worden sind.
Von den Höhen des Schach-dagh sinkt der südöstliche Kau-
kasus in gewaltigen Staffelbrüchen südwärts zur Niederung des
Kur herab. Hier liegt das grosse Senkungs- und Schüttergebiet
von Schemacha und Nucha bis Elisabethpol und Schuscha. Hier
bildet diese einzige, nordwärts geneigte und gefaltete, südwärts
gebrochene Zone den gesammten Kaukasus. Archaische Fels-
arten sind hier gar nicht sichtbar; die Faltung des Daghestan ist
augenscheinlich durch nordwärts gerichteten Seitendruck hervor-
gebracht."
So weit also, im ganzen Südosten, stimmt das Bild eines
nordwärts gefalteten und südwärts eingesunkenen Gebirges mit
der Natur überein. Anders ist es gegen Nordwest.
Die archaischen Felsarten, welche den Kamm des Hoch-
gebirges zwischen Elbrus und Kasbek zusammensetzen, fallen in
schroffen, schneegekrönten Wänden gegen Süden ab, und unter
ihnen tritt ein mächtiges Band von altem Schiefer hervor, welches
O. vom Ada'i-Choch (12.250 Fuss) sogar an Höhe den Granit
übertrifft, indem dieser gegen die Nordseite des Gebirges zurück-
tritt. Dieses Band von altem Schiefer ist gegen NO. unter den
Granit geneigt, so dass die gesammte Masse des Kau-
kasus in diesem Theile als eine ungeheure, gegen SW.
überschlagene Falte erscheint.
Die Schiefermassen der Südseite haben dasselbe Fallen
gegen NO. wie die Jura- und Kreideschichten des Nordabhanges,
Der Bau des Kaukasus. ÖOQ
und deshalb hat Abich das Recht zu sagen, ,das eigentliche
Grundgesetz des Kaukasus sei isoklinales Fallen gegen
N. und NO/"
Diese Schiefer sind zunächst an dem Granit alte Glimmer-
schiefer und Chloritschiefer; die Hauptmasse ist Thonschiefer,
welcher von Favre für paläozoisch gehalten wird, während Abich
, den Mangel aller Versteinerungen hervorhebt und geneigt scheint,
einen grossen Theil desselben noch dem kohlenführenden Lias zu-
zuzählen. Weiter gegen Süd, gegen den oberen Ingur, geht die
überstürzte Lage des Schiefers in Fächerstellung, endlich in spitze
Falten aus, welche sicher schon den Lias umfassen. Auf diese
folgt steiler Bruch im oberen Rion und eine neue, mit der sarma-
tischen Stufe beginnende, nordwärts geneigte Serie, welche unter
verwickelten Verhältnissen, die ich hier zu besprechen nicht unter-
nehmen kann, die orographische Verbindung mit den meskischen
Bergen herstellt. Diese nordwärts geneigte Serie trägt aber nicht
mehr das Gepräge der kaukasischen, sondern jenes der südlichen,
taurisch-armenischen Ablagerungen an sich, welche durch ihre
Aehnlichkeit mit den Ostalpen ausgezeichnet sind.
So zeigt uns der Kaukasus zwei Theile von verschiedener
Gestaltung, deren Structur sich aber nur dadurch unterscheidet,
dass die Unterlage der gemeinschaftlichen nördlichen Serie von
jurassischen und cretacischen Schichten in dem NW. Theile des
Gebirges als eine südwärts überworfene Falte sichtbar bleibt,
während diese selbe Unterlage in dem SO. Theile des Gebirges
unter die Ebene des Kur hinabgesunken ist.
Da und dort treten an den Brüchen eruptive Felsarten hervor.
Der Hauptkette sind die beiden gewaltigen Eruptivmassen des
Elbrus (18.453 engl. Fuss) und des Kasbek (16.553 Fuss) aufge-
setzt. Schon vor langen Jahren, als ein anderer Kreis von An-
schauungen die Arbeiten der Geologen beherrschte, sah Abich,
dass die grossen Vulcane Armenien's auf Einbruchsfeldern stehen,
und erkannte er deutlich, dass Elbrus und Kasbek, obwohl auf
den Kamm des Kaukasus gestellt, doch der Erhebung des Ge-
birges und selbst der Austiefung eines Theiles der Thäler erst
nachgefolgte Bildungen seien. So klar war diesem Beobachter
damals schon die Reihenfolge der Ereignisse, dass er ^eigeix
6 I O Taman und Kertsch.
konnte, wie durch die Ergiessung grosser Massen von Laven in
ein Erosionsthal des Schiefers, durch die Erstarrung dieser Laven
in dem Thale und durch die spätere allmälige Zerstörung- der ein-
stigen Thalränder, endlich aus einem Thale der Schieferzone die
vulcanische Hochfläche von Keli entstanden ist.
Von diesen dem Kaukasus aufgesetzten Vulcanen g^ilt aber
wieder, was von den sumatranischen Vulcanen gesagt worden ist ;
es ist das Zerbrechen der Kette selbst, welches hier um so
weniger Erstaunen erregen wird, als ja im Südosten ein so grosser
Theil derselben Kette thatsächlich bereits eingebrochen und ver-
sunken ist.
So sahen wir auch jenseits des Kaspi die monoklinale Berg-
reihe von Krasnowodsk unter ähnlichen Verhältnissen g'egen NO.
geneigt wie die weit grössere des Daghestan. —
Der nordwestlichste Theil des Kaukasus sinkt als ein Flysch-
zug bei Anapa unter das Schwarze Meer, nachdem zuvor g;^egen
NNW. ein Rücken abgezweigt ist, dessen äusserster, niedrigster
Theil den S. Rand des Liman von Temrjuk am Asow'schen Meere
bildet.
Nun tritt eine Anzahl sarmatischer Falten auf, welche quer
über die Halbinseln von Taman und von Kertsch ziehen, deren
Kenntniss wir ebenfalls Abich verdanken, und an welche sich eine
Anzahl allgemeiner Folgerungen knüpft.'^
Die nördlichen Falten laufen von Ost gegen West; zwei der-
selben kreuzen die Meerenge und ziehen N. und S. von der Stadt
Kertsch hin, so dass diese Stadt in der Synklinale liegt. Gegen
Süd aber nehmen diese Falten, und zwar schon vom Liman des
Kuban auf Taman angefangen, allmälig eine Krümmung g;-egen
SW. an; zu diesen gehört auch der Berg Opuk (das alte Cimme-
rium), 570 Fuss hoch an dem südlichen Ufer der Halbinsel von
Kertsch.
Dieses allmälige Hervortreten der Richtung gegen SW. fasse
ich aber als das Erscheinen der Vorlagen eines neuen Gebirgs-
zuges oder als die Beugung des Kaukasus selbst auf; es ist die
Richtung der Berge der Krim. Nach Abich's Profilen scheinen
sogar die pontischen Cardienschichten von Kertsch an diesen Fal-
tungen theilgenommen zu haben.
Die Krim. 6l I
«
In jedem Falle stellen die Faltungen von Taman und Kertsch
eine Verbindung von Kaukasus und Krim her.
In dem SO. Theile der Krim reicht ein Gebirgsfragment bis
zur Höhe von etwa 1500 M. ; sein Streichen ist SW. und die
allgemeine Neigung gegen NW. Die ältesten Gesteine gehören
dem Lias a,n, welcher die SO.-Küste der Halbinsel bildet, und er
enthält zahlreiche Reste von Landpflanzen, wie der Lias des Kau-
kasus. Es würde auch ohne Weiteres dieses Gebirge als die Fort-
setzung der nördlichen Zone des Kaukasus anzusehen sein, wenn
nicht, wie E. Favre gefunden hat, zwei wesentliche Verschieden-
heiten bestehen würden. Im N. Kaukasus liegen nämlich bis
Daghestan alle sedimentären Formationen vom Lias aufwärts voll-
kommen concordant auf einander ; in der Krim dagegen ist der
Lias stark gefaltet, mit nördlicher Neigung ; die Kalke des Jura
liegen in grossen gebrochenen Schollen auf dem Lias, und mit
dem Neocom erst beginnt die concordant gelagerte Serie. Es ist
also hier dem Neocom eine grosse Störung vorangegangen, welche
dem N. Kaukasus fremd ist. Ferner liegt in der Krim auf der
Kreide Nummulitenkalk, und dieser fehlt dem N. Kaukasus.
Aus diesen Gründen vergleicht Favre die Krim nicht dem
nördlichen, sondern dem südlichen Kaukasus, d. i. den meskischen
Bergen, welche wir jedoch als ein SW. streichendes, dem Kauka-
sus fremdes Gebirge kennen gelernt haben. Favre betont zugleich
den einstigen Zusammenhang des Balkan mit dem Gebirgsstücke
der Krim. Für diese letztere Ansicht, welcher sich auch Lagorio
anschliesst, wird angeführt, dass die Bruchzone, an welcher nach
Hochstetter der Balkgin von Pirot bis Cap Emineh südwärts ab-
sinkt, in weiterer Fortsetzung unmittelbar die SO.-Küste der Krim
treffen würde, und dass unter dem Schwarzen Meere von Cap
Emineh bis Cap Saritsch ein grosser Abfall, und zwar von Tiefen
von 70 — 80 M. auf 1000 — 1800 M. auf verhältnissmässig geringe
Entfernungen vorhanden sei. Der Einbruch wird in die Miöcänzeit
gesetzt.'*
Das Gebirge von Matschin. Ueber die russische Tafel
breitet sich eine oberjurassische Transgression aus; Neocom und
Gault fehlen, aber mittlere und obere Kreide legen sich flach über
6 1 2 Matschin.
den flachgelagerten Jura. Dasselbe zeigt sich in jenem Theile der
russischen Tafel, welcher in Galizien in der Nähe der Karpathen
durch tiefe Flussrinnen entblösst ist. Ueber flachgelagertem rothem
Sandstein ruht mittlere und obere Kreide, aber an einigen Stellen
in den Thälern des Dnjestr und der Ziota Lipa liegen zwischen
Cenoman und Devon kalkige Ablagerungen mit vielen Fossilien
der norddeutschen und französische« Kimmeridge- und Portland-
stufen. Die Entwicklung dieser Jurastufen ist gänzlich verschieden
von jener des Jura bei Moskau, auch könnten sie im Alter nur den
höchsten Theilen des Moskauer Jura verglichen werden, aber die
Lagerung ist dieselbe. In einem Theile der Dobrudscha, und
zwar an der Donau von Rässova bis Hirschova, am Meere in der
Gegend von Küstendsche und der zwischenliegenden Strecke
wiederholt sich diese Erscheinung. Bänke von oberem Jura mit
Nerinaea, Pteroceras und Diceras kommen in ansehnlichen, hori-
zontal geschichteten Riffen an dem rechten Donauufer zum Vor-
schein und die mittlere und obere Kreide liegen ihnen auf. Diese
jurassische Kalkplatte ruht aber hier nicht auf flachgelagerten
paläozoischen Schichten, sondern sie schliesst sich an die Reste
eines vorjurassischen, gefalteten Gebirges, dessen nordwestliches
Ende gegenüber von Braila und Galatz die scharfe Beugung- der
Donau oberhalb ihres Delta's veranlasst. Spratt und Peters haben
dieses Bruchstück beschrieben.'^
Bei Kara-kiöi N. von Küstendsche trifft man, von Süden
kommend, die ersten Spuren von steil geneigtem grünem Schiefer,
welcher von hier aus gegen NW. bis Petschenjaga an der Donau,
häufig von Diabas-Tuff begleitet, in ansehnlichen Rücken hervor-
tritt. Entlang dem Meere ist das Streichen des grünen Schiefers
WNW., und es geht gegen die Donau in NW. über. In der Rich-
tung gegen Babadagh breitet sich die Kreideformation über den
Schiefer aus und sie reicht in SO. bis in die grosse Lagune Rasim.
Ein zweiter, weit kürzerer Gesteinszug, durch schroffe For-
men ausgezeichnet und von Gneiss und Granitit gebildet, erhebt
sich bei Matschin O. von Braila mit der Richtung NW. ; hieher
gehört auch der isolirte Berg von Garbina SO. von Galatz.
Eine dritte Zone endlich liegt nördlich von dem Gneisszuge
von Matschin und der Kreide von Babadagh und nimmt, wenn
Karpathen und Balkan. 6 1 3
auch auf grosse Strecken von den jungen Sedimenten verhüllt,
den ganzen Raum bis an die Donau bei Isaktscha und Tuldscha
und bis an den Dunavez im Delta ein. Hier erscheinen Verru-
cano, verschiedene Stufen der Trias, dann rother Lias und Spuren
von Jura. Der Verrucano bildet den ,Stein' an der Donau bei
Tuldscha und weit draussen im Meere besteht nach Spratt die
Schlangen-Insel auch aus einer alten Felsart. '^ Die Popin-Insel in
der Lagune Rasim ist Muschelkalk, und die Trias, erinnert durch
grosse Melaphyrstöcke, durch das Auftreten von Halobia Lom-
meli, Arcestes u. s. w. an südalpine Vorkommnisse. Das Streichen
ist WNW.
Dieses Gebirge ist ein ganz unaufgeklärtes Räthsel. Während
die Gesteinsfolge, wie gesagt, auf die Alpen weist, ist das Strei-
chen des grünen Schiefers N. von Küstendsche, sowie der Trias
bei Tuldscha jenes des Kaukasus; derGneiss von Matschin streicht
noch etwas mehr nach Nord. Die Richtung steht also in scharfem
Gegensatze zu dem zunächst liegenden Theile der Karpathen.
Ebenso widerspricht die horizontale Auflagerung des oberen Jura
auf dem grünen Schiefer Allem, • was über das geringe Alter der
Bewegungen in den Karpathen bekannt ist.
Das Gebirge von Matschin ist daher ein Bruchstück eines
grösseren Faltenzuges von kaukasischer oder etwas mehr nörd-
licher Richtung, doch mit alpiner Gesteinsfolge und der Haupt-
sache nach bereits vor dem oberen Jura gebildet.
Karpathen und Balkan. Erst seit ganz kurzer Zeit ist es
durch die Bemühungen der Fachgenossen in Ungarn, Rumänien
und Serbien und durch die Anknüpfung ihrer Ergebnisse an jene
der älteren österreichischen Arbeiten und an die verdienstlichen
siebenbürgischen Localforschungen möglich geworden, die vielen
an den karpathischen Bogen anschliessenden Ketten und die
Mittelglieder zwischen diesen und dem Balkan zu verfolgen. Wir
gelangen zu dem Bilde einer eigenartigen tektonischen Er-
scheinung, wie sie in gleicher Klarheit und Grossartigkeit bis-
her an keiner anderen Stelle der Erdoberfläche bekannt ist,
aber es wh-d auch hier unerlässlich, etwas weiter in die Einzel-
heiten einzugehen.
6 I 4 ^^ Ende des karpathischen Bogens.
Es ist innerhalb des karpathischen Bogens, und zwar in Sieben-
bürgen innerhalb der Krümmung des Marosflusses, nach Löczy's
Beobachtungen ein selbständiges, inneres, gegen O., SO. und S.
bewegtes Bogenstück erwähnt worden (S. 288, 303). Wir wollen
nun zuerst versuchen, die Umstände, unter welchen der äussere
Bogen sich fortsetzt, so weit zu verfolgen, als dies der heutige
Stand der Kenntnisse von dem Baue des rumänischen Abhanges
zulässt. Für das SO. Siebenbürgen liegt eine Reihe trefflicher
Darstellungen von Meschendörfer, Hauer und Stäche, und Herbich
vor ; in Bezug auf den südlichen Abhang werde ich im Wesent-
lichen den Angaben Stefanescu's folgen.'^
Die Karpathen besitzen im Osten den normalen Bau einer
einfachen, gegen Aussen gefalteten und gegen Innen eingestürzten
Kette. Ein grosser bogenförmiger Zug von alten Felsarten, vor-
waltend Glimmerschiefer, streckt sich von den Quellen der Theiss
durch die südliche Bukowina, einen Theil der Moldau und das
NO. Siebenbürgen, und endet in der Csik, im Quellgebiete des
Altflusses. Dieser Zug ist 230 Kilom. lang; er streicht in seinem
nördlichen Theile gegen SO., weiterhin mehr und mehr g"egen
SSO. sich beugend. In seinem südlichen, siebenbürgischen Theile
erhebt sich an dem westlichen Innenrande der vereinzelte, aus
Elaeolfth- Syenit bestehende Stock des Piritske bei Ditrö und
diesem folgt westwärts, dem Schieferzuge parallel streichend, das
lange Trachytgebirge Hargitta. — Im Osten lehnt sich an die
alten Felsarten ein kurzer und schroffer Zug von Trias- und Jura-
ablagerungen, den Nagy Hagymäs in sich fassend, und diesem
folgt ostwärts, weit hinaus abdachend in die Ebene der Moldau,
die breite, bewaldete, vielfach gefaltete Flyschzone.
Weiter gegen Süd verschwinden alle inneren Zonen ; der hier
vorherrschend cretacische Flysch bleibt allein zurück, beg"leitet
von cretacischem Kalkstein. Das Streichen wird aus SSO. bald
S., endlich geht es in SSW. über. An der Dimbowitza, zwischen
Kimpulung und Tirgovisti, ist diese ganze breite, cretacische Zone
unter der rumänischen Ebene verschwunden, und es folgen g'egen
W. nur eocäne Schollen, von welchen weiterhin die Rede sein
wird. Unterdessen tauchen im Westen neue Spuren der Unter-
lage hervor. Stöcke von Jurakalk, nach SW. streichend, bilden
M. Leoto. PcTsinj'gebirge. ^ I 5
die Umgegend von Kronstadt; sie setzen sich gegen SW. fort,
so dass der Tömöspass eine Strecke weit an ihrer Ostgrenze gegen
die Flyschzone verläuft, und zugleich nehmen sie an Bedeutung
zu. Die mächtige Masse des Bucsecs, welche die nördlichen Zu-
gänge des Tömöser und des Törzburger Passes trennt, ist zum
grossen Theile jurassisch; ein anderer Theil gehört einer gros-
sen Conglomeratmasse von unbekanntem Alter an. Ueber La
Strunga setzt der Jurakalk nach Rumänien fort, aber auch die
Unterlage des Jurakalkes wird sichtbar. Es ist gegen SW.
streichender Glimmerschiefer, welcher im Norden einen schmalen
Saum am Fusse der hohen Juraberge bildet, in Rumänien aber
sich erweitert und nach Stefanescu, von Homblendeschiefer be-
gleitet, die Masse des M. Leota zusammensetzt; gegen SW. ver-
schwindet er wieder, ebenso wie der Jurakalk.
Westlich von dem Zuge des M. Leota erscheint nochmals
eine Zone von Jurakalk- und Kreideablagerungen, welcher vor
Allem die schroffe Masse des Königsberges angehört, und welche
angelehnt ist an den östlichen Rand des aus alten Felsarten auf-
gebauten Fogarascher oder siebenbürgisch-rumänischen Grenz-
gebirges. Nahe dem N. Fusse des Königsberges beschreibt Her-
bich eine breite, NS. streichende und gegen O. geneigte cretaci-
sche Serie, welche vom Grenzgebirge her alle geringeren Höhen
unter dem Törzburger Passe bildet. Diese jurassischen und cre-
tacischen Bildungen setzen sich nordwärts fort, treten über den
allgemeinen Umriss des Gebirges hervor und bilden einen langen,
von dem nordöstlichen Ende des Grenzgebirges gegen Nord selb-
ständig vorragenden Sporn, das Persänygebirge.
Das Persänygebirge ist eine fast NS. streichende Falte, welche
vom Altflusse quer durchschnitten wird, und in welcher unter dem
Jura die Trias, im südlichen Theile sogar der Glimmerschiefer
sichtbar ist, Herbich hat gezeigt, dass die mesozoischen Ablage-
rungen an dem Ostrande des Grenzgebirges sich fortsetzen in die
Falte des Persänygebirges ; dann sind aber auch die Aufbrüche
ihrer alten Unterlage im Persänygebirge nur als die scharf nach
N. gebeugte Fortsetzung des Grenzgebirges selbst anzusehen.
Dass diese Anschauung die richtige ist, wird sofort die; Structur
des Grenzgebirges lehren.
6i6
Das sicbenbürgisch-ruraäiiische Grenzgebirge.
Vorläufig aber erkennen wir Folgendes. Der grosse Moldaui-
sche Bogen von Glimmerschiefer ist in der Csik verschwunden.
Noch früher verschwand seine aus Trias und Jura bestehende
Aussenzone. Die grosse karpathische Flyschzone hat die Beugung
gegen *SSW. oder SW. vollzogen und ist hinabgetaucht, bevor
sie die Dimbowitza erreichte. Ein jurassischer Zug und innerhalb
desselben der alte Schieferzug des M. Leota zwischen dem Tö-
möser und Törzburger Fasse sind mit SSW. oder SW. Streichen
innerhalb der Flyschzone erschienen und auch gegen SSW. ver-
schwunden. Dann ist W. von diesen der Jurazug des Königsberges
sammt dem Persänygebirge erschienen und ebenfalls gegen SSW.
verschwunden; die Glimmerschiefer- Aufbrüche dieses Gebirges
aber scheinen sich in die NO. Ecke des Grenzgebirges fortzu-
setzen, und dieses haben wir nun näher zu betrachten. —
Das Fogarascher oder siebenbürgisch-rumänische
Grenzgebirge verfolgt seiner äusseren Gestalt nach die Rich-
tung von Ost gegen West; aber vor einiger Zeit hatte Herr B^la
V. Inkey, welcher den Bau des westlich vom Rothen Thurmpasse,
d. i. W. vom Querthale des Altflusses gelegenen Theiles untersucht
hat, die Güte, mich auf den merkwürdigen Umstand aufmerksam
zu machen, dass dieser Gebirgszug aus mehreren Falten besteht,
welche gegen West auseinandertreten. '^
Schon die verdienstliche Darstellung des zwischen der Dim-
bowitza und dem Altflusse liegenden Gebirgstheiles durch Primics
lässt deutlich erkennen, wie Wenig hier der Bau mit der äusseren
Gestalt übereinstimmt.
Nach Hauer und Stäche ist in dem östlichen Theile des Ge-
birges das Streichen NO. — SW. und bildet Gneiss dort einen be-
trächtlichen Theil des Gebirges."' Etwas weiter gegen SW., aber
in derselben Streichungsrichtung, an der Papusa, im oberen Bogen
der Dimbowitza, W. von der mesozoischen Masse des Königs-
berges und beiläufig in der Mitte der Breite des Gebirges beginnt
nach Primics ein langer Gneisszug, welcher, gegen SW. streichend,
das Gebirge schräge durchschneidet. Er erreicht schon weit öst-
lich vom Altflusse den südlichen Rand, welchen er dann, von
eocänen Vorlagen begleitet, über den Altfluss hinaus eine lange
Strecke weit bildet (Gn, Fig. 48).
Fogarascher Zug und Mundrazug. 6 1 7
Zugleich zeigt sich im Norden des Gebirges eine Anzahl von
Zügen von schiefrigem Kalkstein und Marmor mit Tremolit, auch
straurolith- und granatführenden Gesteinen und Amphibolschiefer,
welche die orographische Axe bilden, jedoch dem Streichen des^
Gneisszuges nicht folgen.
Primics' Karte lehrt, dass im NO. diese so sehr an gewisse
Felsarten der Gotthardmasse erinnernden Züge scharf gegen N.,
also in der That in der Richtung des Einlenkens in das Streichen
des Persänygebirges umbeugen, während sie gegen W. westliches
Streichen verfolgen und daher im Querthale des Altflusses schon
weit von dem Gneisszuge entfernt sind.^°
In der Tiefe des Querthaies, nahe der Einmündung des Lotru
in den Alt, liegt eine grössere Scholle von Flysch als eingekeilte
Synklinale, doch wahrscheinlich nur ein Rest einer alten eocänen
Decke, deren Spuren am Nordrande und in noch ausgedehnterer
Weise an seiner Südseite, in vereinzelten Höhen sogar bis nahe
an den Schlyfluss, O. von Tirgu-Jiuliu, bekannt sind.^'
Wir treten nun im Gebirge an das rechte Ufer des Altflusses
und folgen Inkey's Angaben.
Der nördliche kalkreiche Zug beugt sein Streichen gegen
NW., verliert seine orographische Bedeutung und bildet den
äusseren Saum des Mühlenbacher Gebirges. Wir werden ihn den
Fogarascher Zug nennen.
Eine nun folgende, bei Kineni am Alt sichtbare, stark zu-
sammengedrückte Synklinale erhebt sich gegen W., bildet den
hohen und langen Gebirgskamm und endet am Strellflusse.
Eine weitere, am Alt wenig ausgeprägte Gruppe von Falten
vereinigt sich westwärts zu einer grossen Antiklinale, welche, am
M. Turcsino durch eine scharfe, S-förmige Beugung nach Süd ge-
rückt, den Hauptstock des Färinggebirges, den Berg Mundra
(2520 M.) zusammensetzt. Dieser Ast zeigt insbesondere gegen
West eine beginnende Ablenkung des Streichens gegen WSW.
Dies ist der Mundrazug.
Nun sind wir am Alt in der Nähe der Mündung des Lotru,
an der Scholle von Flysch, zugleich an dem südlichen Gneiss-
zuge angelangt. Dieser tritt nicht als hoher Bergzug hervor. Am
M. Cozia, noch am linken Ufer des Alt, ist er ein nach N. steiler,
40*
6i8
Coziazug.
nach S. flacher abfallendes Gewölbe ; er bildet den Südfuss des
Päringgebirges, aber hier ist nur mehr die nördliche Hälfte des
Gewölbes sichtbar; die Südhälfte ist unter der Ebene verschwun-
den. Wir nennen ihn den Coziazug.
Die Schollen mesozoischer Kalksteine, welche sich nun ein-
stellen, lassen keinen Zweifel über den weiteren Verlauf. Der
Mundrazug, welcher sich jenseits des Querthaies des Schyl in dem
SW. streichenden Sträszagebirge fortsetzt und welcher folg-lich
den Südrand des Thaies des wallachischen Schyl bildet, ist jen-
seits der Wasserscheide von solchen mesozoischen Schollen be-
gleitet, welche, weit gegen SW. und SSW. dem Thale der Cerna
Fig. 47. Schematischer Entwurf der Leitlinien der Karpathcn und des Balkan.
folgend, endlich mit S. Streichen in der Nähe von Orsowa an-
langen. Während also der Fogarascher Zug gegen NW. ver-
läuft, beugt sich der Mundrazug aus SW. und SSW. in der Rich-
tung gegen Orsowa. Ihm folgt der Coziazug, welcher aber unter
der Ebene verschwindet.
Indem aber die Zweige des Gebirges auf diese Weise weit
auseinanderstreben, tritt keilförmig zwischen dieselben das Retye-
zatgebirge ein, welches den oberen Schyl abtrennt von der Strell-
bucht. Inkey betrachtet dasselbe als eine stellvertretende Falte,
legt die Stelle des 'Auseinanderstrebens beiläufig an die Stelle
der Wasserscheide zwischen dem wallachischen Schyl und der
Cerna und führt an, dass vom Triplex confinium angefangen ein
Uebergang aus W. in WNW. Streichen sichtbar sei. —
Das Thal der Ccrna. 6ig
Die Bedeutung von Inkey's Beobachtungen tritt sofort her-
vor, wenn man einen Blick wirft auf Dräghic^nu's geologische
Karte der NW. Wallachei." Die Cerna ist in der That ein wahres
Längenthal, hier eine der wenigen Linien, welche aus der Gestalt
des Bodens seinen Bau zeigen. Wir sind hiemit eingetreten in
jene merkwürdige Reihe von Bergzügen, welche zwischen Alt-
Moldowa und dem Eisernen Thore von der Donau gekreuzt wer-
den. Sie sind im Laufe der letzten Jahre der Gegenstand zahl-
reicher Untersuchungen von Kudernatsch, Schlönbach, Tietze,
dann von Hoffmann, Böckh, Halaväts, Roth u. A. gewesen,
deren Einzelnheiten einzugehen nicht meine Absicht ist.
620
Banater Gebirge.
Die Kenntniss ihrer Fortsetzung auf rumänischem Boden ge-
stattet weit vollständiger als zuvor, den Grundplan, nach welchem
dieses merkwürdige Gebirge aufgebaut ist, zu überblicken. Von
den zahlreichen vulcanischen Eruptions- und Intrusionserschei-
nungen wollen wir hiebei vorläufig ganz absehen.
Man pflegt dieses Gebirge das Banater Gebirge zu nennen.
Demselben liegen im W. einige aus der ungarischen Ebene hervor-
tauchende Höhen von Gneiss und Glimmerschiefer vor, wie das
Lokvagebirge an der Donau zwischen Weisskirchen und Moldowa,
der Werschetzer Höhenzug, die Höhen S. von Dognaczka u. A.
Diese zählen wir nicht hieher," sondern lassen das Banater Gebirge
beginnen an der nahezu im Meridian verlaufenden Linie von Ali-
beg, O. von Alt-Moldowa an der Donau bis nordwärts etwas O.
von Reschitza. Gegen Ost reicht dasselbe bis Gura Vau an der
Donau oberhalb Turn-Severin und von da gegen NO. bildet es
die Umrandung der rumänischen Ebene.
Es ist eine archaische Unterlage vorhanden, und eine lange
Reihe sedimentärer, vorwaltend kalkiger Ablagerungen, welche
vom oberen Carbon bis in die obere Kreide reichen ; doch
ist die Reihe nicht vollständig und z. B. Triaskalk noch nicht be-
kannt. Der Lias ist kohlenführend. Das ganze Gebirge ist in
abwechselnde Streifen zerlegt, von welchen je einer die archaische
Unterlage zeigt, der andere aus einem eingekeilten Kalkzuge
besteht. Bald ist an der Grenze Auflagerung sichtbar, bald Fal-
tung oder Ueberfaltung, bald Bruch. Der letztere Fall dürfte der
häufigste sein. Im Allgemeinen sind die westlichen Streifen breiter
als die östlichen. Sie sind nicht parallel; die östlichen Streifen
laufen im Bogen gekrümmt gegen SW., die westlichen Streifen
dagegen sind weniger gekrümmt und streichen mehr NS. Daher
verschneiden sich dieselben in solcher Weise, dass am unteren
Laufe des Cernabaches und in der Gegend von Mehadia spitze
Winkel entstehen.
«
Betrachten wir den östlichen Theil.
Der erste Streifen ist nach Dräghic^nu's Karte nur durch
zwei längere Kalkschollen vertreten, welche den Rand des näch-
sten gegen W. folgenden Bogens gegen das junge Tertiärland
begleiten.
Katarakte der Doaau. 62 I
Der zweite Streifen ist ein archaischer; er erhebt sich selb-
ständig östlich vom oberen Motru aus der Ebene und zieht gegen
SW. zur Donau.
Der dritte ist Kalkstein ; nach Stefanescu's Angabe beginnt
derselbe nahe dem Gebirgsrande bei Dobritza am oberen Sucho-
dol und läuft im Bogen nach kurzer Unterbrechung über Baia de
Arama nach Verciorova an der Donau.
Der vierte Streifen, aus archaischem Gestein, ist N. von Baia
de Arama verengt, umfasst den Bahnafiuss und sein westlicher
Rand kreuzt kurz bevor die Donau erreicht ist, den unteren Lauf
des Cernabaches oberhalb Alt-OrsoWa.
Nun beginnen die Verschneidungen. Ein grosser folgender
Kalkzug, der fünfte Streifen, trifft am linken Ufer der Cerna auf
den siebenten und schneidet so den sechsten Zug ab, welcher kein
anderer ist als der grosse archaische Zug, den wir als den Mundra-
zug vom Altflusse her als Antiklinale bis auf die Höhe des Päring-
gebirges, dann als Südrand des wallachischen Schyl verfolgt
haben. Die Verschneidungen vermehren sich und es ist nicht
mehr möglich, sie hier im Einzelnen zu verfolgen. Es folgt im
Westen der breite, von Karansebes zur Donau laufende archaische
Streifen, in welchen das Einsturzbecken der Almas eingesenkt ist,
und welchen wir daher die Zone der Almas nennen wollen, end-
lich der westlichste Streifen, nämlich die breite Kalkzone von
Steyerdorf.
Dieses merkwürdige Gebirge wird nun von der Donau in dem
grossartigsten Erosionsthale Europa's quer durchschnitten. Stür-
misch drängt der Strom durch die engen Rinnen und fällt schäu-
mend über die querstreichenden Riffe, um sich in den Weitungen
wieder zu glätten und dann über neue Riffe abzustürzen. Sieben
Katarakte und eben so viele Felsenriffe kreuzen die Donau, aus
Granit oder Gneiss, aus Gabbro, Liassandstein oder weissem Jura-
kalk bestehend, je nach der Beschaffenheit der nach Serbien
hinüberstreichenden Streifen des Gebirges.
Wir besitzen keine zusammenhängende geologische Auf-
nahme des benachbarten Theiles von Serbien, obwohl der Um-
stand, dass mit dem Gebirge auch die Erzvorkommnisse des Ba-
nales nach Serbien reichen, seit langer Zeit Fachmänner in i
622 Das östliche Serbien.
Gegenden gezogen hat. Die werthvoUsten Angaben sind in
Herder's Itinerarien und einem inhaltsreichen neuen Reiseberichte
von Tietze enthalten/^ und wenn man sich begnügen -will, den
Verlauf der archaischen und der Kalkstreifen zu verfolg"en, so
reichen diese Anhaltspunkte immerhin aus, um einige allg*emeine
Ergebnisse festzustellen.
Zunächst steht fest, dass die Kalkzone von Steyerdorf sehr
weit nach Serbien fortsetzt; Tietze erkannte sie bei Majdanpek
und auf dem Stol und beide Punkte gehören ihrem Ostrande an;
nach Andr^e verläuft der Westrand in der Nähe des Bergortes
Kuczaina.'^ Aus dieser Gegend setzt der Kalkzug, wahrschein-
lich gespalten, jedenfalls sehr verengt, mit SO. Streichen über
den Rtanj und von dort auf den Osren oberhalb Alexinatz, wie
Herder berichtet.
Der archaische Streifen der Almas, der breiteste von allen,
setzt über die Donau, nimmt den ganzen Raum zwischen Milano-
watz und Majdanpek ein, zieht gegen SO. zum Deli Jowan und
dürfte sich dort mit einem östlichen Zuge vereinigen; südwärts
trifft man dieselben Gesteine in Zajcar.
Die östlichen Bogen sind bisher in Serbien nur in unvoll-
kommener Weise bekannt. Westlich von Negotin scheinen sie
alle verschwunden zu sein.^-^
Ueberblickt man nun die Anordnung der einzelnen Elemente,
aus welchen das Banater Gebirge zusammengesetzt ist, und ihre
muthmasslichen Fortsetzungen gegen S., so tritt deutlich hervor,
wie die stärker gekrümmten, östlichen, aus NO. herstreichenden,
engeren rumänischen Streifen sich allmälig verschneiden und zum
Theile nördlich, zum übrigen Theile wohl nahe südlich von der
Donau verschwinden, während die breiteren, minder gewölbten
westlichen Streifen sich weit nach Serbien fortsetzen und aus dem
Streichen gegen SSW. oder S. allmälig in die SSO. und SO. Rich-
tung übergehen. ^^
So wie die grosse karpathische Flyschzone, dann die Masse
des M. Leota, hierauf der Gneisszug des M. Cozia, stets geg-en
SW. oder SSW. streichend, unter die Ebene getaucht sind, so wie
der lange Mundrazug endlich an der unteren Cerna durch Ver-
schneidung geendet hat, ebenso verschwinden, gegen SW., SSW.
Torsion oud InjecUon. 623
oder S. gewendet, die rumänischen Bogen des Banaler Ge-
birges.
Stets tauchen, schon von dem Tömöser Passe her, im Westen
neue Gebirgselemente hervor, um wieder zu verschwinden, und
nur die westlichsten Banater Streifen vermögen die volle Schwen-
kung gegen SSO. und SO. zu vollziehen. Das ganze Gebirge
von dem südöstlichen Siebenbürgen, rings um die Donau-
ebene und durch das östliche Serbien hinab war einer
allgemeinen Drehung des Streichens ausgesetzt.
In die Torsionssprünge, namentlich der äusseren Streifen
und hauptsächlich an der Grenze der archaischen und der Kalk-
streifen haben nun die zahlreichen Injectionen jener vulcanischen
Gesteine stattgefunden, welche als Syenit, Timazit, Banatit, zu-
letzt in der Regel als Diorit bezeichnet worden sind. Mag man
welchen Namen immer wählen, mag man mit einem berufenen
Kenner, G. v. Rath, auf die Aehnlichkett mit dem Tonalit des
Adamello hindeuten,'' jedenfalls ist es sicher, dass diese Felsarlen
den cretacischen Kalkstein im Contact verändert und sich mit Erz-
lagerstätten umgeben haben; sie sind daher jünger als die Kreide-
formation, und wie weit sie nach Süd fortsetzen, zeigt am deut-
lichsten der Umstand, dass die ersten genauer beschriebenen
Stücke, Breithaupt's Timazit, aus der Gegend von Zajcar in Ser-
bien stammten. Staunend berichtet G. v. Rath von ,ganzen Ge-
birgskörpern von Granat', welche am Contacte entstanden sind.
Die wichtigste Linie ist S. 2 1 1 , Fig. 2 i dargestellt worden,'* und
die Art, in welcher diese Linie der Injectionen nordwärts in sehr
spitzem Winkel abspringt von der Kalkgrenze, steht in ganz
gutem Einklänge mit den Merkmalen eines Torsionssprunges.
Wir kehren aber zurück zu dem Streichen der einzelnen
Streifen des Gebirges. Diese sind bisher als einfache Elemente
des Gebirgsbaues betrachtet worden, besitzen aber oft selbst einen
sehr verwickelten Bau. Kudernatsch zeigte, dass der N. Theil
der Kalkzone von Steyerdorf von zwei gegen SSW. streichenden
steilen Sätteln oder vielmehr von zwei , Aufblähungen der Erd-
rinde mit Berstung der Längenaxe' und mit überkipptem Ostrande
durchzogen sei, und Böckh hat das Vorhandensein von. grossen
Längsverwerfungen in dem südlichen Theile näher beschrieben,
624 ^^r westliche Balkan.
dort ist die Ostgrenze des Kalkes selbst eine Hauptverwerfung,
welche Kreidekalk an den Granit bringt.
In gleicher Weise haben Hauer und Tietze gezeigt, dass der
sedimentäre Zug des Sirinniabaches, welcher sich nahe dem Ost-
rande der archaischen Zone der Almas befindet, nach Ost über-
schoben ist.^^ In allen diesen Fällen dürfte es sich nicht um ein-
fache Faltung, etwa im Sinne der tangentialen Bewegung- im Jura-
gebirge, sondern um jene verwickelten Bruch-, Berstungs- und
Quetschungserscheinungen handeln, welche das Erg-ebniss der
grossen Drehung sein mussten. Die wiederholten ostwärts ge-
richteten Ueberschiebungen aber entsprechen der Richtung- der
drehenden Bewegung.
Nun wenden wir uns wieder gegen Süd.
Indem der Kalkzug über die Berge Rtanj und Osran verfolgt
und das ältere Gebirge bis Zajcar erkannt worden ist, haben wir
die Grenzen jenes Gebietes erreicht, welches durch Toula's um-
fassende Arbeiten im westlichen Balkan erschlossen worden ist.
Durch diese Arbeiten erst wurde die weite nordwestliche Er-
streckung der archaischen Felsarten des Balkan durch den Etropol-
und Berkowitza-Balkan , bis in die unmittelbare Nähe von Adljd
und Zajcar bekannt ; an dieselben schliessen sich im Westen, bis
über Kurschumlje hinausreichend, die Aufnahmen von Zujovic.^**
Das Ergebniss lässt sich nun von der Karte ablesen. Man sieht,
dass die Kalkzone von Steyerdorf im Westen über den Rtanj und
Osran, und vielleicht auch mit einem östlichen Nebenzuge herab-
reicht in die grosse Kalkzone von Firot, wie dies Boud erkannt
und Toula bestätigt hat.^' Man sieht ferner, dass der archaische
Zug der Almas, vereinigt mit östlich anschaarenden Züg-en, nun
die archaische Zone des Balkan erreicht, so zwar, dass die Hauptzone
gegen SO. den Swati-Nikola- und Berkowitza-Balkan zusammen-
setzt, und im Etropol-Balkan endlich die volle Beugung aus SO.
in OW., d. i. in die normale Richtung der Hauptkette des Balkan
vollzieht. Dabei entsprechen der Lage nach die Glimmerschiefer-
höhen im Westen des Kalkzuges, am Werschetzer und Lokva-
gebirge in Ungarn dem Glimmerschiefer von Kruschowatz, dem
alten Sqhiefer westlich vom Rtanj, bei Alexinatz, bis Nisch und
W. von Pirot.
Umrahmung der rumänischen Niederang. 6^5
Die Verbindung zwischen den Karpathen und dem
Balkan wird durch die allgemeine Drehung im Streichen
des Gebirges hergestellt. —
Die Umrahmung der rumänischen Niederung erinnert sehr
an die bogenförmige Umfassung des westlichen Mittelmeeres durch
jenen entfernten Zweig der Alpen, welcher von N.-Afrika über den
Felsen von Gibraltar zur betischen Cordillere zieht. Die Aehn-
lichkeit ist eine um so grössere, als dort die Strasse von Gibraltar
von massgebender Bedeutung wird für die physische Beschaffen-
heit eines nicht unbedeutenden Theiles der Erdoberfläche und hier
das Donauthal entscheidend ist für die Entwässerung eines guten
Theiles von Mittel- Europa, ohne dass eine dieser beiden Quer-
furchen irgendwie in der Anlage dieser Gebirge vorgezeichnet
wäre. Dennoch ist die Aehnlichkeit nur eine oberflächliche. Im
westlichen Mittelmeere ist die Faltung des Gebirges nach Aussen
gerichtet, die Tiefe des Meeres selbst ein Einbruch wie jener der
nördlichen Karpathen. Hier findet das Gegentheil statt. Die ein-
tretende Torsion lässt die einzelnen Streifen des Gebirges nach
einander verschwinden, und der Balkan zeigt Abbruch an der
abgewendeten südlichen Seite ; sein sedimentärer Gürtel dacht
gegen Nord zur Ebene ab. Dem westlichen Mittelmeere ist rings
die Innenseite, der rumänischen Ebene aber die Aussenseite des
Gebirges zugekehrt. Darum zeigt auch das Mittelmeer an seinem
Rande junge Vulcane, wie am Cabo di Gata u. A., welche das
örtliche Nachsinken oder doch die Region der Randklüfte an-
deuten, während der rumänischen Ebene ein solcher Kranz fehlt
und Toula dagegen eine von Sistow gegen Süd laufende Quer-
linie von basaltischen Höhen nachgewiesen hat.
Aus dieser Torsion erklärt sich auch der Bau des Balkan.
Die Art des nordwestlichen Anschlusses zeigt dies deutlich. Am
Berkowitza-Balkan werden Fruchtschiefer erwähnt, wie wir sie an
vulcanischem Contact zu sehen gewohnt sind, und Toula verfehlt
nicht, die Aehnlichkeit gewisser Eruptivgesteine, z. B. im Durch-
bruch des IsKer, mit den Banatiten zu erwähnen. An diese west-
lichsten Massen des Balkan lehnt sich nordwärts eine sedimentäre
Zone. Bei Rabis und Belogradschik, wo sie beginnt, sind permi-
sche, triadische, tithonische und cretacische Schichten auf engem
626 Bnichzone des Balkan.
Räume vorhanden. Weiter gegen Osten nehmen die cretacischen
Ablagerungen sehr rasch an Breite zu, und sie bilden den ganzen
äusseren Abhang der Aussenkette und den Untergrund der Nie-
derung, so zwar, dass sie schon an der Mündung des Isker am
Donauufer sichtbar werden. Das ist die vermöge der Torsion
flach und gleichsam windschief von Belogradschik her sich allmälig
aus der Ebene heraushebende Gegenschale der im Norden ver-
sunkenen karpathischen Kreidezone. Sie ist stellenweise in Längs-
falten gelegt, doch nirgends überfaltet. Südwärts folgt derselben
eine wenig entwickelte Zone von älteren mesozoischen, namentlich
jurassischen Sedimenten, eine noch geringere Vertretung der
paläozoischen Ablagerungen und dann die krystallinische Zone
des Balkan.
Mit diesen Felsarten ist jene ausserordentliche Bruchzone
erreicht, welche nach Hochstetter's Angabe den ganzen Südrand
des Balkan^ Von Pirot bis Cap Emineh am Schwarzen Meere be-
gleitet. Diese Bruchzone ist 45oKilom.lang, durchschneidet die ver-
schiedenartigsten Felsarten und ist durch zahlreiche heisse Quellen
und lange Z\i^^ von Eruptivgesteinen ausgezeichnet.-^' Nicht g-anz
mit Unrecht hat allerdings Fritsch hervorgehoben, dass die Höhen-
verhältnisse der sedimentären Gesteine hier die Annahme einer
so grossen ,Verwerfung* nicht gestatten, und ich meine in der
That, dass eine solche Bezeichnung nicht die passende wäre.^^
Aber diese Bruchzone fügt sich, an ihrem westlichen Ende gegen
Pirot gebeugt, genau in die Gruppe der grossen Torsionslinien,
und es ist nicht zu sagen, welches Ausmaass die Störungen er-
langen mochten, welche aus der grossen Gebirgswendung hervt>r-
gegangen sind. —
Bisher haben wir nur von dem Hauptzuge des Balkan ge-
sprochen. Westlich von Sofia, an der Nordseite des Vitos, erhebt
sich aber der Andesitstock des Lünlün- und Viskergebirges, und
dort hat sich der grosse Kalkzug von Pirot gegabelt. Ein Arm
geht nach Hochstetter's genauen Angaben westlich vom Vitos an
den Karasu gegen Küstendil und Dubnitza herab upd wir kennen
nicht den weiteren Verlauf. Am Vitos selbst aber beginnt eine
lange Reihe syenitischer Massen, welche erst dem S. Rande der
Hauptkette des Balkan parallel läuft, dann sich mehr gegen SO.
Syenitstöcke. 627
wendet. Hochstetter hält diese Stöcke für »entschieden eruptiv'
und zählt hieher die Massen von Samakowo im Strandschagebirge,
von Bujuk Derbend am linken und Wakow am rechten Ufer der
Tundscha, von Trnowo an der Maritza, von Philippopel, den
magneteisenreichen Syenitstock des Slakutschagebirges am Isker,
endlich den mächtigen Syenitstock des Vitos. Der Zusammen-
hang dieser merkwürdigen, ebenfalls etwa 45o Kilom. langen
Linie von Syenitstöcken mit der grossen Torsion ist nach dem
heutigen Stande der Beobachtungen nicht zu übersehen ; der Vitos
an dem westlichen Ende ist wieder vorgeschoben gegen NW., in
der Richtung der grossen Wendung. —
Werfen wir nun noch einen Blick auf die jüngeren Forma-
tionen. Das Eocän scheint transgredirend auf dem siebenbürgi-
schen Grenzgebirge gelegen zu haben, aber es ist dennoch am
Lotru zerdrückt in Folge späterer Gebirgsbewegung. Die nächste,
mit Bestimmtheit bekannte Ablagerung innerhalb der Region der
Wendung ist die zweite Mediterranstufe ; man sieht sie nur bei
Plewna, dort nach C. v. Fritsch unmittelbar auf Kreideformation.
Nun folgt die sarmatische Stufe, welche horizontal an die inneren
Bogen tritt, und dann die Reihe jüngerer, nicht mariner Bildungen,
welche hauptsächlich in dem nördlichen Theile Rumäniens sicht-
bar ist. —
Der Balkan besitzt, wie wir sahen, einen breiten Saum von
gegen Nord abdachenden, vorwaltend cretacischen Ablagerungen.
Alle inneren Zonen verschwinden im Osten unter der Eruptiv-
masse aus Burgas ; Cap Emineh besteht aus cretacischem Kalk-
stein. Die untere Kreide zeigt karpathische, d. i. südeuropäische
Merkmale, wie in der Krim; die obere Kreide dagegen gleicht
jener Nord-Europa's ebenfalls wie in der Krim. Auf dieser folgt,
allerdings schon horizontal liegend, Nummulitenkalk bei Warna,
wie in der Krim, und das sporadische Vorkommen der zweiten
Mediterranstufe, sowie die weite Ausbreitung der sarmatischen
Ablagerungen entsprechen ebenfalls der Krim. Dieser Theil der
Schichtfolge ist also sehr übereinstimmend, und insoferne die
Schichtfolge überhaupt als ein Zeichen tektonischen Zusammen-
hanges gelten darf, deutet sie allerdings vom Balkan gegen die
Krim.
020 Zusammenhang von Balkan und Krim.
Auch der weisse Jura unter dem Neocom scheint noch jenem
der Krim nahe zu stehen. Eine Discordanz unter Neocom ist aber
aus dem Balkan dermalen noch nicht bekannt, und auch nicht die
grosse Entwicklung der Liasschiefer. Dagegen erscheinen im
Balkan noch tiefere, wohl gekennzeichnete Glieder der sedimen-
tären Reihe, welche man weder in der Krim, wo überhaupt die
Unterlage des Lias unsichtbar ist, noch im Kaukasus kennt, und
nördlich von der muthmasslichen Verbindungslinie zeigt sich mit
ganz abweichendem Streichen und auch mit einer anderen, durch die
bedeutende Entwicklung mariner Trias ausgezeichneten Schicht-
folge das Gebirge von Matschin.
Immerhin ist die Uebereinstimmung der Schichtstellung-, des
Streichens und der Schichtfolge über dem Jura so gross, dass ich
bis auf bessere Belehrung keinen Anstand nehme, der von Spratt,
E. Favre und Lagorio vertretenen Voraussetzung von dem ein-
stigen Zusammenhange von Balkan und Krim zu folgen.
Nun darf abqr nicht übersehen werden, dass der Balkan in
den wenn auch eben nicht bedeutenden Faltungen seiner Nord-
zone noch immer Spuren der allgemeinen europäischen Bewe-
gung gegen Nord zeigt; die Lage der sarmatischen Falten auf
Kertsch und Taman nördlich ausserhalb der grossen Gebirge
deutet ebenso auf massige Bewegung gegen Nord, und ebenso
die Faltungen der kaukasischen Nordzone, namentlich in Dag-hes-
tan, sowie die vorliegenden sarmatischen Falten nördlich von
Wladikawkas.
Der Kaukasus lässt aber unter dieser nordwärts geneigten
und streckenweise auch nordwärts gefalteten, aufgelagerten Zone
jene gewaltige Umstürzung gegen Süd erkennen, welche das be-
zeichnende Merkmal seines grossen südlichen Abhanges ist. Er
bildet, wie Abich sagt, eine grosse monoklinale Falte, und zwar
zeigt die Lagerung des Lias, dass die Umstürzung geg-en Süd
nicht vor der mesozoischen Zeit stattgefunden haben kann. Aber
die äussere, gegen Nord gekehrte Fläche dieser Falte, ursprüng-
lich wahrscheinlich eine flache Auflagerungsebene, trägt dennoch
eine Reihe von Sedimenten, welche nordwärts bewegt sind. In
keinem anderen Gebirge ist so eigenthümliche, zweifache Aeusse-
rung der tangentialen Bewegung bekannt, und gerade hier befinden
Alburs. 629
wir uns In jener Region, in welcher die Grenze zwischen der asia-
tischen Bewegung gegen Süd und der entgegengesetzten euro-
päischen Bewegung zu suchen wäre.
Die iranisch-taurische Schaarung. Die äusseren irani-
schen Ketten lassen nur an einer Stelle, an der Strasse von Hor-
muzd, die Zeichen einer untergeordneten Schaarung hervortreten.
Anders verhalten sich die inneren Ketten. Der Paropamisus bildet
mit seiner gegen Süd gekehrten Beugung in N. Afghanistan den
inneren Bogen für den östlichen Theil der äusseren iranischen
Bogen, aber indem er sich mit unbeirrt nordwestlicher Richtung
durch den Kjurjandagh zum Kaukasus fortsetzt, verlässt er voll-
ständig das Gebiet der iranischen Faltungen. Dafür stellt sich
ein zweiter Bogen ein, welcher dem westlichen Theile der irani-
schen Aussenketten entspricht, dessen Nordrand zugleich das
kaspische Meer umgrenzt, welcher aber auch, wie wir bald sehen
werden, die Neigung zeigt, den gegen NW. ziehenden Ast zu
verlängern. Dieser zweite Bogen ist der Alburs.
Ueber die Art, wie Paropamisus und Alburs sich begegnen,
liegen einige bemerkenswerthe Angaben vor. Zunächst folgen
der NW. Fortsetzung des ersteren jene sehr regelmässigen Parallel-
ketten des Östlichen Chorasan, welche Lessar kürzlich durchreist
hat und als deren Ausläufer wohl die niederen Züge anzusehen
sind, welche Sievers am Atrek antraf. Den entsprechenden Theil
der kaspischen Küste aber scheinen die erdölreichen Tertiär-
schichten einzunehmen, die wir bereits an den Abhängen des
Balchasch getroffen haben. Ach-tepe, N. von Tschikischlär, am
unteren Atrek, ist ein Schlamm vulcan.^
Die Parallelzüge des östlichen Chorasan sind also gegen das
kaspische Meer vollkommen ausgeflacht, aber gegen Süd zeigt
sich ein weiteres Parallelstück, welches, orographisch mit dem
Alburs verbunden, seinem Baue nach von demselben zu trennen ist.
Es geht nämlich aus Tietze's Untersuchungen über den Bau
des nördlichen Persien, welche neben Grewingk's älterer Zusammen-
stellung die Hauptquelle unserer Kenntniss dieses Gebirges bilden,
auf das Deutlichste hervor, dass zwischen Aschref und Asterabad
ein gegen NW. streichendes Gebirge die Ufer des kaspischen
630 Alburs.
Meeres erreicht und an denselben abgebrochen ist. Es umfasst die
Höhen bis Schahrud und Deh i Mullah am Südrande und ist,
wenigstens zum Theile, gegen SW. überwerfen, so dass an dem
Südrande des Gebirges und bei Tasch die kohlenführenden Schich-
ten des Lias gegen NO. unter eine paläozoische Zone hinabsinken,
welche sich gegen Asterabad fortsetzt und dort vertical steht.
Die ältesten Felsarten dieses Gebirgsstückes liegen im NO. bei
Asterabad ; die jüngsten dürften durch eine cretacische Zone be-
zeichnet sein, welche in der Nähe von Aschref vom kaspischen
Meere her in das Gebirge streicht.«'^
Mit vollem Rechte findet Tietze im Alburs ,im Kleinen eine
Wiederholung der grossen Züge in der Gestaltung des central-
asiatischen Continentes'. Wir sehen einen südwärts bewegten
Bogen, wie deren so viele bereits erwähnt worden sind, und alle
von Muschketoff für die innerasiatischen Ketten gewonnenen Er-
gebnisse sind auf den Alburs anwendbar. Der Scheitel des Bogens
liegt W. von Firuskuh, und in dieser Gegend erscheinen auch OW.
streichende Züge. Der gegen NO. streichende Theil des Bogens
erreicht sein Ende in einer nicht näher bekannten Weise in der
Nähe des Kreidezuges von Aschref. Wie bei so vielen inner-
asiatischen Zügen ist der gegen NW. laufende Ast weit länger als
der andere. Die archaische Unterlage wird nur an der Nordseite,
und zwar nur an jener des längeren, nordwestlichen Astes sicht-
bar, denn ein vereinzeltes und örtlich umgrenztes Auftreten von
Syenit an dem Südabhange, im Keretschthale W. von Teheran,
kann kaum als ein Hervortauchen dieser Unterlage gelten. Trotz
des Auftretens der archaischen Gesteine an der Nordseite des
Bogens zeigen die geschichteten Sedimente vorherrschend \yider-
sinnisches Einfallen gegen Nord, und zwar nicht mit überstürzter,
sondern mit normaler Folge der Schichten. Dies deutet auf das
Vorhandensein von Schuppenstructur in einzelnen Theilen des
Alburs. Hiedurch erklärt sich auch die Gestalt des Aussenrandes.
Tietze beschreibt denselben als gebrochenes Gewölbe mit nord-
wärts geneigten Schichten. Auch die gegen S. vorliegenden Berge
von Schah-Abdulasim zeigen steilen Abfall gegen Süd und die
Schichten sind gegen Nord geneigt; dasselbe gilt vom Siakuh.
Bei Betrachtung dieser monoklinen Vorlagen darf aber der
Dcmavend. Karaghan. 63 I
wesentliche Unterschied nicht übersehen werden, welcher zwischen
dem Aussenrande des Alburs und jenem des Himalaya oder der
Karpathen besteht. Wir befinden uns S. vom Alburs überhaupt
nicht auf einem tafelförmigen, fremden Vorlande, sondern mitten
in den iranischen Falten, deren Theil der Alburs selbst ist, und
weiter gegen W. kommt auch diese Einheit der iranischen Fal-
tungen durch die Einschaltung mehrerer, bis zu den Zägrosketten
reichender Parallelzüge unverkennbar zum Ausdrucke.
Diese Auffassung des Alburs als eines südwärts bewegten
und den central-asiatischen Typus wiederholenden Bogens kann
auch die Lage des gewaltigen Demavend nicht beirren, dessen
dem Scheitel des Bogens aufgesetzter vulcanischer Kegel sich
wohl 20.000 Fuss über das Meer erhebt. Es hat Tietze in ausführ-
licher Weise gezeigt, dass diese mächtige Aufschüttung als eine
spätere Bildung auf dem Gebirgsbogen ruht, und dass auch die
Grundzüge der heutigen Thalbildung bereits vor der Aufschüttung
des Demavend festgestellt waren.^^ Hier gilt Alles, was an frü-
herer Stelle über die grossen Vulcane Sumatra's und des Kaukasus
und über ihre Beziehungen zur Unterlage gesagt worden ist. —
Der erste grosse Farallelzug, welcher den NW. Ast des
Alburs begleitet, ist das 8 — 9000 Fuss hohe Karaghangebirge.
