Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen.
•%
• * «
&
B
' u! inniTniiiii] u irimirTTn rnnTuimiiii
iiiimiiiiiitiiiii
miiuiiiiimmmjmnniiraiuninmnninnia ii
'^■^t'^— -'^ ■ ' I I ■ ■ <i ■■ I ■ »
^
i
Das
böhmisehe Puppenspiel
11
vom
Doktor Faust.
Abhandlung und Übersetzung
von
Ernst Kraus.
Breslau.
Verlag von Wilhelm Koebner.
1891.
ip%i^
Ui:
jnif:iij(rTinminiiTnnin
HiiifliiiiiiiifiiiwiiiiiiHHiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiiTminiTITi fi i ii mTniiiiiiiiiniiiimi
m
. /
• w
Das
böhmische Puppenspiel
vom
Doktor Faust.
Abhandlung und Übersetzung
von
Ernst Kraus.
Breslau.
Verlag von Wilhelm Koebner.
1891.
/■
V
i
839
FIGIO
K9i
1 ^
'X
Inhalt.
Seite.
Vorwort V
T. Die Faustsage in der böhmischen Literatur i
Die Prager Localsage 1; Der historische Faust und
Prag 3; Faustromane 4; Zauberbücher 5; Puppenspiele
in Böhmen 6 ; Fust und Faust, Aufsatz von Vrt ätko 7 ;
Hnevkovskys Faust 9; Vocels Labyrinth des Ruhmes 11;
Vrchlickys Twardowski 14; Uebersetjsnngen 16; KolÄr
19; Vlcek 22; Vrchlick> 24.
II. Die Ueherlieferung des Puppenspiels ... 26
Erwähnungen 26 ; Vinickys Faust ( Andrees Bericht) .27 ;
Johannes Doktor Faust (J) 28 ; Kopeckys Fa^st (D) 31 ;
Wagners Bericht (j) 35 ; Uebereinstimmungen 35 ; Unter-
schiede 40; Abweichungen, die für ein höheres Alter
von J sprechen 42; Abweichungen, die für ein höheres
Alter von D sprechen 48 ; Abweichungen, die die gegen-
seitige Unabhängigkeit der beiden Texte belegen 49;
Folgerungen 51; Reime 52: Sprache 56; Alter 57.
III. DashShmischePnppenspiel und die deutschen
Fanstdramen 58
Namen 58; A. Die ernsten Scenen: 1. Fausts Monolog
61 ; 2. Die Geisterstimmen 63 ; 3. Die beiden Studenten
63; 4. Faust und Wagner 66; 5. Die Beschwörung 66;
6. Die Reise nach dem Königshofe 69; 7. Die Geister-
ei*8cheinungen 70; 8. Fausts Bache 71; 9. Des Teufels
IV
Seite.
Verzweiflung 73; 10. Das Kreuzesbild 74; 11. Helena
79; 12. Die erloschene Frist 79; 13. ludicatus es 80;
B. Die komischen Scenen: 1. Erstes Aut treten und Buch-
stabierübung 82 ; 2. Au&ahme durch Wagner 82 ; 3. Die
Beschwörungsparodie 83; 4. Die Aufnahme durch Faust
84; 5. Die Luftreise 84; 6. Abschied und Kleidertausch
85; 7. Kasperl als Nachtwächter 86; 8. Die beiden
Wächter 87.
lY. Das böhmische Puppenspiel und das deutsche
Volkslied 88
Prager Comödie 94; Italienische Comödianten in Prag
97; Die Urgestalt 98.
Johannes Doktor Faust (J) 102
Doktor Faust (D) 102
(Paralleldruük.)
Nachträge 170
» »M—^
Vorwort.
Die Herausgabe eines unbekannten Textes des
alten Volksschauspiels vom Doktor Faust, zumal eines
so alten und wichtigen, wie er nach meiner Ansicht
der böhmischen Uebersetzung zugrunde liegt, bedarf
wohl trotz der vielen Publicationen auf diesem Gebiete
noch keiner Entschuldigung. Ist doch der böhmische
Faust längst Gegenstand der Forschung geworden, und
ein authentischer Text an Stelle eines blossen Berichtes
dürfte daher willkommen sein.
Die anspruchslosen Bemerkungen, die ich voran-
schicke, sollen zur Vergleichung anregen und sie er-
leichtern. Den Charakter gelegentlicher Bemerkungen
mussten sie behalten, sollte nicht die Arbeit zu einer
vollständigen Neuuntersuchung der Geschichte des
deutschen Volksschauspiels werden, zu welcher doch
noch so viel anderes ungedrucktes Material herbeizu-
ziehen wäre, und die wir gewiss von Creizenach selbst
in wünschenswertester Vollkommenheit zu erwarten
haben.
VI
Herr Professor Hans Lainbel, in dessen Faust-
colleg ich vor Jahren die erste Anregung erhielt,
mich für Faustkomödien zu interessieren, hat diese
Arbeit wesentlich gefördert, indem er mir fast alle
Hilfsmittel zu ihr, die auf der Prager Universitäts-
bibliothek nicht vorhanden waren, aus seinem Besitze
zur bequemen Benützung tiberliess. Ihm sei hierfür,
wie für alles, was ich seinem anregenden Umgange
verdanke, der herzlichste Dank ausgesprochen.
Zu innigem Danke verbunden bin ich auch Herrn
Professor Max Koch, der in liebenswürdigster Weise
die Drucklegung des Werkchens förderte.
Prag, Ostern 1891.
Dr. Ernst Kraus.
I.
„Als ich im Jahre 1782 nach Prag kam, um hier
zu studieren, sah es dort etwas finster aus; in jedem
dtistern Hause spukte es. Damals ritt noch nächtlicher-
weile der kopflose Mann durch die Gassen. Pilgerinnen
fanden sich oft ein, die auf dem Hradschin, bei der
Säule an der Stelle von Drahomiras Höllenfahrt, in-
brünstig beteten; oft sah man Landleute, die die
Wallfahrt auf den Vyäehrad machten, um die Säule zu
sehen, die der böse Geist aus Eom hierhergebracht.
Damals hörte man auch bei jeder Gelegenheit hunderte
Erzählungen von dem Zauberer Dr. Faust, was er
dort getrieben, wie er sich von Teufeln kutschieren
liess, während andere die Steine aus dem Wege
räumen mussten, wie er schöne Frauen besucht habe,
und verscheucht von den eifersüchtigen Ehemännern
auf dem Mantel aus dem oberen Stockwerk davonzu-
fliegen gewusst; man zeigte das baufällige Gebäude
auf dem Eohlmarkte, wo er gewohnt und seine Zaube-
reien getrieben. Viel erzählte man auch von der
Schwefelgasse, wo noch der Schwefelgeruch zu spüren
war, dann vom Teufel- und Sixenhaus, was er dort
ausgeführt habe. Damals hielt man ihn noch für einen
Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 1
Landsmann; alles dies bestätigten die Höklerinnen, die
sich auf ihre Urgrossmütter als Augenzeuginnen be-
riefen."
Dieser Eingang der Vorrede von Sebastian Hnev-
kovskys „Doktor Faust", geschrieben im Dezember
1842, ist ein wichtiges Zeugnis für die Existenz einer
lebendigen mündlichen Faustsage in Prag zu Ende des
vorigen Jahrhunderts. Aufgezeichnet wurde diese Sago
leider nicht; Hnßvkovsky selbst scheint jedoch einige
Züge aus ihr aufbewahrt zu haben.
Woher stammt diese Localisierung ? Das Volks-
buch von 1587 weiss zwar von einer Reise nach Prag,
die Ausgabe von 1590 auch von einem längeren Auf-
enthalte daselbst zu erzählen, aber das konnte doch
nicht der Grund einer so ausgebildeten Localsage sein.
— Sollte vielleicht eine Erinnerung an den wirklichen
Faust dieser Tradition zu Grunde liegen ?
Das Fausthaus auf dem Kohlmarkte ward schon
in den zwanziger Jahren demoliert, dagegen besteht
noch heute das (von Hnßvkovsky auffallenderweise nicht
erwähnte) Fausthaus auf dem Viehmarkt (jetzt Karls-
platz, Neustadt 502). Dieses Haus, von dem ein Auf-
satz Tomeks in der Zeitschrift des bömischen Museums
(1845 S. 170) handelt, war im Volksmunde lange Zeit
sehr verrufen; im fünfzehnten Jahrhunderte gehörte
es den Herzogen von Troppau. Nach den Hussiten-
kriegen setzte der Neustädter Schreiber Prokop das
verfallene Gebäude in Stand und bewohnte es als Pächter
der Herzoge, mindestens bis zum Jahre 1467, wie
Urkunden beweisen. Aus dieser Zeit stammt wahr-
scheinlich ein undatierter Brief des Herzogs von Troppau
an Prokop, in dem er ihn auffordert, sich. nach einem
3
Gesellen zu erkundigen, der in der Alchymie erfahren
sei, und ihn, falls er ihn erfrage, auszurüsten und zu
ihm zu senden.
Hat vielleicht der Alchymist einige Zeit in dem
Hause des Herzogs gelebt? Hat der Alchymie treibende
Herzog vielleicht auch andere derartige Männer
beschäftigt ?
In der Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte I,
470 druckt Schönbach unter dem Namen „Weinreben-
zauber" ein'Recept ab, das er einer Handschrift Von
1477 entnimmt; es ist eine Abschrift und enthält das
Recept zu dem Paustischen Kunststück, Reben in der
Stube hervorzuzaubern ; seine Schlussformel lautet :
„Hoc habes probatum per scriptoremVischerat Pragae."
„Vischerat Pragae?" Das erwähnte Gebäude steht
auf einem Hügel, an dessen Fusse die Bergstadt
Vyäehrad beginnt, das Suburbium der alten Herzogs-
burg, noch vor wenigen Jahren eine eigene Stadt, jetzt
mit Prag vereinigt; sollte mit dem Worte „Vischerat
Pragae" diese Lage bezeichnet sein? Was sollte es
sonst heissen? Vyäehrad bei Prag würde doch anders
ausgedrückt werden.
Ein Alchymist und Zauberer also, der vielleicht
in den sechziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts
in Prag im Troppauer Hause lebte. Er könnte sogar
Faustus geheissen haben, Faustus senior, ein Magier
von solchem Rufe, dass selbst der ruhmredige Georgius
Sabellicus sich 1507 seinen Namen beilegte. Wer sagt
uns denn, dass alle Notizen über Faust sich auf den
Georg Faust beziehen?
Aus den Hypothesen gelangen wir nicht heraus,
auch wenn wir nach der ältesten literarischen Ueber-
tragung der Faustsage nach Böhmen forschen: Aus
dem Jahre 1611 datiert ein Faustbuch, höchstwahr-
scheinlich das Spiesische, übersetzt von Carchesius,
eigentlich Kraus von Krausenthal, mit dem Titel:
„Historie doktoru Faustovi." Hnßvkovsky schreibt
in derselben Einleitung: „In böhmischer Sprache fand
ich nur eine Uebersetzung aus dem J. 1611; dort
gleicht er (Faust) dem Eulenspiegel und lässt sich
wegen seiner geschmacklosen Sinnlosigkeiten gar nicht
lesen." Das stimmt wieder zum Spiesischen Faustbuch.
Carchesius' Werk ist seither verloren, und wir können
nur vermuten, dass die Uebersetzung des Spies, von
der Dr. Menßik in der Wiener Hofbibliothek zwei
Blätter auffand, mit dieser Uebersetzung von Carche-
sius identisch war. Das erhaltene Stück enthält die
Disputation Fausts mit Mefostofilus über die Welt-
öchöpfung und die Höllenfahrt Fausts. — Wahrschein-
lich entging das protestantische Werk nach dem Um-
schwung von 1620 der heftigsten Verfolgung nicht.
Ob aus den wenigen übriggebliebenen Exemplaren
sich eine so lebhafte Localsage erklären lässt, ist wohl
sehr fraglich, aber es gelang mir nicht; eine weitere
gedruckte Fixierung der Sage aus dem ganzen sieb-
zehnten und achtzehnten Jahrhunderte aufzufinden.
Erst im Jahre 1851 erschien eine Uebersetzung des
deutschen Volksbuches, und zwar, wie schon der Titel :
„Zivot, öinove a do pekla vzeti znamenit^ho a pove-
stn6ho öarodßjnika etc." (Leben, Thaten und Höllen-
fahrt des berüchtigten Zauberers) zeigt, eines Kurzischen.
Zu näherer Vergleichung fehlt mir hier zu sehr alles
Material; jedenfalls ist die Quelle nicht älter als von
1834. Dieses Buch, bei Spurny mit den alten Fracftur-
lettern gedruckt (ein Druck mit lateinischen Lettern
von Landfras in Neuhaus, wo ebenfalls viele Volks-
bücher erscheinen, blieb mir unzugänglich), erschien
seither oft und ist noch jetzt ein beliebtes Werk der
JahrmarktsKteratur ; ich erinnere mich, dass ich als
Kind daraus vorlesen hörte.
Für die literarischen Kreise behandelte erst im
Jahre 1884 die Faustsage Ignaz Herrmann in seiner
„Historie o doktoru Faustovi", nach einem Schwabischen
Volksbuch, also nach verwandter Quelle. Herrmanns
Uebersetzung ist travestierend und zur Verstärkung des
Volksbuchscharakters ebenfalls mit Schwabacher Lettern
gedruckt. Sie ist mit köstlichen Illustrationen geziert,
welche zur Ausschmückung ihres Originals einst der
böhmische Maler Josef Manes gezeichnet hatte, so dass
das Werk eine gewisse Bedeutung für die böhmische
Kunstgeschichte besitzt. Als Stilprobe mag der Anfang
der Historie hier stehen:
„Im Jahre des Herrn — eigentlich wissen wir gar
nicht im wie vielten, aber es mag wohl an vierhundert
Jahre her sein — wurde dort, wo aller Weisheit
Anfang und Ende ist, nämlich in Deutschland, der
hochberühmte Doktor Faustus geboren. Es war ein
kleinwinziges Kind, wie sie gewöhnlich sind, und
niemand fiel es damals ein, dass in ihm etwas Unge-
wöhnliches stecken könnte. Sein Alter war ein armer
Häusler, der gewissenhaft Contributionen und Zehnten
entrichtete; infolge dessen blieb ihm fast nichts übrig,
so dass sein einziges Vermögen sein Weib Ursula war."
Die „Historie" kann es also nicht sein, auf welcher
die lebhafte Volkssage des 18. Jahrhunderts beruht,
ebensowenig wohl ein anderer Schössling der Faust-
6
literatur, die Zauberbftcher. Unter dem Titel: „Aus
einem Zauberbuche** berichtete Alois Jiräsek in den
Kvfety (1880 s. 536) über ein handschriftliches Werk,
allerdings ohne anzugeben, wo er es gesehen und wo
es aufbewahrt werde. Es war ohne Titel, aber die
von Jiräsek angeführten Proben genügen , um zu
erkennen, dass es eine Uebersetznng von „Dr. J. Fausts
Miraculkunst und Wunderbuch oder die schwarze Rabe,
auch der dreifache Höllenzwang etc." ist (Kloster II.,
S. 852 ff.). Nach Jiräsek ist das Buch einem Oryst
gewidmet, offenbar ist dies der belehrte Operist.
Eine andere wichtige Tradition, die von Hnev-
kovsky nicht erwähnt wird, aber gewiss zu seiner Zeit
vorhanden war, dürfte es gewesen sein, die das Fort-
leben der Sage veranlasste, — das Puppenspiel.
Die erste Nachricht über Marionetten in Böhmen
stammt aus dem Jahre 1698; damals spielten im Klein-
seitner Badsal in Prag Helferdings' „mit Kleidern
ausstaffierte Statuen, die Gavaliers und Damespersonen
vorstellen", was man „kleine opera** nannte.^) Diese Art
von Theater scheint in Böhmen rasch beliebt geworden
zu sein, und zwar besonders beim böhmischen Publicum,
dem zu dieser Zeit die Genüsse versagt blieben, welche
dem deutschsprechenden die immer häufiger wieder-
kehrenden Schauspielergesellschaften boten. Das ein-
zige Aequivalent dafür war eine Marionettenbühne.
Wenigstens galten die böhmischen Marionetten zu
Beginn des neunzehnten Jahrhunderts für sehr alt.
So schreibt Hybl in der Vorrede zu seinem Trauer-
^) Tenber, (Schichte des Prager Theaters I, 94.
spiele „Abelino'^j die eine Art unkritischer Geschichte
des böhmischen Theaters enthält, folgendermassen :
„Bald traten auch Böhmen in ihre (der Deutschen)
Fussstapfen und ernteten um so mehr Lob, als sie
ihre Possen in vaterländischer Sprache vorführten, und
auf Gesinnung, Sitten und Gewohnheiten ihrer Lands-
leute wirken konnten. Weil es aber damals noch
schwierig war, eine Schauspielergesellschaft mit ihren
vielen Personen zu erhalten und so grössere Stücke
aufzuführen, erdachten sich viele ein Spiel mit Puppen,
sogenannten Tajtrliky oder Tatrmanky (das entstellte
deutsche Wort Theatermannel), deren Gang, Hand-,
Körper- und Kopfbewegungen sie mit Hilfe dünner
Drähte und Fäden lenkten, wobei sie für jede Person
mit veränderter Stimme sprachen. Die Erheiterung
war das einzige, was das Spiel der lebenden Personen
wie das der Puppen anstrebte, daher mussten alle
Stücke reichlich mit Scherzen durchwürzt sein, was
bei den lebenden Personen der sasek, bei den Puppen
aber der sogenannte Pimperle meist zu besorgen hatte.
In diesem Stande befand sich das böhmische Theater
zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts."
Hybl setzt hier vielleicht die böhmischen Puppen-
spiele zu früh an, aber wenn ein Mann, der die Pup-
penspiele seiner Zeit kannte, im J. 1816 so von ihnen
schreiben konnte, so müssen sie zum mindesten weit
in das XVIII. Jahrhundert hinaufreichen, weit über die
siebziger Jahre, wo man bereits anfing böhmische Stücke
mit lebenden Personen aufzuführen ; auf ihnen am ehe-
sten kann die Volkstradition beruhen, wie noch aus-
führlicher gezeigt werden soll. —
Damit verlassen wir die volksthümliche Literatur
8
und wenden uns der Kunstpoesie zu. — Die Verwech-
selung des Buchdruckers Fust mit Faust war im XVII.
Jh. auch nach Böhmen gedrungen und verwirrte hier
mehrere gelehrte Köpfe ; Interesse erregte der Buch-
drucker besonders darum, weil die Jesuiten schon seit
dem XVI. Jahrhundert in ihrem Streben, die glän-
zendsten Namen der böhmischen Geschichte vergessen
zu machen, dafür neue nationale Grössen schufen oder
annectierten und namentlich Gutenberg zu einem Kut-
tenbergius, einem böhmischen Kuttenberger zu machen
suchten.
Ein Anonymus, der im XVII. Jh. ein nie gedruck-
tes lateinisch-böhmisches Lexikon schrieb, vereinigte
diese beiden Irrthümer, identifizierte zu allem Ueber-
fluss noch Gutenberg mit Fust und schrieb dann fol-
genden Satz in seine Einleitung: „Joannes Kuttenber-
gius, natione Boemus, prius Joannes Faustus nominatus
qui circa annum 1421 bella Husitica fugiens in Ger-
maniam abiit, Strasburgis se Kuttenbergium a patria
compellavit etc. etc."
Diese Notiz entdeckte im J. 1840 der Schriftsteller
Jaroslav Vrt*ätko , und obwohl in ihr nicht das min-
deste Zeugnis steckt, dass der Anonymus eine beson-
dere glaubwürdige Quelle gehabt, obwohl er sich aus-
drücklich auf Quellen des XVI. Jh. darunter auf den
berüchtigten Magister Codicillus berief, nahm Vrt'ätko
dennoch dieses Zeugnis für voll. Gutenberg sei zwar
nicht mit Fust identisch, das hätte der Anonymus wis-
sen müssen (?) aber er habe doch Faust geheissen;
danach construierte er nun eine vollständige Biographie
des Erfinders der Buchdruckerkunst : Dieser heisst eigent-
lich Johann Sfastny (Glücklich), nimmt in Prag den
Namen Faustus an, und lebt in dem bekannten Hause
auf dem Karlsplatz, muss vor einem Volksaufruhr fliehen,
und nennt sich in Deutschland Gutenberg. Den Mangel
an Argumenten ersetzte der siegreiche Ton des Ver-
fassers; der Aufsatz erschien in Tyls neuer Zeitschrift
„Vlastimil" und wirbelte Staub genug auf.^)
Diese Entdeckung Vrt*ätkos veranlasste den oben
citierten Aufsatz Tomeks über das Fausthaus, und bildete
ausser dem die Prämisse zweier Dichtungen, die wir
als böhmische Fauste bezeichnen können. Eine davon
ist gleich eingangs erwähnt worden, est ist der „Doktor
Faust" von Sebastian Hnfevkovsky.*)
Schon in seiner Jugend wollte Hnftvkovsky Faust
zum Helden eines komischen Epos machen, aber erst
in hohem Alter bearbeitete er den Stoff ernsthaft, oder
besser gesagt romantisch, mit der leisen Ironie des
aufgeklärten Josefiners. Das Epos zählt neun Gesänge
und 727 Stanzen, ist jedoch fast ungelesen geblieben;
es kam um etwa fünfzig Jahre zu spät zur Welt, der
grosse Fortschritt, den die böhmische Sprache und
Verstechnik gemacht hatte, blieb ihm fremd, seine Me-
trik ist fast silbenzählend, holprig, die Eeime mühselig,
einförmig, man sieht förmlich den mitleiderregenden
Kampf des Greises mit der Sprache.
Faust ist ein Böhme, und lebt in der Nähe von
Prag, die Teufel geben sich rechtschaffen Mühe seine
S. S e i d 1 i t z, Johann Gutenberg, der Erfinder der Bachdrucker-
kunst ein Böhme. Aus dem Böhmischen des Jaroslav yrt'ä>tko
(BH. f. liter. Unterhaltung 1840 No. 130—133). — Allgemeine
Theaterzeitung. Wien 1840 — No. 64: „Dr. Fausts Haus in Prag."
*) Doktor Faust , Starozitnä. povest o desiti zpevich. V
Praze, 1844.
10
Seele zu gewinnen; mit Hülfe eines Zauberglases, das
ihm ein Bettler reicht, erkennt er jedoch ihre Absicht
und meidet sie. Da räth ihm ein Einsiedler zu dem
Versuche, den Teufel zu überlisten, und Faust schliesst
mit Mefista einen Bund auf vierundzwanzig Jahre. Ein
Fremdling aus Kuttenberg besucht ihn, sich Raths zu
erholen, da er die Buchdruckerkunst erfunden hat, und
F'aust erfindet die beweglichen Lettern. Der Teufel
verscheucht den Kuttenberger, der nach Mainz flieht, und
Faust lernt ein Mädchen kennen, das ihn veranlasst, an
Rettung vom Teufel zu denken. Es folgen grosse, aben-
teuervolle Reisen nach Erfurt (Polyphem- Erscheinung),
Leipzig (Fassritt), wo der Mönch, der Faust zu be-
kehren sucht, seine Busspredigt irrigerweise an Mefista
richtet. In Krakau kämpft Faust mit Twardowski
und begibt sich nach Italien. In Venedig gewinnt er
Gold im Spiele, und während er von dem Höllengolde
niemanden, auch den Kuttenberger nicht, unterstützen
durfte, sendet er jetzt an diesen eine grosse Summe.
Er stellt Alexander den Grossen vor , und macht
eine Luftreise nach Prag, der Flug nach dem Monde
misslingt. Ein Zusammentreffen mit dem ewigen Juden
lehrt Faust, dass er noch Rettung hoffen dürfe; er
geht trotz des Widerspruchs des Teufels nach Rom
und wird dort gefangen gesetzt. Selbst Mefista kann
in den geweihten Kerker nicht eindringen, wohl aber
gelingt dies durch Bestechung der Wachen der Gelieb-
ten Fausts, der Primadonna Zantinella. Faust wird
so den Teufel los, gelangt zu Fusse nach Böhmen,
und findet hier seinen todtgeglaubten Freund und die
Geliebte wieder. Die Bibel ist eben erschienen. Faust
freut sich der aus der neuen Kunst entspriessenden
11
Aufklärung, und will reuevoll nach Rom pilgern. Aus
Furcht vor neuen Schlingen des Teufels stösst ihn die
Geliebte von den Felsen der Sarka herab, und so ent-
geht er der Hölle.
Einige Sagen über Faust werden als blosse Erdich-
tungen erwähnt; gerade die Reste der Prager Localsage
wahrscheinlich, weshalb ich sie anführe. Ein Guck-
kastenmann erklärt Faust ahnungslos seine eigenen
Thaten: „Hier verhandelt der Teufel mit ihm über die
Seele und zeigt ihm volle Beutel Goldes, hier unter-
schreiben sie den Contract, hier ein ander Bild : Faust
fährt durch Prag, Steine liegen im Wege, die müssen
die Teufel schnell auflesen. Hier flieht er davon, ein
Nebenbuhler verfolgt ihn, er ersinnt sich eine List, und
(es ist eben in der Schwefelgasse) sein Geselle entführt
ihn durch das Fenster auf dem Mantel, noch heute
spürt man dort den Schwefelgeruch; dort wieder be-
reitet Faust den Genossen ein Fest, alles schwelgt in
Gesellschaft von Dirnen, auf dem Musikchor sind Teu-
fel zu sehen, die spielen ein höllisches Lied." Weiter
erzählt er von Helena und ihrem Kind, wie Faust ein
Fuder Heu verschlungen, den Juden mit dem Beine
betrogen (Quelle: Carchesius) und spricht endlich von
Fausts Ende: „Die Frist verrann, der Teufel fasste
ihn lebendig, da galt kein Widerstreben. Auf einen
feurigen Wagen setzte er ihn, und seht, da sind 32000
Teufel, die geben ihm das Geleite, laut hört man sie
jubeln."
Ein Jahr nach diesem romantischen Epos erschie-
nen in der Zeitschrift des böhmischen Museums die
ersten Proben eines andern, das sich ausdrücklich als
solches ankündigte, Vocels „Labyrinth des Ruhmes",
12
und 1846 erschien das ganze umfangreiche Gedicht.^)
Sein Held ist Johann von Kuttenberg (also Faust), und
auch in anderem Sinne sollte das Werk der Traust
Vocels sein, er vergleicht selber beide Werke in der
Einleitung: „Obwohl ich mich nicht zu der Meinung
versteige, dass jemand das Werk mit dem Faust des
Altmeisters der deutschen Dichter vergleichen könnte,
halte ich es doch für gut, um jedes Misverständnis
auszuschliessen, einige Worte über die verschiedene
Tendenz der beiden zu sagen. Goethes Gedicht lebt
für ewige Zeiten im Busen aller, die in übersinnlichem
Wissen schwelgen, sie warnend, sich nicht dorthin zu
versteigen, wo dem durch seinen Stolz getäuschten Ver-
stände die dunkle Seite des menschlichen Wissens sich
zeigt; es ist eine grosse Paraphrase der Worte: An
dem Tage, da du von den verbotenen Früchten der
Erkenntnis essen wirst, wirst du des Todes sterben.
Faust, von der ewigen Wahrheit abgekehrt, wird zum
Sklaven der Sinnlichkeit und Leidenschaft und unter-
liegt so der teuflischen Macht. Aber auf ganz anderer
Grundlage beruht dieses Gedicht. Der Teufel will aus
Johann einen Faust erst machen, und bemüht sich, ihn
von Glaube, Liebe, Hoffnung loszureissen, damit Johann
an die Natur, d. i. an die Materie mit Geist und Herz
sich anschliesse, und in ihr nicht bloss seinen Ruhm,
sondern auch Ruhm und Rettung seines Volkes suche.
Der Teufel will, dass Johann der Apostel eines neuen
Glaubens werde, dessen Gesetze auf der Vergötterung
der Natur beruhen. Dadurch ist es klar, dass der Geist
der Verneinung hier nicht bloss auf Erbeutung einer
*) Labyrinth sUvy od. J. Erazima Vocela. V Praze 1846.
13
Seele ausgeht, sondern auf den Gewinn unzähliger
menschlicher Geschlechter. In einem Umstand beröhrt
sich das Geschick Johanns mit dem Fausts, dass nämlich
beide durch die Kraft der unendlichen Liebe der ewigen
Verdammnis entgehen, denn eine Seele kann nicht
ewig verloren sein, wenn sie auch oftmals ihrer Be-
stimmung untreu geworden, so lange sie, ihre Kraft
und Elasticität bewahrend, im Schlamm der Sünde
nicht erschlafft und durch ihren Willenstrieb ihren er-
habenen Ursprung bekundet. — Mit der Idee der Er-
lösung Jans ist hier unlöslich auch die Idee der Er-
lösung der Slaven durch das geistige Licht, das die
stillen Bahnen des Friedens beleuchtet, verknüpft."
Diese Vergleichung, ein Muster von Unklarheit,
überrascht durch die beschränkte Auffassung des Goethe-
schen Faust, über dessen Erlösung sich Vocel geradezu
widerspricht. Naiv ist die Zählmethode, als ob es in
der Poesie darauf ankäme, ob der Teufel eine Seele
oder einige Millionen gewinnt; — die Vergleichung
zeigt jedoch, dass Vocel in dem Labyrinth wirklich sei-
nen Faust, freilich einen antipantheistischen, dichten wollte.
Der Inhalt des Labyrinth hängt mit der Faustsage
nur locker zusammen; der Teufel, Duchamor genannt,
(Geistestod, ursprünglich „ Bludaspory * Irrthum und
Streit) rettet Jan, einen begeisterten Taboriten, der
nach der Schlacht bei Lipan durch Selbstmord enden
will, und schliesst mit ihm einen Bund auf 10 Jahre,
indem er verspricht, ihn berühmt zu machen und sein
Volk zu rächen. Er rächt sich wirklich am Mörder
Prokops des Grossen, aber die blosse Erkenntnis, dass
er aus einem katholischen Geschlechte stamme^ dass
sein Vater von den Taboriten erschlagen worden sei,
14
genügt, ihn von seinem Glaubenseifer zu heilen, er
verlässt die Taboriten und lebt als gewaltiger Magier
und Alchymist in Prag. Duehamor führt Jan in eine
Disputation und in eine „Zeche wüster Gesellen". Letz-
tere Scene, in dramatischer Form, ist ganz Auerbachs
Keller entlehnt ; Duehamor hext jedem Zecher die Seele
eines andern in den Leib und läBst sie so raufen.
Um Jan von dem Glauben abzuwenden, führt ihn
der Geist auf die alten slavischen Schlachtfelder, vom
Amselfelde an das baltische Meer, und zeitlich zurück
bis in die indische Urheimat, wo immer Ströme Blutes
geflossen, um des Glaubens willen.
Doch die Liebe Ludmilas, welche Jans Mutter sich
erzogen hat und die sich für ihn opfert, als der rach-
süchtige Taborit Martin ihn ermorden will, rettet Jan ;
er sagt sich von Duehamor los, der ihm darauf eröffnet,
welche Absichten er mit ihm gehabt, ohne dass es uns
klar würde, wie er ihm die Macht verliehen hätte, sein
ganzes Volk oder gar das ganze Slaventhum zum Pan-
theismus zu bekehren. Jan geht nach Mainz, und ver-
bringt die letzten, ihm gegönnten Jahre mit der Er-
findung der Buchdruckerkunst, und druckt die Bibel.
Der Teufel, dem er entgeht, rächt sich an ihm durch
den Fluch, der Ruhm seiner Erfindung werde nicht
seinem Volke zu Teil werden, sondern einem andern, das
dafür sein Volk als roh und barbarisch verschreien würde.
Vocels Werk gehört noch heute zu den bedeuten-
dem Schöpfungen der böhmischen Literatur, wenn es
auch öfter geilihmt als gelesen wird. — Es schliesst
die wenigen selbständigen Faustgedichte, zu denen wir
eines aus viel neuerer Zeit herbeiziehen, das einen we-
nigstens verwandten Stoff behandelt, Vrchlickys Twar-
15
dowski.^) Dieses Gedicht, geschrieben im J. 1880, er-
schien im J. 1885 in Buchform und — wurde wegen
Vergehens gegen die Sittlichkeit conflsciert, doch wurde
die Confiscation durch Richterspruch behoben.
Die Fabel erinnert ein wenig an das „Labyrinth*' ;
auch Twardowski kennt seinen wahren Ursprung nicht,
der Gemahl seiner Mutter hat ihn in der Stunde der
Geburt verflucht und der Böse betrachtet ihn als ihm
verfallen. Er beraubt ihn seiner Unschuld, indem er
ihn einem Mädchen zuführt , das, unschuldig und
engelsgleich, sich opfern muss, eine melodramatische,
wunderbare Scene, zu dem Besten gehörend, was
Vrchlicky geschaffen. Es folgt eine Reihe von Scenen
aus der Zeit des Teufelsbundes; er verwandelt seinen
Diener, der sich erdreistet, seine Rolle zu spielen, in
eine Spinne, lässt sich die schönsten Frauen des Alter-
thums vorführen, Semiramis, Bethseba, Lesbia, Hero-
dias, die ihre Geschichte erzählen, eben jene glühen-
den, sensualistischen Schilderungen, die die Confiscation
veranlassten. Aber das Bild der Mutter Eva in ihrem
stummberedten Schmerz wirkt unauslöschlich auf ihn
ein. Auerbachs Keller erscheint diesmal als Räuber-
schenke mit Kater, Kapuciner und Juden. — Ein
Priester, dem Twardowski über einen See geholfen,
führt ihn auf den Weg der Rettung; er sucht seinen
Nährvater auf, der nach Sibirien verbannt ist, und
findet ihn als verklärten Todten. Der Teufel meldet
ihm sein Ende an, es kommt zum Kampfe, Twardowski
reisst ein unschuldiges Kind als Schild an sich; der
Teufel mahnt ihn jedoch:
^) Twardowski, Bä«eti Jaroslava Vrcklick^ho. VPrazel88ö.
(
f
16
Herr, dein Verbum nobile,
Wiss, debet esse stabile. —
Dieser Appell an das Edelmannswort ist bei dem
stolzen Polen nicht verloren, er kämpft allein, — da,
im letzten Augenblicke singt er jenes Lied an Maria,
das das arme, verlorene Mädchen gesungen — und wird
begnadigt, zwischen Erde und Himmel zu schweben.
Lange schwebt er so; endlich kommt eine Nachricht:
die kleine Spinne, sein Diener, hat einen so langen
Faden gesponnen, dass sie der Wind bis zu ihm hinauf-
führt. Aber sie weiss wenig Gutes von der Erde zu
berichten; erst als sie wiederkommt, von der Befreiung
des Menschengeschlechtes, von einer neuen, glücklichen
Zeit spricht, da sprengt Twardowskis Jubel , sein
jauchzendes Gnadefleben die Thore des Himmels, sein
Leichnam zerfällt zu Staub.
Twardowski ist kein eigentlicher Faust, er hat so
Manches vom Don Juan, der überhaupt der beliebteste
und am häufigsten besungene Held Vrchlick^s ist.
Mehr der Stoff als die Behandlung erinnern an Faust;
eine Vergleichung der Stoffe unternahm Menöik (Lite-
rärni listy, 1890) in einer Abhandlung, die neben
einzelnem Richtigen viele Irrtümer enthält. \)
Ehe wir zu den wichtigsten Uebersetzungen, denen
von Goethes Faust, übergehen, wollen wir kurz die übrigen
erwähnen: Am 1. November 1851 wurde in böhmischer
Sprache zum erstenmal der Faust von Klingemann
aufgeführt. Die sehr lesbare Uebersetzung ist von
J. Kaj. Tyl und erschien gedruckt im Jahre 1872. —
Mikovec schrieb erregt in seinem „Lumir**, ob die
^) Ein Original-Lustspiel „ Faust '^ von Stuna aus dem Ende des
achtzehnten Jahrhunderts ist nie gedruckt worden. (Blass S. 96.)
17
Direction das Publicum für so kindisch halte, dass es
sich durch Klingemanns Teufel schrecken lasse.
Die im Jahre 1875 erschienene Uebersetzung von
Lenaus Faust von J. J. Stankovsky zeigt namentlich
im Vergleiche mit den älteren Uebersetzungsproben
von Schulz sehr hübsch den Fortschritt der böhmischen
Uebersetzungskanst. .
Ein Artikel über Faust von F. Schulz im Lumir
1863 brachte einen Auszug aus deutschen Studien ohne
Bezug auf den böhmischen Faust. Eigenthnmlich ist
der Satz, mit dem Marlow^s Faust charakterisiert
werden sollte: „Aber der Held dieses Dramas ist kein
külmer Empörer gegen den Himmel, der, von einem
Zauberer verführt, für Genüsse und Ruhm dieser Welt
seine Seele dem Teufel verkauft und endlich durch die
Gnade der Gottesmutter erlöst wird, welche in den
Abgrund der Hölle hinabsteigt , um den verhängnis-
vollen Contract zu holen; er ist selber ein Zauberer,
den am Schlüsse des Stückes der Teufel ohne Gnade
abholt.'^ — Was ist das für ein Stück, mit dem der
Faust Marlowes verglichen wird ? Soll dieses Gemenge
aus Theophüus uiid Faust etwa gar der Goethesche
Fanst sein??
Goethe hat nicht an der Wiege der neuböhmischen
Literatur gestanden, aber ihre ungewissen Schritte in
den ersten Decennien unseres Jahrhunderts vollzogen
sich unter seinem Stern. Es war nicht anders möglich,
als dass die junge böhmische Literatur sich in den
Geleisen des geistigen Lebens in Oesterreich hielt,
welches dem des mittleren Deutschland um ein halbes
Jahrhundert nachstand, und so waren Weisse und
Gleim noch in den achtziger Jahren leuchtende Vor-
Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 8
18
bilder. Anders wurde es im neunzehnten Jahrhundert.
