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Full text of "Das böhmische Puppenspiel vom Doktor Faust. Abhandlung und Übersetzung"

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Das 




böhmisehe Puppenspiel 



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vom 



Doktor Faust. 



Abhandlung und Übersetzung 



von 



Ernst Kraus. 




Breslau. 

Verlag von Wilhelm Koebner. 

1891. 




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Das 

böhmische Puppenspiel 



vom 



Doktor Faust. 



Abhandlung und Übersetzung 



von 



Ernst Kraus. 



Breslau. 

Verlag von Wilhelm Koebner. 

1891. 



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Inhalt. 



Seite. 

Vorwort V 

T. Die Faustsage in der böhmischen Literatur i 

Die Prager Localsage 1; Der historische Faust und 
Prag 3; Faustromane 4; Zauberbücher 5; Puppenspiele 
in Böhmen 6 ; Fust und Faust, Aufsatz von Vrt ätko 7 ; 
Hnevkovskys Faust 9; Vocels Labyrinth des Ruhmes 11; 
Vrchlickys Twardowski 14; Uebersetjsnngen 16; KolÄr 
19; Vlcek 22; Vrchlick> 24. 

II. Die Ueherlieferung des Puppenspiels ... 26 

Erwähnungen 26 ; Vinickys Faust ( Andrees Bericht) .27 ; 
Johannes Doktor Faust (J) 28 ; Kopeckys Fa^st (D) 31 ; 
Wagners Bericht (j) 35 ; Uebereinstimmungen 35 ; Unter- 
schiede 40; Abweichungen, die für ein höheres Alter 
von J sprechen 42; Abweichungen, die für ein höheres 
Alter von D sprechen 48 ; Abweichungen, die die gegen- 
seitige Unabhängigkeit der beiden Texte belegen 49; 
Folgerungen 51; Reime 52: Sprache 56; Alter 57. 

III. DashShmischePnppenspiel und die deutschen 
Fanstdramen 58 

Namen 58; A. Die ernsten Scenen: 1. Fausts Monolog 
61 ; 2. Die Geisterstimmen 63 ; 3. Die beiden Studenten 
63; 4. Faust und Wagner 66; 5. Die Beschwörung 66; 
6. Die Reise nach dem Königshofe 69; 7. Die Geister- 
ei*8cheinungen 70; 8. Fausts Bache 71; 9. Des Teufels 



IV 

Seite. 
Verzweiflung 73; 10. Das Kreuzesbild 74; 11. Helena 
79; 12. Die erloschene Frist 79; 13. ludicatus es 80; 
B. Die komischen Scenen: 1. Erstes Aut treten und Buch- 
stabierübung 82 ; 2. Au&ahme durch Wagner 82 ; 3. Die 
Beschwörungsparodie 83; 4. Die Aufnahme durch Faust 
84; 5. Die Luftreise 84; 6. Abschied und Kleidertausch 
85; 7. Kasperl als Nachtwächter 86; 8. Die beiden 
Wächter 87. 

lY. Das böhmische Puppenspiel und das deutsche 
Volkslied 88 

Prager Comödie 94; Italienische Comödianten in Prag 
97; Die Urgestalt 98. 

Johannes Doktor Faust (J) 102 

Doktor Faust (D) 102 

(Paralleldruük.) 

Nachträge 170 



» »M—^ 



Vorwort. 



Die Herausgabe eines unbekannten Textes des 
alten Volksschauspiels vom Doktor Faust, zumal eines 
so alten und wichtigen, wie er nach meiner Ansicht 
der böhmischen Uebersetzung zugrunde liegt, bedarf 
wohl trotz der vielen Publicationen auf diesem Gebiete 
noch keiner Entschuldigung. Ist doch der böhmische 
Faust längst Gegenstand der Forschung geworden, und 
ein authentischer Text an Stelle eines blossen Berichtes 
dürfte daher willkommen sein. 

Die anspruchslosen Bemerkungen, die ich voran- 
schicke, sollen zur Vergleichung anregen und sie er- 
leichtern. Den Charakter gelegentlicher Bemerkungen 
mussten sie behalten, sollte nicht die Arbeit zu einer 
vollständigen Neuuntersuchung der Geschichte des 
deutschen Volksschauspiels werden, zu welcher doch 
noch so viel anderes ungedrucktes Material herbeizu- 
ziehen wäre, und die wir gewiss von Creizenach selbst 
in wünschenswertester Vollkommenheit zu erwarten 
haben. 



VI 



Herr Professor Hans Lainbel, in dessen Faust- 
colleg ich vor Jahren die erste Anregung erhielt, 
mich für Faustkomödien zu interessieren, hat diese 
Arbeit wesentlich gefördert, indem er mir fast alle 
Hilfsmittel zu ihr, die auf der Prager Universitäts- 
bibliothek nicht vorhanden waren, aus seinem Besitze 
zur bequemen Benützung tiberliess. Ihm sei hierfür, 
wie für alles, was ich seinem anregenden Umgange 
verdanke, der herzlichste Dank ausgesprochen. 

Zu innigem Danke verbunden bin ich auch Herrn 
Professor Max Koch, der in liebenswürdigster Weise 
die Drucklegung des Werkchens förderte. 

Prag, Ostern 1891. 

Dr. Ernst Kraus. 



I. 



„Als ich im Jahre 1782 nach Prag kam, um hier 
zu studieren, sah es dort etwas finster aus; in jedem 
dtistern Hause spukte es. Damals ritt noch nächtlicher- 
weile der kopflose Mann durch die Gassen. Pilgerinnen 
fanden sich oft ein, die auf dem Hradschin, bei der 
Säule an der Stelle von Drahomiras Höllenfahrt, in- 
brünstig beteten; oft sah man Landleute, die die 
Wallfahrt auf den Vyäehrad machten, um die Säule zu 
sehen, die der böse Geist aus Eom hierhergebracht. 
Damals hörte man auch bei jeder Gelegenheit hunderte 
Erzählungen von dem Zauberer Dr. Faust, was er 
dort getrieben, wie er sich von Teufeln kutschieren 
liess, während andere die Steine aus dem Wege 
räumen mussten, wie er schöne Frauen besucht habe, 
und verscheucht von den eifersüchtigen Ehemännern 
auf dem Mantel aus dem oberen Stockwerk davonzu- 
fliegen gewusst; man zeigte das baufällige Gebäude 
auf dem Eohlmarkte, wo er gewohnt und seine Zaube- 
reien getrieben. Viel erzählte man auch von der 
Schwefelgasse, wo noch der Schwefelgeruch zu spüren 
war, dann vom Teufel- und Sixenhaus, was er dort 
ausgeführt habe. Damals hielt man ihn noch für einen 

Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 1 



Landsmann; alles dies bestätigten die Höklerinnen, die 
sich auf ihre Urgrossmütter als Augenzeuginnen be- 
riefen." 

Dieser Eingang der Vorrede von Sebastian Hnev- 
kovskys „Doktor Faust", geschrieben im Dezember 
1842, ist ein wichtiges Zeugnis für die Existenz einer 
lebendigen mündlichen Faustsage in Prag zu Ende des 
vorigen Jahrhunderts. Aufgezeichnet wurde diese Sago 
leider nicht; Hnßvkovsky selbst scheint jedoch einige 
Züge aus ihr aufbewahrt zu haben. 

Woher stammt diese Localisierung ? Das Volks- 
buch von 1587 weiss zwar von einer Reise nach Prag, 
die Ausgabe von 1590 auch von einem längeren Auf- 
enthalte daselbst zu erzählen, aber das konnte doch 
nicht der Grund einer so ausgebildeten Localsage sein. 
— Sollte vielleicht eine Erinnerung an den wirklichen 
Faust dieser Tradition zu Grunde liegen ? 

Das Fausthaus auf dem Kohlmarkte ward schon 
in den zwanziger Jahren demoliert, dagegen besteht 
noch heute das (von Hnßvkovsky auffallenderweise nicht 
erwähnte) Fausthaus auf dem Viehmarkt (jetzt Karls- 
platz, Neustadt 502). Dieses Haus, von dem ein Auf- 
satz Tomeks in der Zeitschrift des bömischen Museums 
(1845 S. 170) handelt, war im Volksmunde lange Zeit 
sehr verrufen; im fünfzehnten Jahrhunderte gehörte 
es den Herzogen von Troppau. Nach den Hussiten- 
kriegen setzte der Neustädter Schreiber Prokop das 
verfallene Gebäude in Stand und bewohnte es als Pächter 
der Herzoge, mindestens bis zum Jahre 1467, wie 
Urkunden beweisen. Aus dieser Zeit stammt wahr- 
scheinlich ein undatierter Brief des Herzogs von Troppau 
an Prokop, in dem er ihn auffordert, sich. nach einem 



3 



Gesellen zu erkundigen, der in der Alchymie erfahren 
sei, und ihn, falls er ihn erfrage, auszurüsten und zu 
ihm zu senden. 

Hat vielleicht der Alchymist einige Zeit in dem 
Hause des Herzogs gelebt? Hat der Alchymie treibende 
Herzog vielleicht auch andere derartige Männer 
beschäftigt ? 

In der Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte I, 
470 druckt Schönbach unter dem Namen „Weinreben- 
zauber" ein'Recept ab, das er einer Handschrift Von 
1477 entnimmt; es ist eine Abschrift und enthält das 
Recept zu dem Paustischen Kunststück, Reben in der 
Stube hervorzuzaubern ; seine Schlussformel lautet : 
„Hoc habes probatum per scriptoremVischerat Pragae." 

„Vischerat Pragae?" Das erwähnte Gebäude steht 
auf einem Hügel, an dessen Fusse die Bergstadt 
Vyäehrad beginnt, das Suburbium der alten Herzogs- 
burg, noch vor wenigen Jahren eine eigene Stadt, jetzt 
mit Prag vereinigt; sollte mit dem Worte „Vischerat 
Pragae" diese Lage bezeichnet sein? Was sollte es 
sonst heissen? Vyäehrad bei Prag würde doch anders 
ausgedrückt werden. 

Ein Alchymist und Zauberer also, der vielleicht 
in den sechziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts 
in Prag im Troppauer Hause lebte. Er könnte sogar 
Faustus geheissen haben, Faustus senior, ein Magier 
von solchem Rufe, dass selbst der ruhmredige Georgius 
Sabellicus sich 1507 seinen Namen beilegte. Wer sagt 
uns denn, dass alle Notizen über Faust sich auf den 
Georg Faust beziehen? 

Aus den Hypothesen gelangen wir nicht heraus, 
auch wenn wir nach der ältesten literarischen Ueber- 



tragung der Faustsage nach Böhmen forschen: Aus 
dem Jahre 1611 datiert ein Faustbuch, höchstwahr- 
scheinlich das Spiesische, übersetzt von Carchesius, 
eigentlich Kraus von Krausenthal, mit dem Titel: 
„Historie doktoru Faustovi." Hnßvkovsky schreibt 
in derselben Einleitung: „In böhmischer Sprache fand 
ich nur eine Uebersetzung aus dem J. 1611; dort 
gleicht er (Faust) dem Eulenspiegel und lässt sich 
wegen seiner geschmacklosen Sinnlosigkeiten gar nicht 
lesen." Das stimmt wieder zum Spiesischen Faustbuch. 
Carchesius' Werk ist seither verloren, und wir können 
nur vermuten, dass die Uebersetzung des Spies, von 
der Dr. Menßik in der Wiener Hofbibliothek zwei 
Blätter auffand, mit dieser Uebersetzung von Carche- 
sius identisch war. Das erhaltene Stück enthält die 
Disputation Fausts mit Mefostofilus über die Welt- 
öchöpfung und die Höllenfahrt Fausts. — Wahrschein- 
lich entging das protestantische Werk nach dem Um- 
schwung von 1620 der heftigsten Verfolgung nicht. 

Ob aus den wenigen übriggebliebenen Exemplaren 
sich eine so lebhafte Localsage erklären lässt, ist wohl 
sehr fraglich, aber es gelang mir nicht; eine weitere 
gedruckte Fixierung der Sage aus dem ganzen sieb- 
zehnten und achtzehnten Jahrhunderte aufzufinden. 
Erst im Jahre 1851 erschien eine Uebersetzung des 
deutschen Volksbuches, und zwar, wie schon der Titel : 
„Zivot, öinove a do pekla vzeti znamenit^ho a pove- 
stn6ho öarodßjnika etc." (Leben, Thaten und Höllen- 
fahrt des berüchtigten Zauberers) zeigt, eines Kurzischen. 
Zu näherer Vergleichung fehlt mir hier zu sehr alles 
Material; jedenfalls ist die Quelle nicht älter als von 
1834. Dieses Buch, bei Spurny mit den alten Fracftur- 



lettern gedruckt (ein Druck mit lateinischen Lettern 
von Landfras in Neuhaus, wo ebenfalls viele Volks- 
bücher erscheinen, blieb mir unzugänglich), erschien 
seither oft und ist noch jetzt ein beliebtes Werk der 
JahrmarktsKteratur ; ich erinnere mich, dass ich als 
Kind daraus vorlesen hörte. 

Für die literarischen Kreise behandelte erst im 
Jahre 1884 die Faustsage Ignaz Herrmann in seiner 
„Historie o doktoru Faustovi", nach einem Schwabischen 
Volksbuch, also nach verwandter Quelle. Herrmanns 
Uebersetzung ist travestierend und zur Verstärkung des 
Volksbuchscharakters ebenfalls mit Schwabacher Lettern 
gedruckt. Sie ist mit köstlichen Illustrationen geziert, 
welche zur Ausschmückung ihres Originals einst der 
böhmische Maler Josef Manes gezeichnet hatte, so dass 
das Werk eine gewisse Bedeutung für die böhmische 
Kunstgeschichte besitzt. Als Stilprobe mag der Anfang 
der Historie hier stehen: 

„Im Jahre des Herrn — eigentlich wissen wir gar 
nicht im wie vielten, aber es mag wohl an vierhundert 
Jahre her sein — wurde dort, wo aller Weisheit 
Anfang und Ende ist, nämlich in Deutschland, der 
hochberühmte Doktor Faustus geboren. Es war ein 
kleinwinziges Kind, wie sie gewöhnlich sind, und 
niemand fiel es damals ein, dass in ihm etwas Unge- 
wöhnliches stecken könnte. Sein Alter war ein armer 
Häusler, der gewissenhaft Contributionen und Zehnten 
entrichtete; infolge dessen blieb ihm fast nichts übrig, 
so dass sein einziges Vermögen sein Weib Ursula war." 

Die „Historie" kann es also nicht sein, auf welcher 
die lebhafte Volkssage des 18. Jahrhunderts beruht, 
ebensowenig wohl ein anderer Schössling der Faust- 



6 



literatur, die Zauberbftcher. Unter dem Titel: „Aus 
einem Zauberbuche** berichtete Alois Jiräsek in den 
Kvfety (1880 s. 536) über ein handschriftliches Werk, 
allerdings ohne anzugeben, wo er es gesehen und wo 
es aufbewahrt werde. Es war ohne Titel, aber die 
von Jiräsek angeführten Proben genügen , um zu 
erkennen, dass es eine Uebersetznng von „Dr. J. Fausts 
Miraculkunst und Wunderbuch oder die schwarze Rabe, 
auch der dreifache Höllenzwang etc." ist (Kloster II., 
S. 852 ff.). Nach Jiräsek ist das Buch einem Oryst 
gewidmet, offenbar ist dies der belehrte Operist. 

Eine andere wichtige Tradition, die von Hnev- 
kovsky nicht erwähnt wird, aber gewiss zu seiner Zeit 
vorhanden war, dürfte es gewesen sein, die das Fort- 
leben der Sage veranlasste, — das Puppenspiel. 

Die erste Nachricht über Marionetten in Böhmen 
stammt aus dem Jahre 1698; damals spielten im Klein- 
seitner Badsal in Prag Helferdings' „mit Kleidern 
ausstaffierte Statuen, die Gavaliers und Damespersonen 
vorstellen", was man „kleine opera** nannte.^) Diese Art 
von Theater scheint in Böhmen rasch beliebt geworden 
zu sein, und zwar besonders beim böhmischen Publicum, 
dem zu dieser Zeit die Genüsse versagt blieben, welche 
dem deutschsprechenden die immer häufiger wieder- 
kehrenden Schauspielergesellschaften boten. Das ein- 
zige Aequivalent dafür war eine Marionettenbühne. 

Wenigstens galten die böhmischen Marionetten zu 
Beginn des neunzehnten Jahrhunderts für sehr alt. 
So schreibt Hybl in der Vorrede zu seinem Trauer- 



^) Tenber, (Schichte des Prager Theaters I, 94. 



spiele „Abelino'^j die eine Art unkritischer Geschichte 
des böhmischen Theaters enthält, folgendermassen : 
„Bald traten auch Böhmen in ihre (der Deutschen) 
Fussstapfen und ernteten um so mehr Lob, als sie 
ihre Possen in vaterländischer Sprache vorführten, und 
auf Gesinnung, Sitten und Gewohnheiten ihrer Lands- 
leute wirken konnten. Weil es aber damals noch 
schwierig war, eine Schauspielergesellschaft mit ihren 
vielen Personen zu erhalten und so grössere Stücke 
aufzuführen, erdachten sich viele ein Spiel mit Puppen, 
sogenannten Tajtrliky oder Tatrmanky (das entstellte 
deutsche Wort Theatermannel), deren Gang, Hand-, 
Körper- und Kopfbewegungen sie mit Hilfe dünner 
Drähte und Fäden lenkten, wobei sie für jede Person 
mit veränderter Stimme sprachen. Die Erheiterung 
war das einzige, was das Spiel der lebenden Personen 
wie das der Puppen anstrebte, daher mussten alle 
Stücke reichlich mit Scherzen durchwürzt sein, was 
bei den lebenden Personen der sasek, bei den Puppen 
aber der sogenannte Pimperle meist zu besorgen hatte. 
In diesem Stande befand sich das böhmische Theater 
zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts." 

Hybl setzt hier vielleicht die böhmischen Puppen- 
spiele zu früh an, aber wenn ein Mann, der die Pup- 
penspiele seiner Zeit kannte, im J. 1816 so von ihnen 
schreiben konnte, so müssen sie zum mindesten weit 
in das XVIII. Jahrhundert hinaufreichen, weit über die 
siebziger Jahre, wo man bereits anfing böhmische Stücke 
mit lebenden Personen aufzuführen ; auf ihnen am ehe- 
sten kann die Volkstradition beruhen, wie noch aus- 
führlicher gezeigt werden soll. — 

Damit verlassen wir die volksthümliche Literatur 



8 



und wenden uns der Kunstpoesie zu. — Die Verwech- 
selung des Buchdruckers Fust mit Faust war im XVII. 
Jh. auch nach Böhmen gedrungen und verwirrte hier 
mehrere gelehrte Köpfe ; Interesse erregte der Buch- 
drucker besonders darum, weil die Jesuiten schon seit 
dem XVI. Jahrhundert in ihrem Streben, die glän- 
zendsten Namen der böhmischen Geschichte vergessen 
zu machen, dafür neue nationale Grössen schufen oder 
annectierten und namentlich Gutenberg zu einem Kut- 
tenbergius, einem böhmischen Kuttenberger zu machen 
suchten. 

Ein Anonymus, der im XVII. Jh. ein nie gedruck- 
tes lateinisch-böhmisches Lexikon schrieb, vereinigte 
diese beiden Irrthümer, identifizierte zu allem Ueber- 
fluss noch Gutenberg mit Fust und schrieb dann fol- 
genden Satz in seine Einleitung: „Joannes Kuttenber- 
gius, natione Boemus, prius Joannes Faustus nominatus 
qui circa annum 1421 bella Husitica fugiens in Ger- 
maniam abiit, Strasburgis se Kuttenbergium a patria 
compellavit etc. etc." 

Diese Notiz entdeckte im J. 1840 der Schriftsteller 
Jaroslav Vrt*ätko , und obwohl in ihr nicht das min- 
deste Zeugnis steckt, dass der Anonymus eine beson- 
dere glaubwürdige Quelle gehabt, obwohl er sich aus- 
drücklich auf Quellen des XVI. Jh. darunter auf den 
berüchtigten Magister Codicillus berief, nahm Vrt'ätko 
dennoch dieses Zeugnis für voll. Gutenberg sei zwar 
nicht mit Fust identisch, das hätte der Anonymus wis- 
sen müssen (?) aber er habe doch Faust geheissen; 
danach construierte er nun eine vollständige Biographie 
des Erfinders der Buchdruckerkunst : Dieser heisst eigent- 
lich Johann Sfastny (Glücklich), nimmt in Prag den 



Namen Faustus an, und lebt in dem bekannten Hause 
auf dem Karlsplatz, muss vor einem Volksaufruhr fliehen, 
und nennt sich in Deutschland Gutenberg. Den Mangel 
an Argumenten ersetzte der siegreiche Ton des Ver- 
fassers; der Aufsatz erschien in Tyls neuer Zeitschrift 
„Vlastimil" und wirbelte Staub genug auf.^) 

Diese Entdeckung Vrt*ätkos veranlasste den oben 
citierten Aufsatz Tomeks über das Fausthaus, und bildete 
ausser dem die Prämisse zweier Dichtungen, die wir 
als böhmische Fauste bezeichnen können. Eine davon 
ist gleich eingangs erwähnt worden, est ist der „Doktor 
Faust" von Sebastian Hnfevkovsky.*) 

Schon in seiner Jugend wollte Hnftvkovsky Faust 
zum Helden eines komischen Epos machen, aber erst 
in hohem Alter bearbeitete er den Stoff ernsthaft, oder 
besser gesagt romantisch, mit der leisen Ironie des 
aufgeklärten Josefiners. Das Epos zählt neun Gesänge 
und 727 Stanzen, ist jedoch fast ungelesen geblieben; 
es kam um etwa fünfzig Jahre zu spät zur Welt, der 
grosse Fortschritt, den die böhmische Sprache und 
Verstechnik gemacht hatte, blieb ihm fremd, seine Me- 
trik ist fast silbenzählend, holprig, die Eeime mühselig, 
einförmig, man sieht förmlich den mitleiderregenden 
Kampf des Greises mit der Sprache. 

Faust ist ein Böhme, und lebt in der Nähe von 
Prag, die Teufel geben sich rechtschaffen Mühe seine 



S. S e i d 1 i t z, Johann Gutenberg, der Erfinder der Bachdrucker- 
kunst ein Böhme. Aus dem Böhmischen des Jaroslav yrt'ä>tko 
(BH. f. liter. Unterhaltung 1840 No. 130—133). — Allgemeine 
Theaterzeitung. Wien 1840 — No. 64: „Dr. Fausts Haus in Prag." 

*) Doktor Faust , Starozitnä. povest o desiti zpevich. V 
Praze, 1844. 



10 



Seele zu gewinnen; mit Hülfe eines Zauberglases, das 
ihm ein Bettler reicht, erkennt er jedoch ihre Absicht 
und meidet sie. Da räth ihm ein Einsiedler zu dem 
Versuche, den Teufel zu überlisten, und Faust schliesst 
mit Mefista einen Bund auf vierundzwanzig Jahre. Ein 
Fremdling aus Kuttenberg besucht ihn, sich Raths zu 
erholen, da er die Buchdruckerkunst erfunden hat, und 
F'aust erfindet die beweglichen Lettern. Der Teufel 
verscheucht den Kuttenberger, der nach Mainz flieht, und 
Faust lernt ein Mädchen kennen, das ihn veranlasst, an 
Rettung vom Teufel zu denken. Es folgen grosse, aben- 
teuervolle Reisen nach Erfurt (Polyphem- Erscheinung), 
Leipzig (Fassritt), wo der Mönch, der Faust zu be- 
kehren sucht, seine Busspredigt irrigerweise an Mefista 
richtet. In Krakau kämpft Faust mit Twardowski 
und begibt sich nach Italien. In Venedig gewinnt er 
Gold im Spiele, und während er von dem Höllengolde 
niemanden, auch den Kuttenberger nicht, unterstützen 
durfte, sendet er jetzt an diesen eine grosse Summe. 
Er stellt Alexander den Grossen vor , und macht 
eine Luftreise nach Prag, der Flug nach dem Monde 
misslingt. Ein Zusammentreffen mit dem ewigen Juden 
lehrt Faust, dass er noch Rettung hoffen dürfe; er 
geht trotz des Widerspruchs des Teufels nach Rom 
und wird dort gefangen gesetzt. Selbst Mefista kann 
in den geweihten Kerker nicht eindringen, wohl aber 
gelingt dies durch Bestechung der Wachen der Gelieb- 
ten Fausts, der Primadonna Zantinella. Faust wird 
so den Teufel los, gelangt zu Fusse nach Böhmen, 
und findet hier seinen todtgeglaubten Freund und die 
Geliebte wieder. Die Bibel ist eben erschienen. Faust 
freut sich der aus der neuen Kunst entspriessenden 



11 



Aufklärung, und will reuevoll nach Rom pilgern. Aus 
Furcht vor neuen Schlingen des Teufels stösst ihn die 
Geliebte von den Felsen der Sarka herab, und so ent- 
geht er der Hölle. 

Einige Sagen über Faust werden als blosse Erdich- 
tungen erwähnt; gerade die Reste der Prager Localsage 
wahrscheinlich, weshalb ich sie anführe. Ein Guck- 
kastenmann erklärt Faust ahnungslos seine eigenen 
Thaten: „Hier verhandelt der Teufel mit ihm über die 
Seele und zeigt ihm volle Beutel Goldes, hier unter- 
schreiben sie den Contract, hier ein ander Bild : Faust 
fährt durch Prag, Steine liegen im Wege, die müssen 
die Teufel schnell auflesen. Hier flieht er davon, ein 
Nebenbuhler verfolgt ihn, er ersinnt sich eine List, und 
(es ist eben in der Schwefelgasse) sein Geselle entführt 
ihn durch das Fenster auf dem Mantel, noch heute 
spürt man dort den Schwefelgeruch; dort wieder be- 
reitet Faust den Genossen ein Fest, alles schwelgt in 
Gesellschaft von Dirnen, auf dem Musikchor sind Teu- 
fel zu sehen, die spielen ein höllisches Lied." Weiter 
erzählt er von Helena und ihrem Kind, wie Faust ein 
Fuder Heu verschlungen, den Juden mit dem Beine 
betrogen (Quelle: Carchesius) und spricht endlich von 
Fausts Ende: „Die Frist verrann, der Teufel fasste 
ihn lebendig, da galt kein Widerstreben. Auf einen 
feurigen Wagen setzte er ihn, und seht, da sind 32000 
Teufel, die geben ihm das Geleite, laut hört man sie 
jubeln." 

Ein Jahr nach diesem romantischen Epos erschie- 
nen in der Zeitschrift des böhmischen Museums die 
ersten Proben eines andern, das sich ausdrücklich als 
solches ankündigte, Vocels „Labyrinth des Ruhmes", 



12 



und 1846 erschien das ganze umfangreiche Gedicht.^) 
Sein Held ist Johann von Kuttenberg (also Faust), und 
auch in anderem Sinne sollte das Werk der Traust 
Vocels sein, er vergleicht selber beide Werke in der 
Einleitung: „Obwohl ich mich nicht zu der Meinung 
versteige, dass jemand das Werk mit dem Faust des 
Altmeisters der deutschen Dichter vergleichen könnte, 
halte ich es doch für gut, um jedes Misverständnis 
auszuschliessen, einige Worte über die verschiedene 
Tendenz der beiden zu sagen. Goethes Gedicht lebt 
für ewige Zeiten im Busen aller, die in übersinnlichem 
Wissen schwelgen, sie warnend, sich nicht dorthin zu 
versteigen, wo dem durch seinen Stolz getäuschten Ver- 
stände die dunkle Seite des menschlichen Wissens sich 
zeigt; es ist eine grosse Paraphrase der Worte: An 
dem Tage, da du von den verbotenen Früchten der 
Erkenntnis essen wirst, wirst du des Todes sterben. 
Faust, von der ewigen Wahrheit abgekehrt, wird zum 
Sklaven der Sinnlichkeit und Leidenschaft und unter- 
liegt so der teuflischen Macht. Aber auf ganz anderer 
Grundlage beruht dieses Gedicht. Der Teufel will aus 
Johann einen Faust erst machen, und bemüht sich, ihn 
von Glaube, Liebe, Hoffnung loszureissen, damit Johann 
an die Natur, d. i. an die Materie mit Geist und Herz 
sich anschliesse, und in ihr nicht bloss seinen Ruhm, 
sondern auch Ruhm und Rettung seines Volkes suche. 
Der Teufel will, dass Johann der Apostel eines neuen 
Glaubens werde, dessen Gesetze auf der Vergötterung 
der Natur beruhen. Dadurch ist es klar, dass der Geist 
der Verneinung hier nicht bloss auf Erbeutung einer 



*) Labyrinth sUvy od. J. Erazima Vocela. V Praze 1846. 



13 



Seele ausgeht, sondern auf den Gewinn unzähliger 
menschlicher Geschlechter. In einem Umstand beröhrt 
sich das Geschick Johanns mit dem Fausts, dass nämlich 
beide durch die Kraft der unendlichen Liebe der ewigen 
Verdammnis entgehen, denn eine Seele kann nicht 
ewig verloren sein, wenn sie auch oftmals ihrer Be- 
stimmung untreu geworden, so lange sie, ihre Kraft 
und Elasticität bewahrend, im Schlamm der Sünde 
nicht erschlafft und durch ihren Willenstrieb ihren er- 
habenen Ursprung bekundet. — Mit der Idee der Er- 
lösung Jans ist hier unlöslich auch die Idee der Er- 
lösung der Slaven durch das geistige Licht, das die 
stillen Bahnen des Friedens beleuchtet, verknüpft." 

Diese Vergleichung, ein Muster von Unklarheit, 
überrascht durch die beschränkte Auffassung des Goethe- 
schen Faust, über dessen Erlösung sich Vocel geradezu 
widerspricht. Naiv ist die Zählmethode, als ob es in 
der Poesie darauf ankäme, ob der Teufel eine Seele 
oder einige Millionen gewinnt; — die Vergleichung 
zeigt jedoch, dass Vocel in dem Labyrinth wirklich sei- 
nen Faust, freilich einen antipantheistischen, dichten wollte. 

Der Inhalt des Labyrinth hängt mit der Faustsage 
nur locker zusammen; der Teufel, Duchamor genannt, 
(Geistestod, ursprünglich „ Bludaspory * Irrthum und 
Streit) rettet Jan, einen begeisterten Taboriten, der 
nach der Schlacht bei Lipan durch Selbstmord enden 
will, und schliesst mit ihm einen Bund auf 10 Jahre, 
indem er verspricht, ihn berühmt zu machen und sein 
Volk zu rächen. Er rächt sich wirklich am Mörder 
Prokops des Grossen, aber die blosse Erkenntnis, dass 
er aus einem katholischen Geschlechte stamme^ dass 
sein Vater von den Taboriten erschlagen worden sei, 



14 



genügt, ihn von seinem Glaubenseifer zu heilen, er 
verlässt die Taboriten und lebt als gewaltiger Magier 
und Alchymist in Prag. Duehamor führt Jan in eine 
Disputation und in eine „Zeche wüster Gesellen". Letz- 
tere Scene, in dramatischer Form, ist ganz Auerbachs 
Keller entlehnt ; Duehamor hext jedem Zecher die Seele 
eines andern in den Leib und läBst sie so raufen. 

Um Jan von dem Glauben abzuwenden, führt ihn 
der Geist auf die alten slavischen Schlachtfelder, vom 
Amselfelde an das baltische Meer, und zeitlich zurück 
bis in die indische Urheimat, wo immer Ströme Blutes 
geflossen, um des Glaubens willen. 

Doch die Liebe Ludmilas, welche Jans Mutter sich 
erzogen hat und die sich für ihn opfert, als der rach- 
süchtige Taborit Martin ihn ermorden will, rettet Jan ; 
er sagt sich von Duehamor los, der ihm darauf eröffnet, 
welche Absichten er mit ihm gehabt, ohne dass es uns 
klar würde, wie er ihm die Macht verliehen hätte, sein 
ganzes Volk oder gar das ganze Slaventhum zum Pan- 
theismus zu bekehren. Jan geht nach Mainz, und ver- 
bringt die letzten, ihm gegönnten Jahre mit der Er- 
findung der Buchdruckerkunst, und druckt die Bibel. 
Der Teufel, dem er entgeht, rächt sich an ihm durch 
den Fluch, der Ruhm seiner Erfindung werde nicht 
seinem Volke zu Teil werden, sondern einem andern, das 
dafür sein Volk als roh und barbarisch verschreien würde. 

Vocels Werk gehört noch heute zu den bedeuten- 
dem Schöpfungen der böhmischen Literatur, wenn es 
auch öfter geilihmt als gelesen wird. — Es schliesst 
die wenigen selbständigen Faustgedichte, zu denen wir 
eines aus viel neuerer Zeit herbeiziehen, das einen we- 
nigstens verwandten Stoff behandelt, Vrchlickys Twar- 



15 



dowski.^) Dieses Gedicht, geschrieben im J. 1880, er- 
schien im J. 1885 in Buchform und — wurde wegen 
Vergehens gegen die Sittlichkeit conflsciert, doch wurde 
die Confiscation durch Richterspruch behoben. 

Die Fabel erinnert ein wenig an das „Labyrinth*' ; 
auch Twardowski kennt seinen wahren Ursprung nicht, 
der Gemahl seiner Mutter hat ihn in der Stunde der 
Geburt verflucht und der Böse betrachtet ihn als ihm 
verfallen. Er beraubt ihn seiner Unschuld, indem er 
ihn einem Mädchen zuführt , das, unschuldig und 
engelsgleich, sich opfern muss, eine melodramatische, 
wunderbare Scene, zu dem Besten gehörend, was 
Vrchlicky geschaffen. Es folgt eine Reihe von Scenen 
aus der Zeit des Teufelsbundes; er verwandelt seinen 
Diener, der sich erdreistet, seine Rolle zu spielen, in 
eine Spinne, lässt sich die schönsten Frauen des Alter- 
thums vorführen, Semiramis, Bethseba, Lesbia, Hero- 
dias, die ihre Geschichte erzählen, eben jene glühen- 
den, sensualistischen Schilderungen, die die Confiscation 
veranlassten. Aber das Bild der Mutter Eva in ihrem 
stummberedten Schmerz wirkt unauslöschlich auf ihn 
ein. Auerbachs Keller erscheint diesmal als Räuber- 
schenke mit Kater, Kapuciner und Juden. — Ein 
Priester, dem Twardowski über einen See geholfen, 
führt ihn auf den Weg der Rettung; er sucht seinen 
Nährvater auf, der nach Sibirien verbannt ist, und 
findet ihn als verklärten Todten. Der Teufel meldet 
ihm sein Ende an, es kommt zum Kampfe, Twardowski 
reisst ein unschuldiges Kind als Schild an sich; der 
Teufel mahnt ihn jedoch: 



^) Twardowski, Bä«eti Jaroslava Vrcklick^ho. VPrazel88ö. 



( 

f 



16 



Herr, dein Verbum nobile, 
Wiss, debet esse stabile. — 

Dieser Appell an das Edelmannswort ist bei dem 
stolzen Polen nicht verloren, er kämpft allein, — da, 
im letzten Augenblicke singt er jenes Lied an Maria, 
das das arme, verlorene Mädchen gesungen — und wird 
begnadigt, zwischen Erde und Himmel zu schweben. 
Lange schwebt er so; endlich kommt eine Nachricht: 
die kleine Spinne, sein Diener, hat einen so langen 
Faden gesponnen, dass sie der Wind bis zu ihm hinauf- 
führt. Aber sie weiss wenig Gutes von der Erde zu 
berichten; erst als sie wiederkommt, von der Befreiung 
des Menschengeschlechtes, von einer neuen, glücklichen 
Zeit spricht, da sprengt Twardowskis Jubel , sein 
jauchzendes Gnadefleben die Thore des Himmels, sein 
Leichnam zerfällt zu Staub. 

Twardowski ist kein eigentlicher Faust, er hat so 
Manches vom Don Juan, der überhaupt der beliebteste 
und am häufigsten besungene Held Vrchlick^s ist. 
Mehr der Stoff als die Behandlung erinnern an Faust; 
eine Vergleichung der Stoffe unternahm Menöik (Lite- 
rärni listy, 1890) in einer Abhandlung, die neben 
einzelnem Richtigen viele Irrtümer enthält. \) 

Ehe wir zu den wichtigsten Uebersetzungen, denen 
von Goethes Faust, übergehen, wollen wir kurz die übrigen 
erwähnen: Am 1. November 1851 wurde in böhmischer 
Sprache zum erstenmal der Faust von Klingemann 
aufgeführt. Die sehr lesbare Uebersetzung ist von 
J. Kaj. Tyl und erschien gedruckt im Jahre 1872. — 
Mikovec schrieb erregt in seinem „Lumir**, ob die 

^) Ein Original-Lustspiel „ Faust '^ von Stuna aus dem Ende des 
achtzehnten Jahrhunderts ist nie gedruckt worden. (Blass S. 96.) 



17 



Direction das Publicum für so kindisch halte, dass es 
sich durch Klingemanns Teufel schrecken lasse. 

Die im Jahre 1875 erschienene Uebersetzung von 
Lenaus Faust von J. J. Stankovsky zeigt namentlich 
im Vergleiche mit den älteren Uebersetzungsproben 
von Schulz sehr hübsch den Fortschritt der böhmischen 
Uebersetzungskanst. . 

Ein Artikel über Faust von F. Schulz im Lumir 
1863 brachte einen Auszug aus deutschen Studien ohne 
Bezug auf den böhmischen Faust. Eigenthnmlich ist 
der Satz, mit dem Marlow^s Faust charakterisiert 
werden sollte: „Aber der Held dieses Dramas ist kein 
külmer Empörer gegen den Himmel, der, von einem 
Zauberer verführt, für Genüsse und Ruhm dieser Welt 
seine Seele dem Teufel verkauft und endlich durch die 
Gnade der Gottesmutter erlöst wird, welche in den 
Abgrund der Hölle hinabsteigt , um den verhängnis- 
vollen Contract zu holen; er ist selber ein Zauberer, 
den am Schlüsse des Stückes der Teufel ohne Gnade 
abholt.'^ — Was ist das für ein Stück, mit dem der 
Faust Marlowes verglichen wird ? Soll dieses Gemenge 
aus Theophüus uiid Faust etwa gar der Goethesche 
Fanst sein?? 

Goethe hat nicht an der Wiege der neuböhmischen 
Literatur gestanden, aber ihre ungewissen Schritte in 
den ersten Decennien unseres Jahrhunderts vollzogen 
sich unter seinem Stern. Es war nicht anders möglich, 
als dass die junge böhmische Literatur sich in den 
Geleisen des geistigen Lebens in Oesterreich hielt, 
welches dem des mittleren Deutschland um ein halbes 
Jahrhundert nachstand, und so waren Weisse und 
Gleim noch in den achtziger Jahren leuchtende Vor- 

Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 8 



18 



bilder. Anders wurde es im neunzehnten Jahrhundert. 
Im Jahre 1817 stellt' sich Goethe ein junger Student 
der Theologie vor, voll Begeisterung und Verehrung, 

V 

Johann KoUar.^) — Celakovsky studiert Goethe schon 
in seiner Jugend und tritt als sein Schüler in seinen 
Werken auf; wie Goethe das deutsche Volkslied nach- 
schafft, so versucht es Celakovsky, in seinem „Nach- 
klange der böhmischen Lieder'*, und wie Goethe in 
der Maske eines orientalischen Sängers den Divan 
dichtet, so singt er als russischer Rhapsode seinen 
„Nachklang der russischen Lieder**. Wenn er auch in 
einem Epigramme den billigen Witz macht: 

Ein köstlich Mittel, Schlaf sich zu machen, 
Heisst: Des Epimenides Erwachen, 
so tröstet er doch wieder den armen Bav: 

Bis auch das, was Shakespeare schrieb und Goethe 
Aufgenommen gastfreundlich hat Lethe, 
Dann, o Bavius, verlass dich drauf, 
Tauchen deine Schriften aus ihr auf. 
Und es dauert lange, ehe er es wagt, auch nur 
in Prosa an eine Uebersetzung von Goethe heran- 
zutreten; im Jahre 1827 übersetzt er „Die Geschwister*' 
unter dem Titel „Märinka**, Goethe selbst erfreute 
sich der bescheidenen Gabe, ihm war jedoch in Ueber- 
setzung Goethescher Schriften schon Machäßek voran- 
gegangen (Iphigenie auf Tauris 1822), und Jungmann 
übersetzte Hermann . und Dorothea ; erst viel später 
folgtea der Bürgergeneral (Uebersetzer B. F. 1870), Götz 
von Berlichingen und Egmont (tibersetzt von J. J. Kolär 
1871). — In neuerer Zeit erschienen Goethes Balladen 



^) Biedermann, Goethes Gespräche VIII, 342 ff. 