Wähner hat es gekreuzt. Es besteht aus syenitischen, porphyr-
artigen und anderen Eruptivgesteinen, welche, so weit das Ge-
birge bekannt ist, nicht von älteren als eocänen Ablagerungen
begleitet sind, eine Zusammensetzung, wie sie so häufig in
anderen Gebirgsketten getroffen wird. Zu beiden Seiten des
Gebirges ist die erste Mediterranstufe und das Salzgebirge vor-
handen; sie haben auch an den iranischen Faltungen theil-
genommen.-'^
Nun mehren sich die Gebirgszüge zwischen Alburs und den
Zclgrosketten ; sie ziehen durch Aderbedj an und grosse vulcanische
Berge, wie Sawalan und Sahend, erheben sich zwischen ihnen;
sie erreichen den Araxes und sogar nördlich von der fortgesetzten
Linie des Alburs erscheinen neue Faltenzüge, als würden jene
wieder aufleben, welche zwischen Aschref und Asterabad iri's kaspi-
sche Meer gesunken, und jene, welche am Atrek unter der Steppe
verschwunden sind.^*^
Sucss, Das Antlitz der Erde. 4^
632 Armenien.
In Armenien aber erlangen die vulcanischen Aufschüttungen
und Ergüsse ein solches Maass, dass sie die Gestalt eines grossen
Theiles der Oberfläche bedingen. Die Faltenzüge brechen ein
und werden überdeckt, und auf der Landkarte sind die Grundzüge
des Gefüges vollkommen verhüllt. Hier bedurfte es jahrelanger
Hingebung; eine grosse Aufgabe war gestellt, und es hat sich der
Meister gefunden, der sie löste, Hermann Abich.^^
Mit den folgenden Worten hoffe ich das Hauptergebniss der
zahlreichen Schriften Abich's über dieses Land annähernd richtig
wiederzugeben.
Die west-iranischen (Zägros- und Alburs-) Ketten ziehen aus
SO. nach Armenien; eine andere, ebenso bedeutende Reihe von
Ketten kommt aus SW. heran. Diese nehmen den ganzen Raum
von dem südlichen Rande des Taurus bis zu der pontischen Küste
bei Trapezunt ein, und die beiden bei Beiburt vereinigten Längen-
thäler des Djorokh bezeichnen die aus ONO. in NO. übergehende
Richtung derselben. Dies sind die taurischen Ketten. Beide, die
west-iranischen und die taurischen Ketten, streben zur Vereinigung,
aber anstatt dass, wie am Jhelum, Schaarung, sei es im Bogen,
sei es im spitzen Winkel stattfinde, ist die Region der Schaarung
eingebrochen und breiten sich gerade hier die mächtigsten vulca-
nischen Gebiete aus, so das vulcanische Hochland von Ardahan
bis zum Tschildirsee, das Plateau von Kars, jenes des Alag^z, die
weit gedehnte Grundlage des Ararat, des Tandurek u. And. Die
aus archaischen Felsarten bestehenden meskischen Berge aber,
welche O. von KutaTs mit NO. Streichen an den Fuss des Kau-
kasus treten und welche die Wasserscheide von Rion und Kur
bilden, sind ein Theil der taurischen Ketten. —
Die Einzelheiten, unter welchen der Einbruch der Schaarung
sich vollzogen hat, kann ich zu besprechen nicht unternehmen,
aber allerdings will ich es versuchen, die Grundlinien der Structur
des Landes zwischen Ararat und dem Goktschai-See, wie sie sich
aus Abich's Darstellungen ergeben, als ein Beispiel einzuschalten.***
Der Kegel des Ararat erhebt sich 16.926 engl. Fuss über
das Meer und fällt gegen N. und NO. zum Thale des Araxes
herab, dessen Meereshöhe in dieser Strecke 2600 bis 2500 Fuss
beträgt; der Abfall seines Gehänges übersteigt daher i4.ocx> Fuss.
Ararat und der See Goktschai. 633
Er ruht auf einem Sockel von eingebrochenem devonischem und
carbonischem Gebirge, welches in der Tiefe des Thaies, aber auch
gegen SO. hervortritt und dort den Rücken des Makugebirges bildet.
Auf der anderen Seite des Araxes sieht man dasselbe paläo-
zoische Gebirge mit gegen N. geneigten Schichten und steilem
Abhänge am Dsynserly- dagh als die Unterlage des zunächst
stehenden Zuges von gefaltetem Gebirge. Es ist aber Dsynserly-
dagh ein Theil eines der west-iranischen, von SO. her streichen-
den Parallelzüge, des südlichen Karabagh.
Der südliche Karabagh versinkt, bevor er den Goktschai er-
reicht, unter dem weiten vulcanischen Plateau des Agmangan;
dieses erhebt sich im Aghdagh zu 1 1.71 1 Fuss und seine Ostseite
bildet den SW. Rand des See's, während die Westseite gegen
den Araxes abdacht. — Die zweite Parallelkette ist gänzlich über-
deckt von dem vulcanischen Plateau des mittleren Karabagh. —
Die dritte Parallelkette, der nördliche Karabagh, endet an der
SO. Ecke des See's. — Die nächste Kette, das Ganja- und Goktschai-
gebirge, ebenfalls enge an die vorhergehenden gepackt, bildet
das NO. Ufer des See's und zeigt die Neigung, aus der NW.
Richtung der vorhergehenden Ketten im Bogen in die W. Rich-
tung überzugehen. In der That erreicht in seiner westlichen Fort-
setzung das Pambakgebirge fast reines OW. Streichen; dieses
Gebirge bricht westlich von dem N. Ende des See's, vor dem
1 3.436 Fuss hohen Aschenkegel des Alagdz ab. — Nördlich schliesst
sich an den Pambak in reiner OW. Richtung das Besorbdal-
gebirge an die nach West gerichteten Sporen; die bogenförmigen
Parallelzüge versinken bei Alexandrapol unter die weit ausge-
dehnten vulcanischen Anhäufungen, in welche der obere Arpatschai
sein Bett gegraben.
So suchen die iranischen Bogen gleichsam die Verbindung
mit den taurischen Bogen, und wenn man Abich's schöne Karte
des russischen Armenien betrachtet, möchte man den östlichen
Sporn des Juragebirges, die Lägern, in Vergleich ziehen, obwohl
die Lägern nur Ausläufer, nicht schaarende Bogen sind.
Noch mehr gilt dies von dem Sporn, welcher weiter im Süden
als Tschatin-dagh von den taurischen Ketten herüberreicht. Um
seine Lage zu bezeichnen, kehren wir zum Ararat zurück.
41*
634 Tschatin-dagh.
Der vulcanische Zug des Ararat liegt gerade südlich von der
Beugung der NW. streichenden Ketten zu den westHch streichen-
den Sporen. Auch in der Reihung der Vulcane ist eine ähnliche
Beugung angedeutet. Abich hebt mit Nachdruck hervor, dass die
Linie vom kleinen Ararat zum grossen Ararat und zum Kipgöll
gegen WNW. zieht, und vom Kipgöll wendet sich nun der mäch-
tige Zug der Vulcane rein gegen West zum See BaluchgöU, als
stünden diese Vulcane auf einer Spalte im Streichen der schaaren-
den Bogen. Gegen Süd fallen sie zur Hochebene von Bajazid ab
und dieser folgt gegen Süd die ebenfalls westlich streichende vul-
canische Reihe des Tandurek.
Nördlich vom BaluchgöU aber, d. i. N. vom westlichen Ende
der Araratreihe, taucht aus den vulcanischen Aufschüttung-en das
Ende eben jenes grossen Sporns, des Tschatin-dagh, hervor. Er
ist der bezeichnendste unter den schaarenden Bogen. Kr umrahmt
das Quellgebiet des Murad, scheidet es von dem Araxes und setzt
sich weit gegen WSW. fort. —
Mit unveränderter Richtung zieht der Kaukasus schräge an
dem Gebiete der Schaarung vorüber, wie der Tian-schan an der
südlich vorliegenden Schaarung, und nun vermögen wir jene
Stellen der Landkarte zu erkennen, an welchen der Umriss der
Wasserflächen in der Structur des Landes tiefer begründet ist.
Die südliche Küste des Kaspi entspricht den westiranischen, jene
des Pontus in der Bucht von Trapezunt den taurischen Bogen
und die Vorgebirge von Apscheron und von Taman kennzeichnen
das Streichen des Kaukasus.
So auffallend aber der Gegensatz zwischen der Streichungs-
richtung des Gebirges von Kaschgar und jener des Tian-schan sein
mag, sind mir doch wenige Beispiele auf der ganzen Erdoberfläche
bekannt, in welchen eine so innige Berührung zweier verschiedener
Gebirgsrichtungen stattfinden würde, wie am oberen Rion zwi-
schen dem NO. streichenden meskischen Gebirge und dem Süd-
fusse des Kaukasus. Wir haben an dem äusseren Rande der
Karpathen die Falten eines grossen Gebirges heran- und wohl
auch herübertreten gesehen über ein anderes Gebirge, die Sudeten,
auf welchen die Reihenfolge und das Gepräge der Sedimente
wesentlich andere sind. Im Kaukasus sehen wir nun zwei Falten-
Taurus. 63 S
gebirge aufeinandertreffen von verschiedener Streichungsrichtung
und zugleich von ziemlich verschiedener Entwicklung der Schich-
ten. Es sind namentlich die Actaeonellen- und Hippuritenreichen,
an das Gosauthal erinnernden Abtheilungen der Kreideformation
und die petrefactenreichen älteren Tertiärschichten, welche beide
in jenem Gepräge im meskischen Gebirge und weiter gegen Süd
auftreten, welches unsere Alpen auszeichnet, und welches der
grossen nordkaukasischen Zone fremd ist.
Die taurischen Ketten sind nicht strenge parallel. Die nörd-
lichsten Züge, welchen das pontische Ufer bei Trapezunt angehört,
beugen ihr Streichen von Batum durch Lasistan aus SSW. gegen
SW. und WSW. Die südlicheren Züge bewahren die flachere
Krümmung, welche wir in dem Tschatin-dagh kennen gelernt
haben, und welche in so mancher Beziehung an die tertiären
Bogen am Jhelum (Taf. IV) erinnert; WSW. ist ihre vorherr-
schende Richtung.'*' Leider haben die ausgezeichneten Arbeiten
von Russegger und Tschichatscheff, sowie Kotschy's Reisen bisher
doch nur eine unvollständige Kenntniss von dem Baue des Anti-
Taurus und des Bulgar-dagh gebracht. Wir wissen aber, dass
das Gebirge mit fortgesetzter Richtung gegen WSW. und SW.
gegen Tarsus zum Meere zieht und parallele Vorlagen enden
am unteren Orontes.
Einen Ueberblick über das südliche Gebiet der Schaarung gibt
Cernik; man lernt aus demselben, dass im Thale des Euphrat die
asphaltreichen Thone noch weit über Deir heraufreichen, und dass
in Syrien zwischen Homs und Palmyra gypsreiche Tertiärschich-
ten vorhanden sind, wahrscheinlich dieselben, welche wir als die
,Gypsiferous Series' von Loftus am Rande des Zägros kennen ge-
lernt haben und welche offenbar in Mesopotamien eine weite Ver-
breitung besitzen. Etwa dort, wo die iranischen und die taurischen
Aussenränder sich begegnen sollten, liegt die breite Basaltmasse
des Karadja-dagh und auf einem nordöstlichen Ausläufer erhebt
sich, zum Theile aus Basalt erbaut, die finstere Stadt Djarbekr. Eine
eigenthümliche Frage wird aber durch Russegger's und Cernik's
Beobachtungen angeregt. Es läuft nämlich von der Ostseite des
Anti-Libanon ein nicht unbedeutender Gebirgszug, Dj. Senayeh,
in NO. Richtung ab und zieht über Palmyra hin. Zugleich weichen
636 Cypem. Das dinarische Gebirge.
Libanon wie Anti-Libanon merkbar von der meridionalen Linie
des Jordanthaies gegen NNO. ab, als würden Beziehungen zu dem
Taurus eintreten, welche wir heute näher zu beurtheilen nicht in
der Lage sind/'
Die Lage, die Felsarten und der Bau der Insel C y p e r n
lehren in übereinstimmender Weise, dass hier die Fortsetzung- der
taurischen Gebirge sichtbar ist. Cypern besteht aus zwei bogren-
förmigen Gebirgszügen, welche durch die Ebene von Nikosia
getrennt sind. Der nördliche Zug, welcher die ganze N. -Küste
bis Capo Andreas hinaus bildet, besteht, wie wir durch Gaudry
und Unger wissen, aus Kreidekalk und Flysch mit Vorkomm-
nissen von Gabbro, Grünsteinen und Serpentin. Der mächtige
südliche Zug, Troodos, besteht fast ausschliesslich aus den letz-
teren Felsarten ganz wie die Berge von Antiocheia. Junge tertiäre
Ablagerungen liegen in der Mulde von Nikosia.*^
Das dinarische Gebirge. Aus den bisherigen Darstel-
lungen der Alpen hat sich ergeben, dass das Verhalten des dina-
rischen Zuges ein fremdartiges und abweichendes sei. Es war
nicht thunlich, dasselbe in die schematisirten Darstellungen der
Leitlinien (S. 303 und 618) aufzunehmen. An die periadriatischen
Brüche und Flexuren der Südalpen, welche von NW., N. und NO.
her überschoben sind, schliessen sich die von NO. her über-
schobenen dinarischen Flexuren und Brüche, welche massgebend
werden für den Verlauf der dalmatinischen Küste. Sie ziehen
gegen SO. bis SSO. und zugleich streicht in derselben Richtung-
jene Serie langer Faltungen, welche schon in der Gegend von
Laibach bemerkbar ist, welcher der Karst angehört und innerhalb
welcher auf breiten Antiklinalen in Bosnien, der Herzegowina und
Montenegro paläozoische Gesteine sichtbar werden.
Im Nordosten dieser paläozoischen Gesteine liegt eine Zone
von Flysch und Serpentin, welche schon im südlichen Croatien
beginnt, an der Save, wie Mojsisovics gezeigt hat, durch verein-
zelte, an ihrem Aussenrande auftauchende Granitkuppen gleichsam
festgehalten wird und dann gegen SO. und OSO. fortstreicht. Im
Südwesten des paläozoischen Gebirges liegt längs des adriatischen
Meeres Kreidekalk und Flysch; in dieser Zone laufen die Brüche
Griechenland. 637
und Flexuren längs des Meeres hin; sie ist es, deren Bruchstücke
an der italienischen Küste erwähnt worden sind.
Tietze's letzte Arbeiten in Montenegro und die älteren Ar-
beiten von Bou^ und Viquesnel zeigen, dass das dinarische Ge-
birge mit gleichem Streichen sich noch weiter gegen SO. fortsetzt.
Die Untersuchungen von Neumayr, Bittner, Teller und L. Burger-
stein im nördlichen Griechenland, sowie jene von Boblaye in Morea
lehren aber, dass diese selbe Richtung auch mit nur ganz unter-
geordneten Ablenkungen anhält durch die akrokeraunischen Berge
und Akarnanien, parallel dazu durch den Pindus, das Gabrowo-
gebirge und die ätolischen Alpen, sowie durch ganz Morea bis
Cap Matapan und Cap Malia.
Die neueren Untersuchungen in Nord -Griechenland und
namentlich Neumayr's Zusammenfassung der tektonischen Ergeb-
nisse lehren aber noch weit mehr.^*
Das ganze Land ist in Falten gelegt. Während jedoch im
Westen Pindus und ätolische Alpen die dinarische Richtung gegen
SO. bis SSO. fortsetzen, tritt östlich von diesen Bergen in allen
Falten das Bestreben hervor, im Bogen abzulenken gegen SO.,
O. und endlich sogar gegen ONO. und NO. Solche Bogen sind
Othrys mit einer Fortsetzung bis zum Golf von Volo mit gänz-
licher Umbeugung gegen NO., dann Oeta und Saromata, dann
Parnass, Helikon und weiter quer über Euboea, ferner Kythaeron,
Parnes und abermals quer über Euboea. An diese reiht sich als
ein weiterer zertrümmerter Bogen Geraneia bei Megara, Insel Sa-
lamis, Aegialeus, Hügel von Athen, Penthelikon. Dem Gewölbe
des Penthelikon parallel streicht das Gewölbe des Hymettos.
So kommt es, dass im Westen Nord-Griechenland's das Streichen
gegen SSO., im Osten aber gegen ONO. und NO. gerichtet ist.
Die Falten lenken im Bogen ab; die Brüche der dalmatini-
schen Küste aber wiederholen sich wenigstens auf einzelnen lan-
gen Linien in der unveränderten dinarischen Richtung quer über
diese abgelenkten Bogen. Die Folge davon ist, dass die Bogen
zerschnitten werden. Ein Beispiel ist die Bruchlinie, welche an
dem Ostrande des thessalischen Küstengebirges, der Insel Euboea,
von Andros, Tinos, Mykonos, Amurgos und Astropalaea hinläuft.
Durch solche und ähnliche Brüche werden die Inseln und Halb-
638 Kreta.
inseln umgrenzt und so entsteht jener merkwürdige Gegensatz
zwischen der Structur der Berge und ihren Umrissen, welcher den
höchsten Ausdruck in Teller's Schilderungen von Euboea und des
thessalischen Randgebirges findet. —
Air dieses griechische Gebirge besteht aus Kreidekalk und
Flysch, dann Diorit, Gabbro und Serpentin; krystallinische Schiefer
greifen in Attika als gleichaltrig zwischen cretacische Schichten;
an wenigen Punkten erscheinen ältere krystallinische Felsarten.
Ganz dieselben Gesteine bilden, wie Spratt und Raulin gezeigt
haben, die Insel Kreta.*^ Das Streichen derselben auf Kreta ist
nahe O. — W. Auch hier scheinen, wie auf Cypern, die Bruchstücke
von zwei parallelen Ketten vorhanden zu sein, von welchen eine
vom östlichen Ende bis zum Golf von Messara, die andere vom
Golf von Mirabello bis zum westlichen Ende der Insel reichen
würde. Vielleicht gehören die drei Vorgebirge Grabusa, Spadha
und Meleka im NW. der Insel einem dritten Zuge an.
Trotz der Uebereinstimmung der Gesteine würde ich Anstand
nehmen, bei der gänzlichen Verschiedenheit des Streichens Kreta
als eine Fortsetzung der griechischen Falten anzusehen, aber die
scharfe Umbeugung der östlichen Falten, welche wir soeben kennen
gelernt haben, macht es höchst wahrscheinlich, dass auch die
Ketten des westlichen Griechenland eine ähnliche Umbeugung er-
fahren, und dieser entsprächen allerdings Lage und Bau von Kreta.
Ich halte dafür, dass der westliche, dinarische Hauptzug im selben
Sinne gebeugt ist, wie die inneren Ketten, und dass Kreta in der
Fortsetzung einiger solcher Falten liege. Der dinarische Zweig-
würde sich in ähnlicher Weise nach Kreta, wie der Taurus nach
Cypern fortsetzen, und so finden wir die Reste eines grossen
Bogens, welcher im Westen aus dem dinarischen Zuge bis Kreta,
im Osten aus dem Taurus bis Cypern besteht, in der Mitte aber
vollständig eingebrochen ist. Diesen nennen wir den dinarisch-
taurischen Bogen. Er ist nach ähnlichem Typus gebaut wie
der iranische Bogen.
Auf diese Weise grenzt sich ein neues Gebiet ab, den
Westen und Süden der Balkanhalbinsel und ganz Kleinasien um-
fassend, und so erklärt sich die fremdartige Einschaltung des dina-
rischen Zweiges in die Alpen.
Losung der wirbelförmigen Anordnung. 6 30
So füg-t sich den asiatischen Bogen ein neuer Bogen an, jenen
Bauplan wiederholend, welchen wir nun schon so oft antrafen.
Hochstetter hat das bereits im Jahre 1876 geahnt. Nach Bespre-
chung Iran's und Armenien's sagt derselbe: ,Und zum dritten
Male trennen sich die Gebirgsarme in die Taurusketten einerseits
und die anatolischen Randgebirge andererseits, um auf der klein-
asiatischen Halbinsel abermals ein Steppenplateau in nochmals
verkleinertem Maassstabe zu umschliessen — die anatolische Salz-
steppe. So sehen wir zweimal in verjüngtem Maassstabe die
Grundconfiguration Centralasien's sich in den vorderasiatischen
Gebieten wiederholen.*^^
Die seitherigen Erfahrungen über das sehr geringe Alter des
ägäischen Meeres lassen uns nun die griechischen an die anato-
lischen Gebirge schliessen, und im Jahre 1879 schreibt Neumayr
nach Beschreibung der Umbeugung der ostgriechischen Falten :
, . . . Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die mehrfachen im
westlichen Kleinasien auftretenden, OW, streichenden Ketten da-
mit in Verbindung zu bringen sein; ja die Möglichkeit ist nicht
ausgeschlossen, dass wir es mit den äussersten Ausläufern des
kleinasiatischen Taurus zu thun haben. ''^
Lösung der wirbeiförmigen Anordnung der Alpen.
Die eigenartige Anordnung der einzelnen Zweige der Alpen ist
entscheidend für den Umriss des westlichen Mittelmeeres und für
die Gestaltung des ganzen südlichen Europa. Die gleichsinnige
tangentiale Bewegung kommt insbesondere im Juragebirge, in
dem Hauptstamme der Alpen mit den Karpathen, in dem ungari-
schen Mittelgebirge, in dem SO. Rande des siebenbürgischen
Erzgebirges und im Apennin zum Ausdrucke. Es ist aber bereits
S. 304 bemerkt worden, dass die Pyrenäen in einer dem Wirbel
entgegengesetzten Richtung bewegt sind, und der dinarische Zug
blieb dort als fremdartig ausser Betracht.
Im mittleren und westlichen Asien lassen sich ziemlich deut-
lich zwei Gruppen von Gebirgszügen unterscheiden, nämlich jene
gegen Süd convexen Züge, welche die schaarenden Bogen bilden,
und nördlich davon andere Züge, welche in demselben Sinne, doch
weit weniger convex gebeugt sind und welche in lange, gerade
640 Verbindung der Alpen und Tian-schan.
Aeste auslaufen. Bald vereinigen sich beide Gruppen durch zwi-
schenliegende Falten, wie O. vom Lob Nor, bald tritt ihr Geg^en-
satz scharf hervor, wie zwischen dem Kaschgargebirge und Tian-
schan oder den meskischen Bergen und Kaukasus.
Wenn der dinarische Zug in der That einem Theile eines
solchen schaarenden Bogens entspricht, dann sollte der Haupt-
stamm der Alpen' sich als die Fortsetzung der nördlichen Züge,
also der westlichen Ausläufer des Tian-schan erweisen.
In der That sehen wir zwei Aeste des Tian-schan nach Europa
reichen.
Der erste ist bezeichnet durch die Linie Alai, Nura-tau,
Scheich-Djeli, Mangischlak und vielleicht durch das Kohlengebirge
am Donetz und noch weiter in NW. liegende Störungen.
Der zweite zieht vom Paropamisus durch Kjurjan-dagh und
Kopet-dagh zum grossen Baichan und den Bergen von Krasno-
wodsk, dann quer über das kaspische Meer zum Kaukasus. Die
sarmatischen Antiklinalen stellen die Verbindung zwischen dem
Kaukasus und dem Gebirgsfragmente in der Krim her; dieses
setzt sich höchst wahrscheinlich im Balkan fort, und nun gelang-en
wir an jene überaus heftige Drehung des Streichens, welche von
Etropol-Balkan und Berkowitza-Balkan durch das Banater Gebirg-e
und das siebenbürgisch -rumänische Grenzgebirge zu den Kar-
pathen, endlich zu dem Hauptstamme der Alpen führt. Dabei tritt
aber die merkwürdige Erscheinung ein, dass etwa vom Kaukasus
an die tangentiale Bewegung nicht gegen Süd, wie in den asia-
tischen Ketten, sondern gegen Nord gerichtet ist, dass auch die
Convexität der alpinen Bogen sich gegen Nord richtet, und dass
an dem Nordrande der Karpathen alle Anzeichen einer weitgehen-
den Ueberschiebung über zwei verschieden gebaute Vorländer,
die russische Tafel und die Sudeten, hervortreten.
In Indien sahen wir die Salzkette, den äusseren Saum der
Ketten des Hindu Kusch, eingeklemmt und zweimal S-förmig quer
auf das Streichen geknickt. Aehnliches zeigt in weit grösserem
Maassstabe die Linie, welche vom Balkan zu den Alpen führt.
Es ist, als würde in Asien tangentiale Bewegung oder Zusammen-
schub fast nur in der Richtung des Meridian's, hier aber auch
in der Richtung der Parallelkreise erfolgt sein, und gerade
Ural. 641
hier sind die Karpathen so auffallend gegen Nord hinaus-
gedrängt.
So scheint sich die wirbeiförmige Anordnung der Alpen zu
lösen. Es ist aber dermalen kaum möglich, diese Vergleiche weiter
auszudehnen. Die Pyrenäen könnten allerdings als eine weitere
Fortsetzung des nochmals im Streichen geknickten Hauptstammes
der Alpen gelten, und in der That erinnert die Richtung und die
Haltung des Streichens einigermassen an den Kaukasus, aber es
fehlt dermalen jede Art von Nachweis für einen solchen Zusammen-
hang. Der Apennin sammt den nordafrikanischen Ketten und
der betischen Cordillere zeigt einige entfernte Aehnlichkeit mit
den grossen asiatischen Bogen, aber der Verlauf dieser Gebirge
ist sichtlich durch die spanische Meseta beeinflusst.
Ural, Pae-choi und ihre Vorlagen. Weit im Osten, jen-
seits des Balchasch, setzt sich Tarbag-atai in dem niedrigeren
Tschingis-tau fort, und es hält Muschketoff, wie ich seinen gütigen
Mittheilungen entnehme, für wahrscheinlich, dass S. von Karaka-
linsk eine weitere Falte von geringerer Höhe und flachem Rücken
bestehe, welche, jener des Tarbag-atai analog und mehr als
200 geogr. Meilen lang, die Aral-Irtysch -Wasserscheide bildet.
Eine unmittelbare Anschaarung oder ein Anschmiegen an die
uralische Richtung ist jedoch meines Wissens noch nirgends durch
Beobachtung erwiesen, und so steht vorläufig der Ural den vom
Tian-schan kommenden Zügen als ein fremdes Element gegenüber.
Nichtsdestoweniger gleicht der Bau des Ural vollständig jenem
dieser grossen Züge. Auch hier sind zwei lange und fast gerade
Aeste vorhanden, welche an einer Anschwellung des Gebirges
sich zu einem einheitlichen, flachen Bogen vereinigen ; auch hier
ist der Bau durchwegs ein einseitiger ; es ist auch die tangentiale
Bewegung allenthalben von der Innenseite des Bogens gegen
seine Aussenseite gerichtet, und es begleiten auch ältere Eruptiv-
gesteine den inneren Rand.
Die Länge der gesammten uralischen Kette beträgt nicht
weniger als 2172 Breitegrade; die Anschwellung, welche zugleich
die Stelle der Beugung ist, liegt in der Nähe des Berges Pareko,
etwa zwischen 64° 30' und 65° nördl. Br. ; unfern davon befindet sich
642 Die Mugodjaren.
auch die Mehrzahl der hohen Gipfel, insbesondere Töll-Poss, 5540
Fuss in 63° 54'. Die beiden Aeste des Bogens haben ungleiche
Länge. Der nördliche Ast streicht erst NNO., dann NO., reicht
nur durch 372 Breitegrade, nimmt rasch an Höhe ab und endet in
68''29' in dem Konstantinow-Kamen. Der südliche Ast läuft durch
eine sehr lange Strecke in der Richtung des Meridian's, spaltet
sich dann in drei Aeste, welche einige Ablenkung geg-en SSW.
verrathen, und findet seine weitere Fortsetzung in dem aus älteren
krystallinischen Felsarten, dann aus Augitporphyr und anderen
Eruptivgesteinen bestehenden meridionalen Doppelzuge der Mu-
godjaren.
Cenomaner Grünsandstein liegt flach und discordant auf ein-
zelnen Theilen der Mugodjaren und zeigt ihr hohes Alter an. Ein
Rücken von solchem flachgelagertem cretacischem Grünsandstein
stellt im Quellgebiete des Tschassan, wie SewerzowundBorszczow
gefunden haben, eine orographische, aber allerdings keine tekto-
nische Verbindung dieser alten niedrigen Ketten mit der horizontal
geschichteten Tafel des Ust-Urt her, und diese Verbindung- ist die
Wasserscheide zwischen Aral und Kaspi.^**
Die ganze Länge des südlichen Astes des Ural bis an den
Ust-Urt beträgt 1 8 Breitegrade.
Nach dem über die Einseitigkeit des Ural bereits Gesagten
ist es begreiflich, dass all' die Mineralschätze, welche dieses Ge-
birge so berühmt gemacht haben, seiner Ostseite angehören. Den
Westen bilden die langen, aus paläozoischen Ablagerungen g-e-
bildeten Faltenzüge. In ihnen ist die tangentiale Bewegung in
solchem Maasse zum Ausdrucke gelangt, dass z. B. Karpinsky's
Profile beiläufig aus dem 51. und 52. Breitegrade in den geg-en
Ost liegenden Faltungen bedeutende Ueberfaltungen, gestürzte
Lagerung und widersinnische Neigung gegen Ost erkennen lassen,
und dass erst weiter gegen W. normale Falten folgen. So scheinen
insbesondere zwischen den Flüssen Ika und Ulak überstürzte
Schuppen vorhanden zu sein. Diese Ueberstürzung setzt sich
durch den mittleren Ural fort, und ihre Ausdehnung erregte schon
vor langer Zeit die Aufmerksamkeit Murchison's.^^
Weiter im Norden, zwischen dem 56. und 58.° hat Kar-
pinsky Steinkohlenflötze, welche, in lange meridionale Falten
Der arktische Ural. 643
gelegt, hier bis an die Ostseite des Gebirges gelangen, auf grös-
sere Strecken in Graphit umgewandelt angetroffen. Die beglei-
tenden Reste von Pflanzen beseitigen jeden Zweifel. Es ist die-
selbe Erscheinung, welche in den Ostalpen durch Toula festgestellt
wurde, und welche als eine Folge ausserordentlichen Druckes auf-
zufassen ist.^°
Jene Theile des Ural, welche für unsere Vergleiche von
Wichtigkeit sind, liegen aber noch viel weiter gegen N., in einem
Gebiete, in welchem ich der älteren, aber mustergiltigen Darstel-
lung E. Hofmann's folge.^*
Hofmann's Untersuchungen umfassen das nördliche Stück
des meridionalen Ural's, ferner die Beugung, den nördlichen Ast
bis zum Konstantinow-Kamen und die nördlich folgende Kette
Pae-choi bis zum Meere. In 60"* 50', am Tschowal, ist die ganze,
den krystallinischen Schiefern zunächstliegende Schichtreihe wider-
sinnig gegen O. unter diese Schiefer geneigt, und diese selbst
fallen gegen Ost. Es ist dieselbe Ueberstürzung, welche wir weit
im Süden erwähnt haben, und sie zeigt sich wieder an der Kolwa
in 61"* 20', an der Unja, wo die Carbonschichten unter dem Silur
liegen, und am Schtschugar; überall neigt sich die Schichtfolge
gegen Ost, während am Iltysch vorliegende Falten mit W. und O.
Neigung bekannt sind. Am TöU-Poss stehen die alten Schiefer
senkrecht oder neigen sich steil gegen W. Zwischen dem 63. und
64." tritt eine grössere Masse von Granitit hervor und herrscht
hier, wo das Gebirge breiter geworden ist, in seinem östlichen
Theile, während gegen W. Diorit vorherrscht. An der Stelle der
Beugung scheinen Granit und Gneiss in grösserer Ausdehnung
vorhanden zu sein. In der Nähe des Pareko, gleichsam an der
Stirne der Beugung, am Westfusse des Hauptzuges, sieht man
wieder den Talkschiefer widersinnig gegen Ost geneigt; dasselbe
gilt für die gegen die westliche Ebene vorliegenden paläozoischen
Ablagerungen und ebenso für den ganzen Westrand des nun
gegen NNO. abgehenden nördlichen Astes. In 66" 30', wo das
Gebirge bogenförmig aus dem Streichen in NNO. gegen NO.
übergeht, liegt Serpentin und paläozoischer Kalkstein mit der
Neigung gegen Ost; in 67" und öy"" 30' liegt die paläozoische
Längenreihe Jenga-Pae vor mit gleicher Neigimg und im Pae-
644 Konstantinow- Kamen. Pae-choi.
Putna-Jaha in 67° 22' neigt sich ebenso fossilienreicher Kohlen-
kalk. Die Berge erheben sich hier schroff, mauerartig, baumlos
aus der ebenen Tundra. Endlich ist der steile Konstantino w-
Kamen in 68" 29' erreicht. Er besteht aus grauem Quarzit und
talk- und chloritähnlichem Schiefer; auf seinem Rücken liegen
Blöcke von rothem, körnigem Quarzit. Die Neigung seiner Schich-
ten ist gegen SO. Von drei Seiten umgeben ihn flache Tundra-
See'n; nur 30 bis 35 Kilom. weit liegt das Meer.
Dies ist das scharf ausgeprägte N. Ende des Ural. Der
SW. — NO. streichende Parallelzug Paemboi liegt ihm in 68° vor.
Das vorherrschende Ostfallen auf der ganzen beobachteten Strecke
von 60° 50' bis 68"^ 29' stellt aber die Thatsache fest, dass in dem
nördlichen Ural, gerade so wie in dem mittleren und südlichen
Ural, die tangentiale Bewegung eine so bedeutende gewesen ist,
dass ganze Zonen des Gebirges in der Richtung %^%^n Europa
überstürzt worden sind. Diese Ueberstürzung zeigt sich aber im
Ural nicht an dem Aussenrande, sondern vielmehr dort, wo die
tiefste Unterlage hervortritt. —
Jenseits des Konstantinow-Kamen beginnt ein anderes Ge-
birge. Aus der nördlich vorliegenden Tundra erheben sich hinter-
einander felsige, aus altem Schiefer bestehende Hügelreihen,
welche von OSO. nach WNW. gestreckt sind, also eine geg-en
den Ural fast senkrechte Richtung verfolgen. Ihre Höhe übersteigt
kaum um 150 Fuss jene der Tundra, und sie streichen an die
Mündung des Oi-Jaha. Westlich von diesen. und von dem Kon-
stantinow-Kamen erhebt sich mit gleichem Streichen gegen WNW.
ein bedeutenderer Höhenzug, der Jodenei, und dieser bezeichnet
den Anfang des Hauptzuges der Kette Pae-choi. Ihr Streichen
wendet sich bald aus WNW. mehr und mehr gegen NW. und
bildet mit senkrechten Schichten den Siwa-Pae im Jugor'schen
Schar, welcher hier nur 3 Kilom. breit ist. Die Gesteine scheinen
ziemlich dieselben zu sein.
Nun übersetzt der Pae-choi die Meerenge, streicht quer durch
die Insel Waigatz und setzt sich auf Nowaja Semlä fort. Dies
ist durch H. Höfer, den Begleiter Wilczek's, ausser Zweifel gesetzt.^-
Nowaja Semlä, sagt Höfer, ist ein Kammgebirge, welches
von 72'' bis 75'' 30' nördl. Br. von SSW. nach NNO. streicht und
Nowaja-Semla. Timan. 645
zwischen 73° und 74° seine grösste Erhebung erreicht. Vom Pa-
rallel 75° 30' biegt die Kammlinie scharf nach ONO. um und
nimmt an Höhe ab; ebenso biegt sich der Endrücken unterhalb
des 72.° gegen SO. und verflacht daselbst ziemlich rasch. Ueber-
einstimmend mit dieser verschiedenen Richtung der Kammlinie
ist auch das Streichen der Gesteine und der Verlauf der Küsten.
>
Silur, Devon und Kohlenkalk sind bekannt ; Augitporphyr ist in
dem SW. Theile der Insel den paläozoischen Ablagerungen ein-
geschaltet.
Die ganze Insel ist nach Höfer einseitig gebaut, da aber auch
hier längs der Westküste sehr vorwaltend östliche Neigung der
Schichten angegeben ist und Höfer sogar das landeinwärts ge-
richtete Verflachen an dieser Küste als bezeichnend hervorhebt,
gewinnt es den Anschein, als würde die Ueberfaltung des Ural
sich auch auf diesem Bogen geltend machen.
Der Jugor'sche Schar, die Karische Strasse und Matotschkin-
Schar sind also Querfurchen, wie die Strasse von Gibraltar. Sie
durchqueren einen einheitlichen Gebirgsbogen, welcher am Jodenei
beginnt und in der Tundra vor dem Konstantinow-Kamen dem
nördlichen Ural und seiner Vorkette Paemboi in Schaarung be-
gegnet. —
Die meridionale Hauptkette des Ural ist gegen W. von zahl-
reichen Parallelketten begleitet, welche als ,Parma* bezeichnet
werden; so unterscheidet man die hohe Parma, Idschid- Parma
u. And. Diese Parma sind, so weit sie bekannt geworden sind,
vorliegende Falten, welche die Abnahme der Faltung gegen die
Ebene bezeugen und nur vor solchen Gebirgen erscheinen können,
denen ein ihnen gleichartiges Land vorliegt. Würde fremdes
Tafelland vorliegen, so gäbe es keine Parma.
Den besten Beweis für die Einheit des gefalteten Ural und
der vorliegenden Platte gibt aber eine eigenartige Erscheinung,
welche volle Aufmerksamkeit verdient.
Beiläufig in öo"" nördl. Br., am Poljudow-Kamen bei Tscher-
dyn, geht vom Ural ein langer Rücken aus, welcher bis über den
Polarkreis hinausreicht; es ist das Timangebirge. Zuerst streicht
es gegen NW., rasch sich vom Ural entfernend, hierauf gegen N.
Es umgrenzt mit dem Ural das Flussgebiet der Petschora. Alter
646 I^ic Tschesskajabucht.
Thonschiefer tritt an mehreren Punkten hervor; von den paläo-
zoischen Ablagerungen erreicht das Devon die grösste Ausbrei-
tung. Der höchste Theil übersteigt nicht 850 Fuss. Keyserling
hat zuerst seine Bedeutung erkannt; Schrenk und Stukenberg
haben es genauer beschrieben.^^
Jenseits des Polarkreises, in der Nähe der Wasserscheide
zwischen den Flüssen Sula und Wolonga, nimmt dieser lange Zug
schärfere Umrisse an, biegt plötzlich gegen NW. ab und erreicht
in dem NO. Theile der Tschesskajabucht das Meer. Es ist eine
Antiklinale. Ihre Axe besteht aus Granit; zu beiden Seiten folgt
Thonschiefer, etwas Silur und in grösserer Breite das Carbon ;
eine grosse Doleritlage ist den paläozoischen Schichten einge-
lagert. Diese Gesteine bilden Cap Rumänischni, Barmin und
Tschaizyn. Das weit vorspringende Swjatoi Noss ist der Kohlen-
kalk des N. Schenkels. Diesem liegt landeinwärts eine Scholle
des Inoceramenthones von Simbirsk auf, zum Zeugnisse für das
Alter dieses Gebirgstheiles. Nach den Angaben des Botanikers
Ruprecht setzt sich dieses selbe Gebirge quer durch die Halbinsel
Kanin von Cap Mikulkin bis Kanin Noss fort.^*
Mit vollem Rechte betont Stukenberg, dass, obwohl der
lange Timan'sche Rücken dem Ural durchaus nicht parallel ist,
doch der Verlauf des jenseits der Beugung liegenden Stückes sehr
genau jenem des Pae-choi entspricht. In der That lässt sich kaum
verkennen, dass die Beugung an der Sula bis zu einem gewissen
Grade als eine Wiederholung der Schaarung von Ural und Pae-
choi angesehen werden kann, und abermals sehen wir in grossem
Maassstabe eine Wiederholung von Linien, wie sie etwa das
Tertiärland am Jhelum darbot. An den Ufern des Eismeeres er-
scheinen dieselben Grundzüge des Gebirgsbaues wie in dem son-
nigen Tief lande des Indus, und die grossen Faltenzüge entwickelten
sich hier vor dem oberen Theile der Juraformation, dort noch nach
dem Obertertiär auf ähnliche Weise. Die Richtung ist allerdings
eine gänzlich verschiedene. Während wir von Kleinasien bis an
die Sunda -Inseln eine trotz aller örtlichen Ablenkungen doch
vorherrschend nach Süd gerichtete tangentiale Bewegung wahr-
nahmen, ist dieselbe im Ural gegen West, im Pae-choi sogar
gegen Nordwest gerichtet.
Eingebrochene Gebirgsbogcn. 647
Ueb ersieht. Fünf grosse, gegen Süd gewendete Bogen
reihen sich quer über den Continent an einander, nämlich der
malayische Bogen, jener des Himalaya, der zerdrückte äussere
Bogen des Hindu Kusch, der iranische und der dinarisch-taurische
Bogen. An diese schliesst sich mit einigermassen verschiedenen
Merkmalen jener Bogen, welcher das westliche Mittelmeer umfasst.
Diese Bogen scheiden das Tafelland von Nordafrika und
Arabien und jenes der indischen Halbinsel ab von den gefalteten
Gebieten im Norden. Der malayische Bogen, vielleicht auch jener
des Himalaya, umschliessen Stücke von Tafelland.
Da diese Bogen wesentlich mehr gegen Süd gekrümmt sind
als die nördlich folgenden Faltenzüge, werden mehrere Kreis-
abschnitte umgrenzt, von welchen einige Hochländer sind, andere
aber sind eingestürzt und zum Theile vom Meere bedeckt. Nur in
dem Bogen des Hindu Kusch tritt so beträchtliche Verengung gegen
Süd ein, dass die Gestaltung der Oberfläche eine abweichende ist.
Wo Hochländer umgrenzt werden, sind abflusslose Gebiete
vorhanden, so innerhalb des Bogens des Himalaya, des iranischen
und der östlichen Hälfte des dinarisch - taurischen Zuges. Sie
nehmen gegen West beträchtlich an Ausdehnung ab.
Der malayische Bogen und sein Hinterland sind eingebrochen
und ebenso ist es der Fall in der Mitte des dinarisch-taurischen
Bogens. In beiden Fällen zeigen sich innerhalb der Einbrüche
jene sonderbaren, chiragratischen Formen wie Celebes und Hal-
mahera, Chalkidike und Morea. Wir wissen durch Neumayr und
Burgerstein, dass jede der drei Halbinseln der Chalkidike einen
anderen Bau besitzt. Hagion Oros ist eine quergebrochene Anti-
klinale von krystallinischem Schiefer und Kalkstein ; Longros ist
Gneiss; Kassandra ist tertiäres Land. Dies zeigt, dass die Um-
risse von der Beschaffenheit der Oberfläche unabhängig und durch
Einsturz bedingt sind.
An dem Aussenrande der meisten dieser Bogen, von Burma
bis in das Mittelmeer sind mitteltertiäre Schichten in gefaltetem
oder überfaltetem Zustande bekannt. An der Küste von Makrän
liegen jüngere Meeresschichten discordant und horizontal. —
Die Falten des Tian-schan streichen nördlich von diesen Bogen
gegen Europa. Der Paropamisus zieht durch den Kaukasus zum
Suesi, Das Antlitz drr Erde. i2
648
Geringes Alter der asiatischen Faltungen.
Balkan und den Karpathen; heftige Beugungen des Streichens
treten ein; die Faltung ist statt nach Süd hier gegen Nord ge-
richtet; es ist als würde der Bogen der Karpathen nordwärts
hinausgedrängt über die russische Tafel und die Sudeten.
Der Nura-tau setzt sich durch Scheich-Djeli nach Mangischlak
und gegen den Donetz fort.
Diese Anordnung prägt sich in dem Umrisse des kaspischen
Meeres aus, denn der südliche Umriss desselben wird von den ira-
nischen Bogen, dem Alburs, bedingt, die Halbinseln Krasnowodsk-
Apscheron entsprechen dem Verlaufe des ersten, jene von Man-
gischlak dem zweiten der eben angeführten Aeste des Tian-schan.
Das k^spische Meer ist, wie wir an früherer Stelle sahen, ein ur-
alter Rest, der Pontus aber ist sehr junger Einbruch, und es ist nicht
ganz ohne Bedeutung, dass in dem Umrisse des Kaspi der Verlauf
der Falten zum Ausdrucke gelangt, während der Umriss des
Pontus diesen Verlauf nicht erkennen lässt. Das ägäische Meer ist
quer auf die griechischen Faltungen eingebrochen, die äusseren
Bogen aber treten in den Umrissen von Kreta und Cypern hervor.
So wie in dem Aussenrande der Alpen und der Karpathen
mitteltertiäre Schichten Zeugniss geben von der Fortdauer der
tangentialen Bewegungen bis in diese Zeit, ist dies auch weiter
im Osten der Fall. In Slavonien sind sogar die Paludinenschichten
der levantinischen Stufe aufgerichtet ; in Kertsch nehmen die sar-
matischen, wahrscheinlich auch die pontischen Ablagerungen an
der Faltung theil; im östlichen Kaukasus finden sich sarmatische
Schichten in sehr bedeutenden Höhen und bilden die Falten
N. von Wladikawkas. Aber auch noch viel weiter im Osten kennt
man an dem Südrande des Tian-schan gegen die Niederung- von
Kaschgar durch Stoliczka die widersinnig geneigte, wahrschein-
lich mitteltertiäre Artush-Series, und Muschketoff hat, wie der-
selbe mir freundlichst mittheilt, solche Tertiärablagerungen im
Tian-schan i o — 1 1 .000 Fuss hoch angetroffen, so an dem Tschatyr-
kul und bei dem Passe Taimurum. Sie reichen über den Alai und
Suok nach Ferghana und Turkestan in der Gestalt von rothem
Conglomerat und Sandstein. —
Wie sich hieraus ergibt, haben seit der mittleren Tertiärzeit
und bis in noch jüngere Zeitläufte herauf beträchtliche tangentiale
Höheres Alter von Matschin und Ural. 649
Bewegungen stattgefunden, welche einen mitten durch Europa
und Asien ausgebreiteten Meeresboden in Falten gelegt haben,
während das Tafelland im Süden diesen Bewegungen ebenso fremd
geblieben ist wie die Horste und die alten Bruchstücke des mitt-
leren und westlichen Europa. Diese letzteren sind zwar auch
gegen NW., N. oder NO. bewegt worden, und diese Bewegung
kommt insbesondere in dem belgischen Kohlengebiete zum Aus-
drucke, aber die Faltung der Alpen vollzieht sich in selbständiger
Weise und wird durch ihre Umrisse gestaut und abgelenkt.
Abweichend ist das Verhalten des vereinzelten Gebirgsstückes
von Matschin an der Donau. Der obere Jura und das Ceno-
man liegen flach aut seinen aufgerichteten Schichten. Ein Zu-
sammenhang mit den langen, eben besprochenen Faltungen ist
nicht erkennbar.
Ebenso abweichend in Alter und Richtung ist der Ural
sammt dem Pae-choi bis Wajgatz und Nowaja-Semlä und das
Timangebirge mit Kanin. Auch hier sind schaarende Bogen vor-
handen, aber der obere Jura liegt flach an den Abhängen des
Ural und das Cenoman findet sich flachgelagert auf den Höhen
der Mugodjaren.
42*
Anmerkungen zu Absctinitt VIII: Die Beziehungen der Alpen
zu den asiatisctien Gebirgen.
» Die Orthographie der Ortsnamen, welche in dem vorhergehenden Abschnitte ge-
wählt wurde, um der englischen Literatur zu entsprechen, welche demselben vorwiegend
zu Grunde liegt, ist hier, wo es sich vorzüglich um russische und deutsche Quellen han-
delt, nicht mehr angewendet. Ich anerkenne die Ungleichartigkeit, welche hieraus her-
vorgeht, habe aber kein Mittel gefunden, um sie zu vermeiden, und verweise auf Bull.
Acad. P^tersb. l86i, p. 158 — 175. Ferner habe ich es zur Vermeidung von Miss Verständ-
nissen für unerlässlich gehalten, den vulcanischen Gipfel des Kaukasus £lbrus, dagegen
die nord-iranische Gebirgskette Alburs zu nennen. — Das Kärtchen Nr. V jjibt in
rohen schematischen Linien einige der wichtigsten Streichungsrichtungen der asiatisch-
europäischen Gebirgszüge an. Es soll zeigen, in welcher Weise beiläufig der älteste Um-
riss des Mittelmeeres (I, I), dann das sarmatische Meer und die letzten Einbrüche sich
zu diesen Linien verhalten. Man bemerkt die Bedeutung des Umrisses des dreigetheilten
Kaspi und die Lage des sarmatischen Meeres ausserhalb des ägäischen Einbruches. Der
Ural wurde nicht eingezeichnet, um den Ueberblick der Aeste des Tian-schan nicht zu
beirren, welche ohnehin durch die Projection verzerrt sind. Die taurisch - iranische
Schaarung ist nur in wenigen Zügen angedeutet; sie ist zu sehr durch vulcanische Bil-
dungen überdeckt.
* Dieses hier vollinhaltlich mitgetheilte Schreiben hat Prof. Muschketoff die
Güte gehabt, bereits im J. 1881, nicht lange nach seiner damaligen Rückkehr an mich zu
richten; in der letzten Zeit habe ich das Vergnügen gehabt, noch weitere, ausfuhrlichere
Nachrichten über dieses grosse Hochgebirge zu erhalten, welche dessen im Drucke be-
findliches Werk über Turkestan enthalten wird; sie sind mir eine reiche Belehrung gewesen
und wurden bei der Abfassung einzelner der nachfolgenden Stellen benützt.
3 N. Barbot de Marny, Brief im Neu. Jahrb. f. Min. 1875, S. 858 — 861; den
Kalk-Pistazit-Schiefer vom Scheich-Djeli beschreibt Inostranzeff in d. Verh. russ. Min.
Gesellsch. 1874, 2. ser. IX, S. 88—92.
4 Barbot am ang. O. S. 859; auch G. v. Helmersen, Notiz üb. d. Berge Ak-
tau u. Kara-tau auf der Halbinsel Mangyschlak; Bull. Acad. P^tersb. 1870, XIV, p. 529
— 535; E. V. Eichwald, Geogn.-pal. Bemerkungen üb. d. Halbinsel Mangischlak und die
Aleut. Inseln, 8° Petersb. 1871.
5 A. Karpinsky, Bemerkungen üb. d. Charakter der Dislocationen der Felsarten
in d. S. Hälfte des europ. Russland; Gornoi Journ. i883, S. 434—445 u. Taf. Der Autor
zählt auch die Gruppe der Bogdo-Berge in diese Zone.
6 G. Sievers, Die russ. militär. Expedition nach d. alten Oxus- Bette, dem
Kjurjandagh-Gebirge u. d. Atrek-Thale, August bis Dec. 1872; Petermann's Geogr. Mitth.
, 1873, XIX, S. 287 — 292. Ich verweise für das Baichangebirge überhaupt auf die dieser
Abhandlung beigegebene schöne Karte Taf. XV.
7 Fr. v. Koschkul, Bericht üb. d. geol. Arbeiten, vorgenommen vom Nov. 1869
bis Mürz 1870 in der Umgeb. d. Krasnowodsk. Busens u. der Insel Tscheieken; Iswest
Anm. EU Th. II, Abschn. VIII. Die Beziehungen d. Alpen z. d. asiat. Gebirgen. 65 I
geogr. Ges. 1870, VI, S. 181 — 21 3, Taf.; E. Tietze, Ucb. einen kurzen Ausflug nach
Krasnowodsk im W. Turkestan; Jahrb. geol. Reichsanst. 1877, XXVII, S. i — 6; A. Kon-
schin, Beschreib, d. Erdwachs- u. Naftalagerstatten d. transkasp. Gebietes; Gomoi Joum.
1883, a, S. 134—150, Taf.
8 Das Hauptwerk ist: H. Abich, Vergleich, geol. Grundzüge der kaukas.-armeu.
u. nordpersisch. Gebirge, Prodromus einer Geol. d. kaukas. Länder; M^m. Ac. Pötersb.
1858, 6. s6r. VII, p. 361—365 u. Taf.
9 Em. Favre, Rech. g^ol. dans la partie centr. de la Chafne du Caucase; 40 Genf,
1875, '^7 PP'» Karte u. Prof.; Entst. d. Alpen, S. 47; vgl. oben S. 180.
«o F. Koschkul im Gomoi Joum. 1879, c, Taf. IX.
" H. Abich, Verzeichn. einer Sammlung von Versteinerungen von Daghestan mit
Erläut.; Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 185 1, III, S. 15 — 48, und: Sur la Structure et la
Geologie du Daghestan; M6m. Ac. P^tersb. 1862, 7. s6r. IV, p. 10, 12.
»2 Ders. Vergl. geol. Gmndzüge, S. 459; Favre erklärt die Umstürzung als Folge
einer grossen Einsenkung im Süden; am ang. Orte p. 71.
>3 Ders. Einleit. Gmndzüge der Geol. der Halbinseln Kertsch u. Taman; M^m.
Acad. Petersb. 1865, 7. s6r. IX, p. i — 80, Taf. u. dess. Karten u. Profile zur Geol. d.
Halbinseln Kertsch u. Taman, Tiflis, 1866.
M E. Favre, ttude stratigr. de la Partie S. O. de la Crim^; 4« Genf, 1877,
71 pp., Karte; AI. Lagorio, Vergl. petrogr. Studien üb. die massigen Gesteine der Krym;
8° Doqjat, 1880, insb. S. 16 — 26; für den Zusammenhang mit dem Balkan: T. Sgratt,
Compar. of the Geol. Features of Bulgaria and the Crimea (in: Geol. of Varna); Quart.
Joum. geol. Soc. 1857, XIII, p. 79, 80.
15 T. Spratt, On the Freshwat. Deposits of Bessarabia, Mold., Wall, and Bulgaria;
Quart. Joum. Geol. Soc. 1860, XVI, insb. p. 290—292; K. F. Peters, Grundlinien z.
Geogr. u. Geol. der Dobradscha; Denkschr. Akad. Wien, 1867, XXVII, S. 3 — 64 u. 145
— 207, Karte; ferner dess.: Die Donau und ihr Gebiet; 8° 1876, S. 334-342.
»6 T. Spratt, Remarks on Serpent Island; Joum. geogr. Soc. Lond. 1857, XXVII,
p. 220 — 224. Ich gestehe, über die Natur der Felsart, aus welcher diese Insel besteht,
nicht zu einem bestimmten Urtheile gelangt zu sein. Spratt sagt, es scheine ein Aus-
läufer des Schiefergebirges der Dobmdscha zu sein, bestehend aus kieselreichen Bänken
mit grossen Krystallen von Quarz, zuweilen übergehend in rothen Jaspis, die Bänke ge-
trennt durch dünne schiefrige Lagen und geneigt 100 — 200 gegen O. Die Insel ist
i3o Fuss hoch.
17 Als die Hauptwerke sind zu nennen: J. Meschendörfer, Die Gebirgsarten im
Burzcnlande; Verhandl. u. Mittheil. d. siebenbürg. Vereins f. Naturwiss. 1860, XI, S. 236
— 249 u. 255 — 287; F. Ritt. V. Hauer u. G. Stäche: Geologie Siebenbürgen's, 8° i863,
Karte; F. Herb ich. Das Sz6klcrland, 8" 1878, Karte (auch: Mitth. k. ungar. geol. An-
stalt, V, Heft 2); Stefanescu's Angaben im Annuar. Biur. geol. Bucuresci, 1884, I, insb.
S. 17, 18 u. 47—63.
»** Diese wichtige Beobachtung ist seither veröffentlicht in B. v. Inkey: Geo-
tektonische Skizze der W, Hälfte des ungar.-mm.Hn. Grenzgebirges; Földt. Közl. 1884,
XIV, S. 116— 121.
'9 Hauer u. Stäche am ang. Orte, S. 264, 265.
-o G. Primi CS, Die geol. Verhältnisse d. Fogarascher Alpen u. des benachbart,
rumän. Gebirges; Mitth. aus d. Jahrb. d. k. ungar. geol. Anstalt, 1884, VI, S. 283 — 3l5,
Karte; auch S. Stefanescu, Mem. rel. la Geol. Judet. Argesiu; Ann. Biur. geol.
Bucurcsci, 1884, Nr. 2, p. 115—147.
^' Im N. gehört hieher der petrefactenreiche Punkt Porcsesd am Eingange des Alt
in das Querthal; im S. h.it S. Stefanescu bei Salatraca, O. vom Ausgange des Alt,
Nummuliten gefunden.
2^ M. M. Dräghicenu, Carta geol. a Judet. Mehedinti ; kl. fol. 1882.
.^MAiMriAl
65 2 Anna, zu Th. 11, Abschn. VIII. Die Beziehungen d, Alpen z. d. asiat« Gebirgen.
2J S. A. W. Frcih. v. Herder, Bergmann. Reise in Serbien, 8^ 1846, S. 43 u.
E. Tietze, Geol. Notizen aus d. NO. Serbien; Jahrb. geol. ReichsansL 1870, XX, S
24 Th. Andr^e, Die Umgeb. v. Majdan-Kucaina in Serbien; Jahrb. geol. Reich
1880, XXX, S. 12, Taf. I.
25 NW. von Zajcar, bei Gamsigrad, ist wieder Kalkstein, aber eine breite
Masse, welche Herder längs des kleinen Timok fand, lässt vermuthen, dass hier der j
zug gespalten ist und ein neuer archaischer Streifen hervortritt. — Dass d;vs Porecka
SO. von Milanowetz von einem NS. streichenden Kalkzuge begleitet ist, haben Herdei
Tietze gezeigt. — Der hohe Rücken des Strbatz O. von Mosna kann als eine Fortüe
der rumänischen Bogen gelten; er besteht aus Glimmerschiefer; auf seinem Kamme
Kalkstein sein. — Noch in der Niederung W. von Brsa Palanka erwähnt Herder Glin
schiefer, aber auf dem Wege von Negotin zum Gebirge nur den ,söhligen Muschel
stein', offenbar die sarmatischen Schichten.