Im Jahre 1817 stellt' sich Goethe ein junger Student
der Theologie vor, voll Begeisterung und Verehrung,
V
Johann KoUar.^) — Celakovsky studiert Goethe schon
in seiner Jugend und tritt als sein Schüler in seinen
Werken auf; wie Goethe das deutsche Volkslied nach-
schafft, so versucht es Celakovsky, in seinem „Nach-
klange der böhmischen Lieder'*, und wie Goethe in
der Maske eines orientalischen Sängers den Divan
dichtet, so singt er als russischer Rhapsode seinen
„Nachklang der russischen Lieder**. Wenn er auch in
einem Epigramme den billigen Witz macht:
Ein köstlich Mittel, Schlaf sich zu machen,
Heisst: Des Epimenides Erwachen,
so tröstet er doch wieder den armen Bav:
Bis auch das, was Shakespeare schrieb und Goethe
Aufgenommen gastfreundlich hat Lethe,
Dann, o Bavius, verlass dich drauf,
Tauchen deine Schriften aus ihr auf.
Und es dauert lange, ehe er es wagt, auch nur
in Prosa an eine Uebersetzung von Goethe heran-
zutreten; im Jahre 1827 übersetzt er „Die Geschwister*'
unter dem Titel „Märinka**, Goethe selbst erfreute
sich der bescheidenen Gabe, ihm war jedoch in Ueber-
setzung Goethescher Schriften schon Machäßek voran-
gegangen (Iphigenie auf Tauris 1822), und Jungmann
übersetzte Hermann . und Dorothea ; erst viel später
folgtea der Bürgergeneral (Uebersetzer B. F. 1870), Götz
von Berlichingen und Egmont (tibersetzt von J. J. Kolär
1871). — In neuerer Zeit erschienen Goethes Balladen
^) Biedermann, Goethes Gespräche VIII, 342 ff.
19
in einer sorgfältigen , sehr gefeilten üebersetzung von
Ladislav Quis (1879) und in weniger guten üebersetz-
ungen „Ausgewählte Gedichte", übersetzt von J. Neöas,
(1889) ferner mehrere Einzelgedichte in Zeitschriften. —
Eine besonders lebhafte üebersetzerthätigkeit sollte sich
vorläufig nur dem „Faust'' zuwenden.
Im Jahre 1863 erschien die erste üebersetzung,
besorgt von J. J. Kolär, mit einer überaus charakte-
ristischen Vorrede, in der es heisst, Goethes Faust sei
schon in früher Jugend gleichsam durch Metempsychose
Kolärs Eigenthum geworden, und man möge also an
diese Nachdichtung nicht etwa den Massstab einer
üebersetzung im Sinne der trockenen Grammatiker
legen, deren Geistesrichtung mit kräftigen Phrasen
bezeichnet wird. Er versichert endlich, infolge der
innigen Vertrautheit mit der deutschen Sprache und
des grossen Einflusses der deutschen Literatur sei es
gelungen, eine üebersetzung zu liefern, die in Inhalt
und Form mit dem Originale merkwürdig tibereinstimmt,
hinter der die üebersetzungen in andere Sprachen —
ohne ünbescheidenheit gesagt — weit und recht lächer-
lich nachhinken.
Der Rest der Vorrede ist eine kurze Betrachtung
von Goethes Faust im Sinne der metaphysischen Com-
mentare, mit Sätzen wie: „Faust ist mit Mephisto-
pheles eine und dieselbe Person und auch derselbe
Mensch mit dem Herrn des Prologs." — „Faust ist
jetzt (im zweiten Teile) ein Begriff geworden, nämlich
der Begriff der Romantik, und erscheint mit einer
sonderbaren Aufhebung der Zeit zur Seite der antiken
Helena und des zum Euphorion umgedichteten Byron.
Mephistopheles ist als Phorkyas das negative Moment im
ao
Verfalle der antiken Kunst und antiken Schönheit
geworden." Schliesslich urteilt Kolär, dass der zweite
Teil, der viel Unverständliches und viel Unsinn enthalte ,
durchaus nicht zu übersetzen sei.
Dieser Ton der Vorrede klingt auch in den
Stinunen der Kritik mächtig an, namentlich Ferdinand
Schulz pries in der literarischen Beilage der Narodni
listy das Werk ganz in entsprechender Weise. In der
Folge wurde die Vortrefflichkeit der Kolärischen Ueber-
setzung zu einem wahren Gllaubensartikel der litera-
rischen Kreise, ja man sagte, sie stehe zu Goethes
Original in einem wahren Geschwisterverhältnis. Dass
jemand gesagt hätte, sie sei besser als das Original,
ist böswillige Erfindung.
Die Uebersetzung ist übrigens weit trefflicher, als
man nach diesen Antecedentien erwartet; die Behaup-
tung Kolärs über sein Verhältnis zu den anderen
Uebersetzungen habe ich zwar nicht nachgeprüft, aber
es ist unleugbar, dass ein grosser Teil des Gedichtes
in trefflicher, präciser Weise nach Inhalt und Form
wiedergegeben wird. Für die böhmische Literatur
bedeutet sie eine wichtige Etappe in der Geschichte
der Uebersetzungskunst, indem sie die Anspräche an
die Formvollendung sehr steigerte.
Immerhin ist noch der formale Anschluss an das
Original nicht allzugenau; so wird die Zueignung in
Trochäen übersetzt, in den lyrischen Stellen herrschen
grosse Freiheiten, auch sonst ist die Nachbildung des
Metrums nur eine ganz allgemeine, und unzählig sind
die Stellen, wo eine ganz sonderbare Wendung, meist
dem Reime zuliebe, gewählt wurde. — Da lesen wir
zum Beispiel: 889 An diesem Pult liab' ich geglüht;
21
Ö40 Blast die kümmerlichen Flammen ans der Asche
verbrannter Ratten; 678 Der alte Lehnstahl (alte
EoUe); 822 Da würde ich mich erst in den Teig setzen;
1178 Ich habe von der Feldmuse Abschied genommen;
1271 Die Kraft der Mähre zu brechen (zu begegnen
dem Tiere); 1276 Kobold soll aufstehen; 1324 Der
Fall hat eine lächerliche Melodie; 1666 Verliere ich
diese, so ist es gleich, ob eine Rose duftet oder Koth
(dann mag, was will und kann geschehn); 1712 Beim
Doktorschmaus werde ich wie ein Windhund am Tische
bedienen; 1842 Dort ächzt schon einer auf dem Gange;
1934 Das loben alle Schüler mit dickem Daumen;
1939 Nur schade, es ist kein geistig Haar darin;
1993 Doch das Wort gewinnt durch einen Begriff
Reinheit; 2007 Wenn man nur ein Knöchlein hat, kann
man auch das Fleisch berühren; 2179 Marktschreier
sinds, die nach Petersilie gehen; 2235 Sie durften sie
(die Flöhe) weder mit dem Knüttel, noch mit dem
Nagel erschlagen; 2243 Spitzt die Finger, lasst den
Knüttel; 2550 und neun ist eins und zehn ist boden-
los, das ist der Hexen Rechnung vom Januar; 2570
Wer albern ist, dem fliessen sie in Strömen, der isst
sich daran satt; 2581 Er ist ein Mann von vielen
Graden, der oft schon guten Thee getrunken hat;
2603 Mit diesem Trank im Leibe wirst du geil wie
eine Hündin; 2678 Dennoch würde ich was drum
geben, wenn ich könnte erfahren, wer der Herr heut
war, der beliebte, mich anzusehen ; 2699 Vielleicht hat
hier mein Liebchen für Christi Leiden des Ahnherrn
welke Hand gekttsst ; 2779 Er sah ihn stürzen, trinken,
dort in die Tiefe des Meeresfutters; 3005 Das alte
Blei nähme den Teufel selbst beim Wort; 3842 KohuH)
22
hänge dich an keinen Fliegenschwarm (es ist ein
grosser Jammer); 3560 Und wie sie sich leckten vom
und hinten; 3571 Ein frischer Jung wird anderswo
auf einen bessern Schober klettern; 3700 In die Hölle
erst deine Bassgeige; 3892 Sind das Molche mit diesen
Hörnern? 4170 Ehe ich meinen Fuss begrabe; 4583
Wehe meinem Kranze, als hätten ihn die Schnitter
abgemäht. —
Nach diesen Proben darf man freilich die üeber-
setzung nicht allgemein verurteilen; sie enthält sehr
gute Partien, namentlich in den drastischen Stellen,
obwohl auch hier die kräftige, diabolische Wirkung
meist auf Kosten der Treue erreicht wird.
Im Anfange d,es Jahres 1890, des Jubiläumsjahres
von Goethes Faustfragment, erschien überraschend
genug eine üebersetzung des ersten Teils des Faust
von einem bisher unbekannten Dichter, Franz V16ek ; ^)
überraschend, weil der Eespect für Kolärs „Nachdich-
tung" noch sehr gross war, weil man überdies wusste,
dass Vrchlicky eine üebersetzung beider Teile, Ladis-
lav Quis eine solche des zweiten Teiles im Manu-
scripte besitze, von denen jedoch keiner an eine
Herausgabe seines Werkes dachte, schon dem greisen
Kolär, dem Nestor der böhmischen Literatur zuliebe.
Da wurde durch den homo novus Vlöek der Bann
unerwarteter Weise gebrochen. — Seine Vorrede schlägt
einen unvergleichlich bescheideneren Ton an als die
Kolärs, obwohl sie ihr den Schlusssatz gegen die
„Aristarchen" entlehnt. Ganz im Gegensatze zu der
*) J. W. Goethe, Faust. Tragedie. Rozmßrem originalu pre^
lozil Frant. Vlcefc V Praze.
23
Vergleichung Kolärs mit den ausländischen üeber-
setzuDgen erklärt Vlöek, er habe sich in der Nach-
dichtung Bayard Taylors sein Ziel gesetzt und diese
nirgends durch näheren Anschluss an die Form des
Originals übertreffen wollen.
Eine solche Beschränkung erscheint allerdings
ungerechtfertigt, und in der That vermisst man den
innigen Anschluss an die Form des Originals bei Vl^ek,
sonst ist seine Uebersetzung eine sehr fleissige Arbeit ;
solche kraftgeniale SchössJinge, wie wir sie bei Kolär
aufgezählt haben, würde man vergebens suchen. Da-
gegen trägt die ganze Arbeit den Stempel der Müh-
seligkeit aufgedrückt. — Das Streben des Autors, mit
Kolär um keinen Preis zusammenzustimmen, auch wo
dessen uebersetzung die natürlichste ist, verleitet zu
gezwungenen Wendungen. Vlcek bietet dem böhmischen
Publicum, wie Kolär, den ersten Teil des Faust mit
Haut und Haar , mit Walpurgisnacht und Intermezzo,
ohne jede erklärende Anmerkung. Dagegen bezeichnet
er das Alter der einzelnen Scenen, was ziemlich über-
flüssig ist, wie auch die Versicherungen der Vorrede
über des Autors Studium der Commentare sich recht
flunkerhaft ausnehmen angesichts der Thatsache, dass
Vlöek anno 1890 noch nichts vom Urfaust weiss, und
das Fragment als die älteste Phase behandelt. Die
Scene „Trüber Tag. Feld" wird datiert: 1806!!
An dieser Scene hat sichVlßek auch sonst schwer
versündigt, er schreibt sie in Blankverse um, das ist
aber noch wenig gegen die Misshandlung der Domscene.
Diese hatVlöek verreimt! Sie liest sich nun wie eine
Travestierung, ebenso die verreimte Antwort Fausts
auf Gretcbens Frage: „Glaubst du an Gott?"
24
Nach dem Erscheinen dieser üebersetzung zögerte
auch Jaroslav Vrchlicky nicht länger, seine üeberse-
tzung beider Teile herauszugeben ; noch im selben Jahre
begann der Druck , und im Jänner 1891 erschienen zum
erstenmale beide Teile des Faust ^) in böhmischer Sprache.
Vrchlick^ stellte sich, was den formalen Anschluss
an das Original betriflPt, eine Aufgabe wie vor ihm
kaum ein üebersetzer eines umfangreichen Werkes.
Nicht im allgemeinen das Metrum galt es ihm nach-
zuahmen, nein, Silbe für Silbe wird jeder Vers nach
seiner ursprünglichen Betonung wiedergegeben, die Reime
bleiben in ihrer Ordnung, es wird ein Text geschaffen,
dem man eine Originalmelodie zum Faust getrost unter-
legen kann. Einzeln mag in einigen Versen dagegen
versehen sein, im ganzen ist diese Absicht erreicht
worden; Beispiele der Abweichungen mag ich nicht
suchen, imgrunde wäre ich selber mitverantwortlich
für solche Versehen, da ich die Correctur des Werkes
gelesen habe, und der Dichter auf jede meiner Bemer-
kungen mit dem grössten Eifer reagierte. Ich habe die-
ser Mitarbeit Stunden köstlichen Genusses. zu verdan-
ken, und weiss, wie ernst es dem Dichter mit seiner
Aufgabe war. Vrchlicky stellt sich zu Goethe nicht
als nahezu Gleichberechtigter wie Kolär, er geht nicht
an ihn wie an einen Schulautor heran, wie Vlöek, er tritt
ihm gegenüber wie Faust dem Erdgeist. Als Ringen
Jakobs mit dem Engel bezeichnet er sein Bemühen
mit einem Goetheschen Ausdrucke in der Vorrede. „ Wem
gelingt es?" fragt er mit dem Chore, aber er fühlt,
dass er etwas Grosses geleistet, und dichtet aus diesem
*) Goethüv Paust. Tragedie. Pfelozil Jaroslav Vrchlicky.
V Prasse 1891,
25
innigen Gefühl heraus ein Dankgebet an die Qötter,
das in klangreichen Worten den Gedanken ausdrückt,
den Goethe selbst nach Vollendung seines Faust aus-
sprach: Mein ferneres Leben kann ich nunmehr als
ein reines Geschenk anseheu, und es ist jetzt im Grunde
ganz einerlei, ob und was ich noch etwa thue.^)
Der innige formale Anschluss, mit der feinsten
Nachempfindung vereint, haben eine wunderbare Wir-
kung besonders in den Liedern Gretchens, der Zueig-
nung, dem Gesang der Erzengel, und besonders im
letzten Acte des zweiten Teils.
Vrchlickys üebersetzung ist mit der neuen Weimarer
Ausgabe verglichen (sie enthält auch den nengefundenen
Vers und den „Abschied" aus dem Nachlasse) und mit
den nothwendigsten Erläuterungen versehen ; für eine
Einleitung wurde mir vom Verleger der Raum so knapp
bemessen, dass ich mich auf einige literaturgeschicht-
liche Angaben beschränkte.
Ein vorläufig noch ungedmcktes Werk führe ich
der Vollständigkeit halber an ; um sich von der Arbeit
an dem Goetheschen Faust zu erholen, unternahm
Vrchlicky mit mir zusammen eine Herstellung des
alten Puppenspiels etwa in der Art, wie Simrock das Schütz-
Dreherische Stück behandelte. Diese Bearbeitung, welche
besonders im vierten Acte Stellen von poetischem Werte
enthält, wird noch heuer gleichfalls gedruckt erscheinen.
Die lebendige Volkssage von Faust ist vergessen,
die eigenen Faustdichtungen haben sie nicht neubelebt«
— Aber allen Gebildeten ist Goethes Faust theuer,
und das Volk drängt sich — die Jugend wenigstens
^) Biedermaim, Goethes Gespräche Vni, 100.
26
— um den leichten Thespiskarren des Marionettenspielers,
und dessen beliebtestes Stück ist der Doktor Faust. Mit
diesem sollen sich die folgenden Zeilen beschäftigen.
IL
Die ersten Zeugnisse über ein böhmisches Puppen-
spiel vom Doktor Faust sind unbeachtet geblieben;
Wurzbach erwähnt im zwölften Bande seines biogra-
phischen Lexikons (S. 428 ff.) in der Biographie des
Puppenspielers Kopecky dessen Bearbeitung des Goethe-
schen Faust, die in ihrer Art ein Meisterstück gewesen
sei. Diese Angabe war aus Waldau, böhmische
Naturdichter (1860. S. 48) entnommen, der sich über
die Bearbeitung nicht näher ausspricht. Erst Richard
Andree lenkte die Aufmerksamkeit auf das Puppenspiel,
dessen Inhalt er im Magazin für die Literatur des
Auslandes Jg. 35 (1866) S. 263 f. unter dem Titel:
„Das tschechische Puppenspiel vom Doktor Faust" skiz-
zierte (wieder abgedruckt in „Tschechische Gänge,
böhmische Wanderungen", Bielefeld 1872). Andree
bezeichnete das Drama als „bedeutend mit tschechischen
Zuthaten versetzt", und seine Inhaltsangabe schien
den deutschen Forschern über das Volksschauspiel zu
genügen. Creizenach druckte in seinem „Versuch
einer Geschichte des Volksschauspiels vom Doktor Faust"
den Bericht Andrees auf S. 20 — 23 ab (mir war nur
dieser Abdruck zugänglich), ging jedoch auf die
Betrachtung der Abweichungen und Zuthaten nicht
näher ein. Er erwähnt sie nur Seite 189 untei' den
Schwierigkeiten, deren Lösung einer späteren Unter-
27
suchung vorbehalten bleiben muss. Er bemerkt sodann
die Beziehungen zwischen mehreren Versionen des
Puppenspieles, namentlich dem tschechischen und dem
Volksliede vom Doktor Faust. Beide Abdrücke von
Andrees Bericht erwähnt Engel in seiner Zusammen-
stellung der Faustschriften als Nr, 2103 d und 468;
ersteren mit der Bemerkung : „In dem Stücke, welches
auch dem Inhalte nach kurz mitgetheilt wird, lässt
sich leicht die deutsche Sage erkennen, wenige Auftritte
ausgenommen, wozu auch die Prügelei der Deutschen (?)
am Schlüsse gehört."
Auf den Zusammenhang dieses Puppenspiels mit
dem Volksliede vom Doktor Faust, den Creizenach
einer späteren Untersuchung vorbehalten hatte, ging
A. Tille in seinem Werke: „Die deutschen Volkslieder
vom Doktor Faust, Halle 1890" näher ein ; er bezeichnet
das Puppenspiel als Cz, und untersucht auf S. 103
bis 130 ausführlich das Verhältnis von Cz zu dem
Volkliede und den verwandten Puppenspielen, ohne
jedoch zu einem greifbaren Resultate zu gelangen.
Meine Bemühungen, ein Puppenspiel vom Doktor
Faust zu sehen, waren bisher vergeblich, weil ich sie
zufällig immer zu ungelegener Zeit anstellte. Indessen
sind wir auf die vielfach getrübte Ueberlieferung der jetzi-
gen Puppenspieler nicht angewiesen, da wir es in drei Ver-
sionen aus älteren Aufzeichnungen kennen ; es sind folgende :
1. (c) Nach Andrees Berichte führte Josef Vinicky
(Winizky), der Besitzer eines „Theaters mit Figuren",
„Doktor Faust, Drama in 5 Akten", auf. Vinicky
gehört, scheint es, zu den ältesten bekannten Puppen-
spielern, wenigstens beginnt ein Aufsatz: „Böhmische
Puppenspieler" von Karl Roth in Mikovec' „Lumir" II.
28
S. 1092 (Jg. 1851) mit den Worten: „Wer sich an
die traurigen Zeiten des böhmischen Theaters erinnert
der muss billig anerkennen, dass damals
Kopecky, Vinicky, Bene§ und Consorten die ersten
Koryphäen waren u. s. w." Mit den traurigen Zeiten
sind die ersten Jahre des Jahrhunderts bis zur Wieder-
aufnahme böhmischer Vorstellungen im Jahre 1816
gemeint. Andrees Bericht kann eine Handschrift nicht
ersetzen; er mag vieles für nebensächlich gehalten
haben, was der Forschung über das Puppenspiel wichtig
wäre. In dem Buche Tilles hat Andrees Bericht
meist irreführend gewirkt.
2. (J) „Johannes Doktor Faust", ein Druck, dessen
Titel in üebersetzung lautet: „J. D. F. Schreckliche
Komödie mit dem Teufel und noch schrecklicherer
Höllenfahrt des armen Faust bei grauenhaftem Feuer-
werk und schauderhaftem Donnerwetter. Trauerspiel
in 6 Akten. Von A. B. Prag. Verlag des Heraus-
gebers 1862." — Der innere Titel weicht in zwei
Einzelheiten ab; er lautet: „Doktor Faust. Schreck-
liche etc. in 6 Akten. Prag. Druck von Johann
Spumy 1862." Das Büchlein zählt 20 Blätter XVI®
und die Rückseite des Umschlages trägt die Bemer-
kung: „Zu haben in der Traffik auf dem Marienplatze
(Ecke des Collegiums) und in der Druckerei Johann
Spum^^s. Preis 20 kr."
Eine Anfrage bei dem gegenwäji;igen Besitzer der
Druckerei ergab folgendes Resultat : Um das Jahr 1862
wohnten in dem Hause, in dem sich die Buchdruckerei
befindet, zwei Studenten, welchen der Buchdrucker die
Gefälligkeit erwies, das Drama zu drucken; näheres
war nicht mehr bekannt, auch die Handschrift war
20
nicht mehr zu ermitteln. Die Studenten dürften Hörer
der Philosophie gewesen sein, nach dem umstände zu
schliessen, dass die Tabaktraffik am Colleginm (Cle-
mentinum) mit dem Verkaufe betraut wurde, denn die
Mediciner und Juristen hatten ihre Hörsäle im Garo-
linum, und Schüler des akademischen Gymnasiums, das
ebenfalls im Clementinum untergebracht war, werden
sich am wenigsten in diese nahe Traffik gewagt haben.
Es ist nun ein dreifaches möglich. Entweder
haben die Studenten die Handschrift eines Puppen-
spielers abgedruckt, oder sie haben eine Aufführung
nachgeschrieben, oder sie haben ihre Komödie auf
Grund einer solchen Aufführung oder Handschrifb neu
gedichtet. Eine freie Dichtung ist durch den Zusammen-
hang mit den übrigen Puppenspielen ausgeschlossen.
Der „witzige" Titel des Stückes scheint auf die dritte
Möglichkeit, eine parodierende Umarbeitung, zu deuten,
aber dieser selbe Titel, wenigstens seine erste Hälfte,
wird schon in dem erwähnten Aufsatze von Karl Both
dem Drama von Faust beigelegt; mit diesen Worten
wurde das Stück thatsächlich angekündigt, wir wissen
nur nicht, voü welchem der erwähnten drei Puppen-
spieler. Auch ist das Stück vollkommen ernst gehalten,
und besonders hätten die Studenten, wenn sie sich
grosse Aenderungen erlaubt hätten, die Rüpelscene ge-
ändert, etwa in dem Sinne, wie der Puppenspieler, den
Andree sah. Nicht nur ist es hier der deutschsprechende
„Ucknek" (Aucknecht, Hausknecht), nach K. Roth eine
stehende Figur des Puppenspielers, der die Böhmen
durchprügelt, auch ihre Scherze, welche die deutsche
Sprache betreffen, sind ganz harmlos, in der Art, wie
man sich im Volke mit der Unkenntnis einer Sprache
30
hänselt, ohne an deren politische Bedeutung zu denken.
Gerade im Jahre 1862, in der Zeit heftiger politischer
Kämpfe, hätten sie bei jedem ümarbeiter Anstoss
erregen müssen. Hier ist diese Figur des ausgedienten
Soldaten, der mit ein paar deutschen Phrasen sich
Kespect verschaffen will und glaubt, mit ihrer Hilfe
alles erzielen zu können, den jedoch im entscheidenden
Augenblicke seine Sprachkenntnisse kläglich im Stiche
lassen, — diese Figur ist ohne politische Spitze, sie
ist aus der Fülle des Volkslebens gegriffen, ein Typus
einer früher zahlreichen, jetzt im Aussterben begriffenen
Gattung. Ebenso sprechen die verstümmelten latei-
nischen Worte, deren wahren Sinn wir nicht errathen,
die versteckten Reime gegen diese dritte Möglichkeit
und lassen nur die ersten beiden offen.
Das Nachschreiben eines Puppenspiels setzt eine
grosse Pietät für diese Dichtungsart voraus; überdies
war eine wirklich brauchbare böhmische Stenographie
damals erst im Werden, in Studentenkreisen war diese
Kunst noch wenig verbreitet, somit bleibt der Abdruck
einer Handschrift das wahrscheinlichste. — Ein äusseres
Zeugnis für einen solchen gewährt S. 30, wo otepj
statt otepi gedruckt ist; j ist ein Zeichen der älteren
Orthographie und lag Studenten von 1862 schon ferne,
freilich nicht auch den Setzern in Spurnys Druckerei,
die noch heute Fracturdrucke in der alten Orthograpliie
herstellt. — Sonst ist die Orthographie normalisiert,
doch laufen zahlreiche Fehler mit unter, wie auch die
ganze Sprache fehlerhaft und voll Germanismen ist.
Indessen können ja böhmische Studenten von 1862
eine deutsehe Bildung genossen haben und in der Ortho-
graphie schlecht beschlagen gewesen sein. Auf eine wirk-
31
liehe Bühnenhandschrift deutet auch die Anweisung S. 14:
^Der Teufel muss immer herbei- und wieder fortfliegen."
Wenn wir gewiss wtissten, dass die Studenten gar
keine Zusätze zum Texte gemacht hätten, so ergäbe
sich ein Terminus a quo für die Niederschrift ihres
Originals aus dem Beginn des 6. x\ktes. Faust sieht
auf seiner Weltfahrt auch die Insel „Helena, auf
welcher Bonapart gestorben ist"; die Handschrift
müsste also nach 1821 geschrieben sein. Indessen
gerade 'an dieser Stelle waren Einschiebungen allzu-
leicht möglich; die Andabanen und Nikobaren, welche
gleich darauf erwähnt werden, liegen dem Volke und
den Marionettenspielern viel zu ferne. Die jobsiaden-
mässige Marschroute scheint noch am ehesten ein
Zusatz der beiden Studenten zu sein. — Eine voll-
ständige Uebersetzung von J drucke ich am Schlüsse
dieses Bttchleins ab.
3. (D.) „Dr. Faust, Drama in vier Akten" in der
Sammlung „Komedie a hry Mateje Kopeckfeho", „Ko-
mödien und Spiele des Mathias Kopecky. Nach der
Niederschrift seines Sohnes. Wenzel für den Druck ein-
gerichtet und als zweiter Teil des „ Declamators "
herausgegeben von E. Just, H. Pferhof, und J. R.
Vilimek, Prag 1862. Verlag von J. R. Vilimek" auf
S. 111—133 des ersten Bandes, dessen 6. Stück es ist.
Die Worte des Titels „nach der Niederschrift sei-
nes Sohnes Wenzel" scheinen zu bedeuten, dass der
Sohn und Nachfolger des Puppenspielers, seine Stücke
ans dem Gedächtnisse niedergeschrieben habe. Das ist
jedoch, wie mir der einzig noch lebende von den Her-
ausgebern Herr J. R. Vilimek versichern liess, nicht
der Fall. Die Stücke hat allerdings Wenzel Kopecky
sg
niedergeschrieben ; aber zam Teil nach älteren Hand-
schriften. Und anch bei einer Niederschrift aus dem
Gedächtnisse würde sich über die Echtheit des Faust
speziell kein Bedenken erheben, da Mathias Eopeck^
nach Warzbach dieses Stlick nicht weniger als 2500
mal gespielt haben soll : wir könnten uns also auf das
Gedächtnis des Marionettenspielers verlassen. Aller-
dings war die Handschrift Wenzel Kopeckys selbst
nicht danach angethan, um ohne weiters abgedruckt zu
werden, sie erforderte eine Bearbeitung und an Stellen
wo sie lückenhaft war, auch Ergänzungen. Dies njüss
man sich bei jedem Stücke Kopeckys vor Augen halten.
Wie schon eingangs gezeigt worden, ist Kopecky
ein sehr berühmter Puppenspieler ; am 28. Mai 1762 in
Strä^ovic (Prachiner Kreis) geboren, absolvierte er die
„Normalschule" seines Geburtsortes und begann im
14. Lebensjahre das ührmacherhandwerk zu lernen.
Später wurde er ausgehoben und kämpfte in den Krie-
gen gegen Napoleon I., wurde zweimal verwundet und
liess sich nach ausgedienter Zeit im Städtchen Mirotic
nieder, wo er sein Handwerk und einen kleinen Handel
betrieb, bis ihn 1811 ein Brand um sein Vermögen
brachte. Nun verlegte er sich auf das Spiel mit Ma-
rionetten, das er aber mit sittlichem Ernste auffasste,
waren doch gerade in diesen Jahren die Marionetten-
spieler die- einzigen Träger der böhmischen dramatischen
Literatur. Darum verschmähten es Bühnenschriftsteller
wie Tham und Hybl nicht, f üi ihn Stücke zu bearbeiten,
und er selbst verfasste sich endlich seine Stücke selber,
unter diesen Origiualen wird das sehr beliebte Spiel: „Der
Herr Franz" genannt. Bis zu seinem Tode (1846)
spielte nun Kopecky vor zahlreichen Zuschauern, unter
33
denen auch fürstliche und gekrönte Häupter waren.
Er rühmte sich sogar der Freundschaft Dobrovkys, der
in ihm den wichtigsten Repräsentanten des Volksdramas
sah. Die Zahl seiner Stücke ist sehr bedeutend, na-
mentlich wenn man zur Vergleichung heranzieht, dass
Kralik und Winter acht Stücke als vollständiges Re-
pertoire eines niederösterreichischen Puppenspielers her-
ausgegeben haben; die „Komedie a hry'' enthalten
einundsechzig Stücke!
Zahlreiche Details, welche E. Just, einer der Her-
ausgeber, in der Einleitung und einem Anhange zu den
Komödien über Kopecky mitteilt, sind leider nicht
zu benützen, da sie, wie ich noch rechtzeitig erkannte,
aus dem erwähnten Aufsatze von Roth im „Lumir"
abgeschrieben sind, und in jenem Aufsatze nicht speziell
von Kopecky, sondern von den böhmischen Puppenspie-
lern im allgemeinen die Rede ist.
Kopecky hat, der grossen Zahl der Aufführungen
nach zu schliessen seinen „Faust'' schon vom Beginn
seiner Carriere an gespielt; auch so entfallen noch,
wenn die angegebene Zahl der Aufführungen richtig
ist, siebzig Vorstellungen auf jedes Jahi*, damals nun
konnte er sich seinen Faust auf verschiedene Art ver-
schaffen, er konnte ein deutsches Puppenspiel überse-
tzen, es nach dem gehörten Puppenspiel frei dichten, oder
eine Handschrift eines böhmischen Puppenspielers er-
werben. — Eine freie Dichtung ist ihm für den Beginn
seiner Laufbahn nicht zuzumuthen, auch sein Original-
stück ist eine Anhäufung bekannter Motive aus andern
Stücken; ebenso war seine Kenntnis der deutschen
Sprache nach der Versicherung von Leuten, die ihn spielen
sahen, gar nicht so bedeutend. Die Scene aus einem
Kr aas, Böhm. Puppenspiel Faust. 3
34
der deutschen Stücke : „Die Räuber in den Ambruzzen*^
oder „Karolin und seine (!) zwei Liebhaber", die Just
erwähnt, ist dem Aufsatz Roths entlehnt, übrigens ist
sie in einem böhmisch-deutschen Jargon geschrieben.
Nun ist aber doch anzunehmen, dass ein Puppen-
spieler, der nicht beim Metier aufgewachsen ist, also
auf die Handschrift viel mehr angewiesen ist als ein
anderer, sich am ehesten nach solchen Handschriften
umsehen wird, die er ohne weiteres ablesen kann, also
in diesem Falle nach böhmischen. Kopecky wird sich
gewiss um Textbücher, vielleicht auch um Figuren und
Costüme an einen altern Puppenspieler gewandt haben ;
— es bleibt nur noch die Frage zu erledigen, ob es
zu jener Zeit schon solche Künstler gegeben habe, die
in böhmischer Sprache spielten.
Nun haben wir auf S. 6 f. gezeigt, dass die böh-
mischen Puppenspiele weit in das achtzehnte Jahrhun-
dert hinaufreichen; die Annahme einer solchen Quelle
bietet also nicht die geringste Schwierigkeit. Es lässt
sich ferner zeigen, dass die Quelle Kopeckys eine
schriftliche war. Der Name des Teufels ist nämlich
darin Mesistofl; eine ganz unerhörte Form, die durch
nichts anderes als durch Verlesung von Mefistofl
entstanden sein kann, wenn letzteres mit deutschen
Buchstaben geschrieben war, wie sie im Beginne dieses
Jahrhunderts ausschliesslich im Gebrauche waren. An-
dererseits deutet wieder der Name F akner für
Wagner auf mündliche üeberlieferung ; entweder war
also die Quelle Kopeckys durch eine solche hindurch-
gegangen, oder Wenzel Kopecky hat das Stück seines
Vaters aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben. Dieses
Drama drucke ich neben J ebenfalls ab.
36
Zu dÜBsen Quellen tritt ein Bericht über eine
Faustauff tthrung , der mir erst während des Druckes
mitgetheilt wurde:
4. (j) Herr phil. stud. Oktavian Wagner war so
freundlich, auf eine Anregung in meinen Vorlesungen
hin sich Aufzeichnungen über ein Stück zu machen,
das er in der Umgegend von Zbiroh im Februar 1891
von Puppen der Frau Wertheim aufführen sah. Es
war betitelt: „Dochtor Faust", der Name des Helden
kommt jedoch ebenfalls als „Johannes dochtor Faust"
vor. Das Stück stimmt fast vollständig mit J über-
ein, von dem es nur in wenig Einzelheiten abweicht.
Ganz j eigentümlich ist folgende in den Puppenspielen
unerhörte Wendung am Schlüsse: Faust ruft den
Teufeln zu: „Nur den Körper werdet ihr für euere
Mühe haben, die Seele übergebe ich dem, der Herr
über mich ist." Und wirklich wird im Contracte von
der Seele nicht gesprochen. Die Stelle erinnert an
den Schluss des böhmischen Volksbuches, wo der
Priester dem Teufel zuruft: „Höllischer Feind, seinen
Leib hast du getödtet, allein nur der ewige Gott und,
Herr kann Seele und Leib verderben, und der bist du
nicht." Die Varianten dieses Stückes führe ich nur
da an, wo es nicht mit J übereinstimmt, was, wie.
erwähnt, meist der Fall ist. — Vergleichen wir
die beiden gedruckten Stücke und die Inhaltsangabe
der andern, so sehen wir, dass sie im Inhalte aufs
genaueste zusammenstimmen; dies zeigt der Verlauf
der Handlung und namentlich Eigentümlichkeiten, die
nur diesen Stücken gemeinsam sind.
Alle drei Stücke beginnen mit dem Monolog Fausts,
36
in dem Faust (Doktor der heiligen Schrift D, J) seine
Unzufriedenheit ausspricht (motiviert durch die all-
gemeine Unzufriedenheit aller Stände D, J), Wagner
(Lakai J, c) meldet 2 Studenten (er nennt sie, einer heisst
Fabricius J, D); Faust geht, sie zu empfangen; in-
zwischen liest Kasperl im Buche (Recepte, Verjüngung
J, D) und setzt sich auf dasselbe. * (Faust bestellt
sich Malrequisiten D, J.) Die Beschwörung geschieht
im Walde ( wolfschluchtartige Scenerie D, c); die
citierten Teufel werden nach ihrer Schnelligkeit gefragt,
(Pik J, c; — die Schnelligkeit entscheidet nicht über
die Aufnahme, sondern der Name, zu dem die Schnellig-
keit im Buche zu finden ist D, J). Mefistofl wird auf
36 Jahre angenommen; Faust geht fünf Punkte ein
(dieselben in J, D, ebenso dieselben Einwendungen
Fausts gegen jeden einzelnen Punkt), Mefistofl saugt
ihm das Blut aus der Hand; Homo fuge (die Worte
bedeuten, dass Faust rasch den Contract schliessen
soll J, D) ; Kasperl hält den Kreis für einen Vogelherd ;
er fängt Vögel (er hat Pilze gesucht J, D); er nimmt
den Zauberkreis mit. (Faust verschwindet beim Schreiben
die Feder D, J), Kasperl wird von Faust selbst auf-
genommen (und bekommt einen Dukaten ; Wagner, der
ihn aufhalten will, will er Holzscheite an den Kopf
werfen D, J); er reitet auf Mefistofl Faust an den
Königshof (von Portugal J, c) nach ; er fällt im Garten
nieder (stellt sich stumm; der König bat soeben ver-
boten. Nichtebenbürtige einzulassen ; Kasperl verräth
Fausts Namen ; dieser vermag Fische fliegen und
Vögel schwimmen zu machen oder 300 Jahre todte
Körper zu beseelen J, D). Er ruft Erscheinungen
hervor (Helena und Alexander J, c; Goliath und David
37
D, c. Der König würde mit den Erscheinungen gerne
sprechen, aber sie sind Asche und Koth, und Faust
verdient, verbrannt zu werden, Faust will sich durch
ein niegesehenes Schauspiel rächen, der Teufel will ihm
lieber den Contract zurückgeben J, D), Kegelschieben
auf dem Wasser (Faust macht eine Weltfahrt, will
ein Crucifix gemalt haben, Mefistofl verfertigt es, wird
jedoch durch das Verlangen nach der Inschrift in die
Flucht gejagt J, D), Faust betet, ein Engel zeigt sich
dabei J, c), der Teufel verführt ihn durch ein schönes
Weib (namenlos J, D; er will mit ihr Katfee trinken
J, c). Mefistofl dient nur 18 Jahre, weil er auch die
Nächte gedient hat (die Frist verrinnt allmählich ; Faust
verschliesst sich in sein Zimmer und mietet zwei
Wächter J, c; Faust will Kasperl und Wagner zu
Erben einsetzen, letzterer macht einen Wortwitz,
Wagner solle einen Wagen machen J. D). Das letztere
offenbar auch in c, denn auch hier wird Wagner „gele-
gentlich in Uebersetzung K o 1 är genannt." (Man hört
den verstümmelten Ruf: „ludicatus es", Faust bittet
erfolglos um eine kurze Frist J, D. Die Wächter
gerathen in Streit, Kasperl ruft die Stunden aus, Mefis-
tofl holt Faust, während die Wächter eingeschlafen
sind, die Wächter sind um die Bezahlung geprellt J,
c). Die Abkündigung findet sich nur J, kam aber
ursprünglich wohl auch D zu; hier hüpfte, nach Justs
Bericht, nach jedem Stücke Kasperl auf die Bühne mit
dem stereotypen: „Hie haec hoc, KaSpärek udßlal
skok."