19 



in einer sorgfältigen , sehr gefeilten üebersetzung von 
Ladislav Quis (1879) und in weniger guten üebersetz- 
ungen „Ausgewählte Gedichte", übersetzt von J. Neöas, 
(1889) ferner mehrere Einzelgedichte in Zeitschriften. — 
Eine besonders lebhafte üebersetzerthätigkeit sollte sich 
vorläufig nur dem „Faust'' zuwenden. 

Im Jahre 1863 erschien die erste üebersetzung, 
besorgt von J. J. Kolär, mit einer überaus charakte- 
ristischen Vorrede, in der es heisst, Goethes Faust sei 
schon in früher Jugend gleichsam durch Metempsychose 
Kolärs Eigenthum geworden, und man möge also an 
diese Nachdichtung nicht etwa den Massstab einer 
üebersetzung im Sinne der trockenen Grammatiker 
legen, deren Geistesrichtung mit kräftigen Phrasen 
bezeichnet wird. Er versichert endlich, infolge der 
innigen Vertrautheit mit der deutschen Sprache und 
des grossen Einflusses der deutschen Literatur sei es 
gelungen, eine üebersetzung zu liefern, die in Inhalt 
und Form mit dem Originale merkwürdig tibereinstimmt, 
hinter der die üebersetzungen in andere Sprachen — 
ohne ünbescheidenheit gesagt — weit und recht lächer- 
lich nachhinken. 

Der Rest der Vorrede ist eine kurze Betrachtung 
von Goethes Faust im Sinne der metaphysischen Com- 
mentare, mit Sätzen wie: „Faust ist mit Mephisto- 
pheles eine und dieselbe Person und auch derselbe 
Mensch mit dem Herrn des Prologs." — „Faust ist 
jetzt (im zweiten Teile) ein Begriff geworden, nämlich 
der Begriff der Romantik, und erscheint mit einer 
sonderbaren Aufhebung der Zeit zur Seite der antiken 
Helena und des zum Euphorion umgedichteten Byron. 
Mephistopheles ist als Phorkyas das negative Moment im 



ao 



Verfalle der antiken Kunst und antiken Schönheit 
geworden." Schliesslich urteilt Kolär, dass der zweite 
Teil, der viel Unverständliches und viel Unsinn enthalte , 
durchaus nicht zu übersetzen sei. 

Dieser Ton der Vorrede klingt auch in den 
Stinunen der Kritik mächtig an, namentlich Ferdinand 
Schulz pries in der literarischen Beilage der Narodni 
listy das Werk ganz in entsprechender Weise. In der 
Folge wurde die Vortrefflichkeit der Kolärischen Ueber- 
setzung zu einem wahren Gllaubensartikel der litera- 
rischen Kreise, ja man sagte, sie stehe zu Goethes 
Original in einem wahren Geschwisterverhältnis. Dass 
jemand gesagt hätte, sie sei besser als das Original, 
ist böswillige Erfindung. 

Die Uebersetzung ist übrigens weit trefflicher, als 
man nach diesen Antecedentien erwartet; die Behaup- 
tung Kolärs über sein Verhältnis zu den anderen 
Uebersetzungen habe ich zwar nicht nachgeprüft, aber 
es ist unleugbar, dass ein grosser Teil des Gedichtes 
in trefflicher, präciser Weise nach Inhalt und Form 
wiedergegeben wird. Für die böhmische Literatur 
bedeutet sie eine wichtige Etappe in der Geschichte 
der Uebersetzungskunst, indem sie die Anspräche an 
die Formvollendung sehr steigerte. 

Immerhin ist noch der formale Anschluss an das 
Original nicht allzugenau; so wird die Zueignung in 
Trochäen übersetzt, in den lyrischen Stellen herrschen 
grosse Freiheiten, auch sonst ist die Nachbildung des 
Metrums nur eine ganz allgemeine, und unzählig sind 
die Stellen, wo eine ganz sonderbare Wendung, meist 
dem Reime zuliebe, gewählt wurde. — Da lesen wir 
zum Beispiel: 889 An diesem Pult liab' ich geglüht; 



21 



Ö40 Blast die kümmerlichen Flammen ans der Asche 
verbrannter Ratten; 678 Der alte Lehnstahl (alte 
EoUe); 822 Da würde ich mich erst in den Teig setzen; 
1178 Ich habe von der Feldmuse Abschied genommen; 
1271 Die Kraft der Mähre zu brechen (zu begegnen 
dem Tiere); 1276 Kobold soll aufstehen; 1324 Der 
Fall hat eine lächerliche Melodie; 1666 Verliere ich 
diese, so ist es gleich, ob eine Rose duftet oder Koth 
(dann mag, was will und kann geschehn); 1712 Beim 
Doktorschmaus werde ich wie ein Windhund am Tische 
bedienen; 1842 Dort ächzt schon einer auf dem Gange; 
1934 Das loben alle Schüler mit dickem Daumen; 
1939 Nur schade, es ist kein geistig Haar darin; 
1993 Doch das Wort gewinnt durch einen Begriff 
Reinheit; 2007 Wenn man nur ein Knöchlein hat, kann 
man auch das Fleisch berühren; 2179 Marktschreier 
sinds, die nach Petersilie gehen; 2235 Sie durften sie 
(die Flöhe) weder mit dem Knüttel, noch mit dem 
Nagel erschlagen; 2243 Spitzt die Finger, lasst den 
Knüttel; 2550 und neun ist eins und zehn ist boden- 
los, das ist der Hexen Rechnung vom Januar; 2570 
Wer albern ist, dem fliessen sie in Strömen, der isst 
sich daran satt; 2581 Er ist ein Mann von vielen 
Graden, der oft schon guten Thee getrunken hat; 
2603 Mit diesem Trank im Leibe wirst du geil wie 
eine Hündin; 2678 Dennoch würde ich was drum 
geben, wenn ich könnte erfahren, wer der Herr heut 
war, der beliebte, mich anzusehen ; 2699 Vielleicht hat 
hier mein Liebchen für Christi Leiden des Ahnherrn 
welke Hand gekttsst ; 2779 Er sah ihn stürzen, trinken, 
dort in die Tiefe des Meeresfutters; 3005 Das alte 
Blei nähme den Teufel selbst beim Wort; 3842 KohuH) 



22 



hänge dich an keinen Fliegenschwarm (es ist ein 
grosser Jammer); 3560 Und wie sie sich leckten vom 
und hinten; 3571 Ein frischer Jung wird anderswo 
auf einen bessern Schober klettern; 3700 In die Hölle 
erst deine Bassgeige; 3892 Sind das Molche mit diesen 
Hörnern? 4170 Ehe ich meinen Fuss begrabe; 4583 
Wehe meinem Kranze, als hätten ihn die Schnitter 
abgemäht. — 

Nach diesen Proben darf man freilich die üeber- 
setzung nicht allgemein verurteilen; sie enthält sehr 
gute Partien, namentlich in den drastischen Stellen, 
obwohl auch hier die kräftige, diabolische Wirkung 
meist auf Kosten der Treue erreicht wird. 

Im Anfange d,es Jahres 1890, des Jubiläumsjahres 
von Goethes Faustfragment, erschien überraschend 
genug eine üebersetzung des ersten Teils des Faust 
von einem bisher unbekannten Dichter, Franz V16ek ; ^) 
überraschend, weil der Eespect für Kolärs „Nachdich- 
tung" noch sehr gross war, weil man überdies wusste, 
dass Vrchlicky eine üebersetzung beider Teile, Ladis- 
lav Quis eine solche des zweiten Teiles im Manu- 
scripte besitze, von denen jedoch keiner an eine 
Herausgabe seines Werkes dachte, schon dem greisen 
Kolär, dem Nestor der böhmischen Literatur zuliebe. 
Da wurde durch den homo novus Vlöek der Bann 
unerwarteter Weise gebrochen. — Seine Vorrede schlägt 
einen unvergleichlich bescheideneren Ton an als die 
Kolärs, obwohl sie ihr den Schlusssatz gegen die 
„Aristarchen" entlehnt. Ganz im Gegensatze zu der 



*) J. W. Goethe, Faust. Tragedie. Rozmßrem originalu pre^ 
lozil Frant. Vlcefc V Praze. 



23 



Vergleichung Kolärs mit den ausländischen üeber- 
setzuDgen erklärt Vlöek, er habe sich in der Nach- 
dichtung Bayard Taylors sein Ziel gesetzt und diese 
nirgends durch näheren Anschluss an die Form des 
Originals übertreffen wollen. 

Eine solche Beschränkung erscheint allerdings 
ungerechtfertigt, und in der That vermisst man den 
innigen Anschluss an die Form des Originals bei Vl^ek, 
sonst ist seine Uebersetzung eine sehr fleissige Arbeit ; 
solche kraftgeniale SchössJinge, wie wir sie bei Kolär 
aufgezählt haben, würde man vergebens suchen. Da- 
gegen trägt die ganze Arbeit den Stempel der Müh- 
seligkeit aufgedrückt. — Das Streben des Autors, mit 
Kolär um keinen Preis zusammenzustimmen, auch wo 
dessen uebersetzung die natürlichste ist, verleitet zu 
gezwungenen Wendungen. Vlcek bietet dem böhmischen 
Publicum, wie Kolär, den ersten Teil des Faust mit 
Haut und Haar , mit Walpurgisnacht und Intermezzo, 
ohne jede erklärende Anmerkung. Dagegen bezeichnet 
er das Alter der einzelnen Scenen, was ziemlich über- 
flüssig ist, wie auch die Versicherungen der Vorrede 
über des Autors Studium der Commentare sich recht 
flunkerhaft ausnehmen angesichts der Thatsache, dass 
Vlöek anno 1890 noch nichts vom Urfaust weiss, und 
das Fragment als die älteste Phase behandelt. Die 
Scene „Trüber Tag. Feld" wird datiert: 1806!! 

An dieser Scene hat sichVlßek auch sonst schwer 
versündigt, er schreibt sie in Blankverse um, das ist 
aber noch wenig gegen die Misshandlung der Domscene. 
Diese hatVlöek verreimt! Sie liest sich nun wie eine 
Travestierung, ebenso die verreimte Antwort Fausts 
auf Gretcbens Frage: „Glaubst du an Gott?" 



24 



Nach dem Erscheinen dieser üebersetzung zögerte 
auch Jaroslav Vrchlicky nicht länger, seine üeberse- 
tzung beider Teile herauszugeben ; noch im selben Jahre 
begann der Druck , und im Jänner 1891 erschienen zum 
erstenmale beide Teile des Faust ^) in böhmischer Sprache. 

Vrchlick^ stellte sich, was den formalen Anschluss 
an das Original betriflPt, eine Aufgabe wie vor ihm 
kaum ein üebersetzer eines umfangreichen Werkes. 
Nicht im allgemeinen das Metrum galt es ihm nach- 
zuahmen, nein, Silbe für Silbe wird jeder Vers nach 
seiner ursprünglichen Betonung wiedergegeben, die Reime 
bleiben in ihrer Ordnung, es wird ein Text geschaffen, 
dem man eine Originalmelodie zum Faust getrost unter- 
legen kann. Einzeln mag in einigen Versen dagegen 
versehen sein, im ganzen ist diese Absicht erreicht 
worden; Beispiele der Abweichungen mag ich nicht 
suchen, imgrunde wäre ich selber mitverantwortlich 
für solche Versehen, da ich die Correctur des Werkes 
gelesen habe, und der Dichter auf jede meiner Bemer- 
kungen mit dem grössten Eifer reagierte. Ich habe die- 
ser Mitarbeit Stunden köstlichen Genusses. zu verdan- 
ken, und weiss, wie ernst es dem Dichter mit seiner 
Aufgabe war. Vrchlicky stellt sich zu Goethe nicht 
als nahezu Gleichberechtigter wie Kolär, er geht nicht 
an ihn wie an einen Schulautor heran, wie Vlöek, er tritt 
ihm gegenüber wie Faust dem Erdgeist. Als Ringen 
Jakobs mit dem Engel bezeichnet er sein Bemühen 
mit einem Goetheschen Ausdrucke in der Vorrede. „ Wem 
gelingt es?" fragt er mit dem Chore, aber er fühlt, 
dass er etwas Grosses geleistet, und dichtet aus diesem 



*) Goethüv Paust. Tragedie. Pfelozil Jaroslav Vrchlicky. 
V Prasse 1891, 



25 



innigen Gefühl heraus ein Dankgebet an die Qötter, 
das in klangreichen Worten den Gedanken ausdrückt, 
den Goethe selbst nach Vollendung seines Faust aus- 
sprach: Mein ferneres Leben kann ich nunmehr als 
ein reines Geschenk anseheu, und es ist jetzt im Grunde 
ganz einerlei, ob und was ich noch etwa thue.^) 

Der innige formale Anschluss, mit der feinsten 
Nachempfindung vereint, haben eine wunderbare Wir- 
kung besonders in den Liedern Gretchens, der Zueig- 
nung, dem Gesang der Erzengel, und besonders im 
letzten Acte des zweiten Teils. 

Vrchlickys üebersetzung ist mit der neuen Weimarer 
Ausgabe verglichen (sie enthält auch den nengefundenen 
Vers und den „Abschied" aus dem Nachlasse) und mit 
den nothwendigsten Erläuterungen versehen ; für eine 
Einleitung wurde mir vom Verleger der Raum so knapp 
bemessen, dass ich mich auf einige literaturgeschicht- 
liche Angaben beschränkte. 

Ein vorläufig noch ungedmcktes Werk führe ich 
der Vollständigkeit halber an ; um sich von der Arbeit 
an dem Goetheschen Faust zu erholen, unternahm 
Vrchlicky mit mir zusammen eine Herstellung des 
alten Puppenspiels etwa in der Art, wie Simrock das Schütz- 
Dreherische Stück behandelte. Diese Bearbeitung, welche 
besonders im vierten Acte Stellen von poetischem Werte 
enthält, wird noch heuer gleichfalls gedruckt erscheinen. 

Die lebendige Volkssage von Faust ist vergessen, 
die eigenen Faustdichtungen haben sie nicht neubelebt« 
— Aber allen Gebildeten ist Goethes Faust theuer, 
und das Volk drängt sich — die Jugend wenigstens 



^) Biedermaim, Goethes Gespräche Vni, 100. 



26 



— um den leichten Thespiskarren des Marionettenspielers, 
und dessen beliebtestes Stück ist der Doktor Faust. Mit 
diesem sollen sich die folgenden Zeilen beschäftigen. 



IL 



Die ersten Zeugnisse über ein böhmisches Puppen- 
spiel vom Doktor Faust sind unbeachtet geblieben; 
Wurzbach erwähnt im zwölften Bande seines biogra- 
phischen Lexikons (S. 428 ff.) in der Biographie des 
Puppenspielers Kopecky dessen Bearbeitung des Goethe- 
schen Faust, die in ihrer Art ein Meisterstück gewesen 
sei. Diese Angabe war aus Waldau, böhmische 
Naturdichter (1860. S. 48) entnommen, der sich über 
die Bearbeitung nicht näher ausspricht. Erst Richard 
Andree lenkte die Aufmerksamkeit auf das Puppenspiel, 
dessen Inhalt er im Magazin für die Literatur des 
Auslandes Jg. 35 (1866) S. 263 f. unter dem Titel: 
„Das tschechische Puppenspiel vom Doktor Faust" skiz- 
zierte (wieder abgedruckt in „Tschechische Gänge, 
böhmische Wanderungen", Bielefeld 1872). Andree 
bezeichnete das Drama als „bedeutend mit tschechischen 
Zuthaten versetzt", und seine Inhaltsangabe schien 
den deutschen Forschern über das Volksschauspiel zu 
genügen. Creizenach druckte in seinem „Versuch 
einer Geschichte des Volksschauspiels vom Doktor Faust" 
den Bericht Andrees auf S. 20 — 23 ab (mir war nur 
dieser Abdruck zugänglich), ging jedoch auf die 
Betrachtung der Abweichungen und Zuthaten nicht 
näher ein. Er erwähnt sie nur Seite 189 untei' den 
Schwierigkeiten, deren Lösung einer späteren Unter- 



27 



suchung vorbehalten bleiben muss. Er bemerkt sodann 
die Beziehungen zwischen mehreren Versionen des 
Puppenspieles, namentlich dem tschechischen und dem 
Volksliede vom Doktor Faust. Beide Abdrücke von 
Andrees Bericht erwähnt Engel in seiner Zusammen- 
stellung der Faustschriften als Nr, 2103 d und 468; 
ersteren mit der Bemerkung : „In dem Stücke, welches 
auch dem Inhalte nach kurz mitgetheilt wird, lässt 
sich leicht die deutsche Sage erkennen, wenige Auftritte 
ausgenommen, wozu auch die Prügelei der Deutschen (?) 
am Schlüsse gehört." 

Auf den Zusammenhang dieses Puppenspiels mit 
dem Volksliede vom Doktor Faust, den Creizenach 
einer späteren Untersuchung vorbehalten hatte, ging 
A. Tille in seinem Werke: „Die deutschen Volkslieder 
vom Doktor Faust, Halle 1890" näher ein ; er bezeichnet 
das Puppenspiel als Cz, und untersucht auf S. 103 
bis 130 ausführlich das Verhältnis von Cz zu dem 
Volkliede und den verwandten Puppenspielen, ohne 
jedoch zu einem greifbaren Resultate zu gelangen. 

Meine Bemühungen, ein Puppenspiel vom Doktor 
Faust zu sehen, waren bisher vergeblich, weil ich sie 
zufällig immer zu ungelegener Zeit anstellte. Indessen 
sind wir auf die vielfach getrübte Ueberlieferung der jetzi- 
gen Puppenspieler nicht angewiesen, da wir es in drei Ver- 
sionen aus älteren Aufzeichnungen kennen ; es sind folgende : 

1. (c) Nach Andrees Berichte führte Josef Vinicky 
(Winizky), der Besitzer eines „Theaters mit Figuren", 
„Doktor Faust, Drama in 5 Akten", auf. Vinicky 
gehört, scheint es, zu den ältesten bekannten Puppen- 
spielern, wenigstens beginnt ein Aufsatz: „Böhmische 
Puppenspieler" von Karl Roth in Mikovec' „Lumir" II. 



28 



S. 1092 (Jg. 1851) mit den Worten: „Wer sich an 
die traurigen Zeiten des böhmischen Theaters erinnert 

der muss billig anerkennen, dass damals 

Kopecky, Vinicky, Bene§ und Consorten die ersten 
Koryphäen waren u. s. w." Mit den traurigen Zeiten 
sind die ersten Jahre des Jahrhunderts bis zur Wieder- 
aufnahme böhmischer Vorstellungen im Jahre 1816 
gemeint. Andrees Bericht kann eine Handschrift nicht 
ersetzen; er mag vieles für nebensächlich gehalten 
haben, was der Forschung über das Puppenspiel wichtig 
wäre. In dem Buche Tilles hat Andrees Bericht 
meist irreführend gewirkt. 

2. (J) „Johannes Doktor Faust", ein Druck, dessen 
Titel in üebersetzung lautet: „J. D. F. Schreckliche 
Komödie mit dem Teufel und noch schrecklicherer 
Höllenfahrt des armen Faust bei grauenhaftem Feuer- 
werk und schauderhaftem Donnerwetter. Trauerspiel 
in 6 Akten. Von A. B. Prag. Verlag des Heraus- 
gebers 1862." — Der innere Titel weicht in zwei 
Einzelheiten ab; er lautet: „Doktor Faust. Schreck- 
liche etc. in 6 Akten. Prag. Druck von Johann 
Spumy 1862." Das Büchlein zählt 20 Blätter XVI® 
und die Rückseite des Umschlages trägt die Bemer- 
kung: „Zu haben in der Traffik auf dem Marienplatze 
(Ecke des Collegiums) und in der Druckerei Johann 
Spum^^s. Preis 20 kr." 

Eine Anfrage bei dem gegenwäji;igen Besitzer der 
Druckerei ergab folgendes Resultat : Um das Jahr 1862 
wohnten in dem Hause, in dem sich die Buchdruckerei 
befindet, zwei Studenten, welchen der Buchdrucker die 
Gefälligkeit erwies, das Drama zu drucken; näheres 
war nicht mehr bekannt, auch die Handschrift war 



20 



nicht mehr zu ermitteln. Die Studenten dürften Hörer 
der Philosophie gewesen sein, nach dem umstände zu 
schliessen, dass die Tabaktraffik am Colleginm (Cle- 
mentinum) mit dem Verkaufe betraut wurde, denn die 
Mediciner und Juristen hatten ihre Hörsäle im Garo- 
linum, und Schüler des akademischen Gymnasiums, das 
ebenfalls im Clementinum untergebracht war, werden 
sich am wenigsten in diese nahe Traffik gewagt haben. 
Es ist nun ein dreifaches möglich. Entweder 
haben die Studenten die Handschrift eines Puppen- 
spielers abgedruckt, oder sie haben eine Aufführung 
nachgeschrieben, oder sie haben ihre Komödie auf 
Grund einer solchen Aufführung oder Handschrifb neu 
gedichtet. Eine freie Dichtung ist durch den Zusammen- 
hang mit den übrigen Puppenspielen ausgeschlossen. 
Der „witzige" Titel des Stückes scheint auf die dritte 
Möglichkeit, eine parodierende Umarbeitung, zu deuten, 
aber dieser selbe Titel, wenigstens seine erste Hälfte, 
wird schon in dem erwähnten Aufsatze von Karl Both 
dem Drama von Faust beigelegt; mit diesen Worten 
wurde das Stück thatsächlich angekündigt, wir wissen 
nur nicht, voü welchem der erwähnten drei Puppen- 
spieler. Auch ist das Stück vollkommen ernst gehalten, 
und besonders hätten die Studenten, wenn sie sich 
grosse Aenderungen erlaubt hätten, die Rüpelscene ge- 
ändert, etwa in dem Sinne, wie der Puppenspieler, den 
Andree sah. Nicht nur ist es hier der deutschsprechende 
„Ucknek" (Aucknecht, Hausknecht), nach K. Roth eine 
stehende Figur des Puppenspielers, der die Böhmen 
durchprügelt, auch ihre Scherze, welche die deutsche 
Sprache betreffen, sind ganz harmlos, in der Art, wie 
man sich im Volke mit der Unkenntnis einer Sprache 



30 



hänselt, ohne an deren politische Bedeutung zu denken. 
Gerade im Jahre 1862, in der Zeit heftiger politischer 
Kämpfe, hätten sie bei jedem ümarbeiter Anstoss 
erregen müssen. Hier ist diese Figur des ausgedienten 
Soldaten, der mit ein paar deutschen Phrasen sich 
Kespect verschaffen will und glaubt, mit ihrer Hilfe 
alles erzielen zu können, den jedoch im entscheidenden 
Augenblicke seine Sprachkenntnisse kläglich im Stiche 
lassen, — diese Figur ist ohne politische Spitze, sie 
ist aus der Fülle des Volkslebens gegriffen, ein Typus 
einer früher zahlreichen, jetzt im Aussterben begriffenen 
Gattung. Ebenso sprechen die verstümmelten latei- 
nischen Worte, deren wahren Sinn wir nicht errathen, 
die versteckten Reime gegen diese dritte Möglichkeit 
und lassen nur die ersten beiden offen. 

Das Nachschreiben eines Puppenspiels setzt eine 
grosse Pietät für diese Dichtungsart voraus; überdies 
war eine wirklich brauchbare böhmische Stenographie 
damals erst im Werden, in Studentenkreisen war diese 
Kunst noch wenig verbreitet, somit bleibt der Abdruck 
einer Handschrift das wahrscheinlichste. — Ein äusseres 
Zeugnis für einen solchen gewährt S. 30, wo otepj 
statt otepi gedruckt ist; j ist ein Zeichen der älteren 
Orthographie und lag Studenten von 1862 schon ferne, 
freilich nicht auch den Setzern in Spurnys Druckerei, 
die noch heute Fracturdrucke in der alten Orthograpliie 
herstellt. — Sonst ist die Orthographie normalisiert, 
doch laufen zahlreiche Fehler mit unter, wie auch die 
ganze Sprache fehlerhaft und voll Germanismen ist. 
Indessen können ja böhmische Studenten von 1862 
eine deutsehe Bildung genossen haben und in der Ortho- 
graphie schlecht beschlagen gewesen sein. Auf eine wirk- 



31 



liehe Bühnenhandschrift deutet auch die Anweisung S. 14: 
^Der Teufel muss immer herbei- und wieder fortfliegen." 

Wenn wir gewiss wtissten, dass die Studenten gar 
keine Zusätze zum Texte gemacht hätten, so ergäbe 
sich ein Terminus a quo für die Niederschrift ihres 
Originals aus dem Beginn des 6. x\ktes. Faust sieht 
auf seiner Weltfahrt auch die Insel „Helena, auf 
welcher Bonapart gestorben ist"; die Handschrift 
müsste also nach 1821 geschrieben sein. Indessen 
gerade 'an dieser Stelle waren Einschiebungen allzu- 
leicht möglich; die Andabanen und Nikobaren, welche 
gleich darauf erwähnt werden, liegen dem Volke und 
den Marionettenspielern viel zu ferne. Die jobsiaden- 
mässige Marschroute scheint noch am ehesten ein 
Zusatz der beiden Studenten zu sein. — Eine voll- 
ständige Uebersetzung von J drucke ich am Schlüsse 
dieses Bttchleins ab. 

3. (D.) „Dr. Faust, Drama in vier Akten" in der 
Sammlung „Komedie a hry Mateje Kopeckfeho", „Ko- 
mödien und Spiele des Mathias Kopecky. Nach der 
Niederschrift seines Sohnes. Wenzel für den Druck ein- 
gerichtet und als zweiter Teil des „ Declamators " 
herausgegeben von E. Just, H. Pferhof, und J. R. 
Vilimek, Prag 1862. Verlag von J. R. Vilimek" auf 
S. 111—133 des ersten Bandes, dessen 6. Stück es ist. 

Die Worte des Titels „nach der Niederschrift sei- 
nes Sohnes Wenzel" scheinen zu bedeuten, dass der 
Sohn und Nachfolger des Puppenspielers, seine Stücke 
ans dem Gedächtnisse niedergeschrieben habe. Das ist 
jedoch, wie mir der einzig noch lebende von den Her- 
ausgebern Herr J. R. Vilimek versichern liess, nicht 
der Fall. Die Stücke hat allerdings Wenzel Kopecky 



sg 



niedergeschrieben ; aber zam Teil nach älteren Hand- 
schriften. Und anch bei einer Niederschrift aus dem 
Gedächtnisse würde sich über die Echtheit des Faust 
speziell kein Bedenken erheben, da Mathias Eopeck^ 
nach Warzbach dieses Stlick nicht weniger als 2500 
mal gespielt haben soll : wir könnten uns also auf das 
Gedächtnis des Marionettenspielers verlassen. Aller- 
dings war die Handschrift Wenzel Kopeckys selbst 
nicht danach angethan, um ohne weiters abgedruckt zu 
werden, sie erforderte eine Bearbeitung und an Stellen 
wo sie lückenhaft war, auch Ergänzungen. Dies njüss 
man sich bei jedem Stücke Kopeckys vor Augen halten. 
Wie schon eingangs gezeigt worden, ist Kopecky 
ein sehr berühmter Puppenspieler ; am 28. Mai 1762 in 
Strä^ovic (Prachiner Kreis) geboren, absolvierte er die 
„Normalschule" seines Geburtsortes und begann im 
14. Lebensjahre das ührmacherhandwerk zu lernen. 
Später wurde er ausgehoben und kämpfte in den Krie- 
gen gegen Napoleon I., wurde zweimal verwundet und 
liess sich nach ausgedienter Zeit im Städtchen Mirotic 
nieder, wo er sein Handwerk und einen kleinen Handel 
betrieb, bis ihn 1811 ein Brand um sein Vermögen 
brachte. Nun verlegte er sich auf das Spiel mit Ma- 
rionetten, das er aber mit sittlichem Ernste auffasste, 
waren doch gerade in diesen Jahren die Marionetten- 
spieler die- einzigen Träger der böhmischen dramatischen 
Literatur. Darum verschmähten es Bühnenschriftsteller 
wie Tham und Hybl nicht, f üi ihn Stücke zu bearbeiten, 
und er selbst verfasste sich endlich seine Stücke selber, 
unter diesen Origiualen wird das sehr beliebte Spiel: „Der 
Herr Franz" genannt. Bis zu seinem Tode (1846) 
spielte nun Kopecky vor zahlreichen Zuschauern, unter 



33 



denen auch fürstliche und gekrönte Häupter waren. 
Er rühmte sich sogar der Freundschaft Dobrovkys, der 
in ihm den wichtigsten Repräsentanten des Volksdramas 
sah. Die Zahl seiner Stücke ist sehr bedeutend, na- 
mentlich wenn man zur Vergleichung heranzieht, dass 
Kralik und Winter acht Stücke als vollständiges Re- 
pertoire eines niederösterreichischen Puppenspielers her- 
ausgegeben haben; die „Komedie a hry'' enthalten 
einundsechzig Stücke! 

Zahlreiche Details, welche E. Just, einer der Her- 
ausgeber, in der Einleitung und einem Anhange zu den 
Komödien über Kopecky mitteilt, sind leider nicht 
zu benützen, da sie, wie ich noch rechtzeitig erkannte, 
aus dem erwähnten Aufsatze von Roth im „Lumir" 
abgeschrieben sind, und in jenem Aufsatze nicht speziell 
von Kopecky, sondern von den böhmischen Puppenspie- 
lern im allgemeinen die Rede ist. 

Kopecky hat, der grossen Zahl der Aufführungen 
nach zu schliessen seinen „Faust'' schon vom Beginn 
seiner Carriere an gespielt; auch so entfallen noch, 
wenn die angegebene Zahl der Aufführungen richtig 
ist, siebzig Vorstellungen auf jedes Jahi*, damals nun 
konnte er sich seinen Faust auf verschiedene Art ver- 
schaffen, er konnte ein deutsches Puppenspiel überse- 
tzen, es nach dem gehörten Puppenspiel frei dichten, oder 
eine Handschrift eines böhmischen Puppenspielers er- 
werben. — Eine freie Dichtung ist ihm für den Beginn 
seiner Laufbahn nicht zuzumuthen, auch sein Original- 
stück ist eine Anhäufung bekannter Motive aus andern 
Stücken; ebenso war seine Kenntnis der deutschen 
Sprache nach der Versicherung von Leuten, die ihn spielen 
sahen, gar nicht so bedeutend. Die Scene aus einem 

Kr aas, Böhm. Puppenspiel Faust. 3 



34 



der deutschen Stücke : „Die Räuber in den Ambruzzen*^ 
oder „Karolin und seine (!) zwei Liebhaber", die Just 
erwähnt, ist dem Aufsatz Roths entlehnt, übrigens ist 
sie in einem böhmisch-deutschen Jargon geschrieben. 

Nun ist aber doch anzunehmen, dass ein Puppen- 
spieler, der nicht beim Metier aufgewachsen ist, also 
auf die Handschrift viel mehr angewiesen ist als ein 
anderer, sich am ehesten nach solchen Handschriften 
umsehen wird, die er ohne weiteres ablesen kann, also 
in diesem Falle nach böhmischen. Kopecky wird sich 
gewiss um Textbücher, vielleicht auch um Figuren und 
Costüme an einen altern Puppenspieler gewandt haben ; 
— es bleibt nur noch die Frage zu erledigen, ob es 
zu jener Zeit schon solche Künstler gegeben habe, die 
in böhmischer Sprache spielten. 

Nun haben wir auf S. 6 f. gezeigt, dass die böh- 
mischen Puppenspiele weit in das achtzehnte Jahrhun- 
dert hinaufreichen; die Annahme einer solchen Quelle 
bietet also nicht die geringste Schwierigkeit. Es lässt 
sich ferner zeigen, dass die Quelle Kopeckys eine 
schriftliche war. Der Name des Teufels ist nämlich 
darin Mesistofl; eine ganz unerhörte Form, die durch 
nichts anderes als durch Verlesung von Mefistofl 
entstanden sein kann, wenn letzteres mit deutschen 
Buchstaben geschrieben war, wie sie im Beginne dieses 
Jahrhunderts ausschliesslich im Gebrauche waren. An- 
dererseits deutet wieder der Name F akner für 
Wagner auf mündliche üeberlieferung ; entweder war 
also die Quelle Kopeckys durch eine solche hindurch- 
gegangen, oder Wenzel Kopecky hat das Stück seines 
Vaters aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben. Dieses 
Drama drucke ich neben J ebenfalls ab. 



36 



Zu dÜBsen Quellen tritt ein Bericht über eine 
Faustauff tthrung , der mir erst während des Druckes 
mitgetheilt wurde: 

4. (j) Herr phil. stud. Oktavian Wagner war so 
freundlich, auf eine Anregung in meinen Vorlesungen 
hin sich Aufzeichnungen über ein Stück zu machen, 
das er in der Umgegend von Zbiroh im Februar 1891 
von Puppen der Frau Wertheim aufführen sah. Es 
war betitelt: „Dochtor Faust", der Name des Helden 
kommt jedoch ebenfalls als „Johannes dochtor Faust" 
vor. Das Stück stimmt fast vollständig mit J über- 
ein, von dem es nur in wenig Einzelheiten abweicht. 
Ganz j eigentümlich ist folgende in den Puppenspielen 
unerhörte Wendung am Schlüsse: Faust ruft den 
Teufeln zu: „Nur den Körper werdet ihr für euere 
Mühe haben, die Seele übergebe ich dem, der Herr 
über mich ist." Und wirklich wird im Contracte von 
der Seele nicht gesprochen. Die Stelle erinnert an 
den Schluss des böhmischen Volksbuches, wo der 
Priester dem Teufel zuruft: „Höllischer Feind, seinen 
Leib hast du getödtet, allein nur der ewige Gott und, 
Herr kann Seele und Leib verderben, und der bist du 
nicht." Die Varianten dieses Stückes führe ich nur 
da an, wo es nicht mit J übereinstimmt, was, wie. 
erwähnt, meist der Fall ist. — Vergleichen wir 
die beiden gedruckten Stücke und die Inhaltsangabe 
der andern, so sehen wir, dass sie im Inhalte aufs 
genaueste zusammenstimmen; dies zeigt der Verlauf 
der Handlung und namentlich Eigentümlichkeiten, die 
nur diesen Stücken gemeinsam sind. 

Alle drei Stücke beginnen mit dem Monolog Fausts, 



36 



in dem Faust (Doktor der heiligen Schrift D, J) seine 
Unzufriedenheit ausspricht (motiviert durch die all- 
gemeine Unzufriedenheit aller Stände D, J), Wagner 
(Lakai J, c) meldet 2 Studenten (er nennt sie, einer heisst 
Fabricius J, D); Faust geht, sie zu empfangen; in- 
zwischen liest Kasperl im Buche (Recepte, Verjüngung 
J, D) und setzt sich auf dasselbe. * (Faust bestellt 
sich Malrequisiten D, J.) Die Beschwörung geschieht 
im Walde ( wolfschluchtartige Scenerie D, c); die 
citierten Teufel werden nach ihrer Schnelligkeit gefragt, 
(Pik J, c; — die Schnelligkeit entscheidet nicht über 
die Aufnahme, sondern der Name, zu dem die Schnellig- 
keit im Buche zu finden ist D, J). Mefistofl wird auf 
36 Jahre angenommen; Faust geht fünf Punkte ein 
(dieselben in J, D, ebenso dieselben Einwendungen 
Fausts gegen jeden einzelnen Punkt), Mefistofl saugt 
ihm das Blut aus der Hand; Homo fuge (die Worte 
bedeuten, dass Faust rasch den Contract schliessen 
soll J, D) ; Kasperl hält den Kreis für einen Vogelherd ; 
er fängt Vögel (er hat Pilze gesucht J, D); er nimmt 
den Zauberkreis mit. (Faust verschwindet beim Schreiben 
die Feder D, J), Kasperl wird von Faust selbst auf- 
genommen (und bekommt einen Dukaten ; Wagner, der 
ihn aufhalten will, will er Holzscheite an den Kopf 
werfen D, J); er reitet auf Mefistofl Faust an den 
Königshof (von Portugal J, c) nach ; er fällt im Garten 
nieder (stellt sich stumm; der König bat soeben ver- 
boten. Nichtebenbürtige einzulassen ; Kasperl verräth 
Fausts Namen ; dieser vermag Fische fliegen und 
Vögel schwimmen zu machen oder 300 Jahre todte 
Körper zu beseelen J, D). Er ruft Erscheinungen 
hervor (Helena und Alexander J, c; Goliath und David 



37 



D, c. Der König würde mit den Erscheinungen gerne 
sprechen, aber sie sind Asche und Koth, und Faust 
verdient, verbrannt zu werden, Faust will sich durch 
ein niegesehenes Schauspiel rächen, der Teufel will ihm 
lieber den Contract zurückgeben J, D), Kegelschieben 
auf dem Wasser (Faust macht eine Weltfahrt, will 
ein Crucifix gemalt haben, Mefistofl verfertigt es, wird 
jedoch durch das Verlangen nach der Inschrift in die 
Flucht gejagt J, D), Faust betet, ein Engel zeigt sich 
dabei J, c), der Teufel verführt ihn durch ein schönes 
Weib (namenlos J, D; er will mit ihr Katfee trinken 
J, c). Mefistofl dient nur 18 Jahre, weil er auch die 
Nächte gedient hat (die Frist verrinnt allmählich ; Faust 
verschliesst sich in sein Zimmer und mietet zwei 
Wächter J, c; Faust will Kasperl und Wagner zu 
Erben einsetzen, letzterer macht einen Wortwitz, 
Wagner solle einen Wagen machen J. D). Das letztere 
offenbar auch in c, denn auch hier wird Wagner „gele- 
gentlich in Uebersetzung K o 1 är genannt." (Man hört 
den verstümmelten Ruf: „ludicatus es", Faust bittet 
erfolglos um eine kurze Frist J, D. Die Wächter 
gerathen in Streit, Kasperl ruft die Stunden aus, Mefis- 
tofl holt Faust, während die Wächter eingeschlafen 
sind, die Wächter sind um die Bezahlung geprellt J, 
c). Die Abkündigung findet sich nur J, kam aber 
ursprünglich wohl auch D zu; hier hüpfte, nach Justs 
Bericht, nach jedem Stücke Kasperl auf die Bühne mit 
dem stereotypen: „Hie haec hoc, KaSpärek udßlal 
skok." 

Einige gleiche Motive finden sich nicht an den 
gleichen Stellen ; in D c, j wird Persien erwähnt , D 
erwähnt Portukäl, Faust will den Teufel Sand in 



38 



Garben binden lassen und bedroht ihn mit Erschiessen. 
J D. 