26 Die Grundzüge des Bogens treten schon ziemlich deutlich hervor aus Toi
Geol. Uebers.-Karte der Balkan-Halbinsel; Petermann's Geogr. Mitth. 1882, Taf. XVI.
«7 G. V. Rath, Vortr. u. Mitth.; aus d. Sitzungsber. d. Nied. Rhein. G<
Natur- u. Heilkunde zu Bonn, Sitz. v. i3. Jan. 1879; S. 89.
28 In früheren Abzügen ist auf diesem Kärtchen durch ein Versehen die L.ag<
beiden Ortschaften Moravicza und Dognacska vertauscht gewesen.
29 J. Kudernatsch, Geol. d. Banater Gebirgszuges; Sitzungsb. Akad. Wien,
XXIII, S. 40 u. folg.; J. Böckh, Geol. Notz. von d. Aufnahme d. J. 1881 im Con
Krass6-Szöreny; Jahresber. d. k. ung. Geol. Anstalt f. 1881, S. 8; F. v. Hauer, ICo
vorkomm. v. Berszaszka; Verh. geol. Reichsanst. 1870, S. 167, 168; E. Tietze, Ge<
pal. Mitth. aus d. S. Theile des Banater Gebirgsstockes; Jahrb. geol. Reichsanst.
XX, s. 94—99.
30 Insb. F. Toula, Grundlinien d. Geol. d. westlich. Balkan; Denkschr. J
Wien, 1882, XLIV, S. 1—58 u. Karte; Geol. Untersuch, im westl. Theile d. Balkai
von Pirot nach Sofia, Sitzungsber. Ak. Wien, i883, LXXXVHI, S. 1279— 1348 u. K
und für weiter gegen O. liegende Theile des Balkan dess. Vorbericht im Anzeijj. J
Wien, 23. Oct. 1884, S. 197 — 202; ferner: J. M. Zujovic, Materialien für d. Gc<
Königr. Serbien; I. Beitr. z. Geol. d. SO. Serbien (in serb. Sprache); 80 Bei
1884, Karte.
3« ,Dieser Zug von Kreidegesteinen ist es, welcher in der Richtung von SO. j
NW. aus Bulgarien, durch das östliche Serbien, das Land O. von der, die westliche G
scheide bildenden unteren Morawa, bis an die Donau streicht und dort den Ansc
findet an den östlichen Sedimentzug der Banater Gebirge, wie dies schon aus der
Stellung, welche Bou6 auf seiner Mscpt.-Karte gegeben hat, hervorgeht.* Toula, G
linien, S. 40.
32 Hochstctter nennt die Punkte: Misiwri, Aidos, Kamabat, Sliwno, K.is;
Kalofer, Kariowa, Slatica, Pirot F. v. Hochstetter, Die geolog. Verhaltn. des O. T\
der europ. Türkei; Jahrb. geol. Reichsanst. 1870, XX, S. 399.
53 C. v. Fritsch: Beitrag z. Geognosie d. Balkan; Vortr. gehalten in d. N
Gcsellsch. zu Halle, 15. Nov. 1879; S. 9, 10.
34 P. M. Lessar, Bemerk, üb. Transkaspien u. die benachbarten I^andstr
Pcterm. geogr. Mitth. 1884, XXX, S. 281—296, Taf. XI. Aus den nordlichen t
Ketten stammen auch die von Neumayr erwähnten untercretac. Ammoniten; Verh.
Reichsanst. 1881, S. 325. — G. Sievers, Die Russ. milit. Expedition nach d. alten <
Bette u. s. w. Peterra. Mitth. 1871, S. 287—292.
35 E. Tietze, Bemerk, üb. die Tektonik des Albursgebirges in Persien; J
geol. Reichsanst. 1877, XXVTT, S. 375 — 43o; einzelne Angaben üb. <Hese Erschei
auch schon bei C. Grewingk: Die geognost. u. orogr. Verhältnisse des N. Persien«
Petersburg, 1853; 148 pp. u. Karte (aus d. Verh. Min. Ges. Petersb. 1852—1853).
Anm. zu Th. II, Abschn. VIII. Die Beziehungen d. Alpen z. d. asiat Gebirgen. 653
36 E. Tietze, Der Vulkan Demavend in Persien; Jahrb. geol. Reichsanst. 1878,
XXVIII, S. 169 — 206, Karte. Stebnitzky nimmt im Gegensatze zu anderen Beobachtungen
nur eine Höhe von 18.600 Fuss an (nach trigonometrischen Messungen vom kaspischen
Meere aus).
37 F. Wähner, Brief im Anzeig. Akad. Wien, 22. Juni 1882, S. 143—145.
38 Khanykof bei Abich, Bull. Ac. Petersb. 1858, XVI, p. 340—352. Bei der
Aufzählung der Gebirgsrichtungen ist es nöthig, die vulcanischen Regionen auszuscheiden,
um das wahre Streichen der Falten zu tinden.
39 H. Abich, Das Meschische od. Karthli-Imeretinische Gränzgebirge in geol. u.
climat. Beziehung; Bull. Acad. Petersb. 1851, IX, S. 29 — 45; dess. Geol. Beobacht. auf
Reisen in d. Gebirgsländern zwisch. Kur u. Araxes, 40 Tiflis, 1867; dess. Geol. For-
schungen in d. kaukas. Ländern, IL Geol. des Armen. Hochlandes, Westhälfte; 40 Wien,
1882, insb. S. 5 — u u. an viel. and. Orten.
40 H. Abich, Der Ararat, in genetischer Beziehung betrachtet; Zeitschr. deutsch,
geol. Ges. 1870, XXII, S. 69—91, Taf. u. insb. Geol. Forsch, in d. kauk. Land. II,
Atlas, Karte 11.
41 Das Streichen dieser Ketten ergibt sich am deutlichsten aus dem Kärtchen von
Tschihatscheff im Bull. soc. g6ol. 1851, 2. s6r. VIII, pl. VI.
42 J. Oernik's Techn. Studien-Expedition durch die Gebiete des Euphrat u. Tigris;
hggeb. V. A. Freih. v. Schweiger-Lerchen feld; Peterm. Mittheil. 1875, 7^» Ergänz.-
Heftc 44 u. 45; Karten; insb. I, S. 10; auch das Kärtchen bei Puchstein, Sitzungsb.
Akad. Berlin, i883, I, S. 29; den Serpentin im Tigristhale beschreibt War. Smyth, Geol.
Features of the Country round the Mines of the Taurus in the Pashalic of Diarbekr;
Quart. Journ. geol. Soc. 1845, ^» P- ^^^ — 340.
43 A. Gaudry, Geologie de Tlle de Chypre; M^m. soc. geol. 1859, 2. s6r. VII,
p. 149—314, Karte; F. Unger u. Th. Kotschy, Die' Insel Cypern; 8" Wien, 1865.
Cypern scheint in der That nur die Fortsetzung der beiden Züge von Serpentin, Euphotid
und cretacischem Kalkstein zu sein, welche als Mussa-dagh (Amasus) und Dj. Okrah
(Cassius), zu beiden Seiten des Orontes das Mittelmeer erreichen; dieser Annahme steht
nur entgegen, dass nach Russegger der N. Theil des Dj. Okrah ein entgegengesetztes
Streichen besitzt (Reisen, I a, S. 450). Die Frage der Beziehungen des Libanon zum
Taurus ist eine ganz offene und neuere Untersuchungen sind hier höchst wünschenswerth.
Die tertiären Gypslagen scheinen von Schugr am oberen Orontes her das Meer zu er-
reichen; nach Pruckner finden sie sich auf der Höhe des Dj. Okrah. Antiocheia steht
nach Ainsworth und Russegger auf Serpentin.
44 Die betreffenden Schriften sind in Denkschr. Ak. Wien, 1880, XL, enthalten;
M. Neumayr, Tektonischer Theil, eb. das. S. 383 — 395.
45 V. Raul in, Descript.phys.de l'Ile de Crfete; 8" Paris, 1869, 2 Bde., Karte.
46 F. V. Hochstetter, Asien, seine Zukunftsbahnen und seine Kohlenschätze; 8«
Wien, 1876, S. 24.
47 Neumayr, am ang. O. S. 391.
4Ö N. Ssewerzow u. J. Borszczow, Geol. Beobacht. angestellt in d.W. Theile
der kirgis. Steppe; Bull. Acad. Petersb. 1860, II, p. 202; Ssewerzow, Ist der Ust-Urt
eine Fortsetzung des Ural-Gebirges? eb. das. 1862, IV, p. 483 — 487. — Ein Profil eines
nördlicheren Theiles der Mugodjaren gibt Jakowlew, bei Helmersen, eb. das. l883,
XXVIII, p. 364 u. folg.
49 A. Karpinsky, Geol. Beobachtungen im Orenburg'schen Kreise; Verh. russ.
Min. Gesellsch. 1874, 2. ser. IX, S. 212— 3l0, Karte u. Taf.; Murchison, Verneuil
and Keyserling, The Geol. of Russia in Europe and the Ural Mountains; 40 London,
1845. P- 463.
50 Karpinsky, Geol. Forschungen u. Steinkohlenschürfungen an d. östl. Seite
des Ural; Gornoi Journ. 1880, a, S. 84 — 100, Karte.
6^4 Anm. zu Th. II» Abschn. VIII. Die Beziehungen d. Alpen z. d. asiat. Gebirgen.
5* Ernst Hofmann, Der N. Ural und das Küstengebirge Pae-choi; 40 Peteri^b.
1856, n, S. 207 — 281, Atlas; auch A. G. Schrenk, Reise nach d. NO. des europ. Russ-
land; 80 Dorpat, 1854, IL
5» Graf Wilczek's Nordpolarfahrt im J. 1872; H. Hof er, Ueb. den Bau Nowaja
Semlja's; Peterm. geogr. Mitth. 1874, S. 297 — 805; F. Toula, Eine Kohlenkalkfanna von
d. Barents-Inseln; Sitzungsb. Ak. Wien, 1874, LXXI, S. 527—608 u. Taf.
53 Alex. Graf Keyserling, Wissensch. Beobacht. auf einer Reise in d. Pctschora-
land, 40 Petersb., 1846, S. 337 — 406. Schrenk am ang. Orte I, S. 634 — 702; AI. Stuken-
berg, Bericht üb. die geol. Reise in das Petschoraland u. die Timan'schc Tundra;
Material, z. Geol. Russland's, 1875, VI, S. 1—125, Karte u. Taf.
54 Dies entnehme ich aus Schrenk und Stukenberg; Ruprecht 's Ver-
öffentlichungen über diesen Gegenstand zeigen nur, dass im NW. Theile von ICanin noch
Höhen von höchstens ICX)0 Fuss auftreten; Beitr. z. Pflanzenkunde des russ. Reiches, II,
1845; Flores Samojcd. Cisural. p. 5.
NEUNTER ABSCHNITT
Südamerika.
Die brasilische Masse. — Die argentinischen Ketten. — Die bolivischen und chilenischen
Anden. — Die Küsten -Cordilleren und Patagonien. — Peru. — Ecuador, N. Granada
und Venezuela. — Uebersicht.
L)ie brasilische Masse. Vom atlantischen Ocean her
nähern wir uns dem weiten südamerikanischen Festlande.
Der vorliegenden Inseln sind nur wenige, und auf ihnen
herrscht vulcanisches Gestein. Fernando Noronha besteht aus
Fhonolith und Basalt; noch auf den Abrolhos erscheint eine vul-
canische, wahrscheinlich basaltische Felsart, eingeschaltet in Schich-
ten, welche vermuthlich der Kreideformation zufallen. Auf dem
Festlande aber fehlt mit Ausnahme weniger Vorkommnisse, welche
höchstens bis in die Kreideformation heraufreichen, weit und breit
jede Spur einer jüngeren eruptiven Thätigkeit.
Seitdem in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts durch
österreichische Bergleute und Reisende nähere Kenntniss von dem
Baue Brasilien's gesammelt worden ist, haben die geologischen
Beobachtungen auch in diesem ausgedehnten Reiche sich vermehrt
und es sind durch die Anstrengungen des früh verstorbenen Hartt
und seiner Nachfolger die Umrisse der Structur bekannt geworden.*
Wir werden das Land in der vielgerühmten Bucht von Rio
betreten, dann nach einem flüchtigen Blicke auf das Innere an die
östlichsten Küstenprovinzen treten, hierauf den Bau der grossen
656 Die brasilische Masse.
Niederung des Amazonenstrom's, endlich über die Grenzen Bra-
silien's hinaus, jenen von Guayana bis an den Orinoco betrachten.
Hier, am Apurd und Orinoco, ist die nördliche Grenze jenes
grossen, einheitlich gebauten Theiles der Erdoberfläche erreicht,
welcher als die brasilische Masse bezeichnet wird.
Rio de Janeiro ist von den ältesten Felsarten des Continentes
umgeben. Weit noch gegen Süden durch die Provinz S. Paolo
hin bricht die Serra do Mar steil gegen das Meer ab. Der Para-
hyba sammelt seine Wässer in einem der Küste parallelen Längen-
thaie und erreicht endlich quer über das Streichen des alten Gneiss-
gebirges das Meer, aber jenseits von diesem Längenthaie fliessen
die Wässer landeinwärts und die Wasserscheide des ausgedehnten
Festlandes liegt nahe an seinem Rande. Es ist, als hätte man den
Rand einer Schale erklommen, wie an den Ghäts in Indien.
Weiter landeinwärts, in der Serra Mantiqueira und weithin
gegen N. und NW. folgen in grosser Mannigfaltigkeit versteine-
rungslose Schiefer und Quarzite, Hornblende- und Talkgesteine,
körniger Kalk und die Itacolumit-Serie, von Vielen als die obere
Abtheilung der archaischen Gruppe, von Hartt und Anderen zum
Theile schon als die Vertreter der untersilurischen Zeit an-
gesehen.'
Auf diesen lagern grosse horizontale Schollen von devoni-
schen und carbonischen Ablagerungen, endlich, in Tafelberge
aufgelöst, eine mächtige Decke von versteinerungslosem Sandstein.
Südlich von Rio gibt die Provinz Paranä nach der Darstel-
lung Orville Derby's ein gutes Bild dieser Gesteinsfolge. Die
Serra do Mar heisst hier, ihrer seltenen landschaftlichen Schönheit
entsprechend, Serra Graciosa. Sie erhebt sich schroff aus dem
Meere in ONO. streichend und mit steilem Schichtenfalle. Sie be-
steht aus Granit, porphyritischen Felsarten und schiefrigem Gneiss,
in Verbindung mit sehr alten Eruptivgesteinen. Weiter g^egen W.
trifft man Serpentin und Marmor, Talkschiefer, Quarzite und Ita-
columit und alle bezeichnenden Glieder der jüngeren Serie, wie
sie durch Bahia und Minas Geraes und wahrscheinlich auch durch
Rio grande do Sul fortstreichen. Etwa 50 Kilom. W. von Curityba
zieht ein Steilrand von Nord gegen Süd quer durch Paranä. Der
untere Theil desselben besteht aus den steil gestellten Schichten
Chapada^s von Sandstein. 657
derselben jüngeren archaischen oder untersilurischen Serie, der
obere Theil dagegen aus horizontalen Bänken von grobem
weivssem Sandstein, welcher von zahlreichen Grünsteingängen
durchsetzt ist. Noch weiter gegen West schalten sich Schiefer
ein mit devonischen Fossilien. Am Ivahy erscheint auch ein devo-
nischer kieseliger Kalkstein. Vielleicht ist auch die Carbonforma-
tion vertreten. Die Oberfläche hat sich etwas gesenkt und man
trifft auf einen zweiten Steilrand, die Serra de Esperan9a, mit
1040 M. Seehöhe. Er zieht auch quer über die ganze Provinz.
Der untere Theil besteht aus weichem rothem Sandstefin und
der obere aus einer loo M. oder darüber mächtigen Decke von
Mandelstein. Diese grosse Decke, welche wahrscheinlich von
mesozoischem Alter ist, scheint sich gegen Süd der Serra do Mar
zu nähern und am Uruguay sehr ausgebreitet zu sein.«'
Devonische und carbonische Schollen setzen sich fort einer-
seits durch Rio grande do Sul und andererseits durch S. Paolo;
in Maranhao und Matto Grosso, am Guapor^ und am oberen
Paraguay sollen carbonische Schichten vorkommen. Horizontale
oder doch nur sehr wenig geneigte Schichten von versteinerungs-
losem Sandstein treten in Minas Geraes und S. Paolo als die in
einzelne Chapada's, d. i. Tafelberge, aufgelösten Reste einer einst
zusammenhängenden Decke von Sandstein auf. Sie erreichen See-
höhen von 2000 — 3000 Fuss, breiten sich gegen Matto Grosso
aus, bilden eine grosse zusammenhängende Decke zwischen dem
Tocantins und dem Rio S. Francesco, aus welcher die archaischen
Gesteine oft nur wie Inseln hervorragen, und sie erreichen durch
die Provinzen Piauhy und Cearä die Nordküste.
Das Alter dieser Sandsteindecke ist nicht bekannt; vielleicht
handelt es sich sogar um Ablagerungen von verschiedenem Alter. 7—
In den östlichsten Provinzen erkennt man an einigen Punkten,
wie bei Estancia in Sergipe, dann im Gebirge oberhalb Rio de
Contas den rothen Sandstein und Mergel von mesozoischem Alter
wieder, der auf der Serra de Esperan9a in Paranä vorkommt,
welcher von den amerikanischen Geologen der Trias der östlichen
Vereinigten Staaten verglichen wird und wohl auch an ähnliche
Ablagerungen unter der transgredirenden Kreide auf der spani-
schen Meseta erinnert.
650 ' Amazonas.
An der Ostküste tritt bei Camamü S. von Bahia über Gneiss
ein lockeres Gestein auf, welches reich an Erdöl ist und Turba
genannt wird. In Bahia erscheint als tiefste Lage über dem Gneiss
eine Süsswasserbildung mit Crocodilus, Melania, Vivipara, Unio
und Estherien; unweit von Bahia ist in demselben Horizonte ein
Knochenbett mit Resten von Dinosauriern und Crocodilus vorhan-
den. Diese Lagen, zu welchen vielleicht auch die Turba von Ca-
mamü gehört, werden dem Wealden oder dem Neocom gleich-
gestellt. Ueber denselben liegen marine mittelcretacische Schich-
ten mit Buchiceras, hierauf obere Kreide mit Inoceramus, und ein
höchstes Glied mit Mosasaurus. Es sind nach Hartt marine trans-
gredirende Schollen der Kreideformation in Piauhy, Ceard, Para-
hyba do Norte, Pernambuco, Alagoas und S. von Sergipe bis
Bahia, ja wahrscheinlich bis zu den Abrolhos vorhanden,* und es
scheint die ganze Niederung des Amazonenstromes von solchen
cretacischen Bildungen unterlagert zu sein. Die südlichsten creta-
cischen Fossilien des Ostens stammen von Bahia.
Sehr weit im Westen werden wir in der argentinischen Re-
publik wieder auf Süsswasserschichten mit Melania und auf Erdöl
stossen; diese Ablagerungen treten unter dem Westrande der
Ebenen von Matto Grosso hervor, und man vermuthet, dass sie
jenen von Bahia entsprechen. Eine so ausserordentliche Verbrei-
tung ist allerdings schwer zu verstehen. —
Wir betreten nun das Flussgebiet des Amazonas, abermals
einer lehrreichen Schilderung Orville Derby's folgend, welche die
bisherigen Forschungen in dieser ausgedehnten Niederung zu-
sammenfasst.^
Dieses Flussgebiet liegt so tief, dass Chandless weit im
Westen, schon nahe dem Ostabhange der bolivischen Anden, im
oberen Laufe des Purüs Höhen von nur 1088 Fuss nachweisen
konnte. Von Norden und von Süden her nähern sich die älteren
Felsarten dem grossen Strome. Die ältesten sichtbaren Glieder
dürften der untersilurischen Serie angehören. Von Guayana her
sind sie zu Tage erkennbar beiläufig bis zu einer Linie, welche in
I *" nördl. Br. an der atlantischen Küste beginnt und bis in die
Nähe der Vereinigung des Rio Branco mit dem Rio Negro in i — 2 *^
südl. Br. reicht. Im Süden bilden dieselben Gesteine die Strom-
Amazonas. ^ S 9
schnellen der südlichen Zuflüsse, und die Nordgrenze ihrer Auf-
schlüsse kreuzt beiläufig den Tocantins in 3 — 4°, den Tapajos in
4 — 5° und den Madeira in 8 — g" südl. Br. Der Madeira scheint
auf eine grössere Strecke hin die Westgrenze ihrer Sichtbarkeit
zu bilden.
Im N. des Amazonas schliesst sich an diese älteren Gesteine in
den Thälern des Trombetas, Curuä und Maecuru, wahrscheinlich
aber an der ganzen Länge der Linie ein ziemlich breiter Gürtel
von obersilurischen Schichten. Sie entsprechen dem Medina Sand-
stone der Niagaragruppe in Nordamerika. An der Südseite des
Amazonas kennt man diese Zone nicht, doch dürfte sie noch auf-
gefunden werden.
Die nächste Zone, breiter als die silurische, ist von devo-
nischem Alter und zerfa.llt in mehrere Gruppen. Man kennt sie im
Norden in beträchtlicher Entwicklung längs der silurischen Zone
und gegen W. bis an den Uatumä, einen kleinen Fluss zwischen
dem Trombetas und dem Rio Negro. Auf der Südseite sind auch
von dieser Zone nur Spuren bekannt, aber sie tritt mitten aus den
Alluvien des Amazonas, W. von Monte Alegre, in den Trümmern
einer von G. nach W. streichenden Antiklinale hervor.
Die Carbonablagerungen nehmen einen weit grösseren Raum
ein. Sie reichen an der Nordseite des Stromes gegen O. wenig-
stens bis Prainha, erreichen bei Alemguer das Strombett selbst
und erstrecken sich gegen West auch bis mindestens an den
Uatumd. Im Süden breiten sie sich wahrscheinlich vom Tocantins
bis zum Madeira aus, und sie sind insbesondere am Tapajos auf-
geschlossen.
Die paläozoischen Ablagerungen bilden daher eine sym-
metrische Mulde, deren Mitte die Carbonschichten ausmachen,
und nur die Antiklinale bei M. Alegre lässt devonische Ablage-
rungen in den Atluvien des Amazonas sichtbar werden. —
Es folgt eine ganz ausserordentliche Lücke in den Sedimenten.
Die nächst jüngere, bisher aus diesem weiten Stromgebiete be-
kannte Bildung ist grober Sandstein, welcher in der Nähe von
Erer^ bis M. Alegre auf den Devonschichten liegt und Pflanzen-
reste enthält, die der Kreidefortnation zugeschrieben werden.
Noch weit höher oben, westlich von Madeira, am A^^
u
660 Die argentinischen Ketten.
des oberen Puriis sind cretacische Bildungen sehr ausgedehnt;
man kennt aus ihnen Reste von Mosasaurus und von Schildkröten.
So mag wohl zur Kreidezeit das Amazonasgebiet eine weite,
von paläozoischen Ablagerungen begrenzte Bucht gewesen sein.
Eruptivgesteine dringen bei Erer^ bis in die Kreideschichten.
Bunte Lagen von Sandstein vertreten die jüngere Tertiärzeit,
und zwar namentlich am unteren Strome zwischen Prainha und
Almeirim. An der Basis dieser Ablagerungen ist von Pebas in
Peru, nahe der Mündung des Ambayacü, blauer, Conchylien füh-
render Thon bekannt. Boettger hat diese brackische Fauna unter-
.; sucht und erklärt die Schichten von Pebas wegen ihres abweichen-
j den Charakters als , Bildungen des Unterlaufes des ehemaligen
;i Maranon, welche sicher in die oligocäne, vielleicht sogar in die
! eocäne Zeit hinabreichen'. ^ —
' Was bisher über den geologischen Bau des Landes N. von
«
i dem Gebiete des Amazonas bekannt geworden ist, lässt das-
i selbe als eine Wiederholung der südlichen Strecken erscheinen.
! Archaische Felsarten, unter welchen namentlich Granit g*enannt
wird, bilden, wie es scheint, die ganze Unterlage desselben und sie
werden noch an der Mündung des Caroni in den Orinoco sichtbar.
Gewaltige Schollen von horizontal geschichtetem Sandstein liegen
nach Sawkins in Britisch Guayana noch zwischen dem 4. und 6.°
nördl. Br. auf dieser Unterlage. Nach den Berichten dieses Beob-
achters bildet eine solche, von zahlreichen Grünsteingängen durch-
zogene riesige Scholle sogar den horizontalen und ringsum steil
abbrechenden, 7500 Fuss hohen Scheitel des Roraima an der
Grenze gegen Venezuela.^
Jenseits des Orinoco aber liegt, wie sich bald zeigen wird,
ein Land von abweichender Structur. —
Die argentinischen Ketten. Die Hochgebirge Süd-
amerika's bestehen aus zwei Theilen, welche im südlichen Peru
und in Bolivien, östlich von der Bucht von Arica, in stumpfem
Winkel schaaren. Wir beginnen die nähere Betrachtung ihres
Baues in dem südlichen Theile, und zwar in der argentinischen
Republik, wo unter Burmeister's Führung eine Schule von For-
schern herangewachsen ist und die Untersuchungen weiter vor-
Salta und Jujuy. 66 1
geschritten sind als in anderen Theilen des grossen, vom carai-
bischen Meere bis zum Cap Hoorn ziehenden Gebirges.
Von dem bolivischen Hochlande streichen mehrere parallele
Ketten von Nord gegen Süd in den Westen der argentinischen
Republik herab. Die westlichsten von ihnen reihen sich an die
Hauptkette der Anden, und die östlichsten werden von den Pam-
pas umgeben. Aber es haben mehrere Beobachter, wie der um
die Kenntniss dieser Gegenden hochverdiente Stelzner, darauf
aufmerksam gemacht, dass auch die viel weiter im Südosten,
zwischen Buenos Aires und Bahia Bianca sich erhebenden und
gegen SO. streichenden Höhenzüge wegen der Uebereinstimmung
ihrer Felsarten den west-argentinischen Sierren anzuschliessen sind.®
So führt uns der erste Blick auf die Anden ostwärts gegen
Cabo Corrientes hinaus. —
Der nördlichste Theil der argentinischen Ketten in den Pro-
vinzen Salta und Jujuy, etwa vom 22. bis zum 25.° südl. Br., wurde
von Brackebusch untersucht. Wir befinden uns im Quellgebiete
des Rio Vermejo. Im Westen, innerhalb des Hochgebirges, reiht
sich daran das abflusslose Gebiet der Salinas de la Puna. Die
verbreiteten kartographischen Darstellungen sind sehr irrig, und
es ist nach Brackebusch, welchem ich nun folge, die Lage von
Oran wohl um einen vollen Grad weiter gegen West, zu verlegen.^
Aus dem Gran Chaco erhebt sich zuerst nahe dem östlichen
Fusse dieser nördlichen Gebirge eine mächtige Reihe von Ab-
lagerungen, welche durch ihren Reichthum an Erdöl und an Koch-
salz ausgezeichnet sind. Es sind Lagen von buntgefarbtem Sand-
stein, auch Dolomit und Gyps. Sie enthalten Fischreste und an
einzelnen Stellen eine grosse Anzahl von kleinen Gastropoden;
schaarenweise erscheint Chemnitzia (Melania) Potosensis Orb.
Die Meinungen über das Alter dieser Ablagerungen gehen weit
auseinander; Brackebusch stellt sie an die Grenze von Jura und
Kreideformation und erwähnt, dass der stellenweise in Salta und
Jujuy hervortretende Quarzporphyr stets mit dem buntgefarbten
Sandstein in Verbindung sei.'**
Diese erdölführenden Ablagerungen haben eine ganz ausser-
ordentliche Ausdehnung; sie bilden wahrscheinlich den Unter-
grund des Gran Chaco und erstrecken sich weit gegen Nord
662 Silurketten. Nevado de Aconquija.
und Süd an dem Ostrande des Gebirges, und Brackebusch möchte
sie mit den von der Ostküste bei Bahia erwähnten Vorkomm-
nissen von Erdöl und von Süsswasserbildungen vereinig-en.
Aus diesen selben Ablagerungen besteht aber nicht nur der
Untergrund der Ebenen; sie haben auch an der Bildung der Ge-
birgszüge theilgenommen und erscheinen nicht nur in den Tiefen
der Thäler, welche die Parallelzüge trennen, als lange, weit nach
Bolivien vordringende meridionale Züge^ sondern sie liegen auch
in grosser Höhe auf den Ketten selbst, so wohl 5000 M. hoch auf
der Sierra de Zenta, welche das grosse Längenthal von Huma-
huaca gegen Osten begrenzt.
Die Ketten bestehen aus zumeist steil aufgerichteten Lagen
von Quarzit, Schiefer und Grauwacke, welche primordiale und
untersilurische Versteinerungen enthalten. Der Hauptzug siluri-
scher Gesteine zieht von den bolivischen Hochgebirgen, von Po-
tosi und Tarija durch Jujuy und Salta herab und bildet endlich
die nicht sehr hohe Sierra de S. Javier an der Ostseite des Nevado
de Aconquija, W. von der Stadt Tucuman. Ihre wichtigsten Pa-
rallelzüge gegen West sind: S. del Aguilar, welche die grani-
tische Unterlage sichtbar werden lässt und sich aus der Kbene der
Puna zu 5300 M. erhebt, dann S. de Cochinocha und die minen-
reiche S. de Cabalonga, welche beide nach Bolivien streichen,
und deren letztere von den grossen Trachytmassen umgeben wird,
welche das Grenzgebirge bilden. Der Nevado de Aconquija be-
steht aus Granit und Gneiss und setzt sich nordwärts zwischen
den silurischen Ketten fort; seine Ausläufer erscheinen an der
Westseite der Salinas de la Puna und, wie gesagt, an dem Fusse
der Sierra del Aguilar.
Auch an der Ostseite der Hauptkette sind silurische Neben-
ketten vorhanden; eine derselben, die östlichste, weicht von dem
allgemeinen Parallelismus ab, zieht gegen NNO. ab, bildet die
Sierra de S. Barbara und S. de Maiz Gordo, und taucht, bevor
sie den Rio Vermejo erreicht, unter den Gran Chaco hinab.
Die silurischen Züge sind, namentlich im Westen, von sehr
zahlreichen trachytischen Gängen und Stöcken durchbrochen.
Durch Stelzner wissen wir, dass diese Ketten noch weit gegen
Süd, ja bis zum ^3.'' südl. Br. fortsetzen." Sie sind lang .und
Sierra Tandil und S. de la Ventana. 663
'^
schmal, oft schroff und von beträchtlicher Höhe, dabei wenig von
der Richtung des Meridian's abweichend. Gegen West sind sie
im Allgemeinen etwas enger aneinander gedrängt; ostwärts treten
sie weiter auseinander. Die Schichtstellung ist steil. Ein Theil
dieser Ketten besteht aus krystallinischem Schiefer, Gneiss und
Granit; hiezu treten ausgedehnte Ausbrüche porphyrischer Fels-
arten, auch von Trachyt, seltener von Basalt. Westlich von S. Juan
läuft von N. gegen S. ein langer Zug von Kalkstein, dessen unter-
silurisches Alter Kayser nach Stelzner's Funden auf eine Erstreckung
von 150 Kilom. nachgewiesen hat. Im Osten der S. Famatina
streicht ein Parallelzug von gleichfalls untersilurischem Alter."
An dem Ostabhange derselben Sierra und ihrer südlichen
Fortsetzung, sowie an mehreren Stellen in den Provinzen LaRioja,
S. Juan und Mendoza tritt bituminöser Sandstein und Schiefer in
langen meridionalen Zügen auf. Es ist die Fortsetzung der erdöl-
reichen Ablagerungen von Jujuy und Salta, doch wird ihnen hier
nach den Pflanzenresten, welche sie enthalten, rhätisches Alter zu-
geschrieben.'^
In den weiter gegen Ost liegenden Sierren, zwischen S. Luis
und Cördoba, sind silurische Fossilien noch nicht nachgewiesen.
Insbesondere bestehen die östlichsten und zunächst bei der Stadt
Cördoba sich erhebenden Ketten, nämlich S. Ischilin, S. Achala
oder S. de Cördoba, und S. Cerezuela nur aus Gneiss, archaischem
Schiefer, Marmor und Durchbrüchen von Granit und Trachyt.'*
Wir gelangen nun zm den gegen SO. bi^ OSO. streichenden
Gebirgszügen der Provinz Buenos Aires, welche einen Theil von
Burmeister's ,System der südlichen Pampas' ausmachen. Es sind
dies zwei Ketten, nämlich Sierra Tandil, welche Cabo Corrientes
bildet, und südlich von dieser S. de la Ventana, welche die höhere
ist und 1030 M. erreicht. D'Orbigny's Begleiter Parchappe, Dar-
win, dann Heusser und Claraz haben sie besucht, doch ist es erst
seit Doering's Schilderung möglich, ihren Bau genauer zu beur-
theilen.'^
Beide Gebirgszüge bestehen aus denselben Felsarten und
beide sind in demselben Sinne monoklinal; die Neigung ihrer
Schichten ist gegen SW. gerichtet und die ältesten Glieder sind
an der NO. Seite sichtbar.
Suess, Das AntUtx der Erde.
Tl
664 Choique-Mahuida.
1 Den NO. Saum der S. Tandil bildet Granit; ihm folgt, ziem-
i lieh steil in SW. fallend, Gneiss, und diesem ist discordant mit
weit geringerer Neigung eine Serre von Talkschiefer, Thonschiefer,
Dolomit und wohlgeschichtetem Quarzit aufgelagert, deren petro-
graphische Uebereinstimmung mit den silurischen Ablag-erungen
der westargentinischen, meridionalen Ketten von den besten Ken-
nern des Landes anerkannt ist. Der SW. Abhang der Sierra ist
sehr flach; der Quarzit liegt sogar streckenweise fast horizontal,
und ist in Tafelberge aufgelöst.
Der zweite Gebirgszug, in der Regel unter dem Namen S. de
la Ventana zusammengefasst, besteht aus mehreren Theilen. Der
erste ist die lange, aus WN W. herbeiziehende S. de Cura-Matal ;
sie setzt sich in der Kette von Pilla-huincö gegen OSO. fort, und
wo diese beiden Züge sich vereinigen, streicht unter sehr spitzem
Winkel, etwas mehr in SO. die höhere S. de la Ventana ab. Sierra
de Pilla-huincö besteht, so weit sie bekannt ist, aus Gneiss ; die
beiden anderen Züge sind Quarzit. Dieser ist aber weit steiler
aufgerichtet als in S. Tandil, oft sogar senkrecht, und die zacki-
gen und scharfen Kanten der zerklüfteten Mauern von Quarzit
bilden einen sonderbaren Gegensatz zu der weiten Fläche der
Pampas, auf welcher sie sich erheben.
Die Vermuthung, dass diese gegen SO. ausstreichenden
Sierren nur die abgelenkte Fortsetzung der aus denselben Fels-
arten aufgebauten meridionalen Sierren seien, erhält eine Bestäti-
gung dadurch, dass weiter im Westen, an den Ufern des Chadi-
Leuvü (Rio Salado), Granit und Porphyr aus der Ebene hervor-
ragen, welche bis zu den Precordilleras, d. i. bis zu den östlichen
Nebenzügen der Anden sich nach Doering durch eine Reihe von
einzelnen Kuppen allem Anscheine nach fortsetzen. Diese Reihe
zieht von der Sierra de Choique-Mahuida, welche sich in 38° 5'
südl. Br. an der Nordseite des Rio Colorado etwa 100 M. über
die Ebene erhebt, zu der 60—70 Kilom. gegen NNW. gelegenen
S. de Lihu^-Calel in der Nähe des grossen Lago Urre-Lauquen,
dann zu der 50 Kilom. weiter gegen NNW. gelegenen S. de
Luan-Mahuida und durch andere Kuppen zu den Sierren von
Luan-Cö und Auca-Mahuida, welche mit den hohen Meridional-
ketten der Precordilleras zusammenhängen.
Die bolivisch«n and chilenischeD Anden. 665
Noch ragt an der Ostküste, bei S. Antonio, in der Bahia de
S. Matias, ein vereinzelter Porphyrfelsen hervor.
Horizontal gelagertes tertiäi'es und noch jüngeres Land bildet
die patagonische Tafel, und weit im Süden, an dem Ende des
Continentes, vollzieht sich die Beugung der Anden gegen Staten
Island. Diese Beugung erfolgt genau in demselben Sinne, in
welchem durch die angeführten übereinstimmenden Umstände
die Beugung der westargentinischen meridionalen Sierren gegen
S. Tandil und Cabo Corrientes, gegen S. de la Ventana und gegen
die Kuppe von Choique-Mahuida angezeigt wird. Diese Ueber-
einstimmung zeigt die Allgemeinheit der Bewegungen und weist
darauf hin, dass die Aeste der Anden gegen Süd und Südost in
ähnlicher Weise auseinandertreten wie die westlichen Aeste des
Tian-schan.
In die weiten Flächen, welche durch die Virgation gebildet
werden, treten die jungen, flachgelagerten Sedimente. Noch von
S. Maria in Catamarca (etwa 26''südl.Br.) erwähnt Stelzner Sand-
stein mit Bivalven als die mögliche Spur einer tertiären Meeres-
ablagerung.'*
Vielleicht zeigt der in der Provinz Salta gegen NNO. ab-
gehende Zug der Sierra de Maiz Gordo (25 — 24° südl. Er.) eine
ähnliche Virgation nach der entgegengesetzten Richtung an.
Die bolivischen und chilenischen Anden. Die Ketten
der Anden streichen im südlichen Peru und in Bolivien gegen
Südo.st, in Chile gegen Süd, und wenden sich in Patagonien erst
gegen Südost, dann rein gegen Ost, in der Richtung von Staten
Island. Es folgt der Verlauf der Küste sehr genau diesen Aende-
rungen des Streichens, und die Bucht von Arica, sowie der eigen-
thümlich ostwärts geschwungene Umriss der südlichsten Theile
Amerika's erhalten hiedurch ihre Bedeutung.
Im südlichen Peru sind zwei sehr hohe und mehrere unter-
geordnete, parallele Ketten vorhanden. Von den beiden Haupt-
ketten wird die westliche, welche die Wasserscheide gegen den
atlantischen Ocean bildet, als die CordiUere der And<-n im engeren j
Sinne bezeichnet, obwohl die östliche CordiUere, welcher I
und Illampu angehören, namentlich in ihrem südlici
666 I^as chilenische Längenthal.
grössere Höhen erreicht. Diese letztere ist von Querthälern dur
brochen, welche ostwärts führen.
In Chile besteht nur ein Hauptzug der Cordillere, welcl:
wie sich weiterhin zeigen wird, als die Fortsetzung des westlicl
Zuges von Peru anzusehen ist. Westlich von diesem Zug-e, gej
das Meer hin stellen sich aber in Chile ganz eigenthümliche V
hältnisse ein. Hart an der Küste läuft nämlich eine Anzahl se
ständiger Gebirgsstücke hin, für welche wir den Gesammtnan
der Küsten- Cor diller en verwenden werden. Zwischen diei
und dem östlichen Abhänge der Anden liegt im Norden die Wü
Atacama, weiter im Sücfen das grosse Längenthal von Chile ; n(
südlicher, am Meerbusen von Corcovado und dem Canal Morale
verschwindet der Hauptzug der Cordilleren.
Vergleicht man nun Domeyko's orographische Darstellung
der Provinz Aconcagua mit den hydrographischen Aufnahn
des Capt. Simpson im Süden, so zeigt sich folgender Zusamm
hang. In der Provinz Aconcagua zieht eine Anzahl tiefer Thä
von den Anden quer durch die Küsten-Cordilleren unmittell
zum Meere, aber auf der Höhe der trennenden Rücken ist ;
einer Linie, welche von Nord gegen Süd läuft, in der fast gleic}
Höhe von 12 — 1300M. eine Reihe von niedrigeren Einsattlung
vorhanden. In die Fortsetzung dieser Einsattlungen fallt <
grosse chilenische Längenthal. Man möchte wohl meinen, es
in Aconcagua einem älteren, longitudinalen Thalsystem ein qu
laufendes, jüngeres aufgesetzt, so dass heute die Lage des ältei
Längenthaies nur auf der Höhe der Querzüge durch Einsattlung
erkennbar bleibt. Im Süden tritt ein anderer Fall ein. Das M^
ist nicht nur in die Fortsetzung des Längenthaies eingetret
sondern man sieht die steilen, gletschererfüllten Querthäler <
Festlandes in ihrer Lage auffallend entsprechen den Meer
Strassen, welche Chiloe und die einzelnen südlicheren Inseln \
einander trennen, als wäre eben jenes System von Querthäl
ebenfalls überfluthet, welches einstens auch hier das Längent
kreuzte.'^ —
Die Küsten-Cordilleren sind schon in Peru durch einige läi
der Küste vorhandene Trümmer kennbar, aber erst gegen S
gewinnen diese Trümmer Zusammenhang. Sie bilden in Gl
Illlmani und IlUmpil. 667
nicht unbeträchtliche Höhenzüge, 6nden ihre Fortsetzung auf
Chiloe, den Chonosinseln u. s. f. und bilden allein den südlichsten
Theil der amerikanischen Gebirgszüge. Sehr eigenthümlich ist
dabei das Abbrechen der Küstenlinie in rechtwinkeligen Zacken,
welches an dem Morro de Mejillones, dann S. von Coquimbo und
in den Busen von Talca-huano und Arauco sich wiederholt. —
Die Schaarung an der Bucht von Arica Ist eine sehr allraaUge
und man sieht Zone für Zone aus dem südöstlichen Streichen
Peru's in das meridionale Streichen von Chile übergehen. Schon
die ältesten Sedimente lassen dieses erkennen.
Die hohe östliche Cordillere des südlichen Peru und Boli-
vien's, die Kette des lllimani und des Illampu, welche sich in
ihren Gipfeln bis 6400 M. erhebt, besteht, wie Dav. Forbes ge-
zeigt hat, mit Ausnahme der granitischen Unterlage, welche an
dem NO. Fasse sichtbar wird, aus mächtigen, gegen SW. geneigten,
paläozoischen Ablagerungen.'* Silurische Schichten sind es, welche
diese gewaltigen Höhen und so ziemlich alles hohe Gebirge bilden,
welches vom nördlichen Cuzco durch die Cordilleren von Carabaja
und Apollobamba gegen die argentinische Grenze sich hinzieht.
Dieser grosse silurische Zug ist es, dessen Fortsetzungen wir im
Westen der argentinischen Republik angetroffen und in zahlreichen
meridionalen Zügen durch Jujuy, Salta, Tucuman, Catamarca,
Rioja bis Mendoza kennen gelernt haben.
Auf die silurische Zone folgt in Peru und Bolivien gegen SW.
eine devonische Zone und diese wird am Titicaca-See von gefal-
tetem Kohlenkalk überlagert. Der Kohlenkalk hat eine weite Ver-
breitung ; man kennt denselben durch Raimondi weit gegen NW.
bei Huanta und durch Toula weit in SO., bis etwa 10 Meilen von
Cochabamba."
Das nächstjüngere Glied der boHvischen Anden, dem Kohlen-
kalke folgend, ist eine sehr mächtige Serie von rothem Sandstein
und Conglomerat, an vielen Orten reich an Kupfer, zuweilen von
Gyps und häufig, ja fast allenthalben von Porphyr begleitet. Diese
Serie hat bisher an organischen Resten nur verkieselte Stämme
von Coniferen, dann schlecht erhaltene Blätter und Spuren von
Reptilien geliefert. Sie wird dem Rothliegenden Europa's gleich-
gestellt; viele Merkmale weisen dahin, aber wir werden bald
668 Aconcagua.
dass in Chile dieselben petrographischen Merkmale einer weit
jüngeren Zeit angehören.
Dieses Rothliegende ist im südlichen Peru das jüngste Glied
der östlichen und zugleich die Unterlage der westlichen Cordillere,
welche die Wasserscheide bildet und dort allein die Cordillere
derAndes genannt wird.
Diese westliche Cordillere ist aus mannigfaltigen mesozoi-
schen Ablagerungen, insbesondere des Jura und der unteren
Kreide aufgebaut. Ihr sind die mächtigen Vulcane Avie fremde
Körper aufgesetzt.
So wie aber die östlichen, paläozoischen Ketten Bolivien's in
ihrer Zusammensetzung mit den argentinischen Ketten überein-
stimmen, so stimmt die Beschaffenheit der westlichen bolivischen
Cordillere im Süden mit dem chilenischen Hauptzuge der Cordil-
leren überein. Die ältesten organischen Reste, welche diese ge-
liefert hat, bestehen aus einer Avicula und aus rhätischen Pflanzen-
resten; die nächstfolgenden Meeresbildungen gehören dem Lias
an und die Meeresbildungen halten an bis in die mittlere oder
obere Kreide. Es ist eine wahre jurassische und cretacische Zone
vorhanden, welche durch Peru, Bolivien und Chile bis zum 35.°
und vielleicht noch weiter hinabzieht.^°
Dieser Zone sind im Süden wie im Norden die Vulcane auf-
gesetzt. Ihre Aschen und Ströme haben einen sehr grossen Theil
der mesozoischen Ablagerungen überdeckt. Jurakalk und Kreide-
kalk sind auch hier oft von trachytischen oder anderen eruptiven
Felsarten durchzogen und die reichsten Silbervorkommnisse sind
an diese Intrusionen gebunden.
Die Reihe der Vulcane zieht im Norden von Bolivien herüber.
In 24° 45' erhebt sich in derselben der Llullaico zu 6175 M.
Dann folgen südlich V. del Chaco, V. de Dona In^z, V. del Azufre,
bis in etwa 26'' südl. Br. das Ende der bolivischen Reihe junger
Vulcane erreicht ist. Durch acht Breitegrade, bis gegen den 34.**
fehlen nach Pissis junge Vulcane, doch sind vulcanische Felsarten
auch auf der Zwischenstrecke vorhanden, so nach Güssfeldt's
Untersuchungen in grosser Höhe auf dem Aconcagua, und es ist
die Frage noch offen, ob dieser 6970 M. hohe Berg nicht einen
Krater trägt. ""'
Jorassbche Zone der Anden. 669
An dem westlichen Abhänge und dem Fusse der vulcanischen
Kette liegen im Norden die Salinas de Atacama, de Punta Negra,
die Laguna del Pedernal u. And. und westlich von diesen ist als
der östliche Rand der Wüste Atacama die jurassische und unter-
cretacische Kalkzone der Anden sichtbar. Sie zieht über Caracoles
herab, über den Corden de Varas, unter Dona In^z und der La-
guna del Pedernal. Vor der jurakette dacht die Wüste Atacama
zum Meere und zur Küsten-Cordillere ab, aber nach Pissis erschei-
nen einige vereinzelte Schollen von rothem Sandstein bis gegen
Paposo nahe am Meere und auch einzelne Vorkommnisse von
mesozoischem Kalkstein bis an den Ostrand der Küsten-Cordillere,
namentlich Östlich und nordöstHch von Chaüaral."
Als Burmeister von Copocovana im Norden der argentini-
schen Republik {28°), von den nördlichen Ausläufern der Serra
Famatina her, das Ende des boUvischen Hochlandes überstieg, traf
er in der Nähe der chilenischen Grenze rothen Sandstein mit Gyps,
begleitet von Porphyr und Trachyt, und endlich bei Juntas am Rio
Copiapö die mächtige jurassische Kalkzone, welche von dem Ost-
rande der Wüste Atacama herabzieht.'^
An einer langen Reihe von Punkten kennt man die Jura-
formation bis zu jenem Theile der Anden, welchem der Aconcagua
angehört. Auch hier besteht das Gebirge mit Ausnahme der öst-
lichsteh Theile aus Felsarten, welche nicht älter als die permische,
oder, nach Steinmann's Ergebnissen im Süden zu urtheilen,
nicht älter als die rhätische Zeit sind. Pissis hat gezeigt, dass
durch die Provinz Aconcagua an dem westlichen Gehänge der
Anden der petrefactenreiche Jurakalkstein herabzieht bis gegen
S. Felipe und S" Rosa de los Andes, und dass am östhchen Ab-
hänge des Hochgebirges vom Cerro de la Ramada im Norden
des Aconcagua bis zum Cerro del Juncal im Süden desselben ein
jurassischer Schichtenkopf sich erstreckt.'*
Der Gipfel des Aconcagua selbst liegt etwas östlich ausser-
halb der Hauptkette und besteht, wie gesagt, aus vulcanischem
Gestein.
Dieser jurassische Schichtenkopf ist es, welchen Stelzner an
zwei Orten getroffen hat, und zwar N. vom Aconcagua am Passe
de los Patos (Espinazito) in der Nähe des eben genannten C
670
Jura von Coquimbo und Copiapö.
Ramada, und S. von demselben an der Incabrücke im Cumbr
passe. An beiden Orten scheint ostwärts die Unterlage zuerst ai
grossen Massen von Porphyr, dann aus Granit zu bestehen. A
der ersten Stelle sammelte derselbe jene Versteinerung-en, dun
welche von Gottsche eine Reihe von Horizonten der europäische
Juraformation nachgewiesen werden konnte. An dem zweite
Punkte gelangte Stelzner zu der Ansicht, dass die innerhalb d
Juraformation sichtbaren Eruptivgesteine als Lagerg-änge vc
Trachyt, nicht als Einschaltungen von Porphyrdecken, wie m<
früher meinte, aufzufassen seien. Es würde demnach ein ganz äh
liches Verhältniss von Intrusion in Schichtfugen herrschen, wie <
von Moesta im Norden aus den Silbergruben von Chanarcillo b
schrieben worden ist/^
Diesem Ergebnisse stehen die späteren Angaben Steinmann
über die Cordillera von Coquimbo und Copiapö entgegen. Na«
Steinmann liegt unmittelbar auf altkrystallinischem Gebirge sei
veränderter Kalkstein mit Avicula. Hierauf folgt, durch ein Syste
' von Porphyr und Porphyrsandstein getrennt, eine Reihe von Coi
glomerat, Sandstein und Schieferthon mit einer Flora von rhät
schem Gepräge, dann der Gryphitenkalk des Lias mit Arietite
Gryphaea arcuata u. And., hierauf der obere Lias, dann mehrei
Stufen des europäischen unteren braunen Jura, namentlich jer
des Harpoceras Murchisonae, H. Sowerbyi und Stephanöcen
Sauzei. Ueber dieser letzten Zone liegt ein Tausende von Fusse
mächtiges System von Porphyrsedimenten und Porphyr, weicht
dem Alter nach bis in die Kreideformation reicht. Bei Chafiarcill
sind Mittelneocom und Urgon als Kalkstein, wieder mit europä
schem Gepräge, vorhanden, und sie keilen sich in den Porphy
Sedimenten aus.^^
Hienach dürfte man wohl die buntgefärbten Sandsteinlagt
mit Porphyr, welche Brackebusch auf den Höhen der silurischt
Ketten von Jujuy antraf und der erdölreichen Zone zuzählte, a
Theile der mesozoischen Reihe der grossen Cordillere ansehen.
Die Juraformation zieht sich nun gegen S., ist z. B. unter de
Vulcan S. ]os6 und ebenso unter dem Vulcan von Tinguiriri^
bekannt, und zwar zu beiden Seiten des Passes de las Dama
Hier soll nach einer Beobachtung Domeyko's der Granit in d
Colchagua. Ablenkung der jurassischen Zone. 6 7 I
Tiefe des Tinguiriricathales, also an der Westseite der Cordillere,
sichtbar sein/^
In der ganzen Provinz Colchagua, also bis 35° 21' bleiben
nach Pissis die mesozoischen Schichten westwärts auf die höchsten
Kämme der Anden beschränkt und erreichen ihre grössere Ent-
wicklung auf der Ostseite/* Diesem entsprechend fand Strobl
jurassische Versteinerungen im oberen Thale ,de las Lenas ama-
rillas*, fast zwei Tagereisen östlich von der Wasserscheide auf
argentinischem Gebiete, in -grünlichem Sandstein. Hier taucht
östlich von den Anden Granit hervor und Trachyt erreicht eine
grosse Ausdehnung. Der trachytische Detritus bildet die Ober-
fläche eines grossen Theiles oder der ganzen Gran Pampas del
Sur, SW. von S. Rafael.^^
Spuren mesozoischer Fossilien sind an dem Westabhange der
Anden noch viel weiter gegen S. bekannt; selbst von Chiloe werden
solche angeführt. Steinmann führt die vermuthlich untercretacische
Trigonia transitoria von Caracoles in Bolivia, von der Cordillere
von Chillan (36° 18' südl. Br.) und noch aus der Nähe des Vulcan's
Antuco (37"* 16') an. Die sonstigen Nachrichten aus diesen Ge-
bieten, welche mir zur Verfügung stehen, sind nur äusserst spär-
lich und beziehen sich wahrscheinlich durchwegs auf cretacische
Vorkommnisse, wie wir deren bald mehr aus dem Süden anzu-
führen haben werden. —
Es ergibt sich aus dem Gesagten, dass die Hauptkette der
Cordilleren vom südlichen Peru durch Bolivien und Chile, mit Aus-
nahme einzelner archaischer Vorkommnisse im Süden, aus Sedi-
menten aufgebaut ist, welche nicht älter als die permische, wahr-
scheinlich nicht älter als die rhätische Zeit sind. Diese Sedimente
tragen in geradezu erstaunlicher Weise Zone für Zone das Ge-
präge europäischer Jura- und Kreidehorizonte. Sie haben im
Norden ihre hauptsächliche Entwicklung an der Westseite des
Hochgebirges. Sie sind südwärts auf vielen Passhöhen zwischen
den Vulcanen bekannt, liegen in der Gegend des Aconcagua in
grossen Höhen, scheinen aber S. vom Vulcan Planchon mehr und
mehr auf die Ostseite hinüberzutreten. Es ist fast, als sollte auch
in dem Verlaufe dieser Zone die allgemeine Ablenkung der Anden
gegen Südost zum Ausdrucke gelangen.
672 Die Küsten-Cordilleren.
Ausgedehnte Massen vulcanischer Ergüsse und Aschen aus
neuerer Zeit lasten auf dieser Zone. Grosse selbständige Trachyt-
gebirge erscheinen auf oder neben derselben oder zwischen ein-
zelnen Theilen derselben. Die thätigen Vulcane treten, wie ge-
sagt, auf zwei getrennten Linien hervor. Die nördliche, von Bolivien
bis zum 26.° südl. Br., ist ganz dieser Zone aufgesetzt. Die süd-
liche beginnt in 34** in dieser selben Zone, aber während die juras-
sischen Ablagerungen gegen SO. abzuschwenken scheinen, setzt
sich die vulcanische Linie gegen Süden fort.
Die Küsten-Cordilleren. und Patagonien. Während die
Hauptkette der Anden in Bolivien und Chile als die jurassische
Zone eines weitläufigen System's von mehr oder minder parallelen
Ketten sich zu erkennen gibt, ist es nach den vorliegenden, nicht
ganz übereinstimmenden Nachrichten sehr schwer, sich über die
Zusammensetzung der westlich folgenden Tiefenlinie Klarheit zu
verschaffen.
Nach Pissis w^ürde der Untergrund der Wüste Atacama, ab-
gesehen von den bereits erwähnten Schollen von rothem Sand-
stein und mesozoischem Kalk, welche bis zur Westseite reichen,
aus eruptiven Felsarten von verschiedenem Alter bestehen, und
zwar sollen diese so angeordnet sein, dass die ältesten Eruptiv-
gesteine gegen Westen sichtbar werden, gegen Ost aber immer
jüngere folgen. Im Westen der Wüste, an der Küsten-Cordillere
und einen Theil derselben bildend, führt PiSsis syenitische Höhen-
züge an. Diese werden gegen die grosse Depression hin spar-
samer und an ihre Stelle treten Augitporphyr und Mandelstein,
welche ihrerseits wieder gegen Ost dem Trachyt Raum geben.
Noch weiter gegen Ost, auf der Höhe der Anden folgen dann
junge Trachyte, Laven und Bimsstein.^°
Gegen Süden wurde Aehnliches nicht bemerkt. Pissis gibt
an, dass in der nördlichen Fortsetzung des chilenischen Läng-en-
thales und auch in südlicheren Theilen des Thaies selbst, wie in
den Provinzen S. Jago und Colchagua, der rothe, wohl mesozoi-
sche Sandstein den grössten Theil des Westabhanges der Anden
und einen guten Theil der Seiten des Thaies bilde. An vielen
Stellen ist der Abhang der Anden mit den Laven und Aschen der
Morro de Arica. Cobija. Mejillones. 67 3
Vulcane bedeckt; bei Teno in Colchagua tritt sogar ein grosser
Lav^tstrom von den Anden her quer über das Längenthal und trennt
dasselbe. Ein beträchtlicher Theil der Niederung ist ausgefüllt
mit einer ungeschichteten Decke von sandigem Thon, welcher
Mastodon Andium enthält und nach Domeyko grosse Aehnlich-
keit mit dem Thon der brasilischen Pampas besitzt.^'
Sehr bezeichnend für den Bau der grossen pacifischen Ketten
ist die Beschaffenheit der Cordilleren der Küste. Es muss
erwähnt werden, dass diese Ketten im Norden nur durch Trüm-
mer vertreten sind und dass sie erst im Süden Zusammenhang
gewinnen. Ihre Gesteine sind in der Lagerung beträchtlich ge-
stört, oft heftig gefaltet, stets von altem Aussehen. Hervorragende
chilenische Geologen wollten in denselben die Vertreter der ver-
steinerungsreichen silurischen und devonischen Formationen des
bolivischen Hochgebirges erkennen. Aber man hat in dem ganzen
Gebiete dieser Ketten noch nie in anstehendem Gestein eine be-
stimmbare Spur organischer Reste der paläozoischen Zeit auf-
gefunden und es kann daher diese Voraussetzung nicht als er-
wiesen gelten.