Einige gleiche Motive finden sich nicht an den
gleichen Stellen ; in D c, j wird Persien erwähnt , D
erwähnt Portukäl, Faust will den Teufel Sand in
38
Garben binden lassen und bedroht ihn mit Erschiessen.
J D.
Die Zahl der üebereinstimmungen aller drei Texte
wäre gewiss viel grösser, wenn wir auch den Text von
c ganz besäs^en, während wir es jetzt auch in Fällen
nicht berücksichtigen konnten, wo es nothwendig mit
J D stimmen muss. Ebenso können wir bei den wört-
lichen üebereinstimmungen nur J und D berück-
sichtigen.
Wir finden gleich im Monolog Fausts J: i ty
Pauste svym stavem spokojen nebudeg. D: nebude§
i ty Fauste ve sv6m stavu spokojen. Dem Geiste er-
widert Faust: J: vMyt' pak ja jsem tuto §kolu ji2
absol viroval. D: vzdyt' ja jsem skolu teolokyji dävno
absolviroval. Wagner sagt zu Kasperl: J: kdo pak
ti to dovolil, ze jsi si z meho päna stolku sedadlo
uöinil ? D : kdo pak ti dal povoleni, abys sob6 z knihy
meho päna sedadlo udßlal? — Er räth ihm, von dem
Tische zu steigen. J: dfive nez pfijde möj pän. D:
dfive neÄ mftj pän pfijde. — Das folgende stimmt sehr
genau bis auf ein Wort, worüber später. Kasperl will
dienen unter der Bedingung: J: kdyä dostaun §aty a
liberaj, penize a plat, jist a zdravu, tak budu stou^it
dost. D: abych dostal penize a plat, liberaj a §at.
Slouät budu dost. Faust beschwört die Geister J:
Byste sem pfedstavili jednoho,
kterem vypisuje me pismo mnoho.
D: Propust'te mi jednoho ducha z propasti, o kte-
r6m mä kniha vypisuje, 2e mä ßerstvosti mnoho.
In der Formel kommen die Worte Styx (Strik)
Acheron (Auberon, Auron) und Pluto vor; der zweite
Contractspunkt lautet J:
39
Nemää do kostela chodit
ani ve svych kni^käch se modlit.
D : nesini§ chodit do kostela, ani ve svych knihäch
se modlit. Faust reicht dem Teufel die Hand, J : ale at'
toho nejmen§iho neucitim. D: ale at' nejmenSi bolesti
neucitim.
Den Contract beginnt Faust mit den Worten J:
Ego Johannes doktor Faust — D: Ego Johan doktor
Faust. — Als Faust von den Schätzen hört, die ihm
der Teufel verschafft hat, sagt er J: Tedy jsi se v
krätkosti tak o mne postaral. — D: Tö§i mne, Äe se
tak mne staräS. —
Der König will niemanden ins Schloss einlassen
J: kdoby naSemu stavu roven nebyl D: kdo neni
naäemu stavu roven. — Von der Erscheinung sagt er
J: je v§ecko prach popel a bläto. D: vidim, 2es popel
a bläto. Als Faust sich endlich nach der schönen
Jungfrau umsieht, sagt er J:
vsak ale to udßlä mä väeteßnost,
pH tom däm na stranu vSönost.
D: J& mäm v^önost na stranu dät. - -
Dagegen meint der Teufel, wenn er sie nicht an-
sehe J: do sv6 smrti toho litovati bude§. D: do smrti
litovat bude§. — Sie war in Wirklichkeit J : nejohavn&j-
§i pekla d'äbel. D: nejäkaredßjäi d'äbel. Faust be-
fiehlt Kasperle: J: Zavolej mi sem Wagnera Pimp.
Wagner, Wagner, Koläfi. mäS dölat pftl vozu,
mftj pän pojede po po§t6 do pekla — D: Zavolej mnß
Faknera. Kasp. Faknere, pojd' d&lat käru pro päna,
on na ni pojede do pekla. — Derselbe Witz kehrt
bei dem Worte „ludicatus es" wieder. J: velky ptäk
40
a kfiöi „idicave, idicave" ie väs povezou do pekla
na käfe. D: mnoho osob a volaji Fauste jubi kabe!
Easp. Ano, o käfe mluvi. Kasperle uimmt seinen
Abschied J:tak i ja tuneostanu, tedy, müj zlaty pane
jak se porouöim, tak se porouöim. D: Ja tu sam
take nezöstanu, tedy p6kn6 dßkuju a ui jdu.
Faust bittet um eine Fristerstreckung J : Mefistofl
dovol mi jeStß aspon etc. D: Mesistofl nech mne jeSte
Jen etc. Die Antwort ist darauf J: Ani minutu; D:
Ani hodinu.
Die Anzahl der wörtlichen Uebereinstimmungen ist
jedoch im Verhältnis zu der üeberein Stimmung des
Inhalts eine sehr beschränkte, und schon sie zeigt, dass
zwischen den beiden Texten ein bedeutender Unterschied
herrsche, der sich auch im Inhalte an vielen Orten
bemerkbar macht.
Nur scheinbar sind die Unterschiede in den Namen
der handelnden Personen; — der Held des Stückes
heisst J : Johann Doktor Faust D : Doktor Faust
oder Doktor Jo. Faust, aber auch in D. finden wir
wenigstens bei der Unterschreibung des Contracts den
Namen Johan Doktor Faust; diese eigentümliche Na-
mensform ist also auch D nicht fremd, wenn sie auch
gegen gewöhnlichere Formen zurücktritt. D j bezeichnet
ihn femer als Doktor Faust aus Mailand, nach J lebt
er in Wittenberg, aber auch hier ist sein Vater nach
dem Eingangsmonolog in Wittenberg geboren, in Mai-
land unterthänig; eine Erklärung dieses Namens soll
später vorgebracht werden, hier mag über das gegen-
seitige Verhältnis bemerkt werden, dass niemand Wit-
tenberg in Mailand geändert hätte, dass dagegen die
41
Aenderung von Mailand in Wittenberg nicht nur
den Herausgebern wenn sie das Volksbuch kannten,
sondern auch schon der Druckerei nahe lag, in der
elf Jahre früher, und vielleicht seither wieder das
Volksbuch vom Dr. Faust gedruckt worden war- In-
dessen liegt zu der Annahme einer solchen Aenderung
kein Grund vor. Ebenso stimmt der Name des hölli-
schen Begleiters tiberein, Mesistofl ist nur eine Verle-
sung von current geschriebenem Mefistofl, und auch der
Mefistafel von c könnte derselbeName, etwas offener ausge-
sprochen, gewesen sein. (Mesistaflj)Mefistofeles imPersonen-
verzeichnis von J rührt gewiss von den gebildeten Her-
ausgebern her. Vollständig decken sich Wagner und
Fakner; der Hanswurst heisst J: Pimprle, D: Kaäpä-
rek, aber auch in J nennt er sich im V. Act 6. — 7.
Scene ka§prle, wovon D nur die schriftgemässe
Form hat. Die Formen auf -le konnten im Böh-
mischen leicht Eingang finden, da man sie an die hei-
mischen t-Stämme anlehnte und nach ihnen declinierte.
— Und dass die Form pimprle die allgemein bekannte
der böhmischen Puppenspieler war, geht schon aus
dem Citate H;f bis hervor ; eine Ankündigung zum Faust,
in der Eop^cky seinen Komiker als „EaSpärek oder
Pimprle*' bezeichnet, citiert Just, aber sie ist einer
Ankündigung zur Alceste in dem erwähnten Lumir-
Aufsatz entnommen.
Auch im russischen Puppenspiel, über das Engel
(Volksschauspiel 40 f.) berichtet, der es 1856 in Peters-
burg aufführen sah, kommt der Name vor, er schreibt:
„Besonders schlecht war Kasperle (der hier Pimperle
hiess) bedacht" ; dieser Pimperle kann wohl aus Böhmen
nach Russland eingewandert sein, sonst hängt, den
42
Namen der Teufel nach zu schliessen, der russische
Faust mit dem böhmischen nicht zusammen.
Die wirklichen unterschiede der beiden gedruckten
Stücke sollen nun hervorgehoben werden, natürlich mit
Ausschliessung alles ganz Unbedeutenden ; auch c wird
dabei herangezogen, inwieweit es zu dem einen oder
andern Stücke stimmt.
Da wir infolge der wörtlichen üeberoinstimmungen
schon berechtigt, sind eine innige Beziehung der beiden
Stücke anzunehmen, so ordnen wir die Abweichungen
darnach, welchem Stücke sie die Priorität zuzuschreiben
scheinen, soweit dies nämlich zu entscheiden ist ; solche
Abweichungen zu deren Würdigung es nothwendig ist,
das Verhältnis zur Quelle heranzuziehen, sollen hier nur
erwähnt, und im folgenden Capitel behandelt werden.
a. Abweichungen, die für ein höheres Alter
Yon J sprechen.
Die beiden Studenten welche Wagner anmeldet,
heissen J Fabricius und Cornelius, in D Antonius und
Fabricius (j: Sedumceus und Fabricius).
Kasperls Eingangsscene ist in D mit einer Begrün-
dung angeknüpft : Kasperl will eine Entschädigung for-
dern, weil ihm Fausts Kater ins Gesicht gesprungen ist;
in J entspricht die Scene eher der Gepflogenheit der
Hanswurste, mit einem Liede sich einzuführen und das
Publikum selbst anzusprechen, diese Anknüpfung ist
wohl wie die ganze Bezeichnung von Kasperl als Schnei-
der eine Zuthat von der Mache Kopeckys.
Der zweite Act spielt nach J im tiefen Walde,
nach D jedoch in einem Felsenthale mit Sulen und
43
Eäazen, ein Donnerwetter spielt darein, feurige Enlen
springen um den Kreis, bei jeder Beschwörung wächst
der Sturm an. t— Man könnte an das Volksbuch von
Faust mit seinen Schilderungen der Besieh wörung den-
ken, aber eine andere Quelle liegt näher : der Freischütz.
Eine recht lesbare Bearbeitung dieser Oper unter dem
Titel „frajSic" führte Kopecky selbst auf, und Just
führt das Stück als eines der beliebtesten an. So er-
scheint denn auch Mesistofl in D „in grünem Gewände
mit einer schwarzen Feder am Hute", wie Samiel
sich jedesmal zeigt „im Jägerkleide mit einer Feder
am Hute."
In J erscheinen bei der Beschwörung zwei Geister,
von denen einer nicht sclinell genug ist, in D Mesistofl
allein, der so schnell ist, wie die Gedanken des Men-
schen. In J ist hier die Ueberlieferung sehr entstellt,
Pik ist so schnell dass er einen Schuss in den Rachen
fängt und wieder zurückbringt; wenn das einen Sinn
haben soll, so kann es nur der sein, dass Pik gleich-
zeitig mit dem Schusse wegfliegt, am Ziele die Engel
auffangt, wenn sie schon matt fliegt und sie zurück-
bringt. Dann ist er so geschwind wie die Kugel aus
dem Rohr ; — welche Geschwindigkeit c dem Pik giebt
sagt Andree nicht.
Noch seltsamer ist die Bezeichnung für die Schnel-
ligkeit Mefistofls in J; seine Worte „2e v pomyäleni
ölov^ka ud^läm^ lassen, da £lov6ka der Accusativ oder
Genetiv sein kann, zwei Uebersetzungen zu: „dass ich
im Gedanken einen Menschen mache^ und „dass ich im
Denken des Menschen mache^, in die-
sem Falle fehlt das Objekt. Doch macht mich Vrchlicky
aufmerksam, dass auch in böhmischen Märchen die
44
Wassermänner durch blosses Händereiben einen Men-
schen machen können. Es wäre also doch der Äccusa-
tiv anzunehmen. In c ist auch diese Schnelligkeit nicht
angegeben, es heisst, Mefistofl sei in einer Minute von
Persien nach Böhmen gesaust; das müsste gar nicht
die Angabe der Geschwindigkeit sein, so könnte sich
Mefistofl eingetührt haben, als ihn Faust eiterte. Zwi-
schiBU dieser Minute und der Gedankenschnelligkeit ist kein
Widerspruch, da eine Minute dem Volke als kleinste
Zeiteinheit gilt. Die Frage nach der Geschwindig-
keit lässt darauf schliessen, dass ursprünglich mehr als
ein Geist citiert wurde, dass also J das Aeltere ent-
hält.
Die Oontractpunkte des Teufels sind zwar diesel-
ben, es folgen jedoch in D die Punkte von J in der
Reihenfolge 4, 2, 1, 3, 5; in J steht das Wichtigste
voran, und dann steigt man zum minder Wichtigen
herab. —
In J sind auch alle Punkte auf einmal angeführt
und werden dann bei der Debatte mit Mefistofl wieder-
holt. — Abweichend sind die Punkte in c, nur 2, 3, 5
erscheinen als 2, 4, 5; erster Punkt ist das Verbot
jemandem etwas zu borgen, der dritte verbietet Almo-
sen zu reichen. — Beide Verbote verwehren eigentlich
Faust nur, Gutes zu thun; in dem „Faust" Hnßvkovs-
kys darf gleichfalls von dem Höllengolde niemand un-
terstützt werden. In j sind die Bedingungen: 4, 1, 2,
Almosen, 5. Von der Seele ist nicht die Rede.
Pimperle kommt in J zufällig an den Zauberkreis,
in D hat er von ihm gelesen; wir haben es mit einer
neuen begründenden Anknüpfung zu thun, wie bei
seinem ersten Auftreten. Die Forschierung ist in D
45
kurzer, der eigentliche Witz, das rasche Abwechseln
der beiden Rufe, durch welche der Teufel in unbe-
wusster Parodierung von Fausts Frage nach der
Schnelligkeit diese praktisch bethätigen muss, tritt in
D hinter dem Verwechseln der beiden Rufe zurück.
Uebrigens kann die Scene auch von Kopecky ausführ-
licher gespielt worden sein, als sie uns überliefert ist.
Die Rufe sind mannigfach verstümmelt; nach Andree
wäre in c das alte Perlicke Perlucke erhalten, in
J wird daraus Perluke, herluke, wobei an das deutsche
„her*' gedacht zu sein scheint. — c stimmt hier bald
zu dem einen bald zu dem andern Texte; Kasperl
findet den „ Vogelherd " zufällig wie in J und nimmt
ihn auf dem Rücken mit wie D.
Die Scenen vor Fausts Abreise, welche vernünf-
tigerweise nur im Hause Fausts spielen können, sind
in J als neuer Act bezeichnet, in D dagegen sind sie in
den Wald verlegt; trotzdem ruft Faust Fakner, als
wäre er zu Hause, und übergibt ihm dann sein Haus.
Auch bei der Abreise Kasperls ist J viel reicher an
Lazzi als D, dieses kann immerhin ihrer bei der
Aufführung mehr enthalten haben als im gedruckten
Text.
Dass der König zuerst Faust anspricht (J) und
dieser sich dann vorstellt, scheint ursprünglicher als
die blosse Vorstellung Fausts. Abgeschmackt ist die
lange Rede des Königs über David und Goliath; die
beiden G^talten, welche erscheinen sollen, stehen in
D schon als Statuen auf der Bühne und steigen bloss
von ihren Postamenten herab ; aber der Kön^ erwähnt
mit keinem Worte, dass er sie schon gesehen, auch zu
Faust sagt er nicht, dass sie schon hier sind, von dem
46
Riesen spricht er, als sähe er ihn zum erstenmale. —
Auch in einem deutschen Puppenspiel (W) verleiht
Faust einer Statue Fleischfarbe, aber davon wird
deutlich gesprochen, und es wird nicht mit den übrigen
Geistererscheinungen verwechselt. Ich glaube, mir diese
Scene folgendermassen erklären zu können: Eopecky
oder sein Vorgänger stellte, um die Erscheinung, bei
welcher Licht- und Knalleffecte mitspielten, recht pünkt-
lich bewirken zu können, vor diesem Akt die beiden
Puppen auf Postamente dicht hinter die Scene, so dass
man sie im entscheidenden Augenblick nur hereinzu-
schieben brauchte und dem Puppenspieler die Hände
für die vielen Drähte frei blieben. Erst später wurden
von Kopecky oder seinem Sohne die beiden Postamente
gedankenlos auf die Bühne gestellt, um zur Zierde des
königlichen Gart€?ns zu dienen, ohne dass der Text
sich dieser plumpen Aenderuug angepasst hätte.
Die Erscheinungen weichen in allen vier Stücken ab ;
es erscheinen in J Alexander und Helena, in D David und
Goliath, j Helena und Goliath, in c alle drei Erscheinungen.
Ist dieses das Ursprüngliche und hat jeder der beiden
gedruckten Texte einen Theil beibehalten? oder enthält
J das Aeltere und D hat, dem Geschmack und Wissen
eines Dorfpublikums sich anpassend, geändert?
Die Tracht eines alten böhmischen Herzogs, die
Andree an Alexander erblickt, vermag ich mir nicht
vorzustellen, wahrscheinlich trug er eine Pelzmütze,
aber so kann er auch schon bei deutschen Puppenspielern
aufgetreten sein. Interessant ist es, dass die Erschei-
nungen als Höllenbewohner Pferdefüsse haben.
Die Kunststücke, mit denen sich Faust rächen
will, werden in J wirklich ausgeführt, zum Theil vor
47
UDsern Augen, in D werden sie nur verlangt aber nicht
geliefert; c schliesst sich hier an J, lässt jedoch Faust
auf der Donau Kegel schieben. Dies könnte ganz gut
ursprünglich sein, die Studenten nahmen dann auf die
Lage von Portugal Rücksicht und liessen die Kegel*
Partie auf dem Meere stattfinden, doch auch in j
ist ebenso von dem Meere die Rede. — Auch in
Bezug auf das wirkliche Ausführen der Zauberscene
glaube ich, J die Priorität zusprechen zu müssen. D
zeigt wenig Lust zu complicierten Apparaten, wie schon
die Vereinfachung der Geisterscene beweist, und mochte
die wolfsschluchtartige Scenerie im 2. Akt für genügend
für ein Stück halten.
Ausser diesen Kunststücken verlangt Faust noch
einige andere; nach D soll der Teufel aus Sand Seile
drehen und ihn dann in Garben binden. Einen bessern
Sinn giebt J, indem die Seile aus Häckerling gemacht
sind. Dagegen ist der Ort, wo der Wunsch ausge-
sprochen wird, in D passender als in J; Faust, um
Helena betrogen, betrogen um seine Reue, hat wohl
andere Gedanken , als sich auf solche Weise zu
rächen.
In J, c schwebt ein Engel bei dem Gebete Fausts
daher; in D fehlt dies. — Die vulgäre Einladung auf
einige Tassen Kaffee fehlt D, Kopecky hätte sie, dem
Tone seiner übrigen Stücke nach zu schUessen, gewiss
weggelassen , auch wenn sie in seiner Vorlage
stand.
Im Schlüsse scheiden sich beide Texte vollständig,
der jähe und abgehackte Schluss in D kann nicht
älter sein als der von J.
48
b. Abweichungen, die für ein höheres Alter
Ton D sprechen.
Der Eingangsmonolog in D beginnt mit einigen
verstfimmelten lateinischen Worten, deren muthmass-
lieher Inhalt mit dem folgenden höhmischen Text
tibereinstimmt .
Kasperl fragt Wagner, der ihn vor seinem Herrn
warnt, J; Ist denn dein Herr ein grösseres Thier als
du? Wag.: Was gälte ein solches Thier, wenn es so
klein wäre wie du? Pimp. : Nicht viel, aber wenn es so
gross ist wie du, gilt es dreimal so viel. — D hat dagegen :
Ist denn dein Herr ein grösserer Flegel als du?
Fak.: Was gilt ein solcher Narr, wie du bist? Kasp.:
Nicht viel, aber einer wie Ihr gilt für mehrere wie ich
bin. ^— Hier ist D nicht nur witziger, sondern auch
ursprünglicher; das Thier heisst: iivoßich (animal) mit
einem der Volkssprache fremden, vornehm klingenden
Worte; der Puppenspieler ersetzte, wie ungebildete
Leute so oft thun, das passende Wort durch das un-
verstandene, gelehrt klingende.
Faust verlangt von Wagner D, j: Pinsel und Reib-
stein, J: Pinsel und Farben, letzterer ist moderner.
Faust unterschreibt den Contract im Walde, in D
öffnet sich ein Felsen , und in diesem sieht man den
schreibenden Faust ; in J ist diese ganze wichtige Scene
hinter die Scene verlegt, offenbar ein Nothbehelf eines
um Decorationen verlegenen Puppenspielers.
Mefistofl verbietet nur D Kasperl, seinen Herrn in
Persien zu verrathen, aber in J beruft er sich später gleich-
falls auf das Verbot, somit ist D das Ursprüngliche. —
Mesistofl versichert Faust, er sei „in aetemum
natus", diese Worte fehlen in J.
49
e. Abweichnngen, die die gegenseitige Unabhängig-
keit der beiden Texte belegen.
Die Worte, zu denen das Blut gerinnt, liest D:
Hama fuje mena flije (Homo fuge, mensch fliehe); — J:
Homo (einmal Libro) vide; — in beiden ist also das
richtige Wort vergessen und anders ausgesprochen
worden; — c enthält hier die richtigen Worte (?).
Das Land, in welches sich Faust begiebt, heisst
D: Persien, J, c: Portukäl; auch D wird Portukärl
später im letzten Akte erwähnt, eine Herttbemahme
aus dieser Scene in J wäre daher nicht unmöglich, um«
somehr als auch in c Persien wenigstens erwähnt wird.
In J findet die zweite Vermählung des Königs
statt, in D die der Prinzessin, die im ftbrigen eine
stunune KoUe spielt; c scheint sich an D zu schliessen,
wenigstens erscheint Faust an Stelle der anonymen
Jungfrau im letzten Akte „die Prinzessin von Portu-
galo^. Es ist aber auch möglich, dass nur zufällig
dieselbe Puppe beide Rollen zu spielen hatte, oder dass
die „panna^ der Prinzessin ähnlich sah. In j ist das
Fest der Geburtstag des Königs.
Fausts Weltreise im letzten Akte können wir in
J selber verfolgen, in D nicht; letzteres beginnt gleich
mit der Erwähnung des Cruciflxes. — Dieses wichtige
Motiv ist in beiden Stücken sehr verschieden:
J: Faust hat in Jerusalem ein Kreuz im Winde
schweben sehen ; ein solches soll ihm der Teufel malen.
D : Faust wollte, als sie über dem Meere schwebten,
sich auf die heilige Strasse in Jerusalem hinunterlassen,
um das heilige Kreuz zu küssen, aber Mesistofl drohte,
ihn eher zu zerreissen , dafür muss er nun naich
Begensburg und Portukäl, Leinwand und Farbe zu
ILraus, Böhm. Puppenspiel Faust. i
60
holen und dann das Cnicifix malen, wie Faust es
gesellen hat.
Auf diese Stelle gehe ich noch in anderem Zu-
sammenhange ein, hier genüge die Bemerkung, dass
beide Bearbeitungen offenbar alte Züge enthalten.
Wo Faust das Crucifix gesehen hat, wird uns aus D
nicht klar.
In c wird Faust angeblich von Reue ergriffen,
weil er das Ende seines Contractes herannahen sieht,
das müsste eine Gedankenlosigkeit des Puppenspielers
sein, denn das Ende naht noch nicht heran, noch ist
die Hälfte der Zeit nicht verstrichen. Mefistofl muss
das Bild aus Jerusalem holen; das ist offenbar ein
späterer Zug und das Malen des Kreuzes das Ursprüng-
liche; das Kreuz in Jerusalem ist ja kein Bild, es ist
das wirkliche Kreuz Christi, welches nach einer naiven
Vorstellung noch immer an der » heiligen Strasse steht
oder in den Lüften schwebt. — Liess sich vielleicht
Andree dadurch täuschen, dass der Puppenspieler ein
fertiges Crucifix auf die Bühne bringen lässt?
In D will Faust die Inschrift selber zuende malen,
in J will er die Worte dem Mefistofl vorsagen, er
verspricht jedoch auch J, er wolle das Bild selber
^zuende ziehen". Malte er vielleicht ursprünglicJh,
während er die Worte sprach?
In D hat Faust ein verstecktes Gebetbüchlein;
dieser Zug fehlt J.
In D bietet Mefistofl Faust Schätze, die er ver-
schmäht, ebenso versuchen in c „Teufel auf alle Art
Paust in seiner Andacht zu stören", ehe, die entschei-
dende Verführung gelingt.
In J spielt Pimperle seine Nachtwächterrolle, ist
51
jedoch nicht wie in c Nachtwächter geworden, dies
fehlt D vollständig, ebenso wie die langen Scenen der
beiden Wächter. In J setzt sich ein Vogel auf das
Dach und ruft: „Indicave es"; in D meldet Kasperl,
vor dem Hause stünden viele Menschen und riefen:
„Jubikabe".
In J werden die Eüpel von einem Hausknecht,
der nur deutsch kann, durchgeprügelt, in c prügeln sie
nach Andree einen Deutschen durch ; dies letztere w;äre
dann wohl das Spätere.
Die viererlei Verhältnisse, in denen wir die Texte
von J und D beobachtet haben, nahe, selbst wört-
liche Berührungen, Priorität von J, von D, gegenseitige
Unabhängigkeit, lassen keinen anderen Schluss zu, als den,
dass J und D auf einem gemeinsamen böhmischen Originale
beruhen. Wenn wir annehmen können, dass dieses
meist gespielte Stück Kopeckys von ihm schon zu
Beginn seiner Bühnencarriere erworben wurde, so fällt
dieser böhmische Faust in die Zeit vor 1811.
Soweit wir c aus dem Bericht Andrees kennen,
schliesst es sich im allgemeinen enger an J an, wie
die üebereinstimmungen beweisen; sollte J der Faust
Vinickys sein? Die Abweichungen sind nicht so be-
deutend, als sie oft zwischen zwei Berichten über das-
selbe deutsche Puppenspiel sich finden. Dagegen
sprechen jedoch die Contraktspunkte , welche für J
durch die Uebereinstimmung mit D gesichert sind. Es
ist auch nicht zu übersehen, dass sowohl J als auch D im
Jahre 1862 gedruckt wurden, dass also für einen Puppen-
spieler einer dieser Texte, namentlich der billige von J, sehr
leicht zu haben war. Wir können daher zu einem sicheren
Urtheil über das Verhältnis von c zu den anderen
4*
52
Stacken nkht gelangen, nicht entscheiden, ob es seine
G^istererscheinungen aus beiden Stücken combiniert
bat, oder ob es das Aeltere enthält, wofür die
Aehnlichkeit mit j spricht, zum mindesten nicht, so
lange wir nicht einen gesicherten Text von c besitzen.
Das Original von J und D, eigentlich die gemein-
samen Merkmale beider Stücke und diejenigen Beson-
derheiten, die wir für alt erklärt haben, bezeichnen
wir im Folgenden als C.
Auf die ursprüngliche Gestalt von C können wir
aus den wörtlichen Ueber^instimmungen von J D
schliessen ; eine besondere Beachtung verdienen hier die
Reime. — Schon E. M. Werner erwähnt (Afda. V, 90^),
dass die Akte des böhmischen Faust mit Alexandrinern
schliessen ; da Werner einen andern Text gehört haben
wird, als den unsem, so braucht sich das nicht auf unsere
Reime zu beziehen, in denen wir Alexandriner sehr selten
finden, eher begegnen wir correcten trochäischen Acht-
silblern, diesem alten böhmischen Verse. Es ist bei
der folgenden üebersicht nicht zu vergessen, dass sich
im Böhmischen leicht Zufallsreime ergeben; die Flexi-
onen haben so volle Vocale, dass eine Aehnlichkeit
zweier Sätze in Tempus oder Casus oft eine ganz auf-
fallende Assonanz oder einen guten Reim ergiebt. So
sind höchstwahrscheinlich zufällig die Reime im Ein-
gangsmonolog :
Jsi-li ty, sedläöku, se svym stavem spokojen?
On fekne: Ne, ja bych radfeji byl baronem,
Baron odpovi: Ja bych rad&ji byl hrabetem,
HrabS rekne: Ja bych radßji byl kniäetem,
Eni^e krälem, kräl cisafem,
Z&dny neni se sv^m stavem spokojen.
53
Auffallend ist jedoch , dass zu den ScHussworten :
Tak i ty Fauste s sv^m stavem spokojen nebudeS
sich ein Reimwort in D findet:
pokud je§t6 v6t§iho döstojenstvi nenabudefi. -^
In D ist allerdings kein Reim, dort heisst der voran-
gehende Vers: tak i ty, Faust«, nebudeS svym stavem
spokojen. D hat somit den Reim getilgt, und diese
Eigentümlichkeit finden wir noch an anderen Stellen
wieder. So heisst es bei der Beschwörung :
J: byste sem pfedstavili jednoho
kter6m vypisuje m6 pismo mnoho.
D: Propust'te mi jednoho ducha z propasti, o
kterem mä kniha vypisuje, ze m& cerstvosti mnoho-
Noch auffallender ist dies beim 2. Contractspunkt :
J : Nemäs do kostela chodit
ani V svych kni^käch se modlit (Achtsilbler).
D: NesmiS chodit do kostela
ani ve svych knihäch se modlit
Entfernter gemahnt an den Reim:
J; vsak ale to udSlä, mä v§etefinost
pfi tom däm na stranu veinost
D: Ja se ohli^et mäm . . . . a vßßnost na
stranu dät? .... nebudu zvMavym —
wobei zu berücksichtigen ist, dass zvßdavost ein be-
kannteres Wort für das alte vSeteÄnost ist.
Angesichts dieses Umstandes gewinnen die Reime
in J und umsomehr die erhaltenen in D erhöhte Bedeu-
tung; sie finden sich im ganzen Drania verstreut, so
antwortet Faust der ersten Stimme in J:
Sita, CO to volä 8 prave strany
abych se oddal äkole theologii,
wozu ergänzend der Reim in D tritt:
54
YiAjt' j& jsem -Skolu teolokyji dävno absolviroval
a doufAm, ie jsem v ni chyby neudßlal,
letzteres ein vollständiger Alexandriner. — Faust ent-
schliesst sich
J: Levä strana ta mnö voni.
Jistß jist6 päjdu po ni (Achtsilbler)
Mefistofl meldet J: Ja takovou ßerstvost mäm
ie V pomyäleni ölovßka udöläm: Die fünf Punkte
lauten J: Nem&S se na khi ohli^et (leg. ohlidnout).
a na sveho Boha mä§ zapomenout.
Nemä§ do kostela chodit,
ani v[e]svych kniikäch se modlit.
Bujnost tela dovoluje,
man^elku vzit zakazuje,
Nemä§ svych vlasä a nehtft stfihat.
aniz se um^vat
Mä§ mi se svou vlastni krvi podepsat,
Äe po vyjiti 36 rokä chce§ mi svou dusi a tfelo dät.
Es ist bei dem corrumpierten Zustand dieser Verse
bemerkenswert, dass Vers 1 und 3 — 6 correcte Acht-
silbler sind. In der anschliessenden Debatte lesen wir :
J: Käji hledäm päna jin6ho,
tak musim opustit prvniho
ja ti chci do tve stolice personu posadit
kterä tob6 ve vSem i v modleni rovna mä byt . . .
Cim d61e se neroz6e§e§
a sv^ch nehtft neufe^eä
tim kräsnöjSi a ozdobn6j§i budeS
Mäm ja sv6 vlastni tölo fezat
a sob6 tim holest dfelat?
Ja ti chci tolik krve bez bolesti vycucat
kolik budeä potfebovat.
55
Auch hier ist zu bemerken, dass von diesen Ver-
sen 1, 5) 6, 9, 11 Achtsilbler sind, und einige von den
Schwellversen leicht in solche zu verwandeln wären.
— Auch in der Contractscene lesen wir:
Fauste Fauste, co dßlää
ze se tgm d'ä.bläm zapsat dä§? (Achtsilbler)
Co ja budu chtit
musi§ ty mi po vftli uöinit.
Als Faust vor dem Crucifix kniet, sagt er zum
Teufel :
J: Odejdi, ty pekelny duchu, s mych oßi,
nynl mäm ja o svou du§i p66i
und der Teufel sagt von der Jungfrau:
D: Do smrti litovat bude§,
jestli se neohlednes - Mefistofl jubelt
J : Jak iiv jsem tak §t'astny nebyl
abych tak lehce cloveka podmanil,
k vecnemu zatraceni pfiväbil —
mit dreifach em Eeime wie schon oben.
In der letzten Rede finde ich mehrere Reime.
J: Pojd'te sem bli^e
vy nevinn6 du§e oder vielleicht besser mit
blosser Assonanz:
Pojd'te sem bliäe, vy nevinne dnäe,
rozsv6t'te mi lampy a fakule;
a posvfet'te mi k memu hrobu.
Tady spatfite, jak sv6t plati v tuto jedinou dobu
[vsem marnotratn^m ditkäm jakoz jsem ja byl]
Proöez bräny pekeln6 slySim ve sv^ch uSich vrzati
ta pekelnä hav^t jii mne po£inä od nohou
kousati,
56
smrt na mne cili,
jii jest konec v t6to chvili —
Von Mefistofl heisst es, dass er seine Schlussworte
singt:
Otevf se, tlamo pekelna,
at' uzfi paläc nää.
Ty jsi näs mßl za sve bohy,
tupils Boha prav6ho,
dojdeä trestu v6ön6ho,
AUa Strik, Pik, Auberon a vSickni spolu,
hled'te Faustovi prok&zat posledni slävu.
Hierbei sind die Nachtwächterlieder Pimperls nicht er-
wähnt, auch nicht solche Stellen, wo die Assonanzen als
ganz zufällig aufgefasst werden können. AVir haben
also jedenfalls für C ziemlich zahlreiche gereimte Stel-
len anzunehmen.
Aus diesen Keimen einen Schluss auf das Alter
von C zu ziehen ist mir vorläufig unmöglich; im 18.
Jahrhunderte vollzieht sich zwar in der böhmischen
Literatur eine wichtige Wendung, die man als Renais-
sance zu bezeichnen pflegt ; und die sich natürlich auch
in der Form bedeutend äussert, aber durchforscht ist
noch keine Seite dieser Entwickelung, ebenso fehlt es
noch an Arbeiten über Form und poetische Technik
im 16. — 17. Jahrhunderte, auch über das Alter unserer
Volkslieder herrscht noch völliges Dunkel. Ebensowe-
nig kann aus dem Wortvorrathe ein halbwegs sicherer
Schluss gefällt werden.
Wie es dem Streben Kopeckys, vielleicht auch
seiner Herausgeber, entsprach, ist die Sprache in D
möglichst gereinigt, trotzdem finden sich einige deutsche
Wörter, liberaj Liverey, verbovati werben, penzlik Pin-
57
sei, kiTintyrovat grundieren, hyndrovati hindern, schä-
digen, firnajz firniss, Späsovati spassen.
Vid zahlreicher sind die Fremdwörter in J, was
der schonendem Ueberlieferung zu danken ist; J ge-
braucht sowohl den bestimmten als auch den unbe-
stimmten Artikel auf deutsche Art, man sagt „Sie",
da gibt es eine Menge von deutschen Wörtern, und zwar zu-
nächst von solchen, die dem Vulgärböhmischen angehören.
Als : koSamadyne oder ko§amstedyne (gehorsamster Die-
uer) pemzlik, punkt, Siknouti (sich schicken) §ikovn6st
(Geschicklichkeit) §päs, undrholt (Unterhaltung, Unter-
halt im Prager Deutsch) herajn, holt, konc (ganz) §tuc
(Stutzen) gpacirovat (spazieren) varta (Warte, Wache)
kasir, kaficko (Kaifee) ; über den gewöhnlichen Gebrauch
hinaus und auf komische Wirkung berechnet sind viel-
leicht: §trupik (struppig), putrtäk (Butterteig), veraltet
erscheinen liberaj, purk (Burg), pailagr (Beilager) und
besonders kvalt (Gewalt). Letzteres Wort ist besonders
auffallend, es lebt nämlich in der böhmischen Vulgär-
sprache fort, hat aber einzig und allein die Bedeutung
„Eile**. Dagegen ist die Bedeutung „Gewalt" im 17.
Jahrhundert noch allgemein.