Die Zahl der üebereinstimmungen aller drei Texte 
wäre gewiss viel grösser, wenn wir auch den Text von 
c ganz besäs^en, während wir es jetzt auch in Fällen 
nicht berücksichtigen konnten, wo es nothwendig mit 
J D stimmen muss. Ebenso können wir bei den wört- 
lichen üebereinstimmungen nur J und D berück- 
sichtigen. 

Wir finden gleich im Monolog Fausts J: i ty 
Pauste svym stavem spokojen nebudeg. D: nebude§ 
i ty Fauste ve sv6m stavu spokojen. Dem Geiste er- 
widert Faust: J: vMyt' pak ja jsem tuto §kolu ji2 
absol viroval. D: vzdyt' ja jsem skolu teolokyji dävno 
absolviroval. Wagner sagt zu Kasperl: J: kdo pak 
ti to dovolil, ze jsi si z meho päna stolku sedadlo 
uöinil ? D : kdo pak ti dal povoleni, abys sob6 z knihy 
meho päna sedadlo udßlal? — Er räth ihm, von dem 
Tische zu steigen. J: dfive nez pfijde möj pän. D: 
dfive neÄ mftj pän pfijde. — Das folgende stimmt sehr 
genau bis auf ein Wort, worüber später. Kasperl will 
dienen unter der Bedingung: J: kdyä dostaun §aty a 
liberaj, penize a plat, jist a zdravu, tak budu stou^it 
dost. D: abych dostal penize a plat, liberaj a §at. 
Slouät budu dost. Faust beschwört die Geister J: 
Byste sem pfedstavili jednoho, 
kterem vypisuje me pismo mnoho. 

D: Propust'te mi jednoho ducha z propasti, o kte- 
r6m mä kniha vypisuje, 2e mä ßerstvosti mnoho. 

In der Formel kommen die Worte Styx (Strik) 
Acheron (Auberon, Auron) und Pluto vor; der zweite 
Contractspunkt lautet J: 



39 



Nemää do kostela chodit 

ani ve svych kni^käch se modlit. 

D : nesini§ chodit do kostela, ani ve svych knihäch 
se modlit. Faust reicht dem Teufel die Hand, J : ale at' 
toho nejmen§iho neucitim. D: ale at' nejmenSi bolesti 
neucitim. 

Den Contract beginnt Faust mit den Worten J: 
Ego Johannes doktor Faust — D: Ego Johan doktor 
Faust. — Als Faust von den Schätzen hört, die ihm 
der Teufel verschafft hat, sagt er J: Tedy jsi se v 
krätkosti tak o mne postaral. — D: Tö§i mne, Äe se 
tak mne staräS. — 

Der König will niemanden ins Schloss einlassen 
J: kdoby naSemu stavu roven nebyl D: kdo neni 
naäemu stavu roven. — Von der Erscheinung sagt er 
J: je v§ecko prach popel a bläto. D: vidim, 2es popel 
a bläto. Als Faust sich endlich nach der schönen 
Jungfrau umsieht, sagt er J: 

vsak ale to udßlä mä väeteßnost, 
pH tom däm na stranu vSönost. 

D: J& mäm v^önost na stranu dät. - - 

Dagegen meint der Teufel, wenn er sie nicht an- 
sehe J: do sv6 smrti toho litovati bude§. D: do smrti 
litovat bude§. — Sie war in Wirklichkeit J : nejohavn&j- 
§i pekla d'äbel. D: nejäkaredßjäi d'äbel. Faust be- 
fiehlt Kasperle: J: Zavolej mi sem Wagnera Pimp. 
Wagner, Wagner, Koläfi. mäS dölat pftl vozu, 
mftj pän pojede po po§t6 do pekla — D: Zavolej mnß 
Faknera. Kasp. Faknere, pojd' d&lat käru pro päna, 
on na ni pojede do pekla. — Derselbe Witz kehrt 
bei dem Worte „ludicatus es" wieder. J: velky ptäk 



40 



a kfiöi „idicave, idicave" ie väs povezou do pekla 
na käfe. D: mnoho osob a volaji Fauste jubi kabe! 
Easp. Ano, o käfe mluvi. Kasperle uimmt seinen 
Abschied J:tak i ja tuneostanu, tedy, müj zlaty pane 
jak se porouöim, tak se porouöim. D: Ja tu sam 
take nezöstanu, tedy p6kn6 dßkuju a ui jdu. 

Faust bittet um eine Fristerstreckung J : Mefistofl 
dovol mi jeStß aspon etc. D: Mesistofl nech mne jeSte 
Jen etc. Die Antwort ist darauf J: Ani minutu; D: 
Ani hodinu. 

Die Anzahl der wörtlichen Uebereinstimmungen ist 
jedoch im Verhältnis zu der üeberein Stimmung des 
Inhalts eine sehr beschränkte, und schon sie zeigt, dass 
zwischen den beiden Texten ein bedeutender Unterschied 
herrsche, der sich auch im Inhalte an vielen Orten 
bemerkbar macht. 

Nur scheinbar sind die Unterschiede in den Namen 
der handelnden Personen; — der Held des Stückes 
heisst J : Johann Doktor Faust D : Doktor Faust 
oder Doktor Jo. Faust, aber auch in D. finden wir 
wenigstens bei der Unterschreibung des Contracts den 
Namen Johan Doktor Faust; diese eigentümliche Na- 
mensform ist also auch D nicht fremd, wenn sie auch 
gegen gewöhnlichere Formen zurücktritt. D j bezeichnet 
ihn femer als Doktor Faust aus Mailand, nach J lebt 
er in Wittenberg, aber auch hier ist sein Vater nach 
dem Eingangsmonolog in Wittenberg geboren, in Mai- 
land unterthänig; eine Erklärung dieses Namens soll 
später vorgebracht werden, hier mag über das gegen- 
seitige Verhältnis bemerkt werden, dass niemand Wit- 
tenberg in Mailand geändert hätte, dass dagegen die 



41 



Aenderung von Mailand in Wittenberg nicht nur 
den Herausgebern wenn sie das Volksbuch kannten, 
sondern auch schon der Druckerei nahe lag, in der 
elf Jahre früher, und vielleicht seither wieder das 
Volksbuch vom Dr. Faust gedruckt worden war- In- 
dessen liegt zu der Annahme einer solchen Aenderung 
kein Grund vor. Ebenso stimmt der Name des hölli- 
schen Begleiters tiberein, Mesistofl ist nur eine Verle- 
sung von current geschriebenem Mefistofl, und auch der 
Mefistafel von c könnte derselbeName, etwas offener ausge- 
sprochen, gewesen sein. (Mesistaflj)Mefistofeles imPersonen- 
verzeichnis von J rührt gewiss von den gebildeten Her- 
ausgebern her. Vollständig decken sich Wagner und 
Fakner; der Hanswurst heisst J: Pimprle, D: Kaäpä- 
rek, aber auch in J nennt er sich im V. Act 6. — 7. 
Scene ka§prle, wovon D nur die schriftgemässe 
Form hat. Die Formen auf -le konnten im Böh- 
mischen leicht Eingang finden, da man sie an die hei- 
mischen t-Stämme anlehnte und nach ihnen declinierte. 
— Und dass die Form pimprle die allgemein bekannte 
der böhmischen Puppenspieler war, geht schon aus 
dem Citate H;f bis hervor ; eine Ankündigung zum Faust, 
in der Eop^cky seinen Komiker als „EaSpärek oder 
Pimprle*' bezeichnet, citiert Just, aber sie ist einer 
Ankündigung zur Alceste in dem erwähnten Lumir- 
Aufsatz entnommen. 

Auch im russischen Puppenspiel, über das Engel 
(Volksschauspiel 40 f.) berichtet, der es 1856 in Peters- 
burg aufführen sah, kommt der Name vor, er schreibt: 
„Besonders schlecht war Kasperle (der hier Pimperle 
hiess) bedacht" ; dieser Pimperle kann wohl aus Böhmen 
nach Russland eingewandert sein, sonst hängt, den 



42 



Namen der Teufel nach zu schliessen, der russische 
Faust mit dem böhmischen nicht zusammen. 

Die wirklichen unterschiede der beiden gedruckten 
Stücke sollen nun hervorgehoben werden, natürlich mit 
Ausschliessung alles ganz Unbedeutenden ; auch c wird 
dabei herangezogen, inwieweit es zu dem einen oder 
andern Stücke stimmt. 

Da wir infolge der wörtlichen üeberoinstimmungen 
schon berechtigt, sind eine innige Beziehung der beiden 
Stücke anzunehmen, so ordnen wir die Abweichungen 
darnach, welchem Stücke sie die Priorität zuzuschreiben 
scheinen, soweit dies nämlich zu entscheiden ist ; solche 
Abweichungen zu deren Würdigung es nothwendig ist, 
das Verhältnis zur Quelle heranzuziehen, sollen hier nur 
erwähnt, und im folgenden Capitel behandelt werden. 

a. Abweichungen, die für ein höheres Alter 

Yon J sprechen. 

Die beiden Studenten welche Wagner anmeldet, 
heissen J Fabricius und Cornelius, in D Antonius und 
Fabricius (j: Sedumceus und Fabricius). 

Kasperls Eingangsscene ist in D mit einer Begrün- 
dung angeknüpft : Kasperl will eine Entschädigung for- 
dern, weil ihm Fausts Kater ins Gesicht gesprungen ist; 
in J entspricht die Scene eher der Gepflogenheit der 
Hanswurste, mit einem Liede sich einzuführen und das 
Publikum selbst anzusprechen, diese Anknüpfung ist 
wohl wie die ganze Bezeichnung von Kasperl als Schnei- 
der eine Zuthat von der Mache Kopeckys. 

Der zweite Act spielt nach J im tiefen Walde, 
nach D jedoch in einem Felsenthale mit Sulen und 



43 



Eäazen, ein Donnerwetter spielt darein, feurige Enlen 
springen um den Kreis, bei jeder Beschwörung wächst 
der Sturm an. t— Man könnte an das Volksbuch von 
Faust mit seinen Schilderungen der Besieh wörung den- 
ken, aber eine andere Quelle liegt näher : der Freischütz. 
Eine recht lesbare Bearbeitung dieser Oper unter dem 
Titel „frajSic" führte Kopecky selbst auf, und Just 
führt das Stück als eines der beliebtesten an. So er- 
scheint denn auch Mesistofl in D „in grünem Gewände 
mit einer schwarzen Feder am Hute", wie Samiel 
sich jedesmal zeigt „im Jägerkleide mit einer Feder 
am Hute." 

In J erscheinen bei der Beschwörung zwei Geister, 
von denen einer nicht sclinell genug ist, in D Mesistofl 
allein, der so schnell ist, wie die Gedanken des Men- 
schen. In J ist hier die Ueberlieferung sehr entstellt, 
Pik ist so schnell dass er einen Schuss in den Rachen 
fängt und wieder zurückbringt; wenn das einen Sinn 
haben soll, so kann es nur der sein, dass Pik gleich- 
zeitig mit dem Schusse wegfliegt, am Ziele die Engel 
auffangt, wenn sie schon matt fliegt und sie zurück- 
bringt. Dann ist er so geschwind wie die Kugel aus 
dem Rohr ; — welche Geschwindigkeit c dem Pik giebt 
sagt Andree nicht. 

Noch seltsamer ist die Bezeichnung für die Schnel- 
ligkeit Mefistofls in J; seine Worte „2e v pomyäleni 
ölov^ka ud^läm^ lassen, da £lov6ka der Accusativ oder 
Genetiv sein kann, zwei Uebersetzungen zu: „dass ich 
im Gedanken einen Menschen mache^ und „dass ich im 
Denken des Menschen mache^, in die- 
sem Falle fehlt das Objekt. Doch macht mich Vrchlicky 
aufmerksam, dass auch in böhmischen Märchen die 



44 



Wassermänner durch blosses Händereiben einen Men- 
schen machen können. Es wäre also doch der Äccusa- 
tiv anzunehmen. In c ist auch diese Schnelligkeit nicht 
angegeben, es heisst, Mefistofl sei in einer Minute von 
Persien nach Böhmen gesaust; das müsste gar nicht 
die Angabe der Geschwindigkeit sein, so könnte sich 
Mefistofl eingetührt haben, als ihn Faust eiterte. Zwi- 
schiBU dieser Minute und der Gedankenschnelligkeit ist kein 
Widerspruch, da eine Minute dem Volke als kleinste 
Zeiteinheit gilt. Die Frage nach der Geschwindig- 
keit lässt darauf schliessen, dass ursprünglich mehr als 
ein Geist citiert wurde, dass also J das Aeltere ent- 
hält. 

Die Oontractpunkte des Teufels sind zwar diesel- 
ben, es folgen jedoch in D die Punkte von J in der 
Reihenfolge 4, 2, 1, 3, 5; in J steht das Wichtigste 
voran, und dann steigt man zum minder Wichtigen 
herab. — 

In J sind auch alle Punkte auf einmal angeführt 
und werden dann bei der Debatte mit Mefistofl wieder- 
holt. — Abweichend sind die Punkte in c, nur 2, 3, 5 
erscheinen als 2, 4, 5; erster Punkt ist das Verbot 
jemandem etwas zu borgen, der dritte verbietet Almo- 
sen zu reichen. — Beide Verbote verwehren eigentlich 
Faust nur, Gutes zu thun; in dem „Faust" Hnßvkovs- 
kys darf gleichfalls von dem Höllengolde niemand un- 
terstützt werden. In j sind die Bedingungen: 4, 1, 2, 
Almosen, 5. Von der Seele ist nicht die Rede. 

Pimperle kommt in J zufällig an den Zauberkreis, 
in D hat er von ihm gelesen; wir haben es mit einer 
neuen begründenden Anknüpfung zu thun, wie bei 
seinem ersten Auftreten. Die Forschierung ist in D 



45 



kurzer, der eigentliche Witz, das rasche Abwechseln 
der beiden Rufe, durch welche der Teufel in unbe- 
wusster Parodierung von Fausts Frage nach der 
Schnelligkeit diese praktisch bethätigen muss, tritt in 
D hinter dem Verwechseln der beiden Rufe zurück. 
Uebrigens kann die Scene auch von Kopecky ausführ- 
licher gespielt worden sein, als sie uns überliefert ist. 
Die Rufe sind mannigfach verstümmelt; nach Andree 
wäre in c das alte Perlicke Perlucke erhalten, in 
J wird daraus Perluke, herluke, wobei an das deutsche 
„her*' gedacht zu sein scheint. — c stimmt hier bald 
zu dem einen bald zu dem andern Texte; Kasperl 
findet den „ Vogelherd " zufällig wie in J und nimmt 
ihn auf dem Rücken mit wie D. 

Die Scenen vor Fausts Abreise, welche vernünf- 
tigerweise nur im Hause Fausts spielen können, sind 
in J als neuer Act bezeichnet, in D dagegen sind sie in 
den Wald verlegt; trotzdem ruft Faust Fakner, als 
wäre er zu Hause, und übergibt ihm dann sein Haus. 
Auch bei der Abreise Kasperls ist J viel reicher an 
Lazzi als D, dieses kann immerhin ihrer bei der 
Aufführung mehr enthalten haben als im gedruckten 
Text. 

Dass der König zuerst Faust anspricht (J) und 
dieser sich dann vorstellt, scheint ursprünglicher als 
die blosse Vorstellung Fausts. Abgeschmackt ist die 
lange Rede des Königs über David und Goliath; die 
beiden G^talten, welche erscheinen sollen, stehen in 
D schon als Statuen auf der Bühne und steigen bloss 
von ihren Postamenten herab ; aber der Kön^ erwähnt 
mit keinem Worte, dass er sie schon gesehen, auch zu 
Faust sagt er nicht, dass sie schon hier sind, von dem 



46 



Riesen spricht er, als sähe er ihn zum erstenmale. — 
Auch in einem deutschen Puppenspiel (W) verleiht 
Faust einer Statue Fleischfarbe, aber davon wird 
deutlich gesprochen, und es wird nicht mit den übrigen 
Geistererscheinungen verwechselt. Ich glaube, mir diese 
Scene folgendermassen erklären zu können: Eopecky 
oder sein Vorgänger stellte, um die Erscheinung, bei 
welcher Licht- und Knalleffecte mitspielten, recht pünkt- 
lich bewirken zu können, vor diesem Akt die beiden 
Puppen auf Postamente dicht hinter die Scene, so dass 
man sie im entscheidenden Augenblick nur hereinzu- 
schieben brauchte und dem Puppenspieler die Hände 
für die vielen Drähte frei blieben. Erst später wurden 
von Kopecky oder seinem Sohne die beiden Postamente 
gedankenlos auf die Bühne gestellt, um zur Zierde des 
königlichen Gart€?ns zu dienen, ohne dass der Text 
sich dieser plumpen Aenderuug angepasst hätte. 

Die Erscheinungen weichen in allen vier Stücken ab ; 
es erscheinen in J Alexander und Helena, in D David und 
Goliath, j Helena und Goliath, in c alle drei Erscheinungen. 
Ist dieses das Ursprüngliche und hat jeder der beiden 
gedruckten Texte einen Theil beibehalten? oder enthält 
J das Aeltere und D hat, dem Geschmack und Wissen 
eines Dorfpublikums sich anpassend, geändert? 

Die Tracht eines alten böhmischen Herzogs, die 
Andree an Alexander erblickt, vermag ich mir nicht 
vorzustellen, wahrscheinlich trug er eine Pelzmütze, 
aber so kann er auch schon bei deutschen Puppenspielern 
aufgetreten sein. Interessant ist es, dass die Erschei- 
nungen als Höllenbewohner Pferdefüsse haben. 

Die Kunststücke, mit denen sich Faust rächen 
will, werden in J wirklich ausgeführt, zum Theil vor 



47 



UDsern Augen, in D werden sie nur verlangt aber nicht 
geliefert; c schliesst sich hier an J, lässt jedoch Faust 
auf der Donau Kegel schieben. Dies könnte ganz gut 
ursprünglich sein, die Studenten nahmen dann auf die 
Lage von Portugal Rücksicht und liessen die Kegel* 
Partie auf dem Meere stattfinden, doch auch in j 
ist ebenso von dem Meere die Rede. — Auch in 
Bezug auf das wirkliche Ausführen der Zauberscene 
glaube ich, J die Priorität zusprechen zu müssen. D 
zeigt wenig Lust zu complicierten Apparaten, wie schon 
die Vereinfachung der Geisterscene beweist, und mochte 
die wolfsschluchtartige Scenerie im 2. Akt für genügend 
für ein Stück halten. 

Ausser diesen Kunststücken verlangt Faust noch 
einige andere; nach D soll der Teufel aus Sand Seile 
drehen und ihn dann in Garben binden. Einen bessern 
Sinn giebt J, indem die Seile aus Häckerling gemacht 
sind. Dagegen ist der Ort, wo der Wunsch ausge- 
sprochen wird, in D passender als in J; Faust, um 
Helena betrogen, betrogen um seine Reue, hat wohl 
andere Gedanken , als sich auf solche Weise zu 
rächen. 

In J, c schwebt ein Engel bei dem Gebete Fausts 
daher; in D fehlt dies. — Die vulgäre Einladung auf 
einige Tassen Kaffee fehlt D, Kopecky hätte sie, dem 
Tone seiner übrigen Stücke nach zu schUessen, gewiss 
weggelassen , auch wenn sie in seiner Vorlage 
stand. 

Im Schlüsse scheiden sich beide Texte vollständig, 
der jähe und abgehackte Schluss in D kann nicht 
älter sein als der von J. 



48 



b. Abweichungen, die für ein höheres Alter 

Ton D sprechen. 

Der Eingangsmonolog in D beginnt mit einigen 
verstfimmelten lateinischen Worten, deren muthmass- 
lieher Inhalt mit dem folgenden höhmischen Text 
tibereinstimmt . 

Kasperl fragt Wagner, der ihn vor seinem Herrn 
warnt, J; Ist denn dein Herr ein grösseres Thier als 
du? Wag.: Was gälte ein solches Thier, wenn es so 
klein wäre wie du? Pimp. : Nicht viel, aber wenn es so 
gross ist wie du, gilt es dreimal so viel. — D hat dagegen : 
Ist denn dein Herr ein grösserer Flegel als du? 
Fak.: Was gilt ein solcher Narr, wie du bist? Kasp.: 
Nicht viel, aber einer wie Ihr gilt für mehrere wie ich 
bin. ^— Hier ist D nicht nur witziger, sondern auch 
ursprünglicher; das Thier heisst: iivoßich (animal) mit 
einem der Volkssprache fremden, vornehm klingenden 
Worte; der Puppenspieler ersetzte, wie ungebildete 
Leute so oft thun, das passende Wort durch das un- 
verstandene, gelehrt klingende. 

Faust verlangt von Wagner D, j: Pinsel und Reib- 
stein, J: Pinsel und Farben, letzterer ist moderner. 

Faust unterschreibt den Contract im Walde, in D 
öffnet sich ein Felsen , und in diesem sieht man den 
schreibenden Faust ; in J ist diese ganze wichtige Scene 
hinter die Scene verlegt, offenbar ein Nothbehelf eines 
um Decorationen verlegenen Puppenspielers. 

Mefistofl verbietet nur D Kasperl, seinen Herrn in 
Persien zu verrathen, aber in J beruft er sich später gleich- 
falls auf das Verbot, somit ist D das Ursprüngliche. — 

Mesistofl versichert Faust, er sei „in aetemum 
natus", diese Worte fehlen in J. 



49 



e. Abweichnngen, die die gegenseitige Unabhängig- 
keit der beiden Texte belegen. 

Die Worte, zu denen das Blut gerinnt, liest D: 
Hama fuje mena flije (Homo fuge, mensch fliehe); — J: 
Homo (einmal Libro) vide; — in beiden ist also das 
richtige Wort vergessen und anders ausgesprochen 
worden; — c enthält hier die richtigen Worte (?). 

Das Land, in welches sich Faust begiebt, heisst 
D: Persien, J, c: Portukäl; auch D wird Portukärl 
später im letzten Akte erwähnt, eine Herttbemahme 
aus dieser Scene in J wäre daher nicht unmöglich, um« 
somehr als auch in c Persien wenigstens erwähnt wird. 

In J findet die zweite Vermählung des Königs 
statt, in D die der Prinzessin, die im ftbrigen eine 
stunune KoUe spielt; c scheint sich an D zu schliessen, 
wenigstens erscheint Faust an Stelle der anonymen 
Jungfrau im letzten Akte „die Prinzessin von Portu- 
galo^. Es ist aber auch möglich, dass nur zufällig 
dieselbe Puppe beide Rollen zu spielen hatte, oder dass 
die „panna^ der Prinzessin ähnlich sah. In j ist das 
Fest der Geburtstag des Königs. 

Fausts Weltreise im letzten Akte können wir in 
J selber verfolgen, in D nicht; letzteres beginnt gleich 
mit der Erwähnung des Cruciflxes. — Dieses wichtige 
Motiv ist in beiden Stücken sehr verschieden: 

J: Faust hat in Jerusalem ein Kreuz im Winde 
schweben sehen ; ein solches soll ihm der Teufel malen. 

D : Faust wollte, als sie über dem Meere schwebten, 
sich auf die heilige Strasse in Jerusalem hinunterlassen, 
um das heilige Kreuz zu küssen, aber Mesistofl drohte, 
ihn eher zu zerreissen , dafür muss er nun naich 
Begensburg und Portukäl, Leinwand und Farbe zu 

ILraus, Böhm. Puppenspiel Faust. i 



60 



holen und dann das Cnicifix malen, wie Faust es 
gesellen hat. 

Auf diese Stelle gehe ich noch in anderem Zu- 
sammenhange ein, hier genüge die Bemerkung, dass 
beide Bearbeitungen offenbar alte Züge enthalten. 
Wo Faust das Crucifix gesehen hat, wird uns aus D 
nicht klar. 

In c wird Faust angeblich von Reue ergriffen, 
weil er das Ende seines Contractes herannahen sieht, 
das müsste eine Gedankenlosigkeit des Puppenspielers 
sein, denn das Ende naht noch nicht heran, noch ist 
die Hälfte der Zeit nicht verstrichen. Mefistofl muss 
das Bild aus Jerusalem holen; das ist offenbar ein 
späterer Zug und das Malen des Kreuzes das Ursprüng- 
liche; das Kreuz in Jerusalem ist ja kein Bild, es ist 
das wirkliche Kreuz Christi, welches nach einer naiven 
Vorstellung noch immer an der » heiligen Strasse steht 
oder in den Lüften schwebt. — Liess sich vielleicht 
Andree dadurch täuschen, dass der Puppenspieler ein 
fertiges Crucifix auf die Bühne bringen lässt? 

In D will Faust die Inschrift selber zuende malen, 
in J will er die Worte dem Mefistofl vorsagen, er 
verspricht jedoch auch J, er wolle das Bild selber 
^zuende ziehen". Malte er vielleicht ursprünglicJh, 
während er die Worte sprach? 

In D hat Faust ein verstecktes Gebetbüchlein; 
dieser Zug fehlt J. 

In D bietet Mefistofl Faust Schätze, die er ver- 
schmäht, ebenso versuchen in c „Teufel auf alle Art 
Paust in seiner Andacht zu stören", ehe, die entschei- 
dende Verführung gelingt. 

In J spielt Pimperle seine Nachtwächterrolle, ist 



51 



jedoch nicht wie in c Nachtwächter geworden, dies 
fehlt D vollständig, ebenso wie die langen Scenen der 
beiden Wächter. In J setzt sich ein Vogel auf das 
Dach und ruft: „Indicave es"; in D meldet Kasperl, 
vor dem Hause stünden viele Menschen und riefen: 
„Jubikabe". 

In J werden die Eüpel von einem Hausknecht, 
der nur deutsch kann, durchgeprügelt, in c prügeln sie 
nach Andree einen Deutschen durch ; dies letztere w;äre 
dann wohl das Spätere. 

Die viererlei Verhältnisse, in denen wir die Texte 
von J und D beobachtet haben, nahe, selbst wört- 
liche Berührungen, Priorität von J, von D, gegenseitige 
Unabhängigkeit, lassen keinen anderen Schluss zu, als den, 
dass J und D auf einem gemeinsamen böhmischen Originale 
beruhen. Wenn wir annehmen können, dass dieses 
meist gespielte Stück Kopeckys von ihm schon zu 
Beginn seiner Bühnencarriere erworben wurde, so fällt 
dieser böhmische Faust in die Zeit vor 1811. 

Soweit wir c aus dem Bericht Andrees kennen, 
schliesst es sich im allgemeinen enger an J an, wie 
die üebereinstimmungen beweisen; sollte J der Faust 
Vinickys sein? Die Abweichungen sind nicht so be- 
deutend, als sie oft zwischen zwei Berichten über das- 
selbe deutsche Puppenspiel sich finden. Dagegen 
sprechen jedoch die Contraktspunkte , welche für J 
durch die Uebereinstimmung mit D gesichert sind. Es 
ist auch nicht zu übersehen, dass sowohl J als auch D im 
Jahre 1862 gedruckt wurden, dass also für einen Puppen- 
spieler einer dieser Texte, namentlich der billige von J, sehr 
leicht zu haben war. Wir können daher zu einem sicheren 
Urtheil über das Verhältnis von c zu den anderen 

4* 



52 



Stacken nkht gelangen, nicht entscheiden, ob es seine 
G^istererscheinungen aus beiden Stücken combiniert 
bat, oder ob es das Aeltere enthält, wofür die 
Aehnlichkeit mit j spricht, zum mindesten nicht, so 
lange wir nicht einen gesicherten Text von c besitzen. 
Das Original von J und D, eigentlich die gemein- 
samen Merkmale beider Stücke und diejenigen Beson- 
derheiten, die wir für alt erklärt haben, bezeichnen 
wir im Folgenden als C. 

Auf die ursprüngliche Gestalt von C können wir 
aus den wörtlichen Ueber^instimmungen von J D 
schliessen ; eine besondere Beachtung verdienen hier die 
Reime. — Schon E. M. Werner erwähnt (Afda. V, 90^), 
dass die Akte des böhmischen Faust mit Alexandrinern 
schliessen ; da Werner einen andern Text gehört haben 
wird, als den unsem, so braucht sich das nicht auf unsere 
Reime zu beziehen, in denen wir Alexandriner sehr selten 
finden, eher begegnen wir correcten trochäischen Acht- 
silblern, diesem alten böhmischen Verse. Es ist bei 
der folgenden üebersicht nicht zu vergessen, dass sich 
im Böhmischen leicht Zufallsreime ergeben; die Flexi- 
onen haben so volle Vocale, dass eine Aehnlichkeit 
zweier Sätze in Tempus oder Casus oft eine ganz auf- 
fallende Assonanz oder einen guten Reim ergiebt. So 
sind höchstwahrscheinlich zufällig die Reime im Ein- 
gangsmonolog : 

Jsi-li ty, sedläöku, se svym stavem spokojen? 
On fekne: Ne, ja bych radfeji byl baronem, 
Baron odpovi: Ja bych rad&ji byl hrabetem, 
HrabS rekne: Ja bych radßji byl kniäetem, 
Eni^e krälem, kräl cisafem, 
Z&dny neni se sv^m stavem spokojen. 



53 



Auffallend ist jedoch , dass zu den ScHussworten : 
Tak i ty Fauste s sv^m stavem spokojen nebudeS 
sich ein Reimwort in D findet: 

pokud je§t6 v6t§iho döstojenstvi nenabudefi. -^ 
In D ist allerdings kein Reim, dort heisst der voran- 
gehende Vers: tak i ty, Faust«, nebudeS svym stavem 
spokojen. D hat somit den Reim getilgt, und diese 
Eigentümlichkeit finden wir noch an anderen Stellen 
wieder. So heisst es bei der Beschwörung : 
J: byste sem pfedstavili jednoho 

kter6m vypisuje m6 pismo mnoho. 
D: Propust'te mi jednoho ducha z propasti, o 
kterem mä kniha vypisuje, ze m& cerstvosti mnoho- 
Noch auffallender ist dies beim 2. Contractspunkt : 
J : Nemäs do kostela chodit 
ani V svych kni^käch se modlit (Achtsilbler). 
D: NesmiS chodit do kostela 
ani ve svych knihäch se modlit 
Entfernter gemahnt an den Reim: 

J; vsak ale to udSlä, mä v§etefinost 
pfi tom däm na stranu veinost 
D: Ja se ohli^et mäm . . . . a vßßnost na 
stranu dät? .... nebudu zvMavym — 
wobei zu berücksichtigen ist, dass zvßdavost ein be- 
kannteres Wort für das alte vSeteÄnost ist. 

Angesichts dieses Umstandes gewinnen die Reime 
in J und umsomehr die erhaltenen in D erhöhte Bedeu- 
tung; sie finden sich im ganzen Drania verstreut, so 
antwortet Faust der ersten Stimme in J: 

Sita, CO to volä 8 prave strany 
abych se oddal äkole theologii, 
wozu ergänzend der Reim in D tritt: 



54 



YiAjt' j& jsem -Skolu teolokyji dävno absolviroval 
a doufAm, ie jsem v ni chyby neudßlal, 
letzteres ein vollständiger Alexandriner. — Faust ent- 
schliesst sich 

J: Levä strana ta mnö voni. 

Jistß jist6 päjdu po ni (Achtsilbler) 
Mefistofl meldet J: Ja takovou ßerstvost mäm 
ie V pomyäleni ölovßka udöläm: Die fünf Punkte 
lauten J: Nem&S se na khi ohli^et (leg. ohlidnout). 

a na sveho Boha mä§ zapomenout. 

Nemä§ do kostela chodit, 

ani v[e]svych kniikäch se modlit. 

Bujnost tela dovoluje, 

man^elku vzit zakazuje, 

Nemä§ svych vlasä a nehtft stfihat. 

aniz se um^vat 

Mä§ mi se svou vlastni krvi podepsat, 

Äe po vyjiti 36 rokä chce§ mi svou dusi a tfelo dät. 
Es ist bei dem corrumpierten Zustand dieser Verse 
bemerkenswert, dass Vers 1 und 3 — 6 correcte Acht- 
silbler sind. In der anschliessenden Debatte lesen wir : 
J: Käji hledäm päna jin6ho, 

tak musim opustit prvniho 

ja ti chci do tve stolice personu posadit 

kterä tob6 ve vSem i v modleni rovna mä byt . . . 

Cim d61e se neroz6e§e§ 

a sv^ch nehtft neufe^eä 

tim kräsnöjSi a ozdobn6j§i budeS 

Mäm ja sv6 vlastni tölo fezat 

a sob6 tim holest dfelat? 

Ja ti chci tolik krve bez bolesti vycucat 

kolik budeä potfebovat. 



55 



Auch hier ist zu bemerken, dass von diesen Ver- 
sen 1, 5) 6, 9, 11 Achtsilbler sind, und einige von den 
Schwellversen leicht in solche zu verwandeln wären. 
— Auch in der Contractscene lesen wir: 

Fauste Fauste, co dßlää 

ze se tgm d'ä.bläm zapsat dä§? (Achtsilbler) 

Co ja budu chtit 

musi§ ty mi po vftli uöinit. 

Als Faust vor dem Crucifix kniet, sagt er zum 
Teufel : 

J: Odejdi, ty pekelny duchu, s mych oßi, 
nynl mäm ja o svou du§i p66i 

und der Teufel sagt von der Jungfrau: 

D: Do smrti litovat bude§, 

jestli se neohlednes - Mefistofl jubelt 

J : Jak iiv jsem tak §t'astny nebyl 
abych tak lehce cloveka podmanil, 
k vecnemu zatraceni pfiväbil — 
mit dreifach em Eeime wie schon oben. 

In der letzten Rede finde ich mehrere Reime. 

J: Pojd'te sem bli^e 

vy nevinn6 du§e oder vielleicht besser mit 
blosser Assonanz: 

Pojd'te sem bliäe, vy nevinne dnäe, 

rozsv6t'te mi lampy a fakule; 

a posvfet'te mi k memu hrobu. 

Tady spatfite, jak sv6t plati v tuto jedinou dobu 

[vsem marnotratn^m ditkäm jakoz jsem ja byl] 

Proöez bräny pekeln6 slySim ve sv^ch uSich vrzati 

ta pekelnä hav^t jii mne po£inä od nohou 

kousati, 



56 



smrt na mne cili, 

jii jest konec v t6to chvili — 
Von Mefistofl heisst es, dass er seine Schlussworte 
singt: 

Otevf se, tlamo pekelna, 

at' uzfi paläc nää. 

Ty jsi näs mßl za sve bohy, 

tupils Boha prav6ho, 

dojdeä trestu v6ön6ho, 

AUa Strik, Pik, Auberon a vSickni spolu, 

hled'te Faustovi prok&zat posledni slävu. 
Hierbei sind die Nachtwächterlieder Pimperls nicht er- 
wähnt, auch nicht solche Stellen, wo die Assonanzen als 
ganz zufällig aufgefasst werden können. AVir haben 
also jedenfalls für C ziemlich zahlreiche gereimte Stel- 
len anzunehmen. 

Aus diesen Keimen einen Schluss auf das Alter 
von C zu ziehen ist mir vorläufig unmöglich; im 18. 
Jahrhunderte vollzieht sich zwar in der böhmischen 
Literatur eine wichtige Wendung, die man als Renais- 
sance zu bezeichnen pflegt ; und die sich natürlich auch 
in der Form bedeutend äussert, aber durchforscht ist 
noch keine Seite dieser Entwickelung, ebenso fehlt es 
noch an Arbeiten über Form und poetische Technik 
im 16. — 17. Jahrhunderte, auch über das Alter unserer 
Volkslieder herrscht noch völliges Dunkel. Ebensowe- 
nig kann aus dem Wortvorrathe ein halbwegs sicherer 
Schluss gefällt werden. 

Wie es dem Streben Kopeckys, vielleicht auch 
seiner Herausgeber, entsprach, ist die Sprache in D 
möglichst gereinigt, trotzdem finden sich einige deutsche 
Wörter, liberaj Liverey, verbovati werben, penzlik Pin- 



57 



sei, kiTintyrovat grundieren, hyndrovati hindern, schä- 
digen, firnajz firniss, Späsovati spassen. 

Vid zahlreicher sind die Fremdwörter in J, was 
der schonendem Ueberlieferung zu danken ist; J ge- 
braucht sowohl den bestimmten als auch den unbe- 
stimmten Artikel auf deutsche Art, man sagt „Sie", 
da gibt es eine Menge von deutschen Wörtern, und zwar zu- 
nächst von solchen, die dem Vulgärböhmischen angehören. 
Als : koSamadyne oder ko§amstedyne (gehorsamster Die- 
uer) pemzlik, punkt, Siknouti (sich schicken) §ikovn6st 
(Geschicklichkeit) §päs, undrholt (Unterhaltung, Unter- 
halt im Prager Deutsch) herajn, holt, konc (ganz) §tuc 
(Stutzen) gpacirovat (spazieren) varta (Warte, Wache) 
kasir, kaficko (Kaifee) ; über den gewöhnlichen Gebrauch 
hinaus und auf komische Wirkung berechnet sind viel- 
leicht: §trupik (struppig), putrtäk (Butterteig), veraltet 
erscheinen liberaj, purk (Burg), pailagr (Beilager) und 
besonders kvalt (Gewalt). Letzteres Wort ist besonders 
auffallend, es lebt nämlich in der böhmischen Vulgär- 
sprache fort, hat aber einzig und allein die Bedeutung 
„Eile**. Dagegen ist die Bedeutung „Gewalt" im 17. 
Jahrhundert noch allgemein. 

Das alles sind nur einzelne Beobachtungen, die zu 
keinem Schlüsse berechtigen, ich gestehe, dass ich voll- 
kommen wehrlos bin, zur Bestimmung eines Denkmals 
des 18. Jahrhunderts, und dafür halte ich C, aus innem 
Gründen. Ich glaube daher nur aus ganz subjektiven 
Gründen, dass C weit in das achtzehnte Jahrhundert 
hinaufreicht, dass es dieses Stück ist, auf welches die 
üppige Prager locale Tradition zurückgeht, der eigent- 
liche Träger der Faustsage in Böhmen. — 

Wie war nun die Quelle von C beschaffisÄ? Diese 



58 



Frage suchen wir durch zwei Vergleichungen zu beant- 
worten, zunächst mit den ttbrigen Puppenspielen, welche 
bekannt geworden sind, sodann mit dem Volkslieds 
vom Dr. Faust. 

III. 

Der ganze Verlauf der Handlung in C stimmt mit 
dem Grundtypus des deutschen Puppenspiels überein, 
ebenso die Scenenfolge — Monolog Fausts, Geisterstim- 
men, Wagner, Studenten, Kasperle, Beschwörung, Pa- 
rodie derselben. Abreise an einen fremden Hof, Geister- 
erscheinungen, Flucht, vereitelte Bekehrung, Höllenfahrt 
— im einzelnen weichen jedoch viele Scenen von der 
deutschen üeberlieferung ab. Diese Abweichungen sol- 
len nun betrachtet werden. 

Die Namen der handelnden Personen stimmen zum 
Theil überein, so Wagner, Kasperl; Mefistofl 
stimmt am ehesten zu der Form Mephistophles in 
B*) und s, also der Schütz-Dreherischen Gruppe; Faust 
heisst Johann Doktor Faust, ebenso in N, auch in G 



Die Siglen sind die gewöhnlichen von Creizenach, Wemer, 
TiUe eingeführten, mir unterscheide ich die gedruckten Puppenspiele 
dnrch grosse Anfangshuchstaben. A = das Angshurger Puppenspiel 
(Kloster V., 818— 852); B = das Berliner Puppenspiel (Zfda 
XXXI, 105—171); E = das Volksschau^iel Doctor Johann Faust, 
(hrsg. V. Engel, Oldenh. 1874) ; E' = Dasfeelhe. VervoUständigter Text, 
(Deutsche Pappenkomödien IX) ; G= das Geisselbrechtische Puppen- 
spiel (Kloster V, 747 — 782); L = das Leipziger Puppenspiel (war 
mir nicht zugänglich); M = Marlowes Doctor Faustus (1604 hgg. 
V. Breymann, Heilbron 1889) ; M'= derselbe von 1616 (ebenda); N = 
der niederösterreichische Faust (Kralik und Winter, Deutsche Puppen- 
spiele, 157—193); 0= der Oldenburger Faust (Deutsche Puppenko- 
mödien Yin); P = das Plagwitzer Spiel, hrsg. t. A. TiUe (Deutsche 



59 



unterschreibt Faust den Contract: Ich, Johann Doctor 
Faust .... 