Wohl gibt d'Orbigny an, in einem der nördlichen Theile, im
Morro de Arica, Bruchstücke von Productus in Kalkblöcken ge-
troffen zu haben, welche in Porphyr eingehüllt waren, aber
D. Korbes hat seither den Morro beschrieben und hält das carbo-
nische Alter desselben nicht für erwiesen. Er traf dort einen
Wechsel von fremdartigem Porphyr und verändertem Schiefer,
sowie eine dünne Lage von Kalkstein mit sehr undeutlichen or-
ganischen Resten und hat kein Urtheil über ihr Alter zu fallen
gewagt.^'
Weiter im Süden treten Gneiss und Granit hinzu, und Glimmer-
schiefer und Ouarzite. Dies ist schon in Atacama der Fall, doch
bestehen auch die schwarzen Klippen bei Cobija aus einem dunklen,
harten, mit Epidot durchsprengten Gestein, welches D. Forbes
für ein durch den nahen Diorit oder Porphyr verändertes thoniges
oder thonig-kalkiges Sedimentgestein zu halten geneigt ist.
Bei Mejillones ist Granit vorhanden und häufig wiederholen
sich südwärts die Vorkommnisse von Granit an der Küste. Nörd-
lich von Valparaiso trifft man an der Küste Gneiss, über dem-
674 Talcahuano. Cordillera de Nahuelbuta.
selben Quarzit, zuweilen von Talkschiefer begleitet, und dann
folgt als höchstes und am meisten ausgebreitetes Glied dieses
stark gefalteten und gestörten Gebirges ein Wechsel von Schiefer,
jaspisführenden Lagen und Quarzit.
Noch weiter südwärts, an den nördlichen Zuflüssen des Rio
Rapel, löst sich die Küsten- Cordillere in eine Reihe niedriger,
aber schroffer Berge auf, bald tritt jedoch knapp an der Küste eine
neue Kette von mehr gerundeten Höhen hinzu. So streckt sich
das Gebirge südwärts fort, übersetzt endlich die Strasse von An-
cud und bildet die dem Busen von Corcovado vorliegende Reihe
von Inseln.
Schon weit im Norden zeigen sich an den dem Meere zuge-
kehrten Abhängen vereinzelte Schollen einer marinen Tertiär-
bildung, aber auch diese schliessen sich erst im Süden etwas näher
aneinander und unter ihnen werden hier an vereinzelten Stellen
auch Schollen der oberen oder mittleren Kreideformation sichtbar.
Diese sind dem Gneiss, Quarzit oder Schiefer der Küsten-
Cordilleren unmittelbar aufgelagert, und die Kohlenbaue, Avelche in
ihnen getrieben werden, lassen zahlreiche Verwerfungen erkennen.
Die wichtigsten Aufschlüsse dieser Art, nämlich der ober-
cretacische, baculitenreiche Grünsandstein von Tom^ in der Bucht
von Talcahuano und die tertiären Kohlenvorkommnisse der Bucht
von Arauco« wurden an früherer Stelle (S. 129, Fig. 6) erwähnt
und bilden den Doppelzacken der Küste. Nördlich und südlich
von dieser Strecke sind wiederholt jüngere Schichten sichtbar.
Concha y Toro zählt die tertiären Schichten, welche in der Provinz
S. Jago und insbesondere von Rio Maipo bis zum Vorgebirge
von Topocalma der Küsten-Cordillere gegen das Meer hin an-
lagern, beiläufig in die mittlere Eocänzeit.^^
Die Cord, de Nahuelbuta, welche als ein Theil der Küsten-
Cordilleren durch Arauco zieht, nimmt nach Philippi gegen S. an
Höhe und Breite zu, erreicht 1500 M. und besteht aus Granit und
Glimmerschiefer. Gegen W. ist sie von einem etwa 150 M. hohen
Plateau begleitet, welches von den tertiären kohlenführenden Ab-
lagerungen gebildet ist.^*^
Deutlich erkennt man in den Buchten von Talcahuano und
Arauco, dass die jüngeren Schollen ein Streichen im Sinne der
Chiloe. Chonos. Tres Cerro». 675
Cordillere und der Küste verfolgen, und da wir durch Darwin
wissen, dass eine Anzahl aussenliegender kleiner Inseln, wie
Mocha (38" 20'), Huafu SW. von Chiloe, dann Ypun (44° 36'), nach
Simpson's Angaben wohl auch das SW. von Ypun gelegene Hu-
ambHn (Socorro), dannLemu (45° 12') aus marinen Tertiärschichten
bestehen, scheinen ausgedehntere tertiäre Längenzüge im Sinne
der Küste vorhanden zu sein.
Die Kenntniss der südwestHchsten und südlichsten Theile von
Amerika beruht hauptsächlich auf den Beobachtungen, welclie
Darwin vor bald fünfzig Jahren hier sammelte, und aus den leider
erst im Auszuge bekannten wichtigen Untersuchungen Steinmann's.
Es ergeben sich folgende Grundzüge des Baues.'^'
Von Valdivia zieht eine Zone von Glimmerschiefer herab,
welche den ganzen Westen und Süden von Chiloe bildet, während
die Mitte dieser Insel aus Granit und Grünstein bestehen soll, im
Norden derselben vulcanische Bildungen sich zeigen und ein
grosser Theil des Ostens mit Block- und Geröllablagerungen ge-
deckt ist.
In den Chonos-Inseln sieht man wieder Glimmerschiefer und
Thonschiefer, und in denselben einige alte eruptive Gesteine. Auf
dem Festlande in etwa 45° 20' in den Unterlauf des Rio Aysen
eindringend, gewann Simpson den Eindruck, dass das Gebirge
südlich und wahrscheinlich auch nördlich von demselben nicht
mehr aus einer zusammenhängenden Cordillere bestehe, sondern
aus vereinzelten Bergen, welche nur durch Verlandung vereiniget
seien. Nördlich vom Aysen, unter M. Macd, verzeichnet derselbe
noch einen kleinen, nicht thätigen Vulcan.-'^
Aehnliche Felsarten, wie die Chonos, bilden nach Darwin
auch das Vorgebirge Tres C"erros (46" 50'); zum Glimmerschiefer
tritt Glanzschiefer und ein schwach anthrazitischer Schiefer; es
ist viel Quarz vorhanden ; das Streichen ist im Durchschnitte
N. 19° W.
Eine breite Zone einer sedimentären Felsart, welche Darwin
als .Thonschiefer' bezeichnet, nach Steinmann aber durch die zahl-
reichen Einlagerungen von hartem Sandstein sich von jenen Ab-
lagerungen unterscheidet, welche man in der Regel als Thoii'
schiefer zu bezeichnen pflegt, zieht sich weit vom Noi
676 Magellan's-Strasse.
letzten Beobachter zufolge sogar vielleicht schon von Valdivia
her, an der Ostseite des Gebirges herab. Diese Zone erreicht in
der Braunschweig-Halbinsel die Wässer der Magellan's-Strasse,
bildet gegen SO. beide Seiten des Admiralitäts-Sundes, erreicht
dann den Beagle-Canal nahe O. von seiner Gabelung, bildet beide
Ufer desselben bis zur Strasse Le Maire und S. vom Beagle-Canal
die ganze Navarin-Insel und die O. Hälfte der Hoste-Insel und der
Hardy-Halbinsel. An den N. Rand dieser grossen Zone legen
sich im Feuerlande die horizontalen tertiären und noch jüngeren
Schichten, aus welchen bis zur S. Polycarp's-Bucht hinab das ganze
tafelförmige Land besteht.
Diese grosse Gebirgszone ist von cretacischem Alter. Schon
weit im Norden, zwischen Laguna Argentina und Laguna Rica
traf Steinmann zwei durch verschiedene Arten von Inoceramus
ausgezeichnete Horizonte; S. davon, am Fusse des Cerro Paine
(etwa 51° 30') fand derselbe ein jungcretacisches Haploceras,
Ananchytes u. And., endlich zwei Grade südlicher, am Rio S. Juan
auf der Halbinsel Braunschweig abermals Inoceramen. Am M. Tarn
und bei Port Famine sind dunkle, kalkige Einlagerungen vorhan-
den; hier würden zuerst von Hombron und Grange, dann von
Darwin untercretacische Fossilien gefunden; Ancyloceras simplex
Orb. kommt hier vor. In dem SO. Theile dieser Zone endlich, in
Nassau-Bay, traf Dana in Menge jenes sonderbare, zu den Belem-
nitiden gehörige Fossil, welches er Helicerus fuegensis nannte.^^
Diese cretacische Zone nimmt stellenweise ein ganz paläo-
zoisches Aussehen an. Der Schiefer ist von Gängen, häufig auch
von grösseren Massen eines älteren hornblendereichen Eruptiv-
gestein's durchbrochen. Solche ältere eruptive Felsarten nehmen
beträchtlichen Antheil an der Zusammensetzung der WoUaston-,
Hermite- und Hoorn-Inseln. Die vorliegenden Inseln Ildefonso und
Ramirez sollen nach Wedell's Aufsammlungen aus einer älteren
porphyrartigen Lava bestehen. Jüngere vulcanische Vorkomm-
nisse fehlen dem Feuerlande ganz.
Westlich von der Gabelung des Beagle-Canal's, sagt Darwin,
treten die alten vulcanischen Felsarten zurück und man sieht
Uebergänge des Thonschiefers in eine Zone von Glanzschiefer
und von feinkörnigem Gneiss, welchem ein grosser Zug von
Das EDd« der KüstcD-Cordilleren. 677
granatreichem Glimmerschiefer folgt. Den westlichen Theil des
Gebietes scheinen nur Gneiss und Hornblendeschiefer zu bilden,
welche auf kahlen Granitbergen ruhen, und diese Gesteine sind es
wahrscheinlich, die sich nordwärts durch Desolation-Land fort-
setzen. Die wesdichste Reihe vorliegender Inseln besteht aber-
mals aus den älteren Eruptivgesteinen.^* —
Man bemerkt, dass im Süden die amerikanischen Gebirge eine
volle Wendung im Streichen erst gegen SSO., dann gegen SO.,
gegen O., endlich, nach Darwin's Angabe, sogar gegen ONO.
vornehmen.
Weiter ergibt sich, dass diese südlichen Gebirge nicht, wie
man wohl anzunehmen gewöhnt ist, als eine Fortsetzung der
Hauptcordillere anzusehen sind, sondern dass sie den Cordilleren
der Küste entsprechen. Die Beschreibung des Morro de Aricä,
weit im Norden an der bolivischen Küste und etwa jene der Klippen
von Cobija sind unter allen bisher erwähnten Vorkommnissen den
Gebirgen des Feuerlandes am ähnlichsten.
Darwin war nicht ganz abgeneigt, die "Züge von Gneiss und
Glimmerschiefer als veränderte cretacische Gesteine anzusehen;
Steinmann hat sich über diese wichtige Frage bisher nur zweifelnd
und zurückhaltend ausgesprochen.^'
Es hat sich gezeigt, dass die aus sehr alten Felsarten gebil-
deten östlichen Sierren der argentinischen Republik aus ihrem
meridionalen Streichen gegen SQ. in. S. Tandil und S. Ventana
ihre Fortsetzung finden. Es ist die Andeutung eines Abschwenkens
der jurassischen Zone in demselben Sinne vorhanden. Nun sehen
wir einen langen Gebirgszug, welcher als die Fortsetzung der
Küsten-Cordilleren zu betrachten ist, ebenfalls in demselben Sinne
gebeugt. Die jungen Vulcane folgen dieser Beugung nicht. Man
dürfte hoffen, aus der Beschaffenheit der Falklands-Inseln weiteren
Aufschluss zu erhalten ; diese bestehen aber in ganz abweichender
W^eise aus gefalteten Schichten mit paläozoischen Fossilien.*"
Peru. Das Hochgebirge von Potosf und Cochabamba sinkt
gegen Osten zu der weiten, mit Urwald bedeckten Ebene von
S. Cruz de la Sierra herab. Zwei grosse Ströme treten nahe an-
einander aus dem Abfalle hervor, der Rio Grande, welcher nord
i
678 Rückblick auf Bolivien.
wärts zum Amazonenstrome, und der Pilcomayo, welcher süd-
wärts zum La Plata fliesst. Die Wasserscheide zwischen beiden
ist aber so flach, dass auf derselben der Rio Parapiti in den
Sümpfen des Urwaldes verloren geht und nur bei Hochw^ässem
Abfluss findet.
Weithin umgibt nun die waldbedeckte Ebene den Ostfuss des
Hochgebirges, bis aus derselben, schon näher der Grenze von
Matto Grosso, eine lange und niedrige, den Anden parallele
Kette hervortritt, deren südöstliches Ende die AUuvien des
Paraguay erreicht, und welche, wie d'Orbigny gezeigt hat, aus
Gneiss, altem Schiefer und Quarzit besteht/* Sie scheint eine
ähnliche Lage zu den Anden zu haben wie die argentinische Sierra
de Cördoba.
Wir wenden uns dem Hochgebirge im Westen zu. —
Dass gerade in den bolivischen Anden der Ausg-angspunkt
dieser Darstellung des Hauptzuges der Cordilleren g-enommen
worden ist, hat nicht in irgend einer etwa gerade an dieser Stelle
eintretenden Abänderung des Baues seinen Grund, sondern in der
genaueren Kenntniss, welche wir .von dieser Strecke besitzen.
Aber es lässt sich nicht leugnen, dass nordwärts ganz allmälig
andere Verhältnisse eintreten.
Im Süden sahen wir gegen das Innere des Continentes die
parallelen und aus archaischen und paläozoischen Felsarten zu-
sammengesetzten argentinischen Ketten; diesen folgt g'eg-en das
Meer hin die jurassische Zone, welcher die Vulcane aufg-esetzt
sind, und am Strande erheben sich vor dieser die Rücken und
Klippen der Küsten-Cordilleren, in welchen von versteinerungs-
führenden Schichten keine älteren als solche der Kreideforma-
tion bekannt sind.
Weiter im Norden zeigte sich in den bolivischen Anden trotz
des mehr gegen Nordwest gerichteten Streichens so ziemlich der-
selbe Bau. Die silurischen Sierren von Salta und Jujuy finden
ihre Fortsetzung in den Hochgebirgen des lUampu und des Illi-
mani; ihnen vorgelagert ist erst eine devonische, dann eine Zone
von Kohlenkalk, welche von Cochabamba über den Titicaca-See
gegen Carabaja und Cuzco zieht. Ihr folgen seewärts Porphyre
und rother Sandstein, die mesozoische Zone mit den Vulcanen,
Pero. 67g
endlich die Riffe der Küsten-Cordülere bei Arica und an anderen
Orten.
Die Bezirke von Ayacucho und Huancavelica und die Um-
gebung von Lima lassen nach Crosnier's Darstellung bereits einige
Veränderung erkennen/'
Auch hier trifft man zuerst, ob man vom Strande bei Ica
gegen das silberreiche Gebiet von Castro Vireina am West-
abhange der westlichen Cordillere aufsteigen oder ob man von
Lima ausgehend dem Thale des Rimac nach aufwärts folgen mag,
auf die breiten und häufig Gold führenden Granitrücken der
Küsten-Cordilleren, und diese sind von aufgerichteten Bänken von
Kalkstein und Sandstein begleitet, welche der unteren Kreide-
formation anzugehören scheinen. Solche Schichten bilden das
kleine Vorgebirge Chorillos und die Insel S. Lorenz© bei Lima/^
Nachdem der Granit gekreuzt ist, sieht man oberhalb Lima
ähnliche geschichtete, porphyrähnliche Felsarten, wie sie in Chile
eine so grosse Rolle spielen, und dann folgt in steilen Wänden
hoch aufgerichteter mesozoischer Kalkstein bis zu dem über
4800 M. hohen Passe. Diese Kalkmasse bildet auf eine weite
Strecke den First der westlichen Cordillere, wie das auch im
nördlichen Chile der Fall ist. An dem ösdichen Abfalle folgt dem
Kalkstein abermals sogenannter geschichteter Porphyr, hierauf
eine grosse Masse von geschichtetem, kohlenführendem Sandstein
und Quarzit, welche das Längenthal von Oroya einnimmt.
Die Beobachtungen Crosnier's gestatten, dieses Querprofil
von einer südlicheren Strecke dieses Längenthaies aus, von Ischu-
chaca über Pampas gegen Cochabamba, zum Ostabhange der öst-
lichen Cordillere fortzusetzen. Unter dem Kohlensandstein taucht
dort dunkler Kalkstein hervor und Porphyrconglomerat ; dann
folgt bei wesentlicher Veränderung der Bergformen ein Zug von
Thonschiefer und von grünem, chloritischen Schiefer, bis bei
Cochabamba ein langer Zug von Granit sichtbar wird.
Hier wollen wir abbrechen, um den zwischen der ersten und
zweiten Cordillere hinziehenden Kohlensandstein zu betrachten.
Dieser Sandstein ist es, welcher die reichen, an der Ostscilc 1
westlichen Cordillere liegenden Quecksilberjjruben ■
velica umschliesst.
68o Huancavelica. Ancachs.
In der Quecksilbergrube Ventanilla S. von Huancavelica selbst
hat Crosnier ein Kohlenflötz gesehen. Der Zinnober ist in die
Zwischenräume und Spalten des Sandstein's eingedrungen. Der
Sandstein und der die Kohle häufig begleitende Schiefer führen
Ammoniten. In diesem Gebiete, in dem Längenthaie von Oroya
und Jauja liegen Fundorte von Versteinerungen, z. B. bei Tingo
und in der Quebrada von Huari. Auch die kohlenführenden
Schichten von Pariatambo und des Cerro della Ventanilla gehören
hieher, aber in Bezug auf das Alter derselben herrscht Meinungs-
verschiedenheit. Gabb stellt sie in den Lias, Steinmann wohl mit
grösserem Rechte in die Kreideformation/*
Dieser kohle- und quecksilberführende Horizont ist schon in
Bolivien, bei Pufio, bekannt, also an der Innenseite der grossen
mesozoischen Zone gegen den Titicaca-See, und ebenso erscheint
er hier an der Ostseite des Kalkzuges, welcher den grössten Theil
der westlichen Cordillere bildet. Viele Meilen weit zieht sich der-
selbe von Huancavelica an dem Ostabhange der westlichen Kette
hin, und die peruanischen Bergleute behaupten sogar, dass er
ununterbrochen, jedoch mit wechselndem Reichthume, durch ganz
Nordperu sich erstrecke. —
Für die N. von Lima folgenden Gebirgszüge bieten Rai-
mondi's Arbeiten und insbesondere seine inhaltsreiche Beschrei-
bung des Departement's Ancachs eine reiche Quelle der Be-
lehrung.*^
Hier sind östlich von einem niedrigen Höhenzuge, Avelcher
die Küste begleitet, drei grosse Cordilleren und drei Läng-en-
thäler vorhanden. Die erste Cordillere nennen wir mit Raimondi
die Cordillera Negra; sie dacht ostwärts zu dem ersten grossen
Längenthaie ab, dem Callejon de Huaylas. Der Callejon krümmt
sich im Norden in einem grossen Bogen, dessen Scheitel etwa in
8° 40' südl. Br. liegt, dem Meere zu, durchschneidet die Cordillera
Negra, und der ihn durchströmende Fluss, welcher in dieser Strecke
Rio de Santo heisst, erreicht in 9° nördl. Br. das Meer. — Die
zweite Kette ist die Cordillera Nevada; sie ist im Süden mit
der ersten vereinigt, streicht dieser parallel gegen NNW. und
dacht westlich zum Callejon de Huaylas, östlich zum Maranon ab;
sie bildet daher die Wasserscheide der beiden Oceane. — Oestlich
Küsten-Cordilleren ia Peni. 68 I
vom Maranon, zwischen diesem und dem Huallaga, liegt die
dritte Kette; wir werden sie als die östliche CordiUere be-
zeichnen; über diese liegt die geringste Anzahl von Beobach-
tungen vor.
Verfolgt man nun nach Raimondi's Angaben vom Meere land-
einwärts den Bau dieses Landes, so sieht man zuerst, dass die in
unmittelbarer Nähe des Strandes fortlaufende Zone von niedrigen
Bergen aus Syenit, Granit oder einem Grünstein besteht, welcher
häufig von einer rothen Verwitterungsschichte bedeckt ist. Mit
diesen Felsarten von sehr altem Aussehen erscheinen an einzelnen
Stellen, ganz wie im Süden, Schollen von versteinerungslosem
Sandstein und Schiefer, so im Hafen von Casma und an der Cu-
lebra, und an der letzteren Stelle sind diese Schichten in so auf-
fallende, schlangenförmige Faltungen gebogen, dass Raimondi
vermuthet, der Name sei daher entnommen.
Dieser Höhenzug, welcher an der ganzen Erstreckung von
Ancachs bald in vereinzelten Kuppen, bald, wie zwischen Casma
und Nepena, in zusammenhängenden Rücken aus dem Sande des
Strandgebietes herauftagt, bildet ohne Zweifel die Fortsetzung
der Küsten-Cordilleren des Südens.
Die Cordillera Negra besteht beinahe ausschliesslich aus
mesozoischen Schichten, welche vorwaltend seewärts geneigt sind;
es sind aber fast nur Ablagerungen von Sandstein und Schiefer;
Kalkstein ist in sehr geringer Menge sichtbar und eine Fort-
setzung des oberhalb Lima sich erhebenden Kalkzuges scheint hier
nicht vorhanden zu sein. Diese Sandstein- und Schieferschichten
führen KohlenflÖtze. Ein beträchtlicher Theil derselben dürfte den
kohlenfuhrenden Ablagerungen von Pariatambo entsprechen.
Die Cordillera Negra ist an vielen Orten von einem jüngeren
Diorit durchsetzt, welcher der stete Begleiter der Silbererze dieses
Gebirgszuges ist.
Der Callejon ist der Hauptsache nach ein Auswaschungsthal.
Der westliche Abhang der Cordillera Nevada wird von groben
Bänken von weissem oder bläulichem Sandstein gebildet, welcher
bei steiler Aufrichtung doch in demselben Sinne geneigt ist wie
die Schichten der Cordillera Negra, weldie letztere daher mit Ihrer
ganzen Masse jenen der Cordillera Nevaaa aufgelagert sind.
682 Cordillcra Negra und Cord. Nevada.
Gegen Huaraz und Caraz treten zu den Sandsteinbänken der
westlichen Cordillera Nevada auch untergeordnete Züge von
Mergel und Kalkstein.
Die höchsten Gipfel dieser mächtigen Kette bestehen aus
aufgesetzten Massen von Trachyt. Wohl werden granitische Fels-
arten erwähnt, aber Raimondi betont zu wiederholten Malen die
Schwierigkeit, sie von den Trachyten zu trennen, und ihr jugend-
liches Alter.
Die Grünsteine der Cordillera Negra erreichen kaum die
Gipfel der Cordillera Nevada, dagegen erscheinen vereinzelte
trachytische Massen, insbesondere auch trachytische Conglo-
merate in flacher Lagerung auch auf der yöhe der Cordillera
Negra, und Raimondi vermuthet, dass diese von Eruptionsstellen
auf der Cordillera Nevada stammen, und zwar aus einer Zeit, in
welcher das Erosionsthal, welches heute die Ketten trennt, der
Callejon, noch nicht bestand.
Es sind weder auf der Cordillera Negra, noch auf der Cordillera
Nevada thätige Vulcane bekannt.
An der Ostseite der Cordillera Nevada, jenseits der trachy-
tischen Gipfel, sind bis zur Schneeregion hinauf steil aufgerichtete,
wohl auch gefaltete Schichten von verändertem Sandstein in den
Provinzen Huari und Pomabamba sichtbar.
Im südlichen Huari und einem guten Theile von Pomabamba
aber ist dieser Sandstein überlagert von jüngeren, doch ebenfalls
gestörten Lagen von Schieferthon und Sandstein mit Kohlen-
flötzen, welche eine Wiederholung der kohlenreichen Ablage-
rungen der Cordillera Negra bilden.
Ausserdem ist, es mag nun der kohlenführende Horizont der
Juraformation oder der Kreide zufallen, über demselben an beiden
Abhängen der Cordillera Nevada, einerseits in dem Bezirke Caja-
tambo und andererseits bis zum Maranon hinab, ein jüng-erer
Kreidemergel in abweichender Lagerung vorhanden, in welchem
viele Echiniden, auch Actaeonella, Ostrea, Neithea quinque-
costata und Buchiceras-Arten vorkommen.
An dem südlichen Theile dieses Abhanges, im Quellg-ebiete
des Maranon, liegt der Ort Huallanca, von welchem Steinmann
den tithonischen Perispmnctes senex, ferner Brancoceras aeg-oce-
Der obere Marafion. 683
ratoides und Acanthoc. Lyelli aus dem Horizonte des Albian be-
schrieben hat. —
Der Lauf des Maranon entspricht nicht ganz genau dem
Streichen der Schichten. In einem Theile seines Oberlaufes ist er
in alten, goldführenden Talkschiefer eingeschnitten, welcher etwas
südlich vom 9." südl. Br., bei Uca, in Begleitung von Granit von
der hohen östlichen Cordillere her auf das linke Ufer des Flusses
herübergreift. Weiter im Norden, bei Puerto di Puruay, ist der
Strom in antiklinal geneigte mächtige Lagen von rothem Sand-
stein und Mergel mit Gyps und Salz eingesenkt, welche der Trias
zugezählt werden ; über ihnen lagert ein vermuthlich jurassischer
Kalkstein und dann der cretacische Mergel. Die rothen Sandstein-
lagen bilden wohl die Unterlage der ganzen Schichtfolge der Cor-
dillera Nevada und der Cordillera Negra.
Der jenseits des Maranon folgende Abhang der östlichen
Cordillere besteht aus goldführendem Talkschiefer von paläozoi-
schem oder noch höherem Alter. In der Nähe der Stadt Pallasca,
nahe der Grenze von Ancachs und Libertad, tritt dieser alte gold-
reiche Schiefer an einer vereinzelten Stelle aus den mesozoischen
Schichten der nördlichen Cordillera Nevada hervor. —
In diesem Theile von Peru gestaltet sich also die Structur des
Gebirges etwa folgendermassen :
Das allgemeine Streichen der Schichten und der Ketten, der
Meeresküste und der grossen Stromthäler ist gegen NNW. ge-
richtet.
An der Küste sind ähnliche Felsarten von altem Aussehen,
dann Schiefer und Sandstein vorhanden, wie in den Küsten-Cordil-
leren von Bolivien und Chile.
Die Cordillera Negra und Cordillera Nevada, also alle Ge-
birge bis zum Maranon, bestehen aus mesozoischen Schichten,
wahrscheinlich vorherrschend der Kreideformation zufallend. Die
(jipfel der Cordillera Nevada und einige Gipfel der Cordillera
Negra sind von Trachyt gekrönt.
An einer Stelle tritt unter den Schichten der Cordillera Ne-
vada am Maraiion rother Sandstein mit Salz und Gyps hervor.
Oestlich vom Maranon liegen die grossen Massen älterer
Schiefergesteine und Granite, so dass die hohen Gebirge, welche
684 Südliches Ecuador.
vom Illimani und lUampu her die Cordillere vom Carabaya und
die Ketten von Cuzco bilden, ihre etwaige Fortsetzung nur zwi-
sehen dem Maranon und dem Huallaga finden können.
Endlich will ich erwähnen, dass Raimondi in der unmittel-
baren Nähe der Küste an zwei Orten Spuren jüngerer vulcanischer
Felsarten angibt, nämlich Basalt in der Nähe der Cvilebras und
eine jüngere Lava S. von Casma. Dies ist um so bemerkens-
werther, als in dem nahen Meere manche Spuren vulcanischer
Thätigkeit bekannt sind und erst kürzlich, im Jahre 1881, nicht
allzu weit von hier, in 7^48' S., 83° 48' W., 188 Seemeilen von
Funta Aguja, eine neue vulcanische Insel sich gebildet haben soll.''^
Orton's Darstellungen der geologischen Structur des nörd-
lichsten Peru und dessen Profil von Pacasmäjo zum Huallaga
scheinen mir nicht ausreichend, um die Grundzüge der Structur
mit einiger Zuverlässigkeit zu erkennen/^ Im Allgemeinen dürften
sich die Vorkommnisse von Ancachs wiederholen. Das von Hyatt
nachgewiesene Erscheinen der Gattung Buchiceras zu Cachiyacu,
W. vom Huallaga, dann zu Cayamarca und N. davon bei Celendin
deuten auf eine Fortsetzung der cretacischen Schichten aus dem
Amazonenthaie hin/* Von Ipishguanüna (Piscoguanuna) zwischen
dem Maraiion und dem Huallaga, dann von Tingo bei Chacha-
poyas führen Orton und Hyatt Lias-Fossilien an.
Ecuador, Columbien und Venezuela. Der Bau des süd-
lichen Ecuador ist in den letzten Jahren durch Th. Wolfs ver-
dienstliche Forschungen näher bekannt geworden.^"*
Von der Südgrenze des Staates etwa bis 2° südl. Br. bestehen
die Anden aus zwei parallelen, im Süden sich mehrfach verbinden-
* den Cordilleren. Die östliche Cordillere ist aus Gneiss, Glimmer-
schiefer, chloritischem Schiefer und anderen altkrystallinischen
Felsarten zusammengesetzt ; diese streichen wie die Cordillere
von S. gegen N. ; ihre Erstreckung gegen Ost ist unbekannt. Die
westliche Cordillere wird dagegen von alten Eruptivgesteinen von
grosser Mannigfaltigkeit gebildet, welche als , Porphyre und grüne
Gesteine* bezeichnet werden ; auch einige Granitmassen treten
zwischen derselben hervor. Gegen Nord schliessen sich daran
Conglomerate und flyschartige Gesteine.
Das interandinische Gebiet 685
An der Westseite der westlichen Cordillere, gegen das Meer
hin, treten cretacische Ablagerungen auf; der Golf von Guayaquil
verengt ihr Gebiöt, aber nördlich von demselben erscheinen sie
wieder in ansehnlicher Breite und reichen von da weit gegen Nor-
den. Eruptive Grünsteine begleiten die Kreide, insbesondere in
den Provinzen Guayaquil und Manab^.^^
Die Grenzregion zwischen der östlichen und der westlichen
Cordillere verläuft zwischen dem 8i. und 82. Meridian und wird
von Wolf als das »interandinische Gebiet* bezeichnet. Diese
Grenzregion ist von grösster tektonischer Bedeutung. Auf der-
selben liegen S. von der Stadt Loja und bei der Stadt selbst zwei
mit jungen, blattführenden Bildungen ausgefüllte Niederungen.
Etwas nördlicher, im Quellgebiete des Rio Jubones, treten auf
diesem interandinischen Gebiete, von S. in W. gegen N. in O. an-
einandergereiht, die ersten Vorläufer der grossen Vulcane des
nördlichen Ecuador hervor. Es sind vornehmlich Andesite. Sie
erscheinen in drei Strecken, und zwar am oberen Jubones, dann
S. von Cuen^a, dann N. von dieser Stadt im Azuay.
Zwischen den beiden letztgenannten vulcanischen Massen,
NO. von Cuencja, wird auf dem interandinischen Gebiete eine
fremdartige Scholle sichtbar, die ,arenisca de Azogues*, der queck-
silberführende Sandstein. Er ist blaugrau, mit sphäroidaler Ver-
witterung, durch Zersetzung des Eisens sich entfärbend, begleitet
von Thonschiefer. Die Lagerung ist sehr gestört ; das Streichen
entspricht jenem des interandinischen Gebietes. Er umschliesst
die Spuren eines alten Bergbaues auf Quecksilber und führt
Asphalt und andere bituminöse Stoffe. Es liegt nach dieser Schil-
derung nahe, zu vermuthen, dass dies eine Fortsetzung der grossen
peruanischen Quecksilberzone sei.
Von Ost gegen West das südliche Ecuador kreuzend, treffen
wir also im Osten Gneiss und alte kr}^stallinische Felsarten, dann
auf der interandinischen Zone blattführende Bildungen, die ersten
Andesitmassen und die Scholle von quecksilber- und asphaltführen-
dem Sandstein, hierauf im Westen mannigfaltige Porphyre und
Grünsteine, aufweiche gegen das Meer die Kreideformation folgt. —
Ueber die Fortsetzung dieser Gebirgszüge gegen Nord geben
die Arbeiten von Reiss den erwünschten Aufschluss.^'
686 Cotopaxi. Chimborazo.
Die östliche Cordillere besteht auch hier aus Gneiss und an-
deren alten Felsarten, welche jedoch in einzelnen Gipfeln 4500 M.,
im Norden am Saraurcu sogar 4800 M. erreichen. Das inter-
andinische Gebiet des Südens ist angedeutet durch die von Laven,
Tuff und Asche überdeckten Hochflächen von Riobamba, Lata-
cunga und Quito. Die westliche Cordillere ist aus weichem, meist
schwarzem Schiefer, durchsetzt von mannigfaltigen Grünsteinen,
gebildet, und aus mächtigen Bänken von Sandstein. Sie faUt g^egen
Westen steil zum Meere ab. Schiefer und Sandstein reichen nach
Reiss weit nach Nord und Süd und werden, als jenen von Colum-
bien entsprechend, zur Kreideformation gestellt. Sie erinnern in
vieler Beziehung an den europäischen Flysch. Wir erkennen in
dieser westlichen Cordillere die Fortsetzung der Küsten-Cordilleren
des Südens.
Vulcane stehen ,als völlig individualisirte Gebilde* auf dem
einförmigen Kamme dieser Cordilleren, und zwar sowohl auf der
östlichen, als auf der westlichen. Auf der ersten erheben sich
Altar, Tunguragua, Cotopaxi, Antisana u. And. Noch zahlreicher
sind sie auf der westlichen Cordillere ; hier nenne ich nur Chim-
borazo, Quilotoa, Iliniza, Corazon und Pichincha. —
Wir erreichen nun nordwärts jenes Gebiet, in welchem die
einzelnen Zweige der Anden auseinandertreten und insbesondere
ein mächtiger Bogen O. vom Magdalenenstrome abschwenkt und,
weit gegen NO. ziehend, die Sierra de Bogota und S. de Merida
bildet. Diese Zweige sind nicht von thätigen Vulcanen beg'leitet.
Gneiss und Granit erscheinen in denselben. Erst in neuester Zeit
wurden einige Spuren des Lias angetroffen.^^ Im Allgemeinen
aber beginnt die sedimentäre Reihe mit der unteren Kreide, Avelche
auch hier durch Schiefer, mächtige Sandsteinbänke und dunklen
bituminösen Kalkstein vertreten und zuweilen von alten Eruptiv-
gesteinen begleitet ist, wie in der westlichen Cordillere von
Ecuador. Ihre reiche Fauna ist von L. v. Buch, Orbigny, Forbes
und insbesondere von Karsten bekannt gemacht worden ; sie ent-
spricht nach Uhlig durch eine Reihe von Arten den Ablagerungen
von Barreme in Südfrankreich und Wernsdorf in den Karpathen.-''^
Karsten hebt als bemerkenswerth hervor, ,dass die steileren
Abfälle des älteren, fast in einem Bogen in NO. Richtung strei-
Sierra de Bogota. S. de Merida. 687
chenden Kreidegebietes immer gegen das Gebirge von Guayana
gerichtet sind, dessen abgerundete Kuppen granitischer Felsarten,
so weit es bekannt' wurde, aus dem tertiären Flachlande wie Inseln
aus dem Weltmeere hervorragen*. Diese grossen Ketten scheinen
daher einseitig, und zwar in einem von der brasilischen Masse ab-
gewendeten Sinne zu sein, und dasselbe Merkmal würde nach
Karsten's Angaben auch für die nördlich folgende Sierra S. Marta
gelten, an deren Südfuss kupferreiche Eruptivgesteine herrschen
und in deren Fortsetzung in der Nähe des See's von Macaraibo
aus Kreideschichten Erdöl hervordringt.^*
Wir dürfen uns vorstellen, dass die brasilische Masse von
der S. de Bogota und S. de Merida im Bogen umgürtet sei, und
dass die Gesteine dieses Bogens vorwaltend gegen Aussen ge-
neigt sind ; weiter gegen Nordost treten aber wesentlich verschie-
dene Verhältnisse ein. —
Die Beobachtungen von Karsten Hessen es schon als wahr-
scheinlich erkennen und die seitherigen Forschungen von Sawkins,
Wall und Crosby geben Gewissheit darüber, dass jener grosse, von
W. gegen O. streichende Gebirgszug, welcher das nördliche Vene-
zuela und die Insel Trinidad bildet, zwar aus ganz ähnlichen Ge-
steinen zusammengesetzt ist wie die genannten Sierren, aber die ent-
gegengesetzte Anordnung besitzt. Seine ältesten Felsarten liegen
gegen Nord und bilden die steile Küste des caraibischen Meeres.^^
Von Valencia bis zu dem nordöstlichen Ende der Insel
Trinidad streicht ein langes, häufig granatenführendes Schiefer-
gebirge, in welchem streckenweise Gneiss und Eklogit, wie es
scheint als Einschaltungen, sichtbar werden. Dieser Zug ist im
Westen etwas breiter und erreicht dort die Höhe von 8000 Fuss ;
er umschliesst den See von Valencia und die Gegend von Caracas,
ist an der Bucht von Barcelona unterbrochen und bildet jenseits
derselben das Vorgebirge von Araya, welches den Busen von
Cariaco gegen N. abschliesst, dann das parische Vorgebirge, end-
lich die ganze Nordküste von Trinidad. Hier ist seine Höhe auf
etwa 3800 Fuss herabgesunken.
Diesem Schieferzuge ist im Westen, S. vom See von Valen-
cia, ein mächtiger Streifen alter Eruptivgesteine vorgelagert,
welche nicht minder mannigfaltig zu sein scheinen wie jene der
1
i
688 Nordküste von Venezuela.
westlichen Cordillere von Ecuador, und mit welchen g^eg^en Nord
auch diallag- und serpentinähnliche Massen erscheinen. Südwärts
folgt eine lange Zone von Quarzit, Schiefer und Kalkstein der
unteren Kreideformation. Zu beiden Seiten der Bucht von Barce-
lona sieht man die untere Kreide unmittelbar angeschlossen an die
ältere Schieferzone; sie streicht über Cumana gegen O., reicht je-
doch nicht ganz bis an den Westrand des Golfes von Paria. Jenseits
dieses Golfes tritt sie wieder hervor und durchzieht in zwei paral-
lelen Höhenlinien von W. gegen O. die Insel Trinidad.
Diese Zone hat an mehreren Orten die untercretacischen
Fossilien von Bogota geliefert, und Karsten unterscheidet noch
eine jüngere, hippuritenführende Abtheilung. Südlich von der-
selben lagern jüngere tertiäre Meeresschichten, welche durch die
Bucht von Barcelona hereintreten und unter die zum Orinoco ab-
dachenden Llanos hinabtauchen. —
Der Bau des nördlichen Küstengebirges von Valencia bis
Trinidad folgt also nicht jenen Grundzügen, welche für die an-
deren Gebirgszüge Südamerika's, so weit wir sie zu überblicken
im Stande sind, Geltung haben. Hier ist ein langes, einseitiges
Gebirge vorhanden, welches, wie so viele europäische Ketten,
seine ältesten Felsarten und steilen Abbruch einem Senkung-sfelde,
dem caraibischen Meere, zukehrt. Nicht nur Abbruch, sondern
auch Einbruch ist sichtbar, und zwar an der Bucht von Barcelona.
Der Golf von Paria, an dessen Verlandung der Orinoco arbeitet,
steht mit dem caraibischen Meere durch eine Strasse in Verbin-
dung, welche nach Guppy durch eine Verwerfung mit Absinken
gegen O., nach Crosby durch die südlichere Lage des Gebirges
auf Trinidad veranlasst ist. Die Angabe, dass hier auch paläo-
zoische Sedimente vorkommen, bedarf der Bestätigung. Es gleicht
dieses Gebirge durch Bau und Lage ganz insbesondere der nord-
afrikanischen Kette von Gibraltar bis Cap Bon, wobei das Mittel-
meer die Stelle des caraibischen Meeres einnimmt.
Die grossen Erdbeben von Cumana und Caracas fallen dem
Bruchrande dieses Gebirges zu. Gegen Süden wird es von der
brasilischen Masse durch das weite Thal des Orinoco geschieden,
welches hier eine ähnliche Lage einnimmt wie das untere Rhone-
thal oder jenes des Guadalquivir.
Verlauf der südamerikanischen Ketten. 689
Uebersicht. Südamerika trägt in höherem Grade als irgend
ein anderer Welttheil die Kennzeichen eines einheitlichen Baues.
Im Osten und der Mitte liegt die weite brasilische Tafel mit flach
gelagerten paläozoischen Sedimenten und einer ähnlichen Lücken-
haftigkeit in der Reihe der marinen Ablagerungen, wie sie auf
anderen Tafelländern nun schon in so vielen Beispielen angeführt
worden ist.
Nähert man sich von Osten her dem Hochgebirge, so zeigen
sich zuerst kurze, ganz oder doch vorwaltend archaische Züge^ so
die Sierren W. von C6rdoba und der Gebirgszug im Osten der
bolivischen Anden. Weit länger ist die fortlaufende Zone paläo-
zoischer, vorwaltend silurischer Ketten. Sie sind vom südlichen
Peru durch Bolivien und bis Mendoza bekannt. Noch weiter reicht
gegen Nord wie gegen Süd die Verbrettung der jurassischen
Ablagerungen, welchen der Hauptzug der Cordilleren sammt den
jungen Vulcanen zum grössten Theile zufallt. Gegen die West-
küste hin endlich, wo man unter europäischen Verhältnissen die
Flyschzone suchen würde, erhebt sich die fremdartige Reihe der
Küsten-Cordilleren, aus Felsarten von archaischem Gepräge, wie
Gneiss und Glimmerschiefer, aus verschiedenen älteren eruptiven
Felsarten, endlich aus in der Regel petrefactenleeren Ablage-
rungen von Sandstein und Schiefer gebildet. An der ganzen Küste
von Peru und Bolivien, von Casma und Nepefia (9** 10' — 9° 30'),
der Culebra, von Ica bis zum Morro de Arica, bis Cobija und Me-
jillones sind sie bald durch einzelne Kuppen, bald durch längere
Züge vertreten. In Chile bilden sie zusammenhängende, die Küste
begleitende Ketten. Weiter gegen Süd setzen sie die patagonische
Westküste und die vorliegenden Inseln zusammen, und nachdem
die Anden verschwunden sind, strecken sie sich noch weit süd-
wärts fort und vollziehen die grosse Beugung von S. in SO., O.
und ONO. durch das Feuerland gegen Staten Island.
Die wenigen in Peru gefundenen Spuren von Fossilien deuten
auf die Kreideformation; nur cretacische Fossilien sind aus dem
patagonischen Gebirge bekannt.
Dasselbe zeigt sich aber auch im Norden. Nur Felsarten von
archaischem Gepräge und fast nur cretacische Schichten bilden
die grossen, von Ecuador nordwärts ziehenden und dann in
6qO Einheit der Küsten-Cord illeren.
Virgation auseinandertretenden Sierreo, namentlich den gegen
NO. streichenden Bogen der S. de Bogota und S. de Merida.
Aus denselben Gebilden besteht auch die lange, an der Nord-
küste hinziehende Kette von N. Venezuela und Trinidad, aber ihre
tektonische Bedeutung kann nur im Zusammenhang-e mit den west-
indischen Inseln beurtheilt werden. —
Je weiter gegen West, um so länger sind die Zonen des
grossen südamerikanischen Gebirgssystems und um so jünger
sind die Sedimente. Das grosse Räthsel aber ist, ob die Felsarten
von archaischem Gepräge, welche in den Küsten-Cordilleren auf-
treten, wirklich archaisches Alter besitzen. Darwin hat es im
Süden bezweifelt; es ist dasselbe Räthsel, welches wir in Griechen-
land, im Taunis, auf den Andamanen und Nikobaren antreffen
und bald im Norden noch weiter antreffen werden. —
Im Norden gehen durch Neu-Granada und gegen Venezuela
die Ketten in Virgation auseinander und ebenso im Süden von
Cabo Corrientes bis Staten Island. Die Schaarung von Arica be-
zeichnet eine massige Beugung der Ketten, aber sie beeinflusst
die Vertheilung der Sedimente und die Anlage der Gesammtheit
nur wenig. Diese Anlage ist, so weit es sich nur um den west-
lichen Theil Südamerika's handelt, eine mehr oder minder con-
centrische. Der Gegensatz zwischen den südeuropäischen und den
südamerikanischen Gebirgen ergibt sich aus dem Umstände, dass
in den Alpen, Karpathen und Apenninen das Rückland einge-
brochen ist und in den Alpen und Karpathen das Vorland sicht-
bar ist, während in Südamerika die brasilische Masse die Stelle
des Rücklandes innerhalb der Bogen einnimmt und das Vorland
unter dem Ocean liegt.
Auch die Anordnung der Vulcane ist wesentlich verschieden
von jener der Vulcane des westlichen Mittelmeeres oder der er-
loschenen Vulcane der Karpathen. Sie erheben sich nicht auf
einem inneren Bruchrande, sondern mitten auf der Höhe des Ge-
birges, wie Demavend, Elbrus und Kasbek. In Ecuador stehen
sie theils auf der westlichen Cordillere, welche wir als die Fort-
setzung der Küsten-Cordillere ansehen müssen, wie Chimborazo,
theils auf der östlichen, archaischen Cordillere, wie Cotopaxi und
Altar, und ihre südlichen Ausläufer bis zum Rio lubones S. von
Die GaUpagos. 69 1
Cuencja liegen auf der Grenze dieser beiden Cordilleren, in dem
interandinischen Gebiete. Weiter im Süden, durch Bolivien und
Chile ruhen ihre grossen Aschenkegel zum grössten Theile auf
der jurassischen Zone.
Die Vulcane folgen weder der Ablenkung der Ketten im
Norden gegen Venezuela, noch der Ablenkung im Süden gegen
das Feuerland. Sie bleiben Begleiter der pacifischen Küste.
Fernando Noronha, welches östlich von der brasilischen Masse
aus der Tiefe des atlantischen Ocean's emporragt, besteht aus
Basalt und Fhonolith. Auch die einzige bedeutendere Inselgruppe
in der Nähe der Westküste, die Gruppe der Galäpagos, ist vul-
canisch und die Laven der Galäpagos sind basaltische Laven.
Es sind zahlreiche Kratere vorhanden. Mit Recht stellt sie Th. Wolf
zu den Gruppenvulcanen im Gegensatze zu den Reihenvulcanen
des Festlandes und hebt derselbe den petrographischen Gegen-
satz hervor, denn die Vulcane von Ecuador bestehen aus vorwal-
tend trachy tischen und andesitischen Felsarten. ^^
Die italienischen Gruppenvulcane, wie die Liparen und Ponza-
Inseln, sind im Gegentheile durch saure Laven ausgezeichnet. —
Mehrere der südlich von den Galäpagos sehr zerstreut liegen-
den Inseln hat Lopez besucht. Derselbe fand Sala-i-Gomez 30M.
hoch, nach der grössten Erstreckung nur 1 200 M. lang und an der
Einschnürung, welche die Insel in der Mitte theilt, nur 120 M.
breit; die Hochfluthen der Aequinoctialstürme spülen wahrschein-
lich quer über die Insel. Sie besteht aus porösem Basalt mit
Olivin, doch wird auch eine weisse, aus Zersetzung hervorgegan-
gene Erde und Pechstein erwähnt.
Mas-a-tiera und Mas-a-fuera sind weit grössere Inseln,
die letztere ein einziger vulcanischer Berg, 1837 M. hoch.^^ —
Aus den Forschungen in dem Gebiete der südamerikanischen
Anden mit ihren langen Hochgebirgszügen, ihren hohen Vülcanen,
zahlreichen Erdbeben und den Terrassen an der Küste ist eine
Reihe von Versuchen hervorgegangen, die Entstehung der Hoch-
gebirge zu erklären; es ist auffallend, dass der Gegensatz zwi-
schen den horizontalen Strandlinien und den geneigten Schichten
der Cordilleren, folglich der Gegensatz zwischen Terrassenbildung
und Gebirgsbildung dabei nicht häufiger zum Ausdrucke kam.
692 Theoretische Ansichten über Südamerika.
Die älteren Ansichten von Ch. Darwin über den Zusammen-
hang der Erhebung der Anden mit der Bildung der Terrassen und
der vermeintlichen Erhebung des Festlandes bei einzelnen neueren
Erderschütterungen sind bereits an früherer Stelle gleichzeitig mit
den Bedenken gegen diese Meinung erwähnt worden (S. 135).
Als die Bedeutung der tangentialen Bewegungen deutlicher
erkannt war, sahen hervorragende Gelehrte, wie Dana, in den
Anden das Ergebniss eines Seitendruckes, welcher durch das
Nachsinken der pacifischen Geosynklinale gegen den Continent
ausgeübt wird. Diese Erklärung ist aber schwer vereinbar mit
dem Abschwenken der Ketten gegen Venezuela und gegen das
Feuerland.
Im Wesentlichen auch auf der Voraussetzung beträchtlicher
tangentialer Bewegung beruhend, ist die von Kolberg zur Erläu-
terung des Baues von Ecuador aufgestellte Theorie der »Aus-
schiebung durch Schubkeile'. Sie beruht auf der Voraussetzung,
dass bei der Contraction der äusseren Theile des Erdkörpers sich
sehr schräge zur Oberfläche geneigte Ablösungsflächen, also
gleichsam Wechselflächen im Grossen, bilden und das abgetrennte,
keilförmige Stück bewegt und übergeschoben wird. Diese Vor-
aussetzung stimmt mehr mit Annahmen überein, welche für ge-
wisse europäische Gebirgszüge ziemlich zutreffend sein dürften.
Aber gerade für Ecuador ist Kolberg veranlasst, zwei einander
entgegengesetzte Schubkeile anzunehmen, und hiedurch gelangt
derselbe thatsächlich zu der älteren Lehre Elie de Beaumont's
von der Bildung der Gebirge durch ein ,6crasement transversal*.^*
Es ist zu wiederholten Malen die Ansicht ausgesprochen
worden, dass die Anden in der jüngsten Zeit eine sehr beträcht-
liche Erhöhung erfahren haben, und es sind hiefür mehrere Gründe
angeführt worden. Man hat die über 7000, ja bis 12.500 Fuss
hoch liegenden salinaren Ablagerungen als unmittelbare Ab-
dampfungsreste von Meerestheilen angesehen. Aber östlich von
den Anden haben seit Woodbine Parish zahlreiche Forscher, wie
insbesondere Burmeister, Zeballos und Schickendanz geleugnet,
dass die Salinas der Fampas solche Abdampfungsreste seien, und
auch im Westen hat sich z. B. Pissis mit guten Gründen und mit
Entschiedenheit dagegen ausgesprochen.^'^ Auch der Umstand,
Angebliche Bewegungen von Peru. 693
dass acht Arten der Salzwasser -Amphipoden-Gattung AUor-
chestes im Titicaca-See leben, kann noch keineswegs als ein aus-
reichender Beweis dafür angesehen werden, dass das Meer in
junger Zeit diesen See erreicht, also um 12 — 13.000 Fuss höher
gestanden habe als heute, oder dass sich seither das Land um eben-
soviel, erhoben habe. Es schweben noch viel zu viele ungelöste
Fragen über die Mittel zur Ausbreitung dieser Thierformen, als
dass so weitgehende Folgerungen zulässig wären.
Orton's Bericht, Loomis habe eine Tagreise von Iquique,
2500 Fuss über dem Meere, eine alte Seeküste mit lebenden
Muscheln angetroffen, entbehrt bisher jeder Bestätigung.^
Auch die Auffindung von Korallen zu Tilibiche in Peru,
2900 — 3000 Fuss über dem Meere und etwa 30 Kilom. von dem-
selben entfernt, berechtigt nicht zu solchen Schlüssen. Diese
Korallen fanden sich, nach AI. Agassiz und Pourtal^s, an die Ober-
fläche der Felsen befestigt, wie heute solche Korallen wachsen,
verwandelt in compacten krystallinischen Kalkstein und mit
meistens zerstörter innerer Structur. Abgesehen von einer der
Millepora alcicornis verwandten Form, traf man zwei Arten, welche
beide neu sind. Isophyllia duplicata gehört einer nur tertiär und
lebend, doch nicht an den heutigen pacifischen Ufern vorkommen-
den Gattung an. Convexastraea peruviana vertritt ein Genus,
welches bisher nur aus Trias und Jura bekannt ist.^*
Hienach scheint mir kein Grund vorhanden, diesen Vorkomm-
nissen ein so ausserordentlich junges Alter zuzuschreiben.
Im südlichen Chile sind den Küsten-Cordilleren die jüngsteh
Glieder der Kreideformation und tertiäre Schichten angelagert.
Sie sind verworfen, aber es scheint, dass sie an der Faltung nicht
theilgenommen haben. Dagegen gibt es im Norden wie im Süden
cretacische Inoceramenschichten, welche mit dem Neocom gefaltet
sind. Es gibt heftige Faltungen und auch gegen W. überschobene
Falten, wie z. B. im Carbon des Titicaca,^^ aber überschobene
Aussenränder wie in den Alpen oder dem Himalaya sind bisher
noch nicht bekannt.
Die häufigen Erdbeben der Westküste sind Aeusserungen
irgend eines grossen tektonischen Vorganges der Gegenwart,
dessen Wesen nicht bekannt ist.
Anmerkungen zu Abschnitt IX: Südamerika.
» C. F. Hartt, Geol. and Phys. Geogr. of Brazil, S», Boston, 1870.
2 Einen Versuch, dieselben weiter zu gliedern und mit den nordamerikanischei
Gebirgen zu vergleichen, macht W. O. Crosby, On the Age and Succession of th
Crystalline Formations of Guiana and Brazil; Proc. Boston Soc. nat hist. XX, 1880
p. 480—497.
3 Orville A. Derby, The Geol. of the Diamantif. Region of the Prov. of Paranä
Brazil; Proceed. Amer. Philos. Soc. Philadelphia, 1879, XVIII, p. 251 — 258.
4 S. Allport, On the Discovery of some foss. Remains near Bahia, S. America
Quart. Joum. geol. Soc. 1860, XVI, p. 263 — 268; Hartt am ang. O. p. 263, 346, 355
556 u. an and. O.
5 Orville A. Derby, Contribui9Öes para a Geol. da Regiäo do Baixo Amazonas
Arch. do Musen Nac. do Rio de Janeiro, 1877, II, p. 77 — 104; auch: Hartt, Contribu
tions to the Geol. and phys. Geogr. of the low. Amazonas, Bullet. Buffalo Soc. nat, hist
1874, I, p. 201 — 235; Rathbun, The Devon. Brachiop. of the Province of Pari, Brazil
Proceed. Boston Soc. nat. hist. 1879, XX, p. 14 — 39. In den Proc. Am. Phil. Soc. Phila
delphia, 1879, XVIII, p. 155 — 178 befindet sich eine engl. Uebersetzung der inhaltsreichei
Schrift von Orv. Derby.
6 0. Boettger, Die Tertiärfauna von Pebas am oberen MaraSon ; Jahrb. geol
Reichsanst. Wien, 1878, XXVHI, S. 5o3.
7 J. G. Sawkins, Geol. Observations on Brit. Guayana; Quart. Joum. geol. Soc
1871, XXVII, p. 419— 433; auch: Atwood, A Contrib. to South-Americ. Geol., eb. das
1879, XXXV, p. 582 — 588. Von dem hohen Tafelberge Roraima und seinem Nachbai
Kukenam hat H. Whitely Ansichten geliefert in Proc. geogr. Soc. Lond. 1884, P» 45^
und 461.
8 Alfr. Stelzner in R. Napp, Die Argentin. Republik, 80, Buenos Air. 1876,
S. 71; der Verlauf dieser Ketten ist sichtbar auf der Karte zu H. Burmeister, Die
südamerikan. Republiken Argentina, Chile, Paraguay und Uruguay; Peterm. Mitth. Er
gänzungsheft 39, 1875.
9 L. Brackebusch, Estud. sobre la Formacion Petrolif. de Jujuy; Bolet. Acad.
nac. Cördoba, i883, V, p. i37 — 184 u. dess. Viaje a la Prov. de Jujuy; eb. das. p. 185
252; Karte.
»o Brackebusch am ang. O. p. i8i; für Aconquija auch Kuss, Note s. 1. ülons
de Quartz aurif. de l'Atajo; Ann. d. Mines, 1884, XLVTII, p. 341 u. folg.
" Stelzner, N. Jahrb. f. Min. 1872, S. 193—198, 63o— 636; 1873, S. 726—744.
»2 E. Kayser, Ueb. primordiale u. untersilur. Fossilien aus d, Argentin. Republik
(auch unter d. Titel: Beitr. z. Geol. u. Palaeontol. d. Arg. Republ. herausgeg. von Alfr.
Stelzner); Palaeontographica, Supplem. in, 1876, S. I — 5.
»^ H. Br. Geinitz, Ueb. Rhätische Pflanzen- und Thierrcste in d. argent. Prov.
La Rioja, S. Juan und Mendoza; eb. das.
Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IX. Sudamerika. 695
»4 Brackebusch, Informe s. un viaje geol. por las Sierras de C6rdoba y de
S. Luis; Bolet. Acad. Cord. 1876, II, p. 167—216; Stclzner in Napp, Arg. Republ. S. 71
u. folg.; auch z. Th. abgedruckt in O. Wien, Die Sierra von Cördoba, Zeitschr. f. allg.
Erdk. Berlin, 1882, XVII, S. 57 u. folg., Karte.
»5 Informe ofic. de la Comis. cientif. agreg. al Expedic. al Rio Negro bajo Tord.
del General D. Julio A. Roca; 40, Buenos Air. i883; III, Geol. por el Dr. Ad. Doering;
p. 299 — 400. Für Theile der Sierra Tandil auch Holmberg, Act. Ac. C6rd. 1884, V,
p. 28— 3o und 58.
16 Stelzner, N. Jahrb. 1873, S. 728.
17 J. Domeyko, Estudio del Relieve etc. Anal. Univ. Chile, 1875, XLVII,
p. 51, 60; Enr. M. Simpson, Elsplorac. hidrograf. de la Chacabuco, eb. das. 1872, p. 427
und Memor. de la Marina, 1872, p. 379. Diese eigenthümliche Erscheinung wird an späterer
Stelle nochmals besprochen werden.