Das alles sind nur einzelne Beobachtungen, die zu
keinem Schlüsse berechtigen, ich gestehe, dass ich voll-
kommen wehrlos bin, zur Bestimmung eines Denkmals
des 18. Jahrhunderts, und dafür halte ich C, aus innem
Gründen. Ich glaube daher nur aus ganz subjektiven
Gründen, dass C weit in das achtzehnte Jahrhundert
hinaufreicht, dass es dieses Stück ist, auf welches die
üppige Prager locale Tradition zurückgeht, der eigent-
liche Träger der Faustsage in Böhmen. —
Wie war nun die Quelle von C beschaffisÄ? Diese
58
Frage suchen wir durch zwei Vergleichungen zu beant-
worten, zunächst mit den ttbrigen Puppenspielen, welche
bekannt geworden sind, sodann mit dem Volkslieds
vom Dr. Faust.
III.
Der ganze Verlauf der Handlung in C stimmt mit
dem Grundtypus des deutschen Puppenspiels überein,
ebenso die Scenenfolge — Monolog Fausts, Geisterstim-
men, Wagner, Studenten, Kasperle, Beschwörung, Pa-
rodie derselben. Abreise an einen fremden Hof, Geister-
erscheinungen, Flucht, vereitelte Bekehrung, Höllenfahrt
— im einzelnen weichen jedoch viele Scenen von der
deutschen üeberlieferung ab. Diese Abweichungen sol-
len nun betrachtet werden.
Die Namen der handelnden Personen stimmen zum
Theil überein, so Wagner, Kasperl; Mefistofl
stimmt am ehesten zu der Form Mephistophles in
B*) und s, also der Schütz-Dreherischen Gruppe; Faust
heisst Johann Doktor Faust, ebenso in N, auch in G
Die Siglen sind die gewöhnlichen von Creizenach, Wemer,
TiUe eingeführten, mir unterscheide ich die gedruckten Puppenspiele
dnrch grosse Anfangshuchstaben. A = das Angshurger Puppenspiel
(Kloster V., 818— 852); B = das Berliner Puppenspiel (Zfda
XXXI, 105—171); E = das Volksschau^iel Doctor Johann Faust,
(hrsg. V. Engel, Oldenh. 1874) ; E' = Dasfeelhe. VervoUständigter Text,
(Deutsche Pappenkomödien IX) ; G= das Geisselbrechtische Puppen-
spiel (Kloster V, 747 — 782); L = das Leipziger Puppenspiel (war
mir nicht zugänglich); M = Marlowes Doctor Faustus (1604 hgg.
V. Breymann, Heilbron 1889) ; M'= derselbe von 1616 (ebenda); N =
der niederösterreichische Faust (Kralik und Winter, Deutsche Puppen-
spiele, 157—193); 0= der Oldenburger Faust (Deutsche Puppenko-
mödien Yin); P = das Plagwitzer Spiel, hrsg. t. A. TiUe (Deutsche
59
unterschreibt Faust den Contract: Ich, Johann Doctor
Faust ....
In D wird Faust als Doktor Faust aus Mailand
bezeichnet, ebenso sagt er in J, er sei der Sohn eines
in Wittenberg geborenen, in Mailand unterthänigen Tag-
löhners ; ich dachte lange über einen Grund dieser auf-
fallenden Namensform nach, fand aber nichts anderes,
als dass Mailand (in dieser Form gebraucht, nicht in
dem schriftgemässen Milan) eine der populärsten
Städte im böhmischen Volke ist ; von keiner Stadt wis-
sen die Veteranen Eadeckys mehr zu erzählen, und
diese Popularität wird zur Zeit Prinz Eugens nicht ge-
ringer gewesen seiu, ja sie ist noch viel altem Datums,
stammt vielleicht schon aus jener Zeit, da die Böhmen
an der Erstfirmung Mailands 1162 so rühmlichen An-
theil genommen; schon der böhmische Tristram (Mitte
des XIV. Jh.) schreibt: „weder Prag noch Mailand
konnten etwas so Schönes herstellen^ ; da fiel mein Blick
zufällig auf das daneben liegende Volksbuch mit seinem
Namen Anhalt, mid es war mir klar, Mailand ist nichts
als eine Entstellung von Anhalt. Diese letztere Graf-
schaft war gewiss seit dem dreissigjährigen Kriege in
Puppenkomödien X) ; S = das Strassburger Puppenspiel (Kloster V,
853—883); U = das Ulmer Puppenspiel (Kloster V, 783—805); W =
das Weimarer Spiel (hgg. von 0. Schade, Weimarisches Jahrbuch V,
241—328) — Sw = das Schwiegerlingsche Puppenspiel (ed. Biel-
schowsky, Programm ßrieg 1882) ; — ha = vd. Hagens Bericht (Kloster
V 729—739), ho = Homs Bericht (Kloster V 651—692) ; 1 = Leut-
bechers Bericht (Kloster V 718—728); lo = das Puppenspiel Lor-
g6es (€reizenach, 17—19); m=das Münchner Spiel (Allg. Ztg. 1882
No. 356) ; r = Rosenkranz' Bericht (Kloster II 44—48) ; s = Sommers
Bericht (Kloster V 739—746) ; t = der Tiroler Faust (Creizenach,
23—33) ; z = Zollers Bericht über den Zigeuner-Faust (Kloster U
4Ö-47).
60
Böhmen so unbekannt wie jetzt, wie leicht konnte der
fremdartige Name durch das populäre Mailand ersetzt
werden! In J ist demnach möglicherweise eine Ver-
wechselung eingetreten, und statt: „in Wittenberg ge-
boren, in Mailand unterthänig", soll es von Faust
selber heissen: „in Mailand (Anhalt) geboren, in Witten-
berg erzogen."
Diese Herkunft Fausts aus Anhalt stammt aus
dem Widmannischen Faustbuche, und ist aus diesem
auch in das böhmische Volksbuch übergegangen, jedoch
erst durch das Medium der Kurzischen Bearbeitung,
erst im Jahre 1852; von einer früheren Bearbeitung
dieser Quelle wissen wir, wie schon oben erwähnt,
nichts, da Carchesius dem Titel nach zu schliessen
nicht das Widmannische sondern das Spiesische Faust-
buch übersetzt hat ; von da konnte also der Name Anhalt
nicht direct in das böhmische Puppenspiel übergehen, und in
einem deutschen Puppenspiele findet er sich nicht, die iden-
tificieren Faust mit dem Buchdrucker und lassen ihn in
Mainz leben, wie B S, oder er lebt in Wittenberg, wie
schon M, so A, oder in Erfurt, Sw, oder sie schweigen
über seine Herkunft, wie N, W u. s. w.
Statt des Herzogs von Parma, an dessen Hofe
alle Puppenspiele ausser U die Künste Fausts spielen
lassen, tritt der König von Portukäl resp. Persien auf;
wichtig ist, dass Faust wie in U an einen Königshof
reist; der gleiche Anlaut von Prag, Parma, Persien,
Portugal (Padua) ist wohl zufällig. — Eine Fassung von C
(D) nennt statt der Gemahlin des Königs seine Tochter,
wie Sw, r, nur heisst sie in diesen Lucretia, in jenem
Frolina; auffallend ist noch der Name Pik, welchem in
den deutschen Puppenspielen Auerhahn entspricht; der
61
Name erinnert an nichts so, wie an das Pickelhering
in U. Sollte C damit eine Erinnerung an diese alte
Namensfonn des Hanswursts bewahrt habeli? In diesem
Falle hätte C einfach den unverstandenen Namen der
komischen Person dem zweiten Teufel beigelegt, und
dessen wirklichen Namen vergessen. — Bei der Ver-
gleichung trenne ich die ernsten Scenen von denkomisehen.
Ai Die ernsten Scenen*
1. Fausts Monolog.
Das Vorspiel in der Hölle fehlt wie in allen
deutschen Puppenspielen ausser ü, E, S, B. Die Ge-
danken von Fausts Monolog sind:
a. Er ist Doktor der heiligen Schrift, aber der
Sohn eines armen Taglöhners,
b. Er ist mit seinem Stande unzufrieden, weil
niemand zufrieden ist.
c. Er will eine höhere Würde erlangen. —
Nur in D beginnt Faust mit einigen lateinischen
Floskeln, diese enthalten jedoch nicht allgemeine Wahr-
heitssprttche wie U, A, E, sondern scheinen einen
Bezug auf Fausts Schicksal zu enthalten ; etwa folgende
Worte lassen sich ans der verderbten Stelle entziffern :
Adeo per — latina evectus pro — doctor, non doctor
medicinae, non juris sed sacrae scripturae . . . quam-
quam doctor Faust . . . magistrat . . . produceris. —
Das wäre dann dasselbe, was auch in dem böhmischen
Texte des Monologs gesagt ist. So enthalten auch in
W die lateinischen Worte keine Gemeinplätze anehr,
sondern beziehen sich auf Faust selber. — Uebrigens
62
erwähnt auch in den genannten Monologen Faust die
verschiedenen Facultäten bei dem Sprichworte: Quot
" capita tot sensus; es sind verschiedene Reste der Be-
trachtung der Facultäten bei M. — Genau entspricht
der Anfang von N: „Ja, die gründliche Wahrheit muss
ich gestehen, dass ich ein Doctor bin", wobei die
„gründliche Wahrheit" nur eine Formel ist, die in
dieser Sammlung bei Einführung fast jeder neuen Person
sich findet, worauf mich Lambel aufinerksam gemacht hat.
N theilt auch die Angaben über die Herkunft
Fausts; sonst erwähnt Fausts Vater nicht' einmal der
Eingangsmonolog von E', das doch den. Vater später
einführt, für mich ein sicherer Beweis, dass die Scene
nicht so alt ist, als Engel will.
b. Die Unzufriedenheit motivieren ebenso, durch
die Unzufriedenheit in allen Ständen, E A, angeknüpft
an das Sprichwort: Nemo sua sorte contentus est;
ebenso W, das allerdings diesen Theil des Monologs an
den Beginn des 3. Aktes verlegt. N sucht eine An-
knüpfung an den vorigen Gedanken: „Mein Vater
sprach recht oft und vielmals zu mir: mein liebes
Kind , ich möchte dir ja recht gerne helfen , wenn ich
nur ein Bauer wäre, aber leider bin ich nur ein armer
Taglöhner. Wird aber aus dem armen Taglöhner ein
Bauer, so möchte er etc." — C scheint ursprünglicher
schon darum, weil es die Stufenleiter mit dem Bauer
beginnen lässt.
c. Welche höhere Würde Faust erlangen will, sagt
C nicht; N sagt, Faust wolle aus einem Theologen ein
Nekromant werden; das scheint hier zu fehlen, da die
Geisterstimmen den Gegensatz von Nekromantie und
Theologie voraussetzen.
63
Besonders eng ist der Zusammenhang mit N, doch
hat dieses abweichend die Betonung von Fausts Armut;
im ganzen entspricht jedoch der Monolog von C, dem
Monolog bei Marlowe, von dem er zu dem ersten Teile
des Monologs bei Goethe hinüberleitet.
2. Die Geisterstimmen.
Creizenach nimmt an, dass die Geister auch dort,
wo sie benannt sind, nicht wirklich auftraten; es
scheint jedoch, dass die Geister, auch wenn sie Faust
unsichtbar bleiben, dem Publikum sichtbar sind. So
heisst es auch in N „Stimme zur Eechten" — in dem
Bericht über die Aufführungen desselben Puppenspiels,
jedoch (Lecher im Feuilleton der „Presse" 12. 12.
1881) heisst es: „zur Eechten erscheint sein Schutz-
geist, um ihn zu warnen, zur Linken der Teufel, um
ihn zu locken." Da N nachstenographiert ist, so ist
dieser Widerspruch besonders auffallend ; sollte derselbe
Puppenspieler abgewechselt haben ? — Dass den Geistern
eine nähere Erklärung nicht abverlangt wird, sondern
dass sie nach einmaliger Eede und Gegenrede abgehen,
gemahnt an die Scene bei M.
3. Die beiden Studenten.
Wagner meldet zwei Studenten , die ein Buch
tragen und den Doktor sprechen wollen (so fast tiber-
all, in G und Sw sind es drei, in S ein vornehmer
Herr); was aber von allen Puppenspielen abweicht, ist
das folgende: Faust fragt nach den Namen der Stu-
denten, und Wagner nennt sie Fabricius und Cornelius
(in D Fabricius und Antonius), und Faust erkennt, das
seien die Studenten, welche die Nekromantie studierten,
und eilt, sich mit ihnen zu unterreden.
64
In diesem Zuge geht C über alle deutschen Puppen-
spiele hinaus; Fabricius und Cornelius, welche die
Schule der Nekromantie besuchen, sind offenbar Mar-
lowes Zauberer Valdes und Cornelius, welche Faust
durch Wagner zu sich berufen lässt. Im deutschen
Puppenspiel ist, wie Creizenach richtig erkannt hat,
die Scene der Magier und die folgende der Studenten
zu einer einzigen verschmolzen; Schade leugnete den
Zusammenhang, er schreibt aao. 266: „In Widmanns
Faustbuche von 1599 heisst es, er habe in seinem
Einlager allerlei abergläubische Oharactere und was
ihme auch sonst für teufelische Bücher von leichtfer-
tigen und gottlosen Studenten waren zuHenden kommen,
zusammengeraffet und abgeschrieben. Hier haben
wir also schon die Studenten des Puppenspiels.
. . . Marlowe weiss nichts von Studenten, die ihm
Zauberbücher bringen, er lässt seinen Faust durch
Valdes und Cornelius, die er auch persönlich einführt,
weiter unterrichten." — Auch R. M. Werner (Afda
V, 91) sagt: „Die Sache liegt so: M führt zwei Zau-
berer, dann zwei Studenten vor, von einem Zauber-
buche ist die Rede nicht. In allen Texten des
Puppenspieles, TT eingerechnet, liegt das Schwergewicht
auf der Zauberschrift, nach der sich Faust so lange
sehnt; ... die Studenten aber erscheinen nur in U
auf der Bühne, also — sagt Creizenach — schliesst
sich hier U an M; dass es näher gelegen hätte, zu
vermuten, in U sei nach einer unzälüige Male zu be-
obachtenden Gepflogenheit eine angedeutete Scene selb-
ständig ausgeführt worden, dies scheint für Creizenach
unter die Möglichkeiten nicht zu gehören. '^
Diese Zweifel an der Identität der beiden Magier
65
mit den beiden Studenten müssen jetzt angesichts einer
so auflfallenden Uebereinstimmung im Namen verschwin-
den ; eine zweite wichtige Uebereinstimmung ist, dass
Fabricius und Cornelius die Schule der Nekromantie
durchgemacht haben, während in U die beiden Studenten
nur zufällig in den Besitz des Zauberbuches gelangt
sind und sogar vor seiner Anwendung warnen. Eine
Brücke von M zu den deutschen Puppenspielen baut
C dadurch, dass die beiden Studenten ein Buch unter
dem Arme tragen ; das Buch ist noch nicht so wichtig,
wie im deutschen Puppenspiele, aber es ist da; dieses
Buch scheint für den Zauberer unentbehrlich (auch M
erwähnt an anderer Stelle Zauberbücher), beruht viel-
leicht wirklich, wie Schade will, auf Widm., dessen
Einfluss wir ja im Namen Anhalt beobachten konnten,
oder es erinnert auch an die zahlreichen Zauberbücher,
mit denen im 17. Jahrhundert Fausts Name verknüpft
war. — Dass die Belehrung hinter der Scene vor sich
geht, entspricht wieder M, wo nach einem Preis der
Magie Faust sich mit beiden Magiern zurückzieht. —
Die Scene in U ist ein entstellter Rest jener Scene
bei M; später wird alles Gewicht nur noch auf das
Buch gelegt, nur in den abgeleiteten Fassungen 0, W,
Sw wird die Unterredung hinter der Scene erwähnt,
in A lässt sich Faust entschuldigen und bittet nur um
das Buch, in B E G S verschwindet der Bringer des
Buches; ja die Studenten werden geradezu für Teufel
erklärt, so hat E Faust geträumt, zwei Teufel in
Studentengestalt brächten ihm ein Buch, und in er-
klärt er: „Es waren wirklich Teufel, diese zwei Stu-
denten." — N stimmt hier nicht zu C, Faust hält die
Studenten für zwei höllische Geister, dann lässt er sie
S^raus, Böhm. Puppenspiel Faust. 5
66
^nach Stadentenart** bewirten, und sieht sie so wenig
wie in A.
Auch für den Zusammenhang des Puppenspiels
filterhaupt mit M ist diese Scene beweisend, was ich
anführe, weil Zweifel an dieser Beziehung immer noch
ausgespi'ocben werden, so sagt Bielschowsky aao, dass
^nach einer weit verbreiteten Ansicht unser Volks -
Schauspiel aus dem Marloweschen sich herleitet; eine
Ansicht, der ich nicht huldige." Diese Uebereinstim-
mung kann nicht Zufall sein, sie beweist die Richtig-
keit der angefochtenen Herleitung zur Evidenz.
4. Faust und Wagner.
Faust lässt sich von Wagner Pinsel und Reibstein
schaffen, um den Zauberkreis zu malen; dieser Zug
findet sich sonst nur in U, wo Faust von Wagner den
Kreis aus seinem Zimmer holen lässt. In dieser Aus-
führlichkeit liegt ein gewisses Behagen am Detail, das
gegenüber der Hast anderer Puppenspieler (wie E 0)
wohltuend berührt. Auch in G ist der Kreis mit vielen
hünmlischen Zeichen bezeichnet. Eine gewisse Freude
an der Malerei, ein Verständnis für dieselbe kann
gleichfalls constatiert werden, da uns dieses Motiv noch
einmal in dem Stücke begegnet.
5. Die Beschwörung.
Im Walde wie in C spielt diese Scene auch G,
S, N, aber auch M ist ein Wald vorausgesetzt; sonst
beschwört Faust die Geister in einem Zimmer. Wir
betrachten:
a. Die Beschwörungsformel. In D lassen sich
wieder verstümmelte lateinische Worte erkennen :
67
„Maledico vos infernales, huc adito", welche
einerseits an die Formel in ü: „Conjuro vos per omnes
deos etc.", andererseits auch anG: „Ihr Bewohner des
tiefen Tartarus, verflucht, verflucht seid ihr Alle" ge-
mahnen. Das folgende stimmt in beiden Texten von C
überein. Faust beschwört:
J: durch Strik Pik Meflstofl Auberon und Pluto —
D: Stryks romilo, karam Pluto aram auron estovilo,
worin wir die Namen Styx, Acheron, Pluto wieder-
finden. Aehnlich heisst es E:
Im Namen des Astarti, beim Styx und Acheron
und N: Komm über Styx und Axi.
In D fügt er noch bei „Mesistofl pihikfe" wieder an
die Formel in E: limkischee o Pluto, und mit dieser
an die Zauberbücher erinnernd.
Der eigentliche Wunsch Fausts :
dass ihr mir vorstellet einen.
von dem mein Buch erzählt viel
steht durch den Eeim am nächsten N:
lass mir einen
an die obere Welt erscheinen,
b. Die allzulangsamen Geister. In drei
Fassungen von C erscheint ein Geist vorMefistofl, doch
auch in D lässt die Frage nach der Schnelligkeit
darauf schliessen, dass auch hier eine solche Scene
vorhanden war. In der Erscheinung eines einzigen
Geistes stimmt C nur mit N zusammen; hier erscheint
Auerhahn, der so geschwind ist, wie die Kugel aus
dem Rohr, und dieselbe Geschwindigkeit haben wir
aus der unklaren Ausdrucksweise von J herausgelesen.
Auch das Brrr der Geister stimmt überein , und die
XJebereinstimmung wäre eine vollkommene, wenn nicht
68
die Eigenthümlichkeit von C hinzuträte, dass die
Geister nicht auf Grund ihrer Schnelligkeit beurtheilt
werden, sondern nach ihrem Namen, zu dem die Ge-
schwindigkeit im Buche steht. Das scheint ein junger
Zug, vielleicht erst in C selbst, nicht in dessen Quelle
verändert; Veranlassung dazu konnten die Zauber-
bächer geben, welche unter Fausts Namen auch in
böhmischer Sprache umliefen und die Eigenschaften
jedes Geistes bei seinem Namen enthalten. Dass der
Name Pik an Pickelhering erinnert, wurde schon be-
merkt. In j heisst dieser Teufel Pronulo und ist so
geschwind wie ein Blinzeln.
c. Der Vertrag mit Mefistofl. Bei den Ver-
handlungen mit Mefistofl fehlt ein wichtiger Punkt, die
Bedingungen Fausts, die doch schon das Volksbuch kennt.
Er verlangt einfach, dass ihm der Geist die bestimmte
Zeit hindurch alles tue, was er ihm befehle. Dagegen
sind die Bedingungen Mefistofls aufgezählt; es sind
fünf Punkte, wobei die Blutunterschrift mitgezählt ist;
sie sind dieselben wie in E W, nur tritt, bedeutungs-
voll auf die wichtige Rolle deutend, die das Kreuz in
dem Stücke spielt, die Bedingung hinzu, Faust dürfe
das Kreuz nicht beachten (vor keinem Kreuz den
Hut abziehen j) das entspricht dem Abschwören
Gottes in den älteren Puppenspielen, wird doch hin-
zugefügt, Faust solle seines Gottes vergessen. Nicht
einmal N hat diese Bedingung, C steht damit ganz
allein.
d. Der Contract. Gleich nach Abschluss des
Vertrages saugt Mefistofl Fausten das nöthige Blut
aus dem Finger, es erscheinen die Worte homo fuge,
sodann zieht sich Faust zurück, um den Contract zu
69
schreiben, jedoch nicht in seine Wohnung, wie in den
übrigen Puppenspielen, sondern in eine Felsengrotte.
Gewöhnlich erfolgt die Uebergabe des Contractes
und die ganze Verwandlung in der Wohnung B'austs;
in N wird gleichfalls Mefistofilus auf 12 Uhr bestellt,
um den Contract in Empfang zu nehmen ; als er jedoch
kommt, ist der Contract bereits Pluto übergeben, also
die Situation von C vorausgesetzt. — Während der
Contract geschrieben wird, hört man die mahnende
Stimme eines Engels, wie E S W, aber auch schon M.
Eigenthümlich ist der Zug, dass Faust die Feder aus
der Hand verschwindet. — Hier und in N versichert
Faust, die Geister würden sich ihren Lohn sauer ver-
dienen. — Wie der Contract zu Pluto befördert wird,
wird nicht gesagt; J sagt Faust, wem das Schreiben
gehöre^ der könne kommen und es aus seiner Hand
nehmen; ist dabei die Rabenpost angedeutet?
6. Die Reise nach dem Königshofe.
Faust hört von dem glänzenden Beilager des
I^önigs von Portugal (der Königstochter von Persien
D); die Hochzeit des Herzogs erwähnen noch A E W S,
das Genesungsfest der Tochter 0, diese erwähnen noch
Sw, r; — von Festen im allgemeinen ist die Rede B,
N, U. — Als das Ursprüngliche muss der Aufenthalt
am Hofe des Kaisers und des Herzogs von Anhalt
angesehen werden, daraus konnten sich leicht zwei
Versionen bilden ; die eine mit einem herzoglichen Hofe,
der jedoch bald ausserhalb Deutschlands gesucht wurde,
die andere mit einem königlichen statt des kaiserlichen,
der ebenfalls bald von Prag in fremde Länder verlegt
wurde.
70
7. Die Geistererscheinungen.
Die Erscheinungen von J: Helena und Alexander
schienen uns die ursprünglichsten von allen ; überhaupt
unterscheiden wir folgende Entwickelung der Erschei-
nungen :
1.. Alexander am Hofe, Helena vor den Studenten
M.
2. Alexander am Hofe ü W.
3. Alexander (Carolus magnus) und Helena am
Hofe J, Schröders Bericht.
4. Alexander, Helena, David und Goliath c.
5. David und Goliath D.
6. David und Goliath und andere biblische Er-
scheinungen, Kurz, Schütz - Dreher, E, L, 0,
lo, t.
Diese Entwickelung von antiken Erscheinungen zu
biblischen ist so naheliegend, dass sie füglich die
deutschen Puppenspiele und das böhmische unabhängig
durchmachen konnten; in Böhmen war im ganzen 16.
und 17. Jahrhunderte der Geschmack an biblischen
Aufführungen allgemein, besonders oft werden Auf-
führungen von Saultragödien erwähnt; auch die böh-
mischen Puppenspieler führen (nach dem erwähnten
Aufsatz von Roth) biblische Stücke auf. — Ob der
König oder seine Tochter ihr Hochzeitsfest feiern, ist
nicht besonders wichtig; dieses Verhältnis spielt keine
so grosse Rolle im Puppenspiel, als man seit Simrocks
Bearbeitung ihm beilegt. Ein Hof, der immer in
Freuden lebt, erscheint nicht ganz glaubwürdig, man
sah sich nach einer Ursache dieser Festlichkeiten um,
als welche sich ein Hochzeitsfest darbot,
71
Die Art, wie Faust sich vom Königshofe entfernt,
finden wir
1. nicht angedeutet M U;
2. Faust wird wegen Zauberei verbannt C N ;
3. ihm droht Strafe f iir seine Zauberei und Meph.
bringt ihn in Sicherheit Sw;
4. Faust soll vergiftet werden, Mephisto führt ihn
vor der Tafel davon; der Grund ist:
die Beleidigung der Herzogin durch Hans-
wurst W,
der Verrath Kasperls und die Eifersucht des
Herzogs E, 0, Schütz-Dreher,
die Rache der Hofherm A. —
N beginnt hier erst nach der Verbannung, es hat
die Geistererscheinungen gestrichen wie auch S und
G; — der Grund von Fausts Abreise in C macht den
Eindruck der ürsprünglichkeit.
8. Fausts Rache.
Faust rächt sich für seine Verbannung durch ein
uiegesehenes Spektakel , das den König veranlassen
soll, seinen Kopf zum Fenster herauszustecken; dann
soll ihm ein Hörnerpaar anwachsen; dies wird in J
ausgeführt, in N verspricht es der Teufel, in D schlägt
er es ab.
Schon in M lässt Faust einem knight (Benvolio
M') als Strafe der Missachtung ein Geweih anwachsen,
diese Scene kam auch im Volksschauspiel des 17. Jahr-
hunderts vor, wie das Epigramm von Amaranthes
(Creizenach 86) beweist, allerdings scheint es erst in
C N der König selbst zu sein, dem das Geweih
angezaubert wird.
72
Auch in E will Faust, um sich zu rächen, vor den
Augen des gesammten Hofes nach Constantinopel
fliegen. .
Einige von den Eunststftcken Fausts finden sich
auch an verschiedenen Stellen anderer Puppenspiele:
es sind folgende:
a. Faust schiebt auf dem Wasser Kegel; in c auf
der Donau, ebenso in N: (er will in die Donaugegend)
„ich will theils auf dem Wasser spazieren, auch reiten,
fahren, Kegel schieben"; sonst findet sich diese Forde-
rung gleich unter den Bedingungen Fausts. 0: „Zweitens
sollst du, wenn ich in Salzburg (so! natürlich ist
Regensburg gemeint) meine Freunde besuche, auf dem
grössten Strudel der Donau ein Spiel Kegel aufsetzen,
jedoch so, dass, wenn wir Kegel schieben, sich keiner
einen Fuss nass macht." — Das Kegelspiel verlangen
noch die Puppenspiele KoUm. F., Kollm. J. und das
Dietrichsche Puppenspiel (Tille 127). Eine wirkliche
Ausführung nur in C. —
b. Mefistofl muss Faust eine Brücke bauen und
hinter ihm wieder abbrechen; einen Damm über die
Donau verlangt Faust auch in r.
c. Faust erregt ein furchtbares Gewitter, bei dem
fabelhafte Ungeheuer erscheinen; schon früher hat er
dem Könige versichert, er könne machen, dass die
Fische fliegen und die Vögel schwimmen. In E giebt
er eine Zaubervorstellung mit ähnlichen Künsten, aller-
dings in Wittenberg, aber ebenfalls zwischen dem dritten
und vierten Akte.
d. Faust will auf dem schnellsten Pferde reiten,
und Mefistofl muss den Weg vor ihm mit Kieselsteinen
pflastern; dies verlangt er schon in den Vertragsbe-
73
dingungen: W, KoUm. E, KoUm. F, KoUm. K, ähn-
liches in 0. lieber die Verbreitung dieses Motivs in
der Sage s. Tille 124 ff. Nachzutragen wäre, dass
auch die Prager Localsage, welche Hnßvkovsky wie
oben bemerkt wurde, in seinem Faust benutzt hat,
dieses Kunststück des Teufels kennt.
e. Meflstofl soll aus dem feinsten Häckerling Stroh-
bänder flechten und Sand in Garben binden, sonst in
keinem gedruckten Puppenspiel belegt. — Eine inter-
essante Motivierung dieser Quälereien bietet die unga-
rische Faustsage, welche Heinrich in der „Ungarischen
Revue" (VI, 1886, 780—804) mittheilt. Hier lesen
wir S. 789 : „Er wusste es wohl aus den Märchen, die
er noch als Knabe von seiner Amme vernommen, dass
man in solchen Fällen von den tellurischen Geistern
drei Unmöglichkeiten fordern muss; aber was sollte
er fordern?** — Er verlangt endlich ein vorjähriges
Ei einer in diesem Jahr geborenen Ente, ein stummes
KiDd, das sprechen kann, und Ciceros Werke, die er
nach seinem Tode schrieb. „Die Dämonen heulten
entsetzlich: Wir sind deine Sklaven ! und verschwanden.**
9. Des Teufels Verzweiflung.
Während einige deutsche Puppenspiele den Klinge-
rischen Zug enthalten, dass Faust eitle Wünsche aus-
spricht, und der Teufel durch Hohngelächter andeutet,
wohin diese Wünsche führen, erfüllt sich in C Fausts
Drohung, dass die Teufel sich seine Seele werden sauer
verdienen müssen. Fausts Forderungen bringen Mefls-
tofl so weit, dass er ihm den Contract zurückgeben
will. Aber noch ist Faust nicht in der Stimmung,
74
darauf einzugehen, er ist von Reuegedanken noch weit
entfernt, er nimmt denn auch den Vorschlag des Geistes
nicht an und weiss sich seinen Gehorsam auf andere
Weise zu sichern; er droht dem Teufel,' nach ihm zu
scliiessen. Was für Kugeln er geladen hat, dass sie
sogar den Teufel verletzen, wird nicht erwähnt. — In
diesem Zuge steht C allein, auch in N erwidert der
Teufel auf Fausts Forderungen mit Klingerischem
Hohngelächter,
10. Das Kreuzesbild.
Faust kehrt im Beginn des letzten Aktes von
einer Weltfahrt zurück, wie U, A, Sw ; auf dieser Reise
hat er: _
J:
zu Jerusalem ein Kreuz in der Luft schweben sehen;
D:
das hl. Kreuz in Jerusalem küssen wollen, aber der
Teufel wollte ihn nicht hinführen.
Er will nun ein solches Kreuz gemalt haben, wie
er es dort gesehen hat; es war noch nicht die Reue,
die ihn nach Jerusalem führte, aber dort scheint sie
erweckt worden zu sein; aber sie ist noch so wenig
lebendig, dass Faust nicht daran denkt, den Contract
zu lösen, als ihm der Teufel abermals diesen Vorschlag
macht. Mefistofl muss die Farben aus Portugal, die
Leinwand aus Regensburg holen, dann malt er das
Crucifix, versucht Faust über das Fehlen der Inschrift
wegzutäuschen , wird durch die bestimmte Forderung
derselben in die Flucht gejagt; ein Engel schwebt beim
Gebete Fausts daher.
Dieses Motiv kommt in den deutschen Puppen-
spielen nur noch an vier Stellen vor, und zwar N, Sw,
75
t, r; eine Inhaltsangabe wird zeigen, dass alle diese
Stellen unklar sind gegen C, dass sie erst durch dieses
ins richtige Licht treten.
In N hat Faust, als er über die Berge flog, ein
Kreuz am Firmament gesehen, Mefistofilus soll es ihm
malen, oder ihn dazu führen; Mefistofilus verschwindet,
dann aber erscheint das Kreuz, und Mef. ruft unsicht-
bar, es sei fertig; es weicht aber vor Faust zurück,
dann erst erscheint Mefistofilus, von dem Faust das
Titelblatt verlangt; Mef. erklärt, wenn er diese Buch-
staben aussprechen dürfte, dürfte er noöh Gnade hoffen,
und damit fällt das ganze Motiv, Faust hält sich an
das Wort Gnade, und vom Kreuze ist nicht mehr die
Rede.
In Sw hat Faust das Kreuz auf Calvari gesehen
und erkannt, welch ein Thor er gewesen; der Teufel
hat ihm versprochen, aus Unmöglichkeit Möglichkeit
zu machen (so steht es wirklich in den Bedingungen);
darum soll er ihm das Conterfei schaffen; der Teufel
will die Handschrift zurückstellen, endlich verspricht
Mefisto, den Befehl zu erfüllen, obwohl es der Hölle
unzählige Opfer kosten wird, kündigt ihm aber schon
jetzt den Ablauf der Frist an; dann erscheint zur
Linken Fausts das Bild; die fehlende Inschrift wird
gar nicht erwähnt.
Nach dem Bericht Zingerles über t fordert Faust
das Bild des Gekreuzigten mit der Inschrift ; der Teufel
will eher sein Opfer fahren lassen als die Aufgabe
lösen, — eine Zwischenscene , dann bringt Mefistofilus
das verlangte Bild, kündigt ihm den Ablauf der Frist
an, Hanswurstscene , das Bild ist verschwunden, dann
folgt die Scene mit der Frage nach den Höllenstrafen.
76
In r hat Faust wie in Sw die Bedingung gestellt,
der Teufel solle das Unmögliche möglich machen.
„Man bleibt nun gespannt, was Faust fordern werde,
was die Kräfte des Teufels übersteige. Endlich will
er nach Jerusalem. Das ist unmöglich, entgegnet
Meph., diese Stadt ist uns Teufeln zu betreten ver-
boten. Natürlich wirft ihm der Doktor seine Ohnmacht
und sein Versprechen bitter vor. Meph. sucht ihn zu
beschwichtigen und verspricht ihm, das Kreuz Christi
vom Calvarienberge zu holen, was auch geschieht.**
Die Inschrift wird nicht weiter erwähnt.
Von diesen vier Stellen stehen sich, wie man sieht,
Sw und r einerseits, N und t andererseits nahe; Sw
und r haben das Motiv der fehlenden Inschrift nicht
und gehen von der Unmöglichkeit aus. Für letzteres
Motiv glaube ich die Quelle in J gefunden zu haben,
wo Faust dem Teufel auf seine Versicherung, dass er
die Inschrift weder malen noch aussprechen könne,
sagt: „Höre zu, denn in der That, Gott verlangt von
Menschen keine unmöglichen Dinge, also werde auch
ich, du höllischer Geist, sie von dir nicht ver-
langen." Aus dieser Versicherung konnte sich leicht
die Forderung der Unmöglichkeit entwickeln.
In N und t wieder ist gleicherweise die Scene
durch das Herüberspielen der Fragescene gestört und
das Motiv bleibt einflusslos.
Wenn wir, wie noch geschehen soll, die beiden
Fassungen von C combinieren, so haben wir eine ein-
heitliche und überaus dramatische Scene, jedes Motiv
tritt genau zur rechten Zeit ein, die Ueberlieferung ist ganz
ungetrübt, das Malen geht vor unseren Augen vor , das
Holen der Farben aus Portugal (Oporto? [Porto Cale])
77
und der Leinwand aus ßegensburg erinnert an die
Freude am Malen, die wir schon unter Nr. 4 beobachtet
haben.
Was entspricht nun dieser Scene in den übrigen
Puppenspielen? Es ist die Frage Fausts.
In M will Faust, der nicht bereuen kann, mit
Mephostophiles disputieren; nach einigen weltlichen
Fragen thut er die Frage, wer die Welt erschaffen
habe; Mephostophiles kann nicht antworten und flieht
bei dem Namen Gottes, die Engel erscheinen, Faust
bereut, da kommt Lucifer, schreckt ihn ab und führt
ihm die sieben Todsünden vor; nach einem zweiten
Reueanfall wird ihm Helena zutheil.
In ü A N fragt Faust nach dem Himmel und
seiner Seligkeit, Meph. vermag darüber keine Auskunft
zu geben.
In E S W und der .Schütz - Dreherschen Gruppe
fragt Faust, ob er noch imstande wäre, ein Kind der
Seligkeit zu werden; Meph. wagt nicht zu antworten.
In fragt Faust nach der Hölle; in G fehlt das
Motiv ganz.
.Von den beiden Fassungen, die nach Abrechnung
der sinnlosen übrig bleiben, ist die letztere offenbar
befriedigender; Faust hört, dass er noch nicht rettungs-
los verloren ist, dadurch ermuthigt, wirft er sich zum
wirklich reuevollen Gebete nieder ; seine Reue ist keine
Kains- und Judasreue mehr, wie das Volksbuch sagt,
sondern eine wirkliche, warme. Der ersten Frage
müssen wir denselben Sinn erst unterlegen , denn was
nützt es sonst Fausten, zu erfahren, wie gross die
Seligkeit sei? Hat er sie darum weniger verscherzt?
Auch die Flucht Mephistos ist erklärt, lügen darf
78
er nicht, und mit der Wahrheit mttsste er Faust retten ;
er antwortet also nur durch Schweigen.
Wenn wir annehmen, die Frage nach dem Himmel
sei das Ursprüngliche, wie sie ja an die Fassung
Marlowes erinnert, so hätte man schon recht frühzeitig
diese Frage als unzureichend zur Motivierung der
Flucht Mephistos empfinden und die Stelle ändern
können. Diese Aenderung geschah nun auf doppelte
Weise.
Die eine Bearbeitung, repräsentirt durch unsere
fünf Stellen, ersetzte das ganze Motiv der Frage durch
das des Kreuzmalens.