In D wird Faust als Doktor Faust aus Mailand 
bezeichnet, ebenso sagt er in J, er sei der Sohn eines 
in Wittenberg geborenen, in Mailand unterthänigen Tag- 
löhners ; ich dachte lange über einen Grund dieser auf- 
fallenden Namensform nach, fand aber nichts anderes, 
als dass Mailand (in dieser Form gebraucht, nicht in 
dem schriftgemässen Milan) eine der populärsten 
Städte im böhmischen Volke ist ; von keiner Stadt wis- 
sen die Veteranen Eadeckys mehr zu erzählen, und 
diese Popularität wird zur Zeit Prinz Eugens nicht ge- 
ringer gewesen seiu, ja sie ist noch viel altem Datums, 
stammt vielleicht schon aus jener Zeit, da die Böhmen 
an der Erstfirmung Mailands 1162 so rühmlichen An- 
theil genommen; schon der böhmische Tristram (Mitte 
des XIV. Jh.) schreibt: „weder Prag noch Mailand 
konnten etwas so Schönes herstellen^ ; da fiel mein Blick 
zufällig auf das daneben liegende Volksbuch mit seinem 
Namen Anhalt, mid es war mir klar, Mailand ist nichts 
als eine Entstellung von Anhalt. Diese letztere Graf- 
schaft war gewiss seit dem dreissigjährigen Kriege in 



Puppenkomödien X) ; S = das Strassburger Puppenspiel (Kloster V, 
853—883); U = das Ulmer Puppenspiel (Kloster V, 783—805); W = 
das Weimarer Spiel (hgg. von 0. Schade, Weimarisches Jahrbuch V, 
241—328) — Sw = das Schwiegerlingsche Puppenspiel (ed. Biel- 
schowsky, Programm ßrieg 1882) ; — ha = vd. Hagens Bericht (Kloster 
V 729—739), ho = Homs Bericht (Kloster V 651—692) ; 1 = Leut- 
bechers Bericht (Kloster V 718—728); lo = das Puppenspiel Lor- 
g6es (€reizenach, 17—19); m=das Münchner Spiel (Allg. Ztg. 1882 
No. 356) ; r = Rosenkranz' Bericht (Kloster II 44—48) ; s = Sommers 
Bericht (Kloster V 739—746) ; t = der Tiroler Faust (Creizenach, 
23—33) ; z = Zollers Bericht über den Zigeuner-Faust (Kloster U 
4Ö-47). 



60 



Böhmen so unbekannt wie jetzt, wie leicht konnte der 
fremdartige Name durch das populäre Mailand ersetzt 
werden! In J ist demnach möglicherweise eine Ver- 
wechselung eingetreten, und statt: „in Wittenberg ge- 
boren, in Mailand unterthänig", soll es von Faust 
selber heissen: „in Mailand (Anhalt) geboren, in Witten- 
berg erzogen." 

Diese Herkunft Fausts aus Anhalt stammt aus 
dem Widmannischen Faustbuche, und ist aus diesem 
auch in das böhmische Volksbuch übergegangen, jedoch 
erst durch das Medium der Kurzischen Bearbeitung, 
erst im Jahre 1852; von einer früheren Bearbeitung 
dieser Quelle wissen wir, wie schon oben erwähnt, 
nichts, da Carchesius dem Titel nach zu schliessen 
nicht das Widmannische sondern das Spiesische Faust- 
buch übersetzt hat ; von da konnte also der Name Anhalt 
nicht direct in das böhmische Puppenspiel übergehen, und in 
einem deutschen Puppenspiele findet er sich nicht, die iden- 
tificieren Faust mit dem Buchdrucker und lassen ihn in 
Mainz leben, wie B S, oder er lebt in Wittenberg, wie 
schon M, so A, oder in Erfurt, Sw, oder sie schweigen 
über seine Herkunft, wie N, W u. s. w. 

Statt des Herzogs von Parma, an dessen Hofe 
alle Puppenspiele ausser U die Künste Fausts spielen 
lassen, tritt der König von Portukäl resp. Persien auf; 
wichtig ist, dass Faust wie in U an einen Königshof 
reist; der gleiche Anlaut von Prag, Parma, Persien, 
Portugal (Padua) ist wohl zufällig. — Eine Fassung von C 
(D) nennt statt der Gemahlin des Königs seine Tochter, 
wie Sw, r, nur heisst sie in diesen Lucretia, in jenem 
Frolina; auffallend ist noch der Name Pik, welchem in 
den deutschen Puppenspielen Auerhahn entspricht; der 



61 



Name erinnert an nichts so, wie an das Pickelhering 
in U. Sollte C damit eine Erinnerung an diese alte 
Namensfonn des Hanswursts bewahrt habeli? In diesem 
Falle hätte C einfach den unverstandenen Namen der 
komischen Person dem zweiten Teufel beigelegt, und 
dessen wirklichen Namen vergessen. — Bei der Ver- 
gleichung trenne ich die ernsten Scenen von denkomisehen. 



Ai Die ernsten Scenen* 

1. Fausts Monolog. 

Das Vorspiel in der Hölle fehlt wie in allen 
deutschen Puppenspielen ausser ü, E, S, B. Die Ge- 
danken von Fausts Monolog sind: 

a. Er ist Doktor der heiligen Schrift, aber der 
Sohn eines armen Taglöhners, 

b. Er ist mit seinem Stande unzufrieden, weil 
niemand zufrieden ist. 

c. Er will eine höhere Würde erlangen. — 

Nur in D beginnt Faust mit einigen lateinischen 
Floskeln, diese enthalten jedoch nicht allgemeine Wahr- 
heitssprttche wie U, A, E, sondern scheinen einen 
Bezug auf Fausts Schicksal zu enthalten ; etwa folgende 
Worte lassen sich ans der verderbten Stelle entziffern : 
Adeo per — latina evectus pro — doctor, non doctor 
medicinae, non juris sed sacrae scripturae . . . quam- 
quam doctor Faust . . . magistrat . . . produceris. — 
Das wäre dann dasselbe, was auch in dem böhmischen 
Texte des Monologs gesagt ist. So enthalten auch in 
W die lateinischen Worte keine Gemeinplätze anehr, 
sondern beziehen sich auf Faust selber. — Uebrigens 



62 



erwähnt auch in den genannten Monologen Faust die 
verschiedenen Facultäten bei dem Sprichworte: Quot 
" capita tot sensus; es sind verschiedene Reste der Be- 
trachtung der Facultäten bei M. — Genau entspricht 
der Anfang von N: „Ja, die gründliche Wahrheit muss 
ich gestehen, dass ich ein Doctor bin", wobei die 
„gründliche Wahrheit" nur eine Formel ist, die in 
dieser Sammlung bei Einführung fast jeder neuen Person 
sich findet, worauf mich Lambel aufinerksam gemacht hat. 
N theilt auch die Angaben über die Herkunft 
Fausts; sonst erwähnt Fausts Vater nicht' einmal der 
Eingangsmonolog von E', das doch den. Vater später 
einführt, für mich ein sicherer Beweis, dass die Scene 
nicht so alt ist, als Engel will. 

b. Die Unzufriedenheit motivieren ebenso, durch 
die Unzufriedenheit in allen Ständen, E A, angeknüpft 
an das Sprichwort: Nemo sua sorte contentus est; 
ebenso W, das allerdings diesen Theil des Monologs an 
den Beginn des 3. Aktes verlegt. N sucht eine An- 
knüpfung an den vorigen Gedanken: „Mein Vater 
sprach recht oft und vielmals zu mir: mein liebes 
Kind , ich möchte dir ja recht gerne helfen , wenn ich 
nur ein Bauer wäre, aber leider bin ich nur ein armer 
Taglöhner. Wird aber aus dem armen Taglöhner ein 
Bauer, so möchte er etc." — C scheint ursprünglicher 
schon darum, weil es die Stufenleiter mit dem Bauer 
beginnen lässt. 

c. Welche höhere Würde Faust erlangen will, sagt 
C nicht; N sagt, Faust wolle aus einem Theologen ein 
Nekromant werden; das scheint hier zu fehlen, da die 
Geisterstimmen den Gegensatz von Nekromantie und 
Theologie voraussetzen. 



63 



Besonders eng ist der Zusammenhang mit N, doch 
hat dieses abweichend die Betonung von Fausts Armut; 
im ganzen entspricht jedoch der Monolog von C, dem 
Monolog bei Marlowe, von dem er zu dem ersten Teile 
des Monologs bei Goethe hinüberleitet. 

2. Die Geisterstimmen. 

Creizenach nimmt an, dass die Geister auch dort, 
wo sie benannt sind, nicht wirklich auftraten; es 
scheint jedoch, dass die Geister, auch wenn sie Faust 
unsichtbar bleiben, dem Publikum sichtbar sind. So 
heisst es auch in N „Stimme zur Eechten" — in dem 
Bericht über die Aufführungen desselben Puppenspiels, 
jedoch (Lecher im Feuilleton der „Presse" 12. 12. 
1881) heisst es: „zur Eechten erscheint sein Schutz- 
geist, um ihn zu warnen, zur Linken der Teufel, um 
ihn zu locken." Da N nachstenographiert ist, so ist 
dieser Widerspruch besonders auffallend ; sollte derselbe 
Puppenspieler abgewechselt haben ? — Dass den Geistern 
eine nähere Erklärung nicht abverlangt wird, sondern 
dass sie nach einmaliger Eede und Gegenrede abgehen, 
gemahnt an die Scene bei M. 

3. Die beiden Studenten. 

Wagner meldet zwei Studenten , die ein Buch 
tragen und den Doktor sprechen wollen (so fast tiber- 
all, in G und Sw sind es drei, in S ein vornehmer 
Herr); was aber von allen Puppenspielen abweicht, ist 
das folgende: Faust fragt nach den Namen der Stu- 
denten, und Wagner nennt sie Fabricius und Cornelius 
(in D Fabricius und Antonius), und Faust erkennt, das 
seien die Studenten, welche die Nekromantie studierten, 
und eilt, sich mit ihnen zu unterreden. 



64 



In diesem Zuge geht C über alle deutschen Puppen- 
spiele hinaus; Fabricius und Cornelius, welche die 
Schule der Nekromantie besuchen, sind offenbar Mar- 
lowes Zauberer Valdes und Cornelius, welche Faust 
durch Wagner zu sich berufen lässt. Im deutschen 
Puppenspiel ist, wie Creizenach richtig erkannt hat, 
die Scene der Magier und die folgende der Studenten 
zu einer einzigen verschmolzen; Schade leugnete den 
Zusammenhang, er schreibt aao. 266: „In Widmanns 
Faustbuche von 1599 heisst es, er habe in seinem 
Einlager allerlei abergläubische Oharactere und was 
ihme auch sonst für teufelische Bücher von leichtfer- 
tigen und gottlosen Studenten waren zuHenden kommen, 
zusammengeraffet und abgeschrieben. Hier haben 
wir also schon die Studenten des Puppenspiels. 
. . . Marlowe weiss nichts von Studenten, die ihm 
Zauberbücher bringen, er lässt seinen Faust durch 
Valdes und Cornelius, die er auch persönlich einführt, 
weiter unterrichten." — Auch R. M. Werner (Afda 
V, 91) sagt: „Die Sache liegt so: M führt zwei Zau- 
berer, dann zwei Studenten vor, von einem Zauber- 
buche ist die Rede nicht. In allen Texten des 
Puppenspieles, TT eingerechnet, liegt das Schwergewicht 
auf der Zauberschrift, nach der sich Faust so lange 
sehnt; ... die Studenten aber erscheinen nur in U 
auf der Bühne, also — sagt Creizenach — schliesst 
sich hier U an M; dass es näher gelegen hätte, zu 
vermuten, in U sei nach einer unzälüige Male zu be- 
obachtenden Gepflogenheit eine angedeutete Scene selb- 
ständig ausgeführt worden, dies scheint für Creizenach 
unter die Möglichkeiten nicht zu gehören. '^ 

Diese Zweifel an der Identität der beiden Magier 



65 



mit den beiden Studenten müssen jetzt angesichts einer 
so auflfallenden Uebereinstimmung im Namen verschwin- 
den ; eine zweite wichtige Uebereinstimmung ist, dass 
Fabricius und Cornelius die Schule der Nekromantie 
durchgemacht haben, während in U die beiden Studenten 
nur zufällig in den Besitz des Zauberbuches gelangt 
sind und sogar vor seiner Anwendung warnen. Eine 
Brücke von M zu den deutschen Puppenspielen baut 
C dadurch, dass die beiden Studenten ein Buch unter 
dem Arme tragen ; das Buch ist noch nicht so wichtig, 
wie im deutschen Puppenspiele, aber es ist da; dieses 
Buch scheint für den Zauberer unentbehrlich (auch M 
erwähnt an anderer Stelle Zauberbücher), beruht viel- 
leicht wirklich, wie Schade will, auf Widm., dessen 
Einfluss wir ja im Namen Anhalt beobachten konnten, 
oder es erinnert auch an die zahlreichen Zauberbücher, 
mit denen im 17. Jahrhundert Fausts Name verknüpft 
war. — Dass die Belehrung hinter der Scene vor sich 
geht, entspricht wieder M, wo nach einem Preis der 
Magie Faust sich mit beiden Magiern zurückzieht. — 
Die Scene in U ist ein entstellter Rest jener Scene 
bei M; später wird alles Gewicht nur noch auf das 
Buch gelegt, nur in den abgeleiteten Fassungen 0, W, 
Sw wird die Unterredung hinter der Scene erwähnt, 
in A lässt sich Faust entschuldigen und bittet nur um 
das Buch, in B E G S verschwindet der Bringer des 
Buches; ja die Studenten werden geradezu für Teufel 
erklärt, so hat E Faust geträumt, zwei Teufel in 
Studentengestalt brächten ihm ein Buch, und in er- 
klärt er: „Es waren wirklich Teufel, diese zwei Stu- 
denten." — N stimmt hier nicht zu C, Faust hält die 
Studenten für zwei höllische Geister, dann lässt er sie 

S^raus, Böhm. Puppenspiel Faust. 5 



66 



^nach Stadentenart** bewirten, und sieht sie so wenig 
wie in A. 

Auch für den Zusammenhang des Puppenspiels 
filterhaupt mit M ist diese Scene beweisend, was ich 
anführe, weil Zweifel an dieser Beziehung immer noch 
ausgespi'ocben werden, so sagt Bielschowsky aao, dass 
^nach einer weit verbreiteten Ansicht unser Volks - 
Schauspiel aus dem Marloweschen sich herleitet; eine 
Ansicht, der ich nicht huldige." Diese Uebereinstim- 
mung kann nicht Zufall sein, sie beweist die Richtig- 
keit der angefochtenen Herleitung zur Evidenz. 

4. Faust und Wagner. 

Faust lässt sich von Wagner Pinsel und Reibstein 
schaffen, um den Zauberkreis zu malen; dieser Zug 
findet sich sonst nur in U, wo Faust von Wagner den 
Kreis aus seinem Zimmer holen lässt. In dieser Aus- 
führlichkeit liegt ein gewisses Behagen am Detail, das 
gegenüber der Hast anderer Puppenspieler (wie E 0) 
wohltuend berührt. Auch in G ist der Kreis mit vielen 
hünmlischen Zeichen bezeichnet. Eine gewisse Freude 
an der Malerei, ein Verständnis für dieselbe kann 
gleichfalls constatiert werden, da uns dieses Motiv noch 
einmal in dem Stücke begegnet. 

5. Die Beschwörung. 

Im Walde wie in C spielt diese Scene auch G, 
S, N, aber auch M ist ein Wald vorausgesetzt; sonst 
beschwört Faust die Geister in einem Zimmer. Wir 
betrachten: 

a. Die Beschwörungsformel. In D lassen sich 
wieder verstümmelte lateinische Worte erkennen : 



67 



„Maledico vos infernales, huc adito", welche 

einerseits an die Formel in ü: „Conjuro vos per omnes 
deos etc.", andererseits auch anG: „Ihr Bewohner des 
tiefen Tartarus, verflucht, verflucht seid ihr Alle" ge- 
mahnen. Das folgende stimmt in beiden Texten von C 
überein. Faust beschwört: 

J: durch Strik Pik Meflstofl Auberon und Pluto — 
D: Stryks romilo, karam Pluto aram auron estovilo, 
worin wir die Namen Styx, Acheron, Pluto wieder- 
finden. Aehnlich heisst es E: 

Im Namen des Astarti, beim Styx und Acheron 
und N: Komm über Styx und Axi. 

In D fügt er noch bei „Mesistofl pihikfe" wieder an 
die Formel in E: limkischee o Pluto, und mit dieser 
an die Zauberbücher erinnernd. 

Der eigentliche Wunsch Fausts : 

dass ihr mir vorstellet einen. 

von dem mein Buch erzählt viel 
steht durch den Eeim am nächsten N: 

lass mir einen 

an die obere Welt erscheinen, 
b. Die allzulangsamen Geister. In drei 
Fassungen von C erscheint ein Geist vorMefistofl, doch 
auch in D lässt die Frage nach der Schnelligkeit 
darauf schliessen, dass auch hier eine solche Scene 
vorhanden war. In der Erscheinung eines einzigen 
Geistes stimmt C nur mit N zusammen; hier erscheint 
Auerhahn, der so geschwind ist, wie die Kugel aus 
dem Rohr, und dieselbe Geschwindigkeit haben wir 
aus der unklaren Ausdrucksweise von J herausgelesen. 
Auch das Brrr der Geister stimmt überein , und die 
XJebereinstimmung wäre eine vollkommene, wenn nicht 



68 



die Eigenthümlichkeit von C hinzuträte, dass die 
Geister nicht auf Grund ihrer Schnelligkeit beurtheilt 
werden, sondern nach ihrem Namen, zu dem die Ge- 
schwindigkeit im Buche steht. Das scheint ein junger 
Zug, vielleicht erst in C selbst, nicht in dessen Quelle 
verändert; Veranlassung dazu konnten die Zauber- 
bächer geben, welche unter Fausts Namen auch in 
böhmischer Sprache umliefen und die Eigenschaften 
jedes Geistes bei seinem Namen enthalten. Dass der 
Name Pik an Pickelhering erinnert, wurde schon be- 
merkt. In j heisst dieser Teufel Pronulo und ist so 
geschwind wie ein Blinzeln. 

c. Der Vertrag mit Mefistofl. Bei den Ver- 
handlungen mit Mefistofl fehlt ein wichtiger Punkt, die 
Bedingungen Fausts, die doch schon das Volksbuch kennt. 
Er verlangt einfach, dass ihm der Geist die bestimmte 
Zeit hindurch alles tue, was er ihm befehle. Dagegen 
sind die Bedingungen Mefistofls aufgezählt; es sind 
fünf Punkte, wobei die Blutunterschrift mitgezählt ist; 
sie sind dieselben wie in E W, nur tritt, bedeutungs- 
voll auf die wichtige Rolle deutend, die das Kreuz in 
dem Stücke spielt, die Bedingung hinzu, Faust dürfe 
das Kreuz nicht beachten (vor keinem Kreuz den 
Hut abziehen j) das entspricht dem Abschwören 
Gottes in den älteren Puppenspielen, wird doch hin- 
zugefügt, Faust solle seines Gottes vergessen. Nicht 
einmal N hat diese Bedingung, C steht damit ganz 
allein. 

d. Der Contract. Gleich nach Abschluss des 
Vertrages saugt Mefistofl Fausten das nöthige Blut 
aus dem Finger, es erscheinen die Worte homo fuge, 
sodann zieht sich Faust zurück, um den Contract zu 



69 



schreiben, jedoch nicht in seine Wohnung, wie in den 
übrigen Puppenspielen, sondern in eine Felsengrotte. 

Gewöhnlich erfolgt die Uebergabe des Contractes 
und die ganze Verwandlung in der Wohnung B'austs; 
in N wird gleichfalls Mefistofilus auf 12 Uhr bestellt, 
um den Contract in Empfang zu nehmen ; als er jedoch 
kommt, ist der Contract bereits Pluto übergeben, also 
die Situation von C vorausgesetzt. — Während der 
Contract geschrieben wird, hört man die mahnende 
Stimme eines Engels, wie E S W, aber auch schon M. 
Eigenthümlich ist der Zug, dass Faust die Feder aus 
der Hand verschwindet. — Hier und in N versichert 
Faust, die Geister würden sich ihren Lohn sauer ver- 
dienen. — Wie der Contract zu Pluto befördert wird, 
wird nicht gesagt; J sagt Faust, wem das Schreiben 
gehöre^ der könne kommen und es aus seiner Hand 
nehmen; ist dabei die Rabenpost angedeutet? 

6. Die Reise nach dem Königshofe. 

Faust hört von dem glänzenden Beilager des 
I^önigs von Portugal (der Königstochter von Persien 
D); die Hochzeit des Herzogs erwähnen noch A E W S, 
das Genesungsfest der Tochter 0, diese erwähnen noch 
Sw, r; — von Festen im allgemeinen ist die Rede B, 
N, U. — Als das Ursprüngliche muss der Aufenthalt 
am Hofe des Kaisers und des Herzogs von Anhalt 
angesehen werden, daraus konnten sich leicht zwei 
Versionen bilden ; die eine mit einem herzoglichen Hofe, 
der jedoch bald ausserhalb Deutschlands gesucht wurde, 
die andere mit einem königlichen statt des kaiserlichen, 
der ebenfalls bald von Prag in fremde Länder verlegt 
wurde. 



70 



7. Die Geistererscheinungen. 

Die Erscheinungen von J: Helena und Alexander 
schienen uns die ursprünglichsten von allen ; überhaupt 
unterscheiden wir folgende Entwickelung der Erschei- 
nungen : 

1.. Alexander am Hofe, Helena vor den Studenten 
M. 

2. Alexander am Hofe ü W. 

3. Alexander (Carolus magnus) und Helena am 
Hofe J, Schröders Bericht. 

4. Alexander, Helena, David und Goliath c. 

5. David und Goliath D. 

6. David und Goliath und andere biblische Er- 
scheinungen, Kurz, Schütz - Dreher, E, L, 0, 
lo, t. 

Diese Entwickelung von antiken Erscheinungen zu 
biblischen ist so naheliegend, dass sie füglich die 
deutschen Puppenspiele und das böhmische unabhängig 
durchmachen konnten; in Böhmen war im ganzen 16. 
und 17. Jahrhunderte der Geschmack an biblischen 
Aufführungen allgemein, besonders oft werden Auf- 
führungen von Saultragödien erwähnt; auch die böh- 
mischen Puppenspieler führen (nach dem erwähnten 
Aufsatz von Roth) biblische Stücke auf. — Ob der 
König oder seine Tochter ihr Hochzeitsfest feiern, ist 
nicht besonders wichtig; dieses Verhältnis spielt keine 
so grosse Rolle im Puppenspiel, als man seit Simrocks 
Bearbeitung ihm beilegt. Ein Hof, der immer in 
Freuden lebt, erscheint nicht ganz glaubwürdig, man 
sah sich nach einer Ursache dieser Festlichkeiten um, 
als welche sich ein Hochzeitsfest darbot, 



71 



Die Art, wie Faust sich vom Königshofe entfernt, 
finden wir 

1. nicht angedeutet M U; 

2. Faust wird wegen Zauberei verbannt C N ; 

3. ihm droht Strafe f iir seine Zauberei und Meph. 
bringt ihn in Sicherheit Sw; 

4. Faust soll vergiftet werden, Mephisto führt ihn 
vor der Tafel davon; der Grund ist: 

die Beleidigung der Herzogin durch Hans- 
wurst W, 

der Verrath Kasperls und die Eifersucht des 
Herzogs E, 0, Schütz-Dreher, 
die Rache der Hofherm A. — 
N beginnt hier erst nach der Verbannung, es hat 
die Geistererscheinungen gestrichen wie auch S und 
G; — der Grund von Fausts Abreise in C macht den 
Eindruck der ürsprünglichkeit. 

8. Fausts Rache. 

Faust rächt sich für seine Verbannung durch ein 
uiegesehenes Spektakel , das den König veranlassen 
soll, seinen Kopf zum Fenster herauszustecken; dann 
soll ihm ein Hörnerpaar anwachsen; dies wird in J 
ausgeführt, in N verspricht es der Teufel, in D schlägt 
er es ab. 

Schon in M lässt Faust einem knight (Benvolio 
M') als Strafe der Missachtung ein Geweih anwachsen, 
diese Scene kam auch im Volksschauspiel des 17. Jahr- 
hunderts vor, wie das Epigramm von Amaranthes 
(Creizenach 86) beweist, allerdings scheint es erst in 
C N der König selbst zu sein, dem das Geweih 
angezaubert wird. 



72 



Auch in E will Faust, um sich zu rächen, vor den 
Augen des gesammten Hofes nach Constantinopel 
fliegen. . 

Einige von den Eunststftcken Fausts finden sich 
auch an verschiedenen Stellen anderer Puppenspiele: 
es sind folgende: 

a. Faust schiebt auf dem Wasser Kegel; in c auf 
der Donau, ebenso in N: (er will in die Donaugegend) 
„ich will theils auf dem Wasser spazieren, auch reiten, 
fahren, Kegel schieben"; sonst findet sich diese Forde- 
rung gleich unter den Bedingungen Fausts. 0: „Zweitens 
sollst du, wenn ich in Salzburg (so! natürlich ist 
Regensburg gemeint) meine Freunde besuche, auf dem 
grössten Strudel der Donau ein Spiel Kegel aufsetzen, 
jedoch so, dass, wenn wir Kegel schieben, sich keiner 
einen Fuss nass macht." — Das Kegelspiel verlangen 
noch die Puppenspiele KoUm. F., Kollm. J. und das 
Dietrichsche Puppenspiel (Tille 127). Eine wirkliche 
Ausführung nur in C. — 

b. Mefistofl muss Faust eine Brücke bauen und 
hinter ihm wieder abbrechen; einen Damm über die 
Donau verlangt Faust auch in r. 

c. Faust erregt ein furchtbares Gewitter, bei dem 
fabelhafte Ungeheuer erscheinen; schon früher hat er 
dem Könige versichert, er könne machen, dass die 
Fische fliegen und die Vögel schwimmen. In E giebt 
er eine Zaubervorstellung mit ähnlichen Künsten, aller- 
dings in Wittenberg, aber ebenfalls zwischen dem dritten 
und vierten Akte. 

d. Faust will auf dem schnellsten Pferde reiten, 
und Mefistofl muss den Weg vor ihm mit Kieselsteinen 
pflastern; dies verlangt er schon in den Vertragsbe- 



73 



dingungen: W, KoUm. E, KoUm. F, KoUm. K, ähn- 
liches in 0. lieber die Verbreitung dieses Motivs in 
der Sage s. Tille 124 ff. Nachzutragen wäre, dass 
auch die Prager Localsage, welche Hnßvkovsky wie 
oben bemerkt wurde, in seinem Faust benutzt hat, 
dieses Kunststück des Teufels kennt. 

e. Meflstofl soll aus dem feinsten Häckerling Stroh- 
bänder flechten und Sand in Garben binden, sonst in 
keinem gedruckten Puppenspiel belegt. — Eine inter- 
essante Motivierung dieser Quälereien bietet die unga- 
rische Faustsage, welche Heinrich in der „Ungarischen 
Revue" (VI, 1886, 780—804) mittheilt. Hier lesen 
wir S. 789 : „Er wusste es wohl aus den Märchen, die 
er noch als Knabe von seiner Amme vernommen, dass 
man in solchen Fällen von den tellurischen Geistern 
drei Unmöglichkeiten fordern muss; aber was sollte 
er fordern?** — Er verlangt endlich ein vorjähriges 
Ei einer in diesem Jahr geborenen Ente, ein stummes 
KiDd, das sprechen kann, und Ciceros Werke, die er 
nach seinem Tode schrieb. „Die Dämonen heulten 
entsetzlich: Wir sind deine Sklaven ! und verschwanden.** 

9. Des Teufels Verzweiflung. 

Während einige deutsche Puppenspiele den Klinge- 
rischen Zug enthalten, dass Faust eitle Wünsche aus- 
spricht, und der Teufel durch Hohngelächter andeutet, 
wohin diese Wünsche führen, erfüllt sich in C Fausts 
Drohung, dass die Teufel sich seine Seele werden sauer 
verdienen müssen. Fausts Forderungen bringen Mefls- 
tofl so weit, dass er ihm den Contract zurückgeben 
will. Aber noch ist Faust nicht in der Stimmung, 



74 



darauf einzugehen, er ist von Reuegedanken noch weit 
entfernt, er nimmt denn auch den Vorschlag des Geistes 
nicht an und weiss sich seinen Gehorsam auf andere 
Weise zu sichern; er droht dem Teufel,' nach ihm zu 
scliiessen. Was für Kugeln er geladen hat, dass sie 
sogar den Teufel verletzen, wird nicht erwähnt. — In 
diesem Zuge steht C allein, auch in N erwidert der 
Teufel auf Fausts Forderungen mit Klingerischem 
Hohngelächter, 

10. Das Kreuzesbild. 

Faust kehrt im Beginn des letzten Aktes von 

einer Weltfahrt zurück, wie U, A, Sw ; auf dieser Reise 

hat er: _ 

J: 

zu Jerusalem ein Kreuz in der Luft schweben sehen; 

D: 

das hl. Kreuz in Jerusalem küssen wollen, aber der 

Teufel wollte ihn nicht hinführen. 

Er will nun ein solches Kreuz gemalt haben, wie 
er es dort gesehen hat; es war noch nicht die Reue, 
die ihn nach Jerusalem führte, aber dort scheint sie 
erweckt worden zu sein; aber sie ist noch so wenig 
lebendig, dass Faust nicht daran denkt, den Contract 
zu lösen, als ihm der Teufel abermals diesen Vorschlag 
macht. Mefistofl muss die Farben aus Portugal, die 
Leinwand aus Regensburg holen, dann malt er das 
Crucifix, versucht Faust über das Fehlen der Inschrift 
wegzutäuschen , wird durch die bestimmte Forderung 
derselben in die Flucht gejagt; ein Engel schwebt beim 
Gebete Fausts daher. 

Dieses Motiv kommt in den deutschen Puppen- 
spielen nur noch an vier Stellen vor, und zwar N, Sw, 



75 



t, r; eine Inhaltsangabe wird zeigen, dass alle diese 
Stellen unklar sind gegen C, dass sie erst durch dieses 
ins richtige Licht treten. 

In N hat Faust, als er über die Berge flog, ein 
Kreuz am Firmament gesehen, Mefistofilus soll es ihm 
malen, oder ihn dazu führen; Mefistofilus verschwindet, 
dann aber erscheint das Kreuz, und Mef. ruft unsicht- 
bar, es sei fertig; es weicht aber vor Faust zurück, 
dann erst erscheint Mefistofilus, von dem Faust das 
Titelblatt verlangt; Mef. erklärt, wenn er diese Buch- 
staben aussprechen dürfte, dürfte er noöh Gnade hoffen, 
und damit fällt das ganze Motiv, Faust hält sich an 
das Wort Gnade, und vom Kreuze ist nicht mehr die 
Rede. 

In Sw hat Faust das Kreuz auf Calvari gesehen 
und erkannt, welch ein Thor er gewesen; der Teufel 
hat ihm versprochen, aus Unmöglichkeit Möglichkeit 
zu machen (so steht es wirklich in den Bedingungen); 
darum soll er ihm das Conterfei schaffen; der Teufel 
will die Handschrift zurückstellen, endlich verspricht 
Mefisto, den Befehl zu erfüllen, obwohl es der Hölle 
unzählige Opfer kosten wird, kündigt ihm aber schon 
jetzt den Ablauf der Frist an; dann erscheint zur 
Linken Fausts das Bild; die fehlende Inschrift wird 
gar nicht erwähnt. 

Nach dem Bericht Zingerles über t fordert Faust 
das Bild des Gekreuzigten mit der Inschrift ; der Teufel 
will eher sein Opfer fahren lassen als die Aufgabe 
lösen, — eine Zwischenscene , dann bringt Mefistofilus 
das verlangte Bild, kündigt ihm den Ablauf der Frist 
an, Hanswurstscene , das Bild ist verschwunden, dann 
folgt die Scene mit der Frage nach den Höllenstrafen. 



76 



In r hat Faust wie in Sw die Bedingung gestellt, 
der Teufel solle das Unmögliche möglich machen. 
„Man bleibt nun gespannt, was Faust fordern werde, 
was die Kräfte des Teufels übersteige. Endlich will 
er nach Jerusalem. Das ist unmöglich, entgegnet 
Meph., diese Stadt ist uns Teufeln zu betreten ver- 
boten. Natürlich wirft ihm der Doktor seine Ohnmacht 
und sein Versprechen bitter vor. Meph. sucht ihn zu 
beschwichtigen und verspricht ihm, das Kreuz Christi 
vom Calvarienberge zu holen, was auch geschieht.** 
Die Inschrift wird nicht weiter erwähnt. 

Von diesen vier Stellen stehen sich, wie man sieht, 
Sw und r einerseits, N und t andererseits nahe; Sw 
und r haben das Motiv der fehlenden Inschrift nicht 
und gehen von der Unmöglichkeit aus. Für letzteres 
Motiv glaube ich die Quelle in J gefunden zu haben, 
wo Faust dem Teufel auf seine Versicherung, dass er 
die Inschrift weder malen noch aussprechen könne, 
sagt: „Höre zu, denn in der That, Gott verlangt von 
Menschen keine unmöglichen Dinge, also werde auch 
ich, du höllischer Geist, sie von dir nicht ver- 
langen." Aus dieser Versicherung konnte sich leicht 
die Forderung der Unmöglichkeit entwickeln. 

In N und t wieder ist gleicherweise die Scene 
durch das Herüberspielen der Fragescene gestört und 
das Motiv bleibt einflusslos. 

Wenn wir, wie noch geschehen soll, die beiden 
Fassungen von C combinieren, so haben wir eine ein- 
heitliche und überaus dramatische Scene, jedes Motiv 
tritt genau zur rechten Zeit ein, die Ueberlieferung ist ganz 
ungetrübt, das Malen geht vor unseren Augen vor , das 
Holen der Farben aus Portugal (Oporto? [Porto Cale]) 



77 



und der Leinwand aus ßegensburg erinnert an die 
Freude am Malen, die wir schon unter Nr. 4 beobachtet 
haben. 

Was entspricht nun dieser Scene in den übrigen 
Puppenspielen? Es ist die Frage Fausts. 

In M will Faust, der nicht bereuen kann, mit 
Mephostophiles disputieren; nach einigen weltlichen 
Fragen thut er die Frage, wer die Welt erschaffen 
habe; Mephostophiles kann nicht antworten und flieht 
bei dem Namen Gottes, die Engel erscheinen, Faust 
bereut, da kommt Lucifer, schreckt ihn ab und führt 
ihm die sieben Todsünden vor; nach einem zweiten 
Reueanfall wird ihm Helena zutheil. 

In ü A N fragt Faust nach dem Himmel und 
seiner Seligkeit, Meph. vermag darüber keine Auskunft 
zu geben. 

In E S W und der .Schütz - Dreherschen Gruppe 
fragt Faust, ob er noch imstande wäre, ein Kind der 
Seligkeit zu werden; Meph. wagt nicht zu antworten. 

In fragt Faust nach der Hölle; in G fehlt das 
Motiv ganz. 

.Von den beiden Fassungen, die nach Abrechnung 
der sinnlosen übrig bleiben, ist die letztere offenbar 
befriedigender; Faust hört, dass er noch nicht rettungs- 
los verloren ist, dadurch ermuthigt, wirft er sich zum 
wirklich reuevollen Gebete nieder ; seine Reue ist keine 
Kains- und Judasreue mehr, wie das Volksbuch sagt, 
sondern eine wirkliche, warme. Der ersten Frage 
müssen wir denselben Sinn erst unterlegen , denn was 
nützt es sonst Fausten, zu erfahren, wie gross die 
Seligkeit sei? Hat er sie darum weniger verscherzt? 

Auch die Flucht Mephistos ist erklärt, lügen darf 



78 



er nicht, und mit der Wahrheit mttsste er Faust retten ; 
er antwortet also nur durch Schweigen. 

Wenn wir annehmen, die Frage nach dem Himmel 
sei das Ursprüngliche, wie sie ja an die Fassung 
Marlowes erinnert, so hätte man schon recht frühzeitig 
diese Frage als unzureichend zur Motivierung der 
Flucht Mephistos empfinden und die Stelle ändern 
können. Diese Aenderung geschah nun auf doppelte 
Weise. 

Die eine Bearbeitung, repräsentirt durch unsere 
fünf Stellen, ersetzte das ganze Motiv der Frage durch 
das des Kreuzmalens. 

Die andere änderte die Frage bedeutungsvoll um; 
die erstere ist poetisch, an Malerlegenden erinnernd, 
die letztere verstandesmässig, logisch; ich weiss nicht, 
ob mich mein Gefühl nicht täuscht, wenn ich die erstere 
dem katholischen Süden, die letztere dem protestan- 
tischen Norden zuschreibe. Eine Priorität des Alters 
vermag ich keiner der beiden Lösungen zuzuerkennen. 

A bildet dann ein Uebergangsstadium , es gehört 
der zweiten Fassung an, lässt aber doch das Kreuz 
eine Rolle -spielen ; umgekehrt sind N t von der zweiten 
Fassung beeinflusst. Dass umgekehrt aus den dunkeln 
Andeutungen in A die Scene in C hätte hervorgehen 
können, halte ich für unmöglich. 

Eine Bemerkung fordert noch der Umstand, dass 
in r das Kreuz geholt, nicht gemalt werden soll; 
auch in N will Faust entweder zum Kreuze geführt 
werden oder es gemalt sehen. Wenn man jedoch be- 
denkt, dass auch im Berichte Andrees vom Holen die 
Rede ist, während drei Texte, vom Malen sprechen, 
so werden wir auch dem Bericht r nicht allzuviel 



79 



Gewicht beilegen. Es wäre höchstens eine selbständige 
Aenderung hier wie dort. 

11. Helen a. 

Faiists Gebet sucht der Teufel zu unterbrechen, 
und nach einigen misslungenen Versuchen lenkt er 
seine Aufmerksamkeit auf die schöne Jungfrau, die er 
ihm gebracht hat. — In den deutschen Puppenspielen 
wird diese verführerische Schöne fast überall als 
Helena (0, Sw* freilich als Klingemannische Helena, 
(Jie Höllenbraut) bezeichnet, nur in lo ist es Lucretia, 
aber gerade in einem Spiel unserer Gruppe, in t ist es 
die geliebte Meretrix. Auch in N wird sie als „ein 
sehr hübsches Frauenzimmer" bezeichnet, erst später 
heisst es, es sei die schöne Helena. — 

Helena verwandelt sich in Fausts Annen in einen 
scheusslichen Teufel, und zwar hinter der Scene, wie 
E W B N, wie in . auf der Bühne ; in A verschwindet 
sie auf der Bühne; diese Verwandlung kommt noch 
nicht vor: ü, S, G. 