18 Dav. Forbes: On the Geol. of Bolivia and Southern Peru; Quart. Joum. geol.
Soc. 1861, XVn, p. 7— 62, pl. I~III; J.W. Salter, Fossils from the High Andes, coli,
by D. Forbes; eb. das. p. 62—73, pl. IV, V.
>9 Ant. Raimondi, Brief an Gabb, Proceed. Califom. Acad. 1867, IH, p. 359,
36o; F. Toula, Ueb. einige Fossilien des Kohlenkalkes von Bolivia; Sitzungsb. Akad.
Wien, 1869, LIX, S. 433—444.
20 Ign. Domeyko, Sur la gdol. du Chili, et particuliörement 10 Sur le terr. de
porphyres stratif. dans les Cordill^res; 20 Sur le rapp. qui existe entre les filons m^tallif.
et les terr. du syst, des Andes; Ann. des Mines, 1846, 4. ser., IX, p. 3 — 34, pl. I u. II,
u. ders.: Sur la constit. g^ol. du Chili, eb. das. p. 365 — 540, pl. IV — VII, u. an and. O.
Ch. Darwin, Geol. Observ. on the Volc. islands and parts of S. America, 2^ ed. 1876,
insb. p. 470 — 6o3. A. Pissis, Rech, sur les syst^mes de Soul6vement de l'Amir. du Sud;
Ann. des Mines, 1856, 5. ser., IX, p. 81 — 146, pl. III, IV; ders.: Sur la constit. giol. de
Li Chatne des Andes entre le 16. et le 53. degrä de lat. sud. ; eb. das. 1873, 7. ser., III,
p. 402—426, pl. IX, X. Enr. Concha y Toro, Analojias entre la formac. jeoloj. de
Chile i de Bolivia; Anal. Univ. Chile, 1872, p. $38 — 555, und A. R6mond de C orbi-
ne au, Lista alfab. de las fösiles que se han hallado en Chile etc.; eb. das. 1867, p. 99 — 141.
•
21 P. Güssfeldt, Der Vulcan Acongagua von NNW.; Zeitschr. deutsch, u. ost.
Alpen ver. 1884, S. 404—406, Taf. und Sitzungsb. Akad. Berlin, 1884, S. 922.
22 A. Pissis, El desierto de Atacama; su jcolojia, sus prod. i mineral. ; Anal.
Univ. Chile, 1877, p. 573 — 597; geol. Karte von Atacama von Villanueva, eb. das. 1878.
F. A. Moesta, Ueb. d. Vorkomm. d. Chlor-, Brom- u. Jodverbind, d. Silbers in d. Natur;
ein Beitr. z. Kenntn. d. geolog. u. bergbaul. Verhältnisse v. N. Chile; gr. 80, Marburg,
1870; hieher auch G. Stein mann. Zur Kenntn. d. Jura- und Kreideform, von Caracoles
(Bolivia); Neu. Jahrb. f. Min. etc. 1881, I. Beil.-Band, S. 239— 3oi, Taf. IX— XIV;
R. Zeiller, Note s. l. Plantes foss. de la Ternera (Chili); Bull. soc. giol. 1874— 1875,
3. ser. in, p. 572—574, pl. XVII.
23 H. Burmeister und C. Giebel, Die Versteinerungen von Juntas im Thal d.
Rio Copiapö; auy d. Abhandl. Naturf. Ges. Halle, 1 861, VI; 40, 34 SS., 2 Taf.
24 A. Pissis, Descripc. topogrdf. i jeolöj. de la Provincia de Aconcagua; AnaK
Univ. Chile, 1858, p. 46—89.
25 A. Stelzner, Neu. Jahrb. f. Mineral, etc. 1872, S. 193—198, 63o— 636, u. 1873,
S. 726 — 744; Gottsche, Ueb. jurass. Verstein. aus der Argentin. Cordillcre; Paläontogr.
Suppl.ni, 1878, 51 SS., 8 Taf.
26 G. Steinmann, Reisenotiz, aus Chile; Neu. Jahrb. f. Min. 1884, S. 199—203.
27 J. Domeyko, Excursion jeoloj. a las cordill. de S. Fernando; An. Univ. Chile,
1862, p. 22—42.
28 A, Pissis, Descripc. topogrdf. i jeolöj. de la Prov. de Colchagua, cb. das.
1860, p. 659—715.
Suesi, Das Antlitz der Erde. 45
f
6q6 Anmerkungen zu Th. II, Abschn. IX. Südamerika.
29 P. Strobel, Beitr. z. Kenntn. der geognost. Beschaffenheit d. Anden vom 33.
bis zum 35.® s. Hr.; Neu. Jahrb. f. Min. etc. 1875, ^*• 56—62.
30 Pissis, Atacama, Anal. Univ. Chil. 1877, P- 5 76« Man darf wohl den Sycni
als einen Theil der Küsten-Cordilleren, den Porphyr als jurassische Kinschaltung, dci
Trachyt als den Vorläufer und die Grundlage der thätigen Vulcane ansehen.
3< Ign. Domeyko, Algunas palabras sobre el terr. en que se hallan hnesos d
Mastodonte en Chile; An. Univ. Chil. 1868, p. 369—374; Mastod. Andium beschreib
B ran CO auch weit im Norden, von den Hochflächen des N. Ecuador, vrelche, wie vi
bald sehen werden, auf einer Linie sich befinden, welche jener des chilenischen Längen
thales in vieler Beziehung homolog ist; W. Branco, Foss. Säugthierfauna von Panin ht
Riobamba, in Dames und Kayser, Paläont. Abh. l883, I, S. l34. Es ist eine weit ver
breitete Art und Branco stellt die Ablagerungen von Punin der unteren Pampas
fauna gleich.
3* D. Forbes, Boliv. and S. Peru, p. 35, 36.
33 Concha y Toro, Carbon foss.. Anal. Univ. Chil. p. 358; auch Mallard e
Fuchs, Notes s. quelques points de la G^ol. du Chili; Ann. des Mines, 1873, 7. ser., ID
p. 91 u. folg.
34 Philippi, Bemerk, üb. die chilenische Provinz Arauco; Petcrni. geogr. Mittli
i883, S. 453 — 460; auch J. P. Sieveking, Geogn. Skizzen aus d. chilen. Provinz Arauco
eb. das. S. 57 — 61 ; derselbe Granitzug auch bei Pissis, Chatne des Andes, Ann. d. Mine«
1873, p. 4i3.
35 Darwin, Geol. Observ. p. 435 u. folg.; Steinmann, Reisenotizen aus Pata
gonien; Neu. Jahrb. f. Min. i883, a, S. 255—258.
36 Enr. Simpson, Reconocimiento del rio Aysen; Anal. Univ. Chil. 1870, p. 128
Karte dieses Gebietes in Peterm. geogr. Mitth. 1878, T. 24 und 1880, T. 8.
37 Dana in Wilkes, Explor. Exped., Geol., p. 601—606, 720.
38 B. Bossi, Explorac. de la Tierra del Fuego con el vapor orieht. Charrna; 8'
Montevid. 1882, p. ijf 27, 37 gibt nur in allgemeinen Worten an, dass die ganze ausser
Kette von Desolation bis Wollaston und Staten-Island aus Granit, Gneiss und Ouar7.it bc
stehe und die Fortsetzung der Anden bilde.
39 Darwin eb. das. p. 446; Steinmann, S. 256.
40 Darwin, On the Geol. of the Falkland Isles; Quart. Journ. Oeol. Soc. i84(i
II, p. 267—274.
4« Ale. d'Orbigny, Voyagc dans TAmcr. m6rid. 4^», 1842, IIT, 3, Geologie
p. 181 u. folg.
42 L. Crosnier, Notice göol. sur les Departements de Huancavclica et d'Avacucho
Ann. d. Mines, 1852, 5. ser., II, p. i--ii3, pl. I; auch Pflücker y Rio, Ueb. d. Minen
district Yauli in Peru; Kerl u. Wimmer, Berg- u. Hüttenm. Zeitung, 1884, XL V 111
S. 34 1 u. folg.
43 Gabb hat nach Raimondi's Funden vom Ccrro del Salto del Frayle bei ChorilK
einen Ammonites Raimondianus beschrieben und dem Amm. cymodoce Orb. aus ol>ercn
Jura verglichen. Prof. Neumayr ist mit mir der Ansicht, dass die abgebildete Fomi dci
Hopliten des Neocom noch am nächsten steht. Das Gestein soll jenem der Insel S. Lo
renzo entsprechen. Von dem Hügel bei der Hacienda del Imperial bei Canete, ebenfalh
in der Küstenzone, beschreibt Gabb ferner Cardita exotica Orb., eine von d'Orbigny nni
unvollständig aus columbischer Kreide bekannt gemachte Form; Gabb, Descript. of s
Coli, of Foss. made by Dr. A. Raimondi in Peru; Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia
1877, >»ew ser., VIII, p. 268, pl. 37, Fig. 2 und p. 287, pl. 41, Fig. i, 2. Ks ist der hici
erwähnte Fundort Tingo in Huari nicht zu verwechseln mit dem viel nordlicher gelegenei
Liasvorkommen von Tingo, W. von Chachapoyas; vgl. Habenicht's Karte in Petermann
Geogr. Mitth. 1879, Taf. HL
Anmerkuni^en zu Th. II, Abschn. IX. Südamerika. 6g7
44 Gust. Steinmann, Ueb. Tithon u. Kreide in d. peruan. Anden; Neu. Jahrb. f.
Mineral, etc. i88i, II, S. i3o — 153, T. VI— VIII; u. ders.: Ueb. Jura und Kreide in den
Anden; eb. das. 1882, I, S. 166 — 170.
45 A. Raimondi, El departemento de Ancachs y sus Riquezas minerales; publ.
por Enr. Meiggs; gr. 80, Lima, 1873 ; insb. p. 267 — 3oi.
46 Note in der Wochenschrift Nature, 3. Oct. 1881.
47 J. Orton, The Andes and the Amazon; 80, 3. ed. 1876, insb. p. 551 u. folg.
48 Alph. Hyatt, The Jurass. and Cretac. Ammonites coli, in S. America by Prof.
J. Orton, with an App. etc. Proc. Boston. Soc. nat. bist. 1874—75, XVII, p. 365—372.
49 Th. Wolf, Viajes cientif. por la Republ. del Ecuador; 3 Hefte (Loja, Azuay,
Esmeraltlas) ; 8°, Guayaquil, 1879 und Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1876, XXVIII, S. 391 —
393, Karte.
50 Th. Wolf, Geogn. Skizze der Provinz Guayaquil; Neu. Jahrb. f. Min. 1874,
s. 385—396.
5» W. Reiss, Bericht üb. eine Reise nach d. Quilotoa und dem Cerro Hermoso
in den ecuador. Cordilleren; Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1875, XXVU, S. 274 — 294;
ders. : Die geol. Verhältnisse der Fundstell, foss. Säugthierknochen in Ecuador (in Branco :
Saugth.-Fauna von Punin bei Riobamba), Dames u. Kayser, Paläont. Abh. i883, I, S. 41 —
56, Karte, u. an and. Ort.
52 Steinmann, Ueb. Jura u. Kreide in d. Anden; Neu. Jahrb. f. Min. 1882, a, S. 169.
53 H. Karsten, Ueb. d. geognost. Verhältn. d. W. Columbien, der heutigen Republ.
Neu-Granada u. Equador; Amtl. Ber. üb. die 32. Versamml. deutsch. Naturf. u. Aerzte zu
Wien, 1858, S. 80—117, Karte; V. Uhlig, Die Cephalop. Fauna der Wernsdorfer
Schichten; Denkschr. Akad. Wien, i883, XLVI, S. 158 u. folg.
54 Manche Angaben deuten allerdings auf eine grössere Selbständigkeit der Serra
S. Marta im Sinne der älteren Auffassung Humboldt*s, so insb. Acosta, Bull. soc. göol.
1852, 2. sär., IX, p. 396 und zum Theile auch Cor nette, eb. das. p. 5Ö9 u. folg.
55 Karsten, Beitr. z. Kenntn. der Gesteine des N. Venezuela; Zeitschr. deutsch,
geol. Ges. 1859, XI, S. 345—361, Karte; G. P.Wall, On the Geol. of a Part of Vene-
zuela and of Trinidad; Quart. Joum. geol. Soc. 1860, XVI, p. 460 — 470, Karte; W. O.
Crosby, Notes on the phys. Geogr. and Geol. of Trinidad; Proceed. Boston Sod. nat.
Hist. 1878, XX, p. 44 — 55; femer die Reports Geol. Surv. West Ind. von Sawkins
und Wall.
56 Th. Wolf, Ein Besuch der GaUpagos- Inseln, 8©, Heidelberg, 1879, S. 18
(Fromm el und Pfaff, Samml. v. Vorträgen, I, S. 259 — 300, Karte); jiUerdings fehlt auch
in Ecuador nicht ein basaltischer Typus; vgl. Gümbel, Sitzungsb. Ak. Münch. 1881,
S. 365 u. folg.
57 Lopez, ICsplor. de las islas esporad. al Occid. de la costa de Chile; An. Univ.
Chil. 1876, p. 649—673. Die angebliche Insel Buchili (etwa 280 4' lat., 950 4' long.)
war gar nicht zu finden, ebensowenig die Insel Gray.
5« J. Kolbcrg, Nach Ecuador; 2. Aufl. 4°, Freib. im Breisg. 1881, S. 209-221
u. an and. Ort.
59 A. Pissis, El desierto de Atacama; An. Univ. Chil. 1877, p. 585 — 588.
^ Orton, Andes and Amazon, p. 116; die auf den Vergleich älterer barometrischer
Messungen gegründete Ansicht desselben Verfassers, dass die Anden heute sinken, wunlc
von Reiss widerlegt; Reiss: Sinken die Anden? Verh. d. Gesellsch. f. Erdkunde, Berlin,
1880, VII, S. 45 u. folg.
6» AI. Agassiz and L. F. Pourtales, Recent Corals from Tilibiche, Peru; Bull.
Mus. Comp. Anat. Cambridge, 1876, III, p. 287 — 290; Am. Joum. Sc. 1876, 3. scr., XI, p. 499.
<^^ D. Forbes, am ang. ( ). p. 49.
45*
ZEHNTER ABSCHNITT
Die Antillen.
Drei Inselreihen. — Cuba. — Haiti. — Jamaica. — Puerto Rico bis Barbados.
Die Cordillere der Antillen. — Vergleich mit der Umrahmung des westlichen M
mecrcs. — Erdbeben.
In Mittel- Amerika folgt das Streichen des Grundgebirj
nicht dem Verlaufe der langgestreckten Verbindung- des nö
liehen und des südlichen Continentes, sondern verläuft, so weit
genauer bekannt ist, quer auf dasselbe. Dies ist besonders de
lieh in Guatemala, wo ein beträchtliches Stück einer einseitig
nach WSW. streichenden Kette hervortritt (S. 119, i 20). Di
Kette zieht aus dem westlichen Honduras herüber; das Läng-ent
des Rio Motagua bezeichnet ziemlich genau ihre Richtung. \
folgen vornehmlich den Nachrichten von DoUfuss und Mont-Sen
da Seebach's Beobachtungen erst im Auszuge bekannt gew
den sind."
Die südlichste Zone besteht aus mehreren ziemlich ausj
dehnten Vorkommnissen von Granit, welche nördlich und südl
von der Stadt Guatemala, dann südlich vom Rio Motagua
über Zacapa hinaus beobachtet sind. An diese reiht sich geg
N. eine breite Zone von Glimmerschiefer, weiterhin eine solc
von Talkschiefer, und diese Theile erreichen, S. vom Golfo Do
hinziehend, am Amatischen Golf und bei Omoa im Golf \
Honduras das Meer. Ihnen sind nordwärts Conglomerat u
Sandstein von geringerer Mächtigkeit aufgelagert, denen jense
Einheit der Antillen. 699
des Golfo Dolce, am Rio de Cajabon und weiter gegen N. und
NW. ein weites Kalksteingebirge folgt, dessen Grenzen unbekannt
sind. Die spärlichen Vorkommnisse von Versteinerungen, nach
welchen die Vermuthung ausgesprochen worden ist, dass hier
Jurakalkstein auftrete, scheinen mir zur Begründung dieser Ver-
muthung nicht ausreichend zu sein.
Es ist also ein quer über die Landenge von WNW. gegen
ONO. streichendes Gebirgsstück vorhanden, dessen ältestes Glied
in SSO. liegt, während die jüngeren Zonen gegen NNW. folgen.
Durocher hat es als das , Systeme de Segovia* bezeichnet.*
Dieses Gebirge ist südwärts abgegrenzt durch eine grosse
Masse von altvulcanischen Bildungen mannigfaltiger Art, welche
den grössten Theil der Gebirge von Salvador und alle südlicheren
Ketten von Guatemala bilden. Eine schräge Bruchlinie, von der
Bucht von Fonseca dem pacifischen Ufer in der Richtung gegen
WNW. folgend, bezeichnet die Hauptlinie der jungen, zum Theile
noch thätigen Vulcane dieses Gebietes (S. 122, Fig. 5). Sie trifft
westlich von der Stadt Guatemala in einem spitzen Winkel die
Streichungsrichtung des Kettengebirges, schneidet dasselbe ab
und setzt nach Mexico fort. Viele der grössten dieser Vulcane,
unter ihnen die mächtigen Kegel des S. Miguel, des Acatenango,
des Vulc. d'Atitlan u. And. liegen auf dem Gebiete der altvulca-
nischen Felsarten.
Die Antillen werden von den Gipfeln eines Kettengebirges
gebildet, welches das caraibische Meer vom atlantischen Ocean
und vom Golf von Mexico scheidet. Von Honduras her scheint
durch Jamaica und das südwestliche Haiti ein zweiter Bogen sich
an die Hauptkette anzuschliessen. Selbst die grossen Tiefen,
welche an einzelnen Stellen, wie zwischen Virgin Gorda und An-
guilla, vorhanden sind, unterbrechen nicht das einheitliche Strei-
chen des Gebirgszuges.
Dieser einheitliche Bau ist von vielen Beobachtern bereits
hervorgehoben worden, von Niemandem nachdrücklicher und mit
schärferem Hervorheben der Beziehungen zum mittelamerika-
nischen Festlande als von dem berufensten Kenner dieser Gegen-
den, Karl V. Seebach.
yOO Gabelung in Haiti.
Mit dem Abfalle des mexicanischen Tafellandes im Staate
Oaxaca, sagt Seebach, endet der geschlossene nördliche Continent
Südlich und östlich von der Landenge von Tehuantepec beginnt
Central-Amerika, das schon in die Inselwelt der Antillen gehört
,. . . Der Gebirgszug der grossen Antillen, welcher weiter östlich
in Puerto Rico und S. Domingo, dem östlichen Theile von Haiti,
nur eine Hauptkette bildet, theilt sich in der Mitte dieser letzten
Insel; ein südlicher Zweig zieht sich durch den lang-gestreckten
Inselarm von Jacmel nach Jamaica und nach Honduras, während
ein nördlicher Arm über Cuba hinausreicht nach Yucatan. . . .'
, Sollte es blos ein merkwürdiger Zufall sein, dass die aus krystal-
linischen Schiefern und Massengesteinen bestehende Sierra Maestra
im Südosten Cuba's (in welcher die grossen Antillen mit 2338 M.
Seehöhe ihre höchste Erhebung erreichen) durch die Caiman-
gruppe, die Misteriosabank, die Viciosas und Schwaneninsel hin-
überführt in die Tiefe des Golfes von Honduras, von dessen
Rande hier jähe aufsteigende Gebirgskämme von g-leicher Zu-
sammensetzung mit constantem Streichen sich in das Innere fort-
ziehen?*^
Und indem wir nun mit Seebach die beiden nach NO. vor-
tretenden Gebirgszüge von Yucatan und Guatemala nur als ,die
westlichsten Ausläufer des Gebirgssystems der grossen Antillen'
betrachten, tritt nicht nur die Bedeutung des oben über den Bau
von Guatemala Erwähnten hervor, sondern zeigt sich in ihrer
vollen Schärfe die Richtigkeit der von Humboldt angedeuteten,
von Ritter mit grossem Nachdrucke vertretenen Ansicht, dass
Nord- und Südamerika als zwei wesentlich verschiedene Conti-
nente zu betrachten seien, zwischen denen als ein drittes Element
das Gebiet Central-Amerika's und der Antillen liegt. —
Man kann die Antillen in mehrere Zonen eintheilen.
Die erste, innerste Zone, innerhalb der Concavität des
Bogens gelegen, tritt nur im östlichen Theile, den kleinen Antillen,
auf. Sie ist ganz von jungvulcanischer Entstehung-, Diese
Zone wird gebildet von den Inseln : Saba, S. Eustatius, S. Christoph
(S. Kitts), Nevis, Redonda, Montserrat, die westliche Hälfte des
tief eingeschnittenen Guadeloupe, Dominica, Martinique, S. I^ucia,
S. Vincent, die Grenadinas und Grenada. Diese Inseln bilden
Zonen der Antillen. 7^1
einen zusammenhängenden einfachen Bogen, und einzelne von
ihnen umfassen drei bis vier, Martinique nach Jonnes sogar sechs
Ausbruchsstellen.
Die nächste Zone umfasst die grossen und reichen gebir-
gigen Inseln der grossen Antillen und einen schmalen, aber gut
gekennzeichneten Saum der kleinen Antillen. Ihre Gebirge sind
ganz nach dem Typus der Küsten-Cordilleren des Südens und
der Berge von Venezuela zusammengesetzt. Die organischen Reste
der unteren Kreide sind die ältesten; auch sie sind nur durch einige
Spuren vertreten, dagegen treten, wie schon auf Trinidad und in
Nord- Venezuela, im Turon reinere und versteinerungsreiche Kalk-
ablagerungen auf. An die Kreideformation schliesst sich hier wie
in Trinidad eine mächtig entwickelte Serie von tertiären Ablage-
rungen, von welcher einzelne Glieder eine erstaunliche Aehnlich-
keit mit europäischen Vorkommnissen zeigen. Diese Ablagerungen
vermitteln eine Verbindung mit der dritten Zone.
Es gehören zu dieser zweiten Zone : Cuba und die Pinos-Insel,
Haiti, Puerto Rico, die Virginischen Inseln mit S. Croix, Anguilla,
S. Bartholomäus, Antigua, die Osthälfte von Guadeloupe und ein
Theil von Barbados, ferner der durch Jamaica herüberstreichende
südliche Bogen. So weit diese Zone den kleinen Antillen angehört,
bildet sie einen ausserhalb der Vulcane hinziehenden Gürtel.
Die dritte, äusserste Zone umfasst nur mitteltertiäre
oder noch jüngere Bildungen. Sie erhebt sich nirgends zu
eigentlichen Gebirgszügen, ist sogar in der Regel ganz flach,
gegen NW. breiter, gegen SO. sich verengend. Hieher fallen die
Bahama's, alle niedrigen Bänke bis Natividad, dann Anegada,
Sombrero, Barbuda und ein Theil von Barbados. Ich möchte je-
doch die ganze Halbinsel Florida und vielleicht sogar den flachen
Theil von Yucatan dieser Zone zuzählen.
Diese regelmässige Anordnung der Inseln hat bereits L. v.
Buch in ihren Grundzügen richtig erkannt. ,Die vulcanischen In-
seln der Antillen,* schrieb der grosse Forscher vor nun sechzig
Jahren, ,liegen alle in einer fortlaufenden Kette hintereinander,
ohne von nichtvulcanischen Inseln unterbrochen zu sein. Dagegen
zieht sich im Osten dieser Inseln, ausserhalb, gegen den grossen
Ocean, eine andere, wenn auch weniger bestimmte Reihe von
y02 Cuba. Sierra Maestra.
Inseln hin, welche von vulcanischen Phänomenen nur noch wenige
Spuren zeigt und Vulcane selbst gar nicht enthält. Dies ist eine
höchst merkwürdige Thatsache.*^
Es ist die mittlere Zone, welche ich etwas näher zu besprechen
beabsichtige.
Cuba erreicht, wie oben gesagt worden ist, die grösste
Höhe in der Sierra Maestra, in dem südöstlichen Theile der Insel,
zwischen Cabo de Cruz und S. Jago de Cuba. Der Pico Tar-
quino misst 2338 M. Das Gebirge fällt südwärts steil zum Meere,
streicht WO. bis ONO. und die Schichten neigen sich g-egen Nord.
Nach Cia kommt an dem südlichen Fusse an mehreren Stellen
Granit zum Vorschein, während die höheren Theile des Gebirges
aus einem Wechsel von dünngeschichtetem grünem Sandstein mit
Feldspathkörnern, dunklem Schiefer, einer Breccie von Kalk und
Schiefer, endlich wenig mächtigen Lagen von Kalkstein bestehen.
Diesem Wechsel folgt eine mächtige Breccie, deren Bindemittel
als dunkler Diorit oder dioritischer Porphyr bezeichnet wird.^ Ein
dunkler Mandelstein erscheint mit dieser Breccie. Eine Breccie
von solcher Beschaffenheit zeigt sich auf vielen der westindischen
Inseln; englische Geologen haben sie ,Blue-beache* genannt. Die-
selbe ist N. von S. Jago bis Cuba gegen Ost und West an der
Nordseite der Sierra sichtbar und hierauf folgen flachg-elag-erte
tertiäre Ablagerungen im Thale des Rio Cauto bis in die Nähe
von Holguin.
Bei Holguin trifft man ein Feldspath und Amphibol enthal-
tendes Eruptivgestein, an anderen Orten wahren Syenit und in
unmittelbarer Berührung mit diesen einen Zug von Serpentin,
welcher sich von hier an nach den übereinstimmenden Angaben
von Cia und Castro durch die ganze Insel, und zwar über Puerto
Principe bis in die Nähe von Habana und bis in den westlichsten,
gegen WSW. streichenden Theil der Insel erstreckt. Dieser lang^e
Serpentinzug ist von vielen Zügen von lichtem, hartem Kalkstein,
insbesondere gegen Nord, begleitet. Er erreicht nirgends bedeu-
tendere Höhen, bildet jedoch eine Wasserscheide durch die Mitte
der ganzen Insel; er ist der Sitz des Mineralreichthums von Cuba
und führt Kupfer, Chromeisen und Gold. Es fehlen nicht flysch-
Der Serpentinzug auf Cuba. 7^3
ähnliche Sandsteine und von Holguin bis Habana Jiind Vorkomm-
nisse von Asphalt und Erdöl bekannt.^
Schon Humboldt hat den Serpentin bei Habana getroffen.
Saiterain hat die Umgebung dieser Stadt beschrieben. Die Nord-
küste ist hier, wie an sehr vielen anderen Orten, von einem Saume
von flachgelagertem, tertiärem Kalkstein begleitet, welcher
streckenweise eine geradezu karstähnliche Oberfläche annimmt
oder sich mit rother Erde bekleidet. Innerhalb dieses Saumes er-
heben sich die langen Rücken von gefaltetem, versteinerungs-
leerem, glaukonitischem Kieselkalk, Mergel und Sandstein. Diese
Felsarten umschliessen die Asphalt -Vorkommnisse; durch ihre
Zersetzung erzeugen sie den Untergrund der reichsten und frucht-
barsten Theile der Insel. Aus diesen glaukonitischen Ablage-
rungen ragt hier der lange, aber niedrige Rücken von Serpentin
in Begleitung von alten Eruptivgesteinen hervor; er ist in dem
Hafen von Habana selbst als eine dunkle, vegetationslose Masse
sichtbar.^
Nach Castro's Angaben tritt südlich von dem langen Zuge
von Serpentin, in der Sierra de Cumanayagua, W. von der Hafen-
stadt Trinidad, Gneiss, Talkschiefer und dunkler Kalkstein von
höherem Alter hervor. —
Es sind zwar verschiedene Vermuthungen über das Alter der
Sedimente von Cuba geäussert worden, und wurden z. B. die
schwarzen Thonschiefer und die Quarzite von Mantua im Westen
der Insel, an der Nordseite der Sierra de los Organos für paläo-
zoisch gehalten, aber bis heute ist mir weder von Cuba, noch
überhaupt von einer anderen der westindischen Inseln irgend ein
Fossil bekannt, das mit Bestimmtheit ältere als cretacische Ab-
lagerungen anzeigen würde. Hippuriten sind in dem lichten Kalk-
stein von Cuba an mehreren Stellen gefunden worden ; unter den
jüngeren flachgelagerten Sedimenten ist der Orbitoidenkalkstein
zu erwähnen, welcher sich auf Florida und auf vielen der Inseln
wiederholt, und dessen Alter bereits besprochen worden ist (S. 366).
Der Westen von Haiti ist wenig bekannt, dagegen hat Gabb
eine vortreffliche Monographie des Baues der Republik S. Do-
mingo, also der Mitte und des ganzen Ostens geliefert.**
704
S. Domingo. Das Cibaogebirge
Das Streichen des Gebirges ist auch gegen OSO. gerichtet,
und die Elemente, welche den Boden zusanjmensetzen, sind die-
selben wie auf Cuba. Die flyschähnlichen Schiefer, Kalksteine und
Sandsteine, die ,Sierra Group', wie Gabb sie nennt, erscheinen in
mehreren parallelen Zügen; sie haben einige wenig-e und schlecht-
erhaltene Versteinerungen von cretacischem Charakter (Ammo-
nites, Trigonia u. And.) geliefert, und an einer Stelle, W. von
S. Domingo, bei Azua in der Bucht von Ocoa, tritt etwas Petro-
leum hervor. Serpentinartige Züge treten in denselben auf und
Castro sagt ausdrücklich, er habe auf Haiti die Fortsetzung des
Serpentin's von Cuba gefunden. Syenitische und andere Massen-
gesteine bilden in mehreren Zügen die Höhen des ang;-eblich bis
zu 8000 Fuss sich erhebenden Cibaogebirges.
Im Einzelnen ist der Bau der Republik S. Domingo etwa
folgender. An der äussersten NO. Küste kommen, insbesondere
bei Cabo Frances und in grösserer Ausdehnung auf der Halbinsel
Samanä, Sandstein und Schiefer hervor. Man darf sie wohl als
den Nordrand einer gegen OSO. streichenden Synklinale ansehen,
denn die landeinwärts folgende Sierra von Monte Cristi ist ganz
tertiär, sowie auch das grosse Längenthal, welches von der Bucht
von Manzanilla quer durch die Insel bis zur Bucht von Samanä her-
überreicht. Auch an den Fuss des nun südwärts folgenden hohen
Cibaogebirges schliessen sich noch die Tertiärablagerungen an.
Die ersten Höhen des Cibaogebirges bestehen wenigstens
von Sabaneta ostwärts wieder aus Sandstein und Schiefer, und
diese sind es allein, welche ostwärts vordringend den Gebirgszug
der Halbinsel von Seybo zusammensetzen, während die unter
ihnen hervortretenden und sie stellenweise gangförmig durch-
dringenden Massengesteine, aus welchen die höchsten Theile des
Cibao bestehen, gegen Ost schon oberhalb der Stadt S. Domingo
abbrechen. Südwärts folgen gegen die Bucht von Ocoa abermals
Sandstein und Schiefer; aus ihnen besteht wahrscheinlich der
grösste Theil der Südküste, sowie beide gegen West, d. i. gegen
Cuba vorspringenden Halbinseln.
Jamaica ist durch die Bemühungen früherer englischer
Forscher, insbesondere aber durch die von Sawkins und Brown
Jamaica. Puerto Rico. Virginische Inseln. 7^Ä
ausgeführte Aufnahme sehr genau bekannt.^ Die tertiären Bil-
dungen nehmen hier einen grosseren Theii der Oberfläche in An-
spruch wie auf Cuba oder Haiti. Das Streichen ist beiläufig das-
selbe. Der Westen der Insel ist tertiär und hügelig, die grösseren
Höhen gehören dem östlichen Theile an ; hier erheben sich die
Blauen Berge mehr als 7000 Fuss hoch. Sie bestehen aus den-
selben Felsarten wie das Cibaogebirge auf Haiti. Syenit, Granit
und Diorit treten hauptsächlich an ihrer südwestlichen Seite her-
vor; die jMetamorphosed Series*, welche nichts Anderes ist als
die flyschartigen Bildungen der andern Inseln, setzt die höchsten
Theile der Kette zusammen. Sie ist gefaltet und tritt, wenn auch
mit viel geringerer Höhe, noch einmal gegen die Mitte der Insel
aus den jüngeren Ablagerungen hervor. Ueber dieser Serie liegen
die bereits erwähnten fossilienreichen Ablagerungen der mittleren
Kreideformation. Sawkins schätzt die Mächtigkeit derselben auf
5 — 600 Fuss. Man trifft nach diesem Beobachter in ihrem tieferen
Theile nur fest in den Kalkstein eingewachsene Reste sehr grosser
Radioliten und die merkwürdige Rudistengattung Barrettia, wäh-
rend die so sehr an die Gosaubildungen der Ostalpen erinnernde
Fauna mit Actaeonella und Hippurites höher liegt.
Unsere Kenntniss von Puerto Rico beschränkt sich leider
auf eine kurze Notiz, welche Cleve seiner lehrreichen Darstellung
des Baues der östlicher folgenden Inseln einverleibt hat. Das
Streichen scheint hier mehr nach Ost gerichtet zu sein ; innerhalb
eines schmalen, die Nordküste begleitenden Saumes junger Ab-
lagerungen tauchen auch hier wieder dieselben Felsarten hervor,
welche auf Haiti besprochen wurden.'"" Sie setzen auf die Virgi-
nischen Inseln fort.
Diese Inseln sind von einander und von Puerto Rico nur
durch geringe Meerestiefen getrennt, und Cleve hat deutlich ge-
zeigt, wie die einzelnen Gesteinszonen mit ostwestlichem Streichen
durch die einzelnen Inseln des Archipels hinstreichen, den Zu-
sammenhang ihres Baues erweisend. Man sieht im Süden von
S. Thomas und S. John über Norman und Peters Island eine Zone
von älteren eruptiven Felsarten hinstreichen, welche als , Feisite
with subordinate Blue-beache* bezeichnet werden. Eine ähnliche
yOÖ Von Virgin Gorda bis Antigua.
Zone verläuft im Norden des Archipels N. von Tortola und durch
die Nordhälfte von Virgin Gorda. Zwischen beiden liegen mit
demselben Streichen Zonen von ,Blue-beacheS welche begleitet
sind von umgewandeltem und steil aufgerichtetem Schiefer, Quarzit
und Kalkstein.
In einer Zone, welche so ziemlich die mittlere zu sein scheint,
trifft man bei Coki Point auf S. Thomas Actaeonella laevis und
andere Versteinerungen der mittleren Kreide. Man möchte ver-
muthen, dass diese ganze Inselgruppe eine einzige grosse Syn-
klinale darstellt, deren jüngstes und mittleres Glied die Actaeo-
nellenschichten wären."
Von diesem Baue macht die nördlichste der Virginischen
Inseln, Anegada, eine Ausnahme; es ist bereits gesagt worden,
dass sie ganz flach ist und der äusseren Zone angehört. —
Südlich von der Insel Vieques und den südlichen Virginischen
Inseln senkt sich nun der Meeresboden plötzlich zu ausserordent-
licher Tiefe herab. Das nahe S. Croix soll durch Meerestiefen
von mehr als 12.000 Fuss abgetrennt sein. Nichtsdestoweniger
wiederholen sich auch hier dieselben Gesteine. Sie bilden haupt-
sächlich den Norden der Insel und sollen am Strande sofort steil
bis zu etwa 6000 Fuss Tiefe in's Meer abstürzen; der Süden der
Insel ist tertiär.
Oestlich von S. Croix beginnt die bogenförmige, gegen Süd
sich ziehende Linie der Vulcane. Die Aschenkegel ragen bis zu
4000 Fuss hoch empor. Die ihnen östlich vorliegende Reihe von
Inseln, auf welcher die Felsarten von Cuba und Haiti ihre Fort-
setzung finden, erhebt sich nur an einer einzigen Stelle zu 1 400 Fuss;
ihre Höhe schwankt zwischen 200 und 500 Fuss.
An der Westküste von Anguilla treten nur auf geringe Er-
streckung die älteren Eruptivgesteine und die Flötzbildungen der
grossen Inseln zu Tage; sie enthalten Kupfer und sie bilden einige
der umliegenden Riffe."
Sie setzen den südlichen Theil von S. Martin zusammen,
tauchen auf S. Bartholomäus bei der Stadt Gustavia hervor und
bilden die höchsten Theile dieser Insel. *^ Auch auf Antigua be-
stehen die höchsten Rücken aus Grünstein, Mandelstein und
Porphyr.'^
■■ ■ Die Cordillere der AntUlcD. 707
Auf Barbados quillt, wie seit langer Zeit bekannt ist, Erdöl
in grosser Menge aus dem Boden hervor, wie auf Trinidad. —
Nach den oben angeführten Beobachtungen ist die ganze
mittlere oder Hauptzone der westindischen Inseln, vom Cabo
S. Antonio an dem westlichen Ende Cuba's durch Jamaica, Haiti,
Puerto Rico bis Barbados aus denselben Felsarten zusammen-
gesetzt. Granit, stellenweise wohl auch gneissähnliche Gesteine,
ältere eruptive Felsarten, das eigenthümliche Blue-beache, Ser-
pentin, glaukonitischer Sandstein, dann lichter Kalkstein, welcher,
so weit er sicher bestimmbare organische Reste geliefert hat, von
cretacischem Alter ist, bilden die sichtbaren Reste eines einst zu-
sammenhängenden Gebirgszuges. Es sind dieselben Gesteine,
welche die Insel Trinidad, die nördliche Kette von Venezuela,
dann jene von Merida und Bogota mit ihrer südlichen Fortsetzung
und die ganze Reihe der Küsten-Cordilleren bis zu dem südlichsten
Ende des südamerikanischen Festlandes bilden.
Es ist dieselbe Reihe der Gesteine, welche man in vielen
Theilen Griechenlands, auf Kreta und Cypem, in vielen Theilen
der taurisch- armenischen Schaarung, im östlichen Afghanistan,
auf den Andamanen und den Nikobaren antrifft. Dabei ist die
Aehnlichkeit mit gewissen Gebieten des europäischen Flysch eine
ausserordentliche. Th. Wolf sagt, dass es ,Nagelflue und flysch-
artige Gesteine' sind, welche südHch vom Chimborazo bis gegen
Alansi die westliche Cordillere von Ecuador vom Fusse bis zum
Scheitel zusammensetzen.'' Die Vorkommnisse von Erdöl wieder-
holen sich in dem untercretacischen Flysch der Karpathen und die
langen Züge von Serpentin im Flysch des nordöstlichen Bosnien,
auf Euboea und an sehr vielen anderen Orten. —
Wir werden fortan diese Reihe von Inseln als die Cordillere
der Antillen bezeichnen. Ihr Verlauf ist ein bogenförmiger.
Gegen West erscheint dieselbe in mehrere Aeste in Virgation aus-
einanderzutreten, wie Seebach angezeigt hat. Ein Ast zieht vom
südlichen Haiti über die Halbinsel Jacmel und die Blauen Berge
auf Jamaica nach Honduras, der andere von den Cibaobergen auf
Haiti über die Sierra Maestra auf Cuba gegen den Amatischen
Golf in Guatemala und dort quer über die Landenge bis zu der
Linie der grossen Vulcane. Möglicherweise ist ein dritter in
jl
'1 .
708 Umrahmung des caraibischen Meeres.
der Mitte der Insel Cuba durch die Sierra de Cumanayag^a an-
gedeutet.
Die Cordillere ist gegen Nordost und Ost von tertiären und
noch jüngeren Meeresbildungen umgeben, unter welchen wir be-
reits an früherer Stelle (S. 366) die Korallenbänke von Gast. Gom-
berto und den Orbitoiden-Kalkstein, welcher dem unteren Kalk-
stein von Malta entspricht, erkannt haben. Welche von diesen
Gliedern noch an der Faltung theilnehmen, war ich nicht in der
Lage, aus den mir vorliegenden Angaben mit voller Sicherheit zu
ermitteln ; jedenfalls liegen die jüngeren abstossend und flach an
den Abhängen des gefalteten Gebirges, und zwar ist ihre Anord-
nung eine ähnliche wie jene der absteigenden Serie bei Suez.
Die jüngeren Theile fügen sich nämlich in geringerer Seehöhe an
die älteren. Diese flachgelagerten, jungen Sedimente, zumeist
Kalkstein, bilden nicht nur den Saum der grossen Inseln, sondern
auch einzelne kleine und flache Inseln mit sehr steilen Rändern
zwischen den Stücken der Cordillere, wie die Insel Mona zwischen
Haiti und Puerto Rico. '^ Aus ihnen besteht auch die ganze äussere
Reihe niedriger Inseln, nämlich ein Theil von Barbados, Barbuda,
Sombrero, Anegada und die weiteren Plattenstücke bis zur Halb-
insel Florida (S. 368).
Die Anordnung der Vulcane an der Innenseite der Cordillere
entspricht ganz und gar jener der Vulcane des Apennin und der
Karpathen; es ist der Einbruch der Innenseite des Bogens. In
vollem Gegensatze zu dem Baue des südamerikanischen Conti-
nentes zeigt die Umrahmung des caraibischen Meeres eine ähn-
liche Structur wie jene des westlichen Mittelmeeres. Man kann
sogar behaupten, dass das caraibische Meer nach der Art der
Umrahmung zu dem mexicanischen Golfe in einem Verhältnisse
steht, welches einige entfernte Aehnlichkeit zu den Beziehung-en
zwischen dem westlichen und dem südöstlichen Theile des Mittel-
meeres besitzt. Das caraibische Meer ist nach N. und nach O.
von der gebrochenen Innenseite eines Gebirgszuges umfasst,
welcher im Osten eine Reihe von Vulcanen an dem Bruchrande
hervortreten lässt. Obwohl eine Umbeugung dieser Kette von
Barbados in die OW. Richtung von Trinidad und der Gebirgs-
kette von N.Venezuela nicht nachgewiesen ist, sieht man doch auch
Erdhelieo der ciraibiKchen Uferländer. 7^^
diese Gebirgskette ihre gebrochene Innenseite dem Meere zu-
kehren. Ebenso ist es in Italien, im NW. Afrika und an der spa-
nischen Südküste. Der mexicanische Golf liegt ausserhalb der
Cordillere der Antillen; er ist eingebrochen in das Vorland; sein
Umriss ist nicht in kennbarer Weise durch den Verlauf von Ge-
birgsfalten beeinflusst, es sei denn höchstens imW. durch die An-
näherung der mexicanischen Gebirgszüge an die Küste von Vera-
cruz. Ebenso ist der südliche Theil des östlichen Mittelmeeres
eingebrochen in die Wüstentafel, ohne dass der Umriss durch
Gebirgszüge vorgezeichnet wäre. In dem nördlichen Theile des
östlichen Mittelmeeres tritt allerdings ein anderer Umstand hinzu.
Dort ist der taurische Bogen eingebrochen, und sonderbarer Weise
findet man gerade dort zwei grosse Inseln, Kreta und Cypern,
welche mit den Bogenstücken der Cordillere der Antillen beson-
dere Aehnlichkeit besitzen. Auch sie sind Bogenstücke; dieser
Umstand prägt sich in ihren Umrissen ebenso deutlich aus wie in
Cuba oder Haiti, und sie bestehen der Hauptsache nach aus den-
selben Felsarten wie die grossen Antillen, nämlich aus Serpentin
mit Chromeisen, Flysch und Kreidekalk, wobei Granit als die
Unterlage sichtbar wird.
So wie der Umkreis des westlichen Mittelmeeres in Calabrlen,
am Cabo di Gata und an anderen Stellen häufig von Erdbeben
heimgesucht ist, werden auch dje Umgebungen des caraibischen
Meeres häufig von Erschütterungen betroffen. Caracas und Cu-
mana an der Nordküste von Venezuela, Guadeloupe unter den
vulcanischen Inseln, Fort Royal auf Jamaica sind zu trauriger Be-
rühmtheit gelangt. Es liegen bereits zahlreiche Schriften über
diesen Gegenstand vor, aber irgend ein Zusammenhang der Er-
scheinungen ist mir wenigstens zur Zeit nicht erkennbar. Saiterain
hat gezeigt, dass auf Cuba zwei getrennte seismische Gebiete vor-
handen sind.'' Das erste Gebiet, seit Jahrhunderten durch grosse
Erschütterungen ausgezeichnet, liegt in der Nahe von Santjago
de Cuba und gehört ganz der Ostseite der Insel an. Ein zweites
wird durch die Erdbeben der Cordillere von Vuelta-Abajo ange-
zeigt; diese begannen in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar
18S0 und dauerten bis in den Monat Mai desselben Jahre.s. Si&
bewegten sich quer durch den schmalen westlichsten Thi
7IO
Erdbeben auf Cubau
Insel mit der Richtung SW.— NO. oder WSW.— ONO. auf einem
ziemlich wohl abzugrenzenden Räume, welcher durch die Meri-
diane von las Mangas und S. Cruz de los Pinos g-ekennzeichnet
wird. Um dieselbe Zeit bildete sich weit von der Insel Cuba in
dem See von Ilopango auf der grossen Linie von Vulcanen, welche
an der pacifischen Küste durch S. Salvador zieht, ein neuer Krater
(S. I2i). Rocksrtroh's Bericht lässt ersehen, dass dort die Er-
schütterungen in den letzten Tagen des Jahres 1879 begannen,
am 20. Januar 1880, 11 Uhr p. m. unter heftigen Schläg-en eine
grosse Dampfsäule sich aus dem See erhob und dass am folgenden
Morgen in seiner Mitte die neue Insel begann sichtbar zu werden,
am Nachmittage des 23. Januar sich die Thätigkeit steigerte und
im Februar der neue Vulcan sich aufbaute. Seine Felsart ist
Rhyolith ; die Erschütterungen dauerten noch längere Zeit nach.
Aus der nahen Uebereinstimmung der Zeit und der Richtung
haben Saiterain und Vines gefolgert, dass ursachlicher Zusammen-
hang zwischen dem Ausbruche im See von Ilopango und dem
Transversalbeben von Vuelta-Abajo bestehe. Die Bestätigung
dieser Ansicht muss von künftigen Erfahrungen abhängig bleiben.
Auf den Querspalten der grossen von Costa Rica bis übei
Guatemala hinausreichenden vulcanischen Linie rückt die eruptive
Thätigkeit in der Richtung gegen den pacifischen Ocean vor.
Wie an früherer Stelle erwähnt worden ist, erfolgt diese Bewegung
ziemlich rasch und haben sich seit einem Jahrhunderte bereits
mehrere neue Vulcane gebildet.
Anmerkungen zu Abschnitt X: Die Antiilen.
' A. Dollfuss et E. de Mont-Serrat, Vojr. giol. dans les Rfpubl. de Gnate-
mala et de S^lvndor; Miss. scicDtif. au Mexique etc. 4", Paris, 1S68.
>J. Durochcr, Rech, sat les Systeme« de Montagncs de l'Amfr. ceotr.;
Comples rend. 18(J0, LI, p. 44; ancti dess. Ktudes sur Votogr. et \a gfol- de l'Amör. ccntr.;
cb. das. 1860, L, p. 1170—1175.
3 K. V. Seebach, Cealral- Amerika und der inte roceani sehe Caoal; 8°, Berlin.
1873, S. II u. folg.; Sammluug gcmeinvcrsl, Vortr. hggeb. v. Virchow u, HoltzeDdorlT,
VIII. Ser., Heft l83. Das Quetstreichen des Gebirges bemerkte auch M.Wagner, Phys.
gcogr. Skiiie der Ptov. Chiriqui; Peterm. geogr. Mitlh. l863, S. 281 — 299, Taf. IL
4 L. V. Buch, Physikal. Beschreib, d. Canarischeu Inseln; 4", 1815, S, 400-
5 Policarpo Cia, Observac. geol. de nua gran parte de la isla de Cnba; RevisL
minera, 1854, V, p. 36s, igi, 420, 451.
^ M. F. de Castro, Prueba.'i palaeont. de que 1a Isla de Caba ha eatado nnita
cl Contioente acner, y brcve Idea de su Coostit. geol.; Bolet. Comis. Mapa Geol. 1S81,
VIII, p. 357—372. Für die jüngeren Bildungen: W. O. Cro'ib)', On the elevated Coral
Reefs of Cuba; Proc. Boston Soc. nat. hist. 1882, XXII, p. 124 u. folg.
7 P. Salterain, Apuates para una Descripcion üs.-geol. de las Jurisdicc. de la
Haliana y Guanabacoa; eb. das. 1880, VII, p. 161-225; Karle. Die von Lea vor län-
gcter Zeit aus der Gegend von Habana beschriebenen Fossilien zeigen, dass es an meso-
zoischen Resten nicht fehlt, doch wird durch sie die Anwesenheit der Jurafonnation
nicht erwiesen: Is. Lea, Noiice of Ihe OoUL formalion in America; Trans. Amer. Philos.
soc. 1840, 2. ser. VII.
* W. M. Gal)b, On the Topogr. and Geol, of Santo Domingo; Transact. Am.
Philos. Soc. Philadelphia; 1873. new ser., XV, a, p. 49— 259; Karten.
9 J. G. Sawhins, RqKirts on the Geol. of Jamaica, or Part II of the W. Ind.
Survcy; 8", Lond. i8ß9; insb. p. 26 u. folg.; auch L. Barrett, On some cretac. Rocks
in the South-Eastern Portion of Jamaica; Quart. Journ. Geol. Soc. 1860, XVI, p. 3l4 —
32Ö; M. Duncan and G. P.Wall, A Notice on (he Geol. of Jamaica; cb. das. 1865,
XXL p. I — IS-
'" P. T. Cleve, On the Geol. of the North-Eastern West-India Islands; Svensk.
Vctcnsk. Ak. Handling. 1870, ny fold, IX, 57 pp. nnd Karten; Puerto Rico: p. 14, 15;
auch Annais N. York Aead. Sc. 1882, H, p. 185 o. folg.
II Cleve, am ang. O. Taf. U, Fig. i; auch Woodward ervihnt ActMonella
lacvis von SL Thomas in Quart. Journ. geol. Soc. 186G, XXLI
(.'ulcbra auch D. Cis. de GuiUerna, Mem. del Reconocimtni"
Culcbta; Bolet. Soc. K'.ogr. Madrid, 1880, Vni, p. a3— 47, iul'. i>
Supii, Du Antliti der Erde.
712
Anmerkungen zu Th. 11, Abschn. X. Die Antillen.
" Sawkins, Reports etc. Append. I: Gcol. Report on the Isl. of Ai
p. 257—261; aus mehreren älteren Darstellungen nenne ich nur eine, für ihre Zci
dings ganz vortreffliche Schrift: Will. Maclure, Observ. on the Geol. of the \
Islands from Barbadoes to Santa Cruz inclus. ; Journ. Acad. Nat. Sciences, Philac
1817, vol. I, a, p. 134 — 149.
'3 Cleve, am ang. O. p. 22 u. folg.
M P. M. Duncan, On the foss. Corals of the W. Ind. Islands, Part I;
Journ. geol. Soc. i863, XIX, p. 408—410.
15 Th. Wolf, Neu. Jahrb. f. Min. 1880, I, S. 268.
»6 D. Ind. Nufiez Zuloaga, Mem. descript. de la Isla de la Mona; Bok
gcogr. Madrid, 1879, VII, p. 226 — 238, Karte, u. Tejada, Reconocim. de la Isla
Mona; eb. das. 1880, IX, p. 81 — 93.
'7 P. Saiterain, Ligera Rcsena de los Tcmblores di Tierra ocurr. en la
Cuba; Bol. Com. Mapa Geol. 188 3, X, p. 371 — 385. Die Erdbeben des ostlichei
sind es gewesen, welche Poey zu Betrachtungen über jenen Zusammenhang von Er^
und Cyclonen veranlasst haben, dessen Bedeutung hier bei Besprechung der Sintfli
wähnt worden ist. A. Poey, Sur la forcc ascensionelle qu'exerccnt Ics ouragans ä
face du Sol, comme pouvant donner lieu k la production des tremblements de tci
dcss. Suppl, au Tableau chronol. des Trcmblem. de Terrc ress. h TSle de Cuba;
Nouv. Ann. d. Voyages, 8° Paris, 1855, P* 10—21.
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Die Virgatlon der Rocky Mountains
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EILFTER ABSCHNITT.
Nordamerika^
Die Faltungen im Osten. — Prairieland und Black Hills. — Eintheilung der Gebirgszüge
des Westens. — Rocky Mountiins. — Uinta. — Wahsatch und Kettenzüge am Snake
River. — Colorado-Plateau. — Das Hochland von Utah und der grosse Cailon des Colo-
rado. — Rasin Ranges. — Sierra Nevada. — Die Kilsten-Cordilleren und Nicder-Califor-
nien. — Der canadische Westen. — Uebersicht.
Die Faltungen im Osten. Der Osten des nordamerlka-
nischen Festlandes gibt von der Mündung des Lorenzostromes
bis nach Alabama und Georgien Zeugniss von grossen Faltungen,
welche zu verschiedenen Zeiten, doch zum grössten Theile inner-
halb der paläozoischen Epoche, diesen beträchtlichen Theil der
Erdoberfläche betroffen haben. Der Verlauf dieser Falten ist, ab-
gesehen von Abweichungen, von welchen ich einige sofort zu er-
wähnen habe, im Allgemeinen von NO. gegen SW. gerichtet, und
die tangentiale Kraft äusserte sich stets von dem atlantischen
Ocean her gegen das heutige Festland. Grosse Verwerfungen
sind nachgefolgt; insbesondere sind Längsbrüche, welche dem
Streichen der Falten folgen, von ganz ausserordentlicher Länge
und auf ihnen gewaltige Senkungen erkennbar. Der Betrag sol-
cher Senkungen wird von den Geologen der pennsylvanischen
Landesaufnahme, welche diese Störungen wegen ihrer Bedeutung
für den Abbau der Kohlenflötze mit einem hohen Grade von Ge-
nauigkeit verfolgt haben, in einzelnen Fällen auf 20.000 Fuss und
sogar noch weit höher geschätzt. Diese Senkungen beirren aber
714 Nova Scotia.
im Grossen nicht das Bild eines ausgedehnten Faltenlandes fui
Pennsylvanien, Virginien, Theile von Tennessee und anderer be
nachbarter Staaten, welches schon vor langer Zeit von Henry Rogen
richtig dargestellt, als ein einseitig bewegtes Stück der Erdrinde
erkannt und dem Juragebirge in Europa verglichen worden ist
In der That erfüllt jede neue Benützung der Schriften dieses aus
gezeichneten Forschers den Leser von Neuem mit Staunen darüber
dass derselbe schon in jener Zeit zu einer so richtigen Auffassung
des Baues solcher Gebirgsstrecken zu gelangen im Stande war.
Es sind zahlreiche Sättel und Mulden von grosser Länge vor
handen. Die felsitischen Gesteine, welche an der Ostküste vor
Nova Scotia als die Axen der Antiklinalen an den atlantischer
Ocean treten, sind durch die Auflagerung von primordialer
Schichten als archaische gekennzeichnet. Auf der Insel Scatari
welche den am weitesten gegen den Ocean vortretenden Thei
von Cape Breton bildet, ist ihr Streichen nach Fletcher S. 82 —
88° O., bei Rochford an der SO. -Küste von Cape Breton N. 74^ O.,
weiter im Süden, an derselben Küste in der Nähe von Cap^ Ga
barus N. 46^0., als würde das allgemeine, nahe gegen SSW. odei
SW. gerichtete Streichen der Faltensättel gegen diesen Theil def
Ocean's hin einer mehr östlichen Richtung zustreben. Aber schor
in diesen entfernten Theilen des grossen System's von Falter
liegen Sedimente der Carbonzeit transgredirend auf den archai-
schen Faltensätteln, zum Beweise für das hohe Alter dieser Be-
wegungen.^
Unmittelbar in NW. von Scatari streichen an der Nordküste
weitere Antiklinalen in der Richtung gegen NO. zum Meere aus,
welche Richtung auch für den Umriss von Nova Scotia und Cape
Breton massgebend ist.
Die Faltungen setzen sich nun über die ganze Breite vor
Neu-Braunschweig bis an den Ostrand des unteren Lorenzo fort,
welcher durch ihren Verlauf vorgezeichnet ist, aber auf der Insel
Anticosti ist die Faltung zu Ende; die Schichtung erscheint
an dem Ufer auf meilenlange Strecken horizontal, und horizon-
tale Schichten begrenzen zu beiden Seiten die Strasse Belle Isle
zwischen Neu-Fundland und dem Festlande. Frince Edward-Insel
besteht, wie sich bald zeigen wird, aus einer Scholle weit jüngerer
Appalachien. 7^5
Gesteine, und die Strasse von Cansp, welche Cape Breton von
Nova Scotia abtrennt, ist eine Querfurche, welche gefaltete Ge-
birge quer durchschneidet, wie Matotschkin-Schar auf Nowaja-
Semlä/
Ein grosser Theil der Sättel und Mulden durch N. Braun-
schweig bis Gaspe ist durchdie geologische Landesaufnahme von
Canada in den letzten Jahren festgestellt worden ; ich muss mich
darauf beschränken zu sagen, dass ihr Streichen gegen SW. und
SSW. gerichtet ist und sie sich fortsetzen nach Maine. Besondere
Schwierigkeiten hat die Entzifferung der südlich von Quebec ge-
legenen Strecke geboten, aber die Arbeiten von Selwyn auf cana-
dischem Gebiete und von Wing und Dana in Vermont und bis in
die Gegend von Newyork hinab haben gezeigt, dass auf dieser
langen Strecke die Structur des Landes ein fast genau von Nord
gegen Süd gerichtetes Streichen verfolgt.^
Während aber diese meridionalen Structurlinien, welche theils
Falten und theils Längsbrüche zu sein scheinen, östlich vom Cham-
plain-See und vom Hudson-Flusse herabziehen, richtet sich schon
von den Catskillbergen, NNW. von Newyork, eine Reihe von
Falten gegen SSW., und NW. von Philadelphia, bei Fottsville
und Harrisburg sieht man diese Falten in immer grösserer Ent-
wicklung und in reicher Begleitung carbonischer Sedimente in
grosser ojförmiger Beugung aus SSW. und SW. in einzelnen
Strecken erst in beinahe westliche Richtung übergehen und dann
wieder die SW. Richtung annehmen, in welcher Richtung sie so-
fort die AUeghanyberge bilden und sich bis Alabama und Geor-
gien fortsetzen. Diese Beugung des Streichens, welche sich in
Fennsylvanien vollzieht, wird von den meisten Zuflüssen des Sus-
quehanna quer durchschnitten, und hier führte H. Rogers seine
Untersuchungen über die Entstehung der Gebirgsketten durch
einseitige Faltung aus. Die neueren, unter Leslie's Leitung unter-
nommenen Aufnahmen haben einen Schatz von Erfahrungen über
die nähere Gestalt und den Verlauf der Falten, der Wechselflächen
in den überschobenen Falten, der Längsbrüche und überhaupt
aller Einzelheiten des Baues geliefert. In den südöstlichen Theilen,
welche an der Innenseite des Faltensystem's liegen, ist die Kohle
in Anthrazit verwandelt; in den äusseren Falten, wie in den flach-
f y l() Blue Range und Smoky Mountains.
gelagerten westlichen Gebieten ist sie fett. Bekanntlich zeigt sich
eine ähnliche Erscheinung in Belgien.