Die andere änderte die Frage bedeutungsvoll um;
die erstere ist poetisch, an Malerlegenden erinnernd,
die letztere verstandesmässig, logisch; ich weiss nicht,
ob mich mein Gefühl nicht täuscht, wenn ich die erstere
dem katholischen Süden, die letztere dem protestan-
tischen Norden zuschreibe. Eine Priorität des Alters
vermag ich keiner der beiden Lösungen zuzuerkennen.
A bildet dann ein Uebergangsstadium , es gehört
der zweiten Fassung an, lässt aber doch das Kreuz
eine Rolle -spielen ; umgekehrt sind N t von der zweiten
Fassung beeinflusst. Dass umgekehrt aus den dunkeln
Andeutungen in A die Scene in C hätte hervorgehen
können, halte ich für unmöglich.
Eine Bemerkung fordert noch der Umstand, dass
in r das Kreuz geholt, nicht gemalt werden soll;
auch in N will Faust entweder zum Kreuze geführt
werden oder es gemalt sehen. Wenn man jedoch be-
denkt, dass auch im Berichte Andrees vom Holen die
Rede ist, während drei Texte, vom Malen sprechen,
so werden wir auch dem Bericht r nicht allzuviel
79
Gewicht beilegen. Es wäre höchstens eine selbständige
Aenderung hier wie dort.
11. Helen a.
Faiists Gebet sucht der Teufel zu unterbrechen,
und nach einigen misslungenen Versuchen lenkt er
seine Aufmerksamkeit auf die schöne Jungfrau, die er
ihm gebracht hat. — In den deutschen Puppenspielen
wird diese verführerische Schöne fast überall als
Helena (0, Sw* freilich als Klingemannische Helena,
(Jie Höllenbraut) bezeichnet, nur in lo ist es Lucretia,
aber gerade in einem Spiel unserer Gruppe, in t ist es
die geliebte Meretrix. Auch in N wird sie als „ein
sehr hübsches Frauenzimmer" bezeichnet, erst später
heisst es, es sei die schöne Helena. —
Helena verwandelt sich in Fausts Annen in einen
scheusslichen Teufel, und zwar hinter der Scene, wie
E W B N, wie in . auf der Bühne ; in A verschwindet
sie auf der Bühne; diese Verwandlung kommt noch
nicht vor: ü, S, G.
12. Die erloschene Frist.
Während Faust in den deutschen Puppenspielen
sich 24 resp. 12 Jahre der Dienste Meph. erfreuen
kann, ist diese Zeit in C gegen alle sonstige Ueber-
lieferung auf 36 (eigtl. 18) Jahre erstreckt. Ebenso-
lang ist die Frist, die sich der Marschall von Luxem-
burg nach dem Volksbuche von 1702 ausbedingt. Er
verschreibt sich (Creizenach 96 f.) auf 36 Jahre, „Tag
und Nacht zu 24 Stunden gerechnet. Diese Zeit nun
soll sich heute anfahen, als den 2. Januar dieses 1659.
Jahres, und sich endigen eben diesen Tag des 1695.
Jahres." Ebenso wie wir in dieser Verclausulierung
80
einen Einfloss des deutschen Volksschauspiels beobachten
können, so dürften die 36 Jahre in C auf dem Völks-
buche vom Luxemburger beruhen. Für die 36 Jahre
findet sich in diesem ein stichhaltiger Grund vor; es
ist dies gerade die Zeit zwischen seiner Einkerkerung
in der Bastille und seinem Tode. In der böhmischen
Literatur finden wir nun allerdings keine Spur eines
Volksbuches vom Marschall von Luxemburg, doch kann
im Beginn des 18. Jahrhunderts das Interesse für den
Marschall auch in den östlichen Ländern gross genug
gewesen sein, wie der Zusatz zu dem Drucke des
Faustliedes I A (aus dem ersten Viertel des 18. Jahr-
hunderts in Oesterreich) beweist.
13. ludicatus es.
Die Frist zwischen der Ankündigung und Abholung
ist bei M eine Stunde, trotzdem gibt sie Gelegenheit
zu dreimaligen Glockenschlägen; in U hören wir die
Viertelstunden von elf bis zwölf, ebenso vergeht blos
eine Stunde in S; in A E W und bei Schütz - Dreher
treten dafür die Stunden von neun bis zwölf ein, und in
den einzelnen Stunden hören wir die mahnenden latei-
nischen Rufe. C stimmt, abgesehen von dem verstüm-
melten Ende von D, zu dieser Gruppe, wir hören die
Stunden zwar erst von zehn an, aber schon vorher,
also nach neun, heisst es, ein Vogel auf dem Dache
rufe Indicave (Jubi kabe), was Faust übersetzt: Bereite
dich ! In D sagt Mefistofi, Faust sei schon in aeternum
natus. Wir können somit drei von den bekannten
Rufen, „praepara te" in Uebersetzung , die andern in
Verstümmelungen belegen, es wird also wohl auch
^accusatus es" nicht gefehlt haben.
81
Dass ein sdiwarzer Vogel den Rnf ansstösst, er*
innert an A. In diesem erzählt Hanswurst, die Leute
sagten, der Teufel werde ihn holen, dann erzählt
Wagner auf die Frage Fausts, was auf dem Dache
vorgehe, ein schwarzer Rabe sitze dort, „eine weisse
Taube wollte auch aufsitzen, aber der Rabe verhinderte
es; jetzt führet derselbe ein fftrchteriiches Geschrei."
V
In C finden sich diese beiden Angaben auf beide
Versionen vertheilt, in D heisst es, die Leu t« schrieen
Jubi kabe, in J: ein schwarzer Vogel sitze auf dem
Dache; Wagner bestätigt diese Angabe und nimmt
seine Entlassung; Pimprle erzählt sodann, wie eine
Taube mit dem Raben gekämpft habe und unterlegen sei.
V
stand ursprünglich in C beides wie in A?
Die Reuemonologe sind fast verschwunden, dafür
bittet Faust um einen kleinen Aufschub (nur noch in
N). — Die Teufel holen ihn mit Gesang und Feuerwerk.
B. Die komischen Scenen«
Der Name Kasperls kann uns keinen Anhaltspunkt
zur Beurteilung der Herkunft der komischen Person
geben, so heisst der lustige Bediente in allen böhmischen
Puppenspielen. Wichtiger wäre der Name Pik, wenn
meine Vermuthung richtig ist, dass er einen Rest von
Pickelhering enthält. Auch die komischen Scenen
stimmen mit den deutschen Puppenspielen sehr nahe
zusammen; allerdings verlässt uns hier eine sonst sehr
gute Quelle, nämlich U; die Bearbeitung, wie sie uns
vorliegt, hat die komischen Scenen offenbar gekürzt;
Lübke sagt Zs. fda 31, 167 sehr richtig: „Das alte Volks-
schauspiel war keineswegs so arm an Pickelherings*
Kraus, Böhm. Pappenspiel Fanst. 6
82
scenen, wie Creizenach annimmt." Im voraus mag als
allgemeine Charakteristik der komischen Scenen er-
wfthnt werden , dass auf Pimprle die Worte R. M.
Werners (Anz. fda. XIII 62) passen: „Sein Auftreten
(Hanswursts) entspricht durchaus der altern, wenn ich
so sagen darf, bescheidenem Weise; er steht so
gut wie ausser dem Drama, (meist) ist er als
Zwischenspieler gedacht.*'
1. Erstes Auftreten und Buchstabierübung.
Kasperl erzählt nichts über seine Reisen oder den
Zweck seines Hierherkommens; er buchstabiert angeb-
liche Recepte, setzt sich aber schliesslich aufs BucK.
— Schon M' (755) kommt eine Buchstabierscene vor,
Robin hat ein Zauberbuch gestohlen und bustabiert
darin kauderwälsche Wörter; so buchstabiert er auch
E, S, W, N, 0, G, B, Sw, Schütz-Dreher; G, deuten
dabei schon auf die Forschierung der Teufel hin, nur
G viel zu spät, nach der Forschierung! -7 In E, S,
W, G finden wir schon das Recept, wie man alte
Weiber jung machen kann, ebenso D, in J ist daraus
eines zum Verjüngen alter Junggesellen geworden. —
Wie hier, setzt sich auch in N Kasperl aufs Buch.
2. Aufnahme durch Wagner.
Einige Spiele bereiten diese Scene dadurch vor,
dass Wagner an Faust die Bitte richtet, sich einen
Bedienten aufnehmen zu dürfen, oft sogar, nachdem
Faust über seine Armuth geklagt hat. — Die Scene
ist gleichfalls in M schon vorhanden, ebenso in U und
sonst überall. — Genau zu C stimmt nur N, das nur
noch Witze über die Namen Wagner und Faust an-
knüpft, die allerdings in der Uebersetzung unmöglich
83
V
sind. Diese Scherze könnten also ira Originale von C
gestanden haben, haben wir doch einen Wortwitz über
Wagner dort nachweisen können. Das Kauderwälsch
Kasperls in D ist das entstellte: „Si fecisti nega, est
prima regula juris."
3. Die Beschwörungsparodie.
Schade aao. S, 284 f. zieht die Stelle in M' heran
wie Robin, um sich aus der Verlegenheit zu retten,
den Mephostophiles aus Constantinopel herbeicitiert,
wofür freilich Meph. ihn und seinen Gesellen in einen
Affen und einen Hund verwandelt. Doch ist mir der
Zusammenhang zweifelhaft, die Stelle ist offenbar von
allem Anfang an als Parodie der Beschwörungsscene
gedacht; es enthalten sie bis auf U A sämmtliche
V
Puppenspiele. Sie verläuft C wie sonst überall, Ka&-
perl hält den Kreis für ein Gärtchen, dann für einen
Vogelherd wie N, sonst für ein Schneidermass. Am
genauesten stimmt N auch sonst überein. — Da Kas-
perl den Zauberkreis nicht verlassen darf, so ist es
schwer, ihn fortzubringen, entweder wird das ignorirt,
wie S, 0, oder man lässt es an einer Prügelei genug
sein E, B, G, h, ho, 1, s, oder er muss den Kreis
irgendwie mitnehmen W, N, C.
Einige Puppenspiele bringen hier das Motiv an,
dass die Teufel Kasperl zur Unterschrift zu bewegen
suchen, wodurch sie ihrer Klugheit ein sehr schlechtes
Zeugnis geben. Kasperl ist zu dumm, um in die Hölle
zu kommen; durch dieses Motiv wird er zu einem
Gegenbilde des Helden, er geht seinen Contract mit
Wagner ein, wie Faust mit Mephisto, er beschwört die
Teufel, entlässt sie aber wieder, weil er in seiner Be-
84
schränktheit nichts entbehrt, das sie ihm bieten konnten,
und nachdem er die Weltfahrt bis Parma mitgemacht
hat, läuft er in den Hafen einer kleinlichen Spiess-
bürgerexistenz ein, bekommt statt Helenas ein böses
Weib und tritt sogar als Repräsentant der irdischen
und religiösen Wohlverhaltenheit Faust in seiner letzten
Stunde gegenüber. Der ehrliche Hörn hat gerade in
dieser Contrastierung das Hauptverdienst des Dichters
gesehen und beinahe Kasperl als das gute Princip dem
bösen Faust entgegengestellt. Natürlich ist eine solche
Rolle Kasperl ursprünglich fremd, er parodiert unbe-
wusst seinenHerrn, aber eine Jagd nach seiner Seele zu ver-
anstalten fälltdemTeufel nicht ein ; in üund andern Stücken
lässt er ihn ganz ruhig die Hölle besichtigen und aus dieser
wieder hinausgehen, ebenso droht in C seinem Seelen-
heil keine Gefahr.
4. Die Aufnahme durch Faust.
Die zweite Aufnahme ist nicht so allgemein ver-
breitet wie die erste; sie findet sich nur ü; ausserdem,
jedoch an anderer Stelle, nämlich unmittelbar nach der
Aufnahme durch Wagner E, A, S, N; in N bekommt
er gleichfalls einen Thaler zum Vertrinken ; die folgende
Neckerei mit Wagner erinnert am meisten an U (M).
5. Die Luftreise.
Mefistofl holt Kasperl auf Befehl Fausts ab und
trägt ihn auf seinem Rücken nach Portukäl, wo ^
ihn, weil er gesprochen, vor die Füsse des Königs
wirft. Kasperl verräth seinen Herrn, indem er sagt,
er dürfe es nicht verrathen, dass sein Herr Faust
heisse. — Diese Scene kennen alle Puppenspiele ausser
U; auf Mephisto reitet Kasperl nur noch N; in A, E,
.85
0, S, W, G^ Sw, B schickt ihm Mephistopheles {resp.
Auerhahii ) ein Reitpferd. Auch an diese Scenen
knüpfen sich Versuche des Teufels, Kasperls Seele zu
gewinnen, wobei der Teufel noch Geld verliert, das er
aber schuldig bleibt. Auch N hat dieses Motiv,
Die Scene im Garten verläuft vollkommen einfluss-
los, das halte ich für die alte Fassung; sein Verrath
wird ihm nicht weiter angerechnet, er beteiligt sich
an dem grossen Spektakel zu Ende des Aktes, und
niemand kümmert sich darum, wie er nach Hause
kommt. Nach der Verbannung Fausts fordert Kasperl
ein Trinkgeld, bekommt jedoch Prügel und rächt sich
durch Schimpfen; ähnlich schimpft er sich in mit
den Trabanten herum, aber das ist nur ein Rest der
Scene in E, wo er aus der Luft herunterschimpft. —
Wieder knüpfen die meisten Puppenspiele hieran Ver-
suche des Teufels, Kaspars Seele zu gewinnen. Da-
bei werden auch Versuche gemacht, Kaspars Nacht-
wächterrolle zu begründen. .
6. Abschied und Kleidertausch.
Kasperl steht in Diensten Fausts noch bei dessen
Rückkehr von der Weltfahrt, ähnlich ist es in U, wo
sich Wagner über Pickelhering beklagt. Kasperl tritt
erst auf, als Meflstofl Faust den Dienst gekündigt hat,
er berichtet über die Vorgänge im Hause und macht
einen Witz über den Karren, den Wagner zur Post-
fahrt in die Hölle machen soll. Der „halbe Wagen ^ inj ist
offenbar ein deutscher „Halbwagen " , ein vorn offenerWagen.
Als Wagner sich empfohlen hat, will er nicht bleiben, auch
die Erbschaft lockt ihn nicht. Faust bittet ihn, ihn diese
Nacht zu bewachen, und will ihm, als Kasperle der
86
Kälte wegen es nicht tbun will, seinen Rock geben. Kasperl
schlägt es aus, damit ihn nicht der Teufel für Faust
halte. Dass Faust wirklich die Absicht hätte, die
Kasperl ihm unterschiebt, erhellt aus nichts, erst
später wird dieses Motiv zu einer wirklichen Absicht
Fausts umgedeutet.
Auch 4n A ist Kasperl im Dienste Fausts, Wagner
hat ihn wieder aufgenommen, beide verlassen ihn dann
zusammen; dass die Diener erben sollen, stammt aus
M, wo Wagner zum Erben eingesetzt wird, und kommt
noch ü und Sw vor.
7. Kasperl als Nachtwächter.
Aus dem Zählen der Stunden ergab sich fast von
selbst die Nachtwächterrolle Kasperls. Wie mau in
anderen Stücken begann, Hanswurst in verschiedenen
Verkleidungen auftreten zu lassen, unter denen die als
Nachtwächter sehr gewöhnlich war, so war es auch
im Faust. Auch in dem erwähnten „Originalstück"
Kopeckys: „Der Herr Franz" verkleidet sich dieser
als Nachtwächter. — Wir hätten dann neben Hans-
wurst dem Teufelscitierer, dem Luftfahrer, auch Hans-
wurst den Nachtwächter. — Mit C, das die älteste
Form der Nachtwächtei'scene zu repräsentieren scheint,
stimmt N überein, auch hier soll Kasperl nur die Stun-
iien ausrufen ; in A sucht er sich, nachdem er aus dem
Dienste gegangen, mit Wagner ein neues Brot und
wird wirklich Nachtwächter; in andern Stücken, nament-
lich der Schütz-Dreher Gruppe, ist er es schon jahrelang.
Mit dem Nachtwächteramt ist Kasperls Rolle ausgespielt,
kein Teufel erhebt Ansprüche auf seine Seele, nicht
eiumal die Lohnforderung finden wir wie in N.
87
8. Die beiden Wächter.
Die Zwischenpausen zwischen den einzelnen Stun-
den werden durch die Gespräche zweier Wächter aus-
gefüllt, die Faust durch Kasperl dingen lässt; ihren
versprochenen Lohn wollen sie dann vom Hausknecht
haben, und diese Entlohnung bildet ein Nachspiel der
Tragödie. C. Engel erwähnt in Bd. IX der Deutschen
Puppenkomödien die Zwischenspiele, welche zwischen
den Glockenschlägen extemporiert wurden und sich theil-
weise auf den Puppentheatern erhalten haben. Er
druckt sodann die Scene der Jungfer Annabackedudel
ab, in der im Gegensatze zu E (aber in Uebereinstim-
mung mit A) Hanswurst als neuer Nachtwächter auf-
tritt. Eine Beziehung unserer Scene zu älteren Scenen
fehlt ganz, es wäre denn, dass sich hier eine Erinne-
rung an eine Scene in M erhalten habe, Robin und
Kafe (Dick M') also nicht der Clowne, werden vom
Vintner verfolgt , weil sie einen Becher gestohlen
haben. Mephostophiles, den sie zu Hilfe rufen, schlägt
sie, dann geben sie den Becher zurück.
Diesem Zuge entspricht es, wenn der in Italien
zurückgelassene Hanswurst einen Teufel citiert; aber
auch unsere Scene erinnert dadurch, dass zwei nicht
mit dem Clown des Stückes identische Rüpel von einem
Hausknecht (dort der Weinschenk) gepiügelt (dort be-
droht) werden und dass sie dabei auch von Mefistofl
geschlagen werden, an die Scene in M.
So ist denn die Möglichkeit eines höheren Alters
dieser Scene nicht ganz ausgeschlossen, doch bleibt es
am wahrscheinlichsten,' dass die Scene erst der böh-
mischen Bearbeitung ihr Dasein verdankt; sie enthält
auch meist deutsch - böhmische Missverständnisse ,
88
müsste also viel stärker bearbeitet worden sein als
alle übrigen. Wegen der Möglichkeit eines älteren
Ursprungs einerseits, andererseits als Originalbeitrag
der böhmischen Literatur zum Faustdrama drucke ich
die vollBtändige Ucbersetzung auch dieser Scene ab.
Die Namßn der Wächter sind auf komische Wirkung
berechnet und wechseln bei den Aufführungen. Den
deutsch sprechenden Hausknecht f ühi*t Roth als ständige
Figur der Puppenspieler an.
Die innigsten Beziehungen zu C zeigte im Laufe
der Untersuchung N, auch A erfordert eine nähere
Betrachtung, — dies aber erst nachdem wir noch unser
Stück mit dem Faustliede verglichen haben.
IV.
Das Dunkel, das früher über dem Liede von Dr.
Faust im Wunderhorn schwebte, ist seit dem J. 1881,
in dem A. Schlossar seine „Deutschen Volkslieder aus
Steiermark " veröffentlichte, geschwunden ; es zeigte
sich, dass das Lied eine Bearbeitung eines älteren aus-
führlicheren Liedes, oder vielmehr, wie A. Tille in sei-
ner säubern Untersuchung nachgewiesen hat, eine Auf-
zeichnung eines älteren Liedes aus dem Gedächtnis
ist. Dieses ältere Lied IP ist verloren und ausser in dem
Volksliede (II) nur in einer Bearbeitung I erhalten,
deren ältester Druck schon in das erste Viertel des
18. Jahrhunderts fällt; W selbst muss demnach spä-
testens aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts stammen;
auch Uf soll nach Tille erst, eine Bearbeitung eines
älteren Originals sein, das er i2 nannte.
Die Quelle von V^ ist nach einer Fülle von Ueber-
89
einstimmangen ein deutsches Volksschaospiel, aber mit
keinem der vorhandenen Texte ergab sich eine genaue
V
Uebereinstimmung, auch G soll nun mit diesem Liede
verglichen werden.
Der Held des Stückes heist C und V^: Johann
Doktor Faust, wie sonst nurnoch N; eine Uebereinstim-
mung, die Tille auffallenderweise gar nicht beachtet hat.
Nach dem Titel und Strophe 1 war Faust in An-
halt geboren, C in Mailand, d. i., wie oben gezeigt wor-
den, das entstellte Anhalt.
Str. 2. Faust citiert 40000 Geister, von denen ihm
nur zwei tauglich sind, Mevestophilus , geschwind
wie die Gedanken der Menschen, Auerhahn (schnell
wie der Wind) sein Favorit, beide geschwind wie
Pfeile. In C wie in allen Schauspielen wirbt Faust nur
einen einzigen Geist an, aber mit grossen Zahlen ope-
V
riert auch C gern, so sagt Mefistofl in J beim Abschluss
des Contractes: Wenn du verlangst, dass dir 3000
Teufel zu Hilfe kommen sollen, so werden sie hier sein,
und um ein Crucifix zu malen, müsste er 4000 Teufel
zusammenbringen. — Die Prager Localsage, die S.
Hnövkovsky kannte, wusste von einem Begräbniszug
zu erzählen, in dem es 32000 Teufel gab; s.
S. 11.
Auerhahn kommt in C nicht vor. er ist aber
wahrscheinlich nur mit Pickelhering verwechselt worden,
und steckt somit im Pik ; er dient freilich Faust nicht,
er hat die Pfeil- (Kugel-) Geschwindigkeit; — der
dritte Geist mit der Windgeschwindigkeit fehlt wie
in W.
Eine Art von Dienstverhältnis Auerhahns kennen
bloss die Fassungen E, 0, L, B, Sw, in welchen er
90
als Diener Hanswursts auftritt; ein Volksschauspiel, in
dem Faust selbst zwei Diener hätte, existiert nicht.
3. Faust macht grosse Reisen wie auch in C.
4. Die Geister müssen ihm im Winter fremde
Früchte schaffen, nichts davon in C.
5. Die Geister müssen ihm den Weg pflastern,
ebenso in D am Schlüsse des 3. Actes; aucli diesen
Zug hat die Prager Loealsage bewahrt.
In Regensburg schiebt er Kegel auf der Donau;
ebenso auf dem Wasser C (der Donau c).
Er fischt und jagt — — davon hat das Lied
nichts.
6. Die Geister müssen Comödisachen, Musik bei Nacht
V
macheu, nichts inC, doch kennt die Loealsage diesen Zug :
Hnfevkovsky a. a. 0. 180: Hier bereitet Faust seinen
Genossen ein Fest, im Verein mit Dirnen schwelgt alles,
auf dem Musikerchor sieht man Teufel, hört, was dieses
Orchester für ein höllisches Lied spielt!
Faust fangt Vögel in der Luft — davon nichts in
C, wenn wir nicht ein Verderbnis annehmen müssen ; in C
vei'spiicht Faust, er könne machen, dass die Fische in
der Luft fliegen, die Vögel dagegen schwimmen ; sollte
das nicht an Stelle des blossen Vögelfangens gestanden
haben.
V
7. Die Geister müssen viel Geld schaffen, in C sind
seine Zimmer daheim ganz damit angefüllt; er lässt
Schiessscheiben aufrichten und schiesst nach dem
Teufel, in C bedroht er ihn gleichfalls mit Erschiessen.
8. Die Geister bitten ilm oft, sie loszulassen, er
weigert sich; — in C will ihm Meflstofl zweimal den
Contract zurückgeben, er nimmt es nicht an.
9. Die Schätze werden nochmals erwähnt, sodann
91
dass Faust in jedem Lande die Sprache können will,
nichts davon in C.
10. Faust citiert 2000 Geister und lässt sich nach
Jerusalem bringen, ebenso reist er in C auf einer
Weltfahrt nach Jerusalem.
11. Am Charfreitag kommt er in Jerusalem au,
der heiligen Strasse, wo Christus gestorben ist; — in
D will er sich auf die heilige Strasse herablassen, um
das Kreuz zu küssen.
12 — 13. Faust befragt den Geist über das Aussehen
des Heilandes; Verwirrung in der Ueberlieferung, das
müsste erst später stehen; nichts in C.
14. — 15. Faust disputiert mit den Geistern bis zum
Wahnsinn, da zeigt ihm Gottes Barmherzigkeit am
Firmament das Conterfei (des heiligen Cruciflxes); —
aber die Geister verbieten ihm zu klagen, sie drohen
ihn ins Meer zu werfen, und führen ihn nach Mailand. —
In D antwortet Mefistofl Fausten auf seine Bitte,
er werde ihn lieber zerreissen und ins Meer werfen,
und fliegt mit ihm nach Hause, offenbar nach Mailand.
In J hat er ein Kreuz am Himmel gesehen, — auch
iu D sagt er, dass er das Bild gesehen habe.
Diese beiden Varianten lassen sich nur durch un-
ser Lied mit folgender Erklärung vereinigen: Faust
verlangt in Jerusalem an der heiligen Strasse das Cru-
cifix (das wirkliche Kreuz Christi) zu küssen, die Geister
oder der Geist, die ihn tragen, drohen, ihn dafür zu
zerreissen, und führen ihn in die Höhe; er verzweifelt,
er streitet mit den Geistern; da zeigt ihm plötzlich die
Barmherzigkeit Gottes ein Bild des Kreuzes am Firma-
ment; bei diesem Anblick seufzt Faust und jammert,
und die Geister bringen ihn nach Mailand (Anhalt).
92
Durch diese Uebereinatimmiing werden zunächst
die beiden Strophen für V^ gesichert, gegen den Ver-
such Tiiles, sie zu streichen, ferner zeigt es sieh, dass
die Verwechselung von Mailand und Anhalt nicht erst
im böhmischen Texte sich vollzogen hat, sondern dass
sie schon in der Quelle von y>* vorgebildet war, welche
jedoch daneben noch das richtige Anhalt bewahrte.
16. ülessus der Auerhahn, nach Lied II aber Me-
phistophles muss nach Portugal und von dort drei El-
len Leinwand holen, eben daher die Farben zum^ Ma-
len; in C holt Mefistofl zwar Farben und Firnis aus
Portugal von dem grössten Kaufmanne, die Leinwand
aber von Regensburg.
17. Um 9 Uhr kommt er an, und Mefistofllus reibt
die Farben; Faust befiehlt ihm, ein Kreuz zu malen.
V
— In C wird gleichfalls, wenn auch an anderer Stelle,
das Farbenreiben als Vorbereitung zum Malen erwähnt ;
die Scene könnte ganz gut um 9 Uhr spielen, da es
bald darauf 10 Uhr schlägt, doch das ist wohl Zufall.
18. Der böse Geist fragt, ob Faust am Contracte
festhalte „ob er seinen Punkten beständig ist" — nicht
in C.
19. (Nach dem reconstruierten Texte, Tille S. 101).
Der Teufel rühmt sich, wie gut er das Crucifix gemalt
habe. Faust sagt „aber eins gebricht", das kann der
Teufel nicht malen — genau so in C.
20. (Ebenso). - Der Teufel bittet Faust, die Hand-
schrift zurückzunehmen, — so früher in C.
21. Ein Engel kommt, von Gott gesandt, und singt
— so, aber ohne Arie in C.
22—23. (??) — Faust will sich bekehren, aber
der Teufel verblendet ihn wiieder durch ein Venusbild
93
und fährt mit ihm zur Hölle — in C tritt an Stelle
des Venusbildes eine schone Jungfrau, sonst ist der
Inhalt derselbe.
Bis auf einige wenige Arbeiten, welche Faust den
Geistern auferlegt, finden wir also das ganze Lied
in C wieder; es sind dies das Bringen von Früchten
im Winter, das Fischen, Jagen, Vogelfangen (wenn
nicht das Fisdiefliegen dahinter steckt), das Comödispiel
und die Musik, (die jedoch in der Prager Localtradition,
die wahrscheinlich auf das Puppenspiel zurückgeht, er-
halten war) die Sprachkenntnisse; Züge, die einerseits
leicht hinzugethan werden , andererseits leicht aus dem
Volksschauspiel verschwinden konnten, da zu ihrer Er-
wähnung wenige Worte Fausts an Meflstofl hinreichten.
Die Abweichungen zwischen C und V beschränken
sich auf das Citieren vieler Geister und die Dienstbar-
keit zweier statt eines einzigen, aber widersprechen
sich nicht darin auch Lied I und II? Letzteres weiss
von einer Dienstbarkeit Auerhahns gar nichts; — wir
haben also umsoweniger Grund, wegen dieses Unter-
schiedes an dem Zusammenhange von Ö und V^ zu
zweifeln, C und V beruhen auf gleicher Quelle.
Aus diesem Zusammenhange ergibt sich für die
Textkritik von V, dass zunächst in der 6. Strophe
vielleicht vom Fliegen der Fische die Rede sein soll,
und dass die Strophen 14 bis 15 vollkommen gesichert
werden. Die Herstellung von vier Strophen von V
(Tille 101) wird durch C nur bestätigt, nicht so die
Zweifel Tilles an der Zugehörigkeit mancher Strophen
zu V^, — auch nicht die Annahme einer Fassung fi.
Wichtiger ist ein anderes Resultat der Vergleichung,
schon früher haben wir in C Züge gefunden, die sein
94
Original in eine frühere Zeit rückten als das der
meisten erhaltenen Puppenspiele; dies wird nun durch
den Zusammenhang mit V^ bestätigt, das Original von
C ist ein Volksschauspiel des XVlI. Jahrhunderts.
Es fragt sich nur, ob wir auch die Narrenscenen
noch in dieses Jahrhundert verlegen können ; ich glaube,
diese Frage bejahen zu können; wenn die Annahme
richtig ist, dass Pik eigentlich Pickelhering ist, so
haben wir sogar den Namen des alten Narren erhalten.
Man vergleiche ferner die Bremer Aufführung, die noch
dem XVII. Jahrhundert angehört (Creizenach 6 f.), in
der gezeigt wurde, wie Pickelhering von allerlei be-
zauberten Vögeln in der Luft vexiert werde (der Vogel-
herd in C?). „Doctor Faust hält dann ein Banquet,
wobei das Schauessen in allerlei wunderliche Figuren
verwandelt wird, dass aus einer Pastete Menschen,
Hunde, Katzen und andere Thiere kommen und durch
die Luft fliegen. Da kündet ein feuerspeiender flie-
gender Rabe Faust den Tod an (er sitzt auch in J
auf dem Dache und speit Feuer) etc. etc." Creize-
nach verlegt diese Aufführung in die achtziger Jahre
des XVII. Jahrhunderts, eine Zeit, in der auch unsere
Aufführung stattgefunden haben könnte. —
Wo fand nun diese Aufführung statt? — Auf dem
Titel des Liedes I A lesen wir von einem Pragerischen
Comödi-Lied; — dies bezieht Tille auf das beigedruckte
lyrische Lied V (Fauste, jene Himmelsgaben); er
schreibt: 24: „Dass unter dem Pragerischen Comödi-
Lied einzig Lied V zu verstehen sein kann, werden
wir unter V des nähern sehen." Unter V heisst es
dann S. 166, das Wort Comödi-Lied könne hier un-
möglich Comödie bezeichnen, welches die einzige be-
95
legte Bedeutung des Wortes sei; „Comödi-Lied kann
aber offenbar noch etwas anderes bedeuten, nämlich
Lied aus einer Comödie, eingelegte Arie."
^Der Satz (fährt Tille fort): wie solches ferner im
Pragerischen Comödi-Lied zu vernehmen seyn wird,
deutet sowohl durch ».ferner" als durch das fut. klar
und bündig . auf die Zukunft — im Sinne des Schrei-
benden oder mindestens in dem des Lesers. Es ist
also hier auf ein Comödi-Lied hingewiesen, das dem
Leser nach dem Lesen des Titels bekannt werden
sollte. Da wir nun sehen, dass das Lied V sich in
vielen Puppenspielen . . . erhalten hat ... so kann
wohl kaum mehr ein Zweifel sein, dass mit dem Pra-
gerischen Comödi-Lied eben Lied V gemeint ist, das
ja ebenfalls von Fausts sündigem Bunde mit
dem Bösen handelt."
Den Beweis, den Tille auf S. 24 versprochen hat,
dass das Pragerische Comödi-Lied nicht Lied I sei,
das ja dem Leser ebenfalls nach dem Lessn des Titels
bekannt werden soll, führt er, wie wir sehen, nicht.
Er könnte so folgern, wie er es thut, wenn Comödi-
Lied = Arie die einzige belegte Bedeutung wäre, das ist
ja aber nicht der Fall, sie ist ebensogut reconstruiert
wie jede andere, und dass nicht noch eine andere Be-
deutung möglich wäre, hat Tille nicht erwiesen. Ich
meine die Bedeutung: Comödien - Ballade , erzählendes
Gedicht über eine Comödie.
In diesem Falle wäre zwar das Lied einmal als
„Ausführliche Beschreibung", sodann als „Pragerisches
Comödi-Lied" bezeichnet, aber das stört bei der Lang-
athmigkeit des Titels wenig, dagegen ist der Anschluss
des Satzes vom Comödi-Lied in diesem Falle viel be-
96
friedigender als in dem von Tille angenommenen; „wie
solches ferner im Pragerischen Comödi-Lied zu ver-
nehmen sein wird", heisst dann nur: wie man es im
Lied selbst noch weiter hören wird, wie es ja auch
wirklich geschieht. Dagegen „vernimmt" man im Liede
V nichts; eine Warnung des Engels an Faust kann
an keinen Titel eines anderen Faustliedes mit der
Phrase angeknüpft werden : „ wie solches femer zu
vernehmen sein wird." — Gar keine Thatsache ans
Fausts Leben wird in Lied V erwähnt. Auch scheint
Tille nicht beachtet zu haben, dass der ganze Titel
nur eine Paraphrase der ersten drei Strophen von I
ist, dass jedes Wort des Titels sich beinahe in diesen
vorfindet, und dass auch dem, „wie er auf dieser Welt
die höllischen Geister geschoren hat, wie solches femer
im Pragerischen Comödi-Lied zu vernehmen sein wird",
die Worte der Sti'ophe 3 entsprechen:
die Geister grausam exerciert,
wie man hier vernehmen wird.
Ich halte also das „Pragerische Comödi-Lied" für
Lied I, resp. Vf, und dieses für ein Lied über eine
Prager Aufführung; denn nur eine solche, glaube ich,
kann damit gemeint sein. Von einer Prager Trappe
ist nichts bekannt, sie ist auch nach den ethnogra-
phischen und politischen Verhältnissen wenig wahr-
scheinlich. Im ganzen XVII. und dem grössten Theil
des XVIII. Jahrhunderts blieb das Drama in Böhmen
importierte Waare. Eine sensationelle Prager Auffüh-
rung erklärt übrigens eher als etwas anderes die Ueber-
setzung ins Böhmische.
Die Prager Comödie wurde also höchstwahrschein-
lich in Prag von einer fremden Truppe gespielt und
97
verdankt ihre Bezeichnung der Umarbeitung, die
in Prag vorgenommen wurde. Diese Umarbeitung
bestand wohl in der Umbildung der Fragescene zur
Kreuzscene, die wir schon charakterisiert haben, einer
Umarbeitung, die so recht dem katholischen Süden
entsprach, ebenso wie die Zauberkomödie dem Sinne
der Prager. —
Man könnte nun vermuthen, dass dieser letztere
Zug auf italienischem Einflüsse beruht. Italienische
Komödianten sind nun wirklich in Prag schon im 17.-
Jahrhunderte bezeugt, nur sollte man nicht, wie noch
oft geschieht, den Hanswurst von 1690 ernst nehmen.
Von ihm datiert die Prager Hanswurstkomödie H^bl
aao., Blass, das Theater und Drama in Böhmen S. 55;
Teuber bemüht sich redlich, seinen Namen zu entdecken
(Geschichte des Prager Theaters I, 91 flf.), ebenso ci-
tiert ihn Arbes, und doch beruht unsere Kenntnis von
ihm auf einer einzigen Quelle, dem Prager Wochen-
blatt, „Ueber das Prager Theater" I (27. Juni 1772),
das den Besprechungen der Prager Aufführungen
eine Geschichte des Prager Theaters vorausschickt
und beginnt: Im Jahre 1690 war es, da der erste
Histrio . . . mit geprüftem Muthe, Melpomenen und
sich auf flüchtigen Rädern nach Prag führte. Aber
theurer Mann! Wie klein war dein Gefolg und wie
niedrig dein Hofstaat. Der Prinzipal selbst in der
erlauchten Person eines wälschen Hanswurst , sein Die-
ner ein treuer Pierrot, sein Vater ein ehrwürdiger Pan-
talon^ etc. etc. Man bedenke nur den Anachronismus,
den der Verfasser begeht, indem er erst 1690 die theatra-
lischen Vorstellungen in Prag beginnen lässt; — man vgl.
das Citat auf S. 7. „ Der siebente Band seiner Commenten
Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 7
98
über ein anderthalb Bogen starkes Manuskript , die zu
Basel in gross Folio abgedruckt worden (S. 978 Nota
c c c)" und wird nicht länger in der Hanswursthistorie
eines Schöngeistes des vorigen Jahrhunderts eine
historische Quelle sehen. Auch das Datum 1690 ist
ein ganz willkürliches, etwas über dreissig Jahre vor
dem Operntheater Sporcks. Es werden in einer andern
Anmerkung sogar Aufzeichnungen des ersten Harlekins
citiert.
Interessant ist in dieser Theatergesciüchte ein
Zeugnis für die Beliebtheit Fausts und die Existenz
des Wagnerdramas in Prag: „Niemand machte einen
so ansehnlichen Doktor Faust und niemand fuhr mit
Wagnern so schnell durch die Lüfte, als wenn der
Herr Prinzipal selber der Teufel war."