12. Die erloschene Frist. 

Während Faust in den deutschen Puppenspielen 
sich 24 resp. 12 Jahre der Dienste Meph. erfreuen 
kann, ist diese Zeit in C gegen alle sonstige Ueber- 
lieferung auf 36 (eigtl. 18) Jahre erstreckt. Ebenso- 
lang ist die Frist, die sich der Marschall von Luxem- 
burg nach dem Volksbuche von 1702 ausbedingt. Er 
verschreibt sich (Creizenach 96 f.) auf 36 Jahre, „Tag 
und Nacht zu 24 Stunden gerechnet. Diese Zeit nun 
soll sich heute anfahen, als den 2. Januar dieses 1659. 
Jahres, und sich endigen eben diesen Tag des 1695. 
Jahres." Ebenso wie wir in dieser Verclausulierung 



80 



einen Einfloss des deutschen Volksschauspiels beobachten 
können, so dürften die 36 Jahre in C auf dem Völks- 
buche vom Luxemburger beruhen. Für die 36 Jahre 
findet sich in diesem ein stichhaltiger Grund vor; es 
ist dies gerade die Zeit zwischen seiner Einkerkerung 
in der Bastille und seinem Tode. In der böhmischen 
Literatur finden wir nun allerdings keine Spur eines 
Volksbuches vom Marschall von Luxemburg, doch kann 
im Beginn des 18. Jahrhunderts das Interesse für den 
Marschall auch in den östlichen Ländern gross genug 
gewesen sein, wie der Zusatz zu dem Drucke des 
Faustliedes I A (aus dem ersten Viertel des 18. Jahr- 
hunderts in Oesterreich) beweist. 

13. ludicatus es. 

Die Frist zwischen der Ankündigung und Abholung 
ist bei M eine Stunde, trotzdem gibt sie Gelegenheit 
zu dreimaligen Glockenschlägen; in U hören wir die 
Viertelstunden von elf bis zwölf, ebenso vergeht blos 
eine Stunde in S; in A E W und bei Schütz - Dreher 
treten dafür die Stunden von neun bis zwölf ein, und in 
den einzelnen Stunden hören wir die mahnenden latei- 
nischen Rufe. C stimmt, abgesehen von dem verstüm- 
melten Ende von D, zu dieser Gruppe, wir hören die 
Stunden zwar erst von zehn an, aber schon vorher, 
also nach neun, heisst es, ein Vogel auf dem Dache 
rufe Indicave (Jubi kabe), was Faust übersetzt: Bereite 
dich ! In D sagt Mefistofi, Faust sei schon in aeternum 
natus. Wir können somit drei von den bekannten 
Rufen, „praepara te" in Uebersetzung , die andern in 
Verstümmelungen belegen, es wird also wohl auch 
^accusatus es" nicht gefehlt haben. 



81 



Dass ein sdiwarzer Vogel den Rnf ansstösst, er* 
innert an A. In diesem erzählt Hanswurst, die Leute 
sagten, der Teufel werde ihn holen, dann erzählt 
Wagner auf die Frage Fausts, was auf dem Dache 
vorgehe, ein schwarzer Rabe sitze dort, „eine weisse 
Taube wollte auch aufsitzen, aber der Rabe verhinderte 
es; jetzt führet derselbe ein fftrchteriiches Geschrei." 

V 

In C finden sich diese beiden Angaben auf beide 
Versionen vertheilt, in D heisst es, die Leu t« schrieen 
Jubi kabe, in J: ein schwarzer Vogel sitze auf dem 
Dache; Wagner bestätigt diese Angabe und nimmt 
seine Entlassung; Pimprle erzählt sodann, wie eine 
Taube mit dem Raben gekämpft habe und unterlegen sei. 

V 

stand ursprünglich in C beides wie in A? 

Die Reuemonologe sind fast verschwunden, dafür 
bittet Faust um einen kleinen Aufschub (nur noch in 
N). — Die Teufel holen ihn mit Gesang und Feuerwerk. 

B. Die komischen Scenen« 

Der Name Kasperls kann uns keinen Anhaltspunkt 
zur Beurteilung der Herkunft der komischen Person 
geben, so heisst der lustige Bediente in allen böhmischen 
Puppenspielen. Wichtiger wäre der Name Pik, wenn 
meine Vermuthung richtig ist, dass er einen Rest von 
Pickelhering enthält. Auch die komischen Scenen 
stimmen mit den deutschen Puppenspielen sehr nahe 
zusammen; allerdings verlässt uns hier eine sonst sehr 
gute Quelle, nämlich U; die Bearbeitung, wie sie uns 
vorliegt, hat die komischen Scenen offenbar gekürzt; 
Lübke sagt Zs. fda 31, 167 sehr richtig: „Das alte Volks- 
schauspiel war keineswegs so arm an Pickelherings* 

Kraus, Böhm. Pappenspiel Fanst. 6 



82 



scenen, wie Creizenach annimmt." Im voraus mag als 
allgemeine Charakteristik der komischen Scenen er- 
wfthnt werden , dass auf Pimprle die Worte R. M. 
Werners (Anz. fda. XIII 62) passen: „Sein Auftreten 
(Hanswursts) entspricht durchaus der altern, wenn ich 
so sagen darf, bescheidenem Weise; er steht so 

gut wie ausser dem Drama, (meist) ist er als 

Zwischenspieler gedacht.*' 

1. Erstes Auftreten und Buchstabierübung. 

Kasperl erzählt nichts über seine Reisen oder den 
Zweck seines Hierherkommens; er buchstabiert angeb- 
liche Recepte, setzt sich aber schliesslich aufs BucK. 
— Schon M' (755) kommt eine Buchstabierscene vor, 
Robin hat ein Zauberbuch gestohlen und bustabiert 
darin kauderwälsche Wörter; so buchstabiert er auch 
E, S, W, N, 0, G, B, Sw, Schütz-Dreher; G, deuten 
dabei schon auf die Forschierung der Teufel hin, nur 
G viel zu spät, nach der Forschierung! -7 In E, S, 
W, G finden wir schon das Recept, wie man alte 
Weiber jung machen kann, ebenso D, in J ist daraus 
eines zum Verjüngen alter Junggesellen geworden. — 

Wie hier, setzt sich auch in N Kasperl aufs Buch. 

2. Aufnahme durch Wagner. 

Einige Spiele bereiten diese Scene dadurch vor, 
dass Wagner an Faust die Bitte richtet, sich einen 
Bedienten aufnehmen zu dürfen, oft sogar, nachdem 
Faust über seine Armuth geklagt hat. — Die Scene 
ist gleichfalls in M schon vorhanden, ebenso in U und 
sonst überall. — Genau zu C stimmt nur N, das nur 
noch Witze über die Namen Wagner und Faust an- 
knüpft, die allerdings in der Uebersetzung unmöglich 



83 



V 

sind. Diese Scherze könnten also ira Originale von C 
gestanden haben, haben wir doch einen Wortwitz über 
Wagner dort nachweisen können. Das Kauderwälsch 
Kasperls in D ist das entstellte: „Si fecisti nega, est 
prima regula juris." 

3. Die Beschwörungsparodie. 

Schade aao. S, 284 f. zieht die Stelle in M' heran 
wie Robin, um sich aus der Verlegenheit zu retten, 
den Mephostophiles aus Constantinopel herbeicitiert, 
wofür freilich Meph. ihn und seinen Gesellen in einen 
Affen und einen Hund verwandelt. Doch ist mir der 
Zusammenhang zweifelhaft, die Stelle ist offenbar von 
allem Anfang an als Parodie der Beschwörungsscene 
gedacht; es enthalten sie bis auf U A sämmtliche 

V 

Puppenspiele. Sie verläuft C wie sonst überall, Ka&- 
perl hält den Kreis für ein Gärtchen, dann für einen 
Vogelherd wie N, sonst für ein Schneidermass. Am 
genauesten stimmt N auch sonst überein. — Da Kas- 
perl den Zauberkreis nicht verlassen darf, so ist es 
schwer, ihn fortzubringen, entweder wird das ignorirt, 
wie S, 0, oder man lässt es an einer Prügelei genug 
sein E, B, G, h, ho, 1, s, oder er muss den Kreis 
irgendwie mitnehmen W, N, C. 

Einige Puppenspiele bringen hier das Motiv an, 
dass die Teufel Kasperl zur Unterschrift zu bewegen 
suchen, wodurch sie ihrer Klugheit ein sehr schlechtes 
Zeugnis geben. Kasperl ist zu dumm, um in die Hölle 
zu kommen; durch dieses Motiv wird er zu einem 
Gegenbilde des Helden, er geht seinen Contract mit 
Wagner ein, wie Faust mit Mephisto, er beschwört die 
Teufel, entlässt sie aber wieder, weil er in seiner Be- 



84 



schränktheit nichts entbehrt, das sie ihm bieten konnten, 
und nachdem er die Weltfahrt bis Parma mitgemacht 
hat, läuft er in den Hafen einer kleinlichen Spiess- 
bürgerexistenz ein, bekommt statt Helenas ein böses 
Weib und tritt sogar als Repräsentant der irdischen 
und religiösen Wohlverhaltenheit Faust in seiner letzten 
Stunde gegenüber. Der ehrliche Hörn hat gerade in 
dieser Contrastierung das Hauptverdienst des Dichters 
gesehen und beinahe Kasperl als das gute Princip dem 
bösen Faust entgegengestellt. Natürlich ist eine solche 
Rolle Kasperl ursprünglich fremd, er parodiert unbe- 
wusst seinenHerrn, aber eine Jagd nach seiner Seele zu ver- 
anstalten fälltdemTeufel nicht ein ; in üund andern Stücken 
lässt er ihn ganz ruhig die Hölle besichtigen und aus dieser 
wieder hinausgehen, ebenso droht in C seinem Seelen- 
heil keine Gefahr. 

4. Die Aufnahme durch Faust. 

Die zweite Aufnahme ist nicht so allgemein ver- 
breitet wie die erste; sie findet sich nur ü; ausserdem, 
jedoch an anderer Stelle, nämlich unmittelbar nach der 
Aufnahme durch Wagner E, A, S, N; in N bekommt 
er gleichfalls einen Thaler zum Vertrinken ; die folgende 
Neckerei mit Wagner erinnert am meisten an U (M). 

5. Die Luftreise. 

Mefistofl holt Kasperl auf Befehl Fausts ab und 
trägt ihn auf seinem Rücken nach Portukäl, wo ^ 
ihn, weil er gesprochen, vor die Füsse des Königs 
wirft. Kasperl verräth seinen Herrn, indem er sagt, 
er dürfe es nicht verrathen, dass sein Herr Faust 
heisse. — Diese Scene kennen alle Puppenspiele ausser 
U; auf Mephisto reitet Kasperl nur noch N; in A, E, 



.85 



0, S, W, G^ Sw, B schickt ihm Mephistopheles {resp. 
Auerhahii ) ein Reitpferd. Auch an diese Scenen 
knüpfen sich Versuche des Teufels, Kasperls Seele zu 
gewinnen, wobei der Teufel noch Geld verliert, das er 
aber schuldig bleibt. Auch N hat dieses Motiv, 

Die Scene im Garten verläuft vollkommen einfluss- 
los, das halte ich für die alte Fassung; sein Verrath 
wird ihm nicht weiter angerechnet, er beteiligt sich 
an dem grossen Spektakel zu Ende des Aktes, und 
niemand kümmert sich darum, wie er nach Hause 
kommt. Nach der Verbannung Fausts fordert Kasperl 
ein Trinkgeld, bekommt jedoch Prügel und rächt sich 
durch Schimpfen; ähnlich schimpft er sich in mit 
den Trabanten herum, aber das ist nur ein Rest der 
Scene in E, wo er aus der Luft herunterschimpft. — 
Wieder knüpfen die meisten Puppenspiele hieran Ver- 
suche des Teufels, Kaspars Seele zu gewinnen. Da- 
bei werden auch Versuche gemacht, Kaspars Nacht- 
wächterrolle zu begründen. . 

6. Abschied und Kleidertausch. 

Kasperl steht in Diensten Fausts noch bei dessen 
Rückkehr von der Weltfahrt, ähnlich ist es in U, wo 
sich Wagner über Pickelhering beklagt. Kasperl tritt 
erst auf, als Meflstofl Faust den Dienst gekündigt hat, 
er berichtet über die Vorgänge im Hause und macht 
einen Witz über den Karren, den Wagner zur Post- 
fahrt in die Hölle machen soll. Der „halbe Wagen ^ inj ist 
offenbar ein deutscher „Halbwagen " , ein vorn offenerWagen. 
Als Wagner sich empfohlen hat, will er nicht bleiben, auch 
die Erbschaft lockt ihn nicht. Faust bittet ihn, ihn diese 
Nacht zu bewachen, und will ihm, als Kasperle der 



86 



Kälte wegen es nicht tbun will, seinen Rock geben. Kasperl 
schlägt es aus, damit ihn nicht der Teufel für Faust 
halte. Dass Faust wirklich die Absicht hätte, die 
Kasperl ihm unterschiebt, erhellt aus nichts, erst 
später wird dieses Motiv zu einer wirklichen Absicht 
Fausts umgedeutet. 

Auch 4n A ist Kasperl im Dienste Fausts, Wagner 
hat ihn wieder aufgenommen, beide verlassen ihn dann 
zusammen; dass die Diener erben sollen, stammt aus 
M, wo Wagner zum Erben eingesetzt wird, und kommt 
noch ü und Sw vor. 

7. Kasperl als Nachtwächter. 

Aus dem Zählen der Stunden ergab sich fast von 
selbst die Nachtwächterrolle Kasperls. Wie mau in 
anderen Stücken begann, Hanswurst in verschiedenen 
Verkleidungen auftreten zu lassen, unter denen die als 
Nachtwächter sehr gewöhnlich war, so war es auch 
im Faust. Auch in dem erwähnten „Originalstück" 
Kopeckys: „Der Herr Franz" verkleidet sich dieser 
als Nachtwächter. — Wir hätten dann neben Hans- 
wurst dem Teufelscitierer, dem Luftfahrer, auch Hans- 
wurst den Nachtwächter. — Mit C, das die älteste 
Form der Nachtwächtei'scene zu repräsentieren scheint, 
stimmt N überein, auch hier soll Kasperl nur die Stun- 
iien ausrufen ; in A sucht er sich, nachdem er aus dem 
Dienste gegangen, mit Wagner ein neues Brot und 
wird wirklich Nachtwächter; in andern Stücken, nament- 
lich der Schütz-Dreher Gruppe, ist er es schon jahrelang. 
Mit dem Nachtwächteramt ist Kasperls Rolle ausgespielt, 
kein Teufel erhebt Ansprüche auf seine Seele, nicht 
eiumal die Lohnforderung finden wir wie in N. 



87 



8. Die beiden Wächter. 

Die Zwischenpausen zwischen den einzelnen Stun- 
den werden durch die Gespräche zweier Wächter aus- 
gefüllt, die Faust durch Kasperl dingen lässt; ihren 
versprochenen Lohn wollen sie dann vom Hausknecht 
haben, und diese Entlohnung bildet ein Nachspiel der 
Tragödie. C. Engel erwähnt in Bd. IX der Deutschen 
Puppenkomödien die Zwischenspiele, welche zwischen 
den Glockenschlägen extemporiert wurden und sich theil- 
weise auf den Puppentheatern erhalten haben. Er 
druckt sodann die Scene der Jungfer Annabackedudel 
ab, in der im Gegensatze zu E (aber in Uebereinstim- 
mung mit A) Hanswurst als neuer Nachtwächter auf- 
tritt. Eine Beziehung unserer Scene zu älteren Scenen 
fehlt ganz, es wäre denn, dass sich hier eine Erinne- 
rung an eine Scene in M erhalten habe, Robin und 
Kafe (Dick M') also nicht der Clowne, werden vom 
Vintner verfolgt , weil sie einen Becher gestohlen 
haben. Mephostophiles, den sie zu Hilfe rufen, schlägt 
sie, dann geben sie den Becher zurück. 

Diesem Zuge entspricht es, wenn der in Italien 
zurückgelassene Hanswurst einen Teufel citiert; aber 
auch unsere Scene erinnert dadurch, dass zwei nicht 
mit dem Clown des Stückes identische Rüpel von einem 
Hausknecht (dort der Weinschenk) gepiügelt (dort be- 
droht) werden und dass sie dabei auch von Mefistofl 
geschlagen werden, an die Scene in M. 

So ist denn die Möglichkeit eines höheren Alters 
dieser Scene nicht ganz ausgeschlossen, doch bleibt es 
am wahrscheinlichsten,' dass die Scene erst der böh- 
mischen Bearbeitung ihr Dasein verdankt; sie enthält 
auch meist deutsch - böhmische Missverständnisse , 



88 



müsste also viel stärker bearbeitet worden sein als 
alle übrigen. Wegen der Möglichkeit eines älteren 
Ursprungs einerseits, andererseits als Originalbeitrag 
der böhmischen Literatur zum Faustdrama drucke ich 
die vollBtändige Ucbersetzung auch dieser Scene ab. 
Die Namßn der Wächter sind auf komische Wirkung 
berechnet und wechseln bei den Aufführungen. Den 
deutsch sprechenden Hausknecht f ühi*t Roth als ständige 
Figur der Puppenspieler an. 

Die innigsten Beziehungen zu C zeigte im Laufe 
der Untersuchung N, auch A erfordert eine nähere 
Betrachtung, — dies aber erst nachdem wir noch unser 
Stück mit dem Faustliede verglichen haben. 

IV. 

Das Dunkel, das früher über dem Liede von Dr. 
Faust im Wunderhorn schwebte, ist seit dem J. 1881, 
in dem A. Schlossar seine „Deutschen Volkslieder aus 
Steiermark " veröffentlichte, geschwunden ; es zeigte 
sich, dass das Lied eine Bearbeitung eines älteren aus- 
führlicheren Liedes, oder vielmehr, wie A. Tille in sei- 
ner säubern Untersuchung nachgewiesen hat, eine Auf- 
zeichnung eines älteren Liedes aus dem Gedächtnis 
ist. Dieses ältere Lied IP ist verloren und ausser in dem 
Volksliede (II) nur in einer Bearbeitung I erhalten, 
deren ältester Druck schon in das erste Viertel des 
18. Jahrhunderts fällt; W selbst muss demnach spä- 
testens aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts stammen; 
auch Uf soll nach Tille erst, eine Bearbeitung eines 
älteren Originals sein, das er i2 nannte. 

Die Quelle von V^ ist nach einer Fülle von Ueber- 



89 



einstimmangen ein deutsches Volksschaospiel, aber mit 
keinem der vorhandenen Texte ergab sich eine genaue 

V 

Uebereinstimmung, auch G soll nun mit diesem Liede 
verglichen werden. 

Der Held des Stückes heist C und V^: Johann 
Doktor Faust, wie sonst nurnoch N; eine Uebereinstim- 
mung, die Tille auffallenderweise gar nicht beachtet hat. 

Nach dem Titel und Strophe 1 war Faust in An- 
halt geboren, C in Mailand, d. i., wie oben gezeigt wor- 
den, das entstellte Anhalt. 

Str. 2. Faust citiert 40000 Geister, von denen ihm 
nur zwei tauglich sind, Mevestophilus , geschwind 
wie die Gedanken der Menschen, Auerhahn (schnell 
wie der Wind) sein Favorit, beide geschwind wie 
Pfeile. In C wie in allen Schauspielen wirbt Faust nur 
einen einzigen Geist an, aber mit grossen Zahlen ope- 

V 

riert auch C gern, so sagt Mefistofl in J beim Abschluss 
des Contractes: Wenn du verlangst, dass dir 3000 
Teufel zu Hilfe kommen sollen, so werden sie hier sein, 
und um ein Crucifix zu malen, müsste er 4000 Teufel 
zusammenbringen. — Die Prager Localsage, die S. 
Hnövkovsky kannte, wusste von einem Begräbniszug 
zu erzählen, in dem es 32000 Teufel gab; s. 
S. 11. 

Auerhahn kommt in C nicht vor. er ist aber 
wahrscheinlich nur mit Pickelhering verwechselt worden, 
und steckt somit im Pik ; er dient freilich Faust nicht, 
er hat die Pfeil- (Kugel-) Geschwindigkeit; — der 
dritte Geist mit der Windgeschwindigkeit fehlt wie 
in W. 

Eine Art von Dienstverhältnis Auerhahns kennen 
bloss die Fassungen E, 0, L, B, Sw, in welchen er 



90 



als Diener Hanswursts auftritt; ein Volksschauspiel, in 
dem Faust selbst zwei Diener hätte, existiert nicht. 

3. Faust macht grosse Reisen wie auch in C. 

4. Die Geister müssen ihm im Winter fremde 
Früchte schaffen, nichts davon in C. 

5. Die Geister müssen ihm den Weg pflastern, 
ebenso in D am Schlüsse des 3. Actes; aucli diesen 
Zug hat die Prager Loealsage bewahrt. 

In Regensburg schiebt er Kegel auf der Donau; 
ebenso auf dem Wasser C (der Donau c). 

Er fischt und jagt — — davon hat das Lied 
nichts. 

6. Die Geister müssen Comödisachen, Musik bei Nacht 

V 

macheu, nichts inC, doch kennt die Loealsage diesen Zug : 
Hnfevkovsky a. a. 0. 180: Hier bereitet Faust seinen 
Genossen ein Fest, im Verein mit Dirnen schwelgt alles, 
auf dem Musikerchor sieht man Teufel, hört, was dieses 
Orchester für ein höllisches Lied spielt! 

Faust fangt Vögel in der Luft — davon nichts in 
C, wenn wir nicht ein Verderbnis annehmen müssen ; in C 
vei'spiicht Faust, er könne machen, dass die Fische in 
der Luft fliegen, die Vögel dagegen schwimmen ; sollte 
das nicht an Stelle des blossen Vögelfangens gestanden 
haben. 

V 

7. Die Geister müssen viel Geld schaffen, in C sind 
seine Zimmer daheim ganz damit angefüllt; er lässt 
Schiessscheiben aufrichten und schiesst nach dem 
Teufel, in C bedroht er ihn gleichfalls mit Erschiessen. 

8. Die Geister bitten ilm oft, sie loszulassen, er 
weigert sich; — in C will ihm Meflstofl zweimal den 
Contract zurückgeben, er nimmt es nicht an. 

9. Die Schätze werden nochmals erwähnt, sodann 



91 



dass Faust in jedem Lande die Sprache können will, 
nichts davon in C. 

10. Faust citiert 2000 Geister und lässt sich nach 
Jerusalem bringen, ebenso reist er in C auf einer 
Weltfahrt nach Jerusalem. 

11. Am Charfreitag kommt er in Jerusalem au, 
der heiligen Strasse, wo Christus gestorben ist; — in 
D will er sich auf die heilige Strasse herablassen, um 
das Kreuz zu küssen. 

12 — 13. Faust befragt den Geist über das Aussehen 
des Heilandes; Verwirrung in der Ueberlieferung, das 
müsste erst später stehen; nichts in C. 

14. — 15. Faust disputiert mit den Geistern bis zum 
Wahnsinn, da zeigt ihm Gottes Barmherzigkeit am 
Firmament das Conterfei (des heiligen Cruciflxes); — 
aber die Geister verbieten ihm zu klagen, sie drohen 
ihn ins Meer zu werfen, und führen ihn nach Mailand. — 

In D antwortet Mefistofl Fausten auf seine Bitte, 
er werde ihn lieber zerreissen und ins Meer werfen, 
und fliegt mit ihm nach Hause, offenbar nach Mailand. 
In J hat er ein Kreuz am Himmel gesehen, — auch 
iu D sagt er, dass er das Bild gesehen habe. 

Diese beiden Varianten lassen sich nur durch un- 
ser Lied mit folgender Erklärung vereinigen: Faust 
verlangt in Jerusalem an der heiligen Strasse das Cru- 
cifix (das wirkliche Kreuz Christi) zu küssen, die Geister 
oder der Geist, die ihn tragen, drohen, ihn dafür zu 
zerreissen, und führen ihn in die Höhe; er verzweifelt, 
er streitet mit den Geistern; da zeigt ihm plötzlich die 
Barmherzigkeit Gottes ein Bild des Kreuzes am Firma- 
ment; bei diesem Anblick seufzt Faust und jammert, 
und die Geister bringen ihn nach Mailand (Anhalt). 



92 



Durch diese Uebereinatimmiing werden zunächst 
die beiden Strophen für V^ gesichert, gegen den Ver- 
such Tiiles, sie zu streichen, ferner zeigt es sieh, dass 
die Verwechselung von Mailand und Anhalt nicht erst 
im böhmischen Texte sich vollzogen hat, sondern dass 
sie schon in der Quelle von y>* vorgebildet war, welche 
jedoch daneben noch das richtige Anhalt bewahrte. 

16. ülessus der Auerhahn, nach Lied II aber Me- 
phistophles muss nach Portugal und von dort drei El- 
len Leinwand holen, eben daher die Farben zum^ Ma- 
len; in C holt Mefistofl zwar Farben und Firnis aus 
Portugal von dem grössten Kaufmanne, die Leinwand 
aber von Regensburg. 

17. Um 9 Uhr kommt er an, und Mefistofllus reibt 
die Farben; Faust befiehlt ihm, ein Kreuz zu malen. 

V 

— In C wird gleichfalls, wenn auch an anderer Stelle, 
das Farbenreiben als Vorbereitung zum Malen erwähnt ; 
die Scene könnte ganz gut um 9 Uhr spielen, da es 
bald darauf 10 Uhr schlägt, doch das ist wohl Zufall. 

18. Der böse Geist fragt, ob Faust am Contracte 
festhalte „ob er seinen Punkten beständig ist" — nicht 
in C. 

19. (Nach dem reconstruierten Texte, Tille S. 101). 
Der Teufel rühmt sich, wie gut er das Crucifix gemalt 
habe. Faust sagt „aber eins gebricht", das kann der 
Teufel nicht malen — genau so in C. 

20. (Ebenso). - Der Teufel bittet Faust, die Hand- 
schrift zurückzunehmen, — so früher in C. 

21. Ein Engel kommt, von Gott gesandt, und singt 

— so, aber ohne Arie in C. 

22—23. (??) — Faust will sich bekehren, aber 
der Teufel verblendet ihn wiieder durch ein Venusbild 



93 



und fährt mit ihm zur Hölle — in C tritt an Stelle 
des Venusbildes eine schone Jungfrau, sonst ist der 
Inhalt derselbe. 

Bis auf einige wenige Arbeiten, welche Faust den 
Geistern auferlegt, finden wir also das ganze Lied 
in C wieder; es sind dies das Bringen von Früchten 
im Winter, das Fischen, Jagen, Vogelfangen (wenn 
nicht das Fisdiefliegen dahinter steckt), das Comödispiel 
und die Musik, (die jedoch in der Prager Localtradition, 
die wahrscheinlich auf das Puppenspiel zurückgeht, er- 
halten war) die Sprachkenntnisse; Züge, die einerseits 
leicht hinzugethan werden , andererseits leicht aus dem 
Volksschauspiel verschwinden konnten, da zu ihrer Er- 
wähnung wenige Worte Fausts an Meflstofl hinreichten. 

Die Abweichungen zwischen C und V beschränken 
sich auf das Citieren vieler Geister und die Dienstbar- 
keit zweier statt eines einzigen, aber widersprechen 
sich nicht darin auch Lied I und II? Letzteres weiss 
von einer Dienstbarkeit Auerhahns gar nichts; — wir 
haben also umsoweniger Grund, wegen dieses Unter- 
schiedes an dem Zusammenhange von Ö und V^ zu 
zweifeln, C und V beruhen auf gleicher Quelle. 

Aus diesem Zusammenhange ergibt sich für die 
Textkritik von V, dass zunächst in der 6. Strophe 
vielleicht vom Fliegen der Fische die Rede sein soll, 
und dass die Strophen 14 bis 15 vollkommen gesichert 
werden. Die Herstellung von vier Strophen von V 
(Tille 101) wird durch C nur bestätigt, nicht so die 
Zweifel Tilles an der Zugehörigkeit mancher Strophen 
zu V^, — auch nicht die Annahme einer Fassung fi. 

Wichtiger ist ein anderes Resultat der Vergleichung, 
schon früher haben wir in C Züge gefunden, die sein 






94 



Original in eine frühere Zeit rückten als das der 
meisten erhaltenen Puppenspiele; dies wird nun durch 
den Zusammenhang mit V^ bestätigt, das Original von 
C ist ein Volksschauspiel des XVlI. Jahrhunderts. 

Es fragt sich nur, ob wir auch die Narrenscenen 
noch in dieses Jahrhundert verlegen können ; ich glaube, 
diese Frage bejahen zu können; wenn die Annahme 
richtig ist, dass Pik eigentlich Pickelhering ist, so 
haben wir sogar den Namen des alten Narren erhalten. 
Man vergleiche ferner die Bremer Aufführung, die noch 
dem XVII. Jahrhundert angehört (Creizenach 6 f.), in 
der gezeigt wurde, wie Pickelhering von allerlei be- 
zauberten Vögeln in der Luft vexiert werde (der Vogel- 
herd in C?). „Doctor Faust hält dann ein Banquet, 
wobei das Schauessen in allerlei wunderliche Figuren 
verwandelt wird, dass aus einer Pastete Menschen, 
Hunde, Katzen und andere Thiere kommen und durch 
die Luft fliegen. Da kündet ein feuerspeiender flie- 
gender Rabe Faust den Tod an (er sitzt auch in J 
auf dem Dache und speit Feuer) etc. etc." Creize- 
nach verlegt diese Aufführung in die achtziger Jahre 
des XVII. Jahrhunderts, eine Zeit, in der auch unsere 
Aufführung stattgefunden haben könnte. — 

Wo fand nun diese Aufführung statt? — Auf dem 
Titel des Liedes I A lesen wir von einem Pragerischen 
Comödi-Lied; — dies bezieht Tille auf das beigedruckte 
lyrische Lied V (Fauste, jene Himmelsgaben); er 
schreibt: 24: „Dass unter dem Pragerischen Comödi- 
Lied einzig Lied V zu verstehen sein kann, werden 
wir unter V des nähern sehen." Unter V heisst es 
dann S. 166, das Wort Comödi-Lied könne hier un- 
möglich Comödie bezeichnen, welches die einzige be- 



95 



legte Bedeutung des Wortes sei; „Comödi-Lied kann 
aber offenbar noch etwas anderes bedeuten, nämlich 
Lied aus einer Comödie, eingelegte Arie." 

^Der Satz (fährt Tille fort): wie solches ferner im 
Pragerischen Comödi-Lied zu vernehmen seyn wird, 
deutet sowohl durch ».ferner" als durch das fut. klar 
und bündig . auf die Zukunft — im Sinne des Schrei- 
benden oder mindestens in dem des Lesers. Es ist 
also hier auf ein Comödi-Lied hingewiesen, das dem 
Leser nach dem Lesen des Titels bekannt werden 
sollte. Da wir nun sehen, dass das Lied V sich in 
vielen Puppenspielen . . . erhalten hat ... so kann 
wohl kaum mehr ein Zweifel sein, dass mit dem Pra- 
gerischen Comödi-Lied eben Lied V gemeint ist, das 
ja ebenfalls von Fausts sündigem Bunde mit 
dem Bösen handelt." 

Den Beweis, den Tille auf S. 24 versprochen hat, 
dass das Pragerische Comödi-Lied nicht Lied I sei, 
das ja dem Leser ebenfalls nach dem Lessn des Titels 
bekannt werden soll, führt er, wie wir sehen, nicht. 
Er könnte so folgern, wie er es thut, wenn Comödi- 
Lied = Arie die einzige belegte Bedeutung wäre, das ist 
ja aber nicht der Fall, sie ist ebensogut reconstruiert 
wie jede andere, und dass nicht noch eine andere Be- 
deutung möglich wäre, hat Tille nicht erwiesen. Ich 
meine die Bedeutung: Comödien - Ballade , erzählendes 
Gedicht über eine Comödie. 

In diesem Falle wäre zwar das Lied einmal als 
„Ausführliche Beschreibung", sodann als „Pragerisches 
Comödi-Lied" bezeichnet, aber das stört bei der Lang- 
athmigkeit des Titels wenig, dagegen ist der Anschluss 
des Satzes vom Comödi-Lied in diesem Falle viel be- 



96 



friedigender als in dem von Tille angenommenen; „wie 
solches ferner im Pragerischen Comödi-Lied zu ver- 
nehmen sein wird", heisst dann nur: wie man es im 
Lied selbst noch weiter hören wird, wie es ja auch 
wirklich geschieht. Dagegen „vernimmt" man im Liede 
V nichts; eine Warnung des Engels an Faust kann 
an keinen Titel eines anderen Faustliedes mit der 
Phrase angeknüpft werden : „ wie solches femer zu 
vernehmen sein wird." — Gar keine Thatsache ans 
Fausts Leben wird in Lied V erwähnt. Auch scheint 
Tille nicht beachtet zu haben, dass der ganze Titel 
nur eine Paraphrase der ersten drei Strophen von I 
ist, dass jedes Wort des Titels sich beinahe in diesen 
vorfindet, und dass auch dem, „wie er auf dieser Welt 
die höllischen Geister geschoren hat, wie solches femer 
im Pragerischen Comödi-Lied zu vernehmen sein wird", 
die Worte der Sti'ophe 3 entsprechen: 

die Geister grausam exerciert, 
wie man hier vernehmen wird. 
Ich halte also das „Pragerische Comödi-Lied" für 
Lied I, resp. Vf, und dieses für ein Lied über eine 
Prager Aufführung; denn nur eine solche, glaube ich, 
kann damit gemeint sein. Von einer Prager Trappe 
ist nichts bekannt, sie ist auch nach den ethnogra- 
phischen und politischen Verhältnissen wenig wahr- 
scheinlich. Im ganzen XVII. und dem grössten Theil 
des XVIII. Jahrhunderts blieb das Drama in Böhmen 
importierte Waare. Eine sensationelle Prager Auffüh- 
rung erklärt übrigens eher als etwas anderes die Ueber- 
setzung ins Böhmische. 

Die Prager Comödie wurde also höchstwahrschein- 
lich in Prag von einer fremden Truppe gespielt und 



97 



verdankt ihre Bezeichnung der Umarbeitung, die 
in Prag vorgenommen wurde. Diese Umarbeitung 
bestand wohl in der Umbildung der Fragescene zur 
Kreuzscene, die wir schon charakterisiert haben, einer 
Umarbeitung, die so recht dem katholischen Süden 
entsprach, ebenso wie die Zauberkomödie dem Sinne 
der Prager. — 

Man könnte nun vermuthen, dass dieser letztere 
Zug auf italienischem Einflüsse beruht. Italienische 
Komödianten sind nun wirklich in Prag schon im 17.- 
Jahrhunderte bezeugt, nur sollte man nicht, wie noch 
oft geschieht, den Hanswurst von 1690 ernst nehmen. 
Von ihm datiert die Prager Hanswurstkomödie H^bl 
aao., Blass, das Theater und Drama in Böhmen S. 55; 
Teuber bemüht sich redlich, seinen Namen zu entdecken 
(Geschichte des Prager Theaters I, 91 flf.), ebenso ci- 
tiert ihn Arbes, und doch beruht unsere Kenntnis von 
ihm auf einer einzigen Quelle, dem Prager Wochen- 
blatt, „Ueber das Prager Theater" I (27. Juni 1772), 
das den Besprechungen der Prager Aufführungen 
eine Geschichte des Prager Theaters vorausschickt 
und beginnt: Im Jahre 1690 war es, da der erste 
Histrio . . . mit geprüftem Muthe, Melpomenen und 
sich auf flüchtigen Rädern nach Prag führte. Aber 
theurer Mann! Wie klein war dein Gefolg und wie 
niedrig dein Hofstaat. Der Prinzipal selbst in der 
erlauchten Person eines wälschen Hanswurst , sein Die- 
ner ein treuer Pierrot, sein Vater ein ehrwürdiger Pan- 
talon^ etc. etc. Man bedenke nur den Anachronismus, 
den der Verfasser begeht, indem er erst 1690 die theatra- 
lischen Vorstellungen in Prag beginnen lässt; — man vgl. 
das Citat auf S. 7. „ Der siebente Band seiner Commenten 

Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 7 



98 



über ein anderthalb Bogen starkes Manuskript , die zu 
Basel in gross Folio abgedruckt worden (S. 978 Nota 
c c c)" und wird nicht länger in der Hanswursthistorie 
eines Schöngeistes des vorigen Jahrhunderts eine 
historische Quelle sehen. Auch das Datum 1690 ist 
ein ganz willkürliches, etwas über dreissig Jahre vor 
dem Operntheater Sporcks. Es werden in einer andern 
Anmerkung sogar Aufzeichnungen des ersten Harlekins 
citiert. 

Interessant ist in dieser Theatergesciüchte ein 
Zeugnis für die Beliebtheit Fausts und die Existenz 
des Wagnerdramas in Prag: „Niemand machte einen 
so ansehnlichen Doktor Faust und niemand fuhr mit 
Wagnern so schnell durch die Lüfte, als wenn der 
Herr Prinzipal selber der Teufel war." 

Ueber das Auftreten von Italienern in Prag be- 
sitzen wir jedoch weit bessere Zeugnisse; im Jahre 
1686 kam Giovanni Nannini*) mit einer wälschen Ko- 
mödiantenbanda aus Baiem nach Prag; Faustauffüh- 
rungen nach diesem Termin könnte Euehlmann veran- 
staltet haben, der schon im Jahre 1675 und dann bis 
1694 fast jedes Jahr in' Prag spielte.*) 

Das Resultat unserer Untersuchung ist: es gab im 
XVn. Jahrhundert eine Faustaufführung in Prag, 
welche auf einer eigenen Umarbeitung beruhte. Diese 
Umarbeitung wurde zur Grundlage der böhmischen 
Uebersetzung und des Volksliedes vom Doktor Faust. 

Diese Prager Faustbearbeitung wird durch C in 
ziemlich treuer Weise repräsentiert; sie charakterisiert 



>) Teaber aao. I, 91. 

«) Teuber aao. I, 79, f. 87. 



90 



sich durch die Benützung Widmanns, infolge deren sie 
Faust aus Anhalt abstammen lässt, das sie ledoch wie- 
der mit. Mailand verwirrte. In dieser Fassung er- 
schien Faust vor Mephistopheles ein einziger Teufel 
(Auerhahn); der Königshof in Prag, falls dieser in der 
Vorlage stand, ward aus guten Gründen durch den von 
Persien oder Portugal ersetzt; in die Geistererschei- 
nungen drängte sich vielleicht schon ein biblisches Ele* 
ment hinein.; eine Freude an Maschinerien zeigten die 
Zauberscenen, Behagen an derbem Humor das Schies- 
sen nach dem Teufel. Die einschneidenste Aenderung 
war jedoch die Scene mit dem Malen des Kreuzes. 

Daneben hat die Fassung einen wichtigen Zug, 
welcher zeigt, dass sie dem Original des deutschen 
Yolksschauspiels noch recht nahe steht, sie hat die 
Namen der Studenten aus Marlowe bewahrt. Einige 
andere Züge stimmen mit Berichten aus dem 17. Jh., 
mehrere mit der Fassung U überein. 

Die komischen Scenen sind in dieser Bearbeitung 
mit viel Behagen ausgeführt, bleiben aber noch auf 
dem Standpunkte des älteren Yolksschauspiels, dass die 
komische Person sich nicht über die Stellung eines 
Zwischenspielers erhebt. 