Ohne von dem weiteren Verlaufe der Falten durch Virginien
zu sprechen, will ich nach Eliott's Angaben einige Worte über ihr
südliches Ende sagen, obwohl gerade hier noch manches Räthsel
seiner Lösung zu harren scheint.^
Die Blue Range zieht als ein beträchtlicher Höhenzug- gegen
SW. ; im Black Dome, westliches N. Carolina, erhebt sie sich zu
6700 Fuss, in Caesar's Head, an der NW. Grenze von S. Carolina,
über 4000 Fuss und verflacht von Jasper gegen Cartersville, NW.
von Atlanta, Georgien. Eine zweite Kette, Smoky Mountains, läuft
im Westen der Blue Range nahe parallel, beugt sich jedoch an
der Nordgrenze von Georgien gegen S. ; sie bildet in Georgien
noch eine Anzahl bemerkenswerther Höhen, wie Sharp Mountain,
und die letzten Berge erheben sich zwischen Cartersville und
Alatoona. In dieser Gegend vereinigen sich die Ausläufer beider
Gebirgszüge und zwischen ihnen bleibt im nördlichen Georgien
ein keilförmiger, höher gelegener Landstrich eingeschlossen.
Diese Ketten bestehen aus Gneise, aus primordialen und unter-
silurischen Ablagerungen. Der eingeschlossene Landstrich hat
den Bau einer Synklinale. Der östliche Rand, Blue Range, ist
monoklinal gebaut; seine Schichten neigen gegen West, während
im Osten ein Absturz vorhanden ist, und da in dem tiefer liegen-
den östlichen Lande auch untersilurische Schichten zu Tage treten,
hat es den Anschein, als sei Blue Range durch einen Bruch be
grenzt und als sei das östliche Land um ein Beträchtliches ab
gesunken. Die Smoky Mountains im Westen des eing-eschlosse
nen Hochlandes neigen ihre Schichten auch unter dasselbe, abei
ihnen folgen gegen W. noch zahlreiche weitere Falten, an welcher
jüngere Glieder der paläozoischen Serie theilnehmen, und welche
nach Alabama fortstreichen, um dort unter der grossen cretaci
sehen Transgression zu verschwinden. —
Auf diesem weiten Faltungsgebiete des östlichen Amerika
welches insbesondere im Norden durch die übergreifende Lageruni^
einzelner Theile der paläozoischen Serie sich als das Erg-ebnis*
von Vorgängen erweist, welche bereits in der Silurzeit beg-onner
und durch sehr lange Zeit angedauert oder sich wiederholt haben
Cincinnati Uplift. 717
Hegen lange Streifen und Schollen von einem rothen oder grauen
Sandstein von mesozoischem Alter, welcher wegen der Pflanzen-
reste, die er enthält, in der Regel der Trias zugezählt wird. Er ist
auf dem grössten Theile seiner Erstreckung von Lagen und
Gängen von Eruptivgestein begleitet. Er liegt auf Prince Edward-
Insel, längs der Ufer der Bucht von Fundy, im Thale des Connec-
ticut, durch Massachusetts bis in die Nähe des Meeres, in einem
ausserordentlich langen Streifen vom unteren Hudson über N. Jer-
sey, Maryland, Virginia bis N. Carolina, .und an anderen verein-
zelten Stellen. Die Schichten sind auf lange Strecken einseitig
geneigt, aber gefaltete Lagen scheinen noch nicht bekannt zu sein.^
Das gefaltete Land des östlichen Nordamerika ist nach Westen
hin nicht durch einen überfalteten Saum von einem fremden Vor-
lande getrennt, sondern das Vorland ist ein dem Gebirge gleich-
artiges, die Faltung nimmt gegen West allmälig ab, und Rogers
meinte vor Jahren sogar, ihre äussersten Spuren würden sich bis
an die Rocky Mountains nachweisen lassen. Vor den Falten der
AUeghanies erhebt sich, vom Erie-See weit gegen SW. denselben
parallel ziehend, ein selbständiger Faltensattel, der Cincinnati
Uplift, in allen wesentlichen Zügen den Parma's des Ural ver-
gleichbar. Er reicht vom Ufer des Erie bis nach Tennessee hinab
und nach Safford liegt in demselben das Devon unmittelbar auf
Untersilur. Weiter nach W. flacht die Faltung vollständig aus.
In Michigan ist nur mehr geringe Neigung der Schichten zu der
grossen Mulde bemerkbar, welche die See'n trennt, und die Kohlen-
felder von Illinois und Missouri liegen flach; in Kansas tauchen
sie westwärts bei sehr geringer Neigung unter permische Meeres-
bildungen.
Prairieland und Black Hills. Ein ausserordentlich weites,
unwirthliches Gebiet ohne beträchtliche Höhen, ohne lange fort-
laufende Rücken, dehnt sich, ohne ein geregeltes Flussnetz, be-
deckt mit zahlreichen See'n von unregelmässigen Umrissen und
alle Anzeichen einer weitgehenden Abrasion an sich tragend, vom
Lake Superior gegen NW., N. und NO. aus, umfasst die Hudsons-
Bay und findet seine Fortsetzung in dem arktischen Archipel. Es
besteht aus archaischen Felsarten, welchen da und dort in flacher
7 1 8 Laramie-Stufe.
Lagerung eine paläozoische Scholle aufruht. Bell hat grosse
Theile desselben durchreist; die Darstellungen des Landes er-
innern an die archaische Platte von Lappland.®
Gegen West wird diese ausserordentliche Masse alter Fek-
arten von einer cretacischen Transgression überdeckt, welcher
alles ebene Land bis an den Fuss der Rocky Mountains und durch
die ganze Mitte des Continentes bis hinab nach Texas zufallt, und
welche noch weiter nach Mexico reicht. Diese Transgression be-
ginnt, wie in so vielen anderen Gebieten, in der Mitte der Kneide-
formation. Die Namen der in dieser Ebene unterschiedenen Glie-
der der Kreideformation sind von unten nach oben : Dakota,
Fort Benton, Niobrara, Fort Pierre, Fox Hill und Laramie. Die
tiefste Abtheilung, Dakota, führt häufig Landpflanzen, Lignit
und Reptilien, aber auch marine Lagen, und wird dem europäi-
schen Cenoman von den meisten Autoren gleichgestellt; Fort
Benton enthält auch an vielen Stellen Lignit und Reptilien. Nio-
brara, Fort Pierre und Fox Hill sind ausschliesslich oder doch
sehr vorherrschend marin ; Laramie ist häufig von Kohlenlagern,
auch von Resten von Dinosauriern, aber auch von einer ver-
armten Meeresfauna begleitet, welche aus einer geringen Anzahl
von Arten besteht, die zum Theile brackische Einflüsse zeigen;
auch wahre Süsswasserbildungen sind vorhanden. Diese Stufe
wird von einzelnen hervorragenden Forschern dem tiefsten Ter-
tiär zugezählt ; wegen ihrer Dinosaurier zählen wir sie zur
Kreide.
Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dass auf dem ge-
sammten nordamerikanischen Festlande mit Ausnahme
weniger Küstenstriche und der Niederung am unteren Mississippi
noch niemals eine Spur einer tertiären Meeresbedeckung
angetroffen worden ist. Eine lange Reihe mannigfaltiger Ter-
tiärablagerungen folgt, insbesondere westlich von den Rock)''
Mountains, über der Laramiestufe, aber sie sind ohne Ausnahme
im süssen Wasser gebildet. Nicht weniger überraschend ist die
ausserordentliche Ausbreitung der abgeschlossenen Gewässer von
Laramie, denn man findet die Ablagerungen dieser Stufe im Nor-
den am Saskatchewan und ebenso im Süden noch weit unter Santa
F6 in Neu-Mexico am Rio Grande.^
Nord-Ende der Kreidcformation. 7^9
J. Richardson, Selwyn, J. W. Dawson und G. M. Dawson
geben Nachricht von der Beschaffenheit des cretacischen Flach-
landes im Norden.
Die nördliche Umgrenzung des cretacischen Gebietes ist nicht
sichergestellt. G. M. Dawson berichtet, dass von den oberen Zu-
läufen des Peace River die Rocky Mountains einen fast rein nörd-
lichen Verlauf zu nehmen scheinen, so dass sie den Bug des
Mackenzie unter der Einmündung des Liard treffen würden. Zu-
gleich sind Spuren von devonischen und vielleicht silurischen Ab-
lagerungen bekannt, welche vom Clearwater und Athabasca gegen
NW. zu dem westlichen Ende des grossen Sklaven-See's ziehen.
Hienach sei anzunehmen, dass die cretacischen Ablagerungen an
dieser Stelle wesentlich eingeengt oder unterbrochen seien. *° Es
wird sich aber wohl niemals feststellen lassen, wie weit sie sich
einstens über das abradirte Gebiet im Osten und Nordosten er-
streckt haben.
Der See Winnipeg liegt noch ganz in den alten Felsarten,
aber der Red River scheint kurz vor seiner Einmündung in diesen
See eine bemerkenswerthe Grenze zu bilden, denn nach J.W. Daw-
son besteht die rechtseitige, östliche Umrandung seiner weiten,
versumpften Niederung aus silurischem Kalkstein, während die
westliche Umrandung aus cretacischen Schichten besteht, über
welche man in zwei grossen Stufen zu der Ebene der Prairie'en
ansteigt."
Weiter im Süden, in Nebraska und Kansas, ruhen die Dakota-
ablagerungen flach auf den flachgelagerten permischen Schichten,
welche von Osten her als die Decke der Carbonablagerungen mit
kaum merkbarer Neigung unter dieselben hinabsinken. —
Aus der cretacischen Fläche tritt zwischen den beiden Armen
des Cheyenneflusses ein fremdartiges orographisches Gebilde her-
vor, die Black Hills des westlichen Dakota. Der Bau derselben
ist von seltener Regelmässigkeit. Ausserhalb der Mitte, gegen
SO., befindet sich der höchste Theil, Harney's Peak, 7403 Fuss
hoch, ein zerrissener und schroffer Stock von intrusivem Granit.
Er ragt, umgeben von kleineren Intrusivmassen, aus einem haupt-
sächlich gegen NNW. gestreckten Gebiete von archaischem Glim-
merschiefer und Thonschiefer hervor. Die archaischen Gesteine
1
720 ' Black Hills.
sind aufgerichtet und abradirt ; über denselben erscheint als eine
rings umgürtende Zone der primordiale Potsdam- Sandstein, nur
2 — 300 Fuss stark. Unter- und Obersilur, sowie Devon fehlen
1 ganz, und scheinbar concordant liegt auf dem Potsdam-Sandstein
\ der Kohlenkalk. Er bildet eine neue concentrische Zone, schmal
im Osten, breiter im Westen. Gegen Innen erhebt er sich sammt
1' dem Sandstein als steiler Schichtenkopf über die weichen archai-
schen Schiefer, und gegen Aussen fällt er ringsum als Flexur ab ;
diese ist gegen Ost besonders steil. Newton und Jenney, deren
Monographie der Black Hills diese Angaben entnommen sind,
heben besonders hervor, dass die Höhe des Kohlenkalks ein breites
Plateau mit weit weniger geneigten Schichten bildet, während der
Schichtenfall ringsum an den Rändern bedeutend zunimmt ; daher
wird dieser Bau auch jenem des Kaibab- Plateau (S. 169) ver-
glichen. Der längliche Raum, welchen der Saum des Kohlen-
kalkes umgibt, ist beiläufig 1 40 Kilom. lang und mehr als 60 Kilom.
breit."
Die grosse Ellipse von Kohlenkalk ist von einer Niederung
von rothgefarbten, leichter zerstörbaren Gesteinen umgeben. Die
erste Zone ist rother Sandstein mit Gyps, vielleicht der Trias zu-
gehörig; die zweite besteht aus buntgefarbtem Sandstein und
Schiefer mit Versteinerungen der oberen Juraformation, also eines
marinen Gliedes, welches dem Osten des Continentes vollständig
fehlt und hier, indem man sich den Rocky Mountains nähert, in
der Tiefe sichtbar wird, gerade so wie in der indischen Salzkette
die mesozoische Schichtreihe gegen das Gebirge hin sich vervoll-
ständigt.
Die rothe Niederung ist von den aufragenden Schichtköpfen
der Kreideformation umgeben.
Die Axe der grossen Ellipse ist keine gerade Linie, sondern
etwas gegen Ost convex ; dies zeigen Spuren der Verlängerung
gegen NW. und gegen S.; die ersteren sind von einzelnen Trachyt-
vorkommnissen begleitet. Eine ähnliche Beugung vollzieht in der-
selben Breite der Saum der Rocky Mountains.
Die Tafel des Kohlenkalkes scheint mir zu flach, als dass man
von einer einfachen Antiklinale, einer Parma der Rocky Mountains
sprechen könnte. Es mag vielmehr dem Leser des Berichtes
Eintheilung der Gebirgszüge des Westens. / ^ ^
auch hier der Eindruck bleiben, als sei die umliegende Ebene an
den Flexuren abgesunken. —
Wir treten nun auf die gegen West allmälig ansteigende cre-
tacische Ebene zurück und wenden uns dem Saume der Rocky
Mountains zu. Eine kurze Uebersicht der grossen Gebirgszüge
des Westens mag jedoch vorausgehen.
Eintheilung der Gebirgszüge des Westens. Das aus-
gedehnte Gebirgsland des Westens von N. Amerika ist gegen
Ost durch den scharf gezeichneten Fuss der Rocky Mountains und
gegen West durch das pacifische Meer begrenzt, welches letztere
jedoch im californischen Meerbusen tief in das Gebirgsland vor-
dringt und im Norden sogar beträchtliche Theile desselben, wie
Vancouver und die Queen Charlotte-Inseln, abtrennt.
Der östliche Saum der Rocky Mountains ist im hohen Nor-
den sehr wenig bekannt; wie bereits erwähnt worden ist, scheint
derselbe vom oberen Mackenzie gegen die oberen Zuflüsse des
Peace-River eine nahe meridionale Richtung zu verfolgen; hierauf
zieht sich derselbe eine geraume Strecke weit gegen SSO. ; im west-
lichen Montana, nachdem der Missouri das Gebirge verlassen hat,
nimmt er die Richtung gegen SO. an, die Big Hörn Mountains
umfassend, und zwischen dem 44. und 43.° nördl. Br. wendet er
sich im südlichen Wyoming wieder gerade gegen Süd. Dieser
meridionalen Richtung folgt derselbe beiläufig im 105. Meridian
durch ganz Colorado, und in 35° 30' erlischt die Kette in N. Mexico
zwischen dem 105. und 106.° westl. Länge, nachdem ihre südlich-
sten Theile sich um ein Geringes gegen SSW. gewendet haben.
Jüngere vulcanische Felsarten nehmen Antheil an der Zu-
sammensetzung dieser Gebirge; sie sind nicht nur in jedem der be-
deutenderen Theile desselben sichtbar, sondern sie treten ostwärts
auch stellenweise über den Fuss der Rocky Mountains hinaus. In
Oregon und Washington nehmen sie besonders grosse Flächen ein.
Es lassen sich innerhalb des Gebietes der Vereinigten Staaten
drei Scheidelinien festhalten, welche alles Gebirgsland in vier
mehr oder minder selbständige Regionen trennen.
Die erste dieser Linien zieht vom westlichen Bruchrande des
Wahsatchgebirges, also vom Ostrande des grossen Salzsee's, ein
72 2 Rocky Mountains.
wenig gegen SSW. abgelenkt, gegen das Ende des Caiion des
Colorado. Die zweite Linie bildet der schroffe Ostrand der cali-
fornischen Sierra Nevada. Die dritte Linie ist das califomische
Längenthal, welches vom Sacramento und vom S. Joaquin durch-
strömt wird, und der califomische Busen.
Die erste Region umfasst die Rocky Mountains, das quer-
streichende Uintagebirge, das Wahsatchgebirge und zwischen
diesen Ketten zwei grosse Tafeln, nämlich jene des Green River
N. vom Uintagebirge, und das grosse Coloradoplateau S. von
demselben.
Die zweite Region ist jene der Basin Ranges. Zahlreiche
kürzere, nahezu im Meridian verlaufende Faltungen, in spitzen Win-
keln von sehr mächtigen Brüchen durchschnitten, kennzeichnen
dieses Gebiet. Es begreift die zahlreichen kleineren, abflusslosen
Gebiete des Westens in sich, reicht jedoch, allerdings mit etwas
geändertem Streichen, nach Nord wie nach Süd weit über dieselben
hinaus.
Die dritte Region ist die Sierra Nevada mit ihren west-
lichen Vorbergen.
Die vierte Region bilden die californischen Coast Ranges
mit Nieder-Californien, und hier werden wir alle ^vesentlichen
Merkmale der Küsten-Cordilleren Südamerika's wieder antreffen. —
Man mag gegen diese von ausgezeichneten amerikanischen
Forschern vorgeschlagene Eintheilung einwenden, da^s das Wah-
satchgebirge im Wesentlichen bereits den Bau der Basin Ranges
besitze und daher diesen zuzuzählen sei, aber es ist wohl der
Wunsch, die gesammte Umrahmung der Tafeln des Green River
und des Colorado zusammenzufassen, die Ursache der oben er-
wähnten und auch in dem Nachfolgenden beibehaltenen Einthei-
lung gewesen.
Rocky Mountains. In dem gesammten O. vom grossen
Salzsee liegenden Gebiete weicht die Schichtfolge nur in einzelnen
Zügen von jener des Ostens und namentlich der Black Hills ab.
Die primordialen Sedimente sind an mehreren Orten bekannt. Die
über denselben folgenden silurischen Ablagerungen sind allerdings
nach den bisherigen Erfahrungen nur durch einzelne Glieder ver-
I I ijAii*
Schichtfolge in den Rocky Mountains. 7^3
treten. Noch spärlicher sind die Anzeichen der Devonformation,
welche sogar auf weite Strecken hin mit ziemlicher Sicherheit als
fehlend anzunehmen ist. Die Ablagerungen der Carbonzeit sind
dagegen in grosser Mächtigkeit vorhanden, und es sind insbeson-
dere marine Aequivalente der höheren flötzführenden Gruppe des
Ostens sehr entwickelt; auch Uebergänge mit permischen Kenn-
zeichen fehlen nicht.
Die Triasformation ist durch rothen Sandstein und Gyps ver-
treten, doch schaltet sich in dem NW. Theile dieses Gebietes dem
unteren Theile der Trias eine fossilführende marine Gruppe ein,
welche im südöstlichen Idaho einige tausend Fuss mächtig wird.
Dies sind die ,Meekoceras-Beds*; ihre Fauna erinnert an einzelne
Glieder der alpinen Trias, doch finden sich in derselben auch
Arten, welche bisher für jurassisch gehalten worden waren. '^
Die Juraformation entspricht jener der Black Hills; es ist bis-
her nur dieses einzige, offenbar oberjurassische Glied bekannt.
Die Aehnlichkeit desselben mit dem russischen Jura wird an an-
derer Stelle zu besprechen sein.
Die Kreideformation erlangt grosse Bedeutung, aber die
Glieder derselben sind zu beiden Seiten der Rocky Mountains im
Wesentlichen dieselben, mit Dakota beginnend und mit Laramie
abschliessend. Auch innerhalb des Gebirges ist die gesammte
Tertiärzeit nur durch Süsswasserbildungen vertreten. Mehrere
Abtheilungen derselben sind durch die reichen Landfaunen, welche
sie enthalten, unterscheidbar, und das Erscheinen von Coryphodon
zeigt, dass die Süsswasserbildungen schon in den älteren Ab-,
schnitten des Eocän beginnen.
Es besteht daher zwischen den Rocky Mountains und dem
Osten nicht eine solche Verschiedenheit wie zwischen den Alpen
oder dem Himalaya und ihrem Vorlande. Zu der Schichtfolge des
Ostens ist im Ganzen nur von den Black Hills an ein Glied der
Juraformation hinzugetreten und im NW. gesellt sich hiezu noch
ein marines Glied der Trias. Allerdings erfolgt aber die Ein-
schaltung dieser beiden marinen Glieder gerade in jener selben
Lücke zwischen Perm und Cenoman, in welcher auch in den Alpen
und dem Himalaya die wichtigste Einschaltung von marinen Glie-
dern eintritt, welche dem Vorlande fremd sind.
'7 2A. Ostrand der Rocky Mountains.
Zunächst will ich nun versuchen, an der Hand von Hayden's
Karte von Colorado und der zahlreichen über diesen Gegenstand
vorliegenden Berichte den Verlauf der Rocky Mountains innerhalb
der Vereinigten Staaten zu besprechen.'^
Von Osten her über das Prairieland gegen das Gebirge
reisend, erhebt man sich ganz allmälig auf den cretacischen Schich-
ten zu der beträchtlichen Höhe von etwa 5000 Fuss (Denver,
5197 Fuss). Nun beugen sich die bisher flachgelagerten Schichten
der Ebene plötzlich steil nach aufwärts, in langen ,Hogbacks* ragen
die Schichtenköpfe hervor und aus ihnen erhebt sich sofort die
mächtige Front Range von Colorado, welche in zahlreichen Gipfeln
mehr als 14.000 Fuss Seehöhe erreicht. Archaische Felsarten bilden
diese hohen Massen; die steil gestellten Schichtenköpfe an ihrem
Fusse enthüllen eine Schichtfolge, welche in den Hauptzügen die-
selbe ist wie jene der Black Hills, und es ist nichts vorhanden,
was an die vorgelagerte Molasse-, Flysch- oder Kalkzone der
Alpen erinnern würde. Dieser Mangel einer vermittelnden Vor-
lage überrascht jeden europäischen Geologen.'^
Die Kette besteht aus einer grösseren Anzahl aneinander-
gereihter einzelner Stöcke oder grosser Rücken von alten Fels-
arten, welche auf den ersten Blick an die sogenannten Central-
massen der Alpen oder an die Gebirgskerne des Riesengebirges
erinnern. Die Art ihrer Reihung ist aber verschieden von der An-
ordnung in europäischen Gebirgen (Taf. VI.).
Schon im äussersten Süden zeigt uns Stevenson die fremd-
artige Structur der Ketten.'^
Die grossen Flächen des Llano Estacado strecken sich aus
Texas gegen Neu-Mexico, und so wie aus der Tafel des Ust-Urt
selbständig von einander die gegen NW. streichenden Aeste des
Tian-schan und an anderer Stelle die meridional verlaufenden
Mugodjaren hervortreten, so tauchen auch hier aus dem Tafel-
lande nordwestliche Ketten und meridionale Ketten hervor. Sie
treten bei Galisteo in 35° 25' sehr nahe aneinander, ohne sich zu
berühren. Die äusserste der NW. Ketten ist Flacer Mounts, SW.
von Galisteo; sie gehört einer anderen Gruppe von Höhenzü<>^en
an, welche erst später zu besprechen ist. An dieser Stelle rechnen
wir nur die meridionalen Züge zu den Rocky Mountains.
Südliclister Thcil der Rocky Mountains. 7^5
Es Sind hier im Süden drei gegen N. oder NNO. streichende
Hauptzüge vorhanden, welche alle in 35° 30' beginnen. Der erste
Zug, von Westen her, ist die Sierra von Santa F^; der zweite,
welcher der längste ist, trägt die Namen S. de las Vegas, S. Mora,
S. Taos und S. Culebra, welche letztere sich in Colorado mit der
grossen S. Sangre de Cristo vereinigt; der dritte Zug endlich,
S. Cimarron, ist weit kürzer und zum nicht geringen Theile unter
den jüngeren Laven begraben, welche im Osten hervortreten.
Die beiden ersten dieser Züge steigen bald zu 12.000 Fuss auf;
etwas weiter im Norden erreicht Culebra Peak 1 4.049 Fuss.
Diese Höhen bestehen aus Gneiss, Hornblendeschiefer und
anderen archaischen Felsarten, welchen carbonische Ablagerungen
auflagern, mit einem mächtigen Conglomerate aus archaischen
Blöcken beginnend ; dem Carbon folgt die in den Rocky Mountains
allgemein sichtbare Serie von mesozoischen Schichten bis über
Laramie, endlich bei Galisteo eine fremdartige tertiäre Scholle.
S. de Santa F^ ist im südlichen Theile gegen Ost von einer
Verwerfung begleitet und diese setzt sich südwärts eine Strecke
weit über das Ende des archaischen Zuges hinaus fort; las Vegas
dagegen setzt sich südwärts in der Gestalt eines Faltensattels fort.
Gegen Osten sind die Ketten von trachytischen Ergüssen
und insbesondere von ausgedehnten basaltischen Tafeln begleitet,
welche sich über die vorliegende Ebene ausbreiten. Während die
Laramieschichten noch an den Bewegungen des Gebirges theil-
nehmen, sind diese vulcanischen Bildungen von weit geringerem
Alter. Es sind sogar wohlerhaltene Aschenkegel vorhanden; ein
Krater liegt auf der basaltischen Ocate-Mesa und ein zweiter an
der SO. Seite von Turkey Mounts; aus diesem ist ein Lava-
strom in den bereits ausgehöhlten Canon des Mora River ge-
flossen.
Weiter gegen Nord, wo die kurze S. Cimarron verschwunden
ist und die hohe S. Culebra an den äusseren Rand tritt, ist ihr
östlicher Fuss von einer langen Felsenmauer, dem ,Stone Wall*
begleitet. Es ist der Schichtenkopf des steil aufragenden Dakota-
Sandstein's. Eine Strecke weit sind seine Schichten widersinnig
gegen West geneigt, dann stellen sie sich senkrecht, endlich fallen
sie mit massigem Winkel ostwärts unter die Ebene.
I
t
^26 Virgation der Rocky Monntains.
Noch weiter gegen Nord, etwa in 37° 20', tritt der Schichten-
kopf des Dakota ostwärts zurück, die Zone des Carbon wird breiter,
und vor dem Rande der Rocky Mountains erheben sich zwei mäch-
tige Berge, die Spanish Peaks (13.620 und 1 2.720 Fuss), vor Zeiten
die Grenzmarken der spanischen Herrschaft. Dies sind die beiden
grossen Laccolithen, welche an früherer Stelle bereits besprochen
worden sind (S. 197).'^
Hier, wo S. Culebra gegen NNW. zur S. Sang*re de Cristo
zieht, beginnt jene ganz eigenartige Anordnung der archaischen
Ketten, welche die Rocky Mountains auszeichnet. Tafel VI gibt
von derselben ein allerdings nur sehr unvollständiges Bild. Es
sind auf derselben die in der Tiefe des Colorado Caiion, dann W.
von Sawatch Range und in der Nähe der Quellen des Rio Grande,
sowie westlich von diesem Flusse unter den vulcanischen Decken
durch Erosion zu Tage tretenden, tiefliegenden archaischen Vor-
kommnisse zu trennen von jenen, welche die hohen Ketten bilden.
Aus den vereinigten Bemühungen von Hayden, Cl. King,
Hagen, Maryine, Stevenson und anderer Forscher ergibt sich Fol-
gendes.'^
Jeder einzelne Zug archaischer Massen streicht von S. gegen
N. mit dem Bestreben, gegen NNW. oder NW. abzuweichen.
Dabei sind diese einzelnen Züge oder Aeste in solcher Weise
nebeneinandergereiht, dass sie gegen West in Virgation ausein-
andertreten, während gegen Ost die nahezu geradlinige, von Nord
gegen Süd gerichtete, gemeinsame Aussenlinie des Gebirges er-
zeugt wird.
Der erste Ast zieht vom Süden, von S. las Vegas her, durch
Culebra und Sangre di Cristo zu der ausgedehnten Masse des
Sawatch. Die westliche Hälfte von Sangre de Cristo ist eingestürzt;
die breite, von Schwemmland bedeckte Ebene von S. Luis breitet
sich an dieser Stelle aus, und W. von dieser liegt das vulcanische
Gebiet der S. Juan-Berge. Nahe dem NW. Rande des Sawatch
befinden sich die völlig in der Richtung gegen SW. überscho-
benen Elk Mountains, deren Bau bereits besprochen worden ist
(S. 214).
Den zweiten Ast bilden die Wet Mountains, welche sich O.
von Sangre de Cristo erheben, dann South Park und Park Range.
Einspringende Winkel. Huerfano Park. 727
Es scheint die vereinzelte Antiklinale von Rawlins Peak zwischen
diesem und dem nächstfolgenden Aste zu stehen.
Auf dem langen Streifen paläozoischer Ablagerungen, welcher
diesen Ast von dem vorhergehenden trennt, ist in Leadville aus-
gedehnter Bergbau auf Bleiglanz in Betrieb, und die von Emmons
ausgeführten Aufnahmen zeigen, dass derselbe von grossen Längs-
brüchen mit westlichem Absinken durchsetzt ist. Am Mosquito-
bruche in Leadville sinkt das Gebirge gegen Westen, d. i. gegen
die Sawatchkette um 5000 Fuss ab, an dem folgenden London
Fault 2500 Fuss, an dem Western Fault eben so viel; südlich von
Leadville gehen diese Brüche in Flexuren über.'^
Der dritte Ast der Rocky Mountains besteht aus der breiten
und hohen Front- oder Colorado-Range und Medicine-Bow-Range.
Den vierten Ast bildet die flache, weniger hohe und gerade
nach N. streichende Wölbung der Laramieberge. —
Der Ostrand dieser hohen Gebirge tritt, wie wir früher sagten,
sehr unvermittelt aus dem Flachlande hervor und die Schichten-
köpfe der Sedimente der Ebene sind an ihrem Fusse steil nach
aufwärts gewendet, wie der Steinwall im Osten der Culebra. Eine
nähere Betrachtung dieses Ostrandes zeigt nun, dass die südlichen
Enden der einzelnen Aeste nicht vollständig aneinanderschliessen,
und so entsteht eine Anzahl von einspringenden Winkeln in diesem
Ostrande, welche sämmtlich gegen NW. gerichtet sind und von
welchen jeder die Stelle des Anschaarens eines neuen Astes be-
zeichnet. Die aufgerichteten Schichtenköpfe namentlich der Kreide-
formation schwenken dann in diese einspringenden Winkel ein,
und Marvine hat gezeigt, dass dabei an jedem Aste des Gebirges
die Neigung der Schichten an der Westseite steiler ist als an der
Ostseite, ja dass die Westseite öfters in eine Verwerfung übergeht.
Ein grosses Beispiel dieser einspringenden Winkel ist Huer-
fano-Park zwischen Sangre di Cristo und Wet Mountains, also
zwischen dem ersten und zweiten Aste. Ein zweites Beispiel ist
die Einbuchtung von Caiion City, aus welcher der Arkansasfluss
hervorkommt, zwischen Wet Mountains und Front Range. Nördlich
von Denver sind noch mehrere solche Winkel vorhanden, welche
das Ausstreichen untergeordneter Glieder der Front Range be-
zeichnen. —
Saess, Das Antlits der Erde. 47
\ 728 Seminole bis Swectwater Gebirge. Uinta.
t
Gegen NW. findet dieser Theil der Rocky Mountains in den
Seminole-, Swcetwater- und Wind-River-Bergen seine Fortsetzung,
bis in 43" 30' die ebenfalls gegen NW. streichende Gros-Ventre-
Range sich der mächtigen Tetonkette nähert, welche von Süd
gegen Nord verläuft.
In den genannten Bergen sieht man nach Endliches Bericht
die folgende Anordnung. Ein langer, muldenförmior zusammen-
gedrückter Streifen von paläozoischen und mesozoischen Schichten
zieht gegen NW.; die archaische Seminole-Masse liegt nördlich,
die archaische Sweetwater-Masse dagegen südlich von demselben,
und da noch kleinere archaische Vorkommnisse als die Fortsetzung
der beiden grösseren Massen vorhanden sind, möchte wohl die
Vermuthung gestattet sein, dass zwei archaische Aeste vorhanden
sind, welche die sedimentäre Zone trennt. Das weit mächtigere
Wind-River-Gebirge, welches sich in mehreren Spitzen über
13.000 Fuss erhebt (Fr^mont's Peak 13.790 Fuss), besteht aus
einer grossen archaischen Kette, welche in ihrem südlichen Theile
äusserst steil gegen Ost abfallt; sie ist die Fortsetzung- von Sweet-
water und nur ihr östlicher Abhang ist von einer sedimentären
Zone begleitet.^** —
Der an vielen Stellen über 13.000 Fuss hohe Sattel des Uinta-
gebirges ist nach den genauen Darstellungen Poweirs auf dem
breiten Scheitel sehr flach und endet gegen Nord an einem grossen
Hauptbruche, welcher streckenweise in eine steile Flexur über-
geht und gegen West in zwei Störungslinien gespalten ist. An
der Südseite des Uinta ist das Absinken durch eine grössere An-
zahl von Brüchen und Fle^uren vermittelt, welche annähernd dem-
selben, ein wenig bogenförmigen Streichen folgen, und welche
näher zu betrachten sein werden.^*
Der Sattel besteht vorherrschend aus Schichten von carbo-
nischem Alter, welche hier eine beträchtliche Mächtigkeit erreichen;
an dem nördlichen Abhänge, welcher weit steiler ist als der süd-
liche, wird an einer Stelle ein älterer krystallinischer Schiefer sicht-
bar;" eine Einsenkung innerhalb des Nordrandes, Brownes Park,
welche das O-wi-yu-kuts-Plateau abtrennt, scheint von einem Ein-
stürze herzurühren. Powell schätzt den Betrag der Dislocation an
dem Nordrande auf 20.000 Fuss. Die südliche Abdachung ist
Uinta als Theil der Rocky Mountains. 72Q
flacher und das Yampa-Plateau fügt sich als ein untergeordneter
Sattel dem SO. Rande an.
Oestlich von dem grossen Sattel des Uinta ragen zwei ver-
einzelte paläozoische Massen, Yampa Peak und Junction Peak,
hervor, welche durch Querverwerfungen abgeschnittene Stücke
eines gemeinschaftlichen Sattels zu sein scheinen, und welche die
Fortsetzung des Uinta zu dem Sawatch anzeigen.
Eine grosse Flexur, Midland Flexure, mit südlichem und süd-
westlichem Absinken, zieht von dem südlichen Fusse des Uinta
und des vorgelagerten Yampa-Plateau im Bogen zu dem Fusse
der Fortsetzung des Sawatch hinüber, und sie vervollständigt die
Verbindung mit diesem Aste der Rocky Mountains. So fügt sich
Uinta an die grosse Virgation und wird man zu der von White
geäusserten Meinung geführt, dass Uinta und die genannten Theile
der Rocky Mountains als die Wirkung einheitlicher und ineinander-
greifender Dislocationen zu betrachten sind, welche eine gemein-
same Geschichte besitzen. ^^
Die Art der Virgation ist allerdings von jener der bisher be-
trachteten Virgationen wesentlich verschieden. In den wenigen
Fällen, in welchen überhaupt seitliche Bewegung wahrnehmbar
ist, wie an den Elk Mountains, liegt sie an der concaven Seite
und ist nach Innen gerichtet, wie in dem Senkungsfelde der Süd-
alpen. Die in der Regel einfache und auf einen schmalen Saum
beschränkte Aufrichtung der Schichten am Rande der grossen
Ebene gleicht weit mehr der Schleppung an einem Bruche, welche
streckenweise eingeknickt sein mag, als einer allgemeinen tangen-
tialen Bewegung. Ihr Gegensatz zu den grossen Faltungen der
Appalachien ist unzweifelhaft und allgemein anerkannt. Die in
gefalteten Gebirgszügen gesammelten Erfahrungen lassen sich
daher schwer zur Anwendung bringen.
In Nordamerika sind mehrere Meinungen über die Bildung der
Rocky Mountains geäussert worden. Zuerst hielt man sie für Falten-
züge. Dann meinte man in ihnen ein uraltes Uferland zu erkennen
und berief sich darauf, dass in verschiedenen Theilen des Aussen-
randes verschiedene Sedimente an das archaische Gebirge treten,
und dass namentlich die paläozoische Schichtreihe auf längere
Strecken ganz oder zum grossen Theile verschwinde. Endlich hat
47*
730 Wahsatch.
man sie als breite ,Platforms' erklärt, welche erhoben wurder
r zwischen je zwei Brüchen oder Flexuren. Die letztere Ansicht ist
namentlich von Dutton, einem der scharfsinnigsten Beurtheiler de5
\ Gobirgsbaues, vertreten worden. ,Die Breite dieser Platforms;
; sagt derselbe, »schwankt zwischen 20 und 45 Miles. Die Erhebung
t dieser Platforms hat keine einer antiklinalen Faltung- entsprechende
\ Bedeutung. Sic findet Ausdruck durch die Vorstellung" einef
Blockes von Schichten, welcher von einer Verwerfung- oder einei
gleich wcrthigen monoklinalen Flexur an jeder Seite beg-leitet ist —
In den Uintabergen sieht man eine Wiederholung des Tj'pus dei
Park Mountains in grossem Maassstabe. Es ist ein Block, etwa^
breiter alsColorado-Ranq^e, aber sonst zeigt der Bau keine wesent-
liehe Abänderung.*'^
Man hat q^emeint, es müssten diese Massen oder Blöcke ver-
tical nach aufwärts geschoben worden sein; ich werde zu dieser
Frage zurückkehren. —
Gegen West nimmt die Höhe des Uintagebirg;-es ab; der
Scheitel des Sattels, welcher im Osten nordwärts lag, rückt geger
die Mitte des Gebirgszuges; es schliessen allmälig die Schichten-
köpfe des Nordrandes und des Südrandes im Bogen aneinander,
als würde die ganze Wölbung verflachen, und wo sich auf der
Höhe von Norden und von Süden her der Bogen der Juraforma-
tion schliesst, legt sich ein Zug von Trachyt quer darüber und
verhüllt den weiteren Verlauf. Das ist der Trachyt von Provo
Valley /5 _
Wir gelangen nun an ein wesentlich verschiedenes Hoch-
gebirge, den Wahsatch, welcher mit westlichem Abbruche die
Ostseite des grossen Salzsee's und des Utahsee's beg^leitet.
Dem Baue nach unterscheiden sich im Wahsatch drei ver-
schiedene Gebirgsstöcke ; der erste bildet den nördlichen Wahsatch,
etwa bis Salt Lake City herabreichend; der zweite Theil ist die
Gruppe des Lone Peak N. vom Utahsee, sammt den zunächst süd-
lich folgenden Höhen; der dritte, abweichend gebaute Theil ist
Mount Nebo.
Der nördliche Wahsatch besteht aus einem vielfach gestörten
Mantel von paläozoischen Schichten, welcher gegen NO., O. und
SO. abfällt und unter welchem an der Bruchlinie auf grössere
Lone Peak. 73^
Strecken hin Gneiss und andere archaische Felsarten sichtbar
werden. Diese alten Felsarten bilden auch die vorliegenden Inseln
im grossen Salzsee. Die zweite Gruppe ist durch die über 1 1 .000
Fuss hohe Granitmasse des Lone Peak ausgezeichnet, welche
von archaischen und paläozoischen Schichten umgeben und mit
dem nördlichen Wahsatch gegen West abgebrochen ist. Südwärts
setzen sich die paläozoischen Schichten längs des Utahsee's fort,
einen Zug von über 11.000 Fuss hohen Gipfeln bildend, und der
Bruch zerfallt dort in zwei parallele Brüche. Oestlich von Lone
Peak ragt noch ein zweiter hoher Granitstock, Clayton Peak, aus
carbonischen Schichten auf. Der dritte Theil des Wahsatch end-
lich, MountNebo, ist eine Antiklinale, von welcher, im Gegen-
satze zum nördlichen Wahsatch und zur Gruppe des Lone Peak,
nicht die westliche, sondern die östliche Hälfte abgebrochen und
in die Tiefe gesunken ist, so dass die steile Seite gegen O. ge-
wendet ist.^^
Der Granitstock des Lone Peak ist der Ausgangspunkt wich-
tiger Erörterungen geworden. Ursprünglich wurde derselbe als
ein eruptiver Stock betrachtet und als ein jüngerer eruptiver
Granit wurde auch die Felsart von Zirkel beschrieben. ^^ Die Art
und Weise aber, in welcher an der steilen Granitfläche die ein-
zelnen Glieder der paläozoischen Reihe abstossen, hat Clar. King,
welchem die Erforschung dieses Gebirges wesentlich zu verdanken
ist, zu der Ansicht geführt, dass dieser Granitstock der Ueberrest
eines uralten, vorpaläozoischen Festlandes oder einer Insel sei,
und diese Anschauung hat auf alle Vorstellungen von der Ent-
stehung dieser Hochgebirge Einfluss gewonnen. Nach Geikie,
welcher die Stelle besucht hat, ist aber Lone Peak wirklich als ein
jüngerer, jedenfalls postcarbonischer Eruptivstock anzusehen, und
Whitney schliesst sich dieser Meinung an.^^ Geikie beruft sich auf
den Mangel an granitischen Bruchstücken oder Gerollen in den
angeblich angelagerten Sedimenten und vor Allem auf die Um-
wandlung des Kalksteines in weissen Marmor und die zahlreichen
in der Umgebung des Granitstockes auftretenden Gänge von
Granit-Porphyr. Die Aura von Vorkommnissen von Edelmetall,
welche die zweite Granitmasse, Clayton Peak, umgibt, unterstützt
ebenfalls diese letztere Meinung, und Professor Reyer theilt mir
7 72 Faltenzüge am Bären-See.
mit, dass er in diesem Revier am Contact Vesuvian g-etroffen hat;
Lone Peak und Clayton Peak am Salzsee würden dann eine ähn-
liche Bedeutung haben wie Adamello oder Predazzo. —
An den N. Wahsatch schliesst sich gegen NO. zuerst eine
weite paläozoische Synklinale, welche Cache Valley bildet, und
dieser folgt eine dicht gedrängte Reihe von mesozoischen Ketten,
welche bis an den T(5ton reichen und welche auf Taf. VI nur in
sehr unvollständiger Weise verzeichnet werden konnten. Diese be-
merkenswerthen Züge wurden von St. John und Peale beschrieben/"^
Es sind Faltenzüge, und zwar wahre Antiklinalen und Synklinalen,
durchschnitten von einzelnen Längsbrüchen. Jede dieser Falten
beginnt mit meridionalem Streichen aus S. gegen N., beugt sich
gegen NW. und verschwindet dann unter der weiten basaltischen
Decke des Snake River. Diese sedimentären Faltenzüg-e vollziehen
also genau dieselbe Beugung wie die grossen, in Virgation stehen-
den Aeste der Rocky Mountains, und der nördlichste derselben,
Snake River Range, fügt sich S. vom Teton an die SW. Seite von
Gros Ventre Range, welche wir früher in Verbindung- mit Wind-
River Range kennen gelernt haben.
In der gegen NW. streichenden Caribou-Range, welche dem
Snake River zunächst gegen SW. folgt, zeigt sich nun wirklich
eine überschobene Falte, wie solche aus tangentialer Bewegung
hervorzugehen pflegen ; die Bewegung ist wie in den sonst so ver-
schiedenen Elk Mountains gegen SW. gerichtet.
Colorado-Plateau und die Hochplateaux von Utah.
Das Colorado-Plateau ist im Osten von den Rocky Mountains, im
Norden vom Uinta begrenzt; im Westen schliesst sich unmittelbar
an dasselbe jenes merkwürdige zerbrochene Hochland von Utah,
dessen Bruchnetz bereits besprochen worden ist. Dieses Hochland
ist gegen West durch grosse Brüche begrenzt, an dem Hurricane-
Fault (S. 169, Fig. 13) beträgt die Dislocation oberhalb des Virgen-
River nach Dutton wohl 12.000 Fuss; gegen Süden nimmt ihre
Mächtigkeit ab; es stellt sich dafür W. von derselben die Grand
Wash Fault ein, welche an der Mündung des grossen Caiion den
Coloradofluss kreuzt und dort von einer Verwerfung von über
5000 Fuss begleitet ist.
Colorado-Caiton. 733
Die westwärts blickende Klippe dieser Verwerfung beugt
sich S. vom Colorado gegen SO. zu den Aubrey-Cliffs, und weiter-
hin kann man als die südliche Grenze des zu besprechenden Ge-
bietes jene ausgedehnten Lavafelder ansehen, welche von der
Mimbreskette bis zu den Mogollonbergen die Grenzgebiete zwi-
schen Arizona und Neu-Mexico bedecken und einen Ast von Aus-
läufern gegen NNO. zum M. Taylor, jenseits Fort Wingate, einen
zweiten aber gegen NW. weit über Mogollon und die 13.000 Fuss
erreichende Vulcangruppe S. Francisco in der Richtung gegen das
Ende des grossen Canon entsenden.
In diesem Gebiete vereinigt der Colorado seine Wässer und
sinkt sein Bett tiefer und tiefer in die flachgelagerten Bänke der
geschichteten, zum überwiegenden Theile carbonischen Gesteine,
bis er südlich vom Kaibab-Plateau etwa 6000 Fuss tief unter der
Oberfläche des Tafellandes das grossartigste Erosionsthal der
Erde durchströmt. Der grosse Canon endet an der Grand Wash-
Verwerfung, da jenseits derselben alles Land um mehrere tausend
Fuss tiefer liegt.
Marcou, Newberry, Powell, vor Allem die trefflichen Unter-
suchungen von Gilbert haben dieses Land kennen gelehrt; für die
Hochplateaux im Westen und den Caiion treten hinzu die beiden
inhaltsreichen Monographien, mit welchen Dutton die geologische
Literatur bereichert hat.^""
Das Tafelland des Colorado und die benachbarten Hoch-
flächen von Utah sind durch ausserordentliche Trockenheit aus-
gezeichnet; auf weite Strecken hin fehlt jede Humusdecke und ist
nur der ärmlichste oder so gut wie kein Pflanzenwuchs vorhanden.
Es ist nach den übereinstimmenden Schilderungen ein so tiefer
Einblick in den Bau des Landes gestattet, wie kaum an einer
anderen Stelle der Erdoberfläche. In der Tiefe des grossen Canon
erscheinen archaische und silurische Ablagerungen in geneigter
Stellung; sie sind auf eine meilenlange Strecke zu einer regel-
mässigen Fläche abradirt; flach und übergreifend liegen auf dieser
Fläche die mächtigen Ablagerungen der carbonischen Zeit und
von da an folgen alle Sedimente in Concordanz über einander bis
zu den lacustren Bildungen der Tertiärzeit. Es sind Lücken in der
Serie vorhanden, aber es ist über der Basis des Carbon keine
t
7^4 Bildung des Uinta-Gebirges.
Discordanz mehr zu sehen. Im Wesentlichen g-leicht die Serie
jener, welche wir bisher im Westen getroffen haben. Die Kreide-
ablagerungen reichen von den Hochtafeln von Utah über die Mo-
j quis Pueblos und Port Defiance nach Texas und Dutton vermuthet
\ ^ sogar, dass sie zwischen dem 34. und 37. ** nördl. Br. sich vom atlan-
I tischen bis zum pacifischen Ocean ausbreiten. —
Unter Berufung auf dasjenige, was soeben in Betreff der An-
I sichten der bedeutendsten amerikanischen Geologen über die Bil-
dung der Rocky Mountains gesagt worden ist, will ich es nun
versuchen, die Berichte über die Structur dieses höchst lehrreichen
Landstriches und die dort gesammelten Erfahrungen zu vergleichen
mit jenen Anschauungen, welche in Europa bei der Erforschung
des Baues jener Gebirge herangewachsen sind, welche, nach
meiner Meinung, in Bezug auf ihren Bau den wichtig-sten Theilen
des Colorado-Plateau und seiner Umrandung zunächst stehen.
Zu diesem Ende kehre ich zuerst nochmals zum Norden und
j Nordosten, zu dem Baue des Uinta zurück.
I Der Rücken des Uinta erhebt sich zu 10 — 11.000, an der
i höchsten Stelle zu 13.694 Fuss. Der Green River durchschneidet
I ihn. Wo der Fluss von Norden her in das Gebirge tritt, lieg-t der
Fuss des Abhanges nicht ganz 6000 Fuss hoch, und wo er das
Gebirge verlässt, ist die Höhe etwas über 5000 Fuss. Der Rücken
besteht aus carbonischen Schichten; würde man aber von Norden
und von Süden her die aufgebogenen Ränder derSchichtfolg-e von
seinem Fusse über den Rücken wölben, so würde seine Seehöhe
nach Powell's Schätzung beiläufig 30.000 Fuss betragen. Nichts-
destoweniger erklärt Powell mehrere wichtige Dislocationen, wie
auf dem Yampa-Plateau und in Brown's Peak, ausdrücklich für
wahre Senkungen.^'
Die Frage aber, ob diese Berge gehoben wurden, oder ob
die Umgebung gesenkt wurde, ist die entscheidende.
Wir suchen zuerst nochmals White's Bericht über die Be-
ziehungen von Uinta zu den Rocky Mountains auf.^^
Zwischen Uinta und dem Ende des Sawatch erheben sich die
beiden verbindenden paläozoischen Massen Junction Peak und
Yampa Peak. Das östliche Ende des Uinta ist von einem Walle
aufgerichteter Schichtenköpfe umgeben, doch legen sich die
Peripherische Flexuren. 735
Schichten in geringer Entfernung wieder flach; ein zweiter solcher
Wall aufgerichteter Schichten umgibt Junction Peak und ein drit-
ter Yampa Peak. Diese Bergmassen sind wie Uinta von carboni-
schem Alter, die aufgerichteten Ränder sind mesozoisch. Junction
Peak ist beiläufig 20 Kilom. lang und 6*5 Kilom. breit; der Betrag
der Dislocation vom Scheitel zum Rande wird auf 8000 Fuss ge-
schätzt; Yampa Peak ist etwas kleiner, die Dislocation aber viel-
leicht etwas grösser. White vergleicht sie mit Bolzen, welche durch
Eisenblech geschlagen werden und den Rand des Bleches auf-
ziehen, ohne jedoch damit eine bestimmte Meinung darüber aus-
sprechen zu wollen, ob wirklich die Dislocation nach aufwärts oder
nach abwärts stattgefunden habe.
Südlich von diesen Bergen laufen mehrere Dislocationen in
einer die Verbindung zwischen Uinta und Sawatch andeutenden
Richtung hin und insbesondere die grosse bereits erwähnte Mid-
land Flexure ist es, welche den südlichen Rand des grossen Uinta-
Plateau's umgibt, dann um die südliche Vorlage, das Yampa-
Plateau, herumzieht, in grossem, ununterbrochenem Bogen den
White River kreuzt, unter dem Namen Great Hogback Flexure
an der Westseite der Vorberge des Sawatch hinläuft und endlich
an die eingeknickte Südwestseite der grossen Ueberschiebung der
Elk Mountains gelangt (S. 214, Fig. 12).
Diese Flexur, welche vom südlichen Rande des Uinta bis zu
den Elk Mountains über 300 Kilom. misst, umfasst also mit ihrem
grossen Bogen den ganzen NO. Theil des Colorado-Plateau; ihre
Schichten neigen sich durchwegs gegen S., SW. oder W., nämlich
vom' Gebirge gegen das tiefer liegende Land, und sie ist fast auf
ihrer ganzen Erstreckung von Hogbacks, d. i. von den in langen
Kanten aufragenden Schichtenköpfen begleitet.
Nach dem an früherer Stelle (S. 1 64 u. folg.) über die Be-
wegungen der äusseren Theile unseres Planeten Gesagten bin ich
aber oicht im Stande, diese Flexur für irgend etwas Anderes als
für das Zeichen der Senkung des ganzen gegen S., SW. und W.
liegenden weiten Landstriches anzusehen. Demnach wäre die
Ueberschiebung der Elk Mountains in die Reihe jener in der Rich-
tung der Senkung erfolgten Ueberschiebungen zu stellen, von
welchen mehrere Beispiele aus Europa angeführt worden sind.
•7^6 Grosse Senkungen.
Die Kränze aufgerichteter Schichtenköpfe, welche Union Peak,
Yampa Peak und auch jeden der grösseren Gebirgskörper in
geschlossenen Linien nach allen Seiten umgeben, lassen aber
eine andere Erklärung auch nicht zu; sie sind auch Ränder von
Flexuren. Die Berge selbst sind dann den Horsten in Europa
anzureihen, dem Schwarzwalde, dem Morvan, der Cima d'Asta
! " u. And. Die aufgerichteten Hogbacks sind dann nur durch die
\ Schleppung an dem Bruche erzeugt, und ich würde keinen An-
stand nehmen, die lange Midland-Flexur einer peripherischen Linie
.' gleichzustellen in dem an früherer Stelle dargelegten Sinne. An
t die Stelle von White's Vergleich mit dem Bolzen, welcher durch
eine Blechtafel getrieben wird, möchte ich aber einen andern
setzen. An dem Rande eines Teiches ist ein Pflock g-eschlagen;
er befindet sich unter der Oberfläche des Wassers. Das Wasser
bedeckt sich mit einer Eisrinde; der Wasserstand sinkt; die Eis-
decke bricht nach und der Pflock wird sichtbar. Grosse Ebenen
mögen gesenkt sein; sobald ihre Unterlage weicht, folgen sie der
Schwerkraft. Wir kennen aber keine Kraft, welche vereinzelte
Bergmassen neben einander und selbständig von einander^ zur
.' Höhe bewegen könnte.
Der Umstand, dass hiemit vorausgesetzt wird, das ganze
Land habe sich einmal 30.000 Fuss über dem heutigen Meeres-
spiegel befunden, ist allerdings befremdend, kann aber nicht ent-
scheidend sein. Wer auf die europäischen Horste ihre einstige
Schichtfolge häufen will, wie etwa die sedimentäre Serie der Süd-
alpen auf die Cima d'Asta, mag ebenfalls zu ausserordentlichen
Ziffern gelangen.
Zur Vervollständigung des Gesagten aber und wegen der Be-
deutung für gewisse Erscheinungen in der Vertheilung der Fluss-
läufe will ich noch die folgenden scharfsinnigen Bemerkungen von
Emmons beifügen. ^^
Green River tritt aus dem tertiären Lande von Norden her
quer in die Masse des Uinta und verfolgt in geschlängeltem Laufe
mitten in harten Quarzitfelsen ein Bett, welches stellenweise bis
zu 3000 Fuss tief eingehöhlt ist. Nachdem der Red Cafion durch-
strömt ist, erreicht der Fluss das flache Land in dem Einsturz-
gebiete von Brown's Park; er folgt demselben nicht, soncjern tritt
Der Lauf des Green River. 737
neuerdings in das Gebirge und durchquert in dem Canon of Lo-
dere auch den südlichen Theil des Uinta. Emmons zeigt nun, dass
die Uferlinien der späteren tertiären See'n an der Nordseite des
Uinta bis zur Höhe von lo.ooo Fuss zu verfolgen sind. So wie
Uinta vom Green River, wird der vereinzelte Junction Peak von
dem Yampa River in einem tiefen Canon durchschnitten und der-
selbe Fluss durchschneidet auch den nördlichen Theil von Yampa
Peak. Es muss sofort auffallen, warum die Flüsse nicht die ter-
tiären Niederungen vorziehen. Aber auch auf Yainpa Peak liegen
horizontale Tertiärschichten. Der Lauf des Green River über den
Uinta wurde schon vorgezeichnet zur Zeit des hohen Standes der
tertiären See'n, und dieser Fluss muss dereinst in einer Seehöhe
von mehr als 9000 Fuss geflossen sein ; ebenso, sagt Emmons, ist
es klar, dass der Flusslauf quer über Junction Peak und Yampa
Peak gewählt wurde, als diese harten Felsmassen noch unter ter-
tiären Schichten begraben lagen. —
Erst jetzt treten wir von den Vorbergen des Uinta herab
in das tiefer liegende Land und sehen dasselbe umgürtet von
einer langen Reihe fortlaufender Mauern. Jede der Hauptgruppen
des geschichteten Gebirges legt sich in geringer Entfernung von
den Flexuren flach, breitet sich so gegen das tiefere Land aus und
endet in einer langen mauerförmigen Klippe. Diese Klippen sind
nicht durch Bruch erzeugt, sondern durch eine eigenthümliche Art
der Abrasion. Die Schichtenköpfe werden angegriffen und zerstört;
sie weichen weiter und weiter zurück, und so entsteht ein grosses
Stufenland, durch lange hinlaufende mauerförmige Absätze in
ähnlicher Weise ausgezeichnet, wie die östliche Sahara. Die tief-
sten Schichten liegen in der Nähe des Colorado. Auf 10.000 Fuss
schlägt Dutton das mittlere Maass der Mächtigkeit des abge-
tragenen und entfernten Gestein's.
Aus diesem Flachlande erheben sich im Süden die Lacco-
lithenberge der Sierra S. Miguel, Sierra Carriso, S. Abajo und
weiter gegen West die Henry Mountains (S. 197); nähert man sich
aber gegen West dem Rande dieses tieferen Gebietes, so stösst
man zuerst auf eine ovale, abradirte Kuppel, im Kleinen nicht ganz
unähnlich den vor den Rocky Mountains sich erhebenden Black
Mountains von Dakota. Sie liegt an der ersten, zu höherem
f 738 Die HochUfeln von Utah.
l Lande führenden Flexur, der Waterpocket-Flexure (15, Fig. 13,
\ S. 169).