Ueber das Auftreten von Italienern in Prag be-
sitzen wir jedoch weit bessere Zeugnisse; im Jahre
1686 kam Giovanni Nannini*) mit einer wälschen Ko-
mödiantenbanda aus Baiem nach Prag; Faustauffüh-
rungen nach diesem Termin könnte Euehlmann veran-
staltet haben, der schon im Jahre 1675 und dann bis
1694 fast jedes Jahr in' Prag spielte.*)
Das Resultat unserer Untersuchung ist: es gab im
XVn. Jahrhundert eine Faustaufführung in Prag,
welche auf einer eigenen Umarbeitung beruhte. Diese
Umarbeitung wurde zur Grundlage der böhmischen
Uebersetzung und des Volksliedes vom Doktor Faust.
Diese Prager Faustbearbeitung wird durch C in
ziemlich treuer Weise repräsentiert; sie charakterisiert
>) Teaber aao. I, 91.
«) Teuber aao. I, 79, f. 87.
90
sich durch die Benützung Widmanns, infolge deren sie
Faust aus Anhalt abstammen lässt, das sie ledoch wie-
der mit. Mailand verwirrte. In dieser Fassung er-
schien Faust vor Mephistopheles ein einziger Teufel
(Auerhahn); der Königshof in Prag, falls dieser in der
Vorlage stand, ward aus guten Gründen durch den von
Persien oder Portugal ersetzt; in die Geistererschei-
nungen drängte sich vielleicht schon ein biblisches Ele*
ment hinein.; eine Freude an Maschinerien zeigten die
Zauberscenen, Behagen an derbem Humor das Schies-
sen nach dem Teufel. Die einschneidenste Aenderung
war jedoch die Scene mit dem Malen des Kreuzes.
Daneben hat die Fassung einen wichtigen Zug,
welcher zeigt, dass sie dem Original des deutschen
Yolksschauspiels noch recht nahe steht, sie hat die
Namen der Studenten aus Marlowe bewahrt. Einige
andere Züge stimmen mit Berichten aus dem 17. Jh.,
mehrere mit der Fassung U überein.
Die komischen Scenen sind in dieser Bearbeitung
mit viel Behagen ausgeführt, bleiben aber noch auf
dem Standpunkte des älteren Yolksschauspiels, dass die
komische Person sich nicht über die Stellung eines
Zwischenspielers erhebt.
Nachdem wir so C als alte und ungetrübte Gestalt
des Yolksschauspiels kennen gelernt haben, haben wir
auch den Massstab für die Beurteilung von N ge-
wonnen ; dieses gehört ganz entschieden derselben
Gruppe an, zeigt jedoch mancherlei Abweichungen ; —
so kennt Faust den Namen der Studenten nicht, ^hält
sie vielmehr für Teufel (0); die Aufnahme Kasperls
durch Faust folgt gleich auf die durch Wagner (A).
Faust richtet sich nach der Geschwindigkeit der Teufel;
7*
100
er zweifelt an der thatsächlichen Gedankenschnellig-
keit, weil seine Gedanken längst bei Pluto sind (0);
Mefistofilus will nur 24 Jahre dienen; er lacht, wie
Faust mit Tinte schreiben will (G), der Punkt vom
Kreuze fehlt; Faust erinnert sich des Geistes, worauf
dieser erscheint (A u. a.); er stellt sich mit „Emprezio"
vor; vor der Abfahrt verlangt Mefistofilus, Kasperl
solle sich ihm verschreiben oder Bruderschaft mit ihm
trinken (A); von Parma will Kasperl nach Hause
gebracht werden, er wird mit dem Topfe geneckt (A);
Faust fragt nach der Seligkeit des Himmels (A), er
kniet auf offener Strasse (A); das schöne Frauen-
zimmer ist Helena, es schlägt bloss von 11 bis 12
(O); Faust will die Kleider tauschen, um seine Schuld
zu bezahlen; Kasperl soll von Teufeln geholt werden,
schlägt sie jedoch in die Flucht. —
Am auffallendsten sind die Uebereinstimmungen
mit A, es muss N von A oder einem ähnlichen Pup-
penspiele stark beeinflusst sein; Ö ist bekanntlich
compiliert, die Coincidenzen mit diesem können also
auf einer anderen Fassung von A beruhen. Wie
steht aber A selbst zu C?
Während E sich deutlich als ein Zweig der andern
Bearbeitung zeigt, die wir constatiert haben, greifen
mehrere Zfige von A in unsere Bearbeitung herüber;
so das Kreuz hinter einem Baum, der sich zuweilen
teilt, die Meldung Hanswursts, „die Leute sagten,
Faust werde der Teufel holen** ; der Rabe, der auf dem
Dache sitzt und mit der Taube kämpft ; — durch diese
Zfige wird A als eine Art Mittelglied beider Fassungen
hingestellt; zugleich repräsentiert es den Beginn des
grösseren Interesses, das Hanswurst auf sich zieht, von
101
dem es mir jedoch fraglich ist, ob wir zur Erklärung
desselben eine vollständige Wiener Bearbeitung an-
nehmen müssen; eine ähnliche Bedeutung, wie sie
Creizenach dieser zuschreibt, hätte dann die Prager Bear-
V
beitnng gehabt, deren Repräsentant gegenwärtig nur C ist.
Johannes Doktor Faust.
(Doktor Faust)
Schreckliche Komödie mit Teufel
und noch schrecklicherer Höllen-
fahrt des armen Faust bei schau-
derhaftem Feuerwerk und grau-
envollem Donnerwetter.
Trauerspiel
in VI Aufzügen •
[von "1
A. B. J
Prag, Verlag des Heraus-
gebers — 1862.
Personen:
Der König von Portukäl.
Johann Doktor Faust.
Wagner, — sein Famulus.
Pimprle.
Vomäcka
Cubicär
Der Hausknecht.
Mefistofeles
Pik
Engel.
Höflinge.
Doktor Faust.
Bauern.
Höllenleute.
Drama in vier Aufzügen.
Person en:
Doctor Jan Faust aus Mailand.
Fakner, sein Diener.
Der persische König.
Frolina seine Tochter.
Kasperl, Schneider dann Diener
bei Faust.
Mesistofl, Felsgeist.
Zwei Minister des persischen
Königs.
Engel.
Böse Geister.
Eine Jungfrau.
Ort der Handlung : Fausts Haus,
ein felsiges Thal, und der Gar-
ten des persischen Königs.
103
I. Anfzttg.
■)
I. Scene.
Faust (sitzt in seinem Saale
an einem Tisch, auf dem ein
grosses Bnch — plötzlich steht er
auf). Obgleich ich mich
schreibe Johannes Dok-
tor Faust, nicht aber Dok-
tor der Medizin oder der
Rechte sondern Doktor der
heiligen Schrift Ausleger
und Zusammenleger ; so
werde ich dennoch nicht
vei^essen, dass ich eines
armen Taglöhners Sohn bin,
d^r in Wittenberg geboren,
in Mailand unterthänig war,
und von welchem ich nicht
die geringste Beihilfe er-
hielt.
Jedoch wenn ich jetzt
Erster Aufzug.
(Kammer im Hanse Faasts;
in der Mitte ein Tisch und da-
rauf ein Buch, aus dem Faust
liest.)
I. Scene.
Faust (liest): „Abijo
pernyk kvam latina evektus
pro^ kuratibus doktro, non
doktor medicin non jurice
cakrede skriptures eduka-
kvam doktor Faust hony
blisi jo majstrato koproru-
ceris. " — Durch meine
Gelehrsamkeit bin ich über
alle so erhöht, dass ich mich
schreiben kann Doktor und
zwar nicht Doktor der Me-
dicin oder Doktor der Rechte
sondern Doktor der heili-
ligen Schrift. — Wahr ist
es zwar, dass ich von ei-
nem Vater stamme der
ein Taglöhner in Mailand
war, ich aber hatte zu
meinem hohen Studium von
ihm keine Hilfe. Bisher
jedoch bin ich mit mir sel-
nicht zufrieden, gerade so,
wie es in der gegenwärti-
gen Zeit in der Welt über-
all zugeht. Denn fragen
wir den Bauern, ob er mit
104
einen Bauern frage: Bist
du, Bäuerlein, mit deinem
Stande zufrieden? sagt er:
Nein, ich wollte lieber Ba-
ron sein. Der Baron ant-
wortet: Ich wäre lieber
Graf. Der Graf sagt:
Ich wäre lieber Fürst, der
Fürst König, der König
Kaiser ; keiner ist mit sei-
nem Stande zufrieden: so
wirst auch du Faust, mit
deinem Stande nicht zu-
frieden sein.
Engel (ruft von der rechten
Seite): Faust, Faust, weihe
dich der Schule Theologie,
dein -Glück und Zufrieden-
heit wirst du erwerben.
Faust. Sita, was ruft
da von der rechten Seite,
ich solle mich der Schule
der Theologie weihen, ich
habe ja diese Schule schon
absolviert, soll ich in sie
denn noch eintreten.
Teufel (ruft von der linken
seinem Stande zufrieden
sei, so giebt er uns zur
Antwort, dass er gern
Edelmann wäre ; der Edel-
mann wollte Baron sein,
der Baron Graf, der Graf
Fürst, der Fürst König,
der König Kaiser, und die-
weil kein Mensch sich be-
gnügt, mit dem was er ist,
so wirst auch du, Faust,
in deinem Stande nicht
zufrieden sein, so lange
du nicht eine noch höhere
Würde erlangst.
Stimme (von der rechten
Seite): Faust, begib, dich
in die Schule „Teolokyje",
du wirst auf der Welt
glücklich sein.
«
Faust. (Sich umsehend,
horcht): Welch eine unbe-
kannte Stimme? Ich soll
in die Schule teolokyje
gehen, um in der Welt
glücklich zu sein? — Ich
habe ja die Schule teolo-
kyje längst a 1 so 1 viert
und hoffe, dass ich in ihr
keinen Fehler gemacht
habe.
Stimme (van der linken
105
Seite): Brrr! Faust, Faust,
weihe dich der Schule der
Diogramantik, auf der Welt
wirst du das glücklichste
Leben führen, auch über
Fürsten wirst du herr-
schen, und Gold, Silber
wirst du die Fülle haben.
Faust. Sita, was höre
ich da von der linken Seite,
ich solle mich den Schulen
der Diogramantik widmen,
dann sollte ich alles die
Fülle haben, und auch über
Fürsten herrschen. Die
linke Seite, die behagt
mir; sicher, sicher werde
ich ihr nachgehen. (Es klopft
an die Thttre). Herein.
n. Scene.
Wagner. Offizienz, Ih-
ro Gnaden, bei unserem
Hause stehen zwei Studen-
ten, die ein nicht kleines
Buch unter dem Arme hal-
ten, sie wollen nicht früher
fortgehen, bis sie nicht mit
Seite): Faust, verlass die
Schule Theologie, folge mei-
nem Bathe, und begib
dich in die Schule „Ele-
kramantik. ^ Ueber alle
Fürsten und Könige wirst
du geehrt sein, von allen
verborgenen Schätzen wirst
du auch wissen, falls du
nach meinem Bathe thnn
wirst.
Faust. Welch eine
Stimme wieder von dieser
linken Seite? Sie fordert
mich auf, die Schule teolo-
kyje zu lassen und in die
Schule Elekramantik zu
gehen, da würde ich von
allen verborgenen Schätzen
erfahren. Ja, ich bin ge-
zwungen die rechte zu las-
sen, und der linken Seite
zu gehorchen. So werde
ich auf dieser vorschreiten,
n. Scene.
Fakner. Faust.
Fakner (klopft aussen an
die Thüre).
Faust. Weiter, weiter !
Fakner (tritt mit einer Ver-
beiigimgein).Ew.QnadenI neh-
metesmchtflbel,das8ichluer
106
Ihro Gnaden gesprochen
haben.
Faust. Mein getreue-
ster Diener Wagner! hast
du sie denn nicht um ihre
Namen gefragt?
Wagner: Ihre Namen
weiss ich, der eine heisst
Fabricius, der andere Cor-
nelius.
Faust. Gewiss sind das
die zwei Studenten, die in
die Schule der Diograman-
tik eingetreten sind, ich
werde sie also fragen ge-
hen, was sie wohl wün-
schen. (Beide ab.)
III. Scene.
Pimperle.O Jemine, Je-
mine ! Ah, unterthänigst
begrüsse ich das ganze
werte Auditorium, g'ho-
schamste' Diene', g'ho-
schämste' Diene'. Was
bin ich schon herumgelau-
fen, habe meine Fttsse ab-
eintrete! ich nielde zwei
fremde Studenten die unten
vor dem Hause stehen, und
mit Ew. Gnaden sich zu
unterreden wünschen.
Faust. Zwei Studenten?
Wie sie heissen das weisst
du nicht?
Fakner. Ich habe ihr
Gespräch angehört , und
aus dem habeich erkannt,
dass einer Antonijus, der
andere Fabricijus heisst.
Faust Antonijus? Fa-
bricijus? 0, das sind die
Studenten, die mir längst
Nachricht von sich gege-
ben haben, dass sie mich
gern besuchen würden.
Also gehen wir, dass wir
sie bei uns begrüssen.
(Ab mit Fakner.)
III. Scene.
Kasperl
(Hat einen dreispitzigen Hut auf
dem K(^fe, einen langen Frack
mit grossen Knöpfen, kurze Ho-
sen und Strümpfe; SchnaUen-
schuhe; Unter dem Hute wackelt
ihm hinten ein langer Zopf mit
einer Masche am Ende).
Er ist nicht zu Hause
107
strapaziert, und es nützt
nichts; ich will etwas zu-
lernen, und es ist nicht
möglich. Aber, schakulin*
te, ich weiss, woran das
liegt, es haben mirs meine
Pathen in die Windel
gebunden, dass ich immer
ein kleiner Dummkopf
bleiben soll Aber ich
höre, dass hier herum
Johann Doktor Faust zu
gehen pflegt, fiberall Schrif-
ten hinter sich zarücklässt
(flieht dasTiBchchen mit deuiBuche)
He, he, he, das ist ein klei-
nes Buch, das wird gewiss
Doctor Fausts sein. Ich
muss mir ansehen, was
darin geschrieben ist ,
(liest) i kakraherte — das
ist ein. schönes Stücklein,
wie man aus Gerste Hir-
sebrei und aus Hirsekorn
Graupen machen soll, ( liest
weiter.) Dass dich die Pest ;
da steht, wie man ver-
renkte Jungfräulein ein-
richten soll, und wie viele
gibt es zum Einrenken.
(liest.) Ha, ha, ho, das ist
wieder ein Stfickel, wie
— Ich werde also warten,
und bis er kommt, werde
ich vielleicht mit ihm über
die Entschädigung einig,
die er mir zugesagt hat
für die Unhöflichkeit des
Katers, der mir vom Wand-
schrank ins Gesicht sprang,
als ich seinem Herrn die
Bittschrift überreichte. (Hat
sich dem Tische genähert, er-
blickt das Buch). Aha! da ist
wieder etwas zur Schärf ung
des Gehirnes. Hier könnte
ich noch etwas zulernen
und diesen meinen dummen
Kopf mit etwas Weisem
sättigen. (Ins Buch blickend) :
Das hier steht geschrieben,
„nuÄe frnuÄe*" — Eine
gute Arbeit das. — „Ca-
kante vante". — Na, na,
ich sag's ja. — „Moce ko-
ce** — Nein, das soll
der Ziegenbock verstehen,
wenns lateinisch ist. —
Jetzt wende ich ein Blatt
um. — Aha, da ist auch
ein böhmisches Stückchen
— Neunte Kachel von der
Thüre. Wenn einer aus
einem alten Mütterchen
108
man aus alten Junggesel-
len jttngere macht. -^ Aber
das kann ich mir nicht
alles merken, weil das nicht
alles in meinen Kopf hin-
eingeht. Ich weiss, was
ich thne, ich werde mich
darauf setzen, und es wird
in mich hineinkriechen wie
Ameisen. (Seüst sich anfg
Buch.) Bravo — hier sitzt
sichs schön.
eine Junge machen will.
— jetzt haben wir viele
alte Mütterchen, die gerne
jung würden und heirate-
ten. Da werde ich etwas
Geld verdienen!
Zuvor aber muss ich mir
das Mittel durchlesen. —
„Wer aus einem alten Müt-
terchen ein junges machen
will, der muss folgende
Zubereitung dazu nehmen.
Am 25. November, wenn
die Erlenblätter von den
Erlen fallen, sammelt man
sie u. lässt sie in einem tüch-
tigen Kessel kochen. Dann
brüht man darin das Müt-
terchen ab, damit die Fal-
ten heruntergehen. Pro-
batum est.^ — Das muss
ich mir notieren, (sucht in
den Taschen, aber da er nichts
gefiinden hat, notiert er in den
Hut.) — Was ist denn
noch mehr darin (liest).
109
IV. Scene,
Wagner. I, du Grobi-
an, wer hat dir das denn
erlaubt, dass du dir aus
meines Herren Tischchen
einen Sitz gemacht hast.
Pimp. Bohrspatz, ich
selber.
Wagner. Das weiss
ich, dass du selber, aber
den Rath gebe ich dir, dass
du von diesem Buche her-
unter gehst, ehe mein Herr
kommt.
Da steht wie ein altes
Weib hexte und aus Ger-
ste Graupen machte —
no, das ist sehr dumm,
und das werde ich gar nicht
lernen. — und dann ist
dessen im Buche sehr viel,
ich w&rde eins ums andere
vergessen, und darum werde
ich es anders machen. Ich
werde mich auf das Buch
setzen, so werde ichs in mich
ziehen, und was ich dann
brauchen werde , werde
ich in den Kopf treiben.
(Setzt sich aufs Bach, legt den
Finger an die Stirne) So, jetzt
studiere ich.
IV. Scene.
Fakner. Easperl.
Fakner. Ho, ho, du
Kerl! Wer hat dir die Er-
laubnis gegeben, dass du
dir aus dem Buche meines
Herrn einen Sitz machst.
Kasperle. Sevecistin
eko est premija jury.
Fakner. Was redest
du da?
Kasperle. Ich weiss
selber nicht, was ich rede,
wenn ich studiere.
110
Pimp. Ist denn dieser
dein Herr ein grösseres
Thier als du?
Wagner. Was würde
schon ein solches Thier gel-
ten, wenn es so klein wäre
wie du? —
Pimp. Herr, nicht viel ;
aber wenn es so gross ist
wie du, so gilt es sicher
dreimal so yiel.
Wagner, (packt Pimper-
le und wirft ihn hinunter) Wirst
du wohl gehen? du Gro-
bian, ich bemerke, dass du
ein Schelm bist; hättest
du wohl Lust, dich in meinen
Dienst aufnehmen zu lassen ?
Pimp. I, warum denn
nicht? dienen werde ich
genug, bekomme ich Klei-
dung und Livree, Geld und
Bezahlung, Essen und Kost,
so diene ich genug. Ich
bitte dich aber, was bist
du für ein Ding?
Wagner, Ich bin Jo-
hann Doktor Fausts Lakai.
Pimp. I, dass dich die
Pest, ich dachte das du
selber Herr bist. Aber ich
werde dir etwas sagen, diene
Fakner. Jetzt, du Fre-
cher, befehle ich dir, früher
herunter zu gehen; ehe mein
Herr kommt. Glaube mir,
dass das ein guter Rath ist.
Kasperl. (spöttisch) Ist
denn dein Herr ein grö-
sserer Flegel als du?
Fakner. Grobian !
Spricht man so von meinem
Herrn ? — Doch was gilt ein
solcher Narr wie du bist?
Kasperle. So einer gilt
wenig, aber so einer, wie
Ihr seid, gilt für einige
solche, wie ich bin.
Fakner. Ich sehe und
höre, dass mir deine Person
nicht grob zu sein scheint.
Nun, wolltest du nicht bei
mir dienen?
Kaperle. Mit Freuden,
aber unter der Bedingung,
dass ich Geld und Bezah-
lung, Livree und Kleidung
bekomme. Dienen werde:
ich genug.
Fakner. Das versteht
sich, dass du das bekommst;
komm jetzt, und ich will
dich bei meinem Herrn an-
melden.
111
du mir. Ich gebe dir diese
alte Livree und werde sel-
ber hinter dem Ofen sitzen.
Wagner. Scherz bei-
seite, wenn du Lust hast,
zu dienen, so will ich dich
bei meinem Herrn anmel-
den (ab).
Pimp. Dass dich die
Pest, der würde mir so viel
vorschwalbeln, bis ich nicht
wüsste, ob ich ein Mädel
oder ein Bub bin ; — aber
das wird das beste sein,
wenn sichs der Diener mit
dem Herrn selber ausmacht.
(ab).
V. Scene.
Faust. Da ich nunmehr
den vollständigen Bericht
von den zwei Studenten be-
kommen habe, die das nicht
kleine Buch unter dem Arm
hatten, so will ich auch
darnach vorgehen. Nun-
Kasp. Seid Ihr denn
nicht selber der Herr?
F a k n e r . Ich bin Dok-
tor Fausts Diener.
Easp. (halblaut) Das ist
ein ganzer Narr, ein Diener
wirbt einen Diener und wer
wird zuletzt mich bedienen ?
(zu Fakner) Wisst Ihr was,
Freund? Dient Ihr mir eine
Woche, ich werde wieder
die andere Woche bei Euch
dienen. Ihr gebt mir Euer
Kleid und Bezahlung, ich
Euch das meinige.
Fakner. Lass jetzt die
Scherze, und wenn du willst,
so komm, dass ich dich beim
Herrn anmelde.
Easp. No, jetzt sehe
ich mich schon als Eammer-
diener. (Neigt sich selbstgefällig
nnd geht mit Fakner ab.)
V. Scene.
Faust (mit einem Buche in
der Hand.)
Wohin ich immer gehe,
führe ich immer auf dem
ganzen Wege einen Disput
mit meiner Seele, welche
mir verspricht, abotibise se-
112
mehr soll ich in tiefe Wäl-
der gehen, wo mich kein
menschliches Geschöpf er-
blicken würde; ich soll mir
einen Kreis machen lassen
und daranfalle himmlischen
Planeten aufmalen. Wag-
ner, stelle dich zum Dienste.
VT. Scene.
Wagner. Was befehlen
Sie, Offtcienz, Ihre Gnaden?
Faust. Mein Wagner,
jetzt wirst du gehen und
mir Pinsel und Farben
verschaffen.
Wagner. Officienzihro
Gnaden, Pinsel und Farben
habe ich selber, falls sie
Ihnen nach Gefallen sein
werden, so werde ich sie
Ihnen geben.
Faust. Da du also diese
kretorijum, das ist. dass mir
alle verborgenen Schätze
sichtbar sein werden. Die
gehörige Belehrung darüber
habe ich auch von jenen zwei
Studenten erhalten ; die ga-
ben mir in die Hand dieses
Buch, nach dem mein Herz
lange sich sehnte ; denn mit
seiner Hilfe kann ich alle
Geister aus dem Abgrund
auf diese Welt berufen.
Das Büchlein sagt mir, dass
ich mir einen Kreis malen
soll, aus welchem es mir
möglich sein wird, alle Geis-
ter zu berufen. (Klingelt.)
VI. Scene.
Fakner. Faust.
F akner. Ich stehe zu
Diensten, Ew. Gnaden.
Faust. Mein geliebter
Fakner! Geh mit einem
Compliment von mir zum
Maler, und richte ihm aus,
er solle so gut sein und mir
seinen Farbenreibstein und
Pinsel borgen.
Fakner. Ew. Gnaden, was
den Stein und den Pin-
sel anbelangt, so habe ich
113
Sachen selber hast, also
komm und hilf mir maier,.
(Der Vorhang fällt.)
IL Aufzug.
1. Scene.
(Tiefer Wald.)
Faust (steht im Zauher-
kreis) . Die weil ich also schon
in dem Kreise stehe, so
werde ich euch, ihr höl-
lischen Geister, auf diese
Welt citieren. Ich be-
schwöre euch daher zuerst
durch Strik, Pik, Mefistofl,
Auberon und Pluto, dass
ihr her vorstellet einen,
von dem meine Schrift
viel erzählt.
beides in meinem Hause.
Wenns beliebt, so werde
ich Ew. Gnaden beides
geben.
Faust. Ausgezeichnet,
das trifft sich mir gerade.
Die Sicherheit meines Le-
bens, d. i. den Kreis wirst
du mir grundieren , den
Best muss ich selber mir
ausarbeiten. 0, glücklich
werde ich auf der Welt
sein, glücklich! (Ab und
der Vorhang fällt.)
Zweiter Aufzug.
(Felsiges Thal. Auf den Felsen
zerstreut Eulen und Käuze. Der
Donner roUt, Blitze kreuzen
sich und der Wind heult.)
1. Scene.
Faust
(kommt, umgürtet mit einem
breiten Gurt, auf dem alle Pla-
neten gemalt sind. Umgeworfen
hat er einen breiten Kreis, eben-
falls mit den Planeten geziert;
den legt er auf die Erde und
tritt hinein). Schon bin ich
also am gewünschten Ziele.
(Zieht ein hinter dem Gürtel
steckendes Buch hervor und,
nachdem er es geöffnet, beginnt
er zu lesen; der Lärm des Ge-
Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust.
8
114
2. Scene.
Pik (kommt geflogen) . BlTF !
Faust, was begehrst du?
Faust: Sage mir an,
du höllische Furie, welche
Schnelligkeit hast du in dir?
Pik. Brrria, Faust, ich
habe eine solche Schnellig-
keit in mir, dass ich einen
Sbhuss in meinen Rachen
fange und dir ihn in deine
Hände zurück fibergebe.
Faust. Das ist eine
schöne Geschwindigkeit ,
aber du höllisches Unge-
heuer, melde mir, wie dein
Name ist.
Pik. Mein Name ist Pik.
Faust. Du erzhöllische
Furie, fliege zurfick, denn
in der ganzen brennenden '
Hölle muss es einen geben,
der schneller ist als du.
Pik. Brrr (fliegt davon).
3. Scene.
Faust. Ich beschwöre
euch also zum zweiten
male durch Strik, Pik,
Meflstofl, Auberon und Pluto,
stellt her einen vor, von
dem meine Schrift viel
erzählt!
witters und die Blitze vermehren
sich.) „Mala dyke vos in-
fernalijis tia bolito huka-
dyto." — „Entlasst mir einen
Geist aus dem Abgrunde,
von dem mein Buch schreibt,
dass er Schnelligkeit viel
besitzt." (Das Winseln wächst
mit Gewitter und Blitzen. Feu-
rige Eulen umhttpfen den Kreis,
in welchem Faust steht; dieser
liest weiter.) „Ich beschwöre
euch zum andern male. —
Stryks romilo karam Pluto
aram auron estovüo. —
Mesistofl — pihike."
(Das Gewitter heruhigt sich,
die Eulen und Käuze verschwin-
den, und es erscheint Mesistofl
in grünem Gewände mit einer
schwarzen Feder am Hute.)
2. Scene.
Mesistofl. Faust.
M e s i s 1 f 1. Faust, was
begehrst du?
Faust. Melde mir, welche
Geschwindigkeit du in dir
hast.
Mesistofl. Ich bin so
115
Mefistofl (fliegt herbei
unter Blitz und Donner) : Brrria,
— Faust, was begehrst
du?
Faust. I, du erzhöl-
lisches Ungeheuer , zeige
mir an, welche Geschwin-
digkeit du in dir hast.
Mef. Brr, ich habe eine
solche Geschwindigkeit ,
dass ich, brrr im Gedanken
einen Menschen mache.
Faust. Das ist eine
schöne Geschwindigkeit, im
Gedanken einen Menschen
zu machen, aber melde
mir, du höllischer Geist,
wie dein Name ist.
Mef. Mein Name ist
Mefistofl, fiber mich findest
du in der ganzen brennen-
den Hölle nichts an Schnel-
ligkeit.
Faust. Gut hat mir
das kleine Bfichlein gesagt,
dass in der ganzen bren-
nenden Hölle nichts über
dich sein soll. Mefistofi,
wolltest du nicht zu mir
dich inDienst dingen lassen ?
Mef. Brrr. Faust, das
kann ich allein nicht machen,
geschwind wie der Gedanke
des Menschen, und mein
Name ist Mesistofl.
Faust (der bisher in sein
Buch geschant hat) : Mesistofi,
dein Name und deine Ge-
schwindigkeit stimmt mit
meinem Büchlein tiberein.
Wie lange wolltest du,
Mesistofl, auf dieser Welt
für meine Seele mir dienen?
Mesist. Zehn Jahre
würde ich dir dienen.
Faust. Zehn Jahre,
das ist wenig für mein
Alter; willst du aber auf
sechsunddreissig Jahre in
meinenDienst treten, so will
ich als Belohnung dir dann
Körper und Seele geben.
Mes. Auf eigene Faust
darf ich das nicht thun,
denn ich muss früher un-
sern Leiter fragen, was
mir erlaubt sein wird.
Faust. Tritt also ab
und frage nach allem gut!
(Liest im Bnche.)
Mesistofl ( verschwindet
unter Gewitterlärm , erscheint
jedoch augenblicklich wieder).
Faust. Eine sichere
116
danach mässte ich erst
uBsern Fürsten Plut^ fra-
gen, brrr, ob er mir dazu
die Erlaubnis gäbe.
Faust. Trachte also,
du höllischer Geist, deinen
Fürsten Pluto zu fragen,
ob er dir die Erlaubnis
gäbe ; in kurzer Zeit komm
mir mit der Antwort.
Mef. Brrr! (fliegt fort
ithd im Augenblick wieder her-
bei.) Brrr! Faust, schon
habe ich die Bewilligung
erhalten, aber Fürst Pluto
hat sich von dir 5 Punkte
ausbedungen. Wenn du ihn
diese halten willst, so sollst
du mich in deinen Dienst
bekommen.
Faust. Du höllisches
Ungeheuer, wer weiss, wie
schwere Punkte sich dieser
Fürst Pluto auf mich aus-
gedacht hat.
Mef. Brrr! Faust. Das
1. Punkto ist: Du sollst
dich nach dem Kreuze
nicht umsehen, und deines
Gottes soll^ du vergessen :
Der 2. Punkt: Du sollst
nicht in die Kirche gehen,
Wahrheit ist's, dass in der
Welt nichts schnelleres ist
als der menschliche Ge-
danke. — Bist du schon
hier, getreuer Diener?
Mes. Faust, ich habe
die Erlaubnis bekommen
und darf dir die ganze
Zeit dienen, wenn du nur
die Punkta wirst halten
wollen, welche der Leiter
des Abgrundes von dir
fordert.
Faust. Ihr habt auch
Punkta? Lass mich den
ersten Punkt also hören!
Mes. Der erste Punkt
ist, dass du dich die ganze
Zeit nicht waschest, die
Nägel dir nicht schneidest
und die Haare nicht käm-
mest.
Fftust. Das kann ich
nicht annehmen, wenn ich
meinen Köi^per nicht rei^
nigte, würde ich in kurzer
Zeit grauslich aussehen.
117
noch in deinem Blichlein
beten. Der 3. Punkt:
Ueppigkeit des Körpers
gestattet er; eine Gemah-
lin zu nehmen, verbeut er.
Der 4. Punkt: Du sollst
deine Haare und Nägel
nicht schneiden, noch dich
waschen. Brrr! Das fünfte
und letzte Punkto: Du
sollst mir mit deinem ei-
genen Blute unterschreiben,
dass nach Ablauf von 36
Jahren du mir deine Seele
und Leib geben willst.
Faust. Gott , welch'
schwere Punkte hat dieser
Fürst Pluto auf mich er-
dacht, ich soU mich nach dem
Kreuz nicht umsehen, und
meines Gottes soll ich ver-
gessen! I, du erzhöllisches
Ungeheuer, er ist ja doch
die höchste Güte.
Mef. Ihr habet es ja
doch in euem Büchern
geschrieben, dass man zwei
Herren zugleich nicht die-
nen kann, den einen oder
den andern musst du ver-
lassen.
Faust. Das ist wahr.
Mes. Unser Pluto hat
es gleich gesagt, dass du
das nicht wirst annehmen
wollen, er sagt dir abör
zu, wenn du dich nicht
reinigen werdest, werdest
du schöner sein als früher.
Faust. Auf dies Ver-
sprechen hin willige ich
ein. Wie ist der 2. Punkt?
Mes. Der zweite Punkt
ist, dass du nicht in 4ie
Kirche gehen, noch in dei-
nem Buche beten darfst,
Faust. Das nehme ich
wieder nicht an, denn ich
würde ein Gelächter von
den Mailänder Bewohnern
ernten , dass ich als
Doktor der heiligen Schrift
nicht einmal in die Kirche
gehe.
Mes. Dir ist es nicht
nothwendig, in die Kirche
zu gehen, auf deinem Platze
und in deiner Gestalt wird
dort ein anderer sitzen.
Darum kümmere dich also
nicht.
Faust. Ich bin zufrie-
den. Sage mir den dritte
Punkt.
118
Wenn ich einen andern
Herrn suche, so muss ich
den ersten verlassen; ich
gehe dir also auf diesen
Punkt ein. Der zweite
Punkt, ich soll nicht aus
meinem Buche beten, noch
in die Kirche gehen ;
du erzhöllisches Ungeheuer
was würden denn die Wit-
tenberger Bürger sagen,
wenn sie mich jetzt zum
Beispiel als ersten in die
Kirche und als letzten aus
der Kirche gehen sehen.
Mef. Brrr! Faust! Ich
will dir in deinen Stuhl
eine Person setzen, welche
dir in allem, auch im Be-
ten, gleich sein soll.
Faust. Kannst du das
vollbringen ?
Mef. Brrr! Faust, das
ist das geringste.
Faust. Also willige
ich dir auch in diesen
Punkt ein. Der dritte
Punkt erlaubt Ueppigkeit
des Körpers; eine Gemah-
lin zu nehmen, verbietet
er. Das ist gut, das macht
mir keine Scrupel, Der
Mes. Der dritte Punkt
ist, dass du dich nach dem
Kreuz nicht umsehen darfst.
Faust. Nein, das geht
nicht, an diesem Zeichen
des Kreuzes hängt die lau-
tere Güte.
Mesistofl. Zwei Her-
ren aber kann niemand
zugleich dienen; du suchst
einen andern, und also
musst du einen verlassen.
Faust. Nach der Schrift
bin ich gezwungen, so zu
tun, und trete zu dir.
Mes. Der vierte Punkt
verbietet dir, eine Gemah-
lin zu nehmen.
F au s t. Davon werde
ich gar nicht sprechen.
Mes. Der fünfte und
letzte Punkt ist: Mit dei-
nem Blute wirst du dich
mir unterschreiben , dass
nach Ablauf der Zeit du
deinen Körper, und deine
Seele für meinen Dienst
mir geben wirst.
Faust. Das kann ge-
schehen, lieber Geist! Aber
wie soll ich mir zu Blut
helfen? Ungern würde ich
119
vierte Punkt, ich soll mei-
ne Haare und Nägel nicht
schneiden, noch mich wa-
schen! I, du erzhöllisches
Gespenst, ich wäre ja in
kurzer Zeit ganz dir ähn-
lich.
Mef. Brrr! Faust, je
länger du dich nicht käm-
men und deine Nägel nicht
abschneiden wirst, desto
schöner und schmucker
wirst du sein.
Faust. Kannst du das
vollbringen ?
Mef. Brrr! He, Faust,
das ist das geringste.
Faust. Also trete ich
dir auf diesen Punkt auch
bei. Von dem fünften
und letzten jedoch wirst
du mich nicht tiberzeugen.
Soll ich meinen eigenen
Körper schneiden und mir
dadurch Schmerz machen?
Du höllischer Geist: ich
habe von klein auf, seit
ich in der Schule das Schrei-
ben gelernt habe, nicht
den geringsten Schmerz
an meinem Körper gefühlt.
Mef. Brrr! Faust, ich
meinen Körper hindern,
darum, weil ich mein Leb-
tag an meinem Körper
auch nicht den mindesten
Sehmerz gespürt habe.
Jetzt aber sollte ich we-
gen der Unterschrift des
Contractes meinen Körper
schneiden? — Nein, das
tue ich nicht.
Mes. Es ist dir das
auch nicht nöthig; gib
deine Rechte her, und ich
werde ohne Schmerz dir
aus ihr Blut heraussaugen.
Faust. Hier reiche ich
dir meine Hand, aber dass
ich nicht den mindesten
Schmerz fühle.
Mes. (saugt ihm an der
Hand. ) Hier sind drei Trop-
fen Blut. Mit denen schreibt
man die Worte: „Hama
fuje mena flije" und deinen
Namen.
Faust. Was bedeutet
das?
Mes.: Das bedeutet so-
viel, dass wir den Vertrag
geschlossen haben, den ich
abgeben muss.
Faust. Verschaffe mir
120
will- dir so viel Blut ohne
Schmerz aussaugen , wie
viel du brauchen wirst.
Reiche mir nur die Hand.
Faust. Da hast du sie
also, aber dass ich nicht
das mindeste spüre (reicht
ihm die Hand). Vart, du
brennst. Sita, was bedeu-
tet das? Da sehe ich drei
Tropfen Blut und in ihnen
die Buchstaben : „ Libro
vide!**
Mef. BriT! Faust, das
bedeutet so viel, dass du
in Kürze mit mir den Con-
tract abschliessen sollst,
damit ich zu unserem
Fürsten Pluto zurück fort-
fliege, welche Freude er
daran haben wird.
Faust. Fliege also fort,
und in kurzer Zeit fliege
herbei, deinen Gontract zu
holen.
Mef. Brrr! (fliegt weg).
Faust (tritt aus dem Kreise)
Faust, diesmal ruft dich
das Glück von allen Sei-
ten (ab).