Nachdem wir so C als alte und ungetrübte Gestalt 
des Yolksschauspiels kennen gelernt haben, haben wir 
auch den Massstab für die Beurteilung von N ge- 
wonnen ; dieses gehört ganz entschieden derselben 
Gruppe an, zeigt jedoch mancherlei Abweichungen ; — 
so kennt Faust den Namen der Studenten nicht, ^hält 
sie vielmehr für Teufel (0); die Aufnahme Kasperls 
durch Faust folgt gleich auf die durch Wagner (A). 
Faust richtet sich nach der Geschwindigkeit der Teufel; 

7* 



100 



er zweifelt an der thatsächlichen Gedankenschnellig- 
keit, weil seine Gedanken längst bei Pluto sind (0); 
Mefistofilus will nur 24 Jahre dienen; er lacht, wie 
Faust mit Tinte schreiben will (G), der Punkt vom 
Kreuze fehlt; Faust erinnert sich des Geistes, worauf 
dieser erscheint (A u. a.); er stellt sich mit „Emprezio" 
vor; vor der Abfahrt verlangt Mefistofilus, Kasperl 
solle sich ihm verschreiben oder Bruderschaft mit ihm 
trinken (A); von Parma will Kasperl nach Hause 
gebracht werden, er wird mit dem Topfe geneckt (A); 
Faust fragt nach der Seligkeit des Himmels (A), er 
kniet auf offener Strasse (A); das schöne Frauen- 
zimmer ist Helena, es schlägt bloss von 11 bis 12 
(O); Faust will die Kleider tauschen, um seine Schuld 
zu bezahlen; Kasperl soll von Teufeln geholt werden, 
schlägt sie jedoch in die Flucht. — 

Am auffallendsten sind die Uebereinstimmungen 
mit A, es muss N von A oder einem ähnlichen Pup- 
penspiele stark beeinflusst sein; Ö ist bekanntlich 
compiliert, die Coincidenzen mit diesem können also 
auf einer anderen Fassung von A beruhen. Wie 
steht aber A selbst zu C? 

Während E sich deutlich als ein Zweig der andern 
Bearbeitung zeigt, die wir constatiert haben, greifen 
mehrere Zfige von A in unsere Bearbeitung herüber; 
so das Kreuz hinter einem Baum, der sich zuweilen 
teilt, die Meldung Hanswursts, „die Leute sagten, 
Faust werde der Teufel holen** ; der Rabe, der auf dem 
Dache sitzt und mit der Taube kämpft ; — durch diese 
Zfige wird A als eine Art Mittelglied beider Fassungen 
hingestellt; zugleich repräsentiert es den Beginn des 
grösseren Interesses, das Hanswurst auf sich zieht, von 



101 



dem es mir jedoch fraglich ist, ob wir zur Erklärung 
desselben eine vollständige Wiener Bearbeitung an- 
nehmen müssen; eine ähnliche Bedeutung, wie sie 
Creizenach dieser zuschreibt, hätte dann die Prager Bear- 

V 

beitnng gehabt, deren Repräsentant gegenwärtig nur C ist. 



Johannes Doktor Faust. 

(Doktor Faust) 

Schreckliche Komödie mit Teufel 
und noch schrecklicherer Höllen- 
fahrt des armen Faust bei schau- 
derhaftem Feuerwerk und grau- 
envollem Donnerwetter. 

Trauerspiel 

in VI Aufzügen • 

[von "1 
A. B. J 

Prag, Verlag des Heraus- 
gebers — 1862. 
Personen: 

Der König von Portukäl. 

Johann Doktor Faust. 

Wagner, — sein Famulus. 

Pimprle. 

Vomäcka 

Cubicär 

Der Hausknecht. 

Mefistofeles 

Pik 

Engel. 

Höflinge. 



Doktor Faust. 



Bauern. 



Höllenleute. 



Drama in vier Aufzügen. 



Person en: 

Doctor Jan Faust aus Mailand. 

Fakner, sein Diener. 

Der persische König. 

Frolina seine Tochter. 

Kasperl, Schneider dann Diener 
bei Faust. 

Mesistofl, Felsgeist. 

Zwei Minister des persischen 
Königs. 

Engel. 

Böse Geister. 

Eine Jungfrau. 

Ort der Handlung : Fausts Haus, 

ein felsiges Thal, und der Gar- 
ten des persischen Königs. 



103 



I. Anfzttg. 



■) 



I. Scene. 

Faust (sitzt in seinem Saale 
an einem Tisch, auf dem ein 
grosses Bnch — plötzlich steht er 

auf). Obgleich ich mich 
schreibe Johannes Dok- 
tor Faust, nicht aber Dok- 
tor der Medizin oder der 
Rechte sondern Doktor der 
heiligen Schrift Ausleger 
und Zusammenleger ; so 
werde ich dennoch nicht 
vei^essen, dass ich eines 
armen Taglöhners Sohn bin, 
d^r in Wittenberg geboren, 
in Mailand unterthänig war, 
und von welchem ich nicht 
die geringste Beihilfe er- 
hielt. 



Jedoch wenn ich jetzt 



Erster Aufzug. 

(Kammer im Hanse Faasts; 
in der Mitte ein Tisch und da- 
rauf ein Buch, aus dem Faust 
liest.) 

I. Scene. 
Faust (liest): „Abijo 
pernyk kvam latina evektus 
pro^ kuratibus doktro, non 
doktor medicin non jurice 
cakrede skriptures eduka- 
kvam doktor Faust hony 
blisi jo majstrato koproru- 
ceris. " — Durch meine 
Gelehrsamkeit bin ich über 
alle so erhöht, dass ich mich 
schreiben kann Doktor und 
zwar nicht Doktor der Me- 
dicin oder Doktor der Rechte 
sondern Doktor der heili- 
ligen Schrift. — Wahr ist 
es zwar, dass ich von ei- 
nem Vater stamme der 
ein Taglöhner in Mailand 
war, ich aber hatte zu 
meinem hohen Studium von 
ihm keine Hilfe. Bisher 
jedoch bin ich mit mir sel- 
nicht zufrieden, gerade so, 
wie es in der gegenwärti- 
gen Zeit in der Welt über- 
all zugeht. Denn fragen 
wir den Bauern, ob er mit 



104 



einen Bauern frage: Bist 
du, Bäuerlein, mit deinem 
Stande zufrieden? sagt er: 
Nein, ich wollte lieber Ba- 
ron sein. Der Baron ant- 
wortet: Ich wäre lieber 
Graf. Der Graf sagt: 
Ich wäre lieber Fürst, der 
Fürst König, der König 
Kaiser ; keiner ist mit sei- 
nem Stande zufrieden: so 
wirst auch du Faust, mit 
deinem Stande nicht zu- 
frieden sein. 

Engel (ruft von der rechten 

Seite): Faust, Faust, weihe 
dich der Schule Theologie, 
dein -Glück und Zufrieden- 
heit wirst du erwerben. 

Faust. Sita, was ruft 
da von der rechten Seite, 
ich solle mich der Schule 
der Theologie weihen, ich 
habe ja diese Schule schon 
absolviert, soll ich in sie 
denn noch eintreten. 



Teufel (ruft von der linken 



seinem Stande zufrieden 
sei, so giebt er uns zur 
Antwort, dass er gern 
Edelmann wäre ; der Edel- 
mann wollte Baron sein, 
der Baron Graf, der Graf 
Fürst, der Fürst König, 
der König Kaiser, und die- 
weil kein Mensch sich be- 
gnügt, mit dem was er ist, 
so wirst auch du, Faust, 
in deinem Stande nicht 
zufrieden sein, so lange 
du nicht eine noch höhere 
Würde erlangst. 

Stimme (von der rechten 

Seite): Faust, begib, dich 
in die Schule „Teolokyje", 
du wirst auf der Welt 
glücklich sein. 

« 

Faust. (Sich umsehend, 

horcht): Welch eine unbe- 
kannte Stimme? Ich soll 
in die Schule teolokyje 
gehen, um in der Welt 
glücklich zu sein? — Ich 
habe ja die Schule teolo- 
kyje längst a 1 so 1 viert 
und hoffe, dass ich in ihr 
keinen Fehler gemacht 
habe. 

Stimme (van der linken 



105 



Seite): Brrr! Faust, Faust, 
weihe dich der Schule der 
Diogramantik, auf der Welt 
wirst du das glücklichste 
Leben führen, auch über 
Fürsten wirst du herr- 
schen, und Gold, Silber 
wirst du die Fülle haben. 



Faust. Sita, was höre 
ich da von der linken Seite, 
ich solle mich den Schulen 
der Diogramantik widmen, 
dann sollte ich alles die 
Fülle haben, und auch über 
Fürsten herrschen. Die 
linke Seite, die behagt 
mir; sicher, sicher werde 
ich ihr nachgehen. (Es klopft 

an die Thttre). Herein. 



n. Scene. 
Wagner. Offizienz, Ih- 
ro Gnaden, bei unserem 
Hause stehen zwei Studen- 
ten, die ein nicht kleines 
Buch unter dem Arme hal- 
ten, sie wollen nicht früher 
fortgehen, bis sie nicht mit 



Seite): Faust, verlass die 
Schule Theologie, folge mei- 
nem Bathe, und begib 
dich in die Schule „Ele- 
kramantik. ^ Ueber alle 
Fürsten und Könige wirst 
du geehrt sein, von allen 
verborgenen Schätzen wirst 
du auch wissen, falls du 
nach meinem Bathe thnn 
wirst. 

Faust. Welch eine 
Stimme wieder von dieser 
linken Seite? Sie fordert 
mich auf, die Schule teolo- 
kyje zu lassen und in die 
Schule Elekramantik zu 
gehen, da würde ich von 
allen verborgenen Schätzen 
erfahren. Ja, ich bin ge- 
zwungen die rechte zu las- 
sen, und der linken Seite 
zu gehorchen. So werde 
ich auf dieser vorschreiten, 
n. Scene. 
Fakner. Faust. 

Fakner (klopft aussen an 
die Thüre). 

Faust. Weiter, weiter ! 

Fakner (tritt mit einer Ver- 
beiigimgein).Ew.QnadenI neh- 
metesmchtflbel,das8ichluer 



106 



Ihro Gnaden gesprochen 
haben. 



Faust. Mein getreue- 
ster Diener Wagner! hast 
du sie denn nicht um ihre 
Namen gefragt? 

Wagner: Ihre Namen 
weiss ich, der eine heisst 
Fabricius, der andere Cor- 
nelius. 

Faust. Gewiss sind das 
die zwei Studenten, die in 
die Schule der Diograman- 
tik eingetreten sind, ich 
werde sie also fragen ge- 
hen, was sie wohl wün- 
schen. (Beide ab.) 



III. Scene. 
Pimperle.O Jemine, Je- 
mine ! Ah, unterthänigst 
begrüsse ich das ganze 
werte Auditorium, g'ho- 
schamste' Diene', g'ho- 
schämste' Diene'. Was 
bin ich schon herumgelau- 
fen, habe meine Fttsse ab- 



eintrete! ich nielde zwei 
fremde Studenten die unten 
vor dem Hause stehen, und 
mit Ew. Gnaden sich zu 
unterreden wünschen. 

Faust. Zwei Studenten? 
Wie sie heissen das weisst 
du nicht? 

Fakner. Ich habe ihr 
Gespräch angehört , und 
aus dem habeich erkannt, 
dass einer Antonijus, der 
andere Fabricijus heisst. 

Faust Antonijus? Fa- 
bricijus? 0, das sind die 
Studenten, die mir längst 
Nachricht von sich gege- 
ben haben, dass sie mich 
gern besuchen würden. 
Also gehen wir, dass wir 
sie bei uns begrüssen. 

(Ab mit Fakner.) 

III. Scene. 
Kasperl 

(Hat einen dreispitzigen Hut auf 
dem K(^fe, einen langen Frack 
mit grossen Knöpfen, kurze Ho- 
sen und Strümpfe; SchnaUen- 
schuhe; Unter dem Hute wackelt 
ihm hinten ein langer Zopf mit 
einer Masche am Ende). 

Er ist nicht zu Hause 



107 



strapaziert, und es nützt 
nichts; ich will etwas zu- 
lernen, und es ist nicht 
möglich. Aber, schakulin* 
te, ich weiss, woran das 
liegt, es haben mirs meine 
Pathen in die Windel 
gebunden, dass ich immer 
ein kleiner Dummkopf 
bleiben soll Aber ich 
höre, dass hier herum 
Johann Doktor Faust zu 
gehen pflegt, fiberall Schrif- 
ten hinter sich zarücklässt 

(flieht dasTiBchchen mit deuiBuche) 

He, he, he, das ist ein klei- 
nes Buch, das wird gewiss 
Doctor Fausts sein. Ich 
muss mir ansehen, was 
darin geschrieben ist , 
(liest) i kakraherte — das 
ist ein. schönes Stücklein, 
wie man aus Gerste Hir- 
sebrei und aus Hirsekorn 
Graupen machen soll, ( liest 
weiter.) Dass dich die Pest ; 
da steht, wie man ver- 
renkte Jungfräulein ein- 
richten soll, und wie viele 
gibt es zum Einrenken. 
(liest.) Ha, ha, ho, das ist 
wieder ein Stfickel, wie 



— Ich werde also warten, 
und bis er kommt, werde 
ich vielleicht mit ihm über 
die Entschädigung einig, 
die er mir zugesagt hat 
für die Unhöflichkeit des 
Katers, der mir vom Wand- 
schrank ins Gesicht sprang, 
als ich seinem Herrn die 
Bittschrift überreichte. (Hat 

sich dem Tische genähert, er- 
blickt das Buch). Aha! da ist 
wieder etwas zur Schärf ung 
des Gehirnes. Hier könnte 
ich noch etwas zulernen 
und diesen meinen dummen 
Kopf mit etwas Weisem 

sättigen. (Ins Buch blickend) : 

Das hier steht geschrieben, 
„nuÄe frnuÄe*" — Eine 
gute Arbeit das. — „Ca- 
kante vante". — Na, na, 
ich sag's ja. — „Moce ko- 
ce** — Nein, das soll 
der Ziegenbock verstehen, 
wenns lateinisch ist. — 
Jetzt wende ich ein Blatt 
um. — Aha, da ist auch 
ein böhmisches Stückchen 

— Neunte Kachel von der 
Thüre. Wenn einer aus 
einem alten Mütterchen 



108 



man aus alten Junggesel- 
len jttngere macht. -^ Aber 
das kann ich mir nicht 
alles merken, weil das nicht 
alles in meinen Kopf hin- 
eingeht. Ich weiss, was 
ich thne, ich werde mich 
darauf setzen, und es wird 
in mich hineinkriechen wie 
Ameisen. (Seüst sich anfg 
Buch.) Bravo — hier sitzt 
sichs schön. 



eine Junge machen will. 
— jetzt haben wir viele 
alte Mütterchen, die gerne 
jung würden und heirate- 
ten. Da werde ich etwas 
Geld verdienen! 

Zuvor aber muss ich mir 
das Mittel durchlesen. — 
„Wer aus einem alten Müt- 
terchen ein junges machen 
will, der muss folgende 
Zubereitung dazu nehmen. 
Am 25. November, wenn 
die Erlenblätter von den 
Erlen fallen, sammelt man 
sie u. lässt sie in einem tüch- 
tigen Kessel kochen. Dann 
brüht man darin das Müt- 
terchen ab, damit die Fal- 
ten heruntergehen. Pro- 
batum est.^ — Das muss 
ich mir notieren, (sucht in 

den Taschen, aber da er nichts 
gefiinden hat, notiert er in den 

Hut.) — Was ist denn 
noch mehr darin (liest). 



109 



IV. Scene, 

Wagner. I, du Grobi- 
an, wer hat dir das denn 
erlaubt, dass du dir aus 
meines Herren Tischchen 
einen Sitz gemacht hast. 

Pimp. Bohrspatz, ich 
selber. 

Wagner. Das weiss 
ich, dass du selber, aber 
den Rath gebe ich dir, dass 
du von diesem Buche her- 
unter gehst, ehe mein Herr 
kommt. 



Da steht wie ein altes 
Weib hexte und aus Ger- 
ste Graupen machte — 
no, das ist sehr dumm, 
und das werde ich gar nicht 
lernen. — und dann ist 
dessen im Buche sehr viel, 
ich w&rde eins ums andere 
vergessen, und darum werde 
ich es anders machen. Ich 
werde mich auf das Buch 
setzen, so werde ichs in mich 
ziehen, und was ich dann 
brauchen werde , werde 
ich in den Kopf treiben. 

(Setzt sich aufs Bach, legt den 
Finger an die Stirne) So, jetzt 

studiere ich. 

IV. Scene. 
Fakner. Easperl. 

Fakner. Ho, ho, du 
Kerl! Wer hat dir die Er- 
laubnis gegeben, dass du 
dir aus dem Buche meines 
Herrn einen Sitz machst. 

Kasperle. Sevecistin 
eko est premija jury. 

Fakner. Was redest 
du da? 

Kasperle. Ich weiss 
selber nicht, was ich rede, 
wenn ich studiere. 



110 



Pimp. Ist denn dieser 
dein Herr ein grösseres 
Thier als du? 

Wagner. Was würde 
schon ein solches Thier gel- 
ten, wenn es so klein wäre 
wie du? — 

Pimp. Herr, nicht viel ; 
aber wenn es so gross ist 
wie du, so gilt es sicher 
dreimal so yiel. 

Wagner, (packt Pimper- 
le und wirft ihn hinunter) Wirst 

du wohl gehen? du Gro- 
bian, ich bemerke, dass du 
ein Schelm bist; hättest 
du wohl Lust, dich in meinen 
Dienst aufnehmen zu lassen ? 

Pimp. I, warum denn 
nicht? dienen werde ich 
genug, bekomme ich Klei- 
dung und Livree, Geld und 
Bezahlung, Essen und Kost, 
so diene ich genug. Ich 
bitte dich aber, was bist 
du für ein Ding? 

Wagner, Ich bin Jo- 
hann Doktor Fausts Lakai. 

Pimp. I, dass dich die 
Pest, ich dachte das du 
selber Herr bist. Aber ich 
werde dir etwas sagen, diene 



Fakner. Jetzt, du Fre- 
cher, befehle ich dir, früher 
herunter zu gehen; ehe mein 
Herr kommt. Glaube mir, 
dass das ein guter Rath ist. 

Kasperl. (spöttisch) Ist 
denn dein Herr ein grö- 
sserer Flegel als du? 

Fakner. Grobian ! 
Spricht man so von meinem 
Herrn ? — Doch was gilt ein 
solcher Narr wie du bist? 

Kasperle. So einer gilt 
wenig, aber so einer, wie 
Ihr seid, gilt für einige 
solche, wie ich bin. 

Fakner. Ich sehe und 
höre, dass mir deine Person 
nicht grob zu sein scheint. 
Nun, wolltest du nicht bei 
mir dienen? 

Kaperle. Mit Freuden, 
aber unter der Bedingung, 
dass ich Geld und Bezah- 
lung, Livree und Kleidung 
bekomme. Dienen werde: 
ich genug. 

Fakner. Das versteht 
sich, dass du das bekommst; 
komm jetzt, und ich will 
dich bei meinem Herrn an- 
melden. 



111 



du mir. Ich gebe dir diese 
alte Livree und werde sel- 
ber hinter dem Ofen sitzen. 

Wagner. Scherz bei- 
seite, wenn du Lust hast, 
zu dienen, so will ich dich 
bei meinem Herrn anmel- 
den (ab). 

Pimp. Dass dich die 
Pest, der würde mir so viel 
vorschwalbeln, bis ich nicht 
wüsste, ob ich ein Mädel 
oder ein Bub bin ; — aber 
das wird das beste sein, 
wenn sichs der Diener mit 
dem Herrn selber ausmacht. 

(ab). 



V. Scene. 

Faust. Da ich nunmehr 
den vollständigen Bericht 
von den zwei Studenten be- 
kommen habe, die das nicht 
kleine Buch unter dem Arm 
hatten, so will ich auch 
darnach vorgehen. Nun- 



Kasp. Seid Ihr denn 
nicht selber der Herr? 

F a k n e r . Ich bin Dok- 
tor Fausts Diener. 

Easp. (halblaut) Das ist 
ein ganzer Narr, ein Diener 
wirbt einen Diener und wer 
wird zuletzt mich bedienen ? 

(zu Fakner) Wisst Ihr was, 

Freund? Dient Ihr mir eine 
Woche, ich werde wieder 
die andere Woche bei Euch 
dienen. Ihr gebt mir Euer 
Kleid und Bezahlung, ich 
Euch das meinige. 

Fakner. Lass jetzt die 
Scherze, und wenn du willst, 
so komm, dass ich dich beim 
Herrn anmelde. 

Easp. No, jetzt sehe 
ich mich schon als Eammer- 

diener. (Neigt sich selbstgefällig 
nnd geht mit Fakner ab.) 

V. Scene. 

Faust (mit einem Buche in 
der Hand.) 

Wohin ich immer gehe, 
führe ich immer auf dem 
ganzen Wege einen Disput 
mit meiner Seele, welche 
mir verspricht, abotibise se- 



112 



mehr soll ich in tiefe Wäl- 
der gehen, wo mich kein 
menschliches Geschöpf er- 
blicken würde; ich soll mir 
einen Kreis machen lassen 
und daranfalle himmlischen 
Planeten aufmalen. Wag- 
ner, stelle dich zum Dienste. 



VT. Scene. 

Wagner. Was befehlen 
Sie, Offtcienz, Ihre Gnaden? 

Faust. Mein Wagner, 
jetzt wirst du gehen und 
mir Pinsel und Farben 
verschaffen. 

Wagner. Officienzihro 
Gnaden, Pinsel und Farben 
habe ich selber, falls sie 
Ihnen nach Gefallen sein 
werden, so werde ich sie 
Ihnen geben. 

Faust. Da du also diese 



kretorijum, das ist. dass mir 
alle verborgenen Schätze 
sichtbar sein werden. Die 
gehörige Belehrung darüber 
habe ich auch von jenen zwei 
Studenten erhalten ; die ga- 
ben mir in die Hand dieses 
Buch, nach dem mein Herz 
lange sich sehnte ; denn mit 
seiner Hilfe kann ich alle 
Geister aus dem Abgrund 
auf diese Welt berufen. 
Das Büchlein sagt mir, dass 
ich mir einen Kreis malen 
soll, aus welchem es mir 
möglich sein wird, alle Geis- 
ter zu berufen. (Klingelt.) 

VI. Scene. 

Fakner. Faust. 

F akner. Ich stehe zu 
Diensten, Ew. Gnaden. 

Faust. Mein geliebter 
Fakner! Geh mit einem 
Compliment von mir zum 
Maler, und richte ihm aus, 
er solle so gut sein und mir 
seinen Farbenreibstein und 
Pinsel borgen. 

Fakner. Ew. Gnaden, was 
den Stein und den Pin- 
sel anbelangt, so habe ich 



113 



Sachen selber hast, also 
komm und hilf mir maier,. 

(Der Vorhang fällt.) 



IL Aufzug. 



1. Scene. 

(Tiefer Wald.) 
Faust (steht im Zauher- 

kreis) . Die weil ich also schon 
in dem Kreise stehe, so 
werde ich euch, ihr höl- 
lischen Geister, auf diese 
Welt citieren. Ich be- 
schwöre euch daher zuerst 
durch Strik, Pik, Mefistofl, 
Auberon und Pluto, dass 
ihr her vorstellet einen, 
von dem meine Schrift 
viel erzählt. 



beides in meinem Hause. 
Wenns beliebt, so werde 
ich Ew. Gnaden beides 
geben. 

Faust. Ausgezeichnet, 
das trifft sich mir gerade. 
Die Sicherheit meines Le- 
bens, d. i. den Kreis wirst 
du mir grundieren , den 
Best muss ich selber mir 
ausarbeiten. 0, glücklich 
werde ich auf der Welt 
sein, glücklich! (Ab und 

der Vorhang fällt.) 

Zweiter Aufzug. 

(Felsiges Thal. Auf den Felsen 

zerstreut Eulen und Käuze. Der 

Donner roUt, Blitze kreuzen 

sich und der Wind heult.) 

1. Scene. 
Faust 

(kommt, umgürtet mit einem 
breiten Gurt, auf dem alle Pla- 
neten gemalt sind. Umgeworfen 
hat er einen breiten Kreis, eben- 
falls mit den Planeten geziert; 
den legt er auf die Erde und 
tritt hinein). Schon bin ich 
also am gewünschten Ziele. 

(Zieht ein hinter dem Gürtel 
steckendes Buch hervor und, 
nachdem er es geöffnet, beginnt 
er zu lesen; der Lärm des Ge- 



Kraus, Böhm. Puppenspiel Faust. 



8 



114 



2. Scene. 

Pik (kommt geflogen) . BlTF ! 

Faust, was begehrst du? 

Faust: Sage mir an, 
du höllische Furie, welche 
Schnelligkeit hast du in dir? 

Pik. Brrria, Faust, ich 
habe eine solche Schnellig- 
keit in mir, dass ich einen 
Sbhuss in meinen Rachen 
fange und dir ihn in deine 
Hände zurück fibergebe. 

Faust. Das ist eine 
schöne Geschwindigkeit , 
aber du höllisches Unge- 
heuer, melde mir, wie dein 
Name ist. 

Pik. Mein Name ist Pik. 

Faust. Du erzhöllische 
Furie, fliege zurfick, denn 
in der ganzen brennenden ' 
Hölle muss es einen geben, 
der schneller ist als du. 

Pik. Brrr (fliegt davon). 

3. Scene. 
Faust. Ich beschwöre 

euch also zum zweiten 
male durch Strik, Pik, 
Meflstofl, Auberon und Pluto, 
stellt her einen vor, von 
dem meine Schrift viel 
erzählt! 



witters und die Blitze vermehren 

sich.) „Mala dyke vos in- 
fernalijis tia bolito huka- 
dyto." — „Entlasst mir einen 
Geist aus dem Abgrunde, 
von dem mein Buch schreibt, 
dass er Schnelligkeit viel 

besitzt." (Das Winseln wächst 
mit Gewitter und Blitzen. Feu- 
rige Eulen umhttpfen den Kreis, 
in welchem Faust steht; dieser 
liest weiter.) „Ich beschwöre 
euch zum andern male. — 
Stryks romilo karam Pluto 
aram auron estovüo. — 
Mesistofl — pihike." 

(Das Gewitter heruhigt sich, 
die Eulen und Käuze verschwin- 
den, und es erscheint Mesistofl 
in grünem Gewände mit einer 
schwarzen Feder am Hute.) 



2. Scene. 

Mesistofl. Faust. 

M e s i s 1 f 1. Faust, was 
begehrst du? 

Faust. Melde mir, welche 
Geschwindigkeit du in dir 
hast. 

Mesistofl. Ich bin so 



115 



Mefistofl (fliegt herbei 
unter Blitz und Donner) : Brrria, 

— Faust, was begehrst 
du? 

Faust. I, du erzhöl- 
lisches Ungeheuer , zeige 
mir an, welche Geschwin- 
digkeit du in dir hast. 

Mef. Brr, ich habe eine 
solche Geschwindigkeit , 
dass ich, brrr im Gedanken 
einen Menschen mache. 

Faust. Das ist eine 
schöne Geschwindigkeit, im 
Gedanken einen Menschen 
zu machen, aber melde 
mir, du höllischer Geist, 
wie dein Name ist. 

Mef. Mein Name ist 
Mefistofl, fiber mich findest 
du in der ganzen brennen- 
den Hölle nichts an Schnel- 
ligkeit. 

Faust. Gut hat mir 
das kleine Bfichlein gesagt, 
dass in der ganzen bren- 
nenden Hölle nichts über 
dich sein soll. Mefistofi, 
wolltest du nicht zu mir 
dich inDienst dingen lassen ? 

Mef. Brrr. Faust, das 
kann ich allein nicht machen, 



geschwind wie der Gedanke 
des Menschen, und mein 
Name ist Mesistofl. 

Faust (der bisher in sein 
Buch geschant hat) : Mesistofi, 

dein Name und deine Ge- 
schwindigkeit stimmt mit 
meinem Büchlein tiberein. 
Wie lange wolltest du, 
Mesistofl, auf dieser Welt 
für meine Seele mir dienen? 

Mesist. Zehn Jahre 
würde ich dir dienen. 

Faust. Zehn Jahre, 
das ist wenig für mein 
Alter; willst du aber auf 
sechsunddreissig Jahre in 
meinenDienst treten, so will 
ich als Belohnung dir dann 
Körper und Seele geben. 

Mes. Auf eigene Faust 
darf ich das nicht thun, 
denn ich muss früher un- 
sern Leiter fragen, was 
mir erlaubt sein wird. 

Faust. Tritt also ab 
und frage nach allem gut! 

(Liest im Bnche.) 

Mesistofl ( verschwindet 
unter Gewitterlärm , erscheint 
jedoch augenblicklich wieder). 

Faust. Eine sichere 



116 



danach mässte ich erst 
uBsern Fürsten Plut^ fra- 
gen, brrr, ob er mir dazu 
die Erlaubnis gäbe. 

Faust. Trachte also, 
du höllischer Geist, deinen 
Fürsten Pluto zu fragen, 
ob er dir die Erlaubnis 
gäbe ; in kurzer Zeit komm 
mir mit der Antwort. 

Mef. Brrr! (fliegt fort 
ithd im Augenblick wieder her- 
bei.) Brrr! Faust, schon 
habe ich die Bewilligung 
erhalten, aber Fürst Pluto 
hat sich von dir 5 Punkte 
ausbedungen. Wenn du ihn 
diese halten willst, so sollst 
du mich in deinen Dienst 
bekommen. 

Faust. Du höllisches 
Ungeheuer, wer weiss, wie 
schwere Punkte sich dieser 
Fürst Pluto auf mich aus- 
gedacht hat. 

Mef. Brrr! Faust. Das 
1. Punkto ist: Du sollst 
dich nach dem Kreuze 
nicht umsehen, und deines 
Gottes soll^ du vergessen : 
Der 2. Punkt: Du sollst 
nicht in die Kirche gehen, 



Wahrheit ist's, dass in der 
Welt nichts schnelleres ist 
als der menschliche Ge- 
danke. — Bist du schon 
hier, getreuer Diener? 



Mes. Faust, ich habe 
die Erlaubnis bekommen 
und darf dir die ganze 
Zeit dienen, wenn du nur 
die Punkta wirst halten 
wollen, welche der Leiter 
des Abgrundes von dir 
fordert. 

Faust. Ihr habt auch 
Punkta? Lass mich den 
ersten Punkt also hören! 

Mes. Der erste Punkt 
ist, dass du dich die ganze 
Zeit nicht waschest, die 
Nägel dir nicht schneidest 
und die Haare nicht käm- 
mest. 

Fftust. Das kann ich 
nicht annehmen, wenn ich 
meinen Köi^per nicht rei^ 
nigte, würde ich in kurzer 
Zeit grauslich aussehen. 



117 



noch in deinem Blichlein 
beten. Der 3. Punkt: 
Ueppigkeit des Körpers 
gestattet er; eine Gemah- 
lin zu nehmen, verbeut er. 
Der 4. Punkt: Du sollst 
deine Haare und Nägel 
nicht schneiden, noch dich 
waschen. Brrr! Das fünfte 
und letzte Punkto: Du 
sollst mir mit deinem ei- 
genen Blute unterschreiben, 
dass nach Ablauf von 36 
Jahren du mir deine Seele 
und Leib geben willst. 

Faust. Gott , welch' 
schwere Punkte hat dieser 
Fürst Pluto auf mich er- 
dacht, ich soU mich nach dem 
Kreuz nicht umsehen, und 
meines Gottes soll ich ver- 
gessen! I, du erzhöllisches 
Ungeheuer, er ist ja doch 
die höchste Güte. 

Mef. Ihr habet es ja 
doch in euem Büchern 
geschrieben, dass man zwei 
Herren zugleich nicht die- 
nen kann, den einen oder 
den andern musst du ver- 
lassen. 

Faust. Das ist wahr. 



Mes. Unser Pluto hat 
es gleich gesagt, dass du 
das nicht wirst annehmen 
wollen, er sagt dir abör 
zu, wenn du dich nicht 
reinigen werdest, werdest 
du schöner sein als früher. 

Faust. Auf dies Ver- 
sprechen hin willige ich 
ein. Wie ist der 2. Punkt? 

Mes. Der zweite Punkt 
ist, dass du nicht in 4ie 
Kirche gehen, noch in dei- 
nem Buche beten darfst, 

Faust. Das nehme ich 
wieder nicht an, denn ich 
würde ein Gelächter von 
den Mailänder Bewohnern 
ernten , dass ich als 
Doktor der heiligen Schrift 
nicht einmal in die Kirche 
gehe. 

Mes. Dir ist es nicht 
nothwendig, in die Kirche 
zu gehen, auf deinem Platze 
und in deiner Gestalt wird 
dort ein anderer sitzen. 
Darum kümmere dich also 
nicht. 

Faust. Ich bin zufrie- 
den. Sage mir den dritte 
Punkt. 



118 



Wenn ich einen andern 
Herrn suche, so muss ich 
den ersten verlassen; ich 
gehe dir also auf diesen 
Punkt ein. Der zweite 
Punkt, ich soll nicht aus 
meinem Buche beten, noch 
in die Kirche gehen ; 
du erzhöllisches Ungeheuer 
was würden denn die Wit- 
tenberger Bürger sagen, 
wenn sie mich jetzt zum 
Beispiel als ersten in die 
Kirche und als letzten aus 
der Kirche gehen sehen. 

Mef. Brrr! Faust! Ich 
will dir in deinen Stuhl 
eine Person setzen, welche 
dir in allem, auch im Be- 
ten, gleich sein soll. 

Faust. Kannst du das 
vollbringen ? 

Mef. Brrr! Faust, das 
ist das geringste. 

Faust. Also willige 
ich dir auch in diesen 
Punkt ein. Der dritte 
Punkt erlaubt Ueppigkeit 
des Körpers; eine Gemah- 
lin zu nehmen, verbietet 
er. Das ist gut, das macht 
mir keine Scrupel, Der 



Mes. Der dritte Punkt 
ist, dass du dich nach dem 
Kreuz nicht umsehen darfst. 

Faust. Nein, das geht 
nicht, an diesem Zeichen 
des Kreuzes hängt die lau- 
tere Güte. 

Mesistofl. Zwei Her- 
ren aber kann niemand 
zugleich dienen; du suchst 
einen andern, und also 
musst du einen verlassen. 

Faust. Nach der Schrift 
bin ich gezwungen, so zu 
tun, und trete zu dir. 

Mes. Der vierte Punkt 
verbietet dir, eine Gemah- 
lin zu nehmen. 

F au s t. Davon werde 
ich gar nicht sprechen. 

Mes. Der fünfte und 
letzte Punkt ist: Mit dei- 
nem Blute wirst du dich 
mir unterschreiben , dass 
nach Ablauf der Zeit du 
deinen Körper, und deine 
Seele für meinen Dienst 
mir geben wirst. 

Faust. Das kann ge- 
schehen, lieber Geist! Aber 
wie soll ich mir zu Blut 
helfen? Ungern würde ich 



119 



vierte Punkt, ich soll mei- 
ne Haare und Nägel nicht 
schneiden, noch mich wa- 
schen! I, du erzhöllisches 
Gespenst, ich wäre ja in 
kurzer Zeit ganz dir ähn- 
lich. 

Mef. Brrr! Faust, je 
länger du dich nicht käm- 
men und deine Nägel nicht 
abschneiden wirst, desto 
schöner und schmucker 
wirst du sein. 

Faust. Kannst du das 
vollbringen ? 

Mef. Brrr! He, Faust, 
das ist das geringste. 

Faust. Also trete ich 
dir auf diesen Punkt auch 
bei. Von dem fünften 
und letzten jedoch wirst 
du mich nicht tiberzeugen. 
Soll ich meinen eigenen 
Körper schneiden und mir 
dadurch Schmerz machen? 
Du höllischer Geist: ich 
habe von klein auf, seit 
ich in der Schule das Schrei- 
ben gelernt habe, nicht 
den geringsten Schmerz 
an meinem Körper gefühlt. 

Mef. Brrr! Faust, ich 



meinen Körper hindern, 
darum, weil ich mein Leb- 
tag an meinem Körper 
auch nicht den mindesten 
Sehmerz gespürt habe. 
Jetzt aber sollte ich we- 
gen der Unterschrift des 
Contractes meinen Körper 
schneiden? — Nein, das 
tue ich nicht. 

Mes. Es ist dir das 
auch nicht nöthig; gib 
deine Rechte her, und ich 
werde ohne Schmerz dir 
aus ihr Blut heraussaugen. 

Faust. Hier reiche ich 
dir meine Hand, aber dass 
ich nicht den mindesten 
Schmerz fühle. 

Mes. (saugt ihm an der 

Hand. ) Hier sind drei Trop- 
fen Blut. Mit denen schreibt 
man die Worte: „Hama 
fuje mena flije" und deinen 
Namen. 

Faust. Was bedeutet 
das? 

Mes.: Das bedeutet so- 
viel, dass wir den Vertrag 
geschlossen haben, den ich 
abgeben muss. 

Faust. Verschaffe mir 



120 



will- dir so viel Blut ohne 
Schmerz aussaugen , wie 
viel du brauchen wirst. 
Reiche mir nur die Hand. 
Faust. Da hast du sie 
also, aber dass ich nicht 
das mindeste spüre (reicht 

ihm die Hand). Vart, du 

brennst. Sita, was bedeu- 
tet das? Da sehe ich drei 
Tropfen Blut und in ihnen 
die Buchstaben : „ Libro 
vide!** 

Mef. BriT! Faust, das 
bedeutet so viel, dass du 
in Kürze mit mir den Con- 
tract abschliessen sollst, 
damit ich zu unserem 
Fürsten Pluto zurück fort- 
fliege, welche Freude er 
daran haben wird. 

Faust. Fliege also fort, 
und in kurzer Zeit fliege 
herbei, deinen Gontract zu 
holen. 

Mef. Brrr! (fliegt weg). 

Faust (tritt aus dem Kreise) 

Faust, diesmal ruft dich 
das Glück von allen Sei- 
ten (ab). 

IV. Scene. 
Pimp. Das ist schaku- 



also feines Papier und eine 
Feder, und ehe eine halbe 
Stunde vergeht, sollst du 
den schriftlichen Gontract 
von mir haben. (Veriässt 

den Kreis und geht ab.) 

Mes. Der ganzen Hölle 
werde ich Freude machen, 
weil ich einen so klugen 
Schriftgelehrten betrogen 
habe. Genug ist er in den 
Schriften geübt, aber von 
mir lässt er sich doch über- 
listen. (Kichernd ab.) 



III. Scene. 
Kasperle. Dann Mesis- 



121 



lintisch mit dieser mei- 
ner Frau, immerfort schickt 
sie mich in den Wald nach 
Schwämmen, und zwar jetzt, 
wo keine wachsen. Aber, 
Jemine, was seh' ich da? 
da ist ein Gärtchen. Der 
wird sicher der allerletzte 
Landwirth sein, der hier 
Kopfkohl pflanzen wollte. 

(Blickt anf deu Kreis), ah, ich 

weiss schon, was das ist. 
Johann Doktor Fausts Vo- 
gelherd. Wenn er sagt 
„perluke", so gehen die 
Vögel heraus und wenn er 
sagt herkule — aber das 
werde ich nicht früher sa- 
gen, sondern dann, bis ich 
darin sein werde. (Springt 
in den Kreis.) Schon bin ich 
da, also wenn er sagt 
perluke, so gehen die Vö- 
gel aus dem Vogelherd, 
und wenn er sagt herluke, 
so gehen die Vögel. 
V. Scene. 

Pik, Brrr! 

Pimp. I, dass dich der 
Teufel! Das ist ein tüch- 
tiger Vogel, was ist das 
wohl flir ein Vöglein? 



tofl und böse Geister. 