4 Diese Flexur bezeichnet den Beginn der Hochtafeln von Utah,
^ deren südlicher Theil von dem grossen Canon durchschnitten ist.
r Die Geologen, welche dieses Land bereist haben, stellen dasselbe in
Bezug auf die unvergleichliche Grossartigkeit der landschaftlichen
Bilder, die Klarheit und Einfachheit der Structur, die bunte Fär-
bung der Gesteine, welche das Gemälde mit ungewohnten Tönen
füllt, als ein Land der Wunder dar ; sicher ist es, dass es nicht
zu viele Landstriche gibt, über welche so meisterhafte Berichte
vorliegen. Und gerade die Trefflichkeit dieser Berichte, welche
dem Leser die einfachen Grundzüge des Baues so deutlich vor
die Augen führen, mag es einigermassen entschuldig-en, wenn hier
aus diesen Angaben andere Schlussfolgerungen gezogen werden,
ohne dass es mir gegönnt war, dieses Land selbst zu betreten.
Auch Dutton erklärt, wie die meisten seiner Vorgänger, in seinen
letzten Schriften die einzelnen Blöcke zwischen den Brüchen, wie
den Horst des Kaibab (zwischen 6 und 7, 8, Fig. 13) als herauf-
gehoben zwischen Brüchen; ich halte dagegen den heutigen Zu-
stand für die Folge ungleichen Absinkens zur Tiefe.
Wie diese grossen Dislocationslinien vom Wahsatch und
Nebo ausgehen, ist bereits gesagt worden (S. 1 70) ; Dutton hebt
hervor, dass die Linien alle mehr oder minder gegen West con-
vex sind, dass viele Anzeichen, wie namentlich die Beschaffen-
heit gewisser mesozoischer Sedimente hierauf hinweisen, dass im
Westen, wo heute die Basin Ranges sich befinden, in W. Utah
und Theilen von Nevada ein mesozoisches Festland sich befunden
habe, und dass diese Störungslinien im Grossen dem Rande dieses
Festlandes entsprechen. Dabei haben dieselben aber zugleich
einen Verlauf, welcher so sehr jenem der Midland- und der Great
Hogback-Flexur am Fusse des Uinta und der Rocky-Mountains
entspricht, dass es wohl gestattet sein mag, die Gesammtheit dieser
Flexuren rings um das Colorado-Plateau vom grossen Canon bis
zu den Klk Mountains als ein System peripherischer Dislocations-
linien zu bezeichnen, in demselben Sinne, in welchem etwa von einer
peripherischen Linie des tyrrhenischen Meeres gesprochen worden
ist. Die Horste, wie Kaibab, mögen eingeklemmte Keile sein.
Toroweap-Vcrwerfung im grossen Cafion. 739
In Bezug auf das Verhalten der einzelnen Hochtafeln und
Brüche zu einander berufe ich mich auf die Besprechung^ im ersten
Abschnitte; es ist auch erwähnt worden, wie am Virgen River die
I lurricane Fault (2, Fig. 1 3) grosse Höhe desVerwurfes erreicht, und
wie südwärts gegen den Caiion diese Höhe in demselben Maasse
abnimmt, in welchem der Verwurf der Grand Wash Fault (i , Fig. 1 3)
zunimmt, eine in den Senkungsbrüchen der Südalpen von Mojsi-
.sovics ebenfalls angetroffene Erscheinung. Eine Zone kleinerer
Schollen zwischen zwei Hauptlinien, also die Zertrümmerung im
Graben, ist S. 173, Fig. 14 dargestellt worden.
Die Brüche sind nicht von gleichem Alter, doch sind an einzel-
nen von ihnen zu verschiedener Zeit Bewegungen eingetreten. Fast
Kaibab dürfte nach Dutton's Angaben zu den älteren gehören.
Die Beobachtungen über die Art und Weise, wie Toroweap
(3, Fig. 13) den grossen Canon kreuzt, sind sehr lehrreich.
In dieser Gegend besteht der grosse Canon aus zwei Stock-
werken. Die obere Schlucht, 8 — 9 Kilom. breit, ist von etwa
2000 Fuss tiefen Abstürzen begleitet ; an ihrem Fusse stellt sich
eine Fläche ein, von Dutton die ,Esplanade' genannt, und in die
Esplanade ist die zweite Schlucht, der innere Caiion, geschnitten;
diese ist 3000 Fuss tief und von Kante zu Kante nur 3500 bis
4000 Fuss breit. Es sind auf der Höhe der vom grossen Caiion
durchfurchten Tafel zahlreiche basaltische Eruptionen sichtbar;
alte Decken sind vorhanden und weit mehr als hundert weit jün-
gere grosse und kleine Aschenkegel. Solche Kegel sind aber nicht
nur auf der Tafel vorhanden, sondern einzelne sitzen auch im
Canon auf der Esplanade und da und dort ist die schlackige,
schwarze Masse eines jungen Basaltstromes über die Zinnen der
grossen Felsmauern in den inneren Abgrund gepoltert.^*
Die Eruptionskegel sitzen ohne sichtbare Regel in längeren
oder kürzeren Reihen auf den paläozoischen Platten ; sie befinden
sich nur ganz ausnahmsweise auf einer der grossen Dislocations-
linien. Eine solche Ausnahme macht der 58o Fuss hohe Aschen-
kegel, welchen Dutton ,Vulcan's Thron* nennt; er steht an der
Kante der Esplanade gegen den inneren Caiion, gerade dort, wo
die Toroweap-Dislocation quer durchstreicht. Der Verwurf von
Toroweap beträgt 6 — 7 cmd Fuss gegen West; so viel verliert auch
y /\.0 Injection von Laven.
die grosse Schlucht plötzlich an Tiefe, da das ganze Land um
ebensoviel an Höhe verliert. Von der Dislocation sagt Dutton:
, Alles sieht so rein und scharf aus, als wäre es mit einer dünnen
Säge geschnitten und als wären dann die glatten Flächen nett an-
einandergedrückt.*^"^ Eben so scharf durchschneidet sie auch einige
Basaltströme auf der Esplanade. Die Aufeinanderfolge der Ereii^-
nisse ist unverkennbar. So schreibt die Natur ihre Chronologie,
und man hat vollen Grund die Beobachter zu beneiden, welche
berufen sind, diese Geschichte in der Urschrift zu lesen.
Die Art aber, in welcher die Basalte in engen^ im Canon oft
auf grosse Höhen blossgelegten Spalten aufgestiegen sind, und
ohne an den Wänden zu erkalten, hoch oben ihre Aschenkegel
aufgeschüttet und ihre Laven ergossen haben, zahlreiche zerstreute
Kratere bildend, ist nicht ganz den normalen Ausbrüchen des
Aetna oder der Liparen zu vergleichen. Sie erinnert zu sehr an
die Injection eines grossen anatomischen Präparates und an die
im Angesichte ähnlicher Vorkommnisse schon oft ausgesprochene
Meinung, dass das Absinken grosser Gebirgstheile an sich eine
solche Injection hervorbringe oder doch wesentlich befördere.^*"
Dies setzt aber voraus, dass die grossen Blöcke wirklich ge-
sunken seien, nicht dass die Horste durch eine unbekannte Kraft
gehoben wurden. Dass aber die Dislocationen von den Beob-
achtern im Wesentlichen als Hebungen aufgefasst worden sind,
erklärt sich in diesem Falle aus den weiteren Folgerungen. Kai-
bab Plateau, aus carbonischen Ablagerungen bestehend, er-
reicht die Seehöhe von 9300 Fuss; die ganze Mächtigkeit des
mesozoischen und vielleicht noch des ältesten Theiles der Tertiär-
formation darauf gehäuft, führt zu Ziffern, welche nicht gar zu viel
hinter jenen zurückbleiben dürften, welche Powell für den ergänz-
ten Uinta erhielt. Dann, so scheint es wenigstens, verschwindet
jeder Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Dinge gegen Süd und
Ost und der Wasserspiegel steht hoch über allen heutigen Ge-
birgen. Aehnliche Fragen werden an einer späteren Stelle zu be-
sprechen sein und ich hoffe in der That zeigen zu können, dass
manche allgemein verbreitete Anschauungen über die Lage des
Meeresspiegels in früheren Zeiten eine Berichtigung erheischen; hier
aber mag erwähnt sein, dass es verschiedene zulässige Annahmen
Basin Ranges. 74^
gibt, — wie z. B. die Vorstellung von einer durch tangentialen
Druck herbeigeführten Wölbung von grosser Amplitude, einem sehr
breiten Abstau, der sich mit entlasteten Laven füllt, nach Dutton's
Ausdruck einer Macula (S. 220), deren Kuppel dann in Schollen
ungleichförmig zusammensinkt, — dass es aber nicht möglich ist,
über zwei Thatsachen hinwegzugehen, erstens: dass in anderen
Gebieten an ganz ähnlichen Brüchen und Flexuren grosse Flächen
lediglich unter dem Einflüsse der Schwere zur Tiefe gesunken
sind, und zweitens : dass durchaus keine Kraft bekannt ist, welche
im Stande wäre, zahlreiche grosse und kleine Gebirgsstöcke ein-
zeln und zwischen glatten Flächen vertical emporzutragen und
im Geofonsatze zur Schwerkraft dauernd in dieser Stellun<r fest-
zuhalten.
Basin Ranges. Dieses Gebiet ist von dem vorhergehenden
sehr verschieden. Es ist gegen Ost begrenzt durch den Bruch des
Wahsatch am grossen Salzsee und gegen Westen durch den öst-
lichen Abhang der Sierra Nevada. Auf diesem 6 — 700 Kilom.
breiten Gebiete erheben sich zahlreiche, zumeist kürzere, mehr
oder minder meridionale und auf eine sonderbare Weise verein-
zelte Gebirgszüge aus einer flachen Wüste. Ihre Abhänge sind
weit hinauf vom eigenen Schuttlande bedeckt, wie das der Mangel
eines Abflusses zum Meere für einen grossen Theil der Region
mit sich bringt. Salzwüste oder öde Steppe breiten sich zwischen
diesen Ketten aus, deren Erforschung ein glänzendes Zeugniss
für die Hingebung und die Ausdauer unserer Fachgenossen in
Amerika gibt.
Der südliche Theil der Basin Ranges besteht, so weit er heute
bekannt ist, aus archaischen und aus versteinerungsarmen paläo-
zoischen Felsarten. Weit mannigfaltiger gestaltet sich das Bild
im Norden, wo das Streichen nahezu meridional ist; ich folge den
Darstellungen von Clar. King, Hague und Emmons.^^
,Die geologische Provinz des Great Basin,' sagt King, ,hat
zwei verschiedene Typen dynamischer Thätigkeit erfahren, eine,
in welcher der hauptsächliche Factor offenbar tangentiale Pression
war, welche sich ausdrückt in Contraction und Faltung, vermuth-
lich in postjurassischer Zeit, die andere von streng verticaler
y A2 Basin Ranges.
Thätigkeit, vermuthlich innerhalb der Tertiärzeit, in welcher es
nur wenige Spuren von tangentialem Drucke gibt.*^*
Bisher sahen wir im Gebiete des Colorado zusammenbrechen-
des Tafelland ; nun gelangen wir in zusammengebrochenes Fallen-
gebirge, Schon zeigte sich jedoch früher von Wahsatch über den
Bärensee gegen Teton eine Gruppe wahrer Faltenzüg-e, welche
unter den Basaltdecken des Snake-River verschwanden, und Wah-
satch selbst hat eine unverkennbare Aehnlichkeit mit den jetzt zu
besprechenden Ketten. In dem Great Basin äusserte sich die fal-
tende Kraft besonders mächtig gegen den Westrand hin, wo sie
auch, wie sich bald zeigen wird, die ganze Sierra Nevada g"estaltet
hat. Einzelne Faltenzüge, welche sich heute noch durch mehr als
150 Kilom. verfolgen lassen, waren gegen West convex. Die Ver-
werfungen, von welchen die Falten durchschnitten sind, streichen
nach verschiedenen Himmelsrichtungen, doch scheint die Mehrzahl
sich dem Meridian zu nähern ; sie treffen die Falten unter den ver-
schiedensten Winkeln. So sind jene schroffen und isolirten Ketten-
fragmente entstanden, welche mit heute mehr oder minder meri-
dionalem Streichen diesen breiten Raum einnehmen ; der VerlauJ
der scharf gebrochenen Ränder würde noch auffallender sein, wenn
nicht grosse Massen von eruptiven Felsarten, namentlich von Rhyo
lith, die orographische Reinheit dieser Formen beirren und ver
hüllen würden. Die nähere Betrachtung lässt in einem solcher
Höhenzuge ein Stück einer Antiklinale, in einem anderen einei
monoklinalen Kamm mit grossen vulcanischen Ergüssen, ode
zwei schräg geschnittene Sättel mit der Synklinale u. s. w. er
kennen; es ist eben ein mächtiges gefaltetes Gebirge vollständii
zerhackt, in Scherben zerbrochen und zur Tiefe gesunken. In ein
zelnen Fällen sind Horizontal- Verschiebungen an Brüchen erfol<ft
so ist in West Humboldt-Range die Antiklinale von einem Quer
bruche durchschnitten und die südliche Hälfte gegen SO. etwa ur
8 Kilom. verschoben.^^ Die beiden grossen Hauptbrüche aber
welche die Basin Ranges gegen Ost und West beg-renzen, werdei
als , Linien der Schwäche* aufgefasst, an welchen wiederholte Be
wegungen eingetreten sein dürften, wie denn auch an jeder der
selben noch in spätester Zeit ein grosser Binnensee, und zwar an
Westfusse des Wahsatch Gilbert's Lake Bonne ville und am Ost
Bonneville-Sce. 743
fasse der Sierra Nevada King's Lake Lahontan sich sammelten,
deren letzte Reste im Osten der grosse Salzsee, Utah und Sevier
Lake, im Westen die Wasserflächen zwischen Pyramid, Carson
und Walker's Lake sind. Ihre Terrassen umgürten in regelmässigen
Linien die Abhänge der zerbrochenen Ketten, welche damals als
langgestreckte Inseln aus den beiden See'n in ähnlicher Weise her-
vorragten, wie heute Antilope und Stansbury Island aus dem
grossen Salzsee sich erheben.
Um tausend Fuss liegt nach Gilbert die höchste Uferlinie des
Bonneville-See's über dem Spiegel des heutigen grossen Salzsee's;
in 600 Fuss befindet sich eine zweite, besonders deutliche, die
Provo-Linie; untergeordnete Linien liegen dazwischen und dar-
unter; der Ausfluss erfolgte nordwärts durch Cache -Valley, und die
starke Abstufung der Provo-Linie entspricht der Höhe eines Fels-
riffes an dem Ausflusse, welches durch längere Zeit der Austiefung
widerstand, als die minder festen auflagernden Gesteine. In der
Tiefe des alten See's stehen basaltische Aschenkegel, bald von den
Terrassen des See's umgürtet, bald jünger als diese. Gilbert zeigt
aber auch, dass die Strandlinien heute nicht parallel und nicht
horizontal sind. Sie liegen an dem Wahsatchbruche am tiefsten,
erheben sich von da gegen die Mitte des See's am N. Ufer um ein
Beträchtliches, bis zu etwa loo Fuss, an dem südlichen Ufer noch
weit mehr. Diese höchsten Punkte befinden sich im Norden an
dem 1 13., im Süden zwischen dem 1 13. und 114. Meridian.****
Darüber hinaus gegen West liegt erst eine einzige Messung
vor und diese deutet auf einen Abfall; durch die Fortsetzung dieser
lehrreichen Arbeit gegen West werden wir lernen, ob sich in der
Axe des alten See's zwischen Mer. 113 und 114 eine neue Anti-
klinale bildet, oder ob an dem Wahsatchbruche der westliche
Flügel in einseitiger Senkung begriffen ist. —
Die Vertheilung der Sedimente innerhalb der Basin Ranges
ist nicht weniger merkwürdig als ihr Bau. Die letzte Meeres-
bildung der östlichen Gebirge, die Kreideformation, überschreitet
in dieser Breite nicht die Bruchlinie des Wahsatch. Von den
tieferen mesozoischen Bildungen, den Vertretern von Jura und
Trias, gilt fast dasselbe; sie sind jenseits dieser Linie eine weite
Strecke hin durch nur wenige Schollen vertreten. Die paläozoische
SuetB, Dat Antliti der Erde. 48
*7 AA Verschiedenheit der Basin Ranges.
Reihe, welche am Ostrande der Rocky Mountains von geringei
Mächtigkeit ist, aber durch Uinta zum Wahsatch um viele Tau
sende von Füssen an Mächtigkeit zunimmt, bildet zusammen raii
archaischen Felsarten und jungen Laven die ganze östliche Hälft«
der Basin Ranges. Jenseits des 117. Meridian's ändert sich ihn
Zusammensetzung vollständig. Noch in den Toyabe und Shoshont
Ranges und den Battle Mountains, etwa bis i 17"* 15', zeigen du
Karten Glieder des oberen Carbon in der Nähe von Granit un(
archaischem Gestein entweder einzeln aus der Ebene oder an
rhyolitischerUmfluthung aufragend. Schon in den nächsten Kettei
gegen West, in Desatoya und Havallah Range, ist die Sachlage
ganz und gar verschieden; die ganze paläozoische Serie ist ver
schwunden, und unmittelbar auf Granit liegen mächtige Ablage
rungen mit Arcestes, Trachyceras, Cassianella, Daonella und an
deren für die marine Entwicklung der Triasformation in den Ost
alpen bezeichnenden Formen. So befindet sich etwas W. von de
Mitte der Basin Ranges eine wichtige Scheidungslinie für die Ver
theilung der Formationen; W. von 117** 15' sind bis an das paci
fische Meer hinaus, mit Ausnahme eines Zuges von carbonischer
Kalkstein im nördlichen Theile der Sierra Nevada, Ablagerungei
der paläozoischen Zeit unbekannt.**
Die Grenze der paläozoischen Ablagerungen in den Basi
Ranges geht von den eben genannten Vorkommnissen in Battl
Mountain, Toyabe und Shoshone Ranges südwärts mit einer ge
ringen Ablenkung gegen West, so dass sie sich südlich vo
Owen's Lake dem Rande der Sierra Nevada nähert und do!
die ganze Breite der Basin Ranges dem paläozoischen Gebiet
zufallt.
Die Triasbildungen und eine Reihe sie begleitender jurass
scher Kalksteine und Schiefer finden ihre grösste Entwicklung
den Havallah, Pah-Ute und West-Humboldt-Ketten; in Eugei
Mountains und Montezuma Range erreichen die jurassischen B:
düngen noch eine grosse Bedeutung; dann folgt, etwa vom i 1 9. M
ridian, eine fast aus!5chliesslich granitische Region mit g-ering
Entwicklung jurassischer Schiefer, bis in der Sierra Nevada d
Zusammensetzung der Havallah Range und der ähnlichen Kett<
sich wiederholt. —
Fortsct/unjjcn jjcgen Mexico. 74 S
. Bevor ich an die Besprechung der Sierra Nevada gehe, mögen
noch wenige Worte über die Fortsetzungen der Basin Ranges nach
Mexico eingeschaltet werden.
Die Beschaffenheit dieser Fortsetzungen ist in mancher Be-
ziehung abweichend. Der Kohlenkalk tritt in bedeutender Mäch-
tigkeit längs der Sierra Madre auf. Quarzit und Conglomerat-
lagen, welche Kohle und eine farnreiche Flora enthalten, in
manchen Merkmalen an eine Flora erinnernd, welche Newberry in
der Nähe der Moquis Pueblos auf dem Colorado-Plateau unter
Kreideschichten entdeckt hat, werden von R^mond als Ver-
treter der Trias angesehen. Jurabildungen sind zweifelhaft. Da-
gegen tritt die Kreideformation von Texas mit Amm. pedernalis
und vielen bezeichnenden Arten bis nach Arivechi, auf die West-
seite der Sierra Madre herüber. Die jüngeren Eruptivgesteine
scheinen zwischen den Ketten und neben denselben eine ähnliche
Bedeutung in Sonora zu besitzen wie in den Vereinigten Staaten. '♦^
Jene Ketten, welche weiter im Osten im westlichen Texas zwi-
schen dem Rio Grande und Rio Pecos herabstreichen, wie los Or-
ganos, Hueco, S. Sacramento und Guadelupe, sind als die Fort-
setzung von Zügen anzusehen, welche, wie die Zunikette, im Süden
des Colorado auftauchen, und jener, welche bereits S. von Galisteo
erwähnt worden sind. Jenney hat sie untersucht; sie bestehen aus
paläozoischen Ablagerungen, welche auf Granit ruhen, und die
cenomanen Ablagerungen des Llano estacado sind auch hier am
Rio Grande sichtbar.'*^
Ostwärts folgt nun das weite Gebiet des mittleren Texas,
dessen flach gelagerte cretacische und paläozoische Schichten
F. Roemer bereits vor langer Zeit bekannt gemacht hat."*^
Sierra Nevada. Die Sierra Nevada ist ein gewaltiges,
durch mehr als sechs Breitegrade einheitlich von NNW. gegen
SSO. sich erstreckendes Gebirgsstück, welches sich in zwanzig
Gipfeln über 14.000 Fuss hoch erhebt. Es fallt steil gegen Ost
zu dem abflusslosen Gebiete ab, welches die Grenze gegen die
Basin Ranges bezeichnet, aber obwohl dieser Abfall weithin über
6000 Fuss beträgt, ist er wegen der Höhe des Sockels, auf welchem
die Basin Ranges stehen, lange nicht so bedeutend wie der west-
48*
I
I
74^>
Sierra Nevada.
liehe Abhang, welcher in die Thäler des Sacramento und Joaqui
also in seiner Mitte bis auf eine geringe Höhe über dem Meei
sich herabsenkt. Die Erforschung dieses grossen Gebirges i
Whitney's unvergängliches Verdienst/^
Im Süden ist die Kette hoch, weniger breit, gregen Ost sei
steil und fast ganz aus Granit aufgebaut; jurassische Schief
nehmen einen schmalen Saum an der Westseite ein. Weiter sf^s^^
Nord, über Mono Lake hinaus, treten grössere Massen von vulc
nischen Gesteinen an der Ostseite auf; die Grenze mit den benacl
barten, hier granitischen Basin Ranges wird hiedurch weniger au
fallend; weiter im Norden tritt sie wieder deutlich hervor. Es i:
ein ungeheurer Bruch, welcher dieses ganze Stück der Erdrind
gegen Osten abschneidet.
Die jurassischen Schiefer der Westseite nehmen nordwär
gegen die Grenze von Mariposa rasch an Breite zu und bilde
nördlich vom American River fast den ganzen Abhang-, nur Insel
von Granit sichtbar lassend; gegen Pyramid Lake greifen sie s(
gar auf die Ostseite über. Im Norden sind diese Schiefer an em
Stelle, in Genesee Valley, Plumas, von alpiner Trias, an mehrere
Stellen von einer Zone von Kohlenkalk begleitet; endlich vei
schwinden sie unter den weiten Decken von jüngeren Laven, welcli
den nördlichsten Theil von Californien und ein grosses Gebiet ii
südlichen Oregon und darüber hinaus bedecken.
Diese jurassischen Schiefer sind sehr arm an Versteinenmo^ei
enthalten Einlagerungen von Diabas-Tuff und umschliessen i
Begleitung von Serpentin den 120 Kilom. langen g"oldführende
Quarzgang, welcher unter dem Namen Mother Lode bekannt g<
worden ist. Sie sind das hauptsächliche goldführende Gestei
Californien's. Sie sind steil aufgerichtet, und in den meisten Fällei
im Süden durchwegs, gegen NO., also widersinnig- geneigt.
In den jF'oothills*, am westlichen Fusse der Sierra, tritt noc
eine zweite Granitzone zu Tage, und hier legt sich an die ganz
Länge des Gebirges, so weit nicht durch Denudation Unterbrc
chung eingetreten ist, eine Zone von horizontalen Meeresablagc
rungen, welche der Kreide- und Miocänzeit angehören. Obwol
die Kreideablagerungen von Norden her nur bis Folsom bekanr
zu sein scheinen, geht hieraus hervor, dass die wesentlichste Aul
Sierra Nevada. 747
richtung der jurassischen Schiefer wahrscheinlich von vor-ceno-
manem Alter ist. Die Vertreter des Neocom und Gault sind in
den Foothills nicht bekannt.
Die Elemente, aus welchen die hohe Sierra gebildet ist, sind,
wie sich zeigt, dieselben, welche in der Nähe des 1 17. Meridian's
in den Basin Ranges getroffen werden. So mag man dieses Hoch-
gebirge selbst den Basin Ranges zuzählen und als den äusseren
Rand des ganzen Aufbaues ansehen.
Die ausserordentlichen Dimensionen der Scholle, die steile
Neigung der Schiefer gegen NO., unter den Kamm des Gebirges,
der Umstand, dass der Granit nicht nur am Fusse und am Kamme,
sondern auch in Inseln innerhalb der Schiefer hervortritt, sind sehr
bemerkenswerth, und man begreift die Zurückhaltung, mit welcher
im Angesichte dieser Erfahrungen selbst nach so langen und ernsten
Forschungen sich Whitney in Bezug auf die Bildung der Sierra
ausspricht, nur zur Erklärung der ausserordentlichen Mächtigkeit
die Zurückfaltung der Schiefer auf sich selbst als wahrscheinlich
andeutend.'*^
Diese Verhältnisse erinnern an den Nordrand der Finsteraar-
horn-Masse. Das widersinnige Einfallen sehr mächtiger Schichten-
complexe an dem Aussenrande grösserer Gebirgstheile ist in den
Alpen eine weit verbreitete Erscheinung. In Westamerika scheint
sie viel seltener zu sein, und es mag das mit dem Umstände in Zu-
sammenhang stehen, dass weitgehende Ueberschiebung hier über-
haupt nur in einzelnen Zonen vorzukommen scheint. Die Structur
des Westabhanges der Sierra Nevada möchte, so weit mir ein
Urtheil zusteht, abgesehen von der horizontalen Anlagerung am
westlichen Fusse, unter allen westamerikanischen Gebirgstheilen
die grösste Aehnlichkeit mit alpiner Structur, und zwar mit der
Aussenseite irgend eines Stückes der Schweizer Alpen besitzen.
Längere Kettenstücke der Basin Ranges zeigen Gonvexität
gegen West; ich betrachte die Sierra Nevada als gegen West
überschoben.
Der steile östliche Abbruch ist der Schauplatz des Erdbebens
vom 26. März 1872 gewesen, an welchem Tage nach Whitney
der Schlag gleichzeitig auf der ganzen Strecke vom 34. bis zum
38. Breitegrade eintrat (S. loi).
JaS Die Coast Ranges Californien's.
Die Coast Ranges. Westlich von dem californischen
Längenthaie erheben sich, an vielen Stellen 5000 Fuss erreichend,
oft mit steilem Abfalle gegen den pacifischen Ocean, die Coast-
Ranges. Auch in der Besprechung dieser Gruppe ist Whitney
unser Führer/^
In den Coast Ranges ist ein einheitlicher First oder eine
Hauptkette nicht vorhanden. Zahlreiche einzelne Ketten, von
einer gemeinsamen Streichungsrichtung beherrscht und aus ähn-
lichen Felsarten zusammengesetzt, laufen neben einander her und
lösen sich gegenseitig ab, etwa den Ketten des Schweizer Jura-
gebirges einigermassen vergleichbar. Ihr Bau ist jedoch nicht so
regelmässig wie jener des Juragebirges und mehr eine Zerknitte-
rung als eine Faltung zu nennen. Antiklinale Züge wechseln mit
monoklinalen Rücken und gehen ineinander über. Im Süden sind
diese Einzelketten besonders zahlreich und durch viele, aus der
Zeit der spanischen Missionen herrührende Namen bezeichnet, wie
Sierra S. Monica, S. Inez, S. Rafael u. And.
Die nördlichen Ausläufer der Sierra de la S. Cruz schliessen
die grosse und merkwürdige Bucht von S. Francesco, während
landeinwärts die Gruppe des M. Diablo diese Bucht von dem
Hauptthale des S. Joaquin trennt. Weiter gegen Nord, bis gegen
den Klamathfluss, ist der Bau mehr einheitlich und es verschwin-
den die Einzelnamen.
In dem ganzen Gebiete der Coast Ranges ist mit Ausnahme
des Fundes einer Aucella, welche höchst wahrscheinlich dem
oberen Jura zuzuzählen ist, bis heute unter den Ablag-erungen der
unteren Kreide noch kein Glied einer älteren mesozoischen oder
paläozoischen Ablagerung bekannt.
Im Süden, in der Umgebung von los Angeles, am Meeres-
ufer bei S. Barbara bis P. Concepcion und an vielen Punkten im
Innern des Gebirges tritt fein gebänderter, vielfach gefaltetei
Schiefer von wahrscheinlich mitteltertiärem Alter auf, die Lager
Stätte beträchtlicher Mengen von Asphalt und Erdöl. Er ist über
lagert von miocänem Sandstein, welcher auch an den Bev^regunger
des Gebirges theilgenommen hat.
Unter dem bituminösen Schiefer ist eine Vertretung- der Eocän
zeit bisher nicht bekannt; die nächstälteren Schichten gehörei
Gesteine der Coast Ranges. 749
der Kreideformation an. Unter dieser, streckenweise aber, wie es
scheint, unmittelbar unter den Tertiärbildungen, treten Granit,
Hornblendeschiefer und metamorphische Schiefer hervor; sie bilden
die höchsten Theile der Ketten.
Einzelne Beobachter scheinen sich der Ansicht zu nähern,
dass diese Felsarten, insbesondere der Granit, welcher die Unter-
lage des südlichen Theiles der Coast Ranges bildet, identisch sei
mit dem Granit der Sierra Nevada jenseits des T(5jon-Passes;
Whitney dagegen bestreitet diese Uebereinstimmung und spricht
sich mit aller Entschiedenheit für das junge, tertiäre Alter des
Granites der Coast Ranges aus;^* man geht sogar so weit, dass
Glimmerschiefer von miocänem Alter anerkannt wird. Allgemein
wird zugegeben, dass die unter dem bituminösen Schiefer liegende
Kreideformation beträchtliche Veränderungen erfahren habe, und
dass ihr die zahlreichen Serpentinzüge der Coast Ranges ange-
hören. Insbesondere sind es Lagen von unreinem, rothem und
grünem Jaspis in Begleitung von unreinem Serpentin und hartem,
petrefactenlosem Sandstein, welche diese Theile der Kreideforma-
tion bezeichnen. Sie sind weit im Süden bekannt, erreichen aber
erst weiter im Norden grosse Bedeutung. Diese Felsarten um-
schliessen einen grossen Reichthum an Quecksilber. Die Werke
von New-Idria, New^Almaden, am Clear Lake u. And. geben da-
von Zeugniss.
Im Süden herrschen die Tertiärablagerungen vor; gegen
Nord treten sie zurück und die Kreidebildungen gewinnen an
Ausdehnung. Nördlich vom Clear Lake sind die ersteren beinahe
verschwunden. Die Kreideformation ist mit Ausnahme weniger
Strecken sehr arm an organischen Resten und vorherrschend aus
Schiefer und Sandstein zusammengesetzt; Einlagerungen von hy-
draulischem Kalk erhöhen die Aehnlichkeit mit dem cretacischen
Flysch.^9
Gabb hat die californische Kreide in vier Glieder getrennt,
und zwar: die T^jon- Gruppe, den höchsten Theilen entsprechend,
hier der einzige kohlenführende Horizont; die Martinez-Gruppe,
von geringer Verbreitung und noch nicht festgestellter Selbstän-
digkeit; die Chi CO -Gruppe, von allen die bedeutendste; sie er-
streckt sich bis Oregon und Vancouver und scheint das älteste
n^O Nieder-Cali fornien .
Glied an dem Fusse der Sierra Nevada zu sein ; eines der leiten-
den Fossilien ist Trigonia Evansi; sie dürfte wohl annähernd der
Dakota-Gruppe und dem Cenoman gleichstehen, vielleicht mitEin-
schluss höherer Stufen; das tiefste Glied endlich ist die Shasta-
Gruppe, wahrscheinlich Unterabtheilungen verschiedenen Alters
umfassend, vom Alter des Gault und Neocom; sie ist bis Puget
Sound im Norden bekannt und enthält Arten von Ancyloceras,
Crioceras, Helicancylus, Diptychoceras u. And. Dies ist der älteste
versteinerupgsführende Horizont in den Coast Ranges, mit Aus-
nahme eines Vorkommens von Aucella Piochi in der Nähe des
Clear Lake, welche der Aue. Mosquensis des höchsten Theiles
der russischen Juraablagerungen nahe steht.^"*
Endlich sind in diesen Gebirgen auch junge vulcanische Bil-
dungen vorhanden. Der wichtigste Zug derselben liegt nördlich
von der Bucht von S. Francesco und streicht von Süd g'eg'en Nord
über den Mt. Helena zum Clear Lake. —
Ein Bericht von Gabb bietet die erwünschte Gelegenheit, die
Zusammensetzung der Halbinsel Nieder-Californien zu ver-
gleichen. Gabb erkennt in derselben die unzweifelhafte Fort-
setzung der Coast Ranges, und in der That sind nicht nur die
Gesteine dieselben, sondern auch die Anordnung der Ketten.^'
Ein ununterbrochener granitischer Zug erstreckt sich von den
S. Gabriel-Bergen in den obercalifornischen Coast Rang-es durch
die Grafschaften los Angeles, S. Bernardino und S. Dieg-o zur west-
lichen Hälfte der Halbinsel und dürfte N. von der grossen Bucht
von S. Sebastiano Vizcaino enden. Er ist an der Westseite
streckenweise von älteren Eruptivgesteinen begleitet und trägt
einzelne Kuppen und Decken von Trachyt und Basalt. Oestlich
m
von diesem Granitzuge taucht im nördlichen Theile der Halbinsel
unter öden basaltischen Decken ein zweiter Granitzug- hervor,
welcher der Ostküste folgt und noch weiter gegen Süd, bis in die
Gegend von S. Gertrudis, reicht. Zwischen diesen Zügen, in der
Nähe von Calamujuel, sind Quarzit, Glimmerschiefer, Talkschiefer
und Jaspis-führende Lagen vorhanden, welche als veränderte
Theile einer ausgebreiteten Decke von versteinerungsleerem Sand-
stein, dem Mesa-Sandstein, angesehen werden, welcher dem ter-
tiären Sandstein von Obercalifornien entspricht.
Nicder-Californien. 75 ^
Die S. Clara-Berge, welche von der Sebastiansbucht zur
Balenasbucht streichen, bilden wahrscheinlich einen dritten, selb-
ständigen Granitzug.
Bei S. Ignacio erheben sich einige kleinere, junge Aschen-
kegel, welche durch junge vulcanische Bildungen quer über die
Halbinsel in Verbindung stehen mit dem weit höheren, ebenfalls
vulcanischen Cerro de las Virgen es.
Von hier an bis gegen la Paz hinab scheint die Halbinsel
einen ziemlich regelmässigen Bau zu besitzen. Die Sierra Gi-
gantea, etwa 3000 Fuss hoch, läuft nahe an der Ostküste hin,
welche auf lange Strecken hin ausserordentlich steil abbricht, wäh-
rend die Abdachung gegen den pacifischen Ocean flach ist. Das
Land besteht hier vornehmlich aus dem bereits erwähnten Mesa-
Sandstein, in welchem Gabb keine organischen Reste antraf.
Dieser liegt im Westen flach, ist dort in Mesa's, d. i. in Tafelberge
aufgelöst, steigt gegen Ost bis auf die Höhe der Sierra Gigantea,
befindet sich dort in gestörter Lagerung, und bei Loreto wird
unter demselben Granit sichtbar. In diesem Sandstein treten zahl-
reiche grosse Blöcke eines alten Eruptivgestein 's auf, welche nicht
von der heutigen Halbinsel, sondern von Osten her, aus der Ge-
gend des Golfes, zu stammen scheinen.
Der Mesa-Sandstein setzt sich nach Süden fort, bis wieder
in der Kette der Cacachilas, welche die Bucht von la Paz vom
californischen Golf abtrennt, Granit hervortritt, an welchen sich
Glimmerschiefer anschliesst ; diese letzteren Felsarten bilden den
südlichsten, hohen Theil der Halbinsel ; S. Lazaro erreicht hier
5000 Fuss.
Ausser den angeführten Bildungen werden sehr junge, als
postpliocän bezeichnete Meeresbildungen bis zu 4 — 500 Fuss
über dem heutigen Strande an vielen Orten angetroffen.
Xdnthus bemerkt, dass bei Marques, unweit von la Paz, ein
bedeutender alter Quecksilberbau vorhanden sei.^* —
Die Nachrichten, welche mir über das östliche Ufer des cali-
fornischen Golfes vorliegen, sind sehr unvollständig; immerhin
lässt sich aus denselben, wie z. B. aus Weidner's Angaben über
Sinaloa*^^ entnehmen, dass die Gebirge durchwegs das südöst-
liche Streichen einhalten, und dass es in der That die gegen SO.
752
Califomische Tiefenlinie.
gewendeten Basin Ranges sind, welche in die mexicanischen Ge-
birgszüge fortsetzen.
Die Grenze zwischen den Coast Ranges auf der einen, der
Sierra Nevada, den Basin Ranges und den mexicanischen Gebirgs-
zügen auf der andern Seite läuft also von den Quellen des Sacra-
mento durch das califomische Längenthal, über den Tulare-See
zum Tejon-Passe, zur Mündung des Colorado und durch den cali-
fornischen Golf.
Dies erinnert an die Tiefenlinie, welche von der Wüste Ata-
cama durch das chilenische Längenthal zum Busen von Corcovado
zieht. In der That ist die Uebereinstimmung des Baues und der
Zusammensetzung der californischen Coast Ranges und der süd-
amerikanischen Küsten-Cordilleren sehr bemerkenswerth. Hier
wie dort bilden granitische Ketten die Unterlage ; hier wie dort
fehlt über denselben jede nachweisbare Spur der paläozoischen
und der ganzen unteren Hälfte der mesozoischen Serie.
Mit Ausnahme sehr weniger Spuren, welche der Juraforma-
tion zuzuzählen sind, beginnt, wenigstens nach dem dermaligen
Stande der Kenntnisse, allenthalben, vom nördlichen Colifornien
bis nach Cap Hoorn hinab die geschichtete Serie mit der unteren
Kreide. Serpentinzüge sind an vielen Orten sichtbar. Das Queck-
silber der californischen Ketten wiederholt sich in Peru in der
Kreideformation, allerdings in der östlich den KüstencordiUeren
folgenden Sierra ; Vulcane sind diesen Zügen aufgesetzt, im Süden
wie im Norden, und sehr häufig zeigen sich beträchtliche Mengen
alter, vielleicht cretacischer Eruptivgesteine.
Es ist offenbar ein einziger, trotz der ausserordentlichen Ent-
fernungen ursachlich zusammenhängender Typus des Gebirgs-
baues, welchem auch die Cordillere der Antillen angehört, und
viele Merkmale f rinnern an die Flysch-Gebirge Europa's.
Während auf diese Art die Gebirge Obercalifornien's sich
gegen Süden fortsetzen, verschwinden sie gegen Norden unter
einer Fluth von jüngeren Laven. Der Granit der Sierra Nevada
bricht ab, es erhebt sich Lassen's Peak zu etwa 10.500 Fuss und
von diesem Punkte an erstreckt sich durch mehr als 800 Kilom.
nordwärts das grosse Gebiet der Laven. Es umfasst die ge-
sammte Cascade Range, bedeckt sehr grosse Flächen in Oreg-on,
Lavafluth der Cascade Range. 753
Washington und Idaho und greift weit in die umliegenden Staaten.
Le Conte, welcher die Ausdehnung dieses vulcanischen Gebietes
jener von ganz Frankreich gleichstellt, hat gezeigt, dass am Co-
lumbiaflusse unter den nahe an 4000 Fuss mächtigen Lavaströmen
sehr junge Tertiärablagerungen mit Resten von Eichen und Nadel-
hölzern liegen.^* Im nördlichen Californien, NNO. von Lassen's
Peak, erreicht M. Shasta 14.400 Fuss und beherrscht weithin die nur
etwa 3000 Fuss hohe Umgebung ; eine lange Reihe beschneiter
Vulcane sitzt theils auf der Höhe der Cascade Range, mit ihren
Ergüssen sie aufbauend, theils W. von diesem Höhenzuge, so
M. Hood (i 1.225 Fuss) in Oregon und der mächtigste von allen,
M. Rainier (14.444 Fuss) in Washington Territ., welcher auf
seinem höchsten Theile einen Krater, an seinen Abhängen Gletscher
zeigt. Hague und Idding haben die Felsarten untersucht ; sie fan-
den Basalt, Hypersthen-Andesit, Hornblende -Andesit und auf
Lassen's Peak auch Dacit.*^^
An einzelnen Stellen werden an dem Fusse von Cascade
Range kleinere Kuppen von Granit und Schiefer sichtbar; das sind
die Reste des überflutheten und begrabenen Gebirges, welches
im Norden, in Brit. Columbien, wieder hervortritt. Die Laven
scheinen ohne wesentliche Unterbrechung bis an jenen Theil des
Snake River zu reichen, wo die vom Bärensee kommenden Falten-
züge unter die Basalte hinabtauchen (Taf. VI). —
Gegen Ost, jenseits der Lavaflächen, liegt zu viel unbekanntes
Land, als dass es möglich wäre, die merkwürdigen Berichte von
Hayden und Holmes über das vulcanische Gebiet des Yellowstone
mit den Berichten über andere Strecken in Verbindung zu bringen ;
ich wende mich daher weiter gegen Norden.
Britisch-Columbien. Nach G. M. Dawson's Beobach-
tungen liegt der See Winnipeg noch innerhalb jener Tafel flach ge-
lagerter, silurischer Schichten, welche wahrscheinlich einmal mit
jenen der Hudson's-Bay in ununterbrochener Verbindung standen.
Westlich von dem See befindet sich noch eine ziemlich breite de-
vonische Zone, welche Salz und Erdöl enthält und sich bis über
den Athabasca fortsetzt ; sie liegt fast horizontal und wird gegen
West von den Kreidebildungen der Ebene bedeckt, welche W. vom
754 Kreide in Brit Columbien.
Winnipegosis mit einer merklichen Stufe beginnen ; diese Stufe ist
die Fortsetzung jenes Abhanges, welcher iDereits an dem linken
Ufer des unteren Red River erwähnt worden ist.
Ganz wie im Süden breitet sich die Kreideformation über
die Ebene; sie bildet einmal eine flache Mulde und legt sich wieder
flach, doch mit geringer Neigung gegen West; etwa 15 — 3oKilom.
vor dem Fusse der Rocky Mountains beginnen parallele Störun-
gen; es kommen sogar überschlagene Falten vor, und an dem
Saume des Gebirges fallt zwischen 49° und 50** n. Br. die Kreide-
formation widersinnig gegen die Rocky Mountains ein. Dawson
erklärt diese Lagerung als die Folge einer grossen Verwerfung
mit östlichem Absinken, welche den Fuss des Gebirg-es beg-leitet/"
Die Laramiestufe enthält, indem sie sich den Rocky Moun-
tains nähert, mehr und mehr Spuren des nahen Ufers; in ihrem
unteren Theile ist sie kohlenführend; Dawson vermuthet, dass die
Rocky Mountains selbst die Uferlinie gebildet haben. Aehnliche
Vermuthungen haben wir auch im Süden, sogar bis N. Mexico
getroffen.
Auch viel weiter gegen Nord, etwa in 55° 30', wo der Pine
River, ein südlicher Zufluss des Feace River, aus dem Gebirge
getreten ist, fand Dawson ähnliche Verhältnisse; die Laramie-
stufe enthält viel Sandstein und Gerolle, und die cretacischen
Schichten sind bis auf etwa 25 Kilom. vom Fusse des Gebirges
gestört und sogar streckenweise überworfen. Hier im Norden be-
steht die äussere Kette aber nicht aus archaischen und 'paläozoi-
schen, sondern aus paläozoischen Felsarten und der marinen Trias
mit Monotis subcircularis."
Die Hochgebirge zwischen diesem äusseren Saume der Rocky
Mountains und der pacifischen Küste sind zwar erst auf einzelnen
Querlinien durch Hector, Selwyn und Dawson bekannt g-eworden,
aber es lässt sich deutlich entnehmen, dass hier durchweg-s ziem-
lich paralleles Streichen gegen NW. herrscht und der Bau folg-
lich weit einfacher ist, als in den Vereinigten Staaten. ^^
Dawson unterscheidet in Brit. Columbien vier parallele Ketten.
Die erste bilden die Rocky Mountains, in welchen im Norden
jene devonischen Ablagerungen wieder sichtbar werden, welche
östlich vom Mackenzie in flacher Lagerung vorkommen. Die zweite
Schichtfolge in den columbischen Gebirgen. 7 S S
Kette ist Gold Range; sie grenzt gegen West an eine breite, von
jungen Laven und von Süsswasserablagerungen bedeckte Tafel-
fläche; jenseits von dieser Fläche erhebt sich die Coast- oder
Cascade-Range, welche hier nicht mehr unter den Laven be-
graben ist, und welche selbstverständlich nicht mit den Coast-
Ranges Californien's zu verwechseln ist; die vierte Kette ist Van-
couver Range; sie erhebt sich aus dem Meere und die Queen
Charlotte-Inseln gehören ihr an.
Die Rocky Mountains werden von demselben lieobachter
ausdrücklich als die Fortsetzung derselben paläozoischen Tafeln
erklärt, welche unter der grossen östlichen Ebene liegen. Die meso-
zoischen Ablagerungen zeigen allerdings wesentliche Veränderun-
gen in ihrer Verbreitung. Im Süden greift der rothe Sandstein
mit Gyps, welcher die Trias vertritt, von den Ebenen her an die
Rocky Mountains und lässt sich bis an den Wahsatch verfolgen ;
dann fehlt die Trias durch einen ziemlich breiten Streifen Landes,
und in den westlichen Basin Ranges erscheint sie als eine marine
Ablagerung mit Meekoceras, Monotis subcircularis u. And. Im
Norden dagegen reicht die letztere Entwicklung der Trias über die
ganze Breite des Gebirges ; solche Ablagerungen mit Monotis sub-
circularis treten im Westen auf Moresby Island (Queen Charlotte-
Archipel, 53." nördl. Br.) unter der Kreideformation von californi-
schem Typus hervor und an der Ostseite des Gebirges, am Peace
River und Pine River sind dieselben Ablagerungen in Berührung
mit Kreideschichten des östlichen Typus, welche jenen von Dakota
und von Colorado gleichen.''^
An mehreren Stellen, und insbesondere auf Vancouver, er-
scheinen jene Aucellen-Schichten wieder, welche in den californi-
schen Coast Ranges erwähnt worden sind. Whiteaves betont die
volle Uebereinstimmung der californischen Aue. Piochi mit Aue.
Mosquensis und zählt die ganze Schichtgruppe noch der unteren
Kreide zu ; ich betrachte diese Schichten mit Neumayr als bis
nach Californien dringende Ablagerungen eines borealen Meeres
aus der Zeit des Schlusses der Juraformation.^"
Alaska und die Aleuten werden im Zusammenhange mit Ost-
asien zu besprechen sein. Eine Fortsetzung der Küsten-Cordilleren
scheint in Brit. Columbien nicht erkennbar zu sein.
7 «5 6 Uebersicht von N.-Amerika.
Uebersicht. Nachdem die Brüder Rogers ihre denkwürdige
Geologie von Pennsylvanien veröfifentlicht, nachdem der Bauplan
des östlichen Amerika durch eine lange Reihe sich g-egenseitig
ergänzender Untersuchungen festgestellt war, sind nun im Westen
durch die in Wetteifer vereinten Bemühungen einer Schaar von
ausgezeichneten Forschern die ersten Grundzüge der Structur eines
der merkwürdigsten und ausgedehntesten Hochg-ebirg-sländer der
Erde glücklich enthüllt worden. Wer diese ersten Grundzüge zu
überblicken versucht, darf ein Wort der Dankbarkeit nicht zurück-
halten gegen jene Männer, welche diesen werth vollen Erfolg mit
der Arbeit ihrer besten Lebenskraft bezahlt haben.
Von Nova Scotia, selbst von Neu-Fundland ziehen grosse
Falten durch den Osten herab bis nach Alabama; sie sind nicht
ganz parallel und sie sind auch zu verschiedenen Zeiten entstan-
den, aber sie verfolgen doch alle beiläufig die Richtung- gegen
Südwest, welche auch die Richtung der heutigen Küste ist, und
zeigen eine lange anhaltende oder oft wiederholte tang-entiale Be-
wegung, welche gegen West und Nordwest, d. i. landeinwärts
gerichtet ist. Der atlantische Ocean liegt daher an der Rückseite
oder Innenseite dieser Falten.
Weiter gegen West verflachen diese Falten; endlich tritt eine
grosse cenomane Transgression ein, deren Spuren übrigj-ens auch
an dem atlantischen Ocean, auf N. -Jersey, nicht fehlen.
Die Ablagerungen der mittleren und oberen Kreide bilden
von Texas bis weit gegen Norden den Untergrund des Llano esta-
cado und der Prairie'en ; sie greifen in das Gebirge ein und er-
reichen wahrscheinlich im Süden die Verbindung mit der pacifi-
schen Küste. Aus ihnen besteht die ebene Mitte des Continentes;
sie schliessen mit einer grossen Brackwasser- und Süsswasser-
Bildung, dem Laramie-Binnensee, welcher von den Ufern des
Peace River bis zu jenen des Rio Grande del Norte reicht. Die
weithin flach gelagerten mesozoischen Ablagerungen der Ebenen
sind hart am Fusse der ersten Ketten der Rocky Mountains, wie
der Front Range in Colorado, plötzlich steil aufgekantet, als wären
sie geschleppt an einem grossen Bruche. Gegen Süden, in Neu-
Mexico, sind sie auch etwas widersinnig überbogen ; am heftig-sten
sind die Bewegungen im Norden, an den oberen Zuflüssen des
Uebersicht von N.- Amerika. 757
Saskatchevan und des Athabasca, wo eine etwas breitere Zone
wiederholter Störungslinien vorhanden ist.
Die Rocky Mountains bestehen von ihrem Beginne bei Ga-
listeo in Neu-Mexico bis an die Masse des T^ton, also beiläufig
von 35° 30' bis 43" 30', aus mächtigen Höhenzügen, welche an
einer geraden, im Meridian verlaufenden Linie hinter einander
auftreten und deren jeder das Bestreben hat, gegen Nordwest
abzulenken, so dass sogar der breite, in West streichende Rücken
des Uinta sich dieser eigenthümlichen Virgation anschliesst.
Diese Höhen sind zum grossen Theile zu breit angelegt, um als
Antiklinalen gelten zu können, und die einfach aufgeschleppten
Ränder der mesozoischen Sedimente umsäumen nicht nur die
grösseren Massen, sondern auch kleinere Stöcke, welche wie Pflöcke
hervorragen. Aus diesem Grunde wurde hier die Umgebung der
Berge, und insbesondere das Colorado -Plateau als gesenkt an-
gesehen, und die grossen Flexuren, welche es umgeben, wurden
als peripherische . Randflexuren des Senkungsfeldes betrachtet.
Die Höhen erhalten hiedurch die Merkmale von Horsten, und auch
die mächtigen Hochtafeln von Utah mussten als Ergebnisse un-
gleichförmiger Senkung aufgefasst werden. In diese Region ist
der Canon des Colorado eingesenkt.
Die Sedimente von Binnensee'n aus verschiedenen Abtheilun-
gen der Tertiärformation breiten sich in dem Senkungsgebiete des
Colorado-Plateau, S. vom Uinta, und auf dem Plateau des Green
River, N. vom Uinta, aus.
Am Wahsatch und jenseits der Hochtafeln von Utah beginnt
das Gebiet des eingebrochenen Faltenlandes, die Basin Ranges ;
sie setzen sich nach Norden wie nach Süden fort. Im Norden und
im Süden scheinen überhaupt nur parallele Ketten und keine der
Virgation der Rocky Mountains oder dem Plateau des Green Ri-
ver und des Colorado ähnliche Einschaltungen vorhanden zu sein.
Die Sierra Nevada, aus Gneiss und mesozoischem Schiefer,
ist als eine gegen West überschobene Faltung, ähnlich der Masse
des Finsteraarhorn, dargestellt worden; an ihrem westlichen Fusse
liegt flach die mittlere Kreide.
Oregon und Washington bedeckt die grosse Lavafluth ; erst
in Brit. Columbien treten die Felsarten der Cascade Range als
I
yc8 Uebersicht von N.- Amerika.
zusammenhängende Kette unter den Ergüssen wieder hervor, wäl
rend südlich davon nur grosse Vulcane auf diesem Gebirgszug
sich erheben. Vor der Cascade Range sind die Bruchstücke eim
weiteren Kette auf Vancouver und im Queen Charlotte- Archip<
erhalten.
In Californien folgt dem cretacischen Fusse der grossen Sien
das Längenthal, welches seine Fortsetzung über den Tejon-Pa«
in den californischen Golf findet. Was ausserhalb dieser Tiefei
linien liegt, die californischen Coast-Ranges und die niedercal
fornische Halbinsel, hat dieselbe eigenthümliche Zusammensetzun
wie die Küsten-Cordilleren Südamerika's und die Cordillere d(
Antillen. Vom nördlichen Californien bis Cap Hoorn, durch be
läufig 95 Breitengrade, ist die pacifische Küste von kurzen sie
ablösenden Ketten begleitet, welche auf ihrem ganzen Verlaufe ai
Felsarten von archaischem Gepräge, aus vielen älteren Eruptiv
gesteinen und ferner aus Sedimenten bestehen, in "welchen di
ältesten bisher gefundenen Reste in Bogota Spuren des Lias, i
Californien Spuren des obersten Horizontes des borealen Jur
zeigen, sonst aber allenthalben nur der Kreide- und Tertiärze
angehören.
Darwin im äussersten Süden, Whitney im Norden haben sie
für das jugendliche Alter der Granite dieser Ketten ausg-esprocher
Manche Anzeichen verrathen, dass in den Gebirg-en des wesi
liehen Amerika in unseren Tagen Veränderungen sich Vollzieher
Es ist vor wenigen Jahren ein grosses Erdbeben an einem Haupl
bruche beobachtet worden. Gilbert verfolgt die Störungen de
Terrassen am Bonneville-See. Kratere liegen zwischen diese
Terrassen ; andere Kratere befinden sich auf der Hsplanade, de
grossen Abstufung in dem unteren Theile des Canon des Colc
rado, und ihre Laven sind in die untere Schlucht geflossen, welch
sicher von geringem Alter ist. Auf der Sevier -Wüste sehen di
Kratere und Laven der Fillmore-Gruppe so frisch aus, dass Gil
bert bemerkt, es sei hier nicht mehr 'Grund zu der Annahme voi
handen, dass die basaltische Epoche abgeschlossen sei, als zu de
Annahme, dass sie eben begonnen habe.^'
Anmerkungen zu Abschnitt XI: Nordamerika.
» Das Kärtchen Taf. VI soll nur die beiläufige gegenseitige Lage der wichtigsten
Theile der Rocky Mountains und die Vertheilung der Sedimente auf dem Coloradoplateau
versinnlichen. Es konnte aber schon wegen der Kleinheit des Maassstabes eine rich-
tige Darstellung des Wahsatch oder der schmalen Faltenzüge N. vom Bärensee oder
gar der Ränder der Flexuren nicht beabsichtigt werden. I«aramie ist allenthalben zur
Kreideformation gezogen. Die Gregend am Utahsee wurde nicht in Farben eingetragen.
Der nördliche Theil bis 42» 15' wurde nach der von Hayden herausgegebenen Karte von
Peale, S. John und Endlich, der folgende Streifen bis zur N. Grenze von Colorado, dann
West Uintah bis zum Salzsee nach den von Clar. King veröiFentlichten Karten, Ost Uintah
nach Powell, Colorado nach der Karte von Hayden, das Hochland von Utah sammt der
Umgebung des Canon nach Dutton, N. Mexico nach Stevenson eingetragen.
2 H. D. Rogers, Rep. Brit. Assoc. 1856, Cheltenham, und: The Geol. of Pennsyl-
vania, 40; 1858 insb.: On the laws of Structure of the more disturbed Zones of the
Earth's Crust; und: Classification of the several Types of orograph. Structure visible in
the Appalachians and other undulated Mountain-Chains ; eb. das. vol. ü, b, p. 885 — 941.
Man hat seither, auf viele genauere Beobachtungen gestützt, sogar den Versuch gemacht,
das Maass der seitlichen Contraction in Ziffern auszudrücken. Solche Versuche unterliegen
selbstverständlich grossen Schwierigkeiten und einem hohen Maasse von Unsicherheit;
Claypole nennt als das Verhältniss der heutigen Breite zu der ursprünglichen die ZifTern
65 : 100; Nature, 1884, p. 53 1.
3 H. Fletcher, Report on the Explorat. of Cape Breton, N. Scot. ; Rep. Geol.
Surv. Canada for 1875—76 F, 1876 — 77, p. 454— 5 13, 1877—78 F, p. 9 u. folg.; Karten,
und dess. Rep. on Part of the Counties of Richmond, Inverness, Guysborough and Anti-
gonish, N. Scot. eb. das. 1879 — 80 F. Eine Uebersichtskarte in Dawson, Acadian Geol.
80 Lond. 1868.
4 J. Richardson, Report; Map showing the Distribution of the low. Silur.
Rocks between Chaudidre and Trois-Pistoles ; Rep. Geol. Surv. Canad. for 1866 — 69,
p. 1 33— 157; W. E. Log an, Geol. of Canada, 8° i863, p. 2, 287, 864 und an and. Ort;
für Anticosti J. Richardson, Rep. for 1853—56, p. 191 — 245 und an and. Ort.
5 Für N. Braunschweig nenne ich nur R. W. EUs, Rep. on the Geol. of N. and
East. N. Brunswick and the N. Side of the Bay of Chaleurs; Rep. Geol. Surv. Can.