IV. Scene.
Pimp. Das ist schaku-
also feines Papier und eine
Feder, und ehe eine halbe
Stunde vergeht, sollst du
den schriftlichen Gontract
von mir haben. (Veriässt
den Kreis und geht ab.)
Mes. Der ganzen Hölle
werde ich Freude machen,
weil ich einen so klugen
Schriftgelehrten betrogen
habe. Genug ist er in den
Schriften geübt, aber von
mir lässt er sich doch über-
listen. (Kichernd ab.)
III. Scene.
Kasperle. Dann Mesis-
121
lintisch mit dieser mei-
ner Frau, immerfort schickt
sie mich in den Wald nach
Schwämmen, und zwar jetzt,
wo keine wachsen. Aber,
Jemine, was seh' ich da?
da ist ein Gärtchen. Der
wird sicher der allerletzte
Landwirth sein, der hier
Kopfkohl pflanzen wollte.
(Blickt anf deu Kreis), ah, ich
weiss schon, was das ist.
Johann Doktor Fausts Vo-
gelherd. Wenn er sagt
„perluke", so gehen die
Vögel heraus und wenn er
sagt herkule — aber das
werde ich nicht früher sa-
gen, sondern dann, bis ich
darin sein werde. (Springt
in den Kreis.) Schon bin ich
da, also wenn er sagt
perluke, so gehen die Vö-
gel aus dem Vogelherd,
und wenn er sagt herluke,
so gehen die Vögel.
V. Scene.
Pik, Brrr!
Pimp. I, dass dich der
Teufel! Das ist ein tüch-
tiger Vogel, was ist das
wohl flir ein Vöglein?
tofl und böse Geister.
Kasperle. Jetzo war
ich im Zimmerchen mei-
nes Herrn und dort habe
ich ein kleines Bttchlein
gefunden, in welchem steht,
dass hier irgend ein Gärt-
chen sein soll, wo man
Vögel ohne Vogelleim fängt.
Dabei mus ich sagen —
nein, jetzt darf ich das
nicht sagen, früher werde
ich mir das Gärtchen fin-
den (erblickt den Kreis). Aha,
das ist es vielleicht. —
Ich werde gleich hinein-
steigen. (Steigt i^ den Kreis.)
So ists gut, jetzt fange
ich an, zu fangen (schaut in
den Hut, wo er es aufgezeichnet
hat). „Piluke".
Mesistofl (erscheint).
Kasperle. Was ist
das für ein Vogel? Er hat
zwei Ffisse wie ich, das
wird wahrscheinlidi ein
122
Eiu Star ists nicht, eine
Drossel auch nicht, aber
ein Rabe wird's sein, —
Lieber, du passt mir nicht
in meinen Käfig, I, das
ist ein schöner Vogelherd,
schade, dass ich keinen Sack
mitgenommen habe. Perluke
(der Teufel fliegt weg). Ob's
dort wohl mehr giebt;
herluke !
Ein anderer Teufel.
Brrr!
Pimp. So einen habe
ich noch nicht gesehen,
das ist kein Babe, keine
Drossel, kein Star, aber
ich weiss , das wird
eine Amsel sein, weil er
eine lange Nase hat. Lie-
ber, du passt ganz und gar
nicht in meinen Sack. Per-
luke! Aber sieh nur, mei-
ner Kehl, der ist gestutzt,
der hat schon im Käfig
sein müssen. Ist ihrer
wohl dort noch mehr?
Herluke.
Mef. Brrr. Pimperle,
was lässt du mir in der
ganzen brennenden Hölle
nicht Buhe und citierst uns
Elefant sein, aber mir ge-
fällt er nicht. — „Padluke ! «
Mesistofl (verschwindet.)
Kasperle: Jetzt wieder
einen andern, (ruft) Piluke!
Ein böser Geist (fliegt
herbei und bleibt vor dem Kreise
stehen).
Kasp.: Nein, solche Vö-
gel hab' ich mein Lebtag
nicht gesehen , ich muss
ihn wegscheuchen. (Ruft
irrigerweise statt „padiuke'' ei-
nigemale „Piluke!^ der Geist
rührt sich nicht.) Das iSt
ein verfluchtes Scheusal,
dass er sich nicht rühren
will. — Piluke! — Piluke!
(Auf jeden solchen Ruf erscheint
ein neuer Geist.)
. Geist. Warum citierst
du uns aus dem Abgrund
und gibst uns keine Buhe?
Kasperle. Ich citiere
euch nicht, ich fange Vögel,
Geist. Komm aus diesem
Kreise heraus.
123
unuöthigerweise auf diese
Welt?
Pimp. (seufzt auf). Je-
mine, können denn die Vögel
auch reden?
Mef. Ich bin kein Vogel.
Pimp. Und was bist du
denn für ein Ding?
Mef. Ich bin der Teufel.
Pimp. I, das war' der
Teufel , ich habe ja den
Teufel nicht gerufen, ich
habe Vögel gelockt.
Mef. Brrr, Pimprle,
geh' aus dem Kreise her-
aus.
Pimp. Komm du her!
Mef. Ich darf nicht,
brrr.
Pimp. (nachäffend). Brrr,
ich darf auch nicht.
Mef. Brrr, steig aus
dem Kreise heraus, denn,
wenn ich dich bekomme,
so werde ich dich in hun-
dert Stücke zerreissen.
(Geht näher zu ihm^ läuft um
den Kreis , wiU Pimprle aus
diesem herausbekommen. Sie
streiten miteinander. Mef. will,
dass Pimprle herausgehe, Pim-
prle wieder will, dass er zu ihm
Kasperle. Kommt ihr
darein !
Geist. Wii* dürfen nicht
hinein.
Kasperle. Und ich darf
nicht heraus.
Geist. Gut hast du
dich berathen; denn wenn
wir dich herausbekämen,
so zerreissen wir dich in
hundert Stücke.
Kasperle. Da seid ihr
zu dumm dazu, und ich
werde jetzt erst nicht
liinausgehen.
Die Geister (hüpfen um
den Kreis herum und greifen
nach Kasperle).
Kasperle (mit ausge-
streckten Armen sich im Kreise
drehend, ruft.) Piluke! —
Püuke! — Piluke! —
(Darauf erscheinen neue Geister.)
— Ach, ich habe mich ver-
sprochen. (BUckt in den Hut,
ruft :) Padluke ! — Padluke !
— Padluke! -
Die Geister verschwinden.
Kasperle. Da bin ich
in Seh weiss gekommen.
Statt „ Padluke " schreie
ich immerfort „ Piluke !**
124
komme , endlich bekommt er
Furcht und fängt an zu schreien.
Je, je, je, herluke, perluke,
herluke, perluke. (Der Teu-
fel fliegt weg.)
Pimp. Seht ihr ihn, er
hat tatrminet tanzen wollen.
Das wird jetzt schön wer-
den, wenn ich nur weiss,
dass mir der Teufel in
diesem Kreise nichts thun
darf. Warte, du schwarzer
Kerl, jetzt schmier dir
die Kniekehle mit Hasel-
fett, ich muss erfahren,
wie geschwind du bist.
Herluke, perluke, herluke,
perluke (u. s. w. Der Teufel
muss immer herbei und wieder
wegfliegen. Pimprle fftUt auf
die Erde und lacht laut). Dass
dich die Pest, da habe ich
ihn drangekriegt. Ich weiss,
dass der Schelm von Teufel
Wuth hat, wunder, dass
ihm die Galle nicht zum
Knie heraustritt ; aber was
liegt mir an ihm. Jetzt
aber wird es schlimmer
sein, wie ich von hier nach
Hause komme, es kann
auf mich der Schelm von
G-eist erscheint.
Kasperle. Oho! schon
ist er wieder da; jetzt
werde ich mir von ihm
gar nicht mehr helfen.
Aber ich weiss, was ich
thue: ich nehme das Rad
mit und er dai-f mir nichts
thun. (Erhebt das Rad und geht
ab, der Teufel hinterdrein.)
125
Teufel lauern und schnappt
mich dann^ wie ein Roth-
kehlchen eine Fliege. Aber
ich muss es versuchen
(steckt einen Fnss heraus, der
Teufel fliegt herbei, Pimprle
fängt an zn schreien: Herlnke,
perlnfce, der Teufel fliegt fort).
I, das ist ein Schelm, wie
er mir hat auflauern wollen.
Ich werde jetzt hier ver-
faulen oder verschimmeln
mttssen, der Teufelshabicht
wird jetzt immerfort auf
mich lauern. (Im Kreise sit-
zend, bewegt er ihn.) Ah, SChau
schau, es bewegt sich das,
gut, jetzt setz' ich mich
so drauf und gelange mit
dem Schieben bis nach
Hause. Da habe ich dem
Schelm von Teufel das
Gesicht ausgewischt, und
zu Hause pflanze ich mir
Mutterkraut hinein (schiebt
sieh mit dem Kreise fort).
VI. Sceae.
(Hinter dem Vorhang ist Faust
zn hören.) Nunmehr beginne
ich den Contract zu schrei-
ben. Ego Johannes. —
Engel, (iässt sich verneh-'
Verwandlung.
(Der Felsen öf&iet sich, und
inuen sitzt Fanst und rüstet
sich, indem er auf einem Steine
vor sich Papier liegen hat, znm
Sehreiben.)
IV. Scene.
Faust. Engel (aeigt
sieh dreimal in der Lneft). Me*
sistofl.
Faust. Nun schi*eibe ich :
Ego Johan —
126
men). Fauste, Faust, was
thust du. dass du dich den
Teufeln verschreiben lässt;
überwinde dich, und krieche
ihnen nicht in ihren Rachen.
Faust. Sita, was geht
da vor, meine Feder aus
meiner reichten Hand ist in
Verlust gerathen. Homo
vide, was bedeutet das?
Mef. Brrr! Faust, das
bedeutet soviel, dass du
schläfst und nicht weisst,
was dir die Mäuse gethan
haben, denn sie haben dir die
Feder aus der Hand geris-
hen, schreibe nur geschwind,
du hast ja Federn genug
hier.
Faust. Also fange ich
zu schreiben an: Ego Jo-
hannes Doktor Faust.
Engel. Fauste, Fauste!
Memento mori!
Faust. Was geschehen
ist, das ist geschehen ; schon
ist mein Name mit meinem
eigenen Blute unterschrie-
ben. Wem das Schreiben
angehört, der kann kommen
und es aus meiner Hand
nehmen (erscheint auf der
Engel. Faust, denke an
die Ewigkeit.
Faust (welchem jedesmal
bei den Vierten des Engels eine
Feder aus der Hand verschwindet).
Was bedeutet das, Mesis-
tofl? Die Feder ist mir
aus der Hand verschwunden.
Mesistofl. Aus Un-
achtsamkeit ist sie dir ent-
fallen. Du hast dort andere
Federn genug, wähle dir
und eile.
Faust. Nun schreibe
ich Ego Johan —
Engel. Faust, denke
an die Ewigkeit.
Faust. Wieder ist mi r
die Feder verschwunden.
Mesistofl. Du hast Fe-
dern genug, trachte nur,
dich zu beeilen!
Faust. Nein, nein, das
wird etwas anderes sein,
aber (schickt sich zum Schreiben
an). Jetzo schreibe ich : Ego
Johan Doktor Faust —
Engel (mit schon achwa-
cher Stimme). Faust, Faust,
denke an die Ewigkeit!
Faust (nimmt statt der
verschwundenen eine neue Feder,
127
Bühne). No, ihr höllischen
Geister, schon habet ihr
euere Bezahlung, ihr sollt
aber erfahren, dass ihr sie
bei mir sauer verdienen
werdet. Mefistofl! wo bist
du? stelle dich zum Dienste.
Mef. Brrr! Faust, was
begehrst du? nun kannst
du keck befehlen, und wenn
du verlangst, dass dir 3000
Teufel zu Hilfe kommen
sollen, sollen sie in dem
Augenblicke hier sein.
Faust. Ich habe keinen
Contract auf 3000 Teufel
geschlossen , sondern auf
dich allein. Was ich wollen
werde, musst du mir zu
Willen thun. Nunmehr ehe
ich nach Hause komme, will
ich Silber, Gold, theuere
Perlen, Edelsteine und an-
dere kostbare Kleinodien,
Pferde und Vieh die Menge
haben, damit ich keine Noth
leide.
Mef. Brrr! Faust, dein
Herz wird vor Freude ju-
beln, bis du in deine Zim-
mer blicken wirst; denn du
wirst kaum dieThüre öffnen
schreibt längere Zeit, worauf er
ans dem Felsen heranstritt und
den Zettel dem Mesistuil ttber-
giebt). Hier hast du die Ver-
sicherung auf meine Seele,
das sage ich dir aber, dass
ich mit dir den Vertrag
schliesse. Was ich befehlen
werde, das musst du thün,
und in nichts darfst du mir
widersprechen.
M e s i s 1 f 1. Sorge nicht !
Was du befehlen wirst,
werde ich dir thun. An
nichts wird es dir fehlen,
und bis du in deine Zimmer
kommst, findest du dorten
Gold und Silber genug.
128
vor lauter Silber und Gold.
Faust. Also hast du in
Kürze se für mich gesorgt?
Mef. Brrr! Faust, ganz
gut.
Faust. Das will ich
mir gerne ansehen.
Mef. Daher fasse meinen
Bücken , im Augenblicke
sollen wir dort sein. (Der
Vorhang föllt.)
m. Aufzug.
(Fausts Wohnung.)
I. Scene.
Faust (ruft). Mefistofl,
rufe mir meinen Wagner
her, dass er mich ankleide.
Ich möchte gerne ein anderes
Land ansehen, denn ich
habe gehört , dass der
König von Portukäl mor-
gigen Tags ein grosses Fest
halten wird, bei welchem
Beilager ich mich gerne be-
finden würde.
Mef. (schreit mit hässlicher
Stimme) Wagner! (ab.)
n. Scene.
Wag. Was befehlen
Offizienz Ihro Gnaden?
Faust. Mein Wagner,
Faust. Es freut mich,
dass du so für mich sorgst.
— Aber höre, Mesistofl!
Ich habe in der Zeitung
gelesen, dass die Verlobung
der persischen Prinzessin
Frolina stattfinden wird.
Gerne wäre ich bei diesem
Feste dabei, besuchen wir
den persischen König, und
so werde ich mir Ergötzung
die Fülle linden. — Jetzt
tritt ab, dass ich meinen
Wagner rufe!
Mesistofl (entfernt sich).
Faust (ruÄ). Mein treuer
Fakner !
V. Scene.
Fakner. Faust später
Kasperle.
Fakner. (tritt auf und
126
ich fibergebe dir mein Haus
und die ganze Wirtschaft
bis zu der Zeit, dass ich
aus Portukäl zurückkomme.
Wagner. Offlzienz Ihre
Gnaden, das ganze Haus
und die ganze Wirthschaft,
das wäre für eine Person
sehr viel.
Faust. No, falls du
hier einen geschickten Kerl
zu deiner Hand hast, so
rufe ihn hierher, und ich
werde ihn zu deiner Aus-
hilfe dingen.
Wagner (geht mit einer
Yerbeugung ab, ruft hinter dem
Vorhange). Pimprle , geh
grade zu meinem Herrn!
P imp. (hinter dem Vorhang).
Sage, dass ich nicht grad
gehen kann.
Wagner. Dummer
Mensch, geh du, wie du
kannst, geh nur bald!
P i m p. Sage, bis ich mir
die Hosen umgeworfen
habe, würde ich kommen.
Wagner. Ich sage dir,
komm.
Pimp. Warte nur, ich
muss mir noch die Hand-
Kraus, Böhm. Pappenspiel Faust.
sieht sich farchtsam um). Was
befehlen Sie , Ew. Gnaden ?
Faust. Mein Fakner !
Hier hast du den Schlüssel
von meinem Zimmer; ich
tibergebe dir mein ganzes
Haus, und darum gib mir
auf alles wohl acht!
Ich will mich auf einige
Monate in die Welt begeben,
damit ich wieder etwas
Neues sehe.
Fakner. Ew.Gnaden! was
belieben sie da mir aufzu-
erlegen ? Ich allein kann das
ganze Baus nicht leiten, und
darum belieben Sie, mir die
Erlaubnis zu geben, dass
ich mir zur Hand einen
Diener aufnehmen könne.
Faust. Wenn du von
einem Diener weisst, nimm
dir ihn, und ich selbst werde
ihn zahlen.
Fakner. ünterthänigst
danke ich, Ew. Gnaden ! Es
ist einer hier, der sich mir
schicken würde, und er geht
hier irgendwo mit einem
Korbe nach Schwämmen
herum, (ruft). He, Freund,
kommt her!
9
130
schabe an die Füsse ziehn.
Wagner (nach einer Weile).
Was raaclist du dort so
lange?
Pinip. Jetzt ziehe ich
die Hemdärmel an, und
falls du's nicht glaubst,
komm dirs ansehen, dass
ich nackt bin.
Wagner. Ich sage dir,
lass das Scherzen und
komme zu meinem Herrn!
Plm p. (tritt auf). Schaku-
lintisches Leben, nicht ein-
mal ordentlich anziehen^
kann sich der Mensch (stösst
unachtsam anFaust).Rohrspatz !
Faust (erschrickt) . Ich
bitte dich, mein Wagner,
was nimmst du dir da für
einen dummen Menschen?
Ich bemerke ja, dass es
ein völliger Tölpel ist.
Pimp. Wenn ich euch
gefalle, — so liegt euch
nichts daran. Wenn ich
nur auf der Welt der ein-
zige Tölpel wäre!
Faust. Möchtest du dich
nicht zu mir in Dienst
dingen lassen?
Pimp. I, warum nicht,
K asperleOäuft herbei). Da
bin ich.
Faust Wolltest du den
Dienst bei meinem Fakner
annehmen? Hier hast du
Angeld, einen Dukaten. —
Was aber mein Fakner
befehlen wird, musst du
ausführen, und Lohn be-
kommst du dafür reich-
lich, (ab.)
131
dienen werde ich genug,
wenn ich Geld und Zahlung,
Essen und Kost bekomme
und alles Uebrige; dienen
werde ich genug.
Faust. Also wenn du
Lust zu dienen hast, so
gebe ich dir hier einen
Dukaten auf Wein, lauf
und trink auf meine Ge-
sundheit (ab).
Pimp. (juchzt). Ju, chu,
chu, jetzt geh' ich in den
Apollosaal und werde trin-
ken, Karten spielen und
tanzen, bis die Absätze
über die Schultern fliegen
(wiü weglaufen).
Wagner (fängt ihn). In
kein Wirtshaus gehst du,
bevor du nicht Wasser und
Holz gebracht hast, dann
spring du, wohin du willst.
Pimp. So? Mein- Herr
hat mir nicht gesagt, ich
solle Wasser spalten u. Holz
schöpfen gehen, mein Herr
hat mir gesagt, dass ich auf
seineGesundheit trinken soll
Wagner. Schon habe
ich dir gesagt, jetzt komm
mir nach (ab).
VI. Scene.
Vorige ohne Faust.
Kasperle: Das hier
ist ein anderer Herr! Der
wirft nur mit den Dukaten,
anders als Ihr. Jetzt aber
geh' ich und das wird eine
ordentliche Kneiperei für
das Geldstück.
Fakner. Du darfst nicht
fortgehen , sondeni musst
früher deine Arbeit ver-
richten. Bis du fertig bist,
kannst du gehen, wohin du
willst. — Wie heisst du?
Kasperle. Ich heisse
Kasperl Schalk.
Fakner. Du wirst mir
also, Kasperle, zu Hause
Holz spalten und reines
Wasser herbeitragen (ab). :
Kasperle. Ich werde
dir die Holzscheite an den
Kopf werfen und in dem
9»
132
Pirap. Geh, geh, Wen-
zel knochiger, ich werde
dir das Holz an den Kopf
werfen, und das Wasser,
das wirst du dir weinen
können.
lil. Scene.
Mefistofl (kommt herbei-
geflogen).
Pimprle (erschrickt und
fällt, er seufzt auf). Jemine,
es ist gefehlt!
Mef. Pimprle, weisst du
denn auch, wo dein Heri:
ist?
Pimprle. Jemine,
wo ist denn mein Herr?
Mef. Dein Herr ist von
hier 3000 Meilen weit.
Pimp. Das lügst du in
deinen Hals, 300 mal, wie
der Teufel, denn ich habe
jetzt mit ihm gesprochen,
und er hat mir einen Du-
katen auf Wein gegeben
Mef. Pimprle, als wir
auf der Reise waren, hat
sich dein Herr deiner er-
innert ; im Augenblick sollst
du dort bei ihm sein.
Pimp. Jemine, was
wUrde denn der Magen
Wasser werde ich dich
baden. Lieber werde ich
jetzt ins Wirtshaus gehen
und für den Dukaten werde
ich nur lustig genug sein.
VII. Scene.
Mesistofl. Kasperle.
Easp. Ach, das ist
einer von den Vögeln! —
was bist du für ein Ding?
Mes. Ich bin Doktor
Fausts Diener.
Kasp. Und ich sein
Lakai. Sieh, das hab' ich
nicht gewusst, dass ich
einen Teufel zum Kame-
raden haben werde. — Wo
ist mein Herr, Brüder
Teufel?
Mes. Ich habe ihn zum
persischen König befördert,
und jetzt schickt er mich
nach dir, damit du kom-
mest, ihm die Speisen auf
die Tafel zu tragen.
Kasp. Ich gehe hin,
Brüderchen, wenn nur dort
zu essen und zu trinken
sein wird.
Mes. Alles wirst du
dort reichlich bekommen,
».. _ •• •■
133
sagen, wenn ich so weit
zappelte.
Met*. So lange wir auf
der Reise sein werden,
werden wir uns an Speise
und Trank gar nicht er-
innern.
Pimp. Wo hast du
denn irgend einen Wagen
oder Kutsche?
M ef. Hier fasse meinen
Rücken.
Pimp. Drehe dich also
um (Mef. dreht sich um). Du
bist glatt wie ein Reib-
eisen. Wohin soll ich mich
setzen? ich falle ja von
überall herunter (besieht ihn
immerfort).
Mef. (dreht sich um). Mach!
Pimp. Also dreh' dich
um , hier hast du keinen Sitz.
Mef. Trachte nicht, mit
mir zu scherzen, oder ich
zerreisse dich in hundert
Stücke.
Pimp. (fasst seinen Rücken,
— er fliegt fort.)
Pimp. Wart, dass ich
nicht falle. (Hinter der Scene.)
Jemine, schon bin ich
Über Prelouö,
nur darfst du nicht ver-
rathen, dass mein Herr
Faust heisst. Wenn du
das thätest, drehe ich dir
den Hals um.
Kasp. Dann gehe ich
lieber nicht hin, denn wenn
du mir den Hals umdreh-
test, könnte ich nichts
essen und trinken.
Mes. Klettere also auf
mich und fasse mich gut
an! Ich werde mit dir
rasch fliegen, weil ich um
die zwölfte Stunde dort
sein muss.
Kasp. (steigt Mesistofl auf
den Rücken, fasst ihn um den
Hals und der Geist fliegt mit
ihm fort).
Der Vorhang fallt.
134
IV. Aufzug.
K^iglicher Saal auf der Burg
von Portukäl.
I. Scene.
König (inmitten des Hof-
staates). Ei, seid gegrüsst,
meine getreuesten Hof-
herren, freuen wir uns dar-
über, dass uns Gott der
Herr aufs neue eine ehe-
liche Verbindung geschenkt
hat; ich befehle euch je-
doch, dass niemand am
heutigen Tage in unsere
Burg zugelassen werde,
der unserem Stande nicht
ebenbürtig wäre.
II. Scene.
Pimp. (über der Bühne). Ich
sage dir, Teufel, schaukel
nicht, ich fall', schaukel
nicht, ich fall'! (indem fäUt
er vor die Füsse des Königs).
König (erschrickt). Was
erblicke ich da mit meinen
Augen, ein Menschlein vor
meine königlichen Füsse
fallen. Was begehrst du,
Freund ?
Pimp. (jammert). Epe —
pe — pe!
Dritter Aufzug.
(Garten des persischen Königs,
zu beiden Seiten sind Postamente
und auf diesen rechts die Bild-
säule des Eiesen Goliath, links
Davids mit der Schleuder in der
Hand. Im Hintergrunde auf
einem erhöhten Orte sitzt der
König mit der Prinzessin, neben
ihnen zwei Minister.)
I. Scene.
König. Prinzessin.
Minister.
Später Kasperle.
König (erhebt sich und
spricht): Freuet euch, meine
Hofherren, dass wir in
Gesundheit diesen Tag er-
lebt haben! Meine theuere
Prinzessin hat ihr Ziel er-
reicht. — Nun gebe ich
den Befehl, dass sich hier
niemand sehen lässt, der
unserem Stande nicht eben-
bürtig ist, und der sich
nicht zuvor anmelden lässt.
Kasperle (fliegt aus der
Luft herab und bleibt mitten
im Garten stehen und spricht
für sich) : Dieser Teufel hat
kein bisschen Verstand, d?iss
135
König. Bist du denn
stumm?
Pimp. Stumm, stumm,
stumm.
König. Schad' um dich,
Mensch, dass du stumm
bist, denn nach deiner
Körperkleinheit erkenne ich
Geschicklichkeit; wir könn-
ten von dir irgend einen
Schwank oder Spass er-
fahren. Wie lange bist du
denn aber stumm?
Pimp. So lange, als
ich nicht rede.
König. Warum also
verleugnest du vor uns
deine Sprache ? Woher bist
du oder Avas bist du?
Pimp. Ich darf es nicht
sagen, dass ich Doktor
Fausts Diener bin, sonst
würde mich der Teufel
holen.
König. I was ? Doktor
Fausts Diener?
Pimp. Ja, oder sein
Lakai.
König. Oder sein La-
kai. Ich habe seit meiner
Jugend von seiner grossen
Gelehrsamkeit gehört, da-
er mich hieherstellt und
dabei mir befiehlt, dass ich
stumm sei.
König. Meine Getreuen !
Wie ist dieser Mensch her-
gekommen? {Zw Kasperl):
Auf welchem Wege bist
du zu uns gelangt?
Kasperle. Em, em,
em.
König: Ich frage dich,
wo herum bist du zu uns
gekommen ?
Kasperle: Em, em,
am, pon.
König. Mir scheint, dass
der Kerl stumm ist. —
Bist du etwa stumm?
Kasperle. Ei ja.
König. Wie lange?
Kasperl. Seit der Zeit,
dass ich mich nicht unter-
redet habe.
König. Sage mir, wer
dein llerr ist!
Kasperl. Ich darf es
nicht sagen, dass mein Herr
(sieht sich nach allen Seiten um)
Faust heisst; wenn ich das
verriethe, würde mir der
Teufel den Hals umdrehen.
König.Fau9t?D^iuHerr
186
rum, verstehst du, du Klei-
ner, geh zu deinem Herrn,
dass ich ihm mein unter-
thäniges Compliment ent-
biete, dass er so gut sei
und uns hier ein wenig
besuche.
Pimp. Da wird nichts
draus, ich kann mich nicht
rühren bei 7 Kreuzer
Strafe.
König. Geh nur, dein
Donceur oder Diskretion
wird dir nicht verloren
gehen.
Pimp. (abgehend). das
hat keine Noth, solche
grosse Herrn versprechen
gern, — aber ungerne
geben sie.
König. Meine getreuen
Höflinge, ich freue mich
darüber, dass wir heutigen
Tages eine Unterhaltung
erblicken werden. (Es klopft
an der Thüre*) Herein.
III. Scene.
(Faust kommt, verneigt sich vor
dem König, worauf sich beide
begrüssen.)
König. Ah, schön will-
kommen, das freut uns alle
ist der Doktor Paust? —
Nimm diesen Dukaten und
führe ihn her zu uns.
Kasperl. Schon gehe
ich ihn suchen (läuft ab).
König. Gewiss werden
wir grosse Kurzweile ge-
messen, wenn wir den
Herrn Doktor Faust her-
bekommen werden.
IL Scene.
Faust. Vorige ohne
Kasperl.
Faust (vortretend, verbeugt
sieh). Euer Erlaucht! nehmt
es mir nicht übel, dass ich
137
sehr, dass Sie uns in un-
serer Versammlung ein
wenig besucht haben ; darf
ich denn aber auch nach
Ihrem Namen fragen?
Faust. Ihre Königliche
Majestät, mein Name ist
Johannes Doktor Faust.
König. Johannes Dok-
tor Faust. Ich höre oft,
dass Sie ein gelehrter, in
grossen Künsten ausgelern-
ter Mensch sein sollen.
Faust. Was Sie be-
fehlen würden, soll nach
Ihrem Willen geschehen;
wenn Sie befehlen würden,
dass die Fische in der Luft
fliegen, oder die Vögel im
Wasser schwimmen; oder
irgend ein todter Körper,
welcher selbst über 300
Jahre in der Erde liegt;
in dem Augenblicke soll
er hier sein.
König. Johann Doktor
Faust, sehr würde es mich
freuen, wenn Sie mir die
schöne Jungfrau Eleonora
vorstellten, welche ein so
schönes Frauenzimmer war,
dass die Stadt Fayia zu
mich erkühne. Euer Gna-
den mich vorzustellen! Ich
bin der wohlausgelernte
Doktor Jan Faust aus
Mailand, und geruhen Sie
zu befehlen, so könnte ich
Erlaucht mit irgendwelchen
Künsten bedienen. Wenn
todte Körper dreihundert
Jahre im Grabe lägen, auf
mein Gebot gelangen Sie
zur Auferstehung und keh-
ren auf die Erde zurück.
Wenn ich wollte, würden
die Fische in der Luft
schwimmen und die Vögel
unter dem Wasser fliegen.
— So gross ist meine
Kunst.
König. Doktor Jan
Faust! Grosse Freude
habet Ihr mir bereitet, dass
Ihr uns besucht habt, denn
ich habe von Euch gehört,
dass Ihr ein unübertreff'-
licher Künstler sein sollt.
Ich habe mir gewünscht,
Euch erblicken zu können,
und jetzt kommt Ihr selber
so unerwartet und saget,
dass Ihr mir mit einigen
Künsten dienen wollet. Ihr
138
Grunde ging, denn die Stu-
denten Hessen keinen Stein
auf dem andern. Die
würde ich also gerne er-
blicken.
Faust. Das soll nach
Befehl geschehen. (Geht zwi-
schen die Coulissen und ruft):
AUa Strik. Pik, Mefistofl
und alle zusammen, stellt
mir vor die schöne Jung-
frau Eleonöra. (Blitz und
Donner, — Eleonöra erscheint.)
König. Gut, das ist sie,
sie hat sicherlich ein sehr
schönes Frauenzimmer sein
müssen. Aber JohannDoktor
Faust, was uns noch freuen
würde, wenn Sie uns vor-
stellten den König Alexan-
der, welcher ein sehr weiser
und kluger Mann war.
Faust. Wenn Sie be-
fehlen, im Augenblicke soll
er hier sein (ruft bei Seite):
AUa Mefistofl und alle zu-
sammen, stellt mir vor den
König Alexander. (Blitz und
Donner, worauf Alexander er-
scheint.)
König. Das ist ganz
seine Gestalt, mit diesen
saget , dass dreihundert
Jahre todte Körper auf
Euer Geheiss sich beleben ;
etwas solches begehre ich
aber von Euch nicht. Ich
habe aber in den König-
lichen Büchern gelesen, wo
verzeichnet ist, dass unter
König Saul ein grosser
Krieg mit dem unüber-
windlichen Riesen Goliath
war, und dass der König
Saul in seinen Landen ver-
kündigen Hess, wer den
Riesen erschlage, würde
die Hälfte des Königreichs
und seine Tochter zur Ge-
mahlin erhalten. Der kleine
David bestrebte sich, zum
Könige zu gehen und ihn
zu ersuchen, er solle ihm
die Erlaubnis geben, sich
dem Riesen entgegenzu-
stellen. Der König, als er
seine Bitte angehört, sprach
zu ihm folgendermassen :
„Kehre zurück, Jüngling,
in die Wohnung deines
Vaters, denn deine Jugend
ist bedauernswert, und vom
Himmel müsste dir Hilfe
kommen, wenn du diesen
139
zwei Leuten wäre es lieb,
ein paar Worte zu sprechen,
doch was hilft's, wenn das
alles Staub, Asche und
Koth ist. Allein Johann
Doktor Faust, das scheint
mir keine menschliche Kunst
zu sein, weder eine mathe-
matische noch astrono-
mische, sondern nur eitel
höllisches Blendwerk. Da-
her weise ich ihn auf die
Minute aus meiner Burg
aus, oder wenn er sich
nicht gleich von hier weg-
l)egibt, so lasse ich ihn
wie einen Zauberer auf
dem Scheiterhaufen ver-
brennen. — Trachtet mich,
meine getreuen Höflinge,
von hier zu begleiten, da-
mit wir durch diesen Zau-
berer nicht in ein Unglück
kommen. (Einer nach dem an-
dern ab.)
IV. Scene.
Pimp. Hab' ichs doch
gesagt, dass sie mir davon-
laufen werden, aber wart,
der letzte muss zahlen. —
Halt!
Riesen verderben solltest."
— Der kleine David bat
umsomehr, die Erlaubnis zu
erhalten, er habe in seiner
Seele eine gute Ueberzeu-
gung von seinem Siege. Der
König sagte ihm also,er solle
im Namen des Herrn gegen
den Riesen gehen. Der
kleine David begab sich
darauf in die Wohnung
seines Vaters, nahm die
Schleuder und wählte sich
im Bächlein drei Steine.
Darauf bezeichnete er sich
mit dem Zeichen des hei-
ligen Kreuzes und eilte
an den Ort, wo der Riese
wohnte. Dort stellte er
sich ihm entgegen, schwang
die Schleuder, schoss einen
Stein und schlug ihm ihn
dritthalb Zoll tief in den
Kopf. So vertilgte er diesen
Riesen vom Erdboden. —
Wenn Euch das nicht
schwer fiele, würde ich die
zwei Kämpfer gern er-
blicken.
Faust. Ich werde das
nach Gefallen Euer Er-
laucht thuu (geht beiseite,
140
Höfling. Was willst
du, verkümmerter Knirps?
Pimp. Ich bekomme
meine Diskretion, dass ich
meinen Herrn gerufen habe,
und wenn alle davonge-
laufen sind, so halte ich
dich auf, bis du mir be-
zahlst.
Höfling (wirftihnzurErde).
Da hast du die Bezahlung.
Pimp. I, das glaub ich,
das dank dir der Teufel,
das sind weder Kuchen
noch Fladen, aber wart,
du Philister, wie er die
Flügel auf mich ausspannt,
wie ein Tauber, wenn er
die Taube angirrt. Ich
werde dich aber, du Tam-
bour, anräuchern, dii Schoss-
ablecker! (ab.)
gleich darauf wird es dunkel,
und mit Länn steigen der Biese
Goliath und David aus ihren
Postamenten heraus und stellen
sich vor dem König auf).
Faust (zurückkehrend). Be-
fiehlt Euer Erlaucht etwa
mehr?
König (nähert sich David).
Eine sichere Wahrheit !
Das ist der David, der so
tapfer war, dass er sich
vor den grausamen Riesen
stellen konnte; Vom Him-
mel hat dir die Hilfe kom-
men müssen, dass du es'
zustande brachtest, den
Riesen zu vernichten. Gerne
würde ich mit dir reden,
aber es ist nicht möglich,
das von dir zu verlangen,
denn ich sehe, dass du
Asche und Koth bist.
(Wendet sich zu Goliath, er-
schrickt): und das hier ist,
meine Getreuen, der grau-
same Riese. Grosse Angst
umfängt mich, und ich
glaube, dass etwas ähn-
liches der Doktor Jan
Faust gar nicht thun kann;
das ist keine natUrlichQ
141
V. Scene.
Faust (geht zornig aaf und
ab). Mefistofl, WO bist du?
Mef. Brrr, Faust, was
verlangst du?
Faust. Mefistofl, hast
du von dem portukalischen
König gehört, was er mir
gesagt hat, dass ich für
meine Kunst verdiene, dass
ich als Zauberer auf dem
Scheiterhaufen verbrannt
werde?
Mef. Ganz gut.
Faust. FürdiesenStreich
werde ich mich an ihm, wie
Sache, und er will uns mit
seinen Kttnsten alle blen-
den. Darum weise ich ihn
aus dem Lande; er ent-
ferne sich aus meinen Re-
gionen, denn für seine
Kunst verdient er, auf dem
Scheiterhaufen verbrannt zu
werden. Geleitet mich,
meine Lieben, von hier.
Vor Angst sterbe ich. (Ab
mit der Prinzessin und den Mi-
nistern.)
Faust. Da ist Fausten
eine schöne Ehre geschehen.
— Mesistofl, komm her.
lU. Scene.
Mesistofl. Faust.
Mes. Faust, was ver-
langst du?
Faust. Weisst du denn
nicht, was mir der per-
sische König jetzt tun
will? Ich verdiene, sagt
er, nichts anderes, als
gefasst und als Zauberer
auf einem Haufen Holz
verbrannt zu werden. Was
werden wir ihm dafür tun ?
Weisst du was, nimm diese
zwei Gestalten von hier,
an dieser Stelle wirst du
142
sichs gehört, rächen. Nun
gehst du und erregst mir ein
Gewitter undDonnerwetter,
dabei regst du mir alle
Meeresungeheuer auf; die
Vögel lässt du im Wasser
schwimmen und die Fische
in der Luft fliegen. Ich
werde sodann auf einem
Meerross reiten, wobei du
mir vor mir eine Brücke
aufbauen wirst, die du
liinter mir wieder sammeln
wirst. Dann wirst du mir
eine Kneipe auf dem Wasser
bauen, woselbst ich Kegel
schieben werde, welche du
mir immer aufstellen wirst ;
und bis der König von
Portukäl aus dem .Fenster
darauf schauen wird, dann
möge ihm ein gi'osses Hirsch-
geweih anwachsen, so dass
er mit dem Kopfe weder
aus noch ein kann. Und
so werde ich mich an ihm
aufs beste rächen.