Kasperle. Jetzo war 
ich im Zimmerchen mei- 
nes Herrn und dort habe 
ich ein kleines Bttchlein 
gefunden, in welchem steht, 
dass hier irgend ein Gärt- 
chen sein soll, wo man 
Vögel ohne Vogelleim fängt. 
Dabei mus ich sagen — 
nein, jetzt darf ich das 
nicht sagen, früher werde 
ich mir das Gärtchen fin- 
den (erblickt den Kreis). Aha, 

das ist es vielleicht. — 
Ich werde gleich hinein- 
steigen. (Steigt i^ den Kreis.) 
So ists gut, jetzt fange 
ich an, zu fangen (schaut in 

den Hut, wo er es aufgezeichnet 
hat). „Piluke". 



Mesistofl (erscheint). 

Kasperle. Was ist 
das für ein Vogel? Er hat 
zwei Ffisse wie ich, das 
wird wahrscheinlidi ein 



122 



Eiu Star ists nicht, eine 
Drossel auch nicht, aber 
ein Rabe wird's sein, — 
Lieber, du passt mir nicht 
in meinen Käfig, I, das 
ist ein schöner Vogelherd, 
schade, dass ich keinen Sack 
mitgenommen habe. Perluke 

(der Teufel fliegt weg). Ob's 

dort wohl mehr giebt; 
herluke ! 

Ein anderer Teufel. 
Brrr! 

Pimp. So einen habe 
ich noch nicht gesehen, 
das ist kein Babe, keine 
Drossel, kein Star, aber 
ich weiss , das wird 
eine Amsel sein, weil er 
eine lange Nase hat. Lie- 
ber, du passt ganz und gar 
nicht in meinen Sack. Per- 
luke! Aber sieh nur, mei- 
ner Kehl, der ist gestutzt, 
der hat schon im Käfig 
sein müssen. Ist ihrer 
wohl dort noch mehr? 
Herluke. 

Mef. Brrr. Pimperle, 
was lässt du mir in der 
ganzen brennenden Hölle 
nicht Buhe und citierst uns 



Elefant sein, aber mir ge- 
fällt er nicht. — „Padluke ! « 

Mesistofl (verschwindet.) 

Kasperle: Jetzt wieder 
einen andern, (ruft) Piluke! 



Ein böser Geist (fliegt 

herbei und bleibt vor dem Kreise 
stehen). 

Kasp.: Nein, solche Vö- 
gel hab' ich mein Lebtag 
nicht gesehen , ich muss 
ihn wegscheuchen. (Ruft 

irrigerweise statt „padiuke'' ei- 
nigemale „Piluke!^ der Geist 
rührt sich nicht.) Das iSt 

ein verfluchtes Scheusal, 
dass er sich nicht rühren 
will. — Piluke! — Piluke! 

(Auf jeden solchen Ruf erscheint 
ein neuer Geist.) 

. Geist. Warum citierst 
du uns aus dem Abgrund 
und gibst uns keine Buhe? 

Kasperle. Ich citiere 
euch nicht, ich fange Vögel, 

Geist. Komm aus diesem 
Kreise heraus. 



123 



unuöthigerweise auf diese 

Welt? 

Pimp. (seufzt auf). Je- 
mine, können denn die Vögel 
auch reden? 

Mef. Ich bin kein Vogel. 

Pimp. Und was bist du 
denn für ein Ding? 

Mef. Ich bin der Teufel. 

Pimp. I, das war' der 
Teufel , ich habe ja den 
Teufel nicht gerufen, ich 
habe Vögel gelockt. 

Mef. Brrr, Pimprle, 
geh' aus dem Kreise her- 
aus. 

Pimp. Komm du her! 

Mef. Ich darf nicht, 
brrr. 

Pimp. (nachäffend). Brrr, 
ich darf auch nicht. 

Mef. Brrr, steig aus 
dem Kreise heraus, denn, 
wenn ich dich bekomme, 
so werde ich dich in hun- 
dert Stücke zerreissen. 

(Geht näher zu ihm^ läuft um 
den Kreis , wiU Pimprle aus 
diesem herausbekommen. Sie 
streiten miteinander. Mef. will, 
dass Pimprle herausgehe, Pim- 
prle wieder will, dass er zu ihm 



Kasperle. Kommt ihr 
darein ! 

Geist. Wii* dürfen nicht 
hinein. 

Kasperle. Und ich darf 
nicht heraus. 

Geist. Gut hast du 
dich berathen; denn wenn 
wir dich herausbekämen, 
so zerreissen wir dich in 
hundert Stücke. 

Kasperle. Da seid ihr 
zu dumm dazu, und ich 
werde jetzt erst nicht 
liinausgehen. 

Die Geister (hüpfen um 

den Kreis herum und greifen 
nach Kasperle). 

Kasperle (mit ausge- 
streckten Armen sich im Kreise 
drehend, ruft.) Piluke! — 

Püuke! — Piluke! — 

(Darauf erscheinen neue Geister.) 

— Ach, ich habe mich ver- 
sprochen. (BUckt in den Hut, 
ruft :) Padluke ! — Padluke ! 

— Padluke! - 

Die Geister verschwinden. 

Kasperle. Da bin ich 
in Seh weiss gekommen. 
Statt „ Padluke " schreie 
ich immerfort „ Piluke !** 



124 



komme , endlich bekommt er 
Furcht und fängt an zu schreien. 

Je, je, je, herluke, perluke, 
herluke, perluke. (Der Teu- 
fel fliegt weg.) 

Pimp. Seht ihr ihn, er 
hat tatrminet tanzen wollen. 
Das wird jetzt schön wer- 
den, wenn ich nur weiss, 
dass mir der Teufel in 
diesem Kreise nichts thun 
darf. Warte, du schwarzer 
Kerl, jetzt schmier dir 
die Kniekehle mit Hasel- 
fett, ich muss erfahren, 
wie geschwind du bist. 
Herluke, perluke, herluke, 
perluke (u. s. w. Der Teufel 
muss immer herbei und wieder 
wegfliegen. Pimprle fftUt auf 
die Erde und lacht laut). Dass 

dich die Pest, da habe ich 
ihn drangekriegt. Ich weiss, 
dass der Schelm von Teufel 
Wuth hat, wunder, dass 
ihm die Galle nicht zum 
Knie heraustritt ; aber was 
liegt mir an ihm. Jetzt 
aber wird es schlimmer 
sein, wie ich von hier nach 
Hause komme, es kann 
auf mich der Schelm von 



G-eist erscheint. 

Kasperle. Oho! schon 
ist er wieder da; jetzt 
werde ich mir von ihm 
gar nicht mehr helfen. 
Aber ich weiss, was ich 
thue: ich nehme das Rad 
mit und er dai-f mir nichts 

thun. (Erhebt das Rad und geht 
ab, der Teufel hinterdrein.) 



125 



Teufel lauern und schnappt 
mich dann^ wie ein Roth- 
kehlchen eine Fliege. Aber 
ich muss es versuchen 

(steckt einen Fnss heraus, der 
Teufel fliegt herbei, Pimprle 
fängt an zn schreien: Herlnke, 
perlnfce, der Teufel fliegt fort). 

I, das ist ein Schelm, wie 
er mir hat auflauern wollen. 
Ich werde jetzt hier ver- 
faulen oder verschimmeln 
mttssen, der Teufelshabicht 
wird jetzt immerfort auf 

mich lauern. (Im Kreise sit- 
zend, bewegt er ihn.) Ah, SChau 

schau, es bewegt sich das, 
gut, jetzt setz' ich mich 
so drauf und gelange mit 
dem Schieben bis nach 
Hause. Da habe ich dem 
Schelm von Teufel das 
Gesicht ausgewischt, und 
zu Hause pflanze ich mir 
Mutterkraut hinein (schiebt 

sieh mit dem Kreise fort). 

VI. Sceae. 

(Hinter dem Vorhang ist Faust 

zn hören.) Nunmehr beginne 
ich den Contract zu schrei- 
ben. Ego Johannes. — 

Engel, (iässt sich verneh-' 



Verwandlung. 

(Der Felsen öf&iet sich, und 
inuen sitzt Fanst und rüstet 
sich, indem er auf einem Steine 
vor sich Papier liegen hat, znm 
Sehreiben.) 

IV. Scene. 

Faust. Engel (aeigt 
sieh dreimal in der Lneft). Me* 
sistofl. 

Faust. Nun schi*eibe ich : 
Ego Johan — 



126 



men). Fauste, Faust, was 
thust du. dass du dich den 
Teufeln verschreiben lässt; 
überwinde dich, und krieche 
ihnen nicht in ihren Rachen. 

Faust. Sita, was geht 
da vor, meine Feder aus 
meiner reichten Hand ist in 
Verlust gerathen. Homo 
vide, was bedeutet das? 

Mef. Brrr! Faust, das 
bedeutet soviel, dass du 
schläfst und nicht weisst, 
was dir die Mäuse gethan 
haben, denn sie haben dir die 
Feder aus der Hand geris- 
hen, schreibe nur geschwind, 
du hast ja Federn genug 
hier. 

Faust. Also fange ich 
zu schreiben an: Ego Jo- 
hannes Doktor Faust. 

Engel. Fauste, Fauste! 
Memento mori! 

Faust. Was geschehen 
ist, das ist geschehen ; schon 
ist mein Name mit meinem 
eigenen Blute unterschrie- 
ben. Wem das Schreiben 
angehört, der kann kommen 
und es aus meiner Hand 

nehmen (erscheint auf der 



Engel. Faust, denke an 
die Ewigkeit. 

Faust (welchem jedesmal 
bei den Vierten des Engels eine 
Feder aus der Hand verschwindet). 

Was bedeutet das, Mesis- 
tofl? Die Feder ist mir 
aus der Hand verschwunden. 

Mesistofl. Aus Un- 
achtsamkeit ist sie dir ent- 
fallen. Du hast dort andere 
Federn genug, wähle dir 
und eile. 

Faust. Nun schreibe 
ich Ego Johan — 

Engel. Faust, denke 
an die Ewigkeit. 

Faust. Wieder ist mi r 
die Feder verschwunden. 

Mesistofl. Du hast Fe- 
dern genug, trachte nur, 
dich zu beeilen! 

Faust. Nein, nein, das 
wird etwas anderes sein, 

aber (schickt sich zum Schreiben 

an). Jetzo schreibe ich : Ego 
Johan Doktor Faust — 

Engel (mit schon achwa- 
cher Stimme). Faust, Faust, 
denke an die Ewigkeit! 

Faust (nimmt statt der 
verschwundenen eine neue Feder, 



127 



Bühne). No, ihr höllischen 
Geister, schon habet ihr 
euere Bezahlung, ihr sollt 
aber erfahren, dass ihr sie 
bei mir sauer verdienen 
werdet. Mefistofl! wo bist 
du? stelle dich zum Dienste. 

Mef. Brrr! Faust, was 
begehrst du? nun kannst 
du keck befehlen, und wenn 
du verlangst, dass dir 3000 
Teufel zu Hilfe kommen 
sollen, sollen sie in dem 
Augenblicke hier sein. 

Faust. Ich habe keinen 
Contract auf 3000 Teufel 
geschlossen , sondern auf 
dich allein. Was ich wollen 
werde, musst du mir zu 
Willen thun. Nunmehr ehe 
ich nach Hause komme, will 
ich Silber, Gold, theuere 
Perlen, Edelsteine und an- 
dere kostbare Kleinodien, 
Pferde und Vieh die Menge 
haben, damit ich keine Noth 
leide. 

Mef. Brrr! Faust, dein 
Herz wird vor Freude ju- 
beln, bis du in deine Zim- 
mer blicken wirst; denn du 
wirst kaum dieThüre öffnen 



schreibt längere Zeit, worauf er 
ans dem Felsen heranstritt und 
den Zettel dem Mesistuil ttber- 
giebt). Hier hast du die Ver- 
sicherung auf meine Seele, 
das sage ich dir aber, dass 
ich mit dir den Vertrag 
schliesse. Was ich befehlen 
werde, das musst du thün, 
und in nichts darfst du mir 
widersprechen. 

M e s i s 1 f 1. Sorge nicht ! 
Was du befehlen wirst, 
werde ich dir thun. An 
nichts wird es dir fehlen, 
und bis du in deine Zimmer 
kommst, findest du dorten 
Gold und Silber genug. 



128 



vor lauter Silber und Gold. 

Faust. Also hast du in 
Kürze se für mich gesorgt? 

Mef. Brrr! Faust, ganz 
gut. 

Faust. Das will ich 
mir gerne ansehen. 

Mef. Daher fasse meinen 
Bücken , im Augenblicke 
sollen wir dort sein. (Der 

Vorhang föllt.) 

m. Aufzug. 

(Fausts Wohnung.) 

I. Scene. 
Faust (ruft). Mefistofl, 
rufe mir meinen Wagner 
her, dass er mich ankleide. 
Ich möchte gerne ein anderes 
Land ansehen, denn ich 
habe gehört , dass der 
König von Portukäl mor- 
gigen Tags ein grosses Fest 
halten wird, bei welchem 
Beilager ich mich gerne be- 
finden würde. 

Mef. (schreit mit hässlicher 
Stimme) Wagner! (ab.) 

n. Scene. 
Wag. Was befehlen 
Offizienz Ihro Gnaden? 
Faust. Mein Wagner, 



Faust. Es freut mich, 
dass du so für mich sorgst. 
— Aber höre, Mesistofl! 
Ich habe in der Zeitung 
gelesen, dass die Verlobung 
der persischen Prinzessin 
Frolina stattfinden wird. 
Gerne wäre ich bei diesem 
Feste dabei, besuchen wir 
den persischen König, und 
so werde ich mir Ergötzung 
die Fülle linden. — Jetzt 
tritt ab, dass ich meinen 
Wagner rufe! 

Mesistofl (entfernt sich). 

Faust (ruÄ). Mein treuer 
Fakner ! 



V. Scene. 
Fakner. Faust später 
Kasperle. 
Fakner. (tritt auf und 



126 



ich fibergebe dir mein Haus 
und die ganze Wirtschaft 
bis zu der Zeit, dass ich 
aus Portukäl zurückkomme. 

Wagner. Offlzienz Ihre 
Gnaden, das ganze Haus 
und die ganze Wirthschaft, 
das wäre für eine Person 
sehr viel. 

Faust. No, falls du 
hier einen geschickten Kerl 
zu deiner Hand hast, so 
rufe ihn hierher, und ich 
werde ihn zu deiner Aus- 
hilfe dingen. 

Wagner (geht mit einer 
Yerbeugung ab, ruft hinter dem 

Vorhange). Pimprle , geh 
grade zu meinem Herrn! 

P imp. (hinter dem Vorhang). 

Sage, dass ich nicht grad 

gehen kann. 

Wagner. Dummer 

Mensch, geh du, wie du 

kannst, geh nur bald! 
P i m p. Sage, bis ich mir 

die Hosen umgeworfen 

habe, würde ich kommen. 
Wagner. Ich sage dir, 

komm. 

Pimp. Warte nur, ich 

muss mir noch die Hand- 
Kraus, Böhm. Pappenspiel Faust. 



sieht sich farchtsam um). Was 

befehlen Sie , Ew. Gnaden ? 

Faust. Mein Fakner ! 
Hier hast du den Schlüssel 
von meinem Zimmer; ich 
tibergebe dir mein ganzes 
Haus, und darum gib mir 
auf alles wohl acht! 
Ich will mich auf einige 
Monate in die Welt begeben, 
damit ich wieder etwas 
Neues sehe. 

Fakner. Ew.Gnaden! was 
belieben sie da mir aufzu- 
erlegen ? Ich allein kann das 
ganze Baus nicht leiten, und 
darum belieben Sie, mir die 
Erlaubnis zu geben, dass 
ich mir zur Hand einen 
Diener aufnehmen könne. 

Faust. Wenn du von 
einem Diener weisst, nimm 
dir ihn, und ich selbst werde 
ihn zahlen. 

Fakner. ünterthänigst 
danke ich, Ew. Gnaden ! Es 
ist einer hier, der sich mir 
schicken würde, und er geht 
hier irgendwo mit einem 
Korbe nach Schwämmen 
herum, (ruft). He, Freund, 
kommt her! 

9 



130 



schabe an die Füsse ziehn. 

Wagner (nach einer Weile). 

Was raaclist du dort so 
lange? 

Pinip. Jetzt ziehe ich 
die Hemdärmel an, und 
falls du's nicht glaubst, 
komm dirs ansehen, dass 
ich nackt bin. 

Wagner. Ich sage dir, 
lass das Scherzen und 
komme zu meinem Herrn! 

Plm p. (tritt auf). Schaku- 
lintisches Leben, nicht ein- 
mal ordentlich anziehen^ 
kann sich der Mensch (stösst 

unachtsam anFaust).Rohrspatz ! 
Faust (erschrickt) . Ich 

bitte dich, mein Wagner, 
was nimmst du dir da für 
einen dummen Menschen? 
Ich bemerke ja, dass es 
ein völliger Tölpel ist. 

Pimp. Wenn ich euch 
gefalle, — so liegt euch 
nichts daran. Wenn ich 
nur auf der Welt der ein- 
zige Tölpel wäre! 

Faust. Möchtest du dich 
nicht zu mir in Dienst 
dingen lassen? 

Pimp. I, warum nicht, 



K asperleOäuft herbei). Da 
bin ich. 

Faust Wolltest du den 
Dienst bei meinem Fakner 
annehmen? Hier hast du 
Angeld, einen Dukaten. — 
Was aber mein Fakner 
befehlen wird, musst du 
ausführen, und Lohn be- 
kommst du dafür reich- 
lich, (ab.) 



131 



dienen werde ich genug, 
wenn ich Geld und Zahlung, 
Essen und Kost bekomme 
und alles Uebrige; dienen 
werde ich genug. 

Faust. Also wenn du 
Lust zu dienen hast, so 
gebe ich dir hier einen 
Dukaten auf Wein, lauf 
und trink auf meine Ge- 
sundheit (ab). 

Pimp. (juchzt). Ju, chu, 
chu, jetzt geh' ich in den 
Apollosaal und werde trin- 
ken, Karten spielen und 
tanzen, bis die Absätze 
über die Schultern fliegen 

(wiü weglaufen). 

Wagner (fängt ihn). In 
kein Wirtshaus gehst du, 
bevor du nicht Wasser und 
Holz gebracht hast, dann 
spring du, wohin du willst. 

Pimp. So? Mein- Herr 
hat mir nicht gesagt, ich 
solle Wasser spalten u. Holz 
schöpfen gehen, mein Herr 
hat mir gesagt, dass ich auf 
seineGesundheit trinken soll 

Wagner. Schon habe 
ich dir gesagt, jetzt komm 
mir nach (ab). 



VI. Scene. 

Vorige ohne Faust. 

Kasperle: Das hier 
ist ein anderer Herr! Der 
wirft nur mit den Dukaten, 
anders als Ihr. Jetzt aber 
geh' ich und das wird eine 
ordentliche Kneiperei für 
das Geldstück. 

Fakner. Du darfst nicht 
fortgehen , sondeni musst 
früher deine Arbeit ver- 
richten. Bis du fertig bist, 
kannst du gehen, wohin du 
willst. — Wie heisst du? 

Kasperle. Ich heisse 
Kasperl Schalk. 

Fakner. Du wirst mir 
also, Kasperle, zu Hause 
Holz spalten und reines 
Wasser herbeitragen (ab). : 

Kasperle. Ich werde 
dir die Holzscheite an den 
Kopf werfen und in dem 



9» 



132 



Pirap. Geh, geh, Wen- 
zel knochiger, ich werde 
dir das Holz an den Kopf 
werfen, und das Wasser, 
das wirst du dir weinen 
können. 

lil. Scene. 

Mefistofl (kommt herbei- 
geflogen). 

Pimprle (erschrickt und 
fällt, er seufzt auf). Jemine, 
es ist gefehlt! 

Mef. Pimprle, weisst du 
denn auch, wo dein Heri: 
ist? 

Pimprle. Jemine, 
wo ist denn mein Herr? 

Mef. Dein Herr ist von 
hier 3000 Meilen weit. 

Pimp. Das lügst du in 
deinen Hals, 300 mal, wie 
der Teufel, denn ich habe 
jetzt mit ihm gesprochen, 
und er hat mir einen Du- 
katen auf Wein gegeben 

Mef. Pimprle, als wir 
auf der Reise waren, hat 
sich dein Herr deiner er- 
innert ; im Augenblick sollst 
du dort bei ihm sein. 

Pimp. Jemine, was 
wUrde denn der Magen 



Wasser werde ich dich 
baden. Lieber werde ich 
jetzt ins Wirtshaus gehen 
und für den Dukaten werde 
ich nur lustig genug sein. 

VII. Scene. 
Mesistofl. Kasperle. 

Easp. Ach, das ist 
einer von den Vögeln! — 
was bist du für ein Ding? 

Mes. Ich bin Doktor 
Fausts Diener. 

Kasp. Und ich sein 
Lakai. Sieh, das hab' ich 
nicht gewusst, dass ich 
einen Teufel zum Kame- 
raden haben werde. — Wo 
ist mein Herr, Brüder 
Teufel? 

Mes. Ich habe ihn zum 
persischen König befördert, 
und jetzt schickt er mich 
nach dir, damit du kom- 
mest, ihm die Speisen auf 
die Tafel zu tragen. 

Kasp. Ich gehe hin, 
Brüderchen, wenn nur dort 
zu essen und zu trinken 
sein wird. 

Mes. Alles wirst du 
dort reichlich bekommen, 



».. _ •• •■ 



133 



sagen, wenn ich so weit 
zappelte. 

Met*. So lange wir auf 
der Reise sein werden, 
werden wir uns an Speise 
und Trank gar nicht er- 
innern. 

Pimp. Wo hast du 
denn irgend einen Wagen 
oder Kutsche? 

M ef. Hier fasse meinen 
Rücken. 

Pimp. Drehe dich also 

um (Mef. dreht sich um). Du 

bist glatt wie ein Reib- 
eisen. Wohin soll ich mich 
setzen? ich falle ja von 
überall herunter (besieht ihn 
immerfort). 

Mef. (dreht sich um). Mach! 

Pimp. Also dreh' dich 
um , hier hast du keinen Sitz. 

Mef. Trachte nicht, mit 
mir zu scherzen, oder ich 
zerreisse dich in hundert 
Stücke. 

Pimp. (fasst seinen Rücken, 
— er fliegt fort.) 

Pimp. Wart, dass ich 

nicht falle. (Hinter der Scene.) 

Jemine, schon bin ich 
Über Prelouö, 



nur darfst du nicht ver- 
rathen, dass mein Herr 
Faust heisst. Wenn du 
das thätest, drehe ich dir 
den Hals um. 

Kasp. Dann gehe ich 
lieber nicht hin, denn wenn 
du mir den Hals umdreh- 
test, könnte ich nichts 
essen und trinken. 

Mes. Klettere also auf 
mich und fasse mich gut 
an! Ich werde mit dir 
rasch fliegen, weil ich um 
die zwölfte Stunde dort 
sein muss. 

Kasp. (steigt Mesistofl auf 
den Rücken, fasst ihn um den 
Hals und der Geist fliegt mit 
ihm fort). 

Der Vorhang fallt. 



134 



IV. Aufzug. 

K^iglicher Saal auf der Burg 
von Portukäl. 

I. Scene. 

König (inmitten des Hof- 
staates). Ei, seid gegrüsst, 
meine getreuesten Hof- 
herren, freuen wir uns dar- 
über, dass uns Gott der 
Herr aufs neue eine ehe- 
liche Verbindung geschenkt 
hat; ich befehle euch je- 
doch, dass niemand am 
heutigen Tage in unsere 
Burg zugelassen werde, 
der unserem Stande nicht 
ebenbürtig wäre. 

II. Scene. 

Pimp. (über der Bühne). Ich 

sage dir, Teufel, schaukel 
nicht, ich fall', schaukel 
nicht, ich fall'! (indem fäUt 
er vor die Füsse des Königs). 
König (erschrickt). Was 

erblicke ich da mit meinen 
Augen, ein Menschlein vor 
meine königlichen Füsse 
fallen. Was begehrst du, 
Freund ? 

Pimp. (jammert). Epe — 

pe — pe! 



Dritter Aufzug. 

(Garten des persischen Königs, 
zu beiden Seiten sind Postamente 
und auf diesen rechts die Bild- 
säule des Eiesen Goliath, links 
Davids mit der Schleuder in der 
Hand. Im Hintergrunde auf 
einem erhöhten Orte sitzt der 
König mit der Prinzessin, neben 
ihnen zwei Minister.) 

I. Scene. 

König. Prinzessin. 

Minister. 

Später Kasperle. 

König (erhebt sich und 

spricht): Freuet euch, meine 
Hofherren, dass wir in 
Gesundheit diesen Tag er- 
lebt haben! Meine theuere 
Prinzessin hat ihr Ziel er- 
reicht. — Nun gebe ich 
den Befehl, dass sich hier 
niemand sehen lässt, der 
unserem Stande nicht eben- 
bürtig ist, und der sich 
nicht zuvor anmelden lässt. 
Kasperle (fliegt aus der 
Luft herab und bleibt mitten 
im Garten stehen und spricht 

für sich) : Dieser Teufel hat 
kein bisschen Verstand, d?iss 



135 



König. Bist du denn 
stumm? 

Pimp. Stumm, stumm, 
stumm. 

König. Schad' um dich, 
Mensch, dass du stumm 
bist, denn nach deiner 
Körperkleinheit erkenne ich 
Geschicklichkeit; wir könn- 
ten von dir irgend einen 
Schwank oder Spass er- 
fahren. Wie lange bist du 
denn aber stumm? 

Pimp. So lange, als 
ich nicht rede. 

König. Warum also 
verleugnest du vor uns 
deine Sprache ? Woher bist 
du oder Avas bist du? 

Pimp. Ich darf es nicht 
sagen, dass ich Doktor 
Fausts Diener bin, sonst 
würde mich der Teufel 
holen. 

König. I was ? Doktor 
Fausts Diener? 

Pimp. Ja, oder sein 
Lakai. 

König. Oder sein La- 
kai. Ich habe seit meiner 
Jugend von seiner grossen 
Gelehrsamkeit gehört, da- 



er mich hieherstellt und 
dabei mir befiehlt, dass ich 
stumm sei. 

König. Meine Getreuen ! 
Wie ist dieser Mensch her- 
gekommen? {Zw Kasperl): 
Auf welchem Wege bist 
du zu uns gelangt? 

Kasperle. Em, em, 
em. 

König: Ich frage dich, 
wo herum bist du zu uns 
gekommen ? 

Kasperle: Em, em, 
am, pon. 

König. Mir scheint, dass 
der Kerl stumm ist. — 
Bist du etwa stumm? 

Kasperle. Ei ja. 

König. Wie lange? 

Kasperl. Seit der Zeit, 
dass ich mich nicht unter- 
redet habe. 

König. Sage mir, wer 
dein llerr ist! 

Kasperl. Ich darf es 
nicht sagen, dass mein Herr 

(sieht sich nach allen Seiten um) 

Faust heisst; wenn ich das 

verriethe, würde mir der 

Teufel den Hals umdrehen. 

König.Fau9t?D^iuHerr 



186 



rum, verstehst du, du Klei- 
ner, geh zu deinem Herrn, 
dass ich ihm mein unter- 
thäniges Compliment ent- 
biete, dass er so gut sei 
und uns hier ein wenig 
besuche. 

Pimp. Da wird nichts 
draus, ich kann mich nicht 
rühren bei 7 Kreuzer 
Strafe. 

König. Geh nur, dein 
Donceur oder Diskretion 
wird dir nicht verloren 
gehen. 

Pimp. (abgehend). das 

hat keine Noth, solche 
grosse Herrn versprechen 
gern, — aber ungerne 
geben sie. 

König. Meine getreuen 
Höflinge, ich freue mich 
darüber, dass wir heutigen 
Tages eine Unterhaltung 
erblicken werden. (Es klopft 
an der Thüre*) Herein. 
III. Scene. 

(Faust kommt, verneigt sich vor 

dem König, worauf sich beide 

begrüssen.) 

König. Ah, schön will- 
kommen, das freut uns alle 



ist der Doktor Paust? — 
Nimm diesen Dukaten und 
führe ihn her zu uns. 

Kasperl. Schon gehe 
ich ihn suchen (läuft ab). 

König. Gewiss werden 
wir grosse Kurzweile ge- 
messen, wenn wir den 
Herrn Doktor Faust her- 
bekommen werden. 



IL Scene. 

Faust. Vorige ohne 

Kasperl. 

Faust (vortretend, verbeugt 

sieh). Euer Erlaucht! nehmt 
es mir nicht übel, dass ich 



137 



sehr, dass Sie uns in un- 
serer Versammlung ein 
wenig besucht haben ; darf 
ich denn aber auch nach 
Ihrem Namen fragen? 

Faust. Ihre Königliche 
Majestät, mein Name ist 
Johannes Doktor Faust. 

König. Johannes Dok- 
tor Faust. Ich höre oft, 
dass Sie ein gelehrter, in 
grossen Künsten ausgelern- 
ter Mensch sein sollen. 

Faust. Was Sie be- 
fehlen würden, soll nach 
Ihrem Willen geschehen; 
wenn Sie befehlen würden, 
dass die Fische in der Luft 
fliegen, oder die Vögel im 
Wasser schwimmen; oder 
irgend ein todter Körper, 
welcher selbst über 300 
Jahre in der Erde liegt; 
in dem Augenblicke soll 
er hier sein. 

König. Johann Doktor 
Faust, sehr würde es mich 
freuen, wenn Sie mir die 
schöne Jungfrau Eleonora 
vorstellten, welche ein so 
schönes Frauenzimmer war, 
dass die Stadt Fayia zu 



mich erkühne. Euer Gna- 
den mich vorzustellen! Ich 
bin der wohlausgelernte 
Doktor Jan Faust aus 
Mailand, und geruhen Sie 
zu befehlen, so könnte ich 
Erlaucht mit irgendwelchen 
Künsten bedienen. Wenn 
todte Körper dreihundert 
Jahre im Grabe lägen, auf 
mein Gebot gelangen Sie 
zur Auferstehung und keh- 
ren auf die Erde zurück. 
Wenn ich wollte, würden 
die Fische in der Luft 
schwimmen und die Vögel 
unter dem Wasser fliegen. 
— So gross ist meine 
Kunst. 

König. Doktor Jan 
Faust! Grosse Freude 
habet Ihr mir bereitet, dass 
Ihr uns besucht habt, denn 
ich habe von Euch gehört, 
dass Ihr ein unübertreff'- 
licher Künstler sein sollt. 
Ich habe mir gewünscht, 
Euch erblicken zu können, 
und jetzt kommt Ihr selber 
so unerwartet und saget, 
dass Ihr mir mit einigen 
Künsten dienen wollet. Ihr 



138 



Grunde ging, denn die Stu- 
denten Hessen keinen Stein 
auf dem andern. Die 
würde ich also gerne er- 
blicken. 

Faust. Das soll nach 
Befehl geschehen. (Geht zwi- 
schen die Coulissen und ruft): 
AUa Strik. Pik, Mefistofl 
und alle zusammen, stellt 
mir vor die schöne Jung- 
frau Eleonöra. (Blitz und 

Donner, — Eleonöra erscheint.) 

König. Gut, das ist sie, 
sie hat sicherlich ein sehr 
schönes Frauenzimmer sein 
müssen. Aber JohannDoktor 
Faust, was uns noch freuen 
würde, wenn Sie uns vor- 
stellten den König Alexan- 
der, welcher ein sehr weiser 
und kluger Mann war. 

Faust. Wenn Sie be- 
fehlen, im Augenblicke soll 
er hier sein (ruft bei Seite): 
AUa Mefistofl und alle zu- 
sammen, stellt mir vor den 
König Alexander. (Blitz und 
Donner, worauf Alexander er- 
scheint.) 

König. Das ist ganz 
seine Gestalt, mit diesen 



saget , dass dreihundert 
Jahre todte Körper auf 
Euer Geheiss sich beleben ; 
etwas solches begehre ich 
aber von Euch nicht. Ich 
habe aber in den König- 
lichen Büchern gelesen, wo 
verzeichnet ist, dass unter 
König Saul ein grosser 
Krieg mit dem unüber- 
windlichen Riesen Goliath 
war, und dass der König 
Saul in seinen Landen ver- 
kündigen Hess, wer den 
Riesen erschlage, würde 
die Hälfte des Königreichs 
und seine Tochter zur Ge- 
mahlin erhalten. Der kleine 
David bestrebte sich, zum 
Könige zu gehen und ihn 
zu ersuchen, er solle ihm 
die Erlaubnis geben, sich 
dem Riesen entgegenzu- 
stellen. Der König, als er 
seine Bitte angehört, sprach 
zu ihm folgendermassen : 
„Kehre zurück, Jüngling, 
in die Wohnung deines 
Vaters, denn deine Jugend 
ist bedauernswert, und vom 
Himmel müsste dir Hilfe 
kommen, wenn du diesen 



139 



zwei Leuten wäre es lieb, 
ein paar Worte zu sprechen, 
doch was hilft's, wenn das 
alles Staub, Asche und 
Koth ist. Allein Johann 
Doktor Faust, das scheint 
mir keine menschliche Kunst 
zu sein, weder eine mathe- 
matische noch astrono- 
mische, sondern nur eitel 
höllisches Blendwerk. Da- 
her weise ich ihn auf die 
Minute aus meiner Burg 
aus, oder wenn er sich 
nicht gleich von hier weg- 
l)egibt, so lasse ich ihn 
wie einen Zauberer auf 
dem Scheiterhaufen ver- 
brennen. — Trachtet mich, 
meine getreuen Höflinge, 
von hier zu begleiten, da- 
mit wir durch diesen Zau- 
berer nicht in ein Unglück 

kommen. (Einer nach dem an- 
dern ab.) 

IV. Scene. 
Pimp. Hab' ichs doch 
gesagt, dass sie mir davon- 
laufen werden, aber wart, 
der letzte muss zahlen. — 
Halt! 



Riesen verderben solltest." 
— Der kleine David bat 
umsomehr, die Erlaubnis zu 
erhalten, er habe in seiner 
Seele eine gute Ueberzeu- 
gung von seinem Siege. Der 
König sagte ihm also,er solle 
im Namen des Herrn gegen 
den Riesen gehen. Der 
kleine David begab sich 
darauf in die Wohnung 
seines Vaters, nahm die 
Schleuder und wählte sich 
im Bächlein drei Steine. 
Darauf bezeichnete er sich 
mit dem Zeichen des hei- 
ligen Kreuzes und eilte 
an den Ort, wo der Riese 
wohnte. Dort stellte er 
sich ihm entgegen, schwang 
die Schleuder, schoss einen 
Stein und schlug ihm ihn 
dritthalb Zoll tief in den 
Kopf. So vertilgte er diesen 
Riesen vom Erdboden. — 
Wenn Euch das nicht 
schwer fiele, würde ich die 
zwei Kämpfer gern er- 
blicken. 

Faust. Ich werde das 
nach Gefallen Euer Er- 
laucht thuu (geht beiseite, 



140 



Höfling. Was willst 
du, verkümmerter Knirps? 

Pimp. Ich bekomme 
meine Diskretion, dass ich 
meinen Herrn gerufen habe, 
und wenn alle davonge- 
laufen sind, so halte ich 
dich auf, bis du mir be- 
zahlst. 

Höfling (wirftihnzurErde). 

Da hast du die Bezahlung. 
Pimp. I, das glaub ich, 
das dank dir der Teufel, 
das sind weder Kuchen 
noch Fladen, aber wart, 
du Philister, wie er die 
Flügel auf mich ausspannt, 
wie ein Tauber, wenn er 
die Taube angirrt. Ich 
werde dich aber, du Tam- 
bour, anräuchern, dii Schoss- 
ablecker! (ab.) 



gleich darauf wird es dunkel, 
und mit Länn steigen der Biese 
Goliath und David aus ihren 
Postamenten heraus und stellen 
sich vor dem König auf). 

Faust (zurückkehrend). Be- 
fiehlt Euer Erlaucht etwa 
mehr? 

König (nähert sich David). 

Eine sichere Wahrheit ! 
Das ist der David, der so 
tapfer war, dass er sich 
vor den grausamen Riesen 
stellen konnte; Vom Him- 
mel hat dir die Hilfe kom- 
men müssen, dass du es' 
zustande brachtest, den 
Riesen zu vernichten. Gerne 
würde ich mit dir reden, 
aber es ist nicht möglich, 
das von dir zu verlangen, 
denn ich sehe, dass du 
Asche und Koth bist. 

(Wendet sich zu Goliath, er- 
schrickt): und das hier ist, 
meine Getreuen, der grau- 
same Riese. Grosse Angst 
umfängt mich, und ich 
glaube, dass etwas ähn- 
liches der Doktor Jan 
Faust gar nicht thun kann; 
das ist keine natUrlichQ 



141 



V. Scene. 

Faust (geht zornig aaf und 

ab). Mefistofl, WO bist du? 

Mef. Brrr, Faust, was 
verlangst du? 

Faust. Mefistofl, hast 
du von dem portukalischen 
König gehört, was er mir 
gesagt hat, dass ich für 
meine Kunst verdiene, dass 
ich als Zauberer auf dem 
Scheiterhaufen verbrannt 
werde? 

Mef. Ganz gut. 

Faust. FürdiesenStreich 
werde ich mich an ihm, wie 



Sache, und er will uns mit 
seinen Kttnsten alle blen- 
den. Darum weise ich ihn 
aus dem Lande; er ent- 
ferne sich aus meinen Re- 
gionen, denn für seine 
Kunst verdient er, auf dem 
Scheiterhaufen verbrannt zu 
werden. Geleitet mich, 
meine Lieben, von hier. 
Vor Angst sterbe ich. (Ab 

mit der Prinzessin und den Mi- 
nistern.) 

Faust. Da ist Fausten 
eine schöne Ehre geschehen. 
— Mesistofl, komm her. 
lU. Scene. 

Mesistofl. Faust. 

Mes. Faust, was ver- 
langst du? 

Faust. Weisst du denn 
nicht, was mir der per- 
sische König jetzt tun 
will? Ich verdiene, sagt 
er, nichts anderes, als 
gefasst und als Zauberer 
auf einem Haufen Holz 
verbrannt zu werden. Was 
werden wir ihm dafür tun ? 
Weisst du was, nimm diese 
zwei Gestalten von hier, 
an dieser Stelle wirst du 



142 



sichs gehört, rächen. Nun 
gehst du und erregst mir ein 
Gewitter undDonnerwetter, 
dabei regst du mir alle 
Meeresungeheuer auf; die 
Vögel lässt du im Wasser 
schwimmen und die Fische 
in der Luft fliegen. Ich 
werde sodann auf einem 
Meerross reiten, wobei du 
mir vor mir eine Brücke 
aufbauen wirst, die du 
liinter mir wieder sammeln 
wirst. Dann wirst du mir 
eine Kneipe auf dem Wasser 
bauen, woselbst ich Kegel 
schieben werde, welche du 
mir immer aufstellen wirst ; 
und bis der König von 
Portukäl aus dem .Fenster 
darauf schauen wird, dann 
möge ihm ein gi'osses Hirsch- 
geweih anwachsen, so dass 
er mit dem Kopfe weder 
aus noch ein kann. Und 
so werde ich mich an ihm 
aufs beste rächen. 

Mef. Brrr, Faust, du 
verlangst von mir eine 
unmögliche Sache, wo hätte 
ich denn den Blitz unter 
meiner Macht? Gewitter 



Wasser vorstellen, und auf 
dem Wasser Seeungeheuer, 
dann wirst du ein Donner- 
wetter und Blitze schaffen , 
ich werde mich auf das 
Wasser begeben , werde 
Kegel schieben und du 
wirst sie stellen. Ein sol- 
ches Schauspiel wird den 
Herren sehr wunderbar sein. 



Mes. Faust, was denkst 
du denn? Ich soll diese 
Arbeit verfertigen, diese 
zwei Geister wegnehmen, 
dann Gewitter, Blitz und 



143 



und Donnerwetter habe ich 
nicht in meiner Gewalt, 
also verlange das nicht von 
mir. Sonst werde ich dir 
alles zu Gefallen tun. 