1880 — 82, D, Karte, und dess. Rep. on the Geol. of Gaspe Penins., eb. das. DD.; ferner
für die Strecke Quebec— N.- York: A. R. C. Selwyn, The Quebec Group in Geology; Proc.
and Trans. Roy. Soc. Canada, I, Montreal, i883, Sect. IV, 1882, p. i — 13, und J. D. Dana,
An Account of the Discov. in Vermont Geol. of the Rev. Aug. Wing, Am. Journ. Sc.
1877, Xni, p. 332 — 347, 405 — 419 u. XIV, p. 36, femer Dana, On the Relations of
ihc Geol. of Vermont to that of Berkshire; eb. das. 1877, XIV, p. 37-48, i32— 140,
202 u. folgV
6 J. B. Elliott, The Age of the Southern Appalachians; Am. Journ. Sc. i883,
XXV, p. 282—298.
Surss, Das Antlitx der Erde. 49
760 Anmerknngen zu Th. II, Abschn. XI. Nordamerika.
7 W. M. Davis, The structural Value of the Trap Ridges of thc Conneclicat
Valley; Proc. Boston Soc. nat. Hist. 1882, XXIF, p. Il6— 124.
8 Rob. Bell, Rep. on Hudsons Bay; Rep. geol. Surv. Can. 1877— 80 C nnd
1879—80 C; Rep. on the Geol. of the Basin of Moose Riv.; Rep. on the Geol. of the
Lake of the Woods, eb. das. 1880—82 C und CC, mit Karten, und an and. Ort.
9 J. Stevenson, Note on the Laramie Group of S. New Mexico; Am. Journ. Sc
1882, XXII, p. 370—372; an der Ostseite des Rio Grande bis 150 Miles unter Santa Fe
mit Ostrea, Corbula u. and. und mit Kohle; auch White, Geograph. Hxtent of the La-
ramie Group, eb. das. 1882, XXIV, p. 207—209 u. insb. eb. das. i883, XX. VT, p. 120.
>o G. M. Dawson, Rep. on an Explor. from Port Simpson on the Pacif. Coast to
Edmonton on the Saskatchewan ; Rep. Geol. Surv. Can. 1879—80, B, p. l3o.
«I J. W. Dawson, Observ. on the Geol. of the Line of the Canad. Pacif. Railway;
Quart. Journ. Geol. Soc. 1884, XL, p. 378, 379.
>2 H. Newton and W. P. Jenney, Rep. on the Geol. and Resources of the
Black Hills of Dakota; 40 Washington, 1880; Atlas.
13 C. A. Peale, Rep. on the Green River Distr. in Hayden, XI. Rep. U. S. GeoL
Surv. for 1877, p. 622—629 ^n^- Jura-Trias Section of S. E. Idaho and W. Wyoming,
Bull. U. S. Geol. Surv. 1880, V, p. Ii'9— 123; C. A. White, Fossils of the Jura-Trias o(
S. Idaho, eb. das. p. 105 — II 7.
»4 F. V. Hayden, Geol. Map. of Colorado in Hayden, X. Rep. U. S. Geol
Surv. f. 1876.
'5 Ich will hier auf die lehrreiche Schilderung verweisen, welche G. v. Rath gt-
gcben hat; Sitzungsber. Niederrhein. Ges. Nat. Heilk. Bonn, Sitzung v. 7. Jan. 1884.
>6J. J. Stevenson, Geol. Examin. in S. Colorado and North. N. Mexico;
G. M. Wheeler, Rep. U. S. Geograph. Surv. West of the loo. Merid., vol. III, 1881;
40, Karten.
17 Ich berufe mich auf Endlich 's Karte in Hayden IX. Rep. 1875, pl- XVI.
18 Hayden in G. Surv. Rep. f. 1873, p. 19; Arch. R. Marvine eb. das. p. i3i
u. folg., pl. H; Clar. King, U. S. Geol. Explor. of the fortieth Parall.; vol. I, System.
Geol. 1878, p. 15 u. folg.; Arn. Hague eb. das. H, p. 2 u. folg.; J. J. Stevenson,
Structure and Age of the Rocky Mount. Syst. in Wheeler's Rep. lOO. Parall. m, p. 488
u. folg.; ferner A. C. Peale, Notes on the Age of the Rocky Mount. in Colorado, Am.
Journ. Sc. 1877, XIII, p. 172 — 181, 388; Stevenson eb. das. p. 297 — 299 und an
and. Ort.
»9 S. F. Emmons, Abstr. of Rep. on Geol. and Mining Industry of Leadville,
Col.; Powell, Ild Ann. Rep. U. S. Geol. Surv. f. 1880—81, p. 211 u. folg.
20 F. M. Endlich, Rep. on the Geol. of the Sweetwater District; Hayden G.
Surv. Rep. f. 1877, p. 3— 141; Or. St. John, Rep. on the Geol. of the Wind River
Distr. eb. das. 1878, I, p. 175—269; Peale, S. John and Endlich, Geol. Map of Por-
tions of Wyoming, Idaho and Utah, eb. das.
21 J. W. Powell, Rep. on the Geol. of the Eastem Port, of the Uinta-Mountains
etc.; U. S. Geol. and Geogr. Surv. of the Territ. II. Divis. 40, Atlas, 1876.
22 Zirkel vergleicht ihn dem Paragonit-Schiefer des Gotthard; Gl. ICing Rep.
40. Parall., Microsc. Petrogr. vol. VI, 1876, p. 28; nach Wadsworth ist es Glimmer-
schiefer; Proc. Boston Soc. nat. Hist 1881, XXI, p. 251.
23 C. A. White, Rep. on the Geol. of a Part of NW. Colorado; Hayden, G.
Surv. Rep. f. 1878, p. 3—59; insb. p. 41, 46 und 51.
24 C. E. Du t ton, Rep. on the Geol. of the High Plateaus of Utah; Powell
U. S. Geogr. Geol. Surv. Rocky Mount.; 40, 1880, Atlas; p. 47 u. folg.
25 S. F. Emmons, Green River Basin, in Cl. King, Rep. 40. Parall. 11, p. igi
254; West Uinta Range, p. 3ii u. folg.; Atlas fol. IL
Anmerkungen zu Th. 11, Abschn. XI. Nordamerika. 7^^
26 Eine lehrreiche Darstellung der beiden ersten Gruppen gibt Cl. King, Rcp.
40. ParalL, Osthälfte des Atlasblattcs III, und vol. I, p. 44 u. folg., p. 154, 745; dann
Emmons eb. das. II, p. 340 u. folg., und Howell in Wheeler, Rep. 100. Merid. III,
p. 233 u. folg.
27 F. Zirkel, Microsc. Petrogr.; Cl. King, Rcp. 40. Parall. VI, p. 50, 58.
28 A. Geikie, On the Archaean Rocks of the "Wahsatch ; Am. Journ. Sc. 1880,
XIX, p. 363 — 367; J. D.Whitney and M. E. Wadsworth, The Azoic System and
its proposed Subdivisions; Bull. Mus. Comp. Zool. Cambridge, 1884, VII, p. 499 — 511.
29 Or. St John, Rep. on the geol. Field-Work of the Teton-Division ; Haydcn,
Gcol. Surv. Rep. f. 1877, p. 323 u. folg. (lat. 43"— 440 15', long. 1090— 1 120 15');
A. C. Feale, Rep. on the Geol. of the Green River Distr.; eb. das. p. 509 u. folg. (lat.
410 45'_43o^ long. 1090 3o'— 1120); Geol. Karte im Rep. f. 1878, I.
30 G. K. Gilbert, The Colorado Plateau Province as a field for geol. Study;
Am. Journ. Sc. 1876, 3. ser, XII, p. 16 — 24 und 85 — lo3 u. insb. die Berichte von Gil-
bert, Marvine und Howell in Wheeler, Geogr. Surv. 100. Merid. Part III; ferner
('1. C. Dutton, Rep. on the Geol. of the High Plateaus of Utah; Powell, U. S. Geogr.
Geol. Surv. Rocky Mount. Reg. 40 1880, und Tertiary History of the Grand Cailon Di-
strict eb. das. 40 1882; Atlas.
3' Powell, Uinta, p. 176, 2o3, 208.
32 C. A. White, Rcp. on the Geol. of a portion of NW. Colorado; Hayden,
Geol. Surv, Rep. f. 1876, p. 5 — 60; insb. 40 — 51. Die Note p. 41 sagt: ,Indcm ich die
Ausdrücke ,uplift' und ,upthrust' gebrauche, beabsichtige ich damit nicht, irgend eine
Meinung über die thatsächliche Bewegung bei der Dislocation der Schichten, sei es nach
aufwärts oder nach abwärts auszudrücken.*
33 S. F. Emmons, Rep. on Green River Basin; Cl. King, Rep. Geol. Explor.
40. Parall. H, 1877, p. 197.
34 Dutton, Tert. Hist. Grand Canon, pl. XIX; einmal haben sogar solche Strome
den Colorado 400 Fuss hoch gestaut, bis er sich wieder den Weg bahnte; eb. das. p. 95.
35 Dutton, eb. das. p. 93.
36 F. Posepny, Geol. mont. Studie der Erzlagerstätt. von R^zbdnya, herausgegcb.
V. d. Ungar, geol. Gesellsch. 8©, 1874, S. 190: ,Wie könnte man sich anders das Vor-
,kommen von verhältnissmässig dünnen, aber langen Grünsteiogängcn, die in jede Spalte
,des Gesteins eindringen und dünne, spitzige Gesteinstheile einschliessen, erklären, als
,dass die weiche Gcsteinsmassc durch den Druck des darauf lastenden Gesteins in die
,fertigcn Spalten gepresst wurde? — Jedes der Erzreviere . . . hat seinen grösseren Stock
,von Eruptivgesteinen, . . . welche bei der Senkung herausgepresst werden, und sozu-
,sagen das Maass der Senkung andeuten.' — Auch Dutton, Geol. High Plateau's, p. i3o:
,Eine genaue Betrachtung der Einzelheiten vulkanischer Eruptionen lässt den Eindruck zu-
,rück, dass sie hervorgepresst werden durch das Gewicht der Gesteine, welche ihre Rc-
,servoirs überlagern, und dass ihr Austritt nur ein hydrostatisches Problem der ein-
,fachsten Art ist.*
Z7 Clar. King, U. S. Geol. Explor. 40. Parall. I, p. 742 und an and. Ort. und die
Berichte von Hague und Emmons eb. das. p. 469 u. folg.
38 Clar. King, eb. das. I, p. 744.
39 Hague, ob. das. II, p. 736; allerdings möchte hier noch die Frage gestattet
sein, ob es sich nicht um eine während der Faltung entstandene Verschiebung handelt,
wie solche in Europa nicht allzu selten sind.
40 G. K. Gilbert, Contrib. to the History of Lake Bonne ville; Powell, IL Ann.
Rcp. U. S. Geol. Surv. for 1880 — 81, p. 167 — 200, mit Karten der " Deformation des See's,
Ausser der Neigung der Terrassen beschreibt Gilbert auch eine offenbar junge ,Fault-
scarp* hart an dem W. Fu.>se des Wahsatch; sie ist 3o — 40 Fuss hoch und wird von
Gilbert als ein Beweis angesehen, dass der Wahsatch sich erhebt; diese Annahme ist .schwer
49*
762 Anmerkungen 2ti Th. II, Abscbn. XI. Nordamerika.
in Einklang zn bringen mit der Neigung der Terrassen. Die Fault-scarp kann auch eai
standen sein durch Senkung des Westflügels. Dies sind Fragen, deren Lösung wir vo
der weiteren Fortsetzung dieser Arbeiten erhoffen dürfen. Gilbert, A Thcory of th
Earthquakes of the Great Basin; Am. Joum. Sc. 1884, XXVII, p. 49 — 53.
4» Gabb hat eine Anzahl merkwürdiger Versteinerungen von Volcano, SO. toi
Walkers Lake, Nev., aus dem westlichen Theile der Basin Ranges, beschrieben, wclcb
theils der Trias mit Afc. Ausseeanus und Cassianella lingulata, theils einer Höheren Stal
angehören, die Gabb zum Lias rechnet. In der That erinnert Arietites Nevadanus gar set
an europäischen Lias; Gabb stellt sogar sämmtliche bisher zum Jura gerechnete Schief«
der Sierra in den Lias; Gabb, Descript. of some secondary fossils from the Pacifi
States; Am. Joum. of Conchol. V, 1870, p. 5—18, pl. III — VII.
42 A. R^mond, Notice of Geol. Explorations in N. Mexico (prep. f. pnblicatio
by J. D. Whitney); Proc. Calif. Acad. Nat. Sc. 1866, IH, p. 243 — 257; W. Gab]
Notes on some Mexican cretac. Fossils; Geol. Surv. of California, Palaeontology, 11, i86<
p. 257 — 276; derselbe: Notice of a coli, of cretac. Fossils from Chihuahua, Mex.; Pro
Acad. Nat. Sc. Philadelphia, 1872, p. 263 — 265 beschreibt auch von Nugal, Chih., in de
Region der dortigen Silberminen von Kimball gesammelte Kreide-Petrefacten, wie Ama
Guadeloupae, Exog. costata u. A.
43 W. P. Jenney, Notes on the Geol. of W. Texas near the 32. paralL; An
Joum. Sc. 1874, 3. scr. VII, p. 25 — 28. Der Llano Estacado zeigt hier rothen Sandsteii
welcher für Trias gehalten wird, etwas braunen Sandstein, vermuthlich schon cretacisd
dann die Lagen mit Exog. Texana, Caprina crassiflbra und Amm. pedemalis, dann etv
3o Fuss harten Kalkstein.
44 F. Roemer, Die Kreidebildungen von Texas und ihre organ. Einschlüsse; 4*
Bonn, 1852.
45 J D. Whitney, Geol. Surv. of California; Geol. vol. I, 1865; ich folge im
besondere der letzten Darstellung Whitney 's in: The Auriferous Gravels of the S. N<
vada of Calif., Mem. Mus. Comp. Zool. Cambridge, VI, 1879 — 80, p. 27 — 52, 505 u. fol^
Für alle Einzelheiten des Vorkommens von Kohle, Quecksilber und Erdöl die Berichi
von Goodyear und Peckham in Whitney, Geol. Surv. Calif. II, 1882, The Coa;
Ranges, Append. — Ferner Jos. Leconte, On the Evidence of horizontal crushing in tli
formation of the Coast Range of Calif.; Am. Joum. Sc. 1876, 3. ser. XI, p. 297 — 304.
46 Insb. Aurif. Gravels, p. 506.
47 Whitney, Geol. Calif. I, p. i — 197 und Aurif. Gravels, p. 15 — 26.
48 Whitney and Wadsworth, The Azoic System; Bull. Mus. Comp. Zool. Can
bridge, 1884, VII, p. 550 und an and. Ort.
49 Geol. Calif. I, p. 12, loi.
50 W. M. Gabb, Palaeontol. Calif. 1869, H, Preface, p. XH— XIV.
5« Gabb, Notes on the Geol. of lower California, in Whitney, Geol. Calif. I
Coast Ranges, Append. p. i37 — 148.
52 J. Xdnthus, Reise durch die kalifom. Halbinsel; Peterm. geogr. Mitth. 186
s. 133—143.
53 F. G. Weidner, Der mexikan. Staat Sinaloa; eb. das. 1884, S. i — 9; Karte.
54 Jos. Le Conte, On the great Lava-Flood of the West and on the Structurc an
Age of Cascade Mountains; Am. Journ. Sc. 1874, 3. ser. VII, p. 167 — 180, 259 — 267.
55 A. Haguc and J. P. Iddings, Notes on the Volcanoes of N. Calif., Orego
and Washington Territ.; Am. Journ. Sc. l883, 3. ser. XXVI, p. 222—235.
56 G. M. Dawson, Prelim. Report on the Geol. of the Bow and Belly Riv«
Region; Geol. Surv. Can. Rep. 1880—82, B, p. i — 23, Karte; ders. : Descript. Note on
General Section from the Laurent. Axis to the Rocky Mountains N. of the 49. Parall
Proc. and Trans. Roy. Soc. Canada, 1882-83, I; Sect. IV, 1882, p. 39 — 44; f^r ein
Anmerkungen zu Th. TI, Abschn. XI. Nordamerika. 763
etwas mehr gegen N. gelegene Linie: J. W. Dawson, Observ. on the Geol. of the Line
of the Canad. Pac. Railway; Quart. Journ. geol. Soc. 1884, XL, p. 376 — 388.
57 G. M. Dawson, Rep. on an Explor. from Port Simpson on the Pacif. Coast
to Edmonton on the Saskatchewan ; Rep. Geol. Surv. Can. 1879—80, B, p. 114; auch
Selwyn, Rep. on an Explor. of Brit. Columbia; eb. das. 1875 — 76, p. 81 u. folg.
58 J. I£ector, On the Geol. of the country betw. Lake Superior and the Pacif.
Ücean (betw. the 48. and 54. Parall. of lat); Quart. Journ. Geol. Soc. 1861, XVII, p. 388
— 445, Karte. Ferner wiederholte Berichte von Richardson, Selwyn, J. W. Dawson
und G. M. Dawson in den Rep. Geol. Surv. Can., und Dawson, Sketch of the Geol.
of Brit. Columbia; Geol. Magaz. 1881, 2. ser., VIII, p. 156—162 und 214—227.
59 J. Richardson, Rep. on Vancouver and Qu. Charlotte Isl.; Rep. Geol. Surv.
Can. 1872—73, p. 38—101, Karte, und 1874—75, p. 78— 91; G. M. Dawson, Rep. on
Qu. Charlotte Islands; eb. das. 1878 — 79, B, p. I — 275; geol. Karte, und dess. Note on
the Triassic of the Rocky Mountains and Brit. Columb.; Proc. and Trans. Roy. Soc.
Canada, 1882— 83, I, Sect. IV, p. 143—145, und: Note on the Geol. of the Peace Riv.
Region, Am. Journ. Sc. 1881, 3. ser., XXI, p. 891.
60J. F. Whiteaves, On the low. cretac. Rocks of Brit. Columbia; Trans. Proc.
Roy. Soc. Can., 1882 — 83, I, Sect. IV, p. 85; M. Neumayr, Ueb. klimat. Zonen während
d. Jura- und Kreidezeit; Denkschr. Akad. Wien, l883, XLVII, p. 3o3. Meek war auch
geneigt, Lima Erringtoni der goldführenden Schiefer Californiens mit Aue. Mosquensis
zu vereinigen.
61 Gilbert in Wheeler, Surv. loo. Merid. III, p. l36, 141.
• .'
ZWÖLFTER ABSCHNITT
Die Continente.
Alte Welt und neue Welt. — Unhaltbarkeit dieser Ausdrücke. — Alter der Continente. —
Amerika. — Trennung von Indo-Afrika und Eurasia. — Faltung von Kuriisia. — Han-hoj
und die turkestanische Niederung. — Die Mittelmeere. — Der indische Ocean. — Dit
grossen Einheiten. — Mannigfaltigkeit der Gebirge. — Zusammenbruch der Lithosphärc,
Die vorstehenden Abschnitte enthalten die Besprechung
einer Anzahl der grössten Gebirgsketten der Erde, der grössten
Tafelländer und der Mittelmeere. Die Behandlung war je nach
der Bedeutung des Gegenstandes und nach dem heutigen Stande
der Erfahrungen eine ungleichartige. Die meisten dieser Umrisse
schliessen räumlich aneinander, während es in Amerika nicht mög-
lich gewesen ist, die mexicanischen Ketten auf Grund der vor-
liegenden Berichte ganz bis an ihr südliches Ende* zu verfolgen,
und sich darum auch keine Gelegenheit gefunden hat, die trans-
versale Vulcanenreihe von Mexico zu erwähnen. Die arktischen
Länder, das nordwestliche Europa, das nordchinesische Tafelland,
die ganze ostasiatische Küste und Australien mit den pacifischen
Inseln sind noch gar nicht zur Besprechung gelangt. Die Ergän-
zung ist späteren Abschnitten vorbehalten, und es soll insbeson-
dere die Umrahmung der beiden grossen Oceane in zusammen-
fassender Weise besprochen werden. Abgesehen von dieser
absichtlichen Einengung des Stoffes fehlt es aber nicht an unab-
sichtlichen Mängeln, welche aus dem Umstände hervorgehen, dass
es dieser Art der Darstellung, welche zu Vergleichen führen soll
Aeltere vergleichende Arbeiten. 7^5
beinahe ganz an Vorbildern fehlt und sie daher alle Uebelstände
eines ersten Versuches an sich trägt.
Alexander v. Humboldt's ,geognostischer Versuch über die
Lagerung der Gebirgsarten in beiden Erdhälften' ist im Jahre 1823
erschienen und kommt heute nur als ein Denkmal der geistigen
Grösse seines Verfassers in Betracht. Selbst Ami Bou^'s im Jahre
1845 veröffentlichte geologische Karte der Erdoberfläche besitzt
bei dem raschen Fortschritte der Forschungen heute nur einen
geschichtlichen Werth, und J. Marcou's Text zu der zweiten Auf-
lage der geologischen Karte der Erde vom Jahre 1875, ^^^^
sehr inhaltreiche Zusammenstellung, verfolgt wie Bou^'s Arbeit
weit mehr die Verbreitung der einzelnen Formationen auf der Erd-
oberfläche als die Structur der Gebirge und der Meeresbecken.
Weit näher stehen dem Ziele dieser Schrift die leider noch
seltenen Versuche, einzelne Gebirge zu vergleichen. Als Beispiele
nenne ich Medlicott's Vergleichung der Alpen und des Himalaya
vom Jahre 1868 und Bleicher's Vergleichung der Pyrenäen, des
Centralplateau's und der Vogesen vom Jahre 1870, welcher Ver-
such sofort den Werth der vergleichenden Methode auf's Glän-
zendste erwies, indem er den Verfasser lehrte, dass die Vogesen
als ein Horst aufzufassen seien.' Eine auf den heutigen Stand der
Erfahrungen begründete allgemeine vergleichende Orologie be-
steht aber nicht, und wer schrittweise die Grundlinien zu einer
solchen zu vereinigen bestrebt ist, muss befriedigt sein, wenn ge-
funden wird, dass seine Darstellung Raum lässt für jene Erwei-
terungen und Berichtigungen, welche Jahr für Jahr, ja beinahe
Tag für Tag der in allen Welttheilen erwachte Eifer für diese
Richtung der Studien bringt.
Trotz aller UnvoUständigkeit tritt nun eine Anzahl von allge-
meinen Ergebnissen aus den vorstehenden Abschnitten so deutlich
hervor, dass sie hier vorläufig verzeichnet werden mögen, haupt-
sächlich um die synthetische Aufgabe späterer Abschnitte einiger-
massen zu erleichtern. So wie zuerst in einem der vorhergehen-
den Abschnitte die wirbeiförmige Anordnung der einzelnen Zweige
des Alpensystem's geschildert worden ist, und später durch Ver-
folgung derVirgation des Tian-schan und der grossen rumänischen
Beugung der Weg gezeigt wurde, um diesen Wirbel in seine
766 Alte Welt und Neue Welt.
Theile zu zerlegen und zu ordnen, will ich jetzt einige allgemeine
Züge in dem Antlitze der Erde hervorheben, deren tiefere Bedeu-
tung an späterer Stelle vom Neuen zu erörtern sein wird.
So wenig man den gegenwärtigen Zustand eines Staates zu
beurtheilen im Stande ist, ohne zu wissen, wie er geworden ist,
ebensowenig vermag man über das Stück des physischen Erd-
bodens, auf welchem dieser Staat lebt, zu einer richtigen An-
schauung zu gelangen, ohne die Vorgänge zu kennen, durch
welche dasselbe gebildet worden ist. In menschlichen Dingen wie
in der physischen Welt ist die Gegenwart nur ein Querschnitt;
die Zukunft, welche jenseits des Querschnitts liegt, sehen wir nicht,
aber aus der Vergangenheit mögen wir lernen. Dieses ist die Be-
deutung der Erdgeschichte für die Erdbeschreibung.
Schon der erste Schritt in dem Versuche, erdgeschichtlichen
Erfahrungen bei einer Ueberschau der Erdoberfläche zu folgen,
führt uns jedoch vor ein Zeichen, aus dem sich ergibt, wie wenig
bisher diesem Wege gefolgt worden ist. Heute noch spricht man
von einer ,alten Welt' und einer , neuen Welt*, und es steht kein
anderer Ausdruck für die vereinigte Ländermasse von Asien,
Afrika und Europa im allgemeinen Gebrauche als ,die alte Welt'.
Amerikanische Naturforscher haben die volle Unverträglichkeit
dieses überkommenen Ausdruckes mit den neueren Krfahrungen
gefühlt und an dessen Stelle zunächst in thiergeographische Schrif-
ten den Namen Eurasia eingeführt.
Es ist aber schwer zu sagen, nach welchem Merkmale über-
haupt das Alter eines Continentes bemessen werden soll, da doch
Theile von verschiedenem Alter an dem Aufbaue der Mehrzahl
derselben theilnehmen und überhaupt unter dem Begriffe , Alter*
hier bald ein scharf umgrenztes Datum für die lange andauernden
Vorgänge der Gebirgsbildung, bald das Datum der jüngsten Ent-
blössung eines Continentes von der oceanischen Hülle verstanden
wird. Man wird dem allgemeinen Sprachgebrauche wohl am näch-
sten kommen, indem man die Zeit festzustellen sucht, in welcher
die grösseren Niederungen des Continentes zuletzt vom Meere
verlassen worden sind.
Nordamerika war vom mexicanischen Golf bis an den
Mackenzie und vielleicht bis an das Eismeer zwischen den öst-
Letzte Entblössung der Continente. 7^7
liehen und den westlichen Gebirgszügen und auch über manche
derselben hinweg von dem Meere der mittleren und oberen Kreide
bedeckt. Dann schwand das Meer; ein ausserordentlich grosses
brackisches und süsses Binnenmeer, die Laramie-See, reichte im
Innern des heutigen Continentes vom 33. bis in die Nähe des 60.
Breitegrades. So war der Zustand an der Grenze der Kreide-
formation gegen die Tertiärzeit; ausgedehnte Süsswasser- Ablage-
rungen beginnen hier, dauern durch die ganze Tertiärzeit an, nie
mehr bis heute dringt der Ocean herein, und White hat gezeigt,
dass die bezeichnenden Theile der heutigen Thierwelt des Missis-
sippi, die Ganoiden und die Unionen, in unmittelbarer Folge aus
jenen der Laramie -Ablagerungen hervorgegangen sind/ Wir
haben daher Nordamerika von diesem Standpunkte aus als ein
seit dem Laramie-Binnenmeere bestehendes, folglich als ein ziem-
lich altes Festland anzusehen.
Die jüngsten Spuren des Meeres im Innern von Südamerika
sind die brackischen Ablagerungen von Pebas am Marafion,
welche Brown vom östlichen Peru stromabwärts bis S. Paolo ver-
folgt hat;^ dieser am weitesten gegen Ost gelegene Punkt ist
noch über 2000 Kilom. vom atlantischen Ufer entfernt. Das Ge-
falle des Amazonas ist jedoch sehr gering und überhaupt die Er-
forschung des Landes nicht so weit vorgeschritten als in Nord-
amerika. Die Ablagerungen von Pebas werden für mitteltertiär
gehalten. Auch von Südosten her greifen tertiäre Ablagerungen
weit in das Land hinein.
Versucht man ähnliche Vergleichungen auf die vereinigte
Masse von Asien, Afrika und Europa anzuwenden, so zeigt sich
sofort, dass hier verschiedenartige Gebiete zu einem grossen
Continente aneinander geschweisst sind, deren Grenzen nicht mit
den üblichen Grenzen der Welttheile übereinstimmen.
Das erste Gebiet umfasst das südliche und einen guten Theil
des mittleren Afrika, dann Madagascar und die indische Halb-
insel. Die hohen Tafelländer dieses Gebietes sind seit uralter
Zeit, seit dem Schlüsse der Carbonzeit, wenigstens dem heutigen
Stande der Erfahrungen zufolge, nie vom Meere bedeckt worden ;
nur an den Fuss der Tafeln hat es seine Sedimente gelegt, in dem
Maasse, als der heutige indische Ocean durch Einbruch gebildet
768 Vordringen der Falten Eurasiens.
wurde innerhalb dieser Tafel. Wir nennen es Gondwäna-Land
nach der gemeinsamen alten Gondwäna-Flora, und es entspricht
zum grossen Theile demLemurien der Thiergeographen ; von dem
früheren Standpunkte aus beurtheilt, ist dieses Land noch unver-
hältnissmässig viel älter als Nordamerika.
An das Gondwäna-Land schliesst sich gegen Nord weiteres
Tafelland, welches aber zur Kreidezeit und zum Theile bis in die
Tertiärzeit überfluthet gewesen ist, die Sahara mit Aegj'-pten,
Syrien und Arabien.
Dieses Wüstenland sammt dem Gondwäna-Lande bildet eine
grosse, durch entscheidende Merkmale verbundene Einheit; es
ist Indo-Afrika, ausgezeichnet vor Allem durch den Mangel an
Falten seit dem Schlüsse der paläozoischen Zeit.
Was von dem gemeinsamen Festlande nach Ausscheidung
von Indo-Afrika zurückbleibt, mag Eurasia genannt werden.
Der ganze südliche Rand von Eurasia dring;"t in gros-
sen Falten gegen Indo-Afrika vor; diese Falten liegen in
knapp schaarenden Bogen neben einander und auf langte Strecken
sind sie südwärts gegen das indo-afrikanische Tafelland hin über-
schoben.
Hiedurch entsteht eine sehr scharfe Grenze. Dieselbe zieht
im nordwestlichen Afrika vom Wadi Draa gegen Ostnordost,
etwas nördlich von den Schotts und der kleinen Syrte, zwischen
Malta und Sicilien gegen die Strasse von Otranto, zurückkehrend
ausserhalb der jonischen Inseln, dann im Bogen südlich von Kreta
und Cypern in die Gegend etwas südlich von der Mündung des
Orontes und von dort weiter im gleichen Bogen in der Richtung
gegen Djarbekr, dann umbeugend gegen Südost, dem Fusse des
Gebirges östlich vom Tigris folgend, durch den persischen Meer-
busen und südlich von der Küste von Makrän zu den Mündungen
des Indus, hierauf nordwärts beiläufig diesem Flusse folgend bis
oberhalb Dera Ismail Khan, hierauf in verzerrter, scharfer Curve
über Kalabägh nach Jalalpur am Jhelum, in weitem Bog-en dem
Fusse des Himalaya folgend bis in das Thal des Brahmaputra in
Assam, dann scharf umbeugend an dem Aussenrande der Ketten
von Arrakan zum Cap Negrai's, westlich ausserhalb der Anda-
manen und Nikobaren zu dem Zuge von Tertiärland, welcher als
Erzwungene Anpassung in vielen Falten. 7^9
eine Kette kleiner Inseln westlich von Sumatra sichtbar wird, end-
lich noch weiter südlich von Java.
Der ganze südliche Theil von Eurasien ist, so weit er bisher
besprochen wurde, ein Faltenland. Hier sammeln sich, durchwegs
gegen Süd bewegt, die Falten vom Himalaya bis zu den mon-
golischen Bergen in einer Breite von 22 Breitegraden und ziehen
unter mannigfaltigen Abänderungen gegen West, und zwar im
Süden als schaarende Bogen, weiter im Norden als ruthenförmig
auseinander streichende Aeste. Indem sie Europa erreichen, tritt
für den am weitesten gegen West reichenden Theil, den aus
dem Parapomisus hervorgehenden und über Krasnowodsk und
den Kaukasus sich fortsetzenden Ast eine vollständige Umkehr
der Faltung ein, und dieser ist, unter gewaltsamer Torsion in
dem rumänischen Bogen, in den Karpathen und dem Haupt-
stamme der Alpen gegen Nord bewegt. Dieser Umstand weist
deutlich darauf hin, dass die Faltung des obersten Theiles der
Erdmasse unter gewissen Umständen nur der Ausdruck einer
erzwungenen Anpassung ist. Nördlich von den grossen Falten-
zügen tritt die russische Tafel hervor und weiterhin erscheinen
jene zahlreichen Horste und Tafelstücke, welche für das mittlere
und westliche Europa bezeichnend sind.
Ein grosser Theil dieser Faltungen ist von jungem Alter
oder hat in sehr junge Zeit angedauert ; es ist nicht sichergestellt,
dass die Bewegung beendet sei. Das erste Glied der mediterranen
Bildungen umfasst den ganzen Hauptsaum der Alpen und ist dem
nördlichen Saume eingefaltet; der salzreiche Schlier, welcher noch
etwas jünger ist, umfasst in gleicher Weise den karpathischen
Bogen. Sehr junge Süsswasserablagerungen nehmen Theil an den
äusseren Faltenzügen des Hindu-Kusch und des Himalaya. Es ist
in hohem Grade wahrscheinlich, dass innerhalb des Gebietes dieser
heutigen Faltenzüge vor Zeiten von dem Han-hai, dem trockenen
Meere der Chinesen, eine ununterbrochene Wasserfläche die tur-
kestanische Ebene erreichte, und die sehr beträchtlichen Höhen,
in welchen jüngere tertiäre Ablagerungen von den russischen
Forschern auf den Ketten des Tian-schan getroffen wurden, zeigen,
wie Muschketoff mit Recht bemerkt, dass die Verbindung nicht
nur über die dsungarischen Pässe, sondern auch über einen guten
770
Continuität von Bevölkerungen der Flüsse.
t-
Theil jenes Gebietes bestanden hat, welches heute die .Hochg(
birge einnehmen. Die erste Ausbreitung des Mittelmeeres scheii
durch das gegen Nordwest gerichtete Vortreten • der Schweiz(
Alpen abgeschnürt worden zu sein, so dass die Meerestheile ii
unteren Rhonethale und im mittleren Donauthale ausser Verbii
düng gesetzt wurden ; eine ähnliche Abtrennung ist vielleicht auc
durch die Bewegungen des mittleren Tian-schan herbeig-efühi
worden.
Unter solchen Verhältnissen erlangt Eurasien eine aussei
ordentliche Mannigfaltigkeit des Baues. In Nordamerika hat di
natürliche Einheit des Gebietes und die Continuität von der Laramie
Fauna bis zu der heutigen Fauna des Mississippi zu einem klare
und einfachen Ergebnisse über die Trockenlegung und Verein!
gung dieses Continentes geführt. Im See Tanganyika trifft mai
eine höchst merkwürdige, durch viele Anmahnungen an marin
Formen ausgezeichnete Conchylien-Fauna, welche, wie White um
Tausch gezeigt haben, in manchen Arten der Laramie-Faun;
gleicht, und deren hohes Alter ausser Zweifel steht.* Die afrika
nischen Flüsse sind durch eine grosse Anzahl alter Thierformei
ausgezeichnet; ihre Zertrümmerung, das heutige Vorkommen voi
Nilfischen im See Tiberias, des Nil-Crocodils in Syrien sind er
wähnt worden. In einzelnen Theilen Eurasien's sind zur jüngere
Tertiärzeit ausgedehnte Süsswassersee'n vorhanden gewesen, wi
auf dem Gebiete des ägäischen Meeres, in Slavonien und in Croa
tien. Ihre Fauna erinnert in vielen Beziehungen an jene, de
heutigen Mississippi, und Th. Fuchs hat nach den Aufsammlunge
von Anderson und Heude,^ Neumayr nach den von Sz^ch^ny un^
Löczi gebrachten Conchylien gezeigt, dass dieselben Typen sie
in Nanking und in Yünnan bis auf den heutigen Tag erhalte
haben.^ In der Mitte von Eurasien aber hat das Verschwinde
der Meeresbedeckung zur Bildung einer Anzahl von Binnensee'
geführt, deren grösster, das Kaspische Meer, als der Erbe de
alten Meeresfläche anzusehen ist. Hier liegt der verkümmert
und veränderte Rest der alten erst verarmten sarmatischen, dan
lacustren Faunen, aber seit diese Einengung der Wasserfläche
sich vollzog, sind durch neuen Einbruch ganz selbständig voi
Kaspi das ägäische Meer und der heutige Fontus entstanden, un
li
. GlicdcruDg des Miltelmccrcs. 77^
SO kommt es, dass so viele heute von einander vollständig
getrennte osteuropäische Flüsse so viele übereinstimmende Arten
von Thieren enthalten.
Das ist der tiefgehende Unterschied zwischen dem alten
Kaspi und dem jüngeren Pontus.
Der ägäische und der pontische Einsturz sind nur ein Theil
jener Vorgänge, welche den heutigen Umriss des Mittelmeeres
gestaltet haben. Wir sind nun im Stande, das Gebiet des Mittel-
meeres in folgende Theile zu zerlegen.
Der erste Theil ist das westliche Mittelmeer von Gibraltar
bis zu dem Meere zwischen Sicilien und Malta. Dieser Theil ist
von dem Apennin, dem nordafrikanischen Gebirge und der beti-
schen Cordillere umschlossen und liegt ganz innerhalb dieses
grossen Bogens oder auf Querbrüchen desselben, nämlich in
der Strasse von Gibraltar und zwischen Dak'hela und Sicilien.
Der zweite Theil ist das adriatische Meer. Es liegt auf der
Schaarung des Apennin und des dinarischen Gebirges oder viel-
mehr auf dem niedergebrochenen Westrande des dinarischen Ge-
birges, und seine Randbrüche greifen bis Meran und Bruneck in
die Alpen. Es gleicht in mancher Beziehung dem Thale des Bra-
maputra in Assam. Dort ist das Shillong-Plateau, ein Theil des
Tafellandes, eingeklemmt zwischen den Fuss des Himalaya und
die burmanischen Falten, und es ist zu untersuchen, ob dies etwa
die richtigere Auffassung der apulischen Tafel wäre.
Den dritten Theil umgrenzen die Bruchstücke des dinarisch-
taurischen Bogens, insbesondere Kreta und Cypern. Diesem Theile
gehört das ägäische Meer an und der Pontus; der randliche Theil,
welcher die Südküste Klein-Asiens begleitet, hat eine ähnliche
Lage wie der Golf von Pegu.
Alle diese drei Theile fallen zu Eurasien ; nur der vierte Theil
ist Indo- Afrika anzurechnen. Das ist gesenktes Vorland in flach-
gelagerten Tafeln ; es beginnt in den grossen Schotts, kommt in
der kleinen Syrte hervor an das Meer und reicht bis an die meri-
dionalen Verwerfungen Syrien's. Von all' den zahlreichen Inseln
des Mittelmeeres sind nur Malta und Gozzo zu Indo -Afrika zu
zählen; dafür gehört der Gebirgszug des nordwestlichen Afrika
noch zu Eurasien.
= 1
I
7^2 Amerikanisches Mittclmeer. Indischer Ocean.
In dem amerikanischen Mittelmeere kann man eine ganz
ähnliche Gliederung bemerken. Die Cordillere der Antillen gleicht
in ihrer Anlage der bogenförmigen und an der Innenseite einge-
brochenen Umrahmung des westlichen Mittelmeeres, und das ca-
raibische Meer nimmt eine ähnliche Stelle ein wie das westliche
Mittelmeer; auch besitzen beide Vulcane an ihren Rändern. Der
mexicanische Golf dagegen entspricht den gesenkten Tafeln des
Vorlandes, dem südöstlichen Theile des Mittelmeeres. Die Ba-
hama's und Florida wiederholen in grossem Maassstabe die flache
Lagerung von Malta; hier fehlen die Vulcane.
Diese Verschiedenheiten erlangen auch in nicht geringem
Grade morphologischen Ausdruck und man lernt Kinbrüche in
Faltenland unterscheiden von eingebrochenem Tafellande. Die
Umrisse von Cypern oder Haiti sind Beispiele für den ersten Fall ;
die Umrisse des gebrochenen Tafellandes sind, wenn der Aus-
druck gestattet ist, structurlos, oder sie nehmen die Gestalt von
geraden Linien an, wie an der syrischen Küste.
Mit diesen in den Mittelmeeren gewonnenen Erfahrungen
suchen wir einen Ocean, und zwar zuerst den indischen Ocean
auf. Hier liegen nur der Meerbusen von Pegu und die Sunda-See
innerhalb der eurasiatischen Falten. Den persischen Meerbusen
mag man als eine Zone gesenkten Vorlandes ansehen ; das Rothe
Meer gleicht einem grossen Grabenbruche im Tafellande; die
ganze übrige weite Fläche vom Cap bis an die Küste von Arrakan
ist, so weit der Bau und die Schichtenfolge der Küsten und der
Inseln ein Urtheil gestatten, als gesenktes Tafelland anzusehen.
Das ist der versenkte Theil von Indo-Afrika.
Hiemit ist auch die Grundlage zur Beurtheilung jener wesent-
lichen Verschiedenheit gegeben, welche zwischen den Umrissen
des pacifischen und des atlantischen Ocean's besteht. Mehrere
Stücke dieser Küsten sind in den vorhergehenden Abschnitten
besprochen worden. Es ist die merkwürdige Aehnlichkeit in dem
Baue und der Gesteinsfolge aller Küsten-Cordilleren von Staten
Island und Cap Hoorn nordwärts durch Patagonien, Chile, Peru
und die tropische Region Südamerika's, und wieder durch Nieder-
und Obercalifornien, d. i. durch mehr als den vierten Theil des
Erdumfanges dargelegt worden. Nach der Darstellung des Vor-
Continentale Einheiten. 773
drängens der schaarenden Hochgebirgsbogen gegen den Norden
der ostindischen Halbinsel wurde erwähnt, dass ein ähnliches
Vordringen schaarender Bogen gegen den Norden des pacifischen
Ocean's stattfindet, und dass eine besondere tektonische Homo-
logie zwischen jenem Stücke alten Tafellandes und diesem Theile
des Weltmeeres besteht. Im atlantischen Ocean dagegen haben
wir uns an der Ostküste Nordamerika's an der Innenseite eines
landeinwärts bewegten Faltensystem's, der Appalachien, befun-
den. Die Gesammtheit der Umrisse beider Meere zu vergleichen,
wird die Aufgabe eines besonderen Abschnittes sein. —
Unter den Festländern, welche über diese Weltmeere auf-
ragen, können wir nun mehrere Einheiten unterscheiden.
Als die erste nennen wir Indo-Afrika, die grösste Tafel
der Erde, an dem Nordrande von der Mündung des Wadi Draa
in den atlantischen Ocean bis an die Mündung des Brahmaputra
von den südwärts dringenden Falten Eurasien's begrenzt, sonst
durchwegs, so weit wir die Tafel kennen, nur von Brüchen um-
geben und durch den indischen Ocean zertheilt.
Die zweite Einheit ist Südamerika, ein Schild, nach drei
Seiten von Gebirgswällen umgürtet und nur gegen Ost sowie
gegen Nordost ohne sichtbare Leitlinien gebrochen, mit offener
Virgation der Gebirgsäste in Südost, zwischen Cap Hoorn und
Cabo Corrientes.
Die Cordillere der Antillen zeigt nach ihrer Anlage eher Zu-
gehörigkeit zu Südamerika als zum Norden.
Die dritte Einheit ist Nordamerika; so weit auf diesem
Continente Faltung bekannt ist, scheint sie mit wenigen, vielleicht
durch örtliche Ueberschiebung der Senkung am Ostrande der
Rocky Mountains veranlassten Ausnahmen, allenthalben gegen
West gerichtet zu sein, und zwar von uralter Zeit her, von der
atlantischen Küste bis an die pacifische, von den Appalachien bis
zur Sierra Nevada und den Küstenketten. Gegen Nord aber tritt
eine sehr ausgedehnte, ungefaltete Tafel hervor, welche sich weit
gegen den arktischen Archipel ausdehnt und welche noch nicht
besprochen worden ist.
Am wenigsten tritt, trotz der ausserordentlichen Grösse des
Faltenlandes an dem Südrande, die Einheit Eurasien's hervor.
774 Mannigfaltigkeit der Grebirge.
Hier ist die Mannigfaltigkeit weit grösser; die Darstellung der
einzelnen Theile Eurasien's ist noch nicht weit genug vorge-
schritten, um dasselbe in Vergleich ziehen zu können. Aus dem-
selben Grunde habe ich vorläufig von Australien zu schweig-en. —
Die Bewegungen der Erde haben eine grosse Mannigfaltig-
keit in der Gestaltung der Oberfläche erzeugt. Man sieht grosse
flachgelagerte Tafeln, wie die russische, die brasilische Tafel und
die Sahara, und hohe alte Tafelländer wie zu beiden Seiten des
indischen Oceans, mit steil abgebrochenen Rändern, wie die
Quathlamba in Natal und die Sahyädri in Ostindien, und verein-
zelte Tafelberge, wie den Tafelberg am Cap der guten Hoffnung
und Roraima im südlichen Guayana. — Es sind Horste vorhanden,
welche durch das Absinken der Umgebung hervortreten, wie
Morvan, Vogesen, Schwarzwald, Frankenwald, die Granitmasse
von Madagascar und wohl auch ein guter Theil der Rocky Moun-
tains mit Uinta; an den Horsten sieht man die gesunkenen Felder,
wie das fränkisch-schwäbische Senkungsfeld und das Plateau des
Colorado. Gräben sind eingesenkt zwischen parallelen Brüchen,
wie das Rheinthal bei Strassburg, das Todte Meer und wohl auch
Tanganyika und das ganze Rothe Meer. — In gänzlich nieder-
gehobeltem, altem Grundgebirge sind an vielen Orten, wie an
einem Theile der grossen amerikanischen See'n bis zum See
Winnipeg und in dem südlichen Theile der russischen Ebene, die
Spuren grosser gefalteter Gebirge erkennbar, deren äussere Ge-
stalt völlig verloren gegangen ist; andere uralte Faltenzüge treten
durch die Zerstörung ihrer Decken noch in einigen Resten ihrer
ursprünglichen Gestalt hervor, wie das Arvali-Gebirge in Ost-
indien und der Lange Berg an dem Ostrande der Kalahara wüste ;
so sind auch die Mugodjaren in Südrussland ausgewaschen aus
dem Kreidemergel des Ust-Urt, welcher sie einstens überdeckte. —
Man sieht grosse Faltenzüge, welche in flachere Falten in dem
ihnen gleichartigen Vorlande allmälig auslaufen und welche secun-
däre Falten im Vorlande, Parma's, bilden, wie der Ural und die
Appalachien, — und andere, welche mit zahlreichen mehr oder
minder parallelen Bogenfalten, einer bewegten Wasserfläche gleich
anlaufen innerhalb eines zweiten, in ähnlichem Sinne beweeten
Faltengebietes, wie die langen und mächtigen Faltenzüge des
Manni|;f:ilti|:;]{eit der Gebirge. 7 7 S
Tian-schan, — und andere, welche mit Ueberfaltung und Um-
stürzung gestaut sind an fremdem Vorlande, wie der Himalaya
und die Alpen, und zwischen den Stauungspunkten der letzteren
erscheint, einer Parma-Bildung nicht unähnlich, das Juragebirge,
— und wieder gibt es andere, welche über ihr Vorland hinaus-
gedrängt sind, wie die Karpathen, und zahlreiche andere, deren
Vorland vom Meere bedeckt ist, wie die Anden, oder welche hin-
ausstreichen in das Meer, wie Vancouver und Oueen Charlotte-Ar-
chipel. Andere Stücke von Faltenzügen vsind durch die seitliche
Drängung anderer Falten im Streichen gänzlich verdrückt und
zerbrochen, wie die stufenförmige Salt Range mit dem über-
schobenen Scheich Budin, andere von querstreichenden Falten
vollends überwältigt, wie die Sudeten von den Karpathen, und
andere sind im Streichen selbst gedreht, wie der rumänische Bogen,
welcher vom Balkan zu den Karpathen zieht. Am Brahmaputra
ist die Faltungsrichtung des Himalaya jener der gegenüber lie-
genden burmanischen Ketten gerade entgegengesetzt, und der
Harz hat zweierlei aufeinanderfolgende faltende Bewegungen er-
fahren. — Man sieht Faltengebirge, welche auf ihrem Firste Vul-
cane tragen, wie Alburs, Kaukasus und die südamerikanischen
Anden, und andere grosse bogenförmige Faltenzüge, deren Rück-
land vollkommen eingestürzt ist, so dass nur ein von Innen her
vielfach verengter, wohl auch unterbrochener Gebirgszug zurück-
bleibt, so in den Karpathen, dann rings um das westliche Mittel -
meer, in der Cordillere der Antillen und in der Kette von Ar-
rakan mit den Andamanen und den Nikobaren. Dann stehen
Vulcane an der Innenseite. Das ist die Lage der ungarischen
Trachyte, der italienischen Vulcanreihe, der Vulcane der spani-
schen Südküste, der kleinen Antillen und der Vulcanreihe vom
Puppä doung am Irawadi bis Barren Island. Andere Faltenzüge
sind von geraden Brüchen durchschnitten, zerhackt, in Streifen
niedergesunken und von jungen Laven umflossen, so dass nicht
der Verlauf der Falten, sondern der Verlauf der Brüche und die
vulcanischen Ergüsse den Umriss bestimmen, wie in den Basin
Ranges; es liegen wohl auch die Brüche gerade quer auf den
Falten, so dass der Umriss das Gegentheil von der Richtung der
Faltung zeigt, wie im östlichen Thessalien und auf Euböa, in
Supss, Das Antlitz der Erde. cq
yyÖ Vier Haaptgmppen.
anderer Form auch in Guatemala und Honduras; noch ander
sind an bogenförmigen, im Streichen liegenden Brüchen zur Tief
gegangen und auch zum guten Theile unter Laven und Aschen be
graben, wie die Faltenzüge der iranisch-taurischen Schaarung i:
Hocharmenien ; von anderen sind überhaupt fast nur die \"ulcan
kegel sichtbar, welche auf streichenden Brüchen stehen, wie au
Java, und mühsam sucht man dort kleine Spuren des Grund
gebirges. Von anderen ist nur ein Bruchstück sichtbar, wie au
der Krim. Es gibt bedeutende Bergmassen, wie die Spanisl
Peaks vor den Rocky Mountains und die Henr)' Mountains an den
Westrande des Colorado-Plateau, welche nur kuchenform ige In
trusionen vulcanischer Gesteine sind, und manche ähnlich gi-ebaut^
granitische Massen sind vielleicht nur die Füllung von Hohl
räumen, welche d^r Abstau erzeugte.
Es könnten mancherlei Classificationen vorgeschlag;-en wer
den, aber für die nachfolgenden Erörterungen ist nur die Tren
nung von vier Hauptgruppen nothwendig; diese sind: die Tafeln
die Horste, die Falten und die vulcanischen Berge. Diese Schei
düng wird von Bedeutung sein für den Versuch, das \\'esen de
oceanischen Transgressionen zu verfolgen. —
Die grossen vulcanischen Kegel, Chimborazo, Mount Rainier
Aetna, die Lavafelder des Dekkan oder jene von Oregon un<
Washington, welche viele hunderte von Ouadratmeilen bedecken
die gewaltigen Ausbrüche, wie jener des Krakatau, welcher ring
um den Erdball die selbstregistrirenden Barometer das Erzitten
der gesammten atmosphärischen Hülle des Planeten verzeichnei
liess, sind nur Nebenerscheinungen in jenen grossen \''org;Äncren
durch welche die Oberfläche der Erde sich ausgestaltet. Sie sin<
die Anzeichen der vorübergehenden Oeffhung kleiner Fuo-en
sonst nichts.
Die Sintfluthen, in welchen Berge von Wasser sich erhebei
und verheerend über das Land treten, sind auch nichts als ein<
untergeordnete Nebenerscheinung. Die Annunaki, wie der alt(
Sintfluth- Bericht sie nennt, die Kräfte der Tiefe, sind nicht zui
Ruhe gegangen. Ein Zucken des Erdkörpers an der chilenischei
Küste lässt den ganzen pacifischen Ocean in seinem Bette schwan
ken ; er brandet an den Marquesas, an Apia, an Honolulu, er feg
Zcrlej^iinj; der Spannungen. 777
Über die flachen Korallen-Inseln hin und spült über seine Ufer
hinaus von Japan bis Neu-Seeland und bis Australien.
Die Spannungen, sagten wir, welche aus der Contraction
der äusseren Theile des Erdkörpers hervorgehen, zerlegen sich
in tangentiale Faltung und in verticale Senkung. Durch die tan-
gentiale Bewegung werden jene langen Faltenzüge erzeugt, welche
die Welttheile von einem Ende bis zum andern durchziehen ; durch
sie wurden die höchsten Berge der Erde, Gaurisdnkar, der namen-
lose K2 im Mustagh und alle Riesen der innerasiatischen Hoch-
gebirge aufgethürmt, an der Nordseite des Finsteraarhorn Jura-
kalk und Gneiss geknetet und bis auf die Spitze der Jungfrau der
Gneiss über den gefalteten Jura getragen. In sehr vielen Fällen
mag Senkung des Vorlandes vorangegangen sein, durch welche
die tangentiale Bewegung gleichsam ausgelöst, die faltende oder
überschiebende Wirkung frei wurde, wie z. B. in den belgischen
Kohlenfeldern. Weniger deutlich ist ein solcher Vorgang dort,
wo die Faltung ein homogenes Vorland besitzt und vorliegende
Falten, grosse Parma's gebildet wurden, wie das Timangebirge
vor dem Ural und der Cincinnati Uplift vor den Appalachien.
Aber die häufig vorkommende Hemmung der Falten durch äussere
Hindernisse, die volle Ueberfaltung und Verkehrung der Schichten-
lage im Angesichte der stauenden Massen, die gegenseitige Drän-
gung und Verdrängung, welche an einzelnen Schaarungen sichtbar
ist, der Gegensatz in der Richtung der Faltung am Brahmaputra,
die Drehung im Streichen an der unteren Donau, weisen deutlich
dahin, dass trotz der ausserordentlichen Länge der Faltenzüge
doch in ihrer örtlichen Entwicklung namentlich an dem äusseren
Rande die Einfügung in gegebene Verhältnisse Geltung erlangt.
Sehr viele Gebiete, w^ie Indo- Afrika, haben seit langen Epo-
chen keinerlei faltende Bewegung erlitten ; sie stauen im Gegen-
theile die Falten, oder sie brechen vor ihnen ein. Die zweite Rich-
tung der Bewegungen, Senkung oder Einsturz, hat dagegen
allenthalben ihre Spuren zurückgelassen. Bald erzeugt sie grosse
Gräben in den Tafeln, bald Tafelsenkungen an peripherischen
Linien, bald kesseiförmigen Einbruch am Innenrande von gefalte-
ten Gebirgen, bald Absinken von Faltengebirgen an streichenden
oder querliegenden Brüchen. Die Mannigfaltigkeit und die Mäch-
50»
yy8 Zusammenbruch.
tigkeit derselben ist eine ausserordentliche. Die Mittelmeere und
die grössten Oceane entstehen und erweitern sich durch Senkung
und Einbruch.
Der Zusammenbruch des Erdballes ist es, dem wir beiwohnen.
Er hat freilich schon vor sehr langer Zeit begonnen und die Kurz-
lebigkeit des menschlichen Geschlechtes lässt uns dabei gTiten
Muthes bleiben. Nicht nur im Hochgebirge sind die Spuren
vorhanden. Es sind grosse Schollen hunderte, ja in einzelnen
Fällen viele tausende von Füssen tief gesunken, und nicht die ge-
ringste Stufe an der Oberfläche, sondern nur die Verschiedenheit
der Felsarten oder tiefer Bergbau verrathen das Dasein des
Bruches. Die Zeit hat Alles geebnet. In Böhmen, in der Pfalz,
in Belgien, in Pennsylvanien, an zahlreichen Orten zieht der Pflug
ruhig seine Furchen über die gewaltigsten Brüche.
Würden die tangentialen Spannungen in dem äusseren Fels-
«
gerüste der Erde sich vollkommen das Gleichgewicht halten und
würde dasselbe im Stande sein, sich als ein freies Gewölbe selb-
ständig von allen Vorgängen der Erdtiefe aufrecht zu halten, wür-
den keine Einbrüche und Faltungen eingetreten sein, so würde
wahrscheinlich die Oberfläche der Erde ein ziemlich regelmässiges
Sphäroid darstellen, allenthalben bedeckt von einer ununterbro-
chenen oceanischen Hülle. Die Einbrüche sind es, welche die
Wässer in tiefen Weltmeeren gesammelt haben; hiedurch erst sind
Continente entstanden und sind Wesen möghch geworden, welche
durch Lungen athmen.
lAa.
Anmerkungen zu Abschnitt XII: Die Continente.
» H. B. Medlicott, The Alps and the Himalaya's, a geol. Comparison; (juart. Journ.
gcol. Soc. 1868, XXIV, p. 34 — 52; G. Bleicher, Essai de Geol. comparee des Pyrcnees, du
Plateau central et des Vosges; Thise pr6s. ä la fac. de Strasbourg, 8°, Colmar, 1870.
2 C. A. White, A Review of the Non-Marine fossil Mollusca of N. xVmcrica;
U. S. Geol. Surv. 188 1- 82, insb. p. 73 u. folg.; ders.: Certain Phases in the geol. llistory
of the N. Americ. Continent; President. Adress deliv. at the IV. anniv. Meeting of ihe Biol.
Soc. of Washington, Jan. 25. 1884; Proc. Biol. Soc. II, p. 24 und an and. Ort.
3 C. Barrington Brown, On the tert. Deposits on the Solom5es and Javary Rivers;
Quart. Journ. Geol. Soc. 1879, XXXV, p. 76—88.
4 L. Tausch, Ueb. einige Conchyl. aus dem Tanganyikasee und deren foss. Ver-
wandte; Sitzungsb. Akad. Wien, .1884, XC, und auch schon angedeutet bei White, Proc.
U. S. Nat. Mus. i883, p. 98.
5 Tb. Fuchs, Ueber die lebend. Analoga der jungtertiären Paludinenschichten und
der Melanopsis-Mergel S. O. Europa*s; Verhandl. geol. Reichsanst. 1879, S. 297 — 3oo.
^ Neumayr, Ueb. einige Süsswasserconchyl. aus China; Neu. Jahrb. f. Min. etc.
i883, 6, S. 21—26.
Uruch von ADOLF HOLZHAUSEN in Wi»:«
3 6105 032 464 294
:. 7 / /
/
i