Mef. Brrr, Faust, du
verlangst von mir eine
unmögliche Sache, wo hätte
ich denn den Blitz unter
meiner Macht? Gewitter
Wasser vorstellen, und auf
dem Wasser Seeungeheuer,
dann wirst du ein Donner-
wetter und Blitze schaffen ,
ich werde mich auf das
Wasser begeben , werde
Kegel schieben und du
wirst sie stellen. Ein sol-
ches Schauspiel wird den
Herren sehr wunderbar sein.
Mes. Faust, was denkst
du denn? Ich soll diese
Arbeit verfertigen, diese
zwei Geister wegnehmen,
dann Gewitter, Blitz und
143
und Donnerwetter habe ich
nicht in meiner Gewalt,
also verlange das nicht von
mir. Sonst werde ich dir
alles zu Gefallen tun.
Faust. Du höllischer
Geist, du musst mir das
tun.
Mef. Brrr, Faust, ver-
lange das nicht von mir
(fängt an za weinen), brrr,
oder wenn du gegen mich
Gewalt gebrauchen willst,
brrr, so will ich dir deinen
Zettel zurückgeben.
Faust. Du höllischer
Geist, ich habe mit dir den
Contract geschlossen, dass
du mir tun musst, was ich
will, und wenn du mir
nicht gehorchst, so nehme
ich einen Stutzen und werde -
auf dich schiessen.
Mef. (fliegt fort und schreit
hinter dem Vorhange mit weiner-
licher Stimme): Strik, Pik,
Anberon und alle zusam-
men, trachtet mir behilf-
lich zu sein, denn es ist
Faust sehr erzürnt.
Faust. Was ich will,
das muss geschehen. (Ab.)
Wasser bewirken? Das
ist mir nicht möglich, zuthun.
Du willst mich sehr quälen,
nimm von mir deinen Con-
tract und mehr will ich
von dir nichts wissen.
Faust. Höllisches Un-
geheuer ! Den Contract
willst du mir zurückgeben?
— Ich werde dich also
anders quälen ! Jetzt gleich
führst du mir das schnellste
Pferd herbei ; darauf werde
ich mich setzen und du
musst mir mit lauter Kiesel-
steinen den Weg pflastern,
wo ich reiten werde. Aus
Sand wirst du mir Stricke
flechten und ihn in Garben
binden. So quäle ich dich
von heute an. (Eilt ab nnd)
der Vorhang fällt.
144
V, Aufzug.
Seegegend, schreckliches
Gewitter, man sieht ver-
schiedene Tiere schwim-
men, Pimprle fährt auf
einem Kahn, Faust (reitet)
auf einem Meerross; dieser
schiebt sodann Kegel.
VI. Aufzug.
Fausts Zimmer.
I. Scene.
Faust (rnft hinter dem
Vorhang): Was ist das hier?
Mef. Das ist Amerika.
Faust. Was ist das
Mer?
Mef. Das ist Afrika.
Faust. Was ist das
hier?
Mef. Da sind wir in
Australien, und da sind die
Andamanischen und Niko-
barischen Inseln, da wie-
der die Insel Helena —
auf welcher Bonapart ge-
storben ist.
Faust. Was ist das-
hier?
Mef. Das ist Asien, wo
mein Kamerad Eva den
Apfel reichte.
Vierter Aufzug.
(Zimmer im Hause Fausts.)
I. Scene.
Faust. Mesistofl.
Faust. Warte, warte,
du höllisches Ungeheuer!
Das habe ich um dich
verdient? Weisst du, wie
wir über dem Meere flogen
und ich dich bat: „Mesis-
tofl, sei so gut und schwebe
mit mir auf die heilige
Strasse von Jerusalem
herab, damit ich das hei-
lige Kreuz küssen kann!^
— Weisst du, welche Ant-
wort du mir gegeben hifist?
— Ehe ich dir das täte,
sagtest du, würde ich dich
lieber in tausend Stücke
zerreissen und in dieses
Meer werfen. (Zornig): Da-
für wirst du mir jetzt
145
Faust. Was ist das?
Mef. Da sind wir zu
Haas (kommt mit Faust ins
Zimmer geflogen).
Faust. Mefistofl, hast
du, als wir über Jerusalem
flogen, das Crucifix gese-
hen, das über uns im Winde
schwebte ?
Mef. Ganz gut.
Faust. Also verstehst
du, ich hätte gerne ein
solches Crucifix gemalt,
trachte es mir zu ver-
schaffen.
Mef. Brrria, Faust, ver-
lange das nicht von mir,
dass ich dir das Crucifix
aufmale, dazu müsste ich
über 4000 Teufel auftreiben.
Faust. Was ich will,
musst du mir zu Willen tun.
Mef. (fliegt fort und schreit
hinter dem Vorhange): Alla
Strik, Pik, Auberon und
alle zusammen , trachtet,
mir hilfreich zu sein, denn
es ist Faust sehr erzürnt,
ich soll ihm ein Crucifix
verfertigen (bringt ein Cru-
cifix). Brr, Faust, sieh,
ist das Crucifix gut gemacht?
nach Portukäl gehen und
bei dem grössten Kauf-
manne dort wirst du Far-
ben, Pinsel und Firniss
kaufen; aus Begensburg
wirst du mir Leinwand
bringen, und dann musst
du mir das Crucifix so,
wie ich es gesehen habe,
aufmalen, weil ich es hier
zum Andenken zurücklassen
will.
Mesistofl. Faust, was
verlangst du da? Ich darf
mit meiner Hand kein Cru-
cifix malen; nimm dir den
Contract zurück, und alle
Verpflichtungen werde ich
dir von Herzen gerne ver-
zeihen.
Faust. Pack dich, oder
ich schiesse dich todt.
Mes. (verschwindet).
Faust (setzt sich und steht
nach einer kleinen Weile, als der
Geist zurückkehrt, wieder auf).
Mes. (bringt schwarze Lein-
wand). Hier hast du, Faust,
die Leinwand.
Faust. Spasse nicht mit
mir und male das Crucifix
— oder (greift nach der Pistole).
Kraus, Böhm. Pappenspiel Faust.
10
146
Faust (besichtigt das Kreuz).
Du hüllischer Geist, aller-
dings ist das Crucifix gut
verfertigt, aber wo hat es
die Inschrift, die ihm Pila-
tus gegeben hat?
Mef. Brrr, Faust, ver-
lange das nicht von mir,
denn gut weisst du, dass
die Schrift des Pilatus uns
höllische Geister weit fort-
jagt.
Faust. Du höllischer
Geist, kann das Crucifix
ohne dies sein ? Also trachte,
es zu verfertigen.
Mef. Brrr, Faust, ver-
lange das nicht von mir,
denn ich will dir lieber
den Zettel zurückgeben.
Faust. Also, wenn du
es niclit malen kannst, so
sage es mir, und ich werde
es mir selbst zu Ende
ziehen.
Mef. Brrr, Faust, wenn
ich das sagen könnte, so
würde ich es auch zu malen
verstehen.
Faust. Also, wenn du
es weder sagen noch malen
kannst, so will ich es mir
Mes. Faust, warte ein
wenig. Ich bin bereit,
lieber zu malen, als nach
mir schiessen zu lassen.
(Malt schnell das Bild). Da ist,
was du verlangt hast.
Faust. Gut! Das ist
das Crucifix, welches ich in
Jerusalem gesehen habe,
aber bisher ist es nicht zu
Ende gemacht.
Mes. Was fehlt ihm?
Kein Mensch kann es ta-
deln.
Faust. Wo ist denn die
obere Inschrift geblieben?
Mef. Sprich diesen Na-
men vor mir nicht aus, denn
er vertreibt mich auf drei-
hundert Schritte von dir.
Ehe du ihn aus dem Munde
lässt, muss ich dich in
tausend Stücke zerreissen.
Faust. Ich werde ihn
dir nicht nennen. Ich werde
einenBleistift aus derTasche
ziehen und werde ihn dir
aufzeichnen, und du musst
ihn zu Ende malen.
Mes ist. Wenn ich ihn
malen könnte, könnte ich
ihn auch zeichnen ; ich kann
147
selber zü Ende ziehen, du
aber stehe bei mir und
höre gut zu, denn in Wahr-
heit, Gott verlangt vom
Menschen keine unmög-
lichen Dinge, also werde
auch ich, du höllischer
Greist, von dir sie nicht
verlangen (steHt sich zu dem
Bilde und beginnt die Inschrift
zu nennen): Jesus, (Mefistofl
entläuft). Mefistofl, WO bist
du?
Mef. (fliegt herbei). Brrr,
Faust, nenne vor mir die
heiligen Namen nicht,, denn
gut weisst du , dass sie
uns höllische Geister auf
300 Meilen vertreiben.
Faust. Du musst hier
stehen! (sagt): Jesus von
Nazareth, König der Juden.
(Mef. entläuft, Faust kniet nie-
der und betet, ein Engel schwebt.)
Mef. (fliegt herbei). Brrr,
Faust, was machst du da?
Du neigst dich doch wohl
nicht davor, ich habe es
ja mit meiner eigenen Hand
gemalt.
Faust. Geh, du hölli-
scher Geist, aus meinen
ihn aber weder malen noch
zeichnen und muss es lassen.
Faust. Das Crucifix
kann nicht ohne Inschrift
bleiben, daher werde ich
sie selber malen. ^
Mes. Du sollst mich bei
dir gar nicht sehen, (fliegt
fort.)
Faust. Schon hat er
mich verlassen. Ich habe
ein Büchlein bei mir, von
dem der Teufel nie gewusst
hat, das werde ich nehmen
und werde mit Inbrunst zu
Gott beten. (Zieht das Buch
heraus und liest) : Amor mens
crucifixus, es ist meine Liebe
gekreuzigt. Sieh! wie ich
mir selber den Himmel zu-
geschlossen habe, ich habe
nicht an dich und dein
Blut gedacht, welches für
mich vergebens geflossen
sein soll. Von der Welt
liess ich mich betrügen und
deiner, mein Schatz, habe
ich vergessen. Gestatte,
10»
148
Augen, nun habe ich um
meine Seele Sorge.
Mef. (fliegt fort und schreit
hinter der Scene) : Brrr, Pik,
Strik, Auberon und Pluto
und alle zusammen, trachtet
euch einer als Weib zu
verkleiden. Paust beginnt
uns zu bereuen. Brrr, so
viel wir ihm auch gedient
haben, vielleicht kommen
wir diesmal um ihn (bringt
eine Jungfrau auf die Bühne).
Brrr, Faust, Faust, Faust!
brrr, schau nur auf, brrr,
nui' mit einem Auge, brrr,
welch eine schöne Jungfrau
ich dir hergeführt habe,
brrr, nur mit einem Auge,
brrr, blick her!
Faust. Geh von mir.
Mef. Brrr, das ist eine
schöne Jungfrau (schiebt sie
unausgesetzt Faust vor Augen),
brrr, welche verdient, von
dir geliebt zu werden ; brrr,
oder wisse, brrr, dass, wenn
du sie nicht ansiehst, du
es bis an deinen Tod be-
dauern wirst.
Faust (stösst ihn mit der
Hand weg). Geh, du hölli-
wenn ich dessen anders wür-
dig bin, deine heiligen Filsse
zu küssen (küsst das Kreuz).
Mesistofl (erscheint). Was
denkst du? was tust du?
Wie ich ein Weilchen nicht
bei dir bin, ist dir schon
bange. Hast du nicht
Schätze genug? — Ich
werde dir ihrer die Fülle
verschaffen.
Faust. Weiche von mir
mit deinen Schätzen! Ich
habe jetzt meinen Schöpfer
vor Augen und hoffe, dass
er mich zu Gnaden auf-
nimmt.
IL Scene.
Jungfrau. Vorige.
Mesistofl (ist hinwegge-
eilt und führt eine reizende
Jungfrau herbei). Faust! ich
sehe, dass du so betrübt
bist, und darum habe ich
für dich gesorgt. Hier,
dies schöne Geschöpf ver-
dient dein Lieben — sieh
dich um!
Faust. Ich soll mich
auf ein weibliches Geschöpf
149
scher Geist , weg von
mir.
Mef. (schiebt ihm sie wie-
der vor Augen). Brrria, Fäust-
chen, Fäustchen, — ver-
schmähe brrr ein solches
Vergnügen nicht.
F a U S t. (nach einer Weile).
Siehst du, du höllischer
Geist, ich werde es dir zu
Willen thun, dass ich die
schöne Jungfrau ansehe,
allein es thut dies meine
Neugierde, dabei setze ich
zur Seite die Ewigkeit.
(^Kehrt sich um, der Teufel fliegt
davon, das Crucifix verschwindet.
Faust verneigt sich vor dem
Frauenzimmer). Ah, unterthä-
nigster Diener, mein gelieb-
tes Herz, spazieren sie in
mein Cabinet-Zimmerchen,
auf einige Tassen Kaffee
und eine Portion Butterteig
(fasst sie unter dem Arm und
geht ab).
IL Scene.
M e f. (fliegt herbei und lacht).
Brrr, ha, ha, ha, mein Leb-
tag bin ich nicht so glück-
lich gewesen, so leicht einen
Menschen unterzukriegen.
umsehen und die Ewigkeit
beiseite setzen? — Nein,
ich werde das nicht thun,
ich werde nicht neugierig
sein.
Mesist. Bis zum Tode
wirst du's bedauern , wenn
du dich nicht umsiehst.
(Führt die Jungfrau bis zu Faust,
diese fasst ihn um den Hals, er
kehrt sich um, der Teufel sammt
dem Crucifix verschwindet.)
Faust. Schön ist dieses
Geschöpf und verdient, ge-
liebt zu werden ; komm mit
mir, theuerer Schatz, dass
wir uns näher kennen lernen
(ab mit der Jungfrau).
IIL Scene.
Mesistofl, dann Faust.
Nunmehr lacht die ganze
Hölle, weil ich ihn so be-
trogen habe. Er wird sich
allerdings ärgern, allein
was liegt an seiner Wuth?
150
ihn zur ewigen Verdamnis
zu verlocken (fliegt weg).
ni. Scene.
Faust. I, ihr erzhölli-
schen Geister, dass euch
in diesem Augenblicke der
Blitz nicht trifft, der Lump
hat mich schändlich be-
trogen, denn er sagte
mir, dass er eine schöne
Jungfrau zum Lieben be-
sorgt hat, und indessen
war es der scheusslichste
Teufel aus der brennenden
Hölle. Mefistofl, wo bist
du? Stelle dich zum Dienste
ein.
IV. Scene.
Mef. Brrr, Faust, was
verlangst du?
Faust. Du höllisches
Ungeheuer, du hast mir
gesagt, dass du eine schöne
Jungfrau zum Lieben be-
sorgt hast, und als ich
sie ansah, da war es der
allerhässlichste Teufel. Wie,
kannst du denn den feinsten
Häckerling machen?
Mef. Brrr, Faust, noch
feiner als ein Mohnkorn.
Wie es zwölfe geschlagen
hat, ist er mit Leib und
Seele mein.
Faust (kehrt zurück). Un-
geheuer höllisches ! So
schändlich betrügst du
mich? Ich dachte, eine
schöne Dame vor mir zu
haben, und als ich sie an-
sah, war es der hässlichste
Teufel.
M e s. Wer Vögel fangen
will, darf nicht nach ihnen
werfen. — Allein bereite
dich, zwölf wird es gcbla^
151
Faust. Also, verstehst
dn. den feinsten Häcksel
wirst du schneiden, aus
ihm Strohbänder binden
und am Meere gesammelten
Sand in Garben binden.
Mef. Brrr, Faust, das
werde ich dir kaum tun,
denn deine Frist läuft am
heutigen Tage ganz und
gar ab.
Faust (erzürnt sich, wüteud)
Du erzhöllischer Geist, wie
könnte das sein? Gerade
sind heute 18 Jahre ver-
flossen, dass ich dich auf
36 Jahre gedungen habe.
Mef. Ist schon recht,
aber jeder Knecht hat bei
seinem Herrn in der Nacht
Ruhe, du hast uus aber
gehindert bei Tag und
Nacht, so haben wir das
Recht, die Nacht als Tag
zu zählen. Deine Frist
läuft ab, bereite dich zum
Tode (ab).
V. Scene.
Faust. Die erzhöllischen
Geister, wie schändlich sie
mich betrogen haben, in
gen, und dann bist du mit
Leib und Seele mein.
Faust. Was sagst du
da? Erst achtzehn Jahre
sind es, dass du bei mir
dienst.
Mesistofl. Das haben
wir aber nicht ausgemacht,
dass ich dir Tag und Nacht
dienen soll, und weil ich
es gethan habe, machen
achtzehn Jahre sechsund-
dreissig und mit der zwölften
Stunde bist du mein (fliegt
weg).
IV. Scenc.
Kasperl. Fakner.
Faust.
Kasperl. Herr, beliebet
152
den schönsten Jahren soll
ich das Leben verlieren
(sieht sich um). Ist denn keiner
von meinen Bedienten hier?
VT. Scene.
Pimp. Nein, nein, keiner
ist hier, als ich, das kleine
KaSprle.
Faust. Komm her, mein
getreuester Diener, einen
besseren als du habe ich
nicht.
Pimp. Was befehlen Sie,
Herr?
Faust. Pimprle, was
gibt's Neues in unserem
Hause?
Pimp. Lieber goldner
Herr, sehr viel Neues. Auf
unserem Hause sitzt ein
grosser Vogel und schreit :
„indicave", indicave, dass
man euch führen wird in
die Hölle auf einem Karren.
Faust. Was sagst du,
er schreit vielleicht „indi-
cave est", d. i. Faust, be-
reite dich!
Pimp. I, es war kein
Hund, sondern es war
schwarz wie eine Katze.
Faust Pimprle, geh
zu laufen ! Wenn Ihr aber
keine Lust habt, tut, was
Ihr wollt.
Faust. Was ist ge-
schehen? (Geht zum Fenster.)
Draussen ist eine Versamm-
lung von Menschen und
blickt her zum Fenster.
Kasperl. Immerfort
reden sie etwas von einem
Karren.
Faust. Rufe mir Fakner.
153
und sieh, ob der Vogel
noch auf dem Hause sitzt.
Pimp. (geht ab und kommt
gleich wieder). Herr, SChon
sitzt dort neben ihm eine
weisse Taube , und sie
raufen miteinander.
Faust. Also geh und
sieh, welcher siegen wird;
wenn die Taube gewinnt,
bin ich glücklich auf der
Welt, gewinnt sie nicht,
so wälzt sich das Unglück
mir zu.
Pimp. (dpriiigt fort und
kommt sogleich). Herr, — die
Taube hat gewonnen, sie
ist auf die Erde hinunter-
gefallen.
Faust. diesmal ist
es schlimm, aber ich kann
dir nicht glauben, geh und
rufe mir Wagner her.
Pimp. (geht ab und ruft):
Wagner, Wagner, du Wag-
ner, sollst einen halben
Wagen machen, mein Herr
wird per Post in die Hölle
fahren.
VII. Scene.
ir«|.ust, Mein Wagner,
Kasperl (geht hinaus und
ruft): Fakner! komm einen
Karren für den HeiTn
machen, er wird auf ihm
in die Hölle fahren.
F akner(kommtmitKa8perl)
Ew. Gnaden! Draussen ste-
hen viele Personen und
rufen: „Fauste, jubikabe!"
Kasperl. Ja, von einem
Karren reden sie.
154
hier der kleine Kasprle hat
mir gesagt, dass auf unse-
rem Hause ein grosser
Vogel sitzt und schreit:
„indicave".
Wagner. Da belügt Sie
der kleine Kaäprle durch-
aus nicht, denn wohin wir mit
unseren Augen blicken,über-
all erblicken wir das höllische
Ungeheuer, in jedem Winkel
sitzt es, finster blickt es;
Feuer und Schwefel dampft
aus seinem Rachen ; daher
habe ich die Ehre, mich
Ihnen aus dem Dienste ge-
horsamst zu empfehlen, (ab).
Pimp. (schreit hinter der
Scene.) Der Wagner ist ein
so grosser Ritter und fürch-
tet sich, so bleibe auch ich
nicht da. Daher, mein gol-
dener Herr, wie ich mich
empfehle, so empfehle ich
mich. (ab).
Faust. Komm her, du
sollst ja wissen, dass ihr
alles, was nach mir bleiben
wird, erben werdet.
Pimp. 0, wenn ich
wüsste, dass der Teufel nach
Buch einen Kreuzer lässt.
F a k n e r. Vor Angst
käme ich um den Verstand,
und daher, Ew. Gnaden,
nehme ich ergebenst aus
dem Dienste meinen Ab-
schied. (Neigt sich und geht).
Kasperl. Ich bleibe
allein auch nicht hier. Also
danke schön, und schon gehe
ich, (läuft ab).
Faust, (ruft ihm nach).
Seid ihr denn verrückt ge-
worden ? Ihr werdet ja nach
mir erben.
Kasperl. (kehrt zurück).
Nun das ginge, aber wollt
Ihr mir was geben, Herr,
gebt es früher, ehe Euch
der Teufel holt!
155
so würde ich hier blei-
ben.
Faust. Ich weiss, dass
du der Getreueste bist. Also
komm her, die heutige Nacht
wirst du bei mir wachen,
und wirst mir zwei starke
Wächter verschaffen, wel-
chen du für die Stunde einen
Dukaten versprechen wirst.
Pimp. Es ist ja kalt
dorten, wer würde dort
nachtwächtern?
Faust. Wenn du die
Kälte fürchtest, so gebe ich
dir hier meinen Rock, denn
ich begebe mich jetzt in
mein Cabinet-Zimmerchen.
Pimp. Lasst Ihr Euch
nur Euern Rock ! Ihr wäret
schlau; wennmirderSchelm
vonTeufel begegnete, würde
er glauben, Ihr wäret es,
und holte mich, statt Euch,
(geht ab und ruft). Gevatter
Cubicär und Vetter Vo-
mäöka , kommt meinem
Herrn Wache stehn.
VIII. Scene.
Vomäöka. Bei allen
Teufeln^ bhb, bhb, da wer-
156
den wir also stehen. Und
was ist der Doktor Chroust?
No, Gevatter Cubicär, wo
werdet Ihr Euch denn hin-
stellen, werdet Ihr dahier
stehen oder dorten?
V
Cubicär (mit kmdischer
Stimme): Ich weiss nicht,
Gevatter, ich wäre am
liebsten dort, wo näher
nach Hause ist.
Vomäfika. Na, Ihr könnt
wählen, seilt Euch auf, wo
es Euch gefällt; mir ist das
olles ans.
V
Cubicär. Ich werde
mich. Gevatterchen, meinet-
wegen da hierher stellen.
Vom. Und ich wieder
dahier (beide stellen sich auf;
nachdem die Uhr geschlagen hat,
hört man)
Pimperl (singen) Es hat
zehn Uhr geschlagen ,
steckt den Nachtwächter
in den Rauchfang.
Vom. Gevatter Cubicär,
hört Ihr's, ein Dukaten
springt in der Tasche —
Kakraherte, steht, wie von
Holz!
/
157
Cub. Er soll nur sprin-
gen, ich stehe schon.
M ef. (lässt sich hören). Brrr!
Cub. Gevatter, hört Ihr,
wie hier etwas knurrt.
Vom. Aber zum Teufel,
lasst es knurren.
Mef. (schlägt Cubicär)Brr!
Cub. (läuft) Gevatterchen
Vomäfika ; habt Ihr gehört,
wie's da geknallt hat?
Vom. I, den Teufel habe
ich gehört.
Cub. Gevatterchen, ich
bitte Euch, kommt dorthin
mit mir, es "knurrt dort
immerfort etwas.
Vom. Zum Teufel, wenns
knurrt, lasst's knurren ! ich
sage Euch, es wird sicher
die Schecke kalben, geht
nur und seht.
Mef. Brrr!
Cub. Ge — ge — gevat-
terchen, hört, ich bleibe
nicht da.
Vom. (geht zu ihm): Ge-
vatter, wartet, da wird
Nachbar Stöndferas Hündin
ärgern (ruft): Gevatter Stßn-
d6ra, bindet Euere Hündin
158
an, der Gevatter fürchtet,
sie könnte ihn beissen.
V
Cub. Ge — ge— gevat-
terchen Stfendfera , bindet
Euere Hündin an , ich
fürchte, sie beisst mich.
Vom. No , jetzt habt
Ihr Ruhe (geht auf seinen
Platz).
Mef. Brrr.
Cub. Ge— gevatter, es
knurrt wiederum.
Vom. Ich werde Euch
sagen, Gevatter, Euch fehlt
nichts, als Deutsch zu kön-
nen.
Cub. Gevatterchen,
wenn ich das könnte!
Vom. Nun, ich werde
es Euch lehren. Hört, wenn
zu Euch etwas Böses kommt,
so schreit nur das militä-
rische vollberechtigte Wort :
Holt wer do!
Cub. Holt, holt — wie
geht das weiter, Gevatter?
Vom. Wer do?
Cub. Perho.
Vom. Na, und dahabt
Ihr's schon, -und wenn er
gut ist, so antwortet er
Euch: „Kut fraind.«
15Ö
Cub. .Kudlfrei.''
Vom. Jetzt steht, und
fürchtet Euch vor dem
Teufel selber nicht.
Mef. Brrr.
Cub. Gevatter, hört Ihr?
Holt, holt, per ho, kudlfrei!
(Mef. zieht ihm eins über). Ge-
vatterchen, geht dort auf
den Platz.
Vom. Ihr habt es ja
gewählt, so steht dort.
Cub. Ich bitte Euch Ge-
vatterchen, geht hin.
Vom. Na, weil Ihr mein
Gevatter seid, so tue ich
es Euch, (sie wechseln die
Plätze).
Mef. Brrr.
Vom.Holtverdo! (bekommt
einige Schläge.) Bei allem, der
schlägt zu wie bei der Lici-
tation, ist denn mein Rücken
commiss? (geht von dort).
Gevatter, geht dorthin auf
den Platz, ich habe ihrer
schon genug für Euch aus-
gestanden (sie wechseln die
Plätze, die Uhr schlägt 11).
Gevatter hört!
IX. Scene.
Pimp. (Kommt mit einer
160
Laterne nnd singt) : Es hat 11
Uhr geschlagen, jeder Geist
lobe den Herrn, bewahrt
das Licht, das Fe u e r , steckt
die Kerze in das Werg,
schlaft mit Gott, und du
Buriä§ gegenüber, bewahr'
uns unsere Rübe, dass sie
uns nicht zuB rei gefriere—
und die Kartoffeln auch.
(Beleuchtet die Bauern). So, SO,
steht gut, und den Satanas
lasst nicht herein, (ab).
X. Scene.
Vom. Gevatter, hört zu,
wie uns die Dukaten in die
Tasche regnen, (nach einem
Weilchen schläft er ein.)
(5ub. Ich höre zu (be-
kommt einige Schläge), Je, je.
(läuft, der Teufel fliegt vor ihm
nieder).
XL Scene.
Mef. (kommt zu Vom., der
erwacht).
Vom. (geht zu Mef. in der
Meinung, es sei CubicÄr). Lieber
Gevatter, mir scheint, es
hat schon eins geschlagen,
denn — no kakraherte
(springt zurück) holt verdo !
161
Mef. Zu Faust will ich
gehen.
Vom. In die Hölle lass'
ich dich, nicht zu Faust
(sie ringen, bis Mefistofl Vomä,cka
znr Erde wirft, dann geht er weg).
XII. Scene.
Mef. Was hast du dir
da ausgedacht, eine Wache
bei dir aufzustellen, deine
Frist ist abgelaufen, zwölf
hat's geschlagen, du musst
also mit uns gehen.
Faust. Mef., erlaube mir
wenigstens noch eine Stunde
hier zu verweilen, bis ich
nach Wittenberg ein Brief-
lein anfertigen kann, dass
man wisse, welches Todes
ich von der Welt scheide.
Mef. Brrr, nicht eine
Minute, bereite dich zum
Tode!
Faust (ruft die Kinder zu-
sammen) : Kommt her näher,
ihr unschuldigen Seelen,
zündet mir Lampen und
Fackeln an und leuchtet
mir zu meinem Grabe.
Hier seht ihr, wie die Welt
in diesem einzigen Zeit-
punkte allen leichtsinnigen
V. Scene.
Mesistofl. Vorige.
Kasperl. Schon ist der
Postillon hier, jetzt wird
man fahren.
Mes. Faust, zwölf wirds
schlagen.
Faust. Mesistofl, lass
mich nur noch einen ein-
zigen Monat hier, dass ich
eine Schrift hinterlassen
und von der Welt Abschied
nehmen kann.
Mes. Nicht eine Stunde.
— Schon bist du in aeter-
num natus. (Indem schlägt
es zwölf, Mesistofl packt Faust,
mehrere Teufel erscheinen im
Zimmer, und bei Blitz und Ge-
witter fliegen die Geister mit
Faust hinweg.)
Kasperl (die Arme aus-
streckend): Jemine! (fäUt
zu Boden).
Der Vorhang fällt rasch.
Kraus, Böhm. Pappenapiel Faust .
11
162
Kindern heimzahlt, wie ich
gewesen bin. Darum höre
ich die Höllenthore in
meinen Ohren knarren ,
das Höllengesindel beginnt
mich schon an den Füssen
zu beissen, der Tod zielt
auf mich, schon ist das
Ende da, in diesem Augen-
blicke.
Mef. (mit deu übrigen Teu-
feln singt) : Oeffne dich, du
Höllenrachen, dass er un-
sern Palast schaue. Du
hieltest uns als deine Göt-
ter, lästertest den wahren
Gott, gewinnst die ewige
Strafe. AUa, Strik, Pik,
Auberon und alle zusam-
men, suchet Faust die
letzte Ehre zu erweisen.
(Alle umringen ilm und fliegen
davon.)
XIII. Scene.
V
Cubic. (kehrt zurück zum
Gevatter, kniet bei ihm nieder
und schreit ihm in die Ohren):
He, sag ich, Gevatter, er-
muntert euch ! (wiederholt sein
Rufen).
Vom. (streckt sich, dann
163
steht er auf). Meiner Treu,
wo bin ich denn? — Und
Ihr seid auch da, Gevatter!
Schade, dass Ihr wegge-
laufen seid, dem habe ich
ihrer aufgezählt, bis mir
das Gesicht brennt.
Cub. Lieber Gevatter,
ich musste weglaufen, etwas
kam zu mir, und machte
auf mich Brrr, und ich in
die Hosen — hrrr. —
Vom. Also lasst Euch
sagen, Gevatter, ich habe
für zwei gestanden, ich
werde für zweiGeld nehmen,
und Ihr, weil Ihr weg-
gelaufen seid, bekommt
nichts.
Cub. Und Ihr, Gevatter,
erzählt, dass ich wegge-
laufen bin, und ich werde
erzählen, dass Ihr geschlafen
habt, und wir kriegen beide
nichts.
Vom. Also machen wir
es so, Ihr sagt nicht, dass
ich weggelaufen bin, und
ich sage nicht, dass Ihr
geschlafen habt, und geht,
schreit mir den Schamperl
herbei, dass er Euch aus*
!!•
164
zahlt ; ich gehe indessen auf
ein Gläschen Schnaps, (ab).
Cub. Cam, — öam —
ßamperle, wer zahlt denn
hier aus?
Pimp. Seid ihr schon
hier, ihr struppigen Kerle?
Cub. Versteht sich, sind
wir's, und wir wollen das
Geld für die Wache.
Pimp. Gleich schicke
ich den Cassierer her. (schreit
hinter dem Vorhang) geh' hin-
aus auf den Bauern und
schlag ihm das Maul voll.
XIV. Scene.
Hausknecht, (fleckt ihn
ohne aUe Gegenwehr. Obe VOS
vUst?
V
Cub. Ach Gott, er schickt
mir einen Deutschen her,
und ich kann nicht deutsch,
und der Gevatter ist nicht
da!
Hausknecht. Obe vos
Vilst? (schüttelt ihn).
V
Cub. Ich bitte, Väter-
chen , ich wollte gerne
von der Wache die Du-
katen.
Hausknecht. V6s, Du-
katen hoben?
165
Cub. Ja, ja, Dukaten.
Hauskn. Ject klajcli
(zählt ihm anfs Maul, nach jedem
Schlage schreit er: „to host" und
springt dann davon).
Cub. Das ist die Be-
zahlung, das sind die Du-
katen, ei, da wäre ich auch
nicht gestanden, und wenn
ich gehaut worden bin, muss
der Gevatter auch kriegen.
XV. Scene.
Vom. Bhb, bhm, he,
Gevatter, nun, seid Ihr
schon ausgezahlt?
Cub. Gevatterchen,ganz
quitt.
Vom. Wie denn? Ist
er brav?
Cub. sehr brav, ich
wollte gar nicht mehr neh-
men, er gab mir ungezählt.
Vom. Wie Ihr mein
Gevatter seid, seid Ihr ein
Esel; ich wollte wieder
umsonst nehmen, wenn nur
jemand gäbe. Aber ich
sage Euch, kommt mit mir
hin, ich werde ihm ein deut-
sches Wort vei-setzcn, und
sagen, er solle Euch zu-
166
geben, dass Ihr viel aus-
gestanden habt, dass Ihr
Kinder habt.
Cub. 0, ich will nichts
mehr, - - gebt nur acht,
dass Ihr selber zu nehmen
aufhört, (ab.)
Vom. Bhb, — wenn du
nicht willst, willst du nicht,
ein Narr, wer gibt, ein
noch grösserer, wer nicht
nimmt. Ich werde mich
also selber um die Be-
zahlung melden; wenn er
aber genug bekommen hat,
muss ich noch mehr be-
kommen. Wo ist denn
hier wer, mhm, bhb, (hustet)
Camperle, wo zahlt denn
hier wer aus?
Pimp. Ei, was willst
du, du Kerl von Stroh?
Vom. Bhb, wo zahlt hier
wer für die Wache die Du-
katen aus?
Pimp. Gleich schicke
ich den Cassierer her; er
wird dich auszahlen, wie
sichs gebürt, he, he, he,
versteht sich.
Vom. Em, he, Cam-
perle, legt ein Wort für
167
mich ein, dass er mir zu-
gebe, ich bitte Euch; ich
habe ja fast allein gestanden,
der Gevatter ist wegge-
laufen, hm, mhm, Ihrwisst's
ja. —
Pimp. Gut gut, er wird
dir ihrer schon herschütteln,
bis dir das Maul brennen
wird (ab). Hausknecht, geh
auf den struppigen Kerl,
und klopf ihn tüchtig durch,
er hat mich um Zugabe
gebeten.
XVL Scene.
Hausknecht (fleckt ihn
gleich). Obe vos vilst, la-
kramentisches Kerl!
Vom. I lagrament, der
hat mich auf Deutsch ge-
troffen, lagramentischer
Holländer!
Hausknecht. Obe vos
vilst, lagramentisches Bau-
ernzipfel !
Vom. Nun zum Teufel,
er fragt mich deutsch, und
ich habe, seit ich vom
Militär fort bin, alles ver-
gessen. Aber wart, viel-
leicht wird es irgendwie
168
gehen, Hm, Mhm, ich vul
varten stätn dukäten
hon.
Hausknecht. Vös, vos
ist vartn stätn dukaten
hon? Ich var tir geben
dukaten.
Vom. So, so, dukaten
hon.
Hausk. To host du-
katen (schlägt ilm einige male
nach einander — immer schreit er)
to host.
Vom. (hält vor Schrecken
still). I der setzt mir sie ja
ungezählt — nur noch ein-
mal!
Hausk. To host.
Vom. Noch einmal!
Hausk. To host!
Vom. (voll Zorn) Noch
einmal !
Hausknecht. (wieder-
holt noch einigemaie) Kum
mir noch mal mit teine
Kup, ich war tir geben,
maledeite du (ab).
Vom. Zum Teufel, deren
hab' ich gekriegt. Das ist
eine schöne Auszahlung,
aber der Gevatter Cubicar
hätte mir das auch sagen
169
können, mit was für Bank-
noten man hier auszahlt;
aber wart, Gevatter, bis
wir nur zusammenkommen ;
wir werden uns schon aus-
gleichen. Mhm, hm, was
thun; aber ihr, Knaben,
erzählt das keinem, dass
er micTi so gestreichelt hat;
ich ertrag'sja noch (ab).
Pimp. Der hat ihrer
den Rücken voll aufgelesen.
Und ergebenster Diener ,
Euer wertes Auditorium ,
für den heutigen Besuch
danken wir ergebenst, und
bis es uns gefallen wird,
werden wir wieder Faust
spielen. Kasamr hamr ,
ghoschamsterDiener,schöne
gute Nacht wünsche ich
Ihnen (macht einige Verbeu-
gungen).
Der Vorhang f äUt.
■*•■♦■
Nachträge.
Zu Seite 3: „An dessen Fusse" ist nicht buchstäblich
zu nehmen; jedenfalls liegt zwischen dem
Fausthaus und dem gleich hohen Vysehrad
nur ein wenig breites und im 15. Jahr-
hundert auch wenig bewohntes Tal.
„ „57: Nachzutragen wäre noch „sita", offenbar
„sieh da!"
„ „ 58 : Ausgefallen ist die Bemerkung, dass B, s,
h, ho als Schütz -Dreherische Gruppe be-
zeichnet werden.
„ „ 152: unten: es klingt Pimperl wie pes. ,der
Hund'.
167 f: Nur die deutschen Worte stehen im Ori-
ginal, welche mit böhmischer Orthographie
geschrieben sind.
7)
Uuchdi uckerei Maretxke & Martin, Trebnitz in Schlea.
I .