Faust. Du höllischer 
Geist, du musst mir das 
tun. 

Mef. Brrr, Faust, ver- 
lange das nicht von mir 
(fängt an za weinen), brrr, 
oder wenn du gegen mich 
Gewalt gebrauchen willst, 
brrr, so will ich dir deinen 
Zettel zurückgeben. 

Faust. Du höllischer 
Geist, ich habe mit dir den 
Contract geschlossen, dass 
du mir tun musst, was ich 
will, und wenn du mir 
nicht gehorchst, so nehme 
ich einen Stutzen und werde - 
auf dich schiessen. 

Mef. (fliegt fort und schreit 
hinter dem Vorhange mit weiner- 
licher Stimme): Strik, Pik, 
Anberon und alle zusam- 
men, trachtet mir behilf- 
lich zu sein, denn es ist 
Faust sehr erzürnt. 

Faust. Was ich will, 
das muss geschehen. (Ab.) 



Wasser bewirken? Das 
ist mir nicht möglich, zuthun. 
Du willst mich sehr quälen, 
nimm von mir deinen Con- 
tract und mehr will ich 
von dir nichts wissen. 

Faust. Höllisches Un- 
geheuer ! Den Contract 
willst du mir zurückgeben? 
— Ich werde dich also 
anders quälen ! Jetzt gleich 
führst du mir das schnellste 
Pferd herbei ; darauf werde 
ich mich setzen und du 
musst mir mit lauter Kiesel- 
steinen den Weg pflastern, 
wo ich reiten werde. Aus 
Sand wirst du mir Stricke 
flechten und ihn in Garben 
binden. So quäle ich dich 
von heute an. (Eilt ab nnd) 
der Vorhang fällt. 



144 



V, Aufzug. 

Seegegend, schreckliches 
Gewitter, man sieht ver- 
schiedene Tiere schwim- 
men, Pimprle fährt auf 
einem Kahn, Faust (reitet) 
auf einem Meerross; dieser 
schiebt sodann Kegel. 

VI. Aufzug. 

Fausts Zimmer. 
I. Scene. 

Faust (rnft hinter dem 

Vorhang): Was ist das hier? 

Mef. Das ist Amerika. 

Faust. Was ist das 
Mer? 

Mef. Das ist Afrika. 

Faust. Was ist das 
hier? 

Mef. Da sind wir in 
Australien, und da sind die 
Andamanischen und Niko- 
barischen Inseln, da wie- 
der die Insel Helena — 
auf welcher Bonapart ge- 
storben ist. 

Faust. Was ist das- 
hier? 

Mef. Das ist Asien, wo 
mein Kamerad Eva den 
Apfel reichte. 



Vierter Aufzug. 

(Zimmer im Hause Fausts.) 
I. Scene. 

Faust. Mesistofl. 

Faust. Warte, warte, 
du höllisches Ungeheuer! 
Das habe ich um dich 
verdient? Weisst du, wie 
wir über dem Meere flogen 
und ich dich bat: „Mesis- 
tofl, sei so gut und schwebe 
mit mir auf die heilige 
Strasse von Jerusalem 
herab, damit ich das hei- 
lige Kreuz küssen kann!^ 

— Weisst du, welche Ant- 
wort du mir gegeben hifist? 

— Ehe ich dir das täte, 
sagtest du, würde ich dich 
lieber in tausend Stücke 
zerreissen und in dieses 
Meer werfen. (Zornig): Da- 
für wirst du mir jetzt 



145 



Faust. Was ist das? 
Mef. Da sind wir zu 

Haas (kommt mit Faust ins 
Zimmer geflogen). 

Faust. Mefistofl, hast 
du, als wir über Jerusalem 
flogen, das Crucifix gese- 
hen, das über uns im Winde 
schwebte ? 

Mef. Ganz gut. 

Faust. Also verstehst 
du, ich hätte gerne ein 
solches Crucifix gemalt, 
trachte es mir zu ver- 
schaffen. 

Mef. Brrria, Faust, ver- 
lange das nicht von mir, 
dass ich dir das Crucifix 
aufmale, dazu müsste ich 
über 4000 Teufel auftreiben. 

Faust. Was ich will, 
musst du mir zu Willen tun. 

Mef. (fliegt fort und schreit 
hinter dem Vorhange): Alla 

Strik, Pik, Auberon und 
alle zusammen , trachtet, 
mir hilfreich zu sein, denn 
es ist Faust sehr erzürnt, 
ich soll ihm ein Crucifix 

verfertigen (bringt ein Cru- 
cifix). Brr, Faust, sieh, 
ist das Crucifix gut gemacht? 



nach Portukäl gehen und 
bei dem grössten Kauf- 
manne dort wirst du Far- 
ben, Pinsel und Firniss 
kaufen; aus Begensburg 
wirst du mir Leinwand 
bringen, und dann musst 
du mir das Crucifix so, 
wie ich es gesehen habe, 
aufmalen, weil ich es hier 
zum Andenken zurücklassen 
will. 

Mesistofl. Faust, was 
verlangst du da? Ich darf 
mit meiner Hand kein Cru- 
cifix malen; nimm dir den 
Contract zurück, und alle 
Verpflichtungen werde ich 
dir von Herzen gerne ver- 
zeihen. 

Faust. Pack dich, oder 
ich schiesse dich todt. 

Mes. (verschwindet). 

Faust (setzt sich und steht 
nach einer kleinen Weile, als der 
Geist zurückkehrt, wieder auf). 

Mes. (bringt schwarze Lein- 
wand). Hier hast du, Faust, 
die Leinwand. 

Faust. Spasse nicht mit 
mir und male das Crucifix 

— oder (greift nach der Pistole). 



Kraus, Böhm. Pappenspiel Faust. 



10 



146 



Faust (besichtigt das Kreuz). 

Du hüllischer Geist, aller- 
dings ist das Crucifix gut 
verfertigt, aber wo hat es 
die Inschrift, die ihm Pila- 
tus gegeben hat? 

Mef. Brrr, Faust, ver- 
lange das nicht von mir, 
denn gut weisst du, dass 
die Schrift des Pilatus uns 
höllische Geister weit fort- 
jagt. 

Faust. Du höllischer 
Geist, kann das Crucifix 
ohne dies sein ? Also trachte, 
es zu verfertigen. 

Mef. Brrr, Faust, ver- 
lange das nicht von mir, 
denn ich will dir lieber 
den Zettel zurückgeben. 

Faust. Also, wenn du 
es niclit malen kannst, so 
sage es mir, und ich werde 
es mir selbst zu Ende 
ziehen. 

Mef. Brrr, Faust, wenn 
ich das sagen könnte, so 
würde ich es auch zu malen 
verstehen. 

Faust. Also, wenn du 
es weder sagen noch malen 
kannst, so will ich es mir 



Mes. Faust, warte ein 
wenig. Ich bin bereit, 
lieber zu malen, als nach 
mir schiessen zu lassen. 

(Malt schnell das Bild). Da ist, 

was du verlangt hast. 

Faust. Gut! Das ist 
das Crucifix, welches ich in 
Jerusalem gesehen habe, 
aber bisher ist es nicht zu 
Ende gemacht. 

Mes. Was fehlt ihm? 
Kein Mensch kann es ta- 
deln. 

Faust. Wo ist denn die 
obere Inschrift geblieben? 

Mef. Sprich diesen Na- 
men vor mir nicht aus, denn 
er vertreibt mich auf drei- 
hundert Schritte von dir. 
Ehe du ihn aus dem Munde 
lässt, muss ich dich in 
tausend Stücke zerreissen. 

Faust. Ich werde ihn 
dir nicht nennen. Ich werde 
einenBleistift aus derTasche 
ziehen und werde ihn dir 
aufzeichnen, und du musst 
ihn zu Ende malen. 

Mes ist. Wenn ich ihn 
malen könnte, könnte ich 
ihn auch zeichnen ; ich kann 



147 



selber zü Ende ziehen, du 
aber stehe bei mir und 
höre gut zu, denn in Wahr- 
heit, Gott verlangt vom 
Menschen keine unmög- 
lichen Dinge, also werde 
auch ich, du höllischer 
Greist, von dir sie nicht 
verlangen (steHt sich zu dem 
Bilde und beginnt die Inschrift 
zu nennen): Jesus, (Mefistofl 
entläuft). Mefistofl, WO bist 
du? 

Mef. (fliegt herbei). Brrr, 
Faust, nenne vor mir die 
heiligen Namen nicht,, denn 
gut weisst du , dass sie 
uns höllische Geister auf 
300 Meilen vertreiben. 

Faust. Du musst hier 
stehen! (sagt): Jesus von 
Nazareth, König der Juden. 

(Mef. entläuft, Faust kniet nie- 
der und betet, ein Engel schwebt.) 

Mef. (fliegt herbei). Brrr, 
Faust, was machst du da? 
Du neigst dich doch wohl 
nicht davor, ich habe es 
ja mit meiner eigenen Hand 
gemalt. 

Faust. Geh, du hölli- 
scher Geist, aus meinen 



ihn aber weder malen noch 
zeichnen und muss es lassen. 

Faust. Das Crucifix 
kann nicht ohne Inschrift 
bleiben, daher werde ich 
sie selber malen. ^ 

Mes. Du sollst mich bei 
dir gar nicht sehen, (fliegt 

fort.) 



Faust. Schon hat er 
mich verlassen. Ich habe 
ein Büchlein bei mir, von 
dem der Teufel nie gewusst 
hat, das werde ich nehmen 
und werde mit Inbrunst zu 

Gott beten. (Zieht das Buch 
heraus und liest) : Amor mens 
crucifixus, es ist meine Liebe 
gekreuzigt. Sieh! wie ich 
mir selber den Himmel zu- 
geschlossen habe, ich habe 
nicht an dich und dein 
Blut gedacht, welches für 
mich vergebens geflossen 
sein soll. Von der Welt 
liess ich mich betrügen und 
deiner, mein Schatz, habe 
ich vergessen. Gestatte, 



10» 



148 



Augen, nun habe ich um 
meine Seele Sorge. 

Mef. (fliegt fort und schreit 
hinter der Scene) : Brrr, Pik, 
Strik, Auberon und Pluto 
und alle zusammen, trachtet 
euch einer als Weib zu 
verkleiden. Paust beginnt 
uns zu bereuen. Brrr, so 
viel wir ihm auch gedient 
haben, vielleicht kommen 
wir diesmal um ihn (bringt 

eine Jungfrau auf die Bühne). 

Brrr, Faust, Faust, Faust! 
brrr, schau nur auf, brrr, 
nui' mit einem Auge, brrr, 
welch eine schöne Jungfrau 
ich dir hergeführt habe, 
brrr, nur mit einem Auge, 
brrr, blick her! 

Faust. Geh von mir. 

Mef. Brrr, das ist eine 
schöne Jungfrau (schiebt sie 
unausgesetzt Faust vor Augen), 

brrr, welche verdient, von 
dir geliebt zu werden ; brrr, 
oder wisse, brrr, dass, wenn 
du sie nicht ansiehst, du 
es bis an deinen Tod be- 
dauern wirst. 

Faust (stösst ihn mit der 
Hand weg). Geh, du hölli- 



wenn ich dessen anders wür- 
dig bin, deine heiligen Filsse 

zu küssen (küsst das Kreuz). 

Mesistofl (erscheint). Was 
denkst du? was tust du? 
Wie ich ein Weilchen nicht 
bei dir bin, ist dir schon 
bange. Hast du nicht 
Schätze genug? — Ich 
werde dir ihrer die Fülle 
verschaffen. 

Faust. Weiche von mir 
mit deinen Schätzen! Ich 
habe jetzt meinen Schöpfer 
vor Augen und hoffe, dass 
er mich zu Gnaden auf- 
nimmt. 



IL Scene. 

Jungfrau. Vorige. 

Mesistofl (ist hinwegge- 
eilt und führt eine reizende 
Jungfrau herbei). Faust! ich 
sehe, dass du so betrübt 
bist, und darum habe ich 
für dich gesorgt. Hier, 
dies schöne Geschöpf ver- 
dient dein Lieben — sieh 
dich um! 

Faust. Ich soll mich 
auf ein weibliches Geschöpf 



149 



scher Geist , weg von 
mir. 

Mef. (schiebt ihm sie wie- 

der vor Augen). Brrria, Fäust- 
chen, Fäustchen, — ver- 
schmähe brrr ein solches 
Vergnügen nicht. 

F a U S t. (nach einer Weile). 

Siehst du, du höllischer 
Geist, ich werde es dir zu 
Willen thun, dass ich die 
schöne Jungfrau ansehe, 
allein es thut dies meine 
Neugierde, dabei setze ich 
zur Seite die Ewigkeit. 

(^Kehrt sich um, der Teufel fliegt 
davon, das Crucifix verschwindet. 
Faust verneigt sich vor dem 
Frauenzimmer). Ah, unterthä- 
nigster Diener, mein gelieb- 
tes Herz, spazieren sie in 
mein Cabinet-Zimmerchen, 
auf einige Tassen Kaffee 
und eine Portion Butterteig 

(fasst sie unter dem Arm und 
geht ab). 

IL Scene. 

M e f. (fliegt herbei und lacht). 

Brrr, ha, ha, ha, mein Leb- 
tag bin ich nicht so glück- 
lich gewesen, so leicht einen 
Menschen unterzukriegen. 



umsehen und die Ewigkeit 
beiseite setzen? — Nein, 
ich werde das nicht thun, 
ich werde nicht neugierig 
sein. 

Mesist. Bis zum Tode 
wirst du's bedauern , wenn 
du dich nicht umsiehst. 

(Führt die Jungfrau bis zu Faust, 
diese fasst ihn um den Hals, er 
kehrt sich um, der Teufel sammt 
dem Crucifix verschwindet.) 

Faust. Schön ist dieses 
Geschöpf und verdient, ge- 
liebt zu werden ; komm mit 
mir, theuerer Schatz, dass 
wir uns näher kennen lernen 

(ab mit der Jungfrau). 



IIL Scene. 
Mesistofl, dann Faust. 
Nunmehr lacht die ganze 
Hölle, weil ich ihn so be- 
trogen habe. Er wird sich 
allerdings ärgern, allein 
was liegt an seiner Wuth? 



150 



ihn zur ewigen Verdamnis 
zu verlocken (fliegt weg). 

ni. Scene. 

Faust. I, ihr erzhölli- 
schen Geister, dass euch 
in diesem Augenblicke der 
Blitz nicht trifft, der Lump 
hat mich schändlich be- 
trogen, denn er sagte 
mir, dass er eine schöne 
Jungfrau zum Lieben be- 
sorgt hat, und indessen 
war es der scheusslichste 
Teufel aus der brennenden 
Hölle. Mefistofl, wo bist 
du? Stelle dich zum Dienste 
ein. 

IV. Scene. 

Mef. Brrr, Faust, was 
verlangst du? 

Faust. Du höllisches 
Ungeheuer, du hast mir 
gesagt, dass du eine schöne 
Jungfrau zum Lieben be- 
sorgt hast, und als ich 
sie ansah, da war es der 
allerhässlichste Teufel. Wie, 
kannst du denn den feinsten 
Häckerling machen? 

Mef. Brrr, Faust, noch 
feiner als ein Mohnkorn. 



Wie es zwölfe geschlagen 
hat, ist er mit Leib und 
Seele mein. 



Faust (kehrt zurück). Un- 
geheuer höllisches ! So 
schändlich betrügst du 
mich? Ich dachte, eine 
schöne Dame vor mir zu 
haben, und als ich sie an- 
sah, war es der hässlichste 
Teufel. 

M e s. Wer Vögel fangen 
will, darf nicht nach ihnen 
werfen. — Allein bereite 
dich, zwölf wird es gcbla^ 



151 



Faust. Also, verstehst 
dn. den feinsten Häcksel 
wirst du schneiden, aus 
ihm Strohbänder binden 
und am Meere gesammelten 
Sand in Garben binden. 

Mef. Brrr, Faust, das 
werde ich dir kaum tun, 
denn deine Frist läuft am 
heutigen Tage ganz und 
gar ab. 

Faust (erzürnt sich, wüteud) 

Du erzhöllischer Geist, wie 
könnte das sein? Gerade 
sind heute 18 Jahre ver- 
flossen, dass ich dich auf 
36 Jahre gedungen habe. 
Mef. Ist schon recht, 
aber jeder Knecht hat bei 
seinem Herrn in der Nacht 
Ruhe, du hast uus aber 
gehindert bei Tag und 
Nacht, so haben wir das 
Recht, die Nacht als Tag 
zu zählen. Deine Frist 
läuft ab, bereite dich zum 
Tode (ab). 

V. Scene. 
Faust. Die erzhöllischen 
Geister, wie schändlich sie 
mich betrogen haben, in 



gen, und dann bist du mit 
Leib und Seele mein. 

Faust. Was sagst du 
da? Erst achtzehn Jahre 
sind es, dass du bei mir 
dienst. 

Mesistofl. Das haben 
wir aber nicht ausgemacht, 
dass ich dir Tag und Nacht 
dienen soll, und weil ich 
es gethan habe, machen 
achtzehn Jahre sechsund- 
dreissig und mit der zwölften 
Stunde bist du mein (fliegt 
weg). 



IV. Scenc. 
Kasperl. Fakner. 

Faust. 
Kasperl. Herr, beliebet 



152 



den schönsten Jahren soll 
ich das Leben verlieren 
(sieht sich um). Ist denn keiner 
von meinen Bedienten hier? 
VT. Scene. 

Pimp. Nein, nein, keiner 
ist hier, als ich, das kleine 
KaSprle. 

Faust. Komm her, mein 
getreuester Diener, einen 
besseren als du habe ich 
nicht. 

Pimp. Was befehlen Sie, 
Herr? 

Faust. Pimprle, was 
gibt's Neues in unserem 
Hause? 

Pimp. Lieber goldner 
Herr, sehr viel Neues. Auf 
unserem Hause sitzt ein 
grosser Vogel und schreit : 
„indicave", indicave, dass 
man euch führen wird in 
die Hölle auf einem Karren. 

Faust. Was sagst du, 
er schreit vielleicht „indi- 
cave est", d. i. Faust, be- 
reite dich! 

Pimp. I, es war kein 
Hund, sondern es war 
schwarz wie eine Katze. 

Faust Pimprle, geh 



zu laufen ! Wenn Ihr aber 
keine Lust habt, tut, was 
Ihr wollt. 

Faust. Was ist ge- 
schehen? (Geht zum Fenster.) 
Draussen ist eine Versamm- 
lung von Menschen und 
blickt her zum Fenster. 

Kasperl. Immerfort 
reden sie etwas von einem 
Karren. 

Faust. Rufe mir Fakner. 






153 



und sieh, ob der Vogel 
noch auf dem Hause sitzt. 

Pimp. (geht ab und kommt 
gleich wieder). Herr, SChon 

sitzt dort neben ihm eine 
weisse Taube , und sie 
raufen miteinander. 

Faust. Also geh und 
sieh, welcher siegen wird; 
wenn die Taube gewinnt, 
bin ich glücklich auf der 
Welt, gewinnt sie nicht, 
so wälzt sich das Unglück 
mir zu. 

Pimp. (dpriiigt fort und 

kommt sogleich). Herr, — die 
Taube hat gewonnen, sie 
ist auf die Erde hinunter- 
gefallen. 

Faust. diesmal ist 
es schlimm, aber ich kann 
dir nicht glauben, geh und 
rufe mir Wagner her. 

Pimp. (geht ab und ruft): 

Wagner, Wagner, du Wag- 
ner, sollst einen halben 
Wagen machen, mein Herr 
wird per Post in die Hölle 
fahren. 

VII. Scene. 
ir«|.ust, Mein Wagner, 



Kasperl (geht hinaus und 

ruft): Fakner! komm einen 
Karren für den HeiTn 
machen, er wird auf ihm 
in die Hölle fahren. 

F akner(kommtmitKa8perl) 
Ew. Gnaden! Draussen ste- 
hen viele Personen und 
rufen: „Fauste, jubikabe!" 

Kasperl. Ja, von einem 
Karren reden sie. 



154 



hier der kleine Kasprle hat 
mir gesagt, dass auf unse- 
rem Hause ein grosser 
Vogel sitzt und schreit: 
„indicave". 

Wagner. Da belügt Sie 
der kleine Kaäprle durch- 
aus nicht, denn wohin wir mit 
unseren Augen blicken,über- 
all erblicken wir das höllische 
Ungeheuer, in jedem Winkel 
sitzt es, finster blickt es; 
Feuer und Schwefel dampft 
aus seinem Rachen ; daher 
habe ich die Ehre, mich 
Ihnen aus dem Dienste ge- 
horsamst zu empfehlen, (ab). 

Pimp. (schreit hinter der 

Scene.) Der Wagner ist ein 
so grosser Ritter und fürch- 
tet sich, so bleibe auch ich 
nicht da. Daher, mein gol- 
dener Herr, wie ich mich 
empfehle, so empfehle ich 
mich. (ab). 

Faust. Komm her, du 
sollst ja wissen, dass ihr 
alles, was nach mir bleiben 
wird, erben werdet. 

Pimp. 0, wenn ich 
wüsste, dass der Teufel nach 
Buch einen Kreuzer lässt. 



F a k n e r. Vor Angst 
käme ich um den Verstand, 
und daher, Ew. Gnaden, 
nehme ich ergebenst aus 
dem Dienste meinen Ab- 
schied. (Neigt sich und geht). 

Kasperl. Ich bleibe 
allein auch nicht hier. Also 
danke schön, und schon gehe 

ich, (läuft ab). 

Faust, (ruft ihm nach). 

Seid ihr denn verrückt ge- 
worden ? Ihr werdet ja nach 
mir erben. 

Kasperl. (kehrt zurück). 

Nun das ginge, aber wollt 
Ihr mir was geben, Herr, 
gebt es früher, ehe Euch 
der Teufel holt! 



155 



so würde ich hier blei- 
ben. 

Faust. Ich weiss, dass 
du der Getreueste bist. Also 
komm her, die heutige Nacht 
wirst du bei mir wachen, 
und wirst mir zwei starke 
Wächter verschaffen, wel- 
chen du für die Stunde einen 
Dukaten versprechen wirst. 

Pimp. Es ist ja kalt 
dorten, wer würde dort 
nachtwächtern? 

Faust. Wenn du die 
Kälte fürchtest, so gebe ich 
dir hier meinen Rock, denn 
ich begebe mich jetzt in 
mein Cabinet-Zimmerchen. 

Pimp. Lasst Ihr Euch 
nur Euern Rock ! Ihr wäret 
schlau; wennmirderSchelm 
vonTeufel begegnete, würde 
er glauben, Ihr wäret es, 
und holte mich, statt Euch, 
(geht ab und ruft). Gevatter 
Cubicär und Vetter Vo- 
mäöka , kommt meinem 
Herrn Wache stehn. 



VIII. Scene. 
Vomäöka. Bei allen 
Teufeln^ bhb, bhb, da wer- 



156 



den wir also stehen. Und 
was ist der Doktor Chroust? 
No, Gevatter Cubicär, wo 
werdet Ihr Euch denn hin- 
stellen, werdet Ihr dahier 
stehen oder dorten? 

V 

Cubicär (mit kmdischer 

Stimme): Ich weiss nicht, 
Gevatter, ich wäre am 
liebsten dort, wo näher 
nach Hause ist. 

Vomäfika. Na, Ihr könnt 
wählen, seilt Euch auf, wo 
es Euch gefällt; mir ist das 
olles ans. 

V 

Cubicär. Ich werde 
mich. Gevatterchen, meinet- 
wegen da hierher stellen. 

Vom. Und ich wieder 

dahier (beide stellen sich auf; 
nachdem die Uhr geschlagen hat, 
hört man) 

Pimperl (singen) Es hat 
zehn Uhr geschlagen , 
steckt den Nachtwächter 
in den Rauchfang. 

Vom. Gevatter Cubicär, 
hört Ihr's, ein Dukaten 
springt in der Tasche — 
Kakraherte, steht, wie von 
Holz! 



/ 



157 



Cub. Er soll nur sprin- 
gen, ich stehe schon. 
M ef. (lässt sich hören). Brrr! 

Cub. Gevatter, hört Ihr, 
wie hier etwas knurrt. 

Vom. Aber zum Teufel, 
lasst es knurren. 

Mef. (schlägt Cubicär)Brr! 

Cub. (läuft) Gevatterchen 
Vomäfika ; habt Ihr gehört, 
wie's da geknallt hat? 

Vom. I, den Teufel habe 
ich gehört. 

Cub. Gevatterchen, ich 
bitte Euch, kommt dorthin 
mit mir, es "knurrt dort 
immerfort etwas. 

Vom. Zum Teufel, wenns 
knurrt, lasst's knurren ! ich 
sage Euch, es wird sicher 
die Schecke kalben, geht 
nur und seht. 

Mef. Brrr! 

Cub. Ge — ge — gevat- 
terchen, hört, ich bleibe 
nicht da. 

Vom. (geht zu ihm): Ge- 
vatter, wartet, da wird 
Nachbar Stöndferas Hündin 
ärgern (ruft): Gevatter Stßn- 
d6ra, bindet Euere Hündin 



158 



an, der Gevatter fürchtet, 
sie könnte ihn beissen. 

V 

Cub. Ge — ge— gevat- 
terchen Stfendfera , bindet 
Euere Hündin an , ich 
fürchte, sie beisst mich. 

Vom. No , jetzt habt 

Ihr Ruhe (geht auf seinen 
Platz). 

Mef. Brrr. 

Cub. Ge— gevatter, es 
knurrt wiederum. 

Vom. Ich werde Euch 
sagen, Gevatter, Euch fehlt 
nichts, als Deutsch zu kön- 
nen. 

Cub. Gevatterchen, 
wenn ich das könnte! 

Vom. Nun, ich werde 
es Euch lehren. Hört, wenn 
zu Euch etwas Böses kommt, 
so schreit nur das militä- 
rische vollberechtigte Wort : 
Holt wer do! 

Cub. Holt, holt — wie 
geht das weiter, Gevatter? 

Vom. Wer do? 

Cub. Perho. 

Vom. Na, und dahabt 
Ihr's schon, -und wenn er 
gut ist, so antwortet er 
Euch: „Kut fraind.« 



15Ö 



Cub. .Kudlfrei.'' 

Vom. Jetzt steht, und 
fürchtet Euch vor dem 
Teufel selber nicht. 

Mef. Brrr. 

Cub. Gevatter, hört Ihr? 
Holt, holt, per ho, kudlfrei! 

(Mef. zieht ihm eins über). Ge- 

vatterchen, geht dort auf 
den Platz. 

Vom. Ihr habt es ja 
gewählt, so steht dort. 

Cub. Ich bitte Euch Ge- 
vatterchen, geht hin. 

Vom. Na, weil Ihr mein 
Gevatter seid, so tue ich 

es Euch, (sie wechseln die 
Plätze). 

Mef. Brrr. 

Vom.Holtverdo! (bekommt 
einige Schläge.) Bei allem, der 
schlägt zu wie bei der Lici- 
tation, ist denn mein Rücken 
commiss? (geht von dort). 
Gevatter, geht dorthin auf 
den Platz, ich habe ihrer 
schon genug für Euch aus- 
gestanden (sie wechseln die 
Plätze, die Uhr schlägt 11). 

Gevatter hört! 

IX. Scene. 

Pimp. (Kommt mit einer 



160 



Laterne nnd singt) : Es hat 11 

Uhr geschlagen, jeder Geist 
lobe den Herrn, bewahrt 
das Licht, das Fe u e r , steckt 
die Kerze in das Werg, 
schlaft mit Gott, und du 
Buriä§ gegenüber, bewahr' 
uns unsere Rübe, dass sie 
uns nicht zuB rei gefriere— 
und die Kartoffeln auch. 

(Beleuchtet die Bauern). So, SO, 

steht gut, und den Satanas 
lasst nicht herein, (ab). 
X. Scene. 

Vom. Gevatter, hört zu, 
wie uns die Dukaten in die 
Tasche regnen, (nach einem 
Weilchen schläft er ein.) 

(5ub. Ich höre zu (be- 
kommt einige Schläge), Je, je. 
(läuft, der Teufel fliegt vor ihm 
nieder). 



XL Scene. 

Mef. (kommt zu Vom., der 
erwacht). 

Vom. (geht zu Mef. in der 
Meinung, es sei CubicÄr). Lieber 

Gevatter, mir scheint, es 
hat schon eins geschlagen, 
denn — no kakraherte 

(springt zurück) holt verdo ! 



161 



Mef. Zu Faust will ich 
gehen. 

Vom. In die Hölle lass' 
ich dich, nicht zu Faust 

(sie ringen, bis Mefistofl Vomä,cka 
znr Erde wirft, dann geht er weg). 

XII. Scene. 

Mef. Was hast du dir 
da ausgedacht, eine Wache 
bei dir aufzustellen, deine 
Frist ist abgelaufen, zwölf 
hat's geschlagen, du musst 
also mit uns gehen. 

Faust. Mef., erlaube mir 
wenigstens noch eine Stunde 
hier zu verweilen, bis ich 
nach Wittenberg ein Brief- 
lein anfertigen kann, dass 
man wisse, welches Todes 
ich von der Welt scheide. 

Mef. Brrr, nicht eine 
Minute, bereite dich zum 
Tode! 

Faust (ruft die Kinder zu- 
sammen) : Kommt her näher, 
ihr unschuldigen Seelen, 
zündet mir Lampen und 
Fackeln an und leuchtet 
mir zu meinem Grabe. 
Hier seht ihr, wie die Welt 
in diesem einzigen Zeit- 
punkte allen leichtsinnigen 



V. Scene. 

Mesistofl. Vorige. 

Kasperl. Schon ist der 
Postillon hier, jetzt wird 
man fahren. 

Mes. Faust, zwölf wirds 
schlagen. 

Faust. Mesistofl, lass 
mich nur noch einen ein- 
zigen Monat hier, dass ich 
eine Schrift hinterlassen 
und von der Welt Abschied 
nehmen kann. 

Mes. Nicht eine Stunde. 
— Schon bist du in aeter- 
num natus. (Indem schlägt 

es zwölf, Mesistofl packt Faust, 
mehrere Teufel erscheinen im 
Zimmer, und bei Blitz und Ge- 
witter fliegen die Geister mit 
Faust hinweg.) 

Kasperl (die Arme aus- 
streckend): Jemine! (fäUt 
zu Boden). 

Der Vorhang fällt rasch. 



Kraus, Böhm. Pappenapiel Faust . 



11 



162 



Kindern heimzahlt, wie ich 
gewesen bin. Darum höre 
ich die Höllenthore in 
meinen Ohren knarren , 
das Höllengesindel beginnt 
mich schon an den Füssen 
zu beissen, der Tod zielt 
auf mich, schon ist das 
Ende da, in diesem Augen- 
blicke. 

Mef. (mit deu übrigen Teu- 
feln singt) : Oeffne dich, du 
Höllenrachen, dass er un- 
sern Palast schaue. Du 
hieltest uns als deine Göt- 
ter, lästertest den wahren 
Gott, gewinnst die ewige 
Strafe. AUa, Strik, Pik, 
Auberon und alle zusam- 
men, suchet Faust die 
letzte Ehre zu erweisen. 

(Alle umringen ilm und fliegen 
davon.) 



XIII. Scene. 

V 

Cubic. (kehrt zurück zum 
Gevatter, kniet bei ihm nieder 
und schreit ihm in die Ohren): 

He, sag ich, Gevatter, er- 
muntert euch ! (wiederholt sein 
Rufen). 

Vom. (streckt sich, dann 



163 



steht er auf). Meiner Treu, 
wo bin ich denn? — Und 
Ihr seid auch da, Gevatter! 
Schade, dass Ihr wegge- 
laufen seid, dem habe ich 
ihrer aufgezählt, bis mir 
das Gesicht brennt. 

Cub. Lieber Gevatter, 
ich musste weglaufen, etwas 
kam zu mir, und machte 
auf mich Brrr, und ich in 
die Hosen — hrrr. — 

Vom. Also lasst Euch 
sagen, Gevatter, ich habe 
für zwei gestanden, ich 
werde für zweiGeld nehmen, 
und Ihr, weil Ihr weg- 
gelaufen seid, bekommt 
nichts. 

Cub. Und Ihr, Gevatter, 
erzählt, dass ich wegge- 
laufen bin, und ich werde 
erzählen, dass Ihr geschlafen 
habt, und wir kriegen beide 
nichts. 

Vom. Also machen wir 
es so, Ihr sagt nicht, dass 
ich weggelaufen bin, und 
ich sage nicht, dass Ihr 
geschlafen habt, und geht, 
schreit mir den Schamperl 
herbei, dass er Euch aus* 



!!• 



164 



zahlt ; ich gehe indessen auf 
ein Gläschen Schnaps, (ab). 

Cub. Cam, — öam — 
ßamperle, wer zahlt denn 
hier aus? 

Pimp. Seid ihr schon 
hier, ihr struppigen Kerle? 

Cub. Versteht sich, sind 
wir's, und wir wollen das 
Geld für die Wache. 

Pimp. Gleich schicke 
ich den Cassierer her. (schreit 

hinter dem Vorhang) geh' hin- 
aus auf den Bauern und 
schlag ihm das Maul voll. 
XIV. Scene. 
Hausknecht, (fleckt ihn 

ohne aUe Gegenwehr. Obe VOS 

vUst? 

V 

Cub. Ach Gott, er schickt 
mir einen Deutschen her, 
und ich kann nicht deutsch, 
und der Gevatter ist nicht 
da! 

Hausknecht. Obe vos 

Vilst? (schüttelt ihn). 

V 

Cub. Ich bitte, Väter- 
chen , ich wollte gerne 
von der Wache die Du- 
katen. 

Hausknecht. V6s, Du- 
katen hoben? 



165 



Cub. Ja, ja, Dukaten. 
Hauskn. Ject klajcli 

(zählt ihm anfs Maul, nach jedem 
Schlage schreit er: „to host" und 
springt dann davon). 

Cub. Das ist die Be- 
zahlung, das sind die Du- 
katen, ei, da wäre ich auch 
nicht gestanden, und wenn 
ich gehaut worden bin, muss 
der Gevatter auch kriegen. 



XV. Scene. 

Vom. Bhb, bhm, he, 
Gevatter, nun, seid Ihr 
schon ausgezahlt? 

Cub. Gevatterchen,ganz 
quitt. 

Vom. Wie denn? Ist 
er brav? 

Cub. sehr brav, ich 
wollte gar nicht mehr neh- 
men, er gab mir ungezählt. 

Vom. Wie Ihr mein 
Gevatter seid, seid Ihr ein 
Esel; ich wollte wieder 
umsonst nehmen, wenn nur 
jemand gäbe. Aber ich 
sage Euch, kommt mit mir 
hin, ich werde ihm ein deut- 
sches Wort vei-setzcn, und 
sagen, er solle Euch zu- 



166 



geben, dass Ihr viel aus- 
gestanden habt, dass Ihr 
Kinder habt. 

Cub. 0, ich will nichts 
mehr, - - gebt nur acht, 
dass Ihr selber zu nehmen 
aufhört, (ab.) 

Vom. Bhb, — wenn du 
nicht willst, willst du nicht, 
ein Narr, wer gibt, ein 
noch grösserer, wer nicht 
nimmt. Ich werde mich 
also selber um die Be- 
zahlung melden; wenn er 
aber genug bekommen hat, 
muss ich noch mehr be- 
kommen. Wo ist denn 
hier wer, mhm, bhb, (hustet) 
Camperle, wo zahlt denn 
hier wer aus? 

Pimp. Ei, was willst 
du, du Kerl von Stroh? 

Vom. Bhb, wo zahlt hier 
wer für die Wache die Du- 
katen aus? 

Pimp. Gleich schicke 
ich den Cassierer her; er 
wird dich auszahlen, wie 
sichs gebürt, he, he, he, 
versteht sich. 

Vom. Em, he, Cam- 
perle, legt ein Wort für 



167 



mich ein, dass er mir zu- 
gebe, ich bitte Euch; ich 
habe ja fast allein gestanden, 
der Gevatter ist wegge- 
laufen, hm, mhm, Ihrwisst's 

ja. — 

Pimp. Gut gut, er wird 

dir ihrer schon herschütteln, 

bis dir das Maul brennen 

wird (ab). Hausknecht, geh 

auf den struppigen Kerl, 

und klopf ihn tüchtig durch, 

er hat mich um Zugabe 

gebeten. 



XVL Scene. 

Hausknecht (fleckt ihn 
gleich). Obe vos vilst, la- 
kramentisches Kerl! 

Vom. I lagrament, der 
hat mich auf Deutsch ge- 
troffen, lagramentischer 
Holländer! 

Hausknecht. Obe vos 
vilst, lagramentisches Bau- 
ernzipfel ! 

Vom. Nun zum Teufel, 
er fragt mich deutsch, und 
ich habe, seit ich vom 
Militär fort bin, alles ver- 
gessen. Aber wart, viel- 
leicht wird es irgendwie 



168 



gehen, Hm, Mhm, ich vul 
varten stätn dukäten 
hon. 

Hausknecht. Vös, vos 
ist vartn stätn dukaten 
hon? Ich var tir geben 
dukaten. 

Vom. So, so, dukaten 
hon. 

Hausk. To host du- 
katen (schlägt ilm einige male 
nach einander — immer schreit er) 
to host. 

Vom. (hält vor Schrecken 

still). I der setzt mir sie ja 
ungezählt — nur noch ein- 
mal! 

Hausk. To host. 

Vom. Noch einmal! 

Hausk. To host! 

Vom. (voll Zorn) Noch 
einmal ! 

Hausknecht. (wieder- 
holt noch einigemaie) Kum 

mir noch mal mit teine 
Kup, ich war tir geben, 
maledeite du (ab). 

Vom. Zum Teufel, deren 
hab' ich gekriegt. Das ist 
eine schöne Auszahlung, 
aber der Gevatter Cubicar 
hätte mir das auch sagen 



169 



können, mit was für Bank- 
noten man hier auszahlt; 
aber wart, Gevatter, bis 
wir nur zusammenkommen ; 
wir werden uns schon aus- 
gleichen. Mhm, hm, was 
thun; aber ihr, Knaben, 
erzählt das keinem, dass 
er micTi so gestreichelt hat; 
ich ertrag'sja noch (ab). 

Pimp. Der hat ihrer 
den Rücken voll aufgelesen. 
Und ergebenster Diener , 
Euer wertes Auditorium , 
für den heutigen Besuch 
danken wir ergebenst, und 
bis es uns gefallen wird, 
werden wir wieder Faust 
spielen. Kasamr hamr , 
ghoschamsterDiener,schöne 
gute Nacht wünsche ich 

Ihnen (macht einige Verbeu- 
gungen). 

Der Vorhang f äUt. 



■*•■♦■ 



Nachträge. 



Zu Seite 3: „An dessen Fusse" ist nicht buchstäblich 

zu nehmen; jedenfalls liegt zwischen dem 
Fausthaus und dem gleich hohen Vysehrad 
nur ein wenig breites und im 15. Jahr- 
hundert auch wenig bewohntes Tal. 

„ „57: Nachzutragen wäre noch „sita", offenbar 

„sieh da!" 

„ „ 58 : Ausgefallen ist die Bemerkung, dass B, s, 

h, ho als Schütz -Dreherische Gruppe be- 
zeichnet werden. 

„ „ 152: unten: es klingt Pimperl wie pes. ,der 

Hund'. 
167 f: Nur die deutschen Worte stehen im Ori- 
ginal, welche mit böhmischer Orthographie 
geschrieben sind. 



7) 



Uuchdi uckerei Maretxke & Martin, Trebnitz in Schlea. 



